Horazrezeption in der Renaissance: Strategien der Horazkommentierung bei Cristoforo Landino und Denis Lambin 9783110431643, 9783110438819

The study compares the Horace commentaries by Cristoforo Landino and Denis Lambin, who took diametrically different appr

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Horazrezeption in der Renaissance: Strategien der Horazkommentierung bei Cristoforo Landino und Denis Lambin
 9783110431643, 9783110438819

Table of contents :
Inhalt
1 Einleitung
1.1 Ziel und Gegenstand der Untersuchung
1.1.1 Warum Horaz?
1.1.2 Horazpersona und Kommentatorpersona
1.1.3 Warum Landino und Lambin?
1.2 Forschungsüberblick
1.3 Methodik und Aufbau
1.4 Allgemeine Bemerkungen zur Textgewinnung, Zitierweise und Textdarstellung
2 Allgemeine Übersicht zu den Kommentaren
2.1 Der Horazkommentar Landinos
2.1.1 Zur Person Cristoforo Landinos
2.1.2 Die Widmungsempfänger des Horazkommentars
2.1.3 Das Zielpublikum
2.1.4 Aufbau und Layout
2.1.5 Charakteristika und Wirkung
2.2 Der Horazkommentar Lambins
2.2.1 Zur Person Denis Lambins
2.2.2 Die Widmungsempfänger des Horazkommentars
2.2.3 Das Zielpublikum
2.2.4 Aufbau und Layout
2.2.5 Charakteristika und Wirkung
3 Autorisierung des Horaz und des Kommentators in den Paratexten
3.1 Die Paratexte der Kommentare
3.1.1 Allgemeine Bemerkungen zum Begriff und der Art der Paratexte
3.1.2 Widmungen als Untersuchungsgegenstand
3.2 Horaz als Schulautor
3.3 Landinos Paratexte
3.3.1 Die Darstellung des Horaz als Autorität
3.3.2 Die Darstellung des Horaz als Nicht-Autorität
3.3.3 Landinos Selbstdarstellung
3.3.4 Zusammenfassung: Die Autorisierung des Horaz und die Selbstautorisierung des Landino in den Paratexten des Horazkommentars
3.4 Lambins Paratexte
3.4.1 Das Verhältnis von Autor und Kommentator auf dem Titelblatt
3.4.2 Die Darstellung des Horaz als Autorität
3.4.3 Die Darstellung des Horaz als Nicht-Autorität
3.4.4 Lambins Selbstdarstellung
3.4.5 Zusammenfassung: Die Selbstautorisierung des Lambin in den Paratexten seines Horazkommentars
3.5 Landinos und Lambins Paratexte der Horazausgabe im Vergleich
4 Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren
4.1 Die Problematik der (horazischen) Obszönität von der Antike bis in die Renaissance
4.2 Purgierung als Indikator für problematische Stellen
4.2.1 Übersicht: Purgierte Stellen – Index Obscenitatis
4.2.2 Charakter der Purgierung
4.3 Landinos Kommentierung obszöner Stellen
4.3.1 Rahmenbedingungen für Landinos Umgang mit der horazischen Obszönität
4.3.2 Strategien im Umgang mit Obszönität im Horazkommentar Landinos
4.3.3 Zusammenfassung: Landino als Entschärfer horazischer Obszönität
4.4 Lambins Kommentierung obszöner Stellen
4.4.1 Rahmenbedingungen für Lambins Umgang mit der horazischen Obszönität
4.4.2 Strategien im Umgang mit Obszönität im Horazkommentar Lambins
4.4.3 Erklärungsmöglichkeiten für Lambins Kommentierweise
4.4.4 Zusammenfassung: Lambin als Verschärfer horazischer Obszönität
4.5 Landinos und Lambins Umgang mit horazischer Obszönität im Vergleich
5 Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren
5.1 Die Problematik des Epikureismus in der Renaissance
5.1.1 Der Epikureismus als kontroverse Philosophie von der Antike bis in die Renaissance
5.1.2 Auswahl der zu diskutierenden Stellen
5.2 Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz
5.2.1 Rahmenbedingungen für Landinos Umgang mit dem horazischen Epikureismus
5.2.2 Strategien des Umgangs mit dem Epikureismus im Horazkommentar Landinos
5.2.3 Zusammenfassung: Landino als Katalysator des epikureischen Horaz
5.3 Lambins Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz
5.3.1 Lambins Lukrezedition als Wegweiser für den Umgang mit dem horazischen Epikureismus
5.3.2 Strategien des Umgangs mit dem Epikureismus im Horazkommentar Lambins
5.3.3 Erklärungsmöglichkeiten
5.3.4 Zusammenfassung: Lambin als Befähiger des Lesers
5.3.5 Horaz Epikureismus und der Libertinismus – Ein Exkurs
5.4 Landinos und Lambins Umgang mit epikureischen Passagen im Vergleich
6 Fazit und Ausblick
6.1 Landino und Lambin im Vergleich – Eine Synthese
6.1.1 Landino als Kommentator des Horaz
6.1.2 Lambin als Kommentator des Horaz
6.1.3 Das Bild des Horaz, das Bild des Lesers
6.2 Der Nutzen der Kommentare heute
7 Anhang
7.1 Benutzte Editionen
7.1.1 Landino
7.1.2 Lambin
7.1.3 Glarean
7.1.4 Turnèbe
7.1.5 Horatius expurgatus
7.1.6 Rondelet
7.2 Textausgaben
7.3 Literaturverzeichnis
7.3.1 Online-Quellen und Hilfsmittel
7.3.2 Sekundärliteratur
7.4 Index nominum

Citation preview

Anja Stadeler Horazrezeption in der Renaissance

. WeltLiteraturen . . World Literatures . Band 9

Schriftenreihe der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien

Herausgegeben von Irmela Hijiya-Kirschnereit, Stefan Keppler-Tasaki und Joachim Küpper

Wissenschaftlicher Beirat Nicholas Boyle (University of Cambridge), Elisabeth Bronfen (Universität Zürich), Hans Ulrich Gumbrecht (Stanford University), Renate Lachmann (Universität Konstanz), Kenichi Mishima (Osaka University), Glenn W. Most (Scuola Normale Superiore Pisa/University of Chicago), Jean-Marie Schaeffer (EHESS Paris), Janet A. Walker (Rutgers University), David Wellbery (University of Chicago), Christopher Young (University of Cambridge)

Anja Stadeler

Horazrezeption in der Renaissance Strategien der Horazkommentierung bei Cristoforo Landino und Denis Lambin

Dissertationsschrift, Freie Universität Berlin, 2014. Die Entstehung dieser Arbeit wurde gefördert durch ein Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien an der Freien Universität Berlin.

ISBN 978-3-11-043881-9 eISBN (PDF) 978-3-11-043164-3 eISBN (EPUB) 978-3-11-043177-3 ISSN 2198-9370 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2015 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Coverabbildung: unter Verwendung von Typus orbis terrarum (Weltkarte des Abraham Ortelius). Kupferstich, koloriert, 1571. akg-images. Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Danksagung

Das vorliegende Buch, das sich den vielfältigen Kommentierungsstrategien Landinos und Lambins widmet, entspricht der geringfügig überarbeiteten Fassung meiner Dissertation „Nähe und Distanz. Strategien der Horazkommentierung bei Cristoforo Landino und Denis Lambin, unter besonderer Berücksichtigung obszöner und epikureischer Passagen“, die ich im Wintersemester 2013/2014 an der Freien Universität Berlin eingereicht habe. Mein erster Dank gilt meinem Doktorvater Prof. Dr. Bernd Roling für die Betreuung meines Projekts, die langjährige Unterstützung und die inspirierende Zusammenarbeit. Herrn PD Dr. Nikolaus Thurn danke ich für die Übernahme des Zweitgutachtens und seine hilfreichen fachlichen und methodischen Hinweise. Der Friedrich Schlegel Schule möchte ich für die finanzielle Unterstützung sowie für die hervorragenden Rahmenbedingungen danken. Meinen Kollegen und Freunden, insbesondere Kai Schöpe, gilt mein herzlicher Dank für den produktiven fachlichen Gedankenaustausch und die angenehmen Stunden der Diskussion über das Promovieren. Gordon Süß danke ich für seine Ruhe, seine Geduld und seine wunderbare Gegenwart. Nicht zuletzt gilt mein Dank meinen Eltern, Elke und Peter Stadeler, für ihre immerwährende Unterstützung beim Verfolgen aller meiner Pläne.

Inhalt

1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.2 1.3 1.4

Einleitung .......................................................................................................... 1 Ziel und Gegenstand der Untersuchung ............................................................. 1 Warum Horaz?.................................................................................................... 3 Horazpersona und Kommentatorpersona........................................................... 5 Warum Landino und Lambin? ............................................................................ 6 Forschungsüberblick........................................................................................... 7 Methodik und Aufbau....................................................................................... 14 Allgemeine Bemerkungen zur Textgewinnung, Zitierweise und Textdarstellung ................................................................................................. 16

2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.1.3 2.1.4 2.1.5 2.2 2.2.1 2.2.2 2.2.3 2.2.4 2.2.5

Allgemeine Übersicht zu den Kommentaren................................................ 19 Der Horazkommentar Landinos........................................................................ 19 Zur Person Cristoforo Landinos ....................................................................... 19 Die Widmungsempfänger des Horazkommentars ............................................ 23 Das Zielpublikum ............................................................................................. 25 Aufbau und Layout ........................................................................................... 27 Charakteristika und Wirkung............................................................................ 30 Der Horazkommentar Lambins......................................................................... 32 Zur Person Denis Lambins ............................................................................... 32 Die Widmungsempfänger des Horazkommentars ............................................ 35 Das Zielpublikum ............................................................................................. 37 Aufbau und Layout ........................................................................................... 41 Charakteristika und Wirkung............................................................................ 43

3 3.1 3.1.1 3.1.2 3.2 3.3 3.3.1

Autorisierung des Horaz und des Kommentators in den Paratexten ........ 45 Die Paratexte der Kommentare......................................................................... 45 Allgemeine Bemerkungen zum Begriff und der Art der Paratexte................... 45 Widmungen als Untersuchungsgegenstand ...................................................... 49 Horaz als Schulautor......................................................................................... 51 Landinos Paratexte............................................................................................ 53 Die Darstellung des Horaz als Autorität........................................................... 53

VIII 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.4.4 3.4.5 3.5 4 4.1 4.2 4.2.1 4.2.2 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.4.4 4.5

5 5.1 5.1.1 5.1.2 5.2

Die Darstellung des Horaz als Nicht-Autorität................................................. 60 Landinos Selbstdarstellung ............................................................................... 60 Zusammenfassung: Die Autorisierung des Horaz und die Selbstautorisierung des Landino in den Paratexten des Horazkommentars ..... 64 Lambins Paratexte ............................................................................................ 65 Das Verhältnis von Autor und Kommentator auf dem Titelblatt...................... 65 Die Darstellung des Horaz als Autorität........................................................... 66 Die Darstellung des Horaz als Nicht-Autorität................................................. 70 Lambins Selbstdarstellung ................................................................................ 71 Zusammenfassung: Die Selbstautorisierung des Lambin in den Paratexten seines Horazkommentars ................................................................ 81 Landinos und Lambins Paratexte der Horazausgabe im Vergleich .................. 82 Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren .................... 85 Die Problematik der (horazischen) Obszönität von der Antike bis in die Renaissance....................................................................................... 88 Purgierung als Indikator für problematische Stellen ........................................ 91 Übersicht: Purgierte Stellen – Index Obscenitatis ............................................ 93 Charakter der Purgierung................................................................................ 100 Landinos Kommentierung obszöner Stellen ................................................... 100 Rahmenbedingungen für Landinos Umgang mit der horazischen Obszönität....................................................................................................... 100 Strategien im Umgang mit Obszönität im Horazkommentar Landinos.......... 106 Zusammenfassung: Landino als Entschärfer horazischer Obszönität............. 137 Lambins Kommentierung obszöner Stellen .................................................... 139 Rahmenbedingungen für Lambins Umgang mit der horazischen Obszönität....................................................................................................... 139 Strategien im Umgang mit Obszönität im Horazkommentar Lambins........... 144 Erklärungsmöglichkeiten für Lambins Kommentierweise ............................. 171 Zusammenfassung: Lambin als Verschärfer horazischer Obszönität ............. 177 Landinos und Lambins Umgang mit horazischer Obszönität im Vergleich ........................................................................................................ 179 Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren.................................................................................................. 181 Die Problematik des Epikureismus in der Renaissance.................................. 181 Der Epikureismus als kontroverse Philosophie von der Antike bis in die Renaissance..................................................................................... 182 Auswahl der zu diskutierenden Stellen........................................................... 186 Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz ............................. 188

IX 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.3 5.3.1 5.3.2 5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.4

Rahmenbedingungen für Landinos Umgang mit dem horazischen Epikureismus .............................................................................. 188 Strategien des Umgangs mit dem Epikureismus im Horazkommentar Landinos ......................................................................................................... 193 Zusammenfassung: Landino als Katalysator des epikureischen Horaz .............................................................................................................. 224 Lambins Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz .............................. 226 Lambins Lukrezedition als Wegweiser für den Umgang mit dem horazischen Epikureismus .............................................................................. 226 Strategien des Umgangs mit dem Epikureismus im Horazkommentar Lambins .......................................................................................................... 234 Erklärungsmöglichkeiten ................................................................................ 262 Zusammenfassung: Lambin als Befähiger des Lesers .................................... 265 Horaz‫ ތ‬Epikureismus und der Libertinismus – Ein Exkurs ............................ 267 Landinos und Lambins Umgang mit epikureischen Passagen im Vergleich ................................................................................................... 271

6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.1.3 6.2

Fazit und Ausblick........................................................................................ 273 Landino und Lambin im Vergleich – Eine Synthese ...................................... 273 Landino als Kommentator des Horaz ............................................................. 273 Lambin als Kommentator des Horaz .............................................................. 274 Das Bild des Horaz, das Bild des Lesers ........................................................ 275 Der Nutzen der Kommentare heute ................................................................ 276

7 7.1 7.1.1 7.1.2 7.1.3 7.1.4 7.1.5 7.1.6 7.2 7.3 7.3.1 7.3.2 7.4

Anhang ........................................................................................................... 279 Benutzte Editionen ......................................................................................... 279 Landino ........................................................................................................... 279 Lambin............................................................................................................ 280 Glarean............................................................................................................ 282 Turnèbe........................................................................................................... 283 Horatius expurgatus........................................................................................ 283 Rondelet.......................................................................................................... 283 Textausgaben ................................................................................................. 284 Literaturverzeichnis ........................................................................................ 285 Online-Quellen und Hilfsmittel ...................................................................... 285 Sekundärliteratur............................................................................................. 285 Index nominum............................................................................................... 307

1 Einleitung

1.1 Ziel und Gegenstand der Untersuchung Im Zentrum dieser Untersuchung steht der Vergleich der Kommentierungsstrategien der Renaissance-Gelehrten Cristoforo Landino und Denis Lambin im Umgang mit ihrem kommentierten Autor Horaz sowie dem daraus ableitbaren Verhältnis zwischen Text und Kommentar bzw. Autor und Kommentator. Dabei wird sich zeigen, in welcher Distanz und in welcher Verantwortung sich die beiden Kommentatoren gegenüber ihrem commentandum begreifen1 und wie sich dieses Verständnis in der Kommentierung der einzelnen Stellen darstellt, insbesondere dann, wenn für den Rezipienten problematische Passagen im Horaztext behandelt werden.

1

Dabei wird der Greenblatt’sche Begriff des agonalen „self-fashioning“ eine wichtige Rolle spielen: Stephen Greenblatt, Renaissance Self-fashioning. From More to Shakespeare, Chicago 1980/2005, 1–9. Jedoch kann die ursprüngliche Definition nuanciert werden. Nach Greenblatts Definition würden die Kommentatoren Horaz auch als Autorität gegenüber als feindlich angesehenen Anderen benutzen, denen gegenüber sie sich „fassionieren“ – eine gute Zusammenfassung bietet: Florian Neumann, „Petrarcas literarische Autorität und die Genese der Kommentare zu seinen Rerum vulgarium fragmenta im 16. Jahrhundert“, in Ralph Häfner, Markus Völkel (Hrsg.), Der Kommentar in der Frühen Neuzeit, Tübingen 2006, 46. Florian Neumann, „Autorität, Klassizität, Kanon“, in Gerhard Regn (Hrsg.), Questo leggiadrissimo poeta! Autoritätskonstitution im rinascimentalen Lyrik-Kommentar, Münster 2004, 87–88. Jedoch können wir die „Selbstfassionierung“ der Kommentatoren oft auch gegenüber ihrer kommentierten Autorität Horaz selbst ausmachen, ohne dass diese als feindlich angesehen wird. Sie wäre damit Ausgangspunkt für die Kommentatoren, sich an ihr entlang ein eigenes Profil zu geben. Dies wird angedeutet bei: Florian Neumann, „Petrarcas literarische Autorität“, 2006, 47. Vgl. auch Florian Neumann, „Autorität, Klassizität, Kanon, 2004, 85–88. Er verweist auf den „Agon“, der mit Harold Blooms „Einflussangst“ in ein theoretisches Modell eingeordnet wird: Harold Bloom, The Anxiety of Influence. A Theory of Poetry, New York 1973. Neumanns hier dargelegte theoretische Überlegungen anhand der Petrarca-Imitation lassen sich hervorragend für diese Untersuchung anwenden.

2

Einleitung

Dabei stellt sich immer wieder die Frage, wer in dieser Konstellation die stärkere Autorität besitzt.2 Einerseits ist der Kommentator eine mächtige Instanz, wie in der Beschreibung Karlheinz Stierles, der feststellt, dass der Kommentator in zwei Welten, der des Texts und der des Lesers, lebe und diese Dualität verhandele.3 Andererseits gilt die Feststellung von Rainer Stillers, der immer eine Gegenseitigkeit im Verhältnis von Kommentator und Autor ausmacht. Er bezeichnet dies als „doppelgesichtige Funktion des humanistischen Kommentars“.4 Genau diese Gegenseitigkeit ist für dieses Thema wesentlich, da die problematischen Stellen im Horaztext den Kommentator herausfordern, sich gegenüber dem Text zu positionieren und dann mit verschiedenen Methoden seine Kommentierung vorzunehmen. Die für die Rezeptionszeit kritischen Stellen zwingen ihn häufig5 dazu, den Text zu rechtfertigen, seine Bedeutung umzuformen.6 Daraus wird überdies das Verhältnis des Kommentators zu seinen Rezipienten sichtbar. 2

3 4 5 6

Die Definition des Autoritätsbegriffs ist aus den Arbeiten Florian Neumanns im Rahmen des SFB Pluralisierung & Autorität entnommen. Florian Neumann, „Petrarcas literarische Autorität“, 2006, 43, auch Florian Neumann, „Autorität, Klassizität, Kanon, 2004, 79: „In der Literatur wird ‚Autorität‘ (auctoritas) seit der römischen Antike Autoren zuerkannt, deren Werke als nachahmenswert angesehen werden. Auctoritas beinhaltet dabei eine Wertzuschreibung, die aus der gehaltlichen und formalen Qualität eines Kunstwerks hergeleitet und auf dessen Urheber übertragen wird.“ Karlheinz Stierle, „Les lieux du commentaire“, in Gisèle Mathieu-Castellani, Michel Plaisance (Hrsg.), Les commentaires et la naissance de la critique littéraire, Paris 1990, 21. Rainer Stillers, Humanistische Deutung: Studien zu Kommentar und Literaturtheorie in der italienischen Renaissance, Düsseldorf 1988, 50–52. Wie später zu erkennen sein wird, kann sich der Kommentator diesem Druck jedoch auch entziehen, indem er sich von seinem commentandum distanziert. Leonard Barkan bezeichnet dies als „hermeneutic failure“: Leonard Barkan, Transuming Passion, Stanford 1991, 26. Der Prozess des Umgangs mit den entsprechenden Passagen, sie also zu rechtfertigen oder zu verändern, führe, so Barkan, zu neuen Strukturen intellektueller Aktivität und ästhetischer Neuentwicklung. Sein Fallbeispiel ist der Umgang mit dem homoerotischen GanymedMythos. Dies benennt Markus Dubischar als generelle Funktion von Auxiliartexten: Markus Dubischar, Auxiliartexte. Studien zur Textfunktion im antiken literarischen Feld. Habilitationsschrift, München 2007, 167: „Dabei leisten die Auxiliartexte im literarischen Feld, was in mündlicher Konversation durch Implikaturen geschieht: Sie korrigieren effektiv problematisch gewordene Aspekte des Primärtextes (bzw. -korpus), in dessen Dienst sie sich damit stellen.“ Ebenso Christina Shuttleworth Kraus, „Introduction: Reading commentaries/commentaries as reading“, in Roy K. Gibson, Christina Shuttleworth Kraus (Hrsg.), The Classical Commentary. Histories, Practices, Theory, Leiden 2002, 22. Neumann sieht die Umformungen des Kommentators bedingt durch seinen Kontext und sein Publikum: Florian Neumann, „Kommentartraditionen und Kommentaranalysen. Zum Stand der Forschung“, in Gerhard Regn (Hrsg.), Questo leggiadrissimo Poeta! Autoritätskonstitution im rinascimentalen Lyrik-Kommentar, Münster 2004, 63: „Im Hinblick auf die Relation zwischen Text und Kommentar ist in der Kommentaranalyse das Argumentationsziel des Kommentators zentral zu stellen. Dies bedingt zunächst eine Konturierung der Kommentatorfigur im Hinblick auf sein soziales und kulturelles Umfeld und, damit verbunden, eine Positionsbestimmung in den für seinen Kommentar einschlägigen eruditen Diskursen. Aufgrund dessen – und unter besonderer Berücksichtigung der vom Kommentator anvisierten Zielgruppe von Rezipienten seines Kommentars – wird es möglich sein, die Motive für seinen spezifischen Zugriff auf den kommentierten Text transparent zu machen.“

Ziel und Gegenstand der Untersuchung

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Für dieses Vorgehen werden, nach rahmenden Bemerkungen zum Umfeld des Kommentators, anhand der Betrachtung von problematischen (obszönen und epikureischen) Passagen die Strategien der Kommentatoren analysiert. Neben den Forschungserkenntnissen zu Landino und Lambin, deren Horazkommentaren und ihren kommentatorischen Techniken und Spielräumen innerhalb dieses Genres ergeben sich damit Einblicke in die Horazrezeption ihrer Zeit. Nicht zuletzt kann mittels der Betrachtung dieser beiden wichtigen Kommentare unser eigener Zugang zum antiken Dichter neu überdacht werden.7

1.1.1 Warum Horaz? Die Studie widmet sich dem Vergleich von Kommentaren zum Gesamtwerk des Quintus Horatius Flaccus. Die Wahl dieses antiken Autors (und nicht etwa Vergils, Ovids oder Tibulls) lässt sich nicht nur durch die bereits vorhandene Auswahl in der Forschungsliteratur erklären, sondern hat besondere Gründe: Die Horazrezeption ist, wie Charles Brink systematisch gezeigt hat, in drei verschiedene Facetten gebrochen: den Horaz der Oden, Horatius lyricus, den Horaz der Satiren und Episteln, Horatius ethicus, und den Horaz der Ars poetica, den Horatius magister.8 Das Werk des Horaz ist generisch vielfältig und die dahinterstehende Stimme zwar stark persönlich aufgeladen, doch oft in sich selbst widersprüchlich.9 Diese Widersprüchlichkeit oder eher Polyphonie der Stimmen des Horaz sorgt für eine vielfältige Rezeptionskultur, die häufig selek7

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Luke B. T. Houghton, Maria Wyke, „Introduction: a Roman poet and his readers“, in Luke B. T. Houghton, Maria Wyke (Hrsg.), Perceptions of Horace. A Roman poet and his readers, Cambridge 2009, 5–6: Dieser einleitende Aufsatz Houghtons und Wykes ist eine hervorragende Einführung in die Anwendung von Rezeptionstheorien auf Horaz. Dies bedeutet auch, dass wir uns heute noch in die Reihe derjenigen Interpreten einreihen können, die nicht immer auf eindeutige Ergebnisse kamen, wie dies das Fallbeispiel Cologno-Riccobonis bei Frischer beweist: Bernhard Frischer, „Rezeptionsgeschichte und Interpretation: The Quarrel of Antonio Riccoboni and Niccolò Cologno about the Structure of Horace‫ތ‬s Ars Poetica“, in Helmut Krasser, Ernst A. Schmidt (Hrsg.), Zeitgenosse Horaz. Der Dichter und seine Leser seit zwei Jahrtausenden, Tübingen 1996, 110–111, vgl. auch Bernhard Frischer, „Horace and the End of Renaissance Humanism in Italy: Quarrels, Religious Correctness, Nationalism, and Academic Protectionism“, in Arethusa 28 (1995), 265– 288. Damit ist diese Arbeit Teil der von Enenkel und Nellen so identifizierten Tendenz, sich vor allem mit Interpretationsgeschichte und Rezeption antiker Autoren zu befassen: Karl Enenkel, Henk Nellen, „Introduction. Neo-Latin Commentaries and the Management of Knowledge“, in Karl Enenkel, Henk Nellen (Hrsg.), Neo-Latin Commentaries and the Management of Knowledge in the Late Middle Ages and the Early Modern Period (1400–1700), Leuven 2013, 1. Charles Brink, „Horatian Poetry. Thoughts on the Development of Textual Criticism and Interpretation“, in Walther Killy (Hrsg.), Geschichte des Textverständnisses am Beispiel von Pindar und Horaz, München 1981, 7. Stephen Harrison, „Horatian Self-representations“, in Stephen Harrison (Hrsg.), The Cambridge Companion to Horace, Cambridge 2007, 22–37. Emily Gowers, „Fragments of Autobiography in Horace’s Satires 1“, in Classical Antiquity 22 (2003), 86.

4

Einleitung

tiv bestimmte Aspekte in den Vordergrund stellt, andere unterdrückt oder umformt. Charles Martindale formuliert diese kaleidoskopartige Wirkung des horazischen Œuvres so: But which Horace are we talking about? „Fat, beery, beefy Horace“, as one English scholar called him, or the more elegant courtier and lover preferred by several French critics. Horace has done duty as a quasi-Christian moralist, as a hedonistic enthusiast for „a generous bottle and a lovesome she“, as an English landowner and country gentleman. […] „Horace“, it could be argued, is a construction, by readers and reading communities, in terms of specific reading practices, and there are no final grounds, no ultimate courts of appeal, to which we can have 10 recourse to establish the „true“ or the „real“ Horace among the various images.

Durch diese Qualität des Horaztexts lassen sich der Einfluss seiner Rezipienten und das jeweils dahinterstehende Programm hervorragend erkennen. Hinzu kommt, dass genau diese Vielschichtigkeit des Horazwerks, das hohe Dichtung wie die Römischen Oden oder die Ars poetica, aber ebenso obszöne Gedichte wie die Epoden 8 und 12 enthält, seine Kommentatoren dazu zwingt, sich nicht nur mit autoritären, sondern auch entautorisierenden Passagen auseinanderzusetzen.11 Dabei wird sich das Zusammenspiel von Kommentator und kommentiertem Text besonders gut beobachten lassen. Ein dritter Aspekt ergibt sich aus der Kommentarforschung: Anthony Grafton hatte festgestellt, dass Kommentare schon seit Galen, besonders aber in der Renaissance, die Möglichkeit zu einer „quasi kalifornischen Selbstoffenbarung“ (Californian self-revelation) boten.12 In Bezug auf die Selbstdarstellung des Horaz, die sehr persönlich stilisiert ist,13 ergibt sich hier ein Ineinandergreifen der Ich-Aussagen des Autors und der zu untersuchenden selbstbezogenen Aussagen des Kommentators.14 Nicht zuletzt muss erwähnt werden, dass Horaz einer der bedeutendsten klassischen Autoren für die Renaissance ist.15

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Charles Martindale, „Introduction“, in Charles Martindale, David Hopkins (Hrsg.), Horace Made New. Horatian influences on British writing from the Renaissance to the twentieth century, Cambridge 1993, 1. Vgl. Luke B. T. Houghton, Maria Wyke, „Introduction“, 2009, 3. Helmut Krasser, „Büßer, Spötter oder Künstler. Zur Interpretationsgeschichte der Horazode 1,34“, in Helmut Krasser, Ernst A. Schmidt (Hrsg.), Zeitgenosse Horaz. Der Dichter und seine Leser seit zwei Jahrtausenden, Tübingen 1996, 311. Ihre Voraussetzung hatten diese Debatten zunächst in dem Anspruch, Horaz stelle eine verbindliche Autorität dar, deren Geltungsanspruch über poetologische Fragen hinausreicht, und dann, aufs engste verknüpft damit, in einer Rezeptionshaltung, die den Menschen Horaz aus seinen Dichtungen zu gewinnen suchte und dieses Bild vom Menschen zum Maßstab des Dichters machte. Anthony Grafton, s. v. „Commentary“, in Anthony Grafton, Glenn W. Most, Salvatore Settis (Hrsg.), The classical tradition, Cambridge, Mass. 2010, 229. Zur Differenzierung von Horaz und „Horaz“ vgl. Abschnitt 1.1.2. Vgl. Charles Martindale, „Introduction“, 1993, 17–18. Luke B. T. Houghton, Maria Wyke, „Introduction“, 2009, 5. Dies erinnert außerdem an das Konzept des self-fashioning, vgl. FN 1. Darauf wurde ich von Dr. Daniel Andersson, Wolfson College, University of Oxford hingewiesen. Glenn W. Most, s. v. „Horace“, in Anthony Grafton, Glenn W. Most, Salvatore Settis (Hrsg.), The classical tradition, Cambridge, Mass. 2010, 456.

Ziel und Gegenstand der Untersuchung

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1.1.2 Horazpersona und Kommentatorpersona Die Bezeichnungen „Horaz“ und „Landino“ und „Lambin“ müssen einleitend differenziert werden, da es sich im Medium des Dichtungskommentars in der Renaissance um ein besonderes Fallbeispiel der (Selbst-)Stilisierung von Autor und Kommentator handelt. Selbstredend ist das Ergebnis der Selbstdarstellung, der fiktive „Horaz“, für den modernen Leser von der dahinterstehenden historischen Persönlichkeit zu unterscheiden.16 Ebenso muss diese Unterscheidung zwischen Horaz und seiner persona bei seinen Kommentatoren geschehen. Die Trennung von Autor und seiner Vita fand in der Renaissance selten statt.17 Für die Kommentatoren soll sie hier dennoch Gültigkeit haben, schon da der moderne Leser nicht mehr hinter dieses Verständnis zurückkommt. Außerdem soll vermieden werden, von der Art der Kommentierung in irgendeiner Form positivistisch auf die Persönlichkeit des Kommentators zurückzuschließen. Daher wird hier die Selbstdarstellung des Kommentators im Kommentar als eine Kommentatorpersona begriffen, die sich selbst stilisiert.

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Lindsay Watson, A commentary on HoraceҲs Epodes, Oxford 2003, 358, FN 1: „Readers are cautioned that when the poet, or the commentary on this and other Epodes dealing with purported events in the life of the poet, speaks of experiences undergone by ‚I‘ or ‚Horace‘, these are not taken as the actual experiences of the individual Q. Horatius Flaccus, but rather as situations, whether fictitious or containing a kernel of fact but transmuted for literary purposes, encountered by a constructed persona or ‚voice‘, and in any case heavily indebted to a host of tralatician themes.“ Das beste Beispiel für diese Tendenz ist sicher die Trennung von dichterischer Stimme und der moralischen Reputation des dahinterstehenden historischen Dichters, besonders im Zusammenhang mit Liebesdichtung, wie die lex Catulliana zeigt. Diese Trennung wird hervorragend von Philip Ford analysiert: Philip Ford, „Obscenity and the lex Catulliana: Uses and Abuses of Catullus 16 in French Renaissance Poetry“, in Hugh Roberts, Guillaume Peureux, Lise Wajeman (Hrsg.), Obscénités Renaissantes, Genève 2011, 48–61. Andererseits fand bisweilen eine horazische Gleichsetzung von Stil und Autorperson statt, vgl. Bernard Frischer, „Rezeptionsgeschichte und Interpretation“, 1996, 111. Catharina Busjan, „Biographie und Moralphilosophie in Alessandro Vellutellos Canzoniere-Edition“, in Gerhard Regn (Hrsg.), Questo leggiadrissimo Poeta! Autoritätskonstitution im rinascimentalen Lyrik-Kommentar, Münster 2004, 190. Busjan zeigt anhand der Petrarcaedition Vellutellos die Wichtigkeit der „biographistisch[en]“ Lesart, die zur Vorlage für die Behandlung des Dichters wird. Die Trennung von historischer Person des Autors und seiner fiktionalen Selbstaussagen als persona kann also für die Renaissance nicht mit absoluter Schärfe vorgenommen werden. Die vorliegende Untersuchung wird die Kommentare, besonders den des Landino, in ihrem Changieren zwischen beiden Strategien beobachten. Außerdem weist Jörg Robert auch anhand von Beroaldos Properzkommentar diese Trennung nach: Jörg Robert, „Lateinischer Petrarkismus und lyrischer Strukturwandel. Die Autorisierung der Liebeselegie im Licht ihrer rinascimentalen Kommentierung“, in Gerhard Regn (Hrsg.), Questo leggiadrissimo poeta! Autoritätskonstitution im rinascimentalen Lyrik-Kommentar, Münster 2004, 142: „[Es wird] nicht – wie dies in der Konsequenz der Formalisierung, aber auch des ‚Fiktionstopos‘ läge – zwischen Autorvita und elegischer persona getrennt.“

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Einleitung

Wenn im Folgenden von Horaz, Landino18 und Lambin gesprochen wird, so sei darauf verwiesen, dass damit ihre Manifestationen in ihren Texten gemeint sind, die jedoch häufig mit außertextlichen Informationen, besonders zum gelehrten Umfeld der Protagonisten, unterlegt werden können. Die Kommentatorpersona ist damit wahrscheinlich näher an der historischen Person zu verorten als die poetische persona. Sie bleibt nichtsdestotrotz eine von den Kommentatoren geschaffene fiktive Persönlichkeit.

1.1.3 Warum Landino und Lambin? Die beiden hier ausgewählten Kommentatoren Landino und Lambin wurden aus einer Vielzahl von Gründen aus der großen Menge von Horazkommentatoren der Renaissance ausgewählt.19 Ein wichtiger Grund ergibt sich bereits aus der Geschichte der Horazrezeption für diese Epoche: Zunächst ist der Kommentar Landinos der erste gedruckte Kommentar zu Horaz. Im Gegenzug zeichnet sich der Kommentar Lambins durch seine lange Rezeptionsdauer, immerhin bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein, aus. Zwischen den Kommentaren liegen 79 Jahre. Beiden ist gemeinsam, dass sie Horaz nicht nur für den Schulgebrauch kommentieren, sondern sich intensiver und dabei sehr unterschiedlich mit dem antiken Autor befassen. Sie sind in ihrem Vorgehen und ihrer Nähe und Distanz zu Horaz oft diametral verschieden, was durch die historische Distanz, das jeweilige intellektuelle Umfeld, Florenz und Paris, Entwicklungen im Bereich des Kommentars und persönliche Präferenzen erklärt werden kann. Landino schreibt seinen Horazkommentar am Ende seines Lebens. Damit ist besonders dieses Werk, neben seinem Vergilkommentar, ein Konglomerat und Kondensat aller seiner reiferen poetischen und philosophischen Schriften. Sein Ansatz im Umgang mit Horaz ist ein integrativer, glättender, wie sich besonders anhand der obszönen und 18

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Antonia Wenzel fasst dies für die Dichterpersona Landinos folgendermaßen zusammen: Antonia Wenzel, Die Xandra-Gedichte des Cristoforo Landino, Heidelberg 2010, 25: „Obwohl Landino seine Gedichte aus der Ich-Perspektive schreibt und viele real greifbare Personen und Orte anspricht, dürfte es für den heutigen Leser selbstverständlich sein, die Person des wirklichen Dichters Landino von der Person des in den Gedichten als poeta amator auftretenden Ich abzugrenzen.“ Dies muss in gewissem Umfang auch mit der Kommentatorpersona geschehen. Besonders, wie zu zeigen sein wird, weil Landino sich in den neuplatonischen Kommentierungsdiskurs einreiht, der die Kommentierung eines Werkes als vergleichbar mit dem Verfassen von Dichtung betrachtet. Der Grund für die Auswahl der Epoche der Renaissance liegt im Mediumwechsel des Buchdrucks, der eine größere Zahl von Vervielfältigungen erlaubt und eine neue Strahlkraft der Kommentare ermöglicht; vgl. dazu Martin Davies, „Humanism in script and print in the fifteenth century“, in Jill Kraye (Hrsg.), The Cambridge Companion to Renaissance Humanism, Cambridge 2010, 10. Auflage, 47. Außerdem verlieren die Kommentare in der Renaissance ihre Anonymität und die IchBezogenheit der Kommentatoren erhält dadurch eine neue Dimension: Der Dialog zwischen Kommentator und Horaz wird nun zwischen zwei personae ausgetragen. Vgl. Lowell Edmunds, „The Reception of Horace’s Odes“, in Gregson Davis (Hrsg.), A Companion to Horace, Malden 2010, 346.

Forschungsüberblick

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epikureischen Stellen zeigen wird. Lambin hingegen eröffnet mit dem Horazkommentar in gewissem Sinne seine professorale Laufbahn und lässt die vermehrten Wiederauflagen in mancher Hinsicht zu Zeugnissen seiner akademischen Entwicklung werden. Im Gegensatz zum Horazbeschützer Landino zeichnet sich sein Kommentieren eher durch Brüche und Distanznahme zu Horaz aus. Nicht zuletzt mangelt es bislang an umfassenden Forschungen zu beiden Kommentaren, insbesondere zu Lambin. Beide Kommentatoren werden zwar immer häufiger erwähnt, werden jedoch selten in detaillierteren Studien betrachtet.20 Die vorliegende Untersuchung soll dieser Leerstelle Abhilfe schaffen. Das ist deshalb wichtig, weil Landinos und Lambins Kommentare im Rahmen der umfangreichen Digitalisierungsvorhaben von Bibliotheken weltweit einer sehr viel breiteren Leserschaft als bis vor einigen Jahren zur Verfügung stehen. Gewissermaßen ist dies also eine Art „Bedienungsanleitung“ für die Kommentare, die bisweilen heute noch, jedoch viel zu selten, als philologische Fundgrube benutzt werden.21 Gründe für die Integration von Renaissance-Kommentaren in die gegenwärtige und zukünftige Forschungspraxis ergeben sich beispielsweise daraus, dass die Gelehrten der Renaissance in einem ganz anderem Umfang, oft seit frühester Kindheit, klassische Studien betrieben hatten22 und ihre Forschungsergebnisse, sinnvoll gefiltert, eine fruchtbare Ergänzung unseres heutigen Forschungsportfolios ergeben können.

1.2 Forschungsüberblick Die eingehende und vergleichende Untersuchung der Horazkommentare Landinos und Lambins stellt ein Forschungsdesiderat dar.23 Dennoch konnte diese Studie auf einer breiten Basis von kontextualisierenden Forschungsbeiträgen aufbauen, die insbesondere 20

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John Lewis, Adrien Turnèbe (1512–1565). A Humanist Observed, Genève 1998, 321: „[…] it would seem to be the fate of Lambin, Danès, Galland, and a host of other contemporary scholars, to have their work constantly referred to in glowing terms, but never to be studied in depth.“ Florian Neumann, „Kommentartraditionen“, 2004, 62. Ein Beispiel für die moderne Nutzung des Lambinkommentars ist Lindsay Watson, A commentary on HoraceҲs Epodes, 2003, 297–298, der in seiner Kommentierung zu Epode 8 im Lemma crudus Lambin zitiert. Die Ausmaße, die die Fokussierung auf die klassischen Sprachen annehmen konnte, zeigt das sogar in der Renaissance ungewöhnliche Fallbeispiel Michel de Montaignes, der als Latein-Muttersprachler erzogen wurde (Essais I, 26, 173), vgl. dazu Wes Williams, s. v. „Montaigne, Michel de“, in Anthony Grafton, Glenn W. Most, Salvatore Settis (Hrsg.), The Classical Tradition, Cambridge, Mass. 2010, 600. Bisweilen können Beiträge zu anderen Kommentaren, wie Tsakiropoulou-Summers zu Lambins Lukrezkommentar oder die vielfältigen Untersuchungen zu Landinos Dante- und Vergilkommentar, nützliche Vergleichspunkte bieten: Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin's Edition of Lucretius. Using Plato and Aristotle in Defense of De Rerum Natura“, in Classical and Modern Literature 21,2 (2001), 45–70.

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in letzter Zeit durch ein erfreuliches Neuerwachen des Interesses an Kommentaren an Umfang zugenommen hat. Im Folgenden werden in einem Abriss die Forschungslandschaft skizziert und die für dieses Themenfeld wichtigsten Publikationen versammelt. Sie entstammen hauptsächlich drei Bereichen: der Kommentarforschung, der Horazrezeption sowie kulturwissenschaftlicher und wissenschaftsgeschichtlicher Forschung.24 Für den ersten Bereich, den der Kommentarforschung, liegen zwei hervorragende zusammenfassende Aufsätze vor, die die großen Strömungen und Ergebnisse der bisher erschienenen Sekundärliteratur zusammenführen. Der wohl wichtigste Beitrag, der die Tendenzen der Forschung zum frühmodernen Kommentar kumuliert, ist Florian Neumanns Aufsatz zu „Kommentartraditionen und Kommentaranalysen. Zum Stand der Forschung“25 von 2004. Neumann zeichnet die verschiedenen Forschungstraditionen und Kommentardefinitionen, deren Anwendung und theoretische Einordnung in einem luziden Überblick nach. Die jüngere Forschungsliteratur ergänzt der von Karl Enenkel und Henk Nellen herausgegebene Band zum neulateinischen Kommentar (1400– 1700),26 der im Gegensatz zu Florian Neumanns Literaturüberblick vor allem einen inhaltlich-lexikalischen Schwerpunkt setzt. Die von Enenkel und Nellen verfasste Einleitung verknüpft viele Fäden der Kommentarforschung in einer hervorragenden Übersicht, und versucht so, die verschiedenen bereits vorgenommenen Einzelstudien auf einer höheren Ebene zu synthetisieren. Die beiden Forscher zeigen den humanistischen Kommentar als historisch besonderes Phänomen, untersuchen dessen ausufernde Qualität, dessen autoritätsstiftende, didaktische, enzyklopädische, textherstellende, textkritische und politische Funktion. Des Weiteren eruieren sie die Dimensionen des Layouts des Kommentars und grenzen ihn von seinen Nachbargenres Variae lectiones, Wörterbuch und Lexikon ab. Nicht zuletzt machen sie sich durch eine historische Skizze der Kommentarentwicklung in dieser Zeit verdient.27 Daneben gibt es in der jüngeren und älteren Forschung eine Reihe von Sammelbänden, die Analysen zu einzelnen Kommentaren in verschiedenen Zeiten und unter verschiedenen Blickwinkeln zusammenführen. Auffällig ist dabei, dass Horaz als kommen-

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Forschungsbeiträge zu den beiden Kommentatoren Landino und Lambin werden im Rahmen ihrer biographischen Einordnung und auch der Betrachtung ihrer Paratexte angeführt, die Themenfelder Obszönität und Epikureismus in den jeweiligen Kapiteln in der Forschung verortet. Florian Neumann, „Kommentartraditionen“, 2004. Karl Enenkel, Henk Nellen (Hrsg.), Neo-Latin Commentaries and the Management of Knowledge in the Late Middle Ages and the Early Modern Period (1400–1700), Leuven 2013. Karl Enenkel, Henk Nellen, „Introduction“, 2013, 4–70. Dabei zeigen sie sogar ein Beispiel aus Denis Lambins Horazausgabe von Wechel: Quintus Horatius Flaccus, Denis Lambin, Dionysii Lambini Monstroliensis Regii Professoris in Q. Horatium Flaccum ex fide atque auctoritate complurium librorum manuscriptorum a se emendatum et aliquoties recognitum et cum diversis exemplaribus antiquis comparatum multisque locis purgatum, commentarii copiosissimi et ab auctore plus tertia parte amplificati, Editio postrema, Francofurti ad Moenum ex officina Typographica Andreae Wecheli 1577.

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tierter Autor nur selten eine Rolle spielt.28 Bisher erschienene Sammelbände mit einer Fokussierung auf den Kommentar in der Renaissance sind Marianne Pades Beitrag On Renaissance Commentaries,29 Ralf Häfners und Markus Völkels Der Kommentar in der Frühen Neuzeit30 und die Publikation von Giséle Mathieu-Castellani und Michel Plaisance Les commentaires et la naissance de la critique littéraire, France/Italie,31 die sich mit der Zeitspanne zwischen dem vierzehnten und dem sechzehnten Jahrhundert befasst und in der besonders Karlheinz Stierles Aufsatz hier hervorgehoben werden soll.32 Eine ähnliche Ausrichtung hat der zu einer Tagung in Ascona herausgegebene Band Il commento ai testi von Ottavio Besomi und Carlo Caruso.33 Pionierarbeit für diese Art von Forschungssammlung leisteten August Buck und Otto Herding, die in ihrem 1975 erschienenen Der Kommentar in der Renaissance34 bereits Einzeluntersuchungen zu Renaissance-Kommentaren versammelten.35 Daneben gab es zudem Aufsatzsammlungen mit theoretischem Schwerpunkt, die sich verschiedenen Perspektiven und dem Genre des Kommentars auch außerhalb des zeitlichen Rahmens der Renaissance zuwandten. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Publikation Jan Assmanns und Burkhard Gladigows Text und Kommentar. Archäologie der literarischen Kommunikation36, die u. a. den Beitrag Wolfgang Raibles37 enthält, und Glenn W. Mosts Sammlung Commentaries – Kommen-

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Bei Enenkel/Nellen findet sich die Untersuchung Piepers, die sich mit den Horazkommentaren Landinos, Mancinellis und Lochers beschäftigt: Christoph Pieper, „Horaz als Schulfibel und als elitärer Gründungstext des deutschen Humanismus. Die illustrierte Horazausgabe des Jakob Locher (1498)“, in Karl Enenkel (Hrsg.), Transformations of the Classics via Early Modern Commentaries, Leiden 2014, 61–90. Marianne Pade (Hrsg.), On Renaissance commentaries, Hildesheim 2005. Ralph Häfner, Markus Völkel (Hrsg.), Der Kommentar in der Frühen Neuzeit, Tübingen 2006. Gisèle Mathieu-Castellani, Michel Plaisance (Hrsg.), Les commentaires et la naissance de la critique littéraire: France, Italie (XIVe – XVIe siècles), Paris 1990. Karlheinz Stierle, „Les lieux du commentaire“, 1990, 19–29. Ottavio Besomi, Carlo Caruso (Hrsg.), Il commento ai testi. Atti del seminario di Ascona, Basel 1992. Der Band enthält sogar einen Beitrag von Claudia Villa zur mittellateinischen Ars poeticaRezeption: Claudia Villa, „Per una tipologia del commento mediolatino: l‫ތ‬ars poetica di Orazio“, in Ottavio Besomi, Carlo Caruso (Hrsg.), Il commento ai testi. Atti del seminario di Ascona, Basel 1992, 19–46. August Buck, Otto Herding (Hrsg.), Der Kommentar in der Renaissance, Bonn 1975. Der Band enthält keinen Beitrag zu Horaz, jedoch einen Artikel Lentzens zu Landinos Dantekommentar: Manfred Lentzen, „Cristoforo Landinos Dantekommentar“, in August Buck und Otto Herding (Hrsg.), Der Kommentar in der Renaissance, Bonn 1975, 167–189. Siehe zu diesen Sammelbänden die hervorragende Darstellung von Florian Neumann, „Kommentartraditionen“, 2004, 31–33. Jan Assmann, Burkhard Gladigow (Hrsg.), Text und Kommentar. Archäologie der literarischen Kommunikation IV, München 1995. Wolfgang Raible, „Arten des Kommentierens – Arten der Sinnbildung – Arten des Verstehens. Spielarten der generischen Intertextualität“, in Jan Assmann, Burkhard Gladigow (Hrsg.), Text und Kommentar. Archäologie der literarischen Kommunikation IV, München 1995, 51–73.

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tare,38 die Kommentarstudien in verschiedenen Medien, Kulturräumen und Epochen, u. a. der Renaissance, vereinigt. Der wenig später erschienene Band The Classical Commentary39 von Roy Gibson und Christina Shuttleworth Kraus betrachtet das Genre des antiken Kommentars in seinen Ausprägungen bis heute. Auch die zeitgleiche Sammlung von Wilhelm Geerlings und Christian Schulze befasst sich mit Kommentaren in Mittelalter und Antike.40 In all diesen Forschungsbeiträgen ist die Horazkommentierung jedoch weitestgehend ausgespart. Meist sind andere klassische Autoren von Interesse für die Forschung, insbesondere Ovid41, Catull42 und Vergil43. Ihnen widmen sich zudem die Artikel im Rahmen des Catalogus Translationum et Commentariorum. In Anbetracht der bisherigen Entwicklung ist es kaum überraschend, dass der entsprechende Artikel für die Horazkommentierung und -übersetzung noch nicht vorliegt und als Forschungsdesiderat gelten kann.

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Glenn W. Most (Hrsg.), Commentaries – Kommentare, Göttingen 1999. Eine hervorragende allgemeine Einführung in das Thema der Kommentare gibt Glenn W. Most in seinem Einleitungsartikel: Glenn W. Most, „Preface“, in Glenn W. Most (Hrsg.), Commentaries – Kommentare, Göttingen 1999, vii–xv. Roy K. Gibson, Christina Shuttleworth Kraus (Hrsg.), The Classical Commentary. Histories, Practices, Theory, Leiden 2002. Wilhelm Geerlings, Christian Schulze (Hrsg.), Der Kommentar in Antike und Mittelalter, Leiden 2002. Z. B. William McKenzie, „Ovidian Obscenity in Renaissance France“, in Hugh Roberts, Guillaume Peureux, Lise Wajeman (Hrsg.), Obscénités Renaissantes, Genève 2011, 39–47. Frank T. Coulson, „Ovid’s Transformations in medieval France (ca. 1100– ca. 1350)“, in Alison Keith, Stephen Rupp (Hrsg.), Metamorphosis. The Changing Face of Ovid in Medieval and Early Modern Europe, Toronto 2007, 33–60. Ann Moss, Latin commentaries on Ovid from the Renaissance, selected, introduced, and translated by Ann Moss, Signal Mountain, Tenn. 1998 Ann Moss, Ovid in Renaissance France. A survey of the Latin Editions of Ovid and Commentaries Printed in France before 1600, London 1982. Bodo Guthmüller, „Lateinische und volkssprachliche Kommentare zu Ovids ‚Metamorphosen‘“, in August Buck, Otto Herding (Hrsg.), Der Kommentar in der Renaissance, Bonn 1975, 119–139. Ein guter Übersichtsartikel stammt von Colin Burrow, „Re-embodying Ovid: Renaissance Afterlives“, in Philip Hardie (Hrsg.), The Cambridge Companion to Ovid, Cambridge 2002, 301–319. Z. B. Julia Gaisser, „Picturing Catullus“, in Classical World 95 (2002), 372–385. Julia Gaisser, Catullus and his Renaissance Readers, Oxford 1993. Julia Gaisser, „Catullus and His First Interpreters: Antonius Parthenius and Angelo Poliziano“, in Transactions of the American Philological Association 112 (1982), 83–106. Howard Jones, The Epicurean Tradition, London 1989. Anthony Grafton, „Joseph Scaliger's Edition of Catullus (1577) and the Traditions of Textual Criticism in the Renaissance“, in Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 38 (1975), 155–181. Aufgrund der unübersichtlichen Menge an Forschungsbeiträgen sei nur auf die Übersichtsbände von Ziolkowski/Putnam und Craig Kallendorf verwiesen: Jan Ziolkowski, Michael Putnam (Hrsg.), The Virgilian tradition. The first fifteen hundred years, New Haven 2008. Craig Kallendorf, The Virgilian Tradition. Book History and the History of Reading in Early Modern Europe, Aldershot 2007.

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Für den zweiten Bereich, die Horazrezeptionsforschung, bedeutet die häufige Absenz von Horazstudien in den oben genannten Kommentarpublikationen jedoch nicht, dass seine Rezeption nicht schon länger, beginnend bei Eduard Stemplingers Forschungen im frühen zwanzigsten Jahrhundert,44 im Fokus der Forschung stand. Oft zeigen sich hier nationale Schwerpunkte. Einen wichtigen Impuls gab in diesem Zusammenhang Eckart Schäfers Deutscher Horaz, der die humanistische Horazbeschäftigung auf deutschem Gebiet vom fünfzehnten bis zum siebzehnten Jahrhundert untersucht.45 Seit der Zweitausendjahrfeier des Todes des Horaz46 (1993) ergab sich eine Reihe von Publikationen zu diesem Thema, die einen weit gestreuten Überblick über die Rezeption des Dichters mit verschiedenen Schwerpunkten bieten. Deren Auftakt bildete der Sammelband von Walter Ludwig, Horace. L’Œuvre et les imitations. Un siècle d’interpretation.47 Ebenso gehören dazu Helmut Krassers und Ernst A. Schmidts Zeitgenosse Horaz48 und der in jüngerer Zeit erschienene Sammelband von Luke B. T. Houghton und Maria Wyke, Perceptions of Horace.49 Die britische Horazrezeption seit der Renaissance betrachten Charles Martindales und David Hopkins in Horace Made New.50 Doch trotz der Fülle der Sekundärliteratur stehen die hier betrachteten Horazkommentare Landinos und Lambins selten im Interesse der Horaz-Rezeptionsforschung. Eine Ausnahme bildet die Forschung zu Renaissancepoetiken. So beschäftigt sich Ann Moss51 knapp in der Cambridge History of Literary Criticism52 mit Landinos und Lam-

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Eduard Stemplinger, Horaz im Urteil der Jahrhunderte, Leipzig 1921. Eckart Schäfer, Deutscher Horaz. Conrad Celtis, Georg Fabricius, Paul Melissus, Jacob Balde, die Nachwirkung des Horaz in der Neulateinischen Dichtung Deutschlands, Wiesbaden 1976. Dazu auch Joachim Gruber, „Horaz im deutschen Renaissancehumanismus“, in Gymnasium 104 (1997), 227–244. Walter Ludwig, „Horazrezeption in der Renaissance oder die Renaissance des Horaz“, in Walter Ludwig (Hrsg.), Horace. LҲŒuvre et les imitations. Un siècle d’interprétation, Genève 1993, 305. Dieser Artikel gibt außerdem einen interessanten Einblick in den Forschungsstand zur Horazrezeption vor 1993 (305–311), der den rasanten Anstieg des Interesses an diesem Thema seit 1993 deutlich werden lässt. Ludwigs Artikel setzt darüber hinaus einen Schwerpunkt auf die dichterische Imitation des Horaz in der Renaissance. Walter Ludwig (Hrsg.), Horace. LҲŒuvre et les imitations. Un siècle d’interprétation, Genève 1993. Helmut Krasser, Ernst A. Schmidt (Hrsg.), Zeitgenosse Horaz. Der Dichter und seine Leser seit zwei Jahrtausenden, Tübingen 1996. Der Band von Houghton und Wyke setzt Schwerpunkte in der antiken Rezeption (inklusive Horaz‫ތ‬ Selbstrezeption) und dem achtzehnten Jahrhundert und beinhaltet eine umfassende Einleitung der Herausgeber: Luke B. T. Houghton, Maria Wyke (Hrsg.), Perceptions of Horace. A Roman poet and his readers, Cambridge 2009. Charles Martindale, David Hopkins (Hrsg.), Horace Made New. Horatian influences on British Writing from the Renaissance to the Twentieth Century, Cambridge 1993. Ann Moss, „Horace in the Sixteenth Century: Commentators into Critics“, in Glyn P. Norton (Hrsg.), The Cambridge History of Literary Criticism, Bd. III: The Renaissance, Cambridge 1999.

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bins Horazkommentaren. Auch Marvin Herricks Studie zur Fusion horazischer und aristotelischer Literaturtheorie im sechzehnten Jahrhundert streift die Thematik.53 Abhilfe in dieser dünnen Forschungslage der rinascimentalen Horazkommentierung schaffen oft nur Studien in Übersichtswerken wie die Artikel im Rahmen der Enciclopedia Oraziana und dem exzellenten Übersichtswerk The classical tradition54 von Glenn W. Most, Salvatore Settis und Anthony Grafton, deren kurze Abhandlungen u. a. zu Horaztradition55 und Kommentaren56 einen hervorragenden Zugang zu diesem Thema ermöglichen.57 Die vielfältig erschienenen Überblickswerke zu Horaz enthalten jeweils relevante Beiträge zur Rezeption des Autors: Der Cambridge Companion to Horace58 von Stephen Harrison bietet dies chronologisch geordnete seit der Antike, u. a. Michael McGann zur Renaissance.59 Der von Gregson Davis herausgegebene Band A Companion to Horace60 enthält hingegen diachrone Übersichten zur Rezeption der einzelnen horazischen Genera: Oden61, Satiren und Episteln62 und Ars poetica63. In jüngster Zeit lässt sich ein stark gestiegenes Interesse an der Thematik der Horazrezeption, oft im Spiegel der Kommentare, im Rahmen der Konferenzbeiträge der letzten Jahre ablesen. Dazu gehören Christoph Piepers Arbeiten zu Landino und Locher64

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Glyn P. Norton (Hrsg.), The Cambridge History of Literary Criticism, Bd. III: The Renaissance, Cambridge 1999. Marvin T. Herrick, The Fusion of Horatian and Aristotelian Criticism, 1531–1555, Urbana 1946. Anthony Grafton, Glenn W. Most, Salvatore Settis (Hrsg.), The classical tradition, Cambridge, Mass. 2010. Glenn W. Most, s. v. „Horace“, 2010. Anthony Grafton, s. v. „Commentary“, 2010, 225–233. Dass, nebenbei bemerkt, die beiden Artikel von den Herausgebern stammen, zeigt die Aktualität und Wichtigkeit des Forschungsinteresses. Stephen Harrison (Hrsg.), The Cambridge Companion to Horace, Cambridge 2007. Michael McGann, „The reception of Horace in the Renaissance“, in Stephen Harrison (Hrsg.), The Cambridge Companion to Horace, Cambridge 2007, 305–317. Gregson Davis (Hrsg.), A Companion to Horace, Malden 2010. Edmunds‫ ތ‬Artikel enthält darüber hinaus noch eine hervorragende Literaturübersicht: Lowell Edmunds, „The Reception of Horace’s Odes“, 2010, 337–366. Susanna Braund, „The Metempsychosis of Horace: The Reception of the Satires and Epistles“, in Gregson Davis (Hrsg.), A companion to Horace, Malden 2010, 367–390. Leon Golden, „Reception of Horace‫ތ‬s Ars Poetica“, in Gregson Davis (Hrsg.), A Companion to Horace, Malden 2010, 391–413. Dagegen beschränkt sich der vor kurzem erschienene Brill’s Companion to Horace diesbezüglich auf einen Aufsatz zur Textüberlieferungsgeschichte: Edward Courtney, „The Transmission of the Text of Horace“, in Hans-Christian Günther (Hrsg.), Brill’s Companion to Horace, Leiden 2013, 547–560. Zu dem Thema der textlichen Überlieferung siehe Richard J. Tarrant, s. v. „Horace“, in L. D. Reynolds (Hrsg.), Texts and Transmission. A Survey of the Latin Classics, Oxford 1983, 182–186. Allgemeiner mit Fragen der Antikenrezeption und deren Theorie beschäftigt sich: Lorna Hardwick, Christopher Stray (Hrsg.), A companion to classical receptions, Malden 2008. Christoph Pieper, „Horaz als Schulfibel“, 2014. Christoph Pieper, „Horatius praeceptor eloquentiae. The Ars Poetica in Cristoforo Landino‫ތ‬s Commentary“, in Karl Enenkel, Henk Nellen (Hrsg.),

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und die Ergebnisse der trilateralen Konferenzreihe der Villa Vigoni, die sich mit der Horazrezeption in der neulateinischen Literatur beschäftigt (2013–2014).65 Wegweisend für diese Entwicklung sind außerdem die Arbeiten von Nathalie Dauvois66 und das an der Sorbonne Nouvelle angesiedelte Project Horace. Dieses Projekt erstellt maschinenlesbare, transkribierte Volltexte von rinascimentalen Horazkommentaren. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind einige Kommentare bereits vollständig als Textgrundlage erschlossen und damit hervorragend für Analysen aufbereitet.67 All diese Entwicklungen sorgen für ein immer besser sondiertes Forschungsfeld im Bereich der frühneuzeitlichen Horazkommentar-Foschung. Auch die Zeiträume vor und nach der Renaissance waren und sind im Interesse der Forschung. Die mittelalterliche Kommentierungstradition von Horaz wird durch die zahlreichen Arbeiten von Karsten Friis-Jensen68, in Barbara Quints69 Untersuchungen und nicht zuletzt in Editionsprojekten wie dem Roberta Marchionnis70 in den Blick genommen. Die Betrachtung von Kommentaren des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts, die sich an die hier behandelten Kommentare anschließt, erfolgt in Ariane Schwartz‫ ތ‬Doktorarbeit, die sich besonders mit der jesuitischen Rezeption von Horaz beschäftigt.71

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Neo-Latin Commentaries and the Management of Knowledge in the Late Middle Ages and the Early Modern Period (1400–1700), Leuven 2013, 221–240. Eine Veröffentlichung der Konferenzbeiträge ist in Vorbereitung. Z. B. Nathalie Dauvois, La Vocation lyrique. La poétique du recueil lyrique en France à la Renaissance et le modèle des Carmina d’Horace, Paris 2010 und Nathalie Dauvois, „Erinnerung an die antiken Schriftsteller und Interkulturalität in den Humanistenkommentaren. Überlegungen am Beispiel der Horaz-Ausgaben“, in Eva Dewes, Sandra Duhem (Hrsg.), Kulturelles Gedächtnis und interkulturelle Rezeption im europäischen Kontext, Berlin 2008, 261–273. Marie-Christine Lemardeley (Hrsg.), ANR Renaissances d’Horace (Online-Editionsprojekt verschiedener Renaissance-Horaz-Kommentare der Université Sorbonne Nouvelle). Zum Beispiel Karsten Friis-Jensen, „Humanist use of Medieval commentaries on Horace‫ތ‬s ‚Art of poetry‘“, in Studi Umanistci Piceni 28 (2008), 239–248. Karsten Friis-Jensen, „The reception of Horace in the Middle Ages“, in Stephen Harrison (Hrsg.), The Cambridge Companion to Horace, Cambridge 2007, 291–304. Karsten Friis-Jensen, „Medieval Commentaries on Horace“, in Nicholas Mann, Birger Munk-Olsen (Hrsg.), Medieval and Renaissance Scholarship, Leiden 1997, 50– 73. Karsten Friis-Jensen, „The medieval Horace and his lyrics“, in Walter Ludwig (Hrsg.), Horace. LҲŒuvre et les imitations. Un siècle d’interprétation, Genève 1993, 257–303. Karsten Friis-Jensen, „The Ars poetica in twelfth century France. The Horace of Matthew of Vendome, Geoffrey of Vinsauf, and John of Garland“, in Cahiers de LҲInstitut Du Moyen-Âge Grec Et Latin 6 (1990), 319– 388. Karsten Friis-Jensen, „Horatius liricus et ethicus. Two twelfth-century texts on Horace poems“, in Cahiers de LҲInstitut Du Moyen-Âge Grec Et Latin 57 (1988), 81–147. Maria-Barbara Quint, Untersuchungen zur mittelalterlichen Horaz-Rezeption, Frankfurt am Main 1988. Roberta Marchionni, Der Sciendum-Kommentar zu den Satiren des Horaz, München 2003. Ariane Schwartz, Horace and his readers in Early Modern Europe, Ph. D. dissertation, Harvard University 2011. Daneben gibt es regionale Schwerpunkte wie die Arbeit Marianne Pades, eine Untersuchung zur Ars poetica-Kommentierung in Dänemark im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert: Marianne Pade, „Horace’s Ars Poetica in Denmark in the Sixteenth and Seventeenth Cen-

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Im dritten Forschungsfeld, der Wissenschaftsgeschichte, sind besonders die Arbeiten von Anthony Grafton72 und Martin Mulsow73 von besonderer Bedeutung für die vorliegende Untersuchung, da sie die Gelehrtenkulturen der Renaissance und der Folgezeit in ihren Strömungen, Eigenheiten und Dynamiken erschließen. Besonders Martin Mulsows Konzept der Subversivität wird innerhalb der Behandlung des Lambinkommentars eine große Rolle spielen.

1.3 Methodik und Aufbau Die Horazkommentare Landinos und Lambins umfassen zusammen ca. 1500 Seiten. Es ist daher im Rahmen dieser Einzeluntersuchung unmöglich, sie in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Infolgedessen wird drei Kernaspekten der Kommentare besondere Aufmerksamkeit geschenkt: ihren Paratexten, ihrer Behandlung von Obszönität und der philosophischen Doktrin des Epikureismus. Eingeleitet wird die Arbeit von einer allgemeinen Übersicht über die Kommentatoren und die formalen Eigenschaften ihrer Kommentare, ergänzt durch einen Seitenblick auf ihre Widmungsempfänger und ihr Zielpublikum, ihre Charakteristika und ihre Wirkung.

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tury. The Commentaries of Andreas Krag and Zacharias Lund“, in Atti del Convegno di Licenza, Venosa 1994, 217–246. Besonders hervorzuheben ist dabei der Beitrag Graftons zu Joseph Scaliger, der die philologischen Methoden aus der Zeit Landinos in Italien im Unterschied zu Lambin in Frankreich beleuchtet und eine wertvolle Studie von Kommentierungstechniken und Hintergründen darstellt: Anthony Grafton, Joseph Scaliger. A study in the history of classical scholarship, Bd. I: Textual criticism and exegesis, Oxford 1983. Außerdem u. a.: Anthony Grafton, s. v. „Scaliger, Joseph Justus“, in Anthony Grafton, Glenn W. Most, Salvatore Settis (Hrsg.), The classical tradition, Cambridge, Mass. 2010, 865–866. Anthony Grafton, Bring Out Your Dead. The Past as Revelation, Cambridge, Mass. 2001. Anthony Grafton, „Correctores corruptores? Notes on the Social History of Editing“, in Glenn W. Most (Hrsg.), Editing Texts = Texte edieren, Göttingen 1998, 54–76. Anthony Grafton, Defenders of the Text. The Traditions of Scholarship in an Age of Science, 1450–1800, Cambridge, Mass. 1994. Anthony Grafton, „Renaissance Readers and Ancient Texts: Comments on Some Commentaries“, in Renaissance Quarterly 38 (1985), 615–649. Anthony Grafton, „Teacher, Text and Pupil in the Renaissance Classroom“, in History of Universities 1 (1981), 37–70 sowie der mit Lisa Jardine herausgegebene Band zur humanistischen Bildungsgeschichte: Anthony Grafton, Lisa Jardine, From Humanism to the Humanities. Education and the Liberal Arts in Fifteenth- and Sixteenth-century Europe, Cambridge, Mass. 1986. Martin Mulsow, Die unanständige Gelehrtenrepublik. Wissen, Libertinage und Kommunikation in der Frühen Neuzeit, Stuttgart 2007. Martin Mulsow, „Subversive Kommentierung. Burleske Kommentarparodien, Gegenkommentare und Libertinismus in der frühen Neuzeit“, in Ralph Häfner, Markus Völkel (Hrsg.), Der Kommentar in der Frühen Neuzeit, Tübingen 2006, 133–160. Martin Mulsow, „Unanständigkeit. Zur Mißachtung und Verteidigung des Decorum in der Gelehrtenrepublik der Frühen Neuzeit“, in Historische Anthropologie 8 (2000), 98–118.

Methodik und Ausbau

15

Ein vergleichendes Verfahren ermöglicht es, die Spezifika der Kommentare und die Vorgehensweisen der Kommentatoren herauszuarbeiten. Dieses funktioniert in verschiedene Richtungen. Ausgangsbasis ist immer das Verhältnis von Horaz und Kommentator in verschiedenen Passagen, also die zum Horaztext gehörigen Lemmata und Kommentare.74 Dabei werden genaue Stellenanalysen vorgenommen und die Kommentarpassagen in verschiedene Kategorien eingeteilt.75 In einem weiteren Schritt sollen die Verhaltensweisen von Landino und Lambin in Bezug auf die gleichen Themen miteinander verglichen werden, um die jeweiligen Eigenschaften der Kommentare noch besser herausarbeiten zu können.76 Außerdem wird ihr jeweiliges Verhalten in den einzelnen Themenkomplexen (Paratexte, Obszönität, Epikureismus) nebeneinandergestellt. Die Paratexte bieten dabei eine Vergleichsfolie für die problematischen Inhalte der obszönen und epikureischen Stellen. Diese Auswahl der Paratexte und problematischen Stellen bietet sich an, weil sie in besonderer Weise die Brüche oder die Harmonisierungsversuche des Kommentators vor Augen treten lassen. In den Paratexten wird von den Kommentatoren ein autoritäres Bild von Horaz und von sich selbst gezeichnet, das für den Rest des Kommentars den Anspruch auf Gültigkeit hat. Jedoch werden diese Autorisierungsstrategien durch diejenigen Textstellen und Themen bei Horaz unterminiert, in denen der Kommentator vor sprachliche (Obszönität) oder inhaltliche (Epikureismus, Obszönität) Herausforderungen gestellt wird,77 die mit dem Bild des Horaz und des Kommentators in den Paratexten kollidieren. Diese problematischen Stellen zwingen den Kommentator dazu, eine Art Lenkung bzw. gerichtetes Umdeuten78 vorzunehmen und entweder den Autor Horaz und damit sich selbst (Landino) oder zumindest nur sich selbst (Lambin) als integer zu erhalten. Neben anderen für die Renaissancerezeption problematischen Themen, wie z. B. der Verhandlung von religiösen Themen bei Horaz, sind die hier betrachteten obszönen und epikureischen Passagen besonders deshalb lohnenswerte Untersuchungsgegenstände, da sie sich durch das gesamte horazische Œuvre ziehen (mit Ausnahme 74

75

76 77 78

Bei diesen Untersuchungen des Verhältnisses zwischen Horaztext und Kommentar steht auch immer der Begriff der Intertextualität im Raum. Eine hervorragende Beleuchtung des intertextuellen Verhaltens von Text und Kommentar bietet Wolfgang Raible, „Arten des Kommentierens“, 1995, 56–65, bes. das Schema 59 und 66–68. Die Interpretationen und Lesarten des Horaztexts werden häufig mit modernen Interpretationen gestützt, doch handelt es sich hier, wie in jeder Interpretation, immer um einen subjektiven Zugang zu Horaz, vgl. Luke B. T. Houghton, Maria Wyke, „Introduction“, 2009, 5. Eine Interpretation der Intertextualität zwischen Horazkommentaren bietet Christoph Pieper, „Horaz als Schulfibel“, 2014, 70–90. Dass Kommentare immer auch darauf ausgerichtet sind, Problemlösungen anzubieten, ist auch eine Grundthese Mosts: Glenn W. Most, „Preface“, 1999, xiii. Sapiro nennt diese Problemlösungsstrategie „contournement“: Gisèle Sapiro, La responsabilité de lҲécrivain. Littérature, droit et morale en France (XIXe–XXIe siècle), Paris 2011, 11: „De tout temps, la restriction de la liberté d’expression a conditionné les pratiques d’écriture, induisant non seulement des habitudes d’autocensure mais aussi des stratégies de contournement de la responsabilité auctoriale, par le recours à des procédés littéraires comme la fable, l’allégorie, le récit historique, la fiction.“

16

Einleitung

des Carmen Saeculare und der Ars poetica); außerdem sind beide Themenkomplexe im Renaissancediskurs oft miteinander verbunden und ergänzen sich gegenseitig.79 Es sollte nicht ungesagt bleiben, dass es sich bei diesen schwierigen, die offiziellen moralisch-sittlichen Diskurse der Zeit herausfordernden Passagen um in sich interessante Forschungsgegenstände handelt, die zeigen können, dass das Genre des Kommentars weit entfernt davon ist, bloß zähe Forschungslektüre zu sein. Bereits darin drückt sich der „Mehrwert von Unanständigkeit“80 aus, wie er von Martin Mulsow festgestellt wird.

1.4

Allgemeine Bemerkungen zur Textgewinnung, Zitierweise und Textdarstellung

Der Vergleich der beiden Kommentare geschieht auf der Grundlage intensiver Textarbeit. Dafür ist die Präsenz der Kommentartexte in dieser Arbeit unerlässlich. Dabei werden nur die jeweils relevanten Passagen im Rahmen der jeweiligen Analyse dargestellt, um die Vorgehensweise des Kommentators zu demonstrieren. Für die hier anvisierte Vorgehensweise ist dies nötig und sinnvoll, jedoch könnte die umfassende Betrachtung ganzer Gedichtkommentierungen ein ebenso lohnenswertes Unterfangen bieten. Die daraus entstehende strukturierte Anordnung der Strategien der Kommentatoren stellt einen scheinbar geordneten Eindruck her. Es ist daher noch einmal zu betonen, dass die Kommentare qua ihrer Natur inkohärent, widersprüchlich und vielstimmig sind. Die später zitierten Passagen fügen sich zwar gut in das erstellte Raster ein, doch sollte nicht vergessen werden, dass dies nur eine Perspektive auf diese vielschichtigen Werke ist.81 Die Darstellung der Zitate folgt hier dem Grundsatz der guten Lesbarkeit. Die Horazzitate sind der Ausgabe Shackleton Baileys entnommen und nicht den Kommentaren, um eine Einheitlichkeit des Texts zu gewährleisten. Bei den frühmodernen Kommentartexten wurde darauf verzichtet, die Eigenheiten des Druckstils der Zeit zu übernehmen, um einen für den modernen Leser weitestgehend reibungslosen Textfluss zu ermöglichen. Dass dies so einfach umzusetzen ist, liegt an der hervorragenden materiellen Ausgangslage. Erstens sind die untereinander orthographisch sehr verschiedenen Kommentare in vielfältiger Form und in zahlreichen Ausgaben digitalisiert für jeden

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80 81

Die Phänomene Epikureismus und Obszönität liegen in der Wahrnehmung der Renaissanceleser oft nah beieinander, wie bereits an Vallas Schrift De voluptate klar wird, in der der Repräsentant des Epikureismus Panormita ist, der Dichter obszöner Werke, vgl. dazu Howard Jones, The Epicurean Tradition, 1989, 145. Martin Mulsow, Die unanständige Gelehrtenrepublik, 2007, viii. Dies wäre deshalb wertvoll, da bei dem hier angewandten Vorgehen die ohnehin schon stark fragmentierten Kommentare noch weiter aus ihrem ursprünglichen Kontext herausgerissen werden und damit einen Teil ihrer Bedeutung verlieren.

Textgewinnung, Zitierweise und Textdarstellung

17

Nutzer frei verfügbar82 und der Leser kann sich problemlos mit dem Ausgangsmaterial auseinandersetzen, wenn dies erwünscht ist. Außerdem liegt eine, zum bisherigen Zeitpunkt fast vollständige, textnahe Transkription beider Kommentarerstauflagen im Rahmen des Projet Horace83 frei zugänglich und hervorragend aufbereitet vor. Die hier aufgeführten Zitate können daher vor allem inhaltlich betrachtet werden. Inhaltliche oder grammatische Eingriffe in die Druckform wurden i. d. R. nicht vorgenommen. Ergänzungen oder Veränderungen seitens der Autorin werden jeweils ausgewiesen. Die Schreibung der hier zitierten Texte wurden nach den gängigen Rechtschreibkonventionen vereinheitlicht und setzerische Abkürzungen in der Transkription aufgelöst.84 Dies gilt ebenso für Lambins Kommentar, der sich einer anderen, heute nicht mehr gebräuchlichen Orthographie (besonders in Bezug auf p vor m, z. B. promtus statt promptus)85 bedient, die aus Gründen der Einheitlichkeit nicht übernommen wurde. Außerdem werden die nach deutscher Orthographie gängigen Interpunktionszeichen gesetzt, um die Lesbarkeit der Passagen zu erhöhen.86 Eigennamen und Wörter am 82

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Vgl. die Aufzählung der benutzten Editionen im Anhang. Die Digitalisierung der untersuchten Kommentare bildete die Grundbedingung für die Entstehung dieser Arbeit. Ohne die einfache Zugänglichkeit und Möglichkeit der aktiven Arbeit am Text wäre diese Arbeit nicht möglich gewesen. Der Hauptfokus der Studie liegt auf den Erstausgaben der Kommentare, obschon durch die Vielzahl der Auflagen Lambins die Entwicklung der Horazkommentare nachvollzogen werden kann. Die benutzte Ausgabe Lambins ist die von 1561 aus Lyon: Quintus Horatius Flaccus, Denis Lambin, Q. Horatius Flaccus, Ex fide, atque auctoritate decem librorum manu scriptorum, opera Dionis. Lambini Monstroliensis emendatus: ab eodemq[ue] commentarijs copiosissimus illustratur, nunc primum in lucem editus, Lugduni apud Ioann. Tornaesium 1561. Für den Landinokommentar war dies aber nicht ohne weiteres möglich, sodass auf den ein Jahr später erschienenen Venezianer Druck (1483) zurückgegriffen werden musste. Zwar lag die Florentiner Ausgabe von 1482 aus dem Hause Miscomini am Exeter College Oxford vor: Christophori Landini Florentini in. Q. Horatii Flacci libros omnes ad illustrissimum Guidonem Feltrium magni Federici ducis filium interpretationes incipiunt feliciter, Florentiae per Antonium Miscominum 1482. Jedoch fand der Großteil der Arbeit in Auseinandersetzung mit der online verfügbaren Ausgabe von 1483 statt: Quintus Horatius Flaccus, Cristoforo Landino, Guidobaldo : [Opera], Carmina mit Gedicht auf Horaz von Angelus Politianus. Mit Errata. Daran: Epodon liber; Carmen saeculare; Ars poetica; Sermones; Epistulae, Venetiis: Johannes [de Forlivio] und Gregorius de Gregoriis und Jacobus Britannicus 1483. Dies konnte mit gutem Gewissen geschehen, denn wie Iurilli feststellt, erschien die Venezier Ausgabe fast gleichzeitig mit ihrer Florentiner Schwester, und sie war es, die den Horaz des Landino zu einem Verkaufsschlager werden ließ. Dass diese Ausgabe für den Leser dieser Arbeit leichter verfügbar ist, birgt außerdem den Vorteil, dass es die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchungen transparent werden lässt. Antonio Iurilli, Orazio nella letteratura italiana: commentatori, traduttori, editori italiani di Quinto Orazio Flacco dal XV al XVIII secolo, Roma 2004, 310. Vgl. FN 67. Ij = ii, y i. d. R. zu i, u vor Vokal = v, & = et, æ = ae, œ = oe, eis in Nominativ- und Akkusativendungen zu es, ae bisweilen zu e, oe zu e, quum zu cum usw. Römische Nummerierungen in den Zitaten der Kommentatoren werden in arabischen Zahlen wiedergegeben. Vgl. dazu Abschnitt 3.4.4.3, Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B3 v–B4 v. Zitate innerhalb der Zitate werden durch Anführungszeichen kenntlich gemacht.

18

Einleitung

Satzanfang werden in den Kommentarzitaten großgeschrieben.87 Mit demselben Ziel wurden die im Text enthaltenen griechischen Zitate, insbesondere die längeren, so knapp wie möglich gehalten. Da die griechischen Texte in den Kommentaren oft schwer lesbar sind, wurde die Version des Thesaurus Linguae Graecae (TLG) verwendet. Auch hier steht die Ausgangsform bereits in digitaler Version zur Verfügung und die Originaltranskription kann in diesem Kontext zu keinem wissenschaftlichen Mehrwert führen. Die antiken Texte außerhalb der Kommentarzitate entstammen, soweit nicht anders vermerkt, aus den im Literaturverzeichnis angegebenen Ausgaben, der Bibliotheca Teubneriana Latina (BTL) und der Library of Latin Texts,88 nach denen die Angabe der Stellen erfolgt. Weitere Hilfsmittel waren besonders der Thesaurus Linguae Latinae (TLL) sowie Johann Rammingers Neulateinische Wortliste.89

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Shackleton Bailey schreibt Satzanfänge in seiner Horazausgabe i. d. R. klein. Dies wurde aus Zitierungsgründen übernommen. Wobei die von den Kommentatoren angegebenen Textversionen im Lateinischen übernommen werden. Die einzelnen Verse werden innerhalb der Kommentartexte und der Fußnoten mit einem Trennstrich | getrennt. Daher wird die Großschreibung in den Kommentaren Lambins, die eine beginnende Zeile markiert, nicht angewandt. Außerdem wird die in der BTL und LLT verwendete Schreibung von u und v der oben genannten Regel angepasst. Alle Hilfsmittel und Online-Quellen sowie Sekundärliteratur werden im Anhang aufgeführt.

2 Allgemeine Übersicht zu den Kommentaren

Vor den Textanalysen soll ein kurzer Überblick zu den Kommentatoren Landino und Lambin sowie zu den Eckdaten (Widmungsempfänger1, Kommentarformalia, Kommentarcharakteristika, Zielpublikum) ihrer Horazkommentare gegeben werden.

2.1 Der Horazkommentar Landinos 2.1.1 Zur Person Cristoforo Landinos Cristoforo Landino2 wurde 1424 in Pratovecchio bei Florenz geboren.3 Unterstützt durch die Medici konnte er nach seinen Studien4 eine akademische Laufbahn am Studio Fiorentino, der Universität in Florenz einschlagen, wo er viele Jahre eine der bedeutendsten Gestalten des Florentiner intellektuellen Lebens war.5 In seinen Zwanzigern verfasste er in Anlehnung an antike Elegiker den Gedichtzyklus Xandra (1443–1445), den er fünfzehn Jahre später (1458/59)6 in stark überarbeiteter Form erneut herausgab.7 1 2

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In Kapitel 3 geht es um die Widmungen als Untersuchungsgegenstand, hier soll der Widmungsempfänger als Person im Vordergrund stehen. Die Studie konzentriert sich auf auf die philologische Arbeit Landinos, da sie für das hier vorliegende Thema besonders relevant ist. Jüngere Darstellungen der Biographie Landinos finden sich bei: Antonia Wenzel, Die Xandra-Gedichte, 2010, 11–13. Christoph Pieper, Elegos redolere Vergiliosque sapere. Cristoforo Landinos ‚Xandra‘ zwischen Liebe und Gesellschaft, Hildesheim 2008, 21–62. Mary P. Chatfield (Hrsg.), Landino, Cristoforo: Poems, Cambridge, Mass. 2008, viii–xvi. Manfred Lentzen, Studien zur Dante-Exegese Cristoforo Landinos, Köln 1971, 2. Ursprünglich studierte er bis 1439 Jura, vgl. Antonia Wenzel, Die Xandra-Gedichte, 2010, 11, Mary P. Chatfield, Landino, Cristoforo, 2008, viii, danach nahm er ein Studium unter Marsuppini am Studio auf. Mary P. Chatfield, Landino, Cristoforo, 2008, viii. Mary P. Chatfield, Landino, Cristoforo, 2008, xv datiert auf 1460. Zur generischen Unterscheidung der beiden Ausgaben vgl. Christoph Pieper, „Landino‫ތ‬s Xandra between Elegy and Epigram“, in Susanna De Beer, Karl Enenkel, David Rijser (Hrsg), The NeoLatin Epigram. A learned and wittty genre, Leuven 2009, 165–190.

20

Allgemeine Übersicht zu den Kommentaren

Im selben Jahr übernahm er den Lehrstuhl für Poetik und Rhetorik am Studio,8 wobei sich seine Arbeiten mit Dichtungstheorie, Kommentierung von lateinischen und italienischen Autoren und Philosophie befassten: Cicero, Vergil, Horaz, Juvenal, Persius, Dante und Petrarca.9 Seine Beschäftigung mit Horaz zieht sich durch seine gesamte Lehrtätigkeit,10 beginnt mit Vorlesungen zu den Oden 1459/60 oder 1460/61,11 die sich in den folgenden Jahren wiederholen,12 und setzt sich in Vorlesungen zur Ars poetica 1464/65 fort.13 1472 verfasste er die Disputationes Camaldulenses, die 1480 gedruckt wurden14 und die in den letzten zwei Büchern eine allegorische Auslegung der Bücher 1–6 der Aeneis enthalten.15 Die achtziger Jahre des Quattrocento sind von den drei Kommentaren zu Dante (1480/81)16, Horaz (1482) und Vergil (1487/88) geprägt, die in 8

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Mary P. Chatfield, Landino, Cristoforo, 2008, xv weist darauf hin, dass seine Bezahlung vor allem gegen Ende seiner Tätigkeit, besonders nach Veröffentlichung des Dantekommentars, so hoch war, dass sie darauf Rückschlüsse ermöglicht, wie groß die Reputation Landinos als Professor war; siehe Manfred Lentzen, Reden Cristoforo Landinos, München 1974, 9. Ursula Rombach, Vita activa und Vita contemplativa bei Cristoforo Landino, Stuttgart 1991, 22. Arthur Field, The Origins of the Platonic Academy of Florence, Princeton 1988, 231. Francesco Bausi, s. v. „Landino“, in Enciclopedia Oraziana, Bd. III, Roma 1998, 308. Ursula Rombach, Vita activa, Stuttgart 1991, 22. Iurilli datiert auf 1461: Antonio Iurilli, „Il ‚corpus‘ oraziano fra editoria e scuole umanistiche nei secoli XV e XVI“, in International Journal of the Classical Tradition 3,2 (1996), 151. Mary P. Chatfield, Landino, Cristoforo, 2008, xvi. Francesco Bausi (1998: 307) datiert auf 1463: Francesco Bausi, s. v. „Landino“, 1998, 307. Von den Vorlesungen zur Ars sind die Mitschriften Bartolommeo della Fontes, des Schülers des Landino, unter dem Titel Collecta sub Christophoro Landino publice legenti Florentie anno M.CCCC supra quartum et sexagesimum. Multa sunt quae ipse non dixit, sed ego ex Tortellio collegi. erhalten. Diese zeigen, dass sich Landino hier ebenso wie im Horazkommentar von 1482 vor allem grammatisch, rhetorisch und lexikalisch mit dessen Dichtung auseinandersetzt. Vgl. Craig Kallendorf, „The rhetorical criticism of literature in early Italian humanism from Boccaccio to Landino“, in Rhetorica 1,2 (1983), 57. Eine detaillierte Liste seiner Kurse findet sich bei Arthur Field: Arthur Field, „Cristoforo Landino‫ތ‬s First Lectures on Dante“, in Renaissance Quarterly 39 (1986), 21. Manfred Lentzen, Studien zur Dante-Exegese, 1971, 228–231. Lentzen druckt einen Brief Landinos ab, der sich in ähnlicher Weise mit der lyrischen Dichtung befasst (224) und von Lentzen tentativ auf 1462 (226) datiert wird. Nikolaus Thurn, „Die Aeneis-Allegorese in Cristoforo Landinos Disputationes Camaldulenses“, in Jean Louis Charlet, Lucia Gualda Rosa, Heinz Hofmann, u. a. (Hrsg.), Acta Conventus Neo-Latini Cantabrigiensis, Tempe 2003, 546. Craig Kallendorf, „The rhetorical criticism of literature“, 1983, 52. Manfred Lentzen, „Cristoforo Landinos Dantekommentar“, 1975, 177. Manfred Lentzen, „Zur Problematik von ‚vita activa‘ und ‚vita contemplativa‘ in den Disputationes Camaldulenses von Cristoforo Landino“, in Wolfenbütteler Renaissance-Mitteilungen 14 (1990), 57–64. Lentzen befasst sich mit den Konzepten der vita activa und vita contemplativa in diesem Werk. Vgl. Nikolaus Thurn, „Die Aeneis-Allegorese“, 2003. Mary P. Chatfield, Landino, Cristoforo, 2008, xv hebt hervor, dass er im Quattrocento der Erste ist, der einen Dantekommentar verfasst. Fabrizio-Costa und La Brasca vergleichen Landinos Dantekommentar mit dem Velutellos: Silvia Fabrizio-Costa, Frank La Brasca, „De l’âge des auteurs à

Der Horazkommentar Landinos

21

gedruckter Form erschienen. Seine Kommentare von 146217 zu Juvenal und Persius sind hingegen nur in Handschriften erhalten.18 1497 endet seine Lehrtätigkeit. Sein Tod wird für das folgende Jahr 1498 angenommen.19 Landino war Lehrer von so bedeutenden intellektuellen Gestalten wie Marsilio Ficino, Angelo Poliziano, Ugolino Verino20, Giovanni Cavalcanti und Francesco Berlinghieri21 ebenso wie von politischen Persönlichkeiten wie Lorenzo de’ Medici selbst.22 Sein Schüler Ficino wiederum war es, der Landino zur intensiven Beschäftigung mit der Florentiner Variante des Neuplatonismus anspornte,23 die sich zudem in seinem Beitritt zur Accademia Platonica in ihrem Gründungsjahr 146224 ablesen lässt. Dort nahm er die Rolle des „literarhistorischen und philologischen Exponent[en]“ ein.25 Diese intensive Beschäftigung mit dem Neuplatonismus und dem Platonismus26 spiegelt sich in seinen Arbeiten wider.27

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celui des polygraphes. Les commentaires de la Divine Comédie de C. Landino (1481) et A. Vellutello (1544)“, in Gisèle Mathieu-Castellani, Michel Plaisance (Hrsg.), Les commentaires et la naissance de la critique littéraire: France, Italie (XIVe – XVIe siècles), Paris 1990, 175–193. Manfred Lentzen, „Cristoforo Landinos Dantekommentar“, 1975, 184. Antonia Wenzel, Die Xandra-Gedichte, 2010, 13. Zur Nachwirkung Landinos vgl. Manfred Lentzen, Studien zur Dante-Exegese, 1971, 1. Mary P. Chatfield, Landino, Cristoforo, 2008, xvi. Nikolaus Thurn, Kommentar zur Carlias des Ugolino Verino, München 2002, bes. 30–41. Thurn stellt den Einfluss Landinos auf seinen Schüler Verino dar und tut dies besonders anhand von Landinos Vergil- und Dantebehandlung. Manfred Lentzen, Studien zur Dante-Exegese, 1971, 8. August Buck, „Dichtung und Dichter bei Cristoforo Landino. Ein Beitrag zur Dichtungslehre des italienischen Humanismus“, in Romanische Forschungen 58–59 (1947), 233–234. Buck stellt Landino jedoch als eher mittelalterliche Gelehrtengestalt dar, die nicht den humanistischen Tendenzen seiner Zeit gefolgt sei. Christoph Pieper, Elegos redolere Vergiliosque sapere, 2008, 25. Manfred Lentzen, Studien zur Dante-Exegese, 1971, 28. Herbert Jaumann, Critica. Untersuchungen zur Geschichte der Literaturkritik zwischen Quintilian und Thomasius, Leiden 1995, 113. Jill Kraye, „Philologists and Philosophers", in Jill Kraye (Hrsg.), The Cambridge Companion to Renaissance Humanism, Cambridge 2010, 10. Auflage, 150. Liane Nebes nennt ihn „Meisterschüler“. Liane Nebes, Der „furor poeticus“ im italienischen Renaissance-Platonismus. Studien zu Kommentar und Literaturtheorie bei Ficino, Landino und Patrizi, Marburg 2001, 2. Ursula Rombach, Vita activa, 1991, 14–15: Die Akademie wurde von Lorenzo de‫ ތ‬Medici gegründet. Bei ihr handelt es sich nicht um eine institutionalisierte Akademie, sondern „um einen Kreis von befreundeten Philosophen und Literaten.“ Vgl. Paul Oskar Kristeller, Renaissance Thought II. Papers on Humanism and the Arts, New York 1965 93. Manfred Lentzen, „Die humanistische Akademiebewegung des Quattrocento und die Accademia Platonica in Florenz“, in Wolfenbütteler Renaissance-Mitteilungen 19 (1995), 58–78. Eberhard Müller-Bochat, Leon Battista Alberti und die Vergil-Deutung der Disputationes Camaldulenses. Zur allegorischen Dichter-Erklärung bei Cristoforo Landino, Krefeld 1968, 17. Roberto Cardini, Cristoforo Landino. Scritti critici e teorici, 2 Bde., Firenze 1974, Bd. I, xviii. Christoph Pieper, Elegos redolere Vergiliosque sapere, 2008, 24. Manfred Lentzen, Studien zur Dante-Exegese, 1971, 11. Concetta Carestia Greenfield, Humanist and scholastic poetics, 1250–

22

Allgemeine Übersicht zu den Kommentaren

Das Werk Landinos lässt sich in fünf Gruppen unterteilen: „das poetische Werk, die dialogischen Schriften, die exegetischen und philologischen Werke, […] die Übersetzungen und […] die […] Reden und Briefe […]“.28 Für die Forschung waren dabei besonders sein philosophisches Werk29, seine Xandra-Dichtungen30 sowie der Dante-31 und Vergilkommentar32 von besonderem Interesse. Dem Horazkommentar ist in Einzeluntersuchungen wesentlich weniger Aufmerksamkeit gewidmet worden.33 Ihm fällt

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1500, Lewisburg, Pa. 1981, 215. Nebes befasst sich mit Landinos Konzeption des furor poeticus, die sich auf die Antrittsvorlesung Landinos (1458) bezieht: Liane Nebes, Der „furor poeticus“ im italienischen Renaissance-Platonismus, 2001, 112–148. Manfred Lentzen, Studien zur Dante-Exegese, 1971, 13. Ursula Rombach, Vita activa, 1991 befasst sich mit den Konzepten der vita activa und vita contemplativa bei Landino. Craig Kallendorf, In Praise of Aeneas. Virgil and Epideictic Rhetoric in the Early Italian Renaissance, Hanover 1986, 131. Kallendorf disqualifiziert ihn als Philosophen, dessen Fertigkeiten definitiv eher im Bereich der philologischen Arbeit lägen, ähnlich Arthur Field, The Origins of the Platonic Academy, 1988, 234. Antonia Wenzel, Die Xandra-Gedichte, 2010. Mary P. Chatfield, Landino, Cristoforo, 2008. Jörg Robert, „Lateinischer Petrarkismus“, 2004, 122–130. Martin L. McLaughlin, Literary Imitation in the Italian Renaissance. The Theory and Practice of Literary Imitation in Italy from Dante to Bembo, Oxford 1995. Florian Neumann, „Die Neukonstruktion auktorialer Autorität in den Petrarca-Kommentaren des 16. Jahrhunderts“, in Wulf Oesterreicher, Gerhard Regn, Winfried Schulze (Hrsg.), Autorität der Form – Autorisierung – Institutionelle Autorität, Münster 2003, 161–162. Deborah Parker, „Commentary as Social Act: Trifone Gabriele’s Critique of Landino“, in Renaissance Quarterly 45 (1992), 225–247. Silvia Fabrizio-Costa, Frank La Brasca, „De l’âge des auteurs“, 1990. Arthur Field, „Cristoforo Landino‫ތ‬s First Lectures on Dante“, 1986, 16–48. Manfred Lentzen, „Cristoforo Landinos Dantekommentar“, 1975. Manfred Lentzen, Studien zur Dante-Exegese, 1971. Craig Kallendorf, „Cristoforo Landino‫ތ‬s Aeneid and the Humanist Critical Tradition“, in Renaissance Quarterly 36 (1983), 519–546. David Scott Wilson-Okamura, Virgil in the Renaissance, Cambridge 2010, 35–37. Craig Kallendorf, In Praise of Aeneas, 1986, 133 untersucht u. a. die Unterschiede in der Vergilauslegung der Disputationes und dem Kommentar von 1488, die darin bestünden, dass Erstere eine allegorische Auslegung darstellten, der Kommentar hingegen eher grammatisch-rhetorisch aufgebaut sei. Kallendorf stellt jedoch auch fest, dass Landino diese selbstgewählte Distinktion nicht aufrechterhalten kann, da der Kommentar ebenfalls stark von Allegorese geprägt sei. Außerdem weist er (155–161), wie schon Manfred Lentzen, „Cristoforo Landinos Dantekommentar“, 1975, 177, auf die Verbindungen zwischen Landinos Vergil- und Danteexegese hin. Vgl. Craig Kallendorf, „The rhetorical criticism of literature“, 1983, 52–56. Craig Kallendorf, „Philology, the reader and the Nachleben of Classical texts“, in Modern Philology 92 (1994), 140– 154. Craig Kallendorf, „Cristoforo Landino, Andrea Tordi, and the Reading Practices of Renaissance Humanism“, in Joachim Leeker, Elisabeth Leeker (Hrsg.), Text – Interpretation – Vergleich. Festschrift für Manfred Lentzen zum 65. Geburtstag, Berlin 2005, 352–54. Auch Herbert Jaumann, Critica, 1995, 113 stellt fest, dass „die Interpretation der Commedia […] dem gleichen allegorischen Verfahren verpflichtet [ist] wie seine Vergil-Deutung in den Disputationes Camaldulenses“. Konferenzen wie die Tagungen zur Horazrezeption in der Renaissance in der Villa Vigoni, die sich u. a. mit Landino befassen, versuchen, diesem Mangel entgegenzutreten, vgl. beispielsweise die Studie Donatella Coppinis „Il commento a Orazio di Cristoforo Landino“, Vortrag gehalten im Rahmen der Tagung „Trilaterale Forschungskonferenz / Conferenza trilaterale di ricerca / Atelier

Der Horazkommentar Landinos

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insgesamt bisher eine eher marginale Rolle zu.34 Auch wenn sich in jüngerer Zeit immer mehr Forschungsbeiträge mit dem Horazkommentar beschäftigen,35 so ist in gewissem Sinne immer noch Roberto Cardinis Urteil über den Horazkommentar aktuell: „Poiché i commenti ad Orazio e a Virgilio, le due opere ‚critiche’ latine forse più ristampate e studiate tra Quattro e Cinquecento, ma che, oggi, da più di cinquant’anni non sembrano aver suscitato la curiosità di un solo lettore […].“36

2.1.2 Die Widmungsempfänger des Horazkommentars Die Kultur der Widmung an Adlige ist Ausdruck eines Vorgangs, der auf Bereitwilligkeit seitens der Adligen schließen lässt, denen „die Pflege von Kunst und Wissenschaft als standesgemäße Verpflichtung ans Herz gelegt [wird]“.37 Es zeigt sich, dass es Landinos Ziel ist, mit dem Horazkommentar seine Stellung als Protegé des Hauses Urbino zu bestätigen und über das Prestige des Hauses wiederum Prestige für sein Werk zu erlangen. Eine Besonderheit liegt darin, dass die Widmung zwar an Guidobaldo da Montefeltro gerichtet ist, man jedoch sehr schnell erkennt, dass Landino vor allem dessen Vater Federico da Montefeltro preisen wollte.38 Dieser war einer der wichtigsten Humanistenförderer seiner Zeit.39 Er war Graf von Urbino und Besitzer der zweitgrößten Privatbi-

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trilatéral de recherche: Die Horaz-Rezeption in der neulateinischen Literatur vom Beginn des 15. bis zum Ende des 17. Jahrhunderts (Italien – Deutschland – Frankreich). II – HORATIUS LYRICUS“, Villa Vigoni, 04.06.2013. Ein kurzer Abriss zur Bedeutung von Dichtung und Rhetorik innerhalb des Horazkommentars findet sich bei Concetta Carestia Greenfield, Humanist and scholastic poetics, 1981, 222–224. Roberto Cardini, Cristoforo Landino, 1974, Bd. I, xxv. Ausnahmen dazu bilden beispielsweise: Francesco Bausi, s. v. „Landino“, 1998. Huss‫ ތ‬Untersuchungen zur Poetologie Landinos in der Ars poetica: Bernhard Huss, „Regelpoesie und Inspirationsdichtung in der Poetologie Cristoforo Landinos (im Anhang: Landinos Vorwort zu seiner Kommentierung der Ars poetica von Horaz)“, in Marc Föcking, Bernhard Huss: Varietas und Ordo. Zur Dialektik von Vielfalt und Einheit in Renaissance und Barock, Stuttgart 2003, 13–32. Rainer Stillers, Humanistische Deutung, 1988. Weinberg charakterisiert die Ars-Kommentierung: Bernhard Weinberg, A history of literary criticism in the Italian Renaissance, Bd. I, Chicago 1961, 79–81. Piepers Studie zur Behandlung der Ars poetica bei Landino ist ein Beispie: Christoph Pieper, „Horatius praeceptor eloquentiae“, 2013, 221–240. Roberto Cardini, Cristoforo Landino, 1974, Bd. I, xxv. Karl Schottenloher, Die Widmungsvorrede im Buch des 16. Jahrhunderts, Münster/Westf. 1953, 185. David Scott Wilson-Okamura, Virgil in the Renaissance, 2010, 59 beschreibt einen ähnlichen Vorgang für Tasso. Für seine Patronage Campanos vgl. Susanna De Beer, The Poetics of Patronage. Poetry as SelfAdvancement in Gianantonio Campano, Turnhout 2013.

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bliothek der Renaissance und zudem ein wichtiger Kunstmäzen.40 Seine Position und seine finanziellen Mittel hatte er allerdings als condottiere, als Kriegerfürst, verdient und dabei massiv die Reputation und die Macht des Herzogtums von Urbino gesteigert, was zu dem Ruf des Hofes als Humanistenzentrum führen sollte:41 Landino hatte ihm bereits sein wohl bekanntestes Werk, die Disputationes Camaldulenses, gewidmet42 und nahm ebenso den Horazkommentar zum Anlass, seinem Förderer und dessen Sohn ein literarisches Denkmal zu setzen. Ausführlich beschreibt er in der Widmungsvorrede in der Form der praeteritio die Taten des Federico: [T]ibi, inquam, illustrissime Guido, nihil ab externis mutuandum est, cum ab immortali Deo eum sis patrem consecutus, qui tibi omnium quas memoravi virtutum egregium atque conspicuum exemplar abunde superque esse possit. Hunc igitur toto animo et tota mente amplectere. Hunc cole. Hunc observa. Hunc imitare ac penitus exprime. Nam si illuc tandem evades, quo eum venisse cernis, quid amplius tibi aut ad bene beateque vivendum aut ad tui nominis gloriam propagandam excelsius invenire possis, non reperio. Sed de parente tuo alias, quem quidem universa iam Italia et in armis et in toga veluti alterum Apollinem consulit, quem omnes tanti faciunt, ut constantissima omnium opinione eas demum partes victrices evasuras iudicent, quarum exercitibus Federicus Feltrius imperet. Qui nuper in ardentissimum bellum profectus hostium, qui militum numero longe superiores celerrimam sibi et indubitatam victoriam pollicebantur, maximos impetus sua sapientia ac militari disciplina repressit omnesque conatus irri43 tos reddidit. Sed, ut dixi, de parente tuo alio loco.

Der Vater Federico wird als Universalbeispiel für Tugenden stilisiert, den Guidobaldo nachahmen soll. Selbst als Landino ankündigt, dass er über Federico an anderer Stelle sprechen werde (Sed de parente tuo alias), kann er es doch nicht unterlassen, in einem langen angehängten Nebensatz Federico mit Apoll zu vergleichen und besonders dessen militärisches Geschick hervorzuheben. Erst nach einer zweiten Ankündigung (Sed, ut dixi, de parente tuo alio loco) beendet er die Laudatio Federicos tatsächlich. Dieser Trend setzt sich im Satiren-Vorwort fort, in dem sich Landino erneut an Guidobaldo wendet. Abermals gibt es einen kleinen panegyrischen Exkurs zu dessen Vater:

40 41

42

43

Cecil H. Clough, „Federigo da Montefeltro‫ތ‬s Patronage of the Arts, 1468–1482“, in Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 36 (1973), 129–144. Mary Hollingsworth, Patronage in Renaissance Italy. From 1400 to the early sixteenth century, London 1994, 192–193: „He applied humanists to advertise his reputation. […] The humanists attached to his court wrote laudatory accounts of his career and promoted him, with reason, as the major patron of the arts.“ Hollingsworths kunsthistorische Studie befasst sich vor allem mit der Umgestaltung des Palazzos der Familie (192–201). Die Rolle von Federico da Montefeltro als Kunstförderer dürfte sich auf die kunsthistorischen Interessen Landinos ausgewirkt haben, der 1481 in seiner Danteedition die Beschreibung und Bewertung einzelner florentinischer Künstler vornimmt und von Hope/McGrath als ein „humanist with an unusual sensitivity to the visual arts“ charakterisiert wird: Charles Hope, Elisabeth McGrath, „Artists and Humanists“, in Jill Kraye (Hrsg.), The Cambridge Companion to Renaissance Humanism, Cambridge 2010, 10. Auflage, 167. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. s. n. Die Passage befindet sich auf der zweiten Seite des Proemiums.

Der Horazkommentar Landinos

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Tuum autem est, illustrissime Guido, ea quae ad vitae emendationem non minori sapientia quam eloquentia ab huiuscemodi poeta dicuntur ita percipere, ut animum mentemque tuam ex tenera aetate adhuc ceream per paterna vestigia ad summas virtutes dirigas. Quicquid enim bonarum artium, quibus vita excolitur, apud Horatium disces, id omne ac[c]umulatissime in 44 parente tuo deprehendes.

Ein erster Grund für die Widmung an Federicos Sohn und nicht an Federico direkt ist möglicherweise, dass es Landino vermeiden wollte, ein weiteres Werk an Federico zu richten. Daneben könnten der literarische Geschmack45 und das Alter des älteren Herzogs von Urbino eine Rolle gespielt haben. Die Widmung des Horaz, der in erster Linie als Lyriker präsentiert wird,46 an einen jungen (und nicht an einen gestandenen Mann) scheint innerhalb der Horazrezeption besonders passend zu sein. Bereits in der mittelalterlichen Tradition wurde die lyrische Dichtung des Horaz als besonders wertvoll für junge Männer empfunden.47 Interessant ist außerdem die Parallele, dass Landino auch seinen Vergilkommentar einem Sohn eines berühmten Patrons widmet: Er dediziert ihn Pietro de’ Medici, dem Sohn Lorenzos.48 Es ließe sich daraus schließen, dass die beiden lateinischen Kommentare eher für ein Schülerpublikum gedacht waren, da sie sich an adlige Jugendliche wandten. Dies soll im folgenden Abschnitt näher untersucht werden.

2.1.3 Das Zielpublikum Zunächst gilt es für die Betrachtung der hier vorliegenden Kommentare festzuhalten, dass, egal welche Zielgruppe man für die beiden Werke ausmacht, von vornherein betont werden muss, dass es sich hier um eine sehr ausgewählte Gruppe handelt.49 Debattieren lässt sich nur über das Alter und den Bildungsfortschritt innerhalb dieser 44 45 46 47

48 49

Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. riii v. Laut Burckhardt habe Federico die Schriften der Historiker vorgezogen: Jacob Burckhardt, Die Kultur der Renaissance in Italien. Ein Versuch, Stuttgart 1988, 11. Auflage, 162. In der Landinovita wird dieser Aspekt des Werkes des Horaz in den Vordergrund gesetzt. Wie im Accessus des Sciendum-Kommentars ersichtlich ist: Roberta Marchionni, Sciendum-Kommentar 2003, 7: Primitus enim lirica composuit, ibique quasi adolescentibus loquens amores et iurgia, commessationes et potations materiam habuit und im von Hajdú herausgegebenen Zürcher Kommentar aus dem zwölften Jahrhundert: István Hajdú, „Ein Zürcher Kommentar aus dem 12. Jahrhundert zur ‚Ars poetica‘ des Horaz“, in Cahiers de LҲInstitut Du Moyen-Âge Grec Et Latin 63 (1993), 231–293. Vgl. auch Karsten Friis-Jensen, „The reception of Horace in the Middle Ages“, 2007, 294–295. Dort allerdings seien die Oden für „boys“ gedacht, also noch jüngere Schüler. Roberto Cardini, Cristoforo Landino, 1974, Bd. I, 205. Der Dantekommentar hat keinen Widmungsempfänger. Lowell Edmunds, „The Reception of Horace’s Odes“, 2010, 341: „The teaching of Horace was always, until the mid-twentieth century, addressed to an elite.“ Pieper bestätigt dies im Hinblick auf den Landino: Christoph Pieper, „Horatius praeceptor eloquentiae“, 2013, 236.

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Allgemeine Übersicht zu den Kommentaren

bereits vorselektierten Gruppe, die an humanistischen Bildungsaktivitäten teilnehmen konnte. Das Zielpublikum einer Ausgabe ist es, das, wie Karlheinz Stierle betont, maßgeblich zur Entstehung des Kommentars beiträgt, da im Kommentar eine Kommunikationssituation über einen Text hergestellt wird.50 Leider ist die Bestimmung, ob es sich um ein studentisches oder ein noch gelehrteres Publikum handelt, nicht klar aus den Paratexten seiner Ausgabe möglich. Nirgendwo definiert Landino eindeutig, für welches Publikum außer dem Widmungsempfänger er seinen Horazkommentar verfasst hat. Daher können wir nur auf indirekte Hinweise zurückgreifen. Eine Erklärung für dieses etwas undifferenzierte Adressatenspektrum ist möglicherweise die schnelle Erstellungsdauer des Kommentars, die, laut Francesco Bausi, nur zehn Monate betrug.51 Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der Kommentar auf dem Grundgerüst der Vorlesungen entstanden sein, die Landino bereits zwanzig Jahre früher gehalten hatte. Der Kommentar ist daher ein Flickenteppich aus Vorlesungsnotizen und nachträglich eingefügten Ergänzungen. Die Paratexte selbst sind jedoch im Druckzeitpunkt zu verorten. Für ein Schülerpublikum spricht einiges: Der Widmungsempfänger der Horazausgabe (und der Vergilausgabe) war jung und noch nicht erwachsen.52 Auch die Ausrichtung des Kommentars bestätigt dies. Landino strebt, wie das folgende Kapitel zeigt, die rhetorische Auslegung des Horaz und die Herausstellung seiner enormen kompositorischen und rhetorischen Fähigkeiten als Dichter an. Christoph Pieper konstatiert, dass Landinos Kommentar mit seinem rhetorischen Fokus auf ältere Studenten jenseits des Spracherwerbsstadiums beim grammaticus zugeschnitten war.53 Dies ist im Sinne Francesco Bausis, der das Publikum Landinos als „non-specialisti“54 bezeichnet. Als Professor am Studio hatte Landino ohnehin jugendliche Studenten.55 Dazu gibt es allerdings berechtigte Gegenstimmen. So kann, laut Rainer Stillers, aus der Widmungsvorrede durch die „[Betonung] der anspruchsvollere[n] Schichten der Auslegung“56 ein höher gebildetes Publikum abgeleitet werden.57 In den Kommentarannotationen findet sich eine Mischung aus eher sprachlichen Erklärungen und solchen, die tief in Mythologie oder sogar neuplatonisches Gedankengut einsteigen. Damit stellen diese Passagen, wie Jörg Robert herausarbeitet, ein „Identifikationsangebot für

50 51 52 53 54 55 56 57

Karlheinz Stierle, „Les lieux du commentaire“, 1990, 19–20. Er nennt als mögliche Gruppen „Schüler, Studenten, Interessierte und Dilettanten“. Glenn W. Most, „Preface“, 1999, xiii–xiv. Bausi datiert auf September 1481 bis Juli 1482: Francesco Bausi, s. v. „Landino“, 1998, 307. Guidobaldo war zu diesem Zeitpunkt zehn Jahre alt, vgl. Cecil H. Clough, „Federigo da Montefeltro‫ތ‬s Patronage“, 1973, 134. Christoph Pieper, „Horatius praeceptor eloquentiae“, 2013, 223. Francesco Bausi, s. v. „Landino“, in Enciclopedia Oraziana, Bd. III, Roma 1998, 306. Manfred Lentzen, Reden Cristoforo Landinos, 1974, 37 entnimmt dies der Rede zur Überreichung seines Dantekommentars 1481, vgl. ebenso Manfred Lentzen, Studien zur Dante-Exegese, 1971, 8. Rainer Stillers, Humanistische Deutung, 1988, 69. Ebenso Bernhard Weinberg, A history of literary criticism, 1961, 81: „The audience itself, however, is superior to that for rhetoric, being more erudite and having more time to engage in reading and rereading of the work.“

Der Horazkommentar Landinos

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einen esoterischen Kreis“58, die platonische Akademie, dar. Die Meinungen zu diesem Sachverhalt gehen also stark auseinander. Ein sinnvoller Kompromiss ergibt sich aus der Zusammenfassung aller genannten Gruppen: Nicht-Spezialisten, Gelehrte und sogar der platonische Kreis. Für alle ist etwas im Kommentar enthalten. Dies wäre im Sinne Francesco Lo Monacos, der im Hinblick auf die Darstellung in den Paratexten sowohl Studenten als auch ein gelehrteres Publikum für die Kommentare der zweiten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts konstatiert.59

2.1.4 Aufbau und Layout Im Rahmen der Analysen soll Aufbau und das Layout der Kommentare grob umrissen werden. Daher werden kurze tabellarische Übersichten der in den Kommentaren enthaltenen Paratexte, knappe Erläuterungen dazu und eine Übersicht der horazischen Werke innerhalb der Edition gegeben. Für die Landinoausgabe gilt jedoch ein besonderes Caveat: Da die Florentiner Originalausgabe von 1482 äußerst selten ist und für die meiste Zeit der Recherchen nicht zur Verfügung stand,60 bezieht sich die vorliegende Untersuchung auf die Venezianer Folioausgabe, die 1483, also nur ein Jahr später, in unveränderter Form erschien und für die meisten Benutzer leichter zu erreichen ist, weil sie in digitalisierter Form vorliegt.61 Der Aufbau der Ausgabe ist in tabellarischer Form dargestellt. Dem Kommentarteil62 sind am Beginn des Buches folgende Paratexte vorangestellt: 58 59

60 61 62

Jörg Robert, „Lateinischer Petrarkismus“, 2004, 135–136. Dabei kann der Kommentar, der im Druck vorliegt, teilweise aus Mitschriften der Studenten bestehen. Francesco Lo Monaco, „Alcune osservazioni sui commenti umanistici ai classici nel secondo quattrocento“, in Ottavio Besomi, Carlo Caruso (Hrsg.), Il commento ai testi, Basel 1992, 123: „Indagando in questo senso le varie praefationes dei commenti a stampa, è possibile rilevare, in maniera costante potremmo dire, la presenza di un accenno al pubblico, che spesso è sdoppiato negli studenti e nei dotti (e questo sdoppiamento è presente, si può dire, sempre quando il commento è dichiaratamente sviluppato sulla base delle recollectae studentesche), e di una dichiarazione di piena coscienza che il commento, una volta uscito in pubblico, sarebbe stato oggetto di duri attacchi da parte de detrattori.“ Von Landinos Vorlesungen erhielten sich in einigen Fällen studentische Mitschriften, wie anhand des Kommentars von Bernardo della Fonte; vgl. dazu z. B. Craig Kallendorf, „The rhetorical criticism of literature“, 1983, 57. Zu della Fonte vgl. Charles Trinkaus, „The unknown Quattrocento Poetics of Bartolommeo della Fonte“, in Studies in the Renaissance 13 (1966), 40–122. Christoph Pieper, „Horatius praeceptor eloquentiae“, 2013, 222– 223 vergleicht in einer aktuellen Studie die Vorlesungsmitschriften della Fontes mit Landinos Kommentar und kommt zu dem Ergebnis, dass sich seine Unterrichtspraxis und sein Kommentar sehr ähnelten. Die Florentiner Ausgabe konnte einmal in der Bibliothek des Exeter College Oxford eingesehen werden. Beispielsweise als hervorragendes Digitalisat des illustrierten Exemplars der Bayerischen Staatsbibliothek. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. aii r.

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Allgemeine Übersicht zu den Kommentaren

Ad Horatium Flaccum Ode Dicolos Tetrastrophos Angeli Politiani

Widmungsgedicht Polizianos

Proemium

Einleitung/Widmung

Tabula Vocabulorum quae in nostris commentariis suo ordine interpretata invenies63

Wortregister (ohne Seitenzahlen)

Haec sunt quae in codice Horatii errore librarii mendosas emendata fuerant

Druckkorrekturverzeichnis des Horaztexts

Emendata in commentariis quae invenies

Druckkorrekturverzeichnis des Kommentartexts

Registrum huius operis

Verzeichnis der ersten Wörter auf den Seiten eines Bogens

Christofori landini florentini in Qu. Ho. flacci opera omnia interpretationum finis. Divino auxilio Foelix. die .xvii.maii.M.cccc.lxxxiii.

Sigel

Vita Poetae

Horazbiographie

Wir finden hier die üblichen paratextuellen Bestandteile: Nach einem Widmungsgedicht Polizianos64 folgen Landinos Widmung und Benutzungshinweise (beides im Proemium), ein Index, der bei ihm allerdings noch sehr rudimentär ausgebildet ist, den er aber seiner eigenen Aussage nach von Plinius dem Älteren übernommen hatte,65 eine 63

64

65

In den Annotationen zu Ode 1,1,1 benennt Landino den Indexgebrauch: Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. aii v: Verum ego, o lector, iam a principio hoc monitum te esse velim, me quae occurrerent enodanda vocabula, ea me primo semper loco diligenter interpretaturum et absolute ut per omnes suas notiones traducturum, ne rursus alio in loco idem saepius repetendum sit. Quod si tibi cum iterum occurret memoria forte iam exciderit, invenies omnium indices ex ordine litterarum in ultimo codice positos, ut inde veluti ex perenni fonte in tuos usus haurire possis. Der Index macht den Kommentar damit zu einem Wörterbuch und Lexikon. Er ermöglicht es, Redundanz innerhalb der Erklärungen zu vermeiden, die im linearen Ablauf des Kommentars dadurch immer kürzer werden können. Damit ergeben sich zwei Lesemöglichkeiten: Erstens ein Durchlesen des Buches von vorn nach hinten, gestützt durch den Index, und zweitens ein nachschlagendes Lesen. Bei Landino finden wir einen Hinweis darauf, dass die Technik der Verschlagwortung keine lange Tradition hat. Für eine Interpretation dieser Ode vgl. Walter Ludwig, „Horazrezeption in der Renaissance“, 1993, 325–334. Michael McGann, „Reading Horace in the Quattrocento: The Hymn to Mars of Michael Marullus“, in Stephen Harrison (Hrsg.), Homage to Horace. A Bimillenary Celebration, Oxford 1995, 329–330. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. s. n. Die Passage befindet sich auf der zweiten Seite des Proemiums: Sed nos iam ad illius interpretationes veniemus, si prius litterarum ordine, quae per universum volumen vocabula explicata sunt, indicabimus, imitati aliqua ex parte in ea re Plinium Secundum, in qua ipse Valerium Soranum imitari non inficiatur. Er verweist auf Plinius Nat. praef.

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Der Horazkommentar Landinos

Art Seitenverzeichnis (registrum) und eine Horazbiographie. Etwas unübersichtlich gestaltet ist das Ende der Vita. Dort geht die Lebensbeschreibung des Horaz absatz- und nahtlos über in die Beschreibung der Gattung Ode.66 In dieser Ausgabe gibt es kein Titelblatt.67 Die bibliographischen Informationen werden durch ein Impressum am Ende des Buches, nach der letzten Annotation von Epist. 2,268 angegeben:

Impressum Venetiis per Ioannem de Forlivio et socios. Anno salutatis M.CCCC.LXXXIII.

Impressum

Innerhalb des Kommentars ist das Text-Kommentar-Verhältnis noch ganz klassisch gestaltet: Der Horaztext wird wie eine Insel vom Kommentar umspült.69 Damit sind Text und Kommentar eng miteinander verzahnt. Der Kommentar bestimmt sogar, wie viele Zeilen des jeweiligen Horazgedichts überhaupt auf die Seite passen. Das Verhältnis wirkt unausgewogen, da es eigentlich der Horaztext ist, von dem alles andere abhängt. Dieses Verhältnis wird sich, wie noch zu zeigen ist, in der Art und Weise des Umgangs Landinos mit seinem kommentierten Autor widerspiegeln. Besonders die enge Verzahnung, die sich im Layout erkennen lässt, schlägt sich in der Behandlung der problematischen Stellen nieder.70

66 67

68 69

70

33: Quia occupationibus tuis publico bono parcendum erat, quid singulis contineretur libris, huic epistulae subiunxi summaque cura, ne legendos eos haberes, operam dedi. tu per hoc et aliis praestabis ne perlegant, sed, ut quisque desiderabit aliquid, id tantum quaerat et sciat quo loco inveniat. hoc ante me fecit in litteris nostris Valerius Soranus in libris, quos ‫݋‬ʌȠʌIJȓįȦȞ inscripsit. Lo Monaco konstatiert, dass ein Index die Kommentare als antiquarisches Nachschlagewerk nutzbar mache: Francesco Lo Monaco, „Alcune osservazioni“, 1992, 132. Friis-Jensen (1988, 85) zeigt dies für den Vatikanischen Kommentar aus dem zwölften Jahrhundert. Janssens Untersuchung geht der Entwicklung von Drucken vom fünfzehnten bis zum sechzehnten Jahrhundert nach: Frans A. Janssen, „The rise of typographical paragraph“, in Karl Enenkel, Wolfgang Neuber (Hrsg.), Cognition and the Book. Typologies of Formal Organisation of Knowledge in the Printed Book of the Early Modern Period, Leiden 2005, 9–32. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. ‫ܧ‬viii r. Lowell Edmunds, „The Reception of Horace’s Odes“, 2010, 340. Fowler sieht dies als Widerspiegelung der Übermacht des Kommentars gegenüber dem Text. Don Fowler, „Criticism as commentary and commentary as criticism in the age of electronic media“, in Glenn W. Most (Hrsg.), Commentaries = Kommentare, Göttingen 1999, 428. Enenkel/Nellen geben eine detaillierte Übersicht über Kommentarlayouts. Die hier vorliegende Form nennen sie „frame-commentary“: Karl Enenkel, Henk Nellen, „Introduction“, 2013, 39–54, Zitat 40. Don Fowler gesteht dem Layout des Kommentars eine bedeutungstragende und einflussreiche Funktion zu: Don Fowler, „Criticism as commentary“, 1999, 428.

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Allgemeine Übersicht zu den Kommentaren

2.1.5 Charakteristika und Wirkung In der Forschung gibt es bereits einige Beurteilungen zu den Charakteristika und der inhaltlichen Ausrichtung des Landino-Kommentars, die zwischen der Einschätzung, es habe sich um einen vor allem sprachlichen oder jedoch eher antiquarischen Kommentar gehandelt, schwanken. Zur ersten Gruppe gehören Ann Moss und Antonio Iurilli. Moss bezeichnet den Horazkommentar als ein „example of critical syncretism“, in dem grammatische Paraphrasen des Horaztexts mit rhetorischen Erläuterungen einhergehen.71 Antonio Iurilli betont in ähnlicher Weise, dass der Schwerpunkt des Kommentars ein rhetorisch-kritischer, kein philologischer oder philosophisch-moralischer sei.72 Rainer Stillers hingegen deutet dieses sprachliche Interesse Landinos in eine andere Richtung und zeigt, dass Landino ein „primär historisches Interesse an der Antike“73 gehabt habe und es ihm um „den Versuch einer Rekonstruktion der faktischen antiken Zusammenhänge – der Sprache, des Wissens, der rhetorischen Modelle“74 gegangen sei. Daher liefen punktuelle Texterklärung und umfassende Exkurse ins Enzyklopädische nebeneinander her.75 Rainer Stillers deutet die Beschäftigung Landinos mit Horaz in seinen Vorlesungen und dem Kommentar als Ausdruck des „poetologischen Interesse[s] des späten Quattrocento“76. Die Facette des Horatius criticus,77 also als dem Verfasser der Ars poetica, steht außerdem im Zentrum der Untersuchungen Christoph Piepers. Die Qualität der Ausgabe wird bisweilen kritisch gesehen. Francesco Bausi erwähnt nicht nur die kurze Abfassungsdauer, sondern auch die daraus resultierende schlechte Qualität des Horaztexts,78 bisweilen sogar der Lemmatisierung (also die fehlende Übereinstimmung von Text und Lemma)79 und der Erklärungen.80 Landino adressiert dieses Problem selbst in seiner Vergilausgabe sechs Jahre später:

71 72 73 74 75 76

77 78

79 80

Ann Moss, „Horace in the Sixteenth Century“, 1999, 66. Antonio Iurilli, „Il ‚corpus‘ oraziano“, 1996, 152. Dem wird zum Teil widersprochen, wenn es um die detaillierte Auseinandersetzung mit problematischen Stellen geht. Rainer Stillers, Humanistische Deutung, 1988, 95. Rainer Stillers, Humanistische Deutung, 1988, 95. Rainer Stillers, Humanistische Deutung, 1988, 96. Rainer Stillers, Humanistische Deutung, 1988, 92. Bernhard Huss, „Regelpoesie und Inspirationsdichtung“, 2003, 26 setzt sich sehr kritisch mit der landinischen Poetologie auseinander und zeigt Unstimmigkeiten in dessen Konzept auf. Für die Unterteilung der Facetten der Horazrezeption in lyricus, ethicus und criticus vgl. die einflussreiche Untersuchung Brinks: Charles Brink, „Horatian Poetry“, 1981, 7–19, bes. 7. Filippo Di Benedetto, „Fonzio e Landino su Orazio“, in Roberto Cardini, Eugenio Garin, Lucia Cesarini, u. a. (Hrsg.), Tradizione classica e letteratura umanistica. Per Alessandro Perosa, Bd. II, Roma 1985, 438. Damit vergleichbar ist die schlechte Qualität des Vergiltexts im Vergilkommentar von 1487/88, vgl. Craig Kallendorf, „Cristoforo Landino, Andrea Tordi“, 2005, 346–347. Ein Beispiel dafür wird sich bei Epist. 1,1 finden. Bausi nennt viele Fehler, die nicht von den Errata-Ergänzungen aufgehoben werden könnten: Francesco Bausi, s. v. „Landino“, 1998, 308.

Der Horazkommentar Landinos

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Edidi quoque in Flacci Horatii volumina interpretationes, sed cum eodem tempore et a me scriberentur et scripta sed nondum emendata imprimenda amici curarent, non pauca in iis 81 deprehendi, quae emendari cuperem.

Trotz dieser Kritikpunkte war die Wirkung des landinischen Horazkommentars beträchtlich. Schließlich handelte es sich hier um die erste kommentierte Horazausgabe, die im Druck erschien.82 Sie wurde aufgrund der Erfolge der Florentiner Ausgabe von Miscomini von 1482 und der venezianischen Ausgabe ein Jahr später zu einem „best seller“, wie Antonio Iurilli formuliert83 und bis zum Ende des Jahrhunderts weitere zwölf Mal aufgelegt: teils als Einzelausgabe des Landinokommentars, teils mit anderen Kommentaren zusammen,84 in den Ausgaben Cum quattuor commentariis85 und in anderer Form, zum Beispiel dem Kommentar Lochers von 1498, der sich stark an den Kommentar Landinos anlehnte.86 Die neuplatonischen praefationes fehlen jedoch in fast allen dieser Ausgaben.87

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86 87

Roberto Cardini, Cristoforo Landino, 1974, Bd. I, 233. Filippo Di Benedetto, „Fonzio e Landino su Orazio“, 1985, 450 und Francesco Bausi, s. v. „Landino“, 1998, 308 zitieren das Vergilzitat in diesem Zusammenhang. Antonio Iurilli, Orazio nella letteratura italiana, 2004, 310: „L’Orazio del Miscomini [Florenz 1482] è il più frequentemente ristampato nel sec. XV. L’editoria veneziana, in particolare, fece dell’Orazio landiniano un autentico best seller, a uscita in contemporaneacon quella fiorentina.“ 105–109 geben eine Übersicht über die unkommentierten Editionen vor Landino und für die Editionen danach. Karsten Friis-Jensen hält darüber hinaus fest, dass Landino stark von der mittelalterlichen Tradition profitierte. Der Kommentar entstand durchaus nicht aus einem Vakuum, sondern knüpft an eine reiche Tradition an: Karsten Friis-Jensen, „Humanist use of Medieval commentaries“, 2008, 243–244. Antonio Iurilli, Orazio nella letteratura italiana, 2004, 310. Walter Ludwig, „Horazrezeption in der Renaissance“, 1993, 326. Johann Wendelin Neuhaus, Bibliotheca Horatiana sive Syllabus editionum Q. Horatii Flacci interpretationum versionum ab an. 1470 ad an. 1770, Lipsiae 1770, 4–5. Quintus Horatius Flaccus, Antonio Mancinelli, Pseudo-Acro, Pomponius Porphyrio, Cristoforo Landino, Horatii Flacci poetae opera/Horatius cum commentariis Ant. Mancinelli Acronis Porphyrionis Christophori Landini, Venetiis a Philippo pincio Mantuano 1492. Antonio Iurilli, Orazio nella letteratura italiana, 2004, 111. Christoph Pieper, „Horatius praeceptor eloquentiae“, 2013, 222: „Landino’s annotations and those of his fellow humanist Antonio Mancinelli were printed together with those of Porphyrio and Ps.-Acro, thus giving them an auctoritas on par with the ancients.“ Christoph Pieper, „Horaz als Schulfibel“, 2014, 70–90. Ann Moss nennt die Edition des Fabricius von 1555, die Landinos Kommentar aufnimmt, jedoch die neuplatonischen praefationes auslässt. Ann Moss, „Horace in the Sixteenth Century“, 1999, 67. Craig Kallendorf, „Cristoforo Landino, Andrea Tordi“, 2005, 353–354 erklärt dies in ähnlicher Weise für die Vergilkommentierung Landinos: „Landino’s Neoplatonic interpretation of the Aeneid was highly idiosyncratic and, while often printed in non-Florentine editions, did not always stimulate much reaction from non-Florentine readers, who often did not respond in their handwritten glosses to the Neoplatonic interpretation in Landino’s commentary.“

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Allgemeine Übersicht zu den Kommentaren

2.2 Der Horazkommentar Lambins 2.2.1 Zur Person Denis Lambins Denis Lambin, geboren um 1520 in Montreuil-sur-Mer,88 erhielt mit 15 Jahren ein Stipendium, um in Paris am Collège du Cardinal Lemoine zu studieren. Er besuchte, zusammen mit Pierre de Ronsard89 und Jean-Antoine de Baïf, die Kurse des Jean Dorat am Collège Coqueret.90 1545 lehrte er, zusammen mit Adrien de Turnèbe, an der Universität Toulouse.91 Im Anschluss trat er in den Dienst des Kardinal de Tournon ein, den er 154992 nach Rom begleitete und in dessen Dienst er nach der Rückkehr nach Frankreich 1552 weiterhin stand. Eine zweite Reise nach Rom, Venedig und Lucca fand zwischen 1555 und 1560 statt, also kurz bevor Lambin den Horazkommentar publizierte. Auf diesen Reisen war es ihm möglich, viele Manuskripte in verschiedenen Bibliotheken für seine philologische Arbeit einzusehen, u. a. in der Vatikanischen Bibliothek. Nach seiner Rückkehr wurde er, wahrscheinlich dank Unterstützung des Kardinals, zum lecteur royal für Latein am dazugehörigen Collège ernannt,93 dem späteren Collège Royal und heutigen Collège de France.94 Dafür war der Horazkommentar möglicher-

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Für die Diskussion um das Geburtsdatum vgl. Peter Lazer, „De Dionysio Lambino Narratio“, in Johann Kaspar Orelli (Hrsg.), Onomasticon Tullianum, Turici 1836, 498 und Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 45. Dorothy Gabe Coleman, „Denys Lambin’s Own Copy of Longinus’ ‚Peri hupsous‘“, in Bibliothèque d’Humanisme et Renaissance 53 (1991), 744. Die biographische Darstellung ist zum großen Teil aus Linton Stevens Ausführungen übernommen: Linton C. Stevens, „Denis Lambin: Humanist, Courtier, Philologist, and Lecteur Royal“, in Studies in the Renaissance 9 (1962), 234–241. Ergänzt durch Dario Cecchetti, s. v. „Lambin, Denys“, in Enciclopedia Oraziana, Bd. III, Roma 1998, 305. Henri Potez, „Deux années de la Renaissance, d‫ތ‬après une correspondance inédite de Denys Lambin“, in Revue dҲhistoire littéraire de la France 27 (1920), 214–251. Henri Potez, „Deux années de la Renaissance, d‫ތ‬après une correspondance inédite“, in Revue dҲHistoire littéraire de la France 13,3 (1906), 458–498. Linton C. Stevens, „Denis Lambin“, 1962, 235. Für persönlichere Einblicke in Lambins Leben empfiehlt sich ein Blick in die Liebesbriefe, die Lettres Galantes, die er in jungen Jahren verfasste: Henri Potez, François Préchac, Lettres Galantes de Denys Lambin 1552–1554. Texte établi, traduit et annoté, Paris 1941. Eine noch detailliertere Beschreibung der jungen Jahre des Lambin findet sich wiederum bei Potez, der sich mit den Jahren 1519 bis 1548 befasst: Henri Potez, „La jeunesse de Denys Lambin (1519– 1548)“, in Revue dҲhistoire littéraire de la France 9 (1902), 385–413. Linton C. Stevens, „Denis Lambin“, 1962, 236. Dario Cecchetti, s. v. „Lambin, Denys“, 1998, 305. Zur Geschichte des Collège vgl. André Tuilier, „Introduction historique générale“, in André Tuilier (Hrsg.), Histoire du Collège de France. Bd. I: La Création (1530–1560), Paris 2006, 7–52. Abel Lefranc, Histoire du Collège de France depuis ses origines jusquҲà la fin du premier Empire, Paris 1893.

Der Horazkommentar Lambins

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weise sein Bewährungswerk.95 Ein Jahr später wechselte er auf den Lehrstuhl für Griechisch.96 Seine erste Publikation noch aus der Zeit vor seiner Professur war eine 1558 erschienene Übersetzung der aristotelischen Nikomachischen Ethik.97 Die Horazausgabe mit Kommentar von 1561 war der Beginn seiner wirkmächtigen Reihe – meist lateinischer – Autorenausgaben, darunter Lukrez (1563), Cicero (1566), Nepos (1569), Demosthenes (1570) und Plautus (1576). Lambin war hervorragend mit den berühmtesten Humanisten seiner Zeit vernetzt.98 Er korrespondierte mit Henri Estienne, Pierre de Ronsard, Pierre Galland, Jean de Coras, Clément du Puy, Jean de Boyssonné99 und Joseph Scaliger.100 Die Briefe von Paulo Manuzio zeigen, dass es sogar aus Italien eine Resonanz auf Lambins Werke gab.101 Außerdem hatte ihn zunächst eine enge Freundschaft mit Marc-Antoine Muret verbunden, allerdings zerfiel diese über einem Plagiatsstreit und wurde zu ausgesuchter Feindschaft.102 Umgekehrt verhielt es sich mit Pierre de la Ramée, mit dem sich nach anfänglicher Feindschaft eine so tiefe Freundschaft entwickelte, dass, als Lambin 1572 verstarb, als Ursache dafür die Ermordung seines protestantischen Freundes in der Bartholomäusnacht angenommen wurde.103 Seine unermüdliche philologische Arbeit zeigt sich nicht zuletzt darin, dass sogar noch posthum erweiterte Ausgaben seiner Werke erschienen.104 In diesem engen Netz von Freund- und Feindschaften ist es nicht verwunderlich, dass sich Kritiker an seiner Person fanden. Dieser Aspekt wurde besonders von Anthony Grafton hervorgehoben: His intellectual gifts were not accompanied by adequate social graces. From his point of view, this lack was particularly unfortunate, for his ‚schoolmasterish ill-manners‘ tended to irritate 95

96 97 98 99 100 101 102 103 104

Dario Cecchetti, s. v. „Lambin, Denys“, 1998, 305. Astrid Quillien bemerkt, dass er die Professur erst nach der Veröffentlichung der Horazedition erhält. Astrid Quillien, „Les Orationes de Denis Lambin. La defense du grec dans l’Oratio de utilitate linguae Graecae et recta Graecorum Latine interpretandorum ratione (22 octobre 1571)“, in Camenae 1 (2007), 1, FN 1. Ford untersucht seine Rede zur Einführung seines Ilias-Kurses im selben Jahr: Philip Ford, „Homer in the French Renaissance“, in Renaissance Quarterly 59 (2006), 14. John O‫ތ‬Brien, „Translation, Philology and Polemic in Denys Lambin‫ތ‬s Nicomachean Ethics of 1558“, in Renaissance Studies 3,3 (1989), 267–289. Henri Potez, „Deux années de la Renaissance“, 1906, 458. Linton C. Stevens, „Denis Lambin“, 1962, 238. Anthony Grafton, Joseph Scaliger. I: Textual criticism and exegesis, 1983, 105. Linton C. Stevens, „Denis Lambin“, 1962, 238. Linton C. Stevens, „Denis Lambin“, 1962, 236–237. John Edwin Sandys, A short history of Classical scholarship. From the sixth century B. C. to the present day, Cambridge 1915, 191. Linton C. Stevens, „Denis Lambin“, 1962, 237. Dario Cecchetti, s. v. „Lambin, Denys“, 1998, 305. Wie beispielsweise die dritte Ausgabe seines Horazkommentars, vgl. Theodor Schmid, „Rezension zu: Dionysii Lambini Monstrolensis Regii Professoris in Quintum Horatium Flaccum […] Commentarii copiosissimi et ab auctore plus tertia parte amplicati. Editio nova. Confluentibus“, in: Jahrbücher für Philologie und Pädagogik 2,1/13,1 (1830), 298.

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Allgemeine Übersicht zu den Kommentaren the gentlemen among whom he lived and on whom he depended for advice, preferment, and 105 loans of manuscripts.

Anthony Graftons Analyse entstammt allerdings nur einer einzigen Meinung, die innerhalb der res publica litterarum zwar von einigen unterstützt wurde, von anderen aber Gegenrede erfahren hätte. Da Lambins Wirken in die Zeit der Wirren der Religionskriege fällt, soll ein kurzer Blick auf seine religiöse Haltung und Konfession geworfen werden. Lambin war Katholik, dennoch zeigt sein Umgang mit Protestanten wie Henri Estienne und Calvinisten wie Pierre de la Ramée, dass er ein Vertreter religiöser Toleranz war.106 Dies wird sich in den Paratexten widerspiegeln. Möglicherweise ist Lambins religiöse Offenheit Ausdruck seiner Angehörigkeit zum Collège des lecteurs royaux. Im Konflikt dieser Institution mit der orthodoxen Sorbonne nimmt er eine polemische Haltung gegen Letztere ein. Die Sorbonne hatte dem Collège bereits 1530 u. a. „Häresie und Lutheranismus“107 vorgeworfen und war ihm gegenüber kritisch eingestellt. Im Gegenzug dazu stünde religiöse Toleranz einem lecteur royal also besonders gut zu Gesicht. Dass Lambin mit seiner Haltung nicht allein war, zeigt das Beispiel Adrien de Turnèbes, Inhaber des Griechischlehrstuhls vor Lambin und ab 1562 lecteur für lateinische und griechische Philosophie.108 John Lewis charakterisiert seine religiöse Einstellung folgendermaßen: The composite picture is, therefore, one of a scholar for whom religious intolerance and fanaticism from both sides is completely alien to the spirit and practices of pure Christianity, a man who despises equally the intellectual arrogance of the Jesuits and the revolutionary effrontery of the Huguenots, and a man for whom the very best sort of Christian theology has been able 109 to benefit from the richness and sophistication of Classical philosophy.

Dass Lambin für seine religiösen Einstellungen in der Kritik stand, zeigt der Umstand, dass er in Italien als nahezu häretisch verschrien war. Dem begegnete er 1568, ein Jahr nach dem Erscheinen der zweiten Ausgabe des Horazkommentars, damit, einen Eid zum Katholizismus zu leisten,110 möglicherweise um diesen gefährlichen Kontroversen ein Ende zu bereiten. 105

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Anthony Grafton, Joseph Scaliger. I: Textual criticism and exegesis, 1983, 80 bezieht sich dabei (262, EN 53) auf C. Dupuys Brief an Giphanius, [12.viii.1570, Paris, Bibliothèque Nationale, MS Dupuy 16, fol. 16 r–16 v], der sich folgendermaßen über Lambin äußert (zitiert von Grafton): qui etsi me offenderit, et notam nomini meo non levem inusserit; tamen hanc ille culpam a me deprecatus est et ego hominis potius inconsiderantiae, ut ita dicam, ʌĮȚįĮȖȦȖȚț߲ quam malitiae tribuo. Dario Cecchetti, s. v. „Lambin, Denys“, 1998, 305. Linton C. Stevens, „Denis Lambin“, 1962, 235: „In spite of his close association with the prelate who was not noted for his mansuetude in regard to heretics, Lambin cultivated the friendship of many Protestants. Even his patron talked freely with Henri Estienne and considered the possibility of an interview with Calvin.“ John Lewis, Adrien Turnèbe, 1998, 47. Danièle Quénéhen /Collège de France, Liste des professeurs depuis la fondation du Collège de France en 1530, Paris 2012, 18. John Lewis, Adrien Turnèbe, 1998, 300–301. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 69.

Der Horazkommentar Lambins

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2.2.2 Die Widmungsempfänger des Horazkommentars In Lambins Horazkommentar finden wir zwei umfangreiche Widmungen: Die eine, bezogen auf den ersten Teil seines Kommentars gilt dem jungen König von Frankreich, Charles IX.; die andere, den zweiten Teil betreffend, der die hexametrische Dichtung enthält, dem Kardinal de Tournon. Diese Praxis der Mehrfachwidmung war in Frankreich im sechzehnten Jahrhundert Standard111 und zeigt sich ebenfalls in anderen Werken Lambins, beispielsweise seiner Lukrezedition, deren einzelne Bücher er sechs verschiedenen Empfängern zueignet,112 deren Auswahl nicht beliebig erfolgte. Eine erste Deutungsmöglichkeit dafür ergibt sich aus der Horaztradition und der mittelalterlichen Alterszuordnung der Leserschaft, in der die lyrischen Gedichte für junge Leute, die Satiren für gereiftere und die Episteln für weise Männer konzipiert seien:113 Ex his autem commentariis cum ipso Flacco coniunctis cum duo corpora fecissem, quorum alterum ad carminum, alterum ad sermonum libros pertinet, eam potissimum partem tibi dicandam esse iudicavi, quae propterea quod et ordine prior et argumenti rerumque amplitudine elatior atque gravior et verborum splendore illustrior atque ornatior et concinnitate venustior ac floridior et varietate ipsa gratior ac iucundior est, tuae aetati simul et maiestati magis 114 convenire videbatur.

Lambin unterteilt die Ausgabe in zwei Bände: Der eine enthält die Carmina, der andere die Sermones. Dementsprechend wird die lyrische Dichtung des Horaz, inklusive der Epoden, von Lambin, wie schon von Landino, dem König als Lektüre des jungen Mannes präsentiert, weil sie seinem Alter entspräche. Außerdem sei der erste Band besser mit dem Amt des Königs zu verbinden, denn er sei prior, elatior, gravior usw. Die Satiren und Episteln hingegen werden einem alten Mann am Ende seines Lebens gewidmet. Lambin formuliert dies im ersten Satz seiner Widmung an den Kardinal de Tournon: Cum fortunati mihi videntur ii fuisse, Francisce Turnoni, qui confecto sine offensione suae vitae cursu, ad extremam aetatem pervenerunt, eamque tranquille, placideque traduxerunt, tum 111 112

113

114

Natalie Z. Davis, „Beyond the Market: Books As Gifts in Sixteenth Century France“, in Transactions of the Royal Historical Society 5,33 (1983), 74–75. Titus Lucretius Carus, Denis Lambin, Titi Lucretii Cari De rerum natura libri sex. A Dionysio Lambino Monstroliensi litterarum Graecarum in urbe Lutetia doctore Regio, locis innummerabilibus ex auctoritate quinque codicum manu scriptorum emendati, atque in antiquum ac nativum statum fere restituti, et praeterea brevibus et perquam utilibus commentariis illustrati, Parisiis In Gulielmi Rouillii et Philippi G. Rouillii Nep. aedibus 1563. Das erste Buch an König Charles IX. (fol. á2 r), das zweite an Pierre de Ronsard (fol. N2 r), das dritte an Germain de Vaillant (fol. Aa3 v), das vierte an Marc-Antoine Muret (fol. Mm1 r), das fünfte an Adrien de Turnèbe (fol. AAa3 r), das sechste und letzte an Jean Dorat (fol. NNn1 r). Karsten Friis-Jensen, „The reception of Horace in the Middle Ages“, 2007, 291, der einen Zürcher Kommentar aus dem zwölften Jahrhundert zitiert. Auch im acessus des Sciendum-Kommentars lassen sich diese Tendenzen finden: Roberta Marchionni, Sciendum-Kommentar 2003, 7, vgl. FN 47. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B2 v.

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Allgemeine Übersicht zu den Kommentaren longe beatissimos illos fuisse iudico, qui toto fere aetatis spatio magnis in rebus domi forisque gerendis decurso, non modo lenem et quietam, verum etiam honoratam et gloriosam adepti 115 sunt senectutem.

Damit erfüllt er abermals den Topos der Horazrezeption. Er datiert die Episteln als Spätwerk des Horaz und bestimmt sie als Lektüre für Männer im späten Stadium ihres Lebens. Zweitens erhält bei Lambin das Verhältnis zum König, wie schon angedeutet wurde, eine institutionelle Komponente: Als lecteur am Collège des lecteurs royaux muss Lambins Treue in erster Linie natürlich seinen institutionellen Dienstherren, den Königen von Frankreich gelten, noch dazu wo dieser Kommentar die erste große Veröffentlichung seit seinem Amtsantritt 1560 ist, also entweder Berufungsgrund, Bewährungswerk oder Inauguralveröffentlichung.116 Der Widmungsempfänger ergibt sich daraus also ganz natürlich. Es fügt sich hervorragend ins Bild, dass in der Epistola dedicatoria die Dichter- und Wissenschaftlerförderung durch die herausragenden Herrscher der Antike in einem großen, mit Beispielen gefüllten historischen Exkurs abgehandelt wird.117 Die Widmungsvorrede an den König ist hochpanegyrisch und formelhaftdistanziert.118 Die Widmung an den Kardinal de Tournon im zweiten Teil der Edition bietet sich in vielerlei Hinsicht als Kontrastfolie an. Sie ist persönlich-biographisch gestaltet. Neben einer Darstellung der strapaziösen diplomatischen Stationen, die der Kardinal in den letzten Jahren seiner Karriere durchlief,119 erfolgt eine Aufzählung von dessen Tugenden. Sie ist nur halb so lang wie die Widmung an den König, was den Statusunterschied zwischen beiden Persönlichkeiten hervorhebt. Außerdem ist der Kardinal, im Gegensatz zum neuen Dienstherrn Charles IX., der alte Dienstherr Lambins und möglicherweise Unterstützer in dessen Berufungsverfahren. Drittens kann die Widmung an den König und den Kardinal als Imitation des Patronagedreiecks Horaz-Maecenas-Augustus bei Horaz interpretiert werden, bei dem sich Horaz in der schwierigen Situation befindet, dass er zwei Gönnern, Augustus und Maecenas, verpflichtet ist, denen er die erste und zweite Ode des ersten Oden-Buches widmet. Ein Indiz für die Imitation des Patronageverhältnisses bei Horaz durch Lambin ist die vom Kommentator beschriebene Vita des Kardinals, die auffällige Parallelen mit der Darstellung des Maecenas durch Horaz aufweist. Der Kardinal war, ebenso wie Maecenas, diplomatischer Vermittler in Bürgerkriegen120 und enthielt sich ähnlich wie Maece115 116 117 118 119 120

Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. *1 v. Vgl. FN 95. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. A4 v–B1 v. Beispiele für diese Tendenz finden sich in Kapitel 3. Vgl. dazu John O‫ތ‬Brien, „Translation, Philology and Polemic“, 1989, 273. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. *1v: Laetebantur omnes scilicet eum difficilibus et turbulentis Reipublicae temporibus salvum et incolumem longo intervallo patriae esse redditum, qui non vinculis, non terrore, non poena, non cruciatu, sed ratione, consilio, prudentia, sapientia civiles

Der Horazkommentar Lambins

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nas des Ehrgeizes, eine überragende politische Rolle zu spielen.121 Darüber hinaus förderte er viele Wissenschaftler und Gelehrte seiner Zeit,122 was sich in verschiedenen ihm gewidmeten Werken widerspiegelt. Der von Lambin in Epode 8 genannte Naturforscher Rondelet,123 der Teil der Reisegruppe nach Italien war, widmet dem Kardinal beispielsweise seine Libri de piscibus marinis (1554). Weitere Anhänger des Kardinals de Tournon waren Gentien Hervet, der einen Kommentar zu Aristoteles’ Physicae verfasst hatte, und der Tacitusherausgeber Emilio Feretti. Letzterer pries seinen Gönner für dessen Kennerschaft und Begeisterung für die Antike: Tum magno studio antiquitatis flagras, ut immensae tuae occupationes, […] te tamen non avel124 lant a veterum litteris, et monimenti legendis atque etiam ediscendis.

Es handelt sich bei Kardinal de Tournon also um eine Persönlichkeit, die seinerzeit von vielen Gelehrten als humanistischer Maecenas inszeniert wurde und einen Humanistenkreis um sich geschart hatte.

2.2.3 Das Zielpublikum Die Bestimmung des Zielpublikums für Lambins Kommentar kann, ähnlich wie bei Landino, nicht ganz eindeutig vorgenommen werden, ja ist bisweilen sogar widersprüchlich. Lambin selbst charakterisiert sein Werk in der Epistola ad lectorem als Mischung aus beidem, als Werk für iuvenes, also vermutlich für den Schulgebrauch, und für Gelehrte, die dies einer Prüfung unterziehen sollten:

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discordias sedare, belli intestini incendium restinguere, dissensionibus de religione modum, finemque constituere posset. Zur Publikationszeit des Horazkommentars stand Frankreich kurz vor den Wirren der Religionskriege, vgl. Robert J. Knecht, The French Renaissance Court, New Haven 2008, 248. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. *2 v: Ita Romam navigasti non spe pontificatus adipiscendi ductus, quem speravisti numquam, ac ne optavisti quidem, sed ecclesiae Romanae laborantis iuvandae studio incensus. Obwohl dies sicherlich damit zu tun hatte, dass der Kardinal in einer Pontifikatswahl gescheitert war, vgl. Linton C. Stevens, „Denis Lambin“, 1962, 236. Laut Benedict/Reinburg war er ebenso reich wie Maecenas: „Additional revenues from 23 abbeys and four priories provided him with enough income to support a retinue of 70 people and to have himself transported comfortably to and from Rome in a snugly fitted sedan chair.“ Philip Benedict, Virginia Reinburg, „Religion and the sacred“, in Mack P. Holt (Hrsg.), Renaissance and Reformation France 1500–1648, Oxford 2002, 128. Quintus Horatius Flaccus, Denis Lambin, Q. Horatius Flaccus sex abhinc annos ex fide, atque auctoritate complurium librorum manu scriptorum, opera Dionys. Lambini Monstroliensis emendatus ab eodemque commentariis copiosissimis explicatus & tum primum in lucem editus nunc ab eodem recognitus & cum aliquot aliis exemplaribus antiquis comparatus & multis praetera locis purgatus, iisdem que commentariis plus tertia parte amplificatis illustratus, Lutetiae apud Ioannem Macaeum 1567, fol. Bii v–Biii r. Sabine Vogel, Kulturtransfer in der frühen Neuzeit. Die Vorworte der Lyoner Drucke des 16. Jahrhunderts, Tübingen 1999, 41.

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Allgemeine Übersicht zu den Kommentaren Hoc tantum in praesenti fatebor, hac tanta dissensione ac discrepantia animadversa, spe, animoque multo maiore ad commentarios meos informatos iam, seu potius inchoatos, quam primum absolvendos me contulisse, ut, si doctorum virorum iudicio digni essent, qui in manus 125 hominum pervenirent, utilesque studiosae iuventuti futuri viderentur, in publicum prodirent.

Für ein primär hochgelehrtes Publikum sprechen folgende Argumente: Erstens, der primäre Adressat der Epistula ad lectorem ist ein humanissim[us] lector,126 also eher ein fortgeschrittener Gelehrter, dem im Folgenden viele technische Erklärungen zur Editionsentstehung mit auf den Weg gegeben werden. Dafür spricht zweitens das Quartformat der Ausgabe, die nicht im für Schülereditionen typischen Pamphletformat vorlag.127 Auch Ann Moss spricht davon, dass das von Lambin anvisierte Publikum nicht Schüler waren oder sogar Dichter, sondern seine gelehrten Kollegen.128 Doch haben wir es bei Lambin tatsächlich mit einer reinen Gelehrtenedition zu tun? Ist die genannte iuventus tatsächlich nur aus rhetorischen Gründen angesprochen? Die im Folgenden dargelegten Umstände sollen diese Sachlage etwas nuancieren. Lambins Edition ist nicht nur um eine Gelehrtenausgabe, sondern ein Werk, das vielen Ansprüchen gerecht werden will. Dies ist typisch für Lambins Gelehrtenpersönlichkeit und für die Kommentare vor seiner Zeit.129 Auch in seinen Vorlesungen am Collège hatte Lambin bisweilen eine doppelte Zuhörerschaft im Sinn, wie sich in einer Rede von 1562 zeigt, in der er seinen Kurs zur homerischen Ilias ankündigt. Er richtet seine Vorlesung sowohl an jüngere Studenten im als auch an fortgeschrittene Hörer: Constitui enim in hoc divino poeta explicando et rudioribus commodare et mediocriter eruditis consulere, hoc est et iis, qui ex Homero nihil praeter verborum interpretationem, linguasque scientiam petunt et iis qui subtiliore quodam ac politiore iudicio praediti, ea, quas ab Homero dicuntur, tum quomodo dicantur, tum ad quos veluti fontes sint referenda, tum quam utilitatem ad hanc vitam quotidianam afferant, intelligere volunt. Utrisque igitur ita me satisfacturum esse confido, si illis singularum vocum vim, atque originem, casuum et temporum rationem, analogiam, dialectorum, quas appellant, varietatem diligenter et accurate explanaro, his, si quas ad artificium poeticum, quas ad artem dicendi, quas ad prudentiam civilem, quas ad 125 126 127 128 129

Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B3 r–B3 v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B3 r. Anthony Grafton, „Teacher, Text and Pupil“, 1981, 39. Ann Moss, „Horace in the Sixteenth Century“, 1999, 75. Hier nach Lo Monaco, der für die Kommentare, die denen Lambins vorausgehen, ebenso eine doppelte Leserschaft bilanziert: die schulische und die spezialisierte, die nebeneinander koexistieren: Francesco Lo Monaco, „Alcune osservazioni“, 1992, 124: „Resta il fatto che ad un certo punto la scuola ed il pubblico dei dotti (una categoria questa che va ampliandosi e mutando in maniera sensibile nella seconda metà del Quattrocento) non possono essere considerati entità opposte, ma si trovano spesso a coesistere, ed anche ad influenzarsi, nella figura ideale del lettore del commento.“ Florian Neumann, „Kommentartraditionen“, 2004, 48 fasst dies später so zusammen: „Mit der Verbreitung des Buchdrucks werden die Kommentare nun – nicht zuletzt aus Prestigegründen – allein von den Universitätslehrern zusammengestellt und zur Grundlage ihrer Lehrveranstaltungen gemacht. Die Zielgruppe setzte sich, wie Lo Monaco ferner aufgewiesen hat, nicht mehr nur aus Studenten zusammen, sondern aus einem größeren eruditen Publikum.“

Der Horazkommentar Lambins

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mores, quas ad affectus, quas ad decorum personarum, quas ad locorum et regionum cognitionem, quas ad historiam, quas ad fabulas, quas ad omnes philosophias partes denique pertinent, 130 breviter et enucleate declararo.

Lambin will beide Zuhörergruppen zufriedenstellen: Utrisque igitur ita me satisfacturum esse confido. Den rudiores weist er ein eher sprachliches Interesse zu, den mediocriter eruditi ein eher historisches, inhaltlich tiefergehendes Interesse. Hieraus lassen sich interessante Erkenntnisse über die Zuweisung von Interessenschwerpunkten für unterschiedliche Bildungsniveaus gewinnen. Die Fokussierung auf sprachliche Angelegenheiten wird klar einem Anfängerstadium zugewiesen. Mit dieser Voreinstellung lohnt sich wieder ein Blick zurück auf Lambins Horazkommentar: Dieser ist ebenfalls von einem gemischten Anspruch in seinen Erklärungen bestimmt. Sie reichen von sprachlichen bis hin zu poetologischen und historiographischen Erläuterungen.131 Die sprachlichen Ausführungen beanspruchen dabei einen sehr großen Anteil und gehen – ebenso wie Lambins Kommentierungen im Allgemeinen – oft erheblich ins Detail; dies wird im Rahmen der späteren Analysen anhand ausgewählter Beispiele herausgearbeitet. Allzu spezifische sprachliche Erklärungen und Paraphrasen von Texten müssen jedoch für Gelehrte des Bildungsstands Lambins eine Zumutung gewesen sein, sind sie doch eher Kernbestandteile des Unterrichts in der Renaissance.132 Die Nennung von Synonymen, die bei Lambin exzessiv geschieht, ist ein Mittel zur Erweiterung des Wortschatzes von Lesern im Spracherwerbsstadium. Für Partenio, den Kommentator des Catull, formuliert Julia Gaisser einen ähnlichen Befund: „Like most Renaissance school commentators, he deals largely in the elementary and obvious, paraphrasing poems, spelling out details of grammar and usage, and explaining historical and mythological references.“133 Dies tut Lambin in seinem Kommentar ebenso, gerade weil er eine Schülerleserschaft mit im Blick hat und der Kommentar als Genre ohnehin eine schulisch-pädagogische Komponente enthält. Die Edition des Lambin ist vielschichtig und anspruchsvoll. Dennoch schließt dies nicht aus, dass Lambin sie ebenso für ein weniger fortgeschrittenes Publikum konzipiert 130

131 132

133

Zitiert mit angepasster Rechtschreibung aus: Philip Ford, „Homer in the French Renaissance“, 2006, 14. Karlheinz Stierle, „Les lieux du commentaire“, 1990, 25 bezieht sich auf eine „plurale Leserschaft“, vgl. dazu die schon genannte Zusammenfassung von Florian Neumann, „Kommentartraditionen“, 2004, 56. Dario Cecchetti, s. v. „Lambin, Denys“, 1998, 305: „Il commento a H[orazio] dimostra conoscenze vaste nel campo della critica e storiografia letteraria come in quello dell’analisi linguistica.“ Ann Moss, Printed commonplace-books and the structuring of Renaissance thought, Oxford 1996, 52–53. Moss’ Beispiel entspringt der Privatschulkultur des italienischen Quattrocento, die einflussreich für Frankreich wurde. Sie zeigt, dass das commonplace book ein integraler Bestandteil des Lehrprozesses war. Vgl. Don Fowler, „Criticism as commentary“, 1999, 435. Ann Blair, „Student manuscripts and the textbook“, in Emidio Campi (Hrsg.), Scholarly Knowlege. Textbooks in early modern Europe, Genève 2008, 39–73. Ann Blair, „Note-Taking as an Art of Transmission“, in Critical Inquiry 31 (2004), 85–107. Julia Gaisser, Catullus and his Renaissance Readers, 1993, 87.

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Allgemeine Übersicht zu den Kommentaren

hat. Da ihm die Komplexität seiner Arbeit bewusst ist, schließt er in der Epistola ad lectorem sogar an, dass er den Index, der enthalten ist, vor allem deshalb angefügt habe, damit den adolescentes das allzu lange Suchen erspart bleibe: Praeterea si qua verba lectiora aut si qua loquendi genera concinniora saepius et pluribus locis ab eo esse usurpata animadverti, ea diligenter collecta sub uno quasi aspectu quam aptissimo 134 potui loco, ut adolescentes quaerendi labore levarem, collocavi.

Auch im Kommentar selbst finden sich Hinweise, die diese Verortung in einer z. T. jüngeren Leserschaft stützen: In der Kommentierung zu Ode 1,7,15 erklärt Lambin seine Darstellungsweise mit der Absicht, Jugendlichen zu zeigen, auf welche Weise die antiken Dichter imitiert werden müssten: Albus ut obscuro etc.] […] Pindarus, si quis mortalis veram vitae traducendae rationem animo comprehensam habet. Horatius sapiens. Pindarus, oportet eum, cum sinunt Dii immortales, bonis quaesitis frui et iucunde vivere, sibi denique bene facere. Horatius: „finire memento | 135 tristitiam vitaeque labores.“ Atque haec quidem iccirco ita exposui et paene oculis subieci, ut intelligat adolescens, quemadmodum sint nobis imitandi interdum veteres poetae et ceteri 136 scriptores.

Lambin kommt in der folgenden Edition von 1567 seinen weniger gut ausgebildeten Lesern sogar noch weiter entgegen. Dort beschloss er, alle griechischen Zitate, die bis dato nicht in Übersetzung vorlagen, immer zusätzlich in übersetzter Form in den Kommentar zu integrieren.137 Dies ist ebenfalls ein Schritt auf dieses Publikum zu und erhöht die mögliche Nutzerzahl des Kommentars um alle des Griechischen Unkundigen. Diese Versuche bedeuten allerdings nicht unbedingt, dass die Ausgabe für Anfänger tatsächlich verständlich oder leicht zu benutzen war. Bei anderen Gelehrten in der Renaissance klaffen Anspruch und Verständlichkeit ebenfalls auseinander. Auch Lambins Kollege Turnèbe hatte in seinen Vorlesungen so hohe Ansprüche an seine Zuhörer, dass diese nicht mehr folgen konnten.138 Der Anspruch des Lambinkommentars kann also nicht als ein Argument gegen eine intendierte Schülerleserschaft interpretiert werden, höchstens als Beweis für eine Art Lehrerpersönlichkeit, die vor allem an ihrem Fach und weniger an der Vermittelbarkeit interessiert ist. Die Horazkommentare Lambins waren außerdem, vermittelt durch andere Lehrer, ohnehin voll in den Schulunterricht integriert, wie dies von Anthony Grafton am Bei134

135 136 137

138

Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B3 v. Karl Enenkel, Henk Nellen (Hrsg.), „Introduction“, 2013, 57 zeigen außerdem, dass dies darüber hinaus eine Marketing-Maßnahme war, da eine Indizierung den Gebrauch für Schüler immer erleichterte. Hor. Ode 1,7,17–18. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. e4 v. Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. †v v: Tertiis hoc modo morem gessi, quod, quicquid est in commentariis meis ex Graecis auctoribus prolatum, Latine a nobis redditum est, incondite illud quidem interdum et impolite, sed ita tamen, ut sententia Graecorum verborum homini Graecis litteris non satis erudito non obscura esse possit. John Lewis, Adrien Turnèbe, 1998, 57 stellt dies anhand des Sohns des Scaliger fest.

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Der Horazkommentar Lambins

spiel des Mignault gezeigt wurde. Dieser schlachtete die Ausgabe des Lambin und besonders dessen Sprach- und Sacherklärungen aus, um diese seinen eigenen Schülern zugänglich zu machen.139 Dass die Ausgabe des Lambin in welcher Form auch immer, ob direkt oder indirekt, in der Schule präsent war, ist ein wichtiger Befund, der in gewisser Hinsicht beide Lesergruppen, die des Gelehrten und die des Schülers, miteinschließt. Lambin selbst konzipierte seinen Kommentar nach eigener Aussage für beide Gruppen. Daran muss er sich messen lassen.

2.2.4 Aufbau und Layout Lambins Kommentar ist umfangreicher als der des Landino und in zwei Quartbände unterteilt. Die Kommentierungen sind von umfassenden Paratexten eingerahmt. Am Beginn des ersten Bandes finden sich folgende Paratexte, bevor der Kommentarteil beginnt: Q. Horatius Flaccus, Ex fide atque auctoritate decem librorum manuscriptorum, opera Dionys. Lambini Monstrolensis emendatus: ab eodemque commentariis copiosissimis illustratus, nunc primum in lucem editus. Lugduni apud Ioann. Tornaesium, MDLXI. Cum privilegio ad sexennium.

Titel

Privilegii sententia

Druckprivileg

Epistola dedicatoria

Widmung an König Charles IX.

Idem Lectori

Vorwort an den Leser

Maludanus de Lambini commentariis

Lobgedicht auf Lambins Kommentar

Die Werke des Horaz werden in folgender Reihenfolge kommentiert: Vier Bücher Oden, Epoden und Carmen Saeculare. Daran schließen sich noch einige Paratexte am Ende des Bandes an:

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Anthony Grafton, „Teacher, Text and Pupil“, 1981, 43–44.

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Allgemeine Übersicht zu den Kommentaren

Index rerum et verborum observatione dignorum

Wort- und Sachregister mit Seitenzahlen und Verszählung

Errata sic corrigito

Korrekturverzeichnis

Auch der zweite Band beginnt mit paratextuellen Elementen: Quinti Horatti Flacci sermonum Libri quattuor, seu Satyrarum libri duo Epistolarum libri duo. A Dionysio Lambino Monstrolensi ex fide novem librorum manu scriptorum emendati, ab eodemque commentariis copiosissimis illustrati. Lugduni apud Ioan. Tornaesium, M.D.LXI. Cum privilegio ad sexennium.

Titel

Epistola dedicatoria

Widmung an Kardinal de Tournon

Nach der Widmungsepistel folgen die zwei Bücher Satiren, zwei Bücher Episteln und die Ars poetica. Hier endet der Band ebenfalls mit einem Index und einem Korrekturverzeichnis: Index rerum et verborum observatione dignorum

Wort- und Sachregister mit Seitenzahlen und Verszählung

Errata sic corrigito

Korrekturverzeichnis

Auch bei Lambin kann das Layout des Kommentars als bedeutungsträchtig interpretiert werden. Wir finden hier einen Kompromiss zwischen der absoluten Verschränkung von Text und Kommentar in der Klammerglosse und der strikten Trennung von Autor- und Kommentartext: Bei ihm setzte sich eine Endnotenform jeweils am Ende eines Horazgedichts durch.140 Dies ist natürlich nur so leicht möglich, weil das Werk des Horaz stark fragmentiert ist. Es ist also ersichtlich, dass bei der Gestaltung des Layouts, an der wohl die Drucker einen entscheidenden Anteil hatten, nicht nur Traditionen des Genres des Kommentars, Traditionen der Buchgestaltung und individuelle Vorlieben eine Rolle spielen, sondern auch die Gestalt des zu kommentierenden Texts eine strukturierende 140

Lowell Edmunds, „The Reception of Horace’s Odes“, 2010, 340 weist dies zum ersten Mal für die Ausgabe Lambins nach, der damit innerhalb der Horazrezeption auch im Layout einen Umbruch darstellt. Edward J. Kenney, The Classical Text. Aspects of editing in the age of the printed book, Berkeley 1974, 64: „In general, then, Lambinus‫ ތ‬page appears modern by contrast with its immediate predecessors and contemporaries […].“ Dazu vgl. Karl Enenkel, Henk Nellen (Hrsg.), „Introduction“, 2013, 50.

Der Horazkommentar Lambins

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Rolle einnehmen kann. Die Entwicklung des Layouts scheint dahin zu deuten, dass der Kommentator sich aus der engen Verzahnung mit dem Autortext141 herauslöst und innerhalb eines ihm zugestandenen eigenen Textfeldes individuelleren Wegen folgen kann. Dies zeichnet sich eindeutig in der Art der Beschäftigung des Lambin mit Horaz ab. Möglicherweise ist die graphische Selbstständigkeit des Kommentators gegenüber dem Autor sogar Voraussetzung für die Haltung des Kommentators. Damit findet in der Endglossierung eine striktere Trennung von Autor und Kommentator statt, was beiden eine größere Unabhängigkeit, Sichtbarkeit und Lesbarkeit zugesteht. Aus der Emanzipation des Kommentators vom Autor ergibt sich zwangsläufig eine höhere Wirkmächtigkeit des Horaztexts, der nun für sich allein stehen kann. Aus der Emanzipation des Horaz- und des Kommentartexts folgt daher in einem weiteren Schritt die Emanzipation des Lesers, der nun viel leichter dazu in der Lage ist, Informationen frei auszuwählen und eigene Interpretationen und Lesarten zu wählen. Mit der Loslösung der Annotationen vom Text besteht dabei für den Kommentator, der aus dem Gespann des Horaztexts heraustritt, die Gefahr, in seiner Sichtbarkeit unsichtbarer zu werden, je nach Erkenntnisinteresse und Vorbildung des Lesers.

2.2.5 Charakteristika und Wirkung Lambins Kommentar142 ist sehr detailliert, er geht überaus genau auf einzelne Wörter und deren Ursprung ein und analysiert akribisch Horaz’ Diktion und Syntax.143 Dazu kommen geographische und historische Referenzen. Diese Detailtreue wurde nicht immer positiv gesehen und wurde beispielsweise in Bezug auf den Plautuskommentar vom jungen Scaliger hämisch herabgewürdigt: commentariorum mole laborat.144 Lambins mitunter als Pedanterie empfundene Arbeitsweise ist im Französischen mit dem

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Wobei bei dieser Verzahnung ebenfalls eine gegenseitige Beeinflussung der Texte geschieht. Felix Budelmann, „Classical Commentary in Byzantium: John Tzetzes on Ancient Greek Literature“, in Roy Gibson, Christina Shuttleworth Kraus (Hrsg.), The Classical Commentary. Histories, Practices, Theory, Leiden 2002, 145 zu mittelalterlichen Kommentaren: „Visually, the commentary shapes the text as much as the text shapes the commentary; the two come to exist together.“ Eine tiefere Analyse der Charakteristika wird sich anhand der Betrachtung der Paratexte ergeben und soll hier nur im Rahmen der Forschung kurz umrissen werden. Anthony Grafton, Joseph Scaliger. I: Textual criticism and exegesis, 1983, 81. Anthony Grafton, Joseph Scaliger. I: Textual criticism and exegesis, 1983, EN 60, 263 zitiert den Brief Scaligers an Lipsius 1577: Plautum Lambini si vidisti, non admiraris, certo scio. Est enim germanus plane illius Horatii Lambiniani, qui commentariorum mole laborat. Vgl. Alexander Chalmers, The General Biographical Dictionary, containing an historical and critical account of the lives and writings of the most eminent persons in every nation; particularly the British and Irish; from the earliest accounts to the present time, Bd. XIX, London 1815, überarbeitete Ausgabe, 482.

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Allgemeine Übersicht zu den Kommentaren

Ausdruck lambiner sogar sprichwörtlich geworden.145 Zu seiner Ehrenrettung muss jedoch festgehalten werden, dass manche Kritiker gerade den Horazkommentar von dieser Zuschreibung ausnehmen146 und es sehr positive Einschätzungen dieses Werkes in der Forschung gibt, wie die Anthony Graftons: „No modern critic had ever studied with so much thoroughness and method the language of an ancient poet.“147 Lambins Tugenden seien Geduld, Akkuratesse und ein gutes Wissen um die Quellen und Angewohnheiten des kommentierten Autors gewesen. Damit habe er nachdrücklich den französischen Stil der Textexegese beeinflusst.148 Besonders prominent ist seine starke Einbindung griechischer Texte.149

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Zur Stilkritik Lambins anhand dieses Begriffs vgl. D. F. S. Thomson, „On the Latin Style of some French Humanists“, in Catherine M. Grisé, C. D. E. Tolton (Hrsg.), Crossroads and Perspectives: French literature of the Renaissance, Studies in honour of Victor E. Graham, Genève 1986, 90– 91. Charles Brink, „Horatian Poetry“, 1981, 10. Edward J. Kenney, The Classical Text, 1974, 64, FN 2. John Edwin Sandys, A short history of Classical scholarship, 1915, 180. D. F. S. Thomson, „On the Latin Style of some French Humanists“, 1986, 91 bezieht sich auf Hallams Urteil in dessen Literaturgeschichte (1844, 481, zitiert durch Thomson). Anthony Grafton, Joseph Scaliger. I: Textual criticism and exegesis, 1983, 81: „Many similar notes reveal Lambin’s virtues: patience, accuracy, close acquaintance with his author’s habits and sources.“ Anthony Grafton, Joseph Scaliger. I: Textual criticism and exegesis, 1983, 81. Anthony Grafton, „Joseph Scaliger's Edition of Catullus (1577)“, 1975, 157.

3 Autorisierung des Horaz und des Kommentators in den Paratexten

Der Hauptfokus dieser Studie liegt auf den Strategien bei der Kommentierung von problematischen Stellen. Dafür muss gewissermaßen die Grundierung der Ausgestaltung der Horazpersona und der Kommentatorpersona analysiert werden. Es soll gezeigt werden, auf welche Weise die Kommentatoren ihren kommentierten Autor Horaz – und dabei sich selbst1 – darstellen und inwieweit gerade dies die später behandelten problematischen Stellen so anstößig macht. Dafür bietet sich die Untersuchung der Paratexte der beiden Kommentare an. Zunächst werden einige Begriffe umrissen, bevor die jeweiligen Vorreden Landinos und Lambins zunächst einzeln untersucht und abschließend miteinander verglichen werden. Dabei ist das Ziel, eine Folie aus den Paratexten herauszuarbeiten, an denen später das kommentatorische Vorgehen im eigentlichen Kommentarteil gemessen werden kann.

3.1 Die Paratexte der Kommentare 3.1.1 Allgemeine Bemerkungen zum Begriff und der Art der Paratexte In den untersuchten Kommentaren ist eine große Fülle von verschiedenen Paratexten enthalten, die sich sowohl vor als auch nach dem Horaztext mit Kommentarannotationen finden: Titel, Einleitungen, Widmungen,2 Horazviten, Begleitgedichte und Indizes. In dieser prominenten Stellung sollen sie interpretiert werden, um aus ihnen allgemeinere Aussagen über die hier behandelten Kommentare abzuleiten. Unter Paratexten werden im Rahmen dieser Untersuchung und in großteiliger Übereinstimmung mit

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Karl Enenkel, Henk Nellen (Hrsg.), „Introduction“, 2013, 16: „An important corollary for the commentator was that the commentary bestowed authority not only on the author commented upon, but also to the commentator himself. […] The auctoritas of the commentator was reinforced by that of the text on which he commented.“ Schottenloher erstellt einen Überblick über die Widmungsvorreden: Karl Schottenloher, Die Widmungsvorrede, 1953.

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Autorisierung des Horaz und des Kommentators in den Paratexten

Gérard Genettes Begriffsbestimmung3 diejenigen Texte verstanden, die dem eigentlichen Horaztext und dazugehörigen Kommentar vorausgehen oder ihm nachgestellt sind. Genettes Begriff lässt sich nicht immer vollständig auf die Textsorten der Renaissance anwenden.4 Daher ist es sinnvoll, sich auf die Begriffsmodulierungen von Frühneuzeitforschern wie Erich Kleinschmidt5 zu beziehen, der sich im Rahmen des Sammelbandes Die Pluralisierung des Paratextes in der Frühen Neuzeit. Theorie, Formen, Funktionen6 detailliert mit den Vor- und Nachteilen und der Anwendbarkeit des Genette’schen Konzepts auf die Frühe Neuzeit befasst. Besonders hilfreich für die Zwecke dieser Untersuchung ist die Analyse Kleinschmidts: „Der Bereich der Paratexte kann für sich beanspruchen, das Prinzip von reizerregenden Intensitätseffekten, wie sie in jedem Text kommunikationstheoretisch sinnmodellierend stattfinden, nochmals eigens zu installieren, und zwar in der Form von intentionalen Auflagen. […] Paratexte fungieren gegenüber dem Kerntextbereich als gradualisierende Rahmungsparameter, die Schwellenphänomene der Schreib- und Lesbarkeit erzeugen und ausdifferenzieren.“7 Für uns bedeutet dies, dass die Aussagen der Kommentatoren in diesen Paratexten für ihre Leser eine Wahrnehmungsschablone erzeugen, die für das Gesamtwerk Gültigkeit beansprucht.8 Es soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass sich die Ansprüche der Paratexte nicht

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Orientierung an der deutschen Fassung von Genettes Seuils: Gérard Genette, Paratexte, Frankfurt 1989. Eine jüngere Auseinandersetzung der Begriffsbedeutung des Paratexts im Umfeld humanistischer Kommentare bieten Karl Enenkel, Henk Nellen (Hrsg.), „Introduction“, 2013, 7. Sie zeigen ihn als fruchtbar für diesen Untersuchungsgegenstand, da er eine große Menge an Einzelphänomenen abdeckt: „title page, pagination, privileges granting the right to publish the work, dedication, liminary poetry, letter to the reader, table of contents, chapter titles, headers, prefaces, marginalia, illustrations, indexes, and – last but not least – the commentary“. Sie bedienen sich dabei einer Paratextdefinition, die über Genette und die hier vorgenommene Begriffsbestimmung hinausgeht und Kommentierung miteinschließt. Erich Kleinschmidt, „Gradation der Autorschaft. Zu einer Theorie paratextueller Intensität“, in Frieder von Ammon, Herfried Vögel (Hrsg.), Die Pluralisierung des Paratextes in der Frühen Neuzeit. Theorie, Formen, Funktionen, Münster 2008, 1–17, bes. 5. Frieder von Ammon, Herfried Vögel (Hrsg.), Die Pluralisierung des Paratextes in der Frühen Neuzeit. Theorie, Formen, Funktionen, Münster 2008. Erich Kleinschmidt, „Gradation der Autorschaft“, 2008, 14. Karl Enenkel, Henk Nellen (Hrsg.), „Introduction“, 2013, 7 gehen in eine ähnliche Richtung: „The totality of these paratexts functions as a frame that regulates and canalizes the reception of the text.“ Vgl. Georg Stanitzek, „Texte, Paratexte, in Medien: Einleitung“, in Klaus Kreimeier, Georg Stanitzek (Hrsg.), Paratexte in Literatur, Film, Fernsehen, Berlin 2004, 8: „[Paratexte] steuern Aufmerksamkeit, Lektüre und Kommunikation in einer Weise, dass die entsprechenden Texte über sie allererst ihre Kontur, ihre gewissermaßen handhabbare Identität gewinnen.“ Dies wird im selben Band auch von Schmidt zitiert: Gabriela Schmidt, „Pluralisierung von Autorschaft – Entgrenzung des Textes. Die Fiktionalisierung des Paratextes in Thomas Mores literarischen Dialogen“, in Frieder von Ammon, Herfried Vögel (Hrsg.), Die Pluralisierung des Paratextes in der Frühen Neuzeit. Theorie, Formen, Funktionen, Münster 2008, 228.

Die Paratexte der Kommentare

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unbedingt im Kommentarteil selbst wiederfinden, wie in Einzeluntersuchungen von Kommentaren festgestellt wurde.9 Bei der Publikation der Dichtung des Horaz wird dem Kommentator im Kommentar ein Ort zur Selbstdarstellung geboten.10 Dies geschieht in besonderem Maße in den Paratexten, nehmen sie doch einen sehr prominenten Platz im Buch ein.11 Diese Tendenz geht so weit, dass Wolfgang Leiner für manche Fälle sogar eine Priorisierung der Widmungsschriften, die ja den Kernteil der Paratexte ausmachen, über den zugeeigneten Text an sich vermutet.12 Dabei wird auch zu untersuchen sein, ob es vom Kommentator angestrebt wird, Eigenschaften, die er für Horaz und dessen Werk etabliert, für sich selbst und seinen Kommentar geltend zu machen, oder ob sich das Verhältnis von Horaz und seinen Adressaten auf das Verhältnis von Kommentator und Adressat niederschlägt, wie dies von Rainer Stillers umfangreich und überzeugend dargelegt wurde.13 Nicht zuletzt ist insbesondere der Horaztext hervorragend als Vorlage geeignet, um über Patronageverhältnisse zu sprechen, da er wie kaum ein anderer antiker Text voll von Äußerungen innerhalb dieses inhaltlichen Feldes ist.14 Die Paratexte der Kommentare erfüllen mehrere Funktionen:15 Sie erleichtern den Gebrauch des jeweiligen Kommentarbuches. Die Paratexte führen in die Autorperson Horaz und seine Werke ein, die es zu edieren und erklären gilt. Sie etablieren darüber hinaus den Kommentator, indem Preisgedichte auf seine Person oder sein Werk dem Kommentar beigefügt sind. Zudem stellen Widmungsepisteln an mächtige und einflussreiche Gönner eine machtvolle, auf kulturellem Kapital basierende Beziehung her oder machen sie sichtbar. Schließlich reiht sich darin der Kommentator in die Reihe seiner Vorgänger, antike und zeitgenössische, ein. Ihre Funktionen könnte man also als einführend, erklärend, wegweisend und etablierend zusammenfassen.16 9 10

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Julia Gaisser, Catullus and his Renaissance Readers, 1993, 172. Ann Moss, „Horace in the Sixteenth Century“, 1999, 67. August Buck, „Einführung“, in August Buck, Otto Herding (Hrsg.), Der Kommentar in der Renaissance, Bonn 1975, 10. Der Begriff der Selbstdarstellung lässt sich problemlos durch den Greenblatt’schen Begriff der „Selbstfassionierung“ ersetzen. Die Selbstfassionierung des Petrarca als Autorität kann als fruchtbarer Vergleichspunkt für die hier vorliegende Untersuchung dienen, vgl. Florian Neumann, „Autorität, Klassizität, Kanon, 2004, 93–94. Gérard Genette, Paratexte, 10, vgl. Sabine Vogel, Kulturtransfer, 1999, 47. Wolfgang Leiner, Der Widmungsbrief in der französischen Literatur: 1580–1715, Heidelberg 1965, 20. Rainer Stillers, Humanistische Deutung, 1988, 50–54. Phebe Lowell Bowditch, Horace and the gift economy of patronage, Berkeley 2001, bes. 21. Karl Schottenloher, Die Widmungsvorrede, 1953 beschränkt sich in seiner Monographie auf die Widmungsvorreden, dennoch sind seine Ausführungen auch allgemein für die Paratexte gültig. Bettina Wagner fasst zusammen, dass es bei den Paratexten darum gehe: Bettina Wagner, „An der Wiege des Paratexts. Formen der Kommunikation zwischen Druckern, Herausgebern und Lesern im 15. Jahrhundert“ in Frieder von Ammon, Herfried Vögel (Hrsg.) Die Pluralisierung des Paratextes in der Frühen Neuzeit. Theorie, Formen, Funktionen, Münster 2008, 152: „Informationen über das Buch zu vermitteln, seine materielle Erscheinungsform und seine Inhalte zu autorisieren sowie seine Rezeption zu steuern“. Dabei ist das Konzept der „Autorisierung“, das im Rahmen des

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Autorisierung des Horaz und des Kommentators in den Paratexten

Selbstredend unterlagen diese Paratexte durch ihre herausgehobene Funktion bestimmten Konventionen, die quellenkritisch analysiert werden müssen. Aufgrund ihrer herausragenden Stellung sind sie rhetorischen Kriterien unterworfen, die in die Darstellung einzelner Sachverhalte hineinspielen. Ihr Ton ist oft feierlich. Ihre programmatischen Aussagen müssen sich nicht immer erfüllen. Die praefationes und dedicationes als ein Teil der Paratexte der Kommentare unterliegen diesen Konventionen im Besonderen. Sie sind das Kerninstrument des Kommentators, um außertextliche und oft außerwissenschaftliche Ziele zu erreichen. Dabei werden der Kommentar und der Horaztext mehr oder weniger ein Instrument in der Hand des Kommentators, um sich selbst einem Gönner und/oder der res publica litterarum zu präsentieren oder seine Stellung zu bestätigen. Dies wiederum beruht auf der Autorität, die dem kommentierten Autor zugestanden wird, also seiner Kanonisierung.17 Der Kommentator muss diese etablieren. Der Duktus aller praefationes scheint dem modernen Leser wahrscheinlich hochpanegyrisch und rhetorisch, dies hat allerdings nicht nur mit den einzelnen Persönlichkeiten der Kommentatoren zu tun, sondern ebenfalls mit Gattungskonventionen. Sabine Vogel hebt hervor, dass gerade die Paratexte, also die praefationes und dedicationes, oft nach demselben Muster wie humanistische Briefe funktionieren und oft den Konventionen des humanistischen Briefeschreibens unterliegen.18 Auf der anderen Seite sind sie besonders gut dazu geeignet, wenn nicht ein humanistisches Selbstverständnis, wie Sabine Vogel es nennt,19 dann doch einen Eindruck über das humanistische Verständnis ihres Tuns in der Gesellschaft und der Wissenschaft darzustellen. Bei alledem sollte noch einmal hervorgehoben werden, dass die hier entstandenen Erkenntnisse nicht immer repräsentativ für den Gesamtkommentar zu gelten haben, da

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Münchener SFBs „Pluralisierung und Autorität in der Frühen Neuzeit“ Verwendung findet, für diese Untersuchung, besonders im Bereich der Paratexte hilfreich. Denn sowohl Landino als auch Lambin werden Horaz und sich selbst mit verschiedenen Strategien autorisieren, um ihre Publikation zu legitimieren. Die Begriffsbestimmungen und -konzepte des SFB Pluralisierung & Autorität (573) werden verwendet, vgl. Abschnitt 1.2. Einen interessanten Vergleichsfall bietet Petrarcas Autorisierung durch seine Kommentatoren im sechzehten Jahrhundert, vgl. Gerhard Regn, „Autorität, Pluralisierung, Performanz – die Kanonisierung des Petrarca volgare“, in Gerhard Regn (Hrsg.), Questo leggiadrissimo poeta! Autoritätskonstitution im rinascimentalen Lyrik-Kommentar, Münster 2004, 15. Weiterhin wichtig für den Zusammenhang zwischen Kommentar und Autorität ist der Artikel Glenn W. Most, „Preface“, 1999, x, der die fünfte Funktion des Kommentars in der Re-Etablierung der Autorität eines kommentierten Autors sieht: „One function of a commentary is to (re-)confirm, (re-)distribute, and (re-)impose within a society an authority whose meaning is no longer entirely self-evident. […] Hence there is always, to some extent at least, an affirmative aspect to any commentary: commentators tend to defend and protect the authority of the author they comment upon.“ Sabine Vogel, Kulturtransfer, 1999, 23–25. Rainer Stillers, Humanistische Deutung, 1988, 59 arbeitet allerdings heraus, dass die humanistischen Kommentare stark der Tradition der antiken und mittelalterlichen Kommentare unterliegen. Sabine Vogel, Kulturtransfer, 1999, 23.

Die Paratexte der Kommentare

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sich oft eine Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis des Kommentars ergibt.20 Genau diese Diskrepanz ist es jedoch, die das Spannungsfeld erzeugt, in dem die Strategien des Kommentators besonders bedeutungsvoll werden. Diese versuchen entweder, gegenläufige Eindrücke, die durch den Text des Horaz entstehen, beim Leser abzufedern, oder sie erhalten diese Widersprüchlichkeit bewusst.

3.1.2 Widmungen als Untersuchungsgegenstand Die Widmungsbriefe, die im Rahmen der Kommentare aufgrund ihrer Länge und Relevanz eine Zentralposition innerhalb der Paratexte einnehmen, werden in der Literatur als „épitre/lettre liminaire“ mit Bezug auf die Stellung des Widmungsbriefs am Anfang des zu widmenden Buches genannt.21 Die Widmung eines Werkes ist in der frühen Neuzeit ein fester Bestandteil der literarischen Kommunikation,22 so fest, dass François Rabelais ein Buch ohne Widmung als ਕțȑijĮȜȦȢ, als kopflos, bezeichnet.23 In der Widmung betritt der Adressat des verfassten Werkes das Geschehen und wird ein wichtiger Faktor innerhalb der Vorreden. Dies ist bei den hier vorgestellten Kommentaren der Fall. Außerdem erfüllt sie verschiedene außer- und innertextliche Aufgaben. Karl Schottenloher nennt sie in seiner Monographie zu selbigem Thema „verbindende Brücke[n zwischen Gelehrtem/Dichter und Gönner]“ und „hochgeschätzte Gabe[n] öffentlicher Huldigung“.24 Bei Wolfgang Leiner und Paul Oskar Kristeller gilt die Widmungsvorrede als Mittel zum Zweck der materiellen Unterstützung des Verfassers durch den Adressaten nach dem do-ut-des-Prinzip.25 Widmungsvorreden können sicher als Zeugnis für die Notwendigkeit der materiellen

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Otfried Lieberknecht, Allegorese und Philologie, Überlegungen zum Problem des mehrfachen Schriftsinns in Dantes „Commedia“, Stuttgart 1995, 31. Wolfgang Leiner, Der Widmungsbrief, 1965, 16. Es handelt sich also um Schwellen oder „Vestibüle“, „um eine ‚unbestimmte Zone‘ zwischen innen und außen, die selbst keine feste Grenze nach innen (zum Text) und nach außen (dem Diskurs der Welt über den Text) aufweist“. Gérard Genette, Paratexte, 10. Für Patronage in der Renaissance vgl. Werner L. Gundersheimer, „Patronage in the Renaissance. An Exploratory Approach“, in Guy Fitch Lytle, Stephen Orgel (Hrsg.), Patronage in the Renaissance, Princeton 1981, 3–23. François Rabelais an Jean du Bellay im Vorwort der Topographia antiquae Romae von Marliani, Lyon (1534, *4 r): Ne igitur in lucem sic ut erat deformis et veluti ਕțȑijĮȜȦȢ prodiret, visum est sub clarissimi nominis tui auspiciis emittere, zitiert bei Natalie Z. Davis, „Beyond the Market“, 1983, 81, FN 25. Karl Schottenloher, Die Widmungsvorrede, 1953, 192 und 195. Natalie Z. Davis, „Beyond the Market“, 1983, 73 nennt es „public gift“. Wolfgang Leiner, Der Widmungsbrief, 1965, 25. Dieser Aspekt steht bei Kristeller im Vordergrund: Paul Oskar Kristeller, „Der Gelehrte und sein Publikum im späten Mittelalter und in der Renaissance“, in Hans Robert Jauss, Dieter Schaller (Hrsg.), Medium aevum vivum. Festschrift für Walther Bulst, Heidelberg 1960, 221. Natalie Z. Davis, „Beyond the Market“, 1983, 74.

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Autorisierung des Horaz und des Kommentators in den Paratexten

Unterstützung bzw. Abtragung einer Dankesschuld26 seitens eines Schriftstellers oder Kommentators gelten. Sie sind aber darüber hinaus weitreichender im sozialen Geflecht des literarischen Betriebs verwurzelt.27 Widmungsbriefe waren nicht nur für die Aufwertung des Prestiges des Adressaten zuständig, in der Gegenrichtung konnte es ebenso für die Verfasser ein Weg sein, ihr Werk mit dem sozialen Prestige des Adressaten zu legitimieren und einen Teil der Verantwortung für die Publikation abzugeben.28 Adressaten sind damit, wie Arthur Marotti formuliert, Symbolfiguren und Mittler29 innerhalb des literarischen Feldes. Es ergibt sich also eine gegenseitige Prestigesteigerung,30 und dies ist insbesondere seit der Erfindung des Buchdrucks wirksam, da durch die hohe Auflagenzahl das Ansehen des Patrons in der res publica litterarum sehr viel sichtbarer als zuvor gesteigert werden konnte.31 Dieser Umstand ist wichtig, wenn wir uns im Folgenden der Analyse der problematischen Stellen zuwenden. Gerade sie sind es, die die Panegyrik des Adressaten gefährden. In gewisser Weise kann sich die oben genannte Prestigesteigerung in ihr Gegenteil verkehren. Wird der Autor im Kommentarteil als unflätig herausgearbeitet, kann dies einen Rückbezug auf den Adressaten haben. Aus jener Tendenz erklärt sich die Abfassung der Editionen Ad usum Delphini, die im siebzehnten Jahrhundert gereinigte Texte vorlegten, die dem Gebrauch des Dauphins angemessen waren.32 26 27

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Paul Oskar Kristeller, „Der Gelehrte und sein Publikum“, 1960, 221. Einige bei Karl Schottenloher, Die Widmungsvorrede, 1953, 175–77 erwähnte Motivationen zum Verfassen einer Widmungsvorrede u. a.: humanistischer Geltungswillen, vermehrtes Mitteilungsbedürfnis, Provokation einer Gegengabe, meist materieller Art, Stärkung der Begeisterung für den Humanismus, Freundschaftsbeweise, Dank für Gastfreundschaft, Mithilfe bei Erschließung von Buchmaterial, Berufungen. Vgl. Natalie Z. Davis, „Beyond the Market“, 1983. Arthur F. Marotti, „Patronage, Poetry, and Print“, in The Yearbook of English Studies 21 (1991), 2. Karl Schottenloher, Die Widmungsvorrede, 1953, 195 sieht dies als Möglichkeit, die Aufmerksamkeit der Zuhörer durch das Ansehen des Adressaten zu gewinnen. Paul Oskar Kristeller, „Der Gelehrte und sein Publikum“, 1960, 221 zählt es unter die Topoi der Widmungsvorrede, dass der Verfasser „zu schüchtern [sei], um sich allein der öffentlichen Kritik auszusetzen, und gibt der Hoffnung Ausdruck, daß der Name des Adressaten, falls er seine Widmung annimmt, das Publikum von dem Wert seiner Schrift überzeugen wird, so daß auch etwaige Neider und unfreundliche Kritiker dadurch zum Schweigen gebracht werden.“ Arthur F. Marotti, „Patronage, Poetry, and Print“, 1991, 25–26: „In the case of published lyric poetry, patrons served multiple purposes: not only were they actual or wished-for dispensers of money, social or political support and favour, offices and employment but also, as ideal readers and celebrity endorsers, they were symbolic or mediatory figures, facilitating the transition from manuscript culture to print culture.“ Michael L. Monheit, „‚The Ambition for an Illustrious Name‘. Humanism, Patronage, and Calvin’s Doctrine of the Callings“, in The Sixteenth Century Journal 23 (1992), 272. Karl Schottenloher, Die Widmungsvorrede, 1953, 195. Sabine Vogel, Kulturtransfer, 1999, 45–46. Arthur F. Marotti, „Patronage, Poetry, and Print“, 1991, 25–26 beschäftigt sich in seinem Aufsatz mit dem Buchdruck als Faktor in der Patronatsbeziehung. Curt Loehning, „In usum Delphini. Über anstößige Bücher, ihre Verbote und Reinigung“, in Philobiblon 14 (1970), 151–167.

Horaz als Schulautor

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Die Analyse der dedicationes im Hinblick auf die Widmungsempfänger ist in eine widersprüchliche Forschungssituation eingebettet. Einerseits unterlagen die in Epistelform abgefassten Kommentare bestimmten formalen Gepflogenheiten. Sabine Vogel argumentiert, dass die an die Mäzene gerichteten Widmungsbriefe den Konventionen für humanistische Freundschaftsbriefe folgten, diese im Grad ihrer rhetorischen Stilisiertheit sogar noch überboten,33 was in einem Kontext wie einer Werkwidmung leicht ersichtlich ist. Sie waren in besonderem Maße nur für die Veröffentlichung verfasst. Sabine Vogel leitet daraus ab, dass sich aus ihnen keine Rückschlüsse auf die individuelle Beziehung zwischen Patron und Kommentator herleiten ließen. In der älteren Forschung finden sich hingegen auch Hinweise darauf, dass die Widmungsepisteln trotz einiger Komponiertheit immer noch wichtige Zeitzeugnisse für Verfasser, Werke und Zeitprobleme sind.34 Für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung soll besonders an diesen Texten die Stilisierung des Horaz und die Selbstdarstellung des Kommentators herausgearbeitet werden, sodass der benannte Forschungsdissens umgangen werden kann.

3.2 Horaz als Schulautor Wichtig für die Untersuchung der Horazkommentare ist zudem ein Blick auf den „Sitz im Leben“ des Horaz in der Zeit der Kommentierung. Horaz ist Schulautor, obwohl dies, wie er selbst betont, eigentlich kein Ziel seiner Dichtung und ihm geradezu verpönt war (Epist. 1,20,17–18): Hoc quoque te manet, ut pueros elementa docentem occupet extremis in vicis balba senectus.

Horaz ist bis heute in den europäischen Curricula vertreten.35 Für die Antike bezeugen dies beispielsweise Quintilian und Juvenal,36 für das Mittelalter die Beispiele in Barbara Quints Untersuchung.37

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Sabine Vogel, Kulturtransfer, 1999, 41. Wolfgang Leiner, Der Widmungsbrief, 1965, 312. Karl Schottenloher, Die Widmungsvorrede, 1953, 209: „Das Persönliche der Widmungsvorrede bringt immer etwas Lebensgeschichtliches mit sich. Geber und Empfänger kommen uns näher und verraten uns zugleich ihr gegenseitiges Verhältnis zueinander.“ Glenn W. Most, s. v. „Horace“, 2010, 454. Siehe für die Horazexegese in der Antike, auch im Kontext der Schule: Francesco Lo Monaco, „Note sull’esegesi oraziana antica“, in L. Belloni, G. Milanese, A. Porro (Hrsg.), Studia classica Iohanni Tarditi oblata, Bd. II, Milano 1995, 1203– 1224. Bernard Frischer, „Rezeptionsgeschichte und Interpretation“, 1996, 69 hält dies besonders für die Ars poetica fest, die in den Curricula von religiösen und nichtreligiösen Schulen vertreten war.

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Autorisierung des Horaz und des Kommentators in den Paratexten

Dies liegt sicher auch daran, dass der Horaztext (selbst ohne Kommentar) an sich bereits ein didaktisches Moment in sich trägt. Oft wendet sich „Horaz“ an jugendliche Adressaten oder Leser. Er stilisiert sich mehrfach als praeceptor artis poeticae38, philosophiae39, amoris40 usw., was ihn als Lehrtext wiederum sehr geeignet macht und den Renaissance-Kommentator, der sich u. a. an ein studentisches Publikum wendet, in die Lage versetzt, den Ausgangstext umzuformen und auf ein ähnliches, aber modernes Publikum zu lenken.41 Der Lehrbuchcharakter eines Texts ergibt sich aus der Maßgabe, dass Lehrbücher ihre Schüler nicht nur informieren, sondern auch bilden sollten, wie dies beim Horaztext der Fall ist.42 Darüber hinaus spielt das Genre des Autorenkommentars schon seit der Spätantike eine tragende Rolle in der Schulausbildung.43 Dem kam zugute, dass das Horazwerk immer unter sprachlich-formalen sowie unter inhalt36

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Quint. Inst. 1,8,6, Iuv. 7,225–227. Gaisser zeigt dies anhand der Schulrezeption der Römer-Oden: Julia Gaisser, „The Roman Odes at School: The Rise of the Imperial Horace“, in Classical World 87 (1994), 443–456. Maria-Barbara Quint, Untersuchungen zur mittelalterlichen Horaz-Rezeption, 1988, 4–21. Quint weist auf die Schwierigkeiten und Einschränkungen hin, mit denen der Horaztext aufgenommen wurde, da er oft als moralisch zweifelhaft galt. Sie verdeutlicht dies u. a. am Beispiel Conrad von Hirsaus, der nur die Ars als Lektüre empfiehlt (16). Die bekannteste Selbststilisierung als Dichtungslehrer findet in der Ars poetica statt, vgl. Stephen Harrison, „Horatian Self-representations“, 2007, 22. Moles gibt einen hervorragenden Überblick über Horaz und seine philosophischen Themen: John Moles, „Philosophy and Ethics“, in Stephen Harrison (Hrsg.), The Cambridge Companion to Horace, Cambridge 2007, 165–180. Zur Behandlung von Liebes- und erotischen Themen bei Horaz vgl. Ellen Oliensis, „Erotics and Gender“, in Stephen Harrison (Hrsg.), The Cambridge Companion to Horace, Cambridge 2007, 221–234. Ronnie Ancona, Time and the erotic in Horace’s Odes, Durham 1994. Seine Ars, aber auch viele andere Werke zeigen damit Charakteristika eines Lehrbuches auf, wie sie gern von den Renaissance-Gelehrten im Rahmen des Unterrichtens gebraucht wurden. Andere Beispiele für diese Lehrbücher: Ciceros De inventione oder Aristoteles’ Rhetorik oder Poetik. Vgl. Anthony Grafton, „Textbooks and the Disciplines“, in Emidio Campi u. a. (Hrsg.), Scholarly Knowledge. Textbooks in early modern Europe, Genève 2008, 21. August Buck, „Einführung“, 1975, 11 stellt diese lebenspraktische Komponente, die sich durch die Lektüre der antiken Autoritäten ergab, dar: „Bei der Nachahmung des hochgeformten Wortes der antiken Autoren erschloß sich dem Humanisten auch die Lebensweisheit der Alten. Damit wurde dem humanistischen Kommentar eine weitere Aufgabe gestellt: die Vermittlung von Handlungsnormen, die sich aus den kommentierten Autoren ableiten ließen.“ Anthony Grafton, „Textbooks and the Disciplines“ 2008, 23 untermauert dies: „[…] early modern textbook writers often set out not only to inform the young, but to form them, at one and the same time.“ Er zeigt dies außerdem spezifisch für Horaz (27): „In the hands of skilled teachers, Horatian odes turned into lessons in moral philosophy […].“ Karl Enenkel, Henk Nellen (Hrsg.), „Introduction“, 2013, 17. Ulrich Schindel, „Wechselwirkungen zwischen Autoren-Kommentar und Systematischem Lehrbuch“, in Wilhelm Geerlings, Christian Schulze (Hrsg.), Der Kommentar in Antike und Mittelalter. Beiträge zu seiner Erforschung, Leiden 2002, 103–118. Ineke Sluiter, „Commentaries and the Didactic Tradition“, in Glenn W. Most (Hrsg.), Commentaries = Kommentare, Göttingen 1999, 173–205.

Landinos Paratexte

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lich-moralischen Kriterien analysiert und beurteilt wurde.44 Dies zeigt sich besonders an den im Folgenden aufgeführten Kommentarvorworten.45

3.3 Landinos Paratexte Landinos Paratexte der Horazausgabe sind voll von etablierenden Autorisierungsaussagen, die der Dichtung des Horaz großen Wert zuschreiben und gleichzeitig von selbstreferentiellen Passagen als Lehrer des jungen Guidobaldo durchzogen sind. Dabei ist festzustellen, dass beide Vorgänge der Kanonisierung des Horaz und der Autorisierung des Kommentators Hand in Hand gehen. Diese Vorgänge geschehen auf unterschiedlichen Ebenen, bisweilen direkt, bisweilen subtiler.

3.3.1 Die Darstellung des Horaz als Autorität Horaz wird von Landino durch verschiedene Strategien als dichterische und moralische Autorität etabliert.46 Auf einer eher abstrakten Ebene geschieht das durch die Eingliederung von Horaz in einen neuplatonischen Dichtungsdiskurs,47 der zunächst kurz in der Widmungsepistel an Guidobaldo und dann umfassender in der Einleitung der Ars poetica besprochen wird.48

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Maria-Barbara Quint, Untersuchungen zur mittelalterlichen Horaz-Rezeption, 1988, 14–21 geht für die mittelalterliche Horazrezeption näher auf beide Aspekte ein Wie sie schon durch Quintilians Umgang mit Horaz in seiner Institutio manifestiert ist. Auch Lowell Edmunds, „The Reception of Horace’s Odes“, 2010, 341 verweist auf die Funktion der horazischen Oden, an ihnen Rhetorik und Moral zu studieren. Zur kritischen Betrachtung des Anspruchs, Moral und Sprache im Unterricht der Renaissance zu vermitteln, vgl. Robert Black, „Italian Renaissance Education: Changing Perspectives and Continuing Controversies“, in Journal of the History of Ideas 52 (1991), 325. Florian Neumann, „Die Neukonstruktion auktorialer Autorität“, 2003, 163 untersucht diese Autorisierungsstrategien bei Petrarca und stellt fest: „Es geht den Autoren letztlich darum, Petrarcas Selbstpräsentation, die ja im Kern eine Selbstautorisierung ist, aufzugreifen und in den Dienst ihrer eigenen Autorisierungsbestrebungen zu stellen.“ Nebes stellt diese moralische Funktion von Dichtung als programmatisch für Landino dar: Liane Nebes, Der „furor poeticus“ im italienischen Renaissance-Platonismus, 2001, 123. Concetta Carestia Greenfield, Humanist and scholastic poetics, 1981, 214–222 beschäftigt sich detailliert mit Landinos neuplatonischer Poetologie für den Dante- und Vergilkommentar. Die Darstellung der neuplatonischen Literaturgeschichte ist derjenigen im Horazkommentar sehr ähnlich. August Buck, „Poetiken in der italienischen Renaissance. Zur Lage der Forschung“, in Heinrich F. Plett (Hrsg.), Renaissance-Poetiken. Renaissance Poetics, Berlin 1994, 33, vgl. dazu auch Piepers umfassende Untersuchung: Christoph Pieper, „Horatius praeceptor eloquentiae“, 2013.

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Autorisierung des Horaz und des Kommentators in den Paratexten

3.3.1.1 Horaz als Teil der neuplatonischen Literaturgeschichte Landino beginnt mit der allgemeinen Aussage, dass es (nur) die Dichter seien, die schon seit Anbeginn der Zeit nicht nur richtig gedacht und eloquent geschrieben, sondern auch die Dinge, die sie durch göttliche Inspiration eingegeben bekommen haben, aufgezeichnet hätten. Quo quidem in genere si ab ultima hominum memoria ad nostram usque aetatem cunctarum gentium ac nationum historiam revolvamus, solos poetas esse repperiemus, qui non modo et recte senserint et eloquenter scripserint, sed etiam ea ipsa, quae litteris mandarunt ab humanitate ad divinitatem divino quodam afflati spiritu transtulisse videantur. Verum illorum vim ac 49 furorem latius in eo libro prosequemur, quem ipse de poetica doctissime ad Pisones scripsit.

Die kurze Zusammenfassung schließt mit einem Verweis auf die Ars, in der Horaz sich „sehr gebildet“ (doctissime) dazu geäußert habe. Damit wird Horaz erstens als Dichter in diesem Umfeld verortet und zweitens als hervorragende Autorität in ebendiesem Fach etabliert. In der Vorrede zur Ars kommt Landino umfassender auf die Thematik der göttlichen Inspiration zu sprechen: Facit homo ex materia quicquid facit. Deus ex nihilo creat. At poeta et si non omnino ex nihilo aliquid praestet, tamen divino furore afflatus ea elegant[er] in carmine fingit, ut grandia quae50 dam et penitus admiranda suis figmentis pene ex nihilo producere videatur.

Der Mensch erschaffe Dinge aus anderen Dingen, Gott jedoch erschaffe aus dem Nichts, worin ihm der Dichter ähnele, der „aus fast nichts“ durch seine göttliche Inspiration (divino furore afflatus) Großes und Bewundernswertes hervorbringe.51 Es gebe keine andere Schriftgattung, in der jemand den Dichtern gleich sei, so Landino: […] id profecto cognoscemus quod gravissimorum quoque philosophorum consensu comprobatum est nullum esse scriptorum genus, qui aut magnitudine eloquentiae aut divinitate sapien52 tiae aliquo umquam tempore pares poetis fuerint.

Durch diese Aussagen werden Dichtung und Dichter geadelt. Dieses Prestige überträgt sich damit gleichzeitig auf Horaz, der ja der Dichter ist, der von Landino kommentiert wird. In der Oden-Einleitung findet eine ähnliche Charakterisierung des Dichters statt: er strebe in seinem Tun zur Göttlichkeit: Quo autem consilio lyrica carmina scripserit haud ambigendum puto. Id enim praestare voluit, quod ab omnibus poetis semper praestatum, ipse in arte poetica scribit. Nam cum divini sint 53 vates deo sese beneficia dando simillimos reddere cupiunt. 49 50 51

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. s. n. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. pvii r– pvii v. Steppich untersucht die Inspirationskonzeption, aufbauend auf den Aussagen in Landinos Vergilund Dantekommentar, umfassend: Christoph J. Steppich, Numine afflatur: die Inspiration des Dichters im Denken der Renaissance, Wiesbaden 2002, 140–142. Vgl. Concetta Carestia Greenfield, Humanist and scholastic poetics, 1981, 218–218. Liane Nebes, Der „furor poeticus“ im italienischen Renaissance-Platonismus, 2001, 112–148. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. pvii v.

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Später wird die Verbindung von platonischer Philosophie und Horaz’ Eigenschaft als Tugendwächter im Satiren-Vorwort explizit gemacht: Mens autem consiliumque poetae eo tendit, ut homines, dum vitia insectantur, meliores reddat. Vir enim egregius et Platonica disciplina instructus cum non sibi soli natum sed civibus suis ceterisque mortalibus, quoad praestare posset, pro communi salute invigilandum sibi propo54 suit.

Die Bewandertheit in platonischer Philosophie zeigt sich durch seine hervorragende Moral und sein Ansinnen, über die Sitten der Gesellschaft zu wachen. 3.3.1.2 Horaz als Teil der Trias Vergil – Dante – Horaz Die Autorisierung des Horaz geschieht auch weniger abstrakt. Landino gliedert ihn in der Widmungsepistel in eine von ihm gewählte (delegi) Trias ein, in der Horaz als Teil des Dreigestirns Vergil, Dante und Horaz etabliert und so mit den beiden anderen Dichtergrößen auf eine Ebene gestellt wird: Quapropter tres mihi ex omni numero poetas delegi, quorum interpretationes scribundas susciperem. Ex Latinis quidem P. Virgilium Maronem atque Q. Horatium Flaccum. Ex Florentinis autem, quam linguam nemo umquam eloquens aspernatus est, Alegherium Danthem assum55 psi.

Für die Kommentierung (interpretationes) habe er die beiden lateinischen Dichter und den Florentiner Dichter gewählt. Die Begründung dafür erfolgt in Einzelschritten, wobei die Auswahl des Horaz besonders auf die rhetorische Qualität seiner Texte abzielt.56 Horaz wird für Landino insgesamt als rhetorisches Vorbild etabliert:

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. a2 r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. riii v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. s. n. Ursula Rombach, Vita activa, 1991, 28–29 stellt dar, dass es dabei methodologische Unterschiede zwischen den drei Kommentaren gibt. Der Dantekommentar „[knüpfe] in Intention und philosophischer Ausrichtung an die Auslegung der Aeneis in den Disputationes sowie deren Ansätze in der Vergilvorlesung von 1462/63 an […].“ Wohingegen der Horaz- und Vergilkommentar „einen grammatisch-stilistischen Schwerpunkt“ hätten. Manfred Lentzen untersucht die Methodologie in Landinos Petrarca prolusio von 1467, für die er ein ganz ähnliches „rhetorisch-stilistisches“ Verfahren analysiert. Lentzen erkennt eine Inkongruenz zwischen dem „rhetorisch-stilistische[n] Deutungsverfahren“ und der „platonische[n] Inspirationstheorie“, die Landino jedoch nicht zu stören scheint. Manfred Lentzen, „Christoforo Landinos Verherrlichung von Florenz. Zur Vormachtstellung der Arno-Stadt im Bereich von Politik, Kultur und Sprache im 15. Jahrhundert“, in Manfred Lentzen, Literarische Texte in ihrer Zeit. Romanistische (insbesondere italianistische) Beispiele vom Mittelalter bis zum Ausgang der Renaissance, Darmstadt 2010, 193–194, Zitat 193. Vgl. Bernhard Huss, „Regelpoesie und Inspirationsdichtung“, 2003.

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Autorisierung des Horaz und des Kommentators in den Paratexten […] si sapientiam huius poetae in rebus ipsis inveniendis et mirificum consilium atque artificium in singulis disponendis atque ornandis pro viribus aperirem ac postremo verborum vim 57 atque varias notiones edocerem.

Seine Qualitäten lägen in inventio (inveniendis), dispositio (disponendis) und im ornatus (ornandis). Seine Wortwahl zeichne sich durch Ausdrucksstärke und Bedeutungsvielfalt aus. 3.3.1.3 Horaz’ Dichtung als sprachliches und moralisches Lehrbuch Landino trennt das Gesamtwerk des Horaz in zwei große Teile: Die Lyrik und die hexametrische Dichtung der Satiren und Episteln. In den jeweiligen praefationes und in der Widmungsvorrede hebt er wiederholt die Qualitäten der einzelnen Gattungen des Horaz hervor. Er empfiehlt dem jungen Guidobaldo die Oden als anregende Lektüre in seiner Jugend, aber auch als Sprachvorbild: Elegi autem te potissimum, illustrissime Guido, quoniam Horatii volumina huiuscemodi artificio conscripta sunt, modo recte intelligatur, ut et eius lyricum carmen ad iuvenile ingenium 58 excitandum et ad linguam expoliendam atque ornandam vehementer te iuvare possit.

Im Oden-Vorwort hebt Landino die breite Gelehrsamkeit der Gedichte und deren Liebreiz hervor: Igitur ut utilitatem quam ex varia multiplicique doctrina suis versibus includit mortalium 59 generi afferret, ut illam etiam summa iocunditate aspergeret opus scribendum suscepit.

Die Satiren und Episteln hätten das Potential, die Sitten des Lesers zu verbessern. Sie hätten einen ähnlichen Wert wie philosophische Abhandlungen.60 Über diese gingen sie in ihrer rhetorischen Qualität aber hinaus:61 Sermones vero et Epistolas ad mentes humanas omni labe purgandas et optimis moribus informandas, quis non tantum valere intelligat, ut multorum philosophorum libros doctrina

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. s. n. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. s. n. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. a2 r. Die Herausarbeitung der moralischen Qualität der hexametrischen Dichtung des Horaz durch Landino passt in das von Field analysierte Vorgehen, dass Landino „lectured on philosophers as if they were poets and on poets as if they were philosophers“. Arthur Field, The Origins of the Platonic Academy, 1988, 231. Lowell Edmunds, „The Reception of Horace’s Odes“, 2010, 346 schlussfolgert aus dieser Trennung, dass die Oden nicht als moralische Dichtung gedacht seien: „It is no longer necessary, then, to pretend that the Odes carry useful moral or Christian messages.“ Dem ist jedoch nur bedingt zuzustimmen. Landino gibt sich im Kommentieren von problematischen Aussagen große Mühe, die Dichtung des Horaz als insgesamt autoritär zu etablieren, wie in den folgenden Kapiteln demonstriert werden soll.

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Landinos Paratexte quidem exaequent. Eloquentia vero, quae et animos nostros suavissime demulcere et efficacis62 sime movere potest, longe superent?

Auch im Vorwort der Satiren, einer erneuten Ansprache an Guidobaldo, wird die in den Satiren geschickt versteckte Tugendlehre in groben Zügen umrissen. Dabei liegt eine besondere Betonung darauf, dass Horaz seine moralische Verbesserung subtil und quasi durch die Hintertür in seinen zu diesem Zwecke als Sermones getarnten Gedichten verstecke: Mira est hominis dissimulatio in reprehendendo atque in ea re adeo vafer adeoque lepore salibusque mentem auditoris occupat, ut, dum se iocunditate verborum demulcendum praebet, nihil acerbum suspicans, non antea in se contorta spicula animadvertat quam illa intra praecordia recepisse senserit. Nam cum sibi proposuerit non homines maledicendo vexare, sed castigando a vitiis ad rectam viam revocare, non prius ferrum ignemve vulneri sanando admovet quam aegrotum ita occultis laquis irretiverit, ut medicas manus, etiam si velit effugere, nequeat. Cuius quidem dissimulationis vel illud irrefutabile testimonium nobis sit. Nam cum duo Satirarum volumina scripserit utrique illarum nomen subtraxit, ne asperitate tituli perter63 ritos flagitiosos homines ab his, quae illis salubria esse possint, legendis, alienaret.

Durch diese Voreinstellung ist es dem Kommentator außerdem möglich, die Tugendlehrerrolle des Horaz sehr deutlich sichtbar zu machen, zu erklären und dabei in sichere Bahnen zu lenken. Im ersten Lemma der Satiren-Kommentierung hebt Landino noch einmal hervor, dass der Aspekt des Tadels von Lastern äußerst prominent in den Satiren sei: Nam volentem humana vitia reprehendere […].

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Im Epistel-Vorwort wird dieses Lob noch eindrücklicher formuliert. Hier wird vom Kommentator außerdem der sprachliche Aspekt betont. Horaz habe sapientissime eloquentissimeque65 geschrieben. Erneut erfolgt die Inszenierung des Alleinstellungsmerkmals des Horaz über seine Weisheit, wenn Landino Guidobaldo anspricht und ihm die Horazlektüre empfiehlt: Tum et tu Horatium omnium poetarum sapientissimum fuisse animadvertas […].

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Aber auch insgesamt sei Horaz ein ausgezeichneter Autor, aus dessen Schriften man ein gutes Leben lernen könne, was Landino in vielen moralphilosophischen Aspekten demonstriert: 62 63 64

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. s. n. Dieser Abschnitt befindet sich in der Widmung. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. riii r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. riii v. Dass die Satiren die Laster der Menschen tadeln, wird bei Maria-Barbara Quint, Untersuchungen zur mittelalterlichen Horaz-Rezeption, 1988, 17 bereits für die mittelalterliche Tradition festgestellt, ebenso bei Roberta Marchionni, SciendumKommentar 2003, xvi und bei Huygens: Robert B. C. Huygens, Accessus ad auctores. Édition critique, Berchem-Bruxelles 1954, 45. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. yii r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. yii r.

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Autorisierung des Horaz und des Kommentators in den Paratexten Nam quod porro genus hominum, quis ordo, quae aetas, quis sexus, quae denique conditio ex hoc amplissimo fonte suae vitae officia non hauriat? Qua obsecro efficacia metum, ignaviam, luxuriam, iniustitiam, impietatem, avaritiam, incontinentiam et reliqua vitia exagitat? Quibus contra laudibus, quibus praemiis iustitiam. Invictam animi magnitudinem et pro patria, pro parentibus periculorum consideratam susceptionem. Religionem in Deum. Pietatem in maiores. Caritatem in omnes prosequitur? Adde, si placet, quod quo pacto secum, quo cum domesticis, quo cum civibus, quo denique cum peregrinis agendum sit, nullus philosophus distinctius 67 edocet.

Horaz sei für alle Menschen eine vorbildliche Quelle. Er polemisiere gegen alle Übel: Furcht, Unwissenheit, Überfluss, Ungerechtigkeit, Unfrömmigkeit, Habsucht, Unenthaltsamkeit. Er rufe zu Gerechtigkeit, Geistesgröße und Engagement für Vaterland und Eltern, Gottesfurcht, Ehrfurcht vor den Vorfahren und Freigebigkeit auf. Auch im Umgang mit sich selbst und anderen wäre er das beste philosophische Vorbild. Landino hebt also die Qualität des Horaz als moralisches Vorbild hervor. 3.3.1.4 Die Vorbildlichkeit des Horaz in seiner Vita Für die Autorisierung des Dichters als moralisches Vorbild wird von Landino in der Horaz-Vita (die auf der Suetonvita aufsetzt, sie aber nicht explizit erwähnt) selektiv aufbauend auf dessen Selbstdarstellungen ein vorbildhaftes Leben des Dichters konstruiert, das nur an einigen wenigen Stellen Probleme aufwirft. Landino beginnt damit, dass Horaz eine hervorragende sittliche Ausbildung erhalten habe: Optima deinde pueri indole admonitus Romam perduxit sedulaque diligentia effecit, ut per 68 praeceptores probatissimis moribus et optima doctrina instrueretur.

Auch im Satiren-Vorwort wird dieser Aspekt der Ausbildung noch einmal stark gemacht, der in Kombination mit der natürlichen Begabung und der Kunstfertigkeit des Horaz für seine Exzellenz und damit die Notwendigkeit, ihn zu lesen, angeführt wird. Als antiker Gewährsmann wird Quintilian genannt: Cuius hominis sapientissimum a natura consilium exactissimumque artificium ac non denique mediocrem doctrinam ego huiuscemodi esse puto, ut nemini ex Latinis poetis inferior haben69 dus sit. In hoc autem dicendi genere iure, ni fallor, a Quintiliano praecipuus dicitur.

Sein Charakter sei, abgesehen vom Makel, dass er bisweilen den voluptates zugeneigt war, sehr integer gewesen:

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Diese Aussage findet sich in der Widmung an Guidobaldo, Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. s. n. Mit dieser Einschätzung des Gesamtwerks des Horaz lässt sich Edmunds’ Verdikt widerlegen, vgl. FN 61. Das moralisierende Lesen wird sich durch Landinos Oden-Kommentar ziehen und das Gegenteil beweisen. Dennoch kann diese Trennung für Lambins Behandlung des Epikureismus relevant gemacht werden. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. a1 r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. riii r.

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Ferunt hunc virum in libidinem pronum extitisse. Ceteris vero moribus integerrimum. In amicitiis autem deligendis prudentissimum et in conservandis constantissimum simul et officiosissimum fuisse. Vita frugi et parca. Ambitione autem nulla nullaque pompa. Quippe qui fateatur se in foro de rebus venalibus atque minutis crebro solitum esse sciscitari. Erat ad iracundiam 70 facilis, sed minime in ea perdurans.

Er habe Freundschaften gepflegt, ein bescheidenes Leben geführt, ohne Ehrgeiz und ohne Prunk. Er sei leicht reizbar gewesen, jedoch nicht lange zornig. Insgesamt war nach einer jugendlichen epikurischen71 Eskapade, so Landino, seine philosophische Ausrichtung platonisch-akademisch geprägt: Verum cum deinde in maturiori aetate maturius iam consilium insurgeret, mollissimo dogmate contempto in academiam migravit. Cuius rei testimonium haec in Epistolis carmina esse videmus: „Ac ne forte roges quo me duce, quo lare tuter. | Nullius addictus iurare in verba magis72 tri.| Quo me cumque rapit tempestas deferor hospes.“ Quod institutum proprium academiae est. Et alibi: „Adiecere bonae paulo plus artis Athenae, | scilicet ut vellem [bei Landino: pos73 sem] curvo dignoscere rectum. | Atque inter silvas Academi quaerere verum.“

Dies wird von Landino noch mit Zitaten aus Horaz’ Episteln untermauert, da für ihn die historische Person Horaz und die dichterische Stimme selbstverständlich eins sind. Die integre Persönlichkeit des Horaz ist damit Voraussetzung für die moralische Integrität und den philosophischen Nutzen seiner Dichtung.74 Damit hat Landino Horaz auf vier verschiedene Arten als wichtigen und integren Dichter aufgebaut: Erstens stellt er ihn in den Kontext der neuplatonischen Dichtungstheorie, nach der er göttlich inspiriert ist und quasi gottgleich handelt. Zweitens wird er neben Vergil und Dante in einen dreiteiligen Kanon gestellt, und zwar aufgrund der rhetorischen Qualität seiner Schriften. Drittens haben die einzelnen Gattungen seines Œuvres, aber auch das Gesamtwerk große sprachliche und moralische Qualitäten, die vom Tadel des Bösen bis zum Empfehlen des Guten reichen. Viertens sei seine Person weitestgehend platonisch und integer gewesen. Dass er dabei viele dunklere Aspekte der Horazrezeption ausblendet, mag zum einen an der Darstellungsart der Vorreden liegen, in der ein effektives Horaz-„Marketing“ betrieben wird, und zum anderen bereits in der Tradition begründet sein, in der schon andere mittelalterliche Kommentatoren des Horaz sich nur die für sie passenden Aspekte seiner Dichtung als darstellungswürdig herausgesucht haben. Dies traf insbesondere zu, wenn es um den moralischen Gehalt seiner hexametrischen Dichtung ging.75

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. a1 r. Dieser Abschnitt befindet sich in der Vita des Horaz. Eine umfassende Betrachtung des horazischen Epikureismus in dessen Vita findet sich im Abschnitt 5.2.1.2. Hor. Epist. 1,1,13–15. Hor. Epist. 2,2,43–45. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. a1 r. Helmut Krasser, „Büßer, Spötter oder Künstler“, 1996, 312. Maria-Barbara Quint, Untersuchungen zur mittelalterlichen Horaz-Rezeption, 1988, 18 zeigt dies am Beispiel des Accessus de arte poetica aus dem zwölften Jahrhundert.

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Autorisierung des Horaz und des Kommentators in den Paratexten

3.3.2 Die Darstellung des Horaz als Nicht-Autorität Landino unternimmt also in den Paratexten seiner Horazausgabe größte Anstrengungen, um die Autorität des Horaz so gut wie möglich zu erhalten. Drei kleine Kritikpunkte ergeben sich jedoch in seiner Darstellung, erstens die Jugendsünde des Epikureismus bei Horaz und zweitens sein nicht immer von libido freies Leben, das ihm einige attestierten. Drittens wird sein Jähzorn thematisiert. Jedoch relativiert Landino diese Kritikpunkte: Der Epikureismus wird, wie später noch dargelegt wird, als Jugendsünde verharmlost, der Vorwurf der libido wird von anderen Aussagen über seinen Charakter relativiert (ceteris vero moribus integerrimum).76 Selbst der Jähzorn wird als nur kurz andauernd beschrieben (erat ad iracundia facilis, sed minime in ea perdurans).77 Landino erwähnt Schwachpunkte in der sonst makellosen Darstellung des Horaz, verharmlost sie im gleichen Atemzug jedoch wieder, sodass die an Horaz herangetragenen Vorwürfe im Vorhinein durch die Paratexte entkräftet werden. Die Erwähnung der Kritikpunkte fungiert dabei für den Biographen als „glaubwürdigkeitssteigernd“.78

3.3.3 Landinos Selbstdarstellung Neben der Stilisierung des Horaz begegnen wir in denselben Paratexten einer generösen Selbst-Autorisierung und -stilisierung des Kommentators Landino, der von dieser Darstellung des Horaz profitiert und sich auf ihr aufbauend inszeniert. Das ist ganz im Sinne von Rainer Stillers,79 der sich mit ebenjenem Phänomen der Gegenseitigkeit zwischen Autorität des Kommentators und kommentierten Autors auseinandersetzt und sie als „doppelgesichtige Funktion des humanistischen Kommentars“80 bezeichnet: „In der Interpretation verweist der humanistische Exeget zunächst einmal auf den antiken Autor; er will ihn durch Explikation des versteckten Wissens verstehbar machen. Aber auch umgekehrt verweist der interpretierte Autor auf den Kommentator, macht der Kommentar das Denken des Exegeten explizit. Anders gesagt: Kommentator und kommentierter Autor dienen sich gegenseitig.“81 Bereits an der Oberfläche der Paratexte wird ersichtlich, dass großes Prestige mit dem Erstellen eines Kommentars verbunden ist, das in den vom Autor selbst oder von verbundenen Humanisten verfassten Texten versinnbildlicht ist und den Kommentar als

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. a1 r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. a1 r. Dieser Punkt kommt, wie fast alle Fakten der Vita, aus horazischen Selbstaussagen. Der schnell abkühlende Jähzorn wird bei Horaz in Epist. 1,20,25 beschrieben: irasci celerem, tamen ut placabilis essem. Florian Neumann, „Die Neukonstruktion auktorialer Autorität“, 2003, 163, FN 19. Auch August Buck, „Einführung", 1975, 10. Rainer Stillers, Humanistische Deutung, 1988, 52. Rainer Stillers, Humanistische Deutung, 1988, 52.

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phänotypisches Produkt zu einem Symbol für humanistische Selbstetablierung macht.82 Darüber hinaus sind die praefationes neben der Stilisierung des Horaz und der Wendung an die Widmungsempfänger der wichtigste und prominenteste Ort für den Kommentator, sich selbst zu präsentieren, quasi seine persona als Kommentator zu etablieren und sich gegenüber dem Widmungsempfänger und allen anderen Lesern zu positionieren. Jeder Kommentator nimmt dabei eine sehr individuelle Rolle ein, die sich nicht darin erschöpft, der Erklärer des Horaz zu sein. Konrad Krautter stellt für Filippo Beroaldos Selbstinszenierung eine Art „priesterliches Amt“ fest, das er für sich im Vorwort zu seinem Properzkommentar fordere.83 Landinos Selbstinszenierung funktioniert in den Paratexten des Horazkommentars im Besonderen über zwei Stränge: erstens über seine Tätigkeit als hart arbeitender und gewissenhafter Philologe84 und Lehrer des Guidobaldo und zweitens über seine Bewandertheit in philosophischen, meist neuplatonischen Diskursen. 3.3.3.1 Landino als Philologe An vielen Stellen innerhalb der Paratexte spricht Landino über seine philologische Tätigkeit: Er bezeichnet sich als hart arbeitenden Gelehrten, wenn er auf seine Nachtarbeiten beim Erstellen des Kommentares hinweist (lucubrationes nostras)85 oder wenn er von seiner Fleißarbeit (industria) oder seinem Aufwand (labor) spricht.86 Mit seinem 82

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Ein Beispiel für diese Tendenz der kommentatorischen Selbstdarstellung im Mittelalter bildet der Kommentator Tzetzes, untersucht von Felix Budelmann, „Classical Commentary in Byzantium“, 2002, 141–169. Konrad Krautter, Philologische Methode und humanistische Existenz. Filippo Beroaldo und sein Kommentar zum Goldenen Esel des Apuleius, München 1971, 34–35. Julia Gaisser, Catullus and his Renaissance Readers, 1993, 118–119 untersucht für die vom florentinischen Neuplatonismus inspirierte Kommentierungssicht Valerianos in Bezug auf Catull eine Verbindung des Kommentators mit dem kommentierten Autor. Ficino stellt unter Bezug auf Platons Ion den Interpreten von Dichtung an das andere Ende der Inspirationskette, die von Gott/Jupiter, über Apoll, den inspirierten Dichter und schließlich dessen Erklärer reicht. Gaisser zitiert Ficinos Kommentar zum platonischen Ion, De divino furore 2,1283: Gradus autem quibus furor ille descendit, hi sunt. Iupiter rapit Apollinem. Apollo illuminat Musas. Musae suscitant et exagitant lenes et insuperabiles vatum animas. Vates inspirati interpretes suos inspirant. Interpretes auditores movent. Die Definition der Bezeichnung „Philologe“ ist von Klara Vanek übernommen, die feststellt, dass diese Bezeichnung zwar anachronistisch, aber dennoch nützlich sei: Klara Vanek, Ars corrigendi in der frühen Neuzeit. Studien zur Geschichte der Textkritik, Berlin 2007, 5: „Mit ‚Philologie‘ ist die Beschäftigung des frühneuzeitlichen Gelehrten mit antiken Texten gemeint und seine gelehrten Praktiken wie Sprachgeschichte, Grammatik oder Lexikographie einschließlich Interpretation, Literatur- und Textkritik. Ausdrücklich geht es mit der Verwendung des Begriffs nicht darum, irgendeine Art von disziplinärer Verfasstheit dieser Betätigung zu suggerieren.“ Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. s. n. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. yii r. Landino tut Letzteres im Epistel-Vorwort, wenn er vom Nutzen seines Kommentars spricht: Ut quicumque legerint et industriam nostram non penitus contemnant et laborem non frustra omnino a me sumptum esse intelligant et iocunditatis simul et utilitatis inde se aliquid consecutos gaudeant.

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Autorisierung des Horaz und des Kommentators in den Paratexten

Vorhaben, Horaz zu kommentieren, stellt er sich in die Nachfolge der antiken Grammatiker und will deren Arbeit noch ergänzen und übertreffen:87 Nuper autem cum Q. Horatii Flacci volumina in manibus essent ac propterea diligentius singula intuerer et simul, quae in illum ab Acrone Porphyrioneque doctissimis illis quidem viris et grammaticis non contemnendis scripta essent, saepius repeterem, nostrae operae haud 88 mediocre pretium futurum duxi […].

Er habe die Schriften des Horaz und die dazugehörigen Kommentare bearbeitet, diese seien von hoch gebildeten Männern verfasst worden und beachtenswert, jedoch auch seine Arbeit werde einen großen Nutzen haben. Auch hier sind die Untersuchungen von Rainer Stillers zum Selbstverständnis des rinascimentalen Kommentators sehr hilfreich. Indem Landino Horaz als Autorität etabliert hatte, die er nun mit nicht unbeträchtlichem Aufwand hervortreten lässt, geschieht dies gleichzeitig mit dem Kommentator selbst. „Der lehrhafte Anspruch, der der Dichtung unterstellt wird (der ‚poeta doctus‘ ist immer ein ‚poeta docens‘), überträgt sich auf die sie entfaltende Deutung, man könnte analog vom ‚commentator docens‘ sprechen.“89 Dies ist für den Fall Horaz höchst relevant, der in seiner Dichtung „eine einzigartige Stellung des Poetischen“90 vertrete und „in seiner doppelten Eigenschaft als Dichter und Theoretiker in einer geradezu vorbildhaften Position gegenüber dem humanistischen Literaten und Kommentator Landino“91 steht. Die Selbststilisierung als Philologe ist also äußerst mächtig. 3.3.3.2 Landino als Prinzenerzieher Mit dieser Selbstinszenierung als Philologe in der Tradition der spätantiken Grammatiker geht bei Landino einher, sich selbst als Lehrer und insbesondere als Lehrer des Guidobaldo zu beschreiben, dem er Hinweise für dessen Leben gibt, wie etwa folgenden: Quapropter perge obsecro, qua coepisti, via et his iactis vitae tuae fundamentis ad summum 92 omnium virtutum culmen te erige.

87 88 89 90 91

92

Pieper beleuchtet Landinos Auseinandersetzung mit Porphyrio und Ps.-Acro anhand einiger Textpassagen näher: Christoph Pieper, „Horatius praeceptor eloquentiae“, 2013, 230. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. s. n. Rainer Stillers, Humanistische Deutung, 1988, 53–54. Rainer Stillers, Humanistische Deutung, 1988, 100 beweist dies hier sogar anhand von Landinos Horazkommentar. Rainer Stillers, Humanistische Deutung, 1988, 100. Dies ist eine Reminiszenz daran, dass sich die Interpreten in der Zeit Landinos als nahezu gleichwertig und mit göttlichem furor erfüllt verstehen wie die Verfasser der inspirierten Texte. Lo Monaco zeigt dies am Beispiel von Calderinis Statiuskommentar (1475) und Beroaldos Properzkommentar. Francesco Lo Monaco, „Alcune osservazioni“, 1992, 113–114. In der Folge kommt den Kommentatoren ein wichtiger Platz in der literarischen Produktion zu. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. s. n.

Landinos Paratexte

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Guidobaldo wird dazu aufgefordert, ein tugendhaftes Leben zu führen. Außerdem wird für sein Alter besonders die Poetik als Lehrgegenstand beschrieben: Interim vero, ut ad te redeam, ego in primis tuam hanc teneram aetatem cum reliquis doctrinis tum maxime poetica disciplina instruendam informandamque censeo, praecipue autem Horatii volumina legenda iudico. Nam omnia bene vivendi praecepta, quae ex adorandis philosophiae 93 sacrariis promi solent, hinc optime percipi possunt.

Dabei spielen die Werke des Horaz eine besondere Rolle, da aus ihnen praecepta vivendi sehr gut herausgelesen werden können. Landino macht sich also durch die Etablierung des Horaz als moralischem exemplum gleichzeitig selbst zum sprachlichen und moralischen Prinzenerzieher.94 Dem dient natürlich, dass der Horaztext an sich bereits ein didaktisches Moment in sich trägt. Oft wendet sich „Horaz“, besonders in den Episteln, an einen jugendlichen Adressaten oder Leser. Er stilisiert sich mehrfach als praeceptor in verschiedenen Bereichen, was Landino als Kommentator in die Lage versetzt, den Ausgangstext zu transformieren und den Horaztext als Sprungbrett dafür zu benutzen, ihm in seinem Belehren zu folgen, ihn jedoch zudem mit eigenen Konzepten zu umgeben. Sein eigener philosophischer Hintergrund bleibt dabei nicht unerwähnt: Im Epistel-Vorwort betont er die Qualitäten dieser Schriften, die er Guidobaldo gewidmet habe, damit er die Dinge, die zum privaten und zum öffentlichen Leben gehören, studiere: Quae quidem omnia iis potissimum rationibus nomini tuo dedicavi, ut cum et quae ad priva95 tam et quae ad publicam vitam degendam pertinent in hoc volumine recognoveris.

Dies ist ein Hinweis auf Landinos eigene Schriften, in denen er sich mit den beiden Lebensformen auseinandersetzt: otium und negotium.96 An diesen und anderen Stellen, 93 94

95 96

Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. s. n. Insgesamt ist die Dichterauslegung unter stilistischen und moralischen Gesichtspunkten auch eine Konstante bei anderen antiken Dichtern, wie Julia Gaisser anhand von Catull gezeigt hat: „For the most part, however, he conceives the roles of poet and interpreter as fundamentally similar: each is to be a teacher of both moral and stylistic excellence.“ Julia Gaisser, Catullus and his Renaissance Readers, 1993, 118. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. yii r. Bruce G. McNair, „Cristoforo Landino and Coluccio Salutati on the Best Life“, in Renaissance Quarterly 47 (1994), 766. McNair fasst seine Beschäftigung mit der Thematik der vita activa und vita contemplativa bei Landino so zusammen, dass sich dieser eigentlich mit otium und negotium befasst habe. Craig Kallendorf, „The rhetorical criticism of literature“, 1983, 33–59 analysiert die Favorisierung der vita contemplativa durch Landino in seinem Vergilkommentar. Ursula Rombach, Vita activa, 1991, 4 und 54–158 untersucht die Bücher I, III und IV der Disputationes Camaldulenses im Hinblick auf diesen Aspekt. In der Widmung wird Federico da Montefeltro, der Vater des hier angesprochenen Guidobaldo, bereits als Mensch dargestellt, der beide Lebenswege verbinde (24–25). Auch Lentzen widmet der Untersuchung der Begriffe vita activa,vita contemplativa und der nobilitas eine Untersuchung: Manfred Lentzen, „Die Tugenden, ‚vita activa‘ – ‚vita contemplativa‘ und das Konzept der ‚nobilitas‘ in den Werken von Cristoforo Landino“, in Wolfenbütteler Renaissance-Mitteilungen 29 (2005), 1–12.

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an denen der Kommentator die moralische Qualität des Texts betont, zeigt sich im Horazkommentar, was von Craig Kallendorf für den Vergilkommentar Landinos festgestellt wurde: „In a sense, the moral content of the poem justifies the labors of the philologist, and the philological commentary in turn provides the foundation for the work of the philosopher-critic.“97 Diese Tendenz wird u. a. durch die vielen neuplatonischen Exkurse und Erklärungen unterstützt, die von Landino, wie oben gezeigt, in den Horazkommentar miteingebunden werden.98

3.3.4 Zusammenfassung: Die Autorisierung des Horaz und die Selbstautorisierung des Landino in den Paratexten des Horazkommentars Anhand der Äußerungen Landinos über Horaz ist zu erkennen, dass die Horazpersona durch verschiedene Strategien als Autorität etabliert wird. Gleichzeitig wird dem Erklärer dieses autorisierten Texts, Landino, damit die Grundlage geboten, sich als neuplatonischer Philosoph, Philologe und Prinzenerzieher zu gerieren. Daraus ergibt sich eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen der moralischen Reputation des Horaztexts und der Kommentatorpersona Landinos.99 Man kann daher schlussfolgern, dass es dem Kommentator im Kommentarteil seiner Edition daran gelegen sein sollte, diese Autorität von beiden Entitäten im Kommentar, Autor und Kommentator, zu erhalten, da er sonst nicht nur die Glaubwürdigkeit der Horazpersona, sondern auch seine eigene als dessen Exeget riskieren würde, was an der von Rainer Stillers herausgearbeiteten Parallelität zwischen Autor und Kommentator gezeigt wurde. Die einzige Stelle, an der Landino mehr kritische Distanz zwischen sich und die Horazpersona bringt, findet sich in der Vita des Horaz, die ein paar Makel enthält: den jugendlichen Fehltritt als Anhänger des Epikureismus und des Weiteren einen gewissen Hang zu voluptates, was jedoch von ihm sofort wieder entkräftet wird. Dennoch werden genau die Passagen, die obszön oder epikureisch sind, den Kommentator vor eine kommentatorische Herausforderung stellen. Dass Horaz als nur einer von drei Autoren, Dante, Vergil und Horaz, programmatisch auserwählt wurde, um insbesondere um Rhetorik zu vermitteln, zeigt außerdem, wie viel dem Kommentator daran gelegen sein muss, seine Programmatik nicht zu gefährden. Horaz muss von ihm eigentlich als moralische und sprachliche Autorität durch seine Texte hindurch erhalten bleiben, um den Kommentator nicht unglaubwürdig zu machen. Auch wenn in der Forschung betont wird, dass es öfter Diskrepanzen 97 98 99

Craig Kallendorf, „Cristoforo Landino‫ތ‬s Aeneid“, 1983, 526. Vgl. Christoph J. Steppich, Numine afflatur, 2002, 141–151. Vgl. Julia Gaisser, Catullus and his Renaissance Readers, 1993, 118 Untersuchungen, in denen sie ein Konzept der Übereinstimmung zwischen Autor und Kommentator für Valerianos Catullkommentierung feststellt.

Lambins Paratexte

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zwischen der Darstellung in den Paratexten und den eigentlichen Kommentaren geben soll,100 steht doch fest, dass das von Landino etablierte Bild des Horaz und von sich selbst ein Maßstab für seine Edition ist, an dem er sich selbst messen lassen muss.

3.4 Lambins Paratexte Lambins Paratexte sind im Vergleich zu Landinos wesentlich umfassender und ausdifferenzierter, weshalb in den weiteren Abschnitten besonders exemplarische Stellen für die (Selbst)-Inszenierung von Autor und Kommentator angeführt werden. Insgesamt kann festgestellt werden, dass Lambin seiner Horazrepräsentation anteilig am Gesamtvolumen der Paratexte sehr wenig Raum gibt. Der Großteil seiner Vorreden ist, bis auf die Vita, stark auf die Kommentatorpersona bezogen. Horaz selbst bekommt deutlich weniger Raum in den Schwellentexten der Ausgabe zugesprochen, sodass es nur allzu folgerichtig erscheint, wenn der Kommentator im Laufe der Ausgaben auch auf dem Titelblatt die Überhand gewinnt, was im Folgenden besprochen werden soll.

3.4.1 Das Verhältnis von Autor und Kommentator auf dem Titelblatt Dass das Verhältnis von Autor und Kommentator zumindest in der Wahrnehmung der Rezipienten des Werkes nicht notwendigerweise durch die Priorisierung des Horaztexts bestimmt ist, lässt sich hervorragend daran erkennen, dass Lambins Autorität im Verlauf der Editionsgeschichte des Horazkommentars auffällig zunimmt: Bei der Erstausgabe des Kommentars 1561 steht Horaz im Vordergrund und Lambin erscheint als sekundärer Vermittler, ersichtlich schon an der Betitelung des Werks: Q. Horatius Flaccus. Ex fide atque auctoritate decem librorum manuscriptorum, opera Dionys. Lambini Monstrolensis emendatus ab eodemque commentariis copiosissimis illustratus, nunc 101 primum in lucem editus.

Dieses Verhältnis bleibt noch in der zweiten Fassung bestehen, ist jedoch in späteren Ausgaben zugunsten des Kommentators ein gänzlich anderes: In der Fassung von 1577 (Frankfurt)102 beginnt der Titel mit Lambin selbst und einer hinzugefügten Nennung seiner Professur:

100 101 102

Ann Moss, „Horace in the Sixteenth Century“, 1999, 67. Otfried Lieberknecht, Allegorese und Philologie, 1995, 31. Julia Gaisser, Catullus and his Renaissance Readers, 1993,172. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. A1 r. Zur Geschichte der verschiedenen Ausgaben und Auflagen vgl. Theodor Schmid, „Rezension“, 1830, 297–300.

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Autorisierung des Horaz und des Kommentators in den Paratexten Dionysii Lambini Monstroliensis Regii Professoris, in Q. Horatium Flaccum ex fide atque auc103 toritate complurium librorum manuscriptorum a se emendatum […].

Die Gewichtung von Kommentator und Autor hat sich verkehrt. Man könnte einwenden, dass es sich dabei um Entscheidungen handelt, die in erster Linie vom Drucker getroffen werden, besonders da Lambin bereits im Jahre 1572 verstirbt und daher keinen Einfluss mehr auf die Darstellung seines Werkes nehmen konnte. Doch ist genau diese Art der Entscheidung wichtig als Indikator dafür, wie seine Leser damit umgingen. Das Titelblatt spielt in diesen Zusammenhängen eine wichtige Rolle, wie von Erich Kleinschmidt untersucht wurde, der feststellt, dass gerade das Titelblatt „zentrale[r] Paratext“ sei und „eine anspruchsvolle Autorschaft entdeckt und inszeniert“.104 In gewisser Hinsicht zeichnet sich dies schon in der Gestaltung der Paratexte durch Lambin selbst ab, der sie als Sprungbrett für seine Selbstdarstellung benutzt und seiner Horazrepräsentation, wie bereits angedeutet, viel weniger Raum gibt.

3.4.2 Die Darstellung des Horaz als Autorität Wie bei Landino gibt es bei Lambin eher abstrakte, allgemeine Aussagen über Dichter und Dichtung, mit denen, im Kontext des Horazkommentars, Horaz in Verbindung gebracht wird. Lambin preist die moralische Komponente der Dichtung in der Widmung an König Charles IX. in einer stilisierten laudatio: At ex poetis (eos, excipio, qui nihil praeter voluptatem lectoris quaerunt) vix ullum reperias, qui non aut a vitio quidem turpitudineque animos avocet, ad virtutem autem et honestatem excitet atque acuat aut mores corruptos emendet et corrigat aut res vel temperanter moderateque factas vel magnifice fortiterque gestas immortalibus laudibus efferat atque ad sempiternam memoriam consecret aut illustria virtutum exempla ex omni antiquitate repetita huius aetatis hominibus suppeditet aut homines calamitosos et gravibus fortunae casibus afflictos soletur 105 atque extollat.

Er erklärt, dass mit Ausnahme derjenigen Dichter, die nur die Unterhaltung des Lesers anstrebten, fast alle anderen von Untugend abrieten, zu virtus und Ehrlichkeit aufforderten und verdorbene Moral wiederherstellten.106 Die antiken Beispiele der Tugenden

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105 106

Denis Lambin, Horatius, 1577, fol. s. n. Erich Kleinschmidt, „Gradation der Autorschaft“, 2008, 5. Er führt weiterhin aus, dass dies ein Spiel zwischen „Selbstdarstellung und Selbstmaskierung“ sei. Das trifft jedoch auf Lambin nicht selbst zu, da er, wie bereits erwähnt, von einer Bestimmung in diesem Zusammenhang aufgrund seines Ablebens ausgeschlossen war. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B1 r. An späterer Stelle erfolgt bei Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B1 r überdies noch die Feststellung, dass dieselben Personen oft Dichter und Philosophen zugleich waren: Iam vero in iis, qui sapientiae doctrinaeque laudibus clarent, non postremum locum poetae videntur obtinere. Quin si verum quaerimus, vel iidem fuerunt olim poëtae et philosophi, quem in numerum referre licet

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seien für die Gegenwart nützlich. Die Dichter seien zudem Tröster in schwierigen Umständen. Nach dieser allgemeinen Programmatik geht es spezieller um Horaz. Lambin preist ihn vor Charles IX. in Bezug auf Sprache und Moral, wie das bereits bei Landino geschehen war. Obwohl Lambin dem König eigentlich nur das Oden-Buch widmet, beschäftigt er sich jedoch nicht nur mit dem Horatius lyricus, sondern auch mit Horaz dem Satiren-Dichter, wobei der erste Schwerpunkt auf der sprachlichen Kunstfertigkeit des Dichters liegt: Enimvero, Carole, non ego ad te poetam aliquem unum de multis affero, sed poetam omnibus suis numeris perfectum atque absolutum, summum atque adeo solum in tota lingua Latina Lyricum, Satirarum scriptorem praestantissimum atque excellentissimum, multiplici et varia rerum copia refertum, illustri verborum splendore illuminatum, sententiarum pondere gravissimum, scribendi elegantia politissimum ac purissimum, orationis figuris ornatissimum, in cudendis novis vocabulis sine invidia felicissimum in Graecorum loquendi generibus imitandis et cum prudentia iudicioque liberrimum ac solutissimum et cum libertate licentiaque cautissi107 mum ac prudentissimum.

Horaz sei ein metrischer Virtuose, der einzige lateinische Lyriker, der beste Satirendichter, sehr gegenstandsreich und sprachlich hervorragend. Er wird vom Kommentator – ebenso reich an copia, wie er es für den Dichter feststellt – in bedeutungsschweren Superlativen beschrieben: illuminatus, gravissimus, politissimus, purissimus, ornatissimus, felicissimus, audacissimus, liberrimus, solutissimus, cautissimus, prudentissimus. Seine sprachlichen, formalen Fähigkeiten werden in allen Facetten gelobt, sei es die Prägung von Neologismen oder die Imitation der griechischen Sprechweise, um nur einige zu nennen.108 Nach der rhetorisch hoch stilisierten Ausführung der sprachlichen Vorzüge beschreibt der Kommentator die moralischen Qualitäten der horazischen Dichtung. Auch hier bedient er sich einer ausgefeilten Rhetorik: Nemo umquam Latinorum iustitiam, fidem, continentiam, parsimoniam, religionem, patientiam paupertatis laudavit ornatius, nemo iniustitiam, perfidiam, libidinem, avaritiam, luxuriam vituperavit acerbius, nemo ad subeunda pro patria pericula atque ad mortem pro libertate oppetendam inflammavit ardentius. Nemo neque ad virtutem acrius excitavit neque a vitio gra109 vius revocavit, nemo bellorum civilium calamitatem miserabilius deploravit […].

Horaz habe die wichtigen Tugenden sprachlich schön gelobt und die Untugenden scharf getadelt, er habe zum Einsatz fürs Vaterland aufgerufen, was, nebenbei bemerkt, natürlich gerade in der Widmung an den König eine besonders erwähnenswerte Qualität ist. Er wiederholt ebendiese Elemente wie zur Bekräftigung noch einmal und erwähnt sogar die Bürgerkriege, die Horaz so traurig beklagt habe. Damit ist Lambin in seiner so

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Orpheum, Amphionem, Musaeum, Homerum, Hesiodum, Solonem, Phocylidem, Xenophanem, Parmenidem, Epimenidem, Empedoclem, Platonem […]. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B2 r. Inwieweit diese Darstellungsweise auf Lambin zurückwirkt, wird noch zu sehen sein. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B2 r–B2 v.

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förmlich wirkenden Widmungsvorrede in einem fast zeitgenössischen Diskurs angekommen, denn zur Zeit der Widmung 1561 stehen die französischen Religionskriege unmittelbar bevor. Das Land ist bereits von Bürgerkriegen der Vergangenheit gebeutelt, wie Lambin außerdem in der noch sehr viel zeitbezogeneren Widmungsepistel an den Kardinal hervorhebt.110 Der Kommentator versucht also, den Horaztext für seine eigene Zeit relevant zu machen.111 Er hatte dies ja schon über die Nennung der Tugenden getan, die ebenso seinen Zeitgenossen als Beispiele gereichen sollten. Er tut dies des Weiteren indirekt über die Parallelisierung der Inhalte des Horaz mit dem Geschehen um ihn herum. Nach diesem etwas schwereren Diskurs wendet sich Lambin den leichten Seiten der horazischen Dichtung zu, die er, ganz gewissenhaft, nicht verschweigt: Nemo […] neque amores cantavit mollius ac tenerius neque tempestivorum conviviorum hila112 ritatem descripsit floridius, nemo hominum suae aetatis mores carpsit urbanius.

Er nennt die amourösen und sympotischen Komponenten der horazischen Dichtung und stilisiert Horaz zum gewandten Beobachter seiner Zeit. Jedoch sind diese Elemente nicht scharf oder problematisierend formuliert, sondern ihr Problempotential ist annähernd nivelliert. Horaz wird eher als Dichter denn als Person gefasst. Die Aussagen Lambins gehen weniger auf seine persönliche Beschaffenheit als seine dichterischen Aussagen hin. Ein weiterer längerer Bestandteil der Widmung ist die Charakterisierung der Dichtung des Horaz entlang der Paradigmen prodesse et delectare, die von Horaz selbst stammen:113 Quodsi poeta omni laude cumulatus omnibusque suis partibus absolutus et perfectus ille est, qui voluptatem et delectationem lectoris cum utilitate fructuque coniunxit, sine controversia ceteris omnibus poetis Graecis ac Latinis (Homero excepto) Q. Horatius Flaccus merito est 114 anteponendus […].

Horaz verbinde für den Leser Süße und Nützlichkeit, so Lambin, und sei daher von allen anderen Dichtern der beste. Nur Homer sei ihm vorzuziehen, der in der Wid110

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Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. *1 v. Lambin tut dies besonders im Zusammenhang mit dem Lob des Kardinals de Tournon, der wesentlich dafür verantwortlich sei, dass die Bürgerkriege der Vergangenheit beigelegt wurden: Laetebantur omnes scilicet eum difficilibus et turbulentis Reipublicae temporibus salvum et incolumem longo intervallo patriae esse redditum, qui non vinculis, non terrore, non poena, non cruciatu, sed ratione, consilio, prudentia, sapientia civiles discordias sedare, belli intestini incendium restinguere, dissentionibus de religione modum finemque constituere posset. Jedoch wird an Stellen wie diesen klar, dass sich Lambin bewusst ist, in bewegten, von religiösen Konflikten geprägten Zeiten zu leben. Dies geschieht in dichterischer Form so auch in den Gedichten des Fabricius wie von Schäfer für das protestantische Deutschland in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts gezeigt: Eckart Schäfer, Deutscher Horaz, 1976, 59. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B2 v. Hor. Ars 333. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B2 v.

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mungsvorrede an Charles IX. noch an anderen Orten ausführlich besprochen wird und der für Lambin den höchsten Rang unter allen Dichtern einnimmt. Von dieser Stilisierung als bestem Dichter profitiert natürlich ebenfalls der Kommentator.115 Lambin geht hier also anders vor als Landino, der Horaz als einen guten Dichter unter vielen eingeschätzt hatte. Lambin hingegen setzt ihn fast an die oberste Stelle, gleich unterhalb von Homer. Dafür argumentiert er mit einer detaillierten und rhetorisierten Horazlobrede, die sich sowohl auf seine sprachlichen als auch auf seine moralischen Qualitäten bezieht. Horaz wird in den höchsten Tönen gelobt und als Vorbild stilisiert. Dabei ist die Art und Weise, wie über Horaz gesprochen wird, in gewisser Hinsicht schon durch die formalisierten Anforderungen an eine Widmungsepistel an den König vorbestimmt. Das Horazbild wird hier stark vom Kommentator und dem Textgenre determiniert. Lambin nennt verschiedene Vorteile der Horazlektüre in seinen Widmungsbriefen an verschiedene Gönner, in denen er ihnen verschiedene Werke widmet. Es ist auffällig, dass die Widmung an den Kardinal im Gegensatz zu Landinos Widmung an Guidobaldo nicht die purgierende, moralisch-verwertbare Dimension der Horazlektüre betont. Das könnte damit zusammenhängen, dass dieses Vorbild für Kardinal de Tournon nicht mehr nötig ist. Er wird ohnehin schon als Paradigma der Tugend präsentiert. Die Episteln und Satiren zu lesen werden für ihn in seiner Freizeit eine Erholung des Geistes bieten. Es geht nicht um den docere-Aspekt der Dichtung, wie er sehr stark in der Widmung an den König hervorgehoben wird, sondern um reines delectare: Satirarum libri duos totidemque epistolarum ad te defero, ut, quo scriptore plurimum semper in otio tuo (si quando umquam otiosus fuisti) delectatus es, eius lectione maiorum rerum cura defessus aliquantum acquiescas atque ita hac honestissima animi remissione recentior quo116 dammodo factus ad munus tuum administrandum revertare.

Für den König entwirft er ein anderes Horazbild: Horaz zu studieren soll vor allem nützen (prodesse): Er nennt die sprachliche und generische Vorbildfunktion des Horaz als Horatius poeta in der lateinischen Literatur und wieder die moralische Unterweisung, die aus seinen Werken fließt, als Gründe, Horaz zu lesen.117 Hier finden sich also die Facetten des Horatius magister poeticae und philosophiae, wie sie schon bei Landino vorhanden sind. Dass die intentio des Horaztexts selbst prodesse et delectare sei, steht schon in der mittelalterlichen Tradition ganz klar im Vordergrund der Horazlektüre.118 Lambin beschreibt außerdem die Qualität des horazischen Werkes als Mischung 115

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Auch Valeriano hatte in seiner Catullerklärung die Ziele des Dichters und seines Interpreten parallel aus prodesse und delectare gesetzt, vgl. Julia Gaisser, Catullus and his Renaissance Readers, 1993, 130. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. *3 v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B2 r–B2 v. Lowell Edmunds, „The Reception of Horace’s Odes“, 2010, 345 und Karsten Friis-Jensen, „The medieval Horace and his lyrics“, 1993, 261–264 und 278–285 verweisen zu den typischen mittelalterlichen accessus zu Horaz, in denen die intentio des Autors mit prodesse und delectare beschrieben werde.

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zwischen prodesse und delectare. Horaz’ Anspruch an gute Dichtung lasse sich am allerbesten an dessen eigener Dichtung nachvollziehen. Als Resultat stellt er ihn an die Spitze aller Dichter, mit Ausnahme Homers.119 Damit entspricht er seiner eigenen Position als Lehrer und Professor am Collège Royal. Er ist derjenige, der diesen Schatz an Wissen zugänglich macht und vermittelt.

3.4.3 Die Darstellung des Horaz als Nicht-Autorität Interessanterweise ist die Darstellung des Horaz in den Paratexten Lambins sehr viel glatter als bei Landino. Das ist vor allem deshalb brisant, weil die Ausgaben, die nur wenig später in den Jesuitenschulen entstanden, die Anstößigkeiten des Horaztexts sehr wohl thematisierten. Die in vielen Schuleditionen enthaltene Vita des Crinitus120 sprach die Probleme explizit an: Athenas se contulit, ut philosophorum praeceptis liberius incumberet maximeque Epicureorum placita videtur probasse, ut illud urbane dictum testatur: „Me pinguem et nitidum bene curata vises Cum ridere voles Epicuri de grege porcum.“ 121 Moribus dicitur fuisse subobscenis et ad bilem interdum paulo excitatior […].

Ebenjene Moralverstöße wurden dann von den purgierten Ausgaben aus dem Gesamtwerk des Horaz entfernt, wie Eckart Schäfer es beispielweise für die Ausgabe von 1585 feststellt.122 Lambin zieht es vor, in den Paratexten der ersten Ausgabe nicht darauf einzugehen. In späteren Ausgaben erfährt diese bedeckte Vorgehensweise eine scharfe Wendung. Lambin, ganz der klassische Philologe, stellt den Horazausgaben nun die Horazvita des Sueton voran. Diese ist in ihrer detaillierten Darstellung von problematischen Eigenschaften des Horaz nicht gerade glättend. Der Höhepunkt ihrer Direktheit ist wohl mit der Beschreibung des verspiegelten Schlafzimmers des Horaz erreicht: 119

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Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B2 v: Dies me deficiat, si huius poetae virtutes poeticas non modo persequi et commemorare scribendo aut distinguere partiendo, sed etiam recordari cogitando aut notare coner observando. Quodsi poeta omni laude cumulatus omnibusque suis partibus absolutus et perfectus ille est, qui voluptatem et delectationem lectoris cum utilitate fructuque coniunxit: sine controversia ceteris omnis poetis Graecis ac Latinis (Homero excepto) Q. Horatius Flaccus merito est anteponendus. Erstveröffentlichung Florenz 1505, vgl. Anna Mastrogianni, Die Poemata des Petrus Crinitus und ihre Horazimitation, Münster 2000, 4. Zitiert bei Glarean: Quintus Horatius Flaccus, Heinrich Glarean, Q. Horatii Flacci Poemata Omnia, eiusdemq[ue] Annotationibus illustrata: quibus et permulta autoris loca hactenus deprauata et comentariorum infiniti errores, uel iniuria temporis, uel librariorum indiligentia, aut sciolorum impostura admissi, aut etiam comentatorum oscitantia no[n] animaduersi, exacto restituuntur iudicio. Adiecta sunt praeterea ubiq[ue] argumenta et Carminum rationes. Ad haec, alia nonnulla ipsi autori no parum lucis adferentia, Friburgi Brisgoiae Faber 1536,fol. 4 v–5 r. Eckart Schäfer, Deutscher Horaz, 1976, 111.

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Ad res venerias intemperantior traditur. Nam, speculato cubiculo, scorta dicitur habuisse dis123 posita, ut quocumque respexisset, ibi ei imago coitus referretur.

Völlig schonungslos wird also das moralische Ansehen der Horazpersona der Kritik ausgesetzt, was scharf mit dem Loblied auf Horaz’ Dichtung in den vorhergehenden Texten kontrastiert. Lambin lässt hier den Bruch bestehen – eine Taktik, die später noch genauer betrachtet wird.

3.4.4 Lambins Selbstdarstellung Im Folgenden wird herausgearbeitet, wie Lambin sich selbst innerhalb der Paratexte der Ausgabe darstellt. Dabei werden vor allem sehr seriöse Facetten sichtbar gemacht, aber auch eher privat wirkende Einblicke gegeben. Eine selbstbezogene Aussage über sein persönliches Verhältnis zu Horaz findet sich bereits am Anfang der Epistola ad lectorem, in der Lambin beschreibt, dass er Horaz als junger Mann besonders geschätzt habe und diese Vorliebe bis heute anhielte: Ego hunc poetam partim mea sponte, partim doctorum virorum iudicium secutus, adolescens 124 imprimis amavi semperque libentissime legi […].

Neben dieser Äußerung stilisiert sich Lambin vor allem seinen Widmungsempfängern und seinem Lesepublikum gegenüber als Prinzenerzieher, als Philologe (mit einem Schwerpunkt auf der Textkritik) und als enger Vertrauter des Kardinals und damit einer wichtigen Person des öffentlichen Lebens. 3.4.4.1 Lambin als Prinzenerzieher Wie bereits an der Gestaltung der Widmungsepistel gezeigt wurde, stellt sich der Kommentator als rhetorisch hochversierter Gelehrter dar. Sein Ausdruck strotzt von rhetorischen Figuren, ganz dem rhetorischen Genre der Widmungsepistel angemessen. Sein Horazlob ist dabei gleichzeitig in umfassender Weise eine Selbstinszenierung, die auch auf andere Richtungen abzielt, z. B. geriert sich Lambin in dieser Epistel als Prinzenerzieher und stellt sich in die Tradition von Erasmus und Budé.125 Dies erinnert an Landino. Er verfolgt dabei ein ehrgeiziges Programm: Er fordert den König zur Förde-

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Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. † vi r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B3 r. Siehe zur erasmischen Auseinandersetzung mit humanistischer Prinzenerziehung besonders den Aufsatz von David Rundle, „Erasmus, panegyric, and the art of teaching princes“ in Yun Lee Too (Hrsg.), Pedagogy and power. Rhetorics of classical learning, Cambridge 1998, 148–169. Michael Heath, „The Education of a Christian Prince: Erasmus, Budé, Rabelais – and Ogier le Danois“, in Philip Ford, Gillian Jondorf (Hrsg.), Humanism and letters in the age of François Ier, Cambridge 1996, 41–54.

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Autorisierung des Horaz und des Kommentators in den Paratexten

rung der Wissenschaften auf, die von dessen Vorfahren so umfassend in Frankreich installiert worden waren: Sed ut ex his eas, quae ad iuris aequabilis descriptionem, quae ad iustitiam, quae ad religiones ac cerimonias pertinent, praetermittam, vellem mihi tanta suppeteret orationis facultas, ut singularem Francisci, avi tui (cuius nomen vigebit memoria hominum sempiterna), in viros erudi126 tos benevolentiam ac liberalitatem meritis laudibus effere possem.

François I., der Großvater des Königs, wird für seine Freigebigkeit gegenüber den Gelehrten gelobt. Besonders das von ihm gegründete Collège Royal wird hervorgehoben:127 Exortus est Franciscus ille, avus tuus, humanarum litterarum omniumque ingenuarum artium ac disciplinarum verissimo cognomento parens appellatus, qui rus merum, qui foedam barbariem, qui grave virus, qui crassas tenebras e scholis ex urbibus e tota Gallia suo splendore depelleret, fugaret, dissiparet, sermonis Hebraici, Graeci, Latini, omnium artium honestarum et Reipublicae utilium studia in hominibus ingenio praestantibus commoveret atque excitaret. Id autem hac ratione assecutus est: Lutetiae duodecim doctores […] proposito atque attributo eis honestissimo auctoramento instituit, quorum alii mathematicas artes, alii Hebraicas litteras, alii Graecas, alii Latinas, alii philosophiam ex ipsis fontibus haustam, alii medicinam publice 128 docerent.

Lambin beschreibt detailliert die Entstehung der Institution, in die er wenig später selbst aufgenommen werden wird. Er fordert Charles IX. nachdrücklich auf, den Spuren seiner Vorfahren im Fördern der Künste zu folgen:129 Hunc igitur ingeniorum cultum, hanc humanitatem, hanc optimarum artium celebritatem, quam ab avo et patre tuo consecuti sumus, tuae personae decorum est, Carole, tuis maioribus dig130 num, ei spei, quam de te habemus, consentaneum, te studiose tueri diligenterque conservare.

Der Kommentator geht in seinem pädagogischen Duktus sogar so weit, den König dazu aufzufordern, sich nicht nur auf Kriegsruhm, sondern auch auf Ruhmerwerb durch Selbstausbildung in den schönen und politischen Künsten zu konzentrieren: Non enim credibile est, te ita dicturum, satis esse, si artis militaris et bellicae gloriam tibi ab 131 illis relictam retineas, de urbanis et civilibus artibus non esse tibi magnopere laborandum.

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Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. A2 v. Die Gründung des Collège Royal erfolgte 1530. André Tuilier, „Introduction“, 2006, 7–52 gibt einen umfassenden Überblick über die Vorgeschichte der Entstehung. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. A3 r. John Lewis, Adrien Turnèbe, 1998, 45–46 und 58–59. Lewis stellt dar, dass die lecteurs royaux häufig von akutem Geldmangel betroffen waren, weil ihre Gehälter nicht pünktlich ausgezahlt wurden. Möglicherweise ist in der Aufforderung Lambins ein Element enthalten, das den König dazu auffordert, diese Missstände zu beseitigen. Besonders die Jahre 1559 bis 1561, zur Zeit der Druckfassung des Horazkommentars, sollen laut Lewis (61) höchst problematisch für die Professoren gewesen sein. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. A3 v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. A3 v.

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Eine Selbst-Autorisierung des Lambin als Prinzenerzieher findet über verschiedene Strategien statt, zum einen über die Einbeziehung Homers in den Diskurs und zum anderen über die Selbstinszenierung als Nachfolger von wichtigen historischen Prinzenerziehern. Die denkwürdige Stilisierung des Homer132 als Vorbild in allen Belangen des Lebens in der Widmung an den König kann, den Untersuchungen Marc Bizers folgend, als pädagogisch-politische Aussage des Lambin gelesen werden. In der Horazvorrede wirkt sie etwas sonderbar, da sie Horaz in gewisser Weise auf den zweiten Rang verweist: Quis philosophus umquam vel distinctius, quid sit virtus, quid vitium, quid turpe, quid honestum, disputavit vel planius honesti pulchritudinem, inhonesti deformitatem, sapientiae vim et utilitatem, insipientiae imbecillitatem atque incommoda disputando demonstravit, quam Homerus divinis suis carminibus ante legentium oculos constituit? Quis hominum mores et motus, quis animantium naturas, quis sola terrarum, quis aestus et fluctus marinos, quis ventorum flatus, quis navigandi pericula tempestatesque adversas, quis temporum varietates, quis proeliorum imaginem, quis urbium oppugnationes, quis acies instructas, quis imperatorias virtutes, quis rationem moderandorum animorum, quis formam bene moratarum civitatum, quis denique omnium rerum, quae hac universitate continentur, varietatem illustrius umquam 133 Homero depinxit?

Marc Bizer zeigt in seinen Untersuchungen, dass die Erwähnung und Stilisierung des Homer hier beinahe eine Chiffre in der Selbstinszenierung des Lehrers wurde: From Budé to Begat, and Begat to Beaune, Homer continued to be invaluable in authorizing sovereignty itself: from being used by humanists to counsel their king, to admonishing him, and then on to stirring crowds, Homeric authority accompanied writers as they transitioned 134 from being the king’s counselors to being actors in a political arena.

Genau der gleiche Vorgang geschieht in Lambins königlicher Widmungsepistel und erklärt damit die auf den ersten Blick etwas merkwürdig erscheinende „Marketing“Strategie des Lambin, Homer zu preisen, wenn es doch um Horaz geht. Homer ist eine Autorisierungspersönlichkeit, die dem Horazkommentator und dem Horazkommentar noch größere Autorität verleiht, gerade weil Horaz nach Homer der Nächste ist. Die zweite Strategie Lambins ist es, sich mit seinen durch Panegyrik versüßten Bitten an den König auf antiken Vorbildern abzubilden, die er als Vergleichsbeispiele anführt: Der hochgebildete Kommentator zählt eine lange Reihe von antiken Vorbildern dafür auf, wie sich Könige von Gelehrten beraten und erziehen ließen: Quam rationem secuti prisci illi heroes in disciplinam hominum eruditorum longoque usu peritorum filios suos studiose tradebant et Reges ipsi doctos viros et sapientes in comitatum amicitiamque suam cupidissime recipere solebant. Sic fortissimum illum Graecorum Achillem, Pelei Thessalorum Regis filium, a Chirone Centauro puerum eruditum esse litteris proditum est, […] 132

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Nähere Untersuchungen zur Relevanz von Homer in der französischen Renaissance finden sich bei Philip Ford: Philip Ford, De Troie a Itaque. Réception des epopees homériques à la Renaissance, Genève 2007 und und Philip Ford, „Homer in the French Renaissance“, 2006. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B1 r–B1 v. Marc Bizer, Homer and the Politics of Authority in Renaissance France, Oxford 2011, 154.

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Autorisierung des Horaz und des Kommentators in den Paratexten Summus ille Atheniensium concionator, Pericles […] ab Anaxagora Clazomenio fuerat institutus. Timotheum, Cononis praestantissimi imperatoris filium, Isocrates, Epaminondam Lysis Pythagoreus, Alexandrum magnum Aristoteles erudierunt. Agesilaum Xenophon, 135 Philolaum Archytas Tarentinus, Dionem Plato Atheniensis docuerunt.

Achill sei von Chiron, Perikles von Anaxagoras, Alexander der Große von Aristoteles und Dion von Plato erzogen worden. Lambin stellt sich damit in ihre Tradition. Der feierliche Charakter der Widmungsepistel unterstützt ihn dabei wirkungsvoll in seiner Selbstprofilierung als jemand, der den König darin unterstützen könne, Regierungsgeschäfte zu führen. Eines der Beispiele, das Lambin außerdem für das Verhältnis zwischen Dichtern und Königen anführt, ist besonders für die vorliegende Untersuchung interessant: C. Iulius Caesar eadem lenitate et clementia usus C. Valerio Catullo, a quo fuerat petulantissi136 mis et contumeliosissimis versibus laceratus, secum redeundi in gratiam potestatem fecit.

Lambin fordert vom König, sich auch gegen freche und schmähsüchtige Dichter milde und sanft zu zeigen, wie dies Caesar bei Catull getan habe. Die Tradition der Selbstinszenierung des Prinzenerziehers als wirkmächtiger Gestalt von nationaler Bedeutung findet sich ebenso bei Erasmus, der das Machtverhältnis sogar zugunsten des prinzlichen Ausbilders kippen lässt, wie David Rundle untersucht: „[…] to use their power properly, rulers are dependent on the teaching of the learned.“137 Neben seiner Selbstinszenierung als Lehrer des Königs klingt jedoch vor allem Lambins omnipräsenter Philologengestus durch. 3.4.4.2 Lambin als sorgfältiger Philologe Lambin wird nicht müde, in seinen Vorreden zu betonen, wie hart und sorgfältig, oft sogar penibel und perfektionistisch, er an der Horazausgabe gearbeitet habe. Dies geschieht teilweise in Opposition zur Sorbonne, wodurch er sich gleichzeitig als lecteur royal (in spe) zu erkennen gibt, da er ungefähr zur selben Zeit den Lehrstuhl für lateinische Literatur antritt.138 Er charakterisiert sich und seine Arbeit als gewissenhaft und gelehrt, wie beispielsweise folgendes Zitat aus der Widmung an Charles erkennen lässt: […] eius scripta multorum quidem saeculorum auctoritate comprobata, sed temporum litteris inimicorum culpa, valde depravata, quae nunc ad te defero quam plurimis locis non sine meo magno labore ac sudore propemodum suae nativae integritati restituta ac mendis foedissimis perpurgata iustisque commentariis a me explicata atque illustrata, eo vultu accipias eoque 139 animo complectare […].

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Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. A4 v–B1 r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B1 v. David Rundle, „Erasmus“, 1998, 148. Vgl. Abschnitt 2.2.1. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B2 r.

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Lambin betont Kardinal de Tournon gegenüber den großen Arbeitsaufwand, den er auf die Sache verwendet habe,140 und zeigt sich als besonders sorgfältiger Kommentator: Er wolle sich nicht nur damit zufriedengeben, den Horaztext zu verbessern und zu erklären. Seine Ambition gehe vielmehr so weit, dass er dies in einem moderaten Rahmen für die von ihm zitierten anderen Textpassagen leisten will.141 Wir erkennen hier Lambin als jemanden, der sich philologisch sowohl im Griechischen als auch im Lateinischen bis ins Detail auskennt und seinen Lesern mit dieser Hilfestellung sehr weit entgegenkommt. Die Philologie, die er verfolge, grenzt er scharf von derjenigen der Sorbonne ab, wodurch er sich selbst wiederum als Humanist der richtigen Couleur in Szene setzt. An der alten Pariser Universität (Lutetiae gymnasia), quasi dem Gegenstück zum Collège Royal, herrschten, so Lambin, denkbar schlechte wissenschaftliche Umstände: Muta tum erant ab illis litteris a liquida et germana philosophia, a veterum et probatorum auctorum vocibus Lutetiae gymnasia. Vigebant in eis ineptae verborum captationes et concertationes, inanes et spinosae quaestiunculae ponebantur, fallaces et minutae conclusiunculae contorquebantur, disputationibus anilibus, barbaris nominibus ac vocibus, impolitissimorum librorum lectione omnium gymnasiorum parietes personabant. Merae nugae, merae ineptiae, mera barbaries docebatur. Ignoti erant Homerus, Pindarus, Aeschylus, Sophocles, Euripides, ignoti Plato, Xenophon, Aristoteles, Theophrastus, Plutarchus, ignoti Herodotus, Thucydides, Polybius, Diodorus, ceteri Graeci scriptores omnes. Linguae Latinae elegantiam et munditiem, incoruptum Latini sermonis usum nemo noverat, nemo docebat. Hebraicae et Graecae linguae ne elementa quidem erant nota, omni elegantiore et puriore doctrina, omnibus Graecorum et Latinorum melioris notae scriptorum monumentis carebamus. Piget pudetque referre quanta tum omnium bonarum artium ignoratio Galliam tuam obsessam teneret, quantis tenebris popu142 lus tuus circumfusus, ac paene dicam, sepultus esset.

Die Praktiken der quaestio, die Qualität des Lateins, die Spannbreite der bekannten Autoren, die Kenntnis der anderen antiken Sprachen wären barbarisch oder fehlten, sodass Lambins ultimativer Schluss ist, dass sich zu Zeiten vor Gründung des Collège ganz Gallien im Schattenreich der Wissenschaft befunden habe. Damit zeigt sich Lambin dezidiert als Humanist des neuen Schlags, eindeutig gegen die Praktiken der Sorbonne polemisierend.143 Er gehöre einer neuen, besseren Generation von Gelehrten an, die der Barbarei entronnen seien und gewissenhafte und gute Philologie betrieben. 140 141

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Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. *3 v: […] magno labore nostro, multisque vigiliis […]. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B3 v: Postremo perquam multos auctorum Graecorum et Latinorum locos quasi aliud agens occasione tamen oblata et corruptos restitui et obscuros declaravi. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. A2 v–A3 r. Zum Konflikt zwischen Collège Royal und Sorbonne vgl. André Tuilier, „L’entrée en fonction des premiers lecteurs royaux“, in André Tuilier (Hrsg.), Histoire du Collège de France. Vol. I. La Création (1530–1560), Paris 2006, 159–163. Er arbeitet heraus, dass die Bewahrung des Collège in den heftigen Zeiten der Reformation und Gegenreformation besonders im Jahr 1534 heftig umstritten und Teil der religiösen und politischen Auseinandersetzungen war. Das Collège blieb jedoch bestehen. Farge befasst sich in seinem Artikel ebenso detailliert mit den Spannungen zwischen

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Der Horazkommentar Lambins wird diesen beiden aufeinanderfolgenden Positionen am Collège Royal ganz besonders gerecht:144 Lambin war 1561 auf den Lehrstuhl für Latein und ein Jahr später auf den Lehrstuhl für Griechisch berufen worden.145 In seinem Kommentar verbindet er beide Sprachen vorbildlich und zitiert viel griechisches Textmaterial, meist inklusive der Übersetzung ins Lateinische. Sein Anspruch ist es, die griechischen Wurzeln der Dichtung des Horaz hervorzuheben, wie er in der Epistola ad lectorem darlegt.146 Damit folgt er exemplarisch einem Gründungsanspruch des Collège Royal, der Etablierung der griechischen Sprache in Frankreich.147 Auffällig ist zum einen sein starker Fokus auf griechische Elemente im Horaztext, den er gleichzeitig als Gebilde und Quelle von Griechischem wahrnimmt, und zum anderen die enorme Größe seines Vorhabens. Das von ihm fokussierte Publikum soll mit der Horazlektüre zudem einen Einblick in griechische Literatur und Sprache erhalten, ohne notwendigerweise dieser Sprache mächtig zu sein.148 Horaz ist für diese Programmatik der Verbindung des

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Sorbonne und Collège: James K. Farge, „Les lecteurs royaux et l’université de Paris“, in André Tuilier (Hrsg.), Histoire du Collège de France. Bd. I: La Création (1530–1560), Paris 2006, 209– 228. Lefranc beschreibt die Vorwürfe der Sorbonne gegen die Gründung des Collège 1530, z. B. den des Lutheranismus: Abel Lefranc, Histoire du Collège de France, 1893, 122–123. Zu diesem Vorwurf siehe John Lewis, Adrien Turnèbe, 1998, 46–48. Dabei bestätigt sich die vierte Komponente des empowerment, die Glenn W. Most, herausgearbeitet hatte: Glenn W. Most, „Preface“, 1999, xi. Er stellt fest, dass die Praxis des Kommentators auch immer die rahmende Institution stärkt. Hier würde sich dies auf das Collège hervorragend anwenden lassen, siehe dazu Karl Enenkel, Henk Nellen (Hrsg.), „Introduction“, 2013, 16. Philip Ford, „Lucretius in early modern France“, in Stuart Gillespie, Philip Hardie (Hrsg.), The Cambridge Companion to Lucretius, Cambridge 2007, 228. John Edwin Sandys, A short history of Classical scholarship, 1915, 189. Abel Lefranc, Histoire du Collège de France, 1893, 382 nennt nur seine Berufung auf den Griechischlehrstuhl 1561. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B3 v: Tum, quae ad Graecorum historias, fabulasque pertinent, etiam ea e Graecis ipsis et poetarum Graecorum scholastis excerpta, tibi proposui, tibique produxi, verum etiam Latine omnia fere reddidi. Praeterea Graeca omnia loquendi genera, in quibus creber et frequens est Horatius, diligenter observavi, notavi, indicavi. Philip Ford, „Homer in the French Renaissance“, 2006, 4: „This progressive institution, which to a large extent owed its existence to the lobbying of Guillaume Budé (1468–1540), was established to teach the three ancient languages, Latin, Greek, and Hebrew, and to provide its students with texts.“ Möglicherweise hatte er die Praxis der Übersetzung griechischer Zitate aus der Tradition von Aldus Manutius‫ ތ‬Odenerklärungen von 1509 übernommen, der auf Polizianos Herangehensweise rekurriert, vgl. Anthony Grafton, Joseph Scaliger. I: Textual criticism and exegesis, 1983, 71 und 257. Grafton erklärt diese komparatistische Methode, deren Urheber Angelo Poliziano war, der berühmte Florentiner Dichter-Philologe: „Poliziano knew that the Latin poets, whose works were his primary interest, had drawn heavily on Greek sources in a variety of ways. […] Yet the most striking effects of his comparative method were not in textual criticism but in exegesis. For he insisted that proper exegesis of Latin writers must begin from the identification of the Greek sources they had drawn upon for both language and content. And he showed that only a critic who had mastered Greek literature could hope to deal competently with Latin.“ Anthony Grafton, Joseph Scaliger. I: Textual criticism and exegesis, 1983, 32–33.

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Lateinischen mit dem Griechischen eine sehr nützliche Ausgangsfolie, trifft er selbst in seinem dichterischen Werk viele Aussagen über die Imitation griechischer Vorbilder.149 Wie an diesem Zitat und an allen anderen Aussagen Lambins erkennbar ist, macht er sich bereits in den Paratexten, wie später im Kommentar zu erkennen sein wird, immer die Mühe, seine Aussagen mit einer großen Fülle an exempla zu untermauern. Er gibt sich selten mit einem einzigen Beispiel zufrieden, sondern überhäuft seine Leser schon hier mit einer umfangreichen Darbietung seiner umfassenden Bildung.150 Dies trug ihm im Übrigen nicht nur Lob ein. Piero Vettori kritisiert ihn in diesem Punkt. Lambin habe zu sehr (nimis) die antiken Schriften miteinander vermengt: Fuit ille [Lambinus] quidem magni ingenii vir et valde disertus, sed nimis liber in varianda contaminandaque scriptura antiquorum auctorum, quam consuetudinem ipsius probari non 151 posse puto […].

Noch intensiver wird Lambins Selbstcharakterisierung im Vorwort an den Leser deutlich. Seine Gründlichkeit als Textkritiker, Editor und Philologe stellt er dort in detaillierter Weise zur Schau. Dabei macht er sein Tun immer transparent und ermöglicht seinem Leser, die Anlage der Edition so gut wie möglich zu verstehen. Er erläutert dezidiert die verschiedenen von ihm benutzten Manuskripte, die Editionstechniken152 149

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Für einen Überblick vgl.: Gregory Hutchinson, „Horace and archaic Greek poetry“, in Stephen Harrison (Hrsg.), The Cambridge Companion to Horace, Cambridge 2007, 36–49. Richard Thomas, „Horace and Hellenistic poetry“, in Stephen Harrison (Hrsg.), The Cambridge Companion to Horace, Cambridge 2007, 50–62. Dies wird sich in den Vorworten der einzelnen Dichtungsgattungen fortsetzen, in denen Lambin sich detailliert mit den Gattungen der einzelnen horazischen Werke und deren wissenschaftlicher Tradition auseinandersetzt. Mit vereinheitlichter Orthographie zitiert von John O‫ތ‬Brien, „Translation, Philology and Polemic“, 1989, 285, ursprünglich aus der Florentiner Ausgabe der Commentarii in X. libros Aristotelis de moribus (1584). In den folgenden Kapiteln werden Erklärungsmöglichkeiten für dieses scheinbar „wilde“ Referenzieren gegeben. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B3 r: Romae cum eam, quam votis, ominibusque antea expetiveram, veterum librorum copiam nactus essem, non putavi mihi oblatam de hominibus bene merendi occasionem, mea neglegentia e manibus amittendam esse. Itaque vetera, quotquot potui, exemplaria undique corrigata, alia eorum voluntate, quorum erant, in diversorium meum transportanda curavi, alia,quia e suis locis auferre nefas erat, suis quaeque in bibliothecis inspexi et consului. In bibliotheca Pontificis Romae Vaticana, quae mihi beneficio Gulielmi Sirleti et Hieronymi eius fratris et Federici Brutii, quoties mihi commodum erat, patebat, quinque libros antiquissimos, manuque descriptos reperi. Donatus Iannoctius Florentinus unum, qui fuerat amplissimi, atque ornatissimi viri Rodolphi Cardinalis eoque mortuo cum aliquot aliis Graecis ac Latinis ad ipsum testamento pervenerat, mihi commodavit. A Gabriele Faerno homine candissimis moribus unum item commodato accepi. Accesserunt duo quorum alter erat Rainutii Farnesii clarissimi Cardinalis typis ille quidem excusus, sed cum antiquissimis atque optimis codicibus comparatus atque ex eorum fide ac testimonio quampluris locis emendatus, alter Lodovico Urfino Farnesiorum consobrino, adolescenti pudenti ac probo ab Annibale Caro donatus fuerat, in quo desiderabantur Sermonum libri. Horum utriusque mihi facta a dominis copia est, opera Fulvii Urfini hominis eruditissimi. Postremo mihi ex Italia reverso, commentariis meis iam absolutis, liber item

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und die verwendeten Referenztexte.153 Die Hälfte des Vorworts wird schließlich darauf verwendet, die von ihm gebrauchte Rechtschreibung zu erläutern.154 Es sind Textteile wie dieser, die die penible und sorgfältige Art des Kommentators Lambin besonders unterstreichen. Auch in der Widmungsvorrede im zweiten Teil des Kommentars, die an den Kardinal gerichtet ist, gibt sich Lambin als emsiger Philologe zu erkennen: Interea peropportune, nisi fallor, Qu. Horatii Flacci a nobis, ut scis, magno labore nostro, multisque vigiliis explicati et commentariis illustrati atque ex auctoritate decem codicum antiquorum quam plurimis locis emendati, Satirarum libros duos totidemque epistolarum ad te defe155 ro.

Jedoch geht, wie im Folgenden zu sehen ist, dieser Aspekt in der Ansprache an den Kardinal mehr oder weniger unter. 3.4.4.3 Lambin als Textkritiker Der textkritische Aspekt ist in Lambins Kommentar besonders stark gewichtet. Er betont seine Tätigkeit in diesem Gebiet nicht nur auf dem Titelblatt, sondern erwähnt seine Praxis durch die folgenden Paratexte hindurch wiederkehrend. Seine Konjekturen erstrecken sich dabei nicht nur auf den Horaztext selbst, sondern sogar auf die von ihm referenzierten Zitate aus anderen Quellen, wie er in der Epistola ad lectorem hervorhebt:

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calamo scriptus, vetustissimus a Ioanno Tornesio typographo Lugdunensi nuper insperanti Lugduni oblatus est. Cum his igitur singulis libris coepi Romae attentissime atque accuratissime unum exemplum Horatianum typis descriptum conferre, contuli, lectionis varietatem librorumque dissensionem conferendo notavi. Vgl. Abschnitt 1.2.3. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B3 v: Primum Horatium ipsius auctoris sententia studiosissime investigata et perquisita similibusque locis inter se comparatis, explicavi ac declaravi. Deinde, quaecumque mihi visus est a poetis et philosophis Graecis, qui quidem extent, sumsisse aut mutuatus esse, ea e fontibus petita tuis oculis optima fide subieci. Tum, quae ad Graecorum historias, fabulasque pertinent, etiam ea e Graecis ipsis et poetarum Graecorum scholastis excerpta, tibi proposui, tibique produxi, neque solum produxi, verum etiam Latine omnia fere reddidi. Praeterea Graeca omnia loquendi genera, in quibus creber et frequens est Horatius, diligenter observavi, notavi, indicavi, vim, pondus, elegantiam verborum ostendi. Horatianam Latine loquendi rationem cum optimorum Latini sermonis auctorum Plauti, Terentii, Lucretii, Catulli, Ciceronis, Caesaris, Sallustii, Virgilii, Tibulli, Propertii, T. Livii loquendi consuetudine congruere demonstravi. Praeterea si qua verba lectiora aut si qua loquendi genera concinniora saepius et pluribus locis ab eo esse usurpata animadverti, ea diligenter collecta, sub uno quasi aspectu, quam aptissimo potui loco, ut adolescentes quaerendi labore levarem, collocavi. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B3 v: Rectam autem vocum scribendarum rationem, quam orthographiam Graeci nominant, eam sum secutus, quae plerisque doctissimis aestatis nostrae viris probatur quaeque in veteribus et fide dignis marmoribus reperitur […]. Es folgt eine umfangreiche Aufzählung von Beispielen. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. *3 v.

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Lambins Paratexte Postremo perquam multos auctorum Graecorum et Latinorum locos quasi aliud agens, occa156 sione tamen oblata et corruptos restitui et obscuros declaravi.

Lambin kollationiert in Italien verschiedene Manuskripte, das letzte allerdings erhält er nicht in Italien, sondern in Frankreich.157 Bei alledem hat man den Eindruck, dass Lambin tatsächlich weniger mit der Güte der Manuskripte befasst ist, sondern eher damit, Namen von eminenten Persönlichkeiten aus dem Klerus und italienischen Adel und anderen philologisch Interessierten zu erwähnen. Dies ist jedoch keine bloße Wichtigtuerei. Dass Humanisten Zugang zu Manuskripten hatten, war nicht der Normalfall. Es passierte, dass einzelnen Philologen Bibliotheken verschlossen blieben. Davon war z. B. Jacques Cujas bei Cosimo de’ Medici betroffen.158 Gerade die von Lambin bezeugte Vielfalt an Manuskripten war seinem guten Stand bei einflussreichen Personen (möglicherweise durch seinen Patron, den Kardinal de Tournon vermittelt) zu verdanken und zeigt außerdem seinen Willen, eine möglichst große Anzahl von Quellen für seinen Text und damit eine möglichst große Autorität aufzubauen. Lambins Vorgehen ist beachtlich.159 Er strebt ein systematisches, textkritisches, vergleichendes Verfahren an: Cum his igitur singulis libris coepi Romae attentissime atque accuratissime unum exemplum Horatianum typis descriptum conferre, contuli, lectionis varietatem librorumque dissensionem 160 conferendo notavi.

Dieses systematische Vergleichen hebt er als seine Arbeitsweise durch die dreifache Wiederholung prominent hervor. Und er gibt an, viele Fehler entdeckt zu haben.161 Der Wermutstropfen bei alledem wird exzellent von Anthony Grafton zusammengefasst: 162

He made no attempt to arrange his nine Horace manuscripts in genealogical order, to distinguish consistently among them on grounds of age, or to eliminate even the newest of them as 156 157

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Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B3 v. In der Vatikanischen Apostolischen Bibliothek entdeckte er fünf Manuskripte. Eines erhält er von Donatus Iannoctius Florentinus aus dem Nachlass von Kardinal Rudolph, eines von Gabriele Faerno, dann interessanterweise eines, dass von Kardinal Rainutus Farnesi gedruckt wurde, jedoch mit alten und guten (was immer das bedeuten mag) verglichen und dadurch emendiert wurde, ein Exemplar, in dem allerdings die Satiren fehlen, von einem Verwandten der Farnesi, Ludovico Urfino, einem noch jungen Mann, der es von Annibale Caro erhalten hatte. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B3 r. Anthony Grafton, Joseph Scaliger. I: Textual criticism and exegesis, 1983, 87. Anthony Grafton, Joseph Scaliger. I: Textual criticism and exegesis, 1983, 85. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B3 r: Dass conferre zumindest bei contuli und conferendo hier „vergleichen“ bedeutet, wird durch Rammingers Neulateinische Wortliste gestützt, vgl. für den Kontext FN 152. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B3 r: Non est huius temporis, aut loci, lector erudite, pluribus verbis tibi commemorare, quantum mihi a vulgatis reperti sint discrepare. Suis quaeque locis vel per te vel me indicante cognosces. Wahrscheinlich bezieht sich Grafton dabei auf den zweiten Teil der Ausgabe, die Satiren und Episteln bezieht, für die Lambin nur neun Manuskripte verglich, vgl. Abschnitt 3.4.4.2.

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Autorisierung des Horaz und des Kommentators in den Paratexten unlikely to contain significant information. His reports of their readings were inconsistent and irregular; and sometimes he gave incomplete reports of variant even though he knew that the 163 word or line in question presented textual problems.

Den Grund für diesen Umstand sieht er in einem gewissen auf den Inhalt der Lektüre ausgerichteten Pragmatismus bei den Editoren.164 Charles Brink gibt ein positives Gesamtbild von Lambins textkritischen Fähigkeiten und betont, wie nützlich Lambins Ausgabe bis heute sei: He used manuscripts – as many as ten, not a usual thing at the time when one or two, if any, were regarded as sufficient. […] His judgment and sense of probability in deciding questions of interpretation make it still worthwhile to consult Lambinus when one is in doubt, and often when one is not, just in order to see how he put the problem. Since he published more than 165 four centuries ago, that is no mean feat.

Lambins Selbststilisierung als Textkritiker und sorgfältiger Philologe scheint also durchaus fundiert zu sein, da sich sein Ruf durch die Jahrhunderte der Wissenschaftsgeschichte erhalten hat. Bereits in der Vorrede etabliert er sich als sorgfältiger, ernst zu nehmender Gelehrter. 3.4.4.4 Der Kommentator als Beobachter des Zeitgeschehens Lambin inszeniert sich nicht nur als Gelehrter und Philologe, der vor allem mit Bücherwissen auftrumpft. Besonders in der sehr viel persönlicheren Widmung an seinen Gönner, Kardinal de Tournon zeigt er sich als ein aufmerksamer Beobachter des Weltgeschehens. Die Epistel an den Kardinal schildert insbesondere die Ereignisse der Jahre vor dem Horazkommentar, und die meist turbulenten, diplomatischen Missionen des Kardinals werden im Detail beschrieben.166 Er nennt Daten und Namen und geriert sich durch diese Beschreibung als enger Vertrauter des Kardinals. Lambin lässt, wie bereits erwähnt, keinen Zweifel daran, dass die historischen Umstände schwierig sind. Jedoch äußert er sich hier auffallend kritisch. Bemerkenswerterweise ist gerade in der Widmung an den Kardinal seine Kirchenkritik unverhohlen zur Schau gestellt. Er tut dies, indem er die Kritikpunkte des Kardinals selbst wiederholt, die er auf den Pontifikalkomitien geäußert hatte: Cum ecclesiae Romanae statum deplorares, cum universum pontificum et sacerdotum ordinem infamia invidiaque flagrare ostenderes, cum tuos collegas hortareris, ut sublatis discordiis,

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Anthony Grafton, Joseph Scaliger. I: Textual criticism and exegesis, 1983, 86. Anthony Grafton, Joseph Scaliger. I: Textual criticism and exegesis, 1983, 87: „If Lambin, Turnèbe, and Estienne lacked a rigorous critical method, they did not act as they did out of frivolity or ignorance. They saw classical texts as valuable for their literary and philosophical content. In so far as textual criticism could help to recover that content or make its textual embodiment more accessible to readers, they practiced it.“ Charles Brink, „Horatian Poetry“, 1981, 10. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol *1 v–*3 v.

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concordiaque constituta, unum aliquem ex toto collegio deligerent virtute, consilio, prudentia, sanctimonia, integritate, vitae ante actae existimatione praestantem, qui tantam personam tantamque dignitatem sustinere, qui ecclesiam Romanam propemodum oppressam, atque afflictam excitare, qui religionem Christianam taetris opinionum pestibus affectam ex litterarum 167 sacrarum praescripto sanare posset!

Der Priesterstand sei von Neid und Schande geprägt. Es müsse ein Papst gewählt werden, der in der Lage sei, die niedergedrückte Kirche und die christliche Religion, die von der Seuche schlechter Meinungen erfüllt sei, auf Grundlage der heiligen Schrift wiederherzustellen. Das klingt nach Fundamentalkritik und wurde möglicherweise vom Kardinal so geäußert. Lambin sieht in seiner Horazausgabe einen geeigneten Ort dafür, die Kirchenkritik in dieser Form darzulegen. Im weiteren Verlauf beschreibt Lambin außerdem die Wahl Pius’ IV. als geeigneten Kandidaten,168 was wieder ein Gleichgewicht in den Text bringt. Lambins heftige Kritik am religiösen Bürgerkrieg169 wird in der Epistel an den Leser der zweiten Ausgabe (1567) in Bezug auf die Religionskriege zwischen 1561 und 1567 wiederholt. Daraus lässt sich ablesen, dass Lambin ein lebensnaher und klar positionierter Philologe war, der sich der Missstände seiner Zeit durchaus bewusst war und gegen diese polemisierte. Lambin zeigt sich als jemand, der den Horazkommentar als Ort begreift, vergangene und gegenwärtige politische, religiöse und wissenschaftliche Diskurse zu verhandeln und nicht in einer sterilen Philologie zu verweilen, die sich im inneren Exil des Gelehrten vollzieht.

3.4.5 Zusammenfassung: Die Selbstautorisierung des Lambin in den Paratexten seines Horazkommentars Insgesamt zeigt sich also, dass die Kommentatorpersona des Lambin mit drei großen Facetten auftrumpft: dem des erasmisch geprägten Prinzenerziehers, dem des sorgfältigen, nahezu peniblen Kommentators, Philologen und Gelehrten und dem des aufmerksamen Zeitzeugen der Geschehnisse seit den fünfzehnfünfziger Jahren. Wir erkennen in Lambin einen außerordentlich gelehrten Philologen, der nicht die Augen vor der Welt verschließt, sondern ein klarer Beobachter der Zeichen der Zeit ist. Auch scheut er sich nicht, sich als neuer lecteur als Gegner der Sorbonne zu platzieren und diese scharf zu kritisieren. Damit ist der Horazkommentar für ihn nicht nur ein rein philologisches Erzeugnis, sondern auch ein Austragungsort für außerphilologische Themen und Probleme. Für Lambin bietet der Horazkommentar eine Bühne zur Selbstdarstellung, die ab

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Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. *2 v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. *3 r: […] te suasore atque adeo auctore vir eximia virtute, doctrina, morum integritate, vitae religione ornatissimus Pius IIII. omnibus omnium Cardinalium suffragiis Pontifex Maximus declaratus est. Vgl. FN 110.

82

Autorisierung des Horaz und des Kommentators in den Paratexten

einem gewissen Punkt sogar den kommentierten Autor überschattet, wie dies im Wandel der Titelblätter der Ausgaben sichtbar gemacht ist.

3.5

Landinos und Lambins Paratexte der Horazausgabe im Vergleich

Die Kommentare Landinos und Lambins haben zwar einige Gemeinsamkeiten, unterscheiden sich aber bereits nach der Lektüre der Paratexte stark voneinander. Im Folgenden sollen einige Gemeinsamkeiten, jedoch noch mehr die Unterschiede der Ausgaben in ihrer Selbstdarstellung erwähnt werden. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass Lambins Paratexte wesentlich umfangreicher als die Landinos sind. Sie geben dem Kommentator bedeutend mehr Raum zur Selbstdarstellung.170 Außerdem nimmt in Lambins Vorreden die direkte Selbststilisierung als Philologe sehr viel mehr Raum ein, als dies bei Landino der Fall war. Gerade im Vergleich zwischen den beiden Kommentatoren wird außerdem klar, wie viel mehr sich Lambin auf sich selbst bezieht und wie viel mehr er über sich selbst als über seinen Gegenstand Horaz spricht. Für ihn ist augenfällig der Horazkommentar eine Bühne für sich selbst, wohingegen bei Landino Horaz mehr im Vordergrund steht. Dies ist nicht zuletzt Lambins sehr wortreicher Ausdrucksweise geschuldet. Auch die Anzahl der Widmungsempfänger wirkt sich auf die Repräsentation des Horaz in beiden Kommentartexten aus: Lambin entwirft für seine Widmungsempfänger zwei verschiedene Horatii, er passt die Rezeption – zumindest in der Repräsentation in seinen Paratexten – an den Empfänger und Primärleser an. Das geschieht in ähnlicher Weise bei Landino, der seinen Horaz auch einem jungen Adligen widmet. Der Kommentator aus Florenz muss Horaz nur auf einen Empfänger zuschneiden, weshalb hier die beiden Aspekte der sprachlichen und moralischen Vorzüge des Horaz in einer Darstellung zusammengehen. Die methodische Herangehensweise der Kommentatoren ist ebenfalls verschieden: Anders als für Landino, der vor allem ein neuplatonisches Programm als Rahmen für den Horazkommentar entwirft, um Horaz dann vor allem rhetorisch zu analysieren, steht für Lambin die Philologie und Auseinandersetzung mit den Quellen des Horaz im Vordergrund. Die Horazrepräsentation ist bei beiden Kommentatoren in den Grundzügen oft, aber nicht immer, ähnlich. Beide richten ihr Hauptaugenmerk auf die sprachlichen Vorzüge des Dichters. Bei beiden findet sich ein Fokus auf die moralische Komponente des Horaztexts. Im Gegensatz zu Lambin legt Landino noch sehr viel mehr Wert auf die 170

Mit der Feststellung, dass Lambin einer Selbstdarstellung mehr Raum gibt als Landino, erfüllt sich das Verdikt Greenblatts dass die Selbstdarstellung der Autoren und Kommentatoren im sechzehnten Jahrhundert stärker ausgeprägt war als im fünfzehnten Jahrhundert: Stephen Greenblatt, Renaissance Self-fashioning, 1980/2005, 1.

Landinos und Lambins Paratexte der Horazausgabe im Vergleich

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moralische Integrität des Horaz, und zwar sowohl im Hinblick auf seine Persönlichkeit als auch bezogen auf sein dichterisches Schaffen. Bei Lambin wird zunächst gar keine Lebensbeschreibung des Horaz gegeben, in der späteren Ausgabe wird die antike Vita zitiert. Die Brüche, die sich dabei in der Horazrepräsentation ergeben, werden bewusst in Kauf genommen – ein großer Unterschied zwischen den Herangehensweisen der Kommentatoren. Des Weiteren ist die Nähe zwischen Kommentator und kommentiertem Autor unterschiedlich groß. Landinos Verhältnis zu Horaz nimmt eine fast magische Haltung und größere Nähe an, wie dies bei anderen Kommentatoren seiner Zeit – wie Beroaldo – der Fall ist, so als bestünde ein Abbildungsverhältnis von Kommentator und Horaz. Lambin scheint Horaz eher als Sprungbrett für seine eigenen Ziele zu nutzen, als sich in letzter Konsequenz einer Symbiose zwischen sich selbst und Horaz zu verschreiben.171 Durch die Art der Horazrepräsentation und die Nähe oder Ferne zwischen Kommentator und Horaz entsteht für die Kommentatoren eine unterschiedlich gravierende Notwendigkeit, Horaz’ Fehler und Probleme zu glätten und im Vorhinein auszumerzen. Lambin hingegen steht, wie durch den Abdruck der problematischen Vita in der zweiten Ausgabe evident wird, wesentlich weniger unter dem Zwang, ein kohärentes Bild von Horaz zu erzeugen, was sich anhand der Untersuchung der problematischen Stellen bestätigen lässt. Es zeigt sich, dass Landino immer mehr als Lambin damit beschäftigt ist, die historische Person des Horaz, die mit seiner dichterischen Stimme in eins gesetzt wird, von verschiedenen Vorwürfen der Amoralität zu schützen, während Lambin dies, wie bereits in der Suetonvita sichtbar, viel unverfrorener hinnimmt. Die beiden folgenden Kapitel werden in detaillierteren und umfassenderen Fallstudien den entsprechenden Nachweis führen.

171

Bereits hier lässt sich also ein Unterschied in der auf Horaz bezogenen Selbstdarstellung oder -fassionierung erkennen.

4 Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Der erste Untersuchungsbereich für den Umgang mit Passagen, die das in den Paratexten etablierte Horazbild unterminieren, ist die Kommentierung obszöner Passagen, Worte und Motive im Horaztext bei Landino und Lambin. Dafür soll zunächst der Begriff der Obszönität definiert und seine historische Bedeutung seit der Antike bis in die Renaissance skizziert werden. Der Begriff „Obszönität“ ist vielschichtig und historisch variabel.1 Das lateinische Ursprungswort obscenitas (Adj. obscenus) steht dabei im Umfeld verwandter Adjektive wie turpis und fetidus u. a.2 und wird in Renaissance-Wörterbüchern mit „schmutzig, ehrlos, schamlos, fehlplatziert und in gewisser Weise ansteckend“3 wiedergegeben4 und findet sich häufig im Zusammenhang mit religiöser Wertetransgression.5 Durch die 1

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McDonald bezeichnet ihn als „loose und fuzzy“ und als „conceptual and terminological minefield“ Nicola McDonald, „Introduction“, in Nicola McDonald (Hrsg.), Medieval Obscenities, York 2006, 12. Zur Begriffsdefinition vgl. z. B. Alastair Minnis, „From Coilles to Bel Chose: Discourses of Obscenity in Jean de Meun and Chaucer“, in Nicola McDonald (Hrsg.), Medieval Obscenities, York 2006, 156 und 162. Zur Bedeutungskomponente der „viralen“ Qualität der Obszönität vgl. Hugh Roberts, „Emblem books“, in Hugh Roberts, Guillaume Peureux, Lise Wajeman (Hrsg.), Obscénités Renaissantes, Genève 2011, 95–97. Valérie Worth-Stylianou, „The definition of obscene material 1570–1615“, in EMF: Studies in Early Modern France 14 (2010), 150. Amy Richlin, The garden of Priapus. Sexuality and Aggression in Roman Humor, New York 1992, überarbeitete Ausgabe, 26. Emily Butterworth, „Defining Obscenity“, in Hugh Roberts, Guillaume Peureux, Lise Wajeman (Hrsg.), Obscénités Renaissantes, Genève 2011, 37 fasst dies im Original folgendermaßen zusammen: „While, then, the vernacular obscène remained part of the marginal, Latin vocabulary for the sixteenth century, this exploration of its definition in bilingual dictionaries shows a remarkable semantic consistency and richness: filthy, dishonourable, indecent, misplaced, but also somehow contagious, the Renaissance obscene was at once recognizable and hard to pin down.“ Emma Herdman, „Censured and Censored: Reactions to obscenity“, in Hugh Roberts, Guillaume Peureux, Lise Wajeman (Hrsg.), Obscénités Renaissantes, Genève 2011, 375–376. Jan Ziolkowski stellt in einem Aufsatz die antiken Quellen für den Umgang mit Obszönität zusammen, der für diese Zwecke eine hervorragende Ausgangslage bildet: Jan Ziolkowski, „Obscenity in the Latin Grammatical and Rhetorical Tradition“, in Jan M. Ziolkowski (Hrsg.), Obscenity. Social Control & Artistic Creation in the European Middle Ages, Leiden 1998, 38–59. Auch Emily Butterworth gibt einen solchen Überblick über die antike Begriffsdefinition: Emily Butterworth, „I. Le mot et la

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Definitionen Varros6 und die Behandlung bei Cicero7 und Quintilian8 im Rahmen der Rhetorik ergibt sich außerdem, dass das Aussprechen von Begriffen, die als obszön gelten, eine transgressive, performative und daher problematische Handlung bedeutet,9 die durch ihre Situiertheit in der Öffentlichkeit noch weiter an Konfliktpotential gewinnen kann.10 Dieses Charakteristikum ist für die hier vorliegende Arbeit höchst relevant, da die Benutzung von obszönem Vokabular, wie in unserem Falle, auf den Kommentator selbst zurückwirken konnte. Der Begriff und das dahinterstehende Konzept der obscenitas sind für die Renaissance bereits in der jüngeren Forschungsliteratur ausgiebig besprochen worden.11 Es zeigt sich, dass es sich dabei um ein wirkungsvolles Untersuchungsfeld für die Interpretation von antiker Dichtung durch die Humanisten handelt. Die vielfachen Beiträge zu Catulls passer und dessen obszöner Lesart bei Martial, die dann seit der Analyse durch Poliziano bis heute ein Streitpunkt zu sein scheint,12 haben offengelegt, dass sich

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chose – Introduction“, 2011, 27–28 und Emily Butterworth, „Defining Obscenity“, in Hugh Roberts, Guillaume Peureux, Lise Wajeman (Hrsg.), Obscénités Renaissantes, Genève 2011, 31– 38. Varro Ling. 7,5,96–97: quare turpe ideo obscaenum, quod nisi in scaena[m] palam dici non debet. potest vel ab eo quod pueri[li]s turpicula res in collo quaedam suspenditur, ne quid obsit, [u]bonae sceuae causa scevola appellata. Jan Ziolkowski, „Obscenity“, 1998, 44–46: Ciceros Grund für die Notwendigkeit der Vermeidung von obszönen Wörtern liegt darin begründet, dass die Verwendung von bestimmten Wörtern den orator nicht mehr von sozial niedrigeren Klassen unterscheidbar mache, sondern die Klassenunterschiede verwische, wobei es für den orator doch oberste Priorität sein sollte, sich im echten Leben und in der Rhetorik als vir bonus zu erweisen. Gerade die Verwendung von Obszönitäten würde die vom orator verlangte mimesis verletzen, da sie ihn ins Umfeld von als unfein definierten Theaterdarstellern rücken würde. Cic. De orat. 2,242: […] Atque ita est totum hoc ipso genere ridiculum ut cautissime tractandum sit. Mimorum est enim et ethologorum, si nimia est imitatio, sicut obscenitas. orator surripiat oportet imitationem ut is qui audiet cogitet plura quam videat; praestet idem ingenuitatem et ruborem suum verborum turpitudine et rerum obscenitate vitanda. Jan Ziolkowski, „Obscenity“, 1998, 42–44: Bei Quintilian findet sich die Aussage, dass eigentlich keine Wörter beim Abfassen einer Rede vermieden werden müssen, es sei denn, sie seien allzu offensichtlich obszön [obscena]: Inst. 8,3,38–39: Translata probari nisi in contextu sermonis non possunt. Itaque de singulis verbis satis dictum, quae, ut alio loco ostendi, per se nullam virtutem habent. Sed ne inornata [quae] sunt quidem, nisi cum sunt infra rei, de qua loquendum est, dignitatem, excepto si obscena nudis nominibus enuntientur. Jan Ziolkowski, „Obscenity“, 1998, 42–43 und 45–46. Emily Butterworth, „I. Le mot et la chose – Introduction“, in: Hugh Roberts, Guillaume Peureux, Lise Wajeman (Hrsg.), Obscénités Renaissantes, Genève 2011, 27. Hugh Roberts, „Erasmus“, in Hugh Roberts, Guillaume Peureux, Lise Wajeman (Hrsg.), Obscénités Renaissantes, Genève 2011, 101. Besonders hilfreich für eine systematische Erschließung des Begriffsfeldes im sechzehnten Jahrhundert sind die Beiträge in: Hugh Roberts, Guillaume Peureux, Lise Wajeman (Hrsg.), Obscénités Renaissantes, Genève 2011. Julia Gaisser, „Catullus and His First Interpreters“, 1982. Julian Ward Jones, „Catullus‫‚ ތ‬Passer’ as ‚Passer‘“, in Greece and Rome 45 (1998), 188–194. H. D. Jocelyn, „On Some Unnecessarily Inde-

Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

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Interpretationsgeschichte und Interpretationsmöglichkeiten von antiker Dichtung sehr gut anhand der Betrachtung von Obszönität herausarbeiten lassen. Die Obszönität selbst ist dabei nicht von großem Interesse, sondern die Reaktionen, die sie hervorruft.13 Sie ermöglicht damit eine aussagekräftige Charakterisierung der interpretierenden Stimme, die sich ihrer annimmt, zugibt, dass es sie gibt, sie herausstellt, sie verschweigt oder sie gar nicht erst erkennt. Dies wird von Leonard Barkans Konzept der hermeneutic failure aufgegriffen, das er anhand des Umgangs mit Homosexualität in der Renaissance entwickelt. Er argumentiert, dass immer wenn die Rezeptionskultur, in diesem Falle die humanistische Gelehrtenkultur, mit einer exegetischen Herausforderung befasst war, sich an diesem Umgang ein hohes Maß an Selbstreflexivität zeigt.14 Das konfliktgeladene Potential der als obszön markierten Stellen im Horaztext erlaubt es daher, dies als Kommentierungs- und Kanalisierungsherausforderung für die Kommentatoren der Renaissance zu betrachten, um damit eine Extremsituation in der Auseinandersetzung mit dem als kanonisch oder autoritär empfundenen Text,15 hier dem Horaztext, unter die Lupe zu nehmen: Inwieweit wird es dem Kommentator ein Anliegen sein, den Text zu begradigen, für seine eigene Umwelt nutzbar zu machen und damit das Bild des Horaz umzuformen? Wann wird er das problematische Potential des Texts erhalten, um möglicherweise damit etwas in der außertextlichen Welt zu erreichen? Dabei werden verschiedene Verhaltensweisen der Kommentatoren und damit ihre persona herausgearbeitet.16

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cent Interpretations of Catullus 2 and 3“, in American Journal of Philology 101 (1980), 421–441. Jocelyn wendet sich gegen eine unnötig obszöne Lesart des passer. Curt Loehning, „In usum Delphini“, 1970, 151. Nicola McDonald, „Introduction“, 2006, 12. Leonard Barkan, Transuming Passion, Stanford 1991, 26. Vgl. Curt Loehning, „In usum Delphini“, 1970, 151: „Das Problem zeigt sich am deutlichsten im sexuellen Bereich. Je unverhüllter und krasser das Körperliche literarisch präsentiert wird, umso schärfer sind Konfrontation und Konflikt mit den Sittenauffassungen der Epoche.“ Das Konzept der Etablierung von Autorität im Kommentar wird von Florian Neumann anhand von Petrarcakommentaren vorgeführt: Florian Neumann, „Petrarcas literarische Autorität“, 2006, 41– 78. Leslie Dunton-Downer, „Poetic Language and the Obscene“, in Jan M. Ziolkowski (Hrsg.), Obscenity. Social Control & Artistic Creation in the European Middle Ages, Leiden 1998, 25–26: „One reason for studying obscenity, then, as a special class or characteristic of language, is that it may offer us specific insights into the kinds of dilemmas and opportunities that language offers human beings as they compose themselves in and in spite of the limitations of language.“

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

4.1

Die Problematik der (horazischen) Obszönität von der Antike bis in die Renaissance

Was für das Phänomen der Obszönität allgemein erwähnt wurde, lässt sich auch im Speziellen an Horaz zeigen. Die vielen anstößigen Stellen in seiner Dichtung wurden bereits in der Antike als problematisch wahrgenommen. Darüber hinaus gebraucht er den Begriff selbst an vier Stellen. Dort ist es einerseits Charakterisierung von inguen (Sat. 1,2,26 und Sat. 1,8,5),17 dem Wort für Schamgegend, andererseits können alte Frauen bzw. Hexen so beschrieben werden (Epod. 5,98).18 An einer Stelle ist es auf Sprechakte oder Satiren (Sermones, Epist. 2,1,127)19 bezogen.20 Gerade dieses letzte Beispiel bezeugt das für den untersuchten Zusammenhang wichtige Problembewusstsein um Wörter und Diskurse, die unter dem Oberbegriff gefasst werden konnten. Auch bei antiken Lesern wie Quintilian gibt es eine solche Sensibilität, insbesondere in Bezug auf die lyrische Dichtung des Horaz. Dessen Urteil in den Institutiones (1,8,6) lässt dies erkennen. Tragödien [seien] nützlich, und auch die Lyriker gute Lektüre, wenn nur von ihnen nicht nur die Autoren, sondern auch die Teile des Werkes ausgesucht sind, denn auch die griechischen [Lyriker] haben viel Zügelloses geschrieben und Horaz möchte [er] an einigen Stellen nicht 21 auslegen.

Die Einordnung der Lyrik des Horaz als nicht ganz unproblematische Schullektüre zieht sich nach Quintilian durch die gesamte Rezeptionsgeschichte des antiken Autors.22 Es ist daher nicht überraschend, dass die mittelalterliche23 Horazrezeption ebenso bisweilen vom Problem der Obszönität betroffen ist, insbesondere wenn sie in einem schulischen Kontext geschieht. Exemplarisch können diese Tendenzen anhand von 17 18 19 20 21

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Sat. 1,2,26: inguen ad obscenum subductis usque facetus, Sat. 1,8,5: obscenoque ruber porrectus ab inguine palus. Epod. 5,98: […] obscenas anus. Epist. 2,1,127: torquet ab obscenis iam nunc sermonibus aurem. Die Stellenangaben sind entnommen aus: Kuhlmann: s. v. obscenus, in: TLL IX 2, 158, 46– 161,75. Quint. Inst. 1,8,6: utiles tragoediae: alunt et lyrici, si tamen in his non auctores modo, sed etiam partes operis elegeris: nam et Graeci licenter multa et Horatium in quibusdam nolim interpretari. Wobei er sich in diesem Abschnitt auf den Schulkontext bezieht, wie anhand der nächsten Ausführungen zur Elegie klar wird: elegia vero, utique qua amat, et hendecasyllabi, qui sunt commata sotadeorum (nam de sotadeis ne praecipiendum quidem est) amoveantur, si fieri potest, si minus, certe ad firmius aetatis robur reserventur. Glenn W. Most, s. v. „Horace“, 2010, 454: „[…] and for millennia [his qualities] have induced teachers to condone or veil his favorite lyric themes, wine and love (indifferently heterosexual and homosexual) […].“ Eine Übersicht zur Obszönität in der Spätantike findet sich bei Danuta Shanzer, „Latin Literature, Christianity and Obscenity in the Later Roman West“, in Nicola McDonald (Hrsg.), Medieval Obscenities, York 2006, 179–202 und Glenn W. Most, s. v. „Horace“, 2010, 455.

Die Problematik der (horazischen) Obszönität von der Antike bis in die Renaissance

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Barbara Quints untersuchten Autoren vorgeführt werden. Notker Balbulus bezeichnete die Dichtung des Horaz als „anzüglich [und] liederlich“ und lehnte sie daher ab. Ähnlich sahen es Otloh von St. Emmeran24 und Conrad von Hirsau, der nur die Ars und eben nicht die Oden, Satiren oder Episteln zur Lektüre empfahl.25 Bezog sich Quintilians Kritik auf die Lyrik, so hatten im Mittelalter auch die Satiren nicht immer einen einfachen Stand, wenn es darum ging, gelesen und gelehrt zu werden. Allerdings zeigen sich hier, anders als bei der Lyrik, verschiedene Strömungen im Umgang mit der in ihnen enthaltenen Obszönität. Einerseits lassen die Analysen von Suzanne Reynolds darauf schließen, dass die sprachliche Obszönität dieser Gattung bisweilen für die Schüler im Grammatikunterricht verschwiegen oder eingedämmt werden musste.26 Andererseits vermittelt der Sciendum-Kommentar aus dem zwölften Jahrhundert27 den Eindruck, dass der Kommentator wenig regulierend in das Textverständnis der sexuell aufgeladenen Stellen eingreift.28 Das geschah, weil die Satiren als Gedichte verstanden wurden, die zum Moralisieren Anlass gaben und Horaz als „strengen Tadler“ darstellen konnten, um ihn als moralisches Vorbild für die Schüler zu etablieren.29 Diese Tradition sollte bis in die Renaissance fortwirken, wie sich vor allem im Kommentar Landinos zeigt. Die sprachliche und inhaltliche Obszönität des Horaz und anderer antiker Dichtung stellte jedoch nicht in allen Bereichen der Gelehrtenwelt ein Problem dar. Außerhalb des Schulkontexts war sie in der dichterischen Praxis des Humanismus weniger problembehaftet wie anhand einiger Beispiele sichtbar wird.30 Die erste Gedichtsammlung des fünfzehnten Jahrhunderts, Panormitas Hermaphroditus, versammelt obszöne Epigramme jeglicher Couleur in der Tradition antiker Autoren wie Catull, Martial und Ovid. Ein großer Teil der auf diese antiken Ursprünge zurückgehenden Epigrammatik des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts war von Obszönität geprägt und hatte

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Maria-Barbara Quint, Untersuchungen zur mittelalterlichen Horaz-Rezeption, 1988, 15–16. Maria-Barbara Quint, Untersuchungen zur mittelalterlichen Horaz-Rezeption, 1988, 16. Suzanne Reynolds, „‚Let him read the Satires of Horace.‘ Reading, literacy and grammar in the twelfth century“, in James Raven, Helen Small, Naomi Tadmor (Hrsg.), The practice and representation of reading in England, Cambridge 1996, 22–40, besonders 39. Roberta Marchionni, Sciendum-Kommentar 2003, xiii. Besonders in Sat. 1,2 werden graphische Obszönitäten detailliert ausbuchstabiert: Roberta Marchionni, Sciendum-Kommentar 2003, 34–51, z. B. 48: Huic si] Tanta mala passus est Villius ex illa muliere et merito, nam quantum ad naturalem voluntatem Priapus eius non requirit cunnum nobilem. Lege sic: si animus, idest conscientia eius, diceret hec verbis muto(nis)] idest sub verbis et sub persona virilis membri, huic] scilicet Villio, videnti] idest sustinenti, tanta ma(la): Quid vis] idest ad usum naturalem quid queris? Roberta Marchionni, Sciendum-Kommentar 2003, xv. Besonders die Invektive der Renaissance benutzt obszöne Motive des Horaz. Nur ein Beispiel von vielen sind Gilbert Duchets horazisierende obszöne Epigramme, vgl. Philip Ford, „Comparative Obscenity: Some French and Latin Examples“, in EMF: Studies in Early Modern France 14 (2010), 3. Auch Landino wird horazische Obszönität in seinen Gedichten verwenden, z. B. in seinen frühen Gedichten, vgl. Abschnitt 4.3.1.2.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

meist invektiven Charakter.31 Dies trifft ebenso auf horazisierende Dichtung zu.32 Der Rückverweis auf Catulls nam castum esse decet pium poetam | ipsum, versiculos nihil necesse est,33 die sogenannte lex Catulliana, fungierte dabei als Hebel für die Dissoziation des keuschen Dichters von seiner unkeuschen Dichtung, die ihn moralischer Vorwürfe entziehen konnte.34 Ein anderer Grund für die Daseinsberechtigung dieser Dichtung war außerdem, dass sie für eine kleine, elitäre, der alten Sprachen mächtige Gruppe geschaffen wurde und damit in sicheren, weil hermetischen, Gesellschaftsgruppen aufgehoben war.35 Trotz dieser Einschränkung im Bereich der dichterischen Freiheit muss festgehalten werden, dass der Umgang mit Obszönität problematisch war. Sowohl das Quattro- als auch das Cinquecento waren stark von religiöser Normativität geprägt, christliche Moralvorstellungen waren dominante Denkmuster oder müssen zumindest bei Lesern als präsent angenommen werden. Somit konnten obszöne antike Dichtungspassagen ein großes Problem für ihre Renaissanceleser darstellen.36 Im folgenden Abschnitt dient der Umgang der Leser des sechzehnten Jahrhunderts mit den verschiedenen Werken als

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Beispielsweise Marullus 3,27, der sich gegen Poliziano/Ecnomus wendet: Lingere carpatinas vult Vection Ecnomus, ipse | ut possit trepidas lingere cercolipas. Entnommen aus: Alessandro Perosa (Hrsg.), Michaelis Marulli Carmina, Turici 1951, 66. Oder George Buchanan in seinen antiklerikalen Dichtungen, vgl. Paul J. McGinnis, Arthur H. Williamson (Hrsg), George Buchanan: The political poetry, edited with translation and commentary, Edinburgh 1995, 177. Siehe Philip Fords Untersuchungen zur Obszönität und deren Rechtfertigung in der Renaissance: Philip Ford, „Obscenity and the lex Catulliana“, 2011, 48–61. Walter Ludwig, „Horazrezeption in der Renaissance“, 1993, 342, Beispiele 364. Catull. 16,5–6. Philip Ford, „Obscenity and the lex Catulliana“, 2011 untersucht die Behandlung der lex in einer umfassenden Studie. Donatella Coppini, „Comic and Obscene in the Epigram of the 15th century“, in Susanna De Beer, Karl Enenkel, David Rijser (Hrsg.), The Neo-Latin Epigram. A learned and witty genre, Leuven 2009, 83–84. James Grantham Turner, Schooling Sex. Libertine Literature and Erotic Education in Italy, France, and England 1534–1685, Oxford 2003, 7. Turner sieht diese Lizenz besonders im siebzehnten Jahrhundert, führt sie aber auf die Renaissance zurück. Philip Ford, „Comparative Obscenity“, 2010, 13 führt dies anhand der lateinischsprachigen, obszönen Epigrammatik vor. Ingrid De Smet, „Innocence lost, or The implictions of reading and writing (neo-Latin) prose fiction“, in Ingrid De Smet, Philip Ford (Hrsg.), Eros et Priapus. Erotisme et obscénité dans la literature néo-latine, Genève 1997, 87: „In the Renaissance, erotic or plain pornographic passages in Ancient texts were a delicate matter. On the one hand, they carried with them the demand of respect that was normally due to Ancient authors: on the other hand, they could be seen as a threat to common decency.“ Das Thema der Problematik der Obszönität in der Renaissance soll außerdem noch für die beiden Kommentatoren detaillierter kontextualisiert werden. David Scott WilsonOkamura, Virgil in the Renaissance, 2010, 106–118 analysiert moralische und homoerotische Aspekte für die Vergilrezeption der Renaissance und zeigt, dass sie ein großes Problem für die Kommentatoren darstellten.

Purgierung als Indikator für problematische Stellen

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Folie dafür, diejenigen Stellen bestimmen zu können, die für diese Zeit und damit für beide Kommentatoren als besondere textliche Herausforderungen gelten mussten.37

4.2 Purgierung als Indikator für problematische Stellen Neben den genannten verschiedenen Strömungen innerhalb der Gelehrtenwelt und der schulischen Praxis entstand im sechzehnten Jahrhundert ein offizielles, institutionengestütztes System, das sich gegen Schriften wandte, die gegen die herrschenden christlichen Moralvorstellungen verstießen: Indizes und vom Gesetz erzwungene Zensur.38 Besonders die dem Tridentiner Index vorangestellten, von Papst Pius IV. 1564 veröffentlichten Regeln lassen erkennen, dass Obszönität offiziell immer weniger toleriert wurde. Der Index selbst war in einer ersten Fassung 155939 fertiggestellt und 1564 durch eine neue Fassung ersetzt worden. In diesem zeitlichen Rahmen entstand der Horazkommentar des Lambin bzw. seine überarbeitete Zweitfassung. In den dem Index beigefügten Regeln wird ausdrücklich auf das Verbot von obszönen Publikationen hingewiesen: Libri qui res lascivas sive obscoenas ex professo tractant, narrant aut docent, cum non solum fidei sed et morum qui huiusmodi librorum lectione facile corrumpi solent, ratio habenda sit, 40 omnino prohibetur, et qui eos habuerint severe ab episcopis puniantur.

Zwar waren von dieser Regel antike Texte, die sich ohnehin kaum unter den indizierten Büchern finden, wegen ihrer Sprachschönheit ausgeschlossen,41 doch ist anzunehmen,

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Dass Obszönität für beide Kommentatoren tatsächlich problematisch war, wird in den betreffenden Kapiteln noch einmal einzeln herausgearbeitet. Ein Überblick über die Entwicklung der zensorischen Maßnahmen findet sich z. B. bei Annamaria Coseriu, „Zensur und Literatur in der italienischen Renaissance des XVI. Jahrhunderts. Baldassar Castigliones Libro del Cortegiano als Paradigma“, in Alfred Noyer-Weidner (Hrsg.), Literatur zwischen immanenter Bedingtheit und äußerem Zwang, Tübingen 1987, 5–121. Jesús Martínez De Bujanda, „Die verschiedenen Epochen des Index (1550–1615)“, in Hubert Wolf (Hrsg.), Inquisition, Index, Zensur. Wissenskulturen der Neuzeit im Widerstreit, Paderborn 2001, 215–228. Edoardo Tortarolo, „Zensur als Institution und Praxis im Europa der Frühen Neuzeit. Ein Überblick“, in Helmut Zedelmaier, Martin Mulsow (Hrsg.), Die Praktiken der Gelehrsamkeit in der Frühen Neuzeit, Tübingen 2001, 277–294. Achim Hölter, s. v. „Zensur“, in Der Neue Pauly, Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte 15,3 (2003), 1196. Edoardo Tortarolo, „Zensur als Institution“, 2001, 281. DeJean datiert einen Index der verbotenen Bücher auf 1557: Joan DeJean, The reinvention of obscenity. Sex, lies, and tabloids in Early Modern France, Chicago 2002, 11. Laut Jesús Martínez De Bujanda, „Die verschiedenen Epochen des Index“, 2001, 216 gab es 1557 eine erste Fassung, die im folgenden Jahr gründlich überarbeitet wurde. Zitiert bei Charles DeJob, LҲinfluence du Concile de Trente sur la littéraire et les beaux-arts chez les peuples catholiques, Paris 1884, 153.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

dass das oppressive Verhalten der Kirche gegenüber den Gelehrten und der gesamten Buchproduktion einen entscheidenden Einfluss auf das intellektuelle Milieu in der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts, und damit besonders den von Lambin verfassten Kommentar, hatte.42 Auch wenn antike Autoren wie Catull nicht auf dem Index standen, verlangte die Beschäftigung mit ihnen dennoch eine Rechtfertigung,43 besonders in den Jahren nach 1520.44 Diese Art des Umgangs mit Obszönität in antiken Texten ermöglicht es uns als heutigen Lesern, eine zeitgenössische Definition dessen, was das Phänomen bedeutete, vorzunehmen. Auf das Beispiel des Horaz bezogen können durch die Anwendung der zensorischen Grundsätze diejenigen Passagen herausgefiltert werden, die zur Zeit der Entstehung der jeweiligen zensierten Ausgaben aufgrund ihrer Obszönität ein Rezeptionshindernis darstellten. Diese purgierten Ausgaben entstanden häufig im Umfeld der Jesuiten und ihrer Bildungsinstitutionen. Die Situation wird von Eckart Schäfer in seiner Studie zur Horazrezeption folgendermaßen zusammengefasst: Gegenüber der Literatur wandten die Jesuiten, im Anschluß an die Bestimmung des Konzils von Trient, im Wesentlichen zwei Auswahlkriterien an: der christliche Leser sollte vor Schriften geschützt werden, die einerseits seinen Glauben, andererseits seine Sittlichkeit gefährden konnten, wobei als größte Bedrohung für die Moral der Bereich der geschlechtlichen Liebe, sublimiert in der erotischen Dichtung, angesehen wurde. Die Abwehr der impietas zielte auf Immunisierung gegen den Konfessionsfeind, die der obscenitas auf Ausschaltung eines mäch45 tigen Widersachers gegen jenseitigen Erlösungsglauben und asketischen Weltpessimismus.

Die erste Ausgabe dieses Formats Horatius Flaccus ab omni obscenitate Romae expurgatus46 war bereits 156947/157048, also nur wenige Jahre nach dem Lambinkommentar, entstanden.49 Damit kann hier die Zensur paradoxerweise als Indikator für Obszönität gelten, wie Emma Herdman zeigt:

41 42

43 44 45 46 47

48 49

Achim Hölter, s. v. „Zensur“, 2003, 1196. Jesús Martínez De Bujanda, „Die verschiedenen Epochen des Index“, 2001, 217. Es gibt jedoch Untersuchungen, die darüber spekulieren, dass diese Maßnahmen wenig wirkungsvoll waren: Joan DeJean, The reinvention of obscenity, 2002, 12. Edoardo Tortarolo, „Zensur als Institution“, 2001, 281 beschreibt sie als „unrealistisch“. Julia Gaisser, Catullus and his Renaissance Readers, 1993, 171. Gaisser stellt für die Catullrezeption eine größere Freiheit im Umgang mit Obszönität zwischen 1450 und 1520 fest als in den folgenden 450 Jahren: Julia Gaisser, „Picturing Catullus“, 2002, 378. Eckart Schäfer, Deutscher Horaz, 1976, 109–110. Quintus Horatius Flaccus, Quinctus Horatius Flaccus ab omni obscenitate Romae expurgatus, Dilingae excudebat Ioannes Mayer 1596. Antonio Iurilli, Orazio nella letteratura italiana, 2004, 128. Bernard Frischer, „Rezeptionsgeschichte und Interpretation“, 1996, 104: Die expurgierten Ausgaben waren für die Benutzung in Jesuitenschulen gedacht. Eckart Schäfer, Deutscher Horaz, 1976, 110 vergleicht die Ausgaben und stellt fest, dass die Jesuitenausgabe 1593 weniger streng zensiert als die von 1570. Als Grundlage der hier vorgenommenen Studie soll jedoch das Exemplar von 1596 fungieren, da es als Digitalisat der Bayerischen Staatsbibliothek leicht zugänglich ist.

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A relationship thus emerges between obscenity and censorship that is not purely antagonistic: obscenity is essentially provocative, and in obediently conforming to this provocative intention 50 by providing a reaction, censorship paradoxically indicates obscenity’s success.

Auf diese Weise wird die Auswahl objektiv durch den Geschmack und das Verständnis von Zeitgenossen51 festgelegt.

4.2.1 Übersicht: Purgierte Stellen – Index Obscenitatis 4.2.1.1 Odenbuch • Ode 1,4,19–20:

• Ode 1,5 komplett: • Ode 1,6,17–20:

• Ode 1,8,2b–3a: • Ode 1,9,14b:

• Ode 1,1353 komplett: • Ode 1,16,1:

• Ode 1,17,24b–28 [Ende]:

50

51

52

53

nec tenerum Lycidan mirabere, quo calet iuventus | nunc omnis et mox virgines tepebunt:52 Homosexualität, körperliche Liebe, Begehren Lydia-Ode, Erotik, Begehren nos convivia, nos proelia virginum | sectis in iuvenes unguibus acrium | cantamus, vacui, sive quid urimur, | non praeter solitum leves: Erotik Sybarin cur properes amando | perdere: Lydia, Liebesträgheit dulcis amores, 21–24: nunc et latentis proditor intimo | gratus puellae risus ab angulo | pignusque dereptum lacertis | aut digito male pertinaci: Flirt, Erotik Lydia, Erotik, Eifersucht, Begehren O matre pulchra filia pulchrior: weibliche Schönheit; 27–28: fias recantatis amica | opprobiis animumque reddas. Liebesbezeugung nec metues protervum | suspecta Cyrum, ne male dispari | incontinentis iniciat manus | et scindat hae-

Emma Herdman, „Censured and Censored“, 2011, 368, ähnlich 370: „Much of what is censored in the sixteenth century is not obscene, but censorship remains an important indicator of what was considered merely transgressive […]“ und „censorship helps extend the definition of the obscene“. Joan DeJean, The reinvention of obscenity, 2002, 2. Es gilt natürlich zu bedenken, dass der zeitliche Abstand der purgierten Ausgabe zu Landino ca. 100 Jahre zählt. Dennoch wird an den betreffenden Stellen zusätzliches, zeitgenössisches Material zitiert, um die Aussagen zu untermauern. Als generelle Heuristik sollte sich die hier vorgestellte Methode jedoch eignen. Der Horaztext wird hier und an allen anderen Stellen nach Shackleton Bailey (2008) zitiert, dabei wird jedoch, wie bereits angekündigt, i. d. R. kein v vor Vokal verwendet, nur am Satzanfang und bei Großschreibung. Die Ode 1,14 wird in der purgierten Dillingenausgabe fälschlicherweise als 1,13 gezählt: Quinctus Horatius Flaccus ab omni obscenitate Romae expurgatus, 1596, fol. B6 v.

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• 1,19,1–9:

• Ode 1,22,23: • Ode 1,23 komplett: • Ode 1,25 komplett: • Ode 1,27,9–24 [Ende]:

• Ode 1,30 komplett: • Ode 1,33 komplett: • Ode 1,36,17–20 [Ende]:

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rentem coronam | crinibus immeritamque vestem: Begehren, protervitas Mater saeva Cupidinum | Thebanaeque iubet me Semelae puer | et lasciva Licentia | finitis animum reddere amoribus. | urit me Glycerae nitor | splendentis Pario marmore purius; | urit grata protervitas | et vultus nimium lubricus aspici.| In me tota ruens Venus: Begehren, protervitas, Hymne an Venus Charites Chloe wird alt genug für Männer Lydias Alter wird ihre Liebschaften immer weiter reduzieren vultis severi me quoque sumere | partem Falerni? dicat Opuntiae | frater Megyllae, quo beatus | vulnere, qua pereat sagitta. | cessat voluntas? non alia bibam | mercede. quae te cumque domat Venus, | non erubescendis adurit | ignibus, ingenuoque semper | amore peccas. quidquid habes, age | depone tutis auribus. a miser! | quanta laboras Charybdi, | digne puer meliore flamma! | quae saga, quis te solvere Thessalis | magus venenis, quis poterit deus? | vix illigatum te triformi | Pegasus expediet Chimaera: Begehren, Erotik Hymne an Venus Liebesverstrickungen,Venus, Begehren omnes in Damalin putris | deponent oculos, nec Damalis novo | divelletur adultero | lascivis hederis ambitiosior: Erotik, weibliche Verführungskunst

4.2.1.2 2. Odenbuch • Ode 2,4 komplett: • Ode 2,5 komplett: • Ode 2,8 komplett: • Ode 2,11,21–24:

• Ode 2,12,13–28 [Ende]:

Sklavin als Liebesobjekt, weibliche Anziehungskraft Lalage noch nicht reif für Männer, Gyges sieht Mädchen zum Verwechseln ähnlich Barines sexuelle Anziehungskraft Quis devium scortum eliciet domo | Lyden? Eburna dic, age, cum lyra | maturet, incomptam Lacaenae | more comam religata nodo.: das Leben ist kurz, Lyde, die Prostituierte me dulces dominae Musa Licymniae | cantus, me voluit dicere lucidum | fulgentis oculos et bene mutuis

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| fidum pectus amoribus, | quam nec ferre pedem dedecuit choris | nec certare ioco nec dare bracchia | ludentem nitidis virginibus sacro | Dianae celebris die. | num tu quae tenuit dives Achaemenes | aut pinguis Phrygiae Mygdonias opes | permutare velis crine Licymniae, | plenas aut Arabum domos | cum flagrantia detorquet ad oscula | cervicem aut facili saevitia negat | quae poscente magis gaudeat eripi, | interdum rapere occupat?: Liebe zu Licymnia, ihre körperlichen Vorzüge, Küsse 4.2.1.3 3. Odenbuch • Ode 3,6,21–32:

• Ode 3,9 komplett: • Ode 3,10 komplett: • Ode 3,12,1–7:

• Ode 3,14,21–28 [Ende]:

• Ode 3,15 komplett: • Ode 3,19,24–28:

motus doceri gaudet Ionicos | innupta virgo et fingitur artibus, | iam nunc et incestos amores | de tenero meditatur ungui; | mox iuniores quaerit adulteros | inter mariti vina, neque eligit | cui donet impermissa raptim | gaudia luminibus remotis, | sed iussa coram non sine conscio | surgit marito, seu vocat institor | seu navis Hispanae magister, | dedecorum pretiosus emptor. | Non his iuventus orta parentibus | infecit aequor sanguine Punico | Pyrrhumque et ingentem cecidit | Antiochum Hannibalemque dirum: Verführungskünste des Mädchens, weibliche Promiskuität Gespräch zweier Liebender, Eifersucht Paraclausithyron Miserarum est neque amori dare ludum neque dulci | mala vino lavere aut exanimari | metuentis patruae verbera linguae. | Tibi qualum Cythereae puer ales, tibi telas | operosaeque Minervae studium aufert, Neobule, | Liparaei nitor Hebri, | simul unctos Tiberinis umeros lavit in undis: weibliches Begehren dic et argutae properet Neaerae | murreum nodo cohibere crinem; | si per invisum mora ianitorem | fiet, abito. | lenit albescens animos capillus | litium et rixae cupidos protervae; | non ego hoc ferrem calidus iuventa | consule Planco.: Hetäre Neaera, Begehren weibliches Begehren im Alter et vicina seni non habilis Lyco. | spissa te nitidum coma,| puro te similem, Telephe, Vespero | tempestiva

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• Ode 3,20 komplett: • Ode 3,26 komplett:

petit Rhode: | me lentus Glycerae torret amor meae.: Begehren homoerotisches und weibliches Begehren Hymne an Venus, Begehren nach Chloe

4.2.1.4 4. Odenbuch • 4,1 komplett: • Ode 4,9,10b–12: • Ode 4,10 komplett: • Ode 4,11,5–8:

• Ode 4,13 komplett:

Liebeskämpfe, homoerotisches Begehren spirat adhuc amor | vivuntque commissi calores | Aeoliae fidibus puellae: Begehren homoerotisches Begehren multa, qua crinis religata fulges, | ridet argento domus, ara castis | vincta verbenis avet immolato | spargier agno: Tieropfer;54 21–24: Telephum, quem tu petis, occupavit | non tuae sortis iuvenem puella | dives et lasciva tenetque grata | compede vinctum: weibliches Begehren; 29–36: semper ut te digna sequare et ultra | quam licet sperare nefas putando | disparem vites. Age iam, meorum | finis amorum | (non enim posthac alia calebo | femina), condisce modos, amanda | voce quos reddas; minuentur atrae | carmine curae: Liebesratschläge an Frau weibliches Begehren im Alter

4.2.1.5 Epodenbuch • Epod. 3,21–22: • Epod. 5,13–14:

54

manum puella savio opponat tuo, | extrema et in sponda cubet.: Erotik impube corpus, quale posset impia | mollire Thracum pectora: homoerotisches Begehren; 37–38: exsuca uti medulla et aridum iecur | amoris esset poculum: Menschenopfer für Liebestrank; 41–44: non defuisse masculae libidinis | Ariminensem Foliam | et otiosa credidit Neapolis | et omne vicinum oppidum: weibliches Begehren; 69–70: indormit unctis omnium cubilibus | oblivione paelicum?: Liebestrank, sexuelle Promiskuität; 81–82: quam non amore sic meo flagres uti | bitumen atris ignibus: Begehren

Diese Stelle wird also ausnahmsweise nicht wegen der sexuellen Transgressionen, sondern wegen der häretischen Religionspraktiken purgiert.

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• Epod. 8 komplett:

• Epod. 11 komplett: • Epod. 12 komplett:

• Epod. 14,9–16:

• Epod. 15 komplett: • Epod. 17,20

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weibliches Begehren im Alter, graphische Beschreibung des verfallenden, abstoßenden weiblichen Körpers Begehren nach Jungen und Mädchen weibliches Begehren im Alter, graphische Beschreibung des verfallenden, abstoßenden weiblichen Körpers non aliter Samio dicunt arsisse Bathyllo | Anacreonta Teium, | qui persaepe cava testudine flevit amorem | non elaboratum ad pedem. | ureris ipse miser; quod si non pulcrior ignis | accendit obsessam Ilion, | gaude sorte tua; me libertina, nec uno | contenta, Phryne macerat: homoerotisches Begehren, weibliche Promiskuität Begehren, weibliche Promiskuität amata nautis multum et institoribus: weibliche Promiskuität

4.2.1.6 1. Satirenbuch • Sat. 1,2,26:

inguen ad obscenum subductis usque facetus: pimäre Obszönität; 28b–36: sunt, qui nolint tetigisse nisi illas | quarum subsuta talos tegat instita veste | contra alius nullam, nisi olenti in fornice stantem. | quidam notus homo cum exiret fornice, „macte | virtute esto“ inquit sententia dia Catonis, | nam simul ac venas inflavit taetra libido, huc iuvenes aequum est descendere, non alienas | permolere uxores. „nolim laudarier“ inquit | „sic me“ mirator cunni Cupiennius alti.: Empfehlungen zu Sex außerhalb der Ehe, Begehren, lose Moral; 44–54: hunc perminxerunt calones; quin etiam illud | accidit, ut cuidam testis caudamque salacem | demeterent ferro. „iure“ omnes: Galba negabat. | tutior at quanto merx est in classe secunda, | libertinarum dico! „Sallustius in quas | non minus insanit quam qui moechatur?“ at hic si, | qua res, qua ratio suaderet quaque modeste | munifico esse licet, vellet bonus atque benignus | esse, daret quantum satis esset nec sibi damno | dedecorique foret. verum hoc se amplectitur uno, | hoc amat et laudat: „matronam nullam ego tango“: Vergewaltigung, Kastration,

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Empfehlungen zu Sex außerhalb der Ehe; 68–71:. huic si muttonis verbis mala tanta videnti | diceret haec animus „quid vis tibi? numquid ego a te | magno prognatum deposco consule cunnum | velatumque stola, mea cum conferbuit ira?“: graphische Obszönität, sprechendes Glied; 81b–85: tuum tenerum est femur aut crus | rectius, atque etiam melius persaepe togatae. | adde huc, quod mercem sine fucis gestat, aperte | quod venale habet ostendit nec, si quid honesti est, | iactat habetque palam, quaerit, quo turpia celet: Begehren, äußerliche weibliche Anziehungskraft; 90– 108: hoc illi recte. ne corporis optima Lyncei | contemplere oculis, Hypsaea caecior illa, | quae mala sunt, spectes. „o crus, o bracchia.“ verum | depugis, nasuta, brevi latere et pede longo est. | matronae praeter faciem nil cernere possis, | cetera, ni Catia est, demissa veste tegentis. | si interdicta petes, vallo circumdata (nam te | hoc facit insanum), multae tibi tum officient res, | custodes, lectica, ciniflones, parasitae, | ad talos stola demissa et circumdata palla, | plurima, quae invideant pure apparere tibi rem. | altera, nil obstat: Cois tibi paene videre est | ut nudam, ne crure malo, ne sit pede turpi; | metiri possis oculo latus. An tibi mavis | insidias fieri pretiumque avellier ante | quam mercem ostendi? „leporem venator ut alta | in nive sectetur, positum sic tangere nolit“ | cantat et adponit „meus est amor huic similis; nam | transvolat in medio posita et fugientia captat.“: äußerliche weibliche Anziehungskraft; 116b–134 [Ende]: tument tibi cum inguina, num, si | ancilla aut verna est praesto puer, impetus in quem | continuo fiat. malis tentigine rumpi? | non ego: namque parabilem amo Venerem facilemque. | illam „post paulo“ „sed pluris“ „si exierit vir | Gallis, hanc Philodemus ait sibi, quae neque magno | stet pretio neque cunctetur cum est iussa venire. | candida rectaque sit, munda hactenus, ut neque longa | nec magis alba velit quam dat natura videri. | haec ubi supposuit dextro corpus mihi laevum, | Ilia et Egeria est; do nomen quodlibet illi. | nec vereor ne dum futuo vir rure recurrat, | ianua frangatur, latret canis, undique magno | pulsa domus strepitu resonet,

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• Sat. 1,4,27:

• Sat. 1,5,15b:

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vepallida lecto | desiliat mulier, miseram se conscia clamet, | cruribus haec metuat, doti deprensa, egomet mi, | discincta tunica fugiendum est et pede nudo, | ne nummi pereant aut puga aut denique fama. | deprendi miserum est: Fabio vel iudice vincam.: Begehren, weibliche körperliche Anziehungskraft, Anleitung zum Ehebruch hic nuptarum insanit amoribus, hic puerorum: Begehren nach verheirateten Frauen oder päderastisches Begehren absentem ut cantat amicam: Liebeslied; 82–85: hic ego mendacem stultissimus usque puellam | ad mediam noctem exspecto; somnus tamen aufert | intentum Veneri. tum inmundo somnia visu | nocturnam vestem maculant ventremque supinum: feuchter Traum des Horaz

4.2.1.7 2. Satirenbuch • Sat. 2,5,75–82:

• Sat. 2,7,46–52:

laudato. scortator erit? cave te roget; ultro | Penelopam facilis potiori trade.“ „Putasne | perduci poterit tam frugi tamque pudica, | quam nequiere proci recto depellere cursu?“ | „venit enim magnum donandi parca iuventus | nec tantum Veneris quantum studiosa culinae.| sic tibi Penelope frugi est; quae si semel uno | de sene gustarit tecum partita lucellum: Ehebruch „Te coniunx aliena capit, meretricula Davum: | peccat uter nostrum cruce dignius? acris ubi me | natura intendit, sub clara nuda lucerna | quaecumque excepit turgentis verbera caudae | clunibus aut agitavit equum lasciva supinum, | dimittit neque famosum neque sollicitum, ne | ditior aut formae melioris meiat eodem“: Ehebruch

4.2.1.8 1. Epistelbuch • Epist. 1,7,28: • Epist. 1,14,33: • Epist. 1,15,21:

inter vina fugam Cinarae maerere protervae: weibliches Begehren quem scis immunem Cinarae placuisse rapaci: weibliches Begehren quod me Lucanae iuvenem commendet amicae: jugendliche Kraft für Liebe

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

4.2.2 Charakter der Purgierung Aufgrund dieser Stellenauswahl lässt sich, wie oben bereits angedeutet, eine zeitgenössische Schablone für Obszönität entwickeln, die aus den mit Horaz verbundenen Schriften selbst stammt. Als obszön werden in der Jesuiten-Ausgabe die Erwähnung von Sexualität allgemein, die oft allein durch ein Begehren oder eine körperliche Handlung angedeutet ist, explizite Homosexualität und Skatologie angesehen. Besonders problembehaftet scheint die Äußerung von weiblichem Begehren zu sein und die Darstellung der Macht, die attraktive Frauen über Männer ausüben. Mit Hilfe dieses Rasters lohnt es sich nun, auf die hier behandelten Kommentare zurückzugehen und aus der Behandlung der problematischen Stellen ihrerseits ihre Kommentatorpersona und Kommentierungsstrategie zu analysieren. Dabei ist ein Rückgriff auf die in den Paratexten getroffenen Aussagen zu intendierter Leserschaft, Widmungsempfänger und Kommentierungszweck nötig. Eine solche Ausgabe wie die jesuitische erhöhte durch ihre Purgierung paradoxerweise die Popularität und Interessantheit der obszönen Sache selbst. Darüber hinaus zementierte sie den transgressiven Charakter der Obszönität geradezu und bewirkte so das Gegenteil von dem, was sie eigentlich beanspruchte.55 Im Folgenden werden die jeweiligen Strategien des Umgangs mit Obszönität an verschiedenen Passagen demonstriert. Dabei fungiert die vorliegende Auswahl durch die Dillinger Ausgabe als Hilfe zur Vorauswahl der zu untersuchenden Passagen und des Begriffsverständnisses von obscenitas im Zusammenhang mit Horaz.

4.3 Landinos Kommentierung obszöner Stellen 4.3.1 Rahmenbedingungen für Landinos Umgang mit der horazischen Obszönität Landinos Umgang mit den problematischen Passagen lässt sich in einige Tendenzen ausdifferenzieren. Diese wiederum charakterisieren seine Kommentierweise und Kommentatorpersona anschaulich und ermöglichen einen umfassenderen Blick auf sein Gesamtwirken als Gelehrter und Humanist. Bevor die Stellen en détail untersucht werden, sind jedoch noch einige Vorbemerkungen zum Spektrum der obscenitas in seinem Umfeld und eigenen Wirken notwendig. 55

Dabei verstärkte die Zensur paradoxerweise sogar die Wirkkraft von Obszönität: Emma Herdman, „Censured and Censored“, 2011, 367–368. Joan DeJean, The reinvention of obscenity, 2002, 2 bezeichnet diese Beziehung als „intime Komplizenschaft“. Zu diesem paradoxen Charakteristikum von Zensur und Purgierung vgl. Carol O’Sullivan, „Censoring these ‚racy morsels of vernacular‘: loss and gain in translations of Apuleius and Catullus“, in Eiléan Ní Chuilleanáin, Cormac Ó Cuilleanáin, David L. Parris (Hrsg.), Translation and Censorship. Patterns of Communication and Interference, Dublin 2009, 91. Hugh Roberts, „Emblem books“, 2011, 97.

Landinos Kommentierung obszöner Stellen

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Mehrere Faktoren beeinflussten den Umgang des Kommentators mit Obszönität. Erstens war er als Professor am Studio der offiziellen Florentiner Gesetzgebung und gesellschaftlichen Vorstellungen verpflichtet. Dabei zeigt sich, dass sowohl homo- als auch heterosexuelle Obszönität im Italien und besonders im Florenz des fünfzehnten Jahrhunderts Reizpotential bot. Zweitens dürfte er von der Florentiner platonischen Akademie in seinem Umgang mit Obszönität beeinflusst worden sein. Für den Bereich der homoerotischen Obszönität bietet ein Blick auf die Rezeption der platonischen Dialoge einen guten Vergleich, da dort Landinos intellektuelles Milieu angesiedelt war. Drittens lässt sich in seiner persönlichen dichterischen Biographie ein vergleichbarer Trend zu einem Konservatismus in seiner Sprach- und Motivwahl erkennen. Viertens adressiert er den Horazkommentar ebenso an ein jüngeres Publikum, in erster Linie sogar den Sohn seines Gönners, und baut Horaz, wie bereits im vorherigen Kapitel gezeigt, als moralische und sprachliche Autorität auf. All diese Indizien, die im Einzelnen noch weiter ausgeführt werden, legen nahe, dass für Landino die horazische Obszönität ein großes Problempotential geboten haben muss. Er war zwar Teil einer Gelehrtenwelt, die besonders im lateinischsprachigen Bereich einen Immunitätsraum für die sprachliche Behandlung von Obszönität, besonders der homoerotischen Obszönität bot. Zieht man jedoch seine eigenen Gedichte heran, traf dies für den Horazkommentar und Landino nicht zu. 4.3.1.1 Homosexualität im Florenz des Quattrocento Ein Kernpunkt der Problematik horazische Obszönität ist für Landino die Verwendung von homoerotischen und päderastischen Motiven durch Horaz. Warum Landino besonders hier stark in das Textverständnis eingreift, wird in die Betrachtung der gesellschaftlichen und intellektuellen Behandlung von Homosexualität in Tat und Schrift im Florenz des Quattrocento eingebettet. Homoerotische Obszönität macht zwar nur einen Teil der horazischen Obszönität aus, kann aber als exemplarisch für alle transgressiven Stellen stehen. Sie ist als Diskurs leichter greifbar als heterosexuelle Obszönität, da praktizierte Homosexualität im Florenz des fünfzehnten Jahrhunderts offiziell strafbar war. Dabei ist auf legaler Ebene vor allem der Umgang mit dem damaligen Tatbestand der Sodomie ein historisch gut dokumentierter und besonders für Florenz notorischer Aspekt der Übertretung christlicher Moralvorstellungen. In Gelehrtenkreisen war sie hingegen zwar oft Teil einer polemischen Schreibweise, jedoch im neuplatonischen Kreis, dem Landino angehörte, verpönt. Gesellschaftlich-legale Aspekte Das Thema der Homosexualität im Quattrocento war besonders in Florenz konfliktgeladen, da die Stadt in diesem Bereich einen fast schon notorisch schlechten Ruf

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

genoss,56 was innerhalb der Stadtpolitik einen verschärften Umgang mit homosexuellen Praktiken nach sich zog.57 Besonders wirksam war die Verfolgung von Amoralität und speziell Homosexualität in den neunziger Jahren des Quattrocento unter Lorenzo de’ Medici und damit zur Zeit Landinos, wie Michael Rockes Untersuchungen zeigen: „At no time in the history of the Florentine Republic were the social, political, and moral divergences over sodomy in this community more strident, or disputed more publicly, than during the last decade of the fifteenth century.“58 Sodomie war in Florenz nicht nur gesetzlich illegal, sondern wurde im allgemeinen gesellschaftlichen Diskurs scharf verurteilt.59 In dieser aufgeladenen gesellschaftlichen Situation ist es anzunehmen, dass sich Landino in seiner exponierten Stellung als Professor davor hüten musste, Vorwürfen der Amoralität ausgesetzt zu werden, wenn er sich mit der horazischen Homoerotik beschäftigte. Das intellektuelle Milieu Landinos: Die platonische „Akademie“ um Ficino Diese gesellschaftlichen Rahmenbedingungen schlugen sich auf die gelehrten Diskurse in Florenz nieder, insbesondere ist dies für die neuplatonische „Akademie“ untersucht. Die platonischen Texte, die voller Motive der Päderastie und Homoerotik waren, stellten für die Rezipienten, Editoren und Übersetzer eine große Herausforderung dar, der sie besonders oft mit zensorischen Maßnahmen begegneten: 56

57

58 59

Italien insgesamt und andere Staaten wie Venedig unterlagen einer ähnlichen Assoziation, jedoch nirgendwo so intensiv, wie dies mit Florenz geschah. Barbara Beuys, Florenz. Stadtwelt – Weltstadt. Urbanes Leben von 1200 bis 1500, Reinbek bei Hamburg 1992, 248. Tamar Herzig, „The Demons’ Reaction to Sodomy: Witchcraft and Homosexuality in Gianfrancesco Pico della Mirandola’s ‚Strix‘“, in The Sixteenth Century Journal 34 (2003), 65. Für die Verfolgung von Sodomie in Venedig vgl. Guido Ruggiero, The Boundaries of Eros. Sex crime and sexuality in Renaissance Venice, Oxford 1985, 109–145. Guido Ruggiero, „Sexual Criminality in the Early Renaissance: Venice 1338–1358“, in Journal of Social History 8 (1975), 18–37. Steven Stowell, „Visualizing the Sodomites in Dante’s ‚Commedia‘“, in Dante Studies 126 (2008), 148–149. Stowell bezieht sich auf: Michael Rocke, Forbidden Friendships, Homosexuality and Male Culture in Renaissance Florence, New York 1996, 4–5: Ausgehend von Michael Rockes einflussreicher Studie zu Homosexualität in Florenz und Archivfunden geht Steven Stowell davon aus, dass ungefähr die Hälfte der männlichen florentinischen Bevölkerung vor Gericht zitiert wurde aufgrund von „transgenerational homosexual relationship[s]“. Diese Gerichte, bestehend aus den Ufficiali di Notte, waren im Laufe des fünfzehnten Jahrhunderts speziell zur Verfolgung moralischer Übertritte und wohl zur Verbesserung des Florentiner Rufs 1432 ins Leben gerufen worden, vgl. Tamar Herzig, „The Demons’ Reaction to Sodomy“, 2003, 65. Barbara Beuys, Florenz, 1992, 249 erwähnt die städtische Gründung von zwei Bordellen im Jahr 1415, mit deren Diensten die Praktik der Sodomie unterbunden werden sollte. Michael Rocke, Forbidden Friendships, 1996, 195. Tamar Herzig, „The Demons’ Reaction to Sodomy“, 2003, 65–66. Alan Stewart, „The singing boy and the scholar: The various deaths of Politian“, in Ingrid de Smet, Philip Ford (Hrsg.), Eros et Priapus. Erotisme et obscénité dans la littérature néo-latine, Genève 1997, 46.

Landinos Kommentierung obszöner Stellen

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Through their knowledge of Greek, Italian humanists became familiar with a wider range of Platonic dialogues than had been known in the Middle Ages; but they did not always like what they read. Among the things they found particularly offensive was the homosexual and pederastic orientation of Platonic love. Leonardo Bruni, the most prominent early translator of Plato, felt obliged to bowdlerize his Latin versions of the Phaedrus (1424) and the Symposium 60 (1435).

Bruni und andere Humanisten wagten zunächst nicht, homoerotische Passagen bei Platon der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Ein entscheidender Wandel setzt mit Marsilio Ficino ein. Dieser lieferte eine komplette Übersetzung der Dialoge ohne Purgierung,61 entproblematisierte sie allerdings in einem weiteren Schritt und christianisierte sie durch Allegorese.62 Desgleichen retteten Pico della Mirandola und Kardinal Bessarion den Text, indem sie ihn inhaltlich einer castigatio unterzogen, sexuelle Elemente ins Konzept der platonischen Liebe überführten, wobei die Liebe zwischen Männern zu einem Liebesideal spiritueller Selbst-Perfektionierung stilisiert wurde.63 Die Homoerotik und Päderastie im platonischen Text wird also dem Bereich des Problematischen durch Erhöhung entzogen, sublimiert, transzendiert. Auch Leonard Barkan verortet die Textexegese des Neuplatonismus – exemplarisch gezeigt am Ganymed-Mythos – im Transzendenten.64 Mit dieser Sublimierungsstrategie hatten die Neuplatoniker seit Ficino einen Weg gefunden, durch ebensolche Lese- und Exegesetechniken den Text beizubehalten, ohne ihn zensieren zu müssen. Dass sie allerdings entsprechende textuelle Verrenkungen vornehmen mussten, zeigt, wie problematisch ihnen das vorliegende Material erschien. Für den Florentiner Professor und Neuplatoniker Landino ergab sich also schon aus seinen beruflichen, sozialen und intellektuellen Kontexten verstärkt die Notwendigkeit, sich begradigend oder zensierend mit der bei Horaz vorzufindenden Obszönität auseinanderzusetzen.

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61 62

63

64

Jill Kraye, „The transformation of Platonic love in the Italian Renaissance“, in Anna Baldwin, Sarah Hutton (Hrsg.), Platonism and the English imagination, Cambridge 1994, 76. James Hankins, Plato in the Italian Renaissance, Leiden 1990, 11–12, 47, 56, 70. James Hankins, Plato in the Italian Renaissance, 1990, 314. Elisabeth Ladenson, s. v. „Censorship“, in Anthony Grafton, Glenn W. Most, Salvatore Settis (Hrsg.), The classical tradition, Cambridge, Mass. 2010, 184. Jill Kraye, „The transformation of Platonic love“, 1994, 78. James Hankins, Plato in the Italian Renaissance, 1990, 70. Jill Kraye, „The transformation of Platonic love“, 1994, 77–81. Kraye hebt hervor, dass der einzige positive Rezipient der platonischen Homoerotik der „pornographische“ Dichter Panormita war, der in seinem Hermaphroditus von 1425 die Dialoge als Vorlage für seine eigene Dichtung verwendete. Ansonsten waren die problematischen Passagen ein gefundenes Fressen für den Platongegner Georg von Trapezunt. Leonard Barkan, Transuming Passion, Stanford 1991, 71–74.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

4.3.1.2 Landino und obszöne Motivik Wurde bisher verstärkt das Umfeld Landinos betrachtet, so lässt sich ein weiterer Einflussfaktor auf seine Kommentierweise aus seiner eigenen dichterischen Vita rekonstruieren. Er unterzog seine Xandra in einer Neuausgabe einer großen Überarbeitung, der die Obszönität zum Opfer fiel. In seiner Jugendfassung hatte er zunächst die dichterische Freiheit in heiklen Bereichen voll ausgenutzt, was z. B. im invektiven Gedicht gegen einen nicht näher identifizierten pedicator Niederschlag fand: Ad pedicatorem Das vitio nobis teneras ardere puellas. 65 At tu pedicas: rectius ergo sapis.

Landino empfand diese Obszönität jedoch ab einem gewissen Punkt als störend. Das oben genannte Gedicht war Teil der ersten Ausgabe der Gedichtsammlung Xandra, wurde allerdings in der zweiten Fassung getilgt. Anhand der nachträglichen Bearbeitung seines dichterischen Œuvres ist es möglich, einen Blick auf die Art und Weise zu werfen, wie Landino allgemein sprachliche Obszönität behandelte und wie sich dies dann auf seine danach erfolgte Horazkommentierung auswirken konnte. Insgesamt werden vier verschiedene, doch miteinander verbundene, nachträgliche Entschärfungsmaßnahmen erkennbar. Erstens betrieb Landino rückwirkende Selbstzensur in der Neuausgabe seiner Dichtung von 1459.66 Alle Gedichte, die aus der Neuausgabe entfernt werden, waren explizit mit Obszönität befasst.67 Martin McLaughlin und Antonia Wenzel erkennen in der redigierten Fassung seiner Xandra-Gedichte ein Auslassen von obszönen Themen hin zu einer größeren Seriosität und veränderten, idealisierten Liebesauffassung. Purgiert wird von ihm z. B. folgendes Gedicht (B 49), dass sich in typisch martialischer Manier einer Pointe des Wortspiels menta-mentula bedient: Ad Leandram Misisti mentam, scio, qua ratione, Leandra, 68 ut tibi pro menta mentula nostra siet.

Zweitens bescheinigt ihm Antonia Wenzel in seinem späteren dichterischen Wirken eine entsexualisierende imitatio-Methode, bei der er seine obszönen antiken Vorlagen entschärft habe. Sie zeigt dies anhand seiner Nachahmung von Properz 2,14 (in Landinos Gedicht B 8) und Ovids Amores (in Landinos Gedicht B 19).69 Jörg Robert stellt 65 66 67 68 69

Landino Xandra 39 (aus der früheren Redaktion), Mary P. Chatfield, Landino, Cristoforo, 2008, 252. Martin L. McLaughlin, Literary Imitation 1995, 168. Jörg Robert, „Lateinischer Petrarkismus“, 2004,125. Martin L. McLaughlin, Literary Imitation 1995, 168. Antonia Wenzel, Die Xandra-Gedichte, 2010, 122. Antonia Wenzel, Die Xandra-Gedichte, 2010, 50–51.

Landinos Kommentierung obszöner Stellen

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ähnliche Tendenzen fest und benennt sie mit Ethisierung, Petrarkisierung und Platonisierung.70 Die Anzahl der in der Gedichtsammlung erwähnten Geliebten sei auf eine einzige, Xandra, reduziert und die Gattung der Liebeselegie in seiner imitatio moralisch bereinigt worden. Durch Petrarkisierung habe er sein dichterisches Vorbild Properz abgemildert und in einen zurückhaltenden Liebesdiskurs verschoben. Besonders diese von Jörg Robert untersuchte Strategie lässt sich im Horazkommentar zeigen. Drittens gab es bei Landino einige selbstreflexive poetologische Äußerungen innerhalb seines Œuvres, in denen er sich explizit dazu äußert, dass manche seiner Gedichte nicht ganz dem sittlichen decorum entsprachen. Dies wird sich z. B. in seinem Epigramm an einen gewissen Anastasius ersichtlich: Ad Anastasium Dicis, Anastasi, nostros te optare libellos et mea vis posita carmina adesse mora. Dispeream, versus cupiam ni mittere nostros, sed nequeunt claudi tedia ferre vie. Tristia preterea tam sancti iudicis ora, 71 cum sint lascivi, se tollerare negant.

Außerdem finden wir viertens einen Hinweis auf seine eigene Keuschheit in einer Elegie an Bartolomeo Scala. Landino schreibt sich also in die bereits angesprochene Tradition der lex Catulliana ein. Er stilisiert sich selbst als untadelig und moralisch einwandfrei:72 Nam licet ex humili populo mea surgat origo, 73 casta tamen semper et sine labe fuit;

Für seine Gedichtsammlung Xandra sind folglich bereits bestimmte Strategien im Umgang mit obszöner Motivik vorgeprägt. In der hier vorliegenden Untersuchung zeigt sich, dass Landino als Kommentator ein ähnliches Vorgehen für seine Kommentierung des Horaztexts anwendet. 4.3.1.3 Der Umgang mit Obszönität in den Paratexten Nach diesen Vorbemerkungen zum weiteren und engeren Umfeld von Landinos Kommentiertätigkeit ist ein Rückblick auf die Paratexte der Horazausgabe von großem Nut70 71

72 73

Jörg Robert, „Lateinischer Petrarkismus“, 2004, 125–126. Landino B 38, Antonia Wenzel, Die Xandra-Gedichte, 2010, 108. Dass dies natürlich eine programmatisch-poetologische Aussage im Stil Martials und Catulls und der lex Catulliana ist, tut der grundsätzlichen Erkenntnis, dass sich das Sprecher-Ich mit der Problematik der sprachlichen Transgression befasst, keinen Abbruch. Außerdem parallelisiert er seine eigene Vita mit der Stilisierung, die er Horaz in den Paratexten zukommen lässt. Beide blicken auf eine bescheidene Herkunft, siehe Kapitel 3. Landino 1,24,15–16, Alessandro Perosa (Hrsg.), Christophori Landini Carmina omnia. Ex codicibus manuscriptis, Florentiae 1939.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

zen. Landino nahm dort eine hohe Stilisierung seines kommentierten Autors Horaz vor. Genau an dieser Darstellung muss sich seine Kommentierung im Text messen lassen. Es ist zwar in der Forschung mehrfach festgestellt worden, dass die Ansprüche in den Paratexten und die tatsächliche Ausführung im Kommentar nicht immer passend sind,74 doch ist das hier etablierte Bild ein weiterer Faktor, der der problemlosen Rezeption der obszönen Stellen bei Landino im Weg steht. Dies ist besonders deshalb wichtig, weil die Gedichte, die gegen zeitgenössische moralische Normen verstoßen, bereits in Ode 1,4 beginnen und sich dann in großer Häufigkeit durch die Dichtung des Horaz ziehen. Landino beginnt seine Horazrettung bereits in den Paratexten wie anhand der Vita gezeigt werden konnte.75 Ähnliche Verfahren wird er im Kommentar auf einzelne Stellen anwenden.

4.3.2 Strategien im Umgang mit Obszönität im Horazkommentar Landinos Landino bedient sich auch in seinem Kommentieren verschiedener Strategien, um mit horazischer Obszönität umzugehen. Erstens lenkt er die Aussagen, die bereits bei Horaz moralisierend sind, oft in eine noch stärker ethisierende Lesart.76 Immer wenn dies für den Kommentator nicht möglich ist, nähert er sich der Problematik anders. Entweder zensiert er seine Kommentierung, indem er bewusst die homoerotische Komponente in Horaz’ Text marginalisiert oder völlig unterdrückt, oder er wendet die Schuld von Horaz ab, um ihn als integre Persönlichkeit erhalten zu können. Als dritte Möglichkeit harmonisiert er die obszönen Bestandteile der horazischen Dichtung mit der Einbeziehung von Petrarcas reinigender Reputation. 4.3.2.1 Horaz und Landino als Sittenprediger Die erste Strategie, die für Landinos Kommentieren von obszönen Stellen typisch ist, ist die der moralisierenden Exegese. Voraussetzung für diese Lesart ist, dass Horaz in seiner Selbstdarstellung keine Handlungen beschreibt, die moralisch transgressiv sind. Ist das der Fall, muss der Kommentator andere Strategien ergreifen, wie noch zu zeigen sein wird. An den Stellen jedoch, an denen es der Horaztext zulässt oder es dem Kommentator gelingt, dies so zu lenken, kann Landino Horaz in seiner Funktion als Tugendlehrer herausarbeiten und ihm in seinem Moralisieren folgen. Landino verstärkt also die Aussagekraft der horazischen Gedichte in diesem Bereich. Dabei kann er sich als Kommentator gut auf Horaz abbilden. Ausgangstext und Kommentartext geben dabei Anlass, sich den Ansprüchen gemäß zu äußern, die in den Paratexten etabliert wurden

74 75 76

Otfried Lieberknecht, Allegorese und Philologie, 1995, 31. Vgl. Abschnitt 3.3.1.4. Den Begriff der Ethisierung ist Jörg Robert entnommen, vgl. FN 70.

Landinos Kommentierung obszöner Stellen

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und die dem zeitgenössischen Umfeld und dem Publikum Landinos entsprechen. Das bedeutet jedoch häufig, dass der spielerisch-ironische Ton des Horaz von Landino moralisch überformt wird. Interessanterweise bewirkt es außerdem, dass der Kommentator an einigen Stellen stark obszönes Gedankengut detailliert ausführt. Gerade nachdem Horaz als Tugendlehrer erhalten bleibt, hat der Kommentator große Freiheit im umfassenden Erklären von sexuellen Themen. Allerdings baut er dabei oft Vorsichtsmaßnahmen ein, um das Ansehen des Horaz nicht zu beschädigen. Ich werde bei der Betrachtung aller hier angeführten Gedichte die obszönen Passagen zitieren, kontextualisieren und in Landinos gesamtkommentatorisches Konzept einfügen. Diese reichen von kurzen Halbversen bis zu vollständigen Gedichtkommentierungen. Teilweise muss sogar das Gattungsverständnis der zu kommentierenden Gedichte beleuchtet werden. Der Nachteil der systematischen Darstellungsweise der Strategien ist, dass die Kommentierung als Gesamtwerk, teilweise sogar innerhalb der einzelnen Lemmata zerrissen wird. Doch ist dies für eine problemorientierte, fokussierte Analyse der einzelnen Passagen und Wörter nötig. Zunächst erfolgt ein Blick auf die Darstellung des Horaz als Tugendlehrer in drei verschiedenen Gedichten, bevor die Verwendung der invektiven (häufig unter der Identifikation der Frau als meretrix) und damit moralisierend-tadelnden Horazexegese im Mittelpunkt steht. Einfache Moralisierungen Anhand der folgenden drei Oden, die sich alle an einen männlichen Adressaten richten, wird zunächst gezeigt, wie es Landino gelingt, Horaz als den Tugendlehrer kommentierend herauszuarbeiten, als den er ihn in seinen Vorreden bezeichnet hatte. Ode 1,33 In Ode 1,33 wendet sich Horaz an einen Albius, den er von seinem Liebesleid abbringen will (V. 1–4): Albi, ne doleas plus nimio memor immitis Glycerae, neu miserabilis descantes elegos, cur tibi iunior laesa praeniteat fide.

Nach dem Muster, das später näher beleuchtet wird,77 bezeichnet Landino die Frau, die das Liebesleid des Albius verursacht hatte, in der Überschrift des Gedichts als Prostituierte, als scortum: Solatur Albium a scorto neglectum.

77 78

78

Siehe den folgenden Abschnitt. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. fii r. Vgl. Donatella Coppini, „Il commento a Orazio di Cristoforo Landino“, 2013.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Im weiteren Verlauf der Ode wird Horaz als ethisch-philosophischer Tugendlehrer dargestellt. Er habe die Argumente aus würdevollen philosophischen Quellen auf leichte Liebeleien angewandt: Man solle sich nicht gegen etwas auflehnen, das man mit vielen anderen gemein habe, wie es am Beispiel der unglücklichen Liebe der Lycoris zu Cyrus deutlich gemacht werde: Insignem] argumentationibus e gravioribus philosophiae locis eductis ad levissimas amatorias res probandas utitur, scilicet non esse ea recusanda, quae nobis accidant cum multis communia, quod probat exemplo Lycoridis, quae, cum pulchra sit et vehementer Cyrum amet, tamen 79 ab eo non amatur.

Horaz bleibt in der Kommentierung dieser Ode als praeceptor morum erhalten. Ode 2,5 In Ode 2,5 wird von Horaz beschrieben, dass ein junges Mädchen noch nicht reif für Geschlechtsverkehr sei. Dies geschieht in der Metaphorik einer jungen Kuh (V. 1–4). Die Gesamtaussage des Gedichts ist stark sexualisiert: Nondum subacta ferre iugum valet cervice, nondum munia comparis aequare nec tauri ruentis in Venerem tolerare pondus.

Landino kommentiert die Ode eher keusch und betont mehrmals die Funktion des Horaz als Tugendlehrer. Dies lässt sich bereits an der Überschrift erkennen: Docet non esse properandum ad virginis osculum.80 Die klar auf Geschlechtsverkehr ausgehende Rhetorik wird von Landino als Verlangen nach einem schlichten Kuss euphemisiert. Das docet verweist auf die didaktische Qualität des Texts, die sich durch die weitere Kommentierung der Ode hindurchziehen wird. Als der Kommentator schließlich doch thematisiert, dass es sich um Geschlechtsverkehr (und nicht nur Küsse) handele, nimmt er den Dichter sofort wieder in Schutz, denn dieser würde die res turpiuscula durch seine allegorische Darstellungsweise verbessern (honestat): Nondum subacta] rem turpiusculam allegoria honestat admonetque sodalem, ne eam, quae adhuc viri potens non sit tangat, per comparationem iuvencae, quae nondum taurum ferre 81 queat.

Die Charakterisierung der Stelle als allegoria ist von Pseudo-Acro und Porphyrio82 übernommen. Horaz wird wiederum als moralisch gut dargestellt, wenn seinen Freund 79 80 81 82

Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. fii v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. giii v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. giii v–giiii r. Ps.-Acro Comm. Hor. Ode 2,5,1: Nondum subacta ferre iugum valet] […] Quam comparat per allegoriam iuvencae, et a translatione incipit dicendo, iugum eam coniunctionis ferre non posse nec tauri tolerare pondus, […]. Porph. Comm. Hor. Ode 2,5,1–2: Nondum subacta ferre iugum

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Landinos Kommentierung obszöner Stellen

ermahnt (admonet). Landino erweitert den Kommentar außerdem noch durch den Hinweis, dass es Aufgabe der Ehe sei, Kinder hervorzubringen, wobei er auf zeitgenössische christliche Moralvorstellungen zurückgreift, wie am Lemma comparis] (V. 2) ersichtlich wird: Comparis] enim coniugii munus est commisceri ad liberos procreandos.

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Dem Kommentator gelingt seine Aufgabe: Er umschreibt das hochsexualisierte Thema der Ode euphemistisch, erhält Horaz als Tugendlehrer und streut sogar noch christlichmoralische Lehren in die Kommentierung ein. Satire 1,2 Die Satiren stellen bei der Untersuchung der Kommentierung obszöner Stellen einen Sonderfall dar. Darauf bereitet Landino seine Leser in einer erneuten Ansprache an Guidobaldo, den Widmungsempfänger des Kommentars, vor. In den folgenden Gedichten des Horaz, so Landino, fehle oft eine gewisse Ernsthaftigkeit. Dies resultiere daraus (wie bereits in Kapitel 3 angemerkt), dass Horaz mit Humor seine Leser täusche (dissimulatio), sodass sie nicht bemerkten, dass sie getadelt werden.84 Zweitens plausibilisiert er die Charakteristik der Unernstigkeit über die Herkunft der Satire aus der Traditionslinie des humorigen Satyrspiels: Argumentum autem harum fabularum ludis iocisque refertissimum erat proptereaque tragoediis saepe in theatris admiscebatur Satira, ut sua iocunditate tristem illam tragoediarum severitatem mitigaret. Hae igitur personae in Satira ridicula inter se ac lasciva iactant, ut latius ride85 re possumus in iis […].

Bei Satire 1,2 handelt es sich um ein insgesamt für Landinos Rezeptionszeit heikles Gedicht. Horaz empfiehlt Ehebruch mit freigelassenen Frauen und nicht mit Matronen oder Sklavinnen.86 Die Satire ist voller verbaler und inhaltlicher Obszönität.87 Landino nimmt daher das erste Lemma seiner Kommentierung noch einmal zum Anlass, ihre Grundaussage im Gattungskontext zu erklären. Dabei betont er, dass die Satire zwar

83 84

85 86 87

valet cervice] Hac ‫į߱ allegoricos cum eo agit, qui inhabilem adhuc viro puellam persequitur, quae lusus magis quam rerum veneriarum cupida sit. Der Kommentator nimmt also keine eigenständige Allegorese vor. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. giiii r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. riii r. Mit Jörg Robert, „Lateinischer Petrarkismus“, 2004, 131 zeigt, dass Ficino eine ganz ähnliche Strategie für die problematischen Stellen bei Platon anwendete: „Wie die Pluralität Landinos ist die Ficinos eine synthetisierende, gleichsam zentripetale. Das Diskrepante wird negiert und geglättet, indem es Platons Strategie der dissimulatio und des serio ludere zugerechnet wird.“ Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. riii r. Laut Gowers bieten dabei die freigelassenen Frauen die unkomplizierteste Wahl: Emily Gowers, Horace, Satires Book 1, Cambridge 2012, 86. Emily Gowers, Horace, Satires Book 1, 2012, 87–88.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

nicht ernst (procul a gravitate) sei, aber diejenigen Übel (mala) hervorkämen, die der Satiriker tadelnd abschaffen wolle. Der humorvolle Ton sei, das betont Landino erneut, ein besonderes poetisches Mittel, um den Menschen zu verbessern, ohne dass dieser es merke:88 Ambubaiarum collegia pharmacopolae] […] In praesenti autem Satira cum procul a gravitate viri omnino levitas sit et inconstantia. Indeque multa mala proveniant humanae vitae. Hanc quoque abominandam aggreditur. Verum ut hominis mos est, ita serio tractat, ut urbanitate quoque illa aspergat et aculeos invectivae ita occultet, ut, nisi postquam intra viscera recepti sunt, minime advertantur. Sunt ergo summopere vituperandi, qui ab extremo ad extremum ita 89 rapiuntur, ut nullam mediocritatis rationem habeant. […]

Wichtigste Aussage der Satire sei die Ermahnung zur mediocritas. Wieder erhält Landino, Horaz als Tugendlehrer.90 Mit dieser Bekräftigung entproblematisiert der Kommentator den Inhalt vorsorglich. Denn im Gedicht finden sich viele Elemente, die eine philosophische Deutung erschweren, da sie lexikalische Erklärungen von obszönen Worten enthalten. Das soll anhand der folgenden drei Beispiele gezeigt werden: In V. 43 beschreibt Horaz, dass es manchen Ehebrechern gelänge, durch eine Ablösezahlung schlimmeren Körperverletzungen zu entgehen: […] dedit hic pro corpore nummos

Landino liest den Vers als Verhinderung der Strafe der Kastration:91 Pro corpore] pro redemptione corporis, id est obscenae partis corporis, scilicet, ne castrare92 tur.

Landino kann hier so detailliert und ohne Zensur erklären, weil es sich um vom Ehebruch abschreckende Beschreibungen handelt. Die andere Strafe für Ehebruch, die Vergewaltigung durch Stallburschen, wird von Horaz wenig später aufgeführt (V. 44): hunc perminxerunt calones […]

Landino paraphrasiert sie knapp aufbauend auf Porphyrio:93 88

89 90

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92 93

Die Aussage, dass das humorvolle Belehren bewirke, dass der Leser seine Sittenverbesserung ganz nebenbei erfahre, findet sich bereits in Landinos Aussagen im Satiren-Vorwort, vgl. Abschnitt 3.3.1.3. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. rvi v. Auch in der modernen Forschung bleibt diese moralisierende Lesart erhalten, da sie als zweite der drei Diatriben am Beginn des ersten Satiren-Buches eingeordnet wird, Emily Gowers, Horace, Satires Book 1, 2012, 86. Wahrscheinlich beeinflusst von Acros Erklärung: Ps.-Acro Comm. Hor. Sat. 1,2,43: Dedit hic pro corpore nummos] Non ne stupraretur sed melius ne castraretur. Pro corpore autem: pro obscena parte corporis. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. rvii v. Porph. Comm. Hor. Sat. 1,2,44: Hunc perminxerunt calones] Perminxerunt pro „stupraverunt“ positum est.

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Landinos Kommentierung obszöner Stellen Perminxerunt] constupraverunt.

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Permingere wird als Synonym für anale Vergewaltigung angegeben. Da dies eine moralisch abschreckende Wirkung hat, kann sich der Kommentator auf die Erklärung einlassen. Ehebruch (im engeren Sinne) werde bei Horaz getadelt. Der Kommentator kann das durch seine Erklärung verständlich machen und muss sie nicht zensieren, denn Horaz bleibt auf der ethisch sicheren Seite. Durch die Kontextualisierung der Satire im moralischen Bereich ist es dem Kommentator außerdem möglich, abermals obszöne Metaphern zu erläutern, beispielsweise das Verb permolere (V. 35). Landino erklärt diese horazische Metapher für seine Leser. Er stellt sogar fest, dass die Metapher schlüssig sei, wenn Horaz Getreidemahlen mit Geschlechtsverkehr vergleiche: Permolere] pro turpire posuit, sed non absona est translatio. Nam cum frumentum demolitur, mola, quae super catillum est, circumvolitur. Est enim catillus saxum inferius, mola vero 95 superius. Sic et in patranda re vir mulieri incumbit.

Bisweilen ergänzt er Parallelstellen aus Texten anderer Autoren, wie z. B. anhand der obszönen Lemmata mutonis] (V. 68) und tentigine] (V. 118): 96

Mutonis] membri virilis. Lucilius „Laeso iam lacrimis mutoni extergit amica.“ Mutinum appellavit. Virgilius in Priapea: „Curam pomarii diligens Priape facito | rubricato, furibus 97 minare mutino.“ Appellant et fascinum idem. Virgilius: „Soles sacrum revictus pampino 98 caput | ruber sedere cum rubente fascino.“ Tentigine] prurigo est quae coitus desiderium inducit. Virgilius in Priapea „Turpe qui[dem] 99 fa[ctum]. Sed si tentigine rumpar | falce manu posita fiet amica manus.“

In beiden Fällen erklärt Landino nicht nur die Wortbedeutungen für muto (Penis) und tentigo (Brunst), sondern benennt Beispiele von Lucilius und besonders den Vergil zugeschriebenen Carmina Priapeia für diese Wortbenutzung.100 Die Wortwahl des Horaz wird in einen intertextuellen Bezug zu anderen Autoritäten gestellt und damit gerechtfertigt. Der Kommentator bildet in Satire 1,2 durch seine Einleitungen einen quasi-apologetischen Rahmen für seine spätere Kommentierung. Er beschreibt das Vorgehen des 94 95 96 97 98

99 100

Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. rvii v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. rvii r. Lucil. 307: at laeva lacrimas muttoni absterget amica. Priap. 72,1–2: Tutelam pomari, diligens Priape, facito:| rubricato furibus minare mutinio. Priapeum „Quid hoc novi est” Vergilio vel Tibullo attributum (App. Verg.) 6–8: Placet, Priape, qui sub arboris coma | Soles sacrum revincte pampino caput | Ruber sedere cum rubente fascino? Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. rviii r. Priap. 33,5–6: turpe quidem factu, sed ne tentigine rumpar,| falce mihi posita fiet amica manus. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. si r. Die Carmina Priapeia gelten als das Jugendwerk des Vergil und sind in der Vergilausgabe des Landino unkommentiert enthalten, z. B. in der Nürnberger Koberger Ausgabe: Publius Vergilius Maro, Cristoforo Landino, Christophori landini flore[n]tini in. P. Vergilii interp[re]tat[i]o[n]es p[ro]œmiu[m] ad Petru[m] medicu[m] magni Laure[n]tii filiu[m], Nurnberge 1492, fol. P5 r–P7 v.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Horaz als poetisch-satirische Technik und rechtfertigt dein Vorgehen. Mitunter zwingt es ihn sogar, die Obszönitäten des Gedichts offenzulegen, da er sie ja als Notwendigkeit für die Zielsetzung des satirischen Schreibens und Tadelns etabliert hatte. Daher kann Landino, nachdem er den moralischen Wert der horazischen Satire unterstrichen hat, das horazische obszöne Vokabular zum Teil ohne Einschränkungen, zum Teil mit vorsichtigen Einschüben und zum Teil mit Hinweis auf andere antike Autoritäten dem Leser zugänglich machen. Dass dies zum kommentatorischen Repertoire des Landino, besonders im Rahmen von satirischer Dichtung, gehörte, zeigt sein paralleles Vorgehen im Juvenalkommentar. Hier nahm er ebenso die Verortung des Satirikers und invektiven Sprechers als Philosophen vor.101 Die größere Freizügigkeit, die sich der Kommentator hier leisten kann, liegt an der bestehenden Rezeption satirischer Dichtung. Bereits in der mittelalterlichen Tradition war die Wahrnehmung der Obszönität in satirischen Werken von einer anderen Qualität als die in den lyrischen Gedichten.102 Satirische Dichtung kam ohne integumentum aus, das es zu allegorisieren galt, weshalb natürlich die Kommentierweise dieser „nackten“ Gattung anders sein konnte als die der Oden. Dass diese Herangehensweise für Landino immer noch relevant war, zeigt Karsten Friis-Jensen.103 Auch nach ihm blieb das Genre-Bewusstsein für den Zusammenhang von satirischem Schreiben und Obszönität im Renaissance-Dichtungsdiskurs erhalten.104 Der meretrix-Topos und die sexuelle Invektive der Epoden Vor allem in seinem Kommentar zu den Oden des ersten Buches, in denen es um attraktive und daher gefährliche Frauen geht, charakterisiert Landino jene Frauen, natürlich disqualifizierend, als meretrices. Erst in Ode 2,11 sieht sich der Kommentator gezwungen, dies etwas zu nuancieren, besonders weil sich dort das Problem stellt, dass Horaz selbst nach einer solchen diskreten meretrix verlangt. Bis dahin jedoch wirkt die Bezeichnung der begehrenswerten lyrischen Gestaltung als Prostituierte moralisierend 101 102

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Arthur Field, The Origins of the Platonic Academy, 1988, 246–247. Alastair Minnis, „From Coilles to Bel Chose“, 2006, 161–162: „Hence, a representative twelfthcentury commentator on Juvenal can declare that ‘satire is naked […] because it censures the vices of the Romans nakedly, and openly, and clearly, and without circumlocution and periphrasis, and without an integumentum, i.e. the veil or covering that was characteristic of poetic myths and was to be interpreted allegorically in the case of such works as Plato’s Timaeus, Virgil’s Aeneid and Ovid’s Metamorphoses.“ Arthur Field, The Origins of the Platonic Academy, 1988, 248. „The commentator can discover the indirect method through an allegorical interpretation, although in a satire such an interpretation must remain fragmentary, because satires simply are not susceptible to a general allegorical approach.“ Friis-Jensen analysiert den Gebrauch mittelalterlicher Kommentare durch Humanisten und zeigt eine Kontinuität: Karsten Friis-Jensen, „Humanist use of Medieval commentaries“, 2008, 239– 248. Ingrid De Smet, „Innocence lost“, 1997, 100: „[…] many humanists thought therefore that coarse expressions, obscenity, and lewdness were obligatory ingredients of satirical writing.“

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und distanzierend. Die Identifikation der Oden als invektiv erlaubt es Landino außerdem, Horaz als Tugendlehrer und Tadler zu erhalten, wie am Beispiel der anstößigen Epoden 8 und 12 gezeigt werden soll. Ode 1,5 In Ode 1,5 wendet sich der Sprecher an Pyrrha, eine begehrenswerte Frau, die häufig junge Männer verführt, wie dies in der Vergangenheit dem Sprecher Horaz selbst widerfahren war. Horaz ist dabei spielerisch-vorwurfsvoll und wenig ernst. Quis multa gracilis te puer in rosa perfusus liquidis urget odoribus grato, Pyrrha, sub antro? cui flavam religas comam, simplex munditiis? heu quotiens fidem mutatosque deos flebit! ut aspera nigris aequora ventis emirabitur insolens, qui nunc te fruitur credulus aurea, qui semper vacuam, semper amabilem sperat, nescius aurae fallacis. miseri, quibus intemptata nites! Me tabula sacer votiva paries indicat uvida suspendisse potenti vestimenta maris deo.

Landino erkennt in seiner Kommentierung jedoch einen schärferen Unterton. Im argumentum bezeichnet er die Gedichtaussage als invectiva und Pyrrha als meretrix avara, als gierige Prostituierte. Die Aussage sei unter einem humorvollen Ton verborgen, wie es Horaz’ Eigenheit sei: Invectiva est in meretricem avaram. Sed ridens illam more suo vexat.

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Diese negative Identifikation der Pyrrha als meretrix stammt von Porphyrio.106 Die nähere Beschreibung als avara ist allein auf Landino zurückzuführen. Damit ist es möglich, zum einen die geradezu als überwältigend dargestellte Attraktivität der literarischen Figur, die so viel Schaden anrichtet, zu demontieren und in gewisser Weise zu entmachten. Zum anderen kann Landino durch die Verortung des Inhalts der Ode im Bereich der Prostitution und der horazischen Stimme als humorvollem Tadler den obs105 106

Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. bvi r. Porph. Comm. Hor. Ode 1,5: Pyrrham meretricem adloquitur, cuius calliditatem memorans ait […].

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

zönen Inhalt so herausarbeiten. Durch die Darstellung im argumentum ist Horaz als moralisierende, invektive Stimme etabliert und unangreifbar geworden. Ab jetzt sind damit obszönere Erklärungen, die sich mit sexualisierten Inhalten befassen, im Kommentarteil möglich. Am einfachsten scheint es zu sein, antike Kommentatoren für obszöne Erklärungen zu zitieren. Diese hatten eine größere Lizenz, die vom RenaissanceKommentator aufgegriffen werden konnte, ohne dass er selbst Schaden daran nahm. Pseudo-Acro erkennt beispielsweise in den Gerüchen, die im Gedicht beschrieben werden (V. 2), Aussonderungen, die beim Geschlechtsverkehr entstünden: Odoribus] id est unguentes, quae odores effundunt. Acroni tamen placet liquidis odoribus, id 107 est feminali fluxu, id est qui absolverit concubitum.

Die kommentierende Stimme Landinos scheint im Vergleich dazu zurückhaltender. Den Geschlechtsakt bezeichnet er vorsichtig-distanzierend und moralisierend in der Erklärung, warum sich die Liebenden in eine Höhle zurückzögen, als res pudenda: Antro grato] ostendit locum ruris amoenum propter umbras et quia amoenum gratum illi sit vel 108 gratum, quia tecta illius umbra alienos oculos in re pudenda fugere valeat.

Die schöne Höhle sei ein angenehmer Ort, vor allem, weil die beiden Liebenden in ihrem Versteck unbeobachtet blieben. Im selben Lemma gestattet ihm ein Rückgriff auf die Aussage Pseudo-Acros109 einen Rekurs auf problematischere Themenkomplexe, wie zum Beispiel den Aufenthaltsort von Prostituierten: Acron autem exponit antro, id est fornicae, quoniam meretrices ut ruri in antris concumbebant, 110 sic intra urbem in fornicibus.

Pseudo-Acro, so Landino, erkläre, dass es sich bei der Höhle um ein Bordell handele, da die Prostituierten auf dem Land in Höhlen schliefen und in der Stadt im Bordell, womit auch die These gestützt wird, dass Pyrrha selbst eine meretrix sei. Der Vergleich von Pyrrha mit Charybdis, den Landino als pulchra allegoria111 dichterisch bewertet, geht in dieselbe Richtung der moralisierenden Lesart von horazischer Liebesdichtung: Aspera aequora] pulchra allegoria, quia, ut maria ex tranquillis efficiuntur aspera, id est noxia propter saevitiem ventorum et est translatio a tactu, cui aspera nocent, sic animus meretricis,

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. bvi r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. bvi r. Ps.-Acro Comm. Hor. Ode 1,5,3: Grato, Pirra, sub antro] Quod et loci gratia et unguentorum iuvetur; nam in antris prostare consueverunt, unde et fornices dicti. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. bvi r. Porph. Comm. Hor. Ode 1,5,5–6: Heu quoties … ventis] Per allegoriam haec dicuntur, quibus significat tempestatum modo mutabiles esse meretricis huius blanditias. Ps.-Acro Comm. Hor. Ode 1,5,14.: Votiva paries] Metaphora a naufragis […]. Hoc autem per allegoriam ostendit post nuditatem suam a meretricis eius se amore liberatum.

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Landinos Kommentierung obszöner Stellen

cuius avaritia tamquam Charibdis quaedam naufragium est, amantibus exasperescit, cum muta112 tur neque amplius amat.

So wie ein Meer stürmisch und gefährlich werden könne, so sei Pyrrhas Gier gleichwie der Charybdis eine Gefahr und wühle die Liebenden auf. Weder bei Porphyrio noch bei Pseudo-Acro finden wir den Vergleich mit Charybdis. Landino jedoch zieht diese Parallele und liest sie moralisierend als Emblem für avaritia.113 Aufbauend auf der Metapher des Horaz stilisiert sich hier Landino selbst zum moralischen Belehrer, indem er die dem Meer gleiche Unbeständigkeit der Frauen tadelt: Die Prostituierte ziehe ihr Opfer durch Schmeicheln an und plündere es dann. Was Vergil über das Meer sage,114 gelte ebenso für das „Weib“: Aequora] pro meretricis mutabili ingenio posuit et ventos propter crebram mutabilitatem. Hinc 115 Virgilius „Varium et mutabile semper femina.“ Meretrix blande attrahit, attractumque crudeliter nudat inconstantiae maris similis. Idque iure de muliere dicas quod Virgilius de mari. 116 […]

Bisher war die moralische Lesart des Horaztexts leicht möglich. Eine Schwierigkeit stellt sich in der sich anschließenden Passage, als Horaz sich selbst als Opfer der attraktiven Pyrrha bezeichnet (V. 13–16), was seine Funktion als poetischen Tugendlehrer gefährden könnte. Also lenkt Landino die Lesart der Metapher in eine unproblematischere Richtung und bezieht sie schließlich nur auf die avaritia der meretrix Pyrrha, der Horaz entkommen sei. Dass er ihr Geliebter gewesen sein könnte, wird von ihm angedeutet, indem er beschreibt, dass sich Horaz einst in diesem Unwetter befand, doch wird die Endaussage damit beschrieben, dass Horaz vor allem der Gier des „Weibes“ entkommen sei, was zu seiner Tugendrettung wird: Me tabula] comperaverat mulierem mariae tempestati, in qua naufragium facere possent, qui illam sequerentur. Nunc manens in translatione ostendit se olim in ea tempestate naufragium fecisse, sed deorum gratia, quibus vota fecerat, e naufragio liberatum esse et tabulam in templo Neptuni suspendisse, qui rem testaretur. Solebant etiam ex naufragio egeni effecti tabulam, in qua naufragium depictum esset, circumferre et illa sibi victum mendicare. […] Hac ergo translatione indicat mulieris avaritiam aufugisse.

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Neben Pyrrha bezeichnet Landino auch viele andere angesprochene Frauen als meretrices, was, verstärkt durch die Interpretation als Invektive, eine moralisierende Lesart 112 113

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. bvi v. Bereits im Vergilkommentar hatte Landino Charybdis mit avaritia gleichgesetzt, vgl. Craig Kallendorf, „Cristoforo Landino‫ތ‬s Aeneid“, 1983, 538. Das Motiv wird sich in der Kommentierung von Ode 1,27 wiederholen. Diese Stelle bleibt unklar, da sich Vergil in diesem Lemma eigentlich über die Unbeständigkeit der Frau äußert. Verg. Aen. 4,569–570. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. bvi v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. bvi v.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

dieser Gedichte ermöglicht. Die Disqualifikation der begehrenswerten Frauen als Prostituierte schafft außerdem eine größere Distanz zwischen diesen Figuren und Horaz, von der der Kommentator profitiert. Ode 1,8 Ode 1,8 beschäftigt sich mit der Liebe eines jungen Mannes zu einer Frau, die so attraktiv ist, dass er seine Pflichten vernachlässigt (V. 1–8): Lydia, dic, per omnis te deos oro, Sybarin cur properes amando perdere. cur apricum deserit Campum, patiens pulveris atque solis? cur neque militaris inter aequalis equitat, Gallica nec lupatis temperat ora frenis? cur timet flavum Tiberim tangere? […]

Auch hier nennt Landino die angesprochene Frau meretrix: 118

Orat igitur meretricem ne adeo abstrictum suo amore reddat Sybarium […].

Die Ode wird insgesamt moralisierend gelesen, da es Horaz’ Ziel sei, die angesprochene Frau, Lydia, davon abzuhalten, zu Sybaris grausam zu sein, wie schon die Überschrift der Ode suggeriert: Ad Lydiam, ne in Sybarim adolescentem crudelis sit.

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Im späteren Lemma oderit] moralisiert Landino selbst, wenn er ausführt, dass besonders Jugendliche über die Liebe diejenigen Tätigkeiten vernachlässigen, die ihnen vorher Freude bereitet haben: Oderit] Mira res ita amantes immutari, ut, quae summo opere concupiverint, nunc ea odio habent. […] Ostendit autem, quanta vis sit in amore, cum adolescentes omnia studia, quibus illa aetas 120 summopere delectatur, amori inservientes obliviscantur.

Wieder gelingt es dem Kommentator, die Stimme des Horaz so darzustellen, dass er sich auf ihr abbilden kann. Die typisch humorvolle Darstellung des Horaz wird durch eine andere Perspektive ersetzt und ermöglicht es, Dichter und Kommentator als moralische Tugendlehrer zu positionieren.

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. cii r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. ci v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. cii r.

Landinos Kommentierung obszöner Stellen

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Ode 1,9 Ganz ähnlich moralisierend verhält sich Landino in Ode 1,9. Hier endet der Monolog des Sprechers an Thaliarchus mit der Bemerkung, dass es Zeit sei, in die Stadt zurückzukehren und sich dort zu amüsieren. Dort versteckten sich junge Mädchen vor ihren Verführern (V. 21–24): nunc et latentis proditor intimo gratus puellae risus ab angulo pignusque dereptum lacertis aut digito male pertinaci.

Landino kann jedoch nicht unterlassen, darauf hinzuweisen, dass Frauen, die sich zu verstecken pflegten, dies aus Zügellosigkeit (lascivia) täten. In ihrem Versteck wünschten sie sich nämlich, gefunden zu werden: Proditor risus] non pudore sed lascivia se solent occultare mulieres, se ita occultare ut tamen 121 videri cupiant. […]

Dabei entfernt der Kommentator wiederum die spielerische Komponente aus dem horazischen carpe diem-Motiv und wandelt es in eine moralisierende Erklärung um.122 Horaz kommt dabei jedoch nicht zu Schaden, nur die Frauengestalten in seiner Ode werden getadelt. Der Kommentator rückt damit die Aussage der Ode insgesamt in ein unproblematischeres Licht, da ihm hier die Möglichkeit geboten wird, gegen die Norm verstoßendes Verhalten als sine pudore zu kritisieren. Ode 1,11 Jedoch geschieht der Gebrauch des meretrix-Topos stellenweise überraschend. In Ode 1,11 zeigt sich, dass Landino eine negative Sicht auf das carpe diem-Motiv gehabt zu haben scheint. Ebenso wie Pyrrha und Lydia wird die Adressatin Leuconoe in die meretrix-Kategorie eingeordnet. Horaz mahnt sie in seiner Ansprache, nicht die Zukunft erfahren zu wollen, sondern den Tag zu „pflücken“, als wäre er der letzte: Tu ne quaesieris, scire nefas, quem mihi, quem tibi finem di dederint, Leuconoe, nec Babylonios temptaris numeros. Ut melius quicquid erit pati, seu pluris hiemes seu tribuit Iuppiter ultimam, quae nunc oppositis debilitat pumicibus mare Tyrrhenum! sapias, vina liques et spatio brevi spem longam reseces. dum loquimur, fugerit invida aetas. carpe diem, quam minimum credula postero.

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. ciii r. Dazu passend wendet sich Landino übrigens in der Kommentierung der berühmten carpe-diemOde 1,11 gegen Leuconoe, die er im argumentum als mulier parum pudica bezeichnet: Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. cv r.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Landino sexualisiert die Situation, indem er Leuconoe bereits im argumentum als mulier parum pudica bezeichnet, obwohl dies auf den ersten Blick so nicht im Text angelegt ist. Horaz rufe sie zu einem genussvollen Leben auf: Ad mulierem parum pudicam est Ode et quamvis ad vitam invitet voluptuosam, tamen senten123 tia utitur ceteris philosophis communi.

Die Kritik an Horaz bleibt dabei jedoch moderat, indem Landino seine eigentlich anstößige Aufforderung zur vita voluptuosa als philosophisches Gemeingut verortet.124 Ode 1,27 Ode 1,27 ist eine sympotische Szene, die mit einem Gespräch über die derzeitige Geliebte des Adressaten endet (V. 12–24): cessat voluntas? non alia bibam mercede. quae te cumque domat Venus non erubescendis adurit ignibus, ingenuoque semper amore peccas. quicquid habes, age, depone tutis auribus. a miser! quanta laboras Charybdi, digne puer meliore flamma! quae saga, quis te solvere Thessalis magus venenis, quis poterit deus? vix illigatum te triformi Pegasus expediet Chimaera.

Landino bemüht sich in der Kommentierung dieser Ode, die angesprochene Frau scharf zu tadeln. Auch das Motiv der meretrix avara aus Ode 1,5 kehrt in der Kommentierung von Ode 1,27 zurück: Dicat opuntiae frater] ostendit ex suis verbis convivium oportere esse hilare et festivo aspersum sermone, sed cui etiam non nihil adsit utilitatis ad vitam et mores emendandos. Nam ipse iocunde interrogat de amore et non sine commiseratione amantem ab avara meretrice abducere 125 tentat. […]

Landino liest dabei die sympotische Szene als Gelegenheit, moralische Fragen zur Sittenverbesserung zu besprechen. Horaz frage in seiner fröhlichen Art und versuche, den Liebenden aus der Macht der habgierigen Prostituierten zu lösen. Der Sprecher wird als

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. cv r. Die negative Sicht Landinos auf voluptas und den damit identifizierten Epikureismus wird besonders im nächsten Kapitel analysiert. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. evi r.

Landinos Kommentierung obszöner Stellen

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Gast des Symposiums als fröhlicher, aber moralischer Charakter dargestellt, wie im Lemma zu V. 18 (ah miser) zu sehen ist: Ah miser] iam rem narraverat adolescens perceperatque poeta longe aliter rem se habere, quam crediderat, cum illius amicam et crudelissimam et avarissimam intelligeret. Itaque ex commise126 ratione exclamat.

Nach einer detaillierten Erläuterung der Metaphorik schließt Landino damit, dass diese meretrix schlimmer sei als die in der Ode genannten Monstren Charybdis und Chimaera, wobei er auf die Aussage des Horaz selbst aufbauen kann (V. 18 und 24): Chimaera] […] Ergo sua feritate multiplicem belluam et flammis armatam superabat haec me127 retrix.

Interessant ist an Landinos Darstellung, dass er bei der Beschreibung der in dieser Ode genannten Frau wieder und wieder auf die negativen Eigenschaften zurückkehrt und dieselben in den Vordergrund rückt. Dabei kann er sich auf die – dem Symposium angemessenen – humorvollen Aussagen des Horaz stützen. Horaz wird zum mitleidigen Retter des jungen Mannes stilisiert. Seinem Ruf als Tugendlehrer kann er damit gerecht werden. Ode 2,11 In Ode 2,11 wendet sich der Sprecher an Quinctius, der dazu aufgefordert wird, sein Leben zu genießen. Zum Inventar des von Horaz beschriebenen Symposiums gehören auch Prostituierte (V. 13–24): cur non sub alta vel platano vel hac pinu iacentes sic temere et rosa canos odorati capillos, dum licet, Assyriaque nardo potamus uncti? dissipat Euhius curas edacis. quis puer ocius restinguet ardentis Falerni pocula praetereunte lympha? quis devium scortum eliciet domo Lyden? eburna dic, age, cum lyra maturet, in comptum Lacaenae more comas religata nodo.

Dabei wird die Hetäre Lyde als devium scortum (V. 21) bezeichnet, was Landino an dieser Stelle sogar zum Anlass nimmt, eine detaillierte lexikalische Erklärung des Unterschieds zwischen meretrix und prostibula zu liefern: 126 127

Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. evi r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. evi v.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Devium] id est, quod non omnino publice prostet. Designat autem meretricem, quae a prostibula differt. Nam meretrix honestioris est loci et quaestus, quae tantum noctu prostat. Prostibula, quae ante stabulum noctu diuque lucri causa stat, ergo haec non devia est, quae semper 128 sit in via, Plautus in Cistellaria ostendit.

Die meretrix sei insofern anständiger, als dass sie nur nachts ihrem Gewerbe nachgehe, die prostibula hingegen sei aus Geldgier diejenige, die indiskret Tag und Nacht auf der Straße stehe. Erklären lässt sich diese späte Adelung der meretrix möglicherweise dadurch, dass Landino hier wiederum rettend in die Reputation der Horazstimme eingreifen muss, die an dieser Stelle unverkennbar dazu aufruft, Lyde herbeizuholen. Interessanterweise ist hier nun die Bezeichnung meretrix sogar, anders als in den vorhergehenden Oden, in gewisser Hinsicht rettend, vor allem, wenn man bedenkt, dass Horaz in Landinos Darstellung erstaunlich viel mit diesen meretrices zu tun gehabt habe. Epoden 8 und 12 Bei Epode129 8 handelt es sich, so wie bei Epode 12, um eine scharfe Vetulaskoptik, bei der eine ältere, sexuell aktive Frau das Opfer von horazischer Invektive ist (V. 1–6, 15– 20): Rogare longo putidam te saeculo viris quid enervet meas, cum sit tibi dens ater et rugis vetus frontem senectus exaret hietque turpis inter aridas natis podex velut crudae bovis! […] quid quod libelli Stoici inter Sericos iacere pulvillos amant? illitterati num minus nervi rigent minusve languet fascinum? quod ut superbo provoces ab inguine, ore adlaborandum est tibi.

Der Sprecher äußert sich negativ über das Äußere der Frau und fordert sie im Schlusssatz zu Oralsex auf. Dieses Gedicht müsste den Kommentator Landino eigentlich vor eine enorme Herausforderung stellen, da die obszöne und direkte Sprache wohl schwer 128

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. hi r. Donatella Coppini, „Il commento a Orazio di Cristoforo Landino“, 2013: „L’aggettivo devium attribuito a scortum in II 11, 21 dà luogo a una dotta distinzione lessicale fra meretrix e prostibula.“ Die Epoden werden von Landino nicht gesondert eingeführt und daher wahrscheinlich als Teil des Oden-Buches gelesen. Generisch sieht er sie also nicht als eigenständige Gattung. Der Grund für seine große kommentatorische Lizenz liegt hier darin, dass es sich, wie schon bei den meretrixGedichten, um als Invektive gelesene Gedichte handelt. Die hier behandelte Satire kann jedoch bereits aufgrund der Gattungsrezeption der Satire von Landino anders kommentiert werden.

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Landinos Kommentierung obszöner Stellen

zu dem Bild passt, das Landino von Horaz vermitteln will. Überraschenderweise zeigt sich jedoch, dass der Kommentator hier wenig Scheu an den Tag legt. Grund für diese Lizenz ist die moralische Lesart der Epode als Invektive, die von ihm In anum impudicam130 überschrieben wird: Rogare longo] in anum invehitur, quae cum sit longa aetate facta turpissima, tamen audet 131 interrogare, quae res illum suis complexibus inutilem reddat.

Dadurch ist es ihm, wie schon bei den meretrix-Kommentierungen, möglich, Horaz als Sprecher autoritativ zu erhalten und somit den anstößigen Inhalt der Epode offenzulegen, wie z. B. die Beschreibung des unattraktiven Hinterteils der vetula: Putres] relaxatae, flaccidae, pendulae, non turgentes et stantes ut in puellis.

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In der Kommentierung von nervi] und fascinum] geht er sogar so weit, Parallelen zu anderen obszönen Texten, wie Juvenal und den Priapeia, die er allerdings Vergil zuschreibt, anzugeben:133 Nervi] et fascinum] pro virili membro. Iuvenalis: „Nil faciet magni mensura incognita ner134 135 vi.“ Et Virgilius: „Pedicabere fuscina pedali.“

Eine solch offene Art der Kommentierung funktioniert nur, weil Landino den Gegenstand des Gedichts von der gleichen Seite aus betrachtet wie Horaz. Daher kann er dessen Aussagen zugänglich machen.136 Dass alles im Rahmen des decorums vonstattengehen kann, liegt daran, dass die horazischen Beleidigungen ein Objekt gefunden haben, das für Landino und seine Zeit ein akzeptables Ziel von Spott ist. Die alte Frau (mit sexuellem Appetit und damit transgressivem Verhalten) war durch ihre gesellschaftliche Position ein logisches Objekt von verbalen Angriffen.137 Die offene Kommentierung für diese Epode mag daher also für Landino kein großes Problem gewesen sein, da die Kritik für ihn so nachvollziehbar und moralisch richtig war, dass er die Worte des Horaz nicht mehr umlenken musste. Die freizügige Kommentierung widerspricht hier

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. oviii r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. oviii r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. oviii r. In seiner Vergilausgabe ediert er die Carmina Priapeia als Teil der Appendix Virgiliana als dreizehntes Buch der Aeneis. Zitiert aus der Nürnberger Koberger Ausgabe von 1492: Cristoforo Landino, Vergilius, 1492, fol. P5 r–P7 v. Außerdem: Paula Findlen, „Humanismus, Politik und Pornographie im Italien der Renaissance“, in Lynn Hunt (Hrsg.), Die Erfindung der Pornographie. Obszönität und die Ursprünge der Moderne, Frankfurt/Main 1994, 75. Iuv. 9,34. Priap. 28,3. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. oviii v. Bei Lambin werden wir eine ähnliche Strategie der Kommentierung finden, jedoch ist sie bei ihm nicht in ein System eingebaut, das Horaz als Tugendlehrer erhält. Alastair Minnis, „From Coilles to Bel Chose“, 2006, 156–157. Jan Ziolkowski, „Obscenity“, 1998, 81.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

also nicht dem Wertekanon, dem wir innerhalb des Horazkommentars des Landino begegnen. Epode 12 funktioniert inhaltlich nach ganz ähnlichen Mustern wie Epode 8. Auch hier wird eine lüsterne Alte Ziel von scharfer Invektive (V. 7–20): qui sudor vietis et quam malus undique membris crescit odor, cum pene soluto indomitam properat rabiem sedare! neque illi iam manet umida creta colorque stercore fucatus crocodili iamque subando tenta cubilia tectaque rumpit. vel mea cum saevis agitat fastidia verbis: „Inachia langues minus ac me; Inachiam ter nocte potes, mihi semper ad unum mollis opus. pereat male quae te Lesbia quaerenti taurum monstravit inertem, cum mihi Cous adesset Amyntas, cuius in indomito constantior inguine nervus quam nova collibus arbor inhaeret.

In der Kommentierung dieser Epode geht Landino, mit einer Ausnahme,138 erneut sehr aggressiv vor. Zunächst identifiziert er im argumentum die Aussage der Epode als Invektive gegen die alte, lüsterne Frau: Ad mulierem anum et libidinosam.139 Der Kommentator ermöglicht seinem Leser wieder, einen Zugang zur obszönen Sprache des Horaz zu bekommen, beispielsweise im Lemma subando], in dem Landino erklärt, dass die Geräusche, die die Alte hervorbringe, einem Schwein ähnelten, das während des Geschlechtsakts grunze: Subando] a sue. Nam subare dicitur sus, cum in coitu vocem emittit.

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Auch ihre übertriebene Lüsternheit, die eine stiergleiche Potenz verlange, wird vom Kommentator näher erläutert: Quaerenti taurum] quaerebam virum in re venerea robustum, ut taurus est, qui non semel sed 141 pluries eodem tempore vaccam salit.

Und schließlich lässt es der Kommentator interessanterweise nicht aus, darauf hinzuweisen, dass die horazische Sprecherstimme als nicht potent genug von der Alten diffamiert wird, was jedoch nur negativ auf die Alte zurückzuwirken scheint: Cui] cuius gratia, quasi dicat, tibi immerenti et in re venerea impotenti.

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Vgl. Abschnitt 4.3.2.2. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. pii r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. pii v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. pii v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. pii v.

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Landinos Kommentierung obszöner Stellen

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Wir sehen also, dass der Kommentator sehr detailliert die obszöne, invektive Kraft des Texts ausbreitet. Dies ist besonders deshalb möglich, weil Horaz die alte, lüsterne Frau tadelt und damit die Epode als moralisch notwendige Invektive gerechtfertigt wird. Beide Vetulaskoptiken erfüllen den Anspruch, den Landino in seiner Vorrede an Guidobaldo da Montefeltro geäußert hatte. Horaz ist Tadler und Tugendlehrer.143 Nur an einer einzigen Stelle unterbricht der Kommentator seine Ausführungen, wie noch gezeigt wird, um durch Selbstzensur seine eigene Integrität zu wahren. Juvenal Ein Blick auf seinen (nicht in gedruckter Form veröffentlichten)144 Juvenalkommentar zeigt, dass er dieses advokatische Vorgehen, das sich gegen tadelnswerte Frauen richtet, nicht nur auf Horaz anwendete, sondern auch auf den noch viel schärferen Satiriker Juvenal, wie die folgende Passage zeigt:145 In Juvenals Text wird dagegen polemisiert, dass junge Knaben begehrte Partner für Frauen seien (6,33–37): aut, si de multis nullus placet exitus, illud nonne putas melius, quod te cum pusio dormit – pusio qui noctu non litigat, exigit a te nulla iacens illic munuscula, nec queritur quod et lateri parcas nec quantum iussit anheles?

Landino nimmt den Dichter bewusst in Schutz und macht ihn gleichzeitig zum moralischen Vorbild: Sunt qui vituperent poetam adeo in matrimonium rem quidem sanctissimam invehi. Quod respondetur illis: non in matrimonium sed in adulteria ita acerrimum esse. […] Quid? Non illi summum artificium in his verbis esse comprehendunt? […] Itaque poeta noster non ut approbet libidinem pueri (nam eam maxime detestatur), sed ut ab impudicis mulieribus homines avocet et hoc officio utatur, ideo rem habere cum puero satius esse dixit. Quam ob rem taceant 146 qui non satis artificium optimi oratoris calluerint.

Es gäbe einige, die den Dichter dafür kritisierten, dass er gegen die Heiligkeit der Ehe polemisiere. Landino entgegnet ihnen, dass Juvenal sich nur gegen den Ehebruch, nicht die Ehe äußere. Die Kritiker verstünden nicht, dass die Verse von großer Kunstfertigkeit seien. Landino stelle gerade nicht die libido der Knaben positiv dar, sondern rate (der Kommentator kehrt erneut zum meretrix-Motiv zurück) von schamlosen Frauen ab. Dieses Muster der Rettung des antiken Autors wird von Landino ebenso für Horaz benutzt. 143 144 145

146

Vgl. Abschnitt 3.3.1.3. Antonia Wenzel, Die Xandra-Gedichte, 2010, 14, bes. FN 22. Arthur Field bezeichnet Landinos Vorgehen als „allegorisierend“, jedoch benutzt dieser in seiner Kommentierung der Passage den Begriff der Allegorese nie. Arthur Field, The Origins of the Platonic Academy, 1988, 251. Roberto Cardini, La critica del Landino, Firenze, 30–31, FN 50.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

4.3.2.2 Horaz bleibt als moralisches Vorbild erhalten Bei den bisher aufgeführten Beispielen war es dem Kommentator möglich, die Aussagen der horazischen Dichtung in eine moralisierende Richtung zu lenken und dabei Horaz und seinen Kommentator als Autoritäten zu erhalten bzw. zu etablieren. Bei den folgenden Beispielen, in denen die horazische Stimme bei der Beschreibung ihrer eigenen Taten die Grenzen der Moral überschreitet, kann der Kommentator dies nicht mehr leisten. Landino nutzt daher ein Portfolio von Strategien, mit denen er die Integrität von Horaz und sich selbst weiterhin gewährleisten kann, was eine logische Konsequenz daraus ist, dass sich der Kommentator vorher auf seiner horazischen Darstellung abgebildet hat. Ziel ist es, wie schon in der Vita zu sehen war, Horaz durch die Kommentierung als moralisch integre Persönlichkeit darzustellen. Daher bevorzugt es der Kommentator erstens, auf einige Stellen, die die persona des Horaz beflecken könnten, nicht einzugehen, also quasi sich selbst zu zensieren. Dies geschieht immer dann, wenn homoerotische Elemente in der Horazdichtung erläutert werden müssen. Zweitens gibt es Erklärungen, in denen der Kommentator möglicherweise entstehende moralische Schuld von Horaz abwendet. Drittens gelingt es ihm bisweilen durch eine Verortung von Dichtungselementen in einem keuscheren, petrarkistischen Liebesdiskurs, die Anstößigkeit der antiken Dichtung zu relativieren. Nicht-Kommentierung der homoerotischen Aussagen des Horaz Die größte Empfindlichkeit des Kommentators und einen damit verbundenen Hang zur Nichtkommentierung und Selbstzensur findet sich bei Landino in Bezug auf die homoerotischen Passagen in Horaz’ Oden-Dichtung. Oft fällt die Erklärung der Passagen ganz aus oder wird nur kurz berührt, insbesondere dann, wenn Horaz selbst über seine homoerotischen Vorlieben spricht.147 Damit macht Landino von einer Kommentierungstechnik Gebrauch, die der Tibullkommentator Bernardinus Cyllenius in Italien148 und der Übersetzer Jean de Tournes nur wenig später anwenden sollten. Beide hatten bei der Kommentierung und Erläuterung von homoerotischen Passagen vorgeschlagen, Selbstzensur zu betreiben, indem die problematischen Stellen cum silentio übergangen werden.149 Landino lässt diese

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Die einzige Ausnahme für diese Tendenz ist Ode 3,20, wo Pyrrhus homosexuell dargestellt wird. Dass dies erwähnt werden kann, wenn Horaz nicht betroffen ist, zeigt sich an der Kommentierung der Ode 1,32,11, in der Lycus von Landino folgendermaßen beschrieben wird: Lycum puerum ab eo [Libero] amatum. Cyllenius verfasste passenderweise wohl auch einen Kommentar zu den Priapeia, der jedoch nicht gedruckt wurde; Frank-Rutger Hausmann, s.v. „Carmina Priapeia“, in F. Edward Cranz (Hrsg.), Catalogus Translationum et commentariorum, Bd. IV, Washington D. C. 1980, 430. Mit Jörg Robert, „Lateinischer Petrarkismus“, 2004, 119–121 und Hugh Roberts, „Emblem books“, 2011, 98 liegen hervorragende Analysen zu diesen Vorgängen vor.

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Landinos Kommentierung obszöner Stellen

Stellen ebenfalls stillschweigend beiseite.150 Kommentatorische Freizügigkeit ist zumindest im Bereich der homoerotischen, obszönen Dichtung nicht erwünscht und wird nicht weiter ausgebreitet, wie für den Tibullkommentar festgestellt wurde: Der Kommentar kann die Anstößigkeiten tibullischer Homosexualität verschweigen, verurteilen oder historisch kontextualisieren, instrumentalisieren im Dienst eines tropologischen Sin151 nes kann er sie indes nicht mehr.

Interessanterweise lehnt sich Landino nicht an die Deutungspraktiken der Neuplatoniker im Umgang mit platonischer Homoerotik an. Er versucht gar nicht erst, die horazischen Passagen zu allegorisieren oder euphemistischer darzustellen. Ode 1,4 Ode 1,4 ist die erste Stelle im Gesamtwerk des Horaz, die sich mit obszönen, päderastischen Motiven befasst und damit zum ersten Mal obszön-performativ für die nachantiken Leser wirksam wird.152 Horaz spricht über den Knaben Lycidas, der als ein Objekt der Begierde dargestellt wird (Ode 1,4,14–20), jedoch nicht für Horaz, sondern für den Adressaten der Ode Sestius: […] o beate Sesti, vitae summa brevis spem nos vetat inchoare longam; Iam te premet nox fabulaeque Manes et domus exilis Plutonia, quo simul mearis, nec regna vini sortiere talis nec tenerum Lycidan mirabere, quo calet iuventus nunc omnis et mox virgines tepebunt.

Dies wird auch im spätantiken Kommentar des Pseudo-Acro so markiert. Er spricht eindeutig von einer körperlichen sexuellen Beziehung zwischen Sestius und Lycidas: Tenerum] Delicatum. 153

Tenerum Lycidam] Delicatum puerum a te stupratum.

Landinos Kommentar handelt den Sachverhalt kurz, aber eindeutig ab. Er macht den genannten Lycidas als delicatu[s] kenntlich: Lycidam tenerum] delicatum, reliqua obscoena sunt, sed facile intelliguntur.

150 151 152 153 154

154

Landino reagiert übrigens mit völligem Stillschweigen auf die hochproblematischen PriapeiaGedichte, die er in der Vergilausgabe abdruckt, und kommentiert sie überhaupt nicht. Jörg Robert, „Lateinischer Petrarkismus“, 2004, 121. Da die Texte für die jeweiligen Gedichte bereits bei Landino zitiert wurden, geschieht dies bei Lambin nur, wenn das Zitat noch nicht genannt wurde. Ps.-Acro Comm. Hor. Ode 1,4,19. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. bvi r.

126

Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Das Übrige sei obszön, könne man aber leicht verstehen: reliqua obscoena sunt, sed facile intelliguntur. Der Kommentator geht bei seinem idealen Leser von keinen weiteren Verständnisschwierigkeiten aus155 und er zeigt sich hier unwillig, die Passage ausführlicher zu besprechen. Im Gesamtbild des Kommentars wird die explizite Markierung des horazischen Texts als obszön eine Ausnahme bleiben. Es ist anzunehmen, dass Landino sie an dieser Stelle nur vornimmt, weil Horaz davon nicht direkt betroffen ist. Darüber hinaus ordnet Landino diese Ode einem epikureischen Kontext zu, über den Verstöße gegen die Sittlichkeit plausibilisiert werden können.156 Ode 2,5 Neben der bereits erwähnten Umschiffung der Obszönität in Ode 2,5 durch eine keusche Überschrift ergibt sich noch ein weiterer Stolperstein für ihre Rezeption: die homoerotische Komponente, die sich daraus ergibt, dass Gyges als mädchenhafter Junge und als Objekt der Begierde beschrieben wird (V. 19–24): […] Cnidiusve Gyges, quem si puellarum insereres choro, mire sagacis falleret hospites discrimen obscurum solutis crinibus ambiguoque vultu.

Der Kommentator erklärt, dass Gyges der Name eines pulcherrim[us] puer und er durch seine langen Haare nicht von Mädchen unterscheidbar gewesen sei.157 Darauf, dass er erotisches Objekt des Begehrens für den Sprecher war, geht Landino nicht ein.158 Ode 3,20 Ebenso wie Ode 2,5 durch eine verharmlosende Überschrift den Gesamtkontext entproblematisiert wird, geschieht dies außerdem in der folgenden Ode: Ad Pyrrhum, ne Nearchum sollicitet.

159

Im horazischen Ausgangstext wird eine nymphomanische Frau beschrieben, in deren Quere der männliche Adressat Pyrrhus besser nicht gelangen sollte in seinem Begehren 155 156 157 158

159

Dies wird sich bei Lambin anders darstellen. Vgl. Abschnitt 5.2.2.1. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. giiii v. Marbod von Rennes setzt in seinem Gedicht Satyra in amatorem puelli sub assumpta persona direkt dieses Motiv um (Patrologia Latina 171,1717D): De puero quodam composuit Horatius Odam, | Qui facie bella possit satis esse puella. | Undabant illi per eburnea colla capilli. Es ist also bereits in der früheren Rezeption als homoerotisch identifiziert, vgl. John Boswell, Christianity, social tolerance and homosexuality. Gay people in Western Europe from the beginning of the Christian era to the 14th century, Chicago 1980, 248–249 und 370–371. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. lvi r.

Landinos Kommentierung obszöner Stellen

127

für Nearchus, da dieser zu der Zeit von einer raubtierhaften Konkurrentin in Beschlag genommen werde (V. 1–6): Non vides quanto moveas periclo, Pyrrhe, Gaetulae catulos leaenae? dura post paulo fugies inaudax proelia raptor, cum per obstantis iuvenum catervas ibit insignem repetens Nearchum, […].

Horaz steht bei Landino als Ratgeber in Sachen Liebe im Vordergrund: So zeige er anhand des Beispiels des Paris (V. 11),160 dass niemand der Liebe widerstehen könne. Deshalb solle Pyrrhus nicht hoffen, dass er Nearchus von der Liebe wegreißen könne: Arbiter] ostendit exemplo Paridis neminem posse amori repugnare […]. Ergo non speret Pyr161 rhus posse avellere Nearchum ab amore.

Landino erwähnt jedoch mit keinem Wort (und bleibt damit im Tenor der Überschrift), dass Pyrrhus Nearchus auf unschickliche Weise begehrte. Nearchus wird in Landinos Interpretation weniger zum Objekt der Begierde für Pyrrhus als ein Objekt der Belehrung. Ode 4,1 Das Muster aus den angeführten Gedichten bestätigt sich ebenso für Ode 4,1, ein Gedicht, in dem der Sprecher seine Liebe zu Ligurinus thematisiert (bes. V. 33–40) und damit noch viel stärker als an anderen Stellen seine homoerotischen Neigungen explizit macht: Sed cur heu, Ligurine, cur manat rara meas lacrima per genas? cur facunda parum decoro inter verba cadit lingua silentio? nocturnis ego somniis iam captum teneo, iam volucrem sequor te per gramina Martii campi, te per aquas, dure, volubilis.

Die offen homoerotische Komponente wird von Landino nicht angesprochen162 und damit unterdrückt.

160 161 162

Das Urteil wird von ihm umfassend erläutert. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. lvi v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. mvii r–mviii r.

128

Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Ode 4,10 Ode 4,10 adressiert den bereits erwähnten Ligurinus direkt und ermahnt ihn, dass seine Jugendlichkeit nicht ewig währen würde: O crudelis adhuc et Veneris muneribus potens, insperata tuae cum veniet †pluma† superbiae et quae nunc umeris involitant deciderint comae, nunc et qui color est puniceae flore prior rosae mutatus, Ligurine, in faciem verterit hispidam, dices, „heu“, quotiens te speculo videris alterum: „quae mens est hodie, cur eadem non puero fuit, vel cur his animis incolumes non redeunt genae?“

Homoerotik ist dabei nur implizit im Text enthalten, obwohl bereits die spätantiken Kommentatoren im Anschluss an Ode 4,1 Ligurinus als Liebesobjekt des Horaz identifizieren.163 Landino gibt diesem Aspekt jedoch in seinem Kommentar kaum Raum und kontextualisiert ihn dadurch, dass sich Horaz hier als Dichter-Philosoph zeige, der durch seinen Humor allzu ernsten und würdevollen Themen die Schwermut nehme. Obschon die res lasciva sei, so lasse sich daran die Vergänglichkeit der Gegenwart erkennen: O crudelis adhuc et Veneris muneribus potens] ita se philosophum profitetur poeta esse, ut tamen se poetam esse non oblitus sit. Ergo in seriis et gravibus rebus tristitiam hilaritate adimit. Et quamvis res lasciva sit, tamen hoc inde percipitur, ne quae momentanea sunt diuturna 164 speremus.

Die in den Vordergrund gestellte Dualität des Horaz als Philosophen und Dichter entspricht seiner Stilisierung in den Paratexten und Landinos Vorgehensweise in Bezug auf antike Autoren allgemein.165 Die lascivitas sei nur Mittel zum Zweck, um die wichtigere Aussage auf leichte Weise kommunizieren zu können. Auch im weiteren Verlauf des kurzen Kommentars liest der Kommentator eine moralisierende Komponente in den Text hinein, wie anhand der Erklärung des Lemmas insperata] (V. 2) klar wird: Insperata] […] Quod autem dixit insperata, ostendit stultitiam adolscentium [bei Landino: 166 adolescentiuum], qui quadam vanitate elati numquam florenti aetate immutationem timent.

163

164 165 166

Porphyrio Comm. Hor. Ode 4,10,1: Haec ‫į‫ ޣ‬in Ligurinum scripta est, qu[a]erellam amoris continens. Ps.-Acro Comm. Hor. Ode 4,10,1: Ut Verg. [ecl. 2, 6] O crudelis Alexi, significans amoris querellam. Der Verweis auf die notorische 2. Ekloge Vergils verortet den Text dabei noch klarer im homoerotischen Bereich. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. nvii v. Arthur Field, The Origins of the Platonic Academy, 1988, 231, vgl. Abschnitt 3.3.1.3. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. nvii v.

Landinos Kommentierung obszöner Stellen

129

Durch die Umlenkung des anstößigen Inhalts nimmt Landino hier, in etwas anderer Weise, eine Art von Zensur vor, wobei es ihm gelingt, die bisher schon in der Tradition verstärkt herausgearbeitete Lesart der Homoerotik wieder zu unterdrücken. Epode 11 Epode 11 ist das Bekenntnis der Sprecherstimme zu seinen diversen Lieb- und Leidenschaften für Frauen und Männer (V. 1–4), unter anderem für Inachia (V. 5–6) und für den Knaben Lyciscus (V. 23–24): Petti, nihil me, sicut antea, iuvat scribere versiculos amore percussum gravi, amore, qui me praeter omnis expetit mollibus in pueris aut in puellis urere. hic tertius December, ex quo destiti Inachia furere, silvis honorem decutit. […] nunc gloriantis quamlibet mulierculam vincere mollitia amor Lycisci me tenet;

Wie nun schon häufig gesehen unterlässt es Landino, auf den homoerotischen Aspekt der Epode einzugehen. Er konzentriert sich auf die heterosexuelle Leidenschaft, die nicht unproblematisch ist, die jedoch im Kommentar anders gelöst werden kann.167 Dieses Vorgehen wird bereits am argumentum deutlich: Ad Pectium de Inachia.168 Über die anderen amourösen Beziehungen neben (der weiblichen) Inachia wird vom Kommentator bereits hier geschwiegen. Im Rahmen der bisherigen Gedichtkommentierungen überrascht es nicht, dass Landino sowohl über die molles pueri aut puellae (V. 3– 4)169 als auch über Lyciscus (V. 23–24) kein Wort verliert. Interessanterweise gibt es nur am Ende einen indirekten Hinweis auf Horaz’ Liebesleben, als der Kommentator feststellt, dass nur eine neue Liebschaft eine alte vergessen machen könne: Contumeliae] […] Additur postremo ultimum remedium, ut, si non potest tolli amor, fiat per170 mutatio. Nam ut est in proverbio clavus clavo truditur, sic amor amore tollitur. […]

Insgesamt wird die homoerotische Komponente an drei Stellen innerhalb der Kommentierung unkommentiert zensiert und versteckt, wie dies für nahezu alle Gedichtelemente dieser Couleur in Landinos Kommentar geschieht.

167 168 169 170

Dies wird im nächsten Abschnitt erkennbar werden. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. pi v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. pi v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. pii r.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Epode 12 Ein letztes exemplum soll illustrieren, dass die Selbstzensur des Kommentators nicht allein im Rahmen der obszönen homoerotischen Stellen stattfindet. Sie geschieht – seltener – dann, wenn nicht-homoerotische, jedoch transgressive Sexualität besprochen wird. Hier zensiert sich Landino sogar explizit, wie anhand des Lemmas soluto pene] (V. 8) gezeigt werden kann: Soluto pene] multi pro membro muliebri ponunt, ut sit soluto pene, id est finito concubitu. Est 171 et alia sententia, sed turpitudo me vetat proloqui.

Landino gibt also noch eine weitere Bedeutung (alia sententia) an, die andere vor ihm bereits dargelegt hätten.172 Diese sei aber so obszön, dass sich der Kommentator nicht dazu bereit erklärt, sie zu erläutern (turpitudo me vetat proloqui). Es gibt für ihn also eine Schamgrenze. Damit zeigt sich der Kommentator selbst als integre Persönlichkeit, auch wenn er dies punktuell für Horaz nicht mehr leisten kann. Schuldabwendung von Horaz An manchen Stellen scheint es dem Kommentator allerdings nicht auszureichen, die horazische Obszönität stillschweigend zu umgehen. Es ist ihm außerdem nicht möglich, durch Moralisieren die Tugendlehrerqualitäten des Horaz zu erhalten oder zu verstärken. In den Passagen, in denen sich Horaz meist selbst so darstellt, dass seine moralische Integrität gefährdet ist, beginnt der Kommentator vehementer in den Text einzugreifen.173 Dies liegt darin begründet, dass bei Landino fast alle Aussagen des textuellen Sprechers als Aussagen der historischen Person Horaz verstanden und interpretiert werden. An den folgenden Stellen ist das allerdings nicht mehr möglich für den Renaissancekommentator, der immer darum bemüht ist, das Ansehen der persona nicht zu beschädigen, die er in den Paratexten als so exemplarisch und vorbildlich beschrieben hatte. So wie das Moralisieren in den Fußstapfen des Horaz möglich war, so ist die Rettung des Horaz gewissermaßen eine Folge dieses Vorgangs. Interessanterweise ist dabei kein Platz für die so oft gerühmte horazische Selbstironie und seine Vorliebe dafür, sich als Autorität zu stilisieren und wenig später zu demontieren.174

171 172 173

174

Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. pii v. Beispielsweise Ps.-Acro Comm. Hor. Epod. 12,8: Penem (pro inguine?) tam mulieris quam viri posuit. Maria-Barbara Quint, Untersuchungen zur mittelalterlichen Horaz-Rezeption, 1988, 17 stellt ein ganz ähnliches Verfahren für Conrad von Hirsaus Beschäftigungen mit Horaz fest. Der Dichter wird von seinen Lastern getrennt und sie werden anderen Personen zugesprochen. Stephen Harrison, „Horatian Self-representations“, 2007, 28–35, Emily Gowers, „Fragments of Autobiography“, 2003.

Landinos Kommentierung obszöner Stellen

131

Epode 11 Epode 11 war bereits im Hinblick auf die darin enthaltene zum Teil homoerotische Aussage des Sprecher-Ichs untersucht worden. Sie enthält jedoch noch andere für den Kommentator problematische Elemente, denen er mit der Strategie der Schuldumlenkung begegnet. Thema der horazischen Ode sind u. a. die ihn bloßstellenden, in der Trunkenheit genannten Liebschaften, die die Selbstdarstellung des Autors wenig würdevoll erscheinen lassen (V. 7–14): heu me, per urbem (nam pudet tanti mali) fabula quanta fui! conviviorum et paenitet, in quis amantem languor et silentium arguit et latere petitus imo spiritus. „contrane lucrum nil valere candidum pauperis ingenium?“ querebar applorans tibi, simul calentis inverecundus deus fervidiore mero arcana promorat loco.

Landino trägt nun zur Ehrenrettung seines kommentierten Autors bei, indem er die Schuld beim Wein sucht. Auch ist es ihm damit möglich, Horaz weiterhin als einigermaßen integre Persönlichkeit zu erhalten, da er in der Epode enthaltene Obszönitäten damit plausibilisiert, dass Horaz vom Wein zu seiner Laszivität verführt worden sei (Lemma zu V. 12): Adplorans tibi] impudens videri possit poeta, qui suam lasciviam gravi viro aperiat. Sed excusatur, quod tortus eodem tempore et vino et amore arcana suo loco, id est ex intima mente 175 promere, id est manifestare cogeretur.

Landino formuliert sehr vorsichtig: Der Dichter könnte als schamlos wahrgenommen werden, wenn er seine Zügellosigkeit einem würdevollen Mann offenbare. Man solle es dem Dichter verzeihen, da durch Wein und Liebe gequält sei. Begründend führt er weiterhin die Macht des Weingottes an, der genau diese Dinge forciere: Deus] de baccho intellegi potest, qui suo vino homines ad omnia arcana prodenda impellit. 176 […]

Hier nimmt der Kommentator seinen kommentierten Autor also, aufbauend auf den Text, in Schutz vor möglichen Vorwürfen. Die Entschuldigungsstrategie ist auffällig: Wenn es der Reputation des horazischen Sprecher-Ichs allzu sehr abträglich ist, werden Selbstbekenntnisse aller Art und Selbst-Dekonstruktionen vom Kommentator verhindert. Dadurch wird die Horazpersona gerettet und bleibt als moralischer Lehrer weiterhin erhalten.

175 176

Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. pi v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. pi v.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Satire 1,5 Wie bereits anhand von Satire 1,2 gezeigt, hat der Kommentator bei den Satiren eine größere, wenn auch nicht unbegrenzte, Lizenz zum obszönen Kommentieren. Sehr auffällig geschieht dies anhand der Kommentierung von Satire 1,5. Dort wird die Verantwortung für eine Schändlichkeit von der Horazpersona genommen. Horaz spricht hier davon, einen feuchten Traum gehabt zu haben, nachdem er von seiner Geliebten versetzt wurde. Die Aussage erfolgt in der ersten Person (ego, V. 82–85): hic ego mendacem stultissimus usque puellam ad mediam noctem exspecto; somnus tamen aufert intentum Veneri; tum inmundo somnia visu nocturnam vestem maculant ventremque supinum.

Wie problematisch das für den Kommentator gewesen sein muss, lässt sich an der scharfen Umlenkung der Lesart des Texts erkennen. An dieser Stelle greift der Kommentator nämlich außergewöhnlich stark ein: Er erklärt die Ich-Aussage des Horaz kurzerhand damit, dass er jemand anderen meine:177 Hic eco] sub nomine suo alium notat.

178

Der Gedanke, dass der Dichter Horaz, der an anderen Stellen als vorbildlicher Charakter etabliert wird, ein loses Liebesleben führt und sich sogar selbst durch seine sexuellen Gelüste befleckt, ist zu viel für den Kommentator und seine Leser.179 Durch den Kraftakt des Kommentators bleibt Horaz wirkungsvoll als integer und autoritativ erhalten. Petrarkisierung/Verortung im Liebesdiskurs Eine weitere Strategie des Umgangs mit obszönen Stellen innerhalb der horazischen Dichtung spiegelt sich in der dichterischen und philologischen Vita des Landino wider. Landino setzte sich zeit seines gelehrten Lebens mit dem großen Florentiner Dichter Petrarca auseinander, der ihn nachdrücklich in der Konzeption seiner eigenen (elegischen) Dichtung,180 seiner Philosophie181 und – wie zu sehen sein wird – in seiner 177

178 179

180

Diese Trennung erinnert an die Trennung von Dichter und dichterischer persona, doch ist Landinos Formulierung hier nicht in diese Richtung zu lesen. Er bezieht sich eindeutig auf einen anderen (alium), nicht auf eine dichterische Aussage. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. sviii r. Laut Julia Gaisser, Catullus and his Renaissance Readers, 1993, 159 benutzt Murets Catullkommentierung eine ähnliche Strategie der Zuweisung einer anderen Sprecherperson in einer höchst obszönen Passage. Dies untersucht Jörg Robert in seinem hervorragenden Aufsatz, der eine wichtige Grundlage für diese Arbeit bildet: Jörg Robert, „Lateinischer Petrarkismus“, 2004. Antonia Wenzel, Die XandraGedichte, 2010, 65–75 untersucht dies ebenfalls anhand von Landinos Xandra-Dichtung. Nikolaus Thurns Aufsatz zeichnet die neuplatonisch geprägte Traditionsbildung durch Landino in seinem Rückgriff auf Petrarca in der italienischen Dichtung nach: Nikolaus Thurn, „Petrarchismo nella scuola fiorentina di Cristoforo Landino“ in Studi umanistici Piceni 28 (2008), 141–148.

Landinos Kommentierung obszöner Stellen

133

Auseinandersetzung mit Horaz beeinflusste. Zu Petrarca war zwar von ihm kein gedruckter Kommentar entstanden,182 obwohl dies eine sinnvolle Ergänzung zu der vorliegenden Trias Vergil – Dante – Horaz gewesen wäre, doch etablierte er ähnlich zu dem Tandem Dante-Vergil183 die Beziehung zwischen Petrarca und Horaz. Das ergab sich folgerichtig, da Horaz ein wichtiger Einfluss für Petrarca gewesen war.184 In der Kommentierung von horazischer Lyrik finden wir bei Landino eine programmatische poetologische Verknüpfung von horazischer Dichtung mit petrarkistischer Lyrik.185 Dabei geht der Kommentator sogar dazu über, Petrarca direkt als Autorität zu zitieren.186 Dies ist nicht weiter verwunderlich, da er den Florentiner Dichter als von Horaz beeinflusst liest. Er begreift ihn als vollwertigen Dichter, der sein Vorbild emuliert, wie schon an seinem (in den Xandra-Gedichten enthaltenen) Epitaph auf Petrarca zu sehen ist:187 181 182

183

184

185

186 187

Nikolaus Thurn, Kommentar zur Carlias, 2002, 35. Bernhard Huss, „‚Esse ex eruditis qui res in Francisco, verba in Dante desiderent‘. Francesco Petrarca in den Dante-Kommentaren des Cinquecento“, in Gerhard Regn (Hrsg.), Questo leggiadrissimo Poeta! Autoritätskonstitution im rinascimentalen Lyrik-Kommentar, Münster 2004, 163. Landino hielt Vorlesungen zu Petrarca am Studio, wie den Kurs zu den Rerum vulgarium fragmenta (zwischen 1467 und 1470). Mario Di Cesare, „Cristoforo Landino on the Name and Nature of Poetry: The Critic as Hero“, in The Chaucer Review 21 (1986), 167–168: „Landino’s openness to both Latin and vernacular poetry is worth special notice here. His choice of major poets is clear: the two great epic poets, Vergil and Dante, and the two great lyric poets, Horace and Petrarch.“ Thompson stellt die Parallelisierung Dantes mit Vergil (und Homer) für die Dantevita des Landino fest: David Thompson, „Landino‫ތ‬s Life of Dante“, in Dante Studies 88 (1970), 125. McGann gibt einen ersten Überblick: Michael McGann, „The reception of Horace in the Renaissance“, 2007, 305–310. Eine umfassende Analyse der Horazrezeption bei Petrarca leistet Feo: Michele Feo, s. v. „Petrarca, Francesco“, in Enciclopedia Oraziana, Bd. III, Roma 1998, 405–425. Zum Horazbrief Petrarcas und der dort erkennbaren Ähnlichkeit zwischen Petrarca und Horaz vgl. Luke B. T. Houghton, Maria Wyke (Hrsg.), Perceptions of Horace. A Roman poet and his readers, Cambridge 2009, bes. 164: „The personality that emerges from the letter is not simply a Petrarchan Horace, but rather we look back through a Petrarchan Horace to an Horatian Petrarch; for there is a suspiciously high concentration of Horatian themes recycled in Petrarch’s fan letter to his predecessor with the later poet had previously adapted from Horace’s work for use in his own Italian lyrics.“ Ebenso zum Horazbrief Petrarcas vgl. Walter Ludwig, „Horazrezeption in der Renaissance“, 1993, 312–325. Arthur Field, The Origins of the Platonic Academy, 1988, 237: Landino hielt Vorlesungen über Petrarca entweder im selben Jahr wie seine Vorlesung zur Ars poetica (1464–1465) oder ein paar Jahre später. Mary P. Chatfield, Landino, Cristoforo, 2008, xxi: „As he was to do throughout his teaching career, Landino here fuses the world of the classic Latin writers with that of fifteenthcentury Florence and makes the vernacular literature of the latter the natural heir of the great works of republican and Augustan Rome.“ Donatella Coppini, „Il commento a Orazio di Cristoforo Landino“, 2013 gibt einen Abriss über die Erwähnungen Petrarcas in Landinos Horazkommentar. Landino Xandra 3,10, Mary P. Chatfield, Landino, Cristoforo, 2008, 191. Das Gedicht folgt dabei auf ein Epigramm, dass Dante in ähnlicher Weise in der Tradition von Homer und Vergil verortet.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Epitaphium Francisci Petrarcae poetae Quantum Pindarico vix debet Graecia plectro et quantum Latia vix tibi Flacce lyra, tantum Etrusca pio concessit Musa Petrarcae, quo celebri fama Laura pudica viret.

Für die Diskussion um Obszönität sind dabei die Attribute pius für Petrarca und pudica für Laura von entscheidender Bedeutung. Die lyrische Dichtung Petrarcas ist gerade durch ihre Keuschheit den antiken Vorbildern überlegen. Horaz’ Dichtung ist eben nicht pudica in sich, jedoch sei der „von Petrarca widergespiegelte und erdachte H[oraz] ein von der paganen Sinnlichkeit gereinigter und so für christl[iche] Tugendmodelle verfügbar gemachter Dichter“, so Gianluigi Baldo.188 Dies erklärt weiterhin die Attraktivität der Petrarkisierungsstrategie zur Umschiffung obszöner Problematiken: Indem Petrarca als Autorität erwähnt wird, scheint sich ein unproblematischer, weil petrarkistisch-keuscherer Kontext zu ergeben. Nicht zuletzt kann sich der Kommentator durch die Erwähnung des Florentiner Dichters selbst über seine Herkunft profilieren.189 Ode 1,19 Die eben erwähnte Strategie lässt sich hervorragend an der Kommentierung der VenusHymnus-Ode 1,19 zeigen. Horaz beschreibt hier sein wiederauflebendes Verlangen nach Glycera, angestachelt von Venus und ihren göttlichen Begleitern, u. a. Licentia (V. 1–4): Mater saeva Cupidinum Thebanaeque iubet me Semelae puer et lasciva Licentia finitis animum reddere amoribus.

Landino nimmt dies, nach einer inhaltlichen Paraphrase, zum Anlass, den für ihn so wichtigen Florentiner Dichter als Autorität in den Kommentar miteinzubinden: Et lasciva licentia] tria posuit ad amorem excitandum validissima. Venus, vinum et lascivia, id est mollis et otiosa licentia. Venus enim si accedat vinum exardescit. Ex lascivia autem oriri amorem noster Petrarca elegantissime docet, praesertim si in ea assumimus nobis licentiam, id 190 est, non concessum arbitrium. […]

188 189 190

Das darauf folgende Gedicht 3,11 preist Petrarca für seine epische Dichtung und geht auf seine Dichterkrönung ein. Gianluigi Baldo, s. v. „Horaz (Quintus Horatius Flaccus)“, in Der Neue Pauly, Supplement 7 (2010), 379. Pieper stellt fest, dass Landino versuche, sich als eine Hauptfigur der Florentiner Gelehrtenwelt zu porträtieren: Christoph Pieper, „Horatius praeceptor eloquentiae“, 2013, 222. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. dviii v.

Landinos Kommentierung obszöner Stellen

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Petrarca lehre überaus feinsinnig, dass aus lasziven Dingen Liebe entstehen könne. In gewisser Hinsicht adelt er damit sogar die Aussage der ansonsten eher problematischen Ode, in der sich Horaz als liebestoller Dichter und Spielball der Venus darstellt. Ode 1,27 Die Kommentierung der sympotischen Ode 1,27 ist bereits unter dem Gesichtspunkt der Moralisierung besprochen worden. Landino bedient sich aber noch eines weiteren Kunstgriffs, um die Aussage der Ode für seine Leser um- und in sichere Bahnen zu lenken. In Vers 11–12 drückt der Dichter ein paradoxes Gefühl aus: frater Megyllae quo beatus vulnere, qua pereat sagitta.

Von Landino wird die Aussage des Horaz als Bericht eines Liebenden interpretiert. Es sei Art der Liebenden, sich gleichzeitig glücklich zu nennen und trotzdem zu sterben zu wünschen. In einem weiteren Schritt stellt er Petrarca, den er hier wieder als civis noster bezeichnet, in den Vordergrund, der treffend ausgedrückt habe, dass diese beiden gegensätzlichen Gefühle oft vermischt seien: Quo vulnere] […] Ergo amatorie de amore locutus est poeta et ex amantium more. Nam et beatos seipsos nuncupant et tamen se perire conqueruntur. Quapropter nescio elegantius ne an verius haec duo admixta contraria civis noster Petrarca expresserit, cum dixerit nosse se. 191 „Quale est mel temperato colasinthio.“

Ode 3,26 Als drittes Beispiel kann die wiederum an Venus gerichtete Ode 3,26 dienen. Dort stilisiert sich der Sprecher als einer, der den Wirkungsbereich der Venus verlasse (V. 1– 10). Dies bricht sich jedoch ironisch in den letzten beiden Versen (V. 11–12), in denen doch noch eine Chloe von Venus mit ihrer Peitsche berührt werden solle und der Dichter damit doch wieder ein Objekt des Begehrens erwähnt:192 regina, sublimi flagello tange Chloen semel arrogantem!

Landino kommentiert Ode 3,26,11 nach einer Erklärung von sublimi flagello193 folgendermaßen:

191 192 193

Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. evi r. Textemendation des Italienischen übernommen von Donatella Coppini, „Il commento a Orazio di Cristoforo Landino“, 2013. Der Text ist damit nicht ganz so obszön, wie dies an den vorhergehenden Stellen der Fall ist, jedoch zeigt die Strategie der Petrarkisierung hier ihre volle Wirkung. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. mii v: Sententia est: Tu me, Venus, assiduis vulneribus amoris confodisti. Fac ergo ut illam, non dico vulneres, sed tangas, et tangas non pluries, sed semel, et non ferro, sed flagello, nec cum toto flagello, sed cum extrema parte flagelli.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

sublimi flagello] […] Locus est profecto artificiosissimus. Sed quem non minori artificio imitatus sit lyricus noster Florentini carminis poeta. Franciscus Petrarca „Però al mio parer non li 194 fu honore | ferir me de saetta in quello stato,| a voi armata non mostrar pur l'arco.“

Der Ausdruck des Horaz sei besonders kunstvoll. Der lyrische Dichter noster Petrarca habe dies hingegen mit nicht minder großer Kunst nachgeahmt. Landino zitiert dazu das letzte Terzett aus dem dritten Gedicht der Rerum vulgarium fragmenta. Auch hier kann die Strategie der Petrarkisierung als keusch-kontextualisierende aemulatio gelesen werden. In diesen drei Beispielen findet also gleichzeitig eine Etablierung des antiken und des florentinischen Dichters statt. Petrarca wird als zweiter praeceptor amoris in den Kommentar miteingefügt und wiederholt als noster Petrarca bezeichnet, um ihn für Florenz zu vereinnahmen und damit für Landino selbst. Horaz und Petrarca bilden daher für Landino auf derselben Ebene ein vorbildliches Dichtergespann wie Vergil und Dante. Jörg Robert zeigt, dass für Landino Petrarca und die seit Petrarca entstandenen imitatioTechniken eine wichtige Quelle für seine Gedichtsammlung Xandra darstellten.195 Christoph Pieper und Natascia Tonelli konstatieren eine solche Beeinflussung ebenfalls.196 Der Kommentator der mit Liebesdingen befassten horazischen Gedichte klingt bisweilen nach dem Liebesdichter, als der er sich in seiner Xandra gezeigt hatte. Dies passt hervorragend zur bereits bei Jörg Robert untersuchten Behandlung von Liebesthematiken in Landinos eigener Dichtung: Dort gab es ebenso eine Vermischung von antiken und petrarkistischen Motiven.197 Er stellt außerdem fest, dass in der Dichtung Landinos die Verwendung von petrarkistischen Motiven „an die Stelle elegischer nequitia und lascivia [treten]“.198 Genau diesen Vorgang wiederholt er beim Kommentieren des Horaz, dem unkeuschen Vorfahren des Petrarca.199 Darüber hinaus kann Landino in der Verbindung von petrarkistischen Motiven nicht nur die obszönen Stellen des Horaztexts dichterisch im Nachhinein korrigieren, sondern er kann damit seine eigene dichterische Tätigkeit im Kommentieren erläutern und nachträglich seine Reputation bereini194

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. mii v. Petrarca, Rerum vulgarium fragmenta 3. In der Venezier Ausgabe ist der Text setzerisch etwas entstellt. Dort ist der Text folgendermaßen abgedruckt: „Et certo al mio parer non gli fu honore | Ferir me die faetta in quello stato. | Allei armata non monstar purlarco.“ Jörg Robert, „Lateinischer Petrarkismus“, 2004, bes. 128–131. Christoph Pieper, Elegos redolere Vergiliosque sapere, 2008, xviii. Natascia Tonelli, „Landino. La Xandra e il codice eligiaco“, in Giornale storico della letteratura italiana 119 (2002), 209. Jörg Robert, „Lateinischer Petrarkismus“, 2004, 124. Jörg Robert, „Lateinischer Petrarkismus“, 2004, 127. Jörg Robert, „Lateinischer Petrarkismus“, 2004, 136 fährt fort, dass diese „Petrarkisierung der Liebeselegie zur Voraussetzung ihrer Platonisierung“ werde. In gewisser Hinsicht trifft das ebenso für den Horazkommentar zu, da Landino, wie an den Paratexten nachweisbar war und wie im nächsten Kapitel zu sehen sein wird, Horaz als platonischen Dichter identifiziert oder Platonisierung als Strategie anwendet, um seine Dichtung zu entproblematisieren.

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gen.200 Dafür stellt er eine Identifikation mit keuscher Lyrik her, was von Martin McLaughlin herausgearbeitet wird: „Landino’s pursuit of a chaster tone in Latin lyrics stems from his privileging of the Petrarchan over the classical tradition of love poetry.“201 Damit ergibt sich auch hier eine Übereinstimmung der dichterischen und kommentatorischen persona Landinos.

4.3.3 Zusammenfassung: Landino als Entschärfer horazischer Obszönität Da Landino Horaz in den Paratexten seiner Ausgabe als moralische und sprachliche Autorität etabliert hatte und er sich selbst in ähnlicher Weise profiliert, ist es Landino zwangsläufig ein großes Anliegen, Horaz als genau diese Autorität zu erhalten. Er scheint geradezu eine Art Verantwortung für seinen kommentierten Autor zu empfinden, die durch eine große Nähe zwischen beiden entsteht. Mit Horaz’ moralischer Dekonstruktion vor den Augen der Leser würde automatisch ebenso sein Kommentator Landino moralisch dekonstruiert. Für ihn sind besonders die Elemente problematisch, in denen die Integrität der horazischen Sprecherpersona auf dem Spiel steht: wenn also Frauen und Mädchen Objekte starken Begehrens sind und damit Macht über Männer ausüben, Horaz sich homoerotischer Elemente in seiner Dichtung bedient oder er sich selbst als Vorbild demontiert. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Landino völlig von der Kommentierung sprachlicher Obszönität absieht. Nur an wenigen Stellen lässt uns der Kommentator wissen, dass ihm die Kommentierung einer obszönen Stelle nicht behagt. Hinzu kommt, dass Landino immer dann, wenn er nicht eine moralisierende Lesart über den Text legen kann (um dabei Horaz’ Aussage entweder zu verstärken oder sogar in eine moralisierende Lesart umzulenken), auf andere Verfahren zurückgreift, die sich auch in seinen anderen philologischen und dichterischen Werken finden lassen:202 Er zensiert die homoerotischen Elemente in der Dichtung des Horaz, indem er sie nicht weiter ausführt, er entschuldigt Horaz durch Erklärungen und streut Petrarca als Autorität in die Kommentierung ein.203 200

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Das könnte ganz ähnlich wie die von Craig Kallendorf, In Praise of Aeneas, 1986, 159–160 untersuchte Annäherung von Vergil an Dantes christliche Vorstellungen funktionieren, wobei der antike Dichter zu großen Teilen rehabilitiert werden kann. Er stellt zudem (161) fest, dass Landinos Danteauslegung seine Vergilinterpretation beeinflusst habe. Dies ist ebenso für Horaz und Petrarca bei Landino möglich. Martin L. McLaughlin, Literary Imitation 1995, 171. Mario Di Cesare, „Cristoforo Landino on the Name and Nature of Poetry“, 1986, 159: „Himself a poet, he brought to his commentary the developed instincts of a poet“; und 166: „He was himself a poet and inevitably approached poetry with an instinctive sense of what he might do or try to do as commentator.“ Interessanterweise jedoch benutzt Landino keine platonisierenden Elemente in seiner Kommentierung, wie dies Robert für seine elegische Dichtung festgestellt hatte: Jörg Robert, „Lateinischer Petrarkismus“, 2004, 126. Seine Analyse, dass Landino in seiner Dichtung eine Tendenz zur Petrarkisierung und Platonisierung habe, wird vor allem für das nächste Kapitel eine wichtige

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Es ist ebenso bedeutsam, dass das Vorgehen Landinos bei Horaz in Übereinstimmung mit seinem Vorgehen in der Redigierung seiner Xandra-Ausgabe steht, das von Jörg Robert mit dem Begriff der „Harmonisierung“ bezeichnet wird.204 Landino bemüht sich in der Horazausgabe, wie hier und im nächsten Kapitel zu sehen ist, um eine Harmonisierung der Aussagen der Horazpersona – vor allem in Hinblick auf die Vereinbarkeit von zeitgenössischen Vorstellungen mit den Aussagen seiner Dichtung. Landino versucht häufig, die Kanten in Horaz’ Dichtung für seine Leser zu glätten oder plausibel zu machen, wenn dies nach seiner Einschätzung nötig ist. Diese Analysen könnten außerdem für das Verständnis Landinos später dichterischer Tätigkeit fruchtbar gemacht werden. Der Kommentator kommentiert wie der DichterEditor und „harmonisiert“ und entschärft horazische Motive. Es ist denkbar, dass das Kommentieren des Horaztexts die Autorisierung und Harmonisierung der Xandra im Nachhinein vornimmt und Landino sein dichterisches Programm quasi im Nachgang abrunden kann. Dabei fungiert der Kommentator nicht nur als Erklärer, sondern liefert gleichzeitig einen retrospektiven Werkstattbericht über seine eigene Dichtung ab. All dies zeigt, dass sich Manfred Lentzens Verdikt entkräften lässt, das möglicherweise einer der Gründe dafür ist, dass Landinos Horazkommentar so lange außerhalb des Fokus der Forschung lag. Manfred Lentzen hatte den Kommentar als „im Wesentlichen [mit] stilistischen und rhetorischen Anmerkungen“205 befasst beschrieben. Doch Landinos Umgang mit obszönen Stellen in der horazischen Dichtung beweist, dass sein Kommentieren viel tiefgründiger und vielschichtiger ist als von Lentzen suggeriert.

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Rolle spielen. Petrarkisierung scheint eine Strategie des Kommentators Landino im Bereich des Obszönen zu sein. Platonisierung wendet er an, wenn es um Epikureismus und falsche philosophische Vorstellungen geht (vgl. Kapitel 5). Jörg Robert, „Lateinischer Petrarkismus“, 2004, 128 analysiert dies auf inhaltlicher und formaler Ebene. Besonders seine Beschreibung des ersten Aspekts ist für unsere Zwecke nützlich: „Bildet der Gegensatz von sinnlich-hedonistischer und spirituell-petrarkischer Liebe das entscheidende Differenzkriterium für die Pluralisierungsvorgänge im Cinquecento, so negiert und kassiert das Quattrocento die sich abzeichnende Ruptur auf formaler wie gehaltlicher Ebene: inhaltlich, indem sie das widerständige Moment von lascivia und nequitia neutralisiert und der Elegie eine Unschuld verleiht, die ihr im Horizont ihrer antiken Selbstbeschreibung nicht zukommt […].“ Manfred Lentzen, Studien zur Dante-Exegese, 1971, 156.

Lambins Kommentierung obszöner Stellen

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4.4 Lambins Kommentierung obszöner Stellen 4.4.1 Rahmenbedingungen für Lambins Umgang mit der horazischen Obszönität 4.4.1.1 Die Indizierung zu Zeiten Lambins In Frankreich206 waren die oben beschriebenen Tendenzen der Indizierung in ähnlicher Ausprägung zu erkennen,207 doch unterstand hier die Kontrolle weniger dem Papst als dem König.208 1544 war eine Liste der verbotenen Bücher von der Sorbonne vorbereitet und vom König sanktioniert worden. Diese Liste war dann u. a. eine Ausgangsbasis für die Erstellung des römischen Index von 1559, dem Vorgänger des Trienter Index. 1546 fand sich sogar ein erstes Opfer des Vorwurfs der Häresie unter den Humanisten: Etienne Dolet. Er und seine Bücher wurden öffentlich verbrannt.209 Dies geschah innerhalb des katholischen Milieus der Gegenreformation. Hans Joachim Bremme untersucht zudem das zensorische Vorgehen der protestantischen Seite im Genfer Druckgewerbe. Bücher, die moralisch problematisch waren, wurden als „lascif, impudique, vain, vilain,

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Eine kurze, den hier versammelten Überlegungen folgende Darstellung zu Lambins Umgang mit horazischer Obszönität findet sich als Ausgriff in dem Band zur Vortragsreihe in der Villa Vigoni: Anja Stadeler, „Die Verhandlung von Obszönität in Lambins Horazkommentar (1561)“, in Donatella Coppini, Nathalie Dauvois, Marc Laureys (Hrsg.), Non omnis moriar. Wirkungen und Wandlungen des Horaz in der neulateinischen Literatur 1400–1700, Hildesheim, im Erscheinen. Dabei werden exemplarisch Ode 1,4, Ode 4,10 und Satire 1,2 auf Lambins subversiven Umgang mit Obszönität untersucht. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 58: „Although no Inquisition of the Roman type ever existed in France, many measures of French courts were very similar to that, while some Sorbonne theologians had the title of ‚Inquisitor of the Faith’. Prosecution of heresy in France was as much a political act as it was religious. Its driving force was not just securing dogmatic purity but also safeguarding the established political and social order. As a result, both the religious and secular institutions kept a watchful eye on all literary activity fostering hostility or encouraging dissension against the king.“ Zedelmaier betont, dass die Möglichkeiten der allumfassenden Buchkontrolle aufgrund der schieren Masse aller erscheinenden Drucke eigentlich nicht möglich war: Helmut Zedelmaier, „Das katholische Projekt einer Reinigung der Bücher“, in Wulf Oesterreicher, Gerhard Regn, Winfried Schulze (Hrsg.), Autorität der Form – Autorisierung – Institutionelle Autorität, Münster 2003, 182–189. Laut Edoardo Tortarolo, „Zensur als Institution“, 2001, 286 „[spielte] die Inquisition in Frankreich nie eine Rolle. Die Selbstverständlichkeit der Zensur war jedoch damit noch nicht in Frage gestellt. Schon 1563 wurde die Erlaubnis, ein Buch zu veröffentlichen, dem königlichen Privileg gleichgestellt […].“ Nancy Lyman Roelker, One King, One Faith. The Parlement of Paris and the Religious Reformations of the Sixteenth Century, Berkeley 1996, 182 und 212. Emma Herdman, „Censured and Censored“, 2011, 378.

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profane et lubrique“ gebrandmarkt.210 Zu den zensierten Büchern gehörten dabei, so Bremme, die antiken Dichtungen Ovids (Ars amatoria) sowie die Werke von Catull, Tibull und Properz.211 Lambin war zwar in Frankreich davon nicht betroffen, dennoch können wir davon ausgehen, dass dies die Abfassung seines Kommentars beeinflussen musste. Befindet er sich in Frankreich auch außerhalb der Reichweite der italienischen und schweizerischen Zensur, gab es doch ebenso in Frankreich, vertreten durch die Sorbonne, scharfe Angriffe auf die gelehrte Immunität der Mitglieder beispielsweise des Collège, die unter dem Vorwurf der Häresie standen.212 Der Horazkommentar des Lambin eignet sich hervorragend, seine Kommentierungstechniken in diesem Klima zu untersuchen. Dies ist insbesondere der Fall, weil die Erstausgabe im liberalen Lyon gedruckt wurde213 und viele Folgeauflagen im Klima der französischen Religionskriege entstanden. Die Horazausgabe des Lambin entstand zwar noch vor der Veröffentlichung des Trienter Index, doch – vor allem ihre Folgeausgaben – in einer Zeit, die durch ein stark ablehnendes Verhältnis zu Obszönität geprägt war. Anhand der Beispiele der Catullund Martialkommentierung, des Vorgehens des Erasmus und des Kollegen Lambins, Adrien de Turnèbe, soll ein Bild gezeichnet werden von den moralischen Tendenzen dieser Zeit innerhalb der Wissenschaft, gegen die sich Lambin auf teilweise auffällige Weise abheben wird. 4.4.1.2 Vermeidungsstrategien bei der Edition und Kommentierung anderer problematischer antiker Autoren Ein Spektrum verschiedener Umgangsarten mit Obszönität in Kommentaren ergibt sich aus der für Lambin zeitgenössischen Catull- und Martialkommentierung sowie dem Vorgehen des Erasmus. Das erste Beispiel ist der Catullkommentar des Statius (1566), der nach dem Trienter Index in Rom erschien.214 Statius‫ ތ‬Strategie ist es, Catull ver-

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Hans Joachim Bremme, Buchdrucker und Buchhändler zur Zeit der Glaubenskämpfe. Studien zur Genfer Druckgeschichte 1565–1580, Genève 1969, 77. Käufer dieser Schriften waren laut Bremme oft sogar Gelehrte („Scholaren“). Doch dieser Kontext konnte sie nicht vor Strafe bewahren: Hans Joachim Bremme, Buchdrucker und Buchhändler, Genève 1969, 77-78. Higman zeigt dies am Konflikt zwischen beiden Institutionen um 1530. Kern des Konflikts war die Untersuchung der biblischen Texte durch die lecteurs royaux, was die Sorbonne untersagen lassen wollte: Francis M. Higman: Censorship and the Sorbonne. A Bibliographical Study of books in French censured by the Faculty of Theology of the University of Paris, 1520–1551, Genève 1979, 30–32. Francis M. Higman: Censorship and the Sorbonne, 1979, 69 beschreibt das Druckgewerbe in Lyon als relativ immun gegen zensorische Maßnahmen. Julia Gaisser, Catullus and his Renaissance Readers, 1993, 170–171.

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stärkt am Beginn der Ausgabe zu christianisieren,215 weswegen die Obszönitäten innerhalb des Kommentars von ihm erklärt werden können.216 Für Joseph Scaligers Kommentar (1577)217 ergibt sich in einem ähnlichen Umfeld eine andere Herangehensweise.218 Er entschuldigt Catull zwar zunächst im Vorwort, dann unterlässt er im Kommentar aber jegliche obszöne Äußerung, selbst im Rahmen der problematischen Gedichte.219 Er ist dabei noch viel strenger als Statius in seinem Vorgehen. Ein drittes Beispiel für die zeitgenössische Catullrezeption findet sich in Valerianos Vorlesungen (1521). Er zeigt sich den zumeist homoerotischen Stellen gegenüber ablehnend.220 Auch die Kommentare des Antonio Partenio (1485), des Palladio Fosco (1496) und des MarcAntoine Muret (1554) wurden in der Forschung untersucht.221 Bei ihnen stellt Philip Ford fest, dass sie meist die Erklärung von sexuell expliziten Worten, beispielsweise in Catull 16,1, vermeiden.222 Die Catullkommentatoren zeigen also großenteils die Präferenz, Obszönitäten bei ihrem Autor zu unterdrücken. Darüber hinaus werden sie in den dazugehörigen Vorreden verurteilt. Die Editionen des Martial stellen ebenfalls eine gute Vergleichsfolie zur Horazrezeption dar, da sie im Rahmen der Reformation und Gegenreformation gesellschaftlichen Strömungen hin zu mehr Prüderie und Moralität ausgesetzt waren.223 Bei Martial treffen wir häufig auf purgierte Ausgaben, die durch das sechzehnten Jahrhundert hindurch entstanden.224 Der Calvinist Konrad Gesner hatte bereits 1544 die problematischsten Epigramme aus seiner Martialausgabe entfernt und die Gedichte neu angeordnet, da sie sonst, so seine Begründung, insbesondere jüngeren Lesern schaden würden.225 André

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Julia Gaisser, Catullus and his Renaissance Readers, 1993, 172: Jedoch verliert sich dieser Impuls im Laufe des Kommentars. Julia Gaisser, Catullus and his Renaissance Readers, 1993, 190. Anthony Grafton, „Joseph Scaliger's Edition of Catullus (1577)“, 1975, 155. Julia Gaisser, Catullus and his Renaissance Readers, 1993, 190: „For Statius and Scaliger, papal secretary and Calvinist alike, the dry winds of religious orthodoxy and sexual prudery produced a harsher climate.“ Julia Gaisser, Catullus and his Renaissance Readers, 1993, 190–191. Findlen betrachtet die Kommentierung der Carmina Priapeia und stellt fest, dass wenn die Kommentatoren vor allem die Wiederherstellung der antiken Literatur im Sinne hatten, sie damit jedoch die obszöne Dichtung dennoch einer größeren Leserschaft öffneten. Paula Findlen, „Humanismus, Politik und Pornographie im Italien der Renaissance“, 1994, 77. Julia Gaisser, Catullus and his Renaissance Readers, 1993, 143. Philip Ford, „Obscenity and the lex Catulliana“, 2011, 51. Philip Ford, „Obscenity and the lex Catulliana“, 2011, 52. Frank-Rutger Hausmann, s. v. „Martialis, Marcus Valerius“, in F. Edward Cranz (Hrsg.), Catalogus Translationum et commentariorum, Bd. IV, Washington D. C. 1980, 256. Curt Loehning, „In usum Delphini“, 1970, 149: 1514 (Paris), 1522 (Lyon) und 1544 (ohne Ortsangabe). Frank-Rutger Hausmann, s. v. „Martialis, Marcus Valerius“, 1980, 256 und 274–275. Gesners Widmung enthält folgende Aussage (zitiert bei Hausmann, 275): Resecui enim et abieci quicquid inerat foedioris argumenti, quicquid inhonestum, turpe, obscenum, nefandum, monstrosum, aut

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Frusius und Edmond Auger schaffen im jesuitischen Umfeld eine Ausgabe, die völlig von erotischem Material befreit ist. Von Frusius war, so Robert R. Bolgar, eine Horazausgabe geplant, die ohne die obszönen Inhalte auskommen sollte.226 Das Vorwort „schließt mit dem Wunsche, aus einer so großen Zahl gelehrter Männer möge jemand aufstehen, der auch Horaz, Catull, Tibull, Properz, Ovid und die übrigen in derselben Weise korrigieren möchte“.227 Dies geschah gerade weil „die klugen Pädagogen aber beobachten konnten, wie die jungen Leute im Ovid, Catull, Martial und den übrigen Schriftstellern begierig die Schweinereien (stercora) und die obszönen Worte aufsammeln (colligere)“.228 Obszöne Texte waren demnach vor allem für junge Leute ein begehrter Lesestoff, woraus die Notwendigkeit der Purgierung abgeleitet wurde. Lambin zeigt sich von diesen Einflüssen jedoch wenig betroffen und purgiert in seiner Ausgabe an keiner Stelle, weder im Text noch im Kommentar. Auch das Vorgehen des Erasmus kann eine gute Vergleichsfolie für Lambin bieten. Letzterer kannte offensichtlich die Schriften des Erasmus, was sich an vielen Stellen seines Horazkommentars erkennen lässt, an denen er ihn als philologische Autorität zitiert,229 und in der Widmungsepistel an den französischen König, die stark erasmische Untertöne enthält.230 In der Forschung wurde für Erasmus die Strategie der Vermeidung von Obszönitäten festgestellt, beispielsweise anhand der homoerotischen Passagen bei Vergil im Schulkontext. Erasmus führt dort aus, wie der Lehrer die Aufmerksamkeit des jungen Lesers von den problematischen Stellen ablenken könne. Dieser solle die Stellen unter größere Allgemeinplätze einordnen oder ihnen einen ganz allgemein aufbauenden Charakter zuschreiben,231 also eine unproblematische Bedeutung aus dem Text herauslesen.232 Lambin allerdings verhält sich auffällig anders, als Erasmus dies fordert, und auch sonst hebt sich sein Horazkommentar stark von den meisten hier skizzierten Entwicklungen ab.

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quod ullo modo indecori quicquam cogitandi occasionem rudibus legentium animis exhiberet. […] Robert R. Bolgar, The Classical Heritage and its beneficiaries, Cambridge 1954, 358. Curt Loehning, „In usum Delphini“, 1970, 162, Frank-Rutger Hausmann, s. v. „Martialis, Marcus Valerius“, 1980, 257. Curt Loehning, „In usum Delphini“, 1970, 162. Z. B. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. g3 v und , Horatius, 1561, fol. N3 r. Vgl. Abschnitt 2.3.4.1. Ann Moss, Printed commonplace-books, 1996, 106. Hugh Roberts untersucht diese Verfahren in einer detaillierten Studie: Hugh Roberts, „Erasmus“, 2011. Er stellt stark moralisierende Tendenzen fest, bei denen es gelte, obszönes Vokabular und Erklärungen zu vermeiden. Dabei (101–104) ginge die Notwendigkeit der Vermeidung von primärobszönem Vokabular sogar auf Quintilian und Cicero zurück, die das antike kynische Argument zurückwiesen, dass Wörter an sich nicht schändlich sein könnten. Cic. Off. 1,128, Quint. Inst. 8,3,38–39.

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4.4.1.3 Adrien de Turnèbes Umgang mit Obszönität Für eine nähere Verortung im zeitgenössischen philologischen Diskurs lohnt außerdem ein Blick auf Lambins Kollegen am Collège Royal: Adrien de Turnèbe. Dieser hatte sowohl einen Kommentar zum ersten Buch der Oden des Horaz verfasst als auch in seinen Adversaria einen Großteil des horazischen Texts mit Annotationen versehen.233 Im Umgang mit Obszönitäten ist Turnèbe nicht zurückhaltend. Von Lambin selbst erfahren wir von einem regen und produktiven Austausch zwischen beiden Humanisten.234 Eine auffällige Stelle für diesen Austausch findet sich in der Kommentierung von Epode 8: Quaedam sunt, quae quamvis obscena flagitiosaque sint, tamen ut intelligantur sunt declaranda, in his praesertim auctoribus, quos saepe tractamus, ut apud Flaccum, „Quid? quod libelli Stoici inter sericos Iacere pulvillos amant? 235 Illiterati non minus nervi rigent?“

Turnèbe gibt hier seinem Leser eine Art Metakommentar zu seinem Vorgehen bei obszönen Passagen im Text: Die Notwendigkeit, den Text zu verstehen, habe für ihn oberste Priorität, auch wenn dieser Text problematisch sei. Dies sei besonders bei wichtigen Autoren wie Horaz nötig, die im Fokus der (humanistischen) Forschung stünden. Turnèbe gibt hier also offen sein Vorgehen zu und bezeichnet es als unumgänglich. Lambin hingegen stellt sich, wie noch zu sehen sein wird, trotz ähnlicher Begründung seines Vorgehens anders dar. 4.4.1.4 Der Umgang mit Obszönität in den Paratexten Anders als in seiner Lukrezausgabe, in der Lambin das problematisches Feld des Epikureismus umfassend und entschuldigend thematisiert,236 verliert er in den Paratexten 233

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Die Annotationen zu Horaz wurden von Johannes Furdinus, einem Freund von Turnèbe, post mortem zusammengestellt und 1577 von seinem Sohn Odo herausgegeben. Quintus Horatius Flaccus, Adrien de Turnèbe, Adriani Turnebi Philosophiae et Graecarum Literarum Regii professoris commentarius in librum primum carminum Horatii. Eiusdem Adriani Turnebi commentarius in locos obscuriores Horatii, ex eius Adversariorum libris excerptus, Parisiis apud Martinum Iuvenem 1577, fol. 22 r: Odo Turnebus Lectori S.: Johannes Furdinus vir doctissimus, idemque patri meo Adriano Turnebo amicissimus, cum haec in librum primum carminum Horatii scholia inter parentis defuncti Adversaria reperisset, et ex autographo descripsisset, atque omnes locos, qui in libris Adversariorum hunc auctorem explicant, addidisset, decrevit tandem in lucem emittere. Turnèbes Annotationen sind allerdings fragmentarischer und viel kürzer als die des Lambin. So fügt Lambin in seiner zweiten Ausgabe in seinen Kommentaren zu Epode 12 die Diskussion des Turnèbe zum Lemma nigris dignissima Barris] ein: Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. Cii r: Turnebus putat etiam dici posse, per Barros hic non elephantos, sed Barrum illum, qui deformis et niger erat. significari […]. Hor. Epod. 8,15–17. Adrien de Turnèbe, Horatius, 1577, fol. K iii v. Vgl. Abschnitt 5.3.1.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

seiner Horazausgabe kaum ein Wort über mögliche bedenkliche Stellen für seine Leser. Dies ist besonders heikel, da, nach seiner eigenen Aussage, adolescentes zu seinen favorisierten Lesern zählen sollen. Gerade sie gilt es eigentlich, von sprachlicher und inhaltlicher Obszönität fernzuhalten. Damit geht Lambin einen anderen Weg, als noch Statius, Scaliger oder Valeriano bei Catull es getan hatten, die in den praefationes ihrer Ausgaben nachdrücklich auf die Problematik der Obszönität in den Schriften des Autors hingewiesen hatten.237 In der ersten Ausgabe von 1561 gibt es keine Hinweise auf irgendeine Form von Obszönität, die dem Leser im Weiteren begegnen könnte. Dies ändert sich mit der zweiten Ausgabe von 1567, in der nun die Horazvita des Sueton enthalten ist.238 Dort wird Horaz an einer Stelle als maßlos in sexuellen Belangen charakterisiert.239 Anders als Landino ist Lambin schonungslos in seiner Darstellung und nimmt mit dem unzensierten Zitieren der antiken Quelle bewusst in Kauf, dass der von ihm kommentierte Autor an Integrität verliert. Dies steht in auffälligem Kontrast zur Empfehlung des Horaz als stil- und moralbildende Instanz für den jungen König und als Freizeitlektüre für den Kardinal, der als sittenstrenger, orthodoxer Ratgeber der königlichen Familie galt.240

4.4.2 Strategien im Umgang mit Obszönität im Horazkommentar Lambins Die Strategien Lambins unterscheiden sich auffällig von denen Landinos, wenn es darum geht, obszöne Passagen in Horaz‫ ތ‬Werk zu kommentieren. Lambins Selbstdarstellung weicht eklatant von seiner tatsächlichen Kommentierweise ab. Er hat, anders als Landino, kaum Interesse daran, Horaz in einem moralisch guten Licht zu zeigen. Nach der Betrachtung dieser lambinischen Selbstdarstellung werden seine detaillierte sprachliche Exegesetechnik sowie sein Verweissystem innerhalb des Kommentars und auf andere antike Texte genauerer Betrachtung unterzogen. Die stärkste Abweichung von Lambins Selbstdarstellung ist in den Abschnitten der forciert-obszönen Kommentierung und in der Entwicklung der Ausgaben der Horazedition zu beobachten. 4.4.2.1 Lambins Selbstdarstellung als keuscher und moralischer Kommentator Lambin äußert sich an einigen Stellen des Kommentars quasi metakommentarisch zu seinem Vorgehen bei der Kommentierung von obszönen Stellen. Seine programmatischen Äußerungen klingen dabei sittenstreng und tugendhaft. Er bittet seine Leser sogar um Verzeihung für seine Art des Vorgehens.

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Julia Gaisser, Catullus and his Renaissance Readers, 1993, 170–190. Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. †vi r. Vgl. Abschnitt 3.4.3. Francis M. Higman: Censorship and the Sorbonne, 1979, 47.

Lambins Kommentierung obszöner Stellen

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Ode 1,4 Die Kommentierung der ersten obszönen Ode im Gesamtkorpus der horazischen Dichtung nimmt Lambin zum Anlass, sich zu diesem Problem zu positionieren.241 Auch für ihn stellt der von Horaz als Objekt erotischer Bewunderung beschriebene Lycidas eine kritische Angelegenheit dar. Seine Strategie nähert sich auf den ersten Blick an die moralisierende Kommentierung des Landino an, endet jedoch in einem Metakommentar: Nec tenerum Lycidam mirabere] puerum mollem et impudicum cuius nunc iuvenes ardent amore, dum imberbis est et impubes, sed ubi adoleverit nucibusque (ut aiunt) ludere desierit, quod non longum fiet, tum eius complexu virgines cupient potiri. Peto autem a verecundo lectore, ut, quoties tales loci occurrent, qui ad pueriles illos et flagiotiosos amores pertineant, dent 242 mihi hanc veniam, ut vel strictim attingam vel omnino tacitos praetermittam.

Ebenso wie Landino nimmt Lambin eine moralische Wertung des Texts vor, bezeichnet Lycidas als puer mollis und impudicus, erklärt den Inhalt also ganz klar sexuell und bewertet ihn negativ.243 Im Anschluss an eine detaillierte Erläuterung erbittet Lambin von seinen Lesern die Erlaubnis, solche Erklärungen obszöner Passagen nicht weiter leisten zu müssen. Landino war darauf kaum näher eingegangen – mit dem lakonischen Hinweis, dass die obszönen Zusammenhänge verständlich seien.244 Wie es seine Art ist, kommentiert Lambin jedoch weitschweifig und erklärt diese Vorgehensweise zur Ausnahme. Er bereitet seinen „sittsamen Leser“ darauf vor, dass er jene Stellen, die sich auf Liebesbeschreibungen mit Knaben und tadelnswerte Liebesbeschreibungen bezögen,245 nicht detailliert oder gar nicht ausführen werde. Da diese Aussage am Beginn der Kommentierung steht, kann sie als programmatisch für die restlichen Kommentare gelten.

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244 245

Die in dieser Ode ebenfalls platzierte Selbstdarstellung als Christ soll im nächsten Kapitel behandelt werden. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. d3 v. Vgl. Valerianos Bekenntnis in seinen Vorlesungen zu Catull, die von Julia Gaisser, Catullus and his Renaissance Readers, 1993, 137–138 untersucht werden. Sie zitiert Valeriano (FN 127, 352) in seinem bewussten Zensieren des problematischen Catulltexts: Decreveram anno superiore iuvenes et adolescentes honestissimi Catullum ita vobis praelegere, ut ea dissimularem, quae propter impudicam argumentorum licentiam indigna videbantur, quae ex hoc loco exponerentur. Atque eo tunc consilio, [cu]m in haec epigrammata incidissem, quae sine turpitudine enuntiari minime poterant, domesticis negotiis in patriam avocatus, [cu]m aestas omnino iam appeteret, haud gravate finem feceram. Die literarische Figur des Lycidas hatte ohnehin mit dem Generalverdacht der Obszönität zu kämpfen, vgl. das Epigramm Gilbert Duchets, das Philip Ford bespricht: Philip Ford, „Comparative Obscenity“, 2010, 3–4. Vgl. Abschnitt 4.3.2.2. Die textliche Ambiguität pueriles illos et flagitiosos amores könnte sich entweder nur auf die Beschreibung von homosexueller Erotik oder auf homosexuelle Erotik und andere tadelnswerte Liebschaften beziehen. Bei dieser Studie wird letztere Möglichkeit bevorzugt, da sie ein größeres Reservoir an problematischen Stellen bietet und durch die purgierten Ausgaben gestützt wird.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Ode 2,5 In die Kommentierung von Ode 2,5, einem besonders obszönen Gedicht, fügt er vorsichtshalber ebenfalls noch einen Metakommentar ein: Nondum subacta ferre etc.] nondum est ad concubitum matura, nondum ad rem veneream tempestiva. Libet hic annotare, quam verecunde, quam tectis verbis soleant poetae rei venereae 246 turpidudinem significare. […] Alias verbum, in quo turpitudo et obscenitas inest, tacetur.

Zunächst enthüllt der Kommentator eindeutig die sexuelle Komponente der Ode. Danach stellt er allerdings fest, dass das Vorgehen des Horaz eine sehr züchtige Methode sei, um die Schändlichkeit des Geschlechtsverkehrs auszudrücken. Er schließt an, dass an anderen Stellen (alias) obszöne Ausdrücke verschwiegen werden (tacetur). Epode 8 Ein weiterer Metakommentar, der sich auf die Kommentierung obszöner Stellen bezieht, findet sich in der hochproblematischen Epode 8. Hier entschuldigt sich der Kommentator wortreich in einer direkten Anrede an seinen Leser, die sich jedoch erst in einem Lemma ganz am Ende der Gedichtkommentierung findet: Minusve languet fascinum etc.] […] Sed mihi prius exorandae sunt aures verecundiores, ut mihi ignoscant, si, dum huiusmodi locos explico, verbis flagitiosis et obscenis utar. Nam vel intacti erant mihi relinquendi, vel, si sententiam verborum exprimere meae partes erant, id 247 commode facere sine verborum turpitudine non poteram. […]

Lambin rechtfertigt sich vor seinen verecundi lectores, dass er entweder obszöne Passagen ganz unbehandelt lassen oder für deren Erläuterung obszöne Begriffe in seinen Kommentaren benutzen müsste. Im Gegensatz zu Turnèbe, der dies pragmatisch als Notwendigkeit bezeichnet, stilisiert sich Lambin als Opfer seines philologischen Auftrags und weist damit geradezu prophylaktisch die Verantwortung für dieses Vorgehen von sich. Außerdem widerspricht er sich selbst. Hatte er für seine verecundi lectores in Ode 1,4 noch angekündigt, dass er die genannten Passagen nur streifen oder verschweigen werde, zieht er dies nun nicht mehr in Betracht. Interessanterweise wird Horaz auch hier nicht getadelt, korrigiert oder zensiert, wie dies den anderen Gelehrten bei Catull, Martial oder Vergil gangbar und notwendig erschienen war. Die Stellen, die im nächsten Abschnitt zum Vergleich aus Lambins Kommentar im Umgang mit Obszönität angeführt werden, entlarven die hier aufgezählten keuschen metakommentarischen Aussagen jedoch als reines Lippenbekenntnis248. Es zeigt sich, dass Lambin keineswegs so spröde mit anstößigen Worten und Themen umgeht, wie er es andeutet. Er ist weder strictus noch tacitus. Ganz im Gegensatz zu seiner Selbstaus246 247 248

Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. x2 r–2 v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. l4 r. Ich übernehme den Begriff von Valentina Prosperi, vgl. Kapitel 5. FN 239.

Lambins Kommentierung obszöner Stellen

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sage, dass er also obszöne Stellen, die sich mit flagitiosi amores und pueriles amores auseinandersetzen, nur kurz streifen oder ganz unbehandelt lassen wolle (tacetur), äußert er sich im Laufe des Kommentars sehr ausführlich dazu. Dies tut er sogar schon, bevor er sich in Epode 8 wieder an seine Leser wendet. Dabei lässt Lambin oft Gelehrtenkultur und gelehrtes antikes Wissen auf derbe Sprache treffen, die obendrein mit Anekdoten von eigenen Erlebnissen unterfüttert werden. Ferner gibt Lambin dem Leser Referenzen aus anderen obszönen Gattungen und Gedichten an die Hand. In der Folge kann dieser die Aussagen des Horazgedichte noch einfacher erschließen.249 Der Kommentator eröffnet ihm damit das ganze obszöne Potential, eine Vorgehensweise, die nicht einmal die Selbstrechtfertigung aus Epode 8 abdeckt. Lambins diesbezügliche Programmatik ließe sich u. a. damit erklären, dass sie im chronologischen Ablauf der Kommentierung mögliche Zensoren und Sittenwächter beruhigt hätte250 und er sich im eigentlichen Teil des Kommentars einer ganz eigenen Agenda widmen konnte. 4.4.2.2 Detaillierte sprachliche und inhaltliche Erklärung von problematischen Wörtern und Motiven Weitschweifigkeit ist in der Renaissance und besonders bei Lambin ein allgemeines Kommentierungscharakteristikum. Bei unserem Kommentator nimmt es bisweilen eine Sonderrolle ein, denn es wird bei ihm dadurch ad absurdum geführt, dass er an obszönen Stellen, wo andere Kommentatoren wie Landino Stillschweigen bewahren und den Text nicht weiter verständlich machen, seinen Dienst am Text dennoch leistet. Seine genauen Erklärungen von Termini und Konstruktionen machen es dem Leser im Falle der eigentlich problematischen Stellen möglich, genau zu verfolgen, was im Text thematisiert wird. Dies wäre nicht unbedingt zu erwarten, wenn man sich die konfliktgeladenen Rahmenbedingungen der Entstehungszeit und vor allem die metakommentarischen Aussagen des Lambin vergegenwärtigt, hatte er doch das Gegenteil dieses Vorgehens angekündigt. Es muss zwar erwähnt werden, dass Lambin nicht alle Stellen kommentiert, die mit Obszönität befasst sind, jedoch ergeben sich, besonders in einem gewissen Sicherheitsabstand von Ode 1,4, mehr und mehr obszöne Gedichtkommentierungen.

249 250

Siehe auch Anja Stadeler, „Die Verhandlung von Obszönität“, im Erscheinen. Das würde durchaus den gängigen Zensurpraktiken entsprechen, bei denen die Zensoren nur wenig Zeit hätten, sich mit dem tatsächlichen Inhalt der Publikationen, die sie zu untersuchen hatten, zu beschäftigen. Vgl. Helmut Zedelmaier, „Das katholische Projekt“, 2003, 189: „Daran, am Anspruch, den Gesamtbestand der Bücher den Normen des katholischen Glaubens zu unterwerfen, mußte das Projekt der katholischen Kirche, bei allem bürokratischen und personellen Aufwand, scheitern.“

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Ode 1,4 Ein interessantes Beispiel für die Weitschweifigkeit in obszönen Belangen findet sich in der bereits betrachteten Ode 1,4. Wie erwähnt bezeichnet Lambin Lycidas zunächst als unkeuschen Jüngling. Mollis und impudicus sind dabei Schlagwörter, die auf homoerotischen Umgang hindeuten und ihm das Stichwort für seine keusche metakommentarische Aussage gegeben hatten.251 Er äußert im selben Lemma zum Alter des Lycidas, dass er zu dem Zeitpunkt begehrenswert für Frauen werde, sobald er als päderastisches Sexualobjekt für Männer uninteressant würde. Lambin kommentiert damit nicht nur eindeutig obszön, sondern auch mit einem zweideutigen Ausdruck: Nec tenerum Lycidam mirabere] […] sed ubi adoleverit nucibusque (ut aiunt) ludere desierit, 252 quod non longum fiet, tum eius complexu virgines cupient potiri. […]

Dabei benutzt Lambin die Metapher des Spielens mit Nüssen für Knaben, die noch nicht erwachsen sind. Problematisch daran ist nur, dass nuces schon bei Martial 14,1 und 14,18 in einem sexualisierten Zusammenhang standen.253 Das ist äußerst heikel, da Lambin seinen Leser soeben noch als verecundus bezeichnet hatte. Dieser könnte die obszöne Martialreferenz wahrscheinlich nicht als solche identifizieren. Wenn er es doch konnte, dann spielt Lambin mit seinem keuschen oder nicht so keuschen Leser ein subtiles Versteckspiel. Dieses mehrdeutige Potential betrifft natürlich zensorische Leser in ganz besonderer Weise, denn sie mussten in der Lage sein, Zweideutigkeiten und Obszönität zu erkennen.254 Möglicherweise erzeugt die Kommentierung Lambins bereits hier einen Konflikt zwischen Programmatik der Zielsetzung für verecundi und tatsächlicher Umsetzung von keuscher Kommentierung. Der Kommentar widerspricht sich also an dieser Stelle auffällig selbst. Diese Widersprüchlichkeit zieht sich durch die weiteren Beispiele, die hier genannt werden und Interpretationsmöglichkeiten für die Wirkung des Kommentars bieten. Ode 2,5 In Ode 2,5 straft der Kommentator seine eigenen metakommentarischen Aussagen Lügen, er wolle sich bei obszönen Passagen kurz fassen. Obschon er angekündigt hatte 251 252 253

254

Vgl. Abschnitt 4.4.2.1. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. d3 v. Mart. 14,1,12: „Lude“, inquis, „nucibus“. Perdere nolo nuces. 14,19: Alea parva nuces et non damnosa videtur; | Saepe tamen pueris abstulit illa nates. Dazu Ludwig Friedlaender, M. Valerii Martialis Epigrammaton libri. Mit erklärenden Anmerkungen, Amsterdam 1961, Neudruck, 20: „2. Videtur aliquid turpe ac nefandum significari. Gronov. Martial II.“ Eine umfassende Untersuchung zur obszönen Bedeutung von Nüssen bei Martial und Catull findet sich bei Maria Salanitro, „Le noci in Marziale e in Catullo“, in Sileno 14 (1988), 107–114. In James N. Adams, The Latin Sexual Vocabulary, London 1982 gibt es allerdings keine Referenz auf nuces als Synonym für Hoden. Emma Herdman, „Censured and Censored“, 2011, 368.

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Lambins Kommentierung obszöner Stellen

zu schweigen (tacetur), verweist er sowohl auf Horaz als auch auf Terenz und Catull. Am Beginn des Lemmas war es um die Vermeidung des Ausdrucks für res venereae gegangen. Nun zählt er wenig später andere Ausdrücke für Geschlechtsverkehr auf: 255

256

Nondum subacta ferre etc.] […] ut Epod. Od. 12. „Inachiam ter nocte potes.“ Terent. 257 Eun. „Ego illum Eunuchum, si sit opus, vel sobrius.“ Catullus paulo apertius atque impro258 bius. „Qui ipse sui nati minxerit in gremium.“ Sic et Horat, sed in Satiris, in quibus licentia maior est. Sic, inquam, ille Sat. 7. lib. 2. „neque sollicitum, ne | ditior, aut formae melioris 259 260 meiat eodem“ et Sat. 2. lib. 1. „non alienas | permolere uxores“ et iterum Sat. 7. lib. 2. 261 „Quaequmque excepit turgentia verbera caudae“ Et Sat. 2. lib. 1. in re turpissima et flagio262 tissima. „Hunc perminxerunt calones.“ Abeo igitur ab his flagitiis et ad genera verecundiora 263 redeo. […]

Catull sei offener und schändlicher (apertius atque improbius) als Horaz und Terenz. Anstatt zu zensieren, lässt es sich Lambin abermals nicht nehmen, den Text zu zitieren. Auch die horazischen Satiren, die gattungsbegründet eine größere sprachliche Lizenz aufweisen (in quibus licentia maior est), werden als Beispiele angeführt. Den krönenden Abschluss bildet in dieser Aufzählung nun die Beschreibung der analen Vergewaltigung, die als res turpissima et flagiotissima bezeichnet wird. Der Kommentar schließt damit, dass er nun von diesen schändlichen Äußerungen, die er, wie bereits gesagt, eigentlich nicht tätigen wollte, absehen werde. Das angekündigte Schweigen ist im weiteren Verlauf der Kommentierung allerdings nicht festzustellen. Es scheint, als könne der Kommentator einfach nicht davon lassen, die obszönen Stellen zu erläutern. Dies geschieht wenig später in der Kommentierung derselben Ode, in der die sexuelle Reife eines jungen Mädchens thematisiert wird: Nec tauri ruentis in venerem] tauri, id est iuvenis firmi, validi, vegeti, ad concubitum prompti. 264 Sic Od. 12 Epod. „pereat male quae te | Lesbia quaerenti taurum monstravit inertem.“ [ab 265 1567:] alias taurus pars est maris obscena. Circa virentis] totus hic locus allegoriis tectus est, ita tamen, ut a quovis homine non tardis266 simo facile intellegi possit.

255 256 257 258 259 260 261 262 263 264 265 266

Vgl. Abschnitt 4.4.2.1. Hor. Epod. 12,15. Ter. Eun. 479. Catull. 67,30. Hor. Sat. 2,7,52. Hor. Sat. 1,2,35. Hor. Sat. 2,7,49. Hor. Sat. 1,2,44. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. x2 r–x2 v. Hor. Epod. 12,16–17, Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. x2 v. Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. iv v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. x2 v.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Lambin erklärt die Bedeutung von taurus als junger Mann, der aufgrund seiner Konstitution sehr potent sei. In der folgenden Ausgabe von 1567 bemerkt er darüber hinaus sogar, dass das Wort für das männliche Geschlechtsteil stünde – keine besonders schamhafte Erklärung. Lambins Interpretationen ermöglichen es seinen Lesern, die Metaphorik, die er vorher noch als züchtig beschrieben hatte, vollends aufzulösen. Das steht seiner Aussagen entgegen, er wolle Obszönitäten nicht weiter ausbreiten. Einen Höhepunkt erlebt diese Widersprüchlichkeit, als der Kommentator fast schon süffisant feststellt, dass jeder Leser, der einigermaßen bei Verstand sei (homo non tardissimus), die Metaphorik (allegoriae) der Stelle verstehen könne. Hatte er vorher noch davon gesprochen, dass es angemessen sei, obszöne Dinge nicht direkt auszudrücken, macht er desgleichen nun fast zu einem Gradmesser der Intelligenz des Lesers. Über einen verecundus lector scheint er sich hier sogar zu belustigen. Hinzu kommt, dass er die homoerotische Komponente der Ode sichtbar macht, indem er Gyges klar als Lustknaben identifiziert (V. 22): Mire sagaces falleret] significat hunc Gygem ita mollem, tenerum, delicatum, ita facie et crinibus puellarum esse similem, ut si quis, cui ille sit ignotus, eum aspiciat, puellam esse existi267 met, neque eum a puella facile internoscere queat.

Hier werden, wie in Ode 1,4, wieder die Begriffe tener und delicatus gebraucht, um die Bedeutung zu erklären. Erneut können wir den Kommentator dabei beobachten, wie er gegen seine Programmatik, ebendiese Stellen nicht zu erläutern, verstößt.268 Ode 3,20 In der Kommentierung von Ode 3,20 unternimmt Lambin ebenfalls keine Anstrengung, das homoerotische Moment zu relativieren. Ganz anders als Landino, der es noch peinlichst vermieden hatte, diese Inhalte seinen Lesern zugänglich zu machen, buchstabiert Lambin sie detailliert aus. Er tut dies bereits im argumentum, indem er die homoerotische Komponente noch durch das Adjektiv formosus verstärkt: Ne formosum puerum a puella abstrahere conetur.

269

Die Kommentierung des ersten Lemmas (V. 1) gibt nochmals den Inhalt der Ode wieder. Ihr Adressat, Pyrrhus wird im Kommentar klar als homosexuell gezeichnet: Non vides] ਕȜȜȘȖȠȡ઀Į est. Non vides (inquit) quanto periculo amanti puellae formosum adole270 scentem adimas?

267 268

269 270

Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. x3 r. Gabe Coleman untersucht außerdem die Behandlung dieser Stelle im dichterischen Diskurs bei Ronsard: Dorothy Gabe Coleman, The Gallo-Roman Muse. Aspects of Roman literary tradition in sixteenth-century France, Cambridge 1979, 98–99. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. pp1 r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. pp1 r.

Lambins Kommentierung obszöner Stellen

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Die Homoerotik wird nicht unterdrückt. Ganz im Gegensatz zu Landinos Diskretion und seiner zuvor formulierten Befangenheit nimmt Lambin hier kein Blatt vor den Mund. Die Identifikation als allegoria wird von ihm ebenso wenig zum Anlass genommen, etwaige Probleme in der Textwirkung zu glätten. Ode 4,1 Es dürfte den Leser nun nicht mehr überraschen, dass Lambin die Oden 4,1 und 4,10, die das homoerotische Begehren der Horazpersona offenlegen, mit Erläuterungen versieht. Dies geschieht bereits im argumentum von Ode 4,1. Der Kommentar fasst den Inhalt der Ode sehr konzis zusammen und verschweigt vor allem nicht den anrüchigen Teil, der mit Ligurinus befasst ist. Horaz sei trotz seines Alters in verrückter Liebe (vesano amore) zu Ligurinus entbrannt: Se iam ea aetate esse, ut a rebus Venereis alieno esse animo debeat et tamen Ligurini vesano 271 amore torreri.

Der Kommentator scheut sich nicht, die gesamte homoerotische Komponente des Gedichts ans Tageslicht zu bringen: Sed cur, heu, Ligurine, cur] posteaquam multis verbis ostendit se iam ad amorem esse ineptum atque (ut ita dicam) mancum, denique iudicio tandem ac voluntate ab huiusmodi deliciis, ineptiis ac nequitiis abhorrere. Nunc vi amoris coactus fatetur se, quamvis aetate iam ingravescente a tali mollitie ac nequitia remotissimus esse debeat, amore Ligurini pueri incensum tamen ad 272 pristinas lascivias revocari.

Lambin macht deutlich sichtbar, worum es in der Passage geht: Er bezeichnet Ligurinus als puer, dessen Verhalten als mollities und die Vorgänge als lasciviae. Die vis amoris zwinge Horaz zu seinem Verhalten. Auch wenn Lambins Verständnis von Kürze ein anderes sein mag als für viele seiner Leser, lässt sich m. E. dennoch erkennen, dass er hier die Komponente der puerilis amor nicht stricte und schon gar nicht tacite übergeht. Vielmehr nähert er sich dieser Stelle äußerst texttreu. Ode 4,10 In Ode 4,10 können wir Lambins mittlerweile wenig überraschendes transgressives Kommentieren erneut feststellen. Bereits im ersten Lemma der Gedichtkommentierung zeigt er, dass Horaz Ligurinus geliebt habe (V. 1): Veneris muneribus potens] formosus et florens aetate. Hunc Ligurinum credibile est amatum 273 esse ab Horatio […].

271 272 273

Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. tt4 v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. vv2 v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. C1 r. Der zweite Teil des Lemmas wird unter 4.4.2.3 besprochen.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Er beschreibt die Praxis, dass pueri concubini die Haare wie Mädchen trügen. Zudem legt er offen, dass Horaz dem Ligurinus damit drohe, dass er bald nicht mehr als Lustknabe taugen würde, da er dann exoletus sei, wie Lambin formuliert. Auf seinen Wangen sprösse dann ein Bart und er würde für den quaestus meretricius und die amores pueriles ungeeignet (zu V. 3): Et, quae nunc humeris involitant, deciderint comae] pueri concubini alebant comam puellarum in morem. […] licet ita accipere: cum exoletus fueris, cum ad usum illum puerilem et impudi274 cum, quem nunc praebes, ineptus fueris, nempe adultus et vir factus et detonsa coma.

Lambin wiederholt dieses Motiv noch einmal in der Kommentierung zum Lemma incolumes] (V. 8). Auch hier wird wieder die enge Verbindung zwischen der Bartlosigkeit der Jünglinge und ihrer dadurch gegebenen Eignung zum päderastischen Umgang gezogen. Der Kommentator macht eindeutig klar, dass es sich hier um die Ansprache des Horaz an einen Lustknaben handelt: Incolumes] laeves et imberbes. Quamdiu enim tales manent impudici pueri genae, salvae sunt et integrae, barbatae autem et hirsutae corruptae sunt et quodammodo mortuae neque iam 275 integrae neque incolumes.

Ganz im Gegensatz zu Landino, der sich an diesen Stellen merklich zurückhält, bleibt Lambin seinem üblichen Vorgehen treu und kommentiert detailliert und mit zahlreichen inner- und außertextlichen Verweisen. Epode 8 Es verwundert nun kaum noch, dass die besonders heikle Epode 8 von Lambin ohne jegliche Scheu kommentiert wird. Eine Rechtfertigung für seine mangelnde Zurückhaltung gibt er im bereits zitierten Lemma, das jedoch erst ganz am Ende der problematischen Epode platziert ist. Dennoch ist Lambins Explizitheit auffällig. Er erklärt jedes Element des obszönen Gedichts, beispielsweise die Schlaffheit der Brüste der vetula (V. 8). Hier erläutert er nicht nur den Textinhalt, sondern kommentiert zudem grammatischstilistisch: Horaz habe nach Art der Griechen geschrieben. Lambin fügt ein Platozitat aus der Politeia und ein Zitat aus Ciceros Ad familiares an, um seine sprachliche Erklärung zu untermauern. Dass er die Zitate innerhalb ebendieses Lemmas platziert, hat einen beinahe komischen Effekt: Equina quales ubera] id est mammae putres, tales, qualia sunt equina ubera. Sic enim loquuntur Latini. At Horatius Graecorum morem loquendi secutus est, apud quos id provocabulum, quod referendi vim habet, cum eo nomine, quod antecedit, congruere solet, nulla habita eius, quod sequitur, ratione. Ut Plato lib. nono de rep. in princip.: „ȉȠ઄IJȠȣ į੽ ਥȞįİ૵Ȣ ਩ȤȠȞIJȠȢ,

274 275

Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. CI r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. CI v.

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Lambins Kommentierung obszöner Stellen 276

ਕıĮijİıIJ੼ȡĮ ਩ıIJĮȚ ਲ ȗ੾IJȘıȚȢ, Ƞ੤ ȗȘIJȠ૨ȝİȞ.“ Sic L. Luceius M. T. Ciceroni lib. 5. Epist.: „si 277 solitudine delectaris, cum scribas et aliquid agas eorum, quorum consuesti, gaudeo.“

Der Kommentator hat keinerlei Scheu, den Begriff mentula (Penis) wiederholt zu gebrauchen, wie im Lemma zu V. 17 sichtbar wird: Illitterati num minus nervi rigent?] num mentulae minus arriguntur, si sunt ineruditae? Num 278 mentulae sine litteris non arriguntur?

Die Erklärung des folgenden Verses (V. 18) bringt das ganze unanständige Potential der Epode zum Vorschein. Nachdem er seine Leser um die Erlaubnis gebeten hat, auch anstößige Wörter in seiner Kommentierung zu benutzen, reizt er dies nun voll aus: Minusve languet fascinum etc.] […] Significat autem, hanc anum ita esse deformem, vietam, rugosam, putidam, ut ad eam nemo arrigere possit, nisi ea mentulam languidam et iacentem ore exsuscitet. Haec igitur erit sententia: Mentula, quam tu turpissime ore et lingua mulcendo excitas et erigis, minusne iccirco languida est, quod ore tuo provocata arrigitur? Profecto nihilominus languida est. Nam quantumvis licet ore obscenissimo atque impurissimo eam provoces, tamdiu stat, quamdiu eam permulces et lingis simulatque vero desiisti mulcere et cum tuam libidinem explere conaris, concidit, ventris tui mollitudine, femorum exilitate, frontis 279 rugis, reliqua denique totius corporis deformitate offensa.

Der Vers bedeute, dass die alte Frau so abstoßend sei, dass niemand ihretwegen erregt sein könne, wenn sie nicht den schlaffen Penis mit ihrem Mund bearbeiten würde. Sobald die Frau damit aufhöre und ihre eigene Lust befriedigen wolle, würde dies aber aufgrund der Hässlichkeit ihres Körpers wieder unmöglich. Ähnlich detailliert ergeht sich der Kommentator in den Kommentierungen zur fellatio (V. 20), in denen er die Ausführungen aus dem Lemma zu V. 18 noch einmal wiederholt: Ore allaborandum est tibi] ore tibi praeterea laborandum est? Ore tibi permulcenda et adiu280 vanda mentula est?

Nun wurden die verecundi lectores (wenn es diese für Epode 8 überhaupt geben kann) mit der bereits genannten Ansprache sicher nicht auf die folgende Akribie Lambins vorbereitet, mit der er den Text erklärt und damit die apologetische Rhetorik seiner Präambel ein weiteres Mal ad absurdum führt: Er setzt sich mit jedem Detail auseinander, erklärt die Wortbedeutung von fascinum (männliches Glied), ohne auf die Vorlage Porphyrios281 oder Pseudo-Acros282 zurückzugreifen, die dieses Lemma nur knapp mit

276 277 278 279 280 281

Plat. Rep. 9,571a–b. Cic. Ad fam. 5,14,1. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. I3 v–4 r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. I4 r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. I4 r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. I4 r. Porph. Comm. Hor. Epod. 8,18: minusve languet fascinum] Aeque pro virili parte posuit, quoniam praefascinandis rebus haec membri deformitas adponi solet.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

dessen apotropäischer Konnotation erläutern. Durch sein Kommentieren zeigt sich Lambin nicht nur als gewissenhafter Philologe, sondern auch als Experte im Bereich des Obszönen. Epode 11 In Epode 11,23–24 wird Lyciscus von Lambin mit großer Selbstverständlichkeit als das männliche Objekt des Begehrens identifiziert: Nunc gloriantis quamlibet mulierculam] nunc vix dum Inachiae amore solutus. Lyciscum pue283 rum quavis muliere molliorem perdite amo.

Der horazische Sprecher liebe den Knaben Lyciscus, obwohl dieser über die Maßen mollis sei. Dies wird sogar als Paraphrase in der ersten Person ausgedrückt. Dass infolge derartiger Kommentierung ein negatives Bild des Sprechers Horaz entsteht, scheint Lambin nicht weiter zu stören. Des Weiteren stellt es für ihn kein Problem dar, dass durch die Wiederholung der Ich-Form ein negatives Bild von ihm selbst gezeichnet wird, da er in diesem Moment wie der Sprecher der Epode wirkt.284 Epode 12 Nach den bisherigen Analyseergebnissen könnte man fragen, ob der Kommentar Lambins wirklich für Schüler gemacht war, da er so auffällig gegen die Gebote der Sittlichkeit im Schulunterricht verstößt. Dies kann anhand des folgenden Befundes jedoch überraschend bestätigt werden. Trotz seiner drastischen Ausdrucksweise lässt es sich der Kommentator nicht nehmen, grammatische Hinweise und Erklärungen, die ja eigentlich für Schüler gedacht sein müssten, in seinen obszönen Kommentarstil einzufügen.285 Ein solches Vorgehen findet sich beispielsweise in Epode 12, die ebenso obszön ist wie Epode 8. Lambin kommentiert die Bedeutung von Epode 12 umfassend und explizit, wie bereits am argumentum und dem ersten Lemma sichtbar wird: In anum foedam ac foetidam, quae se ab eo subigi cupiebat.

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Ps.-Acro Comm. Hor. Epod. 8,18: minusve languet fascinum] Virilem penem „fascinum“ dixit propter obscenam figuram, quam adiecerat in sequenti; lingua enim detersa fronte mulieres amputare se infantibus fascinum putant. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. L2 v. Die performative Qualität von Obszönität, wie in der Einleitung dargestellt, sorgt dafür, dass der, der sie erklärend ausspricht, dadurch befleckt wird. Für das Mittelalter zeigt Jan Ziolkowski anhand von Alan de Lille, dass sexualisierte Grammatik zwar ein effektives pädagogisches Mittel war, offene Diskussion von Sexualität jedoch nicht im Unterricht stattfinden konnte: Jan Ziolkowski, Alan of Lille’s Grammar of Sex. The Meaning of Grammar to a Twelfth-Century Intellectual, Cambridge, Mass. 1985, 95–103 und 142. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. L2 v.

Lambins Kommentierung obszöner Stellen

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Die Epode sei ein Angriff auf eine hässliche, garstige Frau, die von Horaz bestiegen werden wolle, so Lambin. Das erste Lemma befasst sich mit der Phrase nigris dignissima barris (V. 1): Nigris dignissima barris] valentissimis ac mentulatissimis amatoribus dignissima vel proprie et litterate elephantis digna, non viris. Nonnulli existimant significari nefarium concubitum, id est aversum. In codice Faernesio neque usquam alibi, si bene memini, scriptum est „longis di287 gnissima barris“.

Der Kommentator begnügt sich nicht nur damit, die Penisgröße der Liebhaber zu erklären. Er weist sogar noch darauf hin, dass es eine Debatte darüber gebe, ob es in dieser Passage um eine schändliche Art des Geschlechtsverkehrs (aversum concubitum) ginge. Lambin vergrößert also das obszöne Potential der horazischen Aussage noch. Dabei ist er sorgfältig genug, zusätzlich eine alternative Lesart aus einem der von ihm benutzten Kodizes anzuführen. All diese Kommentierungen scheinen für Gelehrte gemacht zu sein, welche die Obszönität dieses Texts aushalten können, da sie sich in einem gelehrten, aber abgeschirmten Bereich für Experten befindet. Im krassen Gegensatz dazu stehen grammatische Erklärungen, die an diesen Stellen merkwürdig wirken. So gibt Lambin eine Erläuterung der vel-Konstruktion (V. 13) und sogar darüber hinaus eine Paraphrase des Texts: Vel mea cum] disiunctio „vel“ pertinet ad alterum „cum“, quod antecedit supra, „cum pene 288 soluto | indomitam properat“ etc., id est vel cum haec anus verbis iracundis atque asperis 289 fastidia mea exagitat.

Diese Form des Kommentierens, die sich vor allem in Schülerkommentaren findet, hebt sich auffällig von ihrem Inhalt ab und erzeugt so einen sehr disparaten Leseeindruck. Das erschwert die eindeutige Bestimmung eines Zielpublikums für den Kommentar, durch die die Direktheit der Erklärungen plausibilisiert werden könnte. Satire 1,2 Das Vorgehen der detaillierten und unzensiert-direkten Kommentierung findet sich auch in Satire 1,2. Die bei Landino sehr kurz abgehandelte Strafe der Vergewaltigung durch Stallknechte für Ehebrecher (V. 44) wird bei Lambin in ausführlicher Weise kommentiert: Hunc perminxerunt calones] id est calones alium praeciderunt seu paedicarunt. Erat et alia poena gravior in pauperes deprehensos Atheniensibus usitata, quam „૦ĮijĮȞȓįȦıȚȞ“ appellabant a verbo „૦ĮijĮȞȚįȠ૨Ȟ“ [sic!], quod est raphano podicem perfodere, quam Catullus describit his versibus ad Aurelium: „Ah, tum te miserum, malique fati, | quem attractis pedibus

287 288 289

Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. L3 r. Hor. Epod. 12,8–9. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. L3 v.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren 290

patente porta | percurrent rhaphanique mugilesque.“ Aristophanes „IJȓ į’ ਲ਼Ȟ ૧ĮijĮȞȚįȦșૌ 291 ʌȚșȩȝİȞȩȢ ıȠȚ IJȑijȡ઺ IJİ IJȚȜșૌ; | ਪȟİȚ IJȚȞ੹ ȖȞȫȝȘȞ ȜȑȖİȚȞ IJઁ ȝ੽ İ੝ȡȪʌȡȦțIJȠȢ İੇȞĮȚ;“

Zunächst gibt Lambin für permingere zwei Synonyme (praecidere seu pedicare) an. Dann erhöht er die Eindringlichkeit der Schilderung von Grausamkeiten, indem er von einer noch schlimmeren Strafe bei den Athenern berichtet: der Pfählung mit einem Rettich. Dafür zieht er ein Catullzitat heran, das an Obszönität kaum zu übertreffen ist. Um die Sache abzuschließen, ergänzt er zudem ein Zitat aus Aristophanes’ Wolken, das dieselbe Thematik behandelt. Der Leser wird mit einem Lexikoneintrag zu analer Vergewaltigung konfrontiert. Zudem ist das obszöne Synonymwörterbuch des Lesers nach der Lektüre des Kommentars gut gefüllt,292 denn die Alternativbedeutungen für muto (V. 68) sind so zahlreich wie für Lambin typisch, denn hier zählt er gleich drei gleichbedeutende Begriffe auf: Mutonis] penis, caudae salacis, mentulae.

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4.4.2.3 Obszöne, textliche Netzwerke und Querverweise Im Rahmen der detaillierten Kommentierung ist nicht nur das Aufblähen des (obszönen) Textkommentars charakteristisch, sondern auch das Verweisen auf andere Horazpassagen sowie auf andere Texte. Dies ist innerhalb der Kommentarpraxis sicherlich ein normales Vorgehen,294 doch gerade bei den obszönen Stellen gewinnt es eine besondere Komponente. In den bisher erwähnten Passagen aus den Kommentaren Lambins findet sich bereits eine große Zahl an Verweisen auf z. B. stark obszöne Catullgedichte, die Carmina Priapeia, die Komödien des Aristophanes, das vierte Buch De rerum natura des Lukrez und die homoerotischen Stellen in Vergils Eklogen – beinahe wie ein obszönes loci communes-Buch.295 Anhand von Satire 1,5, dem letzten Beispiel in diesem Abschnitt, ist außerdem zu sehen, dass das Einfügen von autoritären, vermeintlich rettenden antiken Quellen, in diesem Falle Platon und Aristoteles, in Kommentierungs-

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Catull. 15,17–19. Aristoph. Nub. 1083–1084, Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. c4 r. Der Text wird in späteren Ausgaben sogar noch paraphrasiert. Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. Bbv v: […] id est quid si rhaphanis perfossus fuerit sua voluntate cinereque vulsus, poteritne negare se esse impudicum? Vgl. Ann Moss, Printed commonplace-books, 1996, 135–136 zum Gebrauch des commonplace books in der Schule der Renaissance. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. D1 r. Für Don Fowler, „Criticism as commentary“, 1999, 435 ist dies außerdem ein typisches Charakteristikum älterer Kommentare, vgl. zu benannter Kommentarpraxis Christina Shuttleworth Kraus, „Introduction”, 2002, 20–22. Roy K. Gibson, „‚Cf. E. g.‘: a typology of ‚parallels‘“, in Roy K. Gibson, Christina Shuttleworth Kraus (Hrsg.), The Classical Commentary. Histories, Practices, Theory, Leiden 2002, bes. 336–339. Das obszöne Referenzieren steht im Gegensatz zur erasmischen Empfehlung der Verharmlosung, vgl. Ann Moss, Latin commentaries on Ovid, 1998, 104–106.

Lambins Kommentierung obszöner Stellen

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passagen, die mit obszönen Stellen beschäftigt sind, einen fast schon komischen Effekt haben kann. Das homoerotische Netzwerk: Ode 2,5, Ode 4,1, Ode 4,10 und Epode 11 Trotz seines Bekenntnisses, sich wenig mit Obszönitäten, besonders amores pueriles zu beschäftigen, ermöglicht es Lambin seinem Leser durch seine Verweise innerhalb des Horaztexts, ein eindeutiges, sich gegenseitig noch inhaltlich ergänzendes Netzwerk der horazischen Homoerotik nachzuvollziehen: Nachdem der Kommentator in Ode 2,5 den Knaben Gyges als Lustknaben identifiziert hatte, wird die Referenz auf Knaben mit langen Haaren erneut eindeutig in einen homoerotischen Zusammenhang gestellt, indem der Kommentator auf Ode 4,10 verweist: Solutis crinibus] alebant enim comam pueri molles et impudici. Ut Od. 10 lib. 4. „Et, quae 296 nunc humeris involitant, deciderint comae.“

Ebenfalls dort, in Ode 4,10, macht Lambin mit dem ein oder anderen Fingerzeig auf die Häufigkeit der homoerotischen Darstellung des Horaz aufmerksam. Dies geschieht gleich am Anfang der Kommentierung, wenn er ein Lemma aus dem ersten Vers erläutert: Veneris muneribus potens] formosus et florens aetate. Hunc Ligurinum credibile est amatum esse ab Horatio supra Od. 1, huius libri. „Sed cur, heu, Ligurine, cur | manat rara meas lacrima 297 per genas?“ Et Lyciscum Od. 11 Epod. „Nunc gloriantis quamlibet mulierculam | vincere 298 mollitia amor Lycisci me tenet.“

Nach der bereits oben untersuchten Erklärung führt Lambin eine Parallele aus Ode 4,1 an. Weitere Anstößigkeit gewinnt sein Kommentieren durch den zusätzlichen Verweis auf Epode 11. Am Ende dieses Lemmas ist die dargestellte Horazpersona eindeutig als homoerotischer Dichter etabliert. Dem Leser, dem eigentlich alle unzüchtigen Referenzen erspart werden sollten, ist es nun möglich, das weit verzweigte Netzwerk der homoerotischen Stellen nachzuvollziehen. Dies geschieht noch einmal im folgenden Lemma (zu Ode 4,10,3). Hier erwähnt Lambin wiederum Epode 11 und Ode 2,5: Et, quae nunc humeris involitant, deciderint comae] pueri concubini alebant comam puellarum 299 in morem. ut Od. 11 Epod. „Aut teretis pueri longam renodantis comam.“ Et supra de Gyge puero Od. 5. lib. 2. „Quem si puellarum insereres choro, | mire sagaces falleret hospites | 300 301 discrimen obscurum solutis | crinibus, ambiguoque vultu.“ […].

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Hor. Ode 4,10,3. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. x3 r. Hor. Ode 4,1,33. Hor. Epod. 11,23–24, Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. CI r. Hor. Epod. 11,28. Hor. Ode 2,5,21–24. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. CI r.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Der Kommentator sabotiert so seine angekündigte anti-homoerotische Programmatik aus Ode 1,4 aufs Neue. Dieses Gedicht ist interessanterweise nicht Teil des Kommentarnetzwerkes der horazischen Homoerotik, was als ein Anzeichen dafür interpretiert werden kann, dass an der bezeichneten Stelle für verecundi lectores das bedeutungsgenerierende und die obszöne Bedeutung des Texts verschärfende Verweis-Geflecht noch nicht erwähnt werden darf. Verweise auf andere obszöne antike Quellen Lambin referenziert Obszönitäten nicht nur innerhalb des Horaztexts, sondern fügt bisweilen den kommentierten Stellen durch die Referenz auf anstößige Stellen in anderen antiken Texten eine weitere obszöne Dimension hinzu. Die Verweise, die er anbringt, ermöglichen es dem aufmerksamen Leser, ein Netzwerk der Obszönität offenzulegen und sich einen Pfad durch einen Teil der antiken Literatur zu bahnen, der von den konservativeren Zeitgenossen Lambins als unanständig deklariert worden wäre. Lambin unternimmt nichts, um die Obszönität, die hier vorhanden ist, einzugrenzen. Ganz im Gegenteil erweist er sich sogar als ihr Multiplikator. Dementsprechend führt er beispielsweise in die Kommentierung von Ode 2,12,26 neben einer umfangreichen Erklärung noch ein Catullzitat ein, das sehr heikel ist. In der Ode spricht Horaz Maecenas an und beschreibt Licymnias neckisches Verhalten (V. 25–28): cum flagrantia detorquet ad oscula cervicem aut facili saevitia negat quae poscente magis gaudeat eripi, interdum rapere occupat?

Lambins Erklärung ist zunächst ein psychologisierender Abriss über das Verhalten von puellae, mit dem sie das Begehren ihrer Liebhaber noch mehr anfachen könnten oder einfach schamhaft seien: Aut facili saevitia negat] saevitia simulata, quod simile est ac si diceret facili difficultate, ut 302 declarant ea verba, quae deinceps sequuntur „Quae poscente magis gaudeat eripi“, id est quae oscula puellae erepta maiore voluptate eam afficiant, quam eum ipsum, qui poscit atque eripit, videlicet amantem. Ostendit autem artem astumque puellarum, quae saepenumero dissimulant, id se cupere, quod vehementer exoptant, quod quidem faciunt, vel ut desiderium 303 amantium magis exacuant atque incendant, vel pudore deterritae. […]

Daran schließt sich die angesprochene Parallelisierung des horazischen Ausdrucks mit Catull an:

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Hor. Ode 2,12,27. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. aa1 v.

Lambins Kommentierung obszöner Stellen

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[…] Quemadmodum autem Horatius hic dixit „eripere osculum“, sic Catullus „surripere suaviolum“. Sic ille ad Iuvencium „Surripui tibi, dum ludis, mellite Iuvenci, | suaviolum dulci 304 dulcius ambrosia.“

Dabei ist das Catullzitat nicht nur homoerotischer Natur, sondern stammt überdies aus einem Gedicht, in dem sehr obszönes Vokabular benutzt wird.305 Die hier zitierten Verse mögen zunächst harmlos, sogar romantisch klingen, jedoch sind ihr männlicher Adressat und das damit aufgerufene Gedicht hochproblematisch. Auch das horazische Verlangen nach molles pueri aut puellae aus Epode 11,4 wird mit einer anderen anrüchigen Passage parallelisiert, die aus dem vierten Buch De rerum natura (V. 1052– 1055) des Lukrez entnommen ist: Mollibus in pueris aut in puellis] sic Lucretius de amore lib. 4. „Sic igitur, Veneris qui telis accipit ictum, | sive puer membris muliebribus hunc iaculatur, | seu mulier tot [bei Lambin: toto] iactans e corpore amorem, | unde feritur, eo tendit gestitque coire, | et iacere humorem in 306 corpus de corpore ductum.“

Im Lukrezzitat findet sich neben anderen sexuellen Anspielungen ein bisexueller Hinweis. Noch heikler wird diese Kommentierung, wenn man Lambins Lukrezkommentar, der nur zwei Jahre nach dem Horazkommentar entstand, zu dieser Stelle hinzuzieht. Dies betrifft insbesondere die Erklärung des homoerotischen Elements, die auch bei Philip Ford als anrüchig beschrieben wird:307 sive puer membris muliebribus hunc iaculatur:308 Sive puer membris muliebribus] sive hic pueri amore captus est, ut eius flore aetatis abutatur ad rem veneream etc. Membris muliebribus] membris mollibus, qualia sunt muliebria, vel parte postica. IJ૶ 309 ʌȡંțIJ૳.

Besonders die Erklärung, dass mit den weiblichen Gliedmaßen des Knaben sein Hinterteil gemeint sein könnte, fügt der Stelle insgesamt eine Dimension hinzu, die das Zitat im Horazkommentar im Nachhinein noch problematischer erscheinen lässt. Bei der Erläuterung von Epode 12,15 subvertiert der Kommentator seine Aussage sogar durch seine Referenzierung. Er beschreibt, dass Horaz es mit seiner Formulierung „potes“ schamhaft umgehe, einen direkten Ausdruck für Geschlechtsverkehr zu gebrauchen. Dass der Kommentator diesen Effekt durch seine Erläuterung aufhebt, scheint ihn nicht zu stören. Eine weitere Dimension wird diesem paradoxen Vorgehen noch hinzu304 305 306 307 308 309

Catull. 99,1–2, Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. aa1 v. Z. B. V. 10: tamquam commictae spurca saliva lupae. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. L1 r. Ford behandelt u. a. diese Passage im Spiegel der Lukrezrezeption in Frankreich im sechzehnten Jahrhundert: Philip Ford, „Lucretius in early modern France“, 2007, 239. Lucr. 4,1054. Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. Xx 3 v.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

gefügt, indem Lambin zwei weitere obszöne Beispiele aufzählt, die jedoch die Begrifflichkeit rund um den Geschlechtsakt vermeiden: Inachiam ter nocte potes] honeste et pudenter verbum turpe tacuit. Quale est illud Terentianum 310 Eunuch. „Ego illum eunuchum, si sit opus, vel sobrius.“ Et Virgilii Palaem. „Novimus et 311 qui te, transversa tuentibus hircis, | et quo, sed faciles nymphae risere, sacello.“

Das Beispiel aus dem Eunuchus des Terenz ist dabei besonders heikel, da es den Geschlechtsverkehr mit Eunuchen zum Thema hat.312 Auch das Zitat aus Vergils Eklogen ist nicht gerade züchtig. Durch die Kontextualisierung wird das Horazzitat noch stärker mit Obszönität aufgeladen. Verweise auf autoritäre antike Quellen Bisweilen kommentiert Lambin, ähnlich wie Landino, moralisierend. Dieses Zurückziehen auf die eigene Integrität konnte bereits bei den Passagen aus Ode 1,4, Ode 2,5 und Epode 8 beobachtet werden. Jedoch ergibt sich dabei für den Kommentator die Möglichkeit, in seinem Vorgehen völlig auf Zensur verzichten zu können. Dies ist besonders augenfällig an Passagen wie in Satire 1,5,84–85. Hier erzählt Horaz von seinem feuchten Traum, eine Stelle, die schon Landino vor eine kommentatorische Herausforderung gestellt hatte. Lambin zeigt sich von dem problematischen Potential der Aussage wenig beeindruckt und beginnt einen langen Exkurs zum Thema des nächtlichen Samenergusses, bei dem er sogar Platon und Aristoteles anführt. Er beginnt mit einer inhaltlichen Paraphrase und der Übersetzung ins Griechische: Tum immundo somnia visu] significat ac describit nocturnam seminis eruptionem, quae fit in 313 somno, quam Graeci ਥȟȠȞİȚȡȦȖȝઁȞ nominant.

Der Kommentator gibt zu, dass der Inhalt der Aussage schändlich (turpis) sei, doch schäme er sich nicht, dazu zu schreiben, was Aristoteles und Platon zu diesem Thema zu sagen hätten: Turpis igitur est horum quidem verborum sententia, verumtamen non pudebit me huc ascri314 bere, quae ab Aristotele et Platone disputata ad hunc locum mihi videntur valde pertinere.

Er zitiert Platon, der im neunten Buch der Politeia den menschlichen Geist in zwei Teile trennt, den niederen und von den Lüsten beherrschten gegenüber dem höheren des rationalen Verstands. Im Schlaf versuche demnach der niedere Teil hervorzubrechen.315 310 311 312 313 314 315

Ter. Eun. 479. Verg. Ecl. 3,8–9, Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. L4 r. Der Sprecher Thraso weiß schließlich nicht, dass Chaerea nur als Eunuch verkleidet ist. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. K2 r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. K2 r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. K2 r: Ac Plato quidem sic libro nono de republica, quae nos interpretabimur: „Cum ea pars animi, quae rationis est particeps et mansueta, alterique praeposita, sopita est, altera autem, quae fera et immanis est, cibo et potione expleta atque ebria exul-

Lambins Kommentierung obszöner Stellen

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Lambin paraphrasiert außerdem eine Passage aus dem ersten Teil der aristotelischen Nikomachischen Ethik, die er selbst in Übersetzung 1558 vorgelegt hatte.316 In seiner Zusammenfassung der Aussagen Platons und Aristoteles’ schließt Lambin moralisierend, dass es nicht genug sei, dass Träume keusch und moralisch angemessen seien, sondern es darauf ankomme, sich im wachen Leben zu mäßigen, da Träume ein Abbild der täglichen Gedanken seien: Hactenus Plato et Aristoteles, ex quorum verbis intellegere licet non satis esse, ut somnia nostra sint casta, pura, munda, pudica, integra, dedere nos somno modico cibo ac potione curatos, sed illud etiam accedere oportere, ut mentis tranquillitas animique aequabilitas adsit. Nulla aegritudo, non ira, non libido, non alia ulla cupiditas animum concitarit ac perturbarit. Non est enim dubium, quin, quales sunt nostrae diurnae cogitationes atque appetitiones, talia sint et vi317 sa nostra somniaque nocturna.

Dies wird von ihm durch ein Zitat aus den (pseudo)aristotelischen Problemen untermauert.318 In einem zweiten Schritt führt Lambin aus, dass Horaz seinen Samenerguss auf dem Rücken liegend gehabt habe, was wiederum mit Pseudo-Aristoteles so erklärt wird, dass die auf dem Rücken liegenden Menschen wohl eine Erscheinung gehabt haben müssten. Tiere hätten dieses Problem nicht, da sie nicht auf dem Rücken schliefen.319 In einem letzten Schritt nennt Lambin ein Lukrezzitat aus dem vierten Buch De

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tat somnoque depulso conatur erumpere sibique obsecundare atque indulgere, scis tum eam omnia audere, tanquam omni pudore, cogitatione, prudentia solutam ac vacuam. Aut enim se cum matre corpus commiscere putat neque id veretur aut cum alio homine aut cum deo aut cum fera manus suas sanguine et caede cuiusvis hominis contaminare, quovis cibo vesci, quid multa? Nullam amentiam nullamque impudentiam aspernatur aut praetermittit.“ Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. K2 r–K2 v: Aristoteles autem lib. 1. de moribus ad Nicomachum posteaquam docuit, in somno eam animi nostri partem dumtaxat, quae nobis cum stirpibus communis est, nempe, in qua vis inest alendi et augendi, suo munere fungi, ceteras autem quiescere neque eo tempore virum bonum virtuteque praeditum, ab homine vitioso atque improbo differre, ex quo illud dici solere, inter beatos et miseros dimidiam vitae partem nihil interesse, eius rei, cur ita fiat, rationem probabilem ait afferri posse, nempe hanc, quia somnus animi sit vacatio ab opere, quo bonus dicitur ac malus, nisi si aliqua motus quidam eo pervadunt ac permanant atque hac ratione bonorum virorum, quam quorumlibet aliorum, visa esse in somnis meliora. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. K2 v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. K2 v: Itaque Aristoteles in problematibus ȉȝ‫ޤ‬IJĮIJȚ Ȝ. scribit meliorum virorum somnia esse meliora, propterea quod eorum, tantisper dum vigilant, cogitationes sunt meliores. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. K2 v: Iam quod Horatius sibi hanc immunditiem ventre supino dormienti potius, quam prono, dicit evenisse, Aristoteles hoc quoque commemorat in problematis IJȝ‫ޤ‬IJĮIJȚ Ț. ubi quaerit „įȚ‫ ޟ‬IJަ IJ‫ ޟ‬ȗࠜĮ IJ‫ ޟ‬ȝ‫ޡ‬Ȟ Ƞ‫ރ‬ț ‫݋‬ȟȠȞİȚȡެIJIJİȚ, IJ‫ ޟ‬į’ ‫ݷ‬ȜȚȖ‫ޠ‬țȚȢ“ [Probl., X, 892b], id est, cur ex ceteris animalibus alia numquam dormiendo semen profundant, alia rarius. Respondet autem ille ideo fieri, vel quia nullum aliud animal praeter hominem supinum cubet, nullum autem, nisi supinum, semen profundat in somnis vel quia aliae animantes longe aliter somnient quam homines, profusio autem seminis nocturna in dormiente fiat cum visione aliqua et specie animo oblata.

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rerum natura, in dem ebendieser Vorgang des Samenergusses aufgrund der Erscheinung von schönen Gestalten noch einmal poetisch dargestellt wird: Lucretius huiusmodi somniorum hanc causam exponit lib. 4. „Tum quibus aetatis freta primitus insinuantur, | semen ubi ipsa dies membris matura creavit, | conveniunt simulacra foris e corpore quoque, | nuntia praeclari vultus, pulchrique coloris, | qui ciet irritans loca turgida semine multo, | ut, quasi transactis saepe omnibus rebus, profundant | seminis ingentes fluctus, 320 vestemque cruentent.“

Damit hat Lambin einen langen, philosophischen, autoritäten Exkurs zum nächtlichen Samenerguss gegeben, der selbst die Rückenlage des Horaz in seiner Satire plausibilisiert. Die Aussagen des Exkurses lassen sich moralisierend lesen, vor allem wenn Lambin mit Rückbezug auf Platon und Aristoteles verlangt, dass die täglichen Gedanken gut sein müssten, damit die Träume des Menschen ebenso gut seien.321 Das Lukrezzitat am Ende fügt dem noch eine weitere Erklärung bei. Es ist auffällig, dass hier der Kommentator nicht zur Ehrenrettung des Horaz eilt. Obwohl die Stimme des Kommentators moralisiert, entschuldigt sie Horaz nicht. Darüber hinaus ist es interessant, dass Lambin so gewichtige Autoritäten wie Platon und Aristoteles in einem Lemma zu feuchten Träumen anführt. Dies könnte man auf der einen Seite als Versuch erkennen, den Text zu sublimieren. Auf der anderen Seite hat die Autoritätenanhäufung ohne gleichzeitige Verharmlosung des feuchten Traumes in diesem Zusammenhang eine subversive Qualität,322 besonders da der Erklärung von Horaz‫ ތ‬nächtlichem Versehen im Vergleich zu anderen Erklärungen innerhalb der Satiren-Kommentierung sehr viel Raum gelassen wird. Die genannten Autoritäten werden damit außerdem durch ihre obszöne Kontextualisierung in Mitleidenschaft gezogen. Lambin, der sich „nicht schäme“ (non pudebit), Aristoteles und Platon hier zu zitieren, zeigt sich wieder einmal als ein bedingungslos dem Text verpflichteter Kommentator. Er handelt dabei ohne Rücksicht auf moralische Befindlichkeiten, was erneut beweist, dass seine Aussagen zum moralisierenden Kommentieren den Charakter eines Lippenbekenntnisses haben.

320 321 322

Lucr. 4,1030–36. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. K2 v. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 48 nennt es einen Versuch, über die Verknüpfung mit „acceptable ancients“ den Text zu retten. Ann Moss bezeichnet das bewusste Gegeneinandersetzen von sich widersprechenden antiken Autoritäten im Kommentar als eine Möglichkeit, subversiv die Grenzen der Genres der humanistischen Gelehrtenpraxis „explodieren“ zu lassen. Dies ist auf den Bereich der Obszönität übertragbar, in dem antike Autoritäten und sprachliche Widrigkeiten in ihrer Parallelisierung ein konfliktgeladenes Potential entfalten können. Ann Moss, „Locating Knowledge“, in Karl Enenkel, Wolfgang Neuber (Hrsg.), Cognition and the Book. Typologies of Formal Organisation of Knowledge in the Printed Book of the Early Modern Period, Leiden 2005, 38.

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4.4.2.4 Forcierte obszöne Kommentierung Konnten all die bisher genannten Kommentierungsweisen noch als philologische Genauigkeit interpretiert werden, so weist Lambins Kommentar gleichwohl eine weitere Tendenz auf, die zeigt, dass es sich bei seiner integren Selbstdarstellung um ein Lippenbekenntnis handelt. Die Multiplikatorfunktion des Kommentators findet sich nicht nur an den Stellen, an denen der Horaztext eindeutig obszön ist. Bisweilen können wir den Kommentator sogar dabei beobachten, dass er obszöne Elemente in den Text hineinkommentiert, obschon der Ausgangstext derartige Erläuterungen zu seinem Verständnis nicht fordert. Einige Beispiele sollen diese Eigenart des Kommentierens Lambins illustrieren. Ode 1,9 In der Kommentierung von Ode 1,9 zeigt sich der o. g. Befund anhand des Begriffs susurrus (Geflüster, V. 18). Horaz ruft den Adressaten der Ode, Thaliarchus, dazu auf, seine Jugend zu nutzen, und spielt mit dem „sanften Geflüster in der Nacht“ auf Liebesszenarien an (V. 18–20): […] nunc et Campus et areae lenesque sub noctem susurri composita repetantur hora, […].

Die Kommentierung Lambins forciert an dieser Stelle eine obszönere Lesart, als sie der Horaztext nahelegt. Er erläutert nicht nur, dass es sich bei dem Geflüster um dasjenige von Verliebten handele, die nicht gehört werden wollten, sondern er fügt noch eine zweite Bedeutung ein: Einige (nonnulli) schlügen vor, dass dieses Geflüster für Geschlechtsverkehr (res venereae) stünde. Er ergänzt außerdem ein Theokritzitat, das diese Verbindung plausibilisiert: Lenes susurri] quales edi solent ab amantibus, dum submissa voce una colloquuntur, ne ab aliis exaudiantur. Nonnulli ad susurros rei venereae referunt. Sic Theocritus „ੴȢ Ƞ੄ ȝ੻Ȟ 323 ȤȜȠİȡȠ૙ıȚȞ ੁĮȚȞȩȝİȞȠȚ ȝİȜȑııȚȞ | ਕȜȜȒȜȠȚȢ ȥȚșȪȡȚȗȠȞ.“

Lambin rechtfertigt die Einfügung dieser Ausdeutung, weil diese bereits in der Kommentartradition des Horaz enthalten sei. Und tatsächlich identifiziert Porphyrio324 den Vorgang des Flüsterns als sexualisiert. Lambin schließt sich dem an und verstärkt die Lesart noch durch ein obszönes Theokritzitat.

323 324

Theokr. Eid. 27,67–68, Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. f4 v. Porphyrio Comm. Hor. Ode 1,9,21–22: Nunc et latentis … angulo] Grate dictum. Sic enim puellae solent verecundiam sexus cum libidine miscentes abscondere sequentibus amatoribus, et rursus ut inveniantur, risu se prodere. […]

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Epistel 1,20 Ein weiteres Beispiel für diese Tendenz findet sich in Epistel 1,20 anhand des Verbs prosto. Bei Horaz ist es eingebunden in die Ansprache an sein eigenes Buch, das von ihm als draußen stehend beschrieben wird, weil es im Handel erhältlich ist (V. 1–2): Vertumnum Ianumque, liber, spectare videris, scilicet ut prostes Sosiorum pumice mundus.

Für einen vermeintlich keuschen Kommentator fügt Lambin der Kommentierung überraschend eine Erklärung hinzu, in der prosto mit Prostitution in Verbindung gebracht wird: Prostes] venalis exponaris a quo verbo prostibulum et mulier prostibula.

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Das gängige Verständnis von prosto ist nicht notwendigerweise auf Prostituierte bezogen, sondern auf eine normale Verkaufssituation.326 Dass Lambin hier Prostitution als Wortfeld assoziiert, lässt auch die Horazstelle obszön klingen, ohne dass eine zwingende Notwendigkeit dazu bestanden hätte, sie so zu lesen. Für einen modernen Leser ist diese Verbindung sogar einleuchtend, sicherlich ebenso für einen sehr gelehrten und an Obszönität gewöhnten Humanisten aus dem elitären Umfeld Lambins. Diese Worterklärung passt jedoch nicht zu der von Lambin angestrebten Kommentatorpersona, die Obszönitäten eigentlich nicht erklären will und angibt, obszöne Begriffe nur zu benutzen, wenn dies unbedingt nötig sei. Stellen wie diese werden allerdings von solchen Selbstentschuldigungen nicht abgedeckt, zumal sie Horaz und sein Werk in einen zwielichtigen Zusammenhang stellen. Lambin verstößt damit außerdem gegen die von Erasmus verurteilte Praxis, eine obszöne Erklärung zu einem Sachverhalt zu geben, die an sich nicht obszön ist.327 Dies könnte ebenso dafür sprechen, dass es sich hier um ganz bewusst transgressive Verhaltensweisen Lambins handelt. Ode 1,38 Ein etwas anders gelagerter Fall ergibt sich in der Kommentierung von Ode 1,38, in der Lambin durch seine Verweise ein ansonsten unproblematisches Gedicht stark obszön auflädt. In der betreffenden Ode wendet sich der Sprecher Horaz an einen nicht weiter identifizierbaren puer und fordert ihn auf, die einfachen Dinge des Lebens, vor allem das Symposium zu genießen: Persicos odi, puer, apparatus. displicent nexae philyra coronae,

325 326 327

Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. Ex4 v. Irene Frings, s. v. „prosto“, in TLL 10,2 (1980), 2238,65 paraphrasiert prosto für Horaz mit bibliopolarum vicos, liber, spectare videris. Hugh Roberts, „Erasmus“, 103 zitiert Erasmus: Qui res honestas vituperando narrat, turpiloquus est.

Lambins Kommentierung obszöner Stellen

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mitte sectari, rosa quo locorum sera moretur. simplici myrto nihil allabores sedulus, curo. neque te ministrum dedecet myrtus neque me sub arta vite bibentem.

Dabei benutzt Horaz das Verb allaboro (V. 5). Lambin verweist in dem dazugehörigen Lemma nach einer lexikalischen Bestimmung dieses Wortes – philologisch völlig plausibel – auf seine Erklärungen in Epode 8,20. Dabei handelte es sich um die Aufforderung zur fellatio an die vetula. Der Kommentator zitiert sogar noch den entsprechenden Passus: Nihil allabores] nihil addas, sed allaborare est ਥȝijĮIJȚțȫIJİȡȠȞ. Valet enim laboriose aliquid al328 teri rei addere. Utitur eodem verbo Od. 8. lib. Epod. „ore allaborandum est tibi.“

Indem auf die heikle Epode angespielt wird, läuft die Kommentierung Gefahr, im Nachhinein die gesamte Aussage von Ode 1,38, die sich an einen jungen Mann (Ad puerum)329 wendet, zu sexualisieren. 4.4.2.5 Verstärkung der Obszönität in der Folgeausgabe (1567) Im Laufe der Wiederauflagen wurde der lambinische Kommentar von Autor selbst und posthum durch die Verwendung seiner Aufzeichnungen zweimal erweitert. Dies ermöglicht, die Entwicklung des Kommentars und den Einfluss der Umwelt auf den Kommentator nachzuverfolgen. Lambin informiert den Leser darüber, dass sich seit der ersten Ausgabe viel geändert habe, u. a., dass er am Collège Royal Professor geworden sei und die französischen Bürgerkriege begonnen hätten. Er selbst lerne immer dazu und es habe viele Reaktionen auf seinen Kommentar gegeben, denen er nun Rechnung tragen wolle.330 All diese Entwicklungen fanden dezidiert nach der Veröffentlichung des Index statt.

328 329 330

Hor. Epod. 8,20. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. r1 v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. r1 v. Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. †v v: Quid hac secunda editione ad primam accesserit quantoque haec illi praestet, paucis te, bone et erudite lector, admonendem esse puto. Non enim ii sumus, quos pudeat fateri, nos multa quotidie audiendo, legendo, vivendo denique discere, quae nobis antea fuerint incognita atque ignorata. Nam si plerique homines gloriosum sibi esse ducunt, rem a patre acceptam vel mercatura vel negotiatione vel parsimonia vel alia aliqua honesta ratione amplificare, si Solonem illum, virum suae civitatis sapientissimum et unum e septem non puduit de se scribere ac praedicare se quotidie senescere multa addiscentem, quid causae est, quare mihi turpe esse existimem, ingenue fateri, mihi non pauca hodie esse nota atque aperta, quae antea fuerint obscura atque ignota? Hoc igitur admonendus es, lector humanitate et doctrina expolite, hanc posteriorem editionem multis partibus esse priore meliorem ac perfectiorem.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

Nach den bisherigen Untersuchungsergebnissen ergibt sich die Frage, ob Lambins Kommentar nach seinem ersten Erscheinen nicht sofort in Verruf geriet und den Kommentator in folgenden Ausgaben zu mehr Anständigkeit zwang. Überraschenderweise trat das genaue Gegenteil ein: Die hier beschriebenen Strategien und Tendenzen der detaillierten sprachlichen Erklärung und der obszönen Referenzierung werden in der zweiten Ausgabe von 1567 in großem Umfang fortgeführt. Außerdem wird die Zugänglichkeit des Texts für weniger Gebildete erhöht, indem griechische Zitate, die in der ersten Ausgabe noch unübersetzt blieben,331 großteilig lateinisch wiedergegeben werden.332 Damit entfernt Lambin ein Hindernis im Verständnis der Obszönitäten, das in der ersten Ausgabe noch vorhanden war. Auch die von Lambin angekündigten vermehrten Referenzstellen verstärken die bereits aufgeführten Leseeindrücke massiv. Vielleicht ist dies auf das wachsende Prestige des Lambin zurückzuführen. Eine zweite Erklärung könnte sein, dass die folgenden Auflagen nicht so streng kontrolliert wurden wie die Erstausgabe. Da die antike Dichtung ohnehin nie auf dem Index stand, ergab sich die Möglichkeit, in einem sicheren Rahmen provokativ zu kommentieren und zu schreiben. In dieser Hinsicht gilt es abermals zu betonen, dass die hier betrachteten Gedichte nicht besonders prominent im Aufbau der Edition situiert sind. Drittens war Lambin durch sein Amt als lecteur royal höchstwahrscheinlich vor Eingriffen in seine gelehrte Tätigkeit geschützt. Aus den vielen Beispielen, an denen sich durch die Erweiterung des Kommentars in der Ausgabe von 1567 eine Verstärkung des obszönen Textpotentials ergibt, sollen einige wenige Passagen aus Ode 1,37, Epode 12 und Satire 1,2 exemplarisch aufgezählt werden. Ode 1,37 In die Kommentierung von Ode 1,37,9 bringt Lambin der zweiten Ausgabe von 1567 einen Verweis auf Gregor von Nazianz ein, den er sogar ins Lateinische überträgt. Diese Hinzufügung macht das Lemma im Nachhinein noch obszöner: Contaminato cum grege turpium] cum eunuchis turpi morbo laborantibus, viris effeminatis [ab 1567: et impudicis]. Eunuchos igitur viros appellat non simpliciter, sed viros morbo illo corporis et animi turpes et foedos, propter quem ad patiendum, quam ad agendum sunt aptiores ac 333 [ab 1567] Gregorius Nazianzenus […] sic de Eunuchis: „IJȠઃȢ ਥț IJોȢ propensiores. […] ȖȣȞĮȚțȦȞȓIJȚįȠȢ, IJȠઃȢ ਥȞ ȖȣȞĮȚȟ੿Ȟ ਙȞįȡĮȢ țĮ੿ ਥȞ ਕȞįȡȐıȚ ȖȣȞĮ૙țĮȢ, IJȠઃȢ IJȠ૨IJȠ ȝȩȞȠȞ ਕȞįȡȚțȠઃȢ IJ੽Ȟ ਕıȑȕİȚĮȞ, Ƞ੄ IJઁ ijȣıȚț૵Ȣ ਕıİȜȖĮȓȞİȚȞ Ƞ੝ț ਩ȤȠȞIJİȢ, મ įȪȞĮȞIJĮȚ ȝȩȞȠȞ, IJૌ

331

332 333

Elisabeth Ladenson, s. v. „Censorship“, 2010, 186: „The practice of resorting to Latin and sometimes Greek as a form of implicit internal censorship, to obscure the meaning of passages or whole texts, making them accessible only to those with a certain level of classical education, is almost never explained in the works in question; the reasons for it have always gone without saying. Those who understand, […] understand […].“ Vgl. Abschnitt 3.4.4.2. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. s4 r.

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334

ȖȜȫııૉ ʌȠȡȞİȪȠȣıi“ Id est viros ex mulierum cubiculo egressos atque ad eas custodiendas et oblectandas accomodatos, inter mulieres viros, inter viros mulieres atque ad omnia obscena patienda promptos ac paratos, una re dumtaxat viriles et fortes, quod impii ac scelerati sint, qui quoniam iis membris, quae ad procreandum a natura viris data sunt, libidini obsequi nequeunt, 335 lingua impura atque impudica, qua possunt tantum scortantur. Haec Nazianzenus. […]

Die Passage ist höchst eindeutig und äußert sich abfällig über Eunuchen. Das Zitat Gregors steigert die Problematik um einen besonderen Aspekt: Eunuchen werden u. a. als geschlechtliche Grenzgänger bezeichnet, die zu jeder Obszönität bereit seien. Sie seien stark, aber impii ac scelerati. Weil sie kastriert wurden und daher nicht mehr zur Zeugung in der Lage seien, benutzten sie ihre unreine und schamlose Zunge, mit der sie schließlich doch Geschlechtsverkehr haben könnten. Lambin schließt seinen Querverweis mit einem haec Nazianzenus, damit die Obszönität der Aussage nicht auf ihn als Kommentator zurückfallen kann. Doch stellt Lambin seinen Lesern wieder eine sehr unsittliche Information zur Verfügung, selbst wenn sie von einem christlichen Autor wie Gregor von Nazianz stammt. Epode 12 Auch in Epode 12,17 interpretiert Lambin den Text noch obszöner als in der Erstausgabe. In der ersten Ausgabe begnügt er sich mit der Erläuterung der allegorischen Gleichsetzung von einem starkem, jungem Mann und einem Stier: quaerenti taurum] validum firmumque iuvenem. Od. 5. lib. 2 „nec tauri ruentis | in Venerem 336 tolerare pondus.“ [ab 1567:] Taurus significat etiam membrum viri obscenum. ex quo verbum Graecum XEYVS૨R, quod dicitur de muliere libidine ardente et marem concupiscente, ut 337 modo dixi, et ਕIJĮȪȡȦIJȠȢ puella, id est intacta et incorrupta.

In dem neu hinzugekommenen Teil des Kommentars jedoch führt er noch – ganz Philologe – eine griechische Etymologie zur Erklärung der Gleichsetzung von Stier mit männlichem Glied ein, die eine verstärkt obszöne Lesart erzwingt. Lambin kommentiert damit noch um einiges anstößiger als moderne Kommentatoren.338 Satire 1,2 Weitere Beispiele für diese Tendenz in der Kommentierung Lambins ergeben sich aus Satire 1,2. Die Erläuterung von permolere (V. 35) war bereits bei Landino umfassend

334 335 336 337 338

Greg. Naz. Or. 43,47,1. Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. hiiii r–hiiii v. Hor. Ode 2,5,3–4. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. L4 r. Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. Cii v. Lindsay Watson, A commentary on HoraceҲs Epodes, 2003, 410. Watson beispielsweise unterlässt die Identifikation des taurus als Penis und zitiert Porph. Comm. Hor. Epod. 12,17: […] taurum autem pro valido ac forti concubito.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

ausgefallen. Lambin dagegen führt sogar eine mögliche Originalvorlage von Theokrit an, die die Metapher des Mahlens (ȝ઄ȜȜİȚȞ) für Geschlechtsverkehr verwendet: permolere] corrumpere, adulterare, ȝȠȚȤİȪİȚȞ. Tralatio est sic et Theocritus İ઀į. 4 „İ੅ʌ’ ਙȖİ ȝ’, 339 ੯ ȀȠȡȪįȦȞ, IJઁ ȖİȡȩȞIJȚȠȞ ਷ ૧’ ਩IJȚ ȝȪȜȜİȚ | IJȒȞĮȞ IJ੹Ȟ țȣȐȞȠijȡȣȞ ਥȡȦIJȓįĮ“ quem locum 340 indicavit mihi Fulvius Ursinus vir humanissimus.

In der zweiten Ausgabe 1567 kommen ein Lucilius- und ein Catullzitat hinzu: 341

Lucillius „Hunc molere, illum autem ut frumentum vannere tu vis.“ improbius dixit Catullus in Gellium: „Hoc ne ipsi accideret, patrui perdepsuit ipsam | uxorem“ etc. Ubi vulgo mendose 342 legitur „perdespuit“.

Bereits das Luciliuszitat ist in diesem Kontext sehr unanständig, denn es behandelt problematische homoerotische Elemente. Lambin steigert dies jedoch zusätzlich, indem er ein Catullzitat ergänzt, das noch schlimmer (improbius) sei. Dieses Catullzitat, das Lambin darüber hinaus textlich emendiert,343 evoziert das dahinterstehende Epigramm, in dem es darum geht, dass Gellius die Frau seines prüden Onkels verführt (Catull nennt es „durchkneten“) und sogar noch seinen Onkel durch Oralverkehr zum Schweigen bringen könne (irrumet).344 Lambin nennt hier also drei Parallelstellen für eine obszöne Metaphorik rund ums Mahlen und Kneten. Auch hieran können wir erkennen, dass Lambin seit der Erstausgabe von 1561 im obszönen Bereich lexikalisch versierter geworden ist. Anekdotenhaftes Kommentieren Ein weiteres Phänomen kommt in der zweiten Ausgabe von 1567 hinzu. Lambin baut nun gesteigert Anekdoten aus seiner eigenen Biographie in den Kommentartext ein und verstärkt damit die Präsenz seiner eigenen Person innerhalb des Kommentars. Dies geschieht, entgegen den Erwartungen, die man nach seiner oben genannten Selbststilisierung als keuscher Kommentator haben könnte, ebenso in den obszönen Gedichten. In der Erweiterung des bereits besprochenen Lemmas Et quae nunc humeris involit etc.] aus Ode 4,10,3, in dem Horaz Ligurinus auf die Vergänglichkeit seiner Jugend anspricht, fügt Lambin in der zweiten Ausgabe sogar eine Anekdote seines Italienbesuchs hinzu. Damit überträgt er die im Horaztext erwähnten Diskurse in seine eigene Gegenwart: Et quae nunc humeris involit etc.] […] Cum in Italia essem, quendam adolescentem vidi Siculum hoc nomine male audientem et impudicitiae nota aspersum, quod mentum et genas tum 339 340 341 342 343 344

Theokr. Eid. 4,58–59. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. C3 v. Lucil. 278. Catull. 74,3–4, Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. bv v. Er hatte ja in den Epistulae ad lectorem angekündigt, die Fremdzitate zu emendieren, vgl. Abschnitt 3.4.4.2. Catull. 74, 5–6: nam, quamvis irrumet ipsum | nunc patruum, verbum non faciet patruus.

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primum florescentes, vitro levigaret ac poliret. Dicebatur etiam murium et soricum urina partes illas oris, quas commemoravi, mane defricare et madefacere, ut lanuginem et barbam nascentem funditus exstirparet ac deleret atque hoc pacto glaber, laevis et imberbus permaneret. Quod ei bene processit. Nam cum eum adolescentem annorum decem et octo Venetiis vidissem, in eundem postea Romae annos triginta natum anno duodecimo post forte incidi aeque 345 imberbum, ut erat adolescentulus.

Als er in Italien war, habe er einen sizilianischen Jugendlichen gesehen, einen Lustknaben, der sein Gesicht mit Glas geglättet habe. Außerdem heißt es, dass er das Gesicht morgens mit dem Urin von Mäusen einrieb, um Bartflaum und Stoppeln zu entfernen, um auf diese Weise bartlos zu bleiben, was ihm gut gelungen sei. Lambin schließt seine kleine Anekdote damit, dass, als er denselben jungen Mann, der damals achtzehn Jahre alt gewesen sei, zwölf Jahre später als 30–Jährigen gesehen hatte, dieser immer noch bartlos gewesen sei. Bemerkenswerterweise ist es für Lambin kein Problem, zuzugeben, dass er zumindest sozialen Kontakt mit einem männlichen Prostituierten gehabt hatte, der immerhin so eng gewesen sein muss, dass ein Wiedersehen nach zwölf Jahren möglich war. Durch seine Anekdote wird außerdem das Thema der männlichen Homosexualität aktualisiert, wenn auch in einen italienischen Kontext verschoben. Die von Lambin vorgelegten Rezepte im Rahmen des Lemmas Sed incitat me pectus etc.] aus Epode 8,7 nehmen sich des Problems von alternder Weiblichkeit und der nachlassenden Straffheit der Haut an. Jedoch geht es hier um eindeutig obszöne Zusammenhänge: Sed incitat me pectus etc.] […] Hoc autem mammarum vitium emendare potest edera, sive cruda, modo contusa atque ita mammis admota, sive in vino rubro incocta usque eo, ut parum liquoris supersit et item cum illo reliquo exiguo liquore amota. Verum huius incommodi muliebris remedium longe certissimum ac probatissimum est squatina piscis mulieris mammis impositus. A quo narravit mihi iuveni Rondeletus natu iam grandis, cum una essemus in comitatu Francisci Turnonii Cardinalis, mammas pendulas et languidas adeo contrahi et constringi, ut virginalium mammarum similitudinem gerant. Quin (ut idem mihi confirmavit) siqua mulier habet ficum et rimam illam pudendam nimis latam et patentem vel natura vel multo partu aut etiam concubitu, hic piscis admotus speluncam illam immanem ita constringet et angustam 346 reddet, ut puellae nondum viro maturae rimula videatur.

Erschlaffende weibliche Brüste könne man mit rohem, zerstoßenem oder mit in Wein eingekochtem Efeu straffen. Das beste Heilmittel gegen dieses weibliche Übel sei hingegen der Engelfisch (squatina), den man auf die Brust auflegen sollte. Dieses Heilmittel sei Lambin von Rondelet, einem Zoologen, mit dem er zusammen im Gefolge des Kardinal de Tournon reiste, berichtet worden.347 Durch das Auflegen des Fischs würden schlaffe Brüste wieder wie die von Jungfrauen. Lambin erwähnt schließlich noch, dass dieses Hausmittel nicht nur auf der Brust anwendbar sei, sondern auch auf der weibli345 346 347

Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. yi v. Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. Bii v–Biii r. Dass diese enzyklopädische Funktion der Kommentare keine Seltenheit war, zeigen Karl Enenkel und Henk Nellen: Karl Enenkel, Henk Nellen, „Introduction“, 2013, 3.

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chen Scheide, wenn diese von Natur aus, durch Geburt oder durch Beischlaf zu sehr geweitet worden sei. Wenn man den Fisch auflege, würde dieses weibliche Körperteil wieder wie das eines Mädchens werden. Der oben zitierte Rondelet war ein sehr bekannter Arzt und Naturforscher, der seine Traktate zu Fischen348 (Universae aquatilium historia), wie schon Lambin die seinen, dem Kardinal de Tournon widmete. Rondeletus selbst schreibt über den Engelfisch (squatina), dass es wohl ein Mittel gegen Brustwachstum sei und diese härter, wohl straffer, mache: Tota squatina mammis imposita earum incrementum prohiberi duriusculasque reddi traditur. Quod a me experientia comprobatum est, huius quoque rei testis est Plinius. Squatinae illitae 349 crescere mammas non patiuntur.

Zumindest die Wirksamkeit für Brustwachstum und -straffung wird der squatina zugeschrieben. Für den übrigen Teil der Anwendung, wie er bei Lambin zitiert wird, gibt es zumindest im Fischlexikon keine Bestätigung. Hier nimmt es sich der Kommentator also heraus, noch sehr viel obszöner zu kommentieren, als dies bei Rondelet vermerkt ist. Lambins anekdotenhafte Kommentierweise findet sich auch bei anderen Renaissancekommentatoren, wie von Anthony Grafton festgestellt wird: Professors at the 15th-century University of Rome filled their courses not only with grammatical and philological observations but also with anecdotes of witches they had seen burnt, hea350 ling springs they had discovered on the Roman Forum […].

Julia Gaissers Ausführungen zu Beroaldos Kommentier- und Unterrichtsart gehen in eine ähnliche Richtung: His commentary explores the whole world of everyday experience in the Golden Ass – and then links it to the life and customs of his own time. Laundry methods, funeral customs, eating habits, baldness – all draw his attention and provide the occasion for lively comparisons. These digressions undoubtedly brought Apuleius’ novel to life for Beroaldo’s students, but they create an even more interesting effect for the modern reader, who is given a glimpse into 351 Apuleius’ world and Beroaldo’s at the same time.

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Guillaume Rondelet, Guilielmi Rondeletii, Doctoris Medici, et medicinae in schola Monspeliensi professoris Regii Libri de piscibus marinis, in quibus verae piscium effigies expressae sunt, Lugduni apud Matthiam Bonhomme 1554. Guillaume Rondelet, Libri de piscibus, 1554, fol. ii3 v. Anthony Grafton, s. v. „Commentary“, 2010, 229. Julia Gaisser, „Teaching Classics in the Renaissance: Two Case Histories“, in Transactions of the American Philological Association 131 (2001), 5. Julia Gaisser, „Filippo Beroaldo on Apuleius: Bringing Antiquity to Life“, in Marianne Pade (Hrsg.), On Renaissance commentaries, Hildesheim 2005, 87–109. Eine weitere Untersuchung zu den Digressionen in Pios Lukrezkommentar bietet Gerard Passannante, „Reading for Pleasure: Disaster and Digression in the First Renaissance Commentary on Lucretius“, in Brooke Holmes, W. H. Shearin (Hrsg.), Dynamic Reading. Studies in the Reception of Epicureanism, Oxford 2012, 90: „I am thinking here of the various personal ‚digressions‘ the commentator scatters thoughout his learned notes – occasional thoughts on the

Lambins Kommentierung obszöner Stellen

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Die Kommentierweise Lambins im nachfolgenden Jahrhundert in Frankreich zeigt sich dazu als Kontinuität.352 Seine Exkurse stehen dabei im Zusammenhang mit einer autobiographischen Stilisierung des Kommentators, indem sie auf seine Italienreise, auf der er die Manuskripte einsehen konnte, zurückweisen. Dennoch bleibt trotz dieser Einsprengsel, die klar im Bereich des Realienkommentars353 zu verorten sind, der Eindruck bestehen, dass hier durch verschiedene Verweistechniken innerhalb des Horaztexts, innerhalb der antiken Literatur und in die außertextliche Welt eine sehr große Aufblähung des Kommentartexts geschieht. Dabei gelingt es dem Kommentator, sich als Universalgelehrter und Enzyklopäde im Sinne Plinius des Älteren in solch obszönen Bereichen zu zeigen, der sein Wissen nicht nur aus anderen Texten gewinnt, sondern auch durch persönliche Autopsie überprüfen konnte. Besonders anstößig ist dabei außerdem, dass viele dieser hier enthaltenen Informationen entweder von seinem Reisegefährten Rondelet oder direkt aus eigener Erfahrung auf der Italienreise stammen. Diese Italienreise war allerdings unter der Schirmherrschaft des Patrons von Lambin und Rondelet, dem Kardinal de Tournon, veranstaltet worden. Dass Lambin nun direkt im Zusammenhang mit Ode 4,10 und Epode 8, zwei sehr anzüglichen Werken innerhalb des horazischen Œuvres, darauf referiert, ist ein zumindest ungewöhnlicher Befund.

4.4.3 Erklärungsmöglichkeiten für Lambins Kommentierweise Aus den bisher behandelten Passagen ergeben sich nun zwei Erklärungsoptionen für die wiederkehrende Feststellung, dass Lambin in einer Art und Weise kommentiert, die sowohl seine eigenen Aussagen (aus den praefationes, aus Ode 1,4 und Epode 8) als auch die Erwartung der Außenwelt (Indizes, strenger Widmungsempfänger, Prestige des Collège Royal) völlig umgeht und sogar ad absurdum führt.

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earthquakes he experienced in 1505, the death of his father and teacher the same year, and the memory of his beloved mother who died, he tells us of the kind of fever that Lucretius describes in book 6.“ Dabei spielt eine Rolle, dass Pio der Schüler Beroaldos ist (91 und 99–100). Auch Casella widmet sich diesem Thema: Maria Teresa Casella, „Il metodo dei commentari umanistici esemplato sul Beroaldo“, in Studi Medievali 3,16 (1975), 627–670. Jean Céard stellt jedoch für die Kommentare des sechzehnten Jahrhunderts eine Entwicklung zur größeren Textnähe fest: Jean Céard, „Les transformations du genre du commentaire“, in Jean Lafond, André Stegmann (Hrsg.), L’automne de la renaissance 1580–1630, Paris 1981, 109–112. Dagegen argumentieren Karl Enenkel, Henk Nellen, „Introduction“, 2013, 60–61. Der einleitende Aufsatz Enenkels und Nellens erläutert diesen Sachbezug und die autobiographische Stilisierung als allgemeines Charakteristikum von frühneuzeitlichen Kommentaren: Karl Enenkel, Henk Nellen, „Introduction“, 2013, 3–4 und 9.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

4.4.3.1 Textrettung Die erste Möglichkeit, die Art der Verhandlung der obszönen Stellen bei Lambin zu plausibilisieren, ist es, Lambin als unbeirrbaren Textretter und -erklärer zu verstehen, der für seine Leser eine Lupe und eine Lesehilfe sein will, um den Zugang zum antiken Text zu eröffnen, unabhängig davon, was das für die Gegenwart bedeutet. In diese Richtung argumentiert Tatiana Tsakiropoulou-Summers, die sich mit Lambins Kommentierweise bei dem ebenfalls problematischen Autor Lukrez beschäftigt. Sie stellt fest, dass Lambin in den Paratexten der Ausgabe seines Lukrez große Anstrengungen unternimmt, ihn vor möglicher Zensur zu retten.354 Etwas Ähnliches geschieht in der Horazausgabe, in deren praefatio Horaz dem König als moralischer und sprachlicher Lehrer vorgestellt wird.355 Die Lukrezausgabe, die nur zwei Jahre nach der Horazausgabe erscheint, trifft auf dasselbe kontroverse intellektuelle Milieu. Tatiana Tsakiropoulou-Summers stellt für die Lukrezausgabe eine erfolgreiche Textrettung durch Lambins Technik der Kommentierung fest, die auf Platon und Aristoteles verweist. Diese Ausgabe wurde nie zensiert.356 Sie zieht den Schluss, dass dies an Lambins objektiver, neutraler Gelehrtenpersönlichkeit lag.357 Es geht ihr vor allem um eine philologische Herangehensweise des Lambin, der sich ganz in den Dienst des Lukreztexts stellt, um ihn jenseits der inhaltlichen Probleme zugänglich zu machen und als herausragendes Dichtungszeugnis zu etablieren und zu retten. Dies wäre also eine Erklärungsmöglichkeit für die beschriebene Art der Kommentierung, die sich in der Sekundärliteratur findet: Philologisches acumen und ein dezidiertes 354

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Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 46. In ihrem Aufsatz zeigt sich besonders das Aufeinanderprallen von Philologie und dem feindlichen Klima der Mitte des sechzehnten Jahrhunderts in Frankreich. Die Stoßrichtung ihrer Überlegungen ist vor allem die Vermeidung von Zensur, doch sind an ihrer Darstellung darüber hinaus Verhaltensweisen Lambins zu erkennen, die sich gegen dieses Establishment richten und subversiv sind, ohne dass sie es so deutet. Die vorliegende Untersuchung baut auf ihren Erkenntnissen auf, will sie jedoch nuancieren, verschärfen und in Bezug auf Horaz neu ausrichten. Immerhin wurden rund 100 Jahre später die Ausgaben, die für den Gebrauch des Königs bestimmt waren, ad usum Delphini, streng purgiert und von Anstößigkeiten befreit, vgl. Curt Loehning, „In usum Delphini“, 1970. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 59. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 70: „In conclusion, Lambin pursues a double strategy: he confines his passionate pleas and fervent invectives strictly to the preface of the edition, while sustaining throughout the commentary the persona of an objective scholar interested in two objectives: 1) in restoring a poem, invaluable for its artistry, and 2) in contextualizing that poem with parallels from Greek and Roman literature. He does not launch an open campaign to justify Lucretius’s controversial ideas in a potentially dangerous climate of religious censorship, but he does try to justify in the preface his interest in Lucretius, showing that the poem is the extraordinary achievement of a brilliant poet.“ Zu Lambin und Lukrez in Frankreich im sechzehnten Jahrhundert vgl. Philip Ford, „Lucretius in early modern France“, 2007, 227–241 und Daniel Ménager, „Les Citations de Lucrèce chez Montaigne“, in Philip Ford, Gillian Jondorf (Hrsg.), Montaigne in Cambridge, Cambridge 1989, 25–38.

Lambins Kommentierung obszöner Stellen

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Interesse an den antiken Autoren als Schriftsteller und Dichter jenseits ihrer inhaltlichen Aussagen. Für den Horaztext und seine sprachliche Obszönität würde dies, nach allem, was bisher gezeigt werden konnte, eine starke Unverfrorenheit im Umgang mit den problematischen Stellen bedeuten. Es würde außerdem implizieren, dass Lambins kommentatorisches Vorgehen seinen eigenen Ansprüchen widerspreche, ohne dass er sich dessen bewusst wäre. Besonders in der Überarbeitung der Edition in der zweiten Ausgabe hätten bestimmte Inkonsistenzen daher sogar beseitigt werden können. Das geschieht jedoch nicht. Die Erklärung scheint daher an einigen Stellen zu kurz zu greifen, insbesondere wenn man berücksichtigt, dass es eigentlich nicht im Sinne des Kommentators sein konnte, die problematische Dimension des Texts offenzulegen, da der Text dann Zielscheibe harscher Sittenwächter werden konnte. Lambin macht die problematischen Stellen sichtbar und ermöglicht es seinen Lesern ohne Umstände, den Text und sein anstößiges Potential zu erfassen, und demontiert Horaz ganz nebenbei als moralisches Vorbild. Ein Blick auf die Purgierungstendenzen der Zeit, die anhand der Martial-, Catullund Vergilkommentierung skizziert wurden, lässt außerdem vermuten, dass Lambins detaillierte Kommentierung nicht alternativlos und sein Vorgehen Resultat einer bewussten Entscheidung war. Vor diesem Hintergrund geht damit bereits die Rettung von obszönen Texten über philologische Gründlichkeit hinaus. 4.4.3.2 Subversion Ich möchte daher im Folgenden noch eine zweite Interpretationsmöglichkeit vorschlagen, die von Martin Mulsows Überlegungen zur subversiven Kommentierung und der Performativität der Unanständigkeit in gelehrten Kreisen beeinflusst ist:358 Ausgehend von Kommentaren des sechzehnten Jahrhunderts untersucht Mulsow ihre „Parodiestruktur“ anhand von obszönen Stellen. Für unsere Zwecke ist dies eine aufschlussreiche Betrachtungsweise, da sie die „Fallhöhe zwischen hochelitärer Kommentierung und profanem, derb-obszönem Gegenstand, zwischen Gelehrten- und Volkskultur“ beschreibt.359 Martin Mulsow fragt bewusst nach Methoden, die vom Kommentar „ad absurdum“ geführt werden und welche Wirkung sie entfalteten.360 Für Francesco Bernis Auto-Kommentar zu seinem Capitolo della primiera (1526), einem Lob auf das Pokerspiel,361 stellt er fest, dass „[d]ie Mischung von Kommentar und paradoxem Enkomion ein seltsames Monstrum [erzeuge], ein Aufeinandertreffen ehrwürdiger Namen und 358

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Für die Behandlung von Subversivität in Renaissancedichtung empfiehlt sich Murray Rostons Studie zu englischen Renaissancedichtern, die verschiedene Verfahren herausarbeitet, wie diese Texte subversiv wirksam werden. Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Bearbeitung von erotischen Motiven bei Spenser: Murray Roston, Tradition and Subversion in Renaissance Literature. Studies in Shakespeare, Spenser, Jonson, and Donne, Pittsburgh 2007, 97–106. Martin Mulsow, „Subversive Kommentierung“, 2006, 133. Martin Mulsow, „Subversive Kommentierung“, 2006, 134. Martin Mulsow, „Subversive Kommentierung“, 2006, 136.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

verpönter Praktiken, penibler Spracherwägungen und obszöner Nebenbedeutungen, intertextueller Bezüge, die aus dem Nichts gewoben sind“.362 Ann Moss hatte die subversive Qualität des Verweisens für Kommentare festgestellt.363 Ebendiese Verfahren und Praktiken können für Lambins Horazkommentar festgestellt werden. Die nobilitierende Darstellung des Horaz in den Paratexten und Lambins integre metakommentarische Aussagen stehen in Kontrast zu seinem tatsächlichen Vorgehen und wirken deshalb im Nachhinein beinahe komisch. Auch er lässt große Namen auf obszöne Bedeutungen treffen, stellt quasi-infizierende sprachliche Parallelen her und ist in seiner sprachlichen Erklärung von Obszönitäten äußerst sorgfältig. Martin Mulsow wirft außerdem die Frage auf, ob „subversive Kommentar- und Widerlegungspraktiken auch in der lateinischsprachigen wissenschaftlichen Produktion zu finden seien“. Denn schließlich sei die zweite Hälfte des sechzehnten Jahrhunderts „genau jener Zeitraum, in dem erstmals ein größeres Unabhängigwerden der akademischen Kommentarliteratur von der kommentierten Autorität sichtbar [werde]“.364 Im Hinblick auf den Lambinkommentar lässt sich dies bejahen und fruchtbar auf dieses Fallbeispiel anwenden: Einerseits ist Horaz eine große Autorität für ihn, andererseits Anlass, um seine Gelehrsamkeit in allen Belangen, ohne Rücksicht auf sein Publikum, zu demonstrieren. Damit entstehen Reminiszenzen auf das von Martin Mulsow für die libertinistischen Kommentare des achtzehnten Jahrhunderts festgestellte Vorgehen: „[D]as Verhältnis von Text und Kommentar [konnte sich] jederzeit umkehren: Im obszönen Bereich ist der Text oft nur ein Prätext – ein Vorwand – für den Kommentar, auf daß dieser sich ausgiebig über unanständige Dinge verbreiten konnte.“365 Auf Lambin bezogen würde das bedeuten, dass für ihn transgressives Kommentieren eine der Motivationen für seine philologische Arbeit ist.

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Martin Mulsow, „Subversive Kommentierung“, 2006, 137. Ferroni bezeichnet Bernis Vorgehen als „Kommentarparodie“: „Dominé par l’intention générale de parodier tous les commentaires sérieux et érudits […].“ Guilio Ferroni, „Les genres comiques dans les commentairesெ, in Gisèle Mathieu-Castellani, Michel Plaisance (Hrsg.), Les commentaires et la naissance de la critique littéraire: France, Italie (XIVe – XVIe siècles), Paris 1990, 67. Ann Moss, „Locating Knowledge“, 2005, 38. Dazu Glenn W. Most, „Preface“, 1999, x, der in jeder Kommentierung immer schon inhärent eine subversive Handlung des Kommentators dem Autor gegenüber verortet. In jüngerer Zeit wird die subversive Qualität des Kommentars von Karl Enenkel, Henk Nellen, „Introduction“, 2013, 36–37 festgestellt. Beide Zitate Martin Mulsow, „Subversive Kommentierung“, 2006, 143. Mulsow gibt eine Reihe von Beispielen für die Gegenkommentierung an, schließt jedoch mit der Beobachtung, dass die „lateinischsprachige Gelehrsamkeit die Regeln der Gattungen genauer eingehalten [habe].“ Martin Mulsow, „Subversive Kommentierung“, 2006, 144. Martin Mulsow, „Subversive Kommentierung“, 2006, 145. Paula Findlen, „Humanismus, Politik und Pornographie im Italien der Renaissance“, 1994, 51 bezeichnet die Ausnahme der antiken Literatur als Ursache dafür, „daß die humanistische Tugend der Eloquenz zu einem Vorwand der Unzüchtigkeit wurde“.

Lambins Kommentierung obszöner Stellen

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Kommentierung bot also die Möglichkeit, provokativ und performativ tätig zu sein. Provokation, Subversivität366 und Performativität sind interessanterweise Eigenschaften von Obszönität. Die Kommentierung obszöner Stellen kann also die Möglichkeit bieten, zu provozieren gegen Tendenzen, die jeglichen textuellen Normverstoß unterdrücken wollen. 4.4.3.3 Zielscheiben der Provokation Wir finden in Lambins Vorgehen einen eindeutigen Konflikt zwischen seiner Selbststilisierung, seiner Stilisierung des Horaz und seiner Stilisierung des Kommentars. Dass drei Jahre nach dem Erscheinen der Erstausgabe des Horazkommentars die Regeln zum Trienter Index erscheinen (1564), hätte den Druck auf Lambin verstärken müssen, seine Ausgabe zu entschärfen, besonders weil zwar antike Autoren erlaubt, aber nicht im Schultext verankert werden sollten.367 Die Ausgabe des Lambin behauptet jedoch von sich selbst, auch für iuvenes konzipiert zu sein. All diese Widersprüchlichkeiten besitzen ein provokantes Potential, welches verschiedene Zielscheiben haben könnte.368 Die Provokation, die durch die Art und Weise der Kommentierung der obszönen Stellen entsteht,369 könnte sich z. B. gegen die Pariser Universität richten. Gegen diese hatte Lambin bereits in der praefatio an den König vollmundig polemisiert.370 Durch sein Verweisen auf andere Gelehrte, die mit dem Collège Royal in Verbindung standen, etabliert er sich als Antitypus zum exegetischen Stil der Sorbonne.371 Besonders wichtig erscheint in diesem Zusammenhang, dass dies ja ebenjene Institution war, die verschärft seit 1540 eine Zensur nach religiösen und moralischen Gesichtspunkten durchführte. Davor hatte die erste Generation von Professoren am Collège Royal noch größere Freiheiten in einem liberaleren Klima.372 Dies änderte sich jedoch in den Jahren zwischen

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Grégoire Holtz, „L‫ތ‬Obscène: La Nature Humaine – Introduction“, in Hugh Roberts, Guillaume Peureux, Lise Wajeman (Hrsg.), Obscénités Renaissantes, Genève 2011, 279. Dies ist auch der Fall, wenn die Inquisition in Frankreich, wie Edoardo Tortarolo, „Zensur als Institution“, 2001, 286 feststellt, möglicherweise keine Rolle spielte, da Lambin dennoch im Umfeld des Kardinals de Tournon zu verorten ist, der offiziell den Regularien der Kirche in besonderer Weise verpflichtet war. Es kann nicht mein Ziel sein, alle möglichen Adressaten der Provokation auszumachen. Ein kursorischer Überblick über einige Möglichkeiten soll zeigen, dass es sich um einen machtvollen textuellen Mechanismus handelt. Hugh Roberts, „Erasmus“, 104 stellt fest, dass auch bei Erasmus Obszönität und deren Behandlung an sich schon eine politische Dimension habe. Vgl. Abschnitt 3.4.4.2. Norton zeigt dies am Beispiel der Konzeption von Übersetzung: Glyn P. Norton, „Fidus Interpres, a Philological Contribution to the Philosophy of Translation in Renaissance France“, in Grahame Castor, Terence Cave (Hrsg.), Neo-latin and the Vernacular in Renaissance France, Oxford 1984, 229. Francis M. Higman: Censorship and the Sorbonne, 1979, 47–50. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 62–63 zeigt hingegen anhand des Beispiels Guillaume de

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

1540 und 1550, in denen viele Tendenzen der post-tridentinischen Zeit vorweggenommen wurden.373 Lambin geriert sich somit als Kommentator, der sich seiner Freiheiten und seiner Unabhängigkeit als Gelehrter sehr wohl bewusst war und die Grenzen des Möglichen austesten konnte. Im Bereich der klassischen Autoren suchte er vielleicht eine Lücke, sich mit Hilfe der detaillierten Behandlung von Obszönität gegen zensorische Tendenzen, sei es aus der Sorbonne,374 sei es aus Italien, zu wenden.375 Außerdem zeugen die kurz nach der Horazausgabe entstandenen purgierten Editionen des Horaz, die in ähnlicher Form schon für andere antike Autoren angefertigt wurden, dass es besonders für den Schulbetrieb galt, Obszönitäten zu unterdrücken. Auch gegen dieses Vorgehen könnte sich Lambin bei seiner dezidierten „Anti-Purgierung“ gewendet haben. Es ist vermutlich kein Zufall, dass die Autoren, die er nach Horaz kommentiert, ebenfalls eher kontroverse Autoren sind, wie Lukrez und Plautus. Das subversive Potential, das wir im Horazkommentar des Lambin entdecken können, fand sich in seinem Lukrezkommentar wieder.376 Eine etwas andere Stoßrichtung dieser Art der subversiven Kommentierung könnte die Einforderung von mehr Toleranz im gelehrten Diskurs sowie in der angespannten politisch-religiösen Situation sein. Lambin war mit vielen Protestanten befreundet, selbst jedoch kein Protestant. Diese Verbundenheit ging so weit, dass es heißt, er sei vor Schreck über den Tod seines protestantischen Freundes Pierre de la Ramée in der Bartholomäusnacht umgekommen.377 Trotz seiner Bindung an seinen Patron, den Kardinal

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Budés, dem seine philologische Beschäftigung den Vorwurf des Calvinismus einbrachte, dass besonders die Gründungszeit des Collège eine konfliktgeladene Zeit war. Francis M. Higman: Censorship and the Sorbonne, 1979, 47. Die als bloße These formulierte Überlegung Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 62, dass die Sorbonne Zielscheibe seines Vorgehens war, kann mit Blick auf die Horazausgabe bestätigt werden. Paula Findlen, „Humanismus, Politik und Pornographie im Italien der Renaissance“, 1994, 51. Emma Herdman, „Censured and Censored“, 2011, 368–369 untersucht an Fallbeispielen aus Frankreich im sechzehnten Jahrhundert die provokante Kraft von Obszönität gegen Zensur. Sie fasst zusammen (378): „Obscenity […] plays a further game with authority, endorsing a need for judgement even as it satirizes an adverse censor’s authority to judge.“ Sie nennt die tatsächlich umgesetzte Zensur von Obszönitäten zwar eine Seltenheit im sechzehnten Jahrhundert, führt jedoch zwei Beispiele für ebendiese Zensur an: die Verbrennung des Livret des Folastries (1553) durch das Parlament von Paris und das Obszönitätsgerichtsverfahren gegen Ambroise Paré (373). Außerdem stellt sie eine enge Verbindung zwischen dem Vorwurf der Häresie und der Obszönität her (376): „Heresy is given physically obscene expression through sexuality as well as scatology. […] The clear, traditional link between heresy and deviant sexuality further helps re-define heresy as a form of obscenity.“ Laut Joan DeJean, The reinvention of obscenity, 2002, 13 hatte Obszönität oft religiöse Konnotationen. So hebt schon Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 61 hervor, dass Lambin sich in scharfen Schmähschriften gegen die „presumed persecutors of enlightenment“ wandte: „Lambin’s ardent defence of free thinking and liberal education drove him at times to write scathing libels in exaggerated terms against the presumed persecutors of enlightenment.“ Vgl. Kapitel 2, FN 103.

Lambins Kommentierung obszöner Stellen

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de Tournon, war er also kein Gegner des Protestantismus.378 Die schärfer werdenden Repressionen auf den Buchmarkt und gegen Teile der gelehrten Welt könnten daher für ihn im generellen Sinne ein Auslöser dafür gewesen sein, mit seiner provokativen Kommentierung für mehr Toleranz und Freiheit in der res publica litterarum zu werben.379

4.4.4 Zusammenfassung: Lambin als Verschärfer horazischer Obszönität Lambins Kommentierweise von Obszönitäten ist von einer auffälligen Inkonsistenz zwischen Anspruch und Durchführung geprägt. Sowohl in den Paratexten als auch den metakommentarischen Äußerungen, in denen er sich direkt an seine Leser wendet, stellt er Horaz und sich selbst als integre, moralische Autoritäten dar. An den problematischen Stellen tut er dies nur noch für sich selbst, indem er postuliert, dass er die Kommentierung vermeidet, zensiert oder nur aus philologischer Notwendigkeit betreibt. Sein Verhalten innerhalb des Kommentars ist jedoch von einem völlig gegenteiligen Verhalten geprägt: Lambin kommentiert Obszönität ausführlich sprachlich, grammatikalisch, lexikalisch und anekdotisch-persönlich. Er übernimmt dabei keine Verantwortung für die Rückwirkung, die dieses Vorgehen auf die Darstellung des Horaz oder welchen Einfluss sie auf seine Leser hat. In der Folge lassen sich seine metakommentarischen Aussagen als Lippenbekenntnisse enthüllen. Neben seiner detaillierten Erklärungswut verweist er zudem auf ein großes obszönes Netzwerk von anderen antiken Autoritäten. Lambin ermöglicht es seinem Leser innerhalb des Horaztexts alle betroffenen Stellen zu identifizieren. Teilweise liest er sogar obszöne Bedeutungen in Textpassagen hinein, die an der Textoberfläche nicht auffallen, oder er disqualifiziert selbst angesehene antike Autoritäten durch ihre Einbeziehung in obszöne Zusammenhänge. Diese Tendenzen verstärken sich sogar noch innerhalb der Folgeausgaben. Weiterhin zu einer Inkonsistenz führt der von Lambin angeführte Anspruch, seine Kommentare seien für iuvenes gedacht, da sie in ihrer Anstößigkeit eher auf einen elitären Empfängerkreis zu zielen scheinen. Diese Erkenntnisse lassen vermuten, dass Lambins Verhalten sich nicht nur durch den unbedingten Wunsch nach einer umfassenden Kommentierung als Selbstzweck und philologische Notwendigkeit erklären lässt. Zu vermuten ist, dass innerhalb dieses „sicheren“ Genres des Klassikerkommentars besondere, von Martin Mulsow als „sub378

379

Und selbst Tournon lebte eine gewisse Toleranz. Linton C. Stevens, „Denis Lambin“, 1962, 235: „Lambin cultivated the friendship of many Protestants. Even his patron talked freely with Henri Estienne and considered even the possibility of an interview with Calvin.“ Möglicherweise war seine Haltung eine ähnliche wie die von de l’Hopital und Pasquier, die von Marc Bizer untersucht wird: „In a sense, the Politiques had a practical approach to sixteenthcentury politics and opted for religious toleration not out of principle but as a necessary evil in order to avoid civil war. Some notable politiques were Michel de l’Ho[s]pital and Étienne Pasquier.“ Marc Bizer, Homer and the Politics of Authority, Oxford 2011, 145, FN 58.

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Strategien im Umgang mit Obszönität in den Kommentaren

versiv“ bezeichnete, Strategien und Wirkungen Anwendung finden. Das Verhältnis zwischen Kommentator und kommentiertem Autor ist dabei ein anderes als bei Landino, der, wann immer nötig, sich der Ehrenrettung des Horaz verschrieben hatte. Lambins Verhältnis zum Ausgangstext ist hingegen von einer größeren Distanz geprägt. Der Kommentator etabliert sich selbst als Autorität und leitet diese nicht in Verbindung mit einer Autorisierung oder Autoritätsbewahrung des Horaz ab. Dabei verstößt er bewusst gegen die lobenden Aussagen des Vorworts, in dem er die moralischen Tugenden des Horaz preist. Auch dies kann, insbesondere in Bezug auf seine beiden herausragenden Widmungsempfänger, einen Kind-König und einen Kardinal, als besonders heikel eingeschätzt werden. Lambins Agenda steht außerdem im auffälligen Gegensatz zu zeitgenössischen Tendenzen und dem akademischen usus der Sorbonne. Gegenbewegungen gegen diese Art der Kommentierung ließen nicht lange auf sich warten. Nur kurze Zeit nach Lambins freizügigen Auseinandersetzungen mit allen Elementen der horazischen Dichtung (wie sich dies außerdem anhand des Epikureismus zeigen lässt) entstanden gegenläufige Tendenzen. Die Purgierung des Texts wurde, besonders innerhalb des Schulbetriebs, die vorherrschende Form der Textbegradigung. Möglicherweise handelt es sich dabei um bewusste Absetzungsbewegungen, die im Gegensatz zu Lambin tatsächlich ein Schülerpublikum vor Augen haben oder sogar, wie im Fall der Ausgaben ad usum Delphini, auf einen royalen Leser hin ausgerichtet sind. Die weite Verbreitung und die zahlreichen Nachdrucke von Lambins Kommentar lassen allerdings vermuten, dass das Verhalten Lambins in gewissen Kreisen toleriert oder sogar geschätzt wurde. Die hier angesprochenen Stellen sollten späteren Übersetzern und Herausgebern des Horaztexts Probleme bereiten, die sie auf unterschiedliche Weise lösten: durch die eben erwähnte Purgierung, durch das Auslassen der Übersetzung und durch das Entschärfen von Homosexualität. Beispielsweise wurde der notorische Ligurinus aus Ode 4,1 und 4,10 in diesen Editionen zur Frau.380 In Deutschland findet sich die wohl prominenteste Auseinandersetzung mit der Problematik der fehlenden Moralität im Horaztext in Lessings „Rettungen des Horaz“ (1754).381

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David Money, „The reception of Horace in the seventeenth and eighteenth centuries“, in Stephen Harrison (Hrsg.), The Cambridge Companion to Horace, Cambridge 2007, 319–320. Dorothea von Mücke gibt einen Überblick über die Art des Vorgehens von Gotthold Ephraim Lessing in Bezug auf Ligurinus und Lyciscus und die obszöne Horazvita. Dorothea von Mücke, „Vor dem Spiegel des Dichters. Biographie und Autorfunktion in der Aufklärung“, in Helmut Schmiedt, Helmut J. Schneider (Hrsg.), Aufklärung als Form. Beiträge zu einem historischen und aktuellen Problem, Würzburg 1997, 31–36. Vgl. Helmut Krasser, „Büßer, Spötter oder Künstler“, 1996, 334–337 und Lowell Edmunds, „The Reception of Horace’s Odes“, 2010, 348.

Landinos und Lambins Umgang mit horazischer Obszönität im Vergleich

4.5

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Landinos und Lambins Umgang mit horazischer Obszönität im Vergleich

Landino und Lambin gehen auf den ersten Blick ähnlich, auf den zweiten Blick jedoch völlig unterschiedlich mit dem hier untersuchten Horatius impudicus um: Landino versucht, Horaz in seine eigene Welt zu integrieren, ihn als moralisch und autoritär zu erhalten und sich aufgrund dieser Autorität selbst zu autorisieren. Er kommentiert als Dichter-Kommentator, der sich im Laufe seiner eigenen dichterischen Laufbahn hin zu größerem Konservatismus gewendet hatte. Seine Antworten auf die Probleme des Horaztexts sind Moralisierung, Sublimierung, Harmonisierung und vor allem ein großes Verantwortungsbewusstsein für den Leumund seines dargestellten Autors, den er im Kommentieren erhalten will. Dies führt bisweilen zu starken Eingriffen in das Textverständnis. Das Resultat dieser Kommentierung ist grosso modo ein kohärenter Eindruck von Horaz in seinem Kommentar, der den Ankündigungen aus den Paratexten gerecht werden kann. Damit ist es außerdem für den Kommentator möglich, vom Prestige und der Autorität seines kommentierten Autors zu profitieren und in seine Fußstapfen zu treten, bzw. sich ihm gleichwertig zu verstehen, wie dies ebenso in anderen Kommentaren des Quattrocento beobachtet werden konnte. Der commentator docens und der von ihm zu poeta docens stilisierte Horaz sind voneinander abhängig.382 Lambin ist diesem Programm nicht verpflichtet. Im Kontrast zu Landino ist er weniger moralisierend, obgleich er stets bedacht zu sein scheint, sich zumindest selbst oberflächlich als sittlichen Kommentator zu stilisieren. Seine Kommentierungsweise ist jedoch eine ganz andere. Im Gegensatz zu Landino distanziert er sich von Horaz, übernimmt keine Verantwortung und kann dadurch aber objektiver kommentieren als Landino, auch da er sich nicht mit der Verantwortung für die Moralität oder die moralische Wirkung des Texts belastet. Da diese Objektivität in seiner Zeit ein Problem ist, lässt sie den Horazkommentar zu einem Austragungsort von gelehrten Konflikten und Provokationen gegen andere etablierte Autoritäten werden. Es ergeben sich aus der Untersuchung der Kommentierung obszöner Stellen bestimmte „Persönlichkeitszüge“ bei Landino und Lambin, die sich in ihrer Distanz zum Text stark unterscheiden. Dabei erfüllen sie das Verdikt, das Florian Neumann mit Rückgriff auf Paul Zumthor so beschrieben hatte: „Bei den einen überwiegt die ‚Lust zur Distanznahme‘, bei den anderen das ‚Verlangen, eine Kontinuität herzustellen‘.“383

382 383

Vgl. Abschnitt 3.3.3.1. Florian Neumann, „Kommentartraditionen“, 2004, 53. Paul Zumthor, „La glose créatrice“, in Gisèle Mathieu-Castellani, Michel Plaisance (Hrsg.), Les commentaires et la naissance de la critique littéraire, Paris 1990, 11–18, 12.

5 Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

5.1 Die Problematik des Epikureismus in der Renaissance Bei dem Thema des Epikureismus handelt es sich, ganz ähnlich der Obszönität, um ein Phänomen, das in der Renaissance ein Rezeptionshindernis darstellt: „In the fifteenth and sixteenth centuries, the label of Epicurean was guaranteed to raise eyebrows, if not suspicions of heresy.“1 Heikel wird dieser Sachverhalt besonders für Texte, die trotz ebendieser epikureischen Elemente als kanonisch etabliert werden sollen. Dies trifft auf den Horaztext zu, wie die Analyse der Paratexte gezeigt hat. Schon die antike Kommentartradition des Pseudo-Acro und des Porphyrio identifizierte hier viele Passagen als epikureisch. Wie die obszönen Passagen dienen auch diese epikureischen Stellen als hervorragende Beobachtungspunkte des Vorgehens des Kommentators und seiner persona, da sie eine Extremsituation im Text und damit eine Kommentierungsherausforderung darstellen. Im Rahmen dieser Untersuchung soll daher zuerst die Problematik des Konzepts des Epikureismus in der Renaissance (inklusive eines Seitenblicks auf die verwandte Lukrezrezeption) im Fokus stehen, um dann, ausgehend vom Horaztext und dessen spätantiker Kommentierung, Analysen derjenigen Stellen der Kommentare vorzunehmen, die sich explizit mit dieser Philosophie befassen oder als epikureisch identifiziert wurden. Es wird sich zeigen, dass Landino und Lambin wieder zwei sehr verschiedene Wege einschlagen, um mit demselben Befund umzugehen. Dabei arbeiten sie ganz unterschiedliche Facetten des Horatius Epicureus heraus und positionieren sich zu ihnen.

1

Michael Roberts, „Interpreting Hedonism: Renaissance Commentaries on Horace’s Epicurean Odes“, in Arethusa 28 (1995), 289.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

5.1.1 Der Epikureismus als kontroverse Philosophie von der Antike bis in die Renaissance Das Thema des Epikureismus in der Renaissance hat in der Forschung bereits einiges Interesse erfahren.2 Besonders hervorzuheben sind dabei in jüngerer Zeit die Arbeiten von Jill Kraye,3 Alison Brown,4 Clemens Zintzen,5 Catherine Wilson6 und Howard Jones,7 die umfassende Untersuchungen zu diesem Thema vorgelegt haben. In der Forschung ergeben sich hauptsächlich drei Indizien für die Sprengkraft epikureischer Motive in der Renaissance, die die Untersuchungswürdigkeit des Themas zeigen und die für den Vergleich mit der Horaztradition fruchtbar gemacht werden können: die Darstellung des Epikureismus in der überlieferten Tradition aus Antike und Mittelalter, der Vergleich mit der Rezeption des Lukrez und die invektive Begriffsverwendung von „epikureisch“. Das erste Indiz dafür, dass Epikureismus für Renaissanceleser problematisch sein konnte, ist die Tradition der Texte, die sich mit diesem Phänomen befassen.8 Bereits in 2

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8

Ältere, wichtige Forschungsbeiträge zu diesem Thema: Eugenio Garin, La cultura filosofica del rinascimento italiano. Ricerche e documenti, Firenze 1979. Eugenio Garin, „Ricerche sull’epicureismo del Quattrocento“, in Epicurea in memoriam Hectoris Bignone, Genova 1959, 217–231. Don Cameron Allen, „The Rehabilitation of Epicurus and His Theory of Pleasure in the Early Renaissance“, in Studies in Philology 41 (1944), 1–15. Ferdinando Gabotto, „L‫ތ‬epicureismo di Marsilio Ficino“, in Rivista di filosofia scientifica 10 (1891), 428–442. Ferdinando Gabotto, „L‫ތ‬epicureismo italiano negli ultimi secoli del medio-evo“, in Rivista di filosofia scientifica 8 (1889), 552–563. Ferdinando Gabotto, „L‫ތ‬epicureismo di Lorenzo Valla“, in Rivista di filosofia scientifica 8 (1889), 651–672. Ferdinando Gabotto, „L’epicureismo nella vita del quattrocento“, in Rivista di filosofia scientifica 8 (1889), 730–739. Der Aufsatz von Kraye stellt in konziser Weise die Strategien der Gelehrten im Umgang mit dem problematischen Epikureismus dar: Jill Kraye, „The revival of Hellenistic philosophies“, in James Hankins (Hrsg.), The Cambridge Companion to Renaissance Philosophy, Cambridge 2007, 97– 112. Alison Brown, The return of Lucretius to Renaissance Florence, Cambridge, Mass. 2010 und Alison Brown, „Lucretius and the Epicureans in the Social and Political Context of Renaissance Florence“, in I Tatti Studies 9 (2001), 11–62. Clemens Zintzen, „Epikur in der Renaissance“, in Michael Erler (Hrsg.), Epikureismus in der späten Republik und der Kaiserzeit, Stuttgart 2000, 252–272. Catherine Wilson, „Epicureanism in early modern philosophy“, in James Warren (Hrsg.), The Cambridge Companion to Epicureanism, Cambridge 2009, 266–286. Howard Jones, s. v. „Epicurus and Epicureanism“, in Anthony Grafton, Glenn W. Most, Salvatore Settis (Hrsg.), The classical tradition, Cambridge, Mass. 2010, 320–324. Howard Jones, The Epicurean Tradition, 1989. Einen guten Überblick über die Quellenlage des Epikureismus in der Renaissance bieten: Catherine Wilson, „Epicureanism in early modern philosophy“, 2009, 266–286. Alison Brown, The return of Lucretius, 2010 und Alison Brown, „Lucretius and the Epicureans“, 2001. Jill Kraye, „The revival of Hellenistic philosophies“, 2007. Howard Jones, s. v. „Epicurus and Epicureanism“, 2010. Howard Jones, The Epicurean Tradition, 1989. Dorothee Kimmich, s. v. „Epikureismus“, in Der Neue Pauly, Rezeptions- und Wissenschaftsgeschichte 13 (1999), 985–996. Maria Rita Pagnoni,

Die Problematik des Epikureismus in der Renaissance

183

der Antike wurden die Thesen des Epikureismus oft verschärft und polarisiert dargestellt, wie sich das beispielsweise an Ciceros Interpretation des epikureischen Götterbegriffs zeigt.9 Augustinus definiert vier Gründe dafür, dass diese hellenistische Schule so weit wie keine andere von den Glaubensgrundsätzen des Christentums entfernt war:10 1) die Annahme einer materiellen Welt, deren Entstehung ohne die Beteiligung göttlicher Mächte zustande gekommen sei; 2) die Unbeteiligtheit der Götter am menschlichen Leben; 3) die Sterblichkeit der Seele und damit das Fehlen einer Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod und 4) die Auffassung der voluptas als das summum bonum innerhalb des epikureischen Weltbildes. Dabei ist die Rezeption des Horaz bereits zur Zeit des Augustinus von großer Bedeutung, was an dessen kritischen Äußerungen in den Sermones ablesbar ist, in denen er ausgehend von Horaz’ Epist. 1,4,15–16 die Epikureer als Schweine bezeichnet: Summum enim bonum est causa beatitudinis, imo vero doluit apostolus, quosdam e numero christianorum elegisse sententiam epicureorum, non hominum, sed porcorum [alii: pecco11 rum].

Dies findet sich in ähnlicher Form in den Etymologiae Isidors von Sevilla. Auch er stellt in seiner allgemeinen Kritik an den Glaubensvorstellungen der Epikureer die Verbindung von Epikureismus und Schweinen her.12

9 10

11 12

„Prime note sulla tradizione medievale ed umanistica di Epicuro“, in Annali della Scuola normale superiore di Pisa 3,4,4 (1974), 1443–1477. Das Wissen über den Epikureismus erhielten die Zeitgenossen Landinos und Lambins aus einer Reihe von antiken Quellen: Ciceros De finibus, De natura deorum und die Tusculanen, Plutarchs Moralia, die kritischen Äußerungen der anderen Kirchenväter (Laktanz, Hieronymus, Arnobius) und im Besonderen Diogenes Laertios und das 8 lukrezische Lehrgedicht De rerum natura, das in diesem Kapitel einen ebenso wichtigen Vergleichspunkt für die Untersuchung zu Horaz bilden soll. Z. B. Cic. Nat. deor. 1.118. Catherine Wilson, „Epicureanism in early modern philosophy“, 2009, 267. Aug. Civ. 5,20; 14,2, Conf. 6,16,26, Conf. 8,5, Conf. 8,7, Trin. 13,5,8. Howard Jones, s. v. „Epicurus and Epicureanism“, 2010, 321. Maria Rita Pagnoni, „Prime note“, 1974, 1448. Dorothee Kimmich, Epikureische Aufklärungen. Philosophische und poetische Konzepte der Selbstsorge, Darmstadt 1993, 60. Kimmich identifiziert als Gründe für die „christliche Ablehnung des Epikureismus [den] Atomismus, den angeblichen Atheismus ebenso wie […] die Lehre von der Sterblichkeit der Seele, die Leugnung der Vorsehung und eine falsch verstandene epikureische Wollust“. Serm. 150,6 (zitiert aus LLT-A), vgl. dazu Maria Rita Pagnoni, „Prime note“, 1974, 1449–1450, FN 27. Etymol. 8,6,15–17: Epicurei dicti ab Epicuro quodam philosopho amatore vanitatis, non sapientiae, quem etiam ipsi philosophi porcum nominaverunt, quasi volutans in caeno carnali, voluptatem corporis summum bonum adserens; qui etiam dixit nulla divina providentia instructum esse aut regi mundum. […] Adserunt autem Deum nihil agere: omnia constare corporibus: animam

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

Diese kritisch-polemische Tradition, die sich ebenso in anderen patristischen Schriften findet, wurde für die Rezeption des Epikureismus im Mittelalter bestimmend.13 Die Rettung des Epikur, der bei Dante aufgrund seines Atheismus noch separat von den anderen Häretikern beerdigt war,14 geschah seit Petrarca mit einer, wie von Luc Deitz analysiert, differenzierteren Auseinandersetzung mit epikureischen moralischen Vorstellungen.15 In der Forschung werden viele, sich teilweise widersprechende Charakterisierungen der Rezeption des Epikureismus in der Renaissance herausgearbeitet, die zwischen Kritik16 und „Rehabilitation“17 oszillieren. Wichtige Meilensteine innerhalb der Rezeptionsgeschichte sind Leonardo Brunis Isagogicon moralis disciplinae, Cosma Raimondis Defensio Epicuri contra Stoicos, Achademicos et Peripateticos, Francesco Filelfos Vera voluptas et christiana und schließlich Lorenzo Vallas18 Auseinandersetzung mit epikureischem Gedankengut in De vero bono, das im Original noch De volup-

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nihil aliud esse quam corpus. Unde et dixit: „Non ero, posteaquam mortuus fuero.“ (Zitiert aus LLT-A). Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 45. Dorothee Kimmich, s. v. „Epikureismus“, 1999, 987–988. Ausführlicher stellt sie diese Entwicklung in ihrer Monographie (1993, 60–67) dar. Sie kommt außerdem zu dem Schluss, dass es neben diesem polemischen Bild Epikurs eine „Traditionslinie“ gegeben habe müsse, „die dem Epikureismus gewisse Sympathien entgegenbrachte“. Dorothee Kimmich, Epikureische Aufklärungen, 1993, 64. Bei MariaBarbara Quint, Untersuchungen zur mittelalterlichen Horaz-Rezeption, 1988, 9 gibt es ein Beispiel für die unproblematische Erwähnung des Epikureismus bei Horaz in Conrad de Mures Biographie (13. Jh.): Horatius seu Flaccus de Venusiano oppido prope Apulium lippis oculis, Epicurus, iocosus, satiricus […]. Alison Brown, „Lucretius and the Epicureans“, 2001, 13. Howard Jones, s. v. „Epicurus and Epicureanism“, 2010, 321. Zu Dantes positiver Bewertung des Epikur und der Veränderung zur Kritik im Inferno vgl. Joseph Anthony Mazzeo, „Dante and Epicurus“, in Comparative Literature 10 (1958), 106–120. Simone Marchesi, „‚Epicuri de grege porcus‘: Ciacco, Epicurus and Isidore of Seville“, in Dante Studies 117 (1999), 117–131. Petrarca äußert sich in seinen Memorabilia (1343–1345) als Erster nicht negativ, sondern differenziert über Epikur in der Renaissance, vgl. Luc Deitz, „Petrarch“, in Jill Kraye (Hrsg.), Cambridge Translations of Renaissance Philosophical Texts, Bd. I: Moral Philosophy, Cambridge 1997, 229. Maria Rita Pagnoni, „Prime note“, 1974,1445. Dorothee Kimmich, Epikureische Aufklärungen,1993, 66 verweist auf die Benutzung der senecanischen Lucilius-Briefe durch Petrarca. Z. B. Catherine Wilson, „Epicureanism in early modern philosophy“, 2009, 267. Eckart Schäfer, Deutscher Horaz, 1976, 48. Don Cameron Allen, „Rehabilitation of Epicurus“, 1944. Vgl. Kimmichs Beispiele für eine Aussöhnung von christlichem und epikureischem Gedankengut: Dorothee Kimmich, s. v. „Epikureismus“, 1999, 222. Delcourt/Derwa untersuchen die verschiedenen Ausprägungen dieses Konflikts bei Valla, More und Erasmus: Marie Delcourt, Marcel Derwa, „Trois aspects humanistes de l‘épicurisme chrétien“, in Max Drechsel (Hrsg.), Colloquium Erasmianum, Mons 1968, 119–133. Vallas Herangehensweise an die Problematik des Epikureismus ist besonders gut erforscht. Sein Werk wird oft als versuchte Rehabilitation Epikurs gelesen. Siehe dazu beispielsweise: Jill Kraye, „The revival of Hellenistic philosophies“, 2007, 105. Howard Jones, The Epicurean Tradition, 1989, 145–148. Maria Rita Pagnoni, „Prime note“, 1974, 1461–1462.

Die Problematik des Epikureismus in der Renaissance

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tate geheißen hatte.19 Diese Werke hatten versucht, den Epikureismus zu rehabilitieren.20 Als wichtig für diese Untersuchung ist festzuhalten, dass der Epikureismus ein Thema war, das zur Zeit Landinos und Lambins polarisierte und diejenigen, die sich mit ihm beschäftigten, dazu aufforderte, sich ihm gegenüber zu positionieren.21 Jill Kraye formuliert dies für die Frühe Neuzeit: The Epicurean denial of immortality and divine providence was a millstone around the neck of the school, which the small number of Renaissance thinkers who wanted to take up the sect’s 22 ethical doctrines somehow had to get rid of.

Das lässt sich, wie Eckart Schäfer zeigt, ebenfalls auf Horaz anwenden: „Die Horazrezeption vom Humanismus bis zum Barock ist zu einem bedeutenden Teil von dem Konflikt zwischen Christentum und Epikureertum bestimmt.“23 Ein weiteres Argument für die Untersuchungswürdigkeit der epikureischen Stellen in diesem Rahmen ergibt sich durch den Vergleich mit der zeitgenössischen Lukrezrezeption.24 Bemerkenswert ist, dass Lukrez’ De rerum natura aufgrund seines Epikureismus als gefährlicher Text in der späteren Renaissance galt25 und in verschiedenen Zeiten und Ländern nur knapp der Zensur entrann.26 Tatiana Tsakiropoulou-Summers spricht von einem „general trend of suspicion and hostility“.27 Besonders fruchtbar wird sich der 19

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Mit Verweis auf die hervorragende Forschungslage soll hier auf weitere Ausführungen verzichtet werden. Besonders detailliert sind die Ausführungen Pagnonis, die sich mit den verschiedenen Strömungen der Rezeption Epikurs in Mittelalter und Humanismus befasst: Maria Rita Pagnoni, „Prime note“, 1974. Vgl. außerdem Eckhard Keßler, Die Philosophie der Renaissance. Das 15. Jahrhundert, München 2008, 69–83. Jill Kraye, „The revival of Hellenistic philosophies“, 2007, 103–105. Dorothee Kimmich, Epikureische Aufklärungen, 1993, 85 stellt den Epikureismus der Renaissance als ohnehin „christlich“ dar, der sich noch vom Christentum differenziert abgrenzen musste, wohingegen dies seit Gassendi nicht mehr notwendig gewesen sei. Dafür stützt sie sich auf Kraye: Jill Kraye, „Moral Philosophy“, in Charles B. Schmitt, Quentin Skinner, Eckhard Kessler (Hrsg.), The Cambridge History of Renaissance Philosophy, Cambridge 1988, 385–386. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 45. Jill Kraye, „The revival of Hellenistic philosophies“, 2007, 104. Eckart Schäfer, Deutscher Horaz, 1976, 48. Dorothee Kimmich, Epikureische Aufklärungen,1993, 87 versucht, beide Stränge voneinander zu trennen, stellt jedoch die Unmöglichkeit des Vorgehens fest. Alison Brown, The return of Lucretius, 2010, vii: „[Lucretius] was a dangerous author to admire.“ Auch hier sind die Tendenzen der Forschungsergebnisse, wie schon beim philosophischen Epikureismus, sehr breit gefächert, vgl. z. B. Alison Brown, The return of Lucretius, 2010. Howard Jones, s. v. „Epicurus and Epicureanism“, 2010. Yasmin Haskell, „Religion and enlightenment in the neoLatin reception of Lucretius“, in Stuart Gillespie, Philip Hardie (Hrsg.), The Cambridge Companion to Lucretius, Cambridge 2007, 185–201. Wolfgang Bernard Fleischmann, „Lucretius Carus, Titus“, in Paul Oskar Kristeller (Hrsg.), Catalogus Translationum et Commentariorum, Bd. II, Washington, D. C. 1971, 356–365. Max Lehnerdt, „Lucretius in der Renaissance“, in Festschrift zur Feier des 600jährigen Jubiläums des Kneiphöfischen Gymnasiums zu Königsberg, Regensburg 1904. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 45.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

Vergleich mit der Lukrezrezeption im sechzehnten Jahrhundert und damit für die Analyse bei Lambin erweisen, da sich das epikureismuskritische Klima um diesen Zeitpunkt verschärft. Lukrez war im sechzehnten Jahrhundert in Italien aufgrund seines Epikureismus ein problematischer Autor, der sogar aus den Schulen verbannt wurde, weil seine Sicht auf die Welt mit der christlichen, von der Vorstellung einer göttlichen Vorsehung geprägten Weltsicht kollidierte.28 Und dies war nicht nur für den Schulbetrieb wichtig, denn auch innerhalb der imitatio des Lukrez zeigen sich ähnlich subversiv-gefährliche Tendenzen: Lukrez wurde häufig von Dichtern imitiert, die einen Hang dazu hatten, mit der kirchlichen Autorität in Konflikt zu geraten.29 Ein drittes Argument neben der inhaltlichen Brisanz der epikureischen Tradition im Allgemeinen und bei Lukrez im Besonderen bildet die sprachliche Verwendung des Begriffsfeldes um „epikureisch“ und „Epikureismus“ als Schimpfwort, denn wie Howard Jones ausführt: „[…] Epicurus has become a rhetorical schuttlecock to be battled back and forth between opponents as a side-show to the main event.“30 Die epikureische Begrifflichkeit um „Epikureismus“ wurde sogar so unscharf, dass sie als Bezeichnung für die Katharer und andere Sekten31 sowie allgemeine religiöse Transgressivität werden konnte.32 Auch hier sei auf die sehr guten Diskussionen in der Forschungsliteratur verwiesen,33 die zeigen, dass das Konzept und darüber hinaus die bloße Erwähnung von Epikur große Sprengkraft und großes Polarisierungspotential für Landino und Lambin gehabt haben müssen. Denn damit entstand für sie die Notwendigkeit, diesen Begriff in ihrer Kommentierung vorsichtig zu behandeln.

5.1.2 Auswahl der zu diskutierenden Stellen Trotz all seines Konfliktpotentials, das in der Forschung herausgearbeitet wurde, scheint der Epikureismus nicht die gleiche Art von Zensur herauszufordern, wie dies für die Obszönität beobachtet werden konnte.34 Dies zeigen nicht nur die purgierten Horazausgaben, sondern ebenso die Indizierung und Verschlagwortung von Epikurs Namen 28 29 30 31 32

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Alison Brown, The return of Lucretius, 2010, vii. Yasmin Haskell, „Religion and enlightenment“, 2007, 192. Howard Jones, The Epicurean Tradition, 1989, 165. Joseph Anthony Mazzeo, „Dante and Epicurus“, 1958, 116. Howard Jones, The Epicurean Tradition, 1989, 163: „‚Epicurean‘ becomes a ready result to be hurled at theological opponents, and ‚Epicureanism‘ a convenient label for all the moral ills which afflict contemporary life.“ Z. B. Craig Thompson, Erasmus, Desiderius: The Colloquies of Erasmus, Chicago 1965, 536. Marjorie O’Rourke Boyle, Christening Pagan Mysteries. Erasmus in Pursuit of Wisdom, Toronto 1981, 69. Ulrike Auhagen verweist mit Rückgriff auf Eckart Schäfer, Deutscher Horaz, 1976, 111 darauf, dass dennoch in den purgierten Ausgaben vom Epikureismus abgeraten und „[ge]warnt […]“ wurde: Ulrike Auhagen, „Balde als Epikureer? Lyr. 4,7 und Horaz“, in Eckard Lefèvre (Hrsg.), Balde und Horaz, Tübingen 2002, 210.

Die Problematik des Epikureismus in der Renaissance

187

im Rahmen der hier behandelten Kommentare.35 Name und Begriff sind damit im Umfeld der Horazrezeption nachweislich nicht tabuisiert und können frei verwendet werden. Damit ist es möglich, jede Verwendung der Wortwurzel epicure- seitens der Kommentatoren zu untersuchen. Die Auswahl der Stellen, die sich daraus ergibt, kann durch die Verwendung des Begriffes innerhalb des Horaztexts und der antiken Kommentare Porphyrios und Pseudo-Acros ergänzt werden, die damit eine Art Schablone für die Horazrezeption vorformulieren: Der einzige innertextliche Verweis auf Epikur bei Horaz stammt aus Epist. 1,4,15–16, in der sich Horaz als porcum de grege Epicuri bezeichnet. Besonders der pseudo-acronische Kommentar erweist sich als ergiebig, da er folgende Gedichte mit Epikureismus in Verbindung bringt:36 5.1.2.1 Übersicht: Epikureisch kontextualisierte Stellen in den spätantiken Kommentaren 1. Odenbuch • Ode 1,3,1737 • Ode 1,4,5 • Ode 1,34,1; 2; 4 1. Satirenbuch • • • •

Sat. 1,1,2 Sat. 1,2,121 Sat. 1,3,134 Sat. 1,5,101

2. Satirenbuch • Sat. 2,4,1; 11; 88 • Sat. 2,6,76 • Sat. 2,8,1; 52 1. Epistelbuch • Epist. 1,1,18; 19; Porphyrio: 16 35

36 37

Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. s. n., bei Lambin ist „Epicurus“ noch nicht in der Erstausgabe von 1561 verschlagwortet, findet sich jedoch in zweiten Ausgabe Denis Lambin, Horatius, 1568, fol. FVI r. Auch wenn die Indizierung nicht aus der Hand des Kommentators stammt, ergibt sich doch ein Einblick in die Bereitschaft der Druckzeit, die Begriffe öffentlich und leicht zugänglich zu verwenden. Porphyrios Kommentar ergänzt diese Liste nur um eine einzige Referenz, weshalb er nicht getrennt behandelt werden muss. Die jeweiligen Lemmata des Pseudo-Acro und Porphyrio werden im Rahmen der dazugehörigen Horazpassagen zitiert.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

Epist. 1,2,55 Epist. 1,4,3; 15; 16 Epist. 1,6,65 Epist. 1,12,12 Epist. 1,15,45 Epist. 1,17,10; 13; Porphyrio: 41 Porphyrio bringt außerdem einen Epikureismusbezug in Epist. 1,20,1, der sich bei Pseudo-Acro nicht findet; er ist allerdings nicht besonders aussagekräftig, da er nur das Werk des Lukrez als epikureisch bezeichnet.

2. Epistelbuch • Epist. 2,2,45 5.1.2.2 Weitere Auswahlkriterien Damit sind diejenigen Gedichte des Horaz identifiziert, die in der Tradition ein epikureisches Element in sich tragen und in dieser Form auf den Kommentator gekommen sind und ihn daher herausfordern, sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Neben dieser Auswahl an Gedichten, die in den Analysen eine Rolle spielen sollen, wurden Gedichte miteinbezogen, die Sterblichkeit und/oder den Aufruf zum genussvollen Leben als Kernpunkt des Epikureismus diskutieren: Ode 1,9, Ode 1,17, Ode 2,3, Satire 2,6 und Epistel 1,16.38 Aus der Analyse der obszönen Stellen hatten sich außerdem Ode 1,19 für Landino und Epode 8 für Lambin als Gedichte im Umfeld des Epikureismus ergeben, die hier kurz unter diesem Gesichtspunkt besprochen werden.

5.2 Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz 5.2.1 Rahmenbedingungen für Landinos Umgang mit dem horazischen Epikureismus Nachdem in einem weiteren Rahmen gezeigt wurde, dass der Epikureismus in der Renaissance eine problembehaftete philosophische Schule war, wird dies im engeren Kontext für Landino betrachtet. Landino und sein philosophisches Umfeld waren dem Epikureismus gegenüber negativ eingestellt, was hier kurz umrissen wird. In einem zweiten Schritt bietet ein Blick auf die paratextuelle Horazvita des Landino die Gele38

John Moles, „Philosophy and Ethics“, 2007, 172. Alle Stellen, die in John Moles’ übersichtlicher Darstellung zur horazischen Philosophie als epikureisch benannt sind, wurden in den Renaissancekommentaren nachgeprüft. Das kann nur ein Hilfsverfahren sein, da es sich um einen modernen Forschungsbeitrag handelt, jedoch eignet sich dieses Vorgehen dennoch als Gegenprobe.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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genheit, die sich abzeichnenden Strategien zu beleuchten, die er in seinem Kommentar anwendet, wenn Horaz oder die Tradition dieser Stellen epikureisch ist. 5.2.1.1 Landino und der Epikureismus Das „epikureische Dogma von der Sterblichkeit der menschlichen Seele [stand] im fundamentalen Gegensatz sowohl zu den platonisierenden Tendenzen der zeitgenössischen Renaissancephilosophie wie auch zur christlichen Lehre; beide haben als zentrale Aussage die Unsterblichkeit der menschlichen Seele“.39 Marsilio Ficino, der Kopf der Florentiner Akademie, hatte sich in seiner Jugend in der Schrift De voluptate, einem Lukrezkommentar, eingehend mit der epikureischen Doktrin befasst.40 Später entwickelte sich Ficino jedoch zu einem ausgesprochenen Kritiker Epikurs und seiner Anhänger, was sich ebenfalls darin manifestierte, dass er sich vehement von seinen jugendlichen Lukrezbeschäftigungen distanzierte und veranlasste, dieses Werk zu verbrennen.41 In seinem großen Hauptwerk, der Theologia Platonica, setzte er sich sehr kritisch mit der epikureischen Doktrin auseinander.42 Er verurteilte Epikur und Lukrez in diesem Werk, das immerhin gleichzeitig mit dem hier behandelten Horazkommentar erschien, als impii.43 Daher ist es nicht verwunderlich, dass Landino sich in seinen philosophischen Schriften44 sowie im Dantekommentar,45 die bereits im Fokus der Epikureismusforschung standen, kritisch gegenüber dieser Doktrin (nicht der Person Epikurs)46 39 40

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Clemens Zintzen, „Epikur in der Renaissance“, 2000, 253. Der Lukrezkommentar und der Traktat Physiognomia von 1457 sind nicht erhalten. Arthur Field, The Origins of the Platonic Academy, 1988, 183–190. Don Cameron Allen, „Rehabilitation of Epicurus“, 1944, 10. Ferdinando Gabotto, „L‫ތ‬epicureismo di Marsilio Ficino“, 1891, 430. Prosperi beschäftigt sich eingehender mit Ficinos Lukrezstudien: Valentina Prosperi, „Lucretius in the Italian Renaissance“, in Stuart Gillespie, Philip Hardie (Hrsg.), The Cambridge Companion to Lucretius, Cambridge 2007, 158–162. Clemens Zintzen, „Epikur in der Renaissance“, 2000, 267. Paul Richard Blum, „The immortality of the soul“, in James Hankins (Hrsg.), The Cambridge Companion to Renaissance Philosophy, Cambridge 2007, 213: „The major result of Ficino’s endeavors was his enormous treatise, Platonic Theology, On the Immortality of Souls, which […] directly addressed Epicureanism […] as the ultimate enem[y] of true Christian thought.“ Michael J. B. Allan, James Hankins, Ficino, Marsilio: Platonic Theology, 2 Bde., Cambridge, Mass. 2002: Ficino Theologia Platonica 3,163. Jill Kraye, „The revival of Hellenistic philosophies“, 2007, 104. Clemens Zintzen, „Epikur in der Renaissance“, 2000, 268. Clemens Zintzen, „Epikur in der Renaissance“, 2000, 265–266: „Eben in dieser Zeit hat auch Cristoforo Landino seine Schrift De anima begonnen. Natürlich mußte Landino die epikureische Lehre vom Vergehen der Seele zurückweisen; er läßt dies im 1. und 3. Buch von De anima durch seinen Hauptunterredner Carlo Marsuppini tun.“ Manfred Lentzen, „Cristoforo Landinos Dantekommentar“, 1975, 180. Diese Trennung steht im Fokus der hier aufgeführten Forschungsliteratur. Howard Jones, The Epicurean Tradition, 1989, 149 zitiert aus Landinos Dantekommentar: [Epicuro] visse con somma temperanza e ne’ cibi e nelle cose veneree. Sopportò con grand’animo i dolori. Fu osservantissimo della fide. Fu fidelissimo nell amacitie, e hebbe molti amici. Fu molto liberale e clemente; ed é

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

äußert. Für ihn entzieht der Glaube an die Sterblichkeit der Seele die Basis für ein gutes Zivilleben,47 und er folgt Petrarca darin, dass epikureische Ethik wohl eher für Tiere denn für Menschen passend sei.48 Im Umfeld des Florentiner Neuplatonismus gab es also eine vor allem negative Sicht auf den Epikureismus. Daher ist es interessant, dass in der Forschung bisweilen gegenläufige Tendenzen für Landinos Horazkommentar festgestellt wurden, die sich insbesondere darauf beziehen, dass Landino den Epikureismus überhaupt thematisiert, teilweise sogar in ausführlichen Erklärungen. In diesem Sinne konstatiert Bernhard Weinberg, dass Landino bewusst auf „elements of pleasure and feeling“ hinweise und sich mit der Referenzierung von epikureischen Motiven nicht zurückhielte.49 Auch Michael Roberts befasst sich mit der landinischen Behandlung des Epikureismus im Rahmen eines Vergleichs der verschiedenen Herangehensweisen und Strategien der Horazkommentatoren (Landino, Mancinelli und Badius). Ähnlich wie Bernhard Weinberg stellt er fest, dass dieser trotz einigen Zögerns den Epikureismus des Horaz sichtbar mache und der Diskussion darum so viel Platz einräume,50 wie beispielsweise in der Analyse von Ode 1,34.51 Michael Roberts untersucht dabei leider nur die Oden-Kommentierung. Die hier vorgenommene Analyse wird jedoch zeigen, dass Landino dem Epikureismus allgemein und dem Epikureismus des Horaz zwar viel Platz

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molto e in molti luoghi lodato da Seneca filosopho gravissimo. Manfred Lentzen, Studien zur Dante-Exegese, 1971, 228 zitiert die Epistel Landinos von 1460: De hoc autem nomine quid dicam non plane habeo, nam si vitam moresque inspexerimus, neque in civili societate iustiorem neque in laboribus doloribusque ferendis fortiorem neque in voluptatibus contemnendis magis temperatum quenquam inveniemus. Deinde vero si scripta librosque evolvas, nihil mollius, nihil effeminatius hoc philosopho iudicabis, adeo ut cum vita ipsius vehementer pugnet oratio, eodemque modo, cum de bonorum malorumque finibus disputat, interdum ita loquitur, ut nihil in bonis praeter oscenissimas voluptates recipere videatur, interdum omnia indolentiae tribuit, nonnumquam etiam cuncta ad [animi] voluptatem refert. Vgl. weiterhin Eugenio Garin, „Ricerche sull’epicureismo“, 1959, 231. Jill Kraye, „The revival of Hellenistic philosophies“, 2007, 103. Clemens Zintzen, „Epikur in der Renaissance“, 2000, 252. Michael Roberts, „Interpreting Hedonism“, 1995, 294. Alison Brown, „Lucretius and the Epicureans“, 2001, 14. Dante Alighieri, Cristoforo Landino, Marsilio Ficino, Comento di Christophoro Landino Fiorentino sopra la Commedia di Danthe Alighieri poeta Fiorentino, Firenze per Nicholo di Lorenzo 1481, fol. gv v–gvi r: Che l’anima col corpo morta fanno] […] Imperoché chi pone l’anima mortale togl[i]e ogni fondamento al giusto vivere civile et alla vera religione. Jill Kraye, „The revival of Hellenistic philosophies“, 2007, 103. Bernhard Weinberg, A history of literary criticism, 1961, 81. Weinbergs Ausführungen sind allerdings allgemein auf den Kommentar bezogen: „[…] although Landino makes the appropriate comments on Horace’s demands for moral utility, he emphasizes much more in his commentary elements of pleasure and feeling.“ Michael Roberts, „Interpreting Hedonism“, 1995, 290 stützt dies: „In constructing his philosophical explications of the Carmina, Landino uses the label of Epicurean rather frequently, and correctly so.“ Michael Roberts, „Interpreting Hedonism“, 1995, 295. Michael Roberts, „Interpreting Hedonism“, 1995, 294: „[…] when Horace is not speaking as an Epicurean, the commentator can show more boldness in expounding upon the philosophical allusions in the ode.“

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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einräumt, dies aber immer an der Agenda ausrichtet, den antiken Dichter vor möglichen Beschädigungen seines Rufs zu bewahren und ihn bisweilen sogar als Gegner von epikureischem Gedankengut zu zeigen. Dabei bindet er ihn, wie Roberto Cardini formuliert, in ein philosophisch-eklektisches Gesamtkonzept ein.52 5.2.1.2 Der Umgang mit dem Epikureismus in den Paratexten In den Paratexten, besonders der Vita, legt Landino das Fundament für sein Vorgehen. Zunächst stilisiert er Horaz in seiner Vorrede an Guidobaldo als denjenigen, der zur Gottesverehrung (religionem in Deum)53 aufrufe. Damit schafft er eine moralische Charakterisierung des antiken Dichters, an der er sich im Laufe seiner Kommentierung messen lassen muss. Sein Wille, diese so bestehen lassen zu können, wird bereits in der Vita sichtbar. Die hier angewendeten Strategien (Entschuldigung, Kritik, Unterdrückung, Moralisierung und Platonisierung) machen den Kern der landinischen Behandlung des horazischen Epikureismus aus.54 Zunächst entschuldigt Landino den Epikureismus des Horaz als eine Jugendsünde.55 Nach dieser jugendlichen Eskapade habe Horaz sich zur akademischen Philosophie bekehrt: Atque prima aetate Epicuream sectam, quae et latius quam reliquorum philosophorum familiae iam serpebat et adolescentis animum facile irretire poterat, adamavit. Verum cum deinde in

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Roberto Cardini, Cristoforo Landino, 1974, Bd. II, 250–251stellt außerdem die Tendenz fest, dass Landino versuche, Horaz vom Epikureismus zu entfernen. „Quanto infine all’impostazione ideologica, ossia all’espresso tentativo di sottrarre il poeta alla fede epicurea per inserirlo in una prospettiva stoico-platonica (ma, va aggiunto, con onestà e insomma senza eccessiva prevaricazione: sicché alla fine l’intento si risolve da un lato in un’interessantissima, minuta analisi delle moltiplichi e contrastanti componenti filosofiche – stoicismo, epicureismo, aristotelismo, platonismo – dell’ecclettica morale oraziana, e dall’altro nell’individuazione di un sensibile svolgimento, testimoniato dall’indubbia caduta delle punte epicuree più aggressive […].“ Es folgt eine Stellenaufzählung. Cardinis Untersuchungsergebnisse werden sich als hervorragende Erstzusammenfassung für diese Studie zeigen, wenn auch hier der stoische Aspekt weniger im Vordergrund steht, sondern eine Analyse aller Stellen und ein Versuch der Systematisierung dieser Tendenzen stattfindet. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. s. n.: Quibus contra laudibus, quibus praemiis iustitiam. Invictam animi magnitudinem et pro patria, pro parentibus periculorum consideratam susceptionem. Religionem in Deum. Pietatem in maiores. Caritatem in omnes prosequitur? Vgl. Abschnitt 3.3.1.3. Ein Vergleichspunkt für diese „biographistische“ Sicht gibt Catharina Busjan, „Biographie und Moralphilosophie“, 2004, Zitat 190. Hier hat die Kommentierung ebenso den Zweck, die „moralphilosophische[…] Auslegung von Text und Autorenleben“ zu ermöglichen (191). Der Petrarcaverehrer Landino orientierte sich hier möglicherweise an der Selbstdarstellung Petrarcas, der im ersten Gedicht seiner Rerum vulgarium fragmenta 1,1–4 schreibt: Voi ch’ascoltate in rime sparse il suono | di quei sospiri ond’io nudriva ’l core | in sul mio primo giovenile errore | quand’era in parte altr’uom da quel ch’i’ sono […]. Dies findet sich in der Petrarcabiographie Vellutellos wieder, der die Abfassungszeit als „giovenil errore“ einordnet, vgl. Catharina Busjan, „Biographie und Moralphilosophie“, 2004, 217.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

maturiori aetate maturius iam consilium insurgeret, mollissimo dogmate contempto in Acade56 miam migravit.

Die kritische Haltung Landinos zum Epikureismus wird durch die eindeutige Wortwahl offensichtlich: Er bezeichnet ihn als gefährlich, weil er sich heimtückisch der Seele des Heranwachsenden bemächtigt habe. Dadurch wird ein Großteil der Verantwortung für dieses Vergehen von Horaz genommen. Später hingegen sei Horaz reifer geworden und habe sich zur akademischen, d. h. platonischen Philosophie gewendet,57 wie sich aus der Kommentierung der folgenden Zitate ergibt, die Landino zur Untermauerung dieser Wendung zur Akademie zitiert: Ac ne forte roges quo me duce, quo lare tuter, | nullius addictus iurare in verba magistri, | quo 58 me cumque rapit tempestas, deferor hospes. Quod institutum proprium Academiae est. Et alibi: Adiecere bonae paulo plus artis Athenae, | scilicet ut vellem [bei Landino: possem] curvo 59 dignoscere rectum. | Atque inter silvas Academi quaerere verum.

Besonders die zweite Passage aus Epist. 2,2,43–45 identifiziert er als platonisch.60 Anhand der Auswahl der angeführten Zitate lässt sich außerdem erkennen, dass Landino vorzieht, unbequeme Zitate bereits hier zu unterdrücken. Das Zitat des Horaz, das sich am offensichtlichsten als epikureische Äußerung verstehen lässt, erscheint hier 56 57

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. ai r. David Thompson, „Landino‫ތ‬s Life of Dante“, 1970, 125 zeigt, dass Landino Dante in seinem Kommentar in der Vita ebenfalls als platonisch darstellt. Christoph Pieper, „Horatius praeceptor eloquentiae“, 2013, 233–238 untersucht die Platonisierung anhand der Ars poetica-Kommentierung des Landino. Hor. Epist. 1,1,13–15. Hor. Epist. 2,2,43–45. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. ai r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. ‫ܧ‬v v: Silvas academi] philosophiam Platonis. Der Begriff der Akademie beinhaltete auch einen Verweis auf skeptische Philosophie, war jedoch vor allem nach dem Mittelalter immer mit der platonischen Bedeutungskomponente verbunden, wie Christopher Celenza, s. v. „Academy“, in Anthony Grafton, Glenn W. Most, Salvatore Settis (Hrsg.), The Classical Tradition, Cambridge, Mass. 2010, 1 zeigt: „Though the emperor Justinian closed the Platonic Academy in 529, the word’s association with Platonism remained intact in the Middle Ages, just as the skeptical connotation also formed part and parcel of the notion of the academy. This conflation of Platonism and skepticism can be seen in Isidore of Seville (ca. 560–636 CE), whose Etymologies became a standard text in the Middle Ages. He wrote: ‚The Academics are so called because of Plato’s villa, the Academy of the Athenians, where Plato himself taught. They believed that all things were uncertain. However, just as it must be admitted that many things are uncertain and hidden (things that God meant to exceed human understanding), nevertheless there are many things that can be grasped by the senses and understood by reason‘ [Etymologies 8.6.11]. From then on, academy served as a stand-in for skepticism and Platonism, even as it signified, in the Byzantine world and the West, the original model for an informally organized group dedicated to learning.“ Für Landino ergibt sich außerdem die Parallele, dass die Akademie des Ficino ganz klar die platonische Wortbedeutung priorisierte. Als Teil dieser Akademie war Landino davon maßgeblich beeinflusst. Es ist also anzunehmen, dass Landino mit academicus „platonisch“ meint, ohne dass dies jedoch, wie noch zu sehen sein wird, skeptische Aspekte des Begriffes völlig ausschließt.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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nicht: die Stelle, an der sich Horaz als Schwein aus der Herde Epikurs bezeichnet (Epist. 1,4,15–16): Me pinguem et nitidum bene curata cute vises, cum ridere voles, Epicuri de grege porcum.

Gerade der Vergleich mit der Darstellung in der pseudo-acronischen Vita macht offensichtlich, wie sehr Landino in die Rezeption der Horazpersona eingreift. Pseudo-Acros Darstellung beschreibt den Epikureismus des Horaz mit einer größeren Eindeutigkeit: inter Epicureos primum locum tenuit.61 Landino jedoch greift korrigierend in diese Tradition ein und mildert sie ab. Durch die Frontalstellung der Vita wird somit ein gewisses Muster für den Umgang mit Epikureismus für viele weitere Stellen im Kommentar festgelegt, auf das Landino oft zurückkommen wird. Neben der Entsühnung des kommentierten Autors lässt sich diese Darstellung außerdem als subtile Anspielung Landinos auf Marsilio Ficino und die gesamte von ihm begründete platonische Akademie lesen. In dessen Leben ergab sich eine interessante Parallele zu Horaz. Ficino hatte sich, wie bereits erwähnt, in seiner Jugend im Kommentar De voluptate mit Lukrez und epikureischem Gedankengut auseinandergesetzt und sich dann in späteren Jahren der neuplatonischen, eklektischen Philosophie zugewandt.62 Die Gestaltung der Horazvita wäre damit nicht nur der Darstellung der Integrität der Horazpersona verpflichtet, sondern sogar ein stiller Tribut an Ficino, der sich ebenso einer in Florenz neu begründeten platonischen Akademie zuwandte. Die Anspielung wäre besonders an der prominenten Stelle der Paratexte gut platziert.63

5.2.2 Strategien des Umgangs mit dem Epikureismus im Horazkommentar Landinos Anhand der folgenden Exzerpte aus Landinos Kommentaren soll gezeigt werden, dass sich Landino in Bezug auf den Epikureismus des Horaz ähnlich verhält wie das bei der Behandlung der obszönen Stellen zu sehen war und wie sich dies bereits in der Vita des Horaz abzeichnet. Es ist sein erklärtes Ziel, die philosophische Doktrin des Epikureismus kritisch darzustellen und dabei Horaz als moralische Autorität zu erhalten, ihn als Tugendlehrer zu etablieren und deviante Stellen zu glätten und zu harmonisieren. Sobald dies nicht möglich ist, wird Landino an Stellen, die mit Epikureismus befasst sind, dazu übergehen, Entschuldigungsstrategien für Horaz zu entwickeln. Statt der 61

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Pseudo-Acr. Comm. Hor. Vita: […] Hic post studia Romana philosophiae causa Athenas profectus inter Epicureos primum locum tenuit. […] In principio carminis se Epicureum fatetur, cum beatum dicit pro voluntate viventem. Valentina Prosperi, Di soave licor gli orli del vaso: la fortuna di Lucrezio dallҲ umanesimo alla controriforma, Turino 2004, 159. Clemens Zintzen, „Epikur in der Renaissance“, 2000, 267. Jill Kraye, „Moral Philosophy“, 1988, 377. Max Lehnerdt, „Lucretius in der Renaissance“, 1904, 9. Siehe Kapitel 3.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

Petrarkisierung, die eine keusche Autorität in den Kommentar eingefügt hatte, wird er hier auf die dem philosophischen Thema angemessene Platonisierung zurückgreifen, d. h. er wird den Dichter als Platoniker darstellen und platonische Elemente in den Text integrieren. 5.2.2.1 Kritik und Moralisierung Im Folgenden werden fünf Passagen vorgestellt, in denen Landinos kritisch-distanzierte Haltung zum Epikureismus sichtbar wird: Ode 1,29, Sat. 1,3, 2,4, 2,8 und Epist. 1,1. Diese Textstellen werden das Urteil von Howard Jones zumindest teilweise widerlegen, der den Kommentator als einen der Gelehrten des fünfzehnten Jahrhunderts bezeichnet hatte, der sich unvoreingenommen mit der Doktrin und der Person Epikurs befasste.64 Landino wird sich dagegen in der Behandlung des horazischen Epikureismus eher als Kritiker denn als Verteidiger dieser philosophischen Schule zeigen, besonders dann, wenn Horaz von dieser Kritik nicht betroffen ist oder selbst die Kritik äußert, was der Kommentator zum Ausgangspunkt nimmt, zu moralisieren und gegen den Epikureismus zu polemisieren. Ode 1,29 Als erstes Beispiel für die kritische Einordnung des Epikureismus durch Landino soll die Kommentierung von Ode 1,29,13 fungieren. In diesem Gedicht beschreibt Horaz, wie sich ein junger Mann, Iccius (V. 1), dazu entscheidet, das Philosophiestudium gegen den Militärdienst zu tauschen (V. 13–16): cum tu coemptos undique nobilis libros Panaeti Socraticam et domum mutare loricis Hiberis, pollicitus meliora, tendis?

Landino drückt seine Verwunderung über dieses Vorgehen aus: Cum tu] […] Est enim admiranda res philosophum philosophiam deserere. Sed faceret fortasse 65 hoc aut Epicureus aut alius ex levioribus philosophiae familiis. […]

Es sei höchst merkwürdig, dass ein Philosoph die Philosophie verlassen wolle. Wenn überhaupt, dann sei dies nur für einen Epikureer denkbar oder einen Anhänger einer anderen leichteren philosophischen Schule. Mit dieser Charakterisierung stellt Landino den Epikureismus also erstens als leichte Philosophie dar und zweitens seine Anhänger als wankelmütig und dazu bereit, ihre philosophische Schule zu verlassen. Die Autorität des Horaz wird an dieser Stelle nicht in Mitleidenschaft gezogen. Die Kritik am Epikureismus kann problemlos durch den Kommentator vollzogen werden. 64 65

Howard Jones, s. v. „Epicurus and Epicureanism“, 2010, 321. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. fi r.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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Satire 1,3 Die Kritik Landinos am Epikureismus findet sich ebenso in den Satiren. Sie taucht im Kommentar zu Satire 1,3,133–134 auf, wo Horaz beschreibt, wie lascivi pueri66 den Bart eines Stoikers herausrupfen: […] vellunt tibi barbam lascivi pueri […].

Landino nutzt dies in seinem Kommentar als Vorlage, unterstützt von der Autorität Pseudo-Acros,67 Kritik am Epikureismus zu formulieren, indem er die lascivi pueri als Epikureer identifiziert: Lascivi pueri] Epicureos intelligit Acron, qui maxime Stoicis adversabantur. Et certo isti dum summum bonum in corporis voluptate ponunt et pueriliter sapere et pueriliter lascivire viden68 tur. Possumus tamen et de ceteris intelligere.

Sie werden als die Gegner der Stoiker bezeichnet und dadurch charakterisiert, dass sie das oberste Gut (summum bonum) in der körperlichen Lust suchen. Neben dieser ohnehin schon negativen Darstellung werden sie darüber hinaus noch als infantil und unreif beschrieben. Landino legt den Text des Horaz als epikureismuskritisch aus und kann dabei der Autorität des antiken Kommentators Pseudo-Acro folgen. Satire 2,4 Anhand der humoristischen Darstellung des Catius in Satire 2,4 findet eine detaillierte Auseinandersetzung mit und Kritik an epikureischem Gedankengut statt, die sich in der spätantiken Tradition des Texts findet. Wie bereits in den vorherigen Beispielen gesehen, ist Horaz nicht Opfer der als anti-epikureisch gelesenen Kritik, sondern im Gegenteil sogar ihr Formulierer. Ausgangspunkt ist der Dialog zwischen Catius und Horaz, der scheinbar als Gespräch über Philosophie beginnt (V. 1–12) und dann in ein Gespräch über Gastrosophie übergeht (ab V. 13): „Unde et quo Catius?“ „Non est mihi tempus aventi ponere signa novis praeceptis, qualia vincent Pythagoram Anytique reum doctumque Platona.“ „Peccatum fateor, cum te sic tempore laevo interpellarim; sed des veniam bonus, oro. quodsi interciderit tibi nunc aliquid, repetes mox, sive est naturae hoc sive artis, mirus utraque.“ „quin id erat curae, quo pacto cuncta tenerem utpote res tenuis, tenui sermone peractas.“ „Ede hominis nomen, simul et, Romanus an hospes.“ 66 67 68

Emily Gowers, Horace, Satires Book 1, 2012, 145 übersetzt lascivi pueri als „cheeky children“. Ps.-Acro Comm. Hor. Sat. 1,3,134: Lascivi pueri] Aut Epicuros dicit, qui aiunt summum bonum in voluptate positum, aut simpliciter lascivos pueros dixit. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. siiii r.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

„Ipsa memor praecepta canam, celabitur auctor. longa quibus facies ovis erit, illa memento, ut suci melioris et ut magis alba rotundis, ponere; namque marem cohibent callosa vitellum. […].“

Sowohl Porphyrio69 als auch Pseudo-Acro70 identifizieren Catius als Epikureer. Landino folgt dieser Identifikation und stilisiert Catius als epikureisches Paradebeispiel, an dem er sich innerhalb vieler einzelner Lemmata dieser Kommentierung äußerst kritisch abarbeite.71 Seine Kritik beinhaltet, dass die Epikureer keine doctrina besäßen und sich dennoch im Recht sähen: Unde et quo] per Catium quendam exprimit non modo sectam Epicureorum, sed ingenium et mores. Erant enim inclinati in mitiorem vitam. Sed sine doctrina et qui tamen se solos recte 72 sapere et vera deprehendisse putarent.

In ganz ähnlicher Weise stellt er die Anmaßung der Epikureer dar, sich anderen philosophischen Schulen überlegen zu fühlen, wobei er von der Aussage des Catius ausgeht und sie als arrogant identifiziert: Vincunt Pythagoram] id est philosophiam Pythagorae a quo Italica philosophia originem sumpsit et Isocratem unde habuit initium Ionica moralis philosophia. Quasi concludat, quod Epicureum dogma de bonorum malorumque finibus et Socratem unde sunt omnium sectarum 73 principes et Pythagoram superent. Haec enim in Epicureis arrogantia erat.

Nach dieser allgemeinen Kritik an der Haltung der Epikureer sich selbst und anderen Schulen gegenüber geht Landino dazu über, die zwei größten Probleme des Epikureismus in der Wahrnehmung seiner eigenen Zeitgenossen auszuführen: erstens die Sterblichkeit der Seele und zweitens die fehlende Götterverehrung der Epikureer. Er tut dies 69

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Comm. Porph. Hor. Sat. 2,4,1: Unde et quo Catius?] Catius Epicurus fuit, qui scripsit quattuor libros de rerum natura, et de summo bono. Sub eius nomine quo modo in proxima Stoicos, ita in hac Epicureos inrisurus est, qui dicunt summum bonum ‫ݘ‬įȠȞ‫ޤ‬Ȟ, sed rerum honestarum; unde Stoici hanc gu[i]lae et corporis libidinem criminantur IJ‫ޣ‬Ȟ ܻIJĮȡĮȟަĮȞ IJ߱Ȣ ȥȣȤ߱Ȣ, hoc est nihil timere nec cupere summum bonum esse. Unde Varro dicit ȜȠȖȠȝĮȤަĮȞ inter illos esse. [Ergo Catium interrogat philosophum Epicurum de cenarum ordinatione et voluptate, quia Epicuri summum bonum voluptatem dicunt.] Comm. Ps.-Acro Hor. Sat. 2,4,1: 1. Unde et quo Catius?] Catius Epicureus fuit, qui scripsit quattuor libros de rerum natura et de summo bono. Sub huius nomine poeta Epicureos ita risurus est, ut in proxima Stoicos. Epicurei enim summum bonum voluptatem dicunt rerum honestarum; contra Stoici voluptatem gulae et libidinis luxuriam dicunt. Aliter: Marcum Catium introducit ordinem cenarum tradentem, deinde loquitur de secta Epicurea, et secat modo Epicureos, quomodo secuit alibi Stoicos. 88: Ad Epicureum illum, qui haec omnia conviviorum praecepta digessit. Eine weitere Identifikation zwischen Catius und der epikureischen Philosophie findet sich im Lemma (1483: fol. xi r: Signa] quod demonstrat, nomina meae sectae et intelligit epicuream, quae nomina talia sunt ut[i]. [...] Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. x r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. xi r.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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anhand der Aussage Epikurs, der sich damit gebrüstet (dictitabat) habe, dass er das Menschengeschlecht von diesen zwei größten Übeln befreit habe: Unde dictitabat Epicurus se duobus maximis malis mortale genus liberasse, scilicet metu mortis cum animam una cum corpore perire affirmaret et metu religionis, quoniam deos diceret 74 humana negligere.

In einem weiteren Lemma bleibt Landino auf der Linie der Kritik am Epikureismus, die er ausgehend von den Äußerungen der horazischen Sprecherstimme auf den Text liest. Dass von Catius der Urheber der Philosophie, die er in der Satire darlegt, nicht genannt wird (V. 11: celabitur auctor), was sich vom modernen Leser vor allem als Charakterisierung des Catius als prätentiös und wichtigtuerisch deuten lässt,75 wird von Landino als weiteres Argument dafür genutzt, zu zeigen, wie absurd die epikureische Position sei, da selbst ihre Anhänger sich im Grunde genommen ihrer schämten: Celabitur auctor] nam tanta vis est naturae, ut quamvis summum bonum in voluptate nonnulli 76 ponant, tamen non possunt sine pudore illa effere.

Dass dies mit den bereits genannten Vorwürfen der Arroganz der Epikureer eigentlich nicht übereinstimmt, scheint den Kommentator in diesem Moment nicht zu stören. Wichtig ist, dass die Philosophie im Kommentar negativ dargestellt werden kann und Horaz dabei nicht zu Schaden kommt. In der weiteren Kommentierung von Satire 2,4 holt Landino aus und erklärt die grundsätzlichen Dogmen des Epikureismus, natürlich mit kritischer Distanz. Da nicht Horaz selbst dieses Gedankengut äußert, sondern der aufgeblasene Catius, ist dies möglich. Catius wird nicht einmal vom Sprecher Horaz selbst ernst genommen, wie Landino anhand des Texts nachweisen kann, indem er dessen Aussage als ironisch auslegt (Sat. 2,4,88–94): Docte Cati, per amicitiam divosque rogatus ducere me auditum, perges quocumque, memento. nam quamvis memori referas mihi pectore cuncta, non tamen interpres tantundem iuveris. adde vultum habitumque hominis, quem tu vidisse beatus non magni pendis, quia contigit; at mihi cura

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. xi r. In seiner praefatio zu der Vorlesung zu den Tusculanes Disputationes im Florentiner Studio stilisiert er Cicero zum Retter vor dem schrecklichen, von Epikur heraufbeschworenen Schicksal der Sterblichkeit der Seele: Christofori Landini viri clarissimi praefatio in Tusculanis Ciceronis habita in gymnasio Florentino, zitiert bei Roberto Cardini, Cristoforo Landino, 1974, Bd. I, 5–6 und Roberto Cardini, La critica del Landino, 24–25, FN 42: At divinissimis ille de animorum immortalitate argumentationibus non modo mortis metum removet sed nos, quos iam in sempiternum mortalitatis exilium Epicurus eiecerat, tanquam longo postliminio in urbem revocatos immortalium deorum senatui reddidit atque restituit. Frances Muecke (Hrsg.), Horace, Satires II, Warminster 1993, 169. Deena Berg, „The Mystery Gourmet of Horace’s ‚Satires 2‘“, in Classical Journal 91 (1995), 151. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. xi r.

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non mediocris inest, fontis ut adire remotos atque haurire queam vitae praecepta beatae.

Die Schlussaussage des Horaz, die auf den ersten Blick äußerst enthusiastisch erscheint,77 wird in der Kommentierungstradition auch bei Porphyrio ironisch gelesen, im Sciendum-Kommentar als Scherz78 und ebenso bei Landino als solcher identifiziert: Docte Cati] ironia est et irrisorius sermo, sed quomodo vanus homo se laudari putet.

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Insgesamt ist diese Satire damit für Landino ein idealer Ausgangstext, um seine inhaltliche Kritik am Epikureismus und persönliche Kritik an Epikur und seinen Anhängern zu äußern, da der Text selbst und seine spätantike und mittelalterliche Kommentierung die kritische Haltung bereits in sich trägt und damit für den Kommentator eine ideale Ausgangslage bietet.80 Hinzu kommt, dass er bei besagter Kritik Horaz aus dem Spiel lassen kann und sein Ansehen nicht beschädigt. Satire 2,8 Satire 2,8 bildet eine interessante Parallele zur eben besprochenen Satire 2,4. Auch in diesem Gedicht ist Gastrosophie ein Thema und erneut lässt Landino der Kritik am Epikureismus (nicht an Horaz) freien Lauf. Bereits bei Pseudo-Acro wird Nasidienus als Epikureer identifiziert und kritisiert,81 was für Landino einen guten Ausgangspunkt bilden kann, sich dem anzuschließen: Ut Nasidieni iuvit] Nasidieni Epicurei cenam honestis quibusdam simul et turpibus viris posi82 tam describit, in qua luxum carpens Epicureos deridet.

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Porph. Comm. Hor. Sat. 2,4,95: Quam vitae praecepta] Hironicos totum. Roberta Marchionni, Sciendum-Kommentar 2003, 269: Sat. 1,5,88: Docte] Ad Cacium, qui hec praecepta dat, iocatur auctor dicens: Docte Ca(ci). Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. xii v. In der modernen Forschung gibt es verschiedene Ansichten darüber, wie diese Satire gelesen werden muss: ob kritisch oder nicht kritisch gegenüber dem Epikureismus. Joachim Classen argumentiert dafür, dass hier nicht Epikureismus allgemein, sondern nur falsch verstandener Epikureismus kritisiert wird: C. Joachim Classen, „Horace – A cook?“, in Classical Quarterly 28 (1978), 346– 348. John Moles, „Philosophy and Ethics“, 2007, 168 hingegen sieht es als satirische Darstellung des Epikureismus. Bereits im mittelalterlichen Sciendum-Kommentar legt der Kommentator in seinem letzten Lemma darauf Wert, dass vitae beatae nicht als epikureisch gelesen werden soll. Roberta Marchionni, Sciendum-Kommentar 2003, 270: vite beate] proprie, non ad Epicureum dixit. Pseudo-Acro Comm. Hor. Sat. 2,8,1: Nasidienus eques Romanus in aliis elegans, in enumeratione autem lauticiarum suarum putidus. Quaerit nunc a Fundanio amico suo poeta, quemadmodum eum Nasidieni iuverit cena, quem praecepta cenae dedisse superius Catius demonstravit, et quidem sine nomine. Nam hoc ex sequentibus apparet, quod idem sit Nasidienus Epicureus. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. xviii r.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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Wie in Sat. 2,4 wird Horaz von Landino als Kritiker am Epikureismus gezeigt, was sich durch die weitere Kommentierung der Satire zieht. Die Rede des Balatro wird von Landino als inspiriert von epikureischer Meinung dargestellt (V. 64–66): […] Balatro suspendens omnia naso „haec est condicio vivendi“ aiebat, „eoque responsura tuo numquam est par fama labori. […]“

Landinos Kommentar vermittelt erneut den Eindruck, als sei der Epikureismus eine nicht ernst zu nehmende Philosophie. Dies ist aus den beiden folgenden Erklärungen innerhalb des Satirenkommentars ersichtlich: Suspendens omnia naso] ut ostendat anxium et cogitabundum veluti in re gravissima et utitur veluti parasitus multa adulatione et in re ridicula tragoedias excitat ex Epicureorum sententia, 83 quibus haec cenae perturbatio summum malum videri possit.

Er kritisiert das Verhalten des Balatro als höchst unpassend (in re ridicula tragoedias excitat) und erklärt es mit der Lehre der Epikureer (ex Epicureorum sententia). Und auch in einem der letzten Lemmata (V. 92) wird der Epikureismus ablehnend dargestellt. Dies geschieht aufbauend auf der negativen Aussage im Horaztext, der sich über die Weitschweifigkeit des Gastgebers Nasidienus lustig macht, die alle Gäste veranlasse, die Flucht zu ergreifen. Landino führt dies auf die Anhängerschaft des Gastgebers am Epikureismus zurück: Suavis si non causas] […] In quo loco notat poeta Epicureorum longissimos et frivolos atque 84 vanos de physicis sermones. […]

Dabei werden die sermones der Epikureer als longissimi, frivoli und vani bezeichnet und disqualifiziert. In Zusammenwirkung aller Lemmata der Satire entsteht ein höchst unseriöser Eindruck vom Epikureismus. Dass Horaz die als Kritik am Epikureismus gelesenen Passagen äußert, ist für Landino, der sich hier als der Retter des Dichters versteht, eine hervorragende Ausgangsbasis für moralisierendes Kommentieren in den Fußstapfen des Horaz, den er als moralisches und natürlich philosophisches Vorbild erhalten will. Epistel 1,1 Epistel 1,1 wird an späterer Stelle noch einmal in den Fokus gelangen.85 Hier sollen diejenigen Passagen aufgeführt werden, die Landinos Verurteilung des Epikureismus zeigen. Der Kommentator befasst sich in der Auseinandersetzung mit dem Gedicht

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. yi r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. yi v. Vgl. Abschnitt zur Schuldabwendung I.

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lexikalisch mit philosophischen Themen.86 Die Episteln bieten dafür einen idealen Ausgangspunkt.87 Darüber hinaus wird das erste Gedicht von ihm im argumentum als programmatisches proemium identifiziert: […] Proemii munere fungitur epistola haec.

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Einen Anlass für eine ausführliche, lexikalische Erklärung bietet ihm die berühmte Horazpassage, in der dieser seinen philosophischen Eklektizismus thematisiert (V. 13– 15): ac ne forte roges quo me duce, quo Lare tuter; nullius addictus iurare in verba magistri, quo me cumque rapit tempestas, deferor hospes.

Landino gibt dazu einen langen philosophiegeschichtlichen Abriss,89 in dem große philosophische Lehrer näher charakterisiert werden. Der Exkurs beginnt mit Sokrates und erwähnt außerdem u. a. Aristipp, Zenon und Demokrit. Obwohl Landino für die Kurzbeschreibung Epikurs auf die bereits in seinem Dantekommentar90 und in den Disputationes Camaldulenses91 vorkommende Trennung zwischen der Person Epikurs und seiner Glaubensansichten verweist, bleibt seine philosophische Lehre nach wie vor verurteilenswert: Epicurus vero Atheniensis quamvis temperatissimus et summa iustitia amandus esset, tamen summum bonum ita ad corporis voluptatem rettulit, ut non solum suavem in sensibus motum voluptatem appellet, verum etiam indolentiam, quae longe alia res est, sub eodem nomine 92 reponat.

Epikur sei bewundernswert, da gemäßigt in seinem Verhalten, temperatissimus. Seine Ansichten zum summum bonum seien hingegen höchst problematisch, weil er das Freisein von Schmerz Lust nenne, was für Landino die Rechtfertigung für seine Kritik 86 87 88 89 90 91

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Beispielsweise die Unterteilung in Physik, Ethik und Dialektik und deren umfangreicher Erläuterung unter dem Lemma pono]: Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. yiii r–yiii v. Im Vorwort zu den Episteln legt Landino detailliert seine Auffassung von Philosophie dar, vgl. Kapitel 3. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. yii r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. yiii v–yiiii v. Vgl. FN 46. Peter Lohe (Hrsg.), Cristoforo Landino: Disputationes Camaldulenses, Firenze 1980, 58: Lohe zitiert aus Buch 2: Si autem ad vitam et mores hominis respicias, plurima invenies summa laude prosequenda. Quin si de deo recta sensisset, nihil reperias in suis actionibus, quod non possit iure laudari. Nihil enim umquam nec ipse fecit nec aliis ut facerent persuasit, quod ab iustitia aequitateve absit. Nullis doloribus, nullis cruciatibus a summo constantiae gradu deieci potuit. Tanta autem fides, tanta in homine caritas, ut etiam defunctorum amicorum liberos et ipse ingenue aleret atque erudiret et moriens aliis erudiendos alendosque testamento caveret. Nam in iis quas tantopere extollit voluptatibus quam continens ac potius temperatus fuerit facile est cognoscere, cum raro vinum biberet, raro ad panem quicquam praeter casei frustulum adderet. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. yiii v.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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gibt.93 Wenn Landino Epikur als eine Person darstellt, die nicht so schlecht war wie die Doktrin, die von ihr ausging, so nimmt er doch ein weiteres Lemma zum Anlass, Epikur als Philosophen zu disqualifizieren, indem er seine Doktrin mit einer anderen antiken Autorität widerlegt. An einer späteren Stelle (jedoch noch innerhalb des Exkurses) findet sich die Erwähnung, dass für Epikur die Vorstellung von voluptas sowohl eine aktive Komponente als auch eine bloße Abwesenheit von molestia bedeute. Von Varro hingegen werden beide als zwei getrennte Antriebe des Menschen bezeichnet. Epikurs Klassifizierung wird von Landino durch eine andere antike Autorität falsifiziert: Ait enim [Varro] quattuor esse, quae homines sine doctrina naturaliter appetunt. Aut voluptatem, quae sensus iocunde movet aut quietem, quae facit ut nullam molestiam corpus sentiat aut 94 utrumque, quam tamen Epicurus uno nomine voluptatem appellat […].

Anhand der hier aufgezählten Passagen ist ersichtlich, dass es für den Kommentator möglich war, Kritik am epikureischen Gedankengut zu äußern und sowohl Horaz als auch ihn selbst als dezidierte Kritiker dieser Doktrin und teilweise ihres Gründers und

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Dorothee Kimmich, Epikureische Aufklärungen,1993, 84 kommt zu dem Schluss, dass „Christoforo Landino […] die unterschiedliche Bewertung von Leben und Werk Epikurs eher zu verwirren [scheint]. In einem Brief von 1460 gesteh[e] er, einfach nicht zu wissen, was von diesem Philosophen zu halten sei. In den Disputationes Camaldulenses [meine Kursivierung, AS] allerdings setzt sich einer der Gesprächspartner doch sehr für Epikur ein, indem er betont, es sei besser, ein gutes Leben zu führen, als es nur zu predigen.“ Ein Blick auf den Brief, der von Lentzen ediert wurde, zeigt jedoch, dass trotz des positiven Befunds der Person Epikurs das Werk ganz klar getadelt wird: Manfred Lentzen, Studien zur Dante-Exegese, 1971, 226–228: Chr[i]stophori Landini epistola quam ex Etrusca discipulis suis exercitationis causa Latinam faciendam dedit. Anno 1460: Restant Epicurei, qui ab Epicuro huius familiae auctore cognominati sunt. De hoc autem homine quid dicam non plane habeo, nam si vitam moresque inspexerimus, neque in civili societate iustiorum neque in laboribus doloribusque ferendis fortiorem neque in voluptatibus contemnendis magis temperatum quenquam inveniemus. Deinde vero si scripta librosque evolvas, nihil mollius, nihil effeminatius hoc philosopho iudicabis, adeo ut cum vita ipsius vehementer pugnet oratio, eodemque modo, cum de bonorum malorumque finibus disputat, interdum ita loquitur, ut nihil in bonis praeter o[b]scenissimas voluptates recipere videatur, interdum omnia indolentiae tribuit, nonnumquam etiam cuncta ad animi voluptatem refert. Fuit quidem Atheniensis atque in ortis suis disputabat, quos etiam omnibus, qui eiusdam sectae essent, ex testamento communes reliquit. Quamvis autem nullum se praeceptorem habuisse saepe glorietur, nihilominus in Physicis Democritum sequitur, ita etiam, ut si qua mutet deteriora reddat. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. yiiii r. Landino bezieht sich hier auf Aug. Civ. 19,1: Quod ut breviter ostendam, inde oportet incipiam, quod ipse advertit et posuit in libro memorato, quattuor esse quaedam, quae homines sine magistro, sine ullo doctrinae adminiculo, sine industria vel arte vivendi, quae virtus dicitur et procul dubio discitur, velut naturaliter appetunt, aut voluptatem, qua delectabiliter movetur corporis sensus, aut quietem, qua fit ut nullam molestiam corporis quisque patiatur, aut utramque, quam tamen uno nomine voluptatis Epicurus appellat, aut universaliter prima naturae, in quibus et haec sunt et alia, vel in corpore, ut membrorum integritas et salus atque incolumitas eius, vel in animo, ut sunt ea, quae vel parva vel magna in hominum reperiuntur ingeniis.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

ihrer Anhänger zu etablieren. Dafür stützt sich Landino bisweilen auf die epikureismuskritischen Aussagen der spätantiken Kommentatoren. Unterdrückung von epikureischen Referenzierungen Die zweite Art des Umgangs mit problematischen Textpassagen hatte sich ebenfalls bereits anhand der Kommentierung der obszönen Stellen gezeigt: die des Verschweigens bzw. der Selbstzensur. In den Kommentaren Pseudo-Acros und Porphyrios finden sich unzählige Verweise auf epikureische Themen und die Erwähnungen des Begriffs. Landino ist mit der Kommentierung der spätantiken Kommentatoren vertraut. In der Kommentierung zu Ode 1,3,17 benutzt er beispielsweise Pseudo-Acros95 lexikalische Erklärung und übernimmt sie in seinen Kommentar: Quem gradum] […] Idem pene sentit Acron affirmans genus mortis triplex. […] Quapropter 96 Stoici fato omnia tribuunt. Epicurei casui. Pythagoraei geniturae.

An sehr vielen Stellen finden die Erklärungen der spätantiken Kommentatoren jedoch keinen Niederschlag. Landino verschweigt den Epikureismusanteil aus Pseudo-Acros Referenzen zu Sat. 1,1,2,97 Sat. 2,6,76,98 Sat. 2,8,52,99 Epist. 1,2,55,100 Epist. 1,6,65,101 Epist. 1,12,12,102 Epist. 1,15,45,103 Epist. 1,17,10,104 Epist. 1,17,13,105 Epist. 2,2,45106 und Porphyrios Referenz zu Epist. 1,20,1.107 Diese Passagen zeigen seinen Unwillen, die Identifikation von horazischem Gedankengut mit Epikureismus, wann immer es möglich ist, herzustellen. Oft scheint er damit zufrieden zu sein, die Anknüpfungspunkte, die aus der Tradition Pseudo-Acros und Porphyrios kommen, unter den Tisch fallen zu lassen. Sehr wahrscheinlich waren die hier aufgezählten nicht referenzierten Stellen für den Kommentator ungeeignet, seiner Leitlinie im Umgang mit Epikureismus zu folgen. 95 96 97 98 99 100

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Ps.-Acro Comm. Hor. Ode 1,3,17: Quem mortis timuit gradum] […] Unde Stoici casu dicunt, Epicurei fato, Pythagorici genitura hominem mori. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. biii r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. riii v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. xv r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. yi r. Diese Passage zeigt Horaz als Nicht-Epikureer, weshalb es überraschend ist, dass Landino nicht darauf eingeht: Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. zi r. Ps.-Acro Comm. Hor. Epist. 1,2,55: ] Hic non adeo persuadet, ut spernamus, sed illam debes spernere, de qua sequitur dolor. Nam contra dogma suum loquitur, si ab Epicureorum secta discedit. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. zv r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. &i r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. &iii r. Landino unterteilt Epist. 1,15 in zwei Gedichte. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. &iiii v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. &iiii v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. ‫ܧ‬v v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. &viii r.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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Schuldabwendung von Horaz I: Sein Epikureismus als Jugendsünde Wenn es nicht möglich ist, die Aussagen des Horaz in einem epikureismuskritischen Licht darzustellen, hat es (wie schon bei der Kommentierung der obszönen Stellen) für Landino oberste Priorität, Horaz von allen seine Integrität gefährdenden Aspekten zu entlasten und ihn als moralische Autorität zu erhalten. Schließlich hatte Landino bereits in der Widmungsepistel an Guidobaldo Horaz als besten Tugendlehrer etabliert.108 Um dem gerecht zu werden, wendet Landino auch hier ein Portfolio von Umlenkungsstrategien an: Er identifiziert den Epikureismus des Horaz als ein Phänomen seiner Jugend oder stellt, wie im nächsten Abschnitt zu sehen, Aussagen des Horaz als uneigentlich dar. Die wohl wichtigste Form der Entschuldigung des Horaz ist es, jeglichen Epikureismus, den Landino in Horaz’ Dichtung identifiziert, als Jugendsünde zu erklären oder ihn in irgendeiner Form als Vergangenheit zu deklarieren.109 Im Folgenden werden einige Passagen diskutiert, die auf diese Weise den Text für seine Leser verdaulich machen und seine moralische Autorität erhalten können. Andere Kommentatoren nach ihm (jedoch nicht Lambin) werden denselben Weg beschreiten und den Epikureismus des Horaz in seiner Jugend verorten, von dem er sich aber im Laufe seines Lebens distanziert habe.110 Ode 1,9 In der Tradition gelten die Oden als Jugendwerk des Horaz.111 Daher ist es besonders am Anfang der Gedichtbücher nach der entschuldigenden Exposition in der Vita möglich, das in der Dichtung enthaltene epikureische Gedankengut zu erklären, da dies 108

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. s. n.: Adde, si placeat, quod quo pacto secum, quo cum domesticis, quo cum civibus, quo denique cum peregrinis agendum sit, nullus philosophus distinct[i]us edocet. Für dieselbe Strategie bei Vellutello vgl. Catharina Busjan, „Biographie und Moralphilosophie“, 2004, 217. Krasser und Schäfer zeigen dies eindrucksvoll am Beispiel des Fabricius und des Lilius Gyraldus. Helmut Krasser, „Büßer, Spötter oder Künstler“, 1996, 315–317: „Fabricius macht sich hier die Konzeption der Diadochie philosophischer Schulzugehörigkeit zu eigen, die Lilius Gyraldus in seiner 1545 erschienenen Historia Poetarum zur philosophischen Standortbestimmung unseres Dichters [Horaz] benutzt hatte.“ Bei dieser Diadochie handelt es sich nach Krassers Darstellungen um vier Lebensabschnitte des Dichters, die mit vier verschiedenen philosophischen Schulen korrelierten. Interessanterweise werden „[d]iesem Konzept zuwiderlaufende Aussagen […], wie etwa die späteren Briefzeugnisse epikureischen Inhalts, ignoriert.“ Krasser zitiert Giraldi, der 1545 (fol. CC2 r) parallel formuliert zu Landino: [Horatius] quare Athenas profectus, Epicuream sectam in primis sectatus est, tametsi mox senior factus Academiae se tradidit. Eine ähnliche, jedoch nur zweischrittige Konstruktion lässt sich hier für Landino finden, der in der inneren Chronologie der Gedichte ähnlich verfährt. Zu Fabricius’ Behandlung des horazischen Epikureismus vgl. Eckart Schäfer, Deutscher Horaz, 1976, 48–49. Vgl. Abschnitt 2.1.2.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

noch der Lebensphase des Horaz zugerechnet wird, in der er sich mit der Doktrin befasst habe. Das wird von Landino tatsächlich so gehandhabt, wenn er sich mit Ode 1,9 beschäftigt.112 Dafür bietet die Soracte-Ode einen guten Ausgangspunkt, in der Horaz einen jungen Knaben dazu auffordert, sein junges Leben mit Lust zu genießen113 (insbes. V. 13–18): quid sit futurum cras, fuge quaerere, et quem Fors dierum cumque dabit lucro appone, nec dulcis amores sperne, puer, neque tu choreas, donec virenti canities abest morosa. […]

Das gesamte Gedicht wird von Landino auf eine epikureische Lesart hin interpretiert, was bereits am argumentum deutlich wird: Ad Thaliarchum adolescentem, ut sine cura in voluptate degat. Praeceptum omnibus philosophorum familiis commune, sed diversis modis acceptum. Stoici enim dicunt vivendum esse procul ab omni cura et fruendum dato, observata tamen modestia, nec pendendum ex futuro. Epicurei autem, quos hic potius sequi videtur, nam in adolescentia [bei Landino: adolescentiam] huic sectae adhaesit, omnia ad corpus referunt. Atque ita viven114 dum censent, ut omni cura amota voluptati indulgeamus.

Er lässt das Stichwort voluptas fallen und erklärt es dann nach der stoischen und der epikureischen Denkschule.115 Nach der Nennung der stoischen Position wird die Aussage der horazischen Sprecherstimme eindeutig als epikureisch identifiziert: Epicurei [sc. referunt omnia] autem quos hic potius sequi videtur und damit begründet, dass er in seiner Jugend ein Anhänger der Doktrin gewesen sei: nam in adolescentia huic sectae adhaesit – ein eindeutiger Rückbezug auf die Darstellung in der Vita. Anhand des Lemmas dulces amores] (V. 14) werden Horaz‫ ތ‬Aussagen ein weiteres Mal als epikureisch beschrieben: Nec dulces] hactenus Stoicae, nunc Epicureae. Quod enim, quodcumque acciderit, aequo ani116 mo feratur, volunt omnes. Voluptatem autem pauci probarunt. 112 113

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Bemerkenswert ist, dass er für die etwas frühere Ode 1,4 ein anderes Verfahren wählt, das noch besprochen wird. Diese Motivik des Aufrufs, sein kurzes Leben zu genießen, findet sich ebenso in den Karnevalsliedern (z. B. der Canzona di Bacco, 1489/90) des Lorenzo de‫ ތ‬Medici wieder und erinnert u. a. an Ode 1,11. Marc Föckings Aufsatz gibt nicht nur den Text der Canzona, sondern auch eine umfassende Interpretation: Marc Föcking, „Ariadnes Karneval. Karnevalskontext und Antikebezug in Lorenzos de‫ ތ‬Medici Canzona di Baco“, in Marc Föcking, Gernot Michael Müller (Hrsg.), Abgrenzung und Synthese. Lateinische Dichtung und volkssprachliche Traditionen in Renaissance und Barock, Heidelberg 2007, 185–206. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. cii v. Michael Roberts, „Interpreting Hedonism“, 1995, 294. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. ciii r.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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Der Kommentator lässt es sich bereits hier nicht nehmen, die voluptas zu tadeln. Wenige befänden sie für gut. Daher ist es erstaunlich, dass das Vorgehen Landinos an dieser Stelle von Michael Roberts als „comfortable acceptance“117 bezeichnet wird. In Anbetracht des eben zitierten Lemmas und im Rückbezug auf die Vita und die folgenden Passagen wird vielmehr klar, dass der Kommentator großen Wert darauf legt, den Epikureismus des Horaz einzudämmen und als Jugendsünde zu verharmlosen. Die Anwendung dieser Strategie und die eindeutig formulierte Kritik in anderen Lemmata118 zeigt, dass seine Akzeptanz des Epikureismus des Horaz nicht so „bequem“ ist, wie Michael Roberts behauptet. Ode 1,34 Die Kommentierung von Ode 1,34 bildet ein weiteres Beispiel für die biographische, entschuldigende Lesart des Landino. Hier leistet der horazische Sprecher Abbitte. Er sei durch ein Götterzeichen vom Weg der mangelhaften Götterverehrung abgekommen: Parcus deorum cultor et infrequens insanientis dum sapientiae consultus erro, nunc retrorsum vela dare atque iterare cursus cogor relictos. namque Diespiter igni corusco nubila dividens plerumque, per purum tonantis egit equos volucremque currum, quo bruta tellus et vaga flumina, quo Styx et invisi horrida Taenari sedes Atlanteusque finis concutitur. valet ima summis mutare et insignem attenuat deus, obscura promens. hinc apicem rapax Fortuna cum stridore acuto sustulit, hic posuisse gaudet.

Obwohl die horazische Stimme an keinem Punkt eine direkte Referenz zum Epikureismus herstellt, wird der Verweis auf die fehlende Frömmigkeit dankbar von Landino aufgenommen und zu einer Konversion des Horaz stilisiert. Die Verbindung des Motivs der Gottlosigkeit und des Epikureismus stammt bereits aus der Tradition Pseudo-Acros

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Michael Roberts, „Interpreting Hedonism“, 1995, 295. Vgl. Abschnitt 5.2.2.1.

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und Porphyrios,119 die diese Ode als Schuldeingeständnis und Reuebekenntnis120 des Horaz interpretieren: Minus colens, sed hac ode significat penitere se, quod, dum Epicuream sectam sequitur, diis 121 inreligiosus extiterit. Ha[e]c ode significat se paenitentiam agere, quod Epicuream sectam secutus inreligiosus exti122 terit.

In ihrer Kommentierung wird erstens seine Unfrömmigkeit mit seinem Epikureismus identifiziert und zweitens in eine biographische Vergangenheit des Horaz geschoben. Landino gebraucht Formulierungen im Perfekt (extiterit und secutus) und die dum…sequitur-Konstruktion, obwohl die Darstellung im Horaztext präsentisch ist, wie sich an der Präsensform der Verben cogor, erro und dem Adverb nunc ablesen lässt. Er tritt in die Fußstapfen der spätantiken Kommentatoren, indem er die Phase der Unfrömmigkeit in die Jugend des Horaz verschiebt: Fuerat quod et a principio ostendimus et plurimae eius Ode attestantur Epicureae sectae astipulator noster poeta. Nunc iam graviori aetate saniori consilio instructus per quandam palino123 diam cantata recan[tat] et sectam impiam relinquit.

Der Kommentator verweist darauf – und wir erkennen die Darstellung aus der Vita wieder –, dass Horaz nur in seiner Jugend, also bevor er ein reiferes Alter erreicht habe, Anhänger der epikureischen Schule gewesen sei.124 Die Abgeschlossenheit wird stark durch die Verwendung des Plusquamperfekts betont und die Frontstellung des fuerat legt eine noch stärkere Emphase auf die Verortung dieses Zustandes in der Vergangenheit. Die gesamte Ode wird von ihm als Palinode interpretiert, in der Horaz seine früheren Vergehen zurücknehme (recantare) und die problematische philosophische Ausrichtung verlassen habe. Dem Kommentator gelingt es dadurch, Horaz von dem Vorwurf des Epikureismus reinzuwaschen und gleichzeitig die Kernelemente des Epikureismus en détail zu widerlegen.125 Dies geschieht in den weiteren Lemmata der

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Roberts’ Ausführungen zu dieser Stelle sind sehr hilfreich, er geht jedoch nicht auf den Rückbezug Landinos auf die Horazvita ein, sondern nur auf Porphyrio: Michael Roberts, „Interpreting Hedonism“, 1995, 293. Helmut Krasser, „Büßer, Spötter oder Künstler“, 1996, 315 siedelt den Begriff der Reue in einen christlichem Kontext an. Ps.-Acro Comm. Hor. Ode 1,34,1. Porph. Comm. Hor. Ode 1,34,1. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. fii v. Michael Roberts, „Interpreting Hedonism“, 1995, 293: „Landino see the poem as a testament to Horace’s ‚conversion’ from Epicureanism. [...] He then goes on to give this ‚conversion‘ biographical significance, and sees it as the result of greater maturity on the part of the poet.“ Damit ist Krassers Verdikt, Ode 1,34 sei in Landinos Kommentar „weitestgehend unkommentiert“ gelassen, klar widerlegt: Helmut Krasser, „Büßer, Spötter oder Künstler“, 1996, 315.

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Kommentierung, beispielsweise in der Passage, in der sich Horaz dazu bekennt, zu selten zu den Göttern zu beten (V. 1): Et infrequens] […] hoc enim erat Epicureorum. Nam cum putarent deos humana non curare neque irasci hominibus aliquo scelere neque moveri ulla virtute. Volebant ipsos propter has res non esse colendos. Sed propter eorum excellentiam idque non nisi parvo raroque sacrificio. Quod autem dii humana non curent secundum Epicureos huiuscemodi versibus ostendit Lucretius. […] Ergo poeta dum Epicureus effectus deos humana curare non crederet et parce et raro 126 sacrificabat.

Die seltene Götterverehrung sei Bestandteil der epikureischen Doktrin. Denn deren Anhänger glaubten, dass die Götter sich nicht um die menschlichen Belange kümmerten, den Menschen nicht zürnten oder von ihrer Tugendhaftigkeit bewegt werden konnten. Nicht deswegen müsse man die Götter verehren, sondern wegen ihrer excellentia. Lukrez bezeuge dies. Solange also Horaz Epikureer gewesen sei, habe er geglaubt, dass die Götter sich nicht für die Menschen interessierten, und daher zu wenig und zu selten geopfert. Landino achtet in seiner Kommentierung darauf, dass die fehlende Frömmigkeit und die fehlende Opferbereitschaft des Horaz als vergangenes Verhalten qualifiziert werden. Damit bestätigen sich die Untersuchungsergebnisse von Michael Roberts für diese Ode: Landino musste sich hier in seiner Kommentierung nicht zurückhalten und konnte auf den Epikureismus des Horaz eingehen, da er ihn in der Vergangenheit des Horaz ansiedelte und Horaz sich völlig davon gelöst habe.127 Er weist außerdem darauf hin, dass Landinos Charakterisierung des Epikureismus disqualifizierend gestaltet sei,128 was sich an einem weiteren Lemma der Oden-Kommentierung hervorragend erkennen lässt, in dem Horaz diese Philosophie als insaniens sapientia abwertet: Insanientis sapientiae] atqui nulla sapientia insaniens est, sed sapientiam dixit ex opinione Epicureorum, qui suum dogma sapientiam appellant. Dicebat enim Epicurus se esse sapientem, qui duobus maxime malis mortale genus liberaverat, metu mortis, cum poneret animos mortales et metu deorum, cum ostenderet deos humana non curare. Hanc ergo putabat ille sapien129 tiam, quae profecto stultissima res est.

Die Epikureer selbst, so Landino, bezeichneten ihre Lehre als sapientia und Epikur habe von sich selbst behauptet, die Menschheit von zwei Übeln befreit zu haben: der Furcht vor dem Tode und der Furcht vor den Göttern. Landino zeigt seine direkte Ablehnung ebendieser Kerndoktrinen des Epikureismus durch die Formulierung stultissima res, mit der er die angebliche sapientia des Epikureismus meint. Diese äußerst 126 127 128

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Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. fiii r. Michael Roberts, „Interpreting Hedonism“, 1995, 293. Michael Roberts, „Interpreting Hedonism“, 1995, 293. „The commentator’s own attitude toward Epicureanism is evident from the judgmental language in his references to it: Epicureanism is the ‚impious‘ sect, which the greater wisdom brought with age led the poet to reject a favor of a ‚saner‘ outlook.“ Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. fiii r.

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kritische Haltung richtet sich allerdings nicht gegen Horaz, sondern ausschließlich gegen Epikur selbst, von dem sich Horaz schließlich abgewendet habe.130 Ode 2,3 Die Kommentierung von Ode 2,3 bildet einen Unterschied zu den bisher aufgeführten Stellen, die sich sehr negativ mit dem Epikureismus auseinandersetzen. Hier werden einige gemäßigtere Aussagen Landinos zum Epikureismus zu finden sein. Das kann dadurch erklärt werden, dass die Sprecherstimme des Horaz diese Aussagen selbst äußert und der Kommentator ihn daher nicht direkt angreifen kann. Auch hier verortet Landino den Epikureismus des Horaz wieder in der Vergangenheit. Der erste Teil von Ode 2,3 beginnt mit einem Aufruf, sein Leben zu genießen (V. 5– 8 und 13–16):131 seu maestus omni tempore vixeris seu te in remoto gramine per dies festos reclinatum bearis interiore nota Falerni. […] huc vina et unguenta et nimium brevis flores amoenae ferre iube rosae, dum res et aetas et sororum fila trium patiuntur atra.

Im zweiten Teil der Ode (V. 17–28) wird zur Mahnung die Endlichkeit des Lebens beschrieben: cedes coemptis saltibus et domo villaque flavus quam Tiberis lavit, cedes, et exstructis in altum divitiis potietur heres. divesne prisco natus ab Inacho nil interest an pauper et infima de gente sub divo moreris, victima nil miserantis Orci. omnes eodem cogimur, omnium versatur urna serius ocius sors exitura et nos in aeternum exilium impositura cumbae.

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Die folgende Ode 1,35, die sich paradoxerweise wieder auf Fortuna bezieht, wird von Landino zwar als gegenteilig zur Aussage in 1,34 identifiziert, jedoch wird in der Referenzierung der gesamten Ode 1,35 (1483: fol. f3iii r–fv r nicht einmal der Epikureismus gebraucht. John Moles, „Philosophy and Ethics“, 2007, 172 bezeichnet den Inhalt von Ode 2,3 als „exhortations to love and pleasure“.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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In der modernen Forschung werden einzelne Motive dieser Ode mit epikureischen Vorstellungen in Verbindung gebracht,132 in den antiken Kommentaren allerdings weder bei Porphyrio noch bei Pseudo-Acro. Es existiert in der Überlieferungstradition vor Landino demnach keine Verbindung zwischen den horazischen Aussagen und seinem Epikureismus. Es ist nicht nur aus diesen Gründen bemerkenswert, dass sich Landino in der Kommentierung der Ode intensiv mit epikureischen Motiven auseinandersetzt, sondern auch, weil dieses Gedicht nur wenig später der vermeintlichen Konversion des Horaz in Ode 1,34 folgt. Obwohl Landino kurz vorher in seiner Kommentierung festgestellt hatte, dass Horaz die secta impia verlassen hatte, wird Horaz hier als epikureisch identifiziert.133 Er gleite in seiner Ansprache an Dellius allmählich in eine „epikureische“ Weichheit: Seu maestus] […] Proptereaque indulge genio et a sententia quam gravissime proposuit paula134 tim in Epicuream mollitiem labitur.

Er spreche gemäß dem epikureischen Dogma, das die körperliche Lust betone: Seu bearis] pro beaveris, id est beatum feceris et secundum Epicureorum dogma loquitur, qui 135 beatitudinem in voluptate corporis reponunt.

Interessanterweise ergänzt Landino eine fast schon positive Erklärung: Sogar Epikureer übten Mäßigung in den voluptates. Damit ist dies für die integre Darstellung des Sprechers Horaz zuträglich: Dies festos] nam in profestis seriis est incumbendum et ostendit etiam Epicureos modum in 136 voluptatibus habere.

Der Schlüssel zu dieser unkritischeren Kommentierung liegt in der Verortung des horazischen Epikureismus in der Vergangenheit (olim tenuerat): Reclinatum] […] Et si locus iste diligenter annotetur, inveniemus vitam Epicuream, quam ipse 137 sectam olim tenuerat ad unguem describi.

Im anschließenden Satz klingt Landinos Kommentar wieder erstaunlich milde, wenn er die Empfehlung Epikurs als in gewissem Sinne gemäßigt darstellt: Nam ponit voluptates sed parabiles et faciles et praescripto tempore, quod Epicurus fieri multis 138 locis praecipit.

132 133 134 135 136 137 138

John Moles, „Philosophy and Ethics“, 2007, 172 verschlagwortet Ode 2,3 mit den Begriffen „mortality“, „hard times“. Diese Lesart setzt eine lineare Lektüre voraus. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. gii r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. gii r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. gii r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. gii r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. gii r.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

Ode 2,3 behandelt den Epikureismus des Horaz also wieder als ein Vergangenheitsphänomen, im Unterschied zu den bisher erwähnten Passagen klingt die Kommentierung Landinos jedoch um einiges positiver oder gemäßigter als im Bezug auf andere Lemmata. Michael Roberts interpretiert dieses Vorgehen Landinos folgendermaßen: Landino seizes upon Horace’s suggestion as an occasion to remind his readers that the poet’s Epicurean pursuit of pleasure is first guided by wisdom and a sense of propriety, and conse139 quently should not be regarded as an exercise in unrestrained hedonism.

Er macht dies fest an den positiven Bemerkungen zum Maßhalten der Epikureer im Lemma zu dies festos und den moderaten Äußerungen Epikurs im letzten hier zitierten Lemma.140 Anders als Michael Roberts annimmt, lässt sich jedoch vermuten, dass die hier milde Darstellung des Epikureismus dem Umstand geschuldet ist, dass Landino Horaz nicht in einem allzu schlechten Licht dastehen lassen möchte. Außerdem nimmt Landino durch die Darstellungsart und die Verortung des Epikureismus in der Vergangenheit wiederum eine Schuldabwendung von Horaz vor, denn Horaz war nur früher Anhänger der Sekte gewesen: quam ipse sectam olim tenuerat. Epistel 1,1 Im Hinblick auf das hier untersuchte Thema sind die Episteln ein besonders interessanter Kommentierungsort für Landino. Im Kommentar zum ersten Vers beschreibt er die Episteln als res graviores aus dem gereifteren Lebensabschnitt des Horaz: Nam cum graviori iam aetate constitutus teneriora poemata omittere quamvis Maecenatis rogatu ea suscepisset et res graviores atque ex intima philosophia depromptas, ut sibi civibusque suis prodesset, litteris [bei Landino: litteras] mandare decrevisset, excusat ingravescentem 141 aetatem veluti lascivioribus nequitiis ineptam […].

In Landinos Interpretation wird der Horaz der Episteln hier noch einmal moralisch aufgewertet. Horaz verfasse in einem reiferen Alter philosophische Dichtung, die nütze, und keine leichte Lektüre mehr. Er unterlasse die lascivae nequitiae der früheren Zeit und sei quasi von einer Reue für seine frühere Nachlässigkeit durchdrungen, wie dies ähnlich bei der Jugendsünde Epikureismus funktioniert hatte. Der Kommentator kann sich dabei auf die folgenden Verse in Horaz’ Epistel stützen (V. 10–12): nunc itaque et versus et cetera ludicra pono: quid verum atque decens curo et rogo et omnis in hoc sum. condo et compono quae mox depromere possim.

Ähnlich wie in der Vita lässt er dem jugendlichen Epikureismus die Anhängerschaft des Horaz zur Akademie folgen, die er aus dem horazischen nullius addictus iurare in

139 140 141

Michael Roberts, „Interpreting Hedonism“, 1995, 292. Michael Roberts, „Interpreting Hedonism“, 1995, 292. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. yii r.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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verba magistri142 gewinnt. Landino hängt also der bereits bei Cicero angelegten und durch das Mittelalter hindurch tradierten Konzeption der Akademie als Mischung aus Platonismus und Skeptizismus an.143 Im folgenden Abschnitt steht für ihn eher der Skeptizismus der Akademie im Vordergrund: Nullius addicti [sic!] iurare] Ergo fatetur se Academicum. Nam reliqui philosophi ita eius, quem sequuntur [bei Landino: secuntur], auctoris positionem tuentur, ut potius falsa defendere tentent quam a positione discedere. Ipse vero tamquam Academicus ea ex omnibus eligit, quae 144 magis vera putat. Quid autem sit iurare in verba et quid addictus hactenus legisti.

Horaz ist damit in einem sicheren philosophischen Areal verortet. Problempotential bietet sich erst, sobald Landino diejenigen Stellen in der Epistel kommentieren muss, die bereits bei Porphyrio und Pseudo-Acro eine klare Verbindung zwischen Horaz und dem Epikureismus herstellen (V. 16–19): nunc agilis fio et mersor civilibus undis, virtutis verae custos rigidusque satelles; nunc in Aristippi furtim praecepta relabor et mihi res, non me rebus, subiungere conor.

Bei Porphyrio145 findet sich der Hinweis darauf, dass Horaz zwischen den Stoikern und Epikureern geschwankt und sich insgeheim (furtim) Letzteren zugewandt habe. Außerdem stellt er eine klare Verbindung zwischen Aristipp und epikureischen Lehren her. Pseudo-Acros146 Kommentar stellt ihn ganz ähnlich dar und erklärt, dass Horaz der epikureischen Denkschule gefolgt sei, weil er nicht unter dem Schutz der virtus gestanden habe. Die Deutungstradition dieser Stelle ist folglich schon epikureisch vorgeprägt. Landino geht erneut den Weg, den Epikureismus des Horaz in der Vergangenheit zu 142

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Hor. Epist. 1,1,14. In der modernen Forschung wird dies ebenso als Referenz auf Ciceros Verweigerung einer speziellen philosophischen Anhängerschaft gelesen: John Moles, „Poetry, Philosophy, Politics, and Play: Epistles 1“, in Kirk Freudenburg (Hrsg.), Horace, Satires and Epistles, Oxford 2009, 311: „Line 14 echoes the Academic non-commitment of Cicero, Tusculans 4.7: […], and contrasts with the Epicureans‫ ތ‬oath to their master’s doctrines.“ Möglicherweise liest er das ebenso durch Cicero wie Lambin (vgl. Abschnitt 5.3.2.4). Damit würde er sich eher der Sicht der skeptischen Akademie anschließen, vgl. Eckard Lefèvre, „Cicero als skeptischer Akademiker. Eine Einführung in die Schrift Academici libri“, in Hans Werner Schmidt (Hrsg.), Antikes Denken – moderne Schule: Beiträge zu den modernen Grundlagen unseres Denkens. Heidelberg, 1988, 108-132, vgl. FN 60. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. yiiii v. In der Kommentierung von Epist. 1,6 bestätigt Landino diese Lesart noch einmal: Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. zv r: Imparti] […] nam cum academicus sim nullius addictus iurare in verba magistri semper meliori obtemperabo. Porph. Comm. Hor. Epist. 1,1,16: Et mersor civilibus undis] Inter Stoicam et Epicuream iactari se ait, et ideo se undis civilibus mergi dixit, quia Stoici administrationem rei p. probant, Epicurei voluptatem, unde furtim relabi se ad eam ait. 18: Nunc in Aristippi] Quia Aristippus Epicureae princeps. Pseudo-Acro Comm. Hor. Epist. 1,1,18: Aristippus Cyrenaicus fuit Epicurus, qui summum bonum voluptatem dixit. Ideo ergo ait ‘furtim’, quoniam interdum post verae virtutis custodiam voluptate vincatur.

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verorten. Auch hier nimmt der Kommentator wieder einen Tempuswechsel vor. In der Epistel wird Präsens verwendet, und nunc (V. 18) ist in seiner Bedeutung ebenfalls eindeutig präsentisch: Nunc in Aristippi] Epicureum in sua iuventa fuisse poetam hunc ostentimus. Ergo et Aristippi 147 Cyrenaici dogma tenuit. Nam uterque summum bonum in voluptate posuit. […]

Horaz sei in seiner Jugend Epikureer gewesen. Er habe daher u. a. die Lehre des Aristipp verfolgt, denn beide Schulen setzten die Lust als das summum bonum. Diese biographische Verortung geschieht trotz der bereits zitierten Einsicht, dass die Episteln von Horaz in einer späteren Lebensphase verfasst wurden. Dass Horaz Anhänger einer problematischen philosophischen Schule gewesen sei, kann der Kommentator nur als eine Jugendsünde verzeichnen. In der übrigen Biographie des Horaz hat sie, nach dem Verhalten Landinos, nichts zu suchen. Landino greift hier also wieder stark in den Text ein, um seinen kommentierten Dichter zu entschuldigen. Schuldabwendung von Horaz II: Epikureisches Sprechen als uneigentliches Sprechen Neben der Entschuldigung des horazischen Epikureismus als jugendlichen Ausrutscher gebraucht Landino noch eine weitere Strategie, um Horaz schuldfrei halten zu können. Er stellt die Ich-Aussagen der Horazpersona als uneigentlich dar. Sie seien vom Sprecher Horaz nicht so gemeint.148 Die verschiedenen Varianten dieser Uneigentlichkeit sollen im Folgenden aufgeführt und erläutert werden. Ode 1,4 Die Frühlingsode 1,4 verbindet eine jahreszeitliche Beschreibung mit einem memento mori-Motiv und der erneuten Aufforderung, das Leben zu genießen: Solvitur acris hiems grata vice veris et Favoni trahuntque siccas machinae carinas, ac neque iam stabulis gaudet pecus aut arator igni, nec prata canis albicant pruinis. iam Cytherea choros ducit Venus imminente luna, iunctaeque Nymphis Gratiae decentes alterno terram quatiunt pede, dum gravis Cyclopum 147

148

Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. yv r. Laktanz unterscheidet die Doktrinen beider folgendermaßen: Inst. 3,7,7: Epicurus summum bonum in voluptate animi esse censet, Aristippus in voluptate corporis (zitiert aus LLT-A). Für Maria Rita Pagnoni, „Prime note“, 1974,1451 ist diese Trennung ein Indiz dafür, dass Epikur nicht nur als reiner Hedonist gesehen wurde. Dies wird von ihm bereits in der Einführung zur lyrischen Dichtung theoretisch untermauert. Er beschreibt die Oden als „gemischte Darstellung“, der Dichter spreche zum Teil von sich aus, zum Teil jedoch führe er jemand anderen als Sprecher ein. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol.aii r: Utitur actu mixto. […] Est postremo et tertius ex his duobus commixtus et utrique communis cum partim ex se poeta loquitur, partim loquentem quempiam inducit […].

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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Volcanus ardens visit officinas. nunc decet aut viridi nitidum caput impedire myrto aut flore terrae quem ferunt solutae; nunc et in umbrosis Fauno decet immolare lucis, seu poscat agna sive malit haedo. pallida Mors aequo pulsat pede pauperum tabernas regumque turris. o beate Sesti, vitae summa brevis spem nos vetat inchoare longam; iam te premet nox fabulaeque Manes et domus exilis Plutonia; quo simul mearis, nec regna vini sortiere talis nec tenerum Lycidan mirabere, quo calet iuventus nunc omnis et mox virgines tepebunt.

Damit präsentiert die Ode gleich zu Beginn der Sammlung und damit der Gesamtausgabe kurz nach den würdevollen Widmungen an Maecenas (Ode 1,1), Augustus (Ode 1,2) und Vergil (Ode 1,3) heikles Material. Das Gedicht ist schon mehrfach im Rahmen der Kommentierungsanalyse der obszönen Stellen angesprochen worden und kann in diesem Zusammenhang erneut wichtige Erkenntnisse liefern. Bereits in der Überschrift der Kommentierung wird die Ode als unsittlich markiert: Invitat P. Sextium ad vitam voluptuosam.149 Das argumentum nach der Erklärung der Metrik gibt ebenso eine inhaltliche Zusammenfassung, die die Aussage der Ode mit der Philosophie des Epikureismus in Verbindung bringt und damit in ein dubioses Licht rückt: Videtur autem hoc carmen Epicureorum sectam redolere, quoniam ad voluptates invitat admonitus ipsius veris adventu, quod suapte natura [bei Landino: nature] voluptuosum est et quamvis non audeat animos mortales omnino ponere, tamen asseverat nihil voluptuosum futurum 150 post mortem.

Das Gedicht rieche scheinbar nach der epikureischen Sekte, so Landino. Horaz lade zu voluptates ein, angefeuert durch den Beginn des Frühlings, weil dieser voller Genüsse sei. Auch wenn er es nicht wagte, die Seelen als sterblich zu bezeichnen, so behauptet er doch, dass es nichts Genussvolles nach dem Tode gebe. Damit identifiziert Landino die Aussagen des Gedichts und der Horazstimme als problematisch. Gleichzeitig nimmt er hier schon ihre Entlastung vor, besonders durch das videtur und den quamvis-Satz wird die Schuld relativiert. Horaz habe immerhin nicht das große Sakrileg begangen, die Sterblichkeit der Seele zu thematisieren. Hier geschieht also eine erste vorsichtige Entschuldigung des Dichters, indem das Schlimmste ausgeschlossen wird. Anhand der Kommentierung des Lemmas beate] (V. 14) wird diese vorsichtige Loslösung von Gedichtaussage und Sprecherstimme weiter fortgeführt:

149 150

Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. biiii v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. biiii v.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

Beate] quasi dicat qui eris beatus, si hanc vitam colueris, loquitur autem tamquam Epicu[r]eus [bei Landino: epicurreus] ad hunc qui et ipse Epicureus erat. Epicurei autem omnia sibi arro151 gabant, seseque et sapientes et beatos vocitabant.

Landino paraphrasiert die Aussage des Horaz, die hier wieder dazu aufruft, das Leben zu genießen. Erneut rettet Landino seinen Dichter: Horaz spreche nur so wie ein Epikureer (tamquam Epicureus). Das tamquam relativiert dabei die Verbindung zwischen Sprecher und Epikureismus, denn dieser wird nicht als Epikureer bezeichnet. Auch der Adressat der Ode wird in die Argumentation miteinbezogen: Der im Gedicht angesprochene Sestius sei Epikureer gewesen und daher hätte die horazische Sprecherstimme diese Färbung ebenso angenommen.152 Darüber hinaus wird die Ansprache des Sestius als beatus als Argument für seinen Epikureismus gewertet, denn die Epikureer hätten sich selbst u. a. als glücklich bezeichnet. Nachdem nun klar ist, dass der Epikureismus des Horaz nicht voll ausgeprägt war und sich außerdem vor allem über die Sprechsituation erklärt, kann der Kommentator freier mit den Aussagen der Ode umgehen. Dies geschieht weiterhin mit einer Mischung aus Erklärung und Kritik. So wird die horazische Aussage, dass es nach dem Tod nur Schatten gäbe, als epikureisch identifiziert: Iam statim [sic!] 154 bras.

153

nox] mors quae secundum Epicur[e]os post se nihil habet praeter tene-

Möglicherweise kann der sanfte Epikureismus des Horaz durch seine Darstellung in der Vita plausibilisiert werden, die nur wenige Seiten vor der Ode abgedruckt ist. Darüber hinaus entschuldigt Landino Horaz bereits hier an vielen Stellen: Der Dichter spreche nur „wie ein Epikureer“, der zu einem anderen Epikureer spreche, und nicht eigentlich als er selbst.155 Außerdem wird sich zeigen, dass die Platonisierung, die Landino in der Kommentierung vornimmt, den Gesamteindruck der Ode endgültig ins rechte Licht rückt.

151 152 153 154 155

Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. bv v. Die Verschiebung des Tadelns auf den Adressaten hatte Landino schon bei den meretrix-Gedichten so durchgeführt, vgl. Abschnitt 4.3.2.1. Woher Landino das statim nimmt, ist unklar, da im Text eindeutig von Iam te premet nox die Rede ist. Möglicherweise liegt hier ein Setzfehler vor. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. bv v. Michael Roberts, „Interpreting Hedonism“, 1995, 291. Roberts’ Analyse von Ode 1,4 kann in gewissem Umfang zugestimmt werden: „Although Landino affirms and elaborates upon the Epicurean leanings [sic!] expressed in the poem, he emphatically sets a limit on Horace’s Epicureanism, and consequently, on his own discussion of it. A strong element of caution thus underlies Landino’s interpretation of Horace’s Epicureanism: he realizes that he must manipulate the Epicurean label with care to protect his remarks from being taken as promotion rather than pure elucidation.“ Roberts bezieht sich in seinen Untersuchungen nur auf die einleitenden Bemerkungen Landinos am Beginn der Kommentierung und nicht auf die einzelnen Lemmata, die ein noch nuancierteres Bild von der Verhandlung des Epikureismus geben.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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Ode 2,11 Ode 2,11 befasst sich, wie Ode 1,4, mit einer Aufforderung dazu, das Leben in vollen Zügen zu genießen, zu trinken und sich mit Frauen zu vergnügen (besonders V. 9–24): non semper idem floribus est honor vernis neque uno luna rubens nitet vultu. quid aeternis minorem consiliis animum fatigas? cur non sub alta vel platano vel hac pinu iacentes sic temere et rosa canos odorati capillos, dum licet, Assyriaque nardo potamus uncti? dissipat Euhius curas edacis. Quis puer ocius restinguet ardentis Falerni pocula praetereunte lympha? quis devium scortum eliciet domo Lyden? eburna dic, age, cum lyra maturet incomptam Lacaenae more comas religata nodo.

Ganz ähnlich wie in Ode 1,4 bedient sich Landino bereits im ersten Lemma des Gedichts wieder der Strategie, Horaz’ Aussage als uneigentlich darzustellen: Quid bellicosus] […]. Et ut superior Ode a Stoica secta proficiscebatur, nunc contra haec Epi156 cuream redolet, cupit enim volumen varietate carminis distinguere atque illustrare. […]

Der Kommentator nimmt den Eklektizismus der philosophischen Ausrichtung der einzelnen horazischen Gedichte zum Ausgangspunkt, zu zeigen, dass sich die Aussage dieses problematischen Gedichts vor allem dadurch erklärt, dass Horaz zum Ziele der varietas carminum die stoische Aussage aus dem vorhergehenden Gedicht mit einer epikureischen kontrapunktieren wollte. Der im Gedicht ausgedrückte Epikureismus ist damit für Landino eine blanke poetisch-philosophische Spielerei geworden. Die Integrität der Sprecherpersona bleibt durch diese Interpretation erhalten, aber es ist offensichtlich, wie stark das Eingreifen des Kommentators an dieser Stelle ist. Er ist es, wie bereits in Ode 1,4, der bestimmt, wann Horaz’ Aussagen für voll zu nehmen sind und wann nicht. Satire 1,5 Ein großes Problem für den Kommentator muss die horazische Aussage am Ende von Satire 1,5 dargestellt haben, denn hier geht es darum, dass die Götter sich nicht um die 156

Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. gviii v.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

Belange der Menschen kümmern und keine Wunder bewirken würden (V. 97–103), was ganz im Sinne Epikurs gelesen werden konnte:157 […] dein Gnatia lymphis iratis exstructa dedit risusque iocosque, dum flamma sine tura liquescere limine sacro persuadere cupit. credat Iudaeus Apella, non ego; namque deos didici securum agere aevum ne, si quid miri faciat natura, deos id tristis ex alto caeli demittere tecto.

Landino muss dies zum Anlass nehmen, sich erneut mit Horaz’ Einstellung zu Religion und Götterverehrung zu befassen (V. 100): Persuadere] Ridet illorum religionem, qui putabant dei iussu thura, quae in limine templi po158 nerentur, sine flamma liquescere. Et tamquam Epicurus negat deos aut precibus moveri aut 159 ira ex aliqua impietate irritari.

Er führt aus, dass Horaz den Glauben derjenigen verlache, die an Wunder glaubten, beispielsweise, wenn sie Weihrauch auf die Tempelschwelle täten und annähmen, dass dieser ohne Feuer zu rauchen beginne. Und er verneine, dass sich die Götter von den Menschen beeinflussen lassen würden. Außerdem wird in einem weiteren Lemma (V. 101) die Aussage des Horaz mit Epikur und Lukrez in einen Zusammenhang gebracht: Namque deos didici] mordet Iudeorum superstitionem et ut Epicurus profert eam sententiam, 160 quam dixi. Sic etiam Lucretius.

Und schließlich paraphrasiert Landino V. 102 damit, dass Horaz aussage (dicit), dass Wunder nicht von den Göttern, sondern von der Natur bewirkt würden, weshalb die Götter in ihrem otium so glücklich seien, was ganz der Aussage des Epikur entspreche (ut placet Epicuro): Nec si miri] Dicit miracula quaedam a natura fieri, sed non a diis, cum dii. Et placet Epicuro, 161 propterea beati sint, quoniam nihil curantes otio summo fruantur.

157 158

159 160 161

Emily Gowers, Horace, Satires Book 1, 2012, 185. Die Lesart tamquam Epicureus wäre parallel zu der bereits besprochenen. Sie wird außerdem von der Ausgabe Horatius cum quattuor commentariis gedruckt: Antonio Mancinelli, Cristoforo Landino u.a., Horatius cum commentariis, 1492, fol. ‫ܧ‬iiii v, jedoch nicht in der Venezianer Ausgabe Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. Gi v. Angenommen, die Lesart Epicureus wäre die richtige, dann würde sich hier eine auffällige weitere Parallele zur bereits untersuchten Stelle in Ode 1,4 ergeben, in der durch das tamquam eine Relativierung des Epikureismus des Horaz stattfindet. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. sviii r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. sviii v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. sviii v. Dabei stützt sich Landino stark auf die Aussagen Pseudo-Acros: Ps.-Acro Comm. Hor. Sat. 1,5,101: Nam Epicurus erat; ideo dixit deos non curare mortalia. Lucretius de deo (1,61): Nec bene promeritis capitur nec tangitur ira. | Dogma Epicureorum. Ut poeta (Verg. ecl. 8, 35): Nec curare deum credis mortalia quemquam.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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All dies bringt Horaz in einen gefährlich nahen Zusammenhang mit der epikureischen Doktrin, von der ihn Landino bis hierher doch immer lösen wollte. Hinzu kommt, dass es in der Kommentierungstradition der Ode bei Pseudo-Acro und Porphyrio eine Auseinandersetzung mit dem epikureischen Gedankengut gegeben hatte, die von Letzterem sogar eindeutig positiv gestaltet war.162 Doch selbst hier bemüht sich Landino, seinen kommentierten Autor zu retten. Er kann davon profitieren, dass er, wie bereits anhand der Kommentierung der obszönen Stellen gezeigt, die Aussagen des Horaz als uneigentlich bezeichnet hatte: Die Sprecherstimme hatte sich kurz zuvor dazu bekannt, einen „feuchten Traum“ (V. 82) gehabt zu haben. Landino aber greift stark in die Textlesart ein, um die Integrität der Sprecherstimme zu wahren, und bezeichnet die Ich-Aussagen des Sprechers als uneigentlich: Hic ego] sub nomine suo alium notat.

163

Genau diese Trennung ist dann noch wirksam, wenn Landino die epikureischen Äußerungen des Horaz detailliert kommentiert. Landino stellt sich mit dieser Exegese ebenfalls gegen die Tradition vor ihm. Sowohl bei Porphyrio164 und bei Pseudo-Acro165 als auch im mittelalterlichen Sciendum-Kommentar166 ist nicht angelegt, dass die Horazstimme uneigentlich spricht. Für Landino ist diese Entschuldigung jedoch nötig, um Horaz abermals als Tugendlehrer erhalten zu können. Satire 2,6 Satire 2,6 beschäftigt sich mit dem Kontrast zwischen Stadt- und Landleben. Im letzten Teil der Satire äußert sich die horazische Sprecherpersona über die Sterblichkeit der Seelen (V. 93–94):

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Landino erwähnt mit keinem Wort, dass es bei Porphyrio nicht nur eine Erklärung des epikureischen Gedankenguts, sondern sogar eine explizite Befürwortung dieser Ansicht gibt. Comm. Porph. Hor. Sat. 1,5,102–103: Nec siquid miri faciat natura, id tristes es alto caeli demittere tecto] Verissima opinione hoc dicitur. Constat enim omnia miracula, quae in toto mundo fiant, certa ratione fieri; de quibus idem Epicurei prudentissime disputant. Siehe dazu Silke Diederich, Der Horazkommentar des Porphyrio im Rahmen der kaiserzeitlichen Schul- und Bildungstradition, Berlin 1999, 84. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. sviii r. Porph. Comm. Hor. Sat. 1,5,84: Tum immundo somnia visu nocturnam vestem maculant] Significat, cum ad nescio quam puellam misisset, ut secum maneret, illam promisisse quidem se venturam, sed non venisse; quam cum diu expectasset, postremo obdormisse; deinde per somnum imaginantem secum eandem puellam vidisse[t] concumbere super se ipsum patrasse. Ps.-Acro, Comm. Hor. Sat. 1,5,83: Somnus tamen aufert] Illam expectationem; et habundat tamen. 84: Intentum u.] Expectantem venerem. Roberta Marchionni, Sciendum-Kommentar 2003, 101: Sat. 1,5,82: hic ego] Ecce quod in intentione promisimus: quedam enim de se turpia dicit et ita se non ex malignitate ostendit reprehendere. mendacem] que promissum coitum mentita est.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

carpe viam, mihi crede, comes. terrestria quando mortalis animas vivunt sortita neque ulla est

Landino führt hier jedoch ebenfalls eine Rettung des Horaz durch, der sonst durch diese Aussage zu sehr in ein epikureisches Licht gerückt worden wäre. Er tut dies ähnlich wie in Sat. 1,5, indem er erneut die epikureischen Inhalte einem anderen Sprecher zuweist: Mortales animas] vel Epicuream sententiam muri tribuit, ut iubeat, quoniam post mortem nihil 167 supersit, esse vivendum in voluptate, […].

Horaz, so Landino, weise die epikureische Aussage der Maus (muri) zu. Landino kann hier auf den Horaztext aufbauen, in dem diese Bemerkung tatsächlich der Stadtmaus (mus urbanus) zugesprochen wird (V. 90–97). Für Landino bietet dies außerdem die Möglichkeit, die Integrität der Sprecherstimme zu erhalten. Epistel 1,4 In der Abfolge der zu kommentierenden Stellen ist die nun folgende sehr weit hinten innerhalb des Kommentars angesiedelt. Bis jetzt hatte Landino verschiedene Strategien angewendet, um den Epikureismus der vorhergehenden Passagen zu relativieren oder von Horaz zu distanzieren. Die Stelle und die dazugehörige Epistel, in der sich Horaz selbst als Schwein aus der Herde Epikurs gezeichnet hatte, ist nun eine besonders große Herausforderung für die Erhaltung der Autorität des Horaz (V. 14–15): me pinguem et nitidum bene curata cute vises, cum ridere voles, Epicuri de grege porcum.

Gründe dafür sind, dass Landino die gesamten Episteln als ein philosophisch reifes Werk definiert hatte, in dem Horaz den jugendlichen epikureischen Anwandlungen längst entwachsen war. Weiterhin kommt erschwerend hinzu, dass diese Verse der Grund dafür waren, dass Epikur in die christliche Tradition als Schwein, als porcus, einging und er und alle Epikureer in der Folge immer mit dem Epitheton des Schweines behaftet waren.168 Epist. 1,4 muss also für Landino eine starke Aufforderung zur Textrettung dargestellt haben. Nachdem er zunächst eine bei Pseudo-Acro169 angelegte Identifikation unterdrückt,170 zwingt ihn die Eindeutigkeit des Texts in den genannten beiden Versen (den letzten der Epistel), sich doch mit dem Epikureismus auseinanderzusetzen. Er reagiert mit einem ähnlich starken Eingreifen in den Inhalt des Horaztexts wie bei den vorher genannten Kommentierungen. Erneut stellt er die Aussage des Horaz als uneigentlich dar: 167 168

169 170

Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. xvi r. Marchesis Aufsatz beschäftigt sich vordergründig mit Dante, bietet aber einen interessanten Überblick über die Tradition der Assoziation von Epikur und Schweinen. Simone, Marchesi, „Epicuri de grege porcus“, 1999, bes. 119. Ps.-Acro Comm. Hor. Epist. 1,4,3: ] Hic Epicureus fuit et poeta. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. zii v.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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Me pinguem] porcum se appellat de grege Epicuri, quia illi voluptuosam vitam agunt et nihil a sui[bus] [bei Landino: suis] distant. Nam praeter eas voluptates, quae aut gustu aut tactu percipiuntur, nihil in bonis numerant. Non autem se talem esse dicit, quia sit, sed conatur illum a vita contraria hoc contrario abducere imitatus eos, qui curva ligna dirigunt, qui non sunt con171 tenti, ut ad rectitudinem reducant, nisi tantundem in contrarium flectant.

Zunächst bezeichnet Landino die Lebensart der Epikureer als negativ und wenig von Schweinen unterscheidbar, da sie sich ganz den sinnlichen Genüssen hingäben. Horaz könne, so Landino, sein Bekenntnis zum Epikureismus, seine Selbstbezeichnung als Schwein in der Herde Epikurs, gar nicht so meinen: Non autem se talem esse dicit, quia sit. Erneut plausibilisiert er dieses Vorgehen über den Adressaten des Gedichts: Horaz wolle vielmehr seinen Adressaten (Albius) von seinem derzeitigen, dem Epikureismus völlig entgegengesetzten Leben durch das Gegenteil, also den Epikureismus selbst, abbringen, um schließlich zu einem Mittelweg zu gelangen. Für diese relativ komplizierte Erklärung bedient sich Landino eines Vergleiches mit Leuten, die Holz biegen. Diese seien nicht zufrieden, ein krummes Stück Holz einfach nur gerade zu biegen. Sie meinen, es dafür ins Gegenteil biegen zu müssen. Im übertragenen Sinne hieße dies also, dass Horaz Albius durch die übertriebene Mahnung zum Epikureismus eigentlich nur von dessen Gegenteil überzeugen wollte. Landino leistet hier also eine sprachlich und inhaltlich anspruchsvolle Rettungsleistung des Horaztexts. Im Resultat ist Horaz nun doch kein Epikureer mehr – oder die Leser zumindest so verwirrt, dass sie darüber nicht mehr nachdenken müssen. Ob intendiert oder nicht, der Vergleich mit dem Vorgang des Holzbiegens mag dem heutigen Leser wie eine Abbildung der Kommentierung Landinos selbst vorkommen, der ebenso wie Horaz das Holz bedrohlich weit biegen muss, um zu seiner endgültigen Interpretation zu gelangen. Für Landino ist nach dieser Kraftanstrengung die Horazpersona weiterhin eine moralisch-integre Autorität und frei von epikureischen Ansichten. 5.2.2.2 Platonisierung Neben der Entschuldigung des Horaz durch die eben genannten Verfahren findet sich bei Landino eine weitere wichtige Strategie des Umgangs mit epikureischen Passagen: die der Platonisierung, d. h. der Verortung des Horaz im platonisch-akademischen und damit akzeptablen philosophischen Bereich.172 In der Vita war es dem Kommentator ein Anliegen, den reiferen Horaz zu platonisieren bzw. zum Anhänger der Akademie zu machen. Bei den hier besprochenen Gedichten, deren epikureische Elemente Landino in seinem Kommentar herausgearbeitet hat, findet er außerdem wiederholt Gelegenheit, platonisches Gedankengut einfließen zu lassen. Platonisierung ist bei Landino auch bei

171 172

Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. zii v. Coppini verweist darauf mit Rückblick auf Roberto Cardini, Cristoforo Landino, 1974, Bd. II, 250–251: Donatella Coppini, „Il commento a Orazio di Cristoforo Landino“, 2013

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

nicht problematischen Stellen ein häufig angewendetes Verfahren,173 doch birgt es im Zusammenhang mit dem Entschuldigen des Epikureismus ein noch größeres Textrettungspotential.174 Der Kommentator weist dadurch nicht nur auf die Vita zurück, sondern relativiert das epikureische Gedankengut im Kommentar durch platonische Elemente, sodass beim Leser ein eher platonischer als epikureischer Gesamteindruck bleibt. Dadurch wird Schuld von Horaz genommen und in einem zweiten Schritt sogar vom Kommentator selbst, der sich als orthodoxer Gelehrter erweist. Das ist vor allem deshalb wichtig, weil ein Kommentator, der sich zu detailliert mit epikureischen Fragestellungen auseinandersetzt und sein Vorgehen nicht kritisch genug betrachtet, schnell dem Vorwurf ausgesetzt sein könnte, selbst von epikureischem Gedankengut beeinflusst zu sein.175 Die folgenden Passagen illustrieren, wie es Landino gelingt, dies zu vermeiden. Ode 1,4 Die Kommentierung von Ode 1,4 hatte sich bereits als fordernd für Landino herausgestellt. Die Platonisierung gibt ihm hier das Werkzeug, um den problematischen Inhalt für seine Leser zu glätten: Vitae summa brevis] sententia quae Epicureis quadret, cum animas ponant mortales. Ceterum a gravioribus philosophis semper repudiata, itaque Plato audiendus, qui nos voluptate con176 tempta non nobis sed universo mundo nos natos putemus.

Die Aussage sei den Epikureern gefällig, die die Seelen als sterblich betrachten würden. Jedoch sei dies immer von wichtigeren, würdevolleren (graviores) Philosophen zurückgewiesen worden. Besonders Plato sei eine Autorität und müsse Gehör finden. Damit ist die philosophische Präferenz des Kommentators eindeutig bestimmt. Die epikureische Aussage im Text wird für die Leser als unplausibel dargestellt. In einem zweiten 173

174

175 176

Parker zeigt, dass Dante ebenso umfassend platonisiert wurde: Deborah Parker, „Commentary as Social Act“, 1992, 225. August Buck, „Dichtung und Dichter bei Cristoforo Landino.“, 1947, 243– 245 stellt dieses Verfahren sowohl für die Aeneis-Kommentierung in den Disputationes Camaldulenses als auch für die Dantekommentierung fest. Eine weitere, besonders auffällige Stelle kommt aus der Kommentierung von Sat. 2,3,11, in der Horaz Platon zu seiner Ferienlektüre erklärt: quorsum pertinuit stipare Platona Menandro […]? Landino nutzt dies, den Status Platons für Horaz weiter auszubauen: Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. uiii v: Quorsum p[ertinuit]] Quasi dicat, quem ad finem Platona menam congerere multos e Platone multos etiam ex Menandro libros. […] Sed neque istis contentus erat, nisi ex divina Platonis philosophia gravitatem sententiarum depromeret. Jörg Robert, „Lateinischer Petrarkismus“, 2004, 136: „Beide Aspekte, integumentale wie platonische Deutung, werden im Quattrocento zu Konstanten der Kommentierung liebeslyrischer Dichtung insgesamt, beschränken sich also nicht mehr auf die hierfür prädestinierte Lyrik stilnovistischer oder petrarkischer Herkunft.“ Dies kann in Bezug auf Landinos Horazkommentar bestätigt werden. Dies wird besonders anhand des Lambinkommentars noch weiter ausgeführt werden. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. bv v.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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Schritt lenkt die platonische Autorität dann die Aussage der horazischen Stimme um. Bemerkenswerterweise nimmt Landino hier und an anderen Stellen keine Christianisierung des Gedankenguts vor, sondern die Platonisierung scheint als Reinigungs- und Rettungsstrategie im epikureischen Diskurs völlig auszureichen. Ode 1,19 Ode 1,19 hatte bereits im Zusammenhang mit der Analyse der Kommentierung obszöner Stellen im Horaztext, nämlich in Landinos petrarkisierender Kommentierung, Erwähnung gefunden und lässt darüber hinaus interessante Rückschlüsse auf Landinos Behandlung des Epikureismus zu.177 Für die epikureischen Passagen findet hier eine Platonisierung des problematischen Gedankenguts statt. In der Ode beschreibt sich der horazische Sprecher als von Liebe und Verlangen nach Glycera ergriffen: Mater saeva Cupidinum Thebanaeque iubet me Semelae puer et lasciva Licentia finitis animum reddere amoribus. urit me Glycerae nitor splendentis Pario marmore purius; urit grata protervitas et vultus nimium lubricus aspici. in me tota ruens Venus Cyprum deseruit, nec patitur Scythas aut versis animosum equis Parthum dicere nec quae nihil attinent. hic vivum mihi caespitem, hic verbenas, pueri, ponite turaque bimi cum patera meri: mactata veniet lenior hostia.

Eine erste Platonreferenz baut der Kommentator im Lemma nitor] (V. 5) ein:

177

Interessanterweise treffen wir bei den folgenden Passage auf einen Fall, in dem der Kommentator initiativ, d. h. ohne Stichwort aus dem Horaztext oder der Tradition der antiken Horazkommentare, den Epikureismus als Schlagwort in die Kommentierung hineinträgt, wie das bereits für Ode 2,3 festzustellen war. Dies kann sicher mit dem Inhalt der Ode erklärt werden: er erweist sich als so obszön-problematisch für den Leser und Kommentator Landino, dass Letzterer folgert, die Ausführungen seien durch den Epikureismus des Horaz bedingt. Gedichtkommentierungen wie diese zeigen außerdem den engen Zusammenhang zwischen den Vorstellungen von Obszönität und Epikureismus.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

Nitor] splendor et pulchritudo, quae est efficax causa amoris. Nam amor secundum Platonem 178 est desiderium pulchritudinis.

Die Tendenz wird später sogar noch verstärkt, wenn Landino die Opferpassage aus der horazischen Ode (V. 13–16) und besonders das Lemma hic mihi] (V. 13) zum Ausgangspunkt des Beweises macht, dass Horaz Platoniker und auf keinen Fall Epikureer gewesen sein müsse. Dass er eine ziemlich zweideutige Horazpassage dafür gebraucht, scheint den Kommentator nicht weiter zu stören: Hic mihi] non ut Epicurus, qui credit deos humana negligere, sed ut Platonicus. Ipsi enim asserunt omnia curare deos, sacrificium parat, quo deum mitiget. In qua re nos monet, ut in diffi179 cultatibus constituti ad deos recurramus.

In einem zweiten Schritt platonisiert er diese Hinweise und schafft dadurch wiederum eine Darstellung des Horaz, die ihn integer und weitab von epikureischen Neigungen zeigt und mit der Vita kohärent ist. Außerdem gelingt es ihm so, dem Text einen moralischen Nutzen einzuhauchen. Hier kann Landino ein Gegengewicht zu den Passagen aufbauen, in denen Horaz sich so eindeutig gegen Göttervorstellungen wendet, wie beispielsweise für Satire 1,5 sichtbar war. An dieser Stelle argumentiert Landino für eine große Gottesfurcht des Horaz, der sich dafür ausspreche, sich in schwierigen Situationen im Gebet an die Götter zu wenden, die sich doch, ganz entgegen der epikureischen Doktrin, um die Belange der Menschen kümmerten. Satire 2,4 In der bereits erwähnten Sat. 2,4, in der Landino den Epikureismus kritisch beleuchtet, stattet er den Leser gleichzeitig mit Wissen über Platon und dessen Umfeld aus, allen voran Sokrates. Dies geschieht gleich am Anfang der Kommentierung der Satire, an dem der Dialog des Horaz mit Catius eingeleitet wird (Sat. 2,4,1–3): „Unde et quo Catius?“ „non est mihi tempus, aventi ponere signa novis praeceptis, qualia vincent Pythagoran Anitique reum doctumque Platona.“

Landinos Kommentierung stilisiert Sokrates, die Kernfigur des Platonismus, zu einer hervorragenden Person und weisesten aller Philosophen: Aniti reum] id est Socratem. Hic enim innocentissimus philosophus de quo diligentius alio 180 loco fortasse dicemus. […] Socratem omnium sapentissimum esse. […]

Es folgt eine Erzählung vom Untergangs des Sokrates bis zu seinem Tod,181 der dann als Übergang zu einer ähnlich langen, lobenden Ausführung zu Platon fungiert, die unter dem Lemma doctumque [Platona] abgehandelt wird. 178 179 180

Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. dviii v. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. ei r. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. xi r.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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Doctumque] convenientissimum profecto epithetum Platoni. Quam enim doctrinae speciem ignoravit. Nam non solum Pythagorica per Philolaum et Eurytum ab Italis et Aegytiaca a sacerdotibus diligentissime laboriosissimeque cognovit. Sed et Megaris Euclydem et Cyrenis Theodorum mathematicos audivit et multa alia loca lustravit ut quicquid uspiam doctrinarum 182 inveniretur integre perciperet praeceptumque in patriam reportaret.

Doctus sei ein sehr geeignetes Epitheton für Platon, denn er habe sich in ganz verschiedenen Schulen gebildet und die erfahrenen Lehren dann zurück nach Athen gebracht. Die Kommentierung dieser Passagen findet statt, noch bevor Landino für Horaz eine ironische Sprechsituation herausarbeitet. Bis dahin geht die Kommentierung von einer Sprecherstimme aus, die sich ernsthaft mit Catius unterhält.183 184

Peccatum fateor] verba Horatii sunt.

Wir sehen also, dass Landino an Stellen, die den Platonbezug aufweisen, noch ganz ernsthaft vom Text ausgeht (also nicht als uneigentliches Sprechen charakterisiert) und darauf aufbauend seine meta-platonischen Erläuterungen einfließen lässt. Insgesamt ist die Kommentierung von Satire 2,4 Kritik am Epikureismus und Lob des Platonismus in einem. Damit zeigt sich, dass für Landino der Neuplatonismus als „Harmonisierer“185 des Epikureismus fungieren konnte. Das war in einem solchen Umfeld durchaus üblich, wie andere Untersuchungen zeigen: Eine ähnliche Gemengelage ergab sich für Lukrez, dessen „Epikureismus durch den dominanten Neuplatonismus des Ficino gefiltert“186 werden konnte. Der Erfolg des Ganzen zeigt sich an der Gestaltung des Gebäudes der Florentiner Akademie. Dort zierte der epikureisch klingende Spruch des Horaz, letus in

181

182 183 184 185 186

Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. xi r: Nunc vero id solum oraculum Apollinis Cherophonti dixisse Socratem omnium sapientissimum esse. Quae res illi summam conflavit invidiam. Praeterea cum omnes se ipsos magnificantes irrideret sibi infensum Anytum reddit. Quare et Aristophanem poetam in eum incitavit et Melytum, ut eum impietatis et corruptionis iuvenum accusaret, impulit. Tres illum accusaverunt. Anytus, qui partes opificum civiliumque tueretur. Lycon oratorum. Melytus poetarum. Sic autem scripta est in actis accusatio. Iura violabat Socrates Deos, quos civitas et institutio maiorum susceperat, deos esse negans. Alia demonia inducit. Iuvenes contra ius corrumpit. Poena sibi mors. Damnatus assumpto veneno periit. Atheniensibus eius mortis tanta poenitantia incessit, ut gymnasia et palestras clauderent, ut alios accusatores exilio, Melytum vero morte damnarunt. Socratem ipsum aerea statua a Lysippo perfecta donarunt. Anytum ab exilio redeunte Heracleotae exterminaverunt. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. xi r. Die Unernsthaftigkeit der Stimme des Horaz wird erst sehr viel später in der Kommentierung erklärt. Cristoforo Landino, Horatius, 1483, fol. xi r. Jörg Robert, „Lateinischer Petrarkismus“, 2004, 122 und 128–129. Valentina Prosperi, „Lucretius in the Italian Renaissance“, 2007, 221. Alison Brown, „Lucretius and the Epicureans“, 2001, 52 beschreibt einen ähnlichen Mechanismus für Botticellis Gemälde.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

presens (Ode 2,16,26), die Wände.187 In der Forschung wird er immer noch als „kontemplativ-platonisch“ verstanden.188 Möglicherweise hatte Landinos Kommentar einen wichtigen Schritt in diese Richtung bedeutet.

5.2.3 Zusammenfassung: Landino als Katalysator des epikureischen Horaz Nach der Analyse der hier aufgeführten Kommentierungspassagen haben sich die folgenden Tendenzen ergeben: Erstens zeigt die Art und Weise, wie Landino mit dem Epikureismus des Horaz umgeht, dass die Doktrin für ihn an sich kein Tabu ist, sondern relativ frei besprochen werden kann. Dennoch stellt sich die Assoziation des Dichters mit dem problematischen Gedankengut als Hemmschuh dar, vor allem weil Landino ihn als Tugend- und Philosophielehrer etablieren will, dessen Lektüre sich positiv auf die Moral der Menschen auswirken kann. Demnach muss sein Ziel gewesen sein, die Integrität und moralische Autorität des horazischen Sprechers zu erhalten und somit zum Retter des Horaz und seiner Leser zu werden.189 Dies hatte sich bereits in den Paratexten angedeutet. Zweitens stützt sich Landino oft auf die schon vorgegebene Tradition durch Pseudo-Acro und Porphyrio und baut ihre Referenzen und Erklärungen in seinem Sinne um, bisweilen verschweigt er sie – vielleicht, weil sich besagte Stellen als nicht eingliederungsfähig in sein Gesamtbild erweisen.190 Drittens ist seine Haltung zum Epikureismus nicht immer kohärent. An einigen wenigen Stellen ist seine Behandlung des Epikureismus relativ neutral oder sogar milde, möglicherweise da er sonst zu harsche Kritik an seinem kommentierten Autor hätte äußern müssen. Insgesamt bleibt eher der Eindruck bestehen, dass Landino dem Epikureismus gegenüber negativ eingestellt ist. Dabei ist auffällig, dass Landino für seine Kritik häufig die Stellen im Horaztext benutzt, an denen er sich selbst spöttisch distanziert mit dem Epikureismus seiner Zeitgenossen auseinandersetzt. In der Forschung wird Landino bisweilen als Retter des Epikureismus bezeichnet, wie z. B. bei Don Cameron Allan: „Of all the lesser lights in this group of late fifteenth century philosophers, Christoforo Landino alone came to the rescue of Epicurus.“191 Nach der Analyse der hier aufgeführten Passagen kann dem nicht zugestimmt werden. Es lässt sich jedoch konstatieren, dass es Landinos Kommentar im Ergebnis die moralische Autorität und philosophische Integrität des Horaz retten konnte. Dies könnte einer

187 188 189 190 191

Paul Oskar Kristeller, The Philosophy of Marsilio Ficino, New York 1943, 296. Clemens Zintzen, „Epikur in der Renaissance“, 2000, 271. Paul Oskar Kristeller, The Philosophy of Marsilio Ficino, 1943, 297. Mario Di Cesare, „Cristoforo Landino on the Name and Nature of Poetry“, 1986,159 beschreibt den Kommentator dabei als Helden, der den Dichter schadlos halten muss. In seinen Paratexten hatte er erklärt, dass er die spätantiken Kommentatoren emulieren wollte, vgl. Abschnitt 3.3.3.1. Don Cameron Allen, „Rehabilitation of Epicurus“, 1944, 9.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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der Gründe sein, weshalb dem Horaztext das dubiose Schicksal des Lukreztexts erspart blieb, für den feststand, dass dessen Urheber ein „dangerous author to admire“192 war. Viertens bleibt festzuhalten, dass, im Unterschied zur Doktrin, die er oft distanziert und scharf beurteilt, er sich der Horazpersona anders nähert. Seine primäre Strategie im Umgang mit diesem Problem ist, Horaz stets gegenüber Vorwürfen zu entschuldigen, die er selbst durch seine Erklärungen im Text sichtbar macht. Indem er so die schädlichen Elemente von ihm fernhält, fungiert Landino quasi als Katalysator des entstehenden Horazbildes. Der Epikureismus des Dichters wird bisweilen als Jugendsünde entschuldigt, in anderen Fällen das epikureische Sprechen der Horazpersona als uneigentliches Sprechen charakterisiert. Die Strategie der Entschuldigung als Jugendsünde beginnt schon in der Vita und wird von Landino häufig angewendet, wenn auch überraschenderweise nicht an Stellen wie Ode 1,4. Sie zieht sich jedoch durch das gesamte Werk. Dabei geschieht es mitunter, dass sich Inkonsistenzen im Ablauf der Gedichte ergeben und die in den Gedichten verwendeten Tempora von Landino umgedeutet werden müssen, um seine Methode gebrauchen zu können. An anderen Stellen im Kommentar geht er nicht auf diese Strategie zurück, sondern bedient sich eines zweiten Kunstgriffs: Er stilisiert die Aussagen der Horazpersona als uneigentlich und findet verschiedene Erklärungen dafür, warum der Sprecher die Aussage, die sich gefährlich nach Epikureismus anhöre, doch gar nicht so meine. Dabei strapaziert der Kommentator gelegentlich die Bedeutung des Horaztexts sehr stark, um ihn vor dem Vorwurf des Epikureismus retten zu können. Dies ist in der Forschung ebenfalls für Landinos Interpretation von Didos Tod in seinem Vergilkommentar festgestellt worden.193 Für den Kommentator handelt es sich also eine wirksame Strategie, die ebenfalls in anderen Werken Anwendung findet. Ein letztes Verfahren, epikureische Stellen zu behandeln, ist die Platonisierung. Für Landino war Horaz nach seinem jugendlichen epikureischen „Ausrutscher“ vollständig zum Platonismus gewechselt und in der Kommentierung bildet Platon als wichtigste philosophische Autorität ein Gegengewicht zu Epikur. Man kann zwar argumentieren, dass Platonisierung ohnehin zum kommentatorischen Standardrepertoire des Landino gehört, jedoch ist sie gerade deshalb für diesen Zusammenhang so wirkungsvoll, da sie eine Parallele im neuplatonischen Milieu, nämlich im Lebenslauf des Ficino findet. Landino übernimmt also hier, wie schon anhand der obszönen Stellen gezeigt, Verantwortung für seinen zu kommentierenden Dichter und die moralische Qualität der Aussagen. Dabei sollen sowohl Kommentator als auch Autor unbeschadet und unbelastet aus dem Prozess hervortreten.

192 193

Alison Brown, The return of Lucretius, 2010, vii. Arthur Field, The Origins of the Platonic Academy, 1988, 253.

226

Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

5.3 Lambins Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz Landinos Umgang mit dem Epikureismus in seinem Horazkommentar ließ darauf schließen, dass dieser für ihn und sein Umfeld keine besonders beliebte Doktrin war und Horaz davor bewahrt werden musste, zu sehr mit ihm in Verbindung gebracht zu werden. Für Lambin ist er, wie an der Diskussion um Lukrez’ De rerum natura sichtbar wird, ein mindestens ebenso heikles Thema.194

5.3.1 Lambins Lukrezedition als Wegweiser für den Umgang mit dem horazischen Epikureismus Für die Untersuchung der Behandlung des Epikureismus bei Lambin ist ein Blick auf seine Lukrezausgabe (1563) unerlässlich, eine wegweisende philologische Leistung, die Zeitgenossen wie Montaigne195 sowie vielen Forscher- und Lesergenerationen nach ihm196 eine exzellente Textgrundlage bot. Lukrez ist seine zweite Edition nach dem Horaztext und erschien vier Jahre vor der zweiten, erweiterten Ausgabe des Horazkommentars (1567).197 Auch deshalb sind die Herangehensweise Lambins und das außertextliche Umfeld, das auf beide Texte einwirkte, gut miteinander vergleichbar und es ist sehr wahrscheinlich, dass sich die Arbeit an den Editionen wechselseitig beeinflusste und ergänzte. Lambin selbst steht wie andere Kommentatoren des sechzehnten Jahrhunderts unter dem Druck, sein Interesse an dem zu kommentierenden epikureischen Text des Lukrez zu rechtfertigen.198 In Italien war besagter Autor in post-tridentinischer Zeit ein rotes Tuch,199 wie am Beispiel des Palingenius Stellatus sichtbar wird.200 Obwohl Lukrez nie 194

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Philip Ford, „Lucretius in early modern France“, 2007, 227. Fords Aufsatz ist eine komprimierte Übersicht zur Rezeption des Lukrez in Frankreich im sechzehnten Jahrhundert. Ein älterer Forschungsbeitrag zur selben Thematik ist Simone Fraisse, L’influence de Lucrèce en France au Seizième Siècle, Paris 1962, für Lambin bes. 59. Die Lukrezrezeption Montaignes ist hervorragend an der annotierten Textausgabe des Montaigne selbst zu sehen, die von Michael Screech herausgegeben wurde: Michael A. Screech, Montaigne’s annotated copy of Lucretius. A transcription and study of the manuscript, notes and pen-marks, Genève 1998. Die Untersuchung Santinis vergleicht die Lukrezbehandlung bei Lambin und Montaigne: Carlo Santini, „Lucrezio, il commento di Lambino e Montaigne“, in Carlo Santini, Fabio Stok (Hrsg.), Esegesi Dimenticate di autori classici, Pisa 2008, 37–58. George Hadzsits spricht von 300 Jahren, die die Ausgabe eine tonangebende Textgrundlage war: George Depue Hadzsits, Lucretius and His Influence, New York 1963, 271. Für die Ausgaben des Horazkommentars siehe immer noch sehr gewinnbringend Theodor Schmid, „Rezension“, 1830, 298. Jill Kraye, „The revival of Hellenistic philosophies“, 2007, 106. Valentina Prosperi, „Lucretius in the Italian Renaissance“, 2007, 214. Prosperi setzt sich in mehreren Publikationen detailliert mit der Rezeption des Lukrez in Italien auseinander: Valentina Prosperi, „Per un bilancio della fortuna di Lucrezio in Italia tra umanesimo e controriforma“, in

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auf dem Index stand,201 war die Lektüre des Texts zumindest in italienischen Schulen verboten.202 Ein Forschungsbeitrag halt dazu fest: „There is evidence that some scholars, at least in Italy, felt the need to denounce their work on Lucretius out of fear.“203 Anhand des Vorwortes des Lukrez, das im Folgenden noch detaillierter besprochen werden soll, stellt Tatiana Tsakiropoulou-Summers, deren Untersuchungen richtungsweisend für diese Arbeit sind, ein hochproblematisches Rezeptionsklima für Lukrez und epikureisches Gedankengut innerhalb des intellektuellen Milieus fest, welches besonders durch die Religionskriege zwischen Protestanten und Katholiken befeuert wurde.204 Sie fasst zusammen: „Embracing Lucretius in the volatile environment of the sixteenth century might leave oneself open to criticism on theological grounds.“205 Die französischen Zeitgenossen Lambins hatten oft einen ähnlichen Blick auf dieses Problemfeld: Pierre Galland kritisiert Lambins Freund Pierre de la Ramée für seine Verwendung von De rerum natura im Unterricht.206 Auch Jean Dorat setzt sich sehr kritisch mit Epikur auseinander.207 Wie feindlich das Klima gewesen sein muss, zeigen die Ausführlichkeit und Betonung, die Lambin seiner Apologie des Lukrez innerhalb der Widmungsvorrede an Charles IX. angedeihen lässt.208 Brisant ist zudem, dass er sich als lecteur royal in einer Position befand, die ihn ganz besonders „öffentlicher

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Sandalion 31 (2008), 191–210. Valentina Prosperi, Di soave licor, 2004. Yasmin Haskell, „Religion and enlightenment“, 2007, 195 stellt dar, dass Giordano Bruno während seines Gerichtsverfahrens wegen Häresie explizit nach seiner Verbindung zu Lukrez befragt wurde. Dies ereignete sich zwar einige Zeit nach Lambin, zeigt allerdings immer noch das Konfliktpotential des Autors und des Gegenstands. Palmer jedoch untersucht, dass selbst Inquisitoren wie Ghislieri Lukrez nie auf den Index setzen wollten, da Lukrez als Teil des klassischen Kanons sicher war. Ada Palmer, „Reading Lucretius in the Renaissance“, in Journal of the History of Ideas 73 (2012), 416. Dessen Zodiacus Vitae, der sich ebenfalls mit epikureischer Philosophie befasst, landete auf dem Index, vgl. Jacques Chomarat (Hrsg.), Palingène: Le Zodiaque de la vie (Zodiacus vitae), Genève 1996,11. Luciano Landolfi, s. v. „Lukrez, De rerum natura“, in Der Neue Pauly, Supplement 7 (2010), 487. Yasmin Haskell, „Religion and enlightenment“, 2007, 192. Alison Brown, „Lucretius and the Epicureans“, 2001,14. Wolfgang Bernard Fleischmann, „Lucretius Carus, Titus“, 1971, 352. Valentina Prosperi, Di soave licor, 2004, 99. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 58. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 57. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 59. Howard Jones, The Epicurean Tradition, 1989, 157. Philip Ford, Jean Dorat: Mythologicum, ou, Interprétation allégorique de lҲOdyssée, X–XII et de L'hymne à Aphrodite, Genève 2000, 112–113. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 46: „A close reading of Lambin’s arguments in the preface reveals the editor’s orchestrated efforts to establish the poem’s merit and rescue it from formal censorship.“ Siehe dazu: Jill Kraye, „The revival of Hellenistic philosophies“, 2007, 106. Howard Jones, The Epicurean Tradition, 1989, 157. George Depue Hadzsits, Lucretius and His Influence, 1963, 271. Eleonore Belowski, Lukrez in der französischen Literatur der Renaissance, Berlin 1934, 15. Philip Ford, „Lucretius in early modern France“, 2007, 228 unterscheidet ihn in diesem Punkt von Josse Bade.

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Bewertung und Kritik“209 aussetzte. Die Paratexte seiner Editionen waren in diesem Sinne für eine potentiell sehr große Leserschaft gedacht. Die Voreinstellung seiner Stoßrichtung musste dabei mit den gängigen zeitgenössischen moralischen Ansprüchen übereinstimmen. Dies zeigt sich vorbildlich an seiner Behandlung der lukrezisch-epikureischen Problematik in seinem Lukrezvorwort (innerhalb der Epistola dedicatoria).210 In einem ersten Schritt211 gibt er die Brisanz des Lukreztexts offen zu, dabei identifiziert er vier große Problemfelder des Epikureismus: die Sterblichkeit der Seele, das Desinteresse der Götter, die fehlende Verträglichkeit mit jeglicher Religion und die Betonung der Lust:212 At Lucretius animorum immortalitatem oppugnat, deorum providentiam negat, religiones 213 omnes tollit, summum bonum in voluptate ponit.

Er rechtfertigt die Lektüre hier wie an späteren Stellen durch die hohe Qualität des Gedichts.214 Danach führt er dessen Problematik detailliert aus, stellt dann aber die wichtige Frage, inwieweit ihn dies als Kommentator betreffen würde.215 Die direkte Verbindung zwischen Leser und Gedicht wird dabei auf besondere Weise hervorgehoben durch das num iccirco nos quoque qui eos legimus, impii sumus?216 Lambins Strategie bezieht sich darauf, dass das Gedicht ebenfalls das Gedankengut von anderen Philosophen enthielte und er die unpassenden, unchristlichen Elemente nachdrücklich ablehnen würde.217 In typisch lambinischer, zu großer Fülle neigender 209 210

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Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 64. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 46: „A close reading of Lambin’s arguments in the preface reveals the editor’s orchestrated efforts to establish the poem’s merit and rescue it from formal censorship.“ Im Folgenden Konzentration auf die Textpassagen ab fol. á3 r. Die Widmungsepistel wird durch einen dichtungstheoretischen Abriss eingeleitet, der nicht direkt mit der Lukrezapologie zu tun hat. Philip Ford, „Lucretius in early modern France“, 2007, 228. Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. á3 r. Vgl. Dorothee Kimmich, Epikureische Aufklärungen,1993, 86. Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. á3 r: Sed haec Epicuri, quem sequitur Lucretius, non Lucretii culpa est. Poema quidem ipsum propter sententias a religione nostra alienas, nihilominus poema est. Tantumne? Immo vero poema venustum, poema praeclarum, poema omnibus ingenii luminibus distinctum, insignitum atque illustratum. Lambin Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. á3 r: Hasce autem Epicuri rationes insanas ac furiosas, ut et illas absurdas de atomorum concursione fortuita, de mundis innumerabilibus et ceteras, neque difficile nobis est refutare neque vero necesse est, quippe cum ab ipsa veritatis voce vel tacentibus omnibus, facillime refellantur. At debuit ingenii sui vim ad modestiorem probatioremque disciplinam atque ad gravius argumentum conferre. Debuit, quis negat? Sed dolere et queri hoc licet, corrigere non licet. At Epicurus et Lucretius impii fuerunt. Quid tum postea? Num iccirco nos quoque, qui eos legimus, impii sumus? Diese Rechtfertigung erinnert an die lex Catulliana. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 63. Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. á3 r–á3 v: Primum quam multa sunt in hoc poemate cum aliorum philosophorum sententiis ac decretis consentanea? Quam multa probabilia? Quam multa denique praeclara

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Manier führt der Kommentator in der Widmungsepistel unzählige Beispiele für anderes problematisches antikes Gedankengut an (wie die Apollinischen Orakelsprüche). Daher dürfe das elegante lukrezische Gedicht nicht außer Acht gelassen werden.218 Schließlich hätten sich auch christliche Autoren mit Lukrez‫ ތ‬Werk und ähnlichen Schriften befasst.219 Und in einem weiteren Schritt treibt er diese Argumentationsstrategie noch weiter, indem er diejenigen Elemente der platonischen, aristotelischen und stoischen Schriften ausführt, die hochproblematisch für seine Rezeptionszeit sind. Dabei schreckt er nicht einmal davor zurück, die Knabenliebe Platons zum Thema zu machen.220 Selbst Homer kommt nicht ungeschoren davon, den er noch in seinem Horazkommentar221 als

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ac prope divina? Haec sumamus, haec arripiamus, haec approbemus. Illa, quae sunt commentitia, quae absurda, quae cum religione Christiana pugnantia, reiiciamus, aspernemur, improbemus. Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. á3 v: Deinde adeone faciles et creduli sumus, ut, quae sunt a quibuslibet scriptoribus memoriae prodita, litterisque mandata, ea vel tamquam ex Apollinis oraculo edita, vera esse iudicemus, vel tamquam ab Archimede descripta pro certis habeamus? Quod si multa quotidie fabulosa, incredibilia, falsa denique legimus vel ut animos relaxemus, vel ut in iis, quae sine controversia vera sunt, libentius acquiescamus constantiusque maneamus, quid est, quod Lucretium elegantissimum cultissimumque poetam, aspernemur? Vgl. Eleonore Belowski, Lukrez in der französischen Literatur, 1934, 15. Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. á3 v: Atqui non ita fuerunt nec inepte religiosi nec superbe fastidiosi, veteres illi Christiani, sanctissimi viri, Iustinus martyr, Gregorius Nazianzenus, Basilius Magnus, Ioan. Chrysostomus, Clemens Alexandrinus, Athenagoras, Eusebius, Cyprianus, Tertullianus, Arnobius, Firmianus, Augustinus, Hieronymus, ut scriptorem, nisi Christianum et omni ex parte gravem, castum ac verum neminem lectione dignum iudicarent. Quin et Empedoclem et Democritum et Epicurum et Lucretium et ceteros philosophos ac poetas (ut oratores et historicos taceam) tum Graecos, tum Latinos, quamvis profanos, quamvis mendaces, quamvis impios, studiose legebant. Neque id temere, aut frustra. Nam quemadmodum apes ex singulis floribus, quod est ad mel conficiendum utilissimum atque aptissimum limare ac depasci consueverunt, quod est inutile, non attingunt aut certe non degustant, ita sanctissimi illi et Christianissimi homines ex poetis Graecis ac Latinis, ex scriptoribus profanis atque a pietate Christiana remotissimis, quae ad religionem nostram propagandam atque ornandam valere existimarent, ea diligenter et accurate carpebant ac seligebant, quae repugnare sentirent, ea aut praeteribant aut respuebant.[…] Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. á4 r: Sed (ut eo, unde degressus sum, revertar) si scriptores omnes, qui religioni Christianae adversantur, reiiciendos ac damnandos esse arbitramur, ne Plato quidem nobis erit attingendus, apud quem omnia fere in utramque partem disputantur, qui uxores et liberos vult esse communes, hoc est, si verba ipsa spectemus, qui certorum et stabilium matrimoniorum usum tollit, cuius dialogo[r]um bona pars flagitiosis puerorum amoribus referta est. Ne Aristoteles quidem lectione dignus erit, qui mundum, ut numquam ortum esse, ita numquam interiturum putat, qui denique de animorum immortalitate videtur et a magistro suo Platone et a nobis valde dissidere plurimumque discrepare. Stoici, diligentissimi virtutis custodes accerimique vitiorum et voluptatis hostes, nobis erunt mortis instar fugiendi. Deum enim, rerum omnium opificem, secundarum causarum vinculis devinciunt, fati et necessitatis legibus constringunt, omni denique agendi libertate a fato separata spoliant. Quod et a Dei natura est alienissimum et a nostra religione remotissimum. Verum philosophos omittamus. Der Abschnitt befindet sich in der Widmung an Charles. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B1 r– B1 v.

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Höhepunkt der Dichtung bezeichnet hatte.222 Dabei gibt er zwar vor, die von ihm als fraglich eingestuften Passagen in der Dichtung Homers nicht weiter im Detail ausführen zu wollen, nennt dann aber gleichwohl eine lange Reihe von Beispielen für seinen Befund und identifiziert diese dann sogar als epikureisches und kyrenäisches Gedankengut.223 Nachdem er sich ausführlich mit Homer beschäftigt hat, zählt er viele weitere problematische Stellen aus den tragischen und komischen Dichtern auf. Lambin scheut dabei nicht davor zurück, mit anklagendem Zeigefinger in alle Richtungen zu verweisen. Es entsteht fast der Eindruck, dass wenig antike Dichtung überhaupt frei von Schändlichkeit sei. Nach diesem extensiven Exkurs kommt Lambin wieder auf Lukrez zu sprechen und bezeichnet erneut seine dichterischen Fähigkeiten als hervorragend, stellt ihn als Vorbild für Horaz und Vergil dar und lobt ihn für viele Elemente seiner Dichtung.224 Des Weiteren wiederholt er, dass sein Werk eine wahre Fundgrube für platonisches, aristotelisches und stoisches Gedankengut sei.225 Daher schlägt Lambin eine eklektische 222

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Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. á4 r: Homerus ipse, qui propter excellentiam commune poetarum nomen fecit suum, si in scriptore nihil, nisi sincerum, castum, religiosum, pium probabimus, saepe nobis erit de manibus ponendus atque abiiciendus. Quam multa enim sunt apud eum de Diis absurda eorumque maiestate indigna? Quam multa foeda, obscena, flagitiosa, turpia? (Quamquam magna quaedam et recondita mysteria in huiusmodi fabulis involuta delitescere non me fugit, quae non est huius loci aperire aut explicare) sed tamen cui sunt illa inaudita? Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. á4 r– á4 v: Iupiter ipse, Deorum atque hominum rex, sexcentis adulteriis, stuprisque nobilitatus? Ganymedes ab eodem propter formam raptus? Mars a Vulcano in adulterio deprehensus? Mercurius Marti complexum Veneris invidens sibique talem amoris eventum exoptans? Iuno muliebri illo dolore ex Iovis incontinentia suscepto excruciata? Venus in proelio a Diomede sauciata? Thetis et Aurora Iovem pro filiis, ne in acie cadant, deprecantes? Iam Heroibus et fortissimis totius Graeciae atque Asiae viris quam personam imponit? Quos mores attribuit? Quam orationem affingit? Iurgant inter se, conviciantur, maledicunt, libidine inflammantur, ira incenduntur, aegritudine contabescunt, plorant, lamentantur. Achilles Apollini minatur, cum Xantho fluvio decertare paratus est, iuvenibus Troianis captivis crudelissime interfectis Patroclo parentat. Eundem mortuum tantum vitae desiderium afficit, tantum mortis odium percipit, ut dicat malle se ab inferis excitatum homini non admodum copioso mercenariam operam praestare, quam mortuis omnibus imperare. Noti quidem sunt omnibus Homerici versus, sed eos tamen proferre nihil vetat. [...] Vulgatissimi sunt versus plane cum Aristippi et Cyrenaicorum sententia congruentes […]. Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. é1 v: Ad Lucretium igitur nostrum revertor, poetam egregium ac praestantem scriptoremque omnium Latinorum politissimum, vetustissimum, elegantissimum, ex quo Virgilius et Horatius non solum dimidiatos, sed integros saepe versus mutuari solent. Hic ubi de rerum primordiis, seu corpusculis individuis, de eorum motu et figuris, de inani, de imaginibus, sive simulacris quae e summo rerum corpore mittuntur, de animorum natura, de ortu obituque, siderum, de solis et lunae defectu, de fulminis natura, de arcu caelesti, de avernis, de causis morborum et multis aliis rebus disputat, subtilis, argutus, enucleatus, limatus est, in librorum prooemiis, in nonnullis similitudinibus, in exemplis, in disputationibus de morte contemnenda, de amore fugiendo, de somno et insomniis, gravis, copiosus, amplus, magnificus, elatus, ornatus est. Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. é1 v– é2 r: Quem si quis casus ad graviorem et probabiliorem aliquam disciplinam, puta Platonicam aut Peripateticam aut Stoicam detulisset, Dii immortales,

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Lesart des Texts vor, bei der er diejenigen Dinge, die problematisch seien, auszulassen vorschlägt (careamus).226 Das Argument der Brisanz Homers wird von Lambin noch ein weiteres Mal aufgegriffen in seiner Verteidigung des Lukreztexts. Dabei wird er wiederholt als Epikureer bezeichnet, der dennoch große dichterische Fähigkeiten und große Bildung besessen habe. Seine mangelnde pietas wird von Lambin freimütig zugegeben.227 Selbst wenn es einiges bei Lukrez gebe, das nicht mit Platon und der christlichen Religion übereinstimme, dürfe man dennoch nicht das Übrige verachten.228 Darauf lässt er eine überaus lange laudatio auf die Qualitäten des Lukreztexts folgen, die sowohl inhaltlicher als auch sprachlicher Natur sind.229 Das ultimative Argument für die Lektüre des Texts trotz seines Epikureismus ist die sprachliche Qualität, die sogar Ciceros und Caesars latinitas überträfe.230 Und dies wird

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quantum ex eo fructum, quantam utilitatem caperemus? Quantam sui admirationem hominibus excitaret? Quanta sui studia commoveret? Nam, si tam infelici argumento sibi proposito ac suscepto, poema tamen edidit tam praeclarum, tam illustre, tam luculentum, quid eum censemus fuisse facturum, si vel rerum Platonicarum magnitudinem ac maiestatem vel Aristotelis acumen atque ubertatem vel Zenonis gravitatem ac severitatem versibus materiae consentanes expressisset? Quantum nomen, quantam laudem, quantam gloriam consecutus esset? Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. é2 r: Quamobrem sic agamus potius. Id, quod adest, laudemus eoque fruamur, eo, quod abest, aequo animo, patienterque careamus, hoc est, huius poematis elegantiam, venustatem, pulchritudinem amemus atque amplectamur, argumenti melioris fortem in eo desideremus. Quid enim? Eos poetas, ex quibus solam curarum nostrarum oblivionem. Solamque oblectationem quaerimus, cupidissime legere solemus, poetam non modo nostros animos delectantem, verum etiam obscurissimas de rerum natura quaestiones pulcherrimis versibus explicantem, negligemus? Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. é2 r: Homerum, propterea quod in quibusdam fabularum partim turpium, partim absurdarum involucris omnium rerum naturalium atque humanarum cognitionem inclusam continere existimatur, non solum legimus, verum etiam ediscimus, Lucretium, sine fabularum, taliumque nugarum integumentis, de principiis et causis rerum, de mundo, de mundi partibus, de vita beata, de rebus caelestibus ac terrenis, non vere illum quidem neque pie, sed tamen simpliciter et aperte et ut Epicureum, ingeniose et acute et erudite et purissimo sermone loquentem non audiemus? Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. é2 r: Non enim, si multis locis a Platone dissidet, non si multa cum religione nostra pugnantia dicit, iccirco ea etiam, quae cum illorum et Christianorum sententia congruunt, spernere debemus. Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. é2 r: Quam praeclare de coercendis cupiditatibus, de sedandis animorum motibus, de mentis tranquillitate comparanda disputat? Quam subtiliter et argute eos, qui nihil percipi, nihilque sciri posse affirmant, qui sensus omnes fallaces esse dicunt, coarguit ac refellit, quam copiose sensus defendit? Quam probabiliter et, paene dicam vere, ostendit, sensuum fide labefactata atque eversa, actiones omnes humanas eodem motu conquassatas concidere et curruere. Quot et quam firmis argumentis demonstrat, sensuum veritate sublata, rationem quoque ipsam, atque adeo vitam ac salutem funditus interire? Quam pulchrae sunt apud eum descriptiones? Quam venusta (ut Graeci appellant) episodia? Quam bellae de coloribus, de speculis, de magnete, de avernis disputationes? Quam graves ad continenter, iuste, moderate, innocenter vivendum cohortationes? Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. é2 r–é2 v: Quod si quis plus aequo severus totam huius poematis sententiam ac materiam vituperabit, atque aspernabitur, solo fortassis Epicuri, quem Lucre-

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von Lambin betont, obwohl er Lukrez in der Tradition aller problematischen antiken Dichter (Leukipp, Demokrit, Empedokles, Aristipp und Epikur) verortet.231 Lambin wird sogar noch radikaler in seiner Offenheit: Alle möglichen antiken Dichter wären ohnehin selbst Heiden gewesen und man könne die Schönheit ihrer Dichtung konstatiert, ohne dass dies den eigenen Glauben beinträchtigen würde.232 Lambin erklärt, dass es nicht darum gegangen sei, die epikureische Philosophie näher zu erläutern, und diese sogar zu bewerben und als attraktiv darzustellen, sondern nur, die sprachliche Qualität des Autors Lukrez zu zeigen.233 In einer gewaltigen argumentatorischen Anstrengung versucht der Kommentator Lambin hier zu rechtfertigen, warum es angemessen und notwendig ist, die lukrezische

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tius exprimere conatus est, nomine offensus, quid de eius sermone statuemus? Quo quid purius, quid incorruptius, quid nitidius, quid elegantius dici aut excogitari potest? Equidem hoc tibi, Karole, non dubitanter affirmabo, nullum in tota lingua Latina scriptorem Lucretio Latine melius esse locutum, non M. Tullii, non C. Caesaris orationem esse puriorem. Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. é2 v: Itaque, si ita commodum est, totam sane Lucretii, hoc est Leucippi, Democriti, Empedoclis, Aristippi, quos secutus est Lucretius, philosophiam improbemus, at incredibilem verborum nitorem, at singularem sermonis elegantiam, at incorruptam Latine loquendi facilitatem admiremur, amplectamur. aemulemur. Atque utinam, Karole, utrumque simul et pietatem et linguae Graecae ac Latinae cognitionem ex unis atque eisdem auctoribus comparare possemus. Esset praeclarum sacris libris esse contentos, profanos non desiderare. Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. é2 v: Nunc autem, cum litteras quidem Graecas ex Homero et ceteris epicis, ex Sophocle et ceteris tragicis, ex Aristophane, qui solus ex tot comicis ad nos pervenit incolumis, ex Platone et Xenophonte et Aristotele et Plutarcho, ex Herodoto et Thucydide et Polybio et Dionysio Halicarnasseo, ex Lysia et Demosthene et Aeschine et aliis rhetoribus, Latinas autem ex Plauto, Terentio, Lucretio, Varrone, Caesare, M. Tullio, Catullo, Virgilio, Horatio, Tibullo, Propertio, Plinio et similibus, qui vel falsam religionem vel meram impietatem quibusdam locis spirant ac redolent, discere necesse habeamus, quid vetat, quominus hos scriptores ita tractemus, itaque legamus, ut eorum sermonis quidem divitias, lepores, ornamenta ab ipsis compilemus talibusque furtis ac spoliis, antiquorum illorum Christianorum exemplo ecclesiam Dei opt. max. locupletemus, amplificemus, exornemus, religionem autem nostram, quam ex litteris sacris, tamquam ex liquidissimo et sincerissimo fonte hausimus, incorruptam, inviolatam, atque integram conservemus? Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. é2 v–é3 r: Nam neque olim cum me litteris Latinis docendis praefecisti, eo consilio Lucretium meis auditoribus explicandum suscepi, ut philosophiam Epicuream iam explosam atque damnatam, revocarem ac restituerem neque nunc, postquam eundem me linguam Graecam docere iussisti, magno meo labore multisque vigiliis hunc eundem poetam mendis innumberabilibus maxima ex parte perpurgatum et brevibus commentariis illustratum, ea mente edendum curavi, ut homines vel a pietate Christiana avocarem vel nova religione inficerem. Non ita insanio (nam philosophiam quidem sequor et probo tum eam, quae a Platone ac Xenophonte, tum eam, quae ab Aristotele manavit, religionem autem nullam aliam neque colo neque amplector, nisi quam a Domino nostro Iesu Christo, Dei immortalis filio, generis humani servatore ac liberatore edoctus sum), sed primum ut linguam Latinam hoc ipso inopem atque egentem, quod Lucretius mendosus, laceratus ac deformatus obsolescebat, bonis eam suis et opibus avitis augerem, ditarem atque ornarem, deinde ut de omnibus omnium gentium hominibus, quos Latini sermonis mundities delectat, optimo huius linguae auctore tot mendis fere perpurgato, bene mererer […].

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Dichtung trotz aller Brisanz zu erklären. Tatiana Tsakiropoulou-Summers untersucht darüber hinaus, inwieweit sich Lambin im Kommentarteil nach dem Vorwort wirklich an seine in der Widmungsepistel formulierten Vorgaben und Apologien hält. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass es einen auffälligen Kontrast zwischen Anspruch im Paratext und Durchführung im Kommentarteil gibt.234 Lambin benutzt für die Lukrezausgabe eine ähnliche Strategie der Trennung des Dichters Lukrez vom Inhalt seiner Dichtung,235 was wir im letzten Abschnitt bei Landino beobachten konnten. Dieses Vorgehen der starken Betonung des sprachlichen Aspekts wird von Howard Jones mit der lukrezischen Metapher des mit Honig beschmierten Bechers, der einen bitteren Inhalt hat, verglichen.236 Die Forschungssituation im Bereich der Lukrezrezeption ist ausgezeichnet. Besonders hervorzuheben sind die bereits erwähnten Analysen von Tatiana TsakiropoulouSummers,237 die sich mit Lambins Lukrezkommentar und dessen Methodologie auseinandersetzt, und des Weiteren die Arbeiten von Valentina Prosperi, die sich an der Lukrezrezeption durch einen von ihr gewählten Begriff abarbeitet, dem des „dissimulatory code“, der mutatis mutandis für die hier vorliegende Arbeit relevant gemacht werden kann. Sie erklärt das Überleben des Lukreztexts trotz des feindlichen Klimas der Gegenreformation damit, dass diejenigen, die sich mit dem Text befassten und ihn retten wollten, sich eines bestimmten codes bedienten, der das große Problempotential der Texte verschleierte und so die Zensur durch die Kirche verhinderte.238 Dies war durchaus so erfolgreich, dass der Text nie auf dem Index Librorum Prohibitorum erschien.239 Valentina Prosperi stellt heraus, dass vor allem in den „Warnungen an den Leser“ ein Lippenbekenntnis-artiger Verweis auf die Anstößigkeit des Texts erfolgte, der dann aber Lügen gestraft wurde, indem mit großer Detailgenauigkeit auf den problematischen Text eingegangen wird.240 Gerard Passannante geht in dieser Deutung 234 235 236 237 238

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Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 46. Howard Jones, The Epicurean Tradition, 1989, bes. 157–162. Howard Jones, The Epicurean Tradition, 1989, 162. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001. Valentina Prosperi, „Lucretius in the Italian Renaissance“, 2007, 214: „In the short term this provided a defence against the risk of an official condemnation of Lucretius; but, in the long run, the dissimulatory code brought about a change not only in the nature of the response to the DRN but also in the perceptions of later centuries, leading sometimes to the assumption that there is little to report of sixteenth-century responses to DRN.“ Valentina Prosperi, „Lucretius in the Italian Renaissance“, 2007, 214. Valentina Prosperi, Di soave licor, 2004, 99. Valentina Prosperi, Di soave licor, 2004, 115 fasst ihre Theorie des codice dissimulatorio folgendermaßen zusammen: „Abbiamo insistito sulla necessità di un ‚codice dissimulatorio‘ quale condicio sine qua non della circolazione di Lucrezio. Stabilire se e in che misura queste dissimulazioni discendessero da una radicata convinzione degli interessati, o non si riducessero piuttosto a un mero lip-service a beneficio della censura è un’operazione ovviamente da condursi caso per caso.“ Ihre Untersuchungen sind zwar eigentlich auf das italienische Milieu nach 1500 bezogen, dennoch sind sie sehr gewinnbringend auf Lambins Vorgehensweise zu beziehen, siehe außerdem Valentina Prosperi, „Lucretius in the Italian Renaissance“, 2007, 215. Dagegen betont George Depue Hadz-

234

Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

noch einen Schritt weiter und interpretiert die Vorgehensweise Lambins als ein bewusstes Imitieren des Texts und des epikureischen Hintergrundes des Lukrez, der durch seine textuelle Beschäftigung mit dem Epikureismus geradezu selbst zum Epikureer werde.241 Die Ausführlichkeit der Argumentation, die regelrechte Schlammschlacht, die Lambin sogar um die verehrtesten Dichter der Antike beginnt, sowie sein Unwillen, seinen paratextuellen Vorgaben innerhalb des Kommentarteils zu folgen, lässt erneut vermuten, dass möglicherweise eine subversive Interpretationsmöglichkeit für die Lukrezausgabe gegeben ist, die auch anhand der Horazausgabe untersucht werden kann. In der Horazedition erwähnt Lambin hingegen die Problematik des Epikureismus in den Paratexten mit keinem Wort und verschweigt damit, was bei Landino noch so offensiv vorgestellt wurde und er selbst für den Lukreztext offen zugeben wird.

5.3.2 Strategien des Umgangs mit dem Epikureismus im Horazkommentar Lambins Im Folgenden sollen die Strategien Lambins im Umgang mit dem Epikureismus innerhalb des Horazkommentars gezeigt werden. Ein allgemeiner Trend ist augenfällig: die Verschlagwortung von Stellen als epikureisch, egal ob negativ oder positiv, beginnt bei Lambin, besonders im Vergleich mit Landino, auffallend spät. Sie ist vor allem auf die Kommentierung der hexametrischen Dichtung beschränkt und findet kaum im Rahmen der Oden-Kommentierungen statt. Sie passt ferner hervorragend zur gleichzeitigen Selbstdarstellung Lambins als christlicher Kommentator. Metakommentarische Äußerungen zur Behandlung des Epikureismus gibt es in Lambins Horazausgabe, im Unterschied zur Lukrezausgabe nicht, jedoch lehnen sich die Strategien in den Oden an die Programmatik aus Lambins Lukrezvorwort an. Die Behandlung des Epikureismus unterscheidet sich davon in den Satiren und Episteln eklatant.242 In den hexametrischen Gedichtkommentierungen wird das Thema häufiger und weniger negativ gezeigt und dabei oft neutral mit anderem antiken Gedankengut kontextualisiert. Letzteres führt dazu, dass den Lesern die Entscheidung über die Plausibilität der Aussagen überlassen wird, obwohl Lambin als christlicher Kommentator, als der er sich geriert, dies eigent-

241 242

sits, Lucretius and His Influence, 1963, 271, dass es sich dabei eben nicht um eine Verteidigung des Epikureismus handele. Dem folgt Philip Ford, „Lucretius in early modern France“, 2007, 228– 229. In den folgenden Untersuchungen innerhalb des Horazkommentars und mit Rücksicht auf die Behandlung der obszönen Stellen schließt sich diese Arbeit hingegen der Interpretationslinie Prosperis an. Gerard Passannante, The Lucretian renaissance. Philology and the afterlife of tradition, Chicago 2011, 92, 94 und 107. Dies würde der programmatischen, jedoch fehlleitenden hochmoralischen Kommentierung der obszönen Gedichte entsprechen, da sich Lambin auch hier am Beginn des Kommentars moralisch einwandfrei stilisiert.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

235

lich ablehnen und eindeutig verurteilen müsste. Diese Erwartung an Lambin wird durch einen Blick auf sein Umfeld weiterhin bestätigt. Auch hier zeichnet sich also ein Bruch innerhalb des Kommentars ab, wie schon bei den obszönen Stellen. Die Haltung Lambins zum Epikureismus folgt keiner klaren Linie. In diesem Zusammenhang muss ein stärkeres Gewicht auf die inhaltliche Aussagekraft der Kommentare gelegt werden. Nach einer Betrachtung der religionstreuen Selbstdarstellung und des Kommentierens soll ein Blick auf die dazu passende Vermeidung der Erwähnung des Epikureismus und die Kommentierungen derjenigen Stellen geworfen werden, die den Epikureismus negativ darstellen. Danach werden die Passagen ins Blickfeld rücken, in denen Lambin den Epikureismus behandelt, dabei allerdings nicht moderierend eingreift, um eventuelle Leseeindrücke auf moralisch richtigem Kurs zu halten. Dabei stört es den Kommentator oft nicht, Horaz selbst als Epikureer darzustellen, eine Assoziation, die Landino noch mit großer Anstrengung vermieden hatte. Es soll außerdem kurz auf die Technik des Verweisens innerhalb des Kommentars und auf die Entwicklung der hier gezeigten Tendenzen in der zweiten Ausgabe von 1567 eingegangen werden, bevor mögliche Erklärungen für diese Brüche in den Blick kommen. 5.3.2.1 Die Selbstdarstellung des Lambin als christlicher Kommentator Lambins Verhalten lässt sich in Bezug auf den horazischen Epikureismus dadurch charakterisieren, dass er zunächst eine Selbstdarstellung betreibt, wie schon bei den obszönen Stellen, die ihn möglicher Vorwürfe des Verstoßes gegen soziale Normen enthebt.243 In der Widmungsepistel seiner Lukrezausgabe gab sich Lambin, wie bereits zu sehen war, große Mühe, sich selbst dezidiert als Christ zu bezeichnen.244 Im Horazkommentar präsentiert er sich außerdem eingebunden in ein Netzwerk von kirchlichen Autoritäten: Er geriert sich als Schützling und intimer Vertrauter des Kardinals de Tournon, dem er die Satiren und Episteln widmete. Darüber hinaus war Germain de Vaillant, der spätere Bischof von Orleans (also ebenfalls eine bedeutende Persönlichkeit),245 Teil seines Netzwerkes.246 243

244 245

246

Vgl. Abschnitt 4.4.2.1. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 69 zeigt anhand des Lukrezvorwortes, dass es schon Lambins Pflicht als lecteur royal gewesen sei, sich nicht gegen christliche Werte zu stellen. Für diese Untersuchung müsste man dies jedoch nuancieren: Lambin steht als lecteur vor allem in der Pflicht, sich selbst als Christ zu zeigen. Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. gvi v. Doris Delacourcelle, „Germain Vaillant de Guélis, Abbot of Paimpont (1516–1587)“, in Bibliothèque dҲHumanisme et Renaissance 16 (1954), 343. Delacourcelles Einschätzung ist, dass er ein strenger Anhänger des Glaubens war: „[…] for many are the writers who mark their admiration for the devoted manner in which he observed the rites of the Church.“ Ihm widmete er das dritte Buch seiner Lukrezedition: Denis Lambin, Lucretius, 1563, Aa3 v–Aa4 r und seine Plautusedition: Marcus Accius Plautus, Denis Lambin, Ex Fide, Atque Auctoritate Complurium Librorum Manu Scriptorum Opera Dionys. Lambini Monstroliensis emendates, ab eodemque commentariis explicatus, & nunc primum in lucem editus, Lutetiae apud Ioannem

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

Es ist erkennbar, dass sich der Kommentator auch im Horazkommentar bisweilen als christlich und regelkonform darstellt. Die Christianisierung des Kommentators führt jedoch nie zu einer Christianisierung des kommentierten Autors Horaz. Lambin nimmt bewusst in Kauf, dass eine Inkompatibilität zwischen Horaz und den Sitten der Rezeptionszeit bestehen bleibt. Horaz wird dafür allerdings nicht verurteilt oder korrigiert. Lambin selbst rettet sich durch wiederkehrende Bekenntnisse zum Christentum, die – und das sollte nicht unerwähnt bleiben – im Vergleich zum epikureischen Kommentieren höchst selten im Kommentartext auftauchen. Ode 1,4 Ode 1,4 ist für Lambin nicht nur im Hinblick auf die obszönen Stellen ein Ort für sittenkonforme Selbstdarstellung. Diese kann in Bezug auf den Problemfall des Epikureismus sogar noch durch eine christliche Komponente ergänzt werden. Lambin stellt sich anhand des Lemmas Fabulaeque manes] in Ode 1,4,16 als Christ dar. Darüber hinaus verbindet er christliches und antikes Gedankengut, besonders anhand von Zitaten von Plato, Cicero, Sallust und Kallimachos.247 Er fasst seine Ausführungen folgendermaßen zusammen: Fabulaeque Manes] […] Homerus tamen et tragici poetae et ceteri fere tum Graeci, tum Latini, inferos et poenas post mortem in improbos et impios constitutas comprobant. De quibus dubi248 tare nobis Christianis est nefas.

Homer und die Tragiker und fast alle übrigen griechischen und lateinischen Dichter hätten die Unterwelt und die Strafen nach dem Tode nur für schlechte und unfromme Menschen beschrieben. Christen wie ihm sei in diesem Zusammenhang keinerlei Zweifel erlaubt. Seine Vorsicht und die Thematisierung des Christentums machen ihn daher in einem gewissen Sinne unantastbar und befreien ihn von möglichen Vorwürfen der Unfrömmigkeit. Dies ist an dieser Stelle besonders wirksam, da Ode 1,4 in der Edition früh erscheint und dort einen möglichen Sittenwächter beruhigen konnte.249

247 248 249

Macaeum 1576, †ii r–†ii v. Im Gegenzug verfasste dieser ein Widmungsgedicht auf die zweite Horazausgabe: Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. †vi v. In der Widmungsvorrede des dritten Buches De rerum natura setzt sich Lambin intensiv mit der lukrezischen Doktrin von der Sterblichkeit der Seele auseinander, die im Zentrum des dazugehörigen Buches steht. Die Anrede an Germanus Valens wirkt in diesem Zusammenhang als Absicherungsmaßnahme für den Kommentator, der seine Kommentierung in orthodoxe Zusammenhänge stellt. Die Autorität des Bischofs wirkt glättend und entproblematisierend, wovon Lambin innerhalb des Kommentartexts zu Horaz Gebrauch machen wird. Cyril Baileys Kommentar gibt eine gute Übersicht über die Struktur von Buch 3 und dessen Argumentation gegen die Unsterblichkeit der Seele: Cyril Bailey, Titi Lucreti Cari De Rerum Natura Libri Sex, Oxford 1947, 984–985. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. d2 v–d3 r. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 48 stellt dies ebenso für die Lukrezedition fest. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. d3 r. Dort war auch der verecundus lector angesprochen worden, vgl. Kapitel 4.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

237

Ode 3,30 Eine weitere Passage, in der sich Lambin als christlich darstellt, ist außerdem schon im Vorgriff auf später folgende Analysen wegweisend. Lambin formuliert hier wieder, dass er selbst zwar Christ sei, dies für Horaz allerdings nicht feststellbar ist. Ode 3,30 steht im Gegensatz zu den anderen aufgezählten normkonformen Kommentierungen nicht in einem epikureisch aufgeladenen Kontext, ist aber dennoch für unsere Zusammenhänge höchst relevant, da sie sich mit der Sterblichkeit der Seele auseinandersetzt und mit der Frage, ob Horaz diesem Glauben angehangen habe. Lambin geht dabei vom Lemma vitabit Libitinam] (V. 7) aus, das auf eine Passage folgt, in der Horaz postuliert, nicht durch seinen Ruhm unsterblich zu werden (V. 6–7): non omnis moriar multaque pars mei vitabit Libitinam. […]

Es würde sich hier nun eine hervorragende Ausgangslage dafür bieten, Horaz als orthodox zu kommentieren. Lambin tut überraschenderweise genau das Gegenteil: Vitabit Libitinam] erit immortalis, mortem effugiet. […] Sed utrum hoc sentit Horatius animum esse immortalem, quemadmodum nos Christiani credimus, an id significat, se laude et gloria libris suis parta perpetuo victurum? Quod sane credibilius est. Nam Horatius quidem animorum immortalitatem nusquam probat, eam autem immortalitatem solam novit, quae sit in memoria vivorum posita, quemadmodum omnes fere veteres existimabant, praeter Platonem et 250 paucos alios. […]

Lambin erläutert zwei Möglichkeiten für Horaz‫ ތ‬Erwähnung der Unsterblichkeit: Erstens wäre es denkbar, dass Horaz tatsächlich nach Christenart, wobei sich Lambin in diese Gruppe mit einschließt, an die Unsterblichkeit der Seele glaube (quemadmodum nos Christiani credimus), oder, was wahrscheinlicher sei (quod sane credibilius est), dass er nur an die Unsterblichkeit im Sinne des Nachlebens im Gedächtnis der Lebenden glaube, wie dies in seiner Zeit üblich gewesen sei. Horaz hätte an keiner Stelle die Unsterblichkeit der Seele wirklich bewiesen. Nur Platon und einige andere hätten definitiv an die Unsterblichkeit der Seele geglaubt. Lambin vollzieht hier also gleichzeitig zwei Dinge in seiner Kommentierung: er selbst verortet sich als Christ, Horaz spricht er hingegen den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele ab. Dies wird plausibilisiert, indem auf die Sitten der Zeit verwiesen wird. Gerade die Prominenz und Wichtigkeit dieser Ode, die das dritte Buch der Oden beschließt und den ewigen Ruhm des Dichters beschreibt, erhöhen jedoch noch das problematische Potential, das genau diese Aussage des Lambin hervorruft. Ganz anders als Landino, der noch versucht hatte, Horaz an die Moralvorstellungen der Zeit anzupassen, lässt Lambin hier bewusst einen Bruch entstehen.

250

Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. tt4 r.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

Satire 2,6 Die epikureische Doktrin von der Sterblichkeit der Seele hatte sich vielfach bei Landino und in Lambins Lukrezvorwort als sehr problematisch und als schwer zu vereinbaren mit christlichen Vorstellungen erwiesen. Sie wird in Lambins Kommentierung zu Satire 2,6 detailliert erläutert, allerdings nicht als epikureisch identifiziert, wie es Landino getan hatte. Ausgangspunkt ist die horazische Aussage in V. 93–94, wo alle Seelen als sterblich bezeichnet werden: […] terrestria quando mortalis animas vivunt […]

Hier ergeht sich Lambin in einer längeren Erklärung, in der er die Passage als nicht kompatibel mit christlichen Auffassungen vorstellt und sie außerdem mit Plato zurückweist. Terrestria quando Mortalis] id est quandoquidem animalia terrestria mortales animos habent. […] Putabant enim nonnulli veteres, animum nihil aliud esse quam ventum. Cum homines autem terrestria sint animalia, videtur Horatius hominum quoque animos mortales esse arbitrari, quae sententia non modo a religione Christiana est aliena, verum etiam a Platone improbata ac reiecta. […] Plato quidem in Phaedro et Phaedone plurimis argumentis ita esse probare conatur. sed neque illa ita firma sunt, ut refelli non possint et non minus ad ceterarum animantium quam ad hominum animos videtur pertinere. Christiani igitur hominis est, cum haec quaestio a philosophis disputetur in utramque partem, sacrarum litterarum auctoritatem 251 nudamque veritatem amplecti, rationes humanas ad eam confirmandam non desiderare.

Die Kommentierung der Stelle erinnert an das Lukrezvorwort, in dem manche epikureischen Gedanken als nicht übereinstimmend mit christlichen und platonischen Vorstellungen bezeichnet werden. Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Name Epikurs in den nonnulli veteres miteingeschlossen ist. Lambin stellt hier die Verbindung nicht her und verschweigt die epikureische Referenz.252 5.3.2.2 Unterdrückung von epikureischen Referenzen Die christliche Selbststilisierung Lambins geht oft mit einer gleichzeitigen Unterdrückung von möglichen epikureischen Erklärungen, wie sie u. a. in der Tradition der spätantiken Kommentatoren oder Landinos zu finden sind, einher. Ganz im Gegensatz zu Landino hält sich Lambin auffälligerweise am Beginn seiner Edition mit Kommentaren zum Epikureismus zurück: Erst in Ode 1,17 thematisiert er die Problematik, wenn auch nur kurz durch eine Ciceroreferenz, und geht später nur in Ode 1,34 ausführlicher darauf ein. Alle anderen lyrischen Gedichte bleiben ohne Verweis auf das Themenfeld 251 252

Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. NN1 v. Ein weiteres Mal erwähnt Lambin eine christliche Begrifflichkeit. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. D1 r: Er erklärt zu Ode 4,12,11, dass einige die Gottheit Pan für Christus hielten: Delectantque Deum] […] Non defuerunt Christiani homines, qui hunc Pana Christum fuisse putarint, magnum omnium mortalium pastorem et servatorem […].

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Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

des Epikureismus: Oden 1,3,253 1,4,254 1,9255 (und später 2,3256 und 2,11257). Die Kommentierung der lyrischen Dichtung erweckt dabei den Eindruck, dass Lambin sich im ersten Teil seines Kommentars große Mühe gibt, Horaz und Epikureismus nicht miteinander in Verbindung zu bringen. Möglicherweise hält Lambin dies nicht für den Ort, um gewichtige philosophische Themen zu besprechen.258 Auch in den Satiren und Episteln wird bisweilen die Erklärung von epikureischem Gedankengut unterdrückt. Dies geschieht innerhalb der Kommentierung von Satire 2,8,259 Epistel 1,15260 und Epistel 1,16.261 Ode 1,4 Ode 1,4 ist schon im Zusammenhang mit der Kommentierung der obszönen Stellen besprochen worden und kann ebenso gewinnbringend im Hinblick auf die vorhandene Leerstelle betrachtet werden. Landino befasste sich explizit mit der epikureischen Tradition dieser Ode. Bei seinem französischen Pendant hingegen bleibt dies aus. Er liest, wie schon Landino, Ode 1,4 als Ermahnung zu Genüssen, wie sich an der Formulierung des argumentum zeigt: Adventu veris et communi moriendi conditione proposita hortatur ad voluptates.

262

Eigentlich müssten wir also die Identifikation des Inhalts der Ode als epikureisch erwarten, galt doch die Verabsolutierung von Genüssen für ihn als ein Kernproblem dieser Doktrin, wie anhand des Lukrezvorworts sichtbar war.263 Darüber hinaus enthält sie einen Todesdiskurs, der zumindest das Potential hat, bedenklich zu sein, da der Tod als Endpunkt gedacht zu sein scheint und nicht wie in christlicher Lesart als Übergangspunkt in ein Leben nach dem Tod – insgesamt also in Bezug auf das enthaltene 253 254 255 256 257 258

259 260 261 262

263

Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. c1 r–c4 v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. c4 v–d3 v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. f3 r–f4 v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. v3 r–v4 r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. z2 v–z4 r. Dies könnte durch den zeitgenössischen Lyrik-, Lied- und Musikdiskurs beeinflusst sein. Die Themen der lyrischen Dichtung, die beispielsweise von Ronsard in Anlehnung an Horaz verfasst wird, sind oft leichter, vgl. Myriam Suzanne Rion, Die Idee der Verbindung von Musik und Poesie im Frankreich des 16. Jahrhunderts – das musikalische Supplement zu Pierre de Ronsards Amours (1552), Dissertationsschrift, München 2001. Rion belegt das an diversen Beispielen in ihrer Untersuchung zum französischen Dichtungs- und Musikkonzept. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. kk3 v–ll2 v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. xx2 r–zz1 r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. zz2 v–AA2 v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. c4 v. Bei Eckart Schäfer, Deutscher Horaz, 1976, 111 wird dieses argumentum im Rahmen der jesuitischen, purgierten Schulausgaben als Warnung gedeutet. Da diese jedoch aus der Ausgabe des Muret übernommen sind und gerade nicht aus jesuitischer Feder stammen, ist dies wenig wahrscheinlich. Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. á3 r. Zitat siehe oben.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

philosophische Gedankengut eine höchst problematische Ode. Entgegen seiner sonstigen Vorgehensweise, in der Lambin oft akribisch und schonungslos seinem philologischen Handwerk nachgeht, tut er dies gerade hier nicht. Er ermöglicht sein Kommentieren vermutlich erst dadurch, dass er den Text trotz detaillierter Erklärungen der einzelnen, sehr epikureisch klingenden Motive an keiner Stelle mit dem Begriff des Epikureismus in Verbindung bringt. Im letzten Lemma Et mox virgines tepebunt] gibt es einige Ausgangspunkte, die diese Verbindung nicht unplausibel machen würden. Landino hatte die Ermahnung zum Trinken und zu den Genüssen explizit mit Horaz’ Epikureismus erklärt. Lambin vermeidet dies, wie an folgenden ausgewählten Lemmata gezeigt werden soll: Et mox virgines tepebunt] et quem mox virgines exoptabunt, cuius amore erunt incensae. To264 tius igitur huius loci ab illis verbis: „nunc decet aut viridi“ etc. usque ad extremum, haec sententia est: Tantisper dum tempus anni patitur et vita suppetit, epulandum et bibendum est atque ex floribus confectae corollae capiti imponendae sunt. Omnibus enim peraeque moriendum est et haec vita brevissima est. Iamiam tempus adventat, cum tibi sit moriendum. Quod quidem cum evenerit neque amplius bibere neque amare erit integrum. Sed hac de re alibi plura. Est enim sententia tum ab hoc poeta, tum ab aliis multis saepe decantata. Vide Od. 9 huius 265 libri. […]

Die Paraphrase des Oden-Inhalts und die Lemmata machen den problematischen Gehalt völlig sichtbar. Es geht um Begehren und das Ausleben von Trink- und Essgenüssen, solange man lebe, denn nach dem Tode sei dies alles nicht mehr möglich. Lambin führt sogar aus, dass Horaz Aussagen dieser Art öfter träfe, wie beispielsweise in Ode 1,9. Bis hierher hat Lambin trotz der Sichtbarmachung der epikureisch wirkenden Elemente dieser Ode die Verbindung zum Epikureismus nicht hergestellt. Indirekt kann er Horaz zudem durch die eben genannte Stelle noch weiter vom Vorwurf des Epikureismus entlasten, da die von ihm angeführte Unterweltsvorstellung ausdrücklich nicht mit dem für den Epikureismus identifizierten Merkmal der Sterblichkeit der Seele übereingeht. Ode 1,9 Wie Ode 1,4 behandelt Ode 1,9 das Thema der voluptas. Wieder verweist Lambin im argumentum auf das hedonistische Thema der Ode: Hieme indulgendum voluptati.266 Ebenso wie in Ode 1,4 fällt der Begriff des Epikureismus nie, trotz der epikureisch anmutenden Einleitung im argumentum. Implizit scheint sich Lambin mit der Thematik dennoch auseinanderzusetzen, indem er den horazischen Text wieder zum Ausgangspunkt dafür nimmt, Horaz als Nicht-Epikureer darzustellen, der auf die providentia der Götter vertraue:

264 265 266

Hor. Ode 1,4,9. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. d3 v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. f3 r.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

241

Permitte divis] videtur hoc loco Deorum providentiam et procurationem rerum humanarum probare, non item Sat. 5 lib. 1: „credat Iudaeus Apella, | non ego. Namque Deos didici secu267 rum agere aevum“, quem versum a Lucretio mutuatus est lib. 5 et 6, ut ostendemus suo loco. Vult igitur hoc loco Horatius, dierum accessionem ad vitam superiorem, id est vitae lon268 gitudinem hominibus a fortuna donari.

Die fehlende providentia der Götter war einer der großen Kritikpunkte Lambins an Lukrez, wie er in der Widmungsvorrede an den König dargelegt hatte.269 Darüber hinaus setzt der Kommentator in seiner Erklärung den Tod gleich mit der accessio ad vitam superiorem, die christlich anmutet und den Text entproblematisiert. Obwohl Lambin den Epikureismus des Horaz an dieser Stelle nicht thematisiert, arbeitet er sich doch implizit an ihm ab, indem er christliche, dem Epikureismus widersprechende Bedeutungsnuancen in den Text hineinträgt. Ode 2,3 und Ode 2,11 Wie bereits bei Landino besprochen, enthalten auch Ode 2,3 und Ode 2,11 Gedankengut, das mit der epikureischen Lehre eng verwandt zu sein scheint. Dies ist an den argumenta in Lambins Kommentar sichtbar, die beide die Aufforderung zu einem Leben in Freude thematisieren. Ode 2,3 betont dabei den Aspekt der Gleichmütigkeit: Neque demittendum adversis neque efferendum secundis rebus animum, sed hilariter viven270 dum, cum aequa sit omnibus moriendi conditio.

Ode 2,11 nimmt ein eher sorgenfreies Leben in den Fokus: Omissis curis iucunde vivendum esse.

271

Beide Beschreibungen erinnern stark an das zentrale epikureische Konzept der ataraxia, in den einzelnen Kommentierungen jedoch findet der Epikureismus keinerlei Erwähnung, obwohl es, wie bei Landino gesehen, durchaus viele Stichwörter im Horaztext dazu gegeben hätte. Satire 2,8 Das letzte Beispiel innerhalb der Satiren-Kommentierungen, das den Epikureismus nicht erwähnt, obwohl er klar in ihrer Tradition verankert ist, ist Satire 2,8. Für sie kann ein relativ kurzes Fazit gezogen werden: Pseudo-Acro bezeichnet sowohl Nasidienus272

267 268 269 270 271 272

Hor. Sat. 1,5,100–101. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. f3 v. Zitat siehe oben, Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. á3 r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. v3 r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. z2 v. Ps.-Acro Comm. Hor. Sat. 2,8,1: Nasidienus […]. Nam hoc ex sequentibus apparet, quod idem sit Nasidienus Epicureus.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

als auch Curtillus273 als Epikureer, Lambin führt diese Identifikation hingegen nicht durch.274 Dies ist besonders deshalb erstaunlich, weil er sich sehr detailliert mit dieser Referenz bei Catius in Sat. 2,4 auseinandersetzt, wie noch zu zeigen sein wird. Epistel 1,15 Obwohl bei Pseudo-Acro das letzte Lemma der Kommentierung des Horaztexts, das bene vivere (Epist. 1,15,45: vos sapere et solos aio bene vivere), epikureisch unterfüttert wird,275 tut Lambin dies explizit nicht und vermeidet die Erwähnung des Schlagwortes Epikureismus, obwohl er immerhin eine Cicero-, eine Lucilius-, eine Platon- und eine Aristotelesreferenz einfügt. Die Leerstelle des Epikureismus ist dadurch noch auffälliger. 5.3.2.3 Negative Urteile über Epikureismus Im Folgenden werden die Passagen fokussiert, an denen Lambin in Übereinstimmung mit seiner Selbststilisierung als sittenstrenger christlicher Kommentator einen negativen Eindruck vom Epikureismus hinterlässt, obschon er innerhalb der einzelnen Lemmata häufig sehr viel Raum einnehmen wird. Besonders Ode 1,34 und Satire 2,4 zeigen, dass sich die kritische Haltung gegenüber dem Epikureismus vor allem aus der Kritik des Horaz selbst ergibt. Ode 1,17 Epikur wird bei Lambin namentlich erstmals in Ode 1,17 erwähnt, zu einem späteren Zeitpunkt also, und ist sehr negativ gestaltet. Der Kommentator zitiert eine Aussage Ciceros, der sich auf den angeblichen Scherz Epikurs (iocandi causa) stützend die Götter als durchscheinend bezeichnet. Dies findet anhand der Erläuterung des Attributs vitreus statt (V. 20): Penelopen vitreamque Circen.

Lambin paraphrasiert die Aussage des Horaz und erläutert sie näher: Vitream] vel splendidam instar vitri et ita formosam vel pellucidam, quales ab Epicuro Deos inductos esse scribit M. Tull. De divinat. 2 his verbis: „Deos enim ipsos iocandi causa induxit 276 Epicurus pellucidos et perstabiles“ etc. quos alibi „ȝȠȞȠȖȡ੺ȝȝȠȣȢ“ appellat vel marinam. 277 Aqua enim corpus est įȚĮijĮȞ੻Ȣ ut vitrum.

273 274 275 276 277

Ps.-Acro Comm. Hor. Sat. 2,8,52: ] Proprium nomen Epicurei. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. KK1 v–LL2 v. Ps.-Acro Comm. Hor. Epist. 1,15,45: Potest Epicureos dicere, qui ait (leg. aiunt) divitias ut non appetendas, ita nec spernandas, si contigerint. Cic. Div. 2,40. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. l2 v.

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Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

Lambins erste Erwähnung des Epikureismus erfolgt mit Bezug auf eine Passage, die in der Tradition nicht epikureisch identifiziert wurde, und stellt ihn hier negativ und als nicht ernst zu nehmen dar. Ode 1,34 Für die humanistischen Kommentatoren des Horaz ist Ode 1,34 von besonderer Bedeutung, wenn es um die Verortung des antiken Autors innerhalb eines orthodoxen Kontexts geht. Dies hatte sich schon an Landinos Auseinandersetzung mit dem Gedicht gezeigt und wird in der Forschung ebenso für andere Kommentatoren der Renaissance festgestellt.278 „Der Ton entschiedener lebensphilosophischer und religiöser Selbstaussage, der Eindruck von Umkehr und Poenitenz gab dem Text zumal in christlichem Kontext eigene Bedeutung.“279 Lambin reiht sich in diese Tradition ein. In Ode 1,34 bringt er im Verlauf des Kommentars zum zweiten Mal den Epikureismus des Horaz zum Vorschein, und zwar wesentlich direkter und umfassender als noch in Ode 1,17. Der Epikureismus des Horaz wird hier, ausgehend vom Text, negativ bewertet und in dessen Vergangenheit verortet. Dies beginnt bereits auffällig in der Formulierung des argumentum, das eine Paraphrase der pseudo-acronischen Erklärung ist:280 Penitere se, quod, dum Epicuream disciplinam sectaretur, parum studiose Deos coluerit.

281

Es reue Horaz, fasst auch Lambin zusammen, dass er, als er noch Anhänger des Epikureismus war, die Götter zu wenig gewissenhaft verehrt habe. Diese Lesart setzt sich im ersten Lemma der Kommentierung fort, wobei sich dies wie eine Paraphrase des argumentum liest: Parcus Deorum] dicit se, qui antea non satis pie neque religiose deos immortales coluerit, Cyrenaicae et Epicureae sectae praeceptis ac decretis imbutus sententiam consiliumque nunc 282 necessario mutare, Deorum metu non inani perterritum.

Auch hier thematisiert Lambin die Konversion des Horaz, der sich vorher non satis pie und religiose der Verehrung der Götter gewidmet habe, solange er der kyrenäischen und epikureischen Schule angehangen habe. Er habe dann aber notwendigerweise seine Einstellung geändert, da er durch berechtigte Furcht vor den Göttern dazu angestachelt

278

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Helmut Krasser, „Büßer, Spötter oder Künstler“, 1996 untersucht die verschiedenen wissenschaftlichen Behandlungen von Ode 1,34 zwischen 1500 und 1800 und nimmt dabei auch Lambin in seinen Fokus. Für die protestantische Rechtfertigung in Deutschland vgl. Eckart Schäfer, Deutscher Horaz, 1976, 48–50. Helmut Krasser, „Büßer, Spötter oder Künstler“, 1996, 315. Ps.-Acro: Comm. Hor. Ode 1,34,1: Parcus deorum cultur] Minus colens, sed hac ode significat penitere se, quod, dum Epicuream sectam sequitur, diis inreligiosus extiterit. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. r1 v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. r2 r.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

worden sei. Dazu passt außerdem die weitere Erklärung innerhalb des Kommentars, die die epikureische Religionsvorstellung als alle anderen Religionen ablehnend erklärt.283 Insanientis dum sapientiae] […] Sapientiam autem insanientem intelligit Epicuream aut Cyre284 naicam, quae praeter cetera docet contemnere omnes religiones. […]

Erneut werden kyrenäische und epikureische Doktrin in eines gebracht und als deren Charakteristikum die fehlende Götterverehrung erwähnt. Das contemnere omnes religiones begegnet dem Leser noch einmal im Lukrezvorwort an den König als At Lucretius […] religiones omnes tollit […]285 und gehört zu den Standardaussagen Lambins zum Epikureismus. Die Wertung der früheren Haltung des Horaz ist durch die von Lambin verwendeten Adjektive klar negativ und antiepikureisch. Dies verstärkt sich noch, wenn Lambin anhand des Lemmas Plerumque per purum] die zum Horaztext im Widerspruch stehende Aussage des Lukrez widerlegt. Horaz hatte in diesem Vers beschrieben, dass sein Sinneswandel durch einen Blitz aus heiterem Himmel hervorgerufen wurde (V. 7): Plerumque per purum] hoc negat Lucret. lib. 6 fieri posse his verbis: „Fulmina gignier e crassis alteque putandum est | nubibus extructis, nam caelo nulla sereno | nec leviter densis mit286 tuntur nubibus umquam.“ Idem paulo post: „Denique cur numquam caelo iacit undique puro 287 | Iupiter in terras fulmen sonitusque profundit?“ Sallustius tamen Hist. de bell. Catilinar. 288 narrat M. Herennium die sereno fulmine ictum esse.

Lukrez verneine den Umstand, dass ein Blitz aus heiterem Himmel niedergehen könne, und Lambin veranschaulicht diese Aussage gleich anhand von zwei Zitaten. Dagegen wird jedoch die Autorität des Sallust gesetzt, der bezeuge, dass der Blitz dennoch so möglich sei.289 Helmut Krasser interpretiert die Kommentierung als Absage Lambins (gestützt auf Horaz) an Lukrez’ epikureische Theorie der Blitze im sechsten Buch De rerum natura.290 Diese Absage ist in der ersten Ausgabe noch sehr kurz gefasst und endet mit dem Sallustzitat. In der erweiterten Ausgabe bemüht sich der Kommentator, eine große Fülle an sehr autoritären Quellen anzuführen, die ebenfalls gegen Lukrez sprechen. Dieses Lemma ist eine der wenigen Stellen, an denen der Kommentator die horazische Textaussage so direkt von der lukrezischen Aussage abhebt und damit Horaz als Nicht-Epikureer stilisiert. 283

284 285 286 287 288 289 290

Er tut dies in Übereinstimmung mit seiner Darstellung des Epikureismus des Lukrez in seiner Widmungsepistel an den König: Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. á3 r: At Lucretius […] religiones omnes tollit […]. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. r2 r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. r2 r. Lucr. 6,246–248. Lucr. 6,400–401. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. r2 r. In der zweiten Ausgabe des Horazkommentars werden noch viele weitere Gegenbeispiele im Sinne des Horaz und Sallust angeführt: Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. gvi v. Helmut Krasser, „Büßer, Spötter oder Künstler“, 1996, 321, FN 29.

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Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

Insgesamt lässt sich die Kommentierung der Ode also eindeutig als negativ dem Epikureismus gegenüber einstufen, wobei sich der Kommentator wiederum auf Horaz abbilden kann. Sie wird gerade für die späteren Gedichtkommentierungen eine gute Vergleichsfolie bieten, in denen sich Lambin viel weniger eindeutig und negativ mit der Doktrin auseinandersetzen wird. Satire 2,4 Auch in der Satiren-Kommentierung ergibt sich an einer Stelle eine Epikureismuskritik Lambins, die hier, klarer als anderswo innerhalb der hexametrischen Dichtung, als solche zu erkennen ist. Dabei geht Lambin von der ironischen Sprechsituation im Text aus. Ebenso wie Landino es getan hatte, beschäftigt sich Lambin mit der Identifikation des Catius mit epikureischem Gedankengut: Catius] Catius philosophus Epicureus Insuber. De quo M. Tull. Epist. ad Cassium lib. 15: „Nam, ne te fugiat, Catius Insuber Epicureus, qui nuper est mortuus, quae ille Gargettius, 291 etiam ante Democritus ਩ȚįȦȜĮ, hic spectra nominat.“ Idem eodem lib. eundem Catium et Amasanium „malos verborum interpretes“appellat. Hunc inducit Horatius apud se quaerentem et cogitantem, quibus nominibus utatur in interpretandis et Latine exprimendis Epicureis quibusdam praeceptis, quae ad artem culinariam, convivii apparatum, obsonia, condimenta et similia pertinent. Itaque interroganti Horatio unde veniat, quo eat, respondet, se esse occupa292 tissimum in appellandis et exprimendis, quae dixi, praeceptis.

Catius wird als Philosoph bezeichnet. Horaz führe ihn ein als Gesprächspartner, der über epikureische und vor allem kulinarische Dinge schreibe. Es handelt sich hier um eine negative Kommentierung des Epikureismus, die an dieser Stelle Horaz sogar entschuldigt, da er derjenige ist, der den lächerlichen epikureischen Gesprächspartner Catius verlacht und damit eine gesunde Distanz zur problematischen Doktrin demonstriert. In einem späteren Lemma verstärkt er noch einmal die Identifikation der Erklärungen des Catius mit der epikureischen Philosophie. Aventi ponere signa] [...] maxime cum constet hunc Catium nominibus et vocabulis Latinis 293 disciplinam Epicuream explicuisse, ut supra ex M. Tullio ostendimus.

Es sei absolut klar, so Lambin, dass Catius in seiner gastronomischen Rede die epikureische Doktrin erläutere. Der Humor, der die Satire durchzieht, und die ironische Distanz des Sprechers Horaz zu Catius (Sat. 2,4,88) werden von Lambin in der zweiten Edition hervorgehoben. Docte Cati] iocatur Horatius et urbane hunc Catium deridet.

291 292 293 294

Cic. Ad fam. 15,16,1. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. CC1 r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. CC1 r. Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. Nnvi r.

294

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

Horaz ist also hier als Kritiker des Epikureers Catius identifiziert. Die Epikureismuskritik Lambins erfolgt durch die Texterklärung. 5.3.2.4 Die Kommentierung in den Satiren und Episteln Fehlende Leserlenkung Die relative Scheu vor der Behandlung des Epikureismus in den Oden wird schlagartig in der Kommentierung der hexametrischen Dichtung des Horaz abgelegt. Im Gegensatz zur rar gesäten Erwähnung im ersten Teil der Edition findet sofort mit Beginn des zweiten Bandes eine viel intensivere Beschäftigung mit der Thematik statt, sodass an neun weiteren Gedichtkommentierungen Lambins Auseinandersetzung mit dem Epikureismus gezeigt werden kann. Des Weiteren ist die Art der Darstellung des Epikureismus auffällig verschieden zu den bisherigen Ergebnissen. In Ode 1,34 hatte sich Lambin Mühe gegeben, den Epikureismus als unplausibel und in der Vergangenheit des Horaz angesiedelt vorzuführen und dessen Selbstdarstellung zu folgen. In Satire 2,4 hatte er Horaz, ebenso nah am Text, als Epikureismuskritiker etabliert. In den folgenden Gedichtkommentierungen sollen allerdings gegenläufige Tendenzen herausgearbeitet werden. Hier greift er weit weniger in den Leseeindruck ein.295 Bisweilen kann es sogar durch sein Verweisen auf andere antike Autoritäten passieren, dass Horaz eindeutig als Epikureer zu identifizieren ist oder ein insgesamt positiver Eindruck der epikureischen Doktrin entsteht. Der Leser des Lambin steht bei allen diesen Beispielen in der Pflicht, sich sein eigenes Urteil über die jeweilige Passage zu bilden. Damit zeigt sich Lambin gut vergleichbar mit Castelvetro, für den von Karlheinz Stierle296 eine ähnliche Kommentierweise angenommen wurde. Florian Neumann fasst dies so zusammen: Castelvetro „aktivier[e] den Leser, mit dem kommentierten Text in einen kritischen Dialog zu treten, einen Dialog in dem nun der Kommentator als entscheidende Instanz, gleichsam als ‚Arrangeur‘ von Lesarten des kommentierten Texts fungiert“.297 Dieses Vorgehen steht außerdem im Kontrast zu Landinos Umlenkungsstrategien oder Valentina Prosperis Konzept des dissimulatory code.298

295

296 297 298

Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 46 stellt ein ähnliches Vorgehen für Lambins Lukrezkommentar fest: „But only Lambin’s occasional wink and nudge – often marked by a sic in the notes – clues the reader that there are corresponding ideas in more established pagan or Christian authors. There is no concerted and overt attempt to convince the reader of the merits or validity of Lucretius’s ideas.“ Karlheinz Stierle, „Les lieux du commentaire“, 1990, 27. Florian Neumann, „Kommentartraditionen“, 2004, 57. Vgl. Stillers für ein ähnliches Konzept: Rainer Stillers, Humanistische Deutung, 1988, 27. Valentina Prosperi, „Lucretius in the Italian Renaissance“, 2007, 214–215 und Valentina Prosperi, Di soave licor, 2004, 115.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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Satire 1,1 Es ist augenfällig, wie schnell Lambin innerhalb dieses zweiten Bandes der Horazedition mit seiner Behandlung des Epikureismus beginnt. Bereits in Satire 1,1 wird Epikur erwähnt und zwar in der ausführlichen Erklärung einer Passage, in der Horaz die innere Unabhängigkeit von Geld anpreist (Sat. 1,1,73–75): nescis quo valeat nummus, quem praebeat usum? panis ematur, holus, vini sextarius; adde quis humana sibi doleat natura negatis.

Lambin geht in seinem Kommentar nicht auf die Bemerkung Pseudo-Acros ein, der bereits für den zweiten Vers der Satire den Epikureismus aufs Tableau bringt, sondern wählt eine andere Stelle, an der er epikureisches Gedankengut miteinfließen lässt. Lambins Erklärungen werden hier sehr philosophisch, indem er Platon299 und Cicero300 anführt; im Zitat des Letzteren befindet sich ein Querverweis auf Epikur: Adde quis humana sibi doleat] […] Atque Epicurus quidem ita propemodum, ut Plato, 301 partiebatur cupiditates, ut scribit M. Tull. lib. 1 de finibus: […]

Lambin zitiert Ciceros302 Aussage zur Einteilung der cupiditates nach Epikur und Plato. Damit werden beide Philosophen auf eine Stufe gestellt und als Urheber einer Systematik der cupiditates genannt, die von Cicero gelobt wird. Im Horaztext befindet sich keine Notwendigkeit für diese Erwähnung. Vielmehr wird diese Referenz als weitere antike Autorität in den Diskurs der Satire miteingeführt und Epikur in der Gleichstellung mit Platon nicht verurteilt. Epikur ist hier eine philosophische Autorität wie jede andere. Satire 1,3 In der Kommentierung von Satire 1,3,103 wird Lukrez im Rückgriff auf Epikur als antike Autorität in die Kommentierung eingefügt, diesmal im Gegensatz zu Platon, jedoch erneut ohne negatives Urteil seitens Lambin: Donec verba, quibus voces sensusque] […] Lucret. lib. 5 a Platone dissentiens ex sententia Epicuri ait naturam et utilitatem ab hominibus voces ad significandum aptas, sermonemque 303 expressisse neque unum aliquem nomina rebus imposuisse, his versibus: […]

299 300 301 302

303

Plat. Rer. 8,558. Cic. Fin. 1,45. Cic. Fin. 1,13,45. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. B2 r. Diese ist bei Cicero positiv, da er der Ausführung noch einen Satz voranstellt, der bei Lambin aber nicht zitiert wird, möglicherweise weil sie doch etwas zu heikel für den Kommentator ist: Cic. Fin. 1,13,45: Quae est enim aut utilior aut ad bene vivendum aptior partitio quam illa, qua est usus Epicurus? Luc. 5,1028–1033 und Luc. 5, 1041–1044. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. F2 v.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

Damit finden wir eine Ausbreitung von epikureischem Gedankengut, obwohl dies etablierten Autoritäten widerspricht. Lambin gibt ihm Raum und, was noch wichtiger ist, bemüht sich, wie in den anderen Passagen, nicht, dieses Gedankengut zu widerlegen. Für den Leser werden ohne lenkenden Eingriff verschiedene antike Autoritäten nebeneinandergestellt. Epistel 1,2 Auch in Epist. 1,2 greift Lambin nicht regulierend in das Textverständnis beim Leser ein. Dabei geht er von der Aussage des Horaz aus, dass, wenn das Gefäß nicht rein sei, alles, was man dort hineinfülle, sauer würde (V. 54): sincerum est nisi vas, quodcumque infundis acescit.

Lambin kommentiert die Stelle umfassend mit einem Lukrezzitat, das wiederum auf Epikur zurückgeht: Sincerum est nisi vas, quodcumque] sic Lucret. lib. 6. in princip. de Epicuro: „Intellexit ibi vitium vas efficere ipsum, | omniaque illius vitio corrumpier intus, | quae collata foris et commoda cumque venirent: | partim quod fluxum, pertusumque esse videbat, | ut nulla posset ratione explerier umquam: | Partim, quod taetro quasi conspurcare sapore | Omnia cernebat, 304 quaecumque receperat, intus“ etc.

Hier findet sich wieder die Tendenz Lambins, umfassend zu kommentieren und zu referenzieren, auch wenn dies möglicherweise problematische Interpretationsspielräume für seine Leser eröffnet. Es findet keinerlei Problematisierung statt, sondern nur eine nüchterne Feststellung, die den Horaztext in eins mit Lukrez und Epikur bringt. Dabei ist dies nicht einmal an dieser Stelle von Pseudo-Acro305 oder Porphyrio306 angelegt. Der Horaztext wird mit einem Lukrezzitat untermauert und damit epikureisch-lukrezisches Gedankengut bei Horaz zum Vorschein gebracht, ohne es von vornherein zu verschweigen oder zu disqualifizieren. Epistel 1,17 In Epistel 1,17 findet wieder eine eindeutige Identifikation des horazischen Gedankenguts mit dem Epikureismus statt. Lambin tut dies, wie es im Allgemeinen seinem kommentatorischen Stil entspricht, in einer umfassenden Kommentierung, die polyphon ist und nicht klar die Position des Kommentators durchscheinen lässt. Der Ausgangspunkt im Horaztext ist der Vers, der sich damit beschäftigt, dass man als Unbekannter sterbe (V. 10): 304 305

306

Lucr. 6,17–23. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. OO1 v. Ps.-Acro Comm. Hor. Epist. 1,2,54: Idest nisi pectus bonum et purum sit, quicquid huic dederis, non potest esse gratum. Allegoria: ita tu prodis voluptates, nisi vitia semoveris, nisi promptum pectus tuum fuerit, doctrina quoque ipsa vitiabitur. Porphyrio kommentiert diesen Vers nicht einmal.

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Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz nec vixit male, qui natus moriensque fefellit.

Lambins Erklärung ist lang und wirkt unübersichtlich und soll daher in Einzelschritten besprochen werden. Er beginnt seine Erklärung mit der griechischen Herkunft der Aussage und ihrer Bedeutung: Nec vixit male, qui natus moriensque fefellit] Graece locutus est Latino sermone. Sic enim illi loquerentur ੖Ȣ ਩ȜĮșİ ȖİȞȩȝİȞȩȢ IJİ țĮ੿ șĮȞȫȞ; qui natus et mortuus latuit, id est quem neque 307 natum neque mortuum esse quisquam mortalium scivit.

Daraufhin vergleicht er die Aussage, dass es nicht problematisch sei, ohne Ruhm zu sterben und zu leben, mit Ciceros Aussage aus dem Brief an Paeto: Sic enim loquitur M. Tull. Epist. ad Papinium Paetum libr. 9, cuius principium est.: „Duabus 308 tuis etc. quos ego non modo Reges appellatos, sed omnino natos nesciebam.“

Danach identifiziert er die Aussage mit dem Epikureismus, um ihn gleich wieder mit Plutarch zu widerlegen: Respexit autem illud Epicuri ȜȐșİ ȕȚȫıĮȢ. quod improbat et refellit Plutarchus in libello İȓ 309 țĮȜ૵Ȣ İ੅ȡȘIJĮȚ IJઁ ȜȐșİ ȕȚȫıĮȢ.

Erstaunlicherweise macht Lambin in seiner Argumentation einen weiteren Schwung und verweist auf Horaz‫ ތ‬Epist. 1,18,103 und auf Euripides’ Iphigenie, die sich wiederum gegen Plutarch wenden: 310

Eodem pertinet Horatianum illud in Epist. ad Loll. 2 inf.: „fallentis semita vitae.“ Sic Euripides Iphigebua in Aulide: „ȗȘȜ૵ į’ ਕȞįȡ૵Ȟ ੔Ȣ ਕțȓȞįȣȞȠȞ | ȕȓȠȞ ਥȟİʌȑȡĮı’ ਕȖȞઅȢ ਕțȜİȒȢ· | 311 IJȠઃȢ į’ ਥȞ IJȚȝĮ૙Ȣ ਸııȠȞ ȗȘȜ૵.“ quorum versuum haec fere sententia est. Fortunatum autem eum iudicio, qui ignotus, inhonoratus, inglorius cursum vitae confecit, eos vero, qui honores 312 adepti sunt, minus fortunatos puto.

Er schließt nach seinem Zickzackkurs mit einer Äußerung, die den eben genannten widerspricht und die er aus Euripides’ Medea entlehnt. Dieses Zitat wiederum lässt sich auf den ursprünglichen Kurs hin lesen, dass ein berühmtes Leben erstrebenswert sei: Sententia contraria in Medea: „İ੅Ș į’ ਩ȝȠȚȖİ ȝȒIJİ ȤȡȣıઁȢ ਥȞ įȩȝȠȚȢ | ȝȒIJ’ ੗ȡijȑȦȢ țȐȜȜȚȠȞ 313 ਫ਼ȝȞોıĮȚ ȝȑȜȠȢ, | İੁ ȝ੽ ’ʌȓıȘȝȠȢ ਲ IJȪȤȘ ȖȑȞȠȚIJȩ ȝȠȚ,“ id est verum neque auro mi domus 314 refulgeat, | neque Orpheo cantare dulcius sciam, | nisi honore gloriaque magnus claream.

Innerhalb dieser Kommentierung haben wir also die Aussage des Horaz, des Cicero und der euripideischen Iphigenie gegen Plutarch und Medeas Aussage gesetzt. Dem Leser 307 308 309 310 311 312 313 314

Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. AA4 r. Cic. Ad fam. 9,15. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. AA4 r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. AA4 r. Hor. Epist. 1,18,103. Eur. Iph. Aul. 17–19. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. AA4 r. Eur. Med. 542–544. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. AA4 r.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

dürfte es daher schwerfallen, eine eindeutige Position des Lambin aus dieser Kommentierung zu erfahren, wie er sich zu dieser epikureischen Äußerung verhält. Durch die bloße Fülle des Kommentierens spielt der Kommentator in den drei aufgeführten Beispielen quasi ein Versteckspiel mit seinen positiven und negativen Wertungen des Epikureismus. Die positive Darstellung des Epikur im Vergleich zu Aristipp Die Darstellung Epikurs, des Philosophen selbst, ist im Vergleich zu Landinos Zeichnung an vielen Stellen innerhalb der hexametrischen Dichtung merklich weniger negativ, wie anhand der letzten Kommentaranalysen gezeigt werden konnte. Auch seine Philosophie wird oft nicht negativ charakterisiert, sondern neutral beschrieben. Dass dieses Vorgehen nicht selbstverständlich für den Umgang unseres Kommentators mit antiken Philosophen, die problematische Ansichten vertreten, lässt sich hervorragend im Vergleich mit der Charakterisierung des Aristipp erkennen, den Lambin an zwei verschiedenen Stellen innerhalb des Kommentars der Episteln eindeutig negativ darstellt. Die kyrenäische Schule dieses Philosophen war zwar in den vorherigen Kommentierungen oft zusammen mit dem Epikureismus genannt worden, wird jedoch von Lambin erstaunlicherweise ganz anders eingeordnet und bewertet. Zunächst erfolgt eine allgemeine, aber noch nicht besonders scharfe Beschreibung der Aristipp’schen Lehre nach Cicero in der Kommentierung zu Epist. 1,1,18: Nunc in Aristippi] a quo Cyrenaica disciplina manavit. M. Tullius Offic. 3.: „Atqui ab Aris315 tippo Cyrenaici, atque Annicerii nominati omne bonum in voluptate posuerunt“ etc. de quo 316 plura dicemus ad Epistulam ad Scaevam, hoc libro.

Aristipp wird hier als Urheber der kyrenäischen Philosophie identifiziert, die in der voluptas das höchste Gut erkennen würde. Außerdem erfolgt ein Verweis auf die Epistel an Scaeva (Epist. 1,17). Dort äußert der Kommentator seine Kritik wesentlich deutlicher: Aristipp wird als verworfenes Subjekt beschrieben: Si pranderet olus patienter etc.] […] Fuit porro Aristippus Socratis discipulus et ab eo fluxit Cyrenaica disciplina. Vixit enim molliter, sumptuose, voluptarie, omni unguentorum, vestium, mulierum luxuria conquisita, vitam beatam in una voluptate locans eaque praesente, similiter atque asoti neque memoriam praeteritarum voluptatum neque spem futurarum quicquam existimans ad se pertinere. M. Tull. lib 3. de oratore ad Quintum Fratrem: „tum ab Aristippo, quem 317 illae magis voluptariae disputationes delectarant, Cyrenaica philosophia manavit.“

Lambin ist eindeutig und sehr wortreich in seiner Charakterisierung des Aristipp und seines Lebens. Es wird wiederholt, dass er der Urheber der kyrenäischen Philosophie war, dass er molliter, sumptuose, voluptarie gelebt habe und sein ganzes Leben auf die Lust ausgerichtet habe. All dies ist eindeutig moralisch abwertend von Lambin formu315 316 317

Cic. Off. 3,33,116. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. MM2 r. Cic. De orat. 3,62. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. AA4 r–AA4 v.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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liert und auf Aristipp bezogen. Für Epikur wird eine solche Charakterisierung jedoch nicht vorgenommen. Dies ist eine auffällige Leerstelle, die Lambins häufiges NichtVerurteilen des Epikureismus noch klarer hervortreten lässt. Horaz als Epikureer Das Fehlen einer direkten Verurteilung des Epikur bei Lambin setzt sich in gewisser Hinsicht darin fort, dass er Horaz problemlos als Epikureer darstellt. Dies ist quasi Konsequenz und Extremfall der Tendenz, den Epikureismus bei Horaz nicht einzudämmen. Ganz anders als Landino, der ein breites Arsenal an Strategien angewendet hatte, besonders um Horaz vom Vorwurf des Epikureismus zu befreien, gibt sich Lambin keine Mühe, dies zu tun. Satire 1,5 Satire 1,5 zeigt besonders anschaulich, dass sich Lambin in Bezug auf die epikureische Doktrin nicht eindeutig äußert und nicht dazu berufen fühlt, Horaz als Nicht-Epikureer darzustellen. Die beiden Kommentierweisen gehen hier also ineinander auf. Wie bereits erwähnt, endet das Gedicht mit einer kurzen Sentenz über den mangelnden Einfluss der Götter.318 Horaz beschreibt hier jedoch, ganz im Sinne Epikurs, dass sich die Götter mit sich selbst beschäftigten. Wie in der Kommentierung des „feuchten Traums“ in dieser Satire nimmt Lambin dies zum Anlass für einen umfassenden philosophischen Kommentar. Da es sich um ein langes und vielstimmiges Lemma handelt, soll es in einzelnen Schritten analysiert werden. Zunächst stellt Lambin fest, dass der horazische Vers (Sat. 1,5,101) lukrezischen Ursprungs sei und damit auf Epikur zurückgehe. Es sei Lukrez‫ ތ‬Meinung, erläutert er, dass die Menschen aus Unwissenheit den Göttern die Macht über alle Geschehnisse zuwiesen: Namque Deos didici securum agere aevum] hunc versum mutuatus est a Lucretio lib. 5 et 6, quibus locis probare conatur ille ex sententia Epicuri homines propter ignorationem causarum omnia, quae fiunt, ad Deos referre eorumque nutu ac voluntate fieri existimare atque iccirco 319 eis regnum concedere rerum humanarum.

Nach dieser höchst problematischen Ausführung, die die Macht der Götter relativiert, erklärt er, dass es nötig sei, noch mehr lukrezische Verse zu ergänzen, obwohl sie impii seien. Seine Rechtfertigung ist, wie später im Lukrezvorwort, die Schönheit ihrer Sprache. Er führt vier weitere lukrezische Passagen an, die sich jeweils damit beschäftigen, dass die Götter nicht für Naturereignisse verantwortlich seien, sondern sich schlicht nicht um die Belange der Menschen scherten: 318 319

Sat. 1,5,101–103: non ego; namque deos didici securum agere aevum | nec, siquid miri faciat natura, deos id | tristis ex alto caeli demittere tecto. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. K3 v.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

Sed praestat aliquot illius poetae versus impios quidem illos, sed tamen elegantes et mira facilitate Latini sermonis ornatos, qui ad hunc locum pertinent, ascribere. Sic igitur Lucret. lib. 5 320 321 ut supra. Idem lib. 5. [Zitat V. 1194– [Zitat V. 76–89]. Idem lib. 6 [Zitat V. 54–63] 322 323 1197] Idem lib. 2. [V. 646–651].

Lukrez wird hier eindeutig als wichtige antike Autorität etabliert, selbst wenn seine Verse nicht fromm genug waren. Das folgende Zitat aus Ciceros De natura deorum wird von Velleius, dem Vertreter der epikureischen Doktrin gesprochen324 und untermauert dies weiter, wird dann allerdings von zwei gegenläufigen Zitaten aus ebendiesem Werk verworfen: M. Tull. quoque lib. 1 de natura Deorum, sub persona Velleii, ita scribit: „Quod si ita est, vere exposita illa sententia est ab Epicuro, Quod aeternum, beatumque sit, id nec habere ipsum negotii quicquam nec exhibere alteri. Itaque neque ira neque gratia teneri, quod quae talia es325 sent, imbecilla essent omnia.“ Idem lib 3 ait: „Videri Epicurum de Diis immortalibus non magnopere pugnare, tantummodo negare Deos esse non audere, ne quid invidiae subeat, aut 326 criminis.“ Idem lib. 1 scribit: „Posidonium dixisse Deos Epicuro nullos esse videri, quaeque 327 is de Diis immortalibus dixerit, invidiae detestandae causa dixisse.“

Es entsteht hier also ein vorsichtiges Gegengewicht zu Lukrez durch die zwei Cicerozitate, die Epikur unterstellen, er sei eigentlich völlig atheistisch gewesen und habe die Unbesorgtheit der Götter nur als Alibi-Argument verwendet. Lambin folgt dieser atheistischen Lesart des Epikur nicht, sondern lässt sie offen: Es könne nicht klar festgestellt

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324 325 326 327

Lucr. 5,76–89: „Praeterea solis cursus, lunaeque meatus | expediam, qua vi flectat natura gubernans, | ne forte hic inter caelum, terramque reamur | libera sponte sua cursus lustrare perennes | morigera ad fruges augendas atque animantes. | Neve aliqua Divum volui ratione putemus. | nam, bene qui didicere Deos securum agere aevum, | si tamen interea mirantur, qua ratione | quaeque geri possint, praesertim rebus in illis, | quae supra caput aetheriis cernuntur in oris, | rursus in antiquas referuntur relligiones, | et dominos acreis asciscunt, omnia posse | Quos miseri credunt, ignari quid queat esse, | Quid nequeat“ etc. Lucr. 6,50–59: „Cetera, quae fieri in terris, caeloque tuentur | mortales, pavidis cum pendent mentibus saepe, | efficiunt animos humiles formidine divum, | depressosque premunt ad terram, propterea quod | ignorantia causarum conferre Deorum | cogit ad imperium res, et concedere regnum | quorum operum causas nulla ratione videre | possunt, haec fieri divino numine rentur. | nam, bene qui didicere, Deos securum agere aevum | si tamen interea mirantur“ etc. Lucr. 5, 1194–1197: „O genus infelix humanum: talia Divis | cum tribuit facta, atque iras adiunxit acerbas, | quantos tum genitus ipsi sibi, quantaque nobis | vulnera, quas lacrimas peperere minoribus nostris.“ Lucr. 1,44–49: „Omnis enim per se Divum natura necesse est | immortalis aevo summa cum pace fruatur, | semota a nostris rebus, seiunctaque longe. | nam privata dolore omni, privata periclis, | ipsa suis pollens opibus, nihil indiga nostri, | nec bene promeritis capitur, nec tangitur ira.“ Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. K3 v. P. G. Walsh, Cicero, The Nature of Gods, Oxford 1997, xxxi. Cic. Nat. deor. 1,45. Cic. Nat. deor. 3,3. Cic. Nat. deor. 1,123. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. K3 v.

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Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

werden, ob Epikur die Götter habe abschaffen wollen.328 Klar sei nur, dass er (Epikur) denke, die Götter kümmerten sich nicht um die Belange der Menschen, was bei Lukrez und Horaz zu finden sei: Verum utrum voluerit et cogitarit Epicurus Deos tollere necne obscurum est, illud perspicuum eum sensisse nullam illos habere curam rerum humanarum, id est, quod Lucretius et Horatius 329 dicunt: „securum agere aevum.“

In gewisser Hinsicht setzt sich der Kommentator hier also für Epikur ein, in dessen Nachfolge Lukrez und Horaz stünden. Dann hält er zum Abschluss drei Zitate aus Platons Phaedo, Politeia und Nomoi dagegen, die jeweils die starke Bedeutung und das Interesse der Götter an den menschlichen Belangen beweisen sollen und damit ein Gegengewicht zu Horaz, Lukrez und Epikur bilden:330 Plato autem contra probat et Deos esse et curare res humanas, itaque et piis bene velle benigneque facere et impiis ac sceleratis iratos et infensos esse. Sic enim ille in Phaedone: „ਕȜȜ੹ 331 IJȩįİ Ȗȑ ȝȠȚ įȠțİ૙, ੯ ȀȑȕȘȢ, | İ੣ ȜȑȖİıșĮȚ, IJઁ șİȠઃȢ İੇȞĮȚ ਲȝ૵Ȟ IJȠઃȢ ਥʌȚȝİȜȠȣȝȑȞȠȣȢ“, et lib. 1 De legibus, ait Deos omnium custodum esse maximos et in maximis rebus eorum custo332 diam curamque versari, quam sententiam iterat in ǼʌȚȞȠȝ.

In dieser Kommentierung setzt sich Lambin hackenschlagend mit dem Thema auseinander, das er im Lukrezvorwort als providentia deorum333 bezeichnet hatte. Er zitiert vier Lukrez-, drei Cicero- und drei Platonpassagen, die sich jeweils rund um dieses Problem der Götterkonzeption bewegen und einander inhaltlich widersprechen. Auffällig ist, dass Lambin ausdrücklich Lukrez den meisten Raum in seiner Kommentierung überlässt, obschon er dessen Verse als impii bezeichnet und Argumente zur Ehrenrettung des Epikur beisteuert. Eine klare Position lässt sich aus diesen Verweisen nicht herauslesen. Ebenso verwirrend ist sein Hinweis auf Ode 1,34 im darauf folgenden Lemma: Didici] ab Epicuro, cuius sapientiam insanientem appellat Od. 34, lib. 1.

334

Lambin stellt zwar fest, dass Horaz von Epikur gelernt habe, jedoch bezeichnet er dabei die negative Einschätzung des Epikureismus als insaniens. Wenn sich Horaz bereits in Ode 1,34 davon abgewendet hatte, warum ist diese Anhängerschaft hier dennoch gege328 329 330

331 332 333 334

Dies war laut Catherine Wilson, „Epicureanism in early modern philosophy“, 2009, 267 die Einstellung, die Epikur aufgrund von Ciceros De natura deorum 1,118 unterstellt wurde. Lucr. 5,82 und 6,58. Hor. Sat. 1,5,101. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. K3 v. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 46–48 untersucht Lambins Platonreferenzierung im Lukrezkommentar. Auch hier ließe Lambin Zitate für sich selbst stehen, ohne eine Leserlenkung vorzunehmen, sodass teilweise sogar einander widersprüchliche Aussagen nebeneinandergestellt würden (48). Plat. Phaid. 62b. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. K3 v. Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. á3 r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. K4 r.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

ben? Auch das letzte Lemma lässt den Leser am Ende im Dunkeln. Die Aussage des bereits zitierten Horaztexts ist, dass die Götter nicht an der Verrichtung von Wundern, die die Natur vollbringe, beteiligt seien (V. 102–103): nec si quid miri faciat natura, deos id tristis ex alto caeli demittere tecto.

Er erläutert weiter, dass die Götter traurig wären, wenn sie tatsächlich unter Aufwand täglich Wunder bewirken und vom Himmel schicken müssten: Tristes] tristes essent Dii scilicet et laboriosi, si, quicquid mirabile quotidie accidit, id ab illis proficisceretur, ac de caelo in terras demitteretur. Lucret. lib. 2: „Quae bene cognita si teneas, natura videtur | libera continuo, dominis privata superbis, | ipsa sua per se sponte omnia diis 335 agere expers.“

Darüber hinaus fügt er ein weiteres Lukrezzitat ein, das die Aussage implizit dadurch erklärt, dass sich hier die Lehrmeinung des Lukrez über das Nichteingreifen der Götter in die Natur kondensiert findet. Lambin gibt sich keine Mühe, dies zu relativieren oder für seinen Leser zu kanalisieren. Er lässt die Satire dadurch mit einem Lukrezzitat, das als äußerst problematisch und impium gelten kann, enden. Damit ist der gesamte Diskurs aus Satire 1,5 sehr stark von epikureischem Gedankengut und Reflexionen über den Epikureismus geprägt. Horaz wird an zwei Stellen sogar direkt mit dieser Lehrmeinung in Verbindung gebracht, was überdies vom Kommentator mit der Darstellung in Ode 1,34 in Kontrast gesetzt wird. Horaz steht am Ende der Kommentierung als Epikureer dar. Der Leser kann am Ende dieser widersprüchlichen Zitatkette nur seine eigene Meinung bilden, denn diejenige von Lambin ist schwerlich aus dem Text herauszulesen. Epistel 1,1 Auch in Epistel 1,1 unternimmt Lambin nichts dagegen, Elemente in Horaz’ Denken dem Epikureismus zuzuschreiben. Ganz wie Landino folgt Lambin der Tradition, das Bekenntnis des Horaz, keiner philosophischen Schule anzugehören, als Eingeständnis seiner Anhängerschaft zur (skeptischen) Akademie zu werten.336 Dabei zitiert er Cicero: nullius addictus] videtur significare, se esse Academicum, quorum est nulli rei assentiri. Qua de re M. Tullius lib. De finibus. Sed quod ait se nullius in verba magistri iurasse, idem fere dicit M. Tullius aliis verbis, in prooemio lib. 4, Tusculanarum: „nos institutum tenebimus, nullisque unius disciplinae legibus astricti, quid sit in qua[que] re maxime probabile, maxime 337 requiremus.“ Idem in prooemio libri 2 notans ac describens eos philosophos, qui uni disciplinae sese dediderunt, eodem verbo utitur, quo Horatius: „nosque ipsos redargui, refellique patiamur. quod ii ferunt iniquo animo, qui certis quibusdam, destinatisque sententiis quasi

335 336 337

Lucr. 2,1090–1093. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. K4 r. Vgl. FN 143 Cic. Tusc. 4,4,7.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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addicti et consecrati sunt, eaque necessitate constricti, ut etiam, quae non probare soleant, ea 338 339 cogantur constantiae causa defendere.“ […]

Im philosophischen Schwanken des Horaz zwischen Stoa und Epikureismus wird seiner epikureischen Phase im folgenden Lemma ebenso breiter Raum gegeben: Et mersor civilibus undis] idem dicit. Significat enim, se interdum Stoicorum aut Peripateticorum disciplinam colere ac probare, qui sapientem a reipublicae administratione non avocant, ut mox ex M. Tullio ostendemus, interdum Cyrenaicis et Epicureis assentiri, qui sapientem ad rempublicam accessurum negant. M. Tullius in oratione pro Sext. de Epicuro: „sapient[em] 340 omnia sua causa facere, rempublicam capessere hominem bene sanum non oportere.“

Lambin identifiziert die jeweilige Haltung der philosophischen Schulen zum Staat (Stoa – Nähe, Epikureismus – Ferne). Er zeigt, dass sich epikureische Elemente in Horaz’ Verhalten finden lassen, und erläutert diese sogar noch durch eine Ciceroreferenz näher. Dabei greift er nicht in den Text ein. Die Problematik bleibt erhalten und Horaz wird nicht entschuldigt. Der epikureische Bestandteil seiner Biographie wird klar thematisiert, was im folgenden Gedicht Epist. 1,4 noch deutlicher gezeigt werden kann. Epistel 1,4 In der an einen Albius adressierten Epistel 1,4 findet sich das eindeutigste Bekenntnis des Horaz zum Epikureismus. Lambin hebt dies nicht auf, wie es noch Landino getan hatte. Es wird außerdem nicht klar, welche Position er tatsächlich zum Epikureismus einnimmt, da er ihn zunächst negativ darstellt, dann jedoch relativierend vor allzu scharfer Kritik in Schutz nimmt. Der Kommentator schreckt nicht davor zurück, Horaz als Epikureer darzustellen, wie im wichtigen Lemma Epicuri de grege porcum] zu erkennen ist: Epicuri de grege porcum] hominem in voluptate abdominis, et gutturis summum bonum ponentem. Eadem ratione dixit illud M. Tullius in L. Pisonem: „Confer nunc Epicure noster ex 341 hara producte, non ex schola, confer, si audes, absentiam tuam cum mea.“ Quamvis enim Epicurus videretur interdum in quadam animi voluptate summum bonum constituere, hanc de eo opinionem tamen ipsius refellit oratio. Eius enim haec verba sunt, quae retulit Athenaeus libr. 2: „Ƞ੝ Ȗ੹ȡ ਩ȖȦȖİ įȪȞĮȝĮȚ ȞȠોıĮȚ IJਕȖĮșઁȞ ਕijĮȚȡ૵Ȟ ȝ੻Ȟ IJ੹Ȣ įȚ੹ ȤȣȜ૵Ȟ ਲįȠȞȐȢ, ਕijĮȚȡ૵Ȟ į੻ IJ੹Ȣ įȚ’ ਕijȡȠįȚıȓȦȞ, ਕijĮȚȡ૵Ȟ į੻ IJ੹Ȣ įȚ’ ਕțȡȠĮȝȐIJȦȞ, ਕijĮȚȡ૵Ȟ į੻ IJ੹Ȣ įȚ੹ ȝȠȡijોȢ țĮIJ’ ੕ȥȚȞ 342 ਲįİȓĮȢ țȚȞȒıİȚȢ.“ quae sic interpretatur M. Tullius lib. 2 De finibus: „non enim intelligo quid sit, aut ubi sit summum bonum praeter illud, quod cibo aut potitione et aurium delecta343 tione et obscena voluptate capiatur.“

338 339 340 341 342 343

Cic. Tusc. 2,2,5. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. MM2 r. Cic. Sest. 23. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. MM2 r. Cic. Pis. 16. Das Epikurzitat findet sich mehrfach in den Deipnosophistae des Athenaeus, unter anderem in 2,1. Cic. Fin. 2,3,7. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. PP1 r–PP1 v.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

Er erklärt die Selbstbeschreibung des Horaz als Schwein aus der Herde Epikurs damit, dass es sich um einen Menschen handeln würde, der nur auf die Befriedigung seiner körperlichen Essgelüste fokussiert sei. Dies wird von einem Cicerozitat untermauert. Jedoch nimmt Lambin hier erneut eine Richtungsänderung in seinem Kommentieren vor, indem er Epikur in Schutz nimmt. Aufbauend auf das Epikurzitat bei Athenaios sei dieser gar nicht so versessen auf die Gelüste des Lebens gewesen. Auch das Cicerozitat aus De finibus geht in diese Richtung: Es sei schwer vorstellbar, dass Epikur wirklich nur den niederen Trieben verfallen war. Damit geschieht eine eindeutige Identifikation des Horaz mit dem Epikureismus. Teils sind relativierende Zitate des Lambin eingefügt, die die Doktrin in einem gemäßigteren Licht darstellen, teils fällt er negative Urteile über sie. Epistel 1,12 Anhand der Kommentierung von Epistel 1,12,5 (si ventri bene, si lateri est pedibusque tuis) nimmt diese Selbstverständlichkeit der Verbindung von Horaz und epikureischem Gedankengut eine weitere Dimension an, indem der Kommentator hier bei der Kommentierung einer Passage nicht nur die Identifikation herstellt, sondern zudem noch als selbsterklärend darstellt: Si ventri bene, si lateri est etc.] […] Sed credibilius est Horatium Metrodori aut etiam Epicuri sententiam respexisse, quam pluribus locis exponit M. Tullius. Ac de Epicuro quidem, res in 344 promptu est. […]

Nach dem Ausschluss einer anderen Erklärungsmöglichkeit identifiziert Lambin die Aussage des Horaz als inspiriert von Metrodorus oder Epikur. Der Kommentator setzt bei seinem Leser sogar an dieser Stelle eine große Vertrautheit mit epikureischen Doktrinen voraus, was er durch das res in promptu est ausdrückt und sich sicherlich u. a. dadurch erklären lässt, dass an dieser Stelle innerhalb des Kommentars bereits eine vielfache Auseinandersetzung mit Horaz’ Epikureismus und seiner philosophischen Doktrin stattgefunden hat. Er müsse gar nicht mehr die epikureische Lesart des Texts weiter ausführen. Diese wäre ohnehin klar, weshalb er sich nur noch auf Metrodorus konzentriere. Der Epikureismus des Horaz ist somit innerhalb der hexametrischen Dichtung zur Selbstverständlichkeit geworden. Der Leser des Lambin ist daher spätestens hier mit genügend Rüstzeug vom Kommentator ausgestattet, um quasi selbst Experte zu sein. 5.3.2.5 Epikureisches Verweisen Anhand der obszönen Kommentierung konnte festgestellt werden, dass Lambin durch sein Verweisen innerhalb des Horazkommentars bisweilen obszöne Bedeutungen in die 344

Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. VV3 r.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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Texte hineintransportierte. Ein ähnlicher Fall ergibt sich im Rahmen der epikureischen Stellen, was besonders dadurch interessant ist, dass Lambin hier im Nachhinein die horazischen Oden 1,4 und 1,9, die er nicht epikureisch kommentiert hatte, doch mit der Doktrin in Verbindung bringt. Die Kommentierung von Ode 1,4, Ode 1,9 und Sat. 1,5 ist wie an einer Verweiskette aufgereiht. In Ode 1,4 hatte Lambin einen epikureischen Ariadnefaden in die Kommentierung eingezogen. Er verweist im Lemma zu Et mox virgines tepebunt]345 auf Ode 1,9, in der er dieselbe Thematik behandelt. In dieser Ode verweist er innerhalb des Kommentars noch weiter nach hinten, auf Satire 1,5.346 Der Verweis auf die Stelle in Satire 1,5 ist deshalb umso interessanter, als dass er an ebendieser Stelle die direkte Referenzierung auf Epikur vornimmt, die er in den genannten Oden nicht durchführt,347 obwohl sie doch bereits durch die Tradition so stark epikureisch aufgeladen waren. Ist der Leser geduldig genug und setzt man ein Lesen von der ersten bis zur letzten Seite voraus, wird er in der Lage sein, das Epikureische an Ode 1,4 und Ode 1,9 zu erkennen, selbst wenn es deren Kommentierung unterdrückt wird. 5.3.2.6 Die Entwicklung in der 1567er Edition Auch im Rahmen der epikureischen Stellen ist ein Blick auf die Entwicklung der bisherigen Tendenzen sinnvoll. Bisher war Lambins Kommentar besonders durch die auffällige Inkohärenz der verschiedenen Positionen zum Epikureismus trotz seiner starken Selbstdarstellung als Christ festzustellen. Außerdem war die Behandlung des Epikureismus weitestgehend in der Kommentierung der hexametrischen Dichtung verortet. Dies setzt sich in der zweiten Ausgabe fort, wie anhand einiger Beispiele illustriert wird. Lambin konnte also nach der ersten Ausgabe völlig unbeeindruckt von äußeren Einflüssen in seinem Vorgehen fortfahren. Epode 8 Es ist auffällig, wie wenig Lambin sich mit Epikureismus im ersten Band seines Horazkommentars beschäftigt, besonders wenn man sein Vorgehen mit Landino oder den spätantiken Kommentatoren vergleicht, die diese Referenzierungen viel häufiger vornehmen. Sein Unwille, dies zu tun, zeigt sich erneut anhand der Kommentierung von Epode 8. Ursprünglich gab es in der ersten Ausgabe seines Kommentars von 1561 an dieser Stelle keinen Verweis auf den Epikureismus. In der Ausgabe von 1567 taucht dann eine erweiterte Fassung auf, die bereits im Rahmen der Untersuchung der obszönen Stellen besprochen wurde.

345 346 347

Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. d3 v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. f3 v. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. K3 v: namque Deos didici securum agere aevum] hunc versum mutuatus est a Lucretio lib. 5 et 6. quibus locis probare conatur ille ex sententia Epicuri […].

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

Illiterati num minus nervi rigent?] num mentulae minus arriguntur, si sunt ineruditae? Num 348 mentulae sine litteris non arriguntur? [ab 1567:] Amicus et collega meus totum hunc locum sic explicandum putabat. Libelli Stoici cupiunt versari inter pulvillos molles et delicatos, ergo multo magis Epicurei. Cum igitur ego sim Epicureus et doctus, existimare debes me multo fastidiosiorem amatorem esse quam Stoicum aliquem. Quare alius tibi amator quaerendus est isque indoctus atque illiteratus. Nam mentulae illitteratae non minus arriguntur quam litteratae. Sic ille. Sed haec explicatio ita aliena et a verbis et a sensu Horatii est, ut se ipsa refellat mi349 rorque eam homini illi doctissimo venire umquam in mentem potuisse.

Lambin zitiert hier einen Kollegen, dessen Deutung er im Detail ausbreitet, obwohl er sie für unpassend hält. Bei dem genannten Kollegen handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um Adrien de Turnèbe, dessen Adversaria, die einige Horazerklärungen enthalten, nur kurz nach der ersten Ausgabe des Horaz erschienen.350 Horaz wird bei ihm als Epikureer bezeichnet. Für Lambin hingegen ist die Gesamtaussage des Zitierten nicht haltbar, da sie „weitab ist von den Worten und dem Sinn des Horaz“.351 Damit zeigt sich, wie bereits erwähnt, erneut der Widerwille des Kommentators, in den nichthexametrischen Dichtungen diese Verbindung herzustellen. Satire 1,2 Die problematische Satire 1,2, die über lange Strecken den außerehelichen sexuellen Umgang mit Freigelassenen statt Matronen oder Sklavinnen propagiert, enthält in der

348 349 350

351

Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. I4 r. Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. Biii r. John Lewis, Adrien Turnèbe, 1998, 336: Die Adversaria des Turnèbe erschienen 1564 und 1565. Die Annotation des Turnèbe ist um einiges umfangreicher als die des Lambin. Hier Zitat der Edition von 1577, die die Horazerklärungen aus den Adversaria exzerpiert und zu den Texten gestellt hat: Adrien de Turnèbe, Horatius, 1577, fol. kiii v–iv r: […] Interpretum sententia in medio est et multo melior illa quidem quam nostra, attamen quia re nescio quid aliud hic mihi placet, me deridendum propinare non verebor. Puto igitur sententiam esse alium tibi quaerere amatorem, alium subactorem et admissarium, me tam docto et erudito potiri non potes, Epicureo praesertim et delicato. Nam et Stoicorum libri, quorum philosophorum sententia severissima et durissima est, tamen inter delitias Sericorum pulvinorum collocari desiderant, ut inde coniecturam de volupta[t]iis Epicureis facias et aliis doctis hominibus, quam fastidiosi sint amatores. Quare alium tibi amatorem vide eumque illiteratum, nisi forte existimas non satis valentes ad res venereas esse indoctos homines. Im Vorwort an den Leser zur erweiterten Ausgabe von 1567 (Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. †5 v–†6 r) macht es Lambin zu seinem erklärten Ziel, sich mit den Aussagen anderer Humanisten zu einzelnen Stellen in seinem Kommentar auseinanderzusetzen und diese entweder öffentlich zu loben oder ohne Namensnennung zu verwerfen: Meum illud institutum hic mordicus retinui perpetuoque servavi, ut, siquis Horatii locus ab aliquo alio vel ingeniose emendatus vel erudite explicatus est, siquid a quopiam prolatum est ad aliquam Horatii sententiam declarandam, quod quidem sermone ac mentione dignum iudicarim, id suo auctori bona fide reddiderim neminemque sua laude spoliarim, contra si quid ab aliquo minus apte minusve probabiliter excogitatum et litteris mandatum est, id aut dissimularim aut sine acerbiore auctoris reprehensione coarguerim […].

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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1567er-Edition eine Referenzierung mit epikureischem Gedankengut. Dies geschieht anhand der Erwähnung des Philodemus durch Horaz in V. 120–122: illam „post paulo“, „sed pluris,“ „si exierit vir“ Gallis, hanc Philodemus ait sibi quae neque magno stet pretio neque cunctetur cum est iussa venire.

Lambin erklärt, genauso wie Porphyrio und Pseudo-Acro vor ihm, Philodemus zum epikureischen Philosophen,352 neu ist die Bezeichnung des Philodemus als Dichter: Illam post paullo, sed pluris] […] Fuit autem Philodemus seu Philodamus philosophus Epicureus idemque poeta, qui cum L. Pisone aliquamdiu vixit, de quo M. Tullius in orat. in Pisonem: „Est quidam Graecus, qui cum isto vivit, homo, vere ut dicam, sic enim cognovi, huma353 nus, sed tamdiu, quamdiu cum aliis est aut ipse secum,“ etc. Et lib. 2. de finibus bon. et mal. in extr.: „Credo, Syronem dicis et Philodamum cum optimos viros, tum doctissimos homi354 nes.“ Alii legunt „Pihilo, demus, ait“ quae lectio videtur facilior quidem et planior, verum 355 tamen prior altera probatur magis omnibus eruditis. […]

Auch hier wird, wie bereits in Sat. 1,1, Cicero zitiert und wieder vermitteln die Zitate einen positiven Eindruck. Dies gilt besonders für die Belegstelle aus De finibus, beispielsweise durch die Charakterisierung des Philodemus als humanus, als optimus und sogar doctissimus. Lambin ist außerdem bemüht, die Lesart Philodemus zu erhalten und gerade nicht zu verändern. Dabei bleibt wiederum ein positiver, durch Cicero untermauerter Eindruck von einem Epikureer bestehen. Satire 1,3 Ein weiteres Beispiel für diese Tendenz findet sich in Satire 1,3 im Rahmen der Beschreibung eines guten Freundes (V. 32–34): […] at est bonus, ut melior vir non alius quisquam, at tibi amicus, at ingenium ingens inculto latet hoc sub corpore. […]

In der zweiten Ausgabe seiner Edition kommentiert Lambin, ohne dass es der Horaztext oder die Kommentare des Porphyrio oder Pseudo-Acro provozieren würden, mit Verweis auf die epikureische Doktrin, dass die Brust Sitz des Herzens, Verstands und Planens sei:

352

353 354 355

Ps.-Acro Comm. Hor. Sat. 1,2,121: […] Philodemus autem quidam philosophus fuit phisicus, qui Gallos multum donare mulieribus dixit, aut quasi divites, aut quasi in libidinem proniores. Alli (ut Porph.) dicunt Epicurem fuisse, qui cum multa de eadem secta scripsisset, dicens de muliere difficili ait […]. Porph. Comm. Hor. Sat. 1,2,120 […] Filodamus Epicurius […]. Cic. Pis. 28. Cic. Fin. 2,119. Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. Ccii r.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

Sub corpore] […] Pectus enim proculdubio proprie pars est corporis, sed ex sententia Epicureorum animi et ingenii et consilii sedes. Ex quo pro animo a poetis usurpatur. Hanc scriptu356 ram confirmat illud ex Sat. 6 huius lib:. „et latum demisit pectore clavum.“

Die sententia Epicureorum wird dabei ohne weitere Bewertung Lambins als Ausgangspunkt für dichterische Aussagen genommen, die die Brust (pectus) als Sitz des animus und des ingenium benutzten. Lambin führt sogar noch eine Horazstelle aus Sat. 1,6 zur Untermauerung an. Anhand dieses Lemmas erkennen wir wiederum eine positive Sicht auf den Epikureismus, dessen Aussagen von Lambin stellenweise als plausibel und wenig tadelnswert dargestellt werden. Epistel 1,4 Die Identifikation des Adressaten Albius Tibullus mit epikureischem Gedankengut in Epist. 1,4,4 wird in der erweiterten Ausgabe noch einmal verstärkt und noch eindeutiger gemacht: 357

Silvas interpretare salubres] reptare inter silvas salubres, ut supra annot. ad Od. 7 lib. 2. [ab 1567:] Significat autem Tibullum Epicureum esse. Removebant enim se Epicurei a rei 358 publicae administratione negotiisque publicis et in hortis ac locis amoenis vivebant.

Sein Spazieren durch die Wälder wird als Indiz für seinen Epikureismus gewertet, da sich Anhänger dieser Schule fernab vom Staate in Gärten und an schönen Orten aufhielten. Epistel 1,6 Epistel 1,6 behandelt das Thema der inneren Ruhe. Pointiert ist dies bereits im ersten Vers enthalten (Epist. 1,6,1): Nil admirari prope res est una, Numici

Die Wendung nil admirari wird auch von Lambin als Ausgangspunkt zu einem (besonders ab 1567) längeren Exkurs genutzt, in dem er die horazische Vorstellung von Platon und Aristoteles abgrenzt und sie mit Pythagoras und Epikur in Verbindung bringt: Nil admirari prope res est etc.] videntur haec magnopere pugnare cum iis, quae sunt apud Pla359 tonem ਥȞ ĬİĮȚIJȒIJ. […] Sed Horatius hoc loco vult cupiditatem et metum, laetitiam et dolorem ex earum rerum, quas cupimus et metuimus, propter quas dolemus, laetitiaque afficimur, admiratione nasci. Denique si divitias et honores et voluptates, si paupertatem, morbum, exilium, mortem contemneremus ac pro nihilo putaremus, ab omni cupiditate, metu, ceterisque 360 361 animi morbis soluti ac vacui essemus. [ab 1567:] [Pythagoras bei Plutarch] Idem etiam 356 357 358 359 360

Hor. Sat. 1,6,28. Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. Ccv r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. OO4 v. Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. Tti v. Plat. Theait. 155d. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. QQ1 r.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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placebat Epicuro. Mirantur enim, qui rerum causas ignorant. Contra omnium rerum causa cognita, levamur superstitione, inquit, liberamur mortis metu, non conturbamur ignoratione rerum, e qua ipsa exsistunt saepe formidines. Lucret. lib. 5: „Si tamen interea mirantur, qua ratione | quaeque geri possint, praesertim rebus in illis, | quae supera caput aetheriis cernuntur in oris“ 362 363 etc. […].

Der Kommentar beginnt damit, dass Lambin den Horaztext klar von Platon abgrenzt: videntur haec magnopere pugnare cum iis, quae sunt apud Platonem. Dann paraphrasiert Lambin die horazische Aussage, dass man sich von Lüsten und Schmerzen befreien sollte. Damit macht er den epikureischen Inhalt zugänglich für seine Leser, ohne ihn zu relativieren. Nach einer Pythagorasreferenz wird die Referenzierung noch expliziter gemacht, was speziell durch die Formulierung idem etiam placebat Epicuro geschieht. Schließlich wird noch eine Lukrezreferenz miteinbezogen. Das Horazzitat wird damit also klar vor einen epikureischen Hintergrund gestellt, den der Kommentator nicht negativ bewertet. Vielmehr sprechen die Zitate für sich selbst. Epistel 1,16 Allerdings verstärken sich mit dem Wachsen des Kommentars nicht nur die epikureisch kommentierten Passagen, sondern auch die christliche Selbstdarstellung Lambins. In Epist. 1,16 schneidet er anhand des Lemmas Labra movet metuens audiri] aus V. 60, das eine Gebetssituation beschreibt, einen christlichen Exkurs über dieses Thema an: Labra movet metuens audiri] […] Utinam nos Christiani haec audiremus et aliquando intelligeremus, bona verba, id est, preces rite conceptas, quales sunt eae, quae ex sacris litteris sumptae, quaeque intellectae et pura mente elatae sunt, deo gratas esse, non blasphemiam, id est, preces arbitratu nostro et ex libidine nostra compositas, iniustas scilicet et plane impias et quod ridiculum est, plerumque neque ab iis, qui eas lingua nuncupant neque ab iis, qui audi364 unt, intellectas.

Lambin bezeichnet sich als Teil der Gruppe der Christen (nos Christiani) und beschäftigt sich damit, wie das christliche, richtige Gebet vonstattengehen soll. Für diese christliche Kommentierung ist jedoch wieder eine Unterdrückung jeglicher Erwähnung des Epikureismus nötig. Besonders auffällig ist der Schluss der Epistel, der den Tod als letzte Grenze des Lebens bezeichnet (V. 79): […] mors ultima linea rerum est.

Lambin unterdrückt in seiner Kommentierung des Lemmas außerdem jeden Verweis auf eine epikureische Lesart des Texts.365

361 362 363 364 365

Plut. Mor. 37–48,44B,7. Lucr. 5,83–85. Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. Ttiiii v. Denis Lambin, Horatius, 1567, fol. Zziii r. Denis Lambin, Horatius, 1561, fol. AA2 v.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

5.3.3 Erklärungsmöglichkeiten Bei der Kommentierung der obszönen Stellen konnten die Interpretationsmöglichkeiten der Textrettung und Subversivität das Vorgehen Lambins plausibilisieren. Auch für die epikureischen Stellen wird sich dies als nützlich erweisen. Lambin äußert sich nicht metakommentarisch zu seinem Vorgehen in Bezug auf die gefährlichen Passagen. Daher kann hier nur ein Vergleich mit der Richtlinie der Darstellung des Epikureismus stattfinden, die Lambin im Vorwort seiner Lukrezausgabe formuliert. Diese Regeln wendet er außerdem in den meisten Oden- und einigen Satiren- und Epistel-Kommentaren an. In seinem Lukrezkommentar kündigt er an, die Kommentierung von schädlichem Gedankengut zu vermeiden: Quamobrem sic agamus potius. Id, quod adest, laudemus eoque fruamur, eo, quod abest, 366 aequo animo patienterque careamus […].

Eine andere, den Normen der Zeit entsprechende Strategie war die negative Darstellung des Epikureismus, die besonders prominent in Ode 1,34 funktioniert hatte. An diesen Stellen verhält er sich ebenso wie Landino. Durch den Kommentar zieht sich jedoch ein auffälliger Bruch. Mit dem Ende des ersten Bandes der Horazausgabe, der die Oden und Epoden enthält, verschwindet Lambins klare, eindeutige Haltung zum Epikureismus. Die Kommentierung wird im zweiten Teil der Ausgabe polyphon und bietet Raum für verschiedene Lesarten. Meist gibt sich der Kommentator keine Mühe mehr, den Epikureismus des Horaz zu verschleiern, sondern liest ihn ganz im Gegenteil sogar aus dem Text heraus und lässt ihn unbegradigt stehen. Erneut kann man den Kommentator, wie schon bei der Kommentierung der obszönen Stellen, dabei beobachten, wie er sich seiner eigenen Aussagen und darüber hinaus der Gefährlichkeit einiger Gedanken und Äußerungen zum Trotz nicht davon abbringen lässt, dem Epikureismus des Horaz die nötige Aufmerksamkeit zukommen zu lassen und sich aller erklärender Strategien zu bedienen, die sonst Anwendung finden: umfassende, detaillierte Erklärung und bedeutungstragendes Verweisen. Das umfassende Referenzieren von epikureischen Stellen war bei Tatiana Tsakiropoulou-Summers in Bezug auf den Lukrezkommentar als philologische Praxis um ihrer selbst willen367 und als Textrettungsstrategie368 analysiert worden. Sie zeigt, dass Lambin gewichtige antike Autoritäten wie Platon und Aristoteles benutzte, um die Aussagen des Lukrez zu entproblematisieren. Überdies zitiert ihrer Ansicht nach Lambin in seiner Lukrez-Exegese antike Autoritäten, die für die christliche Kirche unproblematisch waren, „who had the church’s stamp of approval“, um Lukrez unter diesen „protective umbrella“ zu ziehen.369 Etwas Ähnliches würde dann an dieser Stelle mit Horaz geschehen, den Lambin durch die Autorität Ciceros und Platons kontextualisiert. Diese Erklä366 367 368 369

Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. é2 r. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 28. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 46–48. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 64.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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rung ist zwar wegweisend, jedoch nicht ganz schlüssig. Lambin nimmt es schließlich beim Horazkommentar bewusst in Kauf, dass die Aussagen des Plato und die Zitate aus Ciceros Werken den Epikureismus nicht immer negativ darstellen, sondern, wie gezeigt wurde, bisweilen sogar positiv. Außerdem führt Lambin viele Zitate an, die von Platon abweichen und eher den epikureischen Autor Lukrez zur zentralen Autorität machen. Bisweilen nimmt Lambin Epikur sogar in Schutz. Alle diese Tendenzen widersprechen also der Erklärung, dass es sich hier um eine neutrale Textrettung handeln würde. Auch hier drängt sich eine subversivere Lesart auf, wie schon für die obszönen Stellen gezeigt werden konnte. Dies wird durch Untersuchungen aus der Forschung untermauert. In Gerard Passannantes Deutung imitiert Lambin bewusst den epikureischen Dichter und folgt durch die Beschäftigung mit dem Text seinem Programm: Wenn sich der Kommentator so dezidiert mit dem Epikureismus befasse, dann nähme er beinahe eine epikureische Stimme an: „In a certain light, the philologist begins to look a lot like an Epicurean.“370 Indem sich Lambin also entschieden in den Dienst des Texts stellt, macht er sich als dessen Erklärer in gewisser Hinsicht zu einem epikureischen Erklärer. In Bezug auf den Horazkommentar lässt sich allerdings diese Deutung allenfalls bedingt anwenden, denn es gibt schließlich viele Stellen, in denen Lambin den Dienst am Text verweigert und sich selbst als dezidiert anti-epikureisch darstellt.371 Für diese Passagen ist der bereits erwähnte Ansatz des dissimulatory code sehr fruchtbar.372 Überträgt man ihre Ergebnisse auf den Horazkommentar, würde dies bedeuten, dass sich Lambin besonders in den lyrischen Gedichtkommentierungen darum bemüht, den Epikureismus so unanstößig wie möglich darzustellen. Jedoch erklärt dieser Ansatz immer noch nicht befriedigend die Zweistimmigkeit in Lambins Umgang mit Epikureismus. Daher eine weitere Beobachtung: Als ein Charakteristikum der Kommentierweise des sechzehnten Jahrhunderts gilt in der Forschung der Trend in Kommentaren, den Leser darin zu bestärken, sich im Lesen seine eigene Meinung zu bilden.373 Damit geht einher, dass der Kommentator viel weniger Verantwortung für seinen zu kommentierenden Autor übernehmen muss, was besonders im Vergleich zu Landino auffällig ist. Ihn konnte man ebenfalls dabei beobachten, völlig widersprüchliche Positionen sowohl innerhalb einzelner Kommentierungen als auch im Rahmen der gesamten Edition einzunehmen und eine Art Versteckspiel mit dem Leser zu spielen, geradezu einen Zick370 371

372 373

Gerard Passannante, The Lucretian renaissance, 2011, 94. Gegen diese Sicht vgl. außerdem Susanna Gambino Longo, Savoir de la nature et poésie des choses: Lucrèce et Epicure à la Renaissance italienne, Paris 2004, 120: „Du côté de l’orthodoxie, les auteurs des principaux commentaires du poème lucrétien du XVIe siècle, G. B. Pio et Denis Lambin, et certains Jésuites réduisent en revanche Lucrèce au rôle de simple moraliste, à l’instar des autres témoins de la sagesse antique. Sa pensée sera purgée, neutralisée, rendue inoffensive, ainsi on saura tirer profit aussi de son magistère poétique.“ Valentina Prosperi, „Lucretius in the Italian Renaissance“, 2007, 214. Michel Jeanneret, „Préfaces, commentaires et programmation de la lecture. L’example des Métamorphoses“, in Gisèle Mathieu-Castellani, Michel Plaisance (Hrsg.), Les commentaires et la naissance de la critique littéraire: France, Italie (XIVe – XVIe siècles), Paris 1990, 31.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

zackkurs einzuschlagen, der es am Ende schwierig macht, die Position des Kommentators zu erkennen. Dabei wird sehr viel epikureisches Gedankengut für die Leser zugänglich gemacht und dieses sogar noch mit anderen Quellen untermauert. Es sind genau diese Stellen, die dazu führen, dass der Kommentator, wie in Epist. 1,12 gesehen, ab einem gewissen Punkt sogar ein großes epikureisches Wissen bei seinem Leser voraussetzen kann. Diese Verlagerung auf die Beurteilung durch den Leser wurde bereits angesprochen.374 Daraus resultiert außerdem eine stärkere Trennung von Kommentator und kommentiertem Autor, die schon bei der Kommentierung der obszönen Stellen beobachtet werden konnte. Ebendiese Trennung funktioniert ebenso als subversive Strategie. Der Kommentator, der sich, anders als noch Landino, weigert, den Ruf seines kommentierten Autors immer zu schützen, setzt ihn damit Vorwürfen aller Art aus. Außerdem steht diese Kommentierweise, besonders im Bereich der problematischen Stellen, in Konflikt mit zensorischem Vorgehen. Die Vordergründigkeit des unbegradigten Texts wird auch von Tatiana Tsakiropoulou-Summers festgestellt, kollidiert dann notwendigerweise aber wieder mit dem in den Paratexten entworfenen Bild des Horaz und der Notwendigkeit, ihn zu lesen. Lambin bildet hier in seiner Kommentierung vor allem mündige Leser aus, die selbst entscheiden können, wie ihre Haltung zum Epikureismus ist. Dies gilt ebenso für Lambins Publikum, seien es Schüler, sei es eine Gelehrtengruppe. Sein Vorgehen ist zwar sehr anspruchsvoll, sodass gerade ungeübte Leser einige Schwierigkeiten im Umgang mit den Kommentierungen Lambins haben mussten, und besonders im zweiten Teil wird häufig kein eindeutiges Urteil gefällt; fortgeschrittenen Lesern kommt er damit jedoch entgegen. Der Kommentator hingegen ist gegen Vorwürfe jeder Art gefeit, denn er etabliert sich vordergründig an vielen Stellen als normgetreu. Dass sein Kommentieren dem nicht immer entspricht, ist wohl nicht zuletzt der Kommentatorpersona des Lambin geschuldet. In seiner textrettenden und dabei subversiven, den mündigen Leser fördernden Kommentierung wendet sich Lambin im Hinblick auf epikureisches Gedankengut gegen dieselben Autoritäten und Strömungen wie bereits in der obszönen Kommentierung gezeigt. Ziel ist es, frei kommentieren und sich auf den antiken Text ohne Einschränkungen einlassen zu können, ohne sich als Ketzer unschädlich machen zu lassen. Seine versteckte Kritik könnte sich also erneut gegen die Sorbonne und die mit der Kirche verbundenen Zensurmaßnahmen richten und zudem für mehr Toleranz in einer schwierigen historischen Situation werben.375 Dem Kommentator scheint es wie schon bei der Kommentierung der obszönen Stellen zu gefallen, sich völlig dem Text zu widmen, ihm in all seinen Facetten gerecht zu werden und ihn nicht dem Leserpublikum seiner eigenen Zeit anzupassen, sondern als historisches Zeugnis zu behandeln, das dennoch großen Wert für das Belehren und Erfreuen hat. 374 375

Vgl. Abschnitt 5.3.2.4. Vgl. Abschnitt 4.4.3.3.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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Der Widmungsempfänger spielt bei diesem Vorgehen eine große Rolle. Der Kardinal de Tournon als Autorität am Anfang des zweiten Bandes ist ein guter Schutzschild und ein weiteres Zeugnis für Lambins Selbstbekenntnis zum Christentum, insbesondere weil dieser zweite Band sich der Doktrin des Epikureismus viel stärker und freier widmet als noch der erste Band. Der Name des Kardinals ermöglicht es Lambin, problematische philosophische Doktrinen wie den Epikureismus unvoreingenommen und historisch angemessen zu besprechen. Die Stoßrichtung dieser freien und dabei subversiven Kommentierweise geht also u. a. dahin, eine freie, unbegradigte Philologie verteidigen zu können, wie sie vom Collège Royal in Abgrenzung zur Sorbonne favorisiert wurde.

5.3.4 Zusammenfassung: Lambin als Befähiger des Lesers Aus der Untersuchung des Umgangs Lambins mit epikureischen Stellen haben sich folgende Ergebnisse ziehen lassen, die noch einmal kurz zusammengefasst werden: Erstens konnte mit Blick auf die Lukrezedition, die nur wenige Jahre nach der Horazedition entstand, gezeigt werden, dass Lambin ein Problembewusstsein für epikureisches Gedankengut innerhalb antiker Texte hatte. Dies ist wiederum für den hier untersuchten Horazkommentar wichtig. Zweitens ist auffällig, dass Lambin im Gegensatz zu Landino und seinen spätantiken Vorgängern Epikureismusreferenzen am Anfang des Kommentars verschweigt und diese erst relativ spät in größerem Umfang auftauchen. Dabei sind die lyrischen Gedichte im Vergleich wesentlich weniger epikureisch referenziert als die hexametrische Dichtung des Horaz. Gerade das Unterdrücken der epikureischen Referenz könnte die einzige Möglichkeit sein, die jeweilige Ode so detailliert zu erläutern, wie er es häufig tut. Er referenziert drittens nicht alle Gedichte als epikureisch, die er so aus der spätantiken Kommentartradition entnehmen kann. Dabei ist auffällig, dass er oft gerade dann eine Selbstdarstellung als christlicher Kommentator vornimmt, wenn er epikureische Referenzen im Horaztext verschweigt, die noch in anderen Kommentaren angelegt sind. Außerdem sind seine Aussagen in diesem Bereich nicht auf den kommentierten Autor übertragbar. Lambin ist Christ, sein kommentierter Autor Horaz ist es nicht – und der Kommentator scheint auch hier wieder keine Verantwortung dafür zu übernehmen, dass dies relativiert wird. Viertens variiert grosso modo der Ton in der Behandlung des Epikureismus innerhalb der zwei Kommentarbücher. Lambin scheint in seinen Oden-Kommentierungen eher kritischer, in seinen hexametrischen Kommentierungen oft neutral oder positiv. Insbesondere in den Satiren und Episteln ist der Kommentator oft weniger bemüht, Epikur oder seine Doktrin zu verurteilen, und überlässt dies seinem Leser. Dass diese Milde dennoch nicht selbstverständlich für den Kommentar Lambins ist, konnte anhand des Kontrastbeispiels des Aristipp gezeigt werden. Fünftens stört es den Kommentator innerhalb der Kommentierung der hexametrischen Dichtung im zweiten Kommentarbuch nicht, seinen kommentierten Autor als

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

Epikureer darzustellen. Ganz anders als Landino gibt er sich keine Mühe, gerade die Assoziation zwischen Horaz und Epikureismus aufzubrechen. Er scheint sie mit großer Gelassenheit hinzunehmen. Sechstens bietet Lambins exzessives Kommentieren, wie schon anhand der obszönen Stellen sichtbar war, im Bereich dieser problematischen philosophischen Schule wieder viel subversives Potential. Er führt seinen Leser auf teilweise schwer verständlichen Zickzackkursen durch verschiedene Bewertungen und lässt ihn am Ende ratlos zurück. In anderen Fällen gibt es mehrdeutige Hintertüren in der Erklärungsmöglichkeit der Oden. Siebtens bricht Lambin seine auffällige Stille in den Oden im Nachhinein durch ein subtiles Verweissystem im Verlauf der Gedichtkommentierungen auf und ermöglicht seinem Leser nachträglich die Identifikation einiger Oden als epikureisch, die am Anfang nicht als solche kenntlich waren. Am Ende ist Horaz als epikureischer Dichter etabliert und der Leser mit allerlei Wissen rund um diese Doktrin ausgestattet. Der Kontrast zwischen diesem Ergebnis und den Ankündigungen Lambins im Lukrezvorwort und an einigen Stellen innerhalb des Kommentars ist augenfällig. Ein ähnlicher Befund wurde von Tatiana TsakiropoulouSummers bereits für den Lukrezkommentar festgestellt. Dort liest sie das Vorgehen Lambins als Entschuldigungsstrategie und Textrettungsverfahren. In der eingehenden Analyse der Stellen im Horaztext zeigt sich, wie Gerard Passannante und Valentina Prosperi in jüngerer Zeit anhand des Lukrezkommentars festgestellt hatten, dass sich das Vorgehen Lambins in seinen Kommentierungen darüber hinaus subversiv interpretieren lässt. Dies träfe auch dann zu, wenn man für Lambin eine ähnliche Vorgehensweise annimmt, wie dies von Karlheinz Stierle und Florian Neumann für Castelvetro analysiert wurde.376 Möglicherweise erklärt Lambins programmatisches, transgressives Kommentieren, warum er bei der italienischen Kirche unter Häresieverdacht geriet,377 nämlich weil die Provokation des Kommentars so augenscheinlich war. Es lässt sich sogar vermuten, dass er genau durch dieses Vorgehen, insbesondere im Hinblick auf die Behandlung der obszönen Stellen – gewollt oder ungewollt –, ein Vorbild für die libertinistischen Strömungen wurde, die sich im folgenden Jahrhundert verstärkt herausbildeten.378 Der Horazkommentar in seiner vorliegenden Gestalt hat das Potential, zu einem Ausgangspunkt für kritisches Kommentieren zu werden. Auf dieses Phänomen soll daher noch in Form eines Ausblicks ein kurzes Schlaglicht geworfen werden. 376

377 378

Karlheinz Stierle, „Les lieux du commentaire“, 1990, 27. Vgl. August Buck, „Einführung“, 1975, 19: „Es bleibt dann dem Leser überlassen, praktische Folgerungen für seine eigene Existenz aus dem Text zu ziehen und sich damit so zu verhalten, wie die kommentierenden Humanisten gegenüber den antiken und den modernen Autoren.“ Vgl. ebenso Florian Neumann, „Kommentartraditionen“, 2004, 57. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 96. Eine detaillierte Studie zum Thema Epikureismus im siebzehnten Jahrhundert wird von Catherine Wilson geboten: Catherine Wilson, Epicureanism at the Origins of Modernity, Oxford 2008.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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5.3.5 Horaz‫ ތ‬Epikureismus und der Libertinismus – Ein Exkurs 5.3.5.1 Lambins Kommentierung als Ausgangspunkt für die libertinistische Rezeption Das Vorgehen der subversiven Kommentierung, wie es bei Martin Mulsow analysiert und beschrieben wird und wie wir es bei Lambin beobachten können,379 steht in engem Zusammenhang mit libertinistischen Strömungen.380 Es ist lohnend, einen Blick auf dieses Phänomen zu werfen, da sich bei Lambin einige Tendenzen zeigen, die Verwandtschaft mit oder ein Vorläuferverhältnis zu diesen libertinistischen Vorstellungen haben. Betont werden muss jedoch, dass er den Begriff in dieser Weise nie verwendet oder kommentiert hat. Die erste Parallele ergibt sich aus der Behandlung des Epikureismus, der bei Lambin einen prominenten Platz hat und später ebenso bei den libertinen Gelehrten auf große Gegenliebe stößt, besonders im Bereich der Lukrezrezeption.381 Außerdem kann Lambin beinahe als Wegbereiter der Libertinisten gelten.382 An seiner Kommentierung erkennen wir, dass er den Hang der Libertinisten für sexuelle und skatologische Äußerungen teilt und eine Vorliebe für die Dinge zeigt, die sich gegen das moralische Establishment seiner Zeit richten.383

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383

Mulsow bezieht sich vor allem auf die Kommentierung im siebzehnten Jahrhundert, startet jedoch in seiner Beispielreihe mit dem Kommentar Bernis. Martin Mulsow, Die unanständige Gelehrtenrepublik, 2007, 29–32 und 51. Martin Mulsow, Die unanständige Gelehrtenrepublik, 2007, bes. 38–44. Zum Begriff des Libertins in Frankreich im sechzehnten Jahrhundert siehe Jean-Claude Margolin, „Libertins, Libertinisme et ‚Libertinage‘ au XVIe Siècle“, in Marcel Bataillon u. a. (Hrsg.), Aspects du libertinisme au XVIe Siècle, Paris 1974, 1–33. Margolin stellt die verschiedenen Begriffsbedeutungen nuanciert dar. Philip Ford, „Lucretius in early modern France“, 2007, 228. Lukrez gilt als wichtiger Einflussfaktor auf die Entstehung des Libertinismus. Mulsow stellt fest dass die von ihm untersuchten späteren Kommentare von Berni und anderen „parasitär gegenüber der humanistischen Kommentierung“ seien. Martin Mulsow, Die unanständige Gelehrtenrepublik, 2007, 52. „Zwar machen sie – in steigendem Maße – diese lächerlich, zugleich aber profitieren sie von ihr und setzen sie voraus. Denn erst die Kommentierung, nicht schon der zugrundeliegende Text, bietet die Reichhaltigkeit eines Diskur[s]es, durch dessen Pervertierung sich neue Aussagen gewinnen lassen.“ Lambins Kommentar scheint in gewisser Hinsicht ein Paradebeispiel für diesen humanistischen Ausgangstext im Sinne Mulsows zu sein. Es muss gleichzeitig betont werden, dass er sich selbst schon sehr nahe an diesen subversiven Tendenzen bewegt, wie anhand der Untersuchung der Inkonsistenzen im Text und der Selbstaussagen Lambins gezeigt werden konnte. Auch er bietet schon dieses Potential und scheint damit die Form eines libertinistischen Übergangstexts zu haben. Philip Ford, „Lucretius in early modern France“, 2007, 239–240.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

Lambin selbst ist kein Libertin im gängigen Sinne.384 Seine Arbeit datiert immerhin einige Dekaden vor der Zeit, in der die Bewegung der erotisch-transgressiven Libertins angesetzt wird.385 Dennoch ist es seine Art, Texte auszulegen, die späteren, insbesondere libertinistischen, Kommentatoren einen hervorragenden Ausgangspunkt für ihre eigenen provokanten Beschäftigungen bietet. Dabei hilft Lambin dieser Bewegung nicht nur dadurch, dass er eine exzellente Lukrezausgabe schafft,386 sondern auch, indem er auf seine eigentümliche Art den Horaztext auslegt. Seine Kommentare hatten das Potential, nützliche Quellen für die späteren libertinistischen Leser des Horaz und des Lukrez zu werden: Während Lambin Ode 1,34 einerseits oberflächlich regelkonform kommentiert und sich damit der Tradition ihrer Auslegung verbunden zeigt, lässt er doch andererseits genug Interpretationsspielräume insbesondere für den mündigen Leser offen, die zu eigener Urteilsbildung anregen. Ähnlich wie für Ode 1,4, die im Rahmen der obszönen Kommentierung als programmatisch, aber auch polyphon in ihren Aussagen (besonders durch die obszöne Martialreferenz) eingestuft werden konnte, gibt es darüber hinaus in der bisher orthodox kommentierten Ode 1,34 Elemente, die den sittenkonformen Eindruck der Kommentierung gegen Ende relativieren. Besonders deutlich wird dies anhand des bereits besprochenen Lemmas plerumque per purum] (V. 7). Lambin hatte in dieser Ode den Epikureismus negativ dargestellt, jedoch wird an den bisher aufgeführten Beispielen offensichtlich, dass er sich oft an einen urteilsfähigen Leser wendet. Obwohl Lambin im Folgenden durch die Untermauerung von Zitaten der horazischen, götterverehrenden Position recht gibt, wirkt es doch zunächst so, als würde er 384

385

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Martin Mulsow, Die unanständige Gelehrtenrepublik, 2007, 52 stellt fest, dass „der Libertinismusvorwurf [für das Cinquecento] oft eine Rückprojektion bedeut[e]“. Lambin ist kein Libertin. Dennoch lassen sich in der Untersuchung eindeutig subversive Tendenzen innerhalb seines Kommentartexts finden. Ob dies von ihm intendiert war, ist schwer zu beantworten, jedoch kann festgestellt werden, dass der Kommentartext dieses Potential besitzt. John S. Spink, French free-thought from Gassendi to Voltaire, London 1960, 3–4. Der Begriff libertini ist zur Zeit Lambins eher mit der von Calvin verdammten Sekte verbunden, vgl. JeanClaude Margolin, „Libertins“, 1974, 4–14 zur Begriffsgeschichte des libertin im sechzehnten Jahrhundert, der feststellt, dass von Calvin Epikureismus und Libertinismus gleichgesetzt wurden (14). Gerhard Schneider, Der Libertin. Zur Geistes- und Sozialgeschichte des Bürgertums im 16. und 17. Jahrhundert, Stuttgart 1970, besonders 50–68. Schneider (68) hebt hervor, dass diese Libertiner den Vorwürfen von sexueller Promiskuität und Obszönität ausgesetzt waren. Pinhas-Delpuech untersucht die enge Verbindung zwischen gelehrtem Humanismus und dem Begriff des Libertinismus unter Bezug auf Gestalten wie Étienne Dolet, Montaigne, Rabelais und Erasmus, die sie als „libertins avant la lettre“ bezeichnet. Rosy Pinhas-Delpuech, „De l’affranchi au libertin, les avatars d’un mot“, in François Moureau, Alain-Marc Rieu (Hrsg.), Éros philosophe. Discours libertins des lumières, Genève 1984, 11–13, Zitat 13. Die Vorgehensweise von Lambin ermöglicht es durchaus, ihn zu dieser Gruppe zu zählen. James Grantham Turner, Schooling Sex, 2003, 20 setzt Vorläufer der libertinen Strömung des siebzehnten Jahrhunderts an. Philip Ford, „Lucretius in early modern France“, 2007, 227. Jean-Claude Margolin, „Libertins“, 1974, 24 legt dar, dass Lambin Lukrez mit großer Vorsicht ediert habe, da es eine enge Verbindung zwischen Libertinage und Epikureismus gab.

Landinos Umgang mit epikureischen Passagen bei Horaz

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Lukrez als (richtige) Gegenautorität etablieren wollen. Dieser hat darüber hinaus die Plausibilität der Lebenswelt auf seiner Seite, die den meisten Lesern des Kommentars viel wahrscheinlicher erscheinen muss als die Aussagen des Horaz und des Sallust (und in den späteren Ausgaben des Cicero und anderer Autoren). Die wenigsten Leser Lambins werden einen Blitz aus heiterem Himmel miterlebt haben. Eine weitere Untermauerung dieser Plausibilität des Lukrezzitats kommt von Lambin selbst aus der bereits mehrfach erwähnten Epistola dedicatoria seiner Lukrezausgabe, in der er eindeutig die hohe Qualität des Lukreztexts auf genau die Frage der Blitzerscheinung bezeugt: Ad Lucretium igitur nostrum revertor, poetam egregium ac praestantem scriptoremque omnium Latinorum politissimum, vetustissimum, elegantissimum […]. Hic ubi de rerum primordiis, seu corpusculis individuis, de eorum motu et figuris, de inani, de imaginibus, sive simulacris, quae e summo rerum corpore mittuntur, de animorum natura, de ortu obituque siderum, de solis et lunae defectu, de fulminis natura, de arcu caelesti, de avernis, de causis morborum, et multis aliis rebus disputat, subtilis, argutus, enucleatus, limatus est. In librorum prooemiis, in nonnullis similitudinibus, in exemplis, in disputationibus de morte contemnenda, de amore fugiendo, de somno et insomniis, gravis, copiosus, amplus, magnificus, elatus, orna387 tus est.

Dabei wird für den Lukreztext eine Fülle von positiven Beurteilungen gefunden. Er ist damit für Lambin zwar noch nicht wahr, aber dennoch erhaltens- und zitierenswert und ermöglicht dem Leser, seine eigene Erfahrungswelt beim Lesen dieser Stelle in sein Werturteil miteinzubeziehen388 und damit die Plausibilität des Horaztexts auf den Prüfstand zu stellen. Die Möglichkeit, die Textbedeutung bei Horaz kritisch zu hinterfragen, wurde von späteren Lesern genutzt, wie sich hervorragend am Beispiel des Tanaquil Faber zeigen lässt.389 Dieser hatte empört darauf reagiert, dass früheren Interpreten „die Widersinnigkeit der horazischen Aussage verborgen geblieben war“.390 Helmut Krasser führt dies auf die Lektüre des Neu-Epikureers Gassendi durch Faber zurück. Und auch für spätere Interpreten wird eine subversive Interpretationsmöglichkeit immer wahrscheinlicher, wie für Dacier (1681), der die gesamte Ode dann als „berechnenden Spott gegen philosophische Gegner“, also die Stoiker, versteht.391 Selbst David West konstatiert noch im Jahr 1995, dass die Kommentatoren von der Inkonsistenz der horazischen Aussagen verwirrt waren und die Absage des Horaz an den Epikureismus als Lüge enttarnen konnten.392 Lambins Kommentierweise lässt bereits 1561 diesen Interpretationsspiel-

387 388 389 390 391 392

Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol. é1 v. Wie dies auf spätere Leser gewirkt haben könnte, wird im Abschnitt 5.3.2.6 gezeigt. Im Folgenden vgl. die Untersuchungen Krassers: Helmut Krasser, „Büßer, Spötter oder Künstler“, 1996, 325–329. Helmut Krasser, „Büßer, Spötter oder Künstler“, 1996, 326. Helmut Krasser, „Büßer, Spötter oder Künstler“, 1996, 329. David Alexander West, Carpe Diem. Odes, Horace, Bd. I, Oxford 1995, 164. Wests Erklärung (166–167) der Ode befasst sich mit einer möglichen Kritik des Horaz an der Physik des Epikureismus, da er eigentlich nur an den ethischen Aspekten der philosophischen Schule interessiert war,

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

raum offen und bietet damit trotz der orthodoxen Erklärung der horazischen Konversion doch schon Elemente, die subversiv gedeutet werden können. Diese Deutungen setzen sich bei seinen Nachfolgern im folgenden Jahrhundert fort.393 5.3.5.2 Horaz – Sohn eines libertinus Ein bemerkenswerter sprachlicher Zufall ist, dass Horaz sich natürlich selbst als Vorlage für libertinistisches Denken hervorragend eignet, da er sich als Sohn eines libertinus bezeichnet.394 Diese Identifikation wurde darüber hinaus auf negative Weise auch durch Lambins Zeitgenossen Pierre de Ronsard vorgenommen, der die niedere Herkunft des Horaz besonders betont:395 Horace harpeur Latin, Estant fils d’un Libertin, Basse et lente avoit l’audace; Non pas moy de franche race, Dont la Muse enfle les sons 396 De plus courageuse haleine.

Zur Zeit Lambins ist dagegen noch eine andere Definition für Libertin aktuell: Sie fasst die libertini als „rebelles aux croyances“.397 Man könnte also vermuten, dass für Lambin diese Bedeutung von libertinus durchaus für seine Horazinterpretation Geltung hatte und eine weitere subversive Lesart des Texts stützen. Horaz als libertinus, oder immerhin Sohn eines libertinus, wäre damit ein antikes Beispiel für einen Glaubensrebellen. Dies wäre durch Lambins Deutung der Aussagen des Horaz über Philosophie und Religiosität sicher nicht ausgeschlossen. Sollte Lambin also Horaz an einigen Stellen als einen solchen Glaubensrebellen stilisiert haben, ist durchaus denkbar, dass sich das libertine Horazbild des Lambin in eine ähnliche provokante, subversive Stoßrichtung bewegt, wie dies schon anhand der Kommentierung obszöner Stellen gegen das kirchliche, moralische und bildungsinstitutionelle Establishment und die allgemeine Stimmung der Zeit geschehen war. Letztere war aufgeladen von religiösen Konflikten und der daraus folgenden Zensur und Beschränkung von Wissenschaft und Gelehrtheit. Dagegen wehrte sich Lambin sowohl explizit im Vorwort seiner Lukrezausgabe398 als

393

394 395 396 397 398

und endet mit der sehr allgemeinen Schlussfolgerung, dass das Argument der Ode dezidiert nicht kohärent sein sollte. Diese Subversivität innerhalb der sittengestrengen Programmatik des Lambin wäre damit gut mit seinen keuschen metakommentarischen Aussagen aus Ode 1,4 im Rahmen der obszönen Stellenkommentierung vergleichbar. Hor. Sat.1,6,46: nunc ad me redeo libertino patre natum. Jean-Claude Margolin, „Libertins“, 1974, 3. Gerhard Schneider, Der Libertin, 1970, 39. Ronsard, Odes 1,12,1–6, zitiert bei Gerhard Schneider, Der Libertin, 1970, 39. Rosy Pinhas-Delpuech, „De l’affranchi au libertin“, 1984, 12. Denis Lambin, Lucretius, 1563, fol.é3 r–é3 v. Tatiana Tsakiropoulou-Summers, „Lambin‫ތ‬s Edition of Lucretius“, 2001, 18–19.

Landinos und Lambins Umgang mit epikureischen Passagen im Vergleich

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auch provokant-subversiv, indem seine Horazausgabe jedem geduldigen und gründlichen Leser eine freie und selbstbestimmte Lektüre von problematischem Gedankengut ermöglicht.399

5.4 Landinos und Lambins Umgang mit epikureischen Passagen im Vergleich Durch den Vergleich zwischen Landinos und Lambins Strategien im Umgang mit Horaz’ Epikureismus können nicht nur Unterschiede und Gemeinsamkeiten im Vorgehen der Kommentatoren herausgearbeitet werden. Durch ihn werden zudem größere Tendenzen in ihrer Kommentierweise sichtbar. Daher soll hier noch einmal eine Zusammenfassung der untersuchten Ergebnisse erfolgen. Der Epikureismus des Horaz stellt für Landino und Lambin in ihrem jeweiligen Umfeld eine kommentatorische Herausforderung dar. Gemeinsam ist beiden Kommentatoren, dass sie an mehreren Stellen den Epikureismus als problematische Doktrin kennzeichnen und sich dennoch sehr eingehend damit beschäftigen. Sie begegnen ihm jedoch mit zwei völlig verschiedenen Strategieportfolios in Bezug auf das moralische Ansehen des Horaz, die insgesamt von Nähe/Verantwortung (Landino) und Distanz/Freiheit (Lambin) in Bezug auf die problematische Doktrin gekennzeichnet sind. Landino übernimmt volle Verantwortung für seinen zu kommentierenden Autor und benutzt den Epikureismus erstens als Entschuldigung für Dichtungen, die nicht moralisch korrekt sind, zweitens relativiert er ihn in der Horazbiographie und versucht ihn durch die Autorität Platons zu entproblematisieren. Lambin hingegen geht in eine völlig andere Richtung. Anders als Landino, der früh mit der Kommentierung des Epikureismus beginnt, verschleppt er die Kommentierung über lange Strecken und beginnt erst im zweiten Teil der Edition eingehender mit dessen Behandlung. Dabei nimmt er, ganz anders als Landino, seinen Leser nicht an die Hand und hält ihn nicht für schützenswert, ebenso wenig wie die Reputation seines kommentierten Autors Horaz. Dessen Epikureismus wird immer wieder thematisiert. Die Einschätzung der Doktrin liegt überwiegend beim Leser. Dem Kommentator scheint ein sachbezogenes Kommentieren das oberste Ziel, ohne sich daran zu stören, dass er damit gegen erwünschte kirchliche Doktrinen vorgeht. Auch die Selbstdarstellung der beiden Kommentatoren unterscheidet sich hier: Landino bezeichnet sich selbst nicht explizit als Christ, handelt aber religionskonform. Lambin hingegen ist nachdrücklich daran interessiert, sich als christlich zu profilieren, doch zeichnet sich in seinem Kommentieren ein Nicht-Verurteilen des Epikureismus ab. Dies ist möglicherweise dem Bewusstsein Lambins geschuldet, nicht gemäß den Regeln 399

Hier lässt sich hervorragend das von Most untersuchte empowerment des Kommentarlesers erkennen, der sogar zu einer unabhängigen Lektüre erzogen würde. Dies ginge sogar über den von Most untersuchten Aspekt hinaus: Glenn W. Most, „Preface“, 1999, xi.

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Strategien im Umgang mit epikureischen Passagen in den Kommentaren

zu handeln, sodass sich diese Selbstdarstellung auch als Schutzmaßnahme erkennen lässt. Landino versucht, die Brüche im horazischen Text für seine Leser aufzulösen und in ein kohärentes System einzufügen, das durch seine eigene philosophische Herkunft als Neuplatoniker bestimmt ist, um damit die Integrität des Horaz zu bewahren. Lambin lässt bewusst Brüche in der Darstellung des Horaz entstehen und sein Kommentieren enthält oft Brüche innerhalb seiner Perspektive auf den Epikureismus. Wo Landino seinen Leser an die Hand nimmt, stellt Lambin ihn vor eine differenziertere und kompliziertere gedankliche Landschaft. Der Leser muss sich selbst einen Weg im Dschungel der vielfältigen Referenzen und Stimmen des Kommentars suchen. Dass dies bisweilen zu unorthodoxen Ansichten bei seinem Leser führen kann, scheint der französische Kommentator bewusst in Kauf zu nehmen.

6 Fazit und Ausblick

6.1 Landino und Lambin im Vergleich – Eine Synthese Anhand der Untersuchung der Paratexte, der obszönen und der epikureischen Stellen im Landino- und im Lambinkommentar konnten eine Reihe verschiedener Analyseergebnisse herausgearbeitet werden. Zusammenfassend lässt sich dabei Folgendes festhalten: In der Art der Darstellung des Horaz in den Paratexten sind sich die beiden Kommentatoren ähnlich. In der Behandlung der problematischen Stellen unterscheiden sie sich jedoch stark voneinander: Im Gegensatz zu Landino, der die Obszönität besonders am Anfang der Ausgabe unterdrückt, setzt sich Lambin bereits früh mit ihren Ausprägungen im Horaztext auseinander, distanziert sich jedoch von ihr. Von seinem Vorgänger unterscheidet ihn außerdem, dass er sich dem Epikureismus des Horaz erst sehr spät widmet. Landino hingegen beginnt bereits in den Paratexten, sich als Mediator mit Horaz’ philosophischer Ausrichtung, die von der Renaissance als problematisch wahrgenommen wird, auseinanderzusetzen. Diese beiden Themenkomplexe fordern die beiden Kommentatoren ganz unterschiedlich heraus und bieten ihnen verschiedene Möglichkeiten, ihr Horazbild über sie hinweg zu formen, an dem sie sich selbst mehr oder weniger messen lassen. Horaz’ Werke zeigen sich für beide als Texte voller Herausforderungen inhaltlicher und sprachlicher Art.

6.1.1 Landino als Kommentator des Horaz Der größte Unterschied zwischen beiden Kommentatoren liegt in der Art der Verantwortung, die sie als Kommentatoren des Horaz übernehmen. Landino zeigt sich sowohl in den Paratexten als auch in den problematischen Passagen als derjenige, der die Vermittlerrolle, sogar eine Funktion als Verteidiger des Horaz annimmt. Seine verschiedenen Strategien setzen am Horaztext an und führen ihn fort, etablieren den antiken Dichter als Autorität. Dies zeigt sich anhand der Paratexte, besonders der Horazvita und der

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Fazit und Ausblick

obszönen und epikureischen Passagen in gleichem Maße. Sobald Landinos Ansatz undurchführbar wird, ersinnt der Kommentator Wege und Praktiken, um seinen Horaz vor möglichen Vorwürfen zu schützen und ihn als denjenigen zu erhalten, als den er ihn in den Paratexten beschreibt. Dies geschieht, indem er Horaz als moralischen Lehrer darstellt und, wenn dies ausgeschlossen ist, Entschuldigungsstrategien ersinnt, die teilweise stark in das Textverständnis eingreifen. Damit spiegelt sein Programm das neuplatonische Kommentatorverständnis wider, in dem sich die Kommentatoren als wichtiger Teil der Tradition antiker Dichtung verstehen, das heißt als Ausführende einer Tätigkeit, die von göttlicher Inspiration getragen wird und damit wesentliches Element im Gesamtprozess der Wirkung von Dichtung ist. So wie die Dichter, die kommentiert werden, göttlich inspiriert sind, so führt dies der quasi-priesterliche Kommentator fort. Auch Landino unternimmt große Anstrengungen, Horaz’ bisweilen problematische Dichtung zu harmonisieren und als integer und moralisch richtig zu stilisieren. Dies wird von ihm als neuplatonischem Kommentator sogar verlangt. Darüber hinaus glättet Landino Horaz, um sich in besonderer Weise auf ihm, als sein Vermittler, abbilden zu können. Mit dessen Reputation steht und fällt seine eigene. Diese Verantwortung, die der Kommentator für Horaz zu spüren scheint, wird zudem durch die enge Verzahnung von Text und Kommentar im Layout der Ausgabe sichtbar. Der Kommentar ist damit nicht nur ein wichtiger Meilenstein in der Horazkommentierung, sondern kann die neuplatonische, typisch florentinische Philologiepraxis des Landino hervorragend illustrieren. Sie zeigt außerdem die Integration des Horaz in diesen intellektuellen Diskurs, der zumindest als Zitatgeber einen wichtigen Einfluss auf die Florentiner Platonische Akademie ausgeübt hatte. Der Horaz des Landino ist damit nicht der fröhliche, chaotische, widersprüchliche, bisweilen ernste, bisweilen scherzhafte, sympathische Lebenslehrer, sondern eine Autorität viel größeren Ausmaßes, ein Vorbild und makelloser Sitten- und Dichtungslehrer.

6.1.2 Lambin als Kommentator des Horaz 79 Jahre später wird Lambin in Frankreich eine ganz andere Begegnung mit Horaz haben. Seine Selbstrepräsentation ist wesentlich stärker ausgeprägt, als dies bei Landino der Fall war. Er tritt als Kommentator viel sichtbarer auf und nimmt großen Raum in der Dualität Horaz/Kommentator ein. Im Laufe der Editionen verstärkt sich diese Entwicklung noch. Besonders im Kontrast zu Landino fällt jedoch auf, dass Lambin zwar einerseits Horaz in den Paratexten als große und wichtige Autorität stilisiert, von dessen Prestige er profitieren möchte, er es aber andererseits innerhalb des Kommentars dennoch nicht als seine Aufgabe ansieht, Horaz als den zu erhalten, als den er ihn im Vorwort präsentiert hat. Lambin legt, ganz anders als Landino, keinen Wert darauf, Horaz zu glätten oder auf seine intendierte Leserschaft abzustimmen. Zwar gibt er sich große Mühe, sich selbst (neben vielen weiteren positiven Selbststilisierungen) als sittengetreu darzustellen, doch

Landino und Lambin im Vergleich – Eine Synthese

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konfrontiert er seine Leser mit einem Horaz und einer antiken Welt, für die er keinerlei Verantwortung übernimmt. Dabei zeigt er sich als von seinem commentandum einigermaßen distanzierter Kommentator. Ermöglicht wird dies außerdem durch ein trennendes Layout, das eine stärkere Aufteilung von Text und Kommentar vornimmt. Die scheinbare Ablehnung von Verantwortung schlägt sich in dem für ihn typischen umfangreichen, multiplizierenden Kommentierstil nieder, der sich detaillierter Sacherklärungen, Paraphrasen, Textverweisen und sogar Anekdoten bedient, auch wenn dies in Zusammenhängen geschieht, in denen er eigentlich Selbstzensur gelobt. Die im Kommentar getätigten Aussagen, für die der Horaztext als Stichwortgeber fungiert, attackieren in großer Eindeutigkeit die moralischen Diskurse der Zeit. Jedoch bleibt Lambin dabei immer vorsichtig und macht sich selbst nicht angreifbar. Der Kommentar Lambins ist daher ein Politikum. Der Kommentator etabliert sich selbst als Philologe des Collège des lecteurs royaux und als aufmerksamer, involvierter Beobachter der Wirren kurz vor Ausbruch der Religionskriege, gleichzeitig jedoch ebenso als moralisch korrekt und christlich gläubig – möglicherweise, weil er durch äußere Faktoren dazu gezwungen wird. Anders als Landino legt Lambin einen größeren Fokus auf die dichterische Qualität des Horaztexts – eine Strategie, die ebenso in seiner Lukrezausgabe Anwendung findet, wenn es darum geht, problematischen antiken Autoren eine Bühne zu schaffen. Sein politisierendes Horazbild (direkt in den Paratexten, indirekt durch das Vorgehen in den Kommentartexten) nutzt damit inhaltliche Facetten des Texts. Die Brüche in seiner Ausgabe bilden die Brüche innerhalb des Horaztexts ab. Horaz ist ebenfalls subtil, subversiv und schwer festlegbar in seiner politischen und persönlichen Dichtung, er verstrickt sich selbst in Widersprüchen, nimmt sich selbst nicht besonders ernst und lässt seine scharfen Invektiven auf sich selbst zurückfallen – insgesamt also eine eher fragwürdige antike Autorität. Diese Widersprüchlichkeit lässt sich auch für das Kommentieren Lambins feststellen. In gewisser Hinsicht kann also durch die bei ihm zu beobachtende Distanz ein beinahe modernes Horazbild entstehen, das er jedoch gleichzeitig als Sprungbrett für Kritik an zeitgenössischen gelehrten und weltlichen Diskursen benutzt. Das Bild, das sich die Forschungsgeschichte seit Scaliger von Lambin gemacht hatte, nämlich das eines weitschweifigen, pedantischen Gelehrten, ist damit grundsätzlich zu revidieren.

6.1.3 Das Bild des Horaz, das Bild des Lesers All dies zeigt, wie vielseitig rezipierbar der Horaztext für seine rinascimentalen Leser war. Sowohl Moralisten als auch libertine Leser konnten sich mit seinen Werken befassen.1 Für beide bot der antike Dichter viel Stoff. Interpreten konnten ihn, wie Landino und Lambin, immer in verschiedene Richtungen lesen, eine Tendenz, die sich durch die 1

David Money, „The reception of Horace“, 2007, 318: „Both moralists and libertines could seek instruction in his works.“

276

Fazit und Ausblick

folgenden Jahrhunderte fortsetzen sollte. Dabei scheint sich das Bild, dass sich die Kommentatoren von ihren Lesern machen, stark zu unterscheiden. In ihren Paratexten argumentieren beide noch sehr ähnlich. Bei beiden ist außerdem die intendierte Leserschaft schwer zu bestimmen, scheint aber eine Mischung aus Schülerleserschaft und fortgeschritteneren Lesern zu sein. In der Kommentierung an sich nehmen beide eine Art Leserentwicklung vor.2 Jedoch ist dies viel stärker bei Lambin ausgeprägt, der einen größeren Schwerpunkt auf die Souveränität seines Lesers legt, als Landino dies getan hatte. Landinos Verantwortung für Horaz ergibt sich vor allem aus seiner Verantwortung für die moralisch-einwandfreie Bildung seines Lesers, die in Teilen durch neuplatonische Lehren ergänzt wird. Lambin hingegen konfrontiert seine Leser mit den Inkonsistenzen des horazischen Texts. Er vergrößert und verstärkt problematische Stellen häufig noch durch sein Kontextualisieren. Diese Distanz bedeutet aber auch, dass sein Leser durch diese Konfrontationen ein zwar breites, jedoch moralische Diskurse strapazierendes Wissen vor sich ausgebreitet bekommt. Dabei spielt es außerdem keine große Rolle, welchen Reifegrad sein Leser hat. Die anspruchsvolle subversive Komponente ist im Besonderen für hochgebildete Leser verständlich und entfaltet erst hier ihr Potential.

6.2 Der Nutzen der Kommentare heute Die Nutzung von Kommentaren, wie den hier vorgestellten, bietet für die moderne Forschung gute Möglichkeiten, ihr Verständnis von Literatur grundsätzlich zu überdenken. Dies gilt nicht allein für die Horazkommentare, sondern für Werke aller Epochen.3 Verstanden werden darf dies allerdings nicht im Sinne einer finalen Klärung von offenen Fragen, sondern im Sinne der positiven Vervielfachung von Problemen.4 Die Benutzung der Kommentare von beispielsweise Landino und Lambin bietet die Möglichkeit, vorausgesetzt, die Prämissen ihrer Entstehung werden geklärt, Forschungsfragen aufzuwerfen, zu festigen, feste Forschungspositionen wieder in Frage zu stellen und damit einen lebendigen Forschungsdiskurs zu befördern. Die Möglichkeiten der digitalen Welt erschließen außerdem bisher undenkbare Forschungsansätze, u. a. die gesamte Kommentarliteratur zu Autoren, in unserem Falle Horaz, zu erfassen,5 zu versammeln 2 3 4

5

Glenn W. Most, „Preface“, 1999, x: „Another function of a commentary is pedagogic: one motivation for many commentators seems to be to help the reader to become more sovereign.“ Frischer kommt aus dem Vergleich der Kommentare zu einer modernen Theorie für Horazinterpretation: Bernard Frischer, „Rezeptionsgeschichte und Interpretation“, 1996,110–113. Don Fowler, „Criticism as commentary“, 1999, 442: „The task of commentary is to multiply problems, not to solve them, and if this process brings innocent amusement to the stupid, that is another of the many goods that it can bring the world.“ Willard McCarty, „Commentary in an electronic age“, in Roy K. Gibson, Christina Shuttleworth Kraus (Hrsg.), The Classical Commentary. Histories, Practices, Theory, Leiden 2002, 359–402.

Der Nutzen der Kommentare heute

277

und miteinander interagieren zu lassen (im Sinne eines Horatius cum omnibus commentariis),6 wie dies bereits im Rahmen des Projet Horace begonnen wurde. Dabei sind die Kommentare jedoch nicht nur Werkzeuge im Umgang mit Horaz, sondern auch eloquente Zeugnisse ihrer Wissenschafts- und Rezeptionskultur. Sie sind außerdem interessante Quellen für die philologische Praxis, die zeigen können, dass die Beschäftigung mit ihnen sinnvoll und spannend ist und damit gleichsam als „Werbeträger“ für Projekte wie dieses fungieren. Es ist daher zu hoffen, dass die derzeitig vielerorts unternommene Kommentaranalyse für Werke aller Epochen ein integraler Bestandteil der Forschung wird und bleibt.

6

Don Fowler, „Criticism as commentary“, 1999. Auch Lowell Edmunds, „The Reception of Horace’s Odes“, 2010, 341 beschäftigt sich mit elektronischen Formaten von Horaz. Don Fowler, „Criticism as commentary“, 1999, 440: „In a conventional commentary, the obvious solution, to include everything, is impossible, but the electronic form at least makes the practical obstacles to such inclusivity less pressing.“

7 Anhang

7.1 Benutzte Editionen Die Zitation der Ausgaben ist, soweit möglich, aus den Katalogangaben der jeweiligen Bibliothek entnommen. Die mit Asterisk (*) versehenen Ausgaben sind die Referenzausgaben für diese Arbeit. BC: BML: BNF: BOD: BSB: CUL: HAB: SBB: SUB:

Biblioteca Complutense, Madrid Bibliothèque municipale de Lyon Bibliothèque nationale de France, Paris Bodleian Library, Oxford Bayerische Staatsbibliothek, München Cambridge University Library, Cambridge Herzog August Bibliothek, Wolfenbüttel Staatsbibliothek, Berlin Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek, Göttingen

7.1.1 Landino Landino (1481):* Dante Alighieri, Cristoforo Landino, Marsilio Ficino, Comento di Christophoro Landino Fiorentino sopra la Commedia di Danthe Alighieri poeta Fiorentino, [mit Kommentar, Einführung und Vorreden von Christophorus Landinus. Mit Würdigung Dantes in lat. und ital. Sprache von Marsilius Ficinus. Mit 19 Kupferstichen von Baccio Baldini nach Zeichnungen von Sandro Botticelli], Firenze per Nicholo di Lorenzo 1481. BSB: Rar. 290–1/3, 2°. Online-Ausgabe: https://opacplus.bsb-muenchen. de/metaopac/search?oclcno=239575724&db=100 [Permalink, 4. April 2015]. Landino (1482): Cristoforo Landino, Christophori Landini Florentini in. Q. Horatii Flacci libros omnes ad illustrissimum Guidonem Feltrium magni Federici ducis filium interpretationes incipiunt feliciter, Florentiae per Antonium Miscominum 1482.8.5. Exeter College Library, Oxford: 9I 1482, 2°.

280

Anhang

Landino (1483):* Quintus Horatius Flaccus, Cristoforo Landino, Guidobaldo , [Horatius, Opera], Carmina mit Gedicht auf Horaz von Angelus Politianus. Mit Errata. Daran: Epodon liber; Carmen saeculare; Ars poetica; Sermones; Epistulae, Venetiis: Johannes [de Forlivio] und Gregorius de Gregoriis und Jacobus Britannicus 1483.05.17. BSB: 2 Inc.c.a. 1341 a., 2°. Online-Ausgabe: https:// opacplus.bsb-muenchen.de/metaopac/search?oclcno=643126133&db=100 [Permalink, 4. April 2015]. Landino (1483): Quintus Horatius Flaccus, Cristoforo Landino, Christophori Landini Florentini In. Q. Horatii Flacci libros omnes ad illustrissimum Guidonem Feltrium magni Federici ducis filium interpretationes incipiunt feliciter [Reprod./digitalisierter Microfilm] Venetiis per Ioannem de Forlivio 1483. BNF: ark:/12148/bpt6k60314q, 2°. Online-Ausgabe: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k60314q.r=landino +horace.langDE [Permalink, 4. April 2015]. Horatius cum quattuor commentariis, darin: Landino (1492): Quintus Horatius Flaccus, Antonio Mancinelli, Pseudo-Acro, Pomponius Porphyrio, Cristoforo Landino, Horatii Flacci poetae opera/Horatius cum commentariis Ant. Mancinelli Acronis Porphyrionis Christophori Landini, Venetiis a Philippo pincio Mantuano 1492[3].2.28. BOD: Auct. P 2.24, 2°. Landino (1492):* Publius Vergilius Maro, Cristoforo Landino, Christophori landini flore[n]tini in. P. Vergilii interp[re]tat[i]o[n]es p[ro]œmiu[m] ad Petru[m] medicu[m] magni Laure[n]tii filiu[m], Nurnberge Koberger 1492. HAB: A: 19.4 Poet. 2°, Online-Ausgabe: http://diglib.hab.de/inkunabeln/19-4-poet2f/start.htm [Permalink, 4. April 2015]. Horatius cum quattuor commentariis, darin: Landino (1498):* Quintus Horatius Flaccus, Antonio Mancinelli, Pseudo-Acro, Pomponius Porphyrio, Cristoforo Landino, Horatius cum quattuor commentariis [Antonii Mancinelli, Acronis, Porphyrionis, Landini] [Reprod./digitalisierter Microfilm]), Venetiis 1498. BNF: ark:/12148/bpt6k59384v, 2°, Online-Ausgabe: http://gallica.bnf.fr/ark:/12148/bpt6k59384v/f3.image.r=Horatius%20cum%20quattuor%20com mentariis.langDE [Permalink, 4. April 2015].

7.1.2 Lambin Lambin (1561):* Quintus Horatius Flaccus, Denis Lambin, Q. Horatius Flaccus, Ex fide, atque auctoritate decem librorum manu scriptorum, opera Dionis. Lambini Monstroliensis emendatus: ab eodemq[ue] commentarijs copiosissimus illustratur, nunc primum in lucem editus, Lugduni apud Ioann. Tornaesium 1561. Privatbesitz Emily Gowers, St. John’s College, University of Cambridge, 2 Bände zusammengebunden, 4°.

Benutzte Editionen

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Lambin (1561): Quintus Horatius Flaccus, Denis Lambin, Q. Horatius Flaccus, Ex fide, atque auctoritate decem librorum manu scriptorum, opera Dionis. Lambini Monstroliensis emendatus: ab eodemq[ue] commentarijs copiosissimus illustratur, nunc primum in lucem editus, Lugduni apud Ioann. Tornaesium 1561. BOD: Auct. S 2.8, 2 Bände zusammengebunden, 4°. Lambin (1561): Band 1: Quintus Horatius Flaccus, Denis Lambin, Q. Horatius Flaccus, Ex fide, atque auctoritate decem librorum manu scriptorum, opera Dionys. Lambini Monstroliensis emendatus: ab eodemq[ue] commentarijs copiosissimis illustratus, nunc primum in lucem editus, Lugduni apud Ioann. Tornaesium 1561. CUL: X.8.45, 4°. Band 2: Quintus Horatius Flaccus, Denis Lambin, Q. Horatii Flacci Sermonum libri quattuor, seu, Satyrarum libri duo. Epistolarum libri duo. A Dionysio Lambino Montroliensi ex fide nouem librorum manu scriptorum emendati, ab eodemq[ue] commentariis copiosissimis illustrati, Lugduni apud Ioan. Tornaesium 1561. CUL: X.9.7, 4°. Eine weitere, vollständig digitalisierte Version dieser Erstausgabe liegt seit kurzem im Projet Horace der Université Sorbonne Nouvelle (Paris 3) vor: http://www.univ-paris3.fr/corpus-des-editions-humanistes-d-horace-74374.kjsp?RH=1275912066623 [4. April 2015]. Lambin (1563):* Titus Lucretius Carus, Denis Lambin, Titi Lucretii Cari De rerum natura libri sex. A Dionysio Lambino Monstroliensi litterarum Graecarum in urbe Lutetia doctore Regio, locis innummerabilibus ex auctoritate quinque codicum manu scriptorum emendati, atque in antiquum ac nativum statum fere restituti, et praeterea brevibus et perquam utilibus commentariis illustrati, Parisiis In Gulielmi Rouillii et Philippi G. Rouillii Nep. aedibus 1563. BML: 343076, 4°, Online-Ausgabe nicht mehr verfügbar 1 [24. Oktober 2013]. Lambin (1567):* Quintus Horatius Flaccus, Denis Lambin, Q. Horatius Flaccus sex abhinc annos ex fide, atque auctoritate complurium librorum manu scriptorum, opera Dionys. Lambini Monstroliensis emendatus ab eodemque commentariis copiosissimis explicatus & tum primum in lucem editus nunc ab eodem recognitus & cum aliquot aliis exemplaribus antiquis comparatus & multis praetera locis purgatus, iisdem que commentariis plus tertia parte amplificatis illustratus, Lutetiae apud Ioannem Macaeum 1567. BC: BH FLL 27538, 2°. Online-Ausgabe: http://babel.hathitrust.org/cgi/pt?id=ucm.5326757941 [Permalink, 4. April 2015].

1

Mir lag für die Erstellung dieser Studie eine von Google Books digitalisierte Version vor, die jedoch nicht mehr verfügbar ist.

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Anhang

Lambin (1568):* Quintus Horatius Flaccus, Denis Lambin, Q. Horatius Flaccus sex abhinc annos ex fide, atque auctoritate complurium librorum manu scriptorum, opera Dionys. Lambini Monstroliensis emendatus ab eodemque commentariis copiosissimis explicatus & tum primum in lucem editus nunc ab eodem recognitus & cum aliquot aliis exemplaribus antiquis comparatus & multis praetera locis purgatus, iisdem que commentariis plus tertia parte amplificatis illustratus, Lutetiae apud Ioannem Macaeum 1568. BSB: 2 A.lat.a. 41, 2°. Online-Ausgabe: https://opacplus.bsb-muenchen.de/search?oclcno=1654 53176&db=100 [Permalink, 4. April 2015]. Lambin (1576):* Marcus Accius Plautus, Denis Lambin, Ex Fide, Atque Auctoritate Complurium Librorum Manu Scriptorum Opera Dionys. Lambini Monstroliensis emendates, ab eodemque commentariis explicatus, & nunc primum in lucem editus, Lutetiae apud Ioannem Macaeum 1576. BSB: 037/2 LR 134, 4°. Online-Ausgabe: https://opacplus.bsb-muenchen.de/search?oclcno=633797813&db=100 [Permalink, 4. April 2015]. Lambin (1577):* Quintus Horatius Flaccus, Denis Lambin, Dionysii Lambini Monstroliensis Regii Professoris in Q. Horatium Flaccum ex fide atque auctoritate complurium librorum manuscriptorum a se emendatum et aliquoties recognitum et cum diversis exemplaribus antiquis comparatum multisque locis purgatum, commentarii copiosissimi et ab auctore plus tertia parte amplificati, Editio postrema, Francofurti ad Moenum ex officina Typographica Andreae Wecheli 1577. Magdalen College Library, Oxford: Q.17.15, 2°. Lambin (1829): Quintus Horatius Flaccus, Denis Lambin, Dionysii Lambini Monstroliensis Regii Professoris in Q. Horatium Flaccum ex fide atque auctoritate complurium librorum manuscriptorum a se emendatum et aliquoties recognitum et cum diversis exemplaribus antiquis comparatum multisque locis purgatum, commentarii copiosissimi et ab auctore plus tertia parte amplificati, Editio nova, Confluentibus 2 Impensis Iacobi Hoelscher 1829. SBB: Pars I: Wh 740–1, Pars II: Wh 740–2.

7.1.3 Glarean Glarean (1536):* Quintus Horatius Flaccus, Heinrich Glarean, Q. Horatii Flacci Poemata Omnia, eiusdemq[ue] Annotationibus illustrata: quibus et permulta autoris loca hactenus deprauata et comentariorum infiniti errores, uel iniuria temporis, uel librariorum indiligentia, aut sciolorum impostura admissi, aut etiam comentatorum oscitantia no[n] animaduersi, exacto restituuntur iudicio. Adiecta sunt praeterea ubiq[ue] argumenta et Carminum rationes. Ad haec, alia nonnulla ipsi autori no parum lucis adferentia, Friburgi Brisgoiae Faber 1536. BSB: A.lat.a. 255, 8°. Online-Ausgabe: https://opacplus.bsbmuenchen.de/metaopac/search?oclcno=643991086&db=100 [Permalink, 04.April 2015]. 2

Digitalisierte Exemplare liegen nur über Google Books vor.

Benutzte Editionen

283

7.1.4 Turnèbe Turnèbe (1577):* Quintus Horatius Flaccus, Adrien de Turnèbe, Adriani Turnebi Philosophiae et Graecarum Literarum Regii professoris commentarius in librum primum carminum Horatii. Eiusdem Adriani Turnebi commentarius in locos obscuriores Horatii, ex eius Adversariorum libris excerptus, Parisiis apud Martinum Iuvenem 1577. BOD: Crynes 409, 8°. Lambin und Turnèbe (1604): Quintus Horatius Flaccus, Denis Lambin, Adrien de Turnèbe, Q. Horatius Flaccus, ex fide atque auctoritate complurium librorum manu scriptorum, opera Dionysii Lambini Monstroliensis, literarum Grecarum Professoris et Interpretis Regii emendatus et cum diuersis exemplaribus antiquis comparatus et ab eodem ante paulo, quam e vita decederet, recognitus, atque mendis omnibus perpurgatus, dilucidiusque, quam alijs editionibus, commentarijs auctis, atque amplificatis, illustratus. Accesserunt postremae huis editioni Adriani Turnebi philosophiae et Graecarum literarum Regii professoris in eundem Horatium Commentarij. Insuper et Theodori Marcilii, professoris eloquentiae Regij, Quotidiana et emendatae lectiones. Cum duobus rerum et verborum indicibus amplissimis, Parisiis apud Bartholomaeum Macaeum 1604. BOD: Vet. E2 c.8, 3 Bände zusammengebunden, 2°.

7.1.5 Horatius expurgatus Dillingen (1596):* Quintus Horatius Flaccus, Quinctus Horatius Flaccus ab omni obscenitate Romae expurgatus, Dilingae excudebat Ioannes Mayer 1596. BSB: A.lat.a. 293, 12°. Online-Ausgabe: https://opacplus.bsbmuenchen.de/metaopac/search?oclcno=220782398&db=100 [Permalink, 4. April 2015].

7.1.6 Rondelet Rondelet (1554):* Guillaume Rondelet, Guilielmi Rondeletii, Doctoris Medici, et medicinae in schola Monspeliensi professoris Regii Libri de piscibus marinis, in quibus verae piscium effigies expressae sunt, [Pars I], [Reprod./digitalisierter Microfiche], Lugduni apud Matthiam Bonhomme 1554. SUB: MC 95–200: H1214–H1219, 2°. Online-Ausgabe: http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN498008533 [Permalink, 4. April 2015].

284

Anhang

7.2 Textausgaben Horaz: Q. Horati Flacci Opera. Edidit D. R. Shackleton Bailey. Editio stereotypa editionis quartae (2001), 3 Berolini 2008. Horace, Odes and Epodes. Edited and translated by Niall Rudd, Cambridge, Mass. 2004. Horace, Satires, Epistles and Ars poetica. With an English translation by H. Rushton Fairclough, Cambridge, Mass. 1929, überarbeitete Neuausgabe 2005. Porphyrio: Pomponi Porfyrionis commentum in Horatium Flaccum. Recensuit Alfred Holder, Hildesheim 1967. Pseudo-Acro: Pseudoacronis Scholia in Horatium vetustiora. Recensuit Otto Keller, Vol. I: Schol. AV in Carmina et Epodos, Lipsiae 1902. Vol. II. Schol. in Sermones Epistulas Artemque Poeticam, editio stereotype editionis primae (1904), Stutgardiae 1967. Petrarca: Francesco Petrarca, Rerum vulgarium fragmenta. Edizione critica di Giuseppe Savoca, Firenze 2008.

3

In der Regel wurden die lateinischen und griechischen Texte im Haupttext und den Fußnoten aus dem TLG (griechisch), der BTL (lateinisch) und, wenn so vermerkt, aus der LLT (spätantik) übernommen. Nur bei ausführlicherer Zitation sowie dem italienischen Petrarcatext wurden die im Folgenden aufgeführten Ausgaben zitiert. Andere Ausgaben, besonders neulateinischer Autoren, werden unter Sekundärliteratur aufgelistet, da häufig aus ihren Einleitungen und Kommentaren zitiert wird.

Literaturverzeichnis

285

7.3 Literaturverzeichnis 7.3.1 Online-Quellen und Hilfsmittel BTL: Bibliotheca Teubneriana Latina, URL: http://www.degruyter.com/databasecontent?dbid=btl&db source=%2Fdb%2Fbtl [4. April 2015]. DNP: Hubert Cancik, Helmuth Schneider (DNP), Manfred Landfester (RGW) (Hrsg.), Der Neue Pauly, URL: http://referenceworks.brillonline.com/browse/der-neue-pauly [4. April 2015]. LLT-A: Library of Latin Texts, Series A, Turnhout 2005–, URL: http://clt.brepolis.net/llta/Default. aspx [4. April 2015]. Neulatein: Johann Ramminger, Neulateinische Wortliste. Ein Wörterbuch des Lateinischen von Petrarca bis 1700, URL: http://www.neulatein.de/ [4. April 2015]. Patrologia Latina: Jacques Migne (Hrsg.), Patrologiae Cursus Completus, Series Latina, Parisiis 1844–1855, URL: http://pld.chadwyck.co.uk/ [4. April 2015]. Projet Horace: Marie-Christine Lemardeley (Hrsg.), ANR Renaissances d’Horace (OnlineEditionsprojekt verschiedener Renaissance-Horaz-Kommentare der Université Sorbonne Nouvelle), URL: http://www.univ-paris3.fr/renaissances-d-horace-presentation-et-actualites-74373.kjsp ?RH=1275912066623 [4. April 2015]. Quénéhen (2012): Danièle Quénéhen/Collège de France, Liste des professeurs depuis la fondation du Collège de France en 1530, Paris 2012, URL: http://www.college-de-france.fr/media/chaires-etprofesseurs/UPL8392536186108912171_LISTE_DES_PROFESSEURS.pdf [4. April 2015]. Quillien (2007): Astrid Quillien, „Les Orationes de Denis Lambin. La defense du grec dans l’Oratio de utilitate linguae Graecae et recta Graecorum Latine interpretandorum ratione (22 octobre 1571)“, in Camenae 1 (2007), 1–19, URL: http://www.paris-sorbonne.fr/IMG/pdf/Astrid_Quillien.pdf [4. April 2015]. Rion (2001): Myriam Suzanne Rion, Die Idee der Verbindung von Musik und Poesie im Frankreich des 16. Jahrhunderts – das musikalische Supplement zu Pierre de Ronsards Amours (1552), Dissertationsschrift, München 2001, URL: http://edoc.ub.uni-muenchen.de/2135/ [4. April 2015]. TLG: Thesaurus Linguae Graecae. A digital library of Greek literature, URL: http://stephanus.tlg. uci.edu [4. April 2015]. TLL: Thesaurus Linguae Latinae, URL: http://www.degruyter.com/databasecontent?dbid=tll&dbsource =%2Fdb%2Ftll [4. April 2015].

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306

Anhang

Zintzen (2000): Clemens Zintzen, „Epikur in der Renaissance“, in Michael Erler (Hrsg.), Epikureismus in der späten Republik und der Kaiserzeit, Stuttgart 2000, 252–272. Ziolkowski (1998): Jan Ziolkowski, „Obscenity in the Latin Grammatical and Rhetorical Tradition“, in Jan M. Ziolkowski (Hrsg.), Obscenity. Social Control & Artistic Creation in the European Middle Ages, Leiden 1998, 38–59. Ziolkowski (1985): Jan Ziolkowski, Alan of Lille’s Grammar of Sex. The Meaning of Grammar to a Twelfth-Century Intellectual, Cambridge, Mass. 1985.

Index nominum

307

7.4 Index nominum Adams, James N. 148, 286 Alexander der Große 74 Allan, Michael 189, 286 Allen, Don Cameron 182, 184, 189, 224, 286 Ammon, Frieder von 46f., 286, 296, 303, 305 Anaxagoras 74 Ancona, Ronnie 52, 286 Aristipp 200, 211f., 232, 250, 265 Aristophanes 156 Aristoteles 37, 52, 74f., 156, 160–162, 172, 229, 260, 262 Assmann, Jan 9, 286, 292, 302 Athenaios 256 Auger, Edmond 142 Augustus 36, 213, 287 Auhagen, Ulrike 186, 286 Bade, Josse 190, 227 Bailey, Cyril 16, 236, 286 Balbulus, Notker 89 Balde, Jakob 11, 186, 286, 303 Baldo, Gianluigi 134, 286 Barkan, Leonard 2, 87, 103, 286 Bausi, Francesco 20, 23, 26, 30f., 286 Belowski, Eleonore 227, 229, 286 Benedict, Philip 37, 286 Berg, Deena 197, 286 Berlinghieri, Francesco 21 Berni, Francesco 173 Beroaldo, Filippo 5, 61f., 83, 170f., 288, 292, 296, 298, 303 Besomi, Ottavio 9, 27, 286, 298, 304f. Bessarion, Basilius 103 Beuys, Barbara 102, 286 Bizer, Marc 73, 177, 287 Black, Robert 53, 287 Blair, Ann 39, 287 Bloom, Harold 1, 287 Blum, Paul Richard 189, 287 Bolgar, Robert R. 142, 287 Boswell, John 126, 287 Bowditch, Phebe Lowell 47, 287

Boyssonné, Jean de 33 Braund, Susanna 12, 287 Bremme, Hans Joachim 139f., 287 Brink, Charles 3, 30, 44, 80, 287 Brown, Alison 182, 184–186, 190, 223, 225, 227, 287 Brown, Robert 287 Bruni, Leonardo 103, 184 Buck, August 9f., 21, 47, 52f., 60, 220, 266, 287, 293, 298 Budé, Guillaume de 71, 176 Budelmann, Felix 43, 61, 287 Burckhardt, Jacob 25, 287 Burrow, Colin 10, 287f. Busjan, Catharina 5, 191, 203, 288 Butterworth, Emily 85f., 288 Caesar, Gaius Iulius 74, 231 Capelli, Adriano 288 Cardini, Roberto 21, 23, 25, 30f., 123, 191, 197, 219, 288f. Caruso, Carlo 9, 27, 286, 296, 298, 304f. Casella, Maria Teresa 171, 288 Castelvetro, Lodovico 246, 266 Catull (Valerius Catullus, Gaius) 10, 39, 61, 63, 74, 86, 89f., 92, 105, 140–142, 144–146, 148f., 156, 158f., 168, 173 Cavalcanti, Giovanni 21 Cave, Terence 175, 288, 300 Céard, Jean 171, 288 Cecchetti, Dario 32–34, 39, 288 Celenza, Christopher 192, 288 Celtis, Konrad 11, 303 Chalmers, Alexander 43, 288 Charles IX., König von Frankreich 35f., 41, 66, 69, 72, 227 Chatfield, Mary P. 19–104, 133, 288 Chomarat, Jacques 227, 288 Cicero (Tullius Cicero, Marcus) 20, 33, 52, 86, 142, 152, 183, 197, 211, 231, 236, 242, 247, 249f., 252–254, 259, 262f., 269, 305 Classen, Joachim 198, 288 Clough, Cecil H. 24, 26, 288

308 Coleman, Dorothy Gabe 32, 150, 291 Coppini, Donatella 90, 108, 120, 133, 135, 139, 219, 285, 288, 304 Coras, Jean de 33 Coseriu, Annamaria 91, 288 Coulson, Frank T. 10, 289 Courtney, Edward 12, 289 Crinitus, Petrus 70, 298 Cronk, Nicholas 289 Cujas, Jacques 79 Cyllenius, Bernardinus 124 Dacier, André 269 D‫ތ‬Amico, John F. 289 Dante (Alighieri, Dante) 7, 19–22, 26, 53, 55, 59, 64, 102, 133, 136, 138, 184, 186, 190, 192, 201, 218, 220, 279, 290, 295, 298f., 304 Dauvois, Nathalie 13, 139, 285, 289, 304 Davies, Martin 6, 289 Davis, Gregson 6, 12, 287, 289, 290, 292 Davis, Natalie Z. 35, 49, 50, 289 De Baïf, Jean-Antoine 32 De Beer, Susanna 19, 23, 90, 288f., 301 De Bujanda, Jesús 91f., 289 De Smet, Ingrid 90, 112, 289 de Tournon, Francois 32, 35–37, 42, 68f., 75, 79f., 169–, 175, 177, 235, 265, 291 Deitz, Luc 184, 289 DeJean, Joan 91–93, 100, 176, 289 DeJob, Charles 91, 289 Delacourcelle, Doris 235, 289 Delcourt, Marie 184, 289 Demokrit 200, 232 Derwa, Marcel 184, 289 Di Benedetto, Filippo 30f., 289 Di Cesare, Mario 133, 137, 224, 289 Diederich, Silke 217, 290 Dolet, Etienne 139, 268 Dorat, Jean 32, 35, 227, 288, 291 Du Bellay, Joachim 291 Dubischar, Markus 2, 290 Dunton-Downer, Leslie 87, 290

Anhang

Edmunds, Lowell 6, 12, 25, 29, 42, 53, 56, 69, 178, 277, 290 Empedokles 232 Enenkel, Karl A. E. 3, 8f., 12, 19, 29, 40, 42, 45f., 52, 76, 90, 162, 169, 171, 174, 288, 290, 295, 299, 301 Epikur 182, 184–187, 189f., 193f., 197f., 200f., 207, 209f., 212, 216, 218f., 224f., 227, 232, 238, 242, 247f., 250–253, 256f., 260, 263, 265, 306 Erasmus, Desiderius 71, 74, 86, 140, 142, 164, 175, 184, 186, 268, 294, 301–304 Estienne, Henri 33f., 80, 177 Euripides 75, 249 Faber, Tanaquil 269 Fabricius, Georg 11, 31, 68, 203, 303 Fabrizio-Costa, Silvia 20, 22, 290 Farge, James K. 75f., 290 Feo, Michele 133, 290 Feretti, Emilio 37 Ferroni, Guilio 174, 290 Ficino, Marsilio 21, 61, 102f., 109, 182, 189, 192f., 223–225, 279, 286, 291, 297, 300 Field, Arthur 20, 22, 56, 112, 123, 128, 133, 189, 225, 290 Filelfo, Francesco 184 Findlen, Paula 121, 141, 174, 176, 290 Fleischmann, Wolfgang Bernard 185, 227, 290 Föcking, Marc 23, 204, 290, 295 Ford, Philip 5, 33, 39, 71, 73, 76, 89, 90, 102, 141, 145, 159, 172, 226f., 228, 234, 267f., 289–291, 294, 299, 304 Fosco, Palladio 141 Fowler, Don 29, 39, 156, 276, 277, 291, 299 Fraisse, Simone 226, 291 François I., König von Frankreich 72 François, Michel 291 Friedlaender, Ludwig 148, 291 Friis-Jensen, Karsten 13, 25, 29, 31, 35, 69, 112, 291

309

Index nominum

Frischer, Bernard 5, 51, 92, 276, 291 Frusius, André 142 Gabotto, Ferdinando 182, 189, 291, 292 Gaisser, Julia 10, 39, 47, 52, 61, 63–65, 69, 86, 92, 132, 140f., 144f., 170, 292 Galland, Pierre 7, 33, 227 Gambino Longo, Susanna 263, 292 Garin, Eugenio 30, 182, 190, 289, 292 Gassendi, Pierre 185, 268f., 304 Geerlings, Wilhelm 10, 52, 292, 303 Genette, Gérard 46f., 49, 292 Gesner, Konrad 141 Gibson, Roy 10, 43, 287 Gibson, Roy 292 Gibson, Roy K. 2, 10, 156, 290, 292, 297, 299, 304 Gladigow, Burkhard 9, 286, 292, 302 Glarean, Heinrich 282 Golden, Leon 12, 292 Gow, A. S. F. 292 Gowers, Emily 3, 109f., 130, 195, 216, 280, 292 Grafton, Anthony 4, 7, 10, 12, 14, 33f., 38, 41, 43f., 52, 76, 79f., 103, 141, 170, 182, 192, 288, 292–295, 297, 300, 306 Greenblatt, Stephen 1, 47, 82, 293 Greene, Roland 293 Greenfield, Concetta 21, 23, 53f., 293 Grendler, Paul 293 Gruber, Joachim 11, 293 Gundersheimer, Werner 49, 293 Guthmüller, Bodo 293 Hadzsits, George 226f., 234, 293 Häfner, Ralph 1, 9, 14, 293, 297, 300 Hajdú, István 25, 293 Hankins, James 103, 182, 189, 286f., 293, 296 Hardie, Philip 10, 76, 185, 189, 287, 291, 294, 302 Hardwick, Lorna 12, 287, 293 Harris, Joseph 293, 294 Harrison, Stephen 3, 12f., 28, 52, 77, 130, 178, 291, 294f., 299, 301, 304 Harth, Dietrich 294 Haskell, Yasmin 185, 186, 227, 294

Haubold, Johannes 287 Hausmann, Frank-Rutger 124, 141f., 294 Heath, Michael 71, 294 Herding, Otto 9f., 47, 287, 293, 298 Herdman, Emma 85, 92f., 100, 139, 148, 176, 294 Herrick, Marvin T. 12, 294 Hervet, Gentien 37 Herzig, Tamar 102, 294 Higman, Frances M. 140, 144, 175f., 294 Hirsau, Conrad von 89 Hollingsworth, Mary 24, 294 Holt, Mack 286 Hölter, Achim 91, 92, 294 Holtz, Grégoire 175, 294 Homer 33, 39, 68, 70, 73, 76, 133, 177, 229–231, 236, 287, 291 Hope, Charles 24, 294 Hopkins, David 4, 11, 288, 298 Horaz (Horatius Flaccus, Quintus) 1, 3– 9, 11–13, 15, 17, 20, 23, 25f., 28–31, 35f., 38, 41–43, 45, 47–49, 51–71, 73, 76f., 79, 82f., 87–89, 92, 99–101, 103, 105–139, 142–146, 149, 151f., 154f., 157–165, 168, 172–179, 181, 183– 195, 197–199, 201–226, 230, 235– 237, 239–249, 251, 253–256, 258f., 262, 264–266, 268–277, 280f., 284– 296, 298–305 Houghton, Luke B. T. 3f., 11, 15, 133, 294, 300 Hubbard, Margaret 300 Huber, Christoph 295 Hunt, Lynn Avery 121, 290, 295 Huss, Bernhard 23, 30, 55, 133, 295 Hutchinson, Gregory 77, 295 Huygens, Robert 57, 295 Iurilli, Antonio 17, 20, 30f., 92, 295 Janssen, Frans A. 29, 295 Jardine, Lisa 14, 292 Jaumann, Herbert 21f., 295 Jeanneret, Michael 263, 295 Jocelyn, H. D. 86f., 295 Jones, Howard 10, 16, 182–186, 189, 194, 227, 233, 295

310 Juvenal (Iunius Iuvenalis, Decimus) 20f., 51, 112, 121, 123, 303 Kalinina, Antonina 295 Kallendorf, Craig 10, 20, 22, 27, 30f., 63f., 115, 137, 295f. Kallimachos 236 Kenney, Edward J. 42, 44, 296 Kent, F. W. 296, 298 Keßler, Eckhard 185, 296 Killy, Walther 3, 287 Kimmich, Dorothee 182–185, 201, 228, 296 Kleinschmidt, Erich 46, 66, 296 Knecht, Robert J. 37, 296 Krasser, Helmut 3f., 11, 59, 178, 203, 206, 243f., 269, 291, 296 Krautter, Konrad 61, 296 Kraye, Jill 6, 21, 24, 103, 182, 184f., 189f., 193, 226f., 289, 294, 296f. Kristeller, Paul Oskar 21, 49f., 185, 224, 290, 297 Ladenson, Elisabeth 103, 166, 297 Laird, Andrew 296f. Lambin, Denis 1, 3, 5–8, 11f., 14f., 17– 19, 32–45, 48, 58, 65–83, 85, 91f., 121, 125f., 139f., 142–179, 181, 183, 185–188, 203, 211, 226–276, 280– 283, 285f., 288, 291, 301f., 304 Landino, Cristoforo 1, 3, 5–9, 11f., 14f., 17, 19–31, 35, 37, 41, 45, 48, 53–67, 69–71, 82f., 85, 89, 93, 100–138, 144f., 147, 150–152, 155, 160, 167, 178f., 181, 183, 185f., 188–226, 233– 235, 237–241, 243, 245f., 250f., 254f., 257, 262–266, 271–276, 279f., 285– 290, 295–301, 303–305 Landolfi, Luciano 227, 297 Laureys, Marc 139, 285, 304 Lazer, Peter 32, 297 Lefèvre, Eckard 186, 211, 286, 297 Lefranc, Abel 32, 76, 297 Lehnerdt, Max 185, 193, 297 Leiner, Wolfgang 47, 49, 51, 297 Leinkauf, Thomas 297 Lemardeley, Marie-Christine 13, 285

Anhang

Lentzen, Manfred 9, 19–22, 26, 55, 63, 138, 189f., 201, 295, 297f. Leukipp 232 Lewis, John 7, 34, 40, 72, 76, 258, 298 Lieberknecht, Otfried 49, 65, 106, 298 Lo Monaco, Francesco 27, 29, 38, 51, 62, 298 Loehning, Curt 50, 87, 141f., 172, 298 Lohe, Peter 200, 298 Lonie, Iain M. 298 Lucilius, Gaius 111, 168, 184, 242 Lucretius Carus, Titus 33, 156, 159, 172, 176, 182, 185f., 188f., 193, 207, 216, 223, 226f., 229–234, 241, 244, 247f., 252–254, 262f., 267–269, 286, 297 Ludwig, Walter 11, 13, 28, 31, 90, 133, 291, 298 Lukrez (Lucretius Carus, Titus) 7, 32, 34, 76, 139, 159, 162, 170–172, 175f., 182, 184–186, 189f., 193, 207, 216, 223, 225–228, 232–236, 244, 246, 253, 262f., 266–268, 270, 287, 290– 294, 297, 301f., 304f. Lytle, Guy Fitch 49, 293f., 298 Maecenas 36 Maecenas, Gaius 36f., 158, 213, 303 Mancinelli, Antonio 31, 190, 280 Manuzio, Paulo 33 Marchesi, Simone 184, 218, 298 Marchionni, Roberta 13, 25, 35, 57, 89, 198, 217, 298 Margolin, Jean-Claude 267f., 270, 288, 298 Marotti, Arthur F. 50, 298 Martial (Valerius Martialis, Marcus) 86, 89, 141f., 146, 148, 173 Martindale, Charles 4, 11, 288, 298 Marullus, Michael 28, 90, 299 Mastrogianni, Anna 70, 298 Mathieu-Castellani, Gisèle 2, 9, 21, 174, 179, 263, 290, 295, 298, 304 Mazzeo, Joseph Anthony 184, 186, 298 McCarty, Willard 276, 299 McDonald, Nicola 85, 88, 299, 304 McGann, Michael 12, 28, 133, 299 McGinnis, Paul J. 90, 299

311

Index nominum

McGrath, Elisabeth 24, 294 McKenzie, William 10, 299 McKinley, Kathryn L. 299 McLaughlin, Martin L. 22, 104, 137, 299 McNair, Bruce G. 63, 299 Medici, Cosimo de’ 79 Medici, Lorenzo de‫ ތ‬21, 204, 290 Medici, Lorenzo de’ 21, 102 Medici, Pietro de’ 25 Ménager, Daniel 172, 299 Metrodoros 256 Miert, Dirk van 299 Mignault, Claude 41 Minnis, Alastair 85, 112, 121, 299 Mirandola, Pico della 102f., 294 Mitsis, Phillip 299 Moles, John 52, 188, 198, 208f., 211, 299 Money, David 178, 275, 299 Monheit, Michael L. 50, 299 Montaigne, Michel de 7, 172, 226, 268, 299, 303f., 306 Montefeltro, Federico da 23–25, 63 Montefeltro, Guidobaldo da 17, 23f., 26, 53, 56–58, 61–63, 69, 109, 123, 191, 203, 280 Moss, Ann 10f., 30f., 38f., 47, 65, 142, 156, 162, 174, 299, 300 Most, Glenn W. 4, 7, 10, 12, 14f., 26, 29, 48, 51f., 76, 88, 103, 174, 182, 192, 271, 276, 291–295, 297, 300, 304, 306 Moul, Victoria 300 Mücke, Dorothea von 178, 300 Muecke, Frances 197, 300 Müller-Bochat, Eberhard 21, 300 Mulsow, Martin 14, 16, 91, 173f., 177, 267f., 300, 305 Muret, Marc-Antoine 33, 35, 141, 239 Nazianz, Gregor von 166f. Nebes, Liane 21f., 53f., 300 Nepos, Cornelius 33 Neuhaus, Johann Wendelin 31, 286 Neumann, Florian 1f., 7–9, 22, 38f., 47, 53, 60, 87, 179, 246, 266, 300

Nisbet, Robin G. 300 Norton, Glyn P. 11f., 175, 289, 293, 295, 299f. O’Rourke Boyle, Marjorie 186, 301 O’Sullivan, Carol 100, 301 O‫ތ‬Brien, John 33, 36, 77, 300 O‫ތ‬Keefe, Tim 301 Oliensis, Ellen 52, 301 Ovid (Ovidius Naso, Publius) 3, 10, 89, 104, 112, 140, 142, 156, 287, 289, 293, 299f. Pade, Marianne 9, 13, 170, 292, 295, 301 Pagnoni, Maria Rita 182–185, 212, 301 Palingenius Stellatus, Marcellus 226 Palmer, Ada 227, 301 Panormita (Beccadelli, Antonio) 89 Parker, Deborah 22, 220, 301 Partenio, Bernardino 39, 141 Passannante Gerard 233f., 263, 266, 301 Passannante, Gerard 170, 301 Pavlock, Barbara 301 Perikles 74 Perosa, Alessandro 30, 90, 105, 289, 301 Persius (Persius Flaccus, Aulus) 20f. Petrarca, Francesco 1, 20, 22, 47f., 53, 55, 132–137, 184, 190, 284f., 288, 290, 295, 300, 302 Peureux, Guillaume 5, 10, 85f., 175, 288, 290, 293f., 299, 302 Pieper, Christoph 9, 12, 15, 19, 21, 23, 25–27, 31, 53, 62, 134, 136, 192, 301 Pindar 3, 287, 303f. Pinhas-Delpuech, Rosy 268, 270, 301 Pius IV. 81, 91 Plaisance, Michel 2, 9, 21, 174, 179, 263, 290, 295, 298, 304 Platon 7, 74f., 103, 109, 112, 152, 156, 160–162, 172, 192, 220, 222f., 225, 229, 231, 236–238, 242, 247, 253, 260f., 263, 293, 297, 305 Plautus (Maccius Plautus, Titus) 33, 120, 176 Plett, Heinrich 287 Plinius Secundus Maior, Gaius 28, 170f.

312 Plutarch 249, 260 Poliziano, Angelo 10, 21, 76, 86, 90, 292, 298 Porphyrio, Pomponius 31, 62, 108, 110, 113, 115, 128, 163, 181, 187f., 196, 198, 206, 209, 211, 217, 224, 248, 259, 284, 290, 295 Potez, Henri 32f., 301f. Préchac, François 32, 301 Properz (Aurelius Propertius, Sextus) 105, 140, 142, 303 Prosperi, Valentina 189, 193, 223, 226f., 233, 246, 263, 266, 302 Pseudo-Acro, Helenius 31, 62, 108–110, 114f., 125, 128, 130, 154, 181, 187f., 195f., 198, 202, 206, 209, 211, 216– 218, 224, 241–243, 248, 259, 284 Putnam, Michael C. J. 10, 302 Puy, Clement du 33 Quénéhen, Danièle 34, 285 Quillien, Astrid 33, 285 Quint, Maria-Barbara 13, 52f., 57, 59, 88f., 130, 142, 184, 302 Rabelais, François 49 Raible, Wolfgang 9, 15, 302 Raimondi, Cosma 184 Ramée, Pierre de la 33f., 176, 227 Ramminger, Johann 18, 79, 285 Regn, Gerhard 1f., 5, 22, 48, 133, 139, 288, 295, 300, 302, 306 Reinburg, Virginia 37, 286 Rennes, Marbod von 126 Reynolds, Suzanne 89, 302 Richlin, Amy 85, 302 Riedel, Volker 302 Rion, Myriam Suzanne 239, 285 Robert, Jörg 5, 22, 26f., 104–106, 109, 124f., 132, 136–138, 220, 223, 302 Roberts, Hugh 5, 10, 85f., 100, 124, 142, 164, 175, 288, 290, 293f., 299, 302 Roberts, Michael 181, 190, 204–207, 210, 214, 302 Rocca, Rosanna 302 Rocke, Michael 102, 302 Roelker, Nancy Lyman 139, 302 Rombach, Ursula 20–22, 55, 63, 303

Anhang

Rondelet, Guillaume 37, 169–171, 283 Ronsard, Pierre de 32f., 35, 150, 239, 270 Rose, Anna 303 Roston, Murray 173, 303 Ruggiero, Guido 102, 303 Rundle, David 71, 74, 303 Salanitro, Maria 148, 303 Sallust (Sallustius Crispus, Gaius) 236, 244, 269 Sandys, John Edwin 33, 44, 76, 303 Sanford, Eva Matthews 303 Santini, Carlo 226, 303 Santirocco, Matthew 303 Sapiro, Gisèle 15, 303 Saslow, James M. 303 Scaliger, Joseph 10, 14, 33f., 40, 43f., 76, 79f., 141, 144, 275, 293, 299 Schäfer, Eckart 11, 68, 70, 92, 184–186, 203, 239, 243, 303 Schindel, Ulrich 52, 303 Schmid, Theodor 33, 65, 226, 286 Schmidt, Ernst A. 3,f., 11, 291, 296, 303 Schmidt, Gabriela 46, 303 Schmidt, Paul Gerhardt 303 Schneider, Gerhard 268, 270, 303 Schottenloher, Karl 23, 45, 47, 49–51, 303 Schulze, Christian 10, 52, 292, 303 Schwartz, Ariane 13, 303 Schwedt, Herman H. 303 Screech, Michael A. 226, 304 Segre, Cesare 304 Servius (Servius Honoratius, Maurus) 305 Settis, Salvatore 4, 7, 12, 14, 103, 182, 192, 288, 292, 293, 294, 295, 297, 300, 306 Shanzer, Danuta 88, 304 Shuttleworth Kraus, Christina 2, 10, 43, 156, 276, 287, 290, 292, 297, 299, 304 Simmons, Patricia 296, 298 Sluiter, Ineke 52, 304 Sokrates 200, 222 Spink, John S. 268, 304 St. Emmeran, Ottloh von 89 Stadeler, Anja 139, 147, 304

Index nominum

313

Staehelin, Martin 304 Stanitzek, Georg 46, 304 Statius, Achilles 140f., 144 Stemplinger, Eduard 11, 304 Steppich, Christoph J. 54, 64, 304 Stevens, Linton 32–34, 37, 177, 304 Stewart, Alan 102, 304 Stierle, Karlheinz 2, 9, 26, 39, 246, 266, 304 Stillers, Rainer 2, 23, 26, 30, 47f., 60, 62, 64, 246, 304 Stowell, Steven 102, 304 Stray, Christopher 12, 287, 293 Sueton (Suetonius Tranquillus, Gaius) 70, 83, 144

Vaillant, Germain de 35, 235f., 289 Valeriano, Piero 69, 144, 145 Valla, Lorenzo 16, 182, 184, 292 Vanek, Klara 61, 305 Vellutello, Alessandro 21, 203, 290 Vergil (Vergilius Maro, Publius) 3, 10, 20–23, 54f., 59, 64, 90, 111f., 115, 121, 128, 133, 136f., 142, 146, 156, 160, 213, 230, 295f., 300, 306 Verino, Ugolino 21, 305 Vettori, Piero 77 Villa, Claudia 9, 305 Vögel, Herfried 46f., 286, 296, 303, 305 Vogel, Sabine 37, 47f., 50f., 305 Völkel, Markus 1, 9, 14, 293, 297, 300

Tarrant, Richard J. 12, 304 Terenz (Terentius Afer, Publius) 149, 160 Theokrit 168 Thomas, Richard 77, 304 Thompson, Craig 186, 304 Thompson, David 133, 192, 304 Thomson, D. F. S. 44, 304 Thurn, Nikolaus 20f., 132f., 304f. Tibull (Tibullus, Albius) 3, 140 Tonelli, Natascia 136, 305 Tortarolo, Edoardo 91f., 139, 175, 305 Tournes, Jean de 124 Trinkaus, Charles 27, 305 Tsakiropoulou-Summers, Tatiana 7, 32, 34, 139, 162, 172, 175f., 184f., 227f., 233, 235f., 246, 253, 262, 264, 266, 270, 305 Tuilier, André 32, 72, 75, 76, 290, 305 Turnèbe, Adrien 7, 32, 34f., 40, 72, 76, 80, 140, 143, 146, 258, 283, 298 Turner, James Grantham 90, 268, 305

Waddington, Raymond B. 305 Wagner, Bettina 47, 305 Wajeman, Lise 5, 10, 85f., 175, 288, 290, 293f., 299, 302 Walsh, P. G. 252, 305 Ward Jones, Julian 86, 305 Watson, Lindsay 5, 7, 167, 305 Weinberg, Bernhard 23, 26, 190, 305 Wenzel, Antonia 6, 19, 21f., 104f., 123, 132, 305 West, David Alexander 269, 305 Williams, Wes 7, 306 Wilson, Catherine 182–184, 253, 266, 306 Wilson-Okamura, David Scott 22f., 90, 306 Worth-Stylianou, Valérie 85, 306 Wyke, Maria 3f., 11, 15, 133, 294, 300

Uhl, Anne 305

Zedelmaier, Helmut 91, 139, 147, 305f. Zintzen, Clemens 182, 189f., 193, 224, 306 Ziolkowski, Jan M. 10, 85–87, 121, 154, 290, 306