Der integrierte Touristikkonzern: Strategien, Erfolgsfaktoren und Aufgaben 9783486700480

Das erste ausführliche Lehrbuch über den integrierten Touristikkonzern beschreibt strategische Ansätze, es geht um "

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Der integrierte Touristikkonzern: Strategien, Erfolgsfaktoren und Aufgaben
 9783486700480

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Der integrierte Touristikkonzern Strategien, Erfolgsfaktoren und Aufgaben

Herausgegeben von Professor Harald Bastian und

Professor Karl Born

R.Oldenbourg Verlag München Wien

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen

Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2004 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Telefon: (089) 45051-0

www.oldenbourg-verlag.de

Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Gedruckt auf säure- und chlorfreiem Papier Gesamtherstellung: Druckhaus „Thomas Müntzer" GmbH, Bad ISBN 3-486-27543-7

Langensalza

I

Inhaltsverzeichnis

Der

integrierte Touristikkonzern

Vorwort der Herausgeber_V Geleitwort Dr. Michael Frenzel, Vorstandsvorsitzender TUI AG_IX Geleitwort Stefan Pichler, Vorstandsvorsitzender Thomas Cook AG_XI

| A. Grundlagen_| 1.

Herausforderungen im Post Merger Management der Touristikkonzerne Prof. Harald Bastian, Hochschule Harz_1 2. Chancen und Risiken von Fusionen im Reisemarkt Prof. Karl Born, Hochschule Harz_17 3. Die touristischen Kernprozesse des Reiseveranstalters Prof. Harald Bastian, Hochschule Harz_33 B.

Strategien_| 4.

Expansion und Integration Erfolgsrezepte eines internationalen TouristikKonzerns Stefan Pichler, Vorstandsvorsitzender Thomas Cook AG; Dr. Thomas Kloubed, Asssistent des Vorstandsvorsitzenden Thomas Cook AG_69 -

5.

Strategische Vorgaben zur Konzernsteuerung

Prof. Karl Born, Hochschule Harz_81 Integrierte Informations- und Kommunikationssysteme im Touristikkonzern Prof. Dr. Uwe Weithöner, Fachhochschule Wilhelmshaven; Oliver Ehbrecht, Consultant CSC Ploenzke_101 7. Der besondere Weg zur Vertikalisierung und Internationalisierung Interview mit Hans Lerch, Präsident der Konzernleitung und CEO Kuoni Reisen Holding AG, Zürich_121 6.

Praxisbeispiele:

8. Die Preis- und

Mengenpolitik im integrierten Touristikkonzern im Spannungsfeld drohender Überkapazitäten und vorzeitigem Ausverkauf Dr. Volker Böttcher, Vorsitzender der Geschäftsführung TUI Deutschland

und Bereichsvorstand TUI AG_127 9. „World of TUI" Der Weg zu einer neuen Marke Michael Lambertz, Direktor Konzernmarketing TUI AG_139 10. Ausrichtung der Thomas Cook Reisebüros im Konzernverbund Peter Pullem, Bereichsvorstand Vertrieb Thomas Cook AG; Dr. Bernd-Holger Kopier, Referent Vertriebskonzepte Thomas Cook AG_153 11. Ferienfluggesellschaften im Wandel: Auf dem Weg zu einer Europäischen Airline-Plattform Wolfgang Kudh, Vorsitzender der Geschäftsführung Hapag-Uoyd Express; Rene A. Herzog, Referent „TUI Airline Management"_165 -

Inhaltsverzeichnis

12. Steuerung

eigener Hotelgesellschaften und Konsequenzen für das Konzernmanagement am Beispiel des Club Aldiana Gisela Sökeland, Sprecherin der Geschäftsführung Thomas Cook Reisen; Dr. Frank Dornach, Vorstand ServiceBarometer AG_185

l C. Operatives Geschäft 13. Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern Prof. Karl Born, Hochschule Harz_195 14. Touristisches Krisenmanagement Prof. Dr. Axel Dreyer, Hochschule Harz; Daniela Dreyer, Geschäftsführerin PR-Agentur; Klaus Rütt, Leiter Konzern-Krisenstab TUI AG_213

Praxisbeispiele: 15. Das System des Yield Managements im integrierten Touristikkonzern Claus Glüsing, Direktor YM und Quellmarktstrategie TUI Deutschland_233 16. Integrierte Kapazitätsplanung und -Steuerung im Konzern Harry Hohmeister, Bereichsvorstand Airline Systems der

Thomas Cook AG_247 17. Internationaler Hoteleinkauf: Das Organisationskonzept TUI Contracting AG Thomas Steckel, Leiter Hoteleinkauf Fernstrecke und erdgebundene Programme, TUI Contracting AG; Dieter Hovenbitzer, Leiter Hoteleinkauf östliches Mittelmeer, TUI Contracting AG_269 18. Der Internationale Hoteleinkauf Lothar Buss, Bereichsvorstand Zielgebietsmanagement und Hoteleinkauf Thomas Cook AG_277 19. Internationale Reiseleitung im integrierten Touristikkonzern Christiane Harling, Leiterin Kundenservice Ländergruppen TUI Deutschland; Sandra Weiss, Assistentin der Geschäftsführung TUI Service AG_283 20. Provisionen als Entlohnungs- und Steuerungsinstrument des Vertriebes Thomas J. Golly, Managing Partner SEMPORA Consulting; Ulrich Zander, Associate Partner SEMPORA Consulting_297 21. Der Consolidator im Touristikkonzern Hartmut Heering, Geschäftsführer TUI 4U GmbH_309 22. Durchgängige Qualitätspolitik in einem integrierten Touristikkonzern Jomique de Vries, Leiter Qualitätsmanagement TUI Deutschland_327 23. Informationstechnologie (IT) im Touristikkonzern Josef van Kisfeld, Leiter IT Competence-Center Destinations & Cross Functions, TUI AG_347 24. Internationale und globale Public Relations Rainer Ortlepp, Sprecher der Geschäftsführung TV Travelshop; Prof. Harald Bastian, Hochschule Harz_357 25. Management Development im Touristikkonzern Helge Kochskämper, Leiter Konzern Management Development TUI AG_369 26. Was leistet ein integrierter Touristikkonzern für die Sicherheit seiner Kunden? Günter Ihlau, Direktor International Affairs, TUI AG_381

Inhaltsverzeichnis_IM D. Zukunftschancen

27. Kundenbindung im Touristikkonzern Torsten Hirche, selbständiger Unternehmensberater_395 28. Kundenwünsche erfüllen unverzichtbare Voraussetzung erfolgreicher

Kundenbindung

-

Prof. Karl Born, Hochschule Harz_423 29. Hinter dem Horizont geht's weiter: Wachstumschancen in der Touristik Dr. Heiner Frankemölle, Direktor McKinsey, Köln; Dr. Carsten Sürig, Partner McKinsey Köln_447

Praxisbeispiele:

30. Erfolgreicher Vertrieb über Multi Channel Jürgen Marbach, Geschäftsführer Vertrieb der REWE und Geschäftsführer LTU-Fluggesellschaft; Torsten Hirche, selbständiger

Unternehmensberater_461

31. Internet als Vertriebskanal Michael Ohm, Geschäftsführer TUI Interactive GmbH_475 32. TV Travelshop als neuer Vertriebskanal in der Reisebranche Kurt Niclaus, Geschäftsführer TV Travelshop_485 33. Ferienwohnrechte/Timesharing Manfred Schönleben, Leiter Geschäftsbereich Ferienwohnrechte

TUI AG_489

Autorenverzeichnis_501 Literaturverzeichnis_511 Stichwortverzeichnis_523

Vorwort der Herausgeber

y

Vorwort Die traditionelle Lehre der Tourismuswirtschaft stellt die Unternehmensprozesse und Managementfunktionen der einzelnen Teilbereiche der Branche in den Mittelpunkt der Betrachtung. Die Inhalte der touristischen Fachgebiete

Reiseveranstalter-Management, Reisemittler-Management, Verkehrsträger-Management, Hotel-Management, Destination-Management, Kongress-Management, Business Travel Managment u.a. werden weitgehend unabhängig voneinander in der Lehre vertreten. • • • • •





Im integrierten Touristikkonzern sind zumindest die vier erstgenannten touristischen Säulen in einem Unternehmen zusammengefasst. Obwohl nur wenige Unternehmen als „integrierter Touristikkonzerne" bezeichnen werden können, nämlich auf dem deutschen Markt die TUI AG, die Thomas Cook AG und mit leichten Einschränkungen die Touristik der REWE, beträgt der Marktanteil dieser Unternehmen auf dem Veranstaltermarkt in Deutschland ca. 70%. Der Marktanteil der konzerneigenen Fluggesellschaften Hapag Lloyd-Flug, Thomas Cook-Airline und LTU liegt ebenfalls bei ca. 70% im deutschen Pauschalreisemarkt. Im Reisebürovertrieb liegt der Marktanteil dieser Unternehmen direkt zwar „nur" bei knapp unter 50%, zählt man jedoch die enge vertragliche Bindung zu verschiedenen Vertriebskooperationen hinzu, wird ebenfalls ein Markteinfluss von fast 70% erreicht. Auf europäischer Ebene sieht es ähnlich aus. Die sechs größten TouristikUnternehmen (TUI, Thomas Cook, My Travel, REWE-Touristik, First Choice und Kuoni) können als vertikal und international integriert bezeichnet werden. Diese Unternehmen kommen zusammen auf einen Anteil von ca. 70% am Touristikmarkt in Europa. Dies bedeutet, dass durch die Marktdominanz der integrierten Touristikkonzerne die bislang klassischen Spielregeln der Unabhängigkeit der Teilnehmer auf den einzelnen Wertschöpfungsstufen, die auf vertraglicher Ebene zusammenarbeiten, weitgehend außer Kraft gesetzt sind. Die Funktion des Aushandelns der Vertragsbeziehungen auf einem freien Markt entfällt und muss durch eine unternehmensinterne Steuerung und Koordination ersetzt werden. Damit ist die klassische Lehre an den Hochschulen über die Aktivitäten unabhängiger touristischer Unternehmen am Marktgeschehen der Pauschalreise für den kleineren Teil des Marktes zwar weiterhin zutreffend, aber für den weitaus größeren Teil des Marktes eben nicht mehr. Die Hochschule Harz hat daraus die Konsequenzen gezogen und bietet seit Wintersemester 2000 unter dem Titel Reiseveranstalter-Management II eine Vorlesung ausschließlich mit dem Themenbereich „Der Integrierte Touristikkonzern" an. Die Studierenden beklagten mit Einführung dieses Seminars, dass es zu dieser Thematik sehr wenig Literatur gebe, die die neuesten Entwicklungen der Touristik berücksichtigen würde. So entstand die Idee, diese Buch zusammenzustellen und damit eine Lücke in der Literatur zu schließen.

VI

Vorwort der Herausgeber

Aber auch die betriebliche Praxis zeigte schnell hohes Interesse an einer solchen Veröffentlichung. Da es für den integrierten Touristikkonzern kein theoretisches Vorbild gab, sind diese Unternehmen aus der Praxis heraus entwickelt worden. Mittlerweile gibt es Literatur zur Globalisierung und ihren betrieblichen Auswirkungen, es sind theoretische Auseinandersetzungen mit der Steuerungsproblematik multinationaler Unternehmen verfügbar und mittlerweile haben auch die Manager und Mitarbeiter der Touristikkonzerne positive und negative Erfahrungen gesammelt. All diese Erfahrungen, diese Hinweise und Verweise auf Erkenntnisse und Trendeinschätzungen sind in diesem Buch zusammengetragen worden und sollen auch dem Praktiker Hintergrundwissen für die Bewertung des betrieblichen Geschehens geben und eine Einschätzung der Branchenentwicklung möglich machen. Dabei soll die Vernetzung von Beiträgen zu Grundlagen der Touristik mit Beiträgen zur Praxisumsetzung verdeutlichen, wie die Ideen der Integration von Geschäftsprozessen im Konzern realisiert werden. Die Beiträge aus der Praxis wurden ausnahmslos von Führungskräften der Tourismusbranche geschrieben. Das Buch wendet sich auch an die interessierte Öffentlichkeit. Der Umbau traditioneller Unternehmen zu integrierten Touristikkonzernen hat in den Medien, bei Analysten, Verbänden und in der Politik große Beachtung gefunden. Auch hier wurde beklagt, dass es zu wenig Literatur gäbe, die sich mit dieser Entwicklung befassen würde. Ganz aktuell, aufgrund der Tourismuskrise, gipfelte dies in der Fragestellung, ob der integrierte Touristikkonzern nur ein „SchönwettermodeH" sei und durch den Umbruch im Tourismus vielleicht sogar zum Auslaufmodell würde. Im Beitrag „Strategische Vorgaben zur Konzernsteuerung" wird hierzu grundsätzlich Stellung bezogen und insbesondere im Beitrag „Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts" wird auf das operative Umgehen der Konzerne mit der aktuellen Problematik eingegangen, die nach Meinung der Verfasser nicht unwesentlich zu dem falschen Eindruck beigetragen haben, dass es strategische Defizite beim Modell integrierter Touristikkonzern geben würde. Das Buch ist nicht ausschließlich an Leser gerichtet, die sich für den integrierten Touristikkonzern interessieren. Fast alle Beiträge sind auch von Bedeutung für Leser, die sich „nur" für die einzelnen Bereiche Reiseveranstalter, Reisemittler, oder Leistungsträger (Hotel, Airline) interessieren. Einige Beiträge, wie zum Beispiel die Abhandlung über die Themen Kundenbindung bzw. Kundenwünsche, befassen sich zwar in den Beispielen mit der Touristik, gehen in ihren grundsätzlichen Aussagen allerdings weit über die Branche hinaus. Das Buch ist wie folgt aufgebaut: Unter Grundlagen werden die klassischen „touristischen Kernprozesse der Reiseveranstalter" dargestellt, quasi als Ausgangsbasis für die folgenden Beiträge. In „Chancen und Risiken von Fusionen" wird die Begründung für das Entstehen der integrierten Konzerne dargestellt. Die einzelnen Punkte dieses Beitrages werden im weiteren Verlauf des Buches immer wieder aufgegriffen und tiefergehend erläutert. Die derzeitige Marktsituation in Deutschland und Europa wird im Artikel zu den „Herausforderungen im Post Merger Management" als Ausgangspunkt genommen, um auf die Globalisierungstendenzen in der Wirtschaft und deren innerbetrieblichen Konsequenzen aufmerksam zu machen. Im Strategie-Teil wird im Beitrag „Strategische Vorgaben zur Konzernsteuerung" der Strategieansatz erläutert, der dem Konzept des integrierten Touristikkonzerns

Vorwort der Herausgeber

VII

zugrunde liegt und besonders der Grundsatz „Multi value"

erläutert. Teilweise wird auf frühere Diskussionen innerhalb der TUI verwiesen, rückblickend interessant für die historischen Entwicklung der Konzerne. Besonderer Dank gilt Herrn Pichler, Vorstandsvorsitzender Thomas Cook AG, der zusammen mit Dr. Kloubert den strategischen Ansatz beim zweitgrößten europäischen Touristikkonzern erläutert. Da die „Integrierte Informations- und Kommunikationssysteme" unverzichtbare Voraussetzungen für „Funktionieren" und „Führen" solcher Konzerne sind, wurde dies ebenfalls unter dem Teilbereich „Strategie" abgehandelt. Aufbauend auf dieser Strategie kommen anschließend erfahrene Top-Manager mit ihrer Praxissicht zur Preis- und Mengenpolitik, zur Markenpolitik, zur Distributions-

politik,

zu Aspekten der konzerneigenen Fluggesellschaften und zu konzerneigeHotels zu Wort. Natürlich gibt es auch andere Betrachtungsweisen zu dem Thema „Vertikalisierung und Internationalisierung". Deshalb gilt der besondere Dank Herrn Lerch, Präsident der Konzernleitung und CEO von Kuoni, der sich in einem Interview sehr kritisch mit dem Thema auseinandersetzt und seine Meinung über Chancen und noch mehr Risiken der großen Konzerne zum Ausdruck bringt. nen

Im operativen Teil wird zuerst grundsätzlich die besondere „wirtschaftliche Bedeutung und die besondere Problematik des operativen Geschäfts" dargestellt und dabei auch auf aktuelle spezifische Probleme eingegangen. Anschließend wird auf das „touristische Krisenmanagement" eingegangen. Danach werden wiederum Top-Manager der Branche mit ihren Beiträgen Stellung nehmen zu den Themen Yield-Management bzw. Kapazitätsmanagement, Internationaler Hoteleinkauf, Internationale Reiseleitung, Provisionssystem als Steuerungsinstrument und auf die Bedeutung der „Consolidator" eingehen. Des weiteren werden hier in gleicher Weise die Themen IT- und Management Development im Touristikkonzern dargestellt. Beiträge zur Internationalen und globalen Public Relations und hoch aktuell zur Fragestellung, was der integrierte Touristikkonzern

für die Sicherheit seiner Kunden leisten kann, runden diesen Abschnitt ab. Eine interessante Ergänzung, vor allem für Neulinge in der Branchen, ist der Beitrag über den Tagesablauf eines Hoteleinkäufers. -

-

Im letzten Abschnitt stehen die Zukunftschancen im Mittelpunkt. Im Beitrag Kunim Touristikkonzern wird der aktuelle Stand dieses Grundsatzthemas aufgezeigt, mit vielen Hinweisen auf die Situation in USA, wo dieses Thema einen hohen Stellenwert einnimmt. Dieser Beitrag ist von Interesse weit über die Touristikbranche hinaus. Ebenso von grundsätzlichem Interesse ist der anschließende Beitrag „Kundenwünsche erfüllen", weil hier das Thema aus der (leider) nicht üblichen Sicht des Kunden betrachtet wird und damit eine ebenfalls über die Branche hinausgehende grundsätzliche Problematik aufgezeigt wird. In einem weiteren Beitrag wird, analog zu dem klassischen Vorbild Disney, auf künftige Wachstumschancen in der Touristik aufmerksam gemacht. Ergänzt wird dieser Abschnitt auch hier wieder von Praxisbeiträgen, die sich mit aktuellen zukunftsorientierten Themen beschäftigen: Multi Channel-Management, die Bedeutung von Internet in der Touristik, der Reiseverkauf über TV-Kanäle sowie mit Aspekten des Timesharings (Ferienwohnrechte).

denbindung

Dieses Buch wäre nicht möglich gewesen ohne die Unterstützung von vielen Seiten. Unser besonderer Dank gilt zuerst Herr Dr. Michael Frenzel, Vorstandsvorsit-

zender TUI AG, und Herrn Stefan Pichler, Vorstandsvorsitzender Thomas Cook

yjji

Vorwort der Herausgeber

AG, die

uns nicht nur grundsätzlich und mit einem Vorwort unterstützt haben, sondern auch ihr Einverständnis gaben, dass Direktoren und andere Führungskräfte von TUI und Thomas Cook mit ihrem know how an diesem Buch mitarbeiten konnten. Bei diesen vielbeschäftigten Managern bedanken wir uns recht herzlich, dass sie neben ihrer Tagesarbeit Zeit für einen Beitrag geopfert haben und wir entschuldigen uns nachträglich, wenn wir als Herausgeber manchmal in der Nachfrage zu ungeduldig waren. Vielen Dank auch den befreundeten Kollegen der Hochschule Wilhelmshaven und an die selbständigen Unternehmensberater, die ihr know how für ergänzende Beiträge zur Verfügung gestellt haben. Ebenso bedanken wir uns für den interessanten Zukunftsausblick, den uns McKinsey freundlicherweise zur Verfügung gestellt hat. Unser ganz besonderer Dank gilt Frau Daniela Dreyer, die uns nicht nur als MitAutorin unterstützt hat, sondern auch bei der Formulierung und Formatierung der Beiträge geholfen hat. Ihr freundliches Akzeptieren von Änderungen, selbst als sie schon auf „gepackten Urlaubskoffern" saß, hat uns sehr geholfen. Ebenfalls bedanken wir uns bei Herrn Thorsten Hirche, der zusätzlich zu seinem Artikel tatkräftig bei der Literaturrecherche unterstützte.

Die Arbeit an diesem Buch hat leider länger als ein Jahr gedauert. Zwei Autoren, Frau Sökeland und Herr Kurth, haben in der Zwischenzeit innerhalb ihres Konzerns den Job gewechselt. Beide berichten im Buch noch von ihren vorherigen Tätigkeiten, mit denen sie jahrelang sehr prominent identifiziert wurden. Leser, die sich etwas mehr Zeit nehmen wollen, sollten sich auch die Lebensläufe einiger Autoren ansehen (z.B. den von Herrn Marbach), die fast beispielhaft für die Veränderungen innerhalb der Branche stehen.

Entwicklung in der Branche verläuft ungemein dynamisch, so standen wir vor Frage, ob wir den „Ausblick in die Zukunft" noch erweitern sollten. Wir haben uns dagegen entschieden, erstens wollten wir das vorliegende Buch nicht noch umfangreicher werden lassen, zweitens ist das Wesentliche zum Thema Touristik-

Die der

konzern in diesem Buch enthalten und drittens freuen wir nächstes Buch.

uns

schon auf

unser

Bleibt uns, auf eine rege Leserschar zu hoffen. Sollten wir Fehler im Buch übersehen haben oder uns missverständlich ausgedrückt haben, bitten wir schon jetzt um Entschuldigung. Wenn Sie Fehler entdeckt haben oder wenn Sie Verbesserungs- bzw. Ergänzungsvorschläge für die nächste Auflage haben, freuen wir uns, wenn sie uns benachrichtigen würden. Zu diesem Zweck haben wir die Website www.touristikkonzern.de eingerichtet, über die sie uns erreichen können. Nutzen Sie diese Plattform auch, um mit uns ins Gespräch zu kommen und informieren Sie sich auf der Website über aktuelle Veränderungen rund um den „Touristikkonzern".

Kritik, die wir im Buch geäußert haben, bitten wir als Hinweis auf Verbesserungspotenzial in der Sache zu betrachten, Kritik an Personen ist damit in keiner Weise

verbunden.

Wernigerode im September 2003 Karl Born und Harald Bastian

IX

Geleitwort von Dr. Michael Frenzel

Geleitwort Der deutsche Touristikmarkt hat sich über viele Jahre nicht nur durch seine mittelständische Prägung, sondern auch durch eine sehr klare Aufgabenteilung innerhalb der Wertschöpfungsstufen ausgezeichnet. Damit haben alle Marktteilnehmer über viele Jahrzehnte gut leben können. Die Herausforderungen der Neuzeit, insbesondere in Folge der Globalisierung, gaben Anlass darüber nachzudenken, ob diese Aufgabenteilung noch zukunftsfähig seien. Im Rahmen des Konzernumbaus der Preussag AG zum Touristikkonzern

wurde nicht

nur

ein Tausch der Geschäftsfelder vorgenommen, sondern

es

strategisches Ziel, alle Wertschöpfungsstufen des Produkts Reisen unter ein Dach zu bringen. Die sich hieraus ergebenden Synergievorteile (inklusive der Synergievorteile aus der Internationalisierung) sollten den somit „integrierten Reisekonzern TUT nicht nur zum größten Tourismusunternehmen der Welt machen sondern auch zum profitabelsten. war von

Anfang

an

des Vorgangs einen integrierten Reisekonzern zu schafauch keinen theoretischen Masterplan, auf den man sich hätte beziehen können. Demzufolge konnten auch die von der Hochschule kommenden neuen Mitarbeiter keinen theoretischen Input leisten. Die Praxis selbst musste die Strategie entwickeln, das Umfeld (Kunden, Börse, Medien) von der Richtigkeit der Konzeption überzeugen und die praktische Umsetzung zugleich liefern. Durch die

fen, gab

Erstmaligkeit

es

Insofern ist

überfällig, dass die Theorie sich mit dem Thema „IntegrierHerausgebern sehr dankbar, dass sie sich dieser Aufgabenstellung angenommen haben. Das Buch zeichnet in besonderer Weise aus, dass die Autoren die Vorleistung der Praxis derart berücksichtigen, dass sie in den einzelnen Kapiteln den theoretischen Ansatz mit den Erfahrungen der Praktikern zusammenstellen. Dadurch ist gewährleistet, dass das es

mehr als

ter Reisekonzern" befasst. Deshalb bin ich den

Buch •



den Studierenden endlich den schon überfälligen Einblick in eine neue Betrachtungsweise der touristischen Wertschöpfung gibt, dies aber gleichzeitig so praxisnah, dass wir uns darauf freuen können, Hochschulabgänger als neue Mitarbeiter zu bekommen, die einen zusätzlichen Input leisten können, dies aber nicht abgehoben, sondern praxistauglich und den Praktikern zusätzliches theoretische Know how vermittelt, um den bisherigen Aufbau konstruktiv weiterentwickeln zu können.

Ich bin aber auch dafür dankbar, dass die ihr Buch aufgenommen haben.

Herausgeber

noch einen anderen As-

pekt in

Nach dem 11.

September 2001 hatte die Touristikbranche nachhaltiger als urallen erwartet unter erheblicher Nachfragezurückhaltung zu leiden. Hinzu kam die für Deutschland fast typische Zukunftsangst als weiteres Erschwernis für die Branche. Jetzt stellte die interessierte Öffentlichkeit die Frage, ob der integrierte Touristikkonzern „nur ein SchönwettermodeH" sei. Erfreulicherweise wird in diesem Buch auch hierzu klar Stellung bezogen und somit auch wissenschaftlich unterlegt, dass die Vorteile des integrierten Touristikkonzerns unabhänsprünglich

von

X

Geleitwort von Dr. Michael Frenzel

von der Nachfrage zu sehen sind und letztlich für den Erfolg nur entscheidend sein wird, wie schnell man auf die Veränderungen des Marktes durch unverändert notwendigen permanenten Umbau reagiert.

gig

Ich möchte allen an diesem Buch Beteiligten deshalb recht herzlich danken, dass Sie sich dieser Arbeit angenommen haben. Dr. Michael

Frenzel, Vorstandsvorsitzender der TUI AG

Geleitwort von Stefan Pichler

XI

Geleitwort Der Ausgangspunkt der theoretischen betriebswirtschaftlichen Auseinandersetzungen mit den Herausforderungen, die auf die Unternehmen durch die begin-

Globalisierungsprozesse zukommen, war das Buch von Theodore Levitt „Globalisierung der Märkte" (1983). Für die Unternehmen wurde frühzeitig prognostiziert, dass nicht die Frage zu beantworten sei, ob sie die Geschäftstätigkeiten nenden

an

transnationalen Märkten ausrichten sollen, sondern im Fokus war vielmehr die Unternehmen ihre internationalen Aktivi-

Fragestellung, in welcher Form (wie) die täten erfolgreich gestalten können.

Einhergehend mit diesen ersten theoretischen Ansätzen stellten sich die weltweit agierenden Industrien (Automobil-, Chemie-, Telekommunikationsindustrie etc.) den Veränderungen der (Welt-)Märkte ebenfalls schon seit Mitte der 80er Jahre (mit zunehmender Intensität in den 90er Jahren) unter den Schlagworten Konzentration (Mergers & Acquisitions), Integration der Prozesse der Wertschöpfungskette und der Internationalisierung (respektive „Globalisierung", in dem Verständnis einer Potenzierung der Internationalisierung). Neue Ansätze der strategischen Ausrichtung verbunden mit operativen Problemlösungsvorstellungen zur Steuerung und Koordination integrierter Organisationseinheiten (an fernen Standorten) wurden entwickelt und in die Praxis umgesetzt. Von diesen (durchaus auch negativen) Erfahrungen der Unternehmenspraxis, neue erfolgreiche Strategien für weltweite Märkte zu entwickeln, wurden die nach Levitt formulierten Managementtheorien zur „Globalisierung" (u.a. Bartlett/Ghoshal, 1992) wesentlich bestimmt, so dass heute auf eine fast zwanzigjährige theoretische und praxisorientierte Beschäftigung mit Expansionsstrategien zurückgeblickt werden kann. Anders die Entwicklung in der nationalen und internationalen Tourismuswirtschaft: Die Touristik in Deutschland wurde von diesem grundlegenden Strukturwandel erst verzögert (seit Mitte der 90er Jahre) erfasst. Wesentliche Ursachen dieses Zeitverzuges sind die spezifischen Rahmenbedingungen der Touristik, die durch eine mittelständische Branchenstruktur geprägt wurde (bzw. noch wird). Die Reiseveranstalter konzentrierten sich dabei auf nationale, teilweise auch nur regionale Quellmärkte, gestützt auf eine langjährige stetige Nachfragesteigerung, verbunden mit einer positiven Wachstumsentwicklung in vielen Unternehmen der Branche. Dieses Wachstum wurde als Erwartung in die Zukunft projiziert und schien eine Ausdehnung in andere Quellmärkte bzw. eine Expansion über die Wertschöpfungskette nicht erforderlich zu machen.

Seit den späten 90er Jahren ist im deutschen Markt eine Etablierung großer integrierter Touristikkonzerne festzustellen, eine Marktkonzentration, die durch die Ter-

roranschlägen

in den USA

vom

21.

September

2001 mit den

Auswirkungen

der

Reisekonsumzurückhaltung beschleunigt wird. In den letzten zwei Jahren sind marktdominierende, integrierte paneuropäische Touristikkonzerne entstanden, die dabei sind siehe die Expansionspläne für den gewaltigen Markt in China

transnationale Ambitionen -

Es ist also

zu

realisieren.

-

der Zeit, dass sich Theorie (insbesondere auch die Lehre für den aber auch die Praktiker der Tourismuswirtschaft intensiv mit dem Wandel in der Touristik auseinandersetzen. Ein radikaler Wandel, der an

Managementnachwuchs),

Geleitwort von Stefan Pichler

xn

sich einerseits in veränderten

Strategien (Marketing, Koordination integrierter ProSynergien etc.) eines neuen Geschäftsmodells dokumenNutzung tiert. Andererseits sind ebenso Auswirkungen auf der Ebene der operativen Prozesse hervorzuheben, deren Komplexität (z.B. in der Kapazitätensteuerung eines integrierten Yield Managements) aufgrund der Interdependenzen vielfältiger Aufgabenstellungen erheblich zugenommen hat. Damit einher gehen Herausforderungen an die Touristik, die weit über Strategieentwicklung und operative Steuerung originärer touristischer Bereiche hinausgehen: die Informationstechnologie ist ebenso gefordert, wie ein integriertes Krisenmanagement oder eine konzernweite Public Relations, (kartell-)rechtliche Fragen von grenzenüberschreitenden Unternehmenszusammenschlüssen stellen sich ebenso, wie Fragen der Personalentwicklung in einem global agierenden Konzern, der das Ziel verfolgen muss, kultuzesse zur

relle Barrieren

von

zu

überwinden.

Das vorliegende Buch löst sich von der Beschreibung des Geschäftsmodells traditioneller Reiseveranstalter und gibt Einblicke in die angedeuteten veränderten Strukturen, Prozesse und Kulturen der Touristikkonzerne. Damit wird der Fokus auf die paneuropäischen integrierten Touristikkonzerne gelegt, die sich nach einer Phase der europaweiten Konsolidierung im Markt etablieren, diesen Markt dominieren und den kleinen und mittelgroßen traditionellen Reiseveranstaltern nur noch die Rolle des Nischenanbieters überlassen werden. Diese Einschätzung der Marktentwicklung der europäischen Touristik sollte für den interessierten Touristiker Grund genug sein, sich mit den in diesem Buch behandelten vielfältigen Aspekten des integrierten Touristikkonzerns auseinander zu setzen.

Stefan Pichler, Vorstandsvorsitzender der Thomas Cook AG

A

Grundlagen

Bastian: Herausforderungen im Post Merger Management

1

Herausforderungen im Post Merger Management der Touristikkonzerne

Harald Bastian

1. 2. 3. 4. 5. 6.

Einleitung .2 Der Markt der Reiseveranstalter in Deutschland.3 Der Markt der Touristikkonzerne in Europa.5 Vertikale Integration.9 Herausforderung im Post Merger Management.11 Post Merger Integration.13

Zusammenfassung:

Die Märkte der Touristik sind in Deutschland und in Europa von Konzentrationsprozessen geprägt, die insbesondere durch vertikale und horizontale Übernahmen und Fusionen innerhalb der touristischen Wertschöpfungskette hervorgerufen sind. Nach einer Darstellung der derzeitigen Marktsituation beschäftigt sich dieser Artikel mit den Herausforderungen, denen sich die integrierten Touristikkonzerne durch Konsolidierung der durchgeführten Mergers & Acguisitions stellen müssen, die im Rahmen des Post Merger Managements zu bewältigen sind.

Weiterführende Literatur: Macharzina, K. (1999): Unternehmensführung: das internationale Managementwissen, Konzepte Methoden Praxis, 3. Auflage, Wiesbaden. Picot, G. (Hrsg.) (2000): Handbuch Mergers & Acquisitions: Planung Durchführung Integration,

-

-

Stuttgart.

-

-

Riedl, C. (1999): Organisatorischer Wandel durch Globalisierung: Optionen für multinationale Unternehmen, Berlin u.a.

Prof. Harald Bastian ist Professor für Tourismuswirtschaft mit Schwerpunkt ReiseveranstalterManagement sowie Unternehmensführung/Organisation an der Hochschule Harz

Bastian: Herausforderungen im Post Merger Management

2

1.

Einleitung

Der

Globalisierungsprozess

in der Wirtschaft hat die

strategische Orientierung der

Unternehmen, deren Unternehmenspolitik und deren international ausgerichteten

Organisationsstrukturen nachhaltig verändert. Wesentliche Indizien für die fortschreitende Globalisierung sind die internationalen Kapitalverflechtungen, die durch Direktinvestitionen1 im Ausland zum Ausdruck kommen. Die Direktinvestition stellt eine Eintrittsstrategie in ausländische Märkte dar, die durch Neugründung von Auslandsgesellschaften oder (vollständige) Übernahme (Akquisitionen) und Fusion mit bereits im Auslandsmarkt tätigen Unternehmen gekennzeichnet sind. Neben diesen wirtschaftlich und unternehmensrechtlich vollbeherrschten Aus-

landsgesellschaften werden in der internationalen Tourismuswirtschaft Markteintrittsstrategien verfolgt, die in Form von Joint Ventures (Strategische Allianzen im Luftverkehr), internationalen vertraglichen Vereinbarungen der Zusammenarbeit, wie das Franchising (Avis Autovermietung) oder auch durch Abschlüsse von Managementverträgen (Hotelmanagement) eine Expansion auf ausländische Märkte realisieren. Mit dem Begriffspaar „Mergers & Acquisitions" (M&A) werden in dem weitgefassten anglo-amerikanischen Sinne diese vielfältigen Erscheinungsformen der Konzentrationen und Kooperationen zusammengefasst, die im Globalisierungsprozess weltumspannend in sämtlichen Branchen zu beobachten sind. Picot (2000, Seite 15) subsumiert unter Mergers & fasst • Unternehmenskäufe und -Verkäufe, •

• • • • •

Acquisitions dann auch weitge-

Unternehmenszusammenschlüsse, Allianzen, Kooperationen und Joint Ventures,

Unternehmenssicherung und -nachfolgen, Management Buy-Out und Buy-In, Börsengänge / IPO, bis hin zu den notwendigen Umwandlungsmaßnahmen

und Restrukturie-

rungen.

Nachdem

in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts bis in das Jahr 2000 einer regelrechten „Fusionitis" (Picot 2000, Seite 10) kam, gingen die Unternehmenszusammenschlüsse über alle Branchen gesehen in Europa von 5.401 im Jahr 2000 auf 3.138 im Jahre 2002 zurück, innerhalb dieses Zeitraums sank das Transaktionsvolumen von 1.663 Mio. US$ auf 563 Mio. US$ (vgl. Roland Berger Strategy Consultants, Website www.rb-marketresearch.com, 07.06.2003). Als wesentliche Ursachen für diesen Rückgang werden von Roland Berger Strategy Consultants einerseits die unsicheren wirtschaftliche Entwicklungen und andererseits die Aktivitäten der Unternehmen in der Bewältigung der noch anhaltenden „Nachfusionsphase in Folge des Übernahmehypes" (Ebenda) identifiziert.

hinein,

es

zu

Trotz des drastischen Rückgangs der Unternehmenszusammenschlüsse und übernahmen werden nach wie vor Fusionspotenziale und -möglichkeiten aufgrund einer aktuellen Untersuchung von dreizehn europäischen Schlüsselindustrien von Roland Berger Stategy Consultans konstatiert. Für die Reiseveranstalter werden zwar keine „überdurchschnittlichen", aber „gute" Fusionspotenziale und vielfältige Realisierungsmöglichkeiten erkannt (Ebenda). Diese Einschätzung deckt sich im

-

1 „Unter Direktinvestition wird üblicherweise der Kapitaleinsatz mit produktiver Absicht verstanden, wobei hier neben Ertragsmotiven auch Kontrollmotive wirksam werden" (Macharzina 1999, Seite 531).

Bastian: Herausforderungen im Post Merger Management

Übrigen mit den Ausführungen von Frankemölle/Sürig (vgl. den Artikel Buch), die ebenfalls auf Expansionschancen aufmerksam machen.

3

in diesem

Die Globalisierung und die M&A-Aktivitäten werden in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung insbesondere unter wertmaximierenden Aspekten betrachtet, es werden jedoch auch nicht-ökonomische (persönliche) Motive der Marktexpansion identifiziert. Die efficienty theory bietet einen kapitalmarkttheoretischen Erklärungsansatz für ökonomisch motivierte Unternehmenszusammenschlüssen (Rühli; Schettler 1998, Seite 195 ff.) und stellt die Synergiepotenziale, die durch Unternehmenszusammenschlüsse ausgeschöpft werden, in den Vordergrund der Betrachtung. Neben finanzwirtschaftliche Synergien (zunehmende Unternehmensgröße ermöglicht den Zugang zu günstigerem Kapital), werden ManagementSynergien (Transferieren von überlegenen Managementfähigkeiten auf Akquisitionen) und vor allem operationeile, organisatorisch realisierbare Synergien als ökonomische Ziele von M&A-Aktivitäten aufgeführt (Schmidt; Schettler 1999, Seite 314). Diese operationeilen Synergien basieren auf den economies of scale (Volumeneffekte: z.B. Bündelung der Einkaufsaktivitäten), economies of scope ( z.B. qualitative Verbesserungen durch das Zusammenführen von Unternehmensprozessen) und den economies of vertical integration (Vorwärts- und Rückwärtsintegration zur Sicherung von Kapazitäten und zur Reduzierung von Koordinations- und Administrationskosten). Auf diese operationeilen Synergien geht Born in diesem Buch in seinem Beitrag „Chancen und Risiken" ein und sollen deshalb hier nicht weiter detailliert werden. Die

operationeilen Synergien auszuschöpfen ist eine wesentliche Aufgabe des Post-Merger Managements, die es hier zu erläutern gilt. Zuvor soll jedoch eine (Kurz-) Betrachtung des Marktes der Reiseveranstalter in Deutschland und in Europa einen Eindruck darüber vermitteln, welche Auswirkungen die Konzentrationsprozessen in der Touristik im Marktgeschehen gehabt haben. 2. Der Markt der Reiseveranstalter in Deutschland Die Einschätzung der Struktur des Marktes der Reiseveranstalter lässt sich nach

unterschiedlichen Kriterien vornehmen: nach Umsatzgrößen, Angebotsregionen, Programmspezialisierungen und auch nach dem wirtschaftlichen Status der Reiseanbieter (vgl. Pompl 1997, Seite 37). Da hier allerdings keine detaillierte Marktanalyse vorgenommen werden soll, konzentrieren wir uns auf die Darstellung der FVW-Dokumentation „Deutscher Veranstalter 2002"(Quandt, B., Hildebrandt, K.: Beilage zur FVW International Nr. 32 vom 20.12.2002), die die Umsätze als Ausgangswerte für eine Marktbetrachtung des Touristikjahres 2001/2002 heranziehen. Aus der folgenden Gesamtbetrachtung ist ersichtlich, dass die drei Touristikkonzerne (TUI, Thomas Cook und Rewe Touristik) mit einem Marktanteil von zusammen 69,3 % eine marktdominierende Position innehaben. Zusammen mit dem Marktanteil der drei Großveranstalter (Alltours, FTI und Öger) erreichen diese marktführenden sechs Reiseveranstalter insgesamt einen Marktanteil von 83,9%.

Bastian: Herausforderungen im Post Merger Management

4

Abb. 1: Die Marktanteile der größten Reiseveranstalter

(Marktanteile nach Umsatz 2001/2002 in Prozent)

Quelle: Quandt; Hildebrand 2002: Beilage zur FVW International, Seite 1. Diese Marktdominanz ist ein

Ergebnis eines Konzentrationsprozesses

im Reise-

veranstaltermarkt, der sich seit Jahren tendenziell verstärkt hat. Allerdings haben

die Touristikkonzerne und Großveranstalter im Touristikjahr 2001/2003 wegen der Rückgänge im Markt der Flugpauschalreise Marktanteile an die mittleren und kleinen Reiseveranstalter verloren (vgl. Quandt, Hildebrand 2002, Seite 4). Das Marktvolumen, das bei der FVW-Dokumentation erfasst wird (auf Basis einer Datenerfassung von 53 deutschen Reiseveranstaltern), repräsentiert mit einem Umsatz von 14,5 Mrd. Euro und 24,9 Millionen Teilnehmern den Großteil des Gesamtmarktes der Reiseveranstalter (Quandt, Hildebrand 2002, Seite 3). Selbstverständlich ist dies zunächst eine oberflächliche Betrachtung, die erst durch die Sicht auf Marktsegmente spezifischer Reisearten (Pauschalreise; Studienreise etc.), durch die Betrachtung bestimmter Reisen durchgeführt mit unterschiedlichen Verkehrsträgern (Flug, Bahn, Bus) oder auch durch Analyse der Entwicklung angebotener Zielgebiet je Reiseveranstalter präzisiert werden muss. Bezüglich dieser Details soll hier auf die genannte Dokumentation der FVW bzw. auf die noch weiter ins Detail gehenden Daten und Trenddarstellungen der Marktforschungsanalysen der Branche (z.B. Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e.V.) verwiesen werden._ Im Markt sind insgesamt ca. 1.200 (kommerzielle) Reiseveranstalter tätig. Dies sind die • genannten drei Touristikkonzerne und die • drei Großveranstalter Hinzu kommen • ca. 50 mittelgroße Veranstalter sowie • ca. 1.150 Kleinveranstalter

Bastian: Herausforderungen im Post Merger Management

Zusätzlich kann

von einer Zahl von mindestens 500 veranstaltenden Reisebüros ausgegangen werden, die nicht nur als Reisemittler tätig sind, sondern regelmäßig auch als Reiseveranstalter auftreten und selbst zusammengestellte Reisen offerieren.

Für weitergehende Daten zur Struktur des deutschen Reiseveranstaltermarktes sei zusätzlich verwiesen auf Kirstges/Schusdziara (1999), die ebenfalls eine Marktkonzentration konstatieren und auf die hier noch einzugehenden vertikalen Konzentrationsprozesse eingehen (vgl. Punkt 4).

3. Der Markt der Touristikkonzerne in

Europa

Die umsatzstärksten Reisekonzerne in Europa sind in der folgenden Grafik aufgeführt. In diesen Zahlen aus der FVW-Dokumentation sind erstmals die touristischen Umsätze der Konzerne über alle Wertschöpfungsebenen enthalten, also inklusive des Vertriebs-, Veranstalter-, Hotel- und Airline-Geschäfts (Krane 2003, Seite 3). Abb.2:

Europas größten Reisekonzerne Umsätze in Milliarden Euro

TU!_ Thomas Cook

My Travel First Choice Kuonl

I _

|

1

| 2'5

|

ä's

Grupo Iberostar 2,0 Club Med

1,7

Hotelplan 1,4 Alltours

1,1

Quelle: Krane 2003, FVW-Dokumentation, Seite 1. Diese zehn führenden Konzerne erreichten einen Gesamtumsatz von 43,4 Mrd. Euro, im Vergleich zur Vorjahresbetrachtung eine Reduzierung dieser Konzernumsätze um fünf Prozent. Eine Relation zu dem Gesamtumsatz sämtlicher organisierter Reisen des europäischen Marktes wird nicht vorgenommen (Krane 2003, Seite 1). Gemessen an den von der FVW erhobenen Marktdaten ist jedoch davon auszugehen, dass die aufgeführten zehn größten Reisekonzerne einen Marktanteil von annähernd 70% in Europa erreichen. Die Interpretation der Daten erfordert eine länderspezifische Betrachtung, insbesondere deshalb, weil neben den in der oberen Grafik aufgeführten Konzernumsätzen die Organisationseinheiten (Auslandsgesellschaften) der Konzerne in den verschiedenen europäischen Ländern bzw. Regionen eine unterschiedliche Gewichtung aufweisen. In der folgenden Rangfolge der Veranstalter werden also so-

5

6

Bastian: Herausforderungen im Post Merger Management

wohl die Konzernumsätze, als auch die der europäischen Tochterunternehmen aufgeführt. Während diese Tabelle nur 25 Reiseveranstalter berücksichtigt, umfasst die Quelle der Informationen (FVW Dokumentation) insgesamt 150 Unternehmen und weist zusätzlich die Teilnehmerzahlen sowie entsprechende Vergleiche zum Vorjahr aus. Tab. 1: Die 25 umsatzstärksten Reiseveranstalter in Unternehmen TUI Thomas Cook My Travel Group TUI Central Europe TUI Germany TUI Northern Europe Rewe Group My Travel UK Thomas Cook Germany TUI UK First Choice Rewe Deutschland Thomas Cook UK Kuoni First Choice UK/IRL Grupo Iberostar Club Mediterranee TUI Western Europe Thomas Cook West/East My Travel Skand.

Europa (2002)

Umsatz in Mill. Euro 12.416 8.062 GB 7.017 D/CH/A/ 5.199 4.800 GB/Skan 4.762 4.660 GB 3.932 3.728 10 GB 3.500 11 GB 3.471 12 3.404 13 GB 2.704 14 CH 2.542 15 GB 2.226 16 2.027 17 1.744 18 NL/B/F 1.630 19 NL/B/PL 1.592 20 1.453 21 CH 1.435 Hotelplan 22 TUI Netherlands NL 1.200 23 Alltours D 1.115 24 Nouvelles Frontieres 1.100 25 First Choice Centr. Europe EU 968 Quelle: Eigene verkürzte Darstellung, Krane 2003, S. 9 ff.

Rang

aufgeführten

Land

Konzerne zeichnen sich durch ein unterschiedlich ausgeprägtes europäischen Märkten aus. In diesen einzelnen Märkten haben die Veranstalter der Touristikkonzerne eine unterschiedliche Bedeutung, die im Rahmen einer Diplomarbeit an der Hochschule Harz (Brose; Thiele) auf Basis der FVW-Dokumentation „Europäische Veranstalter in Zahlen 2001" analysiert worden ist. So werden in der nachfolgenden Tabelle acht führende Touristikkonzerne hinsichtlich ihrer Bedeutung im europäischen Gesamtmarkt und im Outgoing-Markt verschiedener europäischer Länder durch Auslandsgesellschaften miteinander in Beziehung gesetzt. Bei der Rangfolge werden_die Konzerngesellschaften berücksichtigt, so dass z.B. bei TUI Deutschland (|6 1| ) die Einordnung europaweit auf Platz 6 (im Deutschland-Markt Platz 1) erfolgt, weil die Konzerngesellschaften im Ranking vor TUI Deutschland liegen. Differenzen zur Tab. 1 erklären sich durch die unterschiedliche Zahlenbasis der Marktzahlen 2002 (Tab.1) und Die

Engagement

2002

(Tab.2).

in den verschiedenen

Bastian: Herausforderungen im Post Merger Management

Tab.2:

Rangfolge der Konzern-Reiseveranstalter im Gesamtmarkt und ropäischen Ländern

7

in

eu-

Bastian: Herausforderungen im Post Merger Management

8

KONZERN

TUI

My

Tho-

Travel

mas

Group

Cook

Rewe Touristik

First Choice

Kuoni

Club Med

Hotel-

plan

[ *$$zz> I

tuj LAND

FTI Schweiz

Kuoni Schweiz

Hotel-

plan Schweiz

no

IQ Esco-

Railtour Schweiz

||Q')| TUI in

Öster-

FTI Austria

reich

Necker-

Rewe in

mann

Öster-

Austria

reich

MOL Ml Strate-

|n)5 I Rewe in Italien

gische Partnerschaft der TUI mit Alpitour

Q

128 21

Nouvelles Frontieres

Reisen

I

Aquatour & Havas

I Viaggi del Turchese

Kuoni Gastaldi Tours

MR

'"1 *1

Marmara

France

Kuoni

Voyages

Hotel-

plan Italien

Club Medi-

Hotel-

terranee

France

plan

Vacances

IhTH Jet Tours

HO

JHQ

HQ HQ EÜLQ |144 I 21 Kuoni Turavia/Royal Vacaciones

TUI Polska

My

Travel Poland

Necker-

Spain

Ml

mann

Polska

(Itaka/ Ving)

IkXO

H

Neckermann

Ungarn

Quelle: Brose; Thiele (2002): Die Strukturanalyse des europäischen Reiseveranstaltermarktes, Seite 90 ff. Unveröffentlichte Diplomarbeit an der Hochschule Harz,

Wernigerode.

Bastian: Herausforderungen im Post Merger Management

4. Vertikale Nicht

nur

9

Integration

die internationale

Marktpräsenz

mit der horizontalen

Expansion

durch

Übernahmen und Fusionen auf der Wertschöpfungsebene des Veranstaltergeschäfts ist ein Merkmal der Konzentrationsprozesse, sondern die vertikale Integration über die touristische Wertschöpfungskette (Abb. 3) dokumentiert die Marktdominanz der Touristikkonzerne.

Abb. 3 Vertikale

Integration über die touristische Wertschöpfungskette

Vertriebs kanäle und

"Vorwärts-

Expansion"

-Systeme

Reiseveranstalter Verkehrsträger

"Rückwärts-

Leistungsträger im Zielgebiet

Expansion"

Quelle: Eigene Darstellung, vgl. auch Bastian, Born, Dreyer (2000), Seite 68f.

Bastian: Herausforderungen im Post Merger Management

10

Um diese Grafik mit konkreten Unternehmensdaten zu unterlegen, soll hier ein (unvollständiger) Ausschnitt der vertikalen Integration der Wertschöpfungsebenen mit Auslandsgesellschaften und Beteiligungen für die Touristikkonzerne TUI AG, Thomas Cook AG und der My Travel Group pl. dargestellt werden. Eine ausführlichen Übersicht der Beteiligungen ist aus den Geschäftsberichten ersichtlich, kann auf den Websites der Touristikkonzerne nochvollzogen werden. Tab. 2: Die Geschäftsaktivitäten der Touristikkonzerne auf den touristischen

_Wertschöpfungsebenen (Auszug, unvollständig) TUI

Vertrieb

Airlines

(Reisebüros) First Reisebüros

_(PJ_ Hapag Lloyd (D)

Reisebüros

TUI Reise Center

Hotel-

Zielgebiets-

gesellschaften

agenturen

Hapag Lloyd Flug (D) Hapag Lloyd Express

Riu Hotel

Grupotel

Ultramar Express Miltours

Britannia

I be rote I

Tantur Turizm

_(D)_ Airways (GB) Callers

Pegasus

Corsair

(F)

Grecotels

Tunisie

Voyages

_(GB)_ Skydeals (GB) Thomas Cook

Thomas Cook Reisebüros

(D/GB) Holiday Land (GB)

Neos

(I)

Anfi del Mar

Travco Travel

Viajes

Thomas Cook Airlines (D)

Aldiana

JMC Airlines

Iberostar

Zeus of Rhodos

Creativ/IFA

Touralpin

Iberoservice

(GB) (Thomas Cook Airlines)

Neckermann Rei- Thomas Cook sebüros (B) Airlines Belgium

Voyages

Havas

Touristik

H10

_(F)_ Zin

My Travel

Porto

Bay

(D)

My Travel Airways (GB)

(Joint Ventures)

Flugbörse (D)

My TravelLite

Sunwing Hotel Group

5

vor

flug (D) (GB)

Go Direct

My Travel Quelle:

Travel

(NL)

Allkauf Reisebüro

Eigene Darstellung

Bright Sky

(GB)

Globales

Plotin Travel

Angaben verfügbar

keine

Bastian: Herausforderungen im Post Merger Management

ü

Zusammenfassend sollen die vertikalen und horizontalen Expansionen abschließend in der nachfolgenden Grafik dargestellt werden. In dieser Grafik sind einerseits schon realisierte gebündelten Aktivitäten aufgeführt, andererseits soll auf noch nicht ins Blickfeld gerückte „weiße Flecken" auf der Landkarte der Expansion aufmerksam gemacht werden (ohne Anspruch auf Vollständigkeit). Abb. 4:

Expansions- bzw. Integrationsfelder der Touristikkonzerne i Zielgruppen-

Zielgruppensegmente

Pauschalreise

4

Reisebausteine Incentives

4

Events Assoziierte

-4 4

-sj Zielgruppen

Privat- Geschäftsreisende

^—-scgmenie

Reisebüros, Buchungsstellen |

f\

Vertriebsaktivitäten

Internet-Portale TV Reisekanal Call Center Branchenfremder Vertrieb

Reisefinanziening 4 Leistg. / Produkte 4

Zielgruppenadäquate

4

Pakete erstellen

Sicherheit gewährleisten 4

Information bereitstellen 4

Kompletter Service

Beförderungsarten Beförderungsbedingungen Beförderungstarife Einzelplatzreservierung

-4

Veranstalter aktivitäten

«4

m

4

All inclusive

4

Sportangebote

4

Wellness Animation

Beförderungsj

4 4

Rent a Car

Kundengruppen Merger&Acquisitions Einstieg in neue Geschäftsfelder und

Märkte

Touristikcarrier

aktivitäten

»

Low-cost-carrier

Flug/Bahn/Bus

»

Bahngesellschaften

Merger&Acquisitions Einstieg in neue Geschäftsfeider

Busunternehmen Reedereien

Unterkunftsaktivitäten

Hotelanlagen Clubanlagen Appartements, Fewos Time sharing

Zielgebiets-

Zielgebietsagenturen Mietwagenorganisation Freitzeitparks

Merger&Acquisitions Einstieg in neue Geschäftsfelder

4

Ausflüge Sportprogramme

Quellmärkte

Erschließen neuer

IATA-Fluggesellschaften

*


90%).

(Sitzladefaktor, liegt

bei den Ferien-

Rechenbeispiel

Planteilnehmer für PMI = 20.000 Paxe (Teilnehmer) Saisonlänge = 23.03. bis 12.10. = 30 Wochen (technische Kettenlänge) 2 Leerflüge, bei 14 Tage durchschnittlicher Reisedauer = 28 kommerzielle Kettenlänge 20.000 Paxe müssen demnach in 28 Wochen realisiert werden 20.000 : 28 = 714 Paxe je Woche Bei Berücksichtigung einer durchschnittlichen Flugauslastung von 92% ergibt sich ein Bedarf von (714 : 92*100) = 776 benötigte Plätzen je Woche. Begründung: es wird davon ausgegangen, dass die 714 Paxe den 92% entsprechen, jedoch auch die Spitzenauslastung von 100% abgedeckt werden muss._

der Beförderungsabteilung ist aufzuteilen auf

Aufgabe • • •

es

anschließend, diesen Wochenbedarf

mehrere Flüge pro Tag (Verkehrstage/Flugtage) mehrere deutsche Abflughäfen (vgl. Variantenplanung) sowie in der Realisierung des Flugeinkaufs auf mehrere Fluggesellschaften.

Selbstverständlich sind bei Zielgebieten mit alternativen Beförderungsarten (Costa Brava mit möglicher Flug-, Bahn-, Busanreise sowie Anteilen an Selbstfahrern)

entsprechende Kontingentaufteilungen zu berücksichtigen.

Als Ergänzung der Top-down-Verteilung der Planteilnehmer je Zielgebiet wird der Wochenbedarf an Kontingenten für den Unterkunftsbereich auf Basis des Flugbeförderungsbedarfs ermittelt (Nur-Flug-Zielgebiete). Auch dazu ein Beispiel:

Rechenbeispiel Flugteilnehmer je Woche

= 776 Durchschnittliche Reisedauer = 2 Wochen 776*2 = 1552 ergibt die abzudeckende Wochenspitze, die aus der Überschneidung der Aufenthaltsdauer der Teilnehmer im Zielgebiet resultiert._

Die ermittelten 1.552 werden Einheiten verteilt.

entsprechend der Top-down-Verteilung auf konkrete

Der gemeinsame Bezugspunkt der Berechnung der Beförderungs- und der Unterkunftskontingente stellen die Planteilnehmer je Zielgebiet dar, wodurch gewährleistet wird, dass die jeweiligen Kontingente in Übereinstimmung gebracht werden. Selbstverständlich ist, dass die Wochenspitze der Unterkunftskontingente im Verlaufe der Saison nicht durchgehend erreicht werden kann (so sind in der 1. Woche nur 776 Kunden im Zielgebiet). Aufgabe in der Einkaufsrealisierung ist es, durch eine entsprechende Vertragsgestaltung (z. B. zeitversetzter Vertragsbeginn) diese Unwucht der Kontingente auszugleichen.

42

Bastian: Die touristischen Kernprozesse

4.2.

Einkauf der Produktkomponenten

Die Realisierung der Beschaffung der Produktkomponenten wird bei den Reiseveranstaltern aufbauorganisatorisch in verschiedenen Ausprägungen durchgeführt. Meist wird eine Aufteilung nach dem Einkauf der Unterkunftskontingente (inkl. der Zielgebietsleistungen) einerseits und des Einkaufs der Beförderungskontingente andererseits vorgenommen.

Beim Einkauf der

Unterkunftskontingente erfolgt in Profitcenterorganisationen (nach Zielgebieten/Reisearten aufgeteilte divisionale, objektorientierte Organisationseinheiten) häufig eine Zusammenführung der Aufgaben Planung, Einkauf und Kalkulation. Die Zentralisation und Konzentration auf die Aufgaben des Einkaufs in einer separaten Organisationseinheit ist eher eine Erscheinung der integrierten Touristikkonzern (vgl. Hovenbitzer/Steckel in diesem Buch). Grundsätzlich stellt sich für die Reiseveranstalter auch die Frage eines „Make or Buy", denn der Einkauf von Unterkunftskontingenten ist auch auf Zielgebietsagen-

übertragbar. Auf das Für und Wider dieser Variante soll hier nicht näher eingegangen werden, letztlich ist dies jedoch eine Entscheidung, die im Zusammenhang mit dem einzukaufenden Volumen zu treffen ist. turen

Der Einkauf des

Beförderungsbedarfs wird bei den Reiseveranstaltern meist Beförderungsabteilungen (Flug/Bahn) zentral für alle Produktbereiche durchgeführt, die neben den Einkaufsaktivitäten auch mit sämtlichen Aufgaben betraut sind, die mit der Beförderung im Zusammenhang stehen (inkl. Beförderungspreiskalkulation, Disposition, Auslastungssteuerung etc.). Wie auch immer organisiert, stellen sich für den Einkauf der Unterkunftskontingente grundsätzliche Herausforderungen und Aufgabeninhalte, die im Folgenden dargestellt werden sollen. von

4.2.1. Einkauf der

Unterkunftskontingente

Die Aufgabenstellung des Einkaufs ist umfassend, zeitintensiv und komplex. Um einen Eindruck zu vermitteln, welche entscheidungsrelevanten Aufgaben auf den Hoteleinkäufer zukommen, soll den weiteren Ausführungen die folgende Checkliste vorangestellt werden, die Aufgaben der Vorbereitung und der Durchführung der Vertragsverhandlungen umfassen. Nicht aufgeführt sind Kriterien, die für die erfolgreichen Einkaufsverhandlungen ebenfalls von großer Bedeutung sind: die soziale Kompetenz des Einkäufers (Verhandlungsgeschick); die Marktmarkt des Veranstalters (Einkaufsvolumen) und auch die technische Unterstützung (Notebooks für Hoteleinkäufer; Datenfernübertragung zur Zentrale). Auch der Ablauf der Vertragsverhandlungen im Tagesverlauf mit mehrerer Kontakte steht hier nicht im Vordergrund. Im Beitrag von Buss in diesem Buch wird dies sehr anschaulich geschildert.

Vorbereitungen des Einkaufs Informationsbereitstellung von Daten über den Vertragspartner unter Berücksichtigung eines neuer Vertragsverhältnisses oder der Fortschreibung eines bestehenden Vertragsverhältnisses; •

Bastian: Die touristischen Kernprozesse



43

Informationsbereitstellung der Stammdaten des Einkaufsobjektes (AnzahlVeranstalterkontingent, Klassifikation, Zimmerarten und

zimmer gesamt, deren Lage) •



Informationsbereitstellung von Daten bei bereits vorhandener Vertragsbeziehung (bisheriges Kontingent, Auslastungsstatistiken über die Saison, Reklamationen) Festlegung der Durchführungsart des Einkauf, direkter oder indirekter Einkauf: persönliche Vertragsverhandlungen; Agentureinkauf; schriftlicher Einkauf







Festlegungen des Bedarfs an Kapazitäten (Mengengerüst an Zimmer/Betten nach Art, Lage und Ausstattung) Festlegungen der Finanzziele, der Einkaufskonditionen (Einkaufspreise bzw. Provisionen; Vertragsarten, insbesondere bezogen auf Auslastungsgarantien mit Risiken) Im Rahmen der konkreten einzelnen Einkaufsverhandlungen werden trotz der genannten Festlegungen den Einkäufern Verhandlungsspielräume eingeräumt, wichtig ist allerdings, dass das Gesamtergebnis erreichen wird.

Durchführung des Einkaufs (persönliche Vertragsverhandlungen) Erfassung der Stammdaten der Unterkunft im Vertrag (Name, Adresse, Gesamtkontingent des Objektes etc.) • Verhandlungen und Festlegungen gemeinsam mit dem Vertragspartner hinsichtlich aller Vertragsmodalitäten. Diese sind nicht in einer bestimmten festgelegten Reihenfolge abzuklären (z.B. erst Kapazität, dann Preis), sondern sämtliche Vertragsinhalte sind im Zusammenhang zu betrachten, müssen im Detail ausgehandelt werden und so können Verhandlungspunkte obwohl bereits Konsens vorhanden war, im Zusammenhang mit einer anderen strittigen Abmachung erneut Gegenstand der Verhandlungen •

,

werden.

Wesentliche Vertragsbedingungen und -inhalte sollen hier noch aufgelistet werden, über die intensiv verhandelt wird: • Vertragsart insbesondere bezogen auf Auslastungsgarantien; • Vertragsdauer (von Saison- bis zu Mehrjahresverträgen); • Vertragszeitraum (Beginn-, Endtermine mit Verkehrstagen der Belegung); • Menge, Art und Ausprägungen der Kapazitäten inkl. der Verpflegungs- und Sonderleistungen und deren Preisgestaltung (Einkaufssaisonzeitenbezug); • Ermäßigungen (Kinder- und terminbezogene Reisedauerermäßigungen); •

• • • • •





terminbezogene Mindestaufenthalte; Regelung der Zahlungsabwicklung (z. B. Rechnungsstellung des Hotels); Festlegung von Release- oder Rückfallfristen (bei Kontingentverträgen); Darlehensvergabe an den Hotelier und deren Bedingungen; Abschluss einer Meistbegünstigtenklausel; Reklamationsabwicklung (Beteiligung an Kompensationsleistungen); Regelung der Eigenbelegung des Hotels innerhalb des Veranstalterkontingents; Werbekostenzuschläge für die Katalogproduktion.

Auf alle diese Details der vertraglichen Vereinbarungen soll hier nicht eingegangen werden, sondern mit einem Verweis auf Pompl (1997, Seite 119 ff.), der auf

44

alle

Bastian: Die touristischen Kernprozesse

angesprochenen Punkte eingeht,

nommen

nur auf vom

werden, damit der Unterschied

Reiseveranstalters

zu

einige wenige Aspekte Bezug

ge-

Geschäftsmodell des traditionellen dem des integrierten Touristikkonzerns deutlich wird.

Vertragsarten Verfügt der integrierte Touristikkonzern durch Kapitalbeteiligungen an Hotels und/oder Hotelketten über „eigene Betten" mit dem entsprechenden Auslastungsrisiko,

so muss

sich der traditionelle Reiseveranstalter seine

Unterkunftskontingen-

vertraglich sichern, je nach Vertragsart mit mehr oder weniger flexibler Übernahme von Auslastungsvereinbarungen. So regelt der Reservierungs-, Allotment- oder Kontingentvertrag (Synonyme) die Reservierung einer festgelegten Anzahl von Zimmern (Betten) für einen bestimmten Vertragszeitraum mit te

Abb. 7:

Vertragsarten

Hotelvertrag Vertragsarten -

Beherbergungs-

ReservierungsVertrag

v

(Gastavrfuahuiev ertrag)

(Allotment-, Kouringentvertrag)

Reservierung für einen Vertragszeitraum •

mit Rückfallfhst Bezugsbasis für den Preis Zimmerart/Person/Nacht Wohneinheit/Woche •

Verpflichtung des Veranstalters •

eine Anzahl von Zimmern/Bettei; ftü einen bestimmten Zeitraum zu belegen und zu bezahlen





(Garantievertrag/ Festmietvereinbarung)





Sonderform: Quelle:

ertrag

On-requestv

ertrag

regelt lediglich, Idass der VA das Hotel im Katalog anbietet und das Hotel die Buchungen und

Hotelgutscheine akzeptiert

des VA

fiee-sale-Vertrag

Eigene Darstellung; vgl. Pompl (1997), S. 178 ff.

der

Möglichkeit der Rückgabe der nicht verkauften Kapazitäten innerhalb einer vertraglich vereinbarten Rückfallfrist. Als Rückfallfrist wird der Zeitraum bezeichnet, der zwischen der Mitteilung des Reiseveranstalters (die reservierten Kontingente zu nutzen oder „rückfallen" zu lassen) und dem Leistungsbeginn liegt. Aus Reiseveranstaltersicht sind kürzere Fristen vorteilhaft, weil dadurch kurzfristige Buchungen (ohne „Außerkontingent" Anfragen) realisiert werden können, das reservierte Kontingent demnach länger verfügbar ist (beim Allotmentvertrag ohne Risiko seitens des Reiseveranstalters). Nach Eintritt der Rückfallfrist fallen die nicht fest übernommenen Kontingente an das Hotel zurück. Etwaige Buchungen der Reisebüros können danach nur noch nach Anfrage (und OK-Meldung) über den Reiseveranstalter beim Hotel realisiert werden. -

-

-

Der Kontingentvertrag ist für die Reiseveranstalter die gängige Art der vertraglichen Sicherung der Unterkunftsleistungen (insbesondere im Hotel), 90 Prozent der Unterkunftsleistungen werden über diese Vertragsart eingekauft. Der „free-sale-Vertrag" ist eine Sonderform des Reservierungsvertrages, der ebenfalls ein kostenloses Rückgaberecht nicht gebuchter Kontingente des Veran-

45

Bastian; Die touristischen Kernprozesse

stalters innerhalb der Rückfallfrist zulässt, aber zusätzlich regelt, dass das Hotel schon vor Eintritt der Rückfallfrist Eigenbelegungen vornehmen kann und damit das Veranstalterkontingent (allerdings ohne bereits gebuchte Zimmer/Betten) reduziert. Aus Veranstaltersicht ist dies nur sinnvoll, wenn die Eigenbelegung der Unterkunftskontingente seitens des Hotels keine Folgewirkungen auf weitere Bestandteile des angebotenen Pauschalreiseproduktes hat (z.B. Kosten für veran-

stalterseitige Stornierungen der Beförderungsleistung). Beim

Beherbergungsvertrag dagegen

ist der Reiseveranstalter in der

Verpflich-

tung, „eine bestimmte Anzahl von Betten über die vereinbarte Zeit zu belegen und zu bezahlen; Stornierungen führen zu Regresszahlungen" (Pompl 1997, S. 178). Durch die Übernahme der Auslastungsrisiken wird der Reiseveranstalter im Ver-

gleich zum Kontingentvertrag günstigere Einkaufskonditionen erzielen können. Allerdings kann eine Angebotsknappheit im Zielgebiet es erforderlich machen (Ferienwohnungen/Appartements), den Vertragspartnern mit der Übernahme der Auslastungsrisiken entgegen zu kommen. „On-request-Vertrag" übernimmt der Veranstalter die Verpflichtung, das Objekt (Hotel, Fewo oder Appartement) durch festgelegte Aktivitäten im Marketingund Vertriebsbereich (Katalog; Bereitstellung von Hotelgutscheinen) zu vermarkten. Das Hotel verpflichtet sich andererseits, die Hotelgutscheine des Veranstalters zu akzeptieren, allerdings ohne Verpflichtung den Kunden gegenüber, jeden Terminwunsch zu akzeptieren. Die Nutzung der Hotelgutscheine wird an bestimmte Bedingungen geknüpft: so erhält der Kunde z. B. als Gegenwert für den Gutschein eine kostenfreie Unterkunft, muss jedoch die Verpflichtung eingehen, Verpflegungsleistungen im Hotel einzunehmen bzw. diese zusätzlich zu bezahlen (vgl. Informationen eines Veranstalters unter www.freedreams.de). Im

4.2.2. Einkauf der

Beförderungskontingente

Im Gegensatz zum Einkauf der Unterkunftskontingente ist der Einkauf der Beförderungskontingente durch die Verhandlungen mit wenigen Vertragspartnern (Fluggesellschaften, Bahngesellschaften) weniger zeitaufwändig. Die Bedeutung des Beförderungseinkaufs hat einen ebenso großen Stellenwert wie der Unterkunftseinkauf und steht vor prinzipiell vergleichbarer Verhandlungsproblematik hinsichtlich der Übernahme von Auslastungsrisiken. Die Verhandlungsposition des Veranstalters gegenüber der (Charter-) Fluggesellschaft wird durch die einzukaufende Menge und den auf dem Markt verfügbaren Kapazitäten geprägt.

Das Auslastungsrisiko der eingekauften Kapazitäten (Flug) variiert entsprechend der Vereinbarungen dokumentiert in folgenden Vertragsarten (Pompl 1997, S. 217 ff.): Vollcharter:

Übernahme einer konstanten (Gesamt-) Kapazität über die vereinbarte Saisonlän-

durch den Reiseveranstalter mit dem Auslastungsrisiko, das aldurch die Möglichkeit der Weitervergabe von Kapazitäten an andere Reilerdings severanstalter reduziert werden kann. ge

(Kettenlänge)

46

Bastian: Die touristischen Kernprozesse

Splitcharter:

Gemeinsame

Nutzung mehrerer Reiseveranstalter einer festgelegten Teilkapazität je Vertragspartner, für die die Auslastungsgarantie übernommen wird.

Block- oder Partcharter: Reservierung einer festgelegten Anzahl von Plätzen auf Flügen bestimmter Flugstrecken von Linienfluggesellschaften. Die Berechnung der Beförderungspreise orientieren sich zwar an den lATA-Flugtarifen, werden jedoch aufgrund der Abnahme eine größeren Kontingents für den „Block" der reservierten Plätze unter

Berücksichtigung von Auslastungsrisiken ausgehandelt. Einzelplatz-Buchungen: Bei Bedarf

an

einzelnen Plätzen werden

von

den Reiseveranstaltern einzelne

Flugbeförderungsplätze bei Fluggesellschaften, Consolidatoren (vgl. den Beitrag von Heering in diesem Buch) oder auch bei anderen Reiseveranstaltern dazugekauft, die über ein Vollcharter-Kontingent verfügen. Neben dem Einkauf übernehmen die Beförderungsabteilungen eines Reiseveranstalters zusätzlich Aufgaben der Disposition in Zusammenarbeit mit den Fluggesellschaften (zum Beispiel beim Zusammenlegen von Flügen zur Auslastungsoptimierung) oder mit anderen Reiseveranstaltern (Austausch von Beförderungskontingenten). Während auf diesen Aspekt der kurzfristigen Steuerung nicht weiter eingegangen wird, weil im Zusammenhang mit dem Yield Management noch einmal darauf zurückzukommen ist, soll auf einen anderen Aufgabenbereich exemplarisch eingegangen werden, nämlich der Errechnung des Kalkulationsflugpreises. Während die touristische Kostenkalkulation und die Festlegung des Pauschalreisepreises im Verantwortungsbereich des Produktmanagements liegt, beschäftigt sich der Einkaufsbereich Beförderung (hier nur Flugbeförderung) mit der Kalkulation des in die touristische Kalkulation eingehenden Flugpreises. Das folgende Rechenbeispiel soll die Vorgehensweise veranschaulichen.

Berechnung des Kalkuiationsflugpreises Für den Einkauf einer Flugkette im Vollcharter (Frankfurt Heraklion Frankfurt) Flug: FRA => HER => FRA jeweils mit einen Hin- und Rückflug am Verkehrstag 5 (Freitag) Gerät: Airbus A321 mit 200 gecharterten Plätzen 1. Flug am 4.4. letzter Flug am 31.10.; technische Kettenlänge = 30 Wochen durchschnittliche Reisedauer = 14 Tage geplante Auslastung = 90 % wurde mit der Fluggesellschaft ein Einkaufspreis pro Platz von € 300,- (Hin- und Rück-

-

flug) ausgehandelt.

Auf Basis dieser Informationen berechnet die Flugeinkaufsabteilung den für die touristische Kalkulation des Pauschalreiseproduktes benötigten Flugpreis:

Berechnung des Gesamtkostenvolumens der Flugkette * 30 Termine 200 Sitzplätzen * 6000 Sitzplätze € 300 =

=

6000

Sitzplätze werden eingekauft

1.800.000,- Gesamtkostenvolumen

Verteilen der Kosten auf kommerzielle Termine (Berücksichtigung des Leerfluganteils Ende der Saison) € 1.800.000 ./. 28 komm. Termine = € 64.286 ./. 200 Plätze = € 321 ,-€ 321,- wären kostendeckend bei einer Auslastung von 100 Prozent

am

Berechnung des geplanten Auslastungsgrades (90%) € 321 ./. 90 100 Kalkulationsflugpreis € 357,-_ *

=

Quelle: Eigenes Beispiel; vgl. auch Hofmann, in: Mündt (2000), Seite 126.

4Z

Bastian: Die touristischen Kernprozesse

4.3.

Kalkulation und

Pricing der Pauschalreise

Die Schwerpunkte im Preisbildungsprozess sind einerseits die Kostenermittlung der touristischen Kosten der Produktkomponenten der Pauschalreise im Rahmen einer Vorkalkulation und andererseits die Festlegung des Reisepreises (Pricing), die ausgehend von den Kosten unter Berücksichtigung von preispolitischen Abb. 7:

Preisbildungsprozess

Marketingvoi gaben Planteilnehmer

Produktplanung Vertriebsplanimg oduktkomp orient ei

Befördemng • • •



Kettenlängen Verkehrstage Abflughäfen Venechnungspreis Flug

Unterkunft 1

ZGB-Leistungen

Unterkunftslstg. Verpflegung SonderleisUmg

1

Transfer

Handling fee Ausflüge •

Animation

Touristische Kosten

Preispolitik des Unternehmens

Pricing Kalkulation Simulation diverser Parameter

Marktpreisvergleich Preisdarstelluns

Reisepreis Quelle:

Eigene Darstellung in Anlehnung an: Pompl (1996), S. 279.

Planvorgaben DB

• • •

Devisenkurs! Plan-TN Kinderemi

48

Bastian: Die touristischen Kernprozesse

Vorgaben, der Einschätzung der Marktsituation des Quell- und Zielgebietsmarktes (inkl. eines Wettbewerbsvergleichs) sowie unter der Beachtung festzulegender Planvorgaben erfolgt. Kalkulation (Vorkalkulation) Die Kalkulation ist ein Teil der Kostenrechnung und ermittelt mit den touristischen Kosten wesentliche Bestimmungsgrößen für eine kostendeckende Mindestpreisforderung. Allerdings besteht bei der Kalkulation eines Reiseveranstalters die Problematik, dass die Kostenermittlung mit Planmengen (z. B. Planteilnehmer) rechnen muss. Planmengen, die wie die Planteilnehmer auf Zielgebietsebene bei der Einkaufsbedarfsermittlung auf strategische Einschätzungen des Marketings bzw. der Geschäftsleitung basieren. Sinnvollerweise wird auch in der Kalkulation mit identischen Datenvorgaben wie bei den Mengenvorgaben des Einkaufs gearbeitet.

Aufgrund dieser Berechnungen mit Planmengen wird dieser erste Schrift der Kalkulation richtigerweise Vorkalkulation genannt, die Berechnung mit realisierten Mengen wird als Zwischenkalkulation und die mit abschließenden Zahlen wird als Nachkalkulation bezeichnet. Auf die unterschiedlichen Verfahrensweisen der Kalkulation soll hier nicht eingegangen werden (Pompl 1996, S. 265).

Die Daten für die Kostenermittlung mit diesen Planmengen basieren vor allem auf den Verträgen mit den Leistungsträgern (ohne Flugbeförderung wie oben dargestellt). Bei der Ermittlung der Kosten für die Unterkunft werden die Daten aus den Verträgen für die Vorkalkulation aufbereitet, bei den Verträgen mit Belegungsgarantien wird das Auslastungsrisiko kalkulatorisch berücksichtigt. Hofmann (in: Mündt 2000, S. 136 ff.) erläutert in Beispielen die rechnerische Ermittlung und Berücksichtigung der Kosten für Garantieverträge, Festmietvereinbarungen, Vorauszahlungen und Darlehensvergaben. Bei den Kosten für Leistungen im Zielgebiet (Reiseleitung) wird grundsätzlich unterschieden zwischen der Berechnung für die Durchführungen der Leistungen durch eigene Zielgebietsorganisation/Reiseleitung einerseits und die Durchführung dieser Leistungen im Auftrage an Dritte (Zielgebietsagenturen) andererseits. Um die Größenordnung der Kosten bei der Durchführung durch eine eigene Reiseleitung zu veranschaulichen, seien hier Kosten aufgeführt (eigene Erhebung; fast deckungsgleich mit den Ausführungen von Hoffmann, in Mündt 2000, S. 141 f.).

Beispiel: Kosten für veranstaltereigener Reiseleitung Gehalt für Reiseleiterinnen ca. 1.500,-

Sozialabgaben (ca. 40%) Mietzuschuss Pkw

(inkl. Nebenkosten)

Büro (inkl. Kommunikation) weitere Nebenkosten Gesamt

(in

Euro pro

Monat)

600,400,700,— ca. 700,— ca. 100,ca. ca. ca.

Kostenvolumen Sommersaison

ca.

4.000,--

(April bis Okt.)

ca.

28.000,-- Euro_

Bei diesem Kostenvolumen ist es nachvollziehbar, dass eine Reiseveranstalter ein umfangreiches Teilnehmervolumen erreichen muss, um eine eigene Reiseleitung wirtschaftlich einsetzen zu können. Integrierte Touristikkonzerne nutzen hier die

Bastian: Die touristischen Kernprozesse

49

Synergieeffekte horizontaler Konzentrationen, um Teilnehmer verschiedener Konzernveranstalter im Zielgebiet von einer gemeinsamen Zielgebietsorganisation betreuen zu lassen (vgl. Harling/Weiss in diesem Buch, die auf die Chancen und Risiken gemeinsamer Reiseleitung im Konzern eingehen). Für die teilnehmerschwächeren Reiseveranstalter stellt sich mit der Frage des „Make-or-buy", die Überlegung nach Delegation der Aufgaben der Reiseleitung an Zielgebietsagenturen, die in der Regel volumenabhängig ihre Leistungen berechnen.

Pricing

Auf Basis der

Kostenermittlung auf Planteilnehmerbasis erfolgt die Festlegung des Reisepreises für die Pauschalreise. Der Reisepreis wird maßgeblich von Vorgaben der Preispolitik bestimmt (vgl. dazu Böttcher in diesem Buch), die auf unterschiedlichen hierarchischen Ebenen greifen können (bezogen auf Veranstaltermarken, Zielgebiete bis hin zu einzelnen angebotenen Hotels).

Simulationsrechnungen mit diversen Parametern ermitteln dingungen die voraussichtlichen Ergebnisse. So werden folgender Parameter (Auszug) Simulationen durchgeführt: •













unter veränderten Bedurch Veränderungen

Verkaufssaisonzuschläge: Veränderung der Höhe, Anzahl und Differenzen der verschiedenen Verkaufssaisons; Preisveränderung der Verlängerungs-

aufenthalte Unterkunft: Veränderung der Preishöhe und Preisdifferenzen zwischen Arten und Kategorien Abreise: Veränderung der Zuschläge für Abflughäfen; Preisdifferenzierung nach Abreisezeiten (Verkehrstag; Tageszeit) Zielgebiete: Anhebung der Preise um einen Prozentsatz oder Fixbetrag auf alle Produkte, Veränderungen der Differenzen zwischen Zielgebieten Altersermäßigungen: Veränderung der Altersstaffel, der Höhe der Festpreise, der prozentualen Abschläge Wohn- (Zimmer-)einheiten: Veränderung der Preise für bestimmte Arten (Doppel-, Einzelzimmer), bei bestimmter Lage, bei Mehrbelegung, bei den

Verpflegungszuschlägen Erhöhung der Preise um einen bestimmten Prozentsatz oder um einen betrag über einige/alle Zielgebiete und Produktarten

Fix-

Die zeitliche Preisdifferenzierung des Reisepreises erfolgt durch die Festlegung der Verkaufssaisonzeiten über die Termine der gesamten Saison und wird im Preisteil des Kataloges präsentiert. Abb. 8: Endstand der Saisonzeitenplanung

Terminleiste

Quelle:

Eigene Darstellung

50

Bastian: Die touristischen Kernprozesse

Die

Verkaufssaisonzeitenplanung wird in Abhängigkeit der abfahrtsbezogenen Kundenpreisrechnung (Abfahrtsort und Termin determinieren die Saisonzeit) oder der aufenthaltsbezogene Kundenpreisrechnung (Aufenthalt im Zielgebiet determiniert die Saisonzeit) durchgeführt und wird durch folgende Parameter in der Gestaltung geprägt: • •

• •

Anfangs- und Endzeitpunkte der Saison Vertragszeitleiste (Einkaufssaisonzeiten rungsverträge) Anzahl der möglichen Reisetermine Erwartete Teilnehmer

aus

den

Hotelverträgen

/ Beförde-

den Terminen: d.h. Nachfrageschwankungen im Saisonzeitenregelung (Ferientermine der Bundesländer ergänzt um Werksferientermine von großen Unternehmen, z.B. Automobilhersteller); Feiertage, insbesondere kombinierbare mit Brückentaan

Quellmarkt prägen die

gen.

Preisdifferenzierungsmöglichkeiten ergeben sich durch die Variation • •

der Anzahl unterschiedlicher Verkaufssaisonzeiten, der Anzahl der Reisetermine, die mit den jeweiligen Verkaufssaisonzeiten

belegt sind,

• •

der Preisdifferenzen zwischen den einzelnen Saisonzeiten, der Abflughäfen (bei der abfahrtsbezogenen Preisberechnung) etc.

Für die Berechnung der Auswirkungen dieser Verkaufssaisonzeitenplanung auf das wirtschaftliche Ergebnis wird die Anzahl der Planteilnehmer der jeweiligen Termine zugrunde gelegt.

Auf die

an die Gestaltung und Festlegung der Ermäßigungen und wesentliches Element beim Pricing, soll hier nicht weiter eingegangen werden, weil dies an anderer Stelle (vgl. Bastian; Born; Dreyer 2000, S. 197 f.) schon erläutert wurde.

Anforderungen

Zuschläge, auch ein

Abschließend zum Thema Pricing soll noch auf den Marktpreisvergleich eingegangen werden, der für die wettbewerbsfähige Preisgestaltung ein wichtiges analytisches Instrumentarium darstellt. Dazu folgende Beispiele:

Marktpreisvergleich: Überschnittene Objekte Preisvergleich Air Marin im Wettbewerb: Segment "Budgetveranstalter" Basis: Wintersaison 2000/01, 2 Wo., HP; Abflug DUS

Wettbewerber

Überschnittene Überschnittene AIR MAHotels

1-2-FLY 89 Smile&FLY 59 ITS 90 FTI-Nah 64 FTI- Dom.Rep 38 ALLTOURS 133 Quelle: Touristik Report 20/2000, S. 7ff.

Termine

RIN teurer

2380 1348 2002 1598 2222 3018

413 401 379 362 428 641

AIR MARIN

Billiger

in Prozent

billiger 1967 947 1623 1236 1794 2377

82,6

70,2 81,1 77,3 80,7 78,7

Bastian: Die touristischen Kernprozesse

51

Marktpreisvergleich: Überschnittene Objekte Preisvergleich Smile & Fly im Wettbewerb: Segment "Budgetveranstalter" Basis: Wintersaison 2000/01, 2 Wo., HP; Abflug DUS

WettÜberschnittene SMILE & FLY bewerber Termine teurer ITS 1139 359 ALLTOURS 1272 467 FTI 757 177 CA Ferntour. 312 162 1-2-FLY 2024 352 Quelle: Touristik Report 20/2000, S. 7 ff.

SMILE & FLY

Billiger

billiger

in Prozent

780 805 580 150 1672

68,48 63,29 76,62 48,08 82,61

Durch die Analyse der Kataloge des Wettbewerbs im Vergleich zu den eigenen Daten oder durch die Inanspruchnahme von kommerziellen Preisvergleichssystemen lassen sich Einschätzungen zum Preisgefüge des Wettbewerbs vornehmen. Überschnittene Objekte sind dabei Hotels, in denen mehrere Veranstalter Kapazitäten unter Vertrag genommen haben. Gerade bei diesen Objekten ist eine günstige Preispositionierung zum Wettbewerb wichtig, weil hier für den Kunden am ehesten Preistransparenz vergleichbarer Produkte hergestellt werden kann. Da der Markpreisvergleich allerdings eine ex post-Betrachtung ist, bedarf es zusätzlich der Einschätzung der künftigen Preispolitik des Wettbewerbs.

4.4.

Katalogerstellung und -Produktion

Die Katalogerstellung benötigt zwar den Input von vorhergehenden Aktivitäten im touristischen Planungsprozess (Ergebnisse des Pricings für den Preisteil; Ergebnisse des Hoteleinkaufs bzgl. darzustellender Objekte im Katalog), es können jedoch vor Beendigung der Kalkulation schon strategische Entscheidungen vorzeitig getroffen werden, um die Grundlagen der operativen Aktivitäten zu legen.

4.4.1. Strategische Entscheidungen Die Bestimmung des Druckvolumen für die Katalogproduktion muss mehrere Monate vor dem Druck erfolgen, um die erforderlichen Druckkapazitäten rechtzeitig in Druckereien vertraglich zu sichern. Um das Druckvolumen zu ermitteln, wird das bisheriges Verhältnis zwischen Teilnehmer und Kataloganzahl ermittelt. Dieses Verhältnis ist sehr abhängig von der Reiseart (Studienreise hoch; Kreuzfahrt gering), im Durchschnitt aller Reisekataloge liegt das Verhältnis bei geschätzt 1:10, d. h. für einen Teilnehmer muss der Reiseveranstalter 10 Kataloge produzieren. Dieses für einen Reiseveranstalter aus der abgeschlossenen Saison eindeutig bestimmbares Verhältnis wird genutzt, um auf Basis der Planteilnehmerzahlen für die zu planende Saison eine erste Orientierungszahl für das zukünftige Druckvolumen zu erhalten. Selbstverständlich ist das Verhältnis Anzahl Teilnehmer zu Katalog veränderbar: so z. B. durch eine veränderte Zusammenstellung des Produktportfolios aufgeteilt in verschiedene, nach Zielgruppen segmentierte Kataloge.

52

Bastian: Die touristischen Kernprozesse

Insofern muss die Einführung von Nebenkatalogen (Hauptkatalog Deutschland, Nebenkatalog Harz mit identischen Produkten aber zusätzlichen Informationen im Nebenkatalog) bei der Bestimmung des Druckvolumen berücksichtigt werden. Hinzu kommen Vertriebsaspekte, die es einzubeziehen gilt. Ist doch die (ggf. veränderte) Anzahl der Agenturen, die es mit Katalogen auszustatten gilt, ebenfalls wichtiger Einflussfaktor für die benötigte Berechnung der Kataloganzahl. Ebenso sind die Veränderungen in der Vertriebskanalstruktur zu berücksichtigen, weil z.B. die Internet-Buchungen ohne, oder mit weniger Katalogen auskommen. Bei der

Berechnung herangezogen werden darüber hinaus die Restbestände nicht benötigter Kataloge und der Nachversand von Katalogen. Für die Touristikkonzerne ergeben sich im Bereich der Druckkosten erhebliche Skaleneffekte (economies of scale) zur Senkung der Stückkosten, wenn es gelingt das gesamte Druckvolumen des Konzerns zu bündeln und sei es nur, um kostengünstig in großen Mengen Papier für den Druck zu beschaffen. Im Zusammenhang mit dem Seitenumfang der Kataloge ist ein wesentliches Kriterium die Gestaltungsphilosophie des Kataloges. Wird ein emotional, ästhetisch, Abb. 9:

Gestaltungsphilosophie des Kataloges

Mischformen rationalinformations orientiertes

Design Kreative Kombination Kombination ohne Profil

>

Quelle:




alignment

Luftverkehrsallianzen KLM/ Alitalia

AMP

Lounge access reciprocal FFP

Joint

Umbrella

branding

Company Integrated network management Integrated sales force Integrated marketing Integrated product development Stateglc Alliances Quelle: Eigene

Merger/Partnership

Darstellung

Bleibt das immer interessante Thema der Vielfliegerprogramme, denn natürlich der Geschäftsreisende auf seiner Urlaubsreise nach der Möglichkeit, auch hier Meilen zu sammeln. Verkürzt gesagt, liegen diesbezüglich keine Erkenntnisse über „pull-Effekte", also Zunahmen des Verkehrsvolumens aus der Teilnahme von Ferienfluggesellschaften vor. Die Motivation der Kaufentscheidung ist offensichtlich zu unterschiedlich, da sie bei einer Ferienfluggesellschaft in erster Linie preis-

fragt

Kurth/Herzog: Ferienflugqesellschaften im Wandel

175

getrieben stattfindet. Bestehende Vielfliegerprogramme haben sich bislang für das Ferienflugsegment als ungeeignet erwiesen, da, bedingt durch die niedrige Flugfrequenz der Urlaubsreisende, der niedrigeren yields (Erträge pro Sitzplatz) und der insgesamt stattfindenden Erhöhung der Kostenbasis durch die Programmteilnahme keine Ergebnisverbesserungen zu erzielen sind. Die Kosten der Programmteilnahme sind abhängig von den auf dem Carrier gesammelten Meilen. Das bedeutet, dass der Carrier einen Betrag für alle innerhalb seines Netzwerkes gesammelten Meilen an das meist als Einheit unabhängige Vielfliegerprogramm zahlt, ohne zu diesem Zeitpunkt bereits einen Nutzen daraus zu erlangen. um die gerade für den Ferienflugbereich verhältnismäßig hohen Kosten der Teilnahme zu beschränken, nun lediglich die Carrier-eigenen Vielflieger angesprochen, ist die Grundgesamtheit für eine breite Kundenbindung wiederum sehr klein und die Markentreue in der Regel bereits vorhanden. Insgesamt ist der Kundenbindungseffekt bei Ferienfluggesellschaften deutlich unter dem des Liniensegments. Zum einen wählen ca. 70 Prozent der Gäste ihre Ferienfluggesellschaft nicht aktiv da die Buchung über einen Reiseveranstalter erfolgt, zum anderen erfolgt die Buchung im Einzelplatzbereich in erster Linie preissensitiv. Grundsätzlich kann bei einer Programmteilnahme zwar von einem Mehrflugvolumen, das heißt von einer Zunahme der Buchungen zur Auslösung von Bonusschwellen ausgegangen werden, doch ist der Wachstumseffekt auf das gesamte Volumen des Carriers aufgrund der geringen Grundgesamtheit der Passagiere nicht ausreichend, um allein die Kosten der Teilnahme an einem solchen Programm zu decken. Eine weitere Besonderheit sind zudem die hohen durchschnittlichen Auslastungsquoten der Ferienflüge. Die als Bonustickets bezeichneten „Freiflüge" sind im Sitzplatzertrag kaum kostendeckend und führen aufgrund der hohen Grundauslastung im Prinzip zur Verdrängung „höherwertiger" Gäste.

Werden,

Aus den kurz umrissenen Faktoren ergeben sich kaum Anknüpfungspunkte für das touristische Kerngeschäft der Carrier, während eine kommerzielle Partnerschaft zwischen den jeweiligen Quellmarktveranstaltern und einer Allianz durchaus zu einem beidseitigem Nutzen führen könnte. Zudem bieten sich grundsätzlich für alle Carrier eine Vielzahl von Interline Agreements, die zwar ein verhältnismäßig geringes Volumen bringen, aber signifikant höhere Deckungsbeiträge ohne zusätzliches Risiko ermöglichen.

3.2.

Pauschalreise oder

Einzelplatz?

Besonders aufgrund des dargestellten rasanten Wachstums und den durchschnittlich höheren Sitzplatzerträgen steht das Einzelsitzplatzprodukt in letzter Zeit verstärkt im Mittelpunkt des Interesses. Kein Zweifel besteht dabei allerdings darin, dass das Kerngeschäft der integierten Reisekonzerne mit über 70 Prozent die Pauschalreise ist, d.h., es geht hier nicht darum, Vor- und Nachteile der Produkte aufzuzeigen, sondern vielmehr um die Frage, wo und wie Wachstum generiert werden soll. Aus Sicht der

Fluggesellschaften sind die Deckungsbeiträge aus dem Einzelsitzplatz grundsätzlich höher als die der Pauschalkontingente. Unter Berücksichtigung aller Wertschöpfungsstufen des integrierten Konzerns, also bei Betrachtung der Deckungsbeiträge auf Gruppenebene, erreichen beispielsweise in Deutschland

Kurth/Herzog: Ferienfluggesellschaften im Wandel

176

sowohl die Pauschalreise wie auch der Verkauf von Einzelsitzplätzen eine gute Umsatzrentabilität in ähnlicher Höhe, die allerdings mit einem beträchtlichen Volumenunterschied einhergeht. So liegt das Mengenverhältnis hier etwa achtmal höher zugunsten der eigenen Pauschalreise. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass die wesentlich höheren Erlöse mit einer nur doppelt so hohen Kapazitätsbindung einhergehen, das heißt, 60 Porzent der Flugkapazität sind durch den eigenen Reiseveranstalter ausgelastet. Zu berücksichtigen ist bei einer qualitativen Betrachtung zudem die Tatsache, dass hier eine starke Interdependenz zwischen den Produkten besteht, denn durch Hinzunahme des Einzelplatzvolumens erfolgt häufig eine Stabilisierung der Veranstaltervolumen. Oftmals erreicht ein Flug nur unter Bündelung beider Produkte die notwendigen Auslastungsgrade, um ein kommerziell positives Ergebnis zu erzielen. Abb. 8: Product mix

Product mix

by market

by market



UK Quelle:

Germany

France

Eigene Darstellung

Zusammenfassend ist hier festzustellen, dass in einer Situation gleicher Wachstumsmöglichkeiten ein Ausbau der Flugkapazitäten für den Einzelsitzplatzverkauf nur bei einer deutlichen Erhöhung der Deckungsbeiträge im Verhältnis zur Pauschalreise gerechtfertigt wäre. Umgekehrt schließt dies natürlich nicht die Wahrnehmung von streckenbezogenen Wachstumspotenzialen aus, die das profitable und stabile Einzelsitzplatzprodukt durchaus ermöglicht. Destinationen wie beispielsweise Alicante in Südspanien sind durch ihren über 90%igen Einzelplatzanteil überhaupt nur kommerziell zu operieren.

3.3.

Das

Langstreckensegment

Im Bereich der als Fern- oder Langstrecken bezeichneten Flugstrecken zeigt eine quantitative Analyse der Passagieraufkommen und Zielgebietsportfolios die Konzentration auf wenige Volumenziele, die sich zudem durch eine im Vergleich zu den Mittelstreckendestinationen hohe Volatilität auszeichnen. Aus der derzeitig absehbaren Passagierentwicklung sowie nach Schätzungen der Reiseveranstal-

Kurth/Herzog: Ferienfluqqesellschaften im Wandel

ter, sind desweiteren keinerlei

neue

177

„Volumendestinationen" ableitbar, die bei-

spielsweise mit den derzeitigen „Rennstrecken" vergleichbar wären. Für die derzeitige Planung

in die Dominikanische Republik demzufolge davon ausgegangen werden, dass verstärkt kleinere Volumen zu einzelnen Zielen das Wachstum bestimmen werden. Da die heutigen Volumenziele aufgrund der wettbewerbsintensiven Marktentwicklung der letzten Jahre auf einem vergleichbar geringen Preisniveau liegen, gleichzeitig aber als sehr preissensitiv gelten, lässt ein vorsichtiger Ausblick in die weitere Entwicklung leicht steigende Preise bei rückläufigen Volumen vermuten. muss

Bei einer qualitativen

Betrachtung ist zunächst die bisherige Marktentwicklung im Langstreckensegment interessant, denn hier wird die Veränderung des Marktumfeldes besonders deutlich. Obwohl das Kerngeschäft von Linienfluggesellschaften im normalerweise hochpreisigen Business-class-Segment liegt und damit kein direkter Wettbewerb mit Ferienfluggesellschaften gegeben ist, haben sich die erfolgten Kapazitätsausweitungen im Zuge der Liberalisierung des internationalen Luftverkehrs besonders im Langstreckenbereich der Ferienfluggesellschaften zu einem nachhaltigen Anstieg des Wettbewerbs geführt. Somit hat sich aus Preisniveau und Überkapazitäten ein Trend zur substanziellen Erosion der Margen ergeben. Durch die Möglichkeit der flexiblen Preisgestaltung der Ecomomy Kontingente, aufgrund eines Yieldmixes zwischen Erlösen der First & Businessclass, ergeben sich eklatante Preisvorteile auf Linienflügen, die auf überschneidenden Netzwerken, wie bspw. auf den Nordamerika- und Asienrouten, möglicherweise bereits in naher Zukunft zu einem vollständigen Rückzug der Ferienfluggesellschaften führen wird.

Abb. 9:

Longhaul-volume & Growth

Long-haul 150%

-

Volume & Growth

Growth rate 1996-2000 (total year), variance of year-on-year change

Destination mix by market

20

LTJ

3lS

0%

UK

Germany Medium-haul

Quelle: Eigene

Das bereits

France

Long-haul

Darstellung

angesprochene relativ niedrige Preisniveau wird im direkten Leistungsvergleich mit dem Kerngeschäft der Ferienflieger, also den „Europäischen Warmwasserdestinationen" sehr deutlich. Da die mit der Flugdurchfüh-

Kurth/Herzog: Ferienfluqqesellschaften im Wandel

178

rung verbundenen direkten Kosten in Abhängigkeit von den Flugstunden anfallen, entstehen wie das nachfolgende Beispiel bildlich verdeutlicht bei einem Langstreckenflug anstelle mehrerer Mittelstrecken tatsächlich Mindereinnahmen, die -

-

als Opportunitätskosten einer Langstreckenoperation angesehen werden können. Dabei vereinfacht die Betrachtung natürlich stark und lässt die Vielzahl der wesentlichen operativen Belange bewusst außer Acht.

Der Hebel des im Beispiel lediglich schematisch dargestellten Vergleichs zwischen Mittel- und Fernstreckenoperation liegt in den auf Flugstunden basierenden Kosten. Während die Umsätze beider Beispiele gleich sind (1 X 900 versus 3 X 300), ist die pro Sitzplatzblockstunde erzielte Rate im Mittelstreckenbereich um 50 Prozent höher. Selbst auf Basis einer wesentlich detaillierten Streckenergebnisrechnung, in der eine differenzierte Betrachtung der landungsabhängigen Kosten sowie der Besatzungskosten durchgeführt wird, bleibt dieses Verhältnis prinzipiell auf allen touristischen Routen bestehen.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich das Langstreckensegment primär durch ein hohes Risiko bei unterdurchschnittlichen Renditeerwartungen „auszeichnet". Abb. 10:

Commercial View

Longhaul -

Long-haul Commercial view -

A.

Long-haul operations (Example)

FRAQ^

9h

Details:

Flight hours:

:OPUJ

18

Average ticket price: (return)

~9h (120"m'in" i TTL: 20 Rate per Seat/ Fl. Hr.: Aircraft: B767-300, seat capacity: 271 (Y) Seat/fl.hrs: 4.878 B. Medium-haul

CGNq (45

operations (Example) 2ti -: Details:

QPMI

(45 mm

mm

^.QALC

FRAq

'(45 )min

ticket price: Flight hours: 12 Average (return) TTL: 15,75 Rate per Seat/ Fl. Hr.: Seat/fl.hrs: 3.252

DM 900,DMSO/h

DM 300,DM 75/h

CGNq Stop

Aircraft: B767-300, seat

capacity: 271 (Y)

Quelle:

Eigene Darstellung

3.4.

No-frills carrier

-

Chance oder

Herausforderung?

Eine der bemerkenswertesten Entwicklungen im europäischen Luftverkehr der letzten Jahre ist das rasante und erfolgreiche Wachstum der sogenannten Lowcost Carrier. Seit der Deregulierung des Europäischen Luftverkehrs im Jahr 1993 sahen sich besonders die ehemaligen europäischen Staatscarrier zunehmend mit der lange unterschätzten Billigkonkurrenz konfrontiert. Nach einer schwierigen Startphase, die Airlines wie Debonair oder AB Airiines in den Ruin führte, begann

Kurth/Herzog: Ferienfluaaesellschaften im Wandel

die

eigentliche Erfolgskurve

1997 mit dem in

ten beeindruckenden Wachstum.

179

nachfolgender Abbildung dargestell-

Aus Sicht der Ferienfluggesellschaften stellt sich angesichts der Wachstumsentwicklung dieses Segmentes die Frage, ob und inwieweit das eigene Kerngeschäft der Beförderung von Urlaubsreisenden in die Mittelmeerregion hiervon beeinflusst wird. Nach der ersten Wachstumsphase des Low-cost Segmentes ist inzwischen zu beobachten, dass das Zielgebietsportfolio bereits die erste Deckung mit den klassischen Ferienzeilen aufweist. Da der Wettbewerb sich aufgrund dessen vor allem im Heimatland der Low-cost carrier verstärkt und mit Slogans wie „Fly smarter, drop the Charter", eine ungekannte Dimension erreicht, stellten sich hier die Fragen, ob es sich grundsätzlich um ein Segment handelt, in dem die Ferienflieger vertreten sein sollten und wesentlich naheliegender, ob und wie groß die Gefahr für das Einzelplatzprodukt der Konzerngesellschaften ist. Zunächst hilft bei der Betrachtung dieser Frage die weitere Segmentierung der „Low-cost Carrier", denn eine Zielgebietsdeckung ergibt sich bislang mit den Gesellschaften Easyjet, GO aus dem britischen Quellmarkt. Die wachstumsstärkste Gesellschaft des Segments (Ryanair) vermeidet bislang den Eintritt auf die Feriendestinationen, da sie ihr Kerngeschäft in den Sekundärflughäfen sieht. Grundsätzlich liegen die Erfolgsfaktoren in starkem Wachstum mit der einhergehenden Aufnahme hoher Frequenzen. Wesentlich ist für die Betrachtung des Segments aber die Frage nach den jeweiligen Stärken und Schwächen, um Rückschlüsse auf die tatsächliche Bedrohungssituation durch Low-cost Carrier und mögliche Maßnahmen zu treffen. Abb. 11: Low-cost carrier growth

development

Low-cost carrier Growth development -

Quelle:

Eigene Darstellung

Hierbei treten zunächst neben der wachsenden aber insgesamt noch relativ geringen Zielgebietsdeckung einige Gemeinsamkeiten zu Tage. So sind die Ticketpreise bei sowohl Ferienfluggesellschaften wie auch Low-cost Carriers deutlich geringer als bei den Linienwettbewerbern, was sich auf den europäischen

180

Kurth/Herzog: Ferienfluqqesellschaften im Wandel

Destinationen in Größenordnungen zwischen 30-40% bewegt. Beide Segmente zeichnen sich zudem durch eine höhere Sitzplatzdichte auf den Flugzeugen und eine im Verhältnis zur Linie höhere Produktivität aus. Damit erschöpfen sich die Gemeinsamkeiten aber bereits, während die nähere Analyse der Wettbewerbsfähigkeit auf den klassischen Feriendestinationen einen deutlichen Wettbewerbsvorteil für die Ferienflieger hervorbringt. Dies liegt auch daran, dass die tägliche Beschäftigung der Low-cost carrier mit durchschnittlich 10 Stunden pro Tag deutlich unter den hohen Produktivitätswerten der Ferienflieger liegt, die bis in die Nachtstunden hinein operieren. Zudem entstehen deutlich höhere Verkaufs- und Marketingaufwände, da die gesamte Kapazität am Markt positioniert werden muss und nicht zu 60-70% durch einen Reiseveranstalter genutzt wird.

sind die Reiseveranstalter in Deutschland erfolgreich in der Lage den Pauschalreisebereich gegen ein Eindringen der neuen Konkurrenz zu schützen, zumeist durch preisattraktive Konditionen sowie der Einführung neuer Elemente zur Flexibilisierung der Reisemöglichkeiten. Ausgehend von der wettbewerbsintensiven Entwicklung des Einzelplatzsegments in Deutschland während der letzten Jahre, stellt sich eine Wettbewerbsherausforderung durch Low-cost carrier auf Basis des in Großbritannien zu Tage tretenden Preisniveaus und unter Berücksichtigung der dargestellten Parameter besonders aus integrierter Perspektive als bedingt bedrohlich dar. Die möglichen Bedrohungen durch den neuen Wettbewerb können aber tatsächlich an verschiedenen Punkten der Wertschöpfungskette liegen, die bei einer massiven und unangefochtenen Bedrohung bestimmter Strecken im schlimmsten Fall im Verlust der kommerziellen Grundlage dieser Strecken liegen könnte. Wesentlich ist hierbei allerdings die Beschränkung dieser theoretischen Angriffsfläche auf wenige, Einzelplatz dominierte Ziele.

Bislang

Abb. 12:

Top five UK charter destinations by passenger numbers Top five UK charter destinations by passenger numbers

4.3

I I Traditional carrier, incl. Scheduled services ot charter carriers

Scheduled

Charter

PMI

TSF

Quelle: Eigene Darstellung; CAA, RB&P

AGP

analysis

ALC

FAO

Kurth/Herzog: Ferienfluggesellschaften im Wandel

181

integrierter Perspektive ist die Frage des direkten Wettbewerbs allerdings nur bedingt entscheidend, da zum einen eine Beschränkung der Schnittmenge auf Einzelplatzziele also nur einen Teil des bestehenden Streckenportfolios vorliegt, zum anderen eine hohe Grundauslastung bereits vorgegeben und der Anteil der Aus

im direkten Wettbewerb stehenden Einzelplatzanteile steuerbar ist. Entscheidend ist hierbei jedoch dass sich aufgrund der bislang erreichten Marktkenntnis insbesondere aber der erreichten Marktposition aus Bekanntheitsgrad, Preisaggressivität und Flugfrequenz die Möglichkeit ergibt, effiziente Markteintrittbarrieren gegen die neuen Wettbewerber zu schaffen.

Die kostengünstige Betriebsplattform einer Ferienfluggesellschaft bietet hier ein attraktives Potential zum Ausbau der Flugaktivitäten in das Low-cost Segment, sowohl um an zukünftigen Wachstumspotentialen zu partizipieren wie auch die eigene Marktposition effizient schützen zu können.

4. 4.1.

Die

europäische Perspektive

Potenziale und Vision

Die in jüngster Zeit entstandenen integrierten Konzerne bestehen in ihren jeweiligen Flugbereichen derzeit noch aus einer unterschiedlich strukturierten Kombination vormals unabhängiger Fluggesellschaften, die sich unter anderem durch eine hohe Vielfalt in ihrer Flottenstruktur auszeichnen. Wesentlicher Grund dieser Vielfalt ist dabei, dass alle Carrier nach den in ihren Märkten spezifischen Anforderungen operieren und als unabhängige Einheiten entstanden sind. Die Herausforderung auf dem Weg zu einer „europäischen Perspektive" besteht nun darin, aus dieser komplexen Basis ein Maximum an Synergien für die Gruppe zu generieren und eine einheitliche Airlineplattform zu schaffen.

Im Vergleich zu den Allianzen der Liniencarrier aber, deren Ziel die Erhöhung der Marktmacht durch die Erschließung der Flugnetzwerke liegt, können auf diese Weise im Ferienflugbereich nur bedingt kommerzielle Synergien zwischen den einzelnen Carriern erzielt werden. Dieser so entscheidende Vorteil der Allianzen aus einer Bündelung der Volumina kann im Ferienflugbereich kaum genutzt werden, denn die Verbindung der bestehenden Netzwerke führt kaum zu zusätzlichem Verkehrsvolumen; die Streckenführung zwischen Deutschland und England via Palma de Mallorca durchzuführen, macht hier wenig Sinn. Obwohl die Ferienfluggruppen im Bezug auf ihre Flottengröße weltweit unter den 20 größten Flugzeugflotten zu suchen und innerhalb Europas bereits bedeutend größer als so mancher Staatscarrier sind, lässt eine bloße Volumenbetrachtung kaum einen Rückschluss auf die daraus zu generierenden Vorteile zu. Der Fokus der Integration ist vielmehr zunächst darauf gerichtet, die Integration der Backoffice-Funktionen, also der hinter den für den Passagier wahrnehmbaren „Kulissen", durch Prozessvereinfachung, Kostensenkung und Volumenbündelung voranzutreiben. In erster Linie sind hier Kostenvorteile aus eher marktfernen Feldern wie des Einkaufs von Flugtreibstoff, Abfertigungsleistungen, Catering, Ersatzteilen und Versicherungen sowie durch die Bündelung finanzieller Aktivitäten wie Leaseverträge oder Treibstoffhedging. Wesentlich für den nachhaltigen Erfolg der

Kurth/Herzog: Ferienfluggesellschaften im Wandel

182

Integrationsanstrengungen ist hierbei das Fundament, auf dem die neue „Europäische Perspektive" aufsetzt. Die integrierten Konzerne sind erstmalig in die Lage versetzt worden, hier nachhaltigen Erfolge erzielen zu können, denn die Integration verschiedener Ferienfluggesellschaften kann nur in integrierten Modellen Erfolg haben, da Entwicklung und Rhythmus der Industrie durch die Entwicklung der Reiseveranstalter dominiert wird, die damit wiederum zwischen 70-100 Prozent der Flugkapazitäten auslasten.

Einen Beleg hierfür kann unter anderem im Los der zwischen 1999 und 2000 durch die Schweizer SAir Group gegründeten Ferienflugallianz „European Leisure Group" gesehen werden. Der Versuch, insgesamt fünf Fluggesellschaften aus vier Ländern, an denen die SAir Group mit 40-100 Prozent beteiligt war, horizontal zu integrieren, war so anspruchsvoll wie im Endeffekt erfolglos. Neben den Schwierigkeiten, die sich aus den durch die Beteiligungsstruktur unterschiedlichen Durchsetzungsmöglichkeiten grundsätzlich ergeben, war einer der Hauptgründe des Scheiterns vor allem in der mangelnden Einflussmöglichkeit auf die Reiseveranstalter zu sehen. Diese stellten je nach Markt zwischen 75-100% des Geschäftsvolumens der Fluggesellschaften und waren somit ausschlaggebend für Dynamik und Entwicklungsrichtung der jeweiligen Kerngeschäfte. Zusammenfassend konnte aufgrund der Beteiligungsverhältnisse keine wirksame Integration von Zentralfunktionen vorgenommen werden, die Märkte und die Stellung der Carrier in ihnen waren sehr unterschiedlich und ein Einfluss auf die Geschäftsentwicklung durch den Mangel an Einflussmöglichkeiten auf die konnte Reiseveranstalter ebenfalls nicht ausgeübt werden. Konsequenterweise wurde die European Leisure Group dann noch im Jahr 2000 durch die SAir Group beendet. Was kann, was soll unter einer integrierten Perspektive also zusammengefasst werden? Die diversifizierte Struktur der Modelle und Märkte macht ein vorsichtiges Agieren unumgänglich, eine Zentralisierung um ihrer selbst willen würde die gewachsenen hochkomplexen Quellmarktabläufe gefährden. Zudem sind Entwicklungsstände und ihre inhärenten Dynamiken in den europäischen Märkten sehr unterschiedlich. Eine Übertragung eines in einem der Märkte erfolgreichen Modells auf einen anderen also unter Umständen gar nicht zu empfehlen. So kann die Gefahr eines „one size fits all" Organisationsprinzip, das heißt die Übertragung eines allgemeingültigen Modells, vermieden, operationelle und strategische Schlüsselfunktionen der Fluggesellschaften aber zentralisiert werden, ohne damit die notwendige Nähe zu den Quellmärkten zu verlieren. Stattdessen handelt es sich um ein Organisationsmuster, ein ..template", das die systemische Anforderung an die lokalen Funktionen definiert. -

4.2.

Das

Gemäß des

neue

Modell: TUI Airline

Management

Auftrags der Umsetzung einer zentralen Führungsorganisation unter Berücksichtigung der Potenziale und Limits möglicher Integrationsniveaus, ist für die TUI AG zum Jahreswechsel 2001/2002 das TUI Airline Management aus der Taufe gehoben worden. Das TUI Airline Management ist die zentrale Organisationseinheit der Konzernfluggesellschaften, mit deren Hilfe die Carrier der Gruppe stärker integriert werden. Die Aufgaben der neuen international besetzten Teams sind in den Bereichen Flottenmanagement, Flugbetrieb, Maintenance und Verwaltungs- bzw. Reportingfunktionen zusammengefasst.

Kurth/Herzog: Ferienfluqqesellschaften im Wandel

Abb. 13: TUI Airline Source Market

Country X

183

Management Airline

Management

TO.

Flight Ops Mgt.

s/o* 3rd

Mainte-

party*

nance

Mgt.

Risk

Mgt

Oper.

Carrier X

'

=

Options

Quelle: Eigene Darstellung

Die Herausforderungen liegen nun unter anderem darin, eine grenzüberschreitende Optimierung zu ermöglichen, die sich erst aus einer zentralen Perspektive ergeben kann. Durch einen möglichen Einsatz der Flugzeuge auf verschiedenen europäischen Quellmärkten kann ein internationales Netzwerkmanagement ermöglicht werden, das zwar sicherlich nicht in der Größenordnung kompletter Flotten liegt, aber dennoch signifikante Potenziale verspricht. Die Möglichkeiten, die sich aus einer solch einzigartigen Bündelung von Ressourcen ergeben können, sind immens, die Umsetzung steht noch bevor.

4.3.

Resümee und Ausblick

Die beschriebene Airline Plattform stellt zweifellos lediglich eine Zwischenlösung auf dem Wege zu einer pan-europäischen Fluggesellschaft dar. Heute verhindert noch die nationale Gesetzgebung in den EU-Mitgliedsstaaten den Erwerb der Mehrheit an einer in einem anderen Mitgliedsstaat ansässigen Fluggesellschaft. Auch Flüge aus einem anderen Mitgliedsstaat in Zielgebiete, die nicht dem europäischen Wirtschaftsraum angehören, werden gegenwärtig durch die bilateralen Vereinbarungen nicht gedeckt. Diese rechtlichen Hürden werden in den kommenden Jahren fallen und den Weg freimachen zu einer weiteren Konzentration im Luftverkehr, mit dem Ergebnis, dass in einem Mitgliedsstaat ansässige Fluggesellschaften aus allen anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union heraus, Verkehr mit Drittländern betreiben können. Es werden nicht mehr nationale Regierungen bilaterale Verkehrsabkommen verhandeln, sondern die zuständige Kommission in Brüssel wird dies für alle Mitgliedsstaaten zentral übernehmen.

184

Kurth/Herzog: Ferienfluggesellschaften im Wandel

Die beschriebene Airline Plattform, die bisher nicht den Status einer Luftverkehrs-

gesellschaft hat, wird die dann nicht mehr erforderlichen nationalen Betriebsgenehmigungen durch eine europäische ersetzen und damit luftrechtlich den Status einer Fluggesellschaft erhalten. Da der Ferienflugverkehr in höherem Maße als der Geschäftsreiseverkehr durch lokale Merkmale geprägt ist (Sprache, Service etc.), wird es auch unter einer zentralen europäischen Flugbetriebsgenehmigung nationale Betriebsstätten geben, die aus den verschiedenen europäischen Quellmärkten für die lokalen Reiseveranstalter tätig sein werden. Diese Organisationseinheiten werden den Schwerpunkt ihrer Zuständigkeit auf die Produktgestaltung, die Flugdurchführung und die Personalführung legen. Auch eine harmonisierte Luftverkehrsgesetzgebung wird in Zukunft nationale Interpretationen mit entsprechenden Auswirkungen auf den Betrieb einer Fluggesellschaft (Gebührenstruktur, Genehmigungsprozesse etc.) zulassen. Dies wird dazu führen, dass bei ansonsten freier Standortwahl die Arbeitsweise der nationalen Luftfahrtbehörden ausschlaggebend werden kann.

Die von den großen europäischen Touristikkonzernen vorangetriebene Integration ihrer Fluggesellschaften ist in der Luftfahrtindustrie allenfalls mit der Schaffung von AIRBUS Industrie Ende der sechziger Jahre zu vergleichen. Im Gegensatz zu den zahlreichen internationalen Allianzen wird hier eine tiefgehende organisatorische Integration vorangetrieben. Bei den allgemeinen Bemühungen um eine Konzentration in der Airline Industrie stehen diese Konzerne gegenwärtig an der Spitze der Entwicklung, da sowohl ihre Zielsetzung, als auch der gegenwärtige Stand der Integration, weit über die der bekannten Allianzen hinausgeht.

Dornach/Sökeland: Steuerung eigener Hotelqesellschaften

.185

Steuerung eigener Hotelgesellschaften und Konsequenzen für das Konzernmanagement am Beispiel des Club Aldiana

Gisela Sökeland und Frank Dornach 1 2 3 4 5 6 7

Einleitung. heutige Markt der Clubprodukte. Hotelgesellschaften als Leistungsträger im Clubprodukt. Integration von Hotelgesellschaften in den Konzern. Konsequenzen für das Konzernmanagement. Erfolgsfaktoren der Steuerung eigener Hotelgesellschaften Der

Fazit

.

186 186 187 188 189 190 194

Zusammenfassung: Insbesondere beim hochwertigen Qualitätsprodukt Cluburlaub kommt es darauf an, dem Kunden besten Service in exklusiver Umgebung zu bieten. Eine wichtige Rolle spielen dabei natürlich die Hotelanlagen, die höchsten Qualitätsstandards gerecht werden müssen. Um diese zu sichern, werden Hotelgesellschaften strategisch in den Konzern integriert, um den Kunden über das erlebte Image langfristig an die Marke zu binden. Auf der operativen Seite muss den Hotels jedoch ein Spielraum gelassen werden, um flexibel auf die ständigen Veränderungen, insbesondere bei Freizeit- und Erholungstrends, reagieren zu können. Weiterführende Literatur:

Bastian, H., Born, K., Dreyer, A. (Hrsg.) (2000): Kundenorientierung im Touristikmanagement, München, Wien. Corsten, H., Stuhlmann, S. (Hrsg.) (1997): Kapazitätsmanagement in Dienstleistungs-unternehmen:

Grundlagen und Gestaltungsmöglichkeiten. Wiesbaden. Grimm, S., Röhricht, J., (2003): Die Multichannel Company Strategien und Instrumente für die integrierte Kundenkommunikation. Bonn. Kirstges, T. (1992): Expansionsstrategien im Tourismus, Wiesbaden._ -

Gisela Sökeland ist Geschäftsführerin Dr. Frank Dornach ist

Mitglied

von

Aldiana.

des Vorstandes der ServiceBarometer AG.

Dornach/Sökeland: Steuerung eigener Hotelgesellschaften

186

1.

Einleitung

Marktsegment für Clubprodukte entstand in den 70er Jahren zur Wettbewerbsdifvon Reiseveranstaltern. Zur Abhebung von den mittlerweile zahlreich existierenden Reisemarken wurden neben dem klassischem Pauschalreiseangebot verlässliche Zusatzleistungen zu Sport und Unterhaltung mit angeboten und als eigenständige Urlaubskonzepte an eher jüngere Zielgruppen vermarktet (Kirstges 1992, S 170). Das anschließende volumenmäßige Wachstum dieses "Clubsegments" Das

ferenzierung

wurde durch die geringe Anzahl an Standorten mit einer hierfür geeigneten großen Fläche begrenzt (z.B. für integrierte Tennis-, Reit-, Theateranlagen). Andererseits stellt das spezielle Anforderungsprofil der clubtypischen umfassenderen Wertschöpfungskette und dabei speziell die Verantwortung für eigene Hotelgesellschaften den Veranstalter vor vielfältigere strategische, betriebwirtschaftliche und organisatorische Herausforderungen der Steuerung.

heutige Markt der Clubprodukte Die heutige Rolle von Clubprodukten im Markt für Pauschalreisen ist bei den zwei größten Anbietern in Deutschland gekennzeichnet durch Betriebe mit meist 4-bis 52. Der

Sterne-Niveau im gehobenen sowie im einkommensstarken Kundensegment. Der Marktanteil für Clubreisen beträgt ca. 2 Prozent der gesamten Pauschalreisen in Deutschland, womit das Marktpotenzial auf insgesamt ca. 800.000 Cluburlaubsreisen pro Jahr beziffert werden kann.

Das Marktsegment ist damit zwar größenmäßig begrenzt, jedoch unter Ertragsgesichtspunkten hoch attraktiv: Der Umsatz auf Veranstalterseite liegt pro Reisegast ca.

500 EUR über dem Pauschalreisedurchschnitt. Dies dürfte neben einer Abrundung des Marken- bzw. Produktportfolios gegenwärtig der Hauptgrund für neue Clubangebote und die Positionierung weiterer Wettbewerber als Clubmarken sein. Daneben findet ein laufendes Upgrading durch clubähnliche Zusatzelemente von landesweit etablierten Hotelketten statt. Somit haben auch typische Hotelbetriebe diese Möglichkeiten zur Erschließung interessanter Kundengruppen für sich zur Aufwertung des eigenen Standorts entdeckt und bieten zunehmend clubähnliche Einzelelemente des

Konzepts zu All-Inclusive-Preisen an.

Das Clubprodukt ist damit ein klassisches Nischenprodukt zur Abrundung des Leistungsangebotes eines integrierten Touristikkonzerns. Im Wettbewerb präsentiert sich Aldiana dabei über den Anspruch einer für die Gäste kompromisslosen Servicequalität, basierend auf einer alle Leistungsbereiche umfassenden Qualitätspolitik und die permanente Anpassung der Leistungsinhalte an die (zunehmend häufiger) wechselnden Bedürfnisse der Clubkunden.

Dornach/Sökeland: Steuerung eigener Hotelqesellschaften

3.

.187

Hotelgesellschaften als Leistungsträger beim Clubprodukt

In Anbetracht dieser Chancen müssen jedoch auch die zu lösenden Aufgaben und Risiken aus Hotelsicht erläutert werden. So liegt das finanzielle Investment für Clubanlagen infolge des Flächenbedarfs und der Ausgaben für Bau und Betreuung der Freizeit-, Sport- und Unterhaltungsanlagen deutlich über dem Aufwand der klassischen Pauschalhotellerie. Betrachtet man die einzelnen zusätzlichen Leistungsbereiche wie beispielsweise Fitness/Wellness, Tennis, Segeln/Surfen oder Reitstall unter Profitcenteraspekten, kommt hinzu, dass die teils großflächigen Anlagen sowie der zusätzliche Material- und Geräteaufwand nur bei professionellem Kostenmanagement und Personalführung sowie mittels durchgängig hoher Auslastung von eher größeren Kapazitäten einen positiven Renditebeitrag leisten können. Über die Investitionen für Zusatzleistungen zur Gestaltung eines stimmigen Clubkonzepts können jedoch spezielle Preis-Leistungskonzepte am Markt etabliert bzw. zumindest höhere Hotelpreise realisiert werden.

Speziell in den letzten Jahren entwickelten sich Wellness-, Sport- und Unterhaltungsangebote äußerst dynamisch und diese erfordern somit die permanente Aktualisierung in der Anlagenplanung, Ausbildung der betreuenden Fachkräfte und die zielsichere Vermarktung zur Gewährleistung der für die geleisteten Investitionen notwendigen Auslastung. Zur Erhaltung der Differenzierungskraft als Ausgangspunkt für das Clubprodukt ist eine intensive Bedarfsanalyse auf Kundenseite notwendig und es müssen die zusätzlichen Leistungsangebote mittlerweile meist im Jahrestournus an aktuelle Trends angepasst werden.

Der mögliche Zukauf bzw. das Outsourcing dieser Zusatzleistungen zu Sport und Unterhaltung über Dritte (Spezialisten vor Ort, länderübergreifende Anbieter mit eigener Marke) stellt dabei zwar eine grundsätzliche Möglichkeit dar, schränkt jedoch die Einflussnahme auf die Qualität und die geforderte Anpassungsgeschwindigkeit stark ein. Darüber hinaus kann die Positionierung der eigenen Qualitätsmarke über externe Dienstleister nicht immer konsequent durchgesetzt werden.

Aus Hotelsicht können diese beschriebenen Overheads für Forschung und Konzeptentwicklung daher nur durch Hotelverbünde oder -ketten ökonomisch erbracht werden. Für eine überzeugende Präsentation und Pflege des Clubprodukts und zur Sicherstellung einer kompromisslosen Qualität sind sie dagegen eine Grundvoraussetzung. Als weitere

Rahmenbedingung kommt hinzu, dass man für einen großflächigen Club generell nur Standorte außerhalb von Ortschaften bzw. am Rande von Touristikzentren ausgewiesen bekommt. Die Erfolgsaussichten in der Vermarktung sind dabei für ein Clubprodukt positiver, da in der Regel alle vom Reisegast geforderten und zum Urlaubsaufenthalt notwendigen Leistungen innerhalb der Clubanlage erbracht werden (Spezialitätenrestaurants, Boutiquen, Autovermietung, Spazierpromenaden etc.). Ein typisches Hotel hätte aufgrund der Konzentration auf Unterbringung und Verpflegung dort enorme

Standortprobleme.

Dornach/Sökeland: Steuerung eigener Hotelqesellschaften

188

Aus Hotelsicht sind Clubanlagen auf den ersten Blick daher betriebswirtschaftlich eher unattraktiv und risikobehaftet. Der Bau, Zukauf und das Angebot von Clubanlagen lässt sich jedoch im Rahmen des Veranstaltergeschäfts eines integrierten Touristikkonzerns über ein in der Kundenwahrnehmung stimmiges Gesamtkonzept und dem damit realisierbaren höheren Durchschnittspreis sowie eine über den Konzernverbund sicherzustellende Grundauslastung rechtfertigen. Dies erfordert jedoch die Übernahme von Hotelverantwortung und Steuerung veranstaltereigener Hotelgesellschaften sowie die professionelle Vermarktung des Clubprodukts. Da die Zielgruppe der Club-affinen Reisegäste im Gesamtverhältnis des Pauschaltourismus eher klein ist, stellen die Zielgenauigkeit und Ausschöpfung wesentliche Erfolgsgrößen zur Vermarktung des Clubangebotes dar.

4.

Integration von Hotelgesellschaften

in den Konzern

Das Clubgeschäft über eigene Hotelgesellschaften vollzieht sich sowohl über eine deutlich erweiterte Wertschöpfungskette (Kirstges 1992, S. 233ff.) als auch über erweiterte Aufgaben in den einzelnen Elementen. Dies soll anhand ausgewählter Beispiele verdeutlicht werden:

Marktforschung umfasst bei clubeigenen Hotelgesellschaften neben den gängigen marketingbezogenen Veranstalteraufgaben zu zukünftigen Reisezielen, Kundenerwartungen, tragfähigen Kundensegmenten etc. insbesondere noch die zur Abschätzung des unternehmerischen Engagements notwendigen politischen, wirtschafts-, Steuer- und arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen im Zielgebiet. Die zusätzliche Verantwortung für die Produktion der touristischen Leistung mit unterschiedlichen kulturellen, politischen, gesetzlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie die infolge zahlreicher Zusatzangebote höhere Leistungstiefe erfordert ein länderspezifisches Lieferantenmanagement. Dies ist notwendig, um einerseits verlässliche Mindeststandards an Produkt- (z.B. Güteklasse der gelieferten Speisen) und Dienstleistungsqualität (z.B. Hygienestandards im Housekeeping) zu gewährleisten und andererseits die lokalen Verbundpartner permanent für die gemeinsame Optimierung des Gästenutzens zu motivieren. Unter diesen

Gesichtspunkten wird deutlich, dass auch klassische Make-or-BuyEntscheidungen nicht zentral und allgemeingültig getroffen werden können, sondern häufig situativ z.B. infolge plötzlicher Lieferanten-, Liefer- und auch Mitarbeiterausfällen kurzfristig vor Ort entschieden werden müssen. Als zentrale führungsorganisatorische Konsequenz ergibt sich hieraus, dass die Verantwortung für eigene Hotelgesellschaften einhergehen muss mit fachlich breit ausgebildeten Führungskräften und hohen dezentralen Entscheidungskompetenzen.

Dornach/Sökeland: Steuerung eigener Hotelqesellschaften

5.

189

Konsequenzen für das Konzernmanagement

5.1.

Strategische Konsequenzen

Entscheidend für Nischenanbieter im Tourismus ist eine im Zeitablauf hohe Kundenbindung an die Veranstaltermarke zur höheren Ausschöpfung des begrenzten Marktvolumens. Hohe Markenbindung (Bruhn 1994) wird dabei nicht alleine durch Topleistungen während des Aufenthaltes, sondern insbesondere auch durch eine Angebotsvielfalt an Zielgebieten erzeugt. Das Zielgebietsportfolio erhält daher für Clubanbieter einen bedeutenden Stellenwert, zumal jedes Zielgebiet durch kulturelle, gesetzliche, arbeitsschutz- und steuerrechtliche Besonderheiten geprägt ist. Als Veranstalter mit eigenen Hotelgesellschaften weltweit tätig zu sein, bedeutet dabei die ständige Auseinandersetzung mit dieser Vielfalt und das Eingehen komplexer Modelle der Zusammenarbeit. Theoretische Extrempunkte der Zusammenarbeit sind vereinfacht ausgedrückt: Auf der einen Seite ist der Veranstalter Alleineigentümer und Betreiber der Anlage, auf der anderen Seite pachtet der Veranstalter die fremdverwaltete Ho-

telanlage.

Die zentralen Vor- und Nachteile der verschiedenen Beteiligungs- und Betreibermodelle aus Sicht des Veranstalters münden in der Regel in folgende RisikoNutzenabwägung: mit einer ausgeprägten Eigentümerrolle geht der Veranstalter das komplette betriebswirtschaftliche Risiko für den einzelnen Hotelbetrieb ein, speziell für Qualitätsmarken bieten sich jedoch gleichzeitig mehr Möglichkeiten, die an den Reisegast versprochene Qualität kompromisslos durchzusetzen. Es liegt auf der Hand, dass selbst bei einer Minderheitsbeteiligung eines (meist ortsansässigen) Investors schon Aufwand und Zeit für die Überzeugungsarbeit eingeplant werden sollte, damit die mit der Qualitätsstrategie verbundenen Prioritäten und Investitionen von ihm mitgetragen werden. Dabei ist

berücksichtigen,

und damit finanzielle Verpflichtungen für meist eine Laufzeit von 15 bis 20 Jahren und mehr (Standorterschließung, Bau und Umbau der Anlage, Betrieb, evtl. Veräußerung) haben und somit nur sehr schwer kurz- noch mittelfristig an neue Strategievorgaben angepasst werden können. Speziell zur Fortsetzung bei Vertragsablauf sowie zur Realisierung eines neuen Standortprojekts muss häufig eine strategische, konzeptionelle und vertragliche Flexibilität eingebracht werden; damit fordert das Thema eigene Hotelgesellschaften die Interpretation der konzernstrategischen Vorgaben permanent in hohem Maße heraus. zu

dass

Verträge

eigene unternehmerische Engagements in Zielgebieten

5.2.

Operative Konsequenzen

Die beschriebene Vielfalt der operativen Umsetzung von Beteiligungsmodellen in den Zielgebieten macht deutlich, dass es sich anbietet, hierfür das Know-how und die Kompetenzen in einer eigenständigen Einheit mit weitgehender Entscheidungsfreiheit zu

bündeln.

Die Zusammenarbeit mit einzelnen Konzerneinheiten lebt dabei

Wissens-, Methoden- und Erfahrungstransfer

zu

von

einem intensiven

Markt-/Zielgebietsbesonderheiten

Dornach/Sökeland: Steuerung eigener Hotelqesellschaften

190

und Kooperationsmodellen einerseits und der gezielten Nutzung der unterstützenden Bereiche entlang der Wertschöpfungskette (Data Ware House, Reisebürovertrieb, Flug etc.) andererseits. Für einen Nischenanbieter wie Aldiana mit eigenen Hotelgesellschaften ist dabei erfolgsentscheidend, dass die jeweilige Unterstützung durch Konzerneinheiten (Einkauf, Vertrieb, Reiseleitung etc.) durch eine hohe Anpassung an die im Zielgebiet speziellen Rolle des Unternehmers/Hoteliers erfährt, die bei anderen Konzernmarken aus Kostengründen häufig nicht erfolgen kann. Somit sollte Einheiten mit eigenen Hotelbetrieben zwangsläufig eine höhere Eigenständigkeit in der Nutzung der Konzernressourcen zugestanden werden.

Die teilweise mehrjährigen Vorlaufzeiten zur Realisierung von Hotelengagements und die eingegangene Produzentenrolle für die touristische Leistung kann die Reaktionsgeschwindigkeit und Handlungsflexibilität auf geänderte Konzernstrategien und Umsetzungskonzepte deutlich einschränken. Während sich ein Veranstalter von problematischen Märkten zumindest im Jahresturnus zurückziehen kann, können eigene Hotelgesellschaften in diesen Zeiträumen nur mit großen Preisabschlägen veräußert werden. Somit bleibt meistens die Aufgabe, die Zielgebietsprobleme durch kurzfristige Umpositionierung der Anlage oder durch

rigides Kosten-/Kapazitätsmanagement (Corsten/Stuhlmann 1997; Buggert/Wielpütz 1995) und neuen Wegen der Vermarktung (zum Beispiel in anderen Ländern mit anderen Erwartungsschwerpunkten) zu bewältigen. Für ein Qualitätsprodukt sind nachträgliche Preisabschläge und Sonderangebote nicht vermittelbar. Sie würden insbesondere das Vertrauen bei den wesentlich höheren Gästeanteilen an Frühbuchern und Stammkunden deutlich reduzieren und schaffen zukunftsgerichtet große Vermarktungsprobleme im höheren Kundensegment.

aufgezeigt, ist das Engagement in eigenen Hotelgesellschaften mit vielfältigen Aufgaben und teilweise für das typische Veranstaltergeschäft ungewöhnlichen Rollen und Zusammenhängen verbunden. Der Reiz des zusätzlich eingegangenen Risikos liegt darin, dass die erfolgreiche Umsetzung des Konzepts im Rahmen eines integrierten Touristikkonzerns mit einer „doppelten Rendite" aus Veranstalter- und Hotelgeschäft honoriert wird. Wie

6.

Erfolgsfaktoren der Steuerung eigener Hotelgesellschaften

6.1.

Mitarbeiter/Servicequalität

Aldiana ist eine Premiummarke der Thomas Cook AG mit einer fast 30-jährigen Erfahrung im Segment gehobener Cluburlaub. Da sich im Umfeld das Angebotsspektrum um immer mehr Anlagen verbreitert hat, die ebenfalls in diesem Bereich mitmischen wollen, ohne jedoch qualitativ mithalten zu können, hat Aldiana schon vor Jahren auf den Zusatz Club im Namen verzichtet und profiliert sich unter der Bezeich-

Dornach/Sökeland: Steuerung eigener Hotelqesellschaften

191

nung Aldiana als Marke (Bruhn 1997, S. 111 ff.). Zudem hat der Reiseveranstalter erkannt, dass sich die Urlaubsentscheidung nicht an der Urlaubsform orientiert, sondern an der Urlaubsqualität. Deshalb ist der seit Jahren gepflegte hohe Qualitätsstandard ausschlaggebend für den Erfolg der Thomas Cook-Tochter Aldiana. Als einziger verlässlicher Maßstab für die Konkretisierung des Angebotssystems bietet sich dabei die konsequente Orientierung am erwarteten Kundennutzen an. Er stellt die für Lieferanten, Mitarbeiter und Führungskräfte gleich welcher Kultur und Sprache einheitliche und verbindliche Orientierungsgröße des täglichen Handelns dar und bietet eine für alle Beteiligten nachvollziehbare Richtschnur bei Entscheidungen. Das bedeutet für Aldiana konkret, die Vielfalt der operativen Aufgaben wird über das Ziel der Realisierung einer verlässlichen Mindestqualität zur Erzielung von Kundenzufriedenheit und Kundenbindung ausgerichtet. Die Gewährleistung dieser Mindestqualität (Freyer 1997, S. 269ff), die nicht unterschritten werden darf, bietet die Ausgangsbasis für eine hohe Effizienz von Zusatzanstrengungen jedes einzelnen Mitarbeiters in Form von Engagement, zielführender Zusammenarbeit und Kreativität zur Kunden-

begeisterung.

Die Entwicklung des Konzeptes zur Kundenbindung hat bei Aldiana mehrere Stufen, durch die die Mitarbeiter in den Qualitätsprozess integriert sind. Am Anfang stand ein Workshop mit den Aldiana-Führungskräften und die Analyse der Kundenwahrnehmung anhand von Prozessketten. Dann wurden die Zielgrößen für das Benchmarketing mit vergleichbaren Erlebnisbereichen ermittelt. Daraus wurden dann Maßnahmen für jede einzelne Anlage abgeleitet und die interne Kommunikation sowie das gegenseitige Lernen voneinander verstärkt. Dabei war eine dauerhafte Unterstützung der Führungskräfte wie zum Beispiel durch Coaching, Führen durch Zielvereinbarungen, Projektmanagement und andere Aktionen selbstverständlich.

Konsequenterweise ist bei dem Anbieter gehobenen Cluburlaubs ein Qualitätsmanagement (Bruhn 2003; Hummel/Malorny 2002) selbstverständlich, in das alle Mitarbeiter einbezogen werden. Dabei gibt es allerdings Qualitätsgefahren, weil viele Menschen beteiligt sind. Eine Verstärkung der Steuerung von mitarbeiterbezogenen Aspekten schafft Abhilfe. Für das Top-Niveau der Aldiana-Leistung rund um die Uhr sind die Mitarbeiter die Qualitätsträger. Um die Kundenwahrnehmung zu optimieren, müssen dabei die Angebotsschwerpunkte je nach Kundengruppe verändert werden. Die Markenbindung ist dabei das Ziel. Dafür ist eine nachhaltige Verankerung der positiven Urlaubserlebnisse entscheidend, denn nur so gibt es Folgebuchungen. 6.2.

Kundenorientierung

Für den Reisegast sind die erschwerten Rahmenbedingungen zur Leistungserstellung und die entsprechenden Risikoabwägungen des Anbieters weder transparent noch

von

Interesse. Er bewertet insbesondere die

Stimmigkeit,

Verlässlichkeit und

Differenzierungskraft des Reiseangebotes im Vergleich zu verfügbaren Wettbewerbsangeboten dies in zunehmenden Maße sogar unabhängig vom Reiseziel. So zeigen die Beschwerdeauswertungen, dass Reisegäste den hohen eigenen Standard in der Ausstattung bei sich zu Hause durchaus als Mindestanforderung für einen Auf-

Dornach/Sökeland: Steuerung eigener Hotelqesellschaften

192

enthalt in Tunesien oder dem Senegal betrachten sowie nicht alleine eine in jedem Zielgebiet typische, sondern internationale Speisenvielfalt (z.B. neben der einheimischen auch die italienische, türkische, chinesische, deutsche Küche) während ihres Urlaubsaufenthaltes erwarten. Bei dem gewohnt hohen technischen Standard im Heimatland ist für viele Reisegäste ein Stromausfall im Reiseland ebenso wenig nachvollziehbar, wie Qualitätsschwankungen des Trinkwassers. Des Weiteren

vergleicht der Cluburlauber alle für ihn verfügbaren Angebote, die seiUrlaubsvorstellungen entsprechen, miteinander. Im Auswahlwettbewerb stehen daher auch nicht-adäquate Angebotssysteme (z.B. ohne/mit Verpflegung, allinclusive, Clubaufenthalt) im direkten Vergleich oder es besteht vorrangig der Wunsch der Reisegäste, ein bestimmtes Zielgebiet zu besuchen auch unabhängig vom verfügbaren Hotelstandard. Die mittlerweile vorherrschende Anbieter- und Angebotsvielfalt führt dabei zur Unsicherheit des Kunden, wenn z.B. im Katalog identische (Club-)Leistungen zu einem deutlichen Preisabschlag oder sogar kostenfrei mitangeboten werden. Die spezifische Organisation (eigenverantwortlich, externe Anbieter etc.), das tatsächliche Qualitätsniveau (nach dem Motto „Bodenmatten in einem Kellerraum sind noch kein Aerobicstudio") und die perfekte Einbettung der Zusatzleistung in den Gesamtaufenthalt (z.B. kostenloses Wellness-Seminar, fachmännische Beratung, Angebot von Spezialernährung) kann der Reisegast meist erst beim nen

-

Aufenthalt feststellen.

Hinzu kommen Erwartungsunterschiede resultierend aus verschiedenen Anspruchnieinzelner Gästetypen wie Singles, Paare, Familien, Sporturlauber, Erholungssuchende etc. (Tendenz: Je größer die Betriebe, desto ausgeprägter sind dabei zwangsläufig die betriebswirtschaftlich notwendigen Überschneidungen der gleichzeitig anwesenden Gästetypen.). veaus

Diese Beispiele zeigen, dass neben den beschriebenen organisatorischen Rahmenbedingungen, aufgrund des Preissegments grundsätzlich hohe, in bestimmten Bereichen reiselandtypische und teilweise heterogene Erwartungen der Kunden an das Leistungssystem Cluburlaub in Einklang zu bringen sind. Eine Planung und Steuerung des Clubgeschäfts kann daher weniger vom "Reissbrett" über den "Input" erfolgen, sondern über eine klare Zieldefinition zum „Output" mit der Möglichkeit einer für die konkrete Situation anpassungsfähigen und flexiblen Ausgestaltung der Lösung durch die Mitarbeiter (Born/Bastian 2000).

6.3.

Kundendialog

Wie bereits ausgeführt, ist speziell ein Nischenanbieter von einer hohen Marktausschöpfung über Kundenbindung stärker abhängig. Diese entsteht insbesondere über eine Kundenzufriedenheit, die über den Wettbewerbsangeboten liegt und somit zur Kundenbegeisterung führt. Damit wird das permanente Feedback des Kunden zur realisierten Kundenzufriedenheit an verschiedenen Leistungspunkten und über alle Betriebe hinweg die zentrale Messgröße zur systematischen Qualitätssteuerung von teils äußerst heterogenen Dienstleistungs- bzw. Hotelbetrieben.

Dornach/Sökeland: Steuerung eigener Hotelqesellschaften

Daneben ist

193

Aufgabe eines intensiven und über alle Wertschöpfungsstufen durchgängigen Kundendialogs (im Marketing, im Reisebürovertrieb, über die Mitarbeiter in den Hotelbetrieben und die Reiseleitung vor Ort sowie die Kundenbetreuung nach der Reise) (Grimm/Röhricht 2003) die Erwartungen und Leistungswahrnehmungen der Kunden in Einklang zu bringen und somit über eine hohe Personalisierung der Dienstleistung mögliche temporäre Qualitätsprobleme der „Hardware" (z.B. Stromausfall) und der Organisation (z.B. Streik) weitgehend abzufedern. es

Über die Mitverantwortung des Veranstalters für die Hotelleistung muss dieser auch Art und Ausmaß der für touristische Dienstleistungen typischen Wechselwirkungen zwischen Reisegast und Mitarbeiter positiv gestalten. Grundlage hierfür ist die gezielte Einbindung der Mitarbeiter in den Planungsprozess des Veranstalters und ein intensiver Mitarbeiterdialog über die wirtschaftlichen und qualitativen Ziele und Zusammenhänge. Die teilweise hohe Quote von 90 Prozent lokal ansässiger Mitarbeiter macht deutlich, dass zur durchgängigen Durchsetzung moderner Führungsinstrumente und Ausbildungskonzepte über verschiedene Länder und Kulturkreise ein erhöhter Aufwand notwendig ist und auch hier ein großes Maß an Flexibilität und Kreativität in der Umsetzung vor Ort eingebracht werden muss. Diese Maßnahmen werden bei Aldiana durch ein permanentes Erfolgsreporting unterstützt. Dabei konzentriert man sich auf Erfolgsfaktoren wie Selbstkritik. Die Gästebefragung in den Clubs ermöglicht eine sofortige Korrektur eventueller Unregelmäßigkeiten. Ständige Kommunikation ist ein weiterer Schwerpunkt in diesem Zusammenhang. Im Jahr 2001 hat Aldiana zudem das Kommunikationskonzept „Fit für Freunde" eingeführt. Damit soll der Anspruch der Qualitätsorientierung bei den Mitarbeitern manifestiert werden. Im Mittelpunkt stehen die bedingungslose Gästeorientierung: Die Mitarbeiter müssen bereit sein, „mehr für den Gast zu tun". Mit all diesen Maßnahmen wird ein Ziel verfolgt: „Wir wollen die Zuverlässigkeit erhöhen, und zwar bei allen Leistungen, allen Services, und zwar bei allem, worauf sich Freunde verlassen können." Schließlich lädt Aldiana zu einem „Urlaub unter Freunden" ein. Dabei lautet der Anspruch "Aldiana-Urlaub soll eine Traumzeit für die Gäste sein."

6.4.

Chancen des

Clubprodukts

Die Abhebung von der klassischen Pauschalreise über integrierte Zusatzangebote zu Sport und Unterhaltung sowie über hochwertigen Service verspricht bei erfolgreicher Marktbearbeitung und Bewältigung der erweiterten Steuerungsaufgaben sowohl monetäre als auch nichtmonetäre Ertragschancen für den Veranstalter: Monetäre Ertragsvorteile entstehen einerseits über den oben genannten höheren Durchschnittsreisepreis pro Buchung. Andererseits kann aufgrund des höheren Serviceniveaus auch eine höhere Kundenbindung an die Clubmarke mit dem Effekt einer höheren Kundenrentabilität im Zeitablauf realisiert werden.

Domach/Sökeland: Steuerung eigener Hotelqesellschaften

194

Beispiel für nichtmonetäre Ertragschancen können eine infolge der Qualitätsposition höhere Weiterempfehlungsrate auch an nicht-club-affine Kunden angeführt werden. Dies kann zu einem positiven Imagetransfer auf weitere Veranstaltermarken und zur Heranführung und dauerhaften Bindung attraktiver Zielgruppen (z.B. Golfer) an andere Konzernmarken füh-

Als

ren.

Speziell der letzte größere Umsatzeinbruch für den Reisemarkt im 4. Quartal 2001 zeigte darüber hinaus, dass das Clubsegment im Vergleich zum Mengengeschäft der typischen Pauschalreise eine kontinuierlichere Marktentwicklung vorweist und damit krisensicherer zum Konzernergebnis beitragen kann.

7. Fazit

Wichtig ist das Abheben vom Wettbewerb. Es wird erreicht, indem Aldiana die Verantwortung für das Urlaubserlebnis der Gäste übernimmt und sich flexibel in der Anpassung an die unterschiedlichen Kundenbedürfnisse zeigt. Zur Steigerung der Kundenbindung wird die Dienstleistung emotionalisiert, und es wird ständig in die Qualitätsstandards der Hardware investiert.

Um diese in Zukunft weiter zu sichern, werden Hotelgesellschaften in den Konzern integriert und in der strategischen wie operativen Steuerung durch das Konzernmanagement geführt. Die damit eingegangen unternehmerischen Risiken werden durch den die kombinierte Rendite von Veranstalter und Hotelgeschäft vergütet. Die Verknüpfung des Hotelgeschäfts mit den internen Steuerungsprozessen des Veranstalters ist ebenso wichtig, wie der ständige Dialog mit dem Kunden, um die Dienstleistung kundenorientiert zu erbringen. Diese extreme Kundenorientierung beim Nischenprodukt Cluburlaub hat dieses infolge hoher Kundenzufriedenheit und -loyalität und der daraus resultierenden Markenbindung zu einem rentablen und krisensicheren Segment in der Touristikbranche wachsen lassen.

c

Operatives Geschäft

Born: Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern

195

Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern Karl Born

1. 2. 3. 4.

5. 6.

Problemstellung.196 Konsequente Strategieumsetzung auch in schwierigen Zeiten.197 Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im

Touristikkonzern.198 Operative Bereiche mit besonders hoher Ergebniswirksamkeit.199 4.1. Von der strategischen zur operativen Preispolitik.199 4.2. Erfolgreiches Kapazitätsmanagement ohne Qualitätsverlust... 204 4.3. Auswirkungen des Internationalen Hoteleinkaufs im operativen Geschäft.207

Kostensparen.210 Schlussbetrachtung.212

Zusammenfassung: In diesem Beitrag wird dargestellt, dass eine Strategie nur so erfolgreich sein kann, wie ihre Umsetzung. Bei Dienstleistungen allgemein und im Touristikkonzern besonders, hat das operative Geschäft eine herausragende Bedeutung hinsichtlich Zufriedenheit der Kunden und Bedeutung für das Unternehmensergebnis. Die aktuelle Problematik der integrierten Touristikkonzerne wird hierbei weniger in einem fehlerhaften Strategieansatz, sondern mehr in einer noch nicht optimalen Umsetzung gesehen. Außerdem wird auf die besondere Bedeutung der richtigen Kapazitätsbemessung auf den Konflikt intensive Steuerung versus Schnelligkeit hingewiesen. Weiterführende Literatur:

Corsten, H.; Stuhlmann, S. (Hrsg.) (1997): Kapazitätsmanagement in: Dienstleistungsunternehmen: Grundlagen und Gestaltungsmöglichkeiten, Wiesbaden. Nagle, T. T; Holden, R. K.; Larsen, G. M. (1998): Pricing: Praxis der optimalen Berlin. Simon, H. (1992): Preismanagement: Analyse, Strategie, Umsetzung, Wiesbaden. Stern, C; Burnside, W. (2000): Idee und Umsetzung, München. Karl Born ist Professor

an

der Hochschule Harz.

Preisfindung,

196

Born: Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern

1.

Problemstellung

Die integrierten Konzerne sind zu einem Zeitpunkt entstanden, als die Touristik viele Jahre mit außerordentlichen, teilweise sogar zweistelligen Zuwachsraten hinter sich hatte. Die Zuwachsraten waren zwar zuletzt geringer geworden, aber immer noch vorhanden. In den langfristigen Plänen der Unternehmen war weiteres Branchenwachstum vorausgesetzt. Die Strategie war darauf ausgerichtet, auf allen Wertschöpfungsstufen zu verdienen (sogenannte „Multi Value") und gleichzeitig Wertschöpfungsstufen mit überproportionalem Ergebnis (Flug und Hotel) auszubauen (siehe hierzu Born: Strategische Vorgaben zur Konzernsteuerung).

Nach dem Attentat vom 11. September und weiteren Terroranschlägen, insbesondere aber in Folge der Wirtschaftsflaute in Deutschland, ging die touristische Nachfrage in einem noch nie erlebten Maße zurück. Da die wenigstens Marktteilnehmer mit der Nachhaltigkeit des Nachfragerückgangs rechneten, wurde die Problematik des Auseinanderklaffens von Angebot und Nachfrage klein geredet bzw. mit einer raschen Rückkehr zum normalen Marktniveau gerechnet. Es verblieben erheblich Überkapazitäten auf der Angebotseite. Alle Marktteilnehmer, aber anscheinend die integrierten Reiskonzerne in besonderer Weise, sahen sich gezwungen einschneidende Sparmaßnahmen umzusetzen. In diesem Zusammenhang ist die Frage entstanden, ob das Konzept der integrierten Reisekonzerne nur ein „Schönwetterkonzept" sei, das sich im Krisenfall in eine nachteilige Position umkehren würde. Im Folgenden soll die Beweisführung angetreten werden, dass die derzeitigen Schwierigkeiten der integrierten Touristikkonzerne nicht auf einen grundsätzlich falschen Strategieansatz zurückzuführen sind, sondern •

auf teilweise falsche

Schlussfolgerungen aus der Strategie wie:

Überziehung des Investments in mehreren Bereichen (internationale



Akquisitionen, Flugzeugkapazitäten) im Glauben an das „immerwährende Wachstum der Branche". Insofern liegt kein grundsätzlicher Strategiefehler vor, sondern ein Investitionsfehler, weil nicht an schlechteres Geschäft (trotz Warnung) gedacht wurde. Weiterhin kann man auch an dieser Stelle nicht von grundsätzlichem Problem des integrierten Touristikkonzerns sprechen, da es sich hierbei um ein vermeidbares hausgemachtes Problem handelt. Falsche Einschätzung (Überschätzung) von Synergiechancen. Zeitverlust und „Entfremdung vom Kunden" in der post-mergerPhase durch teilweise zu starke Beschäftigung mit dem eigenen Unternehmen. „Wir haben uns in der Vergangenheit zum Teil zu sehr mit uns selbst beschäftigt" (Dr. Fankhauser, Vorstand Thomas Cook, Touristik Report 17/2003). aufgrund der ungeplant schwächeren Nachfrage wurde in einigen Fällen zugunsten kurzfristiger Ergebnisverbesserungen auf konsequente Umsetzung der Strategie vorsätzlich verzichtet, z.B.: Qualitätsverschlechterungen die das Markenimage belasten Zu hoher Preisansatz, der Kunden zur Konkurrenz abwandern oder auf die Urlaubsreise verzichten lässt.

Born: Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern

197

Konsequente Strategieumsetzung auch in schwierigen Zeiten Der Erfolg von Unternehmen und dies gilt logischerweise für die integrierten Reisekonzerne ebenso, hängt nicht nur von der richtigen strategischen Ausrichtung 2.

ab, sondern mit gleicher Bedeutung auch

von der richtigen operativen Umsetzung. werden nämlich nicht dadurch Realität, dass sie als wünschenswert und verabschiedet werden, sondern dadurch, dass die Menschen im Unternehmen auch nach Maßgabe der Strategie handeln" (Hungenberg 2000, S. 217). In der Praxis findet man jedoch oft einen Konflikt zwischen Strategie und operativem Geschäft, weil im Tagesgeschäft Ereignisse auftreten, die in der langfristigen Planung überhaupt nicht oder anders vorhergesehen waren. Zudem „verführt" der interne Druck, das geplante Ergebnis trotz aller Schwierigkeiten erreichen zu müssen, dazu kurzfristig mögliche Ergebnisverbesserungen mitzunehmen, ohne auf die langfristigen Auswirkungen zu achten. In vielen Betrieben wird dies mit der Ausrede entschuldigt: „Dies sei eben der Unterschied zwischen Theorie (strategische Planung) und Praxis (operatives Geschäft)".

"Strategien angesehen

Diese Unterscheidung ist falsch. „Die Trennung zwischen Strategie als erstem Schritt und Umsetzung als einer Nachfolgeaktivität ist willkürlich. Strategie und Umsetzung sind zwei Seiten einer Medaille. Beides als Ergebnis eines parallelen Prozesses zu sehen, ist die Voraussetzung für den Erfolg von Idee, Konsensbildung und Umsetzung."(Stern/Burnside 2000, S. 718) Im Folgenden gilt es aufzuzeigen, dass sich in der Vielzahl der unterschiedlichsten Tagesgeschäfte immer wieder die einmal als richtig erkannte Strategie wiederfinden muss bzw. umgekehrt manches operationeile Problem mit Blick auf die Unternehmensstrategie konsequenter zu lösen wäre. Das operative Geschäft soll die Strategie umsetzen. Je nach aktueller Situation kann dies variieren, darf aber keinesfalls die Strategie verlassen oder umdrehen. In „guten Zeiten" ist dies alles unproblematisch, in „schlechten Zeiten" gibt es scheinbar viele Gründe, die dazu verführen, zugunsten kurzfristiger Ergebnisverbesserungen die strategische Linie mehr oder weniger stark zu verlassen.

Beispielsweise soll trotz deutlich schwächerer Nachfrage „unbedingt" das Ergebnisziel gehalten werden: zwingenden finanziellen Gründen (Fremdkapital muss bedient werden) Ergebnisversprechen an Eigentümer, Analysten, Medien



aus



wegen

Fälschlicherweise wurde dabei unterstellt, dass der Kunde für die zusätzlichen Belastungen der Unternehmen Verständnis hätte und Preiserhöhungen (z.B. wegen zusätzlicher Sicherheitskosten), Qualitätseinschränkungen (zusätzliche Zwischenlandungen und Flugzeitenänderungen wegen geringerer Nachfrage), Kostenerhöhungen im Zielgebiet, längere Wartezeiten wegen Reduzierung des Personals akzeptieren würde. Jedoch wurde im Gegenteil ein circulus vituosus nach unten in Gang gesetzt, d.h., aus Verärgerung buchten noch weniger Kunden und in Folge davon setzten die Unternehmen noch härtere Sparmaßnahmen mit den entsprechenden Konsequenzen um.

eingesetzten

198

Born: Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern

Dabei wäre die wichtigste Botschaft der integrierten Touristikkonzerne in dieser Zeit gewesen, Vorteile für den Kunden, die sich aus der Buchung bei einem integrierten Touristikkonzern1 ergeben, spürbar aufzuzeigen: Operative Konsequenz um die Richtigkeit der Strategie zu unterstreichen. Die konsequente operative Durchsetzung der Unternehmensstrategie direkt am Kunden ist eminent wichtig und nur durch ausreichende Information ("I know"), Motivation ("I will") und Qualifizierung ("I can") der Mitarbeiter im Unternehmen (Ebenda, S. 288 ff.) effektiv zu realisieren.

grundsätzlichen Änderungen im operativen Geschäft werden jedoch oftmals Entwicklungen eingeleitet, die langfristig in der Summe das Unternehmensergebnis mehr belasten als kurzfristige Ergebnisverbesserungen wie z.B. die Entwicklung im Bereich des Last Minute-Geschäftes. Mit

neue

Auch das Thema Qualität (als eine der strategischen Vorgaben) kann das operationelle Geschäft für den Kunden bestätigt werden2.

3.

Die besondere

nur

durch

Bedeutung des operativen Geschäfts im

Touristikkonzern

Das operative Geschäft hat im Touristikkonzern eine wesentlich höhere Bedeutung als in den meisten anderen Branchen. Die Fixkapazitäten werden zu einem Zeitpunkt bestimmt (entweder Investition oder langfristige Charter- bzw. Mietverträge), wenn weder das Angebot und die Kalkulation erstellt sind, noch am Markt angeboten wurde oder auch nur eine einzige Buchung vorliegt. Die Fixkosten des Konzerns betragen mehr als 80 Prozent der Gesamtkosten. Die für diese Branche typische Saisonalität und Variabilität der Wünsche beispielsweise hinsichtlich des Zielgebietes führen zu einem hohen Dispositionsbedarf, um die vorhandenen bzw. eingekauften Kapazitäten wirtschaftlich sinnvoll auszulasten. Die Ergebniswirksamkeit dieser Dispositionen ist demzufolge sehr hoch. Fast alle Veranstalter, die in den letzten 10 Jahren Konkurs anmelden mussten, sind primär an dieser Herausforderung gescheitert. Die Gefahr bei großen fusionierten Konzernen besteht in der geringeren Beweglichkeit durch tief strukturierte Organisationsabläufe. Um die gewünschten Aufga-

1

Ein solches

Beispiel könnte sein: Bei der Rückreise ist der Koffer check-in im Zielgebiet direkt im der Kunde ein konzerneigenes Hotel und eine konzerneigene Fluggesellschaft gebucht hat. Dies wäre für den Kunden attraktiv und als echter Zusatznutzen bei einer Buchung im integrierten Konzern logisch nachvollziehbar. 2 Als die TUI nach dem Birgenair-Absturz vor der Küste der Dominikanischen Republik die sogenannte „Weiße Liste der Fluggesellschaften" (Garantie, dass nur mit Fluggesellschaften geflogen wird, die im Katalog stehen) einführte, passierte wenige Wochen danach ein Triebwerksausfall einer Condor in der Dominikanischen Republik. „Operativer Vorschlag" war, aus Kostengründen „ausnahmsweise" als Ersatz eine amerikanische Airline einzusetzen, die zwar nicht im Katalog stand, aber kurzfristig einsetzbar gewesen wäre. Die Entscheidung in keinem Fall (0 FehlerToleranz) von der vorgegebenen Strategie abzuweichen, hat nicht nur die Mitarbeiter von der Qualitätsvorgabe der Geschäftsführung überzeugt, sondern (durch entsprechende Publikation) auch zusätzliches Vertrauen bei potenziellen Kunden und in den Medien ergeben. Dieser Vorteil (bewertet) war wesentlich größer, als die kurzfristigen Mehrkosten der konsequenten Maßnahme. Hotel,

wenn

Born: Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern

199

ben erfolgreich umzusetzen, wird aber im Gegenteil neben Erfahrung, im hohen Maße Schnelligkeit und Flexibilität der entsprechenden Mitarbeiter gefordert. Im Folgenden soll anhand einiger ausgewählter Punkte wie Preispolitik, Kapazitätsmanagement oder internationaler Hoteleinkauf diese Problematik betrachtet werden, und zwar im Vergleich: Strategischer Ansatz Problematik im Tagesge-

schäft Fehler- bzw. Lösungsmöglichkeiten. Durch die erfolgte Auswahl der Punkte sollen andere operative Bereiche nicht in ihrer Bedeutung gemindert werden. -

-

4.

Operative Bereiche mit besonders hoher Ergebniswirksamkeit

strategischen zur operativen Preispolitik

4.1.

Von der

4.1.1.

Strategische Ziele und ihre Vorgaben für die strategische Preispolitik

Um die strategischen Ziele (siehe hierzu Born: Strategische Vorgaben zur Konzernsteuerung) umzusetzen, ist neben anderem ein Marketingmittel von besonderer Bedeutung: der Preis. Ist der Preis richtig? Kaum eine andere Frage bereitet den Entscheidern größeres Kopfzerbrechen. Da mögen die Marketingleute noch so viele Mittel einsetzen, der Preis ist letztlich ihr Schlüsselinstrument. Aber der Weg zu einer richtigen Preisgestaltung ist voller Stolperfallen. Verlangt das Unternehmen zuviel, laufen die Kunden davon. Verlangt es zuwenig, werden Erträge verschenkt. Zur Formulierung einer Basisstrategie (Deans 1951) ist die Kenntnis über interne Kostenstrukvon immenser Bedeutung, um über die Schritte der Finanz-, Segment- sowie Wettbewerbsanalyse den strategischen Preis eines Produktes ermitteln zu können (Nagle u.a. 1998, S. 175 ff.).

turen, den Kunden sowie der Konkurrenz

Der Preis ist einer der

buchungsbestimmenden

Faktoren für die Reiseentschei-

dung des Kunden. Jahrelang hat die Mehrzahl der Reiseveranstalter eine falsche Politik durch

Überbetonung des Preises betrieben. Das stärkere Herausstellen von

qualitativen Komponenten ist den meisten Veranstaltern nicht durchschlagend gelungen. Nach einer vorübergehend besseren Phase Ende der 90er Jahre entstanden in letzter Zeit wieder mehr Schwierigkeiten. Nach Entstehen der integrierten Konzerne gab es eine Phase der zu hohen Preise bis zum Frühsommer 2002. Dann weiteten sich kurzfristig Sonderaktionen und Last Minute-Angebote aus und Discount Abverkaufsmarken wurden verstärkt betont.

Trotz der zunehmenden Bedeutung von qualitativen Aspekten wird die Bedeutung des Preises nicht abnehmen. Preisdruck und Preistransparenz werden weiter steigen, u.a. wegen • •

der wachsenden Konkurrenz auf europäischer Ebene. Überkapazitäten, hauptsächlich im Flugbereich, die den Preisdruck erhöhen.

Born: Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern

200

Kostendrucks durch gestiegene Rohölpreise (und evtl. demnächst durch Kerosinsteuer). der Zunahme der Wettbewerbsintensität vor allem über neue Vertriebskanäle wie dem Internet.

gleichzeitig steigenden





Zudem ist der Verbraucher preisbewusster geworden und hat gelernt nach Alternativen zu suchen. Gleichzeitig steigt die Preistransparenz im Inland durch Preisvergleichssysteme (z.B. BISTRO) und im Ausland durch den Euro, der die Preis-

angebote leicht vergleichbar macht.

der Kunden beeinflussen die Preiselastizität stärker. Je mehr Zeit der Käufer hat, um Alternativen zu entdecken und abzuschätzen, je leichter ein Kunde die relative Leistung sowie den Preis von Alternativangeboten beurteilen kann und je leichter die Kunden ohne einen zusätzlichen Aufwand von einem Lieferanten zu einem anderen wechseln können, umso größer ist der Einfluss des Preises auf die Kaufentscheidung.

Ausgeprägteres Rechercheverhalten

Zudem stellen hohe Fixkosten und schwankende Nachfrage die Bedeutung der Preispolitik noch mehr in den Mittelpunkt. Die vertikale Integration führt dazu, dass bei der Entwicklung von Preisstrategien die Absicherung der Ertragssteigerung, sowohl hinsichtlich der Höhe der Deckungsbeiträge wie noch mehr hinsichtlich der Kapazitätsauslastung der eigenen Assets, die entscheidende Rolle spielt. „Multi Value" heißt das Schlagwort. Gelingt dieses Vorhaben, können die eigenen Assets weiter ausgebaut werden (sogenannte Spirale nach oben), gelingt es nicht, muss der Ergebnisverlust durch Sparmaßnahmen ausgeglichen werden (sogenannte Spirale nach unten). Der

strategische Preisansatz heißt demnach:

• •

Verbundvorteile im Preis umsetzen und Bevorzugung (Schutz) der eigenen Produkte

Die Einflüsse auf die steigerung üben aus: •



sind

vielfältig.

anderen

Produkten3

Druck in

Richtung

Preis-

Ergebnisdruck (durch die Geschäftsleitung wegen höherer Erwartung von Kapitalgeber/Börse) Kostendruck (durch die betrieblichen Abteilungen wegen allgemeiner Kostenerhöhungen und mehr overheads wegen zusätzlicher Steuerungsfunktionen im Konzern)

Druck in •

Preisentscheidung

vor

Richtung Preissenkung üben aus:

(durch den Verkaufschef, der wettbewerbsfähige Preise will) Kapazitätsdruck (durch Airline-Chef und Hotel-Chef, die entsprechende Auslastung der Assets fordern) Konkurrenzdruck haben



Wechselseitige Beeinflussung durch 3

Dieses Ziel kann die

spiel mit den anderen

Preispolitik allerdings nicht alleine schaffen, dies benötigt das ZusammenMarketingmix.

Instrumenten des

Born: Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern

201

(Aufwand für Kapitalkosten), Synergien (Entlastung wegen Kostenreduzierung) und Opportunitätskosten (zumindest kurzfristig) Menge (in der Vergangenheit positiver Einfluss durch Mengensteigerung, jetzt zusätzliche Belastung) Investitionen

Abb. 1: Determinanten der

Preisbildung Kapazitätsdruck

Konkurrenzdruck

Preisdruck nach unten

Investitionskosten

Synergien Opportunitätskosten Belastung/Entlastung

Menge

Preis

=

Preisdruck nach oben

Kostendruck

Quelle:

Eigene Darstellung

4.1.2.

Operative Preispolitik

Die

Ergebnisdruck

operative Nachsteuerung im Preis kann bedingt sein durch •



Preisquotierung im ersten Ansatz, entweder durch eigene fehlerhafte Quotierung oder durch unerwartete Preisquotierung der Konkurrenz Reaktion auf deutlich veränderte Nachfrage, durch geänderte Verbraucherwünsche (jedes Jahre „rennt" ein Ziel, ein anderes hängt durch) Auswirkung preisstrategischer oder innovativer Ansätze der Konkur-

falsche

renz



Verschiebungen aufgrund politischer Situation im Zielgebiet (Terroranschläge, Umweltkatastrophen) besondere Problematik im integrierten Reisekonzern. Gegenüber der Planung veränderte Auslastung der eigenen Kapazitäten (entweder aus einem oder mehreren der obengenannten Gründe oder falscher Kapazitätsvorgaben).

Die entscheidende Frage bei der Nachsteuerung ist, welcher kurzfristige Erfolg durch neue Preisansetzungen erzielt wird und welche langfristigen Auswirkungen (für die Preisansetzung in der nächsten Saison) sich daraus ergeben. Die besondere Problematik bei den operativen viele „Unbekannte" in dieser Rechnung.

Preisänderungen entsteht durch

Born: Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern

202

Preiselastizität Die Preiselastizität ist definiert, als „die prozentuale Veränderung der Absatzmenge im Verhältnis zu einer einprozentigen Veränderung des Preises" oder anders ausgedrückt „wenn ein Unternehmen seinen Preis um ein Prozent erhöht, wie wird dies die Absatzmenge beeinflussen?" (Simon,1992, S. 93). Diese Preiselastizität ist theoretisch eindeutig, in der touristischen Praxis allerextern unvorhersehbarer Ereignisse.

dings oft unbekannt, wegen •





Beispiele: Nachfrageschwankungen sind generell unabhängig von der Reaktion auf Preisveränderungen In der Touristik preisen die Unternehmen gleichzeitig, das heißt zum Zeitpunkt des eigenen Pricings sind die parallel durchgeführten Überlegungen der Konkurrenz

noch unbekannt. Auch schlichte Pricingfehler der Konkurrenz verändern die Preiselastizität.

Preisvielfalt Erschwerend kommt die Preisvielfalt beim Reiseveranstalter hinzu, denn bereits bei einem einfachen Hotel auf Mallorca ergeben sich durch unterschiedliche Saisonzeiten, Abflughäfen, Verkehrstage, Verpflegungsunterschiede, Zimmerkategorien bis zu mehr als 20.000 unterschiedliche Preise. Die Auswirkungen auf die Konkurrenz sind ebenso unterschiedlich wie das Nachfrageverhalten innerhalb des eigenen Angebotes (z.B. aufgrund der geänderten Preise erfolgt Wechsel in andere Saisonzeit oder zu einem anderen Abflughafen). Reaktion der Konkurrenz Häufigster Fehler in der Preispolitik ist, die Reaktion der Konkurrenz zu unterschätzen oder sogar überhaupt nicht zu berücksichtigen. Der beste Ansatz kann sich als Fehler erweisen, wenn die Konkurrenz darauf reagieren kann. Preiskriege werden leicht durch dürftig angelegte Preisreaktionen entfesselt, die nur schwer wieder „einzufangen" sind. Deswegen muss jeder operativen Preisänderung neben der Analyse der eigenen Situation auch eine Analyse der spezifischen Situation beim Konkurrenten vorausgehen und dessen denkbare Aktion bzw. Reaktion antizipiert werden. Hotelexklusivitäten Als Möglichkeit Preise ohne Rücksichtnahme auf Konkurrenten zu bilden, werden Hotels gesehen, die exklusiv im eigenen Programm sind (in der Fachsprache „nicht überschnittene Hotels" genannt). Hier gibt es keine direkte Preisvergleichbarkeit und deshalb Freiheit bei der Preisbildung, allerdings mit zwei Einschrän-

kungen: •

Oftmals



Hotel ein Hotel der Konkurrenz, das ist und das der Reisebüroverkäufer, anbieten kann. Insofern gibt es eine indirekte

liegt neben dem exklusiven vergleichbar Lage

und Qualität von wenn er es kennt, alternativ

Vergleichbarkeit. Aber auch unabhängig davon darf nicht zu hoch gepreist werden, weil die entsprechenden Kapazitäten letztlich auch gefüllt werden müssen (Preiselastizität beachten).

Born: Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern

Gute Exklusiv-Hotels sind imagebildend größeren Spielraum für die Preispolitik.

und

203

geben dadurch längerfristig einen

Risikominimierung versus Buchbarkeit In dem Spannungsfeld Risikominimierung versus Buchbarkeit stellt sich permanent die Entscheidungsfrage. Entweder man nimmt durch schnelle und flexible Preisänderungen der Konkurrenz die Kunden weg (und minimiert das eigene Risiko) oder man wartet ab, damit auch später Vollzahler noch buchen können (und erzielt den maximalen Ertrag). Die Problematik besteht darin, dass das optimale Ergebnis nicht nur von der eigenen Einschätzung und dem eigenen Verhalten abhängt, sondern gleichermaßen auch vom Verhalten der Konkurrenz (siehe hierzu ausführlich Böttcher: Preis- und Mengenpolitik im integrierten Touristikkonzern im Spannungsfeld drohender Überkapazitäten und vorzeitigem Ausverkauf).

Marktsegmentierung und Preisdifferenzierung Je ausgeprägter die Marktsegmentierung und je feiner die desto präziser und ohne Streuverlust kann im operativen den (Böttcher, Kapitel 3.2.; Hohmeister, Kapitel 6.2.1.3.).

Preisdifferenzierung ist, Pricing gearbeitet wer-

Preisdifferenzierung für touristische Dienstleistungen: •



Zeitlich

Buchungszeitpunkt (z.B. Frühbucher, Last Minute-Bucher) Reisezeit (z.B. verschiedene Saisonzeiten) Aufenthaltsdauer (z.B. 14 Tage reisen, nur 10 Tage zahlen sogenannte 14=10) Regional Absatzmärkte (z.B. Deutschland, Österreich) Abreiseorte (z.B. Zu- und Abschläge für bestimmte Flughäfen) Zielgebiete (z.B. auch innerhalb von Großzielgebieten nochmals differenzieren) Kundenbezogen Kinderermäßigungen -



Seniorenrabatte





Honeymoonrabatte Mengenmäßig Teilnehmerzahl (Gruppenreisen) Einzelzimmerzuschläge Leistungsbezogen Produktvarianten (z.B. Suite, Junior Suite, Superior-DZ) Zusatzleistungen (z.B. Mietwagen, Ausflüge)

Mit zunehmender

Informationsvielfalt, insbesondere den kundenbezogenen Infor-

mationen, bietet sich hierbei die Chance, die Profitabilität des einzelnen Kunden über die operative Preispolitik zu maximieren, indem der individuelle Maximalpreis

Kunden(-segmentes) ermittelt und implementiert wird. Diese traditionell als praxisfremd beurteilte "Preisdifferenzierung ersten Grades" (Pigou 1929) kann in der Zukunft eine zunehmende Rolle in der Preispolitik der Konzerne spielen. eines

Permanente Überprüfung des real erzielten Preises Viele Unternehmen (auch außerhalb der Touristik) konzentrieren sich in ihren Preisanalysen zu sehr auf die Listenpreise. Je vielfältiger und je umfangreicher die

Born: Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern

204

operativen Preisänderungen sind, desto wichtiger wird jedoch die Überwachung des faktisch erzielten Preises, • um die Wirksamkeit der getroffenen Preismaßnahmen permanent zu überprüfen und • um rechtzeitig die Auswirkungen auf das Unternehmensergebnis zu sehen evtuelle weitere Maßnahmen ergreifen zu können).

4.2.

(um

Erfolgreiches Kapazitätsmanagement ohne

Qualitätsverlust 4.2.1.

Bedeutung des Kapazitätsmanagements

Dies ist zwar in der Öffentlichkeit nicht das spektakulärste Thema, wenn über Fusionen in der Reisebranche gesprochen wird. Allerdings entscheidet sich hier, wer künftig am profitabelsten arbeiten wird, denn das Kapazitätsmanagement (Corsten/Stuhlmann 1997; Klinge 1997) disponiert über ca. 70 Prozent der Gesamtkosten (ca. 30 Prozent Flug- und 40 Prozent Hotelkosten).

Während der „klassische" Reiseveranstalter in erster Linie Händler war (mit minimalem bzw. im hohen Maße disponierbarem Risiko) ist der integrierte Touristikkonzern Produzent (mit hohem eigenem Risiko). Die Kapazitätskosten der eigenen Fluggesellschaft bzw. des eigenen Hotels sind aufgrund früherer Investitionsentscheidungen in Zeitrahmen des operativen Geschäfts fix. „Das Management der eigenen Assets steht jetzt im Vordergrund."(Dr. Frenzel, Hauptversammlung TUI 2002). Aber auch die frei eingekauften Flug- und Hotelkosten (teilweise bis zu einem Jahr vorher eingekauft) sind zu einem hohen Anteil fix bzw. nur unter Inkaufnahme von Vertrauensverlusten bei den Leistungsträgern disponierbar. Die erkannte Bedeutung des Kapazitätsmanagements wird auch dadurch unterstrichen, dass in den Touristikkonzernen bei allen Sparmaßnahmen das Kapazitätsmanagement zumeist nur unterproportional betroffen war.

Während es beim Yieldmanagement der Fluggesellschaften „nur" um die Maximierung des Ertrags Flug geht, muss das Kapazitätsmanagement beim integrierten Reisekonzern den Blick auf die gesamte Wertschöpfungskette und auch auf jeder Wertschöpfungsstufe haben: •

• • •



Stundenauslastung der Flotte pro Tag und pro Jahr (bei Fremdflugzeugen in der Vergangenheit eher unwichtig) Sitzplatzauslastung auf jeder Flugstrecke Auslastung der eigenen Hotels bzw. Hotel-Risikovereinbarungen

Kombination aus diesen Faktoren Wenn ganz fein gerechnet wird, auch Berücksichtigung der Fixkapazitäten bei Incoming-Gesellschaft (inkl. Ausflugsgeschäft) und Reiseleitung

Eine verbesserte Kapazitätsauslastung über das ganze Jahr von nur einem Prozent bedeutet einen hohen zweistelligen Millionenbetrag für das Gesamtergebnis. Um dies erreichen zu können, geht die Yield-Steuerung über den gesamten Konzern. Früher konnten drei Einzelgesellschaften (Veranstalter, Fluggesellschaft, Hotel) nur intern optimieren, insgesamt betrachtet konnte dies suboptimal sein.

205

Born: Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern

Durch die Konzentration über alle Wertschöpfungsstufen hinweg (Veranstalter, Flug- und Hotelgesellschaft) kann das Zusammenspiel aller Teile optimiert, das Gesamtrisiko minimiert und zusätzliche Ertragschancen generiert werden. Damit das Kapazitätsmanagement diese Aufgabe erfüllen kann, muss auch umgekehrt die richtige Kapazitätsgröße bereitgestellt werden. Das betrifft besonders die Flugzeugkapazität, sowohl hinsichtlich der Kapazität insgesamt als auch hinsichtlich der Zusammensetzung der einzelnen Kapazitätsgrößen (Flottenmix). „Die Fragestellung darf nicht lauten, wie viele Gäste brauche ich um Flugzeuge und Hotels zu füllen, sondern wie viel Flug- und Hotelkapazität benötige ich, um die Marktnachfrage zu befriedigen" (Scharrer, Tourisitik Report, 16/2003).

Grundsätzliche Kapazitätsfehler können im operativen Geschäft auch das effektivste Kapazitätsmanagement nicht wirtschaftlich ausgleichen wie die folgenden

Beispiele zeigen. •

Bei der Fusion von Condor und Neckermann zu C&N, später Thomas Cook AG, die Flugkapazität der Condor im Verhältnis zu Neckermann zu groß (siehe Born: Strategische Vorgaben zur Konzernsteuerung, Abb. 5). Außerdem erwiesen sich schnell die Flugzeuge vom Typ B 757-300 als belastend. Zwar ist bei diesen Flugzeugen die Wirtschaftlichkeit pro Sitz sehr hoch, aber nur bei voller Auslastung. Von der Nachfrageseite jedoch erwies sich das Flugzeug als zu groß4 TUI war in einer besseren Lage, weil die Flugzeugkapazität von Hapag Lloyd-Flug kleiner war als die benötigte Flugkapazität der TUI. Trotzdem kam es in der Folge, aufgrund der hohen Wertschöpfung bei der Fluggesellschaft, immer wieder zu Diskussionen über die Erhöhung der eigenen Flugkapazität.

war



4.2.2. Warum ist Das •

Kapazitätsmanagement in der Touristik so schwierig?

wichtigste Konfliktpotenzial

ist

begründet durch:

Die Touristik ist eine nicht lagerfähige Dienstleistung. Der Abreisetag ist das Verfalldatum. Flugsitze, Hotelzimmer und Reisearrangements, die zu diesem Zeitpunkt noch frei sind, bleiben ungenutzt. Das Kapazitätsmanagement in der Touristik umfasst mehr Stufen (gesamte Wertschöpfungskette) als das Yieldmanagement bei den Fluggesellschaften. Die einzelnen Wertschöpfungsstufen müssen aufeinander abgestimmt sein. Die Flugauslastungsoptimierung ist zeitpunktbezogen, Hotelauslastungsop-

gleichzeitig •



timierung zeitraumbezogen.





• •

Angebotsvielfalt



Komplexe



4

Es herrscht hohe Saisonalität, wodurch ausgesprochene entstehen. Von Jahr zu Jahr unterliegen einzelne Zielgebiete starken in der Beliebtheit. Kurzfristige unvorhersehbare Schwankungen durch Krisen

Nachfragetäler Veränderungen

Preisstruktur Höchst wettbewerbsintensives Umfeld

Entsprechende Expertenwarnungen Geschäftsleitung ignoriert.

zum

Zeitpunkt

der

Anschaffung wurden

von

der

damaligen

Born: Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern

206



• •



• • • •

4.2.3.

Unterschiedliche Nachfrage bezüglich Hin- und Rückflügen Hohe Fixkosten (Investitionen in Flugzeuge oder Hotels) Fixe Kapazitäten wie Flugzeug- und Hotelgröße sind kurzfristig nicht veränderbar. Optimierung des Ertrages bei vorgegebener Kapazität unter Berücksichtigung der Nachfragestruktur (= Verkauf des letzten Platzes an den

höchstwertigsten Kunden) Konflikt Risikominderung versus Buchbarkeit Konflikt zwischen optimaler Auslastung und maximalem Deckungsbeitrag Ungleiche Chancen-/ Risikoverteilung (10/90) in der Auslastungssteuerung Unvollkommene Prognose- und Konkurrenzbeobachtung, noch kein Veranstalter hat das perfekte Detail-Prognosesystem (pro Tag und pro Strecke).

Optimierung im Kapazitätsmanagement versus Qualitätsanspruch

Die Positiv-Aspekte des „Multi Value" (Verdienen auf jeder Wertschöpfungsstufe) können sich bei Marktschwäche in das Gegenteil umkehren. Das Unternehmen verdient dann nicht mehrfach, sondern läuft Gefahr mehrfach zu verlieren (den Konzern betrachtet wird allerdings auch hier eine Verlustminimierung gegenüber einer Einzeloptimierung erreicht werden können).

Daraus resultiert starker Druck auf das

rungsmöglichkeiten

auf

• •

zur

Kapazitätsmanagement, alle OptimieErgebnisverbesserung „auszureizen". Dies bezieht sich

die Intensität der Disposition und auf den zeitlichen Rahmen der Disposition.

Im Einzelnen bedeutet dies: •



Zusätzliche Zwischenlandungen Zwei ursprüngliche Direktflüge werden zu einem Flug zusammengefasst und auf dem Hin- und Rückflug über zwei deutsche Abflughäfen oder über zwei ausländische Zielflughäfen geführt5.

Sogenannte Dreiecksflüge

Flug beginnt im Ausland und geht über zwei deutsche Flughäfen, oder beginnt im Inland und geht über zwei ausländische Flughäfen im Mittelstück. Dort sitzen dann sowohl heim- als auch abreisende Gäste im FlugDer





zeug. Mehrfache Veränderung der Abflugzeiten bis kurz vor dem Abflugtermin möglichst die richtige Disposition (im Spannungsfeld Risikominimierung

um

vs.

Buchbarkeit) zu gewährleisten. Extreme Abflug- bzw. Heimreisezeiten

Alle diese Veränderungen gehen zu Lasten der Qualität und rufen beim Kunden zusätzliche Verärgerung hervor6, was zu einem weiteren Rückgang der Buchungs5

Der Kunde empfindet es als besonders nach Abflug mitgeteilt wird.

ärgerlich,

wenn

ihm dies nicht im voraus, sondern erst

Born: Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern

zahlen führt und dies wiederum noch intensivere Dies muss verhindert werden.

207

Dispositionsmaßnahmen auslöst.

Des Weiteren ist in der Disposition die zunehmende Bedeutung des Slotmanagements der Flughäfen zu beachten. Durch Kapazitätsengpässe auf vielen Flughäfen wird die Abflugzeit (Slot) zum Engpass. Die Verteilung erfolgt nach den sogenannten ..grandfather's rights", d.h., einen Slot, den eine Fluggesellschaft besitzt und regelmäßig nutzt, wird ihr auch in der Folgesaison zugeteilt. Jede Aufgabe eines Slots durch kurzfristige Optimierung, birgt in sich die Gefahr, diesen Slot zu verlieren. Da die begehrtesten Slots einen großen kaufmännischen Wert darstellen, darf der Slot nicht zugunsten kurzfristiger Optimierung gefährdet werden.

4.2.4.

Verteilung der Flugplätze innerhalb des

Konzerns

Durch die

integrierte Steuerung des Kapazitätsmanagements über alle Marken hinweg wird bei unterjährigen Veränderungen nachhaltig in das Geschäft der Produktmanager eingegriffen. Je nachdem wo Kapazitäten gestrichen, aufgebaut oder umdisponiert werden (über Marken und Quellmärkte hinweg), verändern sich Ertragschancen und -risiken in den entsprechenden Produktmanagements. Damit werden u.U. längerfristige strategische Ansätze nachhaltig beeinflusst. Das gleiche gilt für die Entscheidung wie stark kurzfristig Flugplätze zwischen dem Veranstaltergeschäft, Einzelplatzgeschäft und Drittveranstaltergeschäft auf den eigenen Flugzeugen verschoben werden. So können z.B. für Drittveranstalter in der Hochsaison vorgehaltene Flugplätze nicht zugunsten des eigenen Bedarfs gestrichen werden, wenn man genau weiß, dass man diesen Partner wieder in der nächsten Saison brauchen wird. Insofern müssen alle Entscheidungen im operativen Geschäft nicht nur unter kurzfristigen Optimierungsgesichtspunkten gesehen werden, sondern auch unter langfristigen strategischen Aspekten.

4.3.

Auswirkungen des Internationalen operativen Geschäft

4.3.1. Wunsch:

Hoteleinkaufs im

Paneuropäisches Hotel

Die Realisierung des sogenannten „paneuropäischen Hotels" ist eines der Ziele des integrierten Touristikkonzerns. Damit würde man erhebliche Synergieeffekte schaffen: •



6

Bündelung der Nachfrage aus verschiedenen Quellmärkten zur Erzielung besserer Einkaufspreise durch größere Nachfragemengen oder der Exklusivabnahme des Hotels Steuerung der Nachfrage zum Ausgleich von Nachfrageschwankungen innerhalb der einzelnen Quellmärkte

Die Zitate von der Geschäftsführung Thomas Cook „Wir haben den Bogen überspannt" und Geschäftsführung TUI „Die Qualität der Reisen hat gelitten", lassen auf künftige Veränderung, zumindest Minimierung, dieser Art Disposition hoffen.

208

Born: Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern



Herstellung intensiverer Partnerschaften zum Hotelier durch „One Face to the Hotelier" und gleichzeitig Reduktion der Personalkosten

Die Realisierung setzt voraus, dass die Kundenbedürfnisse zwischen einzelnen Ländern große Ähnlichkeiten aufweisen. Die Optimierung kann nur durch eine quellmarkt- und eine markenübergreifende zentrale Steuerung erfolgen.

4.3.2.

Praxisprobleme

Unterschiedliche Kundenwünsche: •

Quellmarktbezogen

Deutsche, Schweizer und belgische Urlauber bevorzugen tendenziell

hochwertigere Hotels und suchen mehr Strandnähe.

Britische, skandinavische und holländische Urlauber bevorzugen tendenziell mehr Appartements (nach der Ankunft Frage an der Rezeption „wo es das billigste Bier und das kostengünstige Abendessen gibt") Britische Urlauber legen mehr Wert auf die Sicherheitsanforderungen in Hotels als deutsche Urlauber Bei italienischen Urlaubern erzielt der Hotelier tendenziell zum Übernachtungspreis nochmals gleich hohe Einnahmen durch Food und

Beverage

Der Anteil der Gäste, die ihren Urlaub in Spanien verbringen wollen, ist in Großbritannien höher als in Deutschland und hier wieder höher als in

Österreich. •

Zielregionsbezogen (unterschiedliche regionale Ausprägung

wie das Bei-

spiel Mallorca zeigt)7 typisch deutsch z.B. Playa de Palma und Paquera Speisekarte ist von der Sprache und dem Angebot her deutsch, die Kellner sprechen deutsch, kennen den Tabellenstand der FußballBundesliga und den Klatsch aus BILD und Bunte typisch englisch: Palma Nova und Magaluf Speisekarte ist von der Sprache und dem Angebot her typisch englisch, die Kellner sprechen englisch, kennen den Tabellenstand der britischen Premier League und den Klatsch über die Royais. -

-

Tendenziell bauen sich diese Unterschiede ab, je höher die Hotelkategorie ist. Im 5-Sterne-Bereich gibt es deutlich weniger nationale Unterschiede.

4.3.3.

Bettenverteilung im Konzern

Der internationale Hoteleinkauf hat viele Vorteile (siehe Steckel: Internationaler Hoteleinkauf, Kapitel 2) erfordert aber einen sehr hohen Aufwand •



7

hinsichtlich Verwaltungskosten, d.h. Aufbau einer entsprechenden auch hinsichtlich Schnelligkeit,

in einem Vortrag über das paneuropäische Hotel: Deutsche und einem Hotel, insbesondere nach einem Fußball-Länderspiel kann zur Rauferei ausareinem „ertragsoptimalen Beisammensein".

Zitat eines

Engländer in ten, statt zu

TUl-Topmanagers

Einkaufsorganisation, aber auch

209

Born: Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern

d.h. evtueller Zeitverlust beim Anfordern der Betten aus den Quellmärkten (vor dem Einkauf), beim Verteilen der eingekauften Betten (nach dem Einkauf) und bei der unterjährigen Disposition. Die Problematik deutet werden:

Schnelligkeit

soll im

folgenden Beispiel,

stark verkürzt, ange-

Vor dem Einkauf Die Anforderungsprofile in den einzelnen Quellmärkten sind verschieden, deshalb wird ein quellmarktgetriebenes Anforderungsprofil (Fachausdruck „bed brief), das Mengen- und Qualitätsanforderungen enthält, dem zentralen Hoteleinkauf übergeben. Diese internationalen Bettenanforderungen bilden die Aufgabenstellung für den zentralen Hoteleinkauf. Hinzu kommen noch eigene strategische Aspekte des Hoteleinkaufs. Beim Einkauf

Synchronisation der unterschiedlichen internationalen Einkaufspreise. Diese abhängig von Mengenabnahme Höhe der Nebenausgaben

sind

• • • •

Kaufkraft im Quellmarkt Belegungsintensität, d.h. Dauer (Kettenlänge) Saisonalität Auslastung der Kontingente.

Nach dem Einkauf Bei Abweichungen von der quantitativen Anforderung sind für die reduzierte Verteilung auf die entsprechenden Quellmärkte, höchst unterschiedliche Verteilungsquoten denkbar.

Fallbeispiel

I: Hotel

Quellmärkte

„Sun xy"

Bettenzahl für alle Quellmärkte BettenanfordeBetten lfd.Jahr rung für nächstes Jahr

Deutschland Großbritannien Niederlande Schweiz

Österreich

320

350

70

90

50

40

10 40

50 40

20 (neue Tochtergesellschaft)

Polen

gesamt Quelle: Eigene Darstellung

Durch den Einkauf realisiert für nächstes Jahr

500

590

540

Born: Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern

210

Statt der angeforderten Erhöhung der Betten von 500 auf 590 konnte der Einkauf nur eine Erhöhung auf 540 realisieren. Fragestellung: Wie wird die verringerte Bettenzahl auf die einzelnen Quellmärkte verteilt? Denkbare Varianten: 1. Jeder Quellmarkt bekommt seine Betten nach Status quo. Die Mehrbetten werden proportional zu den Mehranforderungen verteilt. 2. Jeder Quellmarkt bekommt seine Betten nach Status quo. Die Mehrbetten werden dem Lead-Quellmarkt in diesem Hotel zugeteilt. 3. Jeder Quellmarkt bekommt seine Betten nach Status quo. Die Mehrbetten werden nach Höhe der im Quellmarkt zu erzielenden Deckungsbeiträge verteilt. 4. Alle Hotelbetten werden nach zu erzielendem Deckungsbeitrag pro Quellmarkt verteilt ohne Rücksicht auf den Status quo. 5. Zusätzliches Deckungsbeitragsmerkmal bei der Verteilung: In welchem Quellmarkt werden die Gäste mit eigenen Flugkapazitäten befördert bzw. wo besteht Leerrisiko für Flugsitze? 6. Zusätzliche strategische Determinanten: Aus keinem vorhandenen Quellmarkt gehen Neue Märkte aufbauen Langfristige Wachstumschancen einzelner Quellmärkte Bedeutung des Hotels für die Programmstruktur des jeweiligen Quellmarktes Erreichung der gewünschten Gästestruktur im Hotel (Nationenmix) 7. Mischung aus Deckungsbeitrag und strategischen Gesichtspunkten

Unterjährige Steuerung unterjährig den Vorteil der quellmarktübergreifenden Steuerung wahrnehmen

Um zu

können, ist erforderlich: • • •

Genaue Kenntnis der Quellmarktnachfrage (wann wird wie viel gebucht) Genaue Kenntnis der zu erzielenden Deckungsbeiträge Genaue Kenntnis der Flugrisikopositionen und des Verhältnisses von Bet-

ten

zu

Fugsitzen

Fallbeispiel II:

Der Quellmarkt Deutschland kann seine Betten nicht voll auslasten. Der Quellmarkt Österreich könnte Mehrbetten verkaufen, erzielt aber deutlich geringe Deckungsbeiträge. Zu welchem Verrechnungspreis gibt der deutsche Quellmarkt die Betten an den österreichischen Quellmarkt ab?

Kurzfristig steigt die Nachfrage im deutschen Quellmarkt wieder chen Konditionen werden die Betten jetzt neu verteilt?

5.

an.

Ob und

zu

wel-

Kostensparen

Die zunehmenden Kundenbedürfnisse nach Individualität können nur durch individuelle Produkte befriedigt werden. Dieser Trend der kundenindividuellen Massenproduktion (mass customization) wird sich noch verstärken. Eine verbreiterte Angebotspalette führt in der Regel zu höherer Komplexität und steigenden Kosten. Die Folge ist ein Zielkonflikt: Erfüllt der Konzern die Individualansprüche, aber aufgrund zu komplexer Strukturen mit einem zu hohen Kostenaufwand, der sich in zu hohen Preisen niederschlägt, dann will der Kunde diese nicht vergüten. Reduziert

Born: Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzem

211

umgekehrt der Konzern die Komplexität (zugunsten von Kostensenkung), zu Lasten der Produktvielfalt, wechselt der Kunde zur scheinbar kreativeren Konkurrenz. Die Lösung dieses Problems wird durch die sogenannte Plattformstrategie angestrebt und erstmals in der Automobilindustrie umgesetzt. Das gesteigerte Kundenbedürfnis nach Individualität führte dort zu einer erheblichen Vergrößerung des Produktionsspektrums, während gleichzeitig der Verdrängungswettbewerb zwang, nach neuen Kostensenkungspotenzialen zu suchen und kostenoptimierte Produktstrategien umzusetzen. In der Plattformstrategie kann, auf Basis möglichst weniger Plattformen innerhalb des Konzerns, die Produktpalette in immer vielfältigeren Varianten ausdifferenziert werden, um eine flexiblere und trotzdem kostengünstige Anpassung an die Kundenwünsche zu erreichen. Bei der Plattformstrategie sind neben der Vereinheitlichung von Bauteilen (siehe Automobilindustrie), auch vereinheitliche Abläufe, gemeinsame Nutzung von Wissen sowie gemeinsame Beziehungen und Personen gemeint (was allgemein weniger bekannt ist). Für den integrierten Touristikkonzern ist dies der geeignete Ansatz, um Kostensparpotenziale in den Hintergrundprozessen zu erschließen. Überall dort, wo durch die Fusion größere Einheiten entstehen, kann diese gemeinsame Hintergrundplattform geschaffen werden. Theoretisch ist dies auch von den Touristikkonzernen so erkannt und postuliert, in der Praxis ist dies leider noch zu oft mit einer gleichzeitigen Reduzierung der Angebotsvielfalt für den Kunden verbunden.

Der Gedanke der Plattformstrategie, liegt auch bei der Schaffung von Synergieeffekte durch Internationalisierung zugrunde: dem sogenannten Y-Modell der Plattformstrategie. Damit ist gemeint, eine gemeinsame Plattform im Zielgebiet für Hotel und Destination Service zu schaffen, ebenso eine gemeinsame Plattform für die Fluggesellschaften (siehe TUI Airline Management), aber national eigene Strukturen in den einzelnen Quellmärkten für Veranstalter und Vertrieb. „Somit können Synergien genutzt werden, welche das Modell der vertikalen Integration auszeichnen" (Dr. Frenzel, Vorstandsvorsitzender TUI AG). Eine konstruktive Ergänzung der Plattformstrategie ist Outsourcing. Alles, was nicht in diesen Ablauf passt und nicht von eigener Kernkompetenz gedeckt wird, auszulagern und damit die eigene Komplexität (Kosten) zu verringern. Dieser moderne Industriegrundsatz kann von einem Dienstleistungsbetrieb allerdings nur mit Einschränkungen übernommen werden. Überall dort, wo es zum direkten Kundenkontakt kommt, „vertrauen besonders erfolgreiche Unternehmen lieber auf ihre gut ausgebildete eigene Belegschaft" (Simon 1996). Wenn Leistungen outgesourct werden und der Kostenspareffekt nur dadurch eintritt, dass der neue Dienstleister „kostengünstigeres" (sprich schlechter qualifiziertes) Personal einsetzt, ist der Sinn von Outsourcing nicht nur verfehlt, sondern die schlechtere Leistung wird weiterhin dem

eigentlichen Vertragspartner des

Kunden

angelastet.

Kostensparen ist mehr denn je der offensive Controller gefordert, der die Hebelwirkung finanzieller Maßnahmen übersehen kann (wieviel wird eingespart mit welcher Wirkung) und die daraus resultierende Auswirkung dieser Maßnahme über den Tag hinaus überblicken kann. Beim

Born: Die besondere Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern

212

6.

Schlussbetrachtung

richtigen Strategie ist die erfolgreiche Umsetzung im operativen gleich hoher Bedeutung. Werden große Strategien erstellt, und es erfolgt keine konsequente langfristige Umsetzung, zieht der Kunde keinen Nutzen daraus. Insbesondere bei der außerordentlichen Bedeutung des operativen Geschäfts im Touristikkonzern erfolgt hier eine entscheidende Weichenstellung nicht nur für das kurzfristige Unternehmensergebnis sondern auch für die längerfristige Zufriedenheit der Kunden hinsichtlich der Qualität der erbrachten Leistungen. Neben der

Festlegung

Geschäft

der

von

Die aktuelle Diskussion ob die integrierten Touristikkonzerne nur „Schönwettermodelle" seien, ist auf die in Relation zur Nachfrage zu hohe Kapazitätsbemessung zurückzuführen. Um diese zu großen Kapazitäten zu füllen, wurden im operativen Geschäft Maßnahmen ergriffen, die nicht dem Strategieansatz entsprachen. Sie erfüllten zwar das Ziel der kurzfristigen Ergebnisverbesserung, aber zum großen Teil nur zu Lasten des zweiten Zieles der Kundenzufriedenheit. Hier wurden inzwischen von den Konzernen zu recht erste Gegenmaßnahmen eingeleitet. „Mit dem Kapazitätsabbau sollen die Kosten soweit gesenkt werden, dass wir selbst schwierige Zeiten ohne Verluste überstehen (Pichler, Vorstandsvorsitzender Thomas Cook AG, FVW 17/2003).

Bei diesem Kostenabbau müssen verstärkt die Effekte im Bereich einer optimierPlattformstrategie gesucht werden, die nicht zu Lasten der vom Kunden gewünschten Individualität im Angebot gehen dürfen. Gleichzeitig müssen die operativen Bereiche so gestaltet werden, dass sie auch hinsichtlich Schnelligkeit nicht hinter den mittelständig organisierten Konkurrenten zurückstehen. Nur so wird man den gestiegenen Ansprüchen der Kunden mit einer künftig verstärkten „just in time-Produktion" Rechnung tragen können. ten

213

Drever/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanaqement

Touristisches Axel 1.

Dreyer,

Krisenmanagement

Daniela

Dreyer, Klaus Rütt

.214 Grundlagen 1.1. Außergewöhnliche touristische Ereignisse und Krisen.214 Ursachen touristischer Krisen.215 Auswirkungen von Krisen auf das Reiseverhalten.217 Auswirkungen von Krisen auf Reiseveranstalter / Touristikkonzerne .218 Risiko- und Krisenmanagement.219 2.1. Vorbereitung auf Krisen (Risikomanagement).220 2.2. Krisenbewältigung.223 2.3. Krisenkontrolle .229 Fallstudie zur Krisenbewältigung.230 1.2. 1.3. 1.4.

2.

3.

Zusammenfassung: Der Beitrag konzentriert sich auf die Betrachtung der touristischen Aspekte von. Krisensituationen. Beschrieben werden mögliche Krisenursachen und die Auswirkungen von Krisen auf die Kunden

einerseits und auf Reiseveranstalter andererseits. Ausführlich betrachtet wird, wie sich ein Tourismusbetrieb auf mögliche Krisensituationen vorbereiten kann (durch gezieltes Informationsmanagement und Krisenpläne), was nach Ausbruch einer Krise getan werden muss (Sofortmaßnahmen und längerfristige Maßnahmen im Marketing) und was man aus Krisen lernen kann. Abschließend werden die beschriebenen Tatbestände anhand eines (fast) alltäglichen Fallbeispiels veranschaulicht. Weiterführende Literatur: Beritelli. G.; Götsch, H. (1999): Krisen-PR bei Tourismusunternehmen ausgewählte Beispiele und Empfehlungen für die Praxis, in: Tourismus Journal, 3. Jg., Nr. 3/1999, S. 325-355. Dreyer, A.; Dreyer, D.; Obieglo, D. (2001): Krisenmanagement im Tourismus, München, Wien -

Dr. Axel Dreyer ist Professor für Tourismusmanagement an der Hochschule Harz, Wernigerode, und Honorarprofessor für Sportmanagement an der Universität Göttingen. Daniela Dreyer ist Inhaberin einer PR-Agentur. Klaus Rütt ist Leiter Notfallkoordination Touristik I der TUI AG._

Drever/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanagement

214

1.

Grundlagen

Der Titel

besagt es schon, aber der Deutlichkeit halber sei darauf hingewiesen: Krisenmanagement wird häufig unter dem Gesichtspunkt von Finanzkrisen be-

trachtet. Diese unterscheiden sich in der Tourismusbranche nicht wesentlich von denen in anderen Wirtschaftszweigen. Speziell ist allerdings die Behandlung von Ereignissen, die das Reisegeschehen unmittelbar betreffen. Um diese geht es im Folgenden. Dass aus touristischen Ereignissen touristische Krisen und aus ihnen Finanzkrisen erwachsen können, ist unbestritten, allerdings nicht Gegenstand dieser Betrachtung. Für kein Tourismusunternehmen und schon gar nicht für Touristikkonzerne sind Krisensituationen, in die ihre Kunden geraten, etwas Außergewöhnliches, sondern sie sind vielmehr Teil des Geschäfts. Immerhin bewegen alleine die beiden größten deutschen Touristikkonzerne World of TUI und Thomas Cook rund 13 Millionen Menschen jährlich (FVW 2001, S. 3). Strategische Grundüberlegungen in der Qualitätspolitik von Touristikkonzernen

Unabhängig vom Auf und Ab der Qualitätsmanagementmethoden ist Kern jeder Qualitätspolitik bzw. jeden strategischen Qualitätsmanagements, bestehende Kunden zu halten und neue Kunden zu gewinnen. Dabei signalisiert Qualitätsmanagement in erster Linie eine Denkhaltung und ist gleichzusetzen mit Kundenorientierung. Dies gilt für die Touristik wie für jede andere Branche auch. 1.1.

Außergewöhnliche touristische Ereignisse und

Krisen

Nicht jede Störung des normalen Betriebsablaufs entspricht einer Krisensituation. Zwar kann beispielsweise eine Straßensperrung auf einer Rundreise oder eine Flugverspätung für den Betroffenen in eine „Krise" ausarten, aus der Sicht des Unternehmens ist es höchstens ein außergewöhnliches Ereignis. In der Öffentlichkeit spielt diese Situation gar keine Rolle. Erkrankungen auf der Reise können auch als allgemeines Lebensrisiko bezeichnet werden, sofern sie nicht von den touristischen Leistungsträgern verschuldet werden (z.B. Salmonellen in der Hotelküche). (Dreyer et al. 2001, S. 8)

Eine Krise ist ein schwerwiegendes Ereignis, das eine hohe Betroffenheit der involvierten Personen bzw. des Unternehmens mit sich bringt. Sie zeichnet sich durch den enormen Entscheidungsdruck und Handlungszwang aus. Folgewirkungen sind bei Eintritt der Krise nicht absehbar. In der Öffentlichkeit besteht ein erhöhter Informationsbedarf, den das Unternehmen decken muss (Dreyer et al. 2001, S. 4). Von einer touristischen Krise sollte erst dann die Rede sein, wenn ein größerer Personenkreis (Gäste oder Mitarbeiter) schwer betroffen ist (z.B. Unfälle, Entführungen), wenn die Zunahme der Gefährdung eher groß ist (z.B. Naturkatastrophen, Unruhen, Infektionskrankheiten), wenn das Interesse der Öffentlichkeit eher groß ist oder wenn die Leistungserbringung in erheblichem Ausmaß gefährdet ist (z.B. durch die Beschädigung von Flughäfen oder Beförderungsmitteln). (Rütt 2002, S. 3).

215

Drever/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanaqement

1.2. Ursachen touristischer Krisen Die Identifikation möglicher Krisenursachen kann entlang des Reiseprozesses vorgenommen werden. Differenziert werden Gründe vor der Reise, während des Transports (in das Zielgebiet, bei Rundreisen bzw. auf dem Heimweg) und im Zielgebiet. Die folgende Abbildung zeigt die Systematik mit einer Reihe von Beispielen für exogene Krisenursachen. Auch unternehmensinterne (endogene) Ursachen bei Menschen und Technik können für Störungen der Abläufe sorgen. Typische, allerdings nicht speziell auf Touristikkonzerne gemünzte technische Gründe sind z.B. kostenbedingte Reduzierungen von Sicherheitsstandards, fehlende bzw. mangelhafte Sicherheitsüberprüfungen von Materialien und technisches Versagen aufgrund von Konstruktionsbzw. Materialfehlern oder Verschleiß (z.B. ICE-Unglück bei Eschede). Beim Produktionsfaktor Mensch reichen die Ursachen von Managementfehlern über Qualifikationsmängel der Mitarbeiter, unzureichendes Sicherheitsbewusstsein, Nichtbeachtung von Vorschriften (Fahrlässigkeit) bis zur Erkrankung von Dienstleistern (z.B. Erkrankung eines Reiseleiters) oder Streiks bei den Leistungserbringern selbst. Abb. 1: Krisenursachen

Krisenursachen

vor

entlang dem Reiseprozess

während der Reise

der Reise

Vor Reisebeginn

bekannte Beein-

trächtigungen z.B. Fluglotsenstreik weitere Beispiele siehe auch während der Reise oder im

Zielgebiet

entlang des Reiseprozesses

Betrifft die

Verkehrsträger

im

Zielgebiet Geo-Physische Faktoren

Natur-

z.B. -

Flugzeugentführungen, Bahnüberfälle, Busunglücke, Unmöglichkeit der

Anreise durch

Schneechaos etc.

katastrophen etc.

Soziokulturelle Faktoren

Armut, Reichtum, -

Religionen etc.

Politische Faktoren Streiks, Terrorismus

Unternehmerische Faktoren

-

Hotelbrand,

Seilbahnunglück etc. Besondere Krankheitserreger

-

Tod eines Reisenden etc.

-

Quelle:

Eigene Darstellung

von politischen Unruhen ausbrechen, dehnen sich meist auch räumlich aus. Als Beispiele seien hier der Golfkrieg 1991 oder die Terroranschläge vom 11. September 2001 genannt. Generell wird zwischen lokalen, regionalen, nationalen bzw. internationalen Krisen differenziert. Ein Hotelbrand wird nur eine lokale Dimension annehmen, wohingegen ein Erdbeben in einer Urlaubsregion (wie in der Türkei) als regionale Krise angesehen werden kann. Der Bürgerkrieg in

Krisen, die aufgrund

216

Drever/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanaqement

Somalia betrifft ein ganzes Land, folglich spricht man hier von einer nationalen Krise. Und betrachtet man als Beispiel die Kosovokrise, die nicht nur den Kosovo, sondern auch Serbien betraf, stellt dies eine Krise mit internationalem Ausmaß dar (Dreyeretal. 2001, S. 11). In integrierten Touristikkonzernen ist die Behandlung von Krisen entlang des Reiseprozesses zu empfehlen. Da Konzerne jede Stufe der Wertschöpfungskette abdecken, trifft eine Krise mindestens ein oder gleich mehrere Tochterunternehmen vor bzw. während der Reise oder im Zielgebiet. Aufgrund möglicher negativer Folgewirkungen in der Öffentlichkeit muss bei der Vorbereitung auf Krisensituationen und bei der Krisenbewältigung immer bedacht werden, dass das Image aller Konzerngesellschaften und der Dachmarke langfristig geschädigt werden kann.

Dementsprechend stellt sich die entscheidende Frage,

wer im Konzern sich der Krise annimmt; der Konzern, der Quellmarkt oder ein einzelnes Tochterunternehmen? Die Antwort hängt von Art und Ausmaß einer Krise ab. Ein konzerneinheitliches Vorgehen ist angesagt, wenn die Krisenursache unabhängig von einzelnen Konzerntöchtern alle Reisenden einer Zielregion betrifft, wie das z.B. bei Naturkatastrophen, Infektionskrankheiten oder außergewöhnlichen Ereignissen bei Leistungsträgern vor Ort, die nicht exklusiv für ein Tochterunternehmen arbeiten, der Fall ist (ein von Legionellen betroffenes Hotel wird z.B. von mehreren Veranstaltern eines Konzerns gebucht). Konzernweit gilt immer die Pflicht zur gegenseitigen Information.

Bei Die

politisch getriebenen Krisen wird zumeist quellmarktspezifisch entschieden. politische Lage eines Zielgebiets wird von den politischen Instanzen der Quellgebiete zum Teil unterschiedlich interpretiert, was zu einer uneinheitlichen Rechtslage aus dem Blickwinkel eines Gesamtkonzerns führen kann. Für deutsche Veranstalter sind die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes rechtsverbindlich, die nicht unbedingt mit den Einschätzungen der entsprechenden Ämter in Großbritannien oder der Schweiz übereinstimmen.

Beispiel: Im Juli 2001 wurde der militärische Teil des Flughafens Colombo von der Separatistenorganisation LTTE angegriffen. Das Deutsche Auswärtige Amt spricht 3 Tage später eine Reisewarnung für Sri Lanka aus. Eine Reisewarnung besteht ebenfalls für Großbritannien und Holland. Für die Schweiz und Belgien besteht diese Warnung zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht.

Ereignisse mit geringerer Tragweite, die nur ein Tochterunternehmen betreffen, werden von diesem alleine abgearbeitet. Diese Vorgehensweise ist markenbezogen und kommt nur dann in Frage, wenn kein negativer Imagetransfer auf andere Marken eines Konzerns entstehen kann und hängt somit von der Markenarchitektur ab. Beispiel: Durch ein einheitliches Schriftbild mit einem einheitlichen Logo rückt die Fluggesellschaft Hapag Lloyd optisch mit dem Konzern „World of TUT zusammen, so dass bei einem Unglück der Hapag Lloyd immer auch der Gesamtkonzern in Mitleidenschaft gezogen wäre. In früheren Zeiten unterschiedlicher Markenauftritte war das nicht der Fall. Bei der Hapag Lloyd-Notlandung 2000 in Wien hatte kaum jemand die Gesellschaft mit der damaligen TUI Group bzw. dem PreussagKonzern in Verbindung gebracht.

Drever/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanaqement

1.3.

217

Auswirkungen von Krisen auf das Reiseverhalten

Risiken werden von Urlaubern unterschiedlich bewertet. Deshalb ist die Prognose eines möglichen Ausmaßes von Nachfrageeinbrüchen nach einer Krisensituation problematisch. Diese Diskrepanz wird deutlich, wenn folgendes betrachtet wird: Einerseits reisen zahlreiche Touristen in Regionen (wie Baskenland, Sri Lanka), die nur wenige Kilometer von Unruheherden oder Bürgerkriegsschauplätzen entfernt liegen. Andererseits erleidet der Tourismus in anderen Destinationen nach einem Unglück sofortige und länger anhaltende Einbrüche der Besucherzahlen (z.B. Ägypten nach dem Terroranschlag in Luxor 1997) (Dreyer et. al 2001, S. 15). Die unterschiedliche Wahrnehmung und Beurteilung von Krisensituationen durch Laien und Experten sowie unterschiedlicher Nationen ist damit zu begründen, dass sie zur Beurteilung der Lage auf andere Wissens- und Erfahrungsschätze zurückgreifen (Avenarius 1995, S. 242). Laien berücksichtigen weniger die statistische Wahrscheinlichkeit. Sie orientieren sich stärker an ihren Emotionen, die nicht immer rational erklärbar sind. Vermeidungsreaktionen und Vertrauensverluste hängen folglich vom subjektiv empfundenen Gefährdungspotenzial ab, das wiederum auf individuellen Erfahrungen, Wertvorstellungen, Ideologien, Interessen, Vorurteilen, Ängsten und Hoffnungen beruht. (Schmieder 1998, S. 76). Man bezeichnet die individuelle Einschätzung der Risiken als wahrgenommenes Risiko. Um die Standpunkte und das Verhalten der Menschen zu verstehen, ist die Kenntnis weiterer psychologischer Zusammenhänge relevant (Schunk 1997, S. 120).

Faktoren der • •







Risikowahrnehmung von Reisenden

Auftreten von Krisen (zeitliche Abstände) Ausmaß von Krisen (Anzahl der Toten und Verletzten) Arten von Krisen (Naturkatastrophen beeinflussen weniger als von Menschen ausgehende Gefahren) Geographische Entfernungen (falsche Einschätzung der Entfernungen) Individuelle Betroffenheit (Schäden bei Touristen im Allgemeinen bzw. bei

eigenen Landsleuten) •

• • •

Persönliche Einflussnahme (eigene Kontrollmöglichkeit des Gefährdungsausmaßes) Freiwilligkeit (Abenteuerurlaub) Objektives Gefährdungspotenzial (Hintergrundwissen) Einschätzung des allgemeinen Lebensrisikos (Dreyer et al. 2001, S. 20f)

Eine Umfrage zeigt, dass die Medienberichterstattung über Krisen einen erheblichen Einfluss auf die zukünftige Reiseentscheidung hat. So berücksichtigen 70 Prozent der Befragten Krisenmeldungen und richten Ihre Urlaubsplanung danach aus. Nur 24 Prozent lassen sich von der Berichterstattung nicht beeinflussen (Braun/Lohmann1989, S. 91). Folglich gilt für die Mehrheit der Reisenden Sicherheit als ein grundlegendes Bedürfnis. Angesichts der reißerisch aufgemachten Nachrichtensendungen im Privatfernsehen und Reality-TV dürfte sich die Zahl der Menschen, die ihre Reiseentscheidung in Abhängigkeit von der Berichterstattung ausrichtet, bis heute noch erhöht haben.

218

Drever/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanaqement

Dennoch können die tatsächlichen Auswirkungen von Krisen auf das Reiseverhalten vollkommen unterschiedlich sein. Die Maßstäbe, die zur Beurteilung der Lage angesetzt werden, sind zielgruppenabhängig. So informieren sich Studienreisende im Allgemeinen intensiver über den Reiseveranstalter und die Destination als der Durchschnitts-Sonne-Strand-Tourist. Eng damit im Zusammenhang stehen die Ausweichmöglichkeiten auf andere Urlaubsdestinationen. Wenn 14 Tage Badeurlaub gebucht werden, kann der Kunde diese Reise auch in ein anderes Zielgebiet als das Krisengebiet antreten. Die Angebote sind leicht austauschbar. Stehen jedoch historische oder kulturelle Inhalte im Mittelpunkt der Reise, ist das Ausweichen auf eine andere Destination schwieriger. Daher werden von einigen Studienreiseveranstaltern auch krisengefährdete Regionen (wie z.B. der Irak) ins Programm aufgenommen. Als Massenziele eignen sich dieses Länder aber nicht (Dreyer etal. 2001, S. 22). In Medienzeitalter schnell aufeinander folgender Unglücksmeldungen mag vielleicht die allgemeine Verunsicherung ansteigen, dennoch unterliegt das Einzelereignis einer erstaunlichen Vergesslichkeit.

Abweichend von der vorherrschenden Rechtsprechung (zur Rechtsthematik Zundel 2001, S. 54ff und in Bezug auf Großschäden Willingmann 2001, S. 189ff) sehen die Autoren trotz der unbestrittenen Verantwortung der Reiseunternehmen auch eine gewisse Eigenverantwortung der Reisenden für seine Gesundheit auf der Reise. Diese scheint allerdings mit der Kurzfristigkeit der Reiseentscheidungen abzunehmen. Dabei ist der Gast z.B. auch bei einer Last minute-Reise in die Tropen nicht von seiner Gesundheitsvorsorge befreit, sondern er sollte sich im Falle der Unmöglichkeit einer kurzfristigen Schutzimpfung für ein anderes Reiseziel entscheiden. Die Möglichkeiten zur Information über mögliche Reiserisiken werden jedenfalls immer besser. Wer das Internet nutzen will, kann z.B. über die politische Lage etwas unter www.auswaertiges-amt.de und über Gesundheitsrisiken beim Tropeninstitut der Universität München unter www.fit-for-travel.de erfahren.

1.4.

Auswirkungen von

Krisen auf Reiseveranstalter/Touristik-

konzerne

Krisen ziehen materielle und immaterielle Auswirkungen auf Reiseveranstalter nach sich. Während die materiellen Folgen in der Regel kurz- bis mittelfristig in Erscheinung treten und direkt quantifizierbar sind, handelt es sich bei den immateriellen Auswirkungen um langfristige, schwer messbare Vertrauens- und Glaub-

würdigkeitsverluste.

Die Stärke und Art der Auswirkungen ist abhängig von Faktoren wie dem Ausmaß des Unglücks, der Berichterstattung in den Medien, der Art des Reiseveranstalters, dem Image des Unternehmens oder des Zielgebiets, den ergriffenen Maßnahmen und der Krisen-Kommunikation. Im Extremfall kann das Überleben des betroffenen Gebietes als Urlaubsdestination nachhaltig beeinflusst werden und zum Ausscheiden des Unternehmens aus dem Markt führen. Besonders betroffen sind Veranstalter, die sich auf bestimmte Destinationen oder Marktsegmente spezialisiert haben.

Drever/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanaqement

Abb. 2:

219

Auswirkungen von Krisen auf Reiseveranstalter

Auswirkungen von Krisen auf Reiseveranstalter Materielle Auswirkungen Immaterielle Auswirkungen Stornierungen Imageschäden und Vertrauensveriuste bei Kunden, Öffentlichkeit, Investoren Umbuchungen langfristige Kundenabwanderung Rückgang von Neubuchungen Motivationsverluste bei Mitarbeitern geringere Auslastungsraten (Flugzeug, möglich; nach erfolgreicher Krisenbe Hotel) sinkender Umsatz wältigung aber auch Motivationssteigerung bei Mitarbeitern erkennbar ggf. Vertust von Marktanteilen erbrachte Vorleistungen (Planung, BeSchwierigkeiten, qualifiziertes Personal zu finden schaffung und Werbung) werden unverwertbar ggf. politische Auflagen und Beschränzusätzliche Kosten für Umbuchungen, kungen durch die Gesetzgebung Rückholaktionen

usw.

Schadenersatzzahlungen, Entschädigungen

Beeinträchtigung des normalen Ge-

schäftsverlaufs, da bei der Krisenbe-

kämpfung Zeit und Know-How gebun-

den werden Quelle: Eigene Darstellung

Spezialanbieter, die einem Touristikkonzern angehören, haben den Vorteil, dass sie durch die Muttergesellschaft aufgefangen werden können. Integrierte Konzerne sind Generalisten (World of TUI, Thomas Cook), denen Unternehmen der gesamten Wertschöpfungskette angehören. Aufgrund ihrer Größe ist es ihnen leichter möglich Angebotsverschiebungen vorzunehmen, um so auf die veränderte Nachfrage zu reagieren (Dreyer et al. 2001, 22f). Auf alle Tourismusbetriebe kommen in Krisensituationen erhöhte Anforderungen an die Dienstleistungsqualität zu. Erfahrungsgemäß steigen z.B. die Erwartungen der Gäste an „ihren" Reiseveranstalter.

2.

Risiko- und

Krisenmanagement

Krisenmanagement betrifft die Gesamtheit aller Maßnahmen zur Vorbereitung auf Krisensituationen (Risikomanagement) sowie zur Bewältigung und Kontrolle entstandener Krisen. Es handelt sich hierbei also nicht bloß um operative Aufgaben, sondern auch um strategische Aspekte, denn eine professionelle Krisenabwicklung ist notwendiger Bestandteil eines touristischen Engagements. Ein funktionierendes Krisenmanagement steht für Zuverlässigkeit und Vertrauen. Die wahrscheinlich größte Herausforderung im integrierten Touristikkonzern besteht im Zusammenspiel der Informationskanäle der betroffenen Konzerngesellschaften mit dem Mutterkonzern. Abb. 3

zeigt die drei Phasen des Krisenmanagements im Überblick.

Drever/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanaqement

220

Abb. 3: Drei Säulen des

Drei Säulen des Krisen-

bewältigung

(Risikomanagement) Früherkennung potenzieller Krisen Allgemeine Analysen

und Kreativitätstechniken Informations-



management







Aktive Informations-

sammlung AA, Wetterdienst, Reiseleitung von

Krisenmanagements

Krisen-

vorbereitung





Fallbezogene Informationsbeschaffung und -Verdichtung Risikoeinstufung Aktivierung der Notfallorganisation Einleitung von

Sofortmaßnahmen im Zielgebiet und in der

etc.

Sicherheits-Checks

Konzernzentrale

-

Prävention



Krisenpläne,

Krisenstäbe, Krisenraum, .kalte Hotline", J^are Team etc.

-

Quelle:

2.1.

Krisenmanagements



Kommunikation

Dokumentation Statistische Auswertungen

-Anzahl der Vorfälle Art der Vorfälle eingeleitete Maßnahmen Kosten -

-

-

Prüfung der Maßnahmen auf Effektivität und Effizienz Medienbeobachtung

und -analyse Lernen: Prozessoptimierung

•Koordination und

Abstimmung

Eigene Darstellung

Vorbereitung auf Krisen (Risikomanagement)

Eine gute Vorbereitung ist die Basis der Krisenbewältigung. Die Maßnahmen umfassen eine Früherkennung (Antizipation; vertiefend hierzu Dreyer et al. 2001, 63ff), das fortlaufende Informationsmanagement sowie die eigentliche Prävention mit konkreter Notfallplanung und der Bildung einer Krisenorganisation mit Krisenstäben, entsprechend ausgestatteten Räumlichkeiten und der Bildung eines Care Teams.

2.1.1.

Informationsmanagement

Die Sammlung von Informationen geschieht fortlaufend. Durch entsprechende Auswertungen können Krisensituationen zum Teil vermieden werden oder sie werden zumindest frühzeitig erkannt, was den Handlungsspielraum des Touristik-

betriebes erhöht. So können z.B. aus Sicherheits-Checks des Hoteleinkaufs krisenrelevanten Informationen gewonnen werden.

Beispiel: Bei einer Hotelbegehung in Bali wurde festgestellt, dass die Balkongeländer nicht die den niedersächsischen Bauordnung (Sitz des Reiseveranstalters) entsprechende Höhe von 90 cm

221

Drever/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanaqemerit

nur 80 cm hoch waren. Erklärung: Die Durchschnittsgröße der Indonesier ist nur 165 cm, so dass dort keine höheren Balustraden benötigt werden! Handlungsmöglichkeiten: Bauliche Veränderung und Erhöhung der Geländer oder Information der Kunden.

besaßen, sondern

Externe Organisationen bieten Beratung an, die gegebenenfalls auch schem Nutzen sein kann. Relevante Websites sind z.B. • • • •

von

strategi-

www.krisennavigator.de

www.control-risk.de www.criseadvice.com asw-online.de (Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft e.V.)

Zur aktiven und permanenten Informationssammlung aus den Destinationen kann auch die eigene Zielgebietsorganisation bzw. die Reiseleitung eingesetzt werden. Hinzu kommen in der Verwaltung • • •

Pflege der Adressdaten, Medienbebachtung (Funk- und Fernsehberichte, Internet, Zeitungen), Beobachtungen der Operations-Zentrale, die die Reisedurchführung

über-

wacht, •

• • •

regelmäßige Information durch das Auswärtige Amt der Bundesregierung (z.B. bei der TUI mehrmals täglich), Vorhersagen des Deutschen Wetterdienstes (regelmäßig und weltweit),

Informationen des Gesundheitsamtes und stärkerer Erdbeben durch das Bundesinstitut für Geowissenschaften und Rohstoffe.

Sofortige Meldung

Die Herausgabe einer Reisewarnung des Auswärtigen Amtes hat rechtsverbindlichen Charakter. Entsendet ein Reiseveranstalter seine Kunden nach einer Reisewarnung noch in das betroffene Zielgebiet, so handelt er fahrlässig und haftet ihnen gegenüber. Reisewarnung werden normalerweise für Länder oder Regionen erteilt, in denen Krieg bzw. bürgerkriegsähnliche Zustände oder Epidemien und Naturkatastrophen herrschen. Die Formulierung lautet sinngemäß: „Das Auswärtige Amt rät bis zu einer deutlichen Besserung der Lage von Reisen nach XY ab."

Beispiel für einen aktuellen Sicherheitshinweis des Auswärtigen Amtes: Bei Reisen in den Jemen bleibt große Vorsicht angezeigt. Das Auswärtige Amt weist ausdrücklich auf ein erhöhtes Risiko hin. Es wird dringend empfohlen, Reisen nur durchzuführen, wenn sie durch eine Reiseagentur organisiert oder in Kooperation mit zuverlässigen jemenitischen Partnern unternommen werden. Von Reisen auf eigene Faust wird abgeraten. Besuche in den Provinzen Marib, Shabwa und Al-Jauf sollten zurzeit nur bei vorliegen eines zwingenden Grundes unternommen werden. Sie müssen angemeldet sein und dürfen nur mit Begleitschutz unternommen werden.

2.1.2

Krisenplan/Krisenhandbuch

Krisenplan ist ein zusammengefasstes, betriebliches Regelwerk, das als Orientierungshilfe für die Handhabung in der Zukunft möglicherweise eintretender Krisen dient. Ziel eines solchen Notfallplans ist die Sicherstellung eines koordinierten und reibungslosen Ablaufs bei der Krisenbewältigung. Der Krisenplan ermöglicht eine zeitlich verkürzte Bewertung der Lage, eine schnellere Entscheidungseine frühere Einflussnahme auf den damit verbunden findung und Ein

-

-

222

Drever/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanaqement

Krisenverlauf. Durch den erzielten „Denkvorsprung" wird ein überstürztes Handeln im Ernstfall vermieden. Ein Krisenhandbuch ist nicht geeignet, für jede Krise alle notwendigen Bewältigungsmaßnahmen aufzulisten. Vielmehr werden Richtlinien bzw. ein grober Handlungsrahmen festgelegt. Der muss aber soviel Spielraum lassen, dass auf die Eigenheiten der jeweiligen Krise entsprechend reagiert werden kann (Dreyer et al. 2001, S. 86).

Folgendes

ist beim Entwurf und Einsatz eines Krisenhandbuches

zu

beachten: •



Bestimmung eines Krisenhandbuchverantwortlichen für die Pflege und Aktualität des Krisenhandbuches Ablage des aktuell aufbereiteten Krisenhandbuches in mindestens dreifacher schriftlicher und elektronischer Ausführung bei der Geschäftsleitung beim Krisenhandbuchverantwortlichen bei der Pressestelle Kommunikation der Inhalte des Krisenhandbuches an alle Mitarbeiter durch den Unternehmenssprecher Schulung des Umgangs mit dem Krisenhandbuch Einpflegen von Änderungen in das Krisenhandbuch durch den Krisenhandbuchverantwortlichen Halbjährliche generelle Überprüfung und Anpassung des Krisenhandbuches auf Aktualität Jährlich Versand und Auswertung von Fragebögen an die Partnerunternehmen -

-

-











Beispiel: Die TUI AG und die Konzerngesellschaften der World of TUI haben einen Notfallplan aufgestellt. Dieser informiert über die Relevanz des Krisenmanagements an sich sowie über die Rolle des Konzerns und der Konzerngesellschaften. Im Plan sind die Verantwortlichkeiten definiert und verbindliche Verhaltensregeln gegeben. Weiterhin beinhaltet der TUI Notfallplan verschiedene Checklisten zur Informationsbündelung und -weiterleitung. Aufgaben werden klar verteilt und der Informationsfluss festgelegt. Die Konzerngesellschaften haben zusätzlich ihre eigenen Notfallpläne, die mit dem zentralen Notfallplan abgestimmt sind.

2.1.3

Krisenstab

Es handelt sich um ein kleines Team, das aus fünf bis sieben Mitarbeitern besteht. Der Krisenstab stellt ein „Beratungs- und Führungsgremium" (Schroeter 1996, S. 29) dar, das im Fall einer Krise die Handlungsentscheidungen trifft. Ziel ist es, die Unternehmensführung von vorbereitenden Arbeiten zu entlasten, damit sie sich den grundlegenden Entscheidungen widmen kann. Die personelle Zusammensetzung des Stabes hängt von der Art der Krise ab. Grundsätzlich besteht er aus einem kleinen, festen Kern von Schlüsselpersonen des Unternehmens, die möglichst einer Hierarchieebene angehören. Experten werden gegenüber hochstehenden Personen bevorzugt, da es bei der Krisenbewältigung oft um Fachkompetenz und einen reichen Erfahrungsschatz geht. Stets sollte der Pressesprecher dem Krisenstab beiwohnen, da er das Bindeglied zur Öffentlichkeit darstellt.

223

Drever/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanaqement

Beispiel:

Der Krisenstab bei der TUI Deutschland setzt sich in der

Regel

stab, dem betroffenen Area oder Product Manager, einem Mitarbeiter Vertriebsservice sowie der Presse zusammen.

aus

aus

der

dem Leiter KrisenBeförderung, dem

Ein Krisenstab-Mitglied muss teamfähig sein und Entscheidungskompetenz besitzen. Ist er nicht befugt, Entscheidungen ohne Genehmigung des Vorgesetzten zu treffen, verlängert dies die Entscheidungszeiten des Stabes unnötig. Und Zeit ist in der Krise ohnehin ein sehr knappes Gut. Der Krisenstab wird temporär, d.h. für die Dauer der akuten Krise, eingesetzt und funktioniert auf einer hierarchielosen, informellen, gemeinsamen Entscheidungsebene. Der Vorstand wird nur bei gravierenden Konflikten einberufen (u.a. im Falle einer Evakuierung der Touristen aus einem Zielgebiet). Es besteht weiterhin eine enge Zusammenarbeit mit der Pressestelle des Unternehmens. Zu Statements gegenüber den Medien ist allein die Pressestelle befugt, die in Abstimmung mit dem Krisenstab die Sprachregelung festlegt. Die Pressestelle sammelt aktuelle Informationen über das Krisenereignis aus Presse, Funk und Fernsehen und leitet diese an den Stab weiter.

2.1.4

Krisenkommunikationsplan

Der Krisenkommunikationsplan legt den Informationsfluss nach innen und außen sowie das Informationsverhalten gegenüber Mitarbeitern, Medien und Öffentlichkeit fest. Der Kommunikationsplan stellt einen Benachrichtigungsplan auf die zentrale Frage dabei lautet: Wer informiert wen? Außerdem beinhaltet er einen krisenrelevanten Adressenpool, in dem nicht nur konzerneigene Telefonnummern sondern auch Nummern von Behörden, Auswärtigem Amt, Diplomatische Vertretungen, Feuerwehr, Polizei, Rotes Kreuz, Verbände, Reiseleiter, Reisebüros und andere Leistungsträger verzeichnet sind. Weiterhin umfasst der Krisenkommunikationsplan eine zeitliche Abfolge der einzusetzenden der Krise sowie in Kommunikationsinstrumente Sprachregelungen, Argumentationshilfen und vorformulierte Statements. -

Die Praxis zeigt, dass der Krisenkommunikationsplan und der Krisenplan eng zusammenhängen. So ist bei der TUI ein grober Krisenkommunikationsplan Bestandteil des TUI Notfallplans. Im TUI Notfallplan ist der Informationsfluss festgelegt und die wichtigsten Telefonnummern sind aufgelistet. Die TUI führt halbjährlich eine Prüfung des Plans auf Aktualität durch. Laufend werden z.B. Telefonnummern ausgetauscht, wenn Änderungen von Partnerunternehmen etc. bekannt gegeben werden.

Krisenbewältigung Ist eine Krise ausgebrochen,

2.2.

bedarf es schnellen Handelns. Im Zielgebiet sowie in der Konzernzentrale müssen sofort Maßnahmen zur Bewältigung eingeleitet werden. Besondere Bedeutung bekommt die Kommunikation, denn der Informationsbedarf der Betroffenen, Angehörigen sowie der Öffentlichkeit ist groß. Längerfristig spielen auch die restlichen Instrumente des Marketing-Mix wie die Produkt-, Preisund Distributionspolitik eine Rolle.

Drever/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanaqement

224

Sofortmaßnahmen

2.2.1.

am

Unglücksort

Sind Kunden im Zielgebiet konkret von einem Schadensereignis betroffen, müssen Sofortmaßnahmen ergriffen werden, um die Sicherheit der Gäste zu gewährleisten und Schäden zu begrenzen. Kommerzielle Aspekte spielen in diesen Momenten keine oder nur eine untergeordnete Rolle. Jedoch werden alternative Maßnahmen unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten bewertet und abgewogen.

Beispiel: Bei einem Hotelbrand in Orlando wird den Gästen wahrscheinlich nicht die Heimreise nach Europa angeboten, sondern sie werden vielmehr auf andere Hotels umgebucht Voraussetzung: Es müssen genügend Kapazitäten vorhanden sein. (Dreyer et al. 2001, S. 115) Die Reiseleitung trägt als Ansprechpartner vor Ort und Bindeglied zwischen Reiseveranstalter und Kunden die Verantwortung. Sie unterrichtet den Krisenstab in der Konzernzentrale regelmäßig über die aktuelle Lage. Diese Aufgabe erfordert eine hohe geistige und körperliche Belastbarkeit, Organisations- und Improvisationstalent und Ruhe in hektischen Momenten. Die Landessprache muss die Reiseleitung fließend beherrschen, da es in einer Krise nicht aufgrund von Verständigungsproblemen zu einem Informationsverlust kommen darf. Um auf eine Krisensituation gut vorbereitet zu sein und im Ernstfall genau zu wissen, was zu tun ist, ist die Schulung der Mitarbeiter von Notwendigkeit. Zu den • • •

• •





• •

Aufgaben der Reiseleitung vor Ort gehören (Dreyer et al. 2001, S. 116):

Überprüfung von Buchungslisten

Benachrichtigung aller Gäste im Zielgebiet

Kontaktaufnahme mit Behörden, Krankenhäusern,

Sicherstellung der Betreuung von Unfallopfern

Leistungsträgern etc.

Überprüfung der Anzahl der Verletzten und/oder Toten

Dokumentation der Anzahl der KrankenA/erletzten sowie des Ausmaßes im Einzelfall Überprüfung der Leistungsfähigkeit des Leistungsanbieters Dokumentation aller ergriffenen Maßnahmen Klärung von organisatorischen Fragen vor Einleitung von Maßnahmen (Umbuchung, Heimreise etc.)

Der einzige Unterschied zwischen einem einzelnen Reiseveranstalter und einem Touristikkonzern bei der Einleitung von Sofortmaßnahmen ist, dass vermutlich ein verbesserter Informationsfluss möglich ist, da die Unternehmen der verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette bei einer Krise im Krisenstab vertreten sind. So wohnt bei der TUI immer ein Mitarbeiter aus dem Bereich Beförderung dem Krisenstab bei. Dadurch ist eine kurzfristige Entscheidung über eine kurzfristige Rückholaktion der Gäste möglich. Aufgrund anderer Informationen bewerten Gäste eine Situation vor Ort oft anders als Angehörige im Quellmarkt. Erfahrungen bei Reiseveranstaltern zeigen, dass Kunden trotz Krisensituationen ihre Reise häufig fortsetzen möchten.

Beispiele (siehe auch Fallstudie zum Hurrikan „Mitch" in Kap. 3): Als türkische Truppen 1974 einen Teil Zyperns besetzten, holte die TUI innerhalb mehr als 3000 deutsche Touristen nach Hause.

von

drei

Tagen

Drever/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanaqement

225

Die Reiseleitungen der TUI werden in speziellen Seminaren einmal jährlich auf Krisen vorbereitet. Der Reiseleiter im Zielgebiet baut sich vor Ort ein Krisenmanagementteam auf, dem sollte wie in der Konzernzentrale ein Mitarbeiter der Fluggesellschaft oder anderer Beförderungsuntemehmen sowie ein Mitarbeiter der Hotelkette etc. angehören. Um eine schnelle und einheitliche Information der Zentrale zu ermöglichen, füllt die Reiseleitung standardisierte Checklisten aus. So wird gewährleistet, dass die wichtigsten Informationen vorhanden sind und nichts vergessen wird. Die Meldung über den Ausbruch einer Krise wird bei der TUI an die Zentrale in zweifacher Form an zwei Stellen gefaxt, weil die Wahrnehmung einer Papiermeldung gesicherter ist als die einer E-mail.

Folgende Fragen nüssen •

in dem standardisierten Krisen-Telefax beantwortet werden:

Situationsbericht: Wann ist was,

wo

geschehen? (Ggf. Informationsquelle nennen)



Sind Gäste der World of TUI betroffen?



Sind Mitarbeiter der World of TUI betroffen?



Einschränkungen bei den gebuchten Leistungen? Bereits umgesetzte Maßnahmen:

• •

Nächste Anreise:



Empfehlungen:



Wann ist wieder mit dem Normabetrieb zu rechnen?



Situation/ Reaktion der Mitbewerber?

»

Weitere Angaben:_

2.2.2.

Sofortmaßnahmen in der Konzernzentrale

In der Konzernzentrale sollte sofort nach Eingang der Krisenmeldung der Krisenstab gebildet sowie die vorbereiteten Maßnahmen zur Krisenbewältigung, sprich Krisenplan, Krisenkommunikationsplan, aktiviert werden. In Konzernen muss die räumliche und technische Infrastruktur vorhanden sein. Vollständig eingerichtete Krisenräume müssen dann nur noch besetzt, Hotlines freigeschaltet und die Teams zusammengerufen werden. Dies sollte innerhalb kürzester Zeit durchführbar sein. Eine vielfach genutzte Einrichtung ist GAST/EPIC. Die Abkürzung steht für „Gemeinsame Auskunftsstelle/ Emergency Procedures Information Centre". Die Auskunftsstelle besteht seit 1995 und wird von Airlines, der Polizei sowie der Flughafen München GmbH betrieben. Dahinter steht ein Förderverein mit ca. 30 Fluggesellschaften, und 12 Verkehrsflughäfen. Grundsätzlich tritt GAST/EPIC bei größeren Schadenslagen mit bayerischem Bezug in Aktion (aber auch der Concorde-Absturz am 25.07.2000 wurde bearbeitet), wobei der Schwerpunkt auf Ereignissen der Be-

förderung liegt.

Große Reiseveranstalter wie Thomas Cook oder TUI haben spezielle Operation Centers eingerichtet. Diese Schaltzentralen sind rund um die Uhr besetzt. Dort laufen Informationen aus aller Welt aus den Medien, vom Auswärtigen Amt, der World Health Organisation (WHO) sowie von den Reiseleitungen und den Incoming-Agenturen aus den Destinationen zusammen (Lindner 1998, S. 70). Bei einem Notfall geht der erste Anruf meist im Operation Center ein, von dort wird nach einem „Call-System" die Benachrichtigungskette in Gang gesetzt.

226

Drever/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanaqement

Alle Mitglieder des Krisenstabes müssen permanent das gilt auch für Wochenenden und Feiertage sowohl dienstlich als auch privat erreichbar sein. Unabdingbar ist deshalb, sie mit Mobiltelefonen auszustatten. Nachdem bei Ausbruch einer Krise alle Mitglieder benachrichtigt wurden, treffen sie sich vor Ort zu einer ersten Besprechung. Wenn dies nicht möglich ist, wird sofort per Telefon(konferenz) die Lage diskutiert. Bei der TUI dies ist auch der Zeitpunkt zur Aktivierung eines speziell geschulten „Care Teams". Dabei handelt es sich um psychologisch geschulte Mitarbeiter, die am Telefon oder im Zielgebiet zur Betreuung der Betroffenen und deren Angehörigen eingesetzt werden. -

-

2.2.3.

Marketing für Krisensituationen

2.2.3.1.

Kommunikationspolitik

Im Rahmen der Krisenkommunikation geht es um den integrierten Einsatz aller kommunikationspolitischen Instrumente zum Umgang mit einer Krise. Gemeint ist die zielgerichtete Informationsübermittlung und -Steuerung, um das Vertrauen in das Unternehmen (oder Zielgebiet) beizubehalten bzw. wiederherzustellen. Kommunikation in der Krise hat für die Unternehmensführung im Zeitalter der hochentwickelten, globalen Informations- und Kommunikationstechnologien immer mehr an Bedeutung gewonnen. Nachrichten über Krisen verbreiten sich mit sehr großer Geschwindigkeit. Daran trägt die konkurrierende Medienlandschaft ihren Anteil. Die Vergangenheit hat mehrfach gezeigt, dass Konzeptlosigkeit, Passivität oder unüberlegte Äußerungen von Führungskräften zu einem nachhaltigen Schaden des Unternehmensimages geführt haben (z.B. das Verhalten des Vorstandes der Deutschen Bahn AG nach dem Unglück in Eschede 1998).

Zielgebietskrisen, die durch Dritte und ohne eigenes Verschulden des Reiseveranstalters herbeigeführt werden, schaden nicht unmittelbar dem Unternehmensimage. Dennoch kann eine mittelbare Betroffenheit vorliegen, wenn durch ein schlechtes Image der Destination die Buchungen zurückgehen. Meist reicht die technische Lösung einer Krisensituation nicht aus. „Entscheidend ist ebenso, positives Tun in der Krise auch kommunikativ zu unterstreichen, d.h. Informationen glaubhaft nach außen zu tragen." (Hauser, 1994, S. 54). Daher sollte jedes Touristikunternehmen also auch jeder Veranstalter (unabhängig von seiner Größe) eine kontinuierliche und konzeptionell abgestützte Unternehmenskommunikation im Rahmen eines ganzheitlichen Krisenmanagements betreiben. Die folgende Abbildung zeigt die zeitliche Abfolge für einen optimalen Einsatz der Kommunikationsinstrumente in der Krise: -

-

Die Öffentlichkeitsarbeit ist aufgrund der sachlichen, offenen und aktiven Information das Instrument der ersten Stunden. Das krisengeschädigte Unternehmen kann so den erhöhten Informationsbedarf der Betroffenen und Angehörigen sowie der Öffentlichkeit und Medien, aber auch der eigenen Mitarbeiter decken. Die Multimediakommunikation mit dem Inter- und Intranet bietet eine professionelle Unterstützung der Pressearbeit. Aufgrund der Kurzlebigkeit der Informationen in der Krise kann vor allem das Internet genutzt werden, um die Öffentlichkeit mit aktuellen Informationen zu jeder Zeit zu versorgen. Mittels dieser beiden Instrumente ist eine externe und interne Aufarbeitung der Krise in der Phase der Schadensbegrenzung möglich.

Drever/Dreyer/Rütt: Touristisches Krisenmanaqement

227

Abb. 4: Zeitliche Abfolge der Kommunikationsmaßnahmen

Zeitliche Abfolge der Kommunikationsmaßnahmen

Public Relations (Pressekonferenz, Hotline, Mitarbeiterzeitung,..)

Phase der

Schadensbegrenzung

Multimedia-Kommunikation (Internet, Intranet, E-mail,...)

4

Werbung

Phase des aktiven Neubeginns

(Anzeige, Spot)

Direkt-Kommunikation (Mailing, Telefonmarketing,...)

Quelle:

Eigene Darstellung

Wie kommuniziert wird, wenn eine Krise einen Touristikkonzern trifft, ist verschieden. Bei einem Unglück, das ein beträchtliches Ausmaß annimmt und wenn verschiedene Nationen betroffen sind, wird es immer der Konzern sein, der in Aktion tritt. Handelt es sich um Vorfälle, die bestimmte Nationen betreffen, werden meist

quellmarktbezogene Maßnahmen durchgeführt. Beispiel: Verunglückt ein Bus

mit ausschließlich niederländischen Insassen in nicht in Deutschland kommuniziert.

Portugal, wird dies

Bei der Entscheidung über markenbezogene oder konzernweite Kommunikation ist abzuwägen, wie eng die Konzerngesellschaft im kommunikativen Auftritt mit der Muttergesellschaft verbunden ist. Betrachtet man World of TUI als Beispiel, so werden u.a. Hapag Lloyd und Thomson unter dem Dach der World of TUI geführt. Nach außen hin ist es durch Schrifttypen und Logo erkennbar, dass es sich um Unternehmen der World of TUI Gruppe handelt. Im Gegensatz dazu wird 1-2-fly weiterhin als eigenständige Marke kommuniziert, obwohl es ein Unternehmen der TUl-Gruppe ist.

TUI Konzern-Dachmarke

Veranstalter TUI

Thomson Veranstalter Thomson

(Großbritannien)

228

Drever/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanaqement

2.2.3.2.

Preispolitik

Sowohl in Krisensituationen selbst als auch bei der Wiedereinführung von Zielgebieten spielt die Preispolitik eine wichtig Rolle. Neue Buchungsanreize müssen geschaffen werden, die nicht nur eine (wieder intakte) Krisenregion betreffen, sondern häufig auch benachbarte Destinationen. Die Preispolitik bietet dafür ideale Voraussetzungen. Denn Brancheninsider nehmen an, dass Reisende ihre Ängste bei einem niedrigeren Reisepreis eher zurückstellen. Folglich kann mit deutlichen Preissenkungen die Nachfrage durchaus wieder angekurbelt werden. Maßnahmen der Konditionenpolitik sind ebenfalls hilfreich. Bessere Stornierungs- bzw. Umbuchungsbedingungen verringern die Buchungsunsicherheit bei Zielgebieten, deren Krise noch nicht aus den Köpfen der Verbraucher verbannt ist. (Vertiefend Glaeßer2001, S. 205; Dreyeretal. 2001, S. 120).

2.2.3.3.

Distributionspolitik

Die Distributionspolitik spielt bezüglich Krisensituationen im Tourismus nur eine untergeordnete Rolle. Sie gewinnt nur Bedeutung bei der Verteilung von Informationen an potenzielle Reisende nach Eintritt von Krisensituationen. Eine verbesserte Beratungskompetenz (z.B. über die „Zustände" in Destinationen oder Sicherheitsfragen) wird durch Produkt- und Zielgebietsschulungen erreicht.

Beispiel: Gab es einen Vorfall in einem Zielgebiet, das von der TUI weiterhin angeboten wird, so informiert der Konzern Kunden darüber. Um die Beratungsleistung zu verbessern, werden Flyer mit Verhaltensregeln und Tipps über das betreffende Land gestaltet und verteilt. Außerdem werden Informationen in die Reiseprospekte mit aufgenommen, die über mögliche Risiken eines Zielgebietes aufklären. Die Mitarbeiter in den Reisebüros finden im Reservierungssystem ebenfalls Zusatzinformationen zu diesem Thema, um eine bessere Beratung durchführen zu können.

2.2.3.4.

Produktpolitik

Veränderungen

in der Produktpolitik eines Konzerns werden nur als allerletzter Schritt nach einer tiefgreifenden Krise vorgenommen. Denn durch die Größe besteht in einem Konzern auch die Möglichkeit eine spezialisierte Gesellschaft nach einer Krise kostenmäßig aufzufangen. Wenn eine positive, starke Konzernmarke besteht, kann ein Imagetransfer auf das Tochterunternehmen erwirkt werden. Allerdings geht auch eine vertikale Diversifikation mit Risiken einher. Es besteht die Gefahr, dass ein Unglück bei einem Leistungsträger (z.B. Flugzeugabsturz) starke negative Rückwirkungen auf den integrierten Reisekonzern selbst hat (siehe auch Markenthematik bei der Kommunikationspolitik). Eine von

Möglichkeit das Vertrauen der Kunden zurück zu gewinnen ist die Vergabe Garantieerklärungen in Form von allgemeinen Zusagen und Regelungen. An-

bieter sichern die einwandfreie Beschaffenheit ihres Gutes zu und vermitteln so dem Konsumenten, dass er bei einem möglichen Schaden, diesen teilweise ersetzt bekommt. So wird der Konsument nach wie vor von der Qualität der angebotenen Leistung überzeugt sein (Glaeßer 2001, S. 205).

Langfristig muss die Struktur des Produktprogramms hinsichtlich potenzieller Risiken analysiert werden, um die Anfälligkeit von Produkten bzw. Zielgebieten

Dreyer/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanaqement

229

festzustellen. Daraus ergeben sich folgende Möglichkeiten: Programmerweiterungen werden insbesondere bei Spezialanbietern vorgenommen, um ihnen ein zweites Standbein zu verschaffen. Ein solcher Risikoausgleich durch horizontale Diversifikation ist weniger aus Sicht eines generalistischen Touristikkonzerns bedeutsam, als vielmehr aus der Sicht eines einzelnen Unternehmens. Eliminierungen kommen bei anhaltend unsicherer Lage oder bei völliger Zerstörung touristischer Infrastruktur in Frage (siehe auch Fallstudie zum Hurrikan „Mitch" in Kap. 3)

2.3. Krisenkontrolle

Beendigung der Krisenbewältigung steht die Evaluierung der Krise. Aus Erfahrungen, die im Laufe einer erfolgreichen Krisenbewältigung und -aufarbeitung gemacht werden, lassen sich Verbesserungspotenziale für die ZuNach der

kunft ableiten. Aus diesem Grund ist die Krisenkontrolle mit der Dokumentation und Nachbereitung so bedeutend.

Die Dokumentation dient der exakten, chronologischen Aufzeichnung aller Maßnahmen im Rahmen des Krisenmanagements sowie der Reaktionen seitens der Öffentlichkeit und Medien. Anschließend ist eine Bewertung vorzunehmen. Es folgt die Prüfung der Maßnahmen auf Effektivität und Effizienz. Auf diese Art lassen sich auch Maßnahmen identifizieren, die bei der Bewältigung hinderlich gewesen sind. Die Bewertung ermöglicht es dem Konzern, Schlüsse für die künftige Krisenabwicklung zu ziehen. Da der Erhalt des Images ein zentrales Ziel bei der Krisenbewältigung darstellt, ist eine separate Auswertung der Medien vorzunehmen.

Nach der Krise ist vor der Krise. Von der Evaluation einer beendeten Krisensituation schließt sich der Kreis, wenn die gemachten Erfahrungen in neue Maßnahmen zur Krisenantizipation und -Prävention umgesetzt werden (z.B. Überarbeitung des Krisen-Handbuches) und wenn weitere Maßnahmen initiiert werden, um den Lernprozess zu vertiefen. Zur Krisenvorbereitung gehört ein Krisentraining, mit dem mit einer Art „Probealarm" der Ernstfall (praktisch) geübt werden kann, und die Teilnahme an (theoretischen) Seminaren zum Risiko- und Krisenmanagement. Außerdem können •

wichtige Meinungsbildner

mit Lehr- und Lernmitteln erreicht und informiert

werden, •



Sachverhalte mit eigenen Filmdokumentationen interessierten Personen detailliert geschildert werden oder mit Ausstellungen bzw. Besichtigungen Blicke „hinter die Kulissen" gewährt werden, die Offenheit schaffen und getroffene Sicherheitsmaßnahmen veranschaulichen. (Beritelli; Göttsch 1999, S. 351; Cornelsen 2000, S. 172; Herbst 1999, S. 67 ff., S. 134 ff.)

230

3.

Drever/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanaqemerit

Fallstudie

zur

Krisenbewältigung

Am

Beispiel des Hurrikan „Mitch", der im Oktober 1998 über Mittelamerika hinweglässt sich die Arbeit eines Krisenstabs anschaulich zeigen. In ähnlicher Form muss bei Naturkatastrophen immer wieder reagiert werden.

fegte,

24.10.98

Meldung aus dem ZGB MBJ 17.00h Ortszeit Hurrikanwarnung auf Jamaika Hurrikan der Stärke 2 (165km/h) Man hofft, das der Sturm an MBJ vorbeizieht. Gäste vor Ort erhalten erste Informationen

(Verhaltenshinweise). 25.10.98

26.10.98

Legende CUN Cancun Dom. Rep. Dominikanische Re-

publik

MBJ Meldung Hurrikan scheint westlich an Jamaika vorbeizuziehen. Weiterhin Hurrikanwarnung Alle Flüge fliegen planmäßig. aus

MBJ MEZ

Montego Bay Mitteleuro-

päische Zeit

Meldung aus MBJ Entwarnung: Hurrikan zieht in Richtung Mexiko.

Meldung aus Kuba Die Insel Cayo Largo wird evakuiert.

Es sind keine TUI Gäste betroffen. Der Sturm befindet sich auf dem offenen Meer. Eine Vorhersage ist schwer möglich, da er sich nicht bzw. kaum spürbar bewegt.

Meldung aus Mexiko/ CUN Hurrikanwarnung für Yucatan. 1.

Der

Flughafen CUN bleibt geöffnet.

Krisensitzung

wird beschlossen, die abreisenden Gäste am 27.10. planmäßig fliegen zu lassen, da damit gerechnet wird, dass der Hurrikan nicht die touristischen Gebiete (Cancun und Playa del Carmen) beeinträchtigt.

es

27.10.98

Meldung aus CUN (01.00h MEZ) Hurrikan der Stufe 5 (bis 290 km/h).

Es wird erwartet, dass der Hurrikan gegen 17.00H MEZ Chetumal erreicht (ca. 350km südlich von CUN). Eine genaue Vorhersage ist jedoch nicht machbar. Der Flughafen CUN ist noch geöffnet. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde die Situation genau beobachtet und alle betroffenen Bereiche (Produktmanagement, Beförderung, Presse, Vertrieb, Kundenservice, Robinson sowie Veranstalter des Konzerns) von der TUI Deutschland zentral über die Entwicklung informiert. Wahrnehmungsproblematik: ab welchem Zeitpunkt ist mit der Einschränkung gebuchter Leistungen bei den Kunden zu rechnen? Der Verlauf des Hurrikans war auch vom Deutschen Wetterdienst nicht vorhersehbar. Ein weiteres Problem ist der Zeitunterschied.

Drever/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanaqement

27.10.98 06.00h MEZ: Alle

231

Flüge gehen planmäßig aus Deutschland

'raus.

09.00h MEZ: 2. Krisensitzung Maßnahmen: es wird geprüft, ob die bereits gestarteten Maschinen in der Dom.Rep. für den Fall der Schließung des Flughafens CUN zwischenlanden können. Rückflieger werden ex CUN abgeholt. Hotelkapazitäten in der Dom. Rep. werden geprüft. Noch keine externe Kommunikation erforderlich. -

-

14.30h MEZ: Meldung aus CUN Bedingt durch die Ausläufer des Hurrikans starke Flutwellen. Robinson Club betroffen. Alle Hotels prüfen Vorräte und treffen Vorkehrungen für die Gäste, damit die Sicherheit gewährleistet werden kann. TUI Gäste bekommen Verhaltenshinweise von ihrer Reiseleitung. Die weitere Entwicklung des Hurrikans ist nicht vorhersehbar. Der Flughafen CUN ist weiterhin geöffnet. 15.30h MEZ: 3. Krisensitzung die folgenden Maßnahmen/Sprachregelung werden beschlossen: aufgrund der unsicheren Situation Kündigung des Reisevertrages für die bereits fliegenden Kunden (höhere Gewalt). Den Kunden wird der Aufenthalt in der Dom. Rep. (ohne Mehrpreis) empfohlen. Maschinen werden umgeroutet, die Gäste werden während des Fluges informiert und von TUI Reiseleitern in der Dom.Rep. empfangen. Bei einer anhaltenden Öffnung des Flughafens CUN werden aus CUN abreisende Gäste zurückbefördert. Reisebüros werden über IRIS-System informiert. das Call Center hat die „Krisen-Hotline" geschaltet. kostenlose Umbuchungen werden bis zur Abreise 01.11.98 zu gelassen. Weitere Entscheidungen werden je nach Entwicklung am 28.10. -

-

-

-

-

getroffen.

Unterschieden wird nach Gästen, die sich bereits im Gebiet befinden = Betreuung durch Reiseleiter vor Ort, Rückbeförderung nicht gefährdet. Kommunikation über Satellitentelefone. bereits reisende Gäste = Gäste werden durch Carrier währen des Fluges informiert und bei der Landung durch Mitarbeiter der TUI betreut noch reisende Gäste = Modifikationen werden zugelassen, Kommunikationsmedien werden freigeschaltet.

-

-

-

Innerhalb des Konzerns werden die Entscheidungen im Quellmarkt beschlossen. Es besteht jedoch ein enger Kontakt der Krisenstäbe der betroffenen Veranstalter TUI Deutschland, TUI Suisse und TUI NL. Presseanfragen werden ausschließlich vom Bereich Presse gemäß der vereinbarten Sprachregelung beantwortet. -

-

Drever/Drever/Rütt: Touristisches Krisenmanaqement

232

27.10.98 21.00h MEZ: Metdung aus CUN Der Robinson Club Tulum wird aufgrund des weiterhin ansteigenden Meeresspiegels evakuiert. Gäste werden nach Playa del Carmen in ein Riu Hotel gebracht. Wann und ob der Flughafen geschlossen wird, ist noch unklar. Der Hurrikan ändert seine Richtung ständig und bewegt sich

langsam. Die weitere Entwicklung ist kaum vorhersehbar und abgewartet werden.

nur

muss

28.10.98 03.30h MEZ: Meldung aus CUN Der Hurrikan nimmt an Stärke ab. 30.11. erwartet.

Kategorie 4. Ein Landfall wird am

13.30h MEZ: Meldung aus CUN Prognose über den weiteren Verlauf sind schwierig. Der Sturm bewegt sich mit einer Geschwindigkeit von 0-1 km/h. Meeresspiegel steigt stark an. Bisher wurden keine größeren Schäden an den Vertragshotels gemeldet.

Die weiteren Informationen aus dem Gebiet erfolgen nun mehrmals täglich. Es zeichnet sich langsam eine Entspannung der Lage ab eine Entwarnung kann jedoch noch nicht gegeben werden. -

28.10.98 10.00h MEZ: 4. -

Krisensitzung mit folgendem Beschluss: Umbuchungen werden vom Vertrieb für das Gebiet CUN bis zum 01.11.98 angeboten.

18.30h MEZ: 5. Krisensitzung: aufgrund der unsicheren Lage und dem erhöhten Druck der Medienberichterstattung wird die Umbuchungsmöglichkeit bis zum 04.11.98 verlängert. nächste Anreise 30.10. verläuft vorerst planmäßig. Eine endgültige Entscheidung ist abhängig vom Verlauf des Hurrikans.

-

-

Im Verlaufe des 29.10.98 werden Vorbereitungen getroffen, um den am 30.10. anreisenden Gästen eine mögliche Alternative anbieten zu können. Kunden werden später aktiv vom Vertrieb der TUI informiert. Alternativen werden angeboten. Am 30.10.98 erfolgt die Entwarnung aus CUN. Die evakuierten Gäste können wieder in den Robinson Club umziehen. Der Meeresspiegel sinkt. Der Krisenstab trifft sich abschließend. Es wird festgestellt, dass ab dem 30.10.98 das Gebiet CUN wieder normal bedient wird.

c

Operatives Geschäft Praxisbeispiele

Glüsing: Das System des Yield Managements im integrierten Touristikkonzern

233

Das System des Yield Managements im integrierten Touristikkonzern Claus

1. 2.

Glüsing

Einleitung und Definition.234 Zielsetzung und Entwicklung des Yield Managements.234 2.1. Voraussetzungen für den sinnvollen Einsatz des Yield Managements.234 2.2. Ziele des Yield Managements.235 2.3. Historie und Transformation des Yield Managements.236 Yield Management in der Touristik.237 3.1. Besonderheiten zwischen Ferien- und Linienflügen.238 .

3.

Die „Unterkunft" als zusätzliche Dimension.239 Komplexitätszunahme durch eine Kombination der Ressourcen .240 Methoden der Yield Steuerung in der Touristik.241 4.1. Risikomanagement Flug.243 4.2. Synergiepotential Unterkunft.244 4.3. Die integrierte Steuerung.245 Zusammenfassung und Ausblick.246 3.2. 3.3.

4.

-

-

5.

Zusammenfassung: Das Yield Management als Methode zur Ertragsoptimierung hat sich ausgehend vom Linienflugverkehr auch in anderen Branchen etabliert und die spezifischen Rahmenbedingungen von Produkt, Preis und Markt jeweils adaptiert. In der Touristik sind dies insbesondere die hohe Komplexität der Kombination von zwei Komponenten mit unterschiedlicher Steuerungslogik und die besondere Bedeutung von Änderungen der Angebotsmenge zusätzlich zu Preisänderungen. Der starke Druck auf die Margen durch intensiveren Wettbewerb hat die Entwicklung von YMSystemen beschleunigt. In integrierten Reisekonzernen sind die Potenziale dieser Systeme zwar höher, jedoch zunehmend auch die Komplexität der Steuerungslogik. Der Reifegrad der Steuerungssysteme in der Touristik ist verglichen mit dem Linienflugverkehr noch gering. -

-

Weiterführende Literatur: Cross, R. G. (1997): Revenue Management: Hard Core Tactics for Market Domination, New York, 1997. Faßnacht, M. (1996): Preisdifferenzierung bei Dienstleistungen, Implementationsformen und Determinanten, Wiesbaden, 1996. Claus

Glüsing

ist Direktor, Leiter Yield

Management und Quellmarktstrategie TUI Deutschland.

Glüsing: Das System des Yield Managements im integrierten Touristikkonzern

234

1.

Einleitung und Definition

Beitrag beschreibt die Grundlagen und Ziele des Yield Management (YM) und enthält Beispiele für den Einsatz des Yield Management bei einem integrierten Reiseveranstalter. Für einen Touristikkonzern werden sowohl Methoden der Yield Steuerung als auch neue Aspekte einer Internationalisierung des YMAnsatzes beleuchtet. Dieser

Begriff des Revenue- oder YM wird in der deutschsprachigen Literatur als Ertrags- und Umsatzmanagement oder auch als umsatz- und ertragsorientierte Produkt- und Preispolitik verwendet. (Zehle 1991, S. 486) Als Yield bezeichnet man im Luftverkehr den Ertrag bzw. Umsatz pro angebotenen Passagierkilometer einer Airline. Das YM beschreibt den Prozess einer dynamischen PreisMengensteuerung, bei dem mit Hilfe integrierter Informationstechnologien und unter Berücksichtigung des Nachfrageverhaltens eine ertragsoptimale (im Gegensatz zu einer auslastungsoptimalen) Nutzung der Kapazitäten angestrebt wird (Bertsch 1996, S. 2257 f.). Der

2.

Zielsetzung

2.1.

Voraussetzungen für den sinnvollen Einsatz des Yield Managements

und

Entwicklung des Yield Managements

Produkte der Reise- und Touristikindustrie weisen charakteristische Merkmale auf, die den Einsatz von YM Systemen sinnvoll und möglich machen. Dazu gehören: • • •

die Verderblichkeit der Leistung, ein hoher Fixkostenblock und das Buchen (frühe Optionierung des

Konsums).

Verderblichkeit der Leistung: Eine solche Dienstleistung kann nur in Anwesenheit des Konsumenten erfolgen („uno-actu Prinzip"). (Meyer/Mattmüller 1987, S. 188) Demzufolge kann diese Dienstleistung nicht auf Vorrat produziert und gelagert werden (Meyer 1993, S. 183). So ist z.B. die Produktion einer „Roomnight" im Hotel ohne Abnehmer am nächsten Morgen vollkommen wertlos. -

-

Fixkosten: Die variablen Kosten der Produktion sind gemessen an einem vergleichsweise hohen Fixkostenanteil gering. Für ein Hotel in guter Innenstadtlage z.B. fällt ein Großteil der Kosten an, auch wenn keine Gäste dort übernachten. Auch bei einer Linienfluggesellschaft ist der Anteil der variablen Kosten bei einem festen Flugplan gering. Ein Unternehmen, das mit einem hohen Fixkostenblock konfrontiert ist, muss somit möglichst ununterbrochen produzieren, um diese Kosten auf viele produzierte Einheiten zu verteilen. -

-

Die Nachfrage ist demgegenüber starken zeitlichen und saisonalen Schwankungen unterworfen. Zusammen mit der Nichtlagerbarkeit führt das zu einem verglichen mit anderen Industrien höheren Einsatz von Preisreduktionen. Die Variabilisierung des Parameters Preis gewinnt an Bedeutung, weil ein Kunde, der -

-

Glüsing: Das System des Yield Managements im integrierten Touristikkonzern

235

etwas mehr als die variablen Kosten deckt, ein willkommener Kunde sein kann. Die extremen Niedrigpreise einiger Fluggesellschaften an bestimmten Terminen (und für begrenzte Kontingente) machen dies deutlich.

wenigstens

(Optionieren des Konsums): Das dynamische Spiel zwischen Angebotsmengen und Nachfrageelastizitäten kann umso besser gespielt werden, je frühzeitiger die Konsumenten ihre Kaufentscheidung kundtun. Die häufig frühe Optionierung des Konsums (das Buchen) verbessert die Chance des Dienstleisters, die Verfügbarkeit der Preise optimal zu dimensionieren. Die Buchungspflicht als Datenlieferant für die Abschätzung der Endnachfrage ist eine wichtige Voraussetzung für alle Maßnahmen im Zusammenhang mit einer marktkonformen Angebotsgestaltung. Eine Abschätzung der Nachfrage ist umso anspruchsvoller, je kurzfristiger die Buchungen erfolgen und je dynamischer sich Nachfragestrukturen ändern. Buchen

2.2. Ziele des Yield

Managements

Die zentrale Aufgabe des YM besteht darin, die zu jedem Zeitpunkt optimale Angebotsmenge zu bestimmen, und zwar zu Preisen, die die unterschiedliche Zahlungsbereitschaft je Kundensegment berücksichtigen. Ziel ist die Ertragsoptimierung. Aus diesem Grund bedarf es eines Instrumentariums, welches: •



die bedienten Märkte sinnvoll segmentiert und damit eine Preisdifferenzierung zulässt und die Steuerung der Verfügbarkeit dieser Preise (über Kontingente) unterstützt.

Marktsegmentierung ist es, die Märkte in möglichst in sich homogene, gegeneinander aber heterogene Segmente einzuteilen (Faßnacht 1996, S. 29). Insbesondere Segmentierungskriterien wie Vorausbuchungsfristen, Mindestaufenthalte oder Umbuchungsmöglichkeiten sind übliche Differenzierungsmerkmale für eine Preisdifferenzierung. Dies gilt insbesondere bei Geschäftsreisenden. Bei Reiseveranstalterprodukten hat die Flexibilität allerdings keinen so großen Stellenwert, weil diese nicht derivativ, d.h. nicht abgeleitet von dem eigentlichen Reisegrund (Besuch, Meeting, Messe, etc.) sind. Die Marktsegmentierung in touristischen Unternehmen erfolgt deshalb eher nach Urlaubsmotiven (z.B. Golf spielen) und soziodemographischen Daten (z.B. Familien). Durch die Instrumente der Segmentierung der Nachfrage sowie einer preislichen Differenzierung wird im YM die Grundlage geschaffen für „(...) selling the right product to the right customer at the right time for the right price" (Cross 1997, S. 10 f.). Hierbei entscheidet schließlich die Verfügbarkeit des „richtigen" Preises über den Erfolg. Ziel der

Steuerung der Verfügbarkeit von Preisen geschieht über Preisklassen. Die Dimensionierung dieser Klassen wird von ..decision support" IT unterstützt, um mehrere parallel im Markt angebotene Preise mit den optimalen Angebotsmengen, d.h. Kontingenten zu versehen. In der Regel werden höherwertige Kontingente für Spätbucher geschützt, d.h. wer seine Reiseentscheidung spät trifft, zahlt Die

-

normalerweise einen höheren Preis. In der Touristik ist hier das Bild eher uneinheitlich (Frühbucherrabatte einerseits und Preisnachlässe im Last Minute-Bereich

Glüsing: Das System des Yield Managements im integrierten Touristikkonzern

236

andererseits). Eine entscheidende Schlüsselrolle bei der Berechnung Nachfrage kommt hierbei der Prognose zu.

der

zu er-

wartenden

2.3. Historie und Transformation des Yield

Managements

Linienfluggesellschaften: Die ersten IT (Informationstechnologie)-unterstützten Verfahren im YM wurden als Reaktion auf den extremen Angebotsdruck in den amerikanischen Luftverkehrsmärkten nach dem ..Deregulation Act" der US-amerikanischen Luftverkehrsbehörde Anfang der 80er Jahre entwickelt ( Darrow, Leimkuhler, Smith 1992, S. 10). Die Preise verfielen bei Überkapazitäten und es war dringend notwendig, diejenigen Ereignisse rechtzeitig zu identifizieren, bei denen die Nachfrage hoch sein würde, also keine Preissenkungen nötig waren. Als Basis dieser ersten Systeme dienten Buchungsdatenanalysen. Die Anzahl der Buchungen für jedes Einzelereignis in jeder Buchungsklasse zu jedem Zeitpunkt im "Buchungsleben" des Fluges entwickelte sich zum wichtigsten Parameter zur Prognose der Nachfrage für Linienflüge. Die daraus entstehenden Buchungskurven lassen sich zu Clustern verdichten, d.h. bestimmte Relationen (HamburgMailand) und/oder Verkehrstage (Freitag) und/oder Abflugzeitpunkte (08.15 Uhr) und/oder Buchungs-klassen (K-Klasse) weisen ähnliche Buchungsverläufe auf. Aktuell zu prognostizierende Ereignisse mit einer bekannten Anzahl von Buchungen können dann mit diesen Clustern verglichen werden, um eine Abweichung als Handlungsauslöser zu erkennen. Diese Prognosen vom typischen Verlauf bilden wiederum die Grundlage für die Entscheidung, welcher Teil der Kapazität welcher Preisklasse zur Verfügung stehen sollte. -

-

Diese Verfahren sind für die Prognosen touristischer Nachfrage nutzbar. Gründe dafür und Lösungen für das Problem werden im ziert.

allerdings kaum Kapitel 4.3 skiz-

Der Entwicklungsschub der vergangenen Jahre, ermöglicht durch eine immer effizientere IT, wurde vor allem durch die sehr schnelle Amortisation der Systeme gerechtfertigt, denn: Ein gestiegener Durchschnittsertrag um nur wenige Prozentpunkte der gut ausgelasteten Flüge hat einen erheblichen Einfluss auf den Umsatz, ohne die Produktionskosten zu erhöhen. -

-

Hotels: Die Entwicklung der YM-Systeme im Hotelsektor verlief aus verschiedenen Gründen langsamer: Im Hotelsektor gab es zunächst wenige globale Strukturen, wodurch die Potenziale begrenzt waren. Zum anderen weisen Hoteliers einen hohen Anteil von Stammkundschaft aus, die nicht mit extremen Preisschwankungen verunsichert werden sollten. Der Hauptteil an Buchungen schließlich erfolgte traditionell über die Zentralreservierung, wodurch eine „persönliche Bewertung" der Anfrage durch das Hotel möglich war und heutzutage noch ist. nur große Hotelketten deren Potenziale sich aber wegen der lokalen Besonderheiten nicht sofort überall erschließen ließen. Die Optimierungsproblematik bei Hotels ist durch die Einbeziehung der Aufenthaltsdauer

Bedingt durch die genannten Faktoren haben zunächst

(z.B. Marriott, Hyatt) eigene Systeme entwickelt,

Glüsing: Das System des Yield Managements im integrierten Touristikkonzern

237

vergleichbar mit Linienfluggesellschaften, deren Kunden mehrere Male umsteigen, um zum Ziel zu gelangen. Streng genommen geht es nicht nur um die Bewertung einer Nachfragesituation an einem Tag/bei einem Flug, sondern um die Summe der von einer Buchung betroffenen Produkte. Ein Konzept, welches einen Lösungsansatz für diese Verdrängungsproblematik bietet, ist das "Bid Pricing". Dabei werden neben den variablen Kosten alle Verdrängungskosten einer Buchungsanfrage addiert und mit dem „gebotenen" Preis der Anfrage verglichen, bevor über eine

Akzeptanz entschieden wird.

Integration von Flug und Unterkunft: Eine der größten Herausforderungen bezüglich der Prozesse und IT-Systeme in der Optimierung der Ertragssteuerung bei touristischen Konzernen liegt in der Integration von Flug und Unterkunft, weil: •





Zeitpunkt(Flug)- und Zeitraum(Hotel)- bezogene Dimensionen kombiniert werden müssen, ein nahezu weltweites Angebot mit starken substitutiven Wirkungen existiert extrem heterogene Partner mit unterschiedlicher Aufgeschlossenheit gegenüber einer Ertragssteuerung aus Konzernsicht koordiniert werden müssen.

Andere Branchen: In den vergangenen zehn Jahren hat sich YM auch bei Autovermietungen, Frachtfluggesellschaften, den Bahnen, privaten Krankenhäusern, Energieversorgern und sogar Rundfunk- und Femsehstationen etabliert. Jede dieser Industrien bietet dabei neue Optimierungsdimensionen.

3.

Yield

Management in der Touristik

Für den klassischen Touristikkonzern in Deutschland stand das YM nicht im Mittelpunkt. Gründe dafür sind z.B.: •



Stetig wachsende Märkte mit sicheren Margen Steuerung gering. Die rechtlichen Bedingungen in Deutschland

lange

hielten den Bedarf

an

Zeit

einer

schränkten und schränken weiterhin die preisliche Flexibilität eines Reiseveranstalters verglichen mit z.B. einer Fluggesellschaft stärker ein (Preisangabenverordnung und Wett-

bewerbsverordnung).



Während im Linienflugverkehr eine Reservierungslogik mit Klassenstruktuund damit mehrere Preise für ein im Wesentlichen gleiches Produkt ren anerkannt ist, findet eine Preisdifferenzierung für touristische Produkte immer noch wenig Akzeptanz. Kam es zu Beginn durch Vollcharter von Flügen bei hoher Nachfrage zu guter Auslastung, gab der Veranstalter in der Folgezeit einen Teil der Plätze bei fehlender Nachfrage zurück in die Verantwortung des Carriers, welches dort zum Aufbau des Einzelplatzgeschäftes führte. Erst heute tragen -



-

Glüsing: Das System des Yield Managements im integrierten Touristikkonzern

238

die integrierten Konzerne in einem schwieriger gewordenen Marktumfeld wieder die volle Auslastungsverantwortung für die gesamte Flugkapazität. -

-

Die Touristik entwickelte sich aber zunehmend zum Nachfragemarkt. Ausreichende Kapazitäten im Markt und eine gewachsene Konkurrenzsituation drücken die Margen. Integrierte Reisekonzerne erwarten aber mindestens marktübliche Renditen über die gesamte touristische Wertschöpfungskette von der Leistungserstellung bis zum Vertrieb. Ein leistungsfähiges YM ist die Voraussetzung dafür, alle Chancen zu erkennen, die ein dynamischer Markt in diesem Umfeld bietet und mit Mengen und Preisen schnell und angemessen zu reagieren. Vor diesem Hintergrund gewinnt das Thema YM für diese Unternehmen zunehmend an strategischer Bedeutung. Die spezifischen Besonderheiten bei der Ertragssteuerung in touristischen Konzernen sollen im Folgenden skizziert werden.

3.1. Besonderheiten zwischen Ferien- und

Linienflügen

festen „Produktionsund Streckenführung verlassen, was wiederum zu Lasten der Flexibilität der „Produzenten" geht. Auch Kapazitätsanpassungen durch „Aircraft Changes" sind vor dem Hintergrund komplexer Umläufe nur eingeschränkt möglich. Deshalb steht von Anfang an die Steuerung der Verfügbarkeit der verschiedenen Leistungen und vor allem der Preise bzw. Konditionen im Vordergrund.

Linienfluggesellschaften veröffentlichen langfristig einen plan". Die potenziellen Kunden können sich auf Abflugzeiten

Das Produkt der Ferienfluggesellschaften dagegen findet sich zumeist als Bestandteil in den Pauschalreisen wieder. Es ist in dieser Form derivativ, d.h. der Kunde entscheidet sich nicht primär für den Flug, sondern für das Zielgebiet und/oder das Hotel. Sollte sich die Nachfrage z.B. vom östlichen in das westliche Mittelmeer verlagern, würden Flugzeugumläufe z.B. von Rhodos nach Palma verlegt werden können. Konkrete „Produktionspläne" sind also nachfragebezogen

anpassungsfähig.

Im Vergleich zu Linienfluggesellschaften entstehen hierdurch Freiheitsgrade; auch der Schwerpunkt der Steuerungsaktivitäten zumindest in frühen Phasen der Anpassung des Planes an die aktuelle Marktsituation wird auf die Angebotsmenge gelenkt. Während also Linienfluggesellschaften auf eine dynamische Marktnachfrage, die in Form von Buchungen messbar ist, eher mit Änderungen der Verfügbarkeit von Preisen reagieren, nutzen Ferienfluggesellschaften heute im deutschen Markt zwei Hebel, die Mengen- und die Preisanpassung (vgl. Abb. 1). -

-

Für das YM in Touristikkonzernen bedeutet das, dass der Angebotsmenge als Handlungsparameter ein größeres Gewicht als bei den klassischen Anwendern zukommt. Allerdings stoßen auch Änderungen im Produktionsplan bei Ferienfluggesellschaften an Grenzen. Zum einen erhöhen häufige Schwankungen im AngeZum anderen führen häufige, kurzfristige Disposibot von Flügen

Leerfluganteile1.

Wird an einem oder mehreren Terminen eine erhöhte Kapazität bei erhöhter Nachfrage (z.B. Ferienbeginn) angeboten und liegt bei Rückflug der Gäste keine ähnliche Hinflugnachfrage vor (z.B. Ende der Ferien), entstehen innerhalb der Saison erhöhte Leerfluganteile, d.h. Flugsegmente ohne korrespondierende Erlöse. 1

Glüsing: Das System des Yield Managements im integrierten Touristikkonzern

239

tionsmaßnamen zu Reklamationen bei den Gästen. Neben den anfallenden Kosten für das Unternehmen kann diese Maßnahme aus Sicht des Kunden die Qualität des Produktes im Vorfeld beeinträchtigen. Die TUI hat deshalb die 5-WochenFrist für Dispositionen eingeführt. Werden die Reiseunterlagen 3 Wochen vor Abflug erstellt, so stellt die Einstellung der Disposition sicher, dass sowohl für den Hinflug, als auch für den Rückflug 14 Tage später nicht Unterlagen ein zweites Mal produziert werden müssen.

3.2. Die „Unterkunft" als zusätzliche Dimension Das Produkt eines Touristikkonzerns beinhaltet heute mindestens zwei Komponenten, deren Auslastung und Ertrag im Sinne des YM gesteuert werden müssen. Neben der Flugbeförderung ist das die Unterkunft. Die Bedeutung der Unterkunft für die Qualität des Produktes ist offensichtlich. Den längsten Teil der Urlaubsreise verbringt der Kunde im oder am Hotel. Da dessen Merkmale die Entscheidung für eine spezielle Reise wesentlich beeinflussen, legen Veranstalter großen Wert auf möglichst exklusive Vermarktung von Objekten in guten Lagen. Der Veranstalter gewinnt an Attraktivität für den Hotelier durch die Fähigkeit, Menge und Qualität zu liefern. Veranstalter, deren Klientel einerseits groß und andererseits wenig preiselastisch ist, können dem Hotelier Auslastungsprobleme nehmen und darüber hinaus entscheidende F&B-Umsätze bringen. Somit steigt natürlich die Bereitschaft der Hoteliers, mit dem Veranstalter Exklusivitäten zu vereinbaren.

240

Glüsing: Das System des Yield Managements im integrierten Touristikkonzern

Darüber hinaus sichern sich die touristischen Konzerne durch den Erwerb von Beteiligungen oder durch Auslastungs- oder Umsatzgarantien interessante Bettenkapazitäten. In diesen Fällen übernehmen die Veranstalter das Auslastungsrisiko. Deshalb ist auch die Steuerung der Unterkünfte ein entscheidendes Kriterium für den wirtschaftlichen Erfolg.

3.3.

Komplexitätszunahme durch eine Kombination der Ressourcen

Die Komponenten Flug und Unterkunft im Produkt „Pauschalreise" haben sehr unterschiedliche Charakteristiken, die bei der Steuerung berücksichtigt werden müssen. In der Praxis finden verschiedene Konzepte Anwendung. Im folgenden Abschnitt werden die zwei extremen Ausprägungen vorgestellt: •

Die reine Produktsteuerung Schon in der Planungsphase werden die Komponenten einer Reise fest verbunden, so dass der Kunde sie auch nur in dieser festgelegten Kombination erwerben kann.

Der Kunde erhält also vorkonfektionierte Ware, deren Mengenbalance für den Veranstalter feststeht. Das bedeutet, dass eine reine Produktsteuerung stattfindet und Mengen kaum mehr angepasst werden (können). Die Präferenzen der Nachfrager, was Aufenthaltsdauer und Kombination von Reisetermin, Abflughafen und Hotels betrifft, können hier nicht in dem Maße erfüllt werden, wie bei einer freien Kombinierbarkeit dieser Komponenten. Deshalb ist es zumindest theoretisch wahrscheinlich, dass die Preissenkungen in diesem Modell höher ausfallen müssen, um bei Nachfragelücken die Kapazitäten auszulasten. -



-

Die freie Kombinierbarkeit von Komponenten Im Rahmen der Planung werden die Mengen dieser beiden Komponenten aufeinander abgestimmt. Die Kunden können Hinflüge, Hotels, Aufenthaltsdauern und Rückflüge frei kombinieren. Bei über 200 Hotels auf Mallorca mit unterschiedlichsten Verpflegungs- und Unterkunftsvarianten, mit über 20 Abflughäfen in Deutschland mit manchmal mehreren Verbindungen am Tag und beliebig kombinierbaren Rückflügen und damit Aufenthaltsdauern ergeben sich bei TUI D hunderttausende von frei durch den Kunden gestaltbare Produkte. Damit wird sichergestellt, dass die Produkte maßgeschneidert an die Bedarfe der Kunden angepasst werden können. Nachfragespitzen wirken sich in diesem Modell unmittelbarer auf die dann knappen Ressourcen aus (z.B. Hinflüge kurz vor Ostern) und müssen eher noch als bei der reinen Produktsteuerung im Katalogpricing berücksichtigt werden (z.B. über Flugzuschläge). -

-

-

-

Glüsing: Das System des Yield Managements im integrierten Touristikkonzern

Abb. 2: Unterschiedliche

241

Konzepte der Produktsteuerung

Reine Produktsteuerung beim Pauschalpaket

Freie Kombinierbarkeit von

Komponenten

I X 1 Hotel

Hotel

+ Rückflug

Quelle:

Eigene Darstellung Die einmal geplante mengenmäßige Balance zwischen Unterkunft und Flug gerät hier regelmäßig aus dem Gleichgewicht: Eine von der Planung abweichende Aufenthaltsdauer der Reisenden führt zu einem Mangel oder zu einem Überschuss an Flugsitzen. Ebenso schafft ein hoher Anteil von NurFlug Verkäufen einen Überschuss an Unterkunftskapazitäten. Im Gegenwiederum theoretisch die satz zur reinen Produktsteuerung können Preise wegen einer höheren Trefferquote bei den Nachfragepräferenzen -

-

auch höher sein.

Aber: Bei beiden skizzierten Konzepten schafft die Nachfrageentwicklung Steuerungsbedarf, weil ein tendenziell konstantes Angebot auf saisonal schwankende Nachfrage trifft. Steuerung im Sinne von Mengen- und/oder Preisanpassung ist also in beiden Fällen notwendig.

4.

Methoden der Yield

Steuerung

in der Touristik

Spezifika und Kombinierbarkeit der Produktkomponenten repräsentieren in einem integrierten Reisekonzern nur eine Ebene der Steuerung. Das übergeordnete Ziel besteht darin, • • •

über alle Quellmärkte, über alle Marken und über alle Stufen der Wertschöpfungskette

Glüsing: Das System des Yield Managements im integrierten Touristikkonzern

242

den Ertrag zu optimieren. Das Potenzial der Steuerung nimmt bei vertikal und horizontal integrierten Konzernen erheblich zu die Komplexität und damit der Aufwand für Integration und Steuerung allerdings auch. Bei der Auswahl der Methoden der Yield Steuerung ist eine Beurteilung der Bedeutung von zentralen Synergien, der unternehmerischen Funktion des Veranstalters, sowie der Komplexität bzw. der erforderlichen IT-Unterstützung notwendig, wie die folgende Abbildung veranschaulicht.

hinweg

-

Abb. 3: Yield

Dezentrale Steuerung in den Quellmärkten in den

Wertschöpfungsstufen

Steuerung

(Internationale) versus

zentrale Steuerung über alle

Wertschöpf u ngsstufen

„Profitcenter" Wertschöpfung generiert das

Wertschöpfung generiert

Unternehmertum in freien Marktverhältnissen

insbesondere eine zentrale, Unternehmens- und

wertschöpfungsstufen-übergreifende Quelle:

Eigene Darstellung

der wirksamsten und sinnvollsten Integration der in den Wertschöpfungsstufen muss in einem Gesamtmodell beantwortet werden. Der Veranstalter ist prädestiniert, diese Integrationsrolle zu übernehmen, da Risikooptimierung genau seine Kernkompetenz ist. Er ist gewohnt, Flug, Unterkunft und teilweise sogar Vertrieb zu steuern. Um eine Integrationsrolle aber tatsächlich wahrzunehmen, müsste er aus seiner klassischen Veranstalterrolle der partiellen Risikobewältigung schlüpfen und gesamthaft das Risiko anderer Wertschöpfungsstufen übernehmen und dabei gleichzeitig die Rollen aller Beteiligten neu und kooperativ festlegen. Die Frage nach Steuerungsaktivitäten

markenübergreifende Steuerung im Flugbereich wegen des Quellmarktbezuges und der flexiblen Allokation dieses Produktionsmittels in die ertragreichste Verwendung über alle Zielgebiete durch den Quellmarkt und damit durch den Veranstalter Sinn macht, kann der Quellmarkt nur für die Auslastung eines Teiles der Unterkünfte verantwortlich sein. Damit verbleibt zumindest potenziell ein Rest an Synergien bei einer zentralen quellmarktübergreifenden Steuerung der Unterkunftskapazitäten.

Während eine zentrale,

-

-

Glüsing: Das System des Yield Managements im integrierten Touristikkonzem

Risikomanagement Flug

4.1.

-

Eine kundenorientierte markt statt. In

243

Steuerung

in der Touristik findet insbesondere im Quell-

Übereinstimmung

mit der Zuordnung von Verantwortung für diese Steuerung auch die Frage der internen Leistungspreise abgebildet werden. Grundsätzlich bestehen zwei Möglichkeiten bei der internen Preisbildung für Flugleistungen, deren Charakteristika anhand der folgenden Abbildung 4 dargestellt werden. muss

Abb. 4:

Möglichkeiten der internen Preisbildung für Flugleistungen

Marktpreis Orientierung Erträge je geprägt.

Markt (nimmt jedoch bei Eigenproduktionsanteil ab).

am

zunehmendem

Strecke sind stark historisch

Transparenz des Ergebnisanteils nicht direkt gegeben.

I Interner Leistungspreis Marktentwicklung schwer abbildbar. Leistungspreisbildung durch Aufschlag: Kosten plus absolut vs. relativ konstanter Aufschlag. Sehr übersichtliche Größe.

Unübersichtlichkeit bei „durchgerechnetem

Deckungsbeitrag" je Package. Bekannte Größe mit geringem Risiko im internen

Quelle:

Handling.

Eigene Darstellung

Interne Leistungspreise sind wesentlicher Bestandteil jeder integrierten Steuerung: marktorientierte Leistungspreise mit historisch entwickelten, nach Zielgebieten völlig unterschiedlichen Margen lassen erst bei Aufschlüsselung eine integrierte Gesamtergebnissicht zu, bewahren aber die Marktnähe. Bei dominanten Anteilen konzerneigener Carrier ist dies eine sinnvolle Lösung. Daneben kann es Leitungspreise geben, die durch fixe Aufschläge auf Kosten entstehen. Dies findet sich eher in traditionell integrierten touristischen Unternehmen, wie z.B. Großbritannien, wo der Anteil der eigenen Carrier über 90 Prozent ausmacht. Wie hier schon angeklungen ist, bestimmen die Marktstrukturen die Steuerungsschwerpunkte und -möglichkeiten. Abbildung 5 verdeutlicht die Quellmarktunterschiede am

Beispiel Flug.

Spielräume bei der Kapazitätsanpassung gestalten sich in den Märkten unterschiedlich. Auslastungsoptimierungen sind bei wenigen Abflughäfen leichter möglich und die rechtlichen Rahmenbedingungen können Restriktionen für das Pricing bedeuten.

Glüsing: Das System des Yield Managements im integrierten Touristikkonzern

244

Abb. 5:

Spezifische Quellmarktunterschiede

Großbritannien

Deutschland Große Anzahl

an

Abflughäfen mit geringer

Starke Konzentration der

Abflüge auf London

Konzentration.

und Manchester.

Disposition von Flügen zur Optimierung der Kapazität.

Wenig Disposition, Optimierung hauptsächlich

Preisattraktivität durch absolutes

Das

Starke

über den Preis.

Angebot ist attraktiv wegen der Abschläge.

Preisniveau.

Hoher Anteil

eigener Kapazitäten, geringer Kapazitäten (ca. 3:1).

Anteil fremder

Quelle:

4.2.

Extrem hoher Anteil der

eigenen

Fluggesellschaft (über 90%).

Eigene Darstellung

Synergiepotential

-

Unterkunft

Bei einem integrierten Touristikkonzern liegt der Gedanke einer zentralen quellmarkt-, und veranstalterübergreifenden Bettensteuerung zur Optimierung der

Hotelauslastung nahe. Durch die Bündelung und Steuerung von Nachfrage für Zielgebiete sowie einen zentralen Einkauf lassen sich Synergieeffekte realisieren. Die Potenziale sind jeweils abhängig von Zielgebiet, Region und Segment, wobei die Kundenbedürfnisse zwischen einzelnen Ländergruppen große Ähnlichkeiten aufweisen. So präferiert z.B. der deutsche, schweizer und italienische Markt hochwertige Hotels mit komplettem Service, während die Niederländer und Skandinavier eher Appartments mit Selbstversorgung wählen. Durch die unterschiedliche Saisonlage in den Quellmärkten kann der Hotelier für einen längeren Zeitraum die Belegung absichern. Quellmärkte versuchen dabei durch höhere Preisbereitschaften im Einkauf Bettenkapazitäten zu sichern.

Eine zentrale, quellmarktübergreifende ertragsoptimierende Bettensteuerung setzt sowohl eine genaue Kenntnis der Quellmarktnachfrage (Wann wird gebucht? Wieviel wird gebucht?) als auch eine genaue Kenntnis der Flugrisikoposition und des Verhältnisses von Betten zu Flugsitzen voraus. Gleichzeitig unterminiert die zentrale Steuerung (insbesondere nach Deckungsbeiträgen im Tagesgeschäft) die Ergebnisverantwortung und die unternehmerische Triebkraft der Veranstalter bei gleichzeitig deutlich zunehmender Komplexität. Vor dem Hintergrund begrenzter Überschneidungen und damit begrenzter Synergien sind Alternativen evtl. ü-

berlegen.

Ein quellmarktübergreifender Austausch von Bettenkapazitäten zwischen Veranstaltern kann dann die Synergien voll realisieren, wenn vollständige Transparenz Ein besteht. marktgerechter Austausch von Unterkunftskapazitäten sichert die Gesamtoptimierung im integrierten Reisekonzern, sowie die vollständige Mobilisierung der Potenziale des Veranstalters.

Glüsing: Das System des Yield Managements im integrierten Touristikkonzern

245

Die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten der Komponenten zu Pauschalreisen, unterschiedliche Risikopositionen und die Schnittstellen zwischen den Unternehmen in integrierten Reisekonzernen sind nicht ohne leistungsfähige IT-Systeme realisierbar. Die Anforderungen an IT-Systeme sind im Kern in allen Quellmärkten ähnlich, der jeweilige Entwicklungsstand sowie die Nutzung im Quellmarkt weisen jedoch erhebliche Diskrepanzen auf. Auf mittel- bis langfristige Sicht können gemeinsam genutzte IT-Systeme Kosten reduzieren und als eine Plattform für eine weitergehende Integration dienen.

4.3. Die

integrierte Steuerung

Die Aufgabe der integrierten Preise aus den Katalogen zu •





Steuerung

besteht darin,

optimieren, wenn:

Angebotsmengen und/oder

saisonale Schwankungen in der Nachfrage von der ursprünglichen Planung abweichen oder kurz- oder mittelfristige Markttrends die geplanten Nachfrageschwerpunkte verschieben (z.B. "Türkeiboom") oder generelle Änderungen im Nachfrageverhalten auftreten.

Wesentliches Hilfsmittel dazu ist eine ständig aktualisierte Abschätzung der Endnachfrage (Prognose). Klassische Prognoseverfahren (s. Kap. 2.3) sind hier nur bedingt verwendbar. Als Ursachen dafür können folgende Aspekte genannt werden: •





Für touristische Produkte gibt es Perioden intensiver Buchungsaktivität (z.B. Januar/Februar für den gesamten Sommer). Buchungskurvencluster für Zielgebiete lassen sich deshalb nicht bilden. Die Kurvenverläufe für MaiAbreisen nach Antalya sind nicht mit denen von Oktober-Abreisen vergleichbar, weil der Abstand der Buchungseingänge zum Abreisetermin stark variiert. Nachfragebestimmend für die Nachfrage nach Pauschalreisen ist das Zielgebiet und das Hotel. Bei Trendverschiebungen im Laufe der Saison sind Buchungskurven als 'guideline' ebenfalls unbrauchbar, weil die neuen Buchungsstrukturen in kein Cluster passen würden. Kurzfristig ist die Nachfrage sehr beeinflussbar durch Ereignisse im Zielgebiet. Das führt zu Wanderungen (z.B. höhere Nachfrage nach Griechenland- Produkten), die wieder in kein Buchungskurvencluster passen. Auf der Basis der Prognosewerte kann dann die Entscheidung zwischen Kapazitätsreduktion und zusätzlichen Vermarktungsaktivitäten gefällt und sukzessive eine Optimierung bis zur Abreise herbeigeführt werden. Wichtig ist die enge Abstimmung der beiden Aktivitäten sowie ein gestuftes Vorgehen bei den Vermarktungsaktivitäten, um mit Hilfe konkreter Maßnahmen den





Ertrag zu optimieren. In der Vergangenheit gab

es typische 'Frühbucherjahre' und Jahre, in den Last Minute Verkäufe eine größere Rolle spielten. Das Prognoseverfahren muss in der Lage sein, diese Trends zu erkennen und zu berücksichtigen. Kundensegmente sind heute nicht in Buchungsklassen subsummierbar. Deshalb muss das Prognosesystem des Reiseveranstalters segmentspezi-

246

Glüsing: Das System des Yield Managements im integrierten Touristikkonzern

fisches Verhalten (z.B. klassen identifizieren.

Kaufzurückhaltung

bei

Familien)

ohne

Buchungs-

Prognoseverfahren haben in dieser Branche also eine Vielzahl von Parametern zu berücksichtigen. Eine Lösungsvariante hierfür bilden neuronale Netze, die den Vorteil haben, das Gewicht, das bestimmte Parameter für die Endnachfrage haben, immer wieder selbst neu festlegen zu können. Die Handlungsoptionen für ein Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage sind in Kap. 3 beschrieben worden. Sie erfolgen zeitlich abgestuft unter Berücksichtigung der Balance zwischen Flügen und Hotelkapazitäten (insbesondere Ga-

rantiekontingente). 5.

Zusammenfassung und Ausblick

Management als Methode zur Ertragsoptimierung hat sich ausgehend Linienflugverkehr auch in anderen Branchen etabliert und die spezifischen Rahmenbedingungen von Produkt, Preis und Markt jeweils adaptiert. Das Yield

vom

In der Touristik sind dies insbesondere: •



die hohe Komplexität der Kombination von zwei Komponenten mit unterschiedlicher Steuerungslogik und die besondere Bedeutung von Änderungen der Angebotsmenge zusätzlich zu

Preisänderungen.

Der starke Druck auf die Margen durch intensiveren Wettbewerb hat die Entwicklung von YM Systemen beschleunigt. In integrierten Reisekonzernen sind die Potenziale dieser Systeme zwar höher, jedoch zunehmend auch die Komplexität der Steuerungslogik. Der Reifegrad der Steuerungssysteme in der Touristik ist verglichen mit dem Linienflugverkehr noch gering. -

-

Es gibt ein erhebliches Synergiepotenzial durch eine intelligente Verteilung von zentralen Steuerungselementen zusammen mit einer Quellmarkt-(Veranstalter-) Steuerung, wenn die Verantwortlichkeiten der Akteure in diesen Unternehmen sinnvoll definiert werden. Konzeptionell sind die verschiedenen Optionen relativ klar. In der Umsetzung gibt es allerdings noch Herausforderungen für die integrierten Reisekonzerne: Prozesse: Die Rollen der Akteure in der Wertschöpfungskette mit ihren jeweiligen Verantwortungsbereichen müssen definiert und das Zusammenspiel organisiert werden. Dabei ist auch die Einbindung der Vertriebskanäle und damit ein leistungsfähiger Transfer der Optimierungsentscheidungen in den Markt entscheidend.

Systeme: Komplexität und Modularisierung der Steuerungslogik ist ohne leistungsfähige ITSysteme nicht denkbar. Auch hier steht die Entwicklung noch am Anfang. Das Potenzial angepasster Lösungen im Tourismus ist über alle Wertschöpfungsstufen erheblich. Auf dem Wege zum Heben dieser Potenziale darf allerdings eines nicht vergessen werden, was Basis des erfolgreichen Veranstaltergeschäftes ist: der zufriedene Kunde!

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanuno und -Steuerung im Touristikkonzern

247

Integrierte Kapazitätsplanung und -Steuerung im Touristikkonzern Harry Hohmeister 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

Einleitung.248 Marktentwicklungen und Nachfragetendenzen.248 Definiton des Kapazitätsmanagements.254 Zielsetzungen des Kapazitätsmanagements.256 Kapazitätsplanung.257 Kapazitätssteuerung.260 Fazit .267

Zusammenfassung: Oie aktuellen Marktentwicklungen in der Touristikbranche und komplexere Unternehmensstrukturen erfordern ein zunehmend integriertes Kapazitätsmanagement. Die optimale Auslastung von Kapazitäten im integrierten Konzern erfolgt in einer zunehmenden Ausrichtung auf den externen Faktor Kunde. Kapazitätsplanung und Kapazitätssteuerung sind dabei wichtige Prozesse, die langfristig den Erfolg der Unternehmen im hart umkämpften Markt sichern können. Weiterführende Literatur:

Corsten, H., Stuhlmann, S. (Hrsg.) (1997): Kapazitätsmanagement in Dienstleistungs-unternehmen: Grundlagen und Gestaltungsmöglichkeiten. Wiesbaden. Cross, R.G. (1997): Revenue Management. Frankfurt a. M. Körfgen, R. (1999): Prozessoptimierung in Dienstleistungsunternehmen. Wiesbaden. Von der Heydt, A. (1998): Efficient Consumer Response: Basisstrategien und Grundtechniken, zentrale Erfolgsfaktoren sowie gobaler Implementierungsplan. München._

Harry Hohmeister ist Bereichsvorstand Kapazitäts- und Prozessmanagement der Thomas Cook AG._

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanunq und -Steuerung im Touristikkonzern

248

1.

Einleitung

Seit 1990 haben neue Entwicklungen im Markt und ein verändertes Kundenverhalten einen grundlegenden Strukturwandel in der Touristik verursacht. Dieser zieht erhebliche Konsequenzen für die Touristikunternehmen mit sich. Unternehmensstrukturen gestalten sich neu, das Kundenverhalten hat sich deutlich verändert und die Wachstumsraten der Industrie verlangsamen sich drastisch (ohne Kriseneinfluss). Dies beeinflusst die Wirtschaftlichkeit der Unternehmen erheblich. Angebot und Nachfrage müssen noch genauer aufeinander abgestimmt sein, um weiterhin rentabel arbeiten zu können. Zusätzlich zu den Besonderheiten, die die Touristik als Dienstleistung bei Produktion und Absatz aufweist (Bruhn, Meffert 2003, S. 50ff.) stellen starke saisonale Schwankungen sowie eine zunehmende Integration neuer Kapazitäten im Touristikkonzern hohe Ansprüche an die Unternehmensführung. Aus dieser Situation heraus entsteht die Notwendigkeit eines Kapazitätsmanagements, das gezielt die integrierte Planung und Steuerung der unternehmerischen Kapazitäten durchführt, um eine langhaltige win-win Situation für Kunden- und Unternehmen zu erreichen. sollen zunächst aktuelle Marktentwicklungen sowie Nachfragetendenund deren Auswirkung auf die Notwendigkeit des Kapazitätsmanagements analysiert werden. Im weiteren Verlauf werden Begriff und Inhalt des Kapazitätsmanagements erläutert und wesentliche Zielsetzungen definiert, um schließlich auf die wichtigen Funktionen der Kapazitätsplanung und -Steuerung und deren Instrumente Im

Folgenden

zen

einzugehen.

2.

Marktentwicklungen und Nachfragetendenzen

Die Touristikunternehmen sowie die Quellmärkte haben sich seit den neunziger Jahren einer Reihe von Veränderungen unterzogen. Diese Prozesse unterliegen einer erheblichen Dynamik, deren Tempo und Richtung es gilt zu erkennen und entsprechend darauf zu reagieren. Im Folgenden werden ausgewählte Entwicklungen daraufhin analysiert, inwiefern sie ein integriertes Kapazitätsmanagement als Steuereinheit im Konzern notwendig machen.

2.1.

Europäisierung der Unternehmensausrichtungen

Im Verlauf der vertikalen und horizontalen Integration der einzelnen Stufen der Wertschöpfung über Ländergrenzen hinweg stellt sich eine Europäisierung der Unternehmensausrichtungen ein. Die Thomas Cook AG ist in über 20 Ländern vertreten. Dabei verändern sich die zu betrachtenden Kapazitäten nicht nur hinsichtlich ihrer Größe, sondern auch hinsichtlich der Markt- und Nachfragetypologien einzelner regionaler und nationaler Märkte.

Aus Sicht des sentlichen die

Kapazitätsmanagements sind mit der Integration der Konzerne im WeSicherung touristischer Kapazitäten durch vertikale Rückwärtsintegrati-

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanunq und -Steuerung im Touristikkonzern

249

sowie die Absatzsicherung durch vertikale Vorwärtsintegration (Kirstges 1992, S. 228 ff.) verbunden. Die damit einhergehende Erhöhung der Wirtschaftlichkeit des Unternehmens durch die Kombination von Teilrenditen der einzelnen Leistungsträger kommt jedoch nur zum Tragen, wenn die entsprechenden Kapazitäten zentral und marktgerecht mittels eines Kapazitätsmanagements geplant und gesteuert werden können.

on

2.2. Die

Erhöhtes Risiko durch

Integration

Integration der Wertschöpfungsstufen

der Touristikunternehmen zieht des Weiteren ein erhöhtes Risiko mit

sich, da sich die unternehmerischen Risiken der vormals selbständigen Leistungsträger im Konzern entsprechend vereinigen. Abb. 1 stellt dar, inwiefern sich diese "Teilrisiken" in ein "Gesamtrisiko"

integrieren.

Abb. 1: Erhöhtes Risiko durch Erhöhtes Risiko durch

H""""

Integration der Wertschöpfungsstufen

Integration der Wertschöpfungsstufen

7-Täger Veranstalter hatten

Beschaffungsrisiko • Vermarktungsrisiko

Integrierte Veranstalter haben heute



.kurzfristige Risikooptimierung'



Betriebsrisiko



Investitionsrisiko

„langfristige Risikopositionierung 5-Jahres-Fokus

Quelle: Eigene Darstellung



Betriebsrisiko



vermindertes



erhöhtes Vermarktungsrisiko



Investitionsrisiko

*

Beschaffungsrisiko

notwendiges Risikomanagement und

Verbesserte Vermarktung



Vertriebsstärke



Marke / Produkt

250

2.3.

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanuno und -Steuerung im Touristikkonzern

Verändertes Wachstum

Das Wachstum in der Touristikbranche wird sich nach den starken Raten in den 90er Jahren zu einem moderaten Wachstum in nächster Zukunft entwickeln (vgl. Abb. 2). Abb. 2: Nach starkem Wachstum in den 80er Jahren stagniert der deutsche Ferienflugmarkt seit Anfang 2000

1993 Quelle: Eigene

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

Darstellung

Es wird davon ausgegangen, dass die Touristik auch in der Zukunft eine Wachstumsbranche bleibt. Jährliche Wachstumszahlen verschiedener Märkte sind ein Indiz dafür, dass in einem europäisierten Markt weiterhin gute Wachstumschancen bestehen (vgl. Abb. 3). Der Branche werden durchschnittliche Wachstumszahlen von 4 Prozent vorausgesagt.

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanung und -Steuerung im Touristikkonzern

251

Abb. 3: Die Touristik bleibt auch in Zukunft eine Wachstumsbranche

D

0 Wachstum p.a. 3,9%

GB

4,3%

F

7,5%

Skand.

3,4%

I

8,3%

Benelux

3,8%

E

9,1%

CH

0,8%

A

2,9%

PL

11,0%

Quelle: Eigene Darstellung

Kampf um Marktanteile in bestehenden und neuen Segmenten und Kundengruppen Aufgrund der beschriebenen Verlangsamung des Wachstums setzt ein Kampf um 2.4.

bestehende und

neue Kundensegmente ein. Der Kundenbindung und einer intensiveKundenorientierung kommt dabei besondere Bedeutung zu. Damit wird klar, dass diese Teil des Kapazitätsmanagements darstellen müssen. Insbesondere der verschärfte Preiskampf führt dabei in die falsche Richtung. Es muss vielmehr darauf ankommen, die Marke zu profilieren und über die Qualität des Produktes zu identifizieren, um für den Kunden einen Mehrwert zu schaffen (Brondmo 2000, S. 7). ren

Besonders im härter werdenden Kampf um Marktanteile ist auch die Neukundengewinnung von wesentlicher Bedeutung. Denn je geringer das Kundenpotenzial pro Unternehmen aus bestehenden Segmenten wächst, umso mehr müssen die durch Integrationsprozesse erweiterten Kapazitäten durch neue Segmente ausgelastet werden. Des Weiteren müssen abgewanderte Kunden zurückgewonnen bzw. durch Neu-

kunden ersetzt werden, um die Unternehmensziele zu sichern. Insbesondere im Hinblick auf neustrukturierte Angebote, wie z.B. das Baustein-Prinzip der Pauschalreise sowie der Verkauf von Teilleistungen über die einzelnen Leistungsträger zeichnet sich ein erhebliches Kundenpotenzial an bisherigen "Do-it-yourself-Urlaubern", ungefähr 40 Millionen Deutschen ab, das zukünftig stärker angesprochen werden muss. Ein integriertes, kundenorientiertes Kapazitätsmanagement ist hierbei ein wesentlicher Erfolgsfaktor im Konzern.

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanunq und -Steuerung im Touristikkonzern

252

2.5.

Überkapazitäten im touristischen Flugsegment

Das touristische Flugsegment weist erhebliche Überkapazitäten auf, die vor allem aus indirekten sowie direkten Subventionen resultieren. Eine Marktanpassung ist nach wie vor nicht realisiert. Wesentliche durch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) ermittelte Subventionen sind: • • •

fehlende direkte Beihilfen für ansässige

Steuerabschreibungsmodelle, die Besteuerung des Kerosins.

Fluggesellschaften;

Hinzukommt, dass auch Flughäfen erheblich durch die Anbindung an das Schienenund Straßennetz gefördert werden, die aus öffentlichen Mitteln finanziert sind. Insbe-

sondere profitiert das touristische Flugsegment von hohen steuerlichen Abschreibungen. Sie betragen bis zu 20 Prozent pro Jahr. Indirekte Subventionen in Form von Steuervergünstigungen spielen somit eine deutlich größere Rolle als direkte Beihilfen.

2.6. Verändertes Kundenverhalten Das Kundenverhalten hat sich vor allem hinsichtlich der Buchungsfrist stark geändert. Die Kunden buchen zunehmend kurzfristiger. Dies ist segmentübergreifend zu beobachten. Als Gründe dafür sind eine veränderte Einstellung zur Reise, die steigende Reiseerfahrung der Kunden sowie eine zunehmende Kurzfristigkeit der Verfügbarkeit im Arbeitsleben angeführt (vgl. Abb. 4). Abb. 4: Das Kundenverhalten verändert sich gravierend, Kunden buchen immer kurzfristiger in allen Marktsegmenten Zeitpunkt der Retssbuchung vor Reissantritt Plus und Minus 1999

50fT

Vergleich zum Vorjahres-

M Angaben in

-30H

-40^

1 -30

1 -2 3-4 5 Monate Monate Monate und _mehr_

Tage

Quelle: IPK-International- Deutscher Reise-Monitor 1999, München

%|

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanung und -Steuerung im Touristikkonzern

Des Weiteren ist eine

Polarisierung

der

Nachfrage

nach oben und unten festzustel-

len, was erhebliche Auswirkungen auf die touristischen Kapazitäten hat (vgl. Abb. 5). Abb. 5: Die Grauzone

Segment

„Mittleres Segment"- Die Mitte bricht weg

Obere Klasse

„individueller Qualitätsurlaub"

Untere Klasse

Mittelklasse

„Low-Cost Pauschalreise"

Komfort-Flug Polarisierung ! Komfort-Unterbringung Produkt

• •

Komfort-Transfer



Qualitätsleistungen Hochwertige Verpflegung Qualifiziertes, trainiertes,



motiviertes Personal Urlaub, Luxus, Belohnung statt "nur" verreisen

Transfer







2.7.

Darstellung

Budget/keine Zielgebietsleistungen



-

Quelle: Eigene

Budget- Flug Budget -Hotel Budget/kein

Selbstverpflegung

Reduzierter Komfort Wenig/kein Personal -> Reise nicht Urlaub -

Ergebnis: Veränderte Rahmenbedingungen im touristischen Umfeld und erhöhter Kosten- und Margendruck auf die Touristik

2.7.1. Veränderte

Rahmenbedingungen im touristischen Umfeld

Das touristische Umfeld hat sich im Zuge der dargestellten Entwicklungen stark verändert. Es sind insbesondere Veränderungen beim Integrationsgrad der Unternehmen, den Kundenansprüchen nach einem kundenorientierteren Unternehmen sowie neuen Kommunikations- und Vertriebstechnologien festzustellen. Aus diesem veränderten Umfeld heraus erwachsen Chancen einer intensiveren Kundenorientierung durch CRM Strategien (Bruhn/Homburg 2003), der Notwendigkeit eines Datenmanagements, einer schnelleren und flexiblen Steuerung z.B. durch das Revenue Management (Cross 1997) sowie einem konsistenteren Informationsmana-

gement.

Daraus erwachsen folgendermaßen Ansprüche an ein integriertes Kapazitätsmanagement, das eine kundenorientierte Konzernsteuerung ermöglicht. Hierzu muss mittels neuer Systemwelten ein durchgängiges Prozessmanagement geschaffen wer-

254

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanung und -Steuerung im Touristikkonzern

den, das mit Hilfe neuer Technologien diesen Ansprüchen gerecht werden kann. Es führt damit zur Notwendigkeit eines "Prozessredesigns" im Kapazitätsmanagement. 2.7.2. Zunehmender Kosten- und

Margendruck auf die Touristik

Die zweite Folge der aktuellen Marktentwicklungen ist ein zunehmender Kosten- und somit Margendruck. Die Fuelpreisentwicklung hat zu einer Verdopplung des Fuelaufwandes seit 1999 bis heute geführt. Weiterhin beeinflussen Währungsschwankungen die Margen. So sind zum Beispiel 40 Prozent der Flugkosten USD abhängig; Zielgebiete wie USA, Karibik, Mexiko, Ägypten, Türkei usw. werden in USD

gezahlt. Die

Konzerne erfordert Investitionen in Systeneue Medien und Technologien. Die zunehmende Kurzfristigkeit im Verkauf und zunehmende Transparenz erzeugt einen Preisdruck am Markt. Der Wettbewerb verschärft sich auch zunehmend im Bereich der qualitativ hochwertigen Betten. Gründe dafür liegen im veränderten Zielgebietsmix und Beteiligungen an Hotels. Die Kapitalkosten steigen.

steigende Komplexität der integrierten

me/Prozesse, die Personalausbildung und -rekrutierung sowie

Folge dieser Prozesse lässt sich eine höhere Komplexität und damit höhere Anforderungen an Planungs- und Steuerungsprozesse erkennen, die das Kapazitätsmanagement als zentrale Einheit zur Konzernsteuerung notwendig macht. Als

3.

Definition des

Kapazitätsmanagements

Zur Definition des Begriffs Kapazitätsmanagement muss zunächst erläutert werden, wie der Begriff der Kapazität im Dienstleistungsunternehmen definiert wird. Oftmals wird dieser von Autoren verwendet, ohne genau spezifiziert zu werden. Klinge definiert die Kapazität als maximales Leistungsvermögen, das die Rahmenbedingungen für das mögliche Leistungsvolumen setzt und damit die Obergrenze für die Variation der Leistungsbereitschaft darstellt (Klinge 1997, S. 64). Das Kapazitätsmanagement ist somit für die Planung und Steuerung der Erbringung des maximalen Leistungsvermögens des Unternehmens verantwortlich. "Zentrale Aufgabe des Kapazitätsmanagement ist es, die Kapazitätswahrnehmung und -beurteilung im Rahmen der Kapazitätsgestaltung zu beachten, sowie aktiv auf die Kapazitätsbeurteilung des Nachfragers einzuwirken" (Corsten/Stuhlmann 1997, S. 11). -

Die

Kapazitätsplanung

-

als

wichtiger Faktor

im

Kapazitätsmanagement umfasst

alle

planerischen Tätigkeiten, die der Vorbereitung und Durchführung der Dienstleistungsproduktion dienen, wobei Gesamt- und Teilkapazitäten gestaltet werden, um das geplante Ergebnis zu erreichen (Pack 1993, S. 62).

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanuna und -Steuerung im Touristikkonzem

255

Die Kapazitätssteuerung als zweite Komponente des Kapazitätsmanagements übernimmt Funktionen der Auslastungsoptimierung der bereitgestellten Kapazitäten der verschiedenen Leistungsträger. Die optimale Kapazitätsdimensionierung durch Planung und Steuerung wird im touristischen Sektor zusätzlich dadurch erschwert, dass sich die Faktoreinsatzmengen nicht exakt an den Umfang der nachgefragten Marktleistung anpassen lassen (Klinge 1997, S. 59) und starke saisonale Schwankungen vorliegen. Es muss die gleiche Vorleistung, z.B. bei der Durchführung eines Linienfluges oder der Bereitstellung eines Hotels erbracht werden (hohe fixe Kosten), unabhängig von der Inanspruchnahme der Kapazitäten (Malen 1991, S. 143). Um die Nachfrage mit entsprechenden Maßnahmen besser planen und steuern zu können, greifen die Kapazitätsplanung- und Steuerung im Zyklus der Produktion und Durchführung der Reise daher über das Strategische Travel Development, Verkaufs- und Vertriebsmechanismen, das Operative Travel Management sowie das Customer Relationship Management ständig auf Informationen über das potenzielle Leistungsvermögen und die tatsächliche Leistungserbringung zurück (vgl. Abb. 6). Abb. 6:

Kapazitätsmanagement im Zyklus der Dienstleistung "Reise"

Kapazität*- und Prozessmanagement

Quelle:

Eigene Darstellung

256

4.

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanunq und -Steuerung im Touristikkonzern

Zielsetzungen des Kapazitätsmanagements

Das Kapazitätsmanagement umfasst Zielsetzungen in drei wesentlichen Kategorien. Danach werden Ziele nach Erfolgsparametern, Prozessparametern und Leistungsparametern formuliert (vgl. Abb. 7). Die wichtigsten Zielsetzungen unter dem Aspekt der Erfolgsparameter sind Preise und damit die Erträge (Yields, d. Verf.) zu maximieren, Aufwand und Investitionen zu minimieren während die erbrachte Qualität den Kundenwünschen entspricht. Durch Ertragsmaximierung und Aufwandsminimierung soll das operative Ergebnis erhöht werden. Unternehmerische Erfolgsfaktoren umfassen weiterhin die Erhöhung der Marktanteile, gesteigerte Wachstumsraten sowie die Deckungsbeitragsmaximierung. Weiterhin ist mit der Senkung von Kundenreklamationsquoten ein weiteres wichtiges Ziel des Kapazitätsmanagements gesteckt.

Zielsetzungen unter Prozessparametern sind sämtliche Ziele, die mit der Integration von Kapazitätsplanung und -Steuerung im Unternehmen verbunden sind. Dazu zählen insbesondere die Schaffung eines internen Marktplatzes mit marktkonformen Mechanismen im integrierten Konzern, gezielte "Make or buy"-Entscheidung im Konzern über den Grad der Integrationsstufe, sowie die Schaffung einer Prozesskontrolle über die gesamte Wertschöpfungskette, die sowohl aus Unternehmenssicht als auch aus Kundensicht notwendig ist. Des Weiteren ist die Zielsetzung des verbesserten Timeto-Market ein zukünftiger Erfolgsfaktor im Unternehmen. Zeit (Geschwindigkeit), Kosten und die Qualität (Exzellenz) der Dienstleistung sind entscheidende Zielgrößen im Kapazitätsmanagement (Buchholz 1996, S. 39ff). Inhalt dieser Zielgrößen ist auch die Kostenkontrolle, insbesondere die Senkung Transaktionskosten zwischen den einzelnen Leistungsträgern. Abb. 7: Zielsetzungen des Kapazitätsmanagements Prozessparameter

Erfolgsparameter Gäste / Passagiere Preise / Yields Aufwand / Investition * Qualität

Leistungsparameter Anzahl Sitze / Betten * SKO angebotene Sitzkilometer * PKT nachgefragte Passa-

* *

-

gierkilometer -

=> =>

=>

Profit = operatives Marktanteile Wachstumsraten

Ergebnis

Reklamationsquoten Rentabilität /Deckungsbeiträge

=> =>

interner Marktplatz Make or buy Prozesskontrolle Time to Market

=>

=>

=>

Quelle: Eigene

Darstellung

*

Aufenthaltsdauer in

*

Hotelkategorie

Tagen

Sitzladefaktor / Auslastung Blockstunden je Fluggerät Aufenthaltsdauer je Gast Produktivität Personal

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanuno und -Steuerung im Touristikkonzern

257

Die Zielsetzungen des Kapazitätsmanagements unter Leistungsparametern sind vor allem die Abstimmung von angebotenen Sitzkilometern und nachgefragten Passagierkilometern, die Optimierung der Aufenthaltsdauer pro Gast, die Optimierung des Auslastungsgrades sowie die Maximierung der Produktivität des Personals der Leis-

tungsträger. Das

Hauptziel des Kapazitätsmanagements ist folglich die optimierte Planung Steuerung vorhandener Kapazitäten (Angebot) und dem Markt (Nachfrage).

5.

und

Kapazitätsplanung

Der

Planungsprozess der Kapazitätsplanung ist ein sehr komplexer Prozess, der hier schematisch erläutert werden soll (Klinge 1997, Körfgen 1999). Im Folgenden werden die Grundsätze einer ganzheitlichen Planung genannt und die durch die aktuellen Entwicklungen veränderten Ansprüche an den Planungsprozess und deren Auswirkungen auf selbigen erläutert. nur

5.1. Die bei

Grundsätze einer ganzheitlichen

Planung

ganzheitliche Kapazitätsplanung erfolgt ergebnis- und wettbewerbsorientiert woallem die Gesamtoptimierung der Unternehmensstrukturen sowie die Auslastungsoptimierung der Kapazitäten im Vordergrund stehen. vor

"Target Costing" (BugganVWielpütz 1995),

also das Zielkostenmanagement für die einzelnen Partner im Konzern und somit die gezielte "Make or buy"-Entscheidung nach Kostengesichtspunkten ist aufgrund der aktuellen Integrationsprozesse notwendige Grundlage für eine fundierte Kapazitätsplanung. Die Kapazitätsplanung der Thomas Cook AG beugt damit einer unrentablen und existenzbedrohenden Integrationspolitik vor, während zugleich versucht wird, möglichst viele Synergieeffekte der Integration zu nutzen.

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplariuna und -Steuerung im Touristikkonzern

258

Abb. 8: Grundsätze einer einheitlichen

-

-

Ergebnisorientierung Auslastungsoptimierung Wettbewerbsorientierung

-

-

Planung

Gesamtoptimierung der Strukturen Target Costing für interne Partner Make or buy nach Kostengesichtspunkten

-

Quelle: Eigene Darstellung

5.2.

Ansprüche im Touristikkonzern komplexer Planungsprozess muss die Kapazitätsplanung

Veränderte

Als bereits

neuen

An-

sprüchen gerecht und zunehmend nach ausgerichtet werden. 5.2.1. Stärkere

Fokussierung auf Rendite statt Menge

in der Touristikbranche die Rentabilität der Konzerne. Um die Profitabilität zu stabilisieren und zu erhöhen, muss daher weniger auf das Volumen, sondern zunehmend auf die Rendite geachtet werden. Die Umkehr des Push-Prinzips zum Pull-Prinzip hat dabei oberste Priorität. Entgegen dem Push-Prinzip, bei dem ein vom Unternehmen erzeugter Warendruck (Menge) versucht wird, bestmöglich zu kanalisieren (Seifert 2001, S.56), wird durch die nach außen gerichtete Kundenorientierung der Kapazitätsplanung im Pull-Prinzip gezielt ein Nachfragesog (Kotler/Bliemel 1999, S. 964) erzeugt. Die Rentabilität einzelner Produkte sowie des einzelnen Kunden („Profit per Customer") (Henning-Thurau/Hansen 2000, S. 309) stehen dabei verstärkt im Vordergrund der

Sinkende

gefährden

Aktionspreise und sich ständig verringernde Margen

Betrachtungen.

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanuna und -Steuerung im Touristikkonzern

5.2.2. Pan-europäische

Integration der Planung

Die

Kapazitätsplanung muss weiterhin durch Europäisierung des Marktes bedingt Europa übergreifend integriert werden und Planungsprozesse pan-europäisch harmonisiert werden. Dabei müssen Spezifikationen und Marktnotwendigkeiten der einzelnen Länder berücksichtigt werden. So beträgt der Katalogvorlauf in Großbritannien 18 Monate, in Deutschland 8 Monate, oder den Benelux-Ländern 6 Monate. 5.2.3.

Wertschöpfungsstufen Integration der Planung -

Dies macht auch eine vertikale nen

Integration der Kapazitätsplanung in die verschiedeum z.B. Hotel- und Flugkapazitäten verknüpft

Wertschöpfungsstufen notwendig,

planen zu können. 5.2.4. Stärkere Um rentabel

delung

von

europäische Bündelung von Drittmarkt-Aktivitäten

zu wirtschaften, bedarf es im Zuge der Europäisierung auch einer BünDrittmarkt-Aktivitäten, die notwendig sind, um nachgefragte Kontingente

abzudecken. Bei der Flugstreckenintegration im Bereich Nahstreliegen insgesamt 1347 Strecken vor. Davon werden 550 Strecken (40,8 Prozent) von CONDOR geflogen. Die restlichen 797 Strecken, d.h., 60 Prozent der Angebote von Thomas Cook werden von Drittcarriern produziert.

bedarfsgerecht

cke/Charter

5.3.

Anforderungen an die moderne Kapazitätsplanung

Eine integrierte Planung erfordert den Aufbau von iterativen und revolvierenden Planungsprozessen. Es erfolgt eine Vermischung von langfristigen Kapazitätsstrategien, der mittelfristigen taktischen und kurzfristigen operativen Kapazitätsgestaltung mit der Kapazitätssteuerung. Aufgrund der Vielstufigkeit kommt es zur Verlängerung der Planungsprozesse und damit zu höherer Planungsqualität und späterer Stabilität. Die steigende Komplexität erfordert auch bei der Planung in der Zukunft wertorientierte Planungsmodelle, die die bestehende Komplexität von Markenidentität und -wert, die einzelnen Wertschöpfungsstufen, regionale Unterschiede in den Märkten, eine zunehmende Ausrichtung zum Kunden sowie Risiken beherrschen.

Kapazitätsplanung soll damit im Ergebnis nicht nur traditionell AngeFlugpläne erstellen, sondern auch Zielkostenpositionen im Unternehmen, Erlösstrukturen sowie Leistungsparameter ermitteln. Die moderne

botsstrukturen sowie

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanung und -Steuerung im Touristikkonzern

260

6.

Kapazitätssteuerung

6.1.

Faktoren der

Kapazitätssteuerung

Die Steuerung unterliegt je nach Buchungssituation unterschiedlichen Zielsetzungen. Mal müssen Betten gefüllt werden, mal Flüge, mal beides abhängig von der Aufenthaltsdauer im Zielgebiet.

Steuerung eines touristischen Konzerns ist komplex, da neben der Hin- und Rückflugoptimierung auch die integrierte Wertschöpfung beachtet werden muss (vgl. Abb. 9). Die

Trotz aller Versuche die Renditen der einzelnen Leistungsträger durch Integration im Konzern zu vereinen, kommt es im Kundeninteresse wie bereits erwähnt auch zur Kapazitätserweiterung über Dritt-Anbieter. Allerdings werden die großen Kontingente weitestgehend integriert, wenn sie zur Produktionsstruktur der KonzernFluggesellschaft passen. Diese Maßnahmen tragen zur Bedarfsdeckung und damit zur höheren Kundenzufriedenheit bei. Abb. 9:

Integrierte Planung und Steuerung führen zu einer höheren Komplexität

Renditesteuerung Auslastu ngssteueru ng Dauernsteueru ng Steuermarkenantell

Steuerung Verfüg-

bar-keit

mit

Renditeziele

„Spielregeln"

Auslastungsziele

Marktanteilsziele Kunden segmente

E

Konditionierung

I p I

Markenziele

Nachfrage „Druck"

terramei

_

SEES

alrmorln

ßjJCHER

ES

Quelle: Eigene Darstellung

Die Kapazitätssteuerung eines touristischen Konzerns muss zudem flexibel sein, da im Markt zusätzlich zu starken Saisonschwankungen ein zunehmendes kurzfristiges Kundenverhalten auftritt. Des Weiteren ist die Steuerung auf Kontinuität bedacht. Dies sowie im Kundeninteresse. Das Etablieren einer langfristigen

erfolgt im operativen Kundenbeziehung ist

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanuno und -Steuerung im Touristikkonzern

261

dabei heutzutage ein wichtiges Ziel. Habitualisierung des Kaufverhaltens (Peter 1999, S. 41) des Kunden, die Bindung an die Marke als Barriere zum Anbieterwechsel und die Kundenzufriedenheit mit Produkt sowie Service bieten dem Unternehmen eine gewisse Sicherheit. Der wichtigste Sicherheitsfaktor einer langen Beziehung ist der sich bildende Informationsvorsprung und damit die Möglichkeit, Kundenwünsche sehr gezielt anzusprechen. Kapazitätssteuerung und -planung unterliegen daher einem Informations- sowie Innovationsdruck. Informationen über Kundenbedürfnisse müssen ständig eingebracht werden, um innovativ auf Veränderungen des Marktes reagieren zu können. Die Abwägung zwischen einer Flugdisposition, der Kapazitätsanpassung zum Angebots- und Nachfrageausgleich oder einer Preismaßnahme ist in dem komplexen Umfeld schnell und flexibel ohne Systemunterstützung nicht mehr vernünftig zu treffen, da ein sehr komplexes Steuerungsgebilde vorliegt. Zur Entscheidungsunterstützung werden daher verschiedene Instrumente der Kapazitätssteuerung entwickelt.

Instrumente der

6.2.

6.2.1. Revenue 6.2.1.1.

Kapazitätssteuerung

Management

Definition

Unter Revenue Management (RM) versteht man die Anwendung methodischer Verfahren zur Voraussage des Verbraucherverhaltens auf der Ebene der Mikromärkte und zur Optimierung von Produktverfügbarkeit und Preis mit dem Ziel möglichst hoher Ertragszuwächse (Cross 1997, S. 61).

6.2.1.2.

Tools

Um eine sinnvolle wirtschaftliche Nutzbarkeit des Revenue Managements im Kapazitätsmanagement zu erreichen, müssen entsprechende Voraussetzungen und Tools geschaffen werden. Aufgrund eines erhöhten Bedarfes an integrierten Informationen im Konzern sowie der verstärkten Marktdynamisierung ist die Umsetzung eines Data Warehouse Konzeptes (von der Heydt 1998, S. 177ff.) notwendig. Dabei handelt es sich um einen vom operativen Geschäft losgelösten unternehmensweiten Informationspool gespeichert vernetzten, integrierten Datenbanken, dessen Nutzung für alle relevanten Sach- und Aufgabengebiete herangezogen werden kann (Ebenda). Der Informationsinput muss künftig nicht nur intern sondern auch extern z.B. über die Leistungsträger oder die Vertriebskanäle erfolgen. Die

Einführung

von

integrierten Flug-

und

Hotelpools erleichtert die genaue Dispositi-

Kapazitäten und damit die Steuerung der Erträge, um eine optimale Rendite und Auslastung zu erreichen. Weiterhin ermöglicht die flexible Verfügbarkeit von in einem Leistungspool bereitgestellten Teilleistungen die gezielte Bearbeitung beon von

262

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanunq und -Steuerung im Touristikkonzern

stimmter Kundensegmente, die verbesserte Kontrolle der Marktanteile sowie die zielgenaue Erfüllung gesetzter Marketingziele.

Verschiedene mathematische Verfahren helfen zudem als weitere RM Tools, der zunehmenden Komplexität der Kapazitätsplanung und -Steuerung zu begegnen. Dazu gehören Prognosemodelle, Bewertungsmodelle, Analysefunktionen sowie Optimierungsmodelle auf die in diesem Rahmen nicht weiter eingegangen werden soll.

6.2.1.3.

Instrumente des Revenue

Managements

Preisdifferenzierung Bei der Preisdifferenzierung werden für die gleiche Leistung verschiedene Preise ver-

langt. Diese Maßnahme des RM ist besonders in der Touristik sehr verbreitet. TourisLeistungen werden demnach nach unterschiedlichen Kriterien wie z.B. Reisezeitpunkt (Saison), Buchungszeitpunkt oder Absatzweg differenziert (Freyer 1997, S. 491). Diese Differenzierung ist Ausdruck einer aktiven Preis- Mengen-Steuerung durch Unternehmen, die eine vorherige Marktsegmentierung voraussetzt. tische

Marktsegmentierung Die Aufteilung des Gesamtmarktes in abgrenzbare, heterogene Teilmärkte ermöglicht

dem Unternehmen im Rahmen des RM die touristischen Produkte zielgruppenspezifisch vermarkten zu können. Insbesondere vor dem Hintergrund der Kapazitätssteuerung gilt eine sehr enge und exakte Abgrenzung und Zusammenfassung bestimmter Kundensegmente als erheblicher Erfolgsfaktor, da mit steigender Genauigkeit dieser Segmente eine umso genauere Preisdifferenzierung und damit Kapazitätsauslastung möglich wird. So kann z.B. das Sitzplatzkontingent eines Flugzeugs in Teilkapazitäten für Segmente mit unterschiedlicher Zahlungsbereitschaft aufgeteilt und der Sitzladefaktor sowie die Erträge damit erhöht werden. es

Dispositionsausgleich Ein pan-europäisch agierendes Reservierungssystem bietet die Möglichkeit zum Dispositionsausgleich. Dispositionen über Kapazitäten können somit flexibel an Nachfrageänderungen angepasst werden. Beim frühzeitigen Erwerb einer weiter in der Zukunft liegenden Dienstleistung wird ihr Preis zunächst recht niedrig ausfallen, da der Nachfrager auf eigenen Dispositionsspielraum verzichtet. Je näher der Tag der Leistungserbringung rückt, desto höher wird der Preis aufgrund der wachsenden Dispositionsmöglichkeiten steigen. Kurz vor Beginn des Erstellungsprozesses sinkt der Preis schließlich aber wieder spürbar; denn der Nachfrager möchte das so genannte "LastMinute-Risiko" entlohnt haben, da er aufgrund von Kapazitätsengpässen die Dienstleistung u. U. nicht mehr in Anspruch nehmen kann (Wick in DLM, 2002).

Überbuchung

Ein weiteres bedeutendes Instrument besteht in der Praxis der Überbuchung. Hierbei werden mehr Buchungen zugelassen als Einheiten zur Verfügung stehen. Damit soll den bei Beginn der Kapazitätsnutzung (Reisebeginn) negativen Auswirkungen von Stornierungen und No-Shows entgegengewirkt und die Erträge stabil gehalten bzw. gesteigert werden.

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanunq und -Steuerung im Touristikkonzern

263

Steuerung der Nachfrage Während traditionell und aktuell der indirekte Absatz von touristischen Produkten über Reisemittler im Vordergrund steht, gewinnt der direkte Vertrieb und damit die Möglichkeit der direkten Steuerung der Nachfrage zunehmend an Bedeutung. Der Vertrieb über Call-Center, der TV-Direktvertrieb und der Vertrieb über das Internet weisen enorme Wachstumszahlen auf. Obwohl sich insbesondere die Markt- und Preistransparenz zugunsten des Kunden erhöhen, und damit dem RM Grenzen gesetzt sind, bietet der Direktvertrieb als direkte Schnittstelle zwischen Kunden und Unternehmen die Chance eines Real-Time-Kapazitätsmanagements mittels dessen die Nachfrage zur Erreichung der unternehmerischen Zielen beeinflusst und gesteuert werden kann. 6.2.2. Efficient Consumer

Response (ECR)

Ein zukünftig an Bedeutung gewinnendes Instrument der Kapazitätssteuerung ist das Zielkundenmanagement. Das ursprünglich für die Konsumgüterbranche entwickelte ECR-Konzept (Seifert 2001; von der Heydt 1998) dient der Verbesserung und Beschleunigung sowohl des Produkt- als auch des Informationsflusses zwischen Hersteller und Kunden.

6.2.2.1.

Definition

Efficient Consumer Response (ECR) in der Touristik kann definiert werden als eine gesamtunternehmensbezogene Vision, Strategie und Bündelung ausgefeilter Techni-

ken, die im Rahmen einer partnerschaftlichen und auf Vertrauen basierenden Koope-

ration zwischen Reiseveranstalter und sämtlichen am touristischen Wertschöpfungsprozess beteiligten Leistungsträgern drauf abzielen, Ineffizienzen entlang der Wertschöpfungskette unter Berücksichtigung der Verbraucherbedürfnisse und der maximalen Kundenzufriedenheit zu beseitigen, um allen Beteiligten jeweils einen Nutzen zu stiften, der im Alleingang nicht zu erreichen gewesen wäre. Der Kunde und seine Wünsche und Bedürfnisse bilden sowohl den Ausgangs- als auch den ständigen Bezugspunkt aller unternehmerischen Aktivitäten. ECR ist damit kein grundlegend neuer Ansatz, revolutioniert jedoch die Beziehungen der einzelnen Leistungsträger in der Wertschöpfungskette.

6.2.2.2.

Basisstrategien des ECR-Ansatzes

Der ECR-Ansatz umfasst vier

abgedeckt werden.

Haupttätigkeitsfelder,

die durch vier

Basisstrategien

Efficient Replenishment (ERP) umfasst alle Aktivitäten der Kapazitätssteuerung, die mit der effizienten Versorgung des Kunden mit touristischen Dienstleistungen unter Verwendung automatischer Inventory Management Systeme verbunden sind. Konkret

264

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanung und -Steuerung im Touristikkonzern

heißt dies, dass angebotsseitig zukünftig verstärkt die Kapazitäten der tatsächlichen Nachfrage in Real-Time angepasst werden. Moderne Inventory Management Systeme der touristischen Dienstleister werden dabei mittels elektronischer Datenübermittlung auf das konzernweite Data Warehouse zurückgreifen. Efficient Assortment

(EA)

setzt sich mit der effizienten

Sortimentsgestaltung

aus-

einander, wobei das Ziel eine verbesserte Sortimentsproduktivität ist. Insbesondere

im Bezug auf Markenprofilierung und die damit verbundene effizientere Zielgruppenansprache bietet EA große Chancen. Vor allem im Direktvertrieb kann mit Hilfe des zeitnahen Feedbacks des Kunden unmittelbar die Effizienz eines Sortiments getestet und dieses u.U. ebenfalls zeitnah durch flexibles Kapazitätsmanagement umgestaltet

werden.

Efficient Promotion (EP) dient dazu, durch effiziente Promotions und Verkaufsförderung die Steuerung von Kapazitäten zu unterstützen. Efficient Product Introduction (EPI) zielt auf eine effiziente und gemeinsame Neuproduktentwicklung und -einführung ab, um Produkte erfolgreich und kostengünstiger

vermarkten zu können. Insbesondere im touristischen Bereich bestehen erhebliche Potenziale durch EPI, da durch Variation und Kombination bereits vorhandener Teilleistungen mit geringem Aufwand aus Kundensicht neue, interessante Produkte geschaffen werden können.

EA, EP und EPI beinhalten alle Strategien des Verstehens und der Lenkung des Verbraucherverhaltens. Wie auch beim ERP gilt es, durch Steuerung von Kapazitäten die gesteckten Unternehmensziele in einem umkämpften Markt zu erreichen. Es zeigt sich, dass sich die im Rahmen des für den Konsumgütermarkt entwickelten ECRAnsatzes verfolgten Kapazitätsziele nur in Abhängigkeit vom jeweiligen Dienstleistungstyp auf den Dienstleitungssektor übertragen lassen. Weitgehend unproblematisch ist dies bei standardisierbaren Dienstleistungen durch konsequente Orientierung der Leistungserstellung an der prognostizierten Nachfrage sowie durch die integrierte und automatisierte Abwicklung von operativen Routinen (Wick in DLM 2002), wie es in der Touristik der Fall ist. 6.2.2.3.

Potenziale des ECR-Ansatzes für den Touristikkonzern

Kundenbezogene Dienstleistungen Der Wettbewerbsschwerpunkt liegt im touristischen Bereich insbesondere auf einer Differenzierung von den Wettbewerbern. Die dargestellten ECR-Strategien tragen dazu mittels der Individualisierung sowie der Betonung des Kundennutzens bei. Zur Erhöhung des Kundennutzens sollten im Rahmen eines ECR-Ansatzes auch die persönliche Kundenansprache und die Zusammenarbeit mit dem Nachfrager verstärkt sowie ein komplexes Kundenbindungssystem erarbeitet werden. Wichtig ist dabei, dass nicht der Preis sondern der Wert des Produktes für den Kunden im stehen.

Vordergrund

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanung und -Steuerung im Touristikkonzern

265

Profilierung über Kompetenz und Qualität Die Gefahr einer einseitigen Profilierung über den Preis wie beim isolierten Einsatz des RM wird bei ECR und expliziter Einbeziehung der Nachfrageseite durch die Profilierung über Kompetenz und Qualität beseitigt. Auf diesem Wege erlangt neben Kostensenkungsaspekten (Vermeidung von Leerkosten unausgelasteter Potenziale) auch der Aspekt der Kapazität als Qualitätsdeterminante (Vermeidung überlasteter Potenziale) eine herausragende Bedeutung. Insofern geht ECR also über das RM hinaus. Demnach steht beim ECR-Ansatz langfristiges Wachstum im Vordergrund, während YM den Schwerpunkt auf die Erfassung und Lenkung der Nachfrage zur Realisierung einer eher kurzfristigen Ertragsoptimierung legt. Gelingt es einem Unter-

-

nehmen, RM und ECR in einem integrierten Ansatz anzuwenden, bestehen gute

aus dem aktuellen Teufelskreis von zunehmendem Preiswettbewerb und zunehmender Markenaustauschbarkeit herauszubrechen (Wick in DLM 2002).

Möglichkeiten,

Intensivere Integration der internen Partner Durch die verstärkte Zusammenarbeit der einzelnen Leistungsträger der Wertschöpfungskette sowie die messbaren Vorteile des ECR stellt sich auch gewissermaßen eine Intensivierung der Beziehungen zwischen den internen Partnern im Konzern ein. Sind alle am ECR-Prozess beteiligt, stärkt dies nicht zuletzt das Gefühl des Zusammenhalts und der konzernübergreifenden Kooperationsgemeinschaft.

6.2.3. Customer

Relationship Management

Das bereits vielfach diskutierte Customer

Relationship Management(CRM) (Bruhn

2003; Rapp 2002) trägt als ein weiteres Instrument zur effizienteren Kapazitätssteuerung bei. Definiert wird CRM als Prozess, der aktiv Kundenbeziehungen gestaltet und

einer erhöhten Kundenbindung und daraus folgend einer verbesserten Rentabilität des Unternehmens führt (Becker/Kugeler/Rosemann (Hrsg.) 2001, S. 457 ff.). zu

Die bereits erwähnte zunehmende Planungssicherheit durch zunehmende Loyalität des Kunden zum Unternehmen ist ein wesentlicher Beitrag des CRM. Des Weiteren können durch intensive Kundenkommunikation detaillierte Kundenpräferenzen und Informationen ermittelt werden, die der strategischen, taktischen sowie operativen Kapazitätssteuerung dienen und wichtige Daten zur Kapazitätsdimensionierung liefern. Darüber hinaus leistet das CRM einen wichtigen Beitrag zur Renditeoptimierung, wobei mittels des Informationsmanagements Kunden mit einer höheren Rendite ermittelt werden und in bestimmten Verfahren (z.B. ABC Analyse) kategorisiert werden können. Aus diesen Daten kann im Rahmen der Kapazitätssteuerung ein für das Unternehmen "wertvollerer" Kunde (Kundensegment) einem weniger wertvollen Kunden vorgezogen werden.

-

6.2.4.

Informationsmanagement

Alle angesprochenen Instrumente der Kapazitätssteuerung benötigen eine umfassende Informationsbasis. Ein modernes, den neuen Ansprüchen gerecht werdendes

266

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanunq und -Steuerung im Touristikkonzern

Informationsmanagement (vgl. hierzu z.B. Schwarze, 1998) ist dabei unumgänglich. Die Integration neuer Informationstechnologien in das Unternehmen sowie die Vernetzung aller Kontaktpunkte [Leistungsträger] mit dem Kunden in einem integrierten Informations- und Reservierungssystem ermöglicht einen schnellen, umfassenden Datenzugriff zur Kapazitätsplanung und -Steuerung. Denn 80% des Erfolges von Planung und Steuerung liegen beim Informationsmanagement im Feed Forward als

auch Feedback. Die Information muss zudem "designed to customer" sein, d h. in der richtigen Art und Weise, in der richtigen Qualität, zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort vorliegen.

6.2.5.

Prozessmanagement

Da das Kapazitätsmanagement auf alle Unternehmensbereiche zurückgreift, können zukünftig einzelne Funktionsbereiche im Unternehmen und sogar Unternehmen im Konzernverbund nicht mehr isoliert betrachtet werden. Ein konzernübergreifendes Prozessmanagement (Becker/Kugeler/Rosemann (Hrsg.) 2001) sollte dazu dienen,

Unternehmensbereiche und interne Partner im Konzern ohne Verlust derer Produktivität aus der isolierten Position heraus in eine gemeinsame Prozess- und Systemlösung zu überführen. Die Herausforderungen an ein solches System liegen in der Komplexität der Planungs- und Steuerungsprozesse, der zunehmenden Flexibilität und Dynamik von Markt- und Unternehmensentwicklungen sowie einem steigenden Renditedruck. Das Prozessmanagement muss daher in der Lage sein, komplexe Vorgänge zu erkennen und auszuwerten. Die Umsetzungsgeschwindigkeit wird ständig erhöht werden müssen, um mit den aktuellen Entwicklungen Schritt zu halten. Das System sollte auch sehr benutzerfreundlich und transparent Informationen zur Verfügung stellen können. Daraus folgt die Notwendigkeit einer "Systemwelt", die diesen Anforderungen gerecht wird. Die Touristikindustrie besteht aus einer Vielfalt an Informations- und Prozessmanagementsystemen. Jeder Carrier, Vertriebskanal oder Veranstalter besitzt eigene z.T. sehr spezifische Lösungen, die schwer integrierbar sind. Weiterhin existieren in den einzelnen Funktionsbereichen wie z.B. Accounting, Controlling etc. innerhalb der Unternehmen ebenfalls parallel mehrere Systeme. Bei der Entwicklung neuer Systeme stellt sich hierbei die Frage, unter welchen Prämissen eine in-house Lösung entwickelt werden muss, da Systeme z.T. nicht am Markt verfügbar sind. Sollen Systeme vorhandenen Prozessen angepasst werden? Oder sollten Prozesse an bereits existierenden Systemen ausgerichtet werden? Die Beantwortung dieser Fragen liegt in der integrierten Prozess- und Systementwicklung, die am ehesten den Anforderungen des Konzerns und des Marktes entspricht (vgl. Abb. 10). Dabei kommt es darauf an, eine hohe Standardisierung zu erreichen, die Kosten der Lösung niedrig zu halten und die Umsetzung zu beschleunigen.

Hohmeister: Integrierte Kapazitätsplanuno und -Steuerung im Touristikkonzern

Abb. 10:

Prozessmanagement im integrierten Konzern • • •

• •

Prozessbestandsaufnahme im IST Prozess Stärken- / Schwächen-Analyse Prozessumstellung / -neuentwicklung Mitarbeiter-Qualifikation

Systementwicklungskonzeption

System follows Process •

• •

267

Umsetzung in Anwendungssysteme und Systemlandschaften oftmals fraglich (Expertensysteme) kann zu teuren Individuallösungen führen Umsetzungsgeschwindigkeit oftmals langsam

Process follows System Machbarkeit der Prozessumstellung im komplexen Umfeld fraglich • erscheint kostengünstiger, birgt jedoch Risiken wie z. B. Mitarbeiter-Schulung • Standardlösungen für Touristik oft nicht •

verfügbar

Prozess- und Svstementwicklung

gemeinsame Entwicklung von Systemen und Prozessen soviel Standardisierung wie möglich -

Lieferantensicherheit Release Updates günstiger

-

Quelle: Eigene Darstellung

7. Fazit Die

neuen Entwicklungen in der Branche und auf dem Markt erfordern ein integriertes Kapazitätsmanagement, das den modernen Ansprüchen des hohen Integrationsgrades der Konzerne sowie dem veränderten Kundenverhalten unter Beachtung der Un-

ternehmensziele gerecht werden

muss.

Kapazitätsplanung und Kapazitätssteuerung sind dabei wichtige Prozesse, die langfristig das Überleben der Unternehmen im hart umkämpften Markt sichern können. Von zunehmender Bedeutung ist dabei die Rendite und nicht die Marktanteile allein, der Wert der Dienstleistung und damit der externe Faktor Kunde. Es gilt diese neuen Vorgaben in ein komplexes Kapazitätsmanagement zu integrieren, um den entscheidenden Instrumenten, wie dem Revenue Management, ECR oder CRM den Weg zu ebnen. Das heißt auch, dass mittelfristig eine neue Prozess- und Systemlandschaft in

den Konzernen entsteht, die die ehemals isolierten einzelnen Funktionsbereiche der Unternehmen sowie interne Partner des Konzerns miteinander verknüpft.

Steckel/Hovenbitzer: Internationaler Hoteleinkauf

269

Internationaler Hoteleinkauf Das Organisationskonzept der TUI Contracting -

Thomas Steckel und Dieter Hovenbitzer

1. 2. 3.

4.

5. 6.

Einleitung .270 Zielkriterien eines zentralen Einkaufs.270 Funktionen des Hoteleinkaufs.271 3.1. Servicefunktion Einkauf.271 3.2. Consultingfunktion Einkauf.271 Organisation des Hoteleinkaufs.271 4.1. Einkaufsprozess.271 4.2. Hoteleinkauf im Spannungsfeld zwischen Quell- und Zielmarkt....272 4.3. Systemunterstützung des Einkaufs.273 4.4. Aufbauorganisation des Hoteleinkaufs.273 „One Face to the Hotelier".275

Schlussbemerkung.275

Zusammenfassung: Die Funktion des Hoteleinkaufs stellt in der touristischen Wertschöpfungskette eine klassische Kernkompetenz dar. Die Zentralisierung der Einkaufsfunktion im integrierten Touristikkonzern bedingt interfunktionelle Teamarbeit. Auf der Suche nach einem Organisationskonzept geht TUI Contracting einen Weg, der sowohl Quellmarktorientierung bewahrt, als auch die Bündelungs- und Spezialisierungseffekte im Einkauf fördert. In diesem Beitrag wird skizziert, wie das Organisationskonzept in seinen ersten Stufen umgesetzt wurde bzw. derzeit eingeleitet wird. Weiterführende Literatur:

Mündt, J. (Hrsg.)(2000): Reiseveranstaltung, 5. Auflage, München, Wien. Pompl, W. (1997): Touristikmanagement I Beschaffungsmanagement, 2. Auflage, Berlin

u.a.

-

Thomas Steckel ist Leiter Hoteleinkauf Fernstrecke und erdgebundene Programme der TUI Contracting AG. Dieter Hovenbitzer ist Leiter Hoteleinkauf östliches Mittelmeer der TUI Contracting AG._

Steckel/Hovenbitzer: Internationaler Hoteleinkauf

270

1.

Einleitung

Durch die Schaffung eines integrierten Touristikkonzerns sollen Wettbewerbsvorteile erzielt werden, wozu der Einkauf einen entscheidenden Beitrag leisten kann. Wer den Hoteleinkauf zu einer Effizienzquelle der Zukunft machen will, muss sich dabei zunächst über die Zielsetzung und Funktion dieses Bereiches klar werden.

Wurden beim einzelnen Veranstalter verschiedene Funktionen der Wertschöpvon einem Bereich bzw. von einer Person wahrgenommen, so ist im Konzern die Zuordnung der Aufgaben anders geordnet: Ist die „kritische Masse" überschritten, werden Funktionen zielorientiert verteilt nach Kompetenz und Sinnhaftigkeit. Entsprechend stellt der Hoteleinkauf eine der Funktionen dar, die im Rahmen der horizontalen Integration veranstalterübergreifend zusammengeführt werden. Die Kunst liegt nun darin, schnelles Handeln und Flexibilität, Kundenorientierung und Innovation nicht auf dem Altar der Konzernraison zu opfern.

fungskette

In anderen Branchen wurden die Vorteile, die sich aus der Zentralisierung der Einkaufsfunktion, etwa durch Bündelungs- und Skaleneffekte ergeben, längst nachgewiesen. In der Touristik ist dieser Ansatz zwar ebenfalls nicht neu, bei der Umsetzung wurde jedoch in der Vergangenheit nicht immer mit dem nötigen Fingerspitzengefühl vorgegangen. Anstelle von Kompetenzüberschneidungen und einer zentralistischen Organisationsstruktur muss zielorientiertes Handeln und kontinuierliches Überzeugen durch Leistung treten. TUI Contracting geht daher seit 2001 einen neuen, pragmatischen Weg, dessen erste Schritte hier skizziert werden sollen. Der Fokus soll hier auf Ziele und Organisation, nicht auf Konzernstrategien oder etwa operative Themenstellungen wie Verhandlungsführung oder Bestandteile internationaler Hotel Verträge liegen.

Zielkriterien eines zentralen Einkaufs

2.

Ausgangspunkt der Überlegungen, den Hoteleinkauf zu zentralisieren, ist die These, dass das durch die konzernweite Zusammenführung der Einkaufsfunktion erzielbare Gesamtoptimum größer ist, als die Summe der veranstalterspezifischen Einzeloptima. Dabei werden die Zielkriterien des Einkaufs definiert als Qualität, Service und Preis.

Qualität, • •



Service, • • •

Preis,

u. a.

Operativ die veranstalterspezifischen Anforderungen vertraglich erfüllen Einfluss auf das Leistungsangebot der Vertragspartner nehmen Strategische Weiterentwicklung der Destination u. a.

rechtzeitige Bereitstellung der Hotelverträge für die internen Kunden Aufzeigen von Chancen und Risiken, die sich im Zielmarkt abzeichnen Schnelle Reaktion auf quellmarktspezifische Änderungen Die

u. a.



Verhandlung von Konditionen gemäß Zielvereinbarung



Erzielen

von

Quellmarktexklusivitäten

Steckel/Hovenbitzer: Internationaler Hoteleinkauf

271

Funktionen des Hoteleinkaufs

3.

Der Hoteleinkauf hat grundsätzlich zwei Funktionen: die Service- und die Consultingfunktion des Einkaufs.

3.1.

Servicefunktion Einkauf

Grundlegende Aufgabe ist selbstverständlich zunächst einmal die operative Erfüllung der genannten Zielkriterien: Die termingerechte Bereitstellung von Hotelverträgen zu bestmöglichen Konditionen, welche von den Veranstaltern in den folgenden Phasen der Wertschöpfungskette (Produktzusammenstellung, Vertrieb) quellmarktgerecht umgesetzt werden können. 3.2.

Consultingfunktion

Einkauf

Der Einkäufer wird verstanden als Verkäufer „seiner" Destination in den Konzern hinein. Es wird somit ein Beitrag aus der Destination heraus zur Produktstrategie der Veranstalter geleistet. Hierzu wird insbesondere in Punkt 4.4.3. eingegangen.

Organisation des Hoteleinkaufs

4.

Um die Heterogenität der Quellmärkte und Destinationen sowie die der Touristik immanenten Dynamik erfassbar und zielgerichtet umsetzbar zu machen, sind organisatorische Vorkehrungen zu treffen, die den Prozess und den Organisationsaufbau betreffen.

4.1.

Einkaufsprozess

Im Teilprozess „Hoteleinkauf' der touristischen Wertschöpfungskette überschreitet der Einkauf seine operative Kernaufgabe (siehe 3.1.) durch Involvierung in die prozessual vor- und nachgelagerten Schritte. So wird also noch vor dem eigentlichen Einkauf konzernweit die Destinatonsstrategie und die zu beschaffenden Hotelleistungen abgestimmt und gebündelt bzw. bewusst differenziert.

Die Prozessschritte im Einzelnen sind: •



• •



Festlegungen in strategischen Contracting Boards, in denen die Veranstalter untereinander und mit dem Einkauf ihre jeweiligen Strategien austauschen und sich über die Umsetzung bzw. Weiterentwicklung abstimmen. Ergänzend und abgeleitet aus den Contracting Boards werden quellmarktspezifische Anforderungsprofile (sogenannte bed briefs) erstellt und in individuellen Planungsgesprächen auf Objektebene zwischen Veranstalter und Einkauf diskutiert. Quantitative und qualitative Ziele für den Hoteleinkauf werden vereinbart. Kosten- und zeitoptimierte Durchführung des Hoteleinkaufs. Feststellung des Grades der Zielerreichung anhand der Kriterien Qualität, Service, Preis.

272

Steckel/Hovenbitzer: Internationaler Hoteleinkauf

Elementare Voraussetzung für das Gelingen ist die direkte und kontinuierliche Kommunikation des Einkäufers mit den internen Kunden: „seinen" Produktmanagern. Nur so gelingt es, die unterschiedlichen Quellmarktanforderungen mit den Gegebenheiten und Entwicklungen des Zielmarktes in Übereinstimmung zu bringen. Soll der Hoteleinkauf eine kontinuierliche, erfolgssteigernde und messbare Leistung erbringen, so ist der gesamte Einkaufsprozess zu strukturieren und hinsichtlich Einkaufsstrategie, Geschwindigkeit, Qualität und Kosten zu optimieren. Wenn weit mehr als 10.000 Verträge pro Jahr für die verschiedensten Quellmärkte des Konzerns abzuschließen sind, stellt sich die Frage, wo im Einkaufsprozess beim Agieren für verschiedene interne Kunden denn nun der Fokus liegt: Bei den "großen" oder den „kleinen" Veranstaltern.

Hier werden theoretisch mögliche Konfliktsituationen impliziert, die in der Praxis eine untergeordnete Rolle spielen und tatsächlich nur selten vorkommen. So werden Probleme, die sich im Rahmen der Kontingenzverteilung ergeben oder auch Konflikte, die sich aus der Berücksichtigung quellmarktspezifischer Vertragsinhalte bei überschnittenen Hotels ergeben, bei Planungsgesprächen bereits im Vorfeld aufgegriffen und geregelt. Die während der Einkaufsphase auftretenden Konflikte zwischen Veranstalteranforderungen werden durch Konsenzbildung pragmatisch gelöst. Die Einbindung der höheren Eskalationsstufe kommt in der Praxis kaum vor.

4.2.

Hoteleinkauf im

Spannungsfeld zwischen Quell- und Zielmarkt

Quellmarktanforderungen ergeben

sich aus den spezifischen KundenbedürfnisRahmenbedingungen des Landes, der Markenwelt Wettbewerbspositionen etc. Das sich ergebende Anforde-

sen, den sozio-ökonomischen

des Veranstalters, den rungspaket gestaltet sich recht unterschiedlich •





von

Veranstalter zu Veranstalter:

Skandinavische Kunden

fragen in starkem Umfang Appartements bzw. Selbstversorgereinheiten nach. Vom britischen Markt heraus ergeben sich detaillierte und umfassende Anforderungen in Bezug auf Sicherheits- und Gesundheitsregularien. Der deutsche Kunde wünscht z.B. die unmittelbare Nähe zum Strand und zeichnet sich durch einen höheren Grad an Wiederholungsbuchungen aus.

Zur Lösung des Problems werden die Einzelanforderungen und -Strategien der Veranstalter abgestimmt und gemeinsam definiert als destinationsbezogenes Gesamtoptimum (Hotelportfolio des Zielmarktes und den ergänzenden Bedingungen wie Quellmarktexklusivitäten, Konditionen etc.). Dieses Anforderungspaket gilt es dann durch den Hoteleinkauf umzusetzen, ohne dass einzelne Quellmarktanforderungen nivelliert werden. Darüber hinaus ist bei der Zusammenführung und Umsetzung zu berücksichtigen, dass zeitlich und inhaltlich unterschiedliche Geschäftsmodelle auf den Quellmärkten existieren. So sind beispielsweise Planungs- und Einkaufszyklen auf den skandinavischen Märkten gegenüber den mitteleuropäischen zeitlich vorgelagert.

Steckel/Hovenbitzer: Internationaler Hoteleinkauf

273

Oder aber auf dem britischen Markt wird gegenüber dem deutschen Markt stärker mit Garantien bei Vorhaltung definierter Flugkapazitäten gearbeitet.

4.3.

Systemunterstützung des Einkaufs

Einkaufsprozess durch die Einführung und Nutzung eines rechnergestützten Systems zur dezentralen Datenerfassung, zur Datenübertragung, -haltung und -Verteilung. Das Einkaufssystem bietet eine internationale Plattform für die Planung und Vertragsgestaltung aller beteiligten Veranstalter des Unterstützt wird der

Konzerns.

Bestandteil des Systems ist zudem eine rechnergestützte Management Informati(MI). Es handelt sich hierbei um ein Controlling- und Reportinginstrument für die Einkaufsleitung, welches die Messung der zeitlichen und monetären Ziele ebenso ermöglicht wie die Transparenz über das Produktportfolio der verschiedenen Veranstalter. Den Einkäufer unterstützt es vor und während der Verhandlung mit relevanten Informationen (aktuelle Buchungsdaten, Reklamationsquote etc.) und ermöglicht die Berechnung von Alternativen und Preisvergleichen. on

4.4.

Aufbauorganisation des Hoteleinkaufs

Wurde bislang davon gesprochen, die Funktion des Hoteleinkaufs im integrierten Touristikkonzern zu „zentralisieren", so darf dies nicht gleichgesetzt werden mit einer Organisationsstruktur, die den gesamten Einkauf auch räumlich in einer Zentraleinheit zusammenfasse

4.4.1.

Zentralfunktionen des Einkaufs

Die Funktionen der Einkaufszentrale •



• •

u.a.

konzentrieren sich auf:

Führen der Mitarbeiter (Zielvorgaben, Audit) Schaffen optimaler Rahmenbedingungen für den Einkauf (Prozessoptimierung, Infrastruktur der Kommunikation, Verfügbarkeit relevanter Einkaufsinformationen sicherstellen) Aufbau und Pflege der Management Information Koordination, Abstimmung und Festlegung von Einkaufsentscheidungen

(Contracting Boards, Verträge großer Hotelketten)

Internationalität des Einkaufs Der Erfolg des Hoteleinkaufs ergibt sich letztlich daraus, inwieweit es den Einkäufern gelingt, in der Service- und Consultingfunktion die oben angeführten Zielkriterien zu erfüllen. Dies in dem Spannungsfeld zwischen den Ziel- und Quellmärkten, welches von ausgesprochener Komplexität und Dynamik gekennzeichnet ist.

4.4.2.

TUI Contracting hat sich daher für eine klare und einfache Struktur entschieden, die von einem internationalen Team getragen wird. Derzeit sind Einkäufer mit 14 (!) verschiedenen Nationalitäten tätig. Kann ein Rheinländer für den bayerischen

Steckel/Hovenbitzer; Internationaler Hoteleinkauf

274

Markt, ein Niederländer für den österreichischen Markt oder gar ein Brite für den deutschen Markt einkaufen? Was für eine Frage in heutiger Zeit! Welche Branche hat die Internationalität nicht schon im Produkt selbst so immanent wie die Touristik. Und andere, an sich weniger internationale Unternehmen exerzieren hier erfolgreich vor, dass die Farbe des Reisepasses eine unbedeutende Rolle spielt. Anstelle etwa möglicher doppelter Besetzung von Positionen aufgrund bestimmter Veranstalter- oder Quellmarktherkunft gilt es, einfache Strukturen und klare Kompetenzen zu erhalten. Wichtig ist der Handelnde selbst, seine Kompetenz und Bereitschaft, sich und das Unternehmen zielorientiert weiterzuentwickeln. Das Einstellen der Organisation auf eine komplexe und dynamische Umwelt ist für alle Beteiligten ein Lernprozess. Die nationale Herkunft kann insofern einen Hinweis darauf geben, welche individuellen Quellmarkt- und Veranstalterkenntnisse noch erlernt werden müssen. Dies erfolgt durch Schulungen bei den Veranstaltern und permanente Kommunikation mit den internen Kunden des Hoteleinkaufs. 4.4.3.

Dezentralisierung des Einkaufs

Die Effekte der Integration im Touristikkonzern ergeben sich aus der markt- und zielgerechten Aufgabenteilung und Spezialisierung der Funktionen. Versteht man den Einkäufer als „Keimzelle" des Hoteleinkaufs, so ist sein Ergebnisbeitrag umso größer, je mehr er gleichsam die Rolle des Verkäufers „seiner" Destinationen in den Konzern hinein lebt.

Die Destinationskompetenz des Einkaufs steigt, wenn der Hoteleinkauf im jeweiligen Land präsent ist, von dort aus die Destinationen konzernintern „verkauft" und dort gleichzeitig für kommerzielle Belange der eindeutige Ansprechpartner des Hoteliers ist.

TUI Contracting hat sich daher entschieden, dass, wenn immer sinnvoll, die Einkäufer in den Ländern, die sie einkaufen auch ihre Basis haben. Von hier aus agieren sie als kleine, flexible Einheiten vor Ort, wobei sie von der Zentrale gesteuert, koordiniert und mit entsprechenden Informationen und Rahmenbedingungen versorgt werden. Zudem sind die Einkäufer nach Möglichkeit eingebunden in die Organisationsstruktur des Konzerns in der Destination. Sie arbeiten also eng mit den Zielgebietsagenturen und der Reiseleitung zusammen. Durch die permanente Präsenz auf dem Zielmarkt sowie die zunehmende DVtechnische Unterstützung (Zugriff und Übermittlung relevanter Daten mittels Datenfernübertragung) entwickelt sich der Einkauf zum Träger aktueller Informationen über die Produkte in der Destination, deren Leistungserfüllung (z. B. Reklamationen). Es wird informiert über neue Hotelprojekte, den Wettbewerb, die Preisentwicklungen sowie Tendenzen im sozioökonomischen Umfeld der Destinationen. Damit wird nicht nur die Verhandlungsposition gestärkt, in der Verknüpfung mit Informationen aus den Quellmärkten erlaubt dies dem Einkauf Chancen und Risiken frühzeitig zu erkennen. Somit wird der Hoteleinkäufer in die Lage versetzt, zielgerichtet Einfluss zu nehmen und aktiv mitzugestalten entsprechend dem aus dem industriellen Einkauf her bekannten Prinzip des „Advanced Purchasing". Da parallel die kontinuierliche Kommunikation mit den internen Kunden aufrecht

275

Steckel/Hovenbitzer: Internationaler Hoteleinkauf

gehalten wird, den.

kann die

Erfüllung

der Erfordernisse der Quellmärkte

gewahrt wer-

„One Face to the Hotelier"

5.

Die permanente Präsenz auf dem Zielmarkt hat noch einen weitern, auf den externen Partner bezogenen Aspekt. Durch die Zentralisierung der Funktion des Hoteleinkaufs im Konzern wird angestrebt, die Produktanforderungen der einzelnen Veranstalter miteinander abzustimmen und hinsichtlich einer gemeinsamen (oder auch bewusst unterschiedlichen) Vorgehensweise in die Destinationen hinein zu kanalisieren. Kommerziell gesehen tritt der Konzern durch den Hoteleinkauf mit einer Stimme im Zielmarkt auf: „One Face to the Hotelier".

Die Vorteile liegen auf der Hand: • Bei großen Hotelanlagen und Hotelketten kann durch die Bündelung beim Vertragspartner eher eine „win-win" Situation geschaffen werden, bezogen auf das Gesamtkontingent, die Quellmarktexklusivitäten und die Konditio-

nen. •



Bei kleineren Unterkünften kann das „knappe Gut" des Kontingentes im Vorfeld intern abgestimmt und ggf. Alternativen festgelegt werden. Die einzelnen Veranstalter treten nicht gegenseitig als Konkurrenten beim Hotelier und in der Destination auf. Die Kommunikation mit Hoteliers über den Vertragsabschluß hinaus ermöglicht einen kontinuierlichen Austausch über Quellmarktanforderungen und Leistungen (des Hoteliers) und eröffnet die Chance, diese künftig noch besser in Übereinstimmung zu bringen.

Es muss klargestellt werden, dass es hier nicht um das Ausspielen der geballten Einkaufsmacht eines Konzerns geht. Das wäre fatal in vielen Verhandlungssituationen und zu kurzfristig gedacht, zumindest was den größten Teil der Hoteliers angeht: sie sind Kernlieferanten, zu denen eine langjährige Vertragspartnerschaft besteht. Lieferantenmanagement bedeutet, abhängig von Strategie und Situation, die richtigen (also zielführenden) Töne der Klaviatur zu spielen: „Meistens Dur, manchmal Moll".

6.

Schlußbemerkung

Die Funktion des Hoteleinkaufs stellt in der touristischen Wertschöpfungskette eine klassische Kernkompetenz dar. Die Zentralisierung der Einkaufsfunktion im integrierten Touristikkonzern bedingt interfunktionelle Teamarbeit. Auf der Suche nach einem Organisationskonzept geht TUI Contracting einen Weg, der sowohl Quellmarktorientierung bewahrt, als auch die Bündelungs- und Spezialisierungseffekte im Einkauf fördert. In diesem Beitrag wurde skizziert, wie das Organisationskonzept in seinen ersten Stufen umgesetzt wurde bzw. derzeit eingeleitet wird.

Umsetzung verknüpft ist immer auch die Frage nach der jeweiligen Sinnhaftigkeit und Wertschöpfung. So z. B. die Frage, in welchen Destinationen und für Mit der

276

Steckel/Hovenbitzer: Internationaler Hoteleinkauf

welche Veranstalter eine Zentralisierung der Einkaufsfunktion zielführend ist; bei wem also liegen die Kompetenzen und Ressourcen und wo sind wirtschaftliche Effekte zu erzielen. In seinen ersten Stufen legt das Organisationskonzept Wert auf pragmatische, flexible Lösungen. Die Phase der Konsolidierung wird genutzt, um die nächsten, eher strategischen und visionären Stufen zu diskutieren, die zu einerweiteren Verbesserung der Funktion des Hoteleinkaufs führen werden.

Buss: Der internationale Hoteleinkauf

277

Der internationale Hoteleinkauf Lothar Buss

1. 2.

Hotelplanung.278 Hoteleinkauf am Beispiel eines typischen Tagesablaufs

eines Einkäufers.279 Auslastung der Kontingent.282 -

3.

Zusammenfassung: Von der Planung bis zur Realisierung des Hoteleinkaufs sind viele Aktivitäten durchzuführen, die der Autor sehr praxisorientiert und anschaulich darstellt. Zur Planung und Vorbereitung des Hoteleinkaufs gilt es eine Vielzahl von Kriterien zu berücksichtigen, um die richtigen Mengen in geeigneten Qualitäten zu akzeptablen Konditionen einzukaufen. Der typische Tagesablauf eines Hoteleinkäufers eröffnet einen Blick in das Alltagsgeschäft im Zielgebiet. Weiterführende Literatur:

Kirstges, Torsten (1996): Expansionsstrategien im Tourismus; 2. Aufl., Wiesbaden. Mündt, Jörg W. (2000): Reiseveranstaltung; 5. Aufl., München, Wien. Pompl, Wilhelm (1997): Touristikmanagement 1 Beschaffungsmanagement; 2. Aufl., -

Lothar Buss ist Bereichsvorstand

Zielgebietsmanagement der Thomas Cook AG.

Berlin u.a.

Buss: Der internationale Hoteleinkauf

278

1.

Hotelplanung

Innerhalb eines Reisekonzerns hat jeder Aufgabenbereich seine Bedeutung. Am Erfolg oder Misserfolg der einzelnen Reisen oder auch des gesamten Unternehmens hat somit jeder Mitarbeiter seinen Anteil, einige mehr, andere weniger. Etwas mehr, also eine herausgehobene Bedeutung innerhalb der Gesamtorganisation des Reiseveranstalters kommt dabei dem Hoteleinkauf zu, denn das Hotel, seine Qualität und seine Preiswürdigkeit, ist zentraler Punkt jeder Urlaubsreise. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Kunde aus Deutschland, Holland, England oder einem anderen Land stammt. Und es ist in erster Linie der Hoteleinkäufer, der für diesen wichtigsten Bestandteil der Reise, das Hotel, in seinem Einkaufsgebiet verantwortlich zeichnet. Ein erfolgreicher, zielgerichteter Einkauf beginnt mit der Planung. Diese basiert auf den Erfahrungen der zurückliegenden oder der laufenden Saison und gilt für das kommende Geschäftsjahr. Alle Bereiche des Unternehmens, die qualifiziert zu den Zielen der Planung beitragen können, sollten hierbei eingebunden sein. Da in allen Kontinentalmärkten, also England derzeit noch ausgenommen, die Kundenwünsche und die Ansprüche an die Hotels kaum differieren, ist eine gemeinsame Produkt-, also Hotelplanung selbstverständlich. Das gleiche gilt später für den Hoteleinkauf. Auch dieser wird für alle Kontinentalmärkte gemeinsam durchgeführt. Kaum Synergien gibt es derzeit noch beim Hoteleinkauf mit dem englischen Markt, wegen der unterschiedlichen Katalog-Erscheinungstermine aus zeitlichen Gründen, jedoch auch wegen der unterschiedlichen Präferenzen bei der Hotelauswahl. Sicherlich ist es nur eine Frage der Zeit, bis es auch hier zu Angleichungen kommen wird. Die Strukturen für einen gemeinsamen konzernweiten Hoteleinkauf wurden daher bereits geschaffen. Es wurden vier Einkaufsbereiche gebildet, weltweit unterteilt nach bestimmten Regionen. Jedem Bereich steht ein/e Einkaufsdirektor/in vor paritätisch je zwei Kontinental-Europäer und zwei UK-Mitarbeiter, die für die Organisation des strategischen und operativen Hoteleinkaufs verantwortlich sind. Die Einkaufsplanungen finden daher bereits jetzt aus Gesamtkonzernsicht statt. -

Es

gibt viele Kriterien, die in die Planung einfließen •















müssen: Wie ist der Verkauf der einzelnen Hotels während der laufenden Saison? Liegt das Zielgebiet im Trend, ist also eine optimistischere Planung angebracht? Verfügen wir über die richtige Hotelauswahl innerhalb der einzelnen Hotelkategorien und Verpflegungsarten? War die Planung für das laufende Jahr optimal oder haben wir zu optimistisch oder zu zurückhaltend geplant? Liegen wir mit unseren Risiken, also den Hotelgarantien oder den -beteiligungen im Plan? Wie ist die Kundenzufriedenheit, die Reklamationsquote in jedem einzelnen Hotel? Liegen der Anteil und das Preisniveau der unvermeidlichen Last-MinuteReisen in einem wirtschaftlich vertretbaren Rahmen? Was wissen wir über Entwicklung und Strategie der Mitbewerber?

279

Buss: Der internationale Hoteleinkauf







Welche neuen Entwicklungen, neuen Hotels wird es in dem Zielgebiet geben? Wie schätzen wir die Preisentwicklung bei den Hotels und den Flügen für die kommende Saison ein? Welchen Einfluss wird die prognostizierte gesamtwirtschaftliche Entwicklung auf die Buchungszahlen für das kommende Jahr haben?

Von der Beantwortung dieser und ähnlicher weiterer Fragen, die auf jeden einzelnen Markt bezogen sind, wird es abhängen, ob die zukünftige Prognose für die einzelnen Zielgebiete optimistisch ausfällt, also ein Zuwachs geplant wird, ob der Status quo beibehalten wird oder was selten vorkommt ob sicherheitshalber ein Minus an Gästen geplant wird. Es ist nicht immer einfach, die richtige Balance zwischen einem notwendigen gesunden Optimismus und einem unerlässlichen Realitätssinn zu finden. Denn einerseits sind alle Unternehmen, die erfolgreich sein wollen, auf Wachstum ausgerichtet, andererseits kann eine Planung, die sich im Nachhinein als zu optimistisch erweist, den wirtschaftlichen Erfolg gefährden. Der Einfluss des Hoteleinkäufers auf die Ergebnisse des Planungsprozesses verläuft allgemein parallel zu seiner Kompetenz in dem Zielgebiet, für das er verantwortlich ist. -

2.

Hoteleinkauf Einkäufers

-

am

-

Beispiel eines typischen Tagesablaufs eines

Nachdem die Planungen beendet sind, die notwendige Anzahl der Hotelbetten für das kommende Jahr pro Zielgebiet, gemeinsam für alle kontinentaleuropäischen Märkte ermittelt ist, kann der Einkäufer mit seiner wesentlichsten Aufgabe, dem Hoteleinkauf, beginnen. Dieser gestaltet sich beispielsweise für die Sommersaison über einen Zeitraum von 3 bis 5 Monaten. Ein Einkäufer ist in Abhängigkeit von der Größe für ein oder auch mehrere Zielgebiete verantwortlich. Wie ein Tag im Leben eines Einkäufers aussieht, wird im Folgenden am Beispiel von Gran Canaria beschrieben: In Zusammenarbeit mit dem spanischen Agenturchef des Zielgebietes werden die Termine koordiniert und vorbereitet. Dieser ist bei den Verhandlungen ebenso anwesend wie der Chef der Reiseleiterorganisation des Zieles, der durch die tägliche Praxis über alle Details in allen Hotels informiert und daher ein unverzichtbarer Ratgeber beim Einkauf ist.

Tag startet um 9 Uhr mit dem Besuch des Direktors eines Hotels. Bei eiKontingent von 120 Betten in dem zu verhandelnden 500-Betten Hotel ist der Verkauf im laufenden Jahr erfreulich gut. Eine Auslastung ohne Last-MinuteAngebote von durchschnittlich über 85 % wird erreicht werden. Alle Beteiligten sind darüber sehr angetan, und nach einigem rhetorischen Geplänkel erklärt der Hotelier, dass er für den kommenden Sommer eine Preissteigerung von 5 % für sich entschieden hat. In Anbetracht der anstehenden Kostensteigerung, der InvesDer

nem

tition in noch mehr Qualität zum Wohl der Gäste und der erwiesenermaßen guten Verkaufbarkeit seines Hauses, erachtet er diese als ein gerechtfertigtes und sehr moderates Ansinnen. Die Einkäuferin, hier also eine Frau, kann diese Meinung in Bezug auf die Preisgestaltung auf keinen Fall teilen. Schließlich war ihr in der Pia-

Buss: Der internationale Hoteleinkauf

280

nungsrunde bedeutet worden, dass aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Situation eine Preissteigerung nicht verkraftbar sei. Daraufhin hatte sie signalisiert, dass sie mit einer maximalen Preissteigerung von durchschnittlich 1 bis 2 % rechne. Es folgt eine lange Diskussion mit wechselseitig guten und einleuchtenden Argumenten. Dabei erklärt der Hotelier auch, dass die Mitbewerber die gewünschte Preissteigerung verstanden und akzeptiert hätten was selten stimmt. Man einigt sich am Ende auf einen neuen noch zu bestimmenden Termin, um beiderseitig die Position zu überdenken. -

Um 10 Uhr steht ein Gespräch an, bei dem bereits vorher feststeht, dass es zunächst zu keinem Vertrag kommen wird. Der Hoteldirektor will nur ausloten, welche Preissteigerung für das kommende Jahr durchsetzbar sei. Er müsse auch noch mit anderen Veranstaltern sprechen, um zunächst selbst seine Preisstrategie für das kommende Jahr zu entwickeln. Die Auskunft, dass maximal Preisgleichheit angeraten sei, ist keineswegs in seinem Sinne. Nach einer Stunde Austausch von Argumenten, alle einleuchtend, aber für das jeweilige Gegenüber nicht akzeptierbar, einigt man sich auf einen neuen Termin zu einem späteren Zeitpunkt. Um 11 Uhr steht ein Termin mit dem Mitbesitzer zweier Bungalowanlagen an, mit denen seit 5 Jahren Garantieverträge bestehen, die jedes Jahr mit Steigerung entsprechend der Inflationsrate verlängert worden waren. Im Gegensatz zu den Vorjahren ist diesmal eine intensivere Diskussion zu erwarten. Das Garantierisiko in den beiden Anlagen beträgt rund 3 Mio. Euro pro Jahr, und die Buchungslage im laufenden Jahr erlaubt keine Preissteigerung für das kommende. Andererseits sind die beiden Häuser mit zusammen rund 400 Betten ein wichtiger Bestandteil des Programms, so dass man sich ihren Verlust also nicht erlauben kann. Daher wurden 3 Stunden terminiert. Für den Hotelier ist die Situation einfach, er will ebenso wie in der Vergangenheit "lediglich" eine Preissteigerung entsprechend der Inflationsrate, also 2,5 %. Aus seiner Sicht ist dies verständlich, weil er in der Vergangenheit trotz gigantischer Nachfrage maßvoll geblieben und ebenfalls nur eine Steigerung entsprechend der Inflationsrate verlangt hatte, trotz massiver Bedrängung mit höheren Preisen durch andere Veranstalter. Außerdem seien seine Häuser auch jetzt immer ausgebucht. Alles einleuchtende Argumente aus Sicht eines Hoteliers. Tatsächlich war die Belegung im laufenden Jahr jedoch nur mit Hilfe von Last-Minute-Angeboten nach wie vor optimal und die gesamtwirtschaftliche Lage lässt eine Preissteigerung nicht zu. Nach unermüdlicher rethorischer Überzeugungsarbeit, die wenn notwendig auch gebetsmühlenartig wiederholt wird, ist das Ziel nach drei Stunden erreicht. Die Verträge werden mit gleichen Preisen für ein weiteres Jahr unterschrieben, wenn auch zähneknirschend durch den Hotelier. Unzweifelhaft ist dies ein Erfolgserlebnis für die Einkäuferin. Mit der Unterschrift ist die Basis für ein gemeinsames Mittagessen gelegt. Dieses ist zeitlich begrenzt, da um 16 Uhr der nächste Termin ansteht. Um 16 Uhr erscheint zunächst der Eigentümer einer kleinen Appartementanlage mit insgesamt 60 Betten. Auch er verfügt über einen Garantievertrag, allerdings "nur" mit 330.000 Euro Risiko pro Geschäftsjahr für den Veranstalter. Natürlich hat auch er eine Preissteigerung mindestens in Höhe der Inflationsrate im Visier. Selbstverständlich argumentiert auch er damit, dass Preisgleichheit für ihn unweigerlich eine Schmälerung des Ertrages bedeuten würde, da eine Kostensteigerung nicht zu vermeiden ist. Die Logik der Argumente der Einkäuferin überzeugt jedoch

Buss: Der internationale Hoteleinkauf

auch hier am Ende. Wieder wird ein Vertragsabschluss mit tigt, wieder ein Erfolgserlebnis für die Einkäuferin.

281

gleichen

Preisen

getä-

Eine Stunde später, um 17 Uhr erscheint der kaufmännische Direktor einer Hotelkette, an der der Veranstalter eine Beteiligung hält. Terminiert ist eine Open-endDiskussion. Die Belegung im laufenden Jahr ist zufriedenstellend. Durch die Beteiligung hat der Veranstalter Anteil am wirtschaftlichen Ergebnis der Hotels. Aus Sicht des Hoteliers spricht also nichts gegen eine Steigerung gemäß der Inflationsrate, eigentlich sollte es jedoch auch im Interesse des Veranstalters etwas mehr sein. Die Einkäuferin kann aber auch hier nicht von ihrem eingeschlagenen Weg abweichen, die Preisentwicklung in der Nähe von Null zu halten. Dafür gibt es gewichtige Gründe. Die gesamtwirtschaftliche Lage, die in der Planungsrunde als entscheidendes Argument für die Forderung nach Preisdisziplin der Hoteliers diente, muss natürlich, wenn man sie selbst ernst nehmen will, auch für die Beteiligungshotels gelten. Außerdem würde die Glaubwürdigkeit der Einkäuferin leiden, sollte die Gewährung von Preiserhöhungen für "eigene" Hotels publik werden, was nie auszuschließen ist. Darüber hinaus ist sie für die bestmöglichen Hotelpreise verantwortlich, nicht für die Budgets der Beteiligungshotels. Daher sieht die Einkäuferin keine Veranlassung, hier anders zu argumentieren als mit jedem anderen Hotelier. Zu einer optimalen Belegung der Hotels sind entsprechende Preise Voraussetzung. Darum dreht sich die gesamte Diskussion nach zwei Stunden, gegen 19.30 Uhr sind alle Argumente ausgetauscht. Auch hier einigt man sich auf einen neuen Termin zu einem späteren Zeitpunkt. Dann allerdings muss unterschrieben werden. Zum Abschluss des Tages lädt der Hotelier zum Abendessen in einem seiner Hotels ein. Dies wird gern angenommen, da es gleichzeitig der Kontrolle der Verpflegungsleistung eines Hotels dient. Wenn die Einkäuferin am Abend den Arbeitstag Revue passieren lässt, stellt sie fest, dass sie zwar acht Stunden ununterbrochen über Hotelpreise diskutiert hat, aber letztlich nur 460 von 18.000 für dieses Ziel über alle kontinentaleuropäischen Märkte geplante Betten vertraglich abgesichert hat. Natürlich weiß sie aber auch aus Erfahrung, dass sie am Ende der Einkaufsphase ihre Ziele erreicht haben wird. Die Einkäuferin weiß aber auch, dass diese manchmal auch hitzigen Diskussionen um Preise und andere Einkaufskonditionen wie Kinderermäßigungen, Frühbucherrabatte, eventuelle Darlehen für notwendige Renovierungen, Sonderpreise für besonders schwer verkaufbare Saisontermine, eventuell notwendige Sonderkonditionen für den belgischen oder holländischen Markt oder Werbekostenzuschüsse notwendig sind, um am Ende die Gewissheit zu haben, einen guten Job getan zu haben. Denn zu ihrem Aufgabenbereich zählt neben der Verantwortung für eine korrekte und ansprechende Prospektdarstellung auch die eigenhändige Katalogpreis-Kalkulation, natürlich nur für den deutschen Markt. Sie weiß, dass sie in der Vergangenheit während der rund 4-wöchigen Kalkulationsphase manchmal das Gefühl überkam, dass sie in dem einen oder anderen Fall noch etwas härter hätte verhandeln sollen. Derartige Gedanken will sie in Zukunft durch entsprechende Verhandlungen von vornherein vermeiden. Sie weiß allerdings auch, dass es klug ist, bei aller Härte der Verhandlungen den Hoteliers das Gefühl zu geben, dass sie

Buss: Der internationale Hoteleinkauf

282

es in ihrer Person und ihrem Unternehmen mit einem fairen Partner zu tun haben, für den die Interessen der Hotels immer gewahrt bleiben müssen.

Es ist der Einkäuferin daher auch bewusst, dass sie stellvertretend für ihr Unternehmen dem Hotelier gegenüber die Verantwortung dafür übernimmt, dass das eingekaufte Bettenkontingent ausreichend ausgelastet wird. Belegungsgarantien sind die Ausnahme und müssen es wegen des damit verbundenen wirtschaftlichen Risikos auch bleiben. Man sollte daher auch nicht mehr Betten unter Vertrag nehmen, als man später durchschnittlich glaubt belegen zu können, natürlich über alle Märkte hinweg.

3.

Auslastung der Kontingente

Um eine optimale Auslastung der vertraglich vereinbarten Kontingente zu erzielen, wurde EDV-technisch pro Hotel ein gemeinsamer Bettenpool installiert, aus dem alle Marken des Konzerns über alle Ländergrenzen hinweg ihre Buchungen tätigen. Diese technische Innovation, geschaffen für die Entwicklung von Synergien zwischen den einzelnen Konzernmärkten, wurde durch die Einkäuferin sehr begrüßt. Dadurch entfällt das zuvor notwendige Aufteilen der Bettenkontingente nach verschiedenen Ländern, das stets unvermeidlich zu Diskussionen mit den verschiedenen Produktmanagern über die Höhe der Kontingente geführt hatte. In Hinblick auf notwendige Synergien wird die Einkäuferin in Kürze innerhalb ihres Konzerns auch Verträge für den englischen Markt abschließen oder zumindest mit ihren britischen Kollegen Einkaufsstrategien abstimmen. Dies wird ihren Job zweifellos nicht einfacher machen. Aber sie hatte sich für den Beruf als Hoteleinkäuferin auch deshalb entschieden, weil er durch seine Internationalität so interessant und abwechslungsreich ist. Deshalb steht sie dieser neuen Herausforderung durchaus neugierig und positiv gestimmt gegenüber.

Harlinq/Weiss: Internationale Reiseleitunq im integrierten Touristikkonzern_283

Internationale Reiseleitung im Touristikkonzern Christiane 1.

integrierten

Harting und Sandra Weiss

Einleitung .284 1.1. Die Reiseleitung als Bestandteil der Pauschalreise.284 1.2.

Die TUI Service AG.286

2.

Integrierte Betreuung von Veranstaltermarken.287

3.

2.1. Betreuungskonzepte.288 2.2. Markenauftritt.290 2.3. BackOffice.292 Vertikale Integration im Zielgebiet.293 3.1. Aufgabenfelder im Zielgebiet.294 3.2. Zuständigkeiten für die Aufgaben.294 3.3. Vertikale Kooperation im Zielgebiet.295

4.

Schlussbetrachtung.295

Zusammenfassung: Ziel einer zentralen Reiseleiterorganisation

ist es, durch einen hohen Servicestandard und effiziente Abläufe einen Wettbewerbsvorteil für die Konzernveranstalter zu schaffen. Die horizontale Integration der Betreuung bietet die Chance, den Leistungsumfang zu erhöhen. Konzernsynergien entstehen durch markenübergreifende Betreuungskonzepte mit standardisierten Serviceabläufen. Durch flexible Servicemodelle und internationale Teams können quellmarkt- und markenspezifische Besonderheiten auch in der integrierten Betreuung optimal berücksichtigt werden. Kostensenkungspotenziale liegen besonders im Backoffice-Bereich, da hier quellmarkt- und markenspezifische Bedürfnisse eine untergeordnete Rolle spielen. Weiterführende Literatur:

Müller, W.; Mönch-Kowalewski, H. (1997): Qualitätsmanagement im Bereich Reiseleitung in: Pompl, W.; Lieb, M. (Hrsg.): Qualitätsmanagement im Tourismus, München, Wien, S. 312 ff. Weier, M. (2000): Aspekte internationaler Reiseleitung in: Landgrebe, S. (Hrsg.): Internationaler Tourismus, München, Wien, S. 131 ff. Christiane Harling ist Leiterin Kundenservice Ländergruppen bei der TUI Deutschland GmbH. Sandra Weiss ist Assistentin der Geschäftsführung und Referentin Qualitätsmanagement bei der TUI Service AG.

_

284

1. 1.1.

Harlinq/Weiss: Internationale Reiseleitunq im integrierten Touristikkonzern

Einleitung Die

Reiseleitung als Bestandteil der Pauschalreise

Ein bedeutender Bestandteil der Pauschalreise ist die Reiseleitung im Zielgebiet. Oftmals ist sie der einzige persönliche Kontakt, den ein Kunde mit seinem Reiseunternehmen hat. Die Reiseleitung ist das eigentliche „Gesicht" oder auch die „Visitenkarte" des Veranstalters. Neben den konkreten Serviceleistungen prägt sie das Bild des Kunden von der Qualität des Veranstalters maßgeblich. Eine besonders gute/schlechte Teilleistung wirkt sich auch auf die anderen Teilleistungen bzw. auf das Gesamtbild der Leistung aus. Das positive Empfinden über einen besonders guten Service am Kunden durch den Reiseleiter wird auch auf andere Leistungen des Unternehmens übertragen. Ist der Service schlecht oder versagt der Reiseleiter in Konfliktsituationen, so dreht der Kunde dem Unternehmen möglicherweise den Rücken zu, ohne mit einem weiteren Mitarbeiter des Unternehmens in Kontakt getreten zu sein. Die Reiseleitung ist, nach dem Hotel, die wichtigste Komponente bei der Gesamtbeurteilung einer Reise (Marktforschung TUI

Deutschland, 2000).

Abb. 1: Die

Bedeutung der Reiseleitung der World of TUI bei der Bewertung einer Reise

Zielgebiet Quelle: TUI Deutschland

Reisebüro

Marktforschung 2000

Dem Faktor „Reiseleitung" muss für die Strategie des Qualitätsmanagements von Reiseunternehmen daher eine hohe Priorität eingeräumt und durch entsprechende Maßnahmen des Personalmanagements im Hinblick auf Personalbeschaffung, -Schulung, -führung und -entwicklung abgestützt werden (Müller/MönchKowalewski 1997, S. 312.).

Harliriq/Weiss: Internationale Reiseleitunq im integrierten Touristikkonzern

285

Aufgabe der Reiseleitung ist es, Urlaubszufriedenheit zu gewährleisten. Als Dienstleister richtet sich die Reiseleiterorganisation daher an den Bedürfnissen des Gastes nach • Sicherheit • Kommunikation • Information und • Ferienerlebnis in intakter Umwelt aus.

Diese Bedürfnisse ergeben für sie zunächst die Aufgabengebiete Qualitätssicherung, technisch-organisatorische Abwicklung, Gästebetreuung und Verkauf von

Zielgebietsprodukten.

Qualitätssicherung Die Reiseleitung hat die gebuchten Leistungen vor Ankunft der Gäste und bei Reklamationen sicherzustellen. Ferner liegt die Qualitätskontrolle der Leistungsträger im Zielgebiet in ihrer Hand. Technisch-organisatorische Abwicklung Hierzu gehören z.B. Reservierungen, Verteilung der Listen für den Rückflug, Transferplanung, Abrechnung mit den Hotels, Verkaufssteuerung und die Betreuung und Organisation von Gruppenreisen, Seminarreisen, VIP- und Dienstreisen, Yield Management und Krisenmanagement im Zielgebiet. Gästebetreuung Die Gästebetreuung ist ein sehr umfangreicher Aufgabenbereich. Folgende zählung zeigt eine Auswahl: Empfang der Gäste am Flughafen Begrüßungsveranstaltung in den Hotels Regelmäßige Informationsstunden in den Hotels

Auf-



• • • •



Notfallhilfe, 24-Stunden-Service-Telefon Entgegennahme von Beschwerden, Schaffung

von

Abhilfe, Reklamations-

bearbeitung Beratung und Verkauf von Exkursionen und Mietwagen

Verkauf Auch der Verkauf von Zielgebietsprodukten, wie etwa Ausflüge und Mietwagen gehört zu den Hauptbereichen der Reiseleitung. Beim Ausflugsverkauf tritt die Reiseleitung als Mittler zwischen dem Kunden und der Agentur auf. Eine detaillierte Auflistung der Aufgaben (vgl. Abb. 3) entnommen werden.

kann dem

beigefügten Leistungskatalog

Entsprechende Qualitätsnormen und Verhaltensgrundsätze sichern die Kontinuität eines überdurchschnittlich guten Service. Die TUI Service AG als Reiseleiterorganisation der World of TUI1 agiert gemäß ihrer Unternehmensvision: 1

Die

Reiseleiterorganisation firmiert als TUI Service AG, gegenüber dem

jedoch als Reiseleitung der World of TUI auf.

Gast im

Zielgebiet tritt sie

Harlinq/Weiss: Internationale Reiseleitunq im integrierten Touristikkonzern

286

Wir

1.2.

Der Gast steht im Mittelpunkt unseres Handelns; geben ihm Sicherheit und Vertrauen durch exzellenten Service!

Die TUI Service AG

Die TUI Service AG ist Spezialist für die Betreuung im Zielgebiet und seit 1997 in diesem Sektor international tätig. Im Sommer 2001 betreuten etwa 1.700 Mitarbeiter rund 3,5 Millionen Gäste unterschiedlicher Nationalitäten in 110 Zielgebieten. Abb. 2: Die Kunden der TUI Service AG

Quelle:

Eigene Darstellung

Neben Deutschen, Schweizern und Österreichern werden auch Gäste belgischer, holländischer, polnischer und ab Sommer 2002 auch ungarischer Nationalität in ihrer Landessprache betreut. Besondere Herausforderung hierbei ist, die national

differierenden erfüllen.

Erwartungen

an

die

Betreuung

und den Service im

Zielgebiet

zu

Die TUI Service AG hat sich einen hohen Qualitätsstandard gesetzt und lebt ihre in Punkt 1.2 genannte Unternehmensvision mit folgenden Unternehmensleitlinien (TUI Service AG, Servicehandbuch): •

Wir bieten Service für Menschen Wir stellen die gebuchte Leistung sicher, betreuen und beraten unsere Gäste und bieten attraktive Ferienerlebnisse an. Unser Ziel ist der zufriedene Gast jeder Gast. -



Wir sind ein Unternehmen der World of TUI Wir sind Teil der international führenden Touristikgruppe. Kundenorientierung, kontinuierliche Qualitätsoptimierung und die Identifikation aller Mitarbeiter mit der World of TUI bilden die Grundlage für wirtschaftlichen Erfolg.

Harlinq/Weiss: Internationale Reiseleitunq im integrierten Touristikkonzern





287

Als zentrale Reiseleiterorganisation der World of TUI fördern wir die Zusammenarbeit und den Integrationsprozess innerhalb unserer Unternehmensgruppe. Wir übertreffen Erwartungen und begeistern unsere Gäste Unsere Maxime ist: Erwartungen erfüllt man am besten, indem man sie übertrifft. Service, der den Gast überrascht und begeistert, ist für jeden von uns eine ständige Herausforderung. Wir bauen auf qualifizierte Mitarbeiter und ein gästeorientiertes Servi-

ceangebot

Exzellenter Service ist vor allem persönlicher Service. Hochqualifizierte und Mitarbeiter sind unsere wichtigsten Erfolgsfaktoren und unsere Garantie für exzellenten Service. Wir orientieren uns an zielgruppenspezifischen Bedürfnissen unserer internationalen Gäste und setzen die Anforderungen der Veranstaltermarken er-

engagierte

folgreich um. •



Wir arbeiten hochmotiviert, innovativ und professionell Unsere tägliche Arbeit spiegelt unser Streben nach perfekter Dienstleistung wider. Stillstand bedeutet Rückschritt. In Zeiten beschleunigter Marktveränderungen, rascher Bedürfniswandel, veränderter Gästestrukturen und wachsendem Wettbewerbsdruck zeigt sich die Qualität eines Dienstleistungsunternehmens durch den Willen der Mitarbeiter zu ständiger Serviceverbesserung, Kreativität und Flexibilität. Wir engagieren uns für den Schutz der Umwelt Viele wollen die Umwelt schützen wir müssen! Wir sichern damit die natürlichen Ressourcen der Zielgebiete und somit die langfristige Existenzgrundlage unseres Unternehmens. -

Die TUI Service AG hat zum Hauptziel gemacht, sich zu einer zentralen Reiseleifür alle Konzernveranstalter auszubauen und einen Wettbewerbsvorteil für die betreuten Marken zu schaffen. Folgende Unterziele werden dazu

terorganisation verfolgt: •

• • •



2.

Entwicklung

einheitlicher Standards für die Betreuung und Abwicklung der Konzernkunden unter Berücksichtigung quellmarkt- und markenspezifischer Besonderheiten Optimierung der Effizienz durch Nutzung von Konzernsynergien Zusammenstellung eines internationalen Teams Sicherstellung einer schlanken und flexiblen Organisation mit transparenten

Kommunikationswegen Professionalisierung des Verkaufs von Zielgebietsleistungen maler Ausschöpfung des Marktpotenzials in den Zielgebieten.

zwecks

opti-

Integrierte Betreuung von Veranstaltermarken

Die zentrale Betreuung der Gäste verschiedener Konzernveranstalter stellt ein Beispiel für eine horizontale Integration dar.

Harlinq/Weiss: Internationale Reiseleitunq im integrierten Touristikkonzern

288

Gemäß der Zielsetzung will die integrierte Reiseleitung den einzelnen Marken einen Wettbewerbsvorteil auf ihrem Markt verschaffen. Der Nutzen einer zentralen Reiseleiterorganisation gegenüber einer für jede Marke separat organisierten

Betreuung bemisst sich folglich an zwei Komponenten: Dem tungsangebot (Qualitätsvorteil) und/oder der Kostensenkung (Preisvorteil).

verbesserten Leisfür die Betreuung

Die Chancen und Herausforderungen im Hinblick auf diese horizontale Integration werden im Folgenden anhand des Betreuungskonzepts, des Markenauftritts und den Backoffice Funktionen erörtert.

2.1.

Betreuungskonzepte

Herausforderung besteht darin, die stetig steigenden Erwartungen der Gäste die Servicequalität (Pompl 1996, S. 56ff.) und an die unterschiedlichen Bedürfnisse der internationalen Gäste optimal zu erfüllen. Hierzu bedarf es flexibler, anDie

an

passungsfähiger Betreuungskonzepte.

Die TUI Service AG bietet ihren Konzernkunden, den Veranstaltern, eine Vielzahl Serviceleistungen. Durch die integrierte Betreuung steigt das Gästevolumen pro Zielgebiet. Dies hat den positiven Effekt, dass neben den herkömmlichen Betreuungskomponenten auch zusätzliche Serviceleistungen von allen Veranstaltern unabhängig von ihrer Größe genutzt werden können. an

Beispiele zusätzlicher Serviceleistungen

1. InfoCenter 2. 24-Stunden-Service-Telefon in den Zielgebieten 3. Flughafencounter in den Zielgebieten 4. Reiseleiter, die für spezielle Betreuungsleistungen bei Krankheit der Gäste.

zur

Verfügung stehen,

z.

B.

Neben diesen zusätzlichen Serviceleistungen ermöglicht die Teamgröße, Experspezielle Funktionen einzusetzen und so die Qualität der Teamleistung zu

ten für

steigern.

Beispiele für Spezialfunktionen innerhalb der Betreuungsteams: 1. ZAK-Koordinatoren, die für einen optimalen Einsatz der Instrumente „ZAK" der

„Geld-zurück-Garantie" bei Reklamationen

2. Verkaufskoordinatoren, die neben der sionssystem für ein marktgerechtes zuständig sind.

und

sorgen.2

Steuerung der Verkäufe durch ein ProviAngebot und Training der Reiseleiter

Anhand eines Leistungskatalogs (vgl. Abb. 3) stellen die Veranstalter aus dieser Palette von Serviceleistungen ein auf ihre Gäste maßgeschneidertes Betreuungskonzept zusammen. Während die Abwicklung der einzelnen Leistungen standardisiert ist, kann ihr Umfang und das Servicepaket flexibel auf die unterschiedlichen Bedürfnisse angepasst werden. 2

ZAK bedeutet Zügige Abhilfe und Kulanz. Dieses Instrument des Beschwerdemanagements ermöglicht die vollständige Lösung von Reklamationen im Zielgebiet. (Vgl. Bastian, H.; Born, K; Dreyer, A. 1999; S. 263ff.)

Harlinq/Weiss: Internationale Reiseleitunq im integrierten Touristikkonzern

Abb. 3

\j

Leistungskatalog der TUI Service AG

in den

289

Zielgebieten

TUI Im iL.

Leistungsangebot der TUI Service AG (Außendienst) Qualitätssicherung ZGB_Veranstalter_ Sicherstellung der gebuchten Leistungen (gemäß Buchungsbestätigung) Qualitätskontrolle aller Leistungsträger im Zielgebiet (inkl. Berichte und Fragebögen) Information der Veranstalter bei nicht buchungskonformen Leistungen und Bearbeitung, der beim Veranstalter eingegangenen Reklamationen Gästebetreuung Empfang der Gäste am Flughafen Begleitung zum Transfermittel/ Begrüßung im Bus Transferbegleitung Begrüßung durch Informationsveranstaltung (Begrüßungstreff) Kostenübernahme für Getränke auf der Informationsveranstaltung Regelmäßige Informationsveranstaltungen in von der Auftraggeberin zu bestimmenden Zeiträumen (InfoStd.) Bereitstellung und Gestaltung von Zielgebietsmaterial (Clipboards, Hotelmappen, Hoteltafeln etc.) Notfallhilfe, 24-Stunden Service Telefon

Entgegennahme und Weiterleitung von Reisemängeln und Beschwerden, Schaffung von Abhilfe ZAK, Begleichung von Reisepreisminderungen, Regreßforderungen an Leistungsträger im Zielgebiet Geld-zurück-Garantie (GZG) Verkauf von Serviceleistungen (Ausflüge/ Mietwagen) Beratung und Verkauf von Serviceleistungen im InfoCenter Umbuchungen, Leistungsänderungen nach Gästewünschen Verabschiedung der Gäste am Flughafen, Hilfestellung beim Check-In Gästeanimation

Sonderleistungen für Reisebüros (Transfer- und Geschenkservice) Betreuung von Seminarreisen, Gruppenreisen und VIP-, Presse- & Dienstreisen Sonderbetreuung von Hochzeitgästen Buchung und Abwicklung von Stand-by-Flügen ex Zielgebiet, HIT-Flügen, Rückflugbestätigungen Leistungen im Back-Office Bereich Verteilung der Rückflugmeldungen (inkl. Vollständigkeitskontrolle & Eintrag der Abholzeiten) Yield Management Einkauf Katalcgkorrekturen Verkaufssteuerung (Buchbarkeit, Releasezeit- & Kontingentsänderungen, Beantwortung der Zielgebietsanfragen innerhalb von 24h) Reservierungen Transferplanung D

Masterbillbearbeitung Organisation von Gruppenreisen, Seminarreisen, VIP-, Krisenmanagement im Zielgebiet

Presse- und Dienstreisen

Kasse Mandant Veranstalter

Anfahrtsbeschreibungen Quelle: TUI Service AG

und Kontrolle der

Flugdaten für Gäste

in

Ferienwohnungen_

290

Harlinq/Weiss: Internationale Reiseleitunq im integrierten Touristikkonzern

Die zentrale Betreuung muss daher nicht zu starren Betreuungsformen führen, sondern kann unterschiedlichen Bedürfnissen durch flexible Betreuungskonzepte optimal gerecht werden. Auch innerhalb einer Marke können Leistungspakete abhängig von Zielgebietsstrukturen oder Marktsegmenten differieren, beispielsweise die Präsenz in den Hotels, Transferbegleitung in touristisch wenig erschlossenen Gebieten oder Sonderbetreuung für das Premiumsegment. Im zweiten Schritt ist in Absprache mit den Veranstaltern zu prüfen, inwieweit bei den von allen Veranstaltern genutzten Leistungen zu realisieren sind. Unter Effizienzgesichtspunkten ist es sinnvoll, dass ein Reiseleiter markenübergreifend alle Gäste der betreuten Veranstalter in einem Hotel betreut. Diese Synergiepotenziale wachsen, umso höher der Überschneidungsgrad der Veranstalter in den Produkten ist, beispielsweise in konzerneigenen Hotels.

Synergiepotenziale

Die

sprachlichen und interkulturellen Fähigkeiten der Reiseleiter setzen die Grenze, Konzernsynergien durch eine markenübergreifende Betreuung „aus einer Hand" zu nutzen. So legen die Schweizer Gäste z. B. sehr viel Wert auf eine Betreuung in Schweizer Deutsch. Eine zentrale Aufgabe der TUI Service AG ist daher die

Bildung von internationalen Teams in den Zielgebieten.

2.2.

Markenauftritt Als „Gesicht des Veranstalters im Zielgebiet" hat der Auftritt der entscheidende Funktionen: 1.

Reiseleitung zwei

gewährleisten, dass der Gast die Reiseleitung als seinen Ansprechpartner erkennt. 2. die Markenpräsenz während des Aufenthaltes im Zielgebiet zu sichern. Die Reiseleitung ist das Gesicht des Veranstalters. Durch die Kontaktpunkte innerhalb der Betreuungskette ergeben sich viele Möglichkeiten, die Marke darzustellen. zu

Der Auftritt setzt sich zusammen aus a) der Uniform, b) dem Informationsmaterial, z.B. Informationsbroschüre, Hotelmappe, Hoteltafeln, Clipboards und c) der Ausstattung der Räumlichkeiten, wie Flughafencounter oder InfoCenter. Die

Herausforderung

der

integrierten Betreuung verschiedener

Marken besteht

darin, durch einen einheitlichen Gesamtauftritt eine hohe Präsenz

gleichzeitig durch gemeinsam genutzte Materialien dem die Markenpräsenz sicherzustellen.

Kosten

zu

zu

zeigen,

senken und trotz-

Vor der Einführung der World of TUI Dachmarke Ende 2001 sicherte die dominierte Mehrmarkenstrategie im Zielgebietsauftritt die Markenerkennung. Der Name TUI GROUP Service für die Reiseleitung und ein blauer Hintergrund bildeten hier die verbindende Klammer. Die einzelnen Logos der Veranstalter wurden zusätzlich auf den Materialien abgebildet (vgl. Abb. 4). Eine einheitliche Uniform ist für die markenübergreifende Betreuung zwingend notwendig. Durch die Einführung der World of TUI verbindet die Dachmarke die einzelnen Marken. Gestützt durch massive Werbung in den Quellmärkten und durchgehende Erscheinung über die Wertschöpfungskette sichert sie den hohen Erkennungswert und die Markenpräsenz im Zielgebiet (vgl. Abb. 5).

Harlinq/Weiss: Internationale Reiseleitunq im integrierten Touristikkonzern

Quelle: TUI Service AG, 2002.

292

Abb. 5:

Harlinq/Weiss: Internationale Reiseleitunq im integrierten Touristikkonzern

Beispiel Informationsmaterial Reiseleitung der World of TUI

\j TUI

Quelle: TUI Service AG, 2002.

2.3. BackOffice An dieser Stelle soll

nur auf die Administration, die sich aus der originären Betreuungstätigkeit ergibt eingegangen werden. Dies sind die Qualitätssicherung, das Berichtswesen und die Eigenadministration der Reiseleiterorganisation.

Qualitätssicherung Zur Qualitätssicherung gehören

die Kontrolle der Katalogausschreibung und permanente Qualitätskontrollen der einzelnen Vertragspartner zur Sicherstellung der

gebuchten Leistung.

Die integrierte Betreuung gewährleistet ein einheitliches Auftreten gegenüber den Vertragspartnern bei Qualitätsproblemen. Den Forderungen, die zugesagten Leistungen zu erbringen, kann so mehr Nachdruck verliehen werden. Zusätzlich redu-

ziert sich der administrative Aufwand, indem Qualitätskontrollen in den überschnittenen Hotels nur einmal durchgeführt werden müssen und nicht einmal pro Marke wie bei einer markenspezifischen Betreuung.

Reporting

Ziel ist es, administrativen Aufwand möglichst die Betreuung der Gäste zu investieren.

gering zu

halten und

so

mehr Zeit in

Übernahme der Betreuung durch die zentrale Reiseleiterorganisation verfügunterschiedliche, gewachsene Informations- und Abstimmungsprozesse zu ihren zugehörigen Organisationen im Zielgebiet, beispielsweise bei Ankunftslisten oder Dokumentationen von Beschwerden. Vor

ten alle Veranstalter über

Harlinq/Weiss: Internationale Reiseleitunq im integrierten Touristikkonzern

293

Durch die

Bündelung der Administration lassen sich Synergiepotenziale nutzen. Spezialisten in den Teams sichern zudem einen hohen Qualitätsstandard in der Abwicklung, beispielsweise die ZAK Koordinatoren. Maßgeblich für diesen Effekt durch die integrierte Betreuung sind zwei Komponenten: 1. ein einheitliches Berichtswesen für alle Veranstalter, beispielsweise gleiche Formulare für Leistungsänderungen im Zielgebiet und standardisierte Mana-

gementreports.

2. schnelle und transparente te Schnittstellen zu den

durch eindeutig definierallen Informations- und

Kommunikationswege Veranstaltern

bei

Abstimmungsprozessen. Administration der Serviceorganisation Weitere Back-Office Tätigkeiten ergeben sich aus der Eigenadministration der Betreuung. Hierzu zählen die Führung der Teams in den Zielgebieten, Einsatzplanungen, Spesenabrechnungen etc. sowie die Funktionen im Head office. Nach

gleichem Muster gaben und Ausbildung auf hohem Niveau

zu

besteht auch hier eine Chance in der Bündelung von Aufvon speziellem Know-how Kosten zu senken und Qualität sichern.

Voraussetzung ist der Aufbau einer schlanken und flexiblen Organisationsstruktur, die sich den ständig neuen Anforderungen schnell anpasst. Beispielsweise wurden die „Scubi Guides" für die TUI Family Animation in die Teams im Zielgebiet eingegliedert. Die TUI Service AG verfügt durch regionale Leitungen über schlanke Abstimmungswege innerhalb der Organisation. Durch dieses Konzept werden Zielgebiets- und regionalspezifische Entscheidungen von der Zentrale in die Regionen verlagert. Dies sichert bei zunehmender Komplexität des hoch integrierten Konzerns eine schlagkräftige Organisation mit transparenten Kommunikationswegen. Die Zentrale unterstützt die Zielgebiete durch spezielles Know-how in der Personaldisposition, im Recruting, in der Personalentwicklung von Reiseleitern und Animateuren und im Qualitätsmanagement. Fazit: In den BackOffice Tätigkeiten spielen quellmarkt- und markenspezifische Besonderheiten nur eine untergeordnete Rolle. Die Chancen, hier einen Kostenvorteil durch Bündelung der Aufgaben zu erzielen, sind daher besonders hoch.

3.

Vertikale

Integration

im

Zielgebiet

Neben der horizontalen Integration in der Betreuung von Veranstaltermarken im Zielgebiet ergibt sich auch in der vertikalen Ebene Kooperationspotenzial.

Die TUI AG ist ein auf sehr hohem Niveau vertikal integrierter Touristikkonzern. Der Vorteil, die einzelnen Stufen der Wertschöpfungskette einer Reise in einer Hand zu halten, besteht darin, durchgehend Einfluss auf die einzelnen Stufen zu haben. Der gewünschte Qualitätsstandard des „Produktes" Reise kann, von der

294_Harlinq/Weiss:

Buchung im Reisebüro bis hin stellt werden. Abb. 6:

Internationale Reiseleitunq im integrierten Touristikkonzern

zum

Aufenthalt im

Zielgebiet, durchweg sicherge-

Beispiel für eine integrierte Wertschöpfungskette im Zielgebiet

| |^ ^^ ^^^^^^ j^^jjQ^ Vertrieb

Quelle:

er-

gesell-

Eigene Darstellung

Der Fokus in diesem Kapitel soll auf die Wertschöpfungsstufen im Zielgebiet gelegt werden. Es agieren in der Betreuung, Beschaffung und im Back-OfficeBereich im Wesentlichen drei Organisationen: der Hoteleinkauf, die Zielgebietsagentur und die Reiseleitung.

3.1.

Aufgabenfelder im Zielgebiet

Traditionelle

Betreuung.

Aufgabenfelder

im

Zielgebiet

sind

Handling, Beschaffung

und

Unter

Handling fallen Aufgaben wie die Abwicklung von Reservierungen, Kontingentsmanagement in Abstimmung mit dem Quellmarkt, Transferplanung und Administration wie die Meldung von Leistungsänderungen, die Abwicklung des Zahlungsverkehrs und das Führen der Zielgebietskasse, die Masterbillabrechnung mit den Hotels und das Berichtswesen.

Beschafft werden im Zielgebiet Unterkünfte, Transport und Zusatzprodukte. Unterstützung der lang- und kurzfristigen Auslastungsoptimierung, Unterstützung im Einkauf und bei der Produktplanung wird geleistet und ein gutes Beziehungsmanagement mit den Leistungsträgern sichergestellt.

Bestandteile der Betreuung sind die Gästebetreuung, die Qualitäts- und Leistungskontrolle und der Verkauf von Zielgebietsleistungen.

3.2.

Zuständigkeiten für die Aufgaben

Bei den von der TUI Service AG betreuten Veranstaltern dieser Aufgaben wie folgt:

erfolgt die Wahrnehmung

Der Hoteleinkauf ist zuständig für den Betteneinkauf gemäß den Anforderungen des Reiseveranstalters. Die Zielgebietsagentur verantwortet das Handling im Zielgebiet wie Transferplanung oder Reservierungen, Zielgebietsprodukte wie Ausflüge, z.T. die Beschaffung von Hotelkapazitäten und z.T. die Betreuung im Zielgebiet. Die Reiseleitung ist primär für die Gästebetreuung der Veranstalter und -marken zuständig. Nebenaufgaben sind partiell zum Beispiel Handling, Unterkunftsbeschaffung und Unterstützung der Auslastungsoptimierung. In dieser Beschreibung wird deutlich, dass die Organisationen in mehreren Arbeitsfeldern aktiv sind und zum Teil Überschneidungen bestehen. Dies lässt sich

Harlinq/Weiss: Internationale Reiseleitunq im integrierten Touristikkonzern

295

darauf zurückführen, dass es sich größtenteils um gewachsene Strukturen handelt, die von Zielgebiet zu Zielgebiet differieren können.

3.3.

Vertikale

Kooperation

im

Zielgebiet

Das Ziel, die Effizienz durch Nutzung von durch eine Konzentration auf die jeweiligen

Konzernsynergien zu optimieren, Kernkompetenzen angestrebt.

wird

Diese erfolgt in einer Kooperation der eigenständigen Organisationen im Zielgebiet. Sukzessiv werden administrative Tätigkeiten, die die Reiseleitung bisher übernommen hat, in den Aufgabenbereich der Zielgebietsagentur verlagert. Somit kann sich die Reiseleitung der World of TUI auf ihre Kernkompetenz, die Betreuung der Gäste, konzentrieren (vgl. Abschnitt"!). Sie übergibt ihren Aufgabenbereich aus dem Handlingfeld an den Spezialisten für Handling, an die Agentur. Die Vorteile dieser Zusammenarbeit und klaren Verteilung von Verantwortungsbereichen sind offensichtlich: Die Organisationen im Zielgebiet konzentrieren sich, gemäß dem Best-Serve-Prinzip, auf die Arbeitsbereiche, die sie im Vergleich zu den anderen Organisationen am besten beherrschen. Durch diese Spezialisierung ergibt sich eine höhere Effizienz und Qualität in den Konzentriert sich z. B. die Reiseleitung auf ihre Kernkompetenz Betreuung, kann sie ihre gesamte Arbeitszeit diesem Wirkungsfeld widmen und erreicht eine höhere Gästezufriedenheit. Ferner werden die Kommunikationswege optimiert, da eine klare Abgrenzung der Verantwortungsbereiche größere Transparenz schafft. Die internationale Ausrichtung des Konzerns erfordert weiterhin in VolumenZielgebieten eine quellmarkt- und markenspezifische Anpassung an die jeweiligen Bedürfnisse. Die Prozesse und der Informationsfluss zwischen Quellmarkt und Zielgebiet sind den neuen Anforderungen anzupassen. Eine direkte Verbindung vom Zielgebiet zum Quellmarkt ist herzustellen, um somit klare Kommunikationswege zu schaffen. Es gilt, gemeinsam den Leistungsstandard zu verbessern und zu sichern.

Aufgaben.

4.

Schlussbetrachtung

Ziel einer zentralen Reiseleiterorganisation ist es, durch einen hohen Servicestandard und effiziente Abläufe einen Wettbewerbsvorteil für die Konzernveranstalter zu schaffen. Die horizontale Integration der Betreuung bietet die Chance, den Leistungsumfang zu erhöhen. Konzernsynergien entstehen durch markenübergreifende Betreuungskonzepte mit standardisierten Serviceabläufen. Durch flexible Servicemodelle und internationale Teams können quellmarkt- und markenspezifische Besonderheiten auch in der integrierten Betreuung optimal berücksichtigt werden.

Kostensenkungspotenziale liegen besonders im Backoffice-Bereich, da hier quellmarkenspezifische Bedürfnisse eine untergeordnete Rolle spielen. Voraussetzungen sind ein einheitliches Berichtswesen und kurze, klar definierte markt- und

296

Harlinq/Weiss: Internationale Reiseleitung im integrierten Touristikkonzern

Informations- und Abstimmungsprozesse halb der Serviceorganisation.

zu

den Veranstaltermarken und inner-

Integrierte Konzerne bieten vielfältige Kooperationsmöglichkeiten. Die vertikale Integration im Zielgebiet birgt Synergiepotenziale, die von eigenständigen, ungebundenen Organisationen kaum erbracht werden können. zu steigern und langfristig Wachstum sichern zu könReiseleiterorganisation auf ihre Kernkompetenzen konzentrieren. Die quellmarkt- und markenspezifischen Anforderungen erfordern dabei genauso wie in der horizontalen Integration Berücksichtigung.

Um Effektivität und Effizienz

nen, sollte sich die

Denkbar wäre ein sehr gut ausgebildetes, internationales und mehrsprachiges Reiseleiterteam, das ausschließlich in der Gästebetreuung tätig ist. Eine effizientere und qualitativ hochwertigere Betreuung wird dadurch sichergestellt. Eine höhere Kundenbindung könnte damit bewirkt werden, die zur langfristigen Sicherung des Wachstums beiträgt. Die Ausführungen in diesem Kapitel stellen nur einen Auszug der möglichen Kooperationsformen im Zielgebiet aus Sicht der TUI Service AG dar. Sicher gibt es noch weiterführende Möglichkeiten, Synergiepotenziale im Zielgebiet zu nutzen.

Gollv/Zander: Provisionen als Entlohnunqs- und Steuerungsinstrument des Vertriebes

Provisionen als

Entlohnungs- und Steuerungsinstrument des Vertriebes Thomas J.

1. 2. 3. 4. 5. 6.

Golly und

Ulrich Zander

Ausgangssituation Provisionssysteme.298 Bezugsebenen von Provisionssystemen.299 Provisionssysteme als Steuerungsinstrumentarium.299 Treiber der konzeptionellen Weiterentwicklung von Provisionssystemen ..302 Kritische Erfolgsfaktoren von Provisionssystemen.306 Fazit

.307

Zusammenfassung: Provisionssysteme haben sich branchenübergreifend zu einer zentralen Steuerungsplattform moderner Vertriebsorganisationen entwickelt. Die dynamische Marktentwicklung hat die Anforderungen an das Steuerungsinstrument Provisionssystemen deutlich erhöht. Da Provisionen einen erheblichen Teil der finanziellen Ressourcen der Veranstalter repräsentieren, ist es wichtig eine möglichst genaue Einschätzung von der Steuerungswirkung zu haben. Weiterführende Literatur:

Diehlmann, C. (1994): Kennzahlen zur Vertriebssteuerung, München.

Geppert,

H. M. (1995): Vertikales Marketing in der Touristikbranche Distributive Leistungssysteme der Sicht deutscher und schweizerischer Großveranstalter zur Motivation und Steuerung mittelständischer Reisemittler, Bern. Preissner, A. (2000): Marketing- und Vertriebssteuerung: Planung und Kontrolle mit Kennzahlen und Balanced Scorecard, Hanser, München. aus

Thomas J. Golly ist Managing Partner bei SEMPORA Consulting. Ulrich Zander ist Senior Consultant bei SEMPORA Consulting.

-

297

298

1.

Gollv/Zander: Provisionen als Entlohnunqs- und Steuerunqsinstrument des Vertriebes

Ausgangssituation Provisionssysteme

Bei näherer Betrachtung des ökonomischen Modells integrierter Touristikkonzerne ist die Relevanz der von Veranstalterseite ausgezahlten Provisionen augenscheinlich: Deutlich über 10 Prozent des Umsatzes fließen als unterschiedliche Provisionszahlungen an die Vertriebspartner. Durch die unmittelbare und nachhaltige Ertragswirksamkeit sind Provisions- und Konditionensysteme für jeden Veranstaltervertrieb ein besonders sensibles und wichtiges Thema. Da zum einen (anders als in vielen anderen Branchen) die faktisch an die Agenturen ausgezahlten Provisionen strikt nach den veröffentlichten Provisionstabellen ermittelt werden und zum anderen der Handelsvertreter-Status der Reisebüros eine eigene Preispolitik der Agenturen nicht zulässt, bedeutet eine Veränderung des Provisionssystems nicht weniger als eine öffentliche, vollkommen markttransparente Verkündung jener Margen, mit denen eine Agentur beim Vertrieb der Reiseangebote des betreffenden Veranstalters zukünftig rechnen kann. In das Zentrum des Interesses rückt die Frage, inwiefern provisioneile Mittel steuernd eingesetzt werden können (Dannenberg 2001, S. 107). In der Marktkette stehen Provisionssysteme neben anderen marktgerichteteten Steuerungsinstrumentarien, wie z.B. steuernde Buchungs- und Reservierungssysteme und Expedientenbindungsprogramme (vgl. Abb. 1).

Abb. 1: Provisionen als Entlohnungs- und Steuerungsinstrument zielen gegenwärtig vor allem auf die Zentralen sowie auf die Agenturinhaber ab Provisionen als Entlohnungs- und Steuerungsinstrument zielen gegenwärtig vor allem auf die Zentralen sowie auf die Agenturinhaber ab VeranstalterInstrumentarium (Auszug)

Steuerungskette Vertrieb (idealtypisch) Zentrale steuert1

Agenturinhaber steuert

Expedienten steuert

Kunden

1

Ausnahme:

Nicht-organiserte Agenturen

-E=

Quelle: Eigene Darstellung

N"i

o R

A—

Gollv/Zander: Provisionen als Entlohnunqs- und Steuerunqsinstrument des Vertriebes

2.

299

Bezugsebenen von Provisionssystemen

Grundsätzlich bestehen zwei Bezugsebenen und damit Wirkungsmechanismen, über die Provisionen steuernd eingesetzt werden können. Der erste und direkte Wirkhebel setzt bei einzelverprovisionierten Agenturen an. Sind die Veranstalterprovisionen aus Sicht der Agentur hinreichend attraktiv, so wird diese versuchen, bestehende Freiheitsgrade bei der Beratung von Endkunden zu nutzen, Produkte bestimmter Veranstalter zu empfehlen und so eigene Provisionsinteressen zu erfüllen. Bei ungebundenen Einzelagenturen ist dieser Wirkungshebel die einzige Möglichkeit für Veranstalter, über Provisionen steuernd Einfluss zu nehmen.

Bei

Agenturen, die Filialen von Reisebüroketten sind, greift ein indirekter Wirkungsmechanismus: Provisionen der Veranstalter werden nicht an die Agentur direkt sondern an die jeweilige Zentrale vergeben. In welcher Höhe bzw. welcher Verteilung diese Provisionen an den jeweiligen Agenturbetrieb weitergeleitet werden, liegt in der Entscheidungshoheit der Kettenzentrale. Damit entfällt für Veranstalter der direkte provisionelle Zugriff die Steuerung von Agenturen wird erheblich erschwert.

-

Für die große Gruppe der Agenturen in Deutschland, die Mitglieder einer Kooperation bzw. die Franchisenehmer sind, greifen beide genannten Wirkungshebel. Der Großteil der Provisionserlöse wird von den Veranstaltern direkt mit den Reisebüros auf Basis der individuellen Leistung der Agentur abgerechnet. Daneben werden zentralseitige Leistungsvereinbarungen getroffen, hinter denen provisionelle Anreize (etwa auf bestimmte Umsatzziel-Erreichungen der gesamten Kooperation) liegen, die an die Zentralen ausgeschüttet werden. Eine gleichzeitige Verprovisionierung auf Zentral- wie auf Agenturebene verteuert zunächst aus Veranstaltersicht die mit dem Vertriebspartner getätigten Umsätze.

Auf der anderen Seite eröffnet dieser zweistufige Prozess jedoch den Reiseveranstaltern die Möglichkeit, auf beide Bezugsebenen steuernd Einfluss zu nehmen: Neben der Anreizsetzung bei den Reisebüros wirken die jeweiligen Zentralen auf ihre Mitglieder ein, bestimmte Veranstalter zu fördern. Ob sich aus Sicht der Veranstalter diese Doppelhonorierung von Umsätzen attraktiv ist hängt davon ab, wie groß die tatsächliche Steuerungsleistung der Kooperations- und Franchisezentralen ist oder ob lediglich die Bündelung von Umsätzen und damit Verhandlungsmacht abgegolten wird.

3.

Provisionssysteme als Steuerungsinstrumentarium

Die Grundidee

von

Provisionen als

Steuerungsinstrument besteht darin,

dem Ver-

triebspartner mit zunehmender Erfüllung bestimmter Leistungsparameter höhere Provisionen zu zahlen. Dabei müssen die Provisionsbausteine bzw. Leistungsgrößen auf die Steuerungsziele der Veranstalter abgestimmt sein. Je nach Schwerpunktsetzung in der Steuerung bietet sich ein breites Spektrum möglicher Leistungsdimensionen an, die provisionell veranreizt werden können.

300

Die

Gollv/Zander: Provisionen als Entlohnunqs- und Steuerunqsinstrument des Vertriebes

folgende Abbildung

2 dient einer

praxisnahen Strukturierung dieser Dimensio-

nen:

Abb. 2:

Systematik Provisionenbaum Ansatzpunkte zur Steuerung über -

Provisionen im Veranstaltervertrieb

Die Ansatzpunkte zur Steuerung über Provisionen im Veranstaltervertrieb lassen sich über einen Provisionenbaum systematisieren

Prinzipdarstellung Ansatzpunkte

der Steuerung

(Beispiele) Umsatz

GesamtGeschäft

Wachstum Sortimentsanteil

Vermarktungsprovisionen

Fluglinie Hotelmarke Destination

Buchungszeitpunkt

Effizienz.

CRS Quote

Provisionen

Zahlungsart Kunde Sonstige Konditionen

Quelle: Eigene Darstellung

Dieser Provisionenbaum strukturiert Ansatzpunkte der Agenturvergütung entlang der Leistungsbeiträge von Agenturen und Zentralen. Provisionen lassen sich dabei zunächst als Teil der Konditionen einordnen. Darunter werden hier alle Veranstalterleistungen verstanden, die dann gewährt werden, wenn der Vertriebspartner bestimmte Bedingungen erfüllt. Als Provisionen sollen hier diejenigen Konditionen diskutiert werden, die für tatsächliche von Agenturen erbrachten Leistungen gezahlt werden. Dabei richtet sich deren Höhe nach vorher festgelegten Leistungsgrößen. Bei sonstigen Konditionen stehen hingegen Unterstützungsleistungen im Vorlauf von Vermarktungsaktivitäten im Fokus (Werbekostenzuschüsse, Finanzierungshilfen bei Ladengestaltung etc.). Grundsätzlich bestehen zwei

Stoßrichtungen

der

Steuerung durch

Provisionen.

Über Vermarktungsprovisionen zielen Veranstalter darauf ab, ihren Markterfolg positiv zu beeinflussen, während bei Effizienzprovisionen reibungslose Geschäftsprozessen bei Abwicklungsprovisionen im Vordergrund stehen. Ein typisches Beispiel für Effizienzprovisionen sind Frühbuchungsprovisionen, die dann gewährt werden, wenn bestimmte Buchungsvorläufe eingehalten und damit die Planbarkeit des Veranstaltergeschäfts erhöht wird. Ein anderer Effizienzvorteil liegt für Veranstalter etwa darin, Buchungsvorgänge möglichst durchgängig elektronisch (etwa über CRS) und damit weniger fehleranfällig abzuwi-

Gollv/Zander: Provisionen als Entlohnunqs- und Steuerunqsinstrument des Vertriebes

ekeln. Folgerichtig kann die Erreichung einer bestimmten CRS-Quote provisioneil honoriert werden. Darüber hinaus kann die Einflussnahme der Agentur auf die Zahlungsart des Kunden, z.B. durch provisionelle Vergütung von Zahlungen mit der Kundenkarte des Veranstalters, veranreizt werden. Die monetäre Bedeutung von Effizienzprovisionen ist jedoch gegenwärtig noch relativ gering. Dies liegt im Wesentlichen darin begründet, dass die Steuerungswirksamkeit dieser Provisionen auf das Verhalten der Agenturen als eher gering eingestuft werden kann, da marktorientierte Provisionsanreize oft attraktiver ausgestattet sind. Dementsprechend bestimmen heute Vermarktungsprovisionen die üblichen Provisionssysteme in Deutschland. Den Großteil der heute ausgeschütteten Provisionen stellen Umsatzprovisionen (sogenannte Basisprovisionen) dar. Bei der Gestaltung der Basisprovision kann eine steuernde Wirkung auf zwei Wegen erreicht werden: Die absolute Höhe der Basisprovision sorgt zunächst für eine entsprechende Grundhaltung der Agentur zu dem jeweiligen Veranstalter. Daneben setzt zusätzlich eine Staffelung der Basisprovision nach Umsatzklassen klare Anreize zu einer nachhaltigen Ausweitung des Umsatzvolumens. Wachstumsprovisionen (auch „Superprovisionen" oder „Plusprovisionen") zielen hingegen auf das unmittelbare Setzen von Wachstumsschwerpunkten auf einen Veranstalter in dem jeweiligen touristischen Geschäftsjahr. Hier wird ausschließlich die Umsatzentwicklung zum Vorjahr honoriert. Aus Agenturperspektive ist ein damit steuerungswirksamer, je • •

Provisionssystems prinzipiell

umso

attraktiver und

höher bei gegebenem Umsatz der Basisprovisionssatz ist, enger die Umsatzklassen gestaffelt und mit höheren Basisprovisionen

hinterlegt sind,



stärker Wachstum im

Vergleich zum Vorjahr honoriert wird.

Basis- und Wachstumsprovisionen berücksichtigen aus Steuerungsperspektive mittelbar die Verbesserung der Position eines Veranstalters im Wettbewerb. Eine mit Höhe des Sortimentsanteils (= Marktanteil eines Veranstalters bei dem jeweiligen Vertriebspartner) steigende Provision setzt hingegen explizit auf eine Umsteuerung zu Gunsten eines bestimmten Veranstalters und zu Lasten des Wettbewerbs. In der Praxis gestaltet sich jedoch die objektive Messung des Sortimentsanteils als verhältnismäßig schwierig. Voraussetzung ist nämlich einerseits die verbindliche Definition des touristischen Umsatzes, der als Bezugsgröße zur Marktanteilsermittlung herangezogen wird. Heterogene administrative BackofficeSysteme auf Seiten der Agenturen sorgen zudem für eine unterschiedliche Erfassung und damit Zuordnung der gebuchten Umsätze. Eine Lösung des Problems der Nachweisbarkeit von Sortimentsanteilen ist nur unter der Voraussetzung normierten Datenaustausches (z.B. über einheitliche Kontierungsrahmen) möglich. Provisionen auf Sortimentsanteilsleistungen bleiben damit zunächst einem begrenzten Ausschnitt eng an bestimmte Veranstalter gebundener Agenturen vorbehalten. Liegt die notwendige Datenbasis jedoch erst einmal vor, so besteht der besondere Reiz der Stimulierung höherer Sortimentsanteile aus Veranstalterperspektive in der unmittelbaren Steuerung der Agenturen auf Marktstellungsziele. nur

Diese auf das Gesamtgeschäft bezogenen Vermarktungsprovisionen stellen das Rückgrat der aktuell im Markt befindlichen Provisionssysteme der Reiseveranstalter dar. Der zunehmende Wettbewerb der integrierten Touristikkonzerne über alle

301

Golly/Zander: Provisionen als Entlohnunqs- und Steuerunqsinstrument des Vertriebes

302

Stufen der Wertschöpfungskette schafft im Veranstaltervertrieb die Notwendigkeit Aufbau stabiler Wettbewerbsvorteile. Provisionssysteme, die ausschließlich auf Basis- und Wachstumsprovisionen aufbauen, sind zum Aufbau mittelfristiger vertriebsstrategischer Wettbewerbsvorteile nur bedingt geeignet, da diese auf Grund der Transparenz der Provisionssysteme am Markt rasch kopierbar sind.

zum

Damit

steigt aus wettbewerblicher Sicht die Tendenz zur Aufnahme differenzierter Leistungsparameter in die Verprovisionierung, die durch andere Veranstalter nicht oder nur schwer abzubilden sind. So ist insbesondere die Differenzierung von Provisionen entlang der touristischen Wertschöpfungskette einer der Treiber in der konzeptionellen Weiterentwicklung von Provisionssystemen.

4.

Treiber der

konzeptionellen Weiterentwicklung von Provisions-

systemen mittelfristige Weiterentwicklung

Die von Provisionssystemen in der Tourismusbranche wird durch vier zentrale Faktoren bestimmt (vgl. Abb. 3). Abb. 3: Zentrale Treiber der

konzeptionellen Weiterentwicklung von Provisionssystemen im touristischen Markt

Zentrale Treiber der konzeptionellen im touristischen Markt

Weiterentwicklung von Provisionssystemen

Ertraasorientierte Treiber

Vertriebsstrateaische Treiber

Zunehmend integrierte Tourismuskonzerne

Lagerbildung im stationären Handel

Konzeptionelle Weiterentwicklung von Provisionssystemen Zunehmend schwankende

Kapazitätsauslastung

Entwicklung neuer Vertriebskanäle

Quelle: Eigene Darstellung

Der Erfolg zunehmend integrierter Tourismuskonzerne wird sich über die Frage entscheiden inwiefern es gelingt, systematisch Synergieeffekte entlang der Wertkette auszuschöpfen. Dies verlangt von den Veranstaltervertrieben in zunehmendem Maße die Stimulierung dieser Synergieeffekte über das Steuerungsin-

Gollv/Zander: Provisionen als Entlohnunqs- und Steuerungsinstrument des Vertriebes

303

Provisionssystem. Konzeptionell bedeutet dies die gesonderte Verprovisionierung einzelner Bausteine der integrierten Wertschöpfungskette. So bieten sich zum Beispiel Provisionen auf konzerneigene Fluglinien oder auch Hotelmarken an, deren Auslastung starken Einfluss auf das Gesamtergebnis der Touristikkonzerne haben. Eine ähnliche Motivation liegt der Verprovisionierung bestimmter Destinationen oder Einzelprodukte wie zum Beispiel Mietwagen zu Grunde, wenn diese aus wettbewerbsstrategischer Sicht der Förderung bedürfen. strument

Zunehmend schwankende Kapazitätsauslastungen sind ein Treiber der Entwicklung, der Auswirkungen auf den heute statischen Charakter von Provisionssystemen an. Die zumindest einjährige Gültigkeit von Provisionssystemen sind zugleich Stärke und Schwäche dieses Steuerungsinstruments: Der wesentliche Vorteil dieser im System angelegten Stabilität liegt in der Verlässlichkeit, die den Vertriebspartnern die immer wieder geforderte Planungssicherheit vermittelt. Der zentrale Nachteil aus Veranstaltersicht liegt in der Unfähigkeit der Systeme, auf die nicht erst seit dem 11. September 2001 immer kurzfristigeren Schwankungen von Nachfrage und Auslastungsgraden flexibel reagieren zu können. Provisionssysteme heutiger Prägung sind als unterjährige Steuerungsinstrumente nur sehr

bedingt geeignet.

Eine der Optionen zur konzeptionellen Weiterentwicklung ist die Integration objektund zeitraumbezogener Zusatzprovisionen in Buchungs- und Reservierungssystemen. Dieser Ansatz macht sich innovative technologische Möglichkeiten zu nutze. Denkbar ist, dass ergänzende Anreize für den Verkauf der eigenen Angebote direkt in das Verkaufsgespräch am Counter eingespielt werden, ohne dass die Vertriebspartner in den Agenturen komplizierte (und damit ungeeignete) ZusatzProvisionstabellen studieren müssen. Auch dieser Entwicklungsschritt wird ähnlich der Vergütung von Sortimentsanteilen zuerst im Rahmen partnerschaftlicher Konzeptionen in den jeweiligen Lagern der Veranstaltervertriebe umgesetzt werden. -

-

Besondere vertriebsstrategische Bedeutung hat der hochdynamische Lagerbildungsprozess, der sowohl auf Veranstalter- wie auch auf Ebene des stationären Handels anhält. So hat sich in den letzten Jahren die Zahl der nicht

an

einen der

großen Veranstalter (TUI, Thomas Cook und Rewe) gebundenen Ketten, Franchisegeber und Kooperationen dramatisch reduziert. 4 zeigt die Entwicklung über den Zeitraum von 1997 bis Anfang 2002. Während noch vor fünf Jahren noch der Großteil der Key Accounts unabhängig war, lassen sich heute nahezu alle Ketten, Kooperationen und Franchiseorganisationen einem Veranstalterlager zuordnen. Im Rahmen dieser Zuordnung bestehen zur Zeit noch erhebliche Unterschiede im Grad der Bindung an die drei großen Lager. Sie reichen von rechtlich voll in die Veranstalter eingegliederten Filialsystemen (wie z.B. Hapag-Lloyd / TUI, Karstadt / Th. Cook oder Atlas / Rewe) über Franchisesysteme der Veranstalter (TUI Reise Center, Holiday-Land, DER Part) bis hin zu rechtlich unabhängigen strategischen Partnern der Veranstalter (B.E.S.T. / TUI, RCE / Th. Cook, Tour Contact / Rewe). Der Wettbewerb um die noch freien Steuerungsspielräume der Key Accounts wird zwangsläufig zu einem weiter intensivierten Bemühen seitens der Veranstalter um eine möglichst starke Anbindung der Vertriebspartner führen. Provisionssystemen kommt vor diesem Hintergrund die Rolle einer zentralen Säule in den Partnerbindungskonzeptionen

Abbildung

304

Gollv/Zander: Provisionen als Entlohnungs- und Steuerunqsinstrument des Vertriebes

der Veranstalter zu. Dies verlangt danach, dass stimmung mit anderen Leistungspaketen eines und Finanzierung Agenturauftritt, exklusive Qualifikationsprogramme etc.) aufzubauen sind.

Provisionssysteme in enger AbBindungskonzeptes (Gestaltung Vkf-Maßnahmen, spezifische

Abb. 4: Kennzeichnung der Wettbewerbsverhältnisse im Vertrieb durch nehmende Dachmarkenstrategie der drei großen Veranstalter

zu-

Die Wettbewerbsverhältnisse im Vertrieb sind durch kontinuierlich zunehmende Konzentration unter die Dächer der drei großen Veranstalter gekennzeichnet

Zuordnung Beteiligungen und strategische Partnerschaften

Quelle: SEMPORA Research

Eigene Darstellung Für das Zusammenspiel der drei großen Hauptwettbewerber untereinander ergibt sich aus dem Lagerbildungsprozess die Situation, dass aus Sicht der drei großen Akteure der Anteil der Vertriebspartner, die gleichzeitig Wettbewerber (oder zumindest an diese gebunden) sind, stetig zunimmt. Die folgende Abbildung zeigt die Bedeutung der marktführenden Touristikkonzerne aus Veranstalter- und Vertriebssicht auf.

Gollv/Zander: Provisionen als Entlohnunqs- und Steuerunqsinstrument des Vertriebes

Abb. 5: Zentrale Wettbewerber als

305

wichtigste Key Accounts

Aus Sicht der großen Veranstalter sind die zentralen Wettbewerber gleichzeitig die wichtigsten Key Accounts Marktanteile Veranstalter und Vertrieb

Marktanteile

Veranstalter1

Marktanteile Stationärer Vertrieb1

Verhandlungsbeziehungen VeranstalterEbene

VertriebsEbene

Th. Cook Thomas Cook

17%

Thomas Cook 15%

1 Basis: Touristisches Jahr 2000/ 2001, Quelle: FVW. SEMPORA Research -%3

Quelle:

fc=

N/1

r=*

O

/. -

Eigene Darstellung

Diese Konstellation führt dazu, dass das jeweilige Key Account Management von TUI, Thomas Cook und Rewe mit dem Einkauf der beiden anderen Großen seine Verhandlungen führt, während der jeweilige Eigenvertrieb mit dem Key Account

Management geht.

der beiden

Hauptwettbewerber

in die

jeweiligen Jahresgespräche

Vor diesem Hintergrund kann eine Entwicklung hin zu „verbundenen Verhandlungen" erwartet werden, die die Veranstalter- und Eigenvertriebsperspektiven in den jeweiligen Verhandlungen miteinander verschmelzen. Die damit einhergehende Entwicklung der Verhandlungsperspektive ergibt sich aus dem gedanklichen Brückenschlag zwischen beiden Marktseiten, der sich spätestens aus Konzernsicht aufdrängt: Die relative Marktbedeutung eines Vertriebspartners A für den Veranstalter B lässt sich dann nicht mehr länger von der Bedeutung des Eigenvertriebs B für den Veranstalter A trennen. Um die durch die Überkreuzbeziehung erhöhte Komplexität in der provisionellen Verhandlungsführung sowie deren Einbettung in die anderen Leistungsdimensionen der Jahresvereinbarung strukturiert abbilden zu können, bietet sich das Konzept der Balanced Scorecard (Preissner 2000) als neues Zielvereinbarungs- und Steuerungsinstrument an. Entsprechend den Ausgangssituationen und Entwicklungsprioritäten der Marktpartner werden die gegenseitigen Leistungsverpflichtungen festgehalten und über ein geeignetes unterjährig eingesetztes Controllinginstrument nachgehalten.

Gollv/Zander: Provisionen als Entlohnunqs- und Steuerunqsinstrument des Vertriebes

306

Die weitere Entwicklung neuerer Vertriebskanäle, die auf Internet oder TV (sowie dahinter liegende Call Centers) als direkte Schnittstelle zum Kunden setzen führt zu der Frage, wie Leistungen von Direktvertriebseinheiten im Vergleich zum stationären Handel provisionell zu bewerten sind. Im Hinblick auf bestimmte Kundensegmente liegen in den neuen Vertriebskanälen erhebliche Entwicklungschancen für die Veranstalter. Die ab einem kritischen Umsatzvolumen zu erwartenden Effizienzvorteile im Vergleich zum stationären Handel rechtfertigen grundsätzlich niedrigere Durchschnittsprovisionen. Gleichzeitig lassen sich durch die stark entwickelte systemtechnische Basis dieser Vertriebsformen differenzierte Steuerung und dann auch Verprovisionierung erheblich leichter umsetzen als im stationären Handel. Da aus Perspektive des stationären Handels die neuen Vertriebsformen als generische Konkurrenz zu den eigenen Kernleistungen gesehen werden, ist die Gestaltung dieser Provisionen immer auch vor dem Hintergrund ihrer Signalwirkung zu betrachten. Deshalb muß trotz gegenwärtig noch geringer Umsatzbedeutung die provisioneile Ausgestaltung der neuen Vertriebskanäle bereits heute auf die Agenda des Top-Managements gesetzt werden.

5.

Kritische

Erfolgsfaktoren von Provisionssystemen

Zielgerechte Steuerung durch planvollen Einsatz von Provisionen setzt zuallererst voraus, dass mit der Gestaltung des Provisionssystems eine erfolgreiche Verbindung der strategischen Veranstalterprämissen mit den Anforderungen der Vertriebspartner gelingt.

Der betriebswirtschaftliche Erfolg und somit die Sinnhaftigkeit einer eingesetzten Provision lässt sich ganz grundsätzlich mittels Gegenüberstellung der Ertragswirkung des veranreizten Steuerungseffekts einerseits und der Summe der dazu ausgezahlten Provisionen andererseits fassen. Es ist Aufgabe des Vertriebscontrollings, die Daten für diese ex post Analyse eingeführter Systeme zu gewinnen, die für das Vertriebsmanagement die wichtige Basis zur Ermittlung der gegebenenfalls notwendigen Anpassungsbedarfe ist. -

Aus der

Praxisperspektive lassen sich fünf zentrale Anforderungen an erfolgreiche Provisionssysteme nennen, die sich als Gestaltungskriterien in der Praxis bewährt haben:

1. Konzentration auf die strategisch wichtigsten Erfolgsdimensionen 2. Fokussierung auf Provisionen, die echte Anreiz- und Steuerungswirkungen erwarten lassen 3. Kopplung der Provisionen ausschließlich an Leistungsindikatoren, die objektiv gemessen werden können 4. Vermeidung der Kopierbarkeit des eigenen Provisionssystems durch den Wettbewerb 5. Schlüssige Aufbereitung und Kommunikation des neuen Systems

Gollv/Zander: Provisionen als Entlohnunqs- und Steuerunqsinstrument des Vertriebes

6.

Fazit

Die Rolle und

Bedeutung von Provisionen reichern sich im Zeitablauf kontinuierlich Ausgangspunkt war der Einsatz von Provisionen als reines Entlohnungsinstrument für die vom Handel erbrachte Distributionsleistung durch den Veranstalter in seiner Eigenschaft als Handelsherr. Mit zunehmend auch über den Vertrieb getragenen Wettbewerb auf Seiten der Veranstalter steigen die Erwartungen an Provisionssysteme als Steuerungsinstrument für den stationären Handel. Es begann eine Weiterentwicklung der Provisionssysteme in engerer Ausrichtung an den strategischen Zielsetzungen der Veranstalter auf der einen Seite und den Anforderungen und Verhaltensmechanismen der Vertriebspartner auf der anderen an.

Seite.

Mit der Zuordnung nahezu aller Key Accounts in die drei großen Veranstalterlager wird eine weitere Entwicklungsstufe in der Funktion von Provisionssystemen initiiert: Provisionen sind nicht länger „nur" jährlich neu eingestellte Impulsgeber spezifischer Steuerungsleistungen, sondern beginnen sich zu einem Eckpfeiler von Bindungssystemen zu entwickeln. Die Unterstützung stabiler, im Wettbewerb möglichst einzigartige Partnerschaften mit Einzelagenturen und Key Accounts ist damit weiterer Entwicklungsanspruch moderner Provisionssysteme.

So ist

es

gerade

der aktuell

beobachtende

Konzentrationsprozess im stationäProvisionssystemen als Wettbewerbsinstrument der Reiseveranstalter weiter erhöht: Trotz der unbestreitbaren Bedeutung der budgetären Ausstattung von Provisionssystemen wird der Erfolg aus Veranstaltersicht hierbei mehr denn je von der Strategie- und Marktkonformität des Provisionskonzeptes abhängen. ren

zu

Handel, der die Bedeutung

von

307

Heering: Der Consolidator im

Touristikkonzern_309

Der Consolidator im Touristikkonzern Hartmut 1.

2.

3.

Heering

Was macht eigentlich ein Consolidator?.310 Definition des Consolidators.310 1.1. 2.1. Definition der verschiedenen Flugtarifarten.311 Der Consolidator im Wandel der Zeiten.312 2.1. Am Anfang war der Graumarkt.312 2.2. Strategische Bedeutung des Consolidators für Foreign Carrier.312 2.3. Strategische Bedeutung des Consolidators für Reisebüroketten.313 2.4. Strategische Bedeutung des Consolidators für Reiseveranstalter.313 Einfluss der Negotarife.314 2.5. 2.6. Entdeckung des Vertriebskanals Consolidator durch den Domestik-Carrier .314 Der Consolidatormarkt heute.315 3.1. Der Konzentrationsprozess.315

Entwicklung neuer Geschäftsfelder (Veranstalter, Direktvertrieb, Dienstleistung, eCommerce).317 Die strategische Rolle des Consolidators in einem vertikal integrierten Reisekonzern am Beispiel der TUI 4U GmbH.318 4.1. Zusammenführung der Aktivitäten (Sparflug, Flight Experts, A&B, ISTS, Hapag-Lloyd) .318 4.2. Bündelung von Dienstleistungs- und Consolidator Aktivitäten 3.2.

4.

4.3. 4.4. 4.5. 4.6. 4.7. 4.8. 4.9.

innerhalb der TUI4U GmbH.319 Synergieeffekte durch Bündelung.321 Markenstrategie .321 Bedeutung der Innovation.322 Bedeutung für den stationären Vertrieb.324 Bedeutung für das eCommerce Geschäft.325 Bedeutung für den Veranstalter TUI.325 Herausforderungen für die Zukunft.326

Zusammenfassung: Die aktuelle Entwicklung des Marktes der Consolidator ist durch einen Strukturwandel geprägt. Ausgehend von einer Darstellung dieser Marktveränderungen steht insbesondere die strategische Rolle des Consolidators in einem vertikal integrierten Touristikkonzern im Fokus dieses Artikels. Weiterführende Literatur:

Sabathil, S. (1998): Lehrbuch des Linienflugverkehrs, 4. Auflage, Frankfurt/Main. Zoern, C. (2002): Veränderungen im deutschen Consolidator-Markt und deren Auswirkungen auf die Geschäftsentwicklung der Consolidator unter besonderer Berücksichtigung der TUI 4U GmbH, unveröffentlichte Diplomarbeit an der Hochschule Harz, Wernigerode.

j Hartmut Heering ist Geschäftsführer Marketing und Vertrieb der TUI 4U GmbH.

Heering: Der Consolidator im Touristikkonzern

310

1.

Was macht

eigentlich ein Consolidator?

Gute Frage: Meist erhält man darauf sehr unterschiedliche Antworten. Selbst Touristiker mit langjähriger Berufserfahrung tun sich manchmal schwer, die Aufgaben und Funktionen eines Consolidators zu beschreiben. Es verwundert nicht, wenn mit Begriffen wie Negofares, Corporate Negos, R, Nego, Nettotarife, Veranstaltertarife, Private Fares, Classified Fares sowie Published Fares, um nur einige zu nennen, Verwirrung und Verständnisschwierigkeiten entstehen. Vielmehr wird die Komplexität dieses Nischenproduktes umschrieben. Im Gegensatz zu Veranstaltern, Fluggesellschaften oder Hotels bleibt der Consolidator nahezu unsichtbar. Er produziert keine Kataloge und ist weder im Schaufenster noch in den Regalen des stationären Reisebürovertriebs vertreten. Vielmehr befindet er sich mit seinen umfangreichen Tarifdatenbanken in den Vertriebssystemen, um den Agenten rund um das komplexe Flugprodukt beratend zur Seite zu stehen. Der klassische Consolidator betreibt als B2B (business-tobusiness) -Anbieter kein Endkundenmarketing und wird daher vom Endverbraucher kaum wahrgenommen. Zudem hat sich der Consolidator erst seit ca. 1996 als anerkannter Vertriebskanal etabliert. Die nachfolgenden Informationen sollen helfen, ein besseres Verständnis von den Aufgaben eines Consolidators zu vermitteln.

1.1. Definition des Consolidators Die bisherigen Definitionen von dem Consolidator stammen fast alle aus der Praxis. Durchgesetzt haben sich die Begriffe Consolidator und Ticketgroßhändler. Auch mit Begriffen wie Graumarkt, Ticketfactory, Wholesaler oder Broker wird der Consolidator in Verbindung gebracht. Innovation, Automation und eine überdurchschnittliche Produktivität sind Voraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit des Consolidators. Aus der Kernfunktion der Consolidator abgeleitet, Flugtickets zu Discountpreisen zu verkaufen, ergibt sich auch die Positionierung aller Consolidator als Discounter auf dem Flugmarkt. Die Interaktion mit dem Kunden erfolgt über die Kanäle Telefon, Fax, Queue und Mail, die Distribution der Tarife über die bekannten Vertriebssysteme und zunehmend über die neuen Medien mit eigenen

Internet-Buchungsmaschinen.

Nachfolgend erhalten Sie einen Überblick über die einzelnen

Definitionen:

311

Heering: Der Consolidator im Touristikkonzern

Definition 1 Wholesaler Der Consolidator ist ein Großhändler, der

Flugtarife in großen Mengen von Fluggesellschaften zu sogenannten Nettopreisen einkauft, diese mit einer geringen Marge versieht und an das Reisebüro weiterverkauft. Definition 2 Broker Der Consolidator in seiner ursprünglichen Funktion sucht nach tagesaktuellen Bestpreisen ohne Einfluss auf den Verkauf auszuüben._ Definition 3

Ticket-Factory

Der Consolidator ist eine Ticket-Fabrik, in der Flugtickets in großen Mengen, unterstützt durch vollautomatische Ticketstrassen, produziert werden. Definition 4

lATA-Ticketing Agent

Der Consolidator übernimmt für Non-IATA-Agenturen das Ausstellen von IATA Flugscheinen (Ticketing Fulfillment). Dabei wird die Provision an die

Agentur weitergeleitet.

Definition 5 Dienstleister Der Consolidator ist auch Dienstleister, der neben Erlösen aus Flugscheinverkäufen zusätzlich Gebühren aus Dienstleistungen (z. B. Flugdatenbankmanagement, eCommerce Fulfillment, ITLösungen, Call Center Funktionen etc.) generiert,

jq

J

jq

Der Consolidator ist Großhändler von Netttoflugtarifen und Ticketingfulfillment-Partner für Non-IATAAgenturen. Er distribuiert tagesaktuell, produziert hochautomatisiert und fungiert zudem als Dienstleister für die verschiedenen Wertschöpfungsstufen. Auf dieser Definition baut dieser Artikel auf.

1.2. Definition der verschiedenen

Flugtarifarten

Nettotarife: •

basieren auf speziellen



tagesaktuelle cken

und

Verträgen zwischen Airline und Consolidator preisgünstige Tarife für bestimmte Perioden und Stre-



sind in ihrer Anwendbarkeit und Flexibilität



enthalten keine Provision



beim Verkauf Marge auf

Einschränkungen unterworfen

schlagen Reisebüros eine prozentuale oder

fest kalkulierte

Published Fares: •

• •

Linienflugtarife, die von der Fluggesellschaft im ComputerReservierungssystem (CRS) hinterlegt werden lATA-Agenturen können Tarife selbst ausstellen Consolidator übernimmt Ticketing-Fulfillment für NON-IATA-Agenturen normale

312_Heering: Der Consolidator im Touristikkonzern

Nego-Fares •

• •



l.d.R. auf Nettotarif-Niveau

(ca. 10-20 Euro höher) Bruttokalkulation (provisionsfähig) Hinterlegung im AMADEUS Fare Quote System Reisebüros mit lATA-Agentur können Tarife selbständig darstellen, „pricen" und ausstellen

Veranstaltertarife: werden zwischen Airline und Reiseveranstalter verhandelt •

2.

dürfen den

nur

im Paket

zur

Konstruktion

von

Pauschalreisen verwendet

wer-

Der Consolidator im Wandel der Zeiten

2.1. Am

Anfang war der Graumarkt

Lange Zeit vor der Liberalisierung des europäischen Luftverkehrs gab es neben dem offiziellen lATA-Tarifsystem bereits ein weit gestreutes Angebot an wettbewerbsfähigen Linienflugpreisen. Dabei handelte es sich um Nettotarife von ausländischen Fluggesellschaften, die ausschließlich über einen exklusiven Kreis von Consolidators vertrieben wurden. Da die Tarife weder von der IATA noch dem BMV (Bundesministerium für Verkehr) genehmigt waren, diese bis zu 50 % unter den offiziellen Tarifen lagen, bildete sich rasch der Begriff vom sogenannten „grauen Markt". Da es sich um exklusive Raten handelte, konnten seinerzeit sowohl IATA- als auch NON-IATA-Agenturen diese Tickets ausschließlich über den Consolidator (Graumarkthändler) beziehen. Dieser Graumarkthändler besaß meist selbst keine lATA-Agentur, da die Fluggesellschaften diese Art von Tickets sowieso nur selbst ausstellen konnten oder wollten. -

-

Eine weitere Umgehung der offiziellen Tarife vor allem im High-Yield Bereich die Ausnutzung von Wechselkursschwankungen durch die Ticketausstellung in sogenannten Weichwährungsländern der dritten Welt. Die stufenweise umgesetzte Liberalisierung, die Zunahme von Flugkapazitäten sowie die Lockerung der lATA-Tarife unterstützten die Entwicklung des Consolidatormarktes.

Als aus

-

-

war

Ergebnis der Deregulierung wurde aus dem Graumarkt ein offizieller Markt und den Graumarkthändlern wurden sogenannte Consolidator (Reimers 1997).

2.2.

Strategische Bedeutung

des Consolidators für

Foreign Carrier

Einen besonders hohen strategischen Stellenwert hatte der Consolidator von Anan für ausländische Fluggesellschaften. Dies ist auf folgende Gründe zurückzuführen:

fang

Heering: Der Consolidator im Touristikkonzern

313

Ausländische

Fluggesellschaften verfügten in ihrem Streckennetz kaum über Direktverbindungen aus dem deutschen Markt. Die offizielle Tarifbindung vor der Deregulierung ließ den Foreign Carriers keinen Spielraum zum Markteintritt.

Zudem hatten ausländische Fluggesellschaften in Deutschland auch nur kleine Verkaufsorganisationen. Fast alle Foreign Carrier nutzten für die schnelle Distribution von Sitzkapazitäten zu niedrigen Preisen Consolidator, zumal dies auch sehr viel günstiger war als der teure Aufbau eines eigenen Vertriebsnetzes. Erhebliche qualitative Unterschiede führten zu weiteren Wettbewerbsnachteilen, die nur durch deutliche Preisvorteile kompensiert werden konnten, was durch die Distribution von preiswerten Nettotarifen ermöglicht wurde. Wer bezahlte schon den offiziellen Tarif für eine Verbindung, bei der er zweimal umsteigen und einmal übernachten musste, wenn zum gleichen Preis ein Direktflug mit dem Home Carrier möglich gewesen wäre. Letztendlich konnten die Carrier über den Vertriebskanal Consolidator das gesamNON-IATA-Agenturen erreichen.

te Vertriebsnetz der

2.3.

Strategische Bedeutung des Consolidators für Reisebüroketten

Zunehmende

Bedeutung gewann der Consolidator Ende der achtziger, Anfang der neunziger Jahre, vor allem für die großen Reisebüroketten. Im Rahmen des voranschreitenden Konzentrationsprozesses kauften oder bauten die Reisebüroketten ihre eigenen Consolidator auf. Gründe für den Betrieb eigener Consolidator waren:

Strategische Absicherung des Fluggeschäfts im Business Travel und Privatkundengeschäft infolge des rasanten Wachstums des Billigticketmarktes Gewinnung von Kontrolle über Kalkulationsmarge und Endverbraucherpreis Gewinnung kritischer Masse für Superprovisionszwecke (W. Blaschke, FIRST-Studie 1999) 2.4.

Strategische Bedeutung des Consolidators für Reiseveranstalter

Im Zuge des Konzentrationsprozesses und der zunehmenden Konkurrenz aus dem Lager der Consolidator stieg das strategische Interesse der Veranstalter an der Consolidatorfunktion. Die Grenzen zwischen klassischen Veranstalter- und Consolidatorgeschäft verschwammen mehr und mehr. Gründe für die Erweiterung bzw. Ergänzung der bereits bestehenden Flugabteilungen um Consolidator Struk-

turen

waren u.a.:

Ergänzung des Veranstalter-Bausteinprogramms Tagesaktuelle Tarifdarstellung Verbesserung der Produktivität Erhöhung der Flexibilität Realisierung von Volumeneffekten

314

Heering: Der Consolidator im Touristikkonzern

2.5. Einfluss der

Negotarife

Durch die

Freigabe der Nettotarife im Rahmen der fortschreitenden Deregulierung begannen die Fluggesellschaften einen Teil dieser Tarife offiziell in den CRSSystemen zu hinterlegen. Diese Tarife wurden als sogenannte Negotarife (negotiated fares) in die Systeme eingestellt. Im Unterschied zum klassischen Nettotarif wurde die Kalkulation durch die Fluggesellschaft vorgegeben. Die Fluggesellschaften gewannen damit die Kontrolle über den Endverbraucherpreis zurück und konnten sinkenden Verkaufspreisen durch Auslastungsoptimierung entgegenwirken. Zudem wurde dem Wunsch der lATA-Agenturen entsprochen, die einen direkten Zugriff auf diese Tarifarten seit langem forderten. Durch die sukzessive Einführung der Negotarife hatten lATA-Agenturen die Möglichkeit, Flugscheine auf Basis der Nettotarife selbst zu „pricen" und auszustellen. Bei diesen Tarifen wurde der Consolidator nicht mehr zum Ausstellen benötigt. Man unterschied zwei Arten

von

Negotarifen:

R, Nego (Airline-Negos) Diese Tarife werden

den Fluggesellschaften direkt im Computerund können von allen lATA-Agenturen ausgestellt werden. Die Kalkulationshoheit liegt bei der Fluggesellschaft. von

Reservierungssystem hinterlegt

Corporate Negos Für die großen Reisebüroketten

wurden spezielle Nettotarife direkt zwischen Reisebürokette/Consolidator und Fluggesellschaft verhandelt. Die Corporate Negos basierten auf dem Nettotarif-Niveau und wurden nur den Kettenbüros/Consolidators zur Verfügung gestellt. Im Gegensatz zu den Negotarifen, behält die Kette die Kontrolle über die Endpreisgestaltung.

Die Einführung des Nego-Verfahrens führte zu Umsatzverlusten der Consolidator im Vertrieb von Nettoflugscheinen an lATA-Agenturen. Besonders von dieser Entwicklung betroffen waren die Consolidator der großen Reisebüroketten, die überwiegend lATA-Agenturen in ihrem stationären Vertriebsnetz hatten. Es kam zu einer Umsatzverschiebung vom zentralen (Consolidator) zum dezentralen (IATAReisebüro) Ticketing. Eine starke Fokussierung auf die Non-IATA-Agenturen setzte ein. Für viele war eine Neuausrichtung erforderlich, um die Erlöseinbußen mit dem Aufbau von neuen Geschäftsfeldern auszugleichen.

2.6.

Entdeckung des Vertriebskanals Consolidator durch den Domestik-Carrier

Erst im Jahr 1996 begann der National Carrier das Geschäft mit Consolidators zu forcieren (Hildebrandt 1997). Im sogenannten Graumarkt spielte die Lufthansa bis dahin so gut wie keine Rolle, wenngleich man seit 1994 damit experimentierte. Erst die Deregulierung, wachsende Sitzplatzkapazitäten und die damit zunehmende Bedeutung des touristischen Marktsegmentes sollten die bisherige Vertriebspolitik nachhaltig verändern.

Über den Vertriebskanal Consolidator wurde die Verbindung IATA

Agenturen (Heesen 1997) hergestellt und

zu den 14.000 NONdarüber zusätzliche Umsätze im

Heering: Der Consolidator im Touristikkonzern

315

touristischen Marktsegment generiert. Unter dem Druck Vertriebskosten zu senken, erwies sich dieser Vertriebskanal als äußerst preisattraktiv. Über die Schließung der dezentralen Reservierungseinheiten und Stadtbüros wurde ein Großteil

der Last auf die Consolidator verlagert. Mit den erzielten Einsparungen wurde der Ausbau neuer Technologien (Internet) und die Erschließung neuer Absatzmärkte

(Direktvertrieb) vorangetrieben.

Anders als bei den Mitbewerbern erfolgte der professionelle Einstieg nicht über die Nettotarife, sondern über Bruttotarife. Der Home Carrier wollte die Kontrolle über die Endpreisgestaltung keineswegs abgeben. Neben dem Partner Plus Modell entstand ein consolidatorspezifisches Entlohnungsmodell. Der Consolidator erhielt für seine Leistung, die Provisionen an den NON-IATA-Agenten durchzureichen, eine Handling Fee, auch Kanalgebühr genannt. Mit dieser geschickten Strategie wurden Kosten eingespart und gleichzeitig Marktanteile zurückgewonnen. Der Consolidator galt plötzlich als anerkannter Vertriebskanal.

3.

Der Consolidatormarkt heute

3.1. Der

Konzentrationsprozess

Mitte der 90er Jahre agierten noch um die 60 Consolidator auf dem deutschen Markt. Das Marktvolumen wurde 1995 auf ca. 1,8 Mrd. DM geschätzt (Schmidt

1996).

Sinkende Flugpreise, der Einstieg von Reiseveranstaltern (DER, FTI, Airtours), Reisebüroketten (Hapag-Lloyd, FIRST), Kooperationen (AER) und neuer Marktteilnehmer (SIXT Travel) in dieses Marktsegment forcierten den Wettbewerbsdruck. Der Einfluss der Negotarife wirkte sich negativ auf die Umsatzentwicklung aus. Fluggesellschaften bauten massiv den Direktvertrieb aus, gleichzeitig reduzierten sie die Zusammenarbeit auf die großen Consolidator. Insbesondere kleinere Marktteilnehmer konnten bei den hohen IT-Investitionen nicht mehr mithalten. Der Verdrängungswettbewerb wurde mangels Produktdifferenzierung fast ausschließlich auf Kosten der bereits traditionell niedrigen Margen ausgetragen. Die Rendite sank. Der Konzentrationsprozess beschleunigte sich seit 1997 dramatisch. Die Folge waren Pleiten, Übernahmen und Kooperationen. Nachfolgend eine Übersicht der markanten Tendenzen der letzten 5 Jahre auf dem deutschen Consolidatormarkt: SIXT Travel.

Karstadt Consolidator, S&S, etc.

DER..

bavaria, ADAC, LTU Ticketfactory

Hapag-Lloyd.

A&B Reisen, ISTS Reisen, HLC

FIRST.. AER..

Flugmarkt, Sparflug Special Flights Kleine regionale Consolidator

Travel 24.

Aeroworld

Airtours..

Heering: Der Consolidator im Touristikkonzern

316

Abb. 1: Ubersicht des deutschen Consolidatormarktes 2000 Umsatz und Marktanteile -

-

Cnnsoliriatrir Tl II (ATF Sparring Flight Fxpgrts> RFWF IDFR I TF havarial

Umsatz in Jf

2X2 nnn 270.0QQ 2QQ.Ü00 150,000

EIL AFR

mo ooo 7fi non

Afirnwnrlrl Sixt Travel Aprnplan CRN

70 non

55

Mr.

Flight Aprnplan DI IS Sonstige fiftsamt Umsatz in T€

oon

3S 000

63,000 1 ?3Q ono

Aeroplan DUS 3%

TUI

(ATF, Sparflug. Flight Experts) 21%

(DER, LTF, bavaria)

REWE

20%

Darstellung, interne Erhebung TUI 4U GmbH Das Marktvolumen im klassischen Consolidatorgeschäft wird nach einer internen Benchmarkstudie auf 1.290 T€ geschätzt. Nicht berücksichtigt in obiger Darstellung wurden die Umsätze von Travel Overland, STA Travel und Explorer, da es

Quelle: Eigene

primär um Endkundengeschäft handelt. Die Consolidator lassen sich in drei Kategorien unterscheiden:

sich hier

Kategorie 1: Angegliedert an vertikal integrierte Touristikkonzerne TUI (ATF, Flight Experts und Sparflug) REWE (DER, bavaria, LTF) FTI

Kategorie 2: Unabhängig mit Affinität zu vertikal integrierten Touristikkonzernen Thomas Cook (AER, SIXT) Obwohl es keine gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen gibt, kann bei Betrachtung der Vertriebsstruktur von AER/SIXT: LCC, Karstadt, Holiday Land, TC, NUR sowie der europaweiten Kooperation von SIXT mit der DLH eine gewisse Nähe zur Thomas Cook AG unterstellt werden

Kategorie 3: Unabhängige Consolidator Quelle:

Eigene Erhebung

Marktanteile

Heering: Der Consolidator im Touristikkonzern

317

Der Konzentrationsprozess in diesem Marktsegment schreitet weiter voran. Die zuletzt bekannt gegebene Fusion der Consolidator AER und Sixt Travel zur Aerticket AG sowie die Auflösung der Aeroworld (Travel 24) Consolidator Einheit in Hamburg dürften zu einer weiteren Verschiebung von Marktanteilen führen. Die Aerticket AG vereinigt nach eigenen Angaben einen Umsatz von 375 Mio. € in 2002 und übernimmt damit die Marktführerschaft. Basierend auf den 2000er Zahlen würde sich der Markt dann wie

folgt darstellen:

Neu-Aufteilung des Marktes der Consolidator

Abb. 2: -

Marktanteile in Prozent vom Umsatz

-

Umsatz in T€

Quelle: Eigene Darstellung

Damit hätten die „Big Four" einen Marktanteil von fast 90%. Die des Marktes spiegelt sich auch im Consolidatorbereich wider.

3.2.

Oligopolisierung

Entwicklung neuer Geschäftsfelder (Veranstalter, Direktvertrieb, Dienstleistung, eCommerce)

Vor dem

Hintergrund der allgemeinen Marktentwicklung nutzten auch Consolidator erfolgsversprechende alternative Vertriebsformen zur strategischen und wirtschaftlichen Absicherung ihres klassischen Kerngeschäftes. Der Aufbau neuer Vertriebsplattformen und Produkte zur Gewinnung neuer Kundensegmente wurde vorangetrieben. Dazu zählten: •

Aufbau einer



Einstieg

• •





Eigenveranstaltung (Aeroworld, Mc Flight, Aeroplan) (Aeroworld, Mc Flight, Sixt Travel, Aeroplan) Direktvertrieb über das Internet (eSixt, Travel Overland, Mc Flight) Reisebürovertrieb mit Internet Booking Engines (Flight Experts, Sparflug, AER) Aufbau von Call Center- und Dienstleistungsfunktionen (Sparflug, AER, Aeroworld) eCommerce Fulfillment (Sparflug, AER) in den Direktvertrieb

Heering: Der Consolidator im Touristikkonzern

318

Durch die werden: • •

• • •

Erschließung

neuer

Geschäftsfelder sollten

nachfolgende

Ziele erreicht

Gewinnung zusätzlicher Umsätze Gewinnung zusätzlicher Erträge Erhöhter Kalkulationsspielraum (Mischkalkulation) Erzielung niedrigerer Einkaufspreise (Verbesserung der Kalkulationsbasis) Optimale Ausnutzung bestehender technischer Infrastruktur

Die neuentwickelten Veranstaltungsprodukte bestanden meist aus Bausteinen, die das bestehende Flugprodukt modulartig (Hotel, Mietwagen, Rundreisen etc.) ergänzten. Zudem entsprach dies dem Trend zur Fern- bzw. Individuaireise.

Für den Ausbau ihrer Vertriebswege rüsteten die Consolidator ihre Service-/ Reservierungseinheiten zu schlagkräftigen Call Centern mit Direktvertriebsvertriebskompetenz auf. Gleichzeitig ließ sich diese Infrastruktur auch als Dienstleistung vermarkten. So richteten Consolidator zentrale Helpdesk- und Hotlinenummern für ihre Kunden ein. Die Pflege der komplexen Nettoflugdatenbanken wurde um die Negotarifpflege in weiteren Datenbanken erweitert. Fluggesellschaften und Reisebüroketten nahmen diese Dienstleistung in Anspruch (Outsourcing). Seine Innovationskraft bewies der Consolidator bei der Entwicklung sogenannter Internet Booking Engines (IBE), die bereits 1996 Online Buchungen von Nettotarifen ermöglichten. Aufsetzend auf den bestehenden Strukturen ließ sich auch das Internet Fulfillment darstellen.

4. Die

strategische Rolle des Consolidators in einem integrierten Reisekonzern am Beispiel der TUI 4L) GmbH

4.1.

vertikal

Zusammenführung der Aktivitäten (Sparflug, Flight Experts, A&B, ISTS, Hapag-Lloyd)

Über einen Zeitraum von mehreren Jahren erstreckte sich die Consolidator-Aktivitäten innerhalb der TUI bzw. deren Vorgänger.

Bündelung

der

Im Jahre 1997 wurde das Geschäft der Deutschen Thomas Cook Reisebüro GmbH (nicht zu verwechseln mit dem heutigen Thomas Cook Konzern) in die FIRST Gruppe eingebracht. Im Zuge der Zusammenführung wurden nachgelagert die Consolidator Sparflug (100%ige Tochter von Thomas Cook) und FM Flugmarkt (100%ige Tochter von FIRST) 1998 zur Sparflug FM Flugmarkt GmbH fusioniert. 1999 übernahm Hapag-Lloyd Geschäftsreisen den Osnabrücker Consolidator A&B Reisen und ISTS Reisen aus München. Hapag-Lloyd selbst betrieb das Consolidatorgeschäft unter der Marke Hapag-Lloyd Consolidator seit 1997. 1999 entsteht aus Hapag-Lloyd und TUI die HTU (Hapag Touristik Union), in der kurze Zeit später auch die FIRST Gruppe aufging, die dann im Jahre 2000 in die TUI Group unbenannt wurde. Im Vertrieb erfolgte eine Trennung in TUI Business

Heering: Der Consolidator im Touristikkonzern

Travel Travel

(A&B Reisen, ISTS Reisen (Sparflug FM Flugmarkt).

319

Hapag-Lloyd Consolidator) und TUI

und

Leisure

Aus TUI Business Travel wurde 2001 TQ3 und dessen drei Consolidatormarken wurden vorab unter der neuen Marke Flight Experts zusammengefaßt. Aus der (Sparflug) FM Flugmarkt GmbH heraus entsteht 2001 die TUI 4U GmbH mit der Consolidator Marke Sparflug, die dem TUI Eigenvertrieb (Leisure) zugeordnet ist. Am 01.01.2002 wurden die Aktivitäten von Sparflug und Flight Experts unter dem Dach der TUI 4U GmbH zusammengeführt. Daraus entstand die neue Marke Sparflug The Flight Experts. Der neue Consolidator der TUI (TUI Ticket Shop) wird ebenfalls der TUI 4U angegliedert, die damit eine gemeinsame Plattform für alle Consolidator-Aktivitäten der TUI bildet. -

Die Entwicklung det:

zur

TUI 4U GmbH wird in der Abb. 3:

nachfolgenden Darstellung abgebil-

Entwicklung zur TUI 4U GmbH

TUI4U GmbH

TQ3

Sparflug Leisure Travel

Flight Experts Business Travel

TUI Ticket

Sparflug

The Flight Experts Consolidator TUI

Eigenvertrieb

Shop Consolidator Veranstalter TUI

Sparflug The Flight Experts

TUI

TUI Ticket

Shop

TUI 4U GmbH

Quelle:

4.2.

Eigene Darstellung, vgl. Zoern 2002

Bündelung von Dienstleistungs- und Consolidator Aktivitäten innerhalb der TUI 4U GmbH

Der Einsatz neuer Technologien (Internet), neuer Absatzmärkte (Direktvertrieb) und Veränderungen im Kundenverhalten (Individualisierung, Convenience, gestiegenes Preisbewusstsein, wachsende Technologieakzeptanz) führten zu einer Mul-

Heering: Der Consolidator im Touristikkonzern

320

von Absatz- und Vertriebskanälen (Blaschke, Heering, Zümpel 2000). Die neuen direkten und indirekten Absatzkanäle erhöhten das gesamte fvlarktvolumen und kannibalisierten die traditionellen Vertriebswege. Um die Vermarktungssicherheit zu erhöhen, wurde die Entwicklung und Implementierung neuer Geschäftsmodelle forciert (Zümpel 2000). Dem Consolidator fiel dabei eine strategisch kritische Rolle zu.

tiplikation

Die TUI 4U GmbH bildet heute neben der TUI Interactive GmbH (TUI.de) und der TUI Leisure Travel GmbH (FIRST- und Hapag-Lloyd Reisebüros und TUI ReiseCenter) die dritte Säule im TUI Eigenvertrieb. Abb. 4: TUI 4U als Bestandteil des

TUl-Eigenvertriebs

TUI

Leisure Travel

TUI.de

TUI 4U

J Quelle:

Eigene Darstellung

Die TUI 4U selbst ist Technologie- und Vertriebsplattform für eine Reihe unterschiedlicher, jedoch in Abhängigkeit zueinander stehender Aktivitäten, die in separaten „Business Units" operieren. Von diesen Leistungen bedienen sich die unterschiedlichen Konzerngesellschaften und -bereiche. Abb. 5: Geschäftsfelder der TUI 4U

TUI 4U

Call Center Funktionen Consolidator

Consolidator TUI Ticket

Shop Quelle:

Eigene Darstellung

Sparflug Flight Experts

The

-

Flugdatenbank-

management)

Helpdesk

eCommerce Fulfillment

Heering: Der Consolidator im Touristikkonzern

4.3.

321

Synergieeffekte durch Bündelung

Durch die Zusammenführung der unterschiedlichen Aktivitäten unter einem Dach ließen sich signifikante Kosteneinsparungs- und Synergieeffekte auf mehreren Ebenen erzielen. Fünf voneinander losgelöst agierende Consolidator produzierten weitestgehend identische Produkte. Neben den fünffach anfallenden Kosten in vielen Bereichen kam es zudem noch zu einer Kannibalisierung und Konkurrenzierung untereinander. Mit der Bündelung von Zentralfunktionen an einer Stelle ließen sich Synergiepotenziale für nachfolgende Bereiche realisieren: •

IT-Plattform



Personal



Vertrieb



Einkauf



Backoffice



Entwicklung

Besonders deutlich wird dies am Beispiel der Tarifdatenpflege. Gab es zunächst fünf Abteilungen mit fünf Datenbanken, so pflegt heute ein Team eine mandanten-

fähige Flugdatenbank.

Von diesen günstigen Kostenstrukturen profitieren der Reisebüro- und Onlinevertrieb sowie der Veranstalter. Zudem können kostenintensive Investitionen zum Aufbau eigener Plattformen eingespart werden, in dem auf eine gemeinsame zentrale Plattform zurückgegriffen wird.

Gleiches gilt für das Betreiben unterschiedlicher Call Center. Auch hier kann auf die technische Infrastruktur der TUI 4U zurückgegriffen werden.

4.4. Das The

Markenstrategie Kerngeschäft innerhalb der TUI 4U bilden die Consolidator-Marken Sparflug Flight Experts und TUI Ticket Shop (TTS), die sich wie folgt abgrenzen:

\j

TUI

TUI Markenphilosophie Exklusiv-Vertrieb TUI Agenturen Begrenztes Sortiment Point to Point Tarife

Bruttopreise Buchung eines TUI Ticket ShopFlugscheins in Verbindung mit einem TUI Reisebaustein ist ein „Zug zum Flug"-Ticket Bei

ÖPNV-Fahrschein inklusive. Einbindung in das Provisionssystem Kostenlose Tickethinterlegung an TUI Flug-

Sparflug Markenneutral Alle Agenturen Komplettes Sortiment Gesamtes Leistungsspektrum

Nettopreise

ÖPNV-Fahrschein inklusive

und ein

hafenstationen

Eigenes Konditionenmodell Kostenpflichtige Hinterlegungs-

_möglichkeiten_

322

Heering: Der Consolidator im Touristikkonzern

Der TUI Ticketshop ergänzt das Bausteinprogramm der TUI, vertreibt ein eingeschränktes Sortiment angereichert mit zahlreichen Zusatzfeatures und positioniert sich über die Qualitätsmerkmale der Marke. -

-

Die zweite Marke der TUI 4U GmbH, Sparflug The Flight Experts, ist der klassische Consolidator im Sortiment. Die Discountmarke ist auch für Fremdagenturen -

geöffnet. 4.5.

Bedeutung der Innovation

Der Consolidator bezieht seine Daseinsberechtigung aus seiner Innovationskraft. Technologielösungen zur Optimierung der internen und externen Arbeitsprozesse generieren die Vorteile für die unterschiedlichen Wertschöpfungsstufen. Kritische Erfolgsfaktoren sind: •

hohe Produktivität



hoher Automationsgrad



hohe











• •

Distributionsgeschwindigkeit Mandantenfähigkeit vollintegrierte Systeme (Front-Mid-Backoffice, Ticketstrassen) Multi-CRS-Fähigkeit offene Schnittstellenumgebung wartungsarme Infrastruktur Call Center Technologie Internet

Booking Engine/Intranet

Die Prozesse eines Consolidators sollen am Beispiel der TUI 4U GmbH verdeutlicht werden. Herzstück ist die Flugdatenbank des Consolidators verbunden mit dem Einsatz sogenannter Ticketstrassen, die unterstützt von Robotic-Prozessen (Automator, Queue Cruncher) vollautomatisch Tickets produzieren können. Entscheidend ist der Workflow der durch Queues und Prozesse (ca. 80 verschiedene Prozessarten) repräsentiert wird. Anwender und Prozesse arbeiten dabei auf denselben Vorgängen und kommunizieren über gemeinsame Queues. Die Prozessinstanzen laufen parallel. Umso mehr Prozessinstanzen, desto höher ist der Durchsatz. Jede Instanz hat eine eigene Parametisierung. Die Prozesse haben unterschiedliche Frequenzen, die automatisch über das Zeitfenster gesteuert werden. Die Queues sind die Förderbänder der Fabrik, mit denen das Produkt (Vorgang) von einem zum nächsten transportiert wird und die Prozesse verbindet. Die nachfolgende Abbildung 6 soll dies veranschaulichen.

Heering: Der Consolidator im Touristikkonzern

323

Abb. 6: Queue Cruncher

PUR vonCRS Queue

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