Hirntod Einer Idee: Die Erblichkeit Der Intelligenz (German Edition) 9783847101802, 9783847001805, 3847101803

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Hirntod Einer Idee: Die Erblichkeit Der Intelligenz (German Edition)
 9783847101802, 9783847001805, 3847101803

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Manfred Velden

Hirntod einer Idee Die Erblichkeit der Intelligenz

Mit 4 Abbildungen

V& R unipress

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-8471-0180-2 ISBN 978-3-8470-0180-5 (E-Book) Ó 2013, V& R unipress in Göttingen / www.vr-unipress.de Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Printed in Germany. Druck und Bindung: CPI Buch Bücher.de GmbH, Birkach Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier.

Inhalt

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

Teil I: Die Methoden der Bestimmung der Erblichkeit mentaler Eigenschaften, insbesondere der Intelligenz . . . . . . . . . . . . . . . Quantitativ genetische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . Molekulargenetische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 9 23

Teil II: Die Erforschung der Erblichkeit der Intelligenz – ein dunkles Kapitel der Wissenschaftsgeschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Galton und der Regressionseffekt – ein folgenschweres Missverständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eugenik – von einer plausiblen Idee zur Paranoia . . . . . . . . . . . Immigration und die Intelligenz der Nation . . . . . . . . . . . . . . 11+ – Eine Tragödie, die unbemerkt blieb . . . . . . . . . . . . . . . Wissenschaftlicher Rassismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Der Fall Eysenck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Molekulargenetische Merkwürdigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . Zusammenfassung und Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . .

.

27

. . . . . . . .

28 32 35 37 42 48 56 61

Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Einleitung

Die Frage, in welchem Maße die Intelligenz erblich ist, erscheint zunächst plausibel und nach vielen Jahrzehnten intensiver Forschung zum Thema erwarten wir eine einigermaßen klare Antwort, insbesondere da die zuständige Wissenschaft, die so genannte »Verhaltensgenetik«, mit vielen Formeln und Zahlen, ganz im Stile einer Naturwissenschaft, daherkommt. Wer sich allerdings die veröffentlichten Daten und die wissenschaftliche Diskussion über diese Frage näher ansieht wird enttäuscht1. Nicht nur reichen die veröffentlichten Werte für die Erblichkeit der Intelligenz von etwa 10 % (vernachlässigbar) bis 90 % (höher als bei den meisten körperlichen Merkmalen), sondern die Methoden ihrer Ermittlung sind äußerst umstritten. Eine Reihe von Forschern stellt ganz allgemein den Sinn der Anwendung von Methoden, die zur Vorhersage von Züchtungserfolgen bei Pflanzen und Tieren entwickelt wurden, auf mentale Eigenschaften beim Menschen (z. B. Intelligenz) in Frage. Ja es stellt sich gar die Frage, ob dergleichen Erblichkeitswerte von irgend einem wissenschaftlichen oder auch praktischen Wert sind. Versuche, die Erblichkeit der Intelligenz molekulargenetisch, also durch Analyse der DNA2, zu bestimmen, ein Vorgehen, über das seit Jahrzehnten eine Lösung des Problems angekündigt worden ist, haben keinerlei valide Hinweise auf einen erblichen Anteil bei der Intelligenz erbracht3. In dieser Situation bleibt jedem Interessierten nur die Möglichkeit, sich selbst eine eigene Meinung zu bilden. Ohne eine fundierte Meinung ist er der geradezu chaotischen Situation verschiedenster widersprüchlicher Meinungen, Behauptungen, Betrachtungen und Daten ausgeliefert. Eine fundierte Meinung verlangt allerdings die Auseinandersetzung mit den fundamentalen Grundgedanken und 1 Populärwissenschaftliche Veröffentlichungen zum Thema sollte man grundsätzlich meiden. Sie haben lediglich zur Ideologisierung und Verunklarung der Frage beigetragen. 2 Desoxyribo Nucleic Acid, Desoyribonukleinsäure. Riesenmolekül, das die Erbinformation enthält. 3 Die bisher verwendeten molekulargenetischen Methoden sind in ihrer Aussagekraft allerdings noch relativ unverstanden.

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Einleitung

Prinzipien der Methoden der Bestimmung von so genannten »Erblichkeitskoeffizienten«. Ohne ein klares Verständnis jener Grundgedanken und Prinzipien bleibt jede Vorstellung über die Erblichkeit der Intelligenz (und anderer mentaler Eigenschaften) beliebig. Nach meiner Ansicht ist es das Hauptversäumnis der beteiligten Wissenschaftler und die Ursache jener chaotischen Situation, dass fast alle Darstellungen der Problematik diese Grundgedanken und Prinzipien nicht explizit erläutert haben. Um zu vermeiden, dass der Leser, ahnend was auf ihn zukommt, das Buch gleich wieder zuklappt, möchte ich betonen, dass die Methoden der Bestimmung der Erblichkeit der Intelligenz mathematisch nicht voraussetzungsvoll sind. Mathematisch reichen die Grundrechenarten. Das Verstehen der Materie ergibt sich nicht aus dem mathematischen Verständnis der Formeln (diese sind recht einfach), sondern aus dem Verständnis der inhaltlichen Bedeutung jener Formeln. Dieses Verständnis mag nicht immer einfach sein, aber nach mehr als 30 Jahren Lehrerfahrung mit dem Thema bin ich zuversichtlich, dass meine Darstellung für jeden mit ernstem Interesse an der Thematik verständlich sein wird. Es sei noch einmal betont, dass ohne jenes Verständnis jede Diskussion zum Thema völlig sinnlos bleiben muss. Am Ende dieser Darstellung werden wir sehen, dass zwischen dem, was sich wissenschaftlich zum Thema sagen lässt, und dem, was in einer breiten Öffentlichkeit aber auch unter vielen Wissenschaftlern angenommen wird, eine erhebliche Diskrepanz besteht. Meiner Ansicht nach lässt sich diese Diskrepanz nur aus der Geschichte des Faches erklären, das von der Bestimmung der Erblichkeit mentaler Eigenschaften und Funktionen handelt, eine Geschichte, die weit in das 19. Jahrhundert zurückreicht. Wenn ich sage, dass es sich dabei um eines der dunkelsten Kapitel der Wissenschaftsgeschichte handelt, sowohl was die Wissenschaftlichkeit der Diskussion als auch ihre sozialen und politischen Auswirkungen betrifft, so mag der Leser ahnen, dass es in dieser Geschichte nicht immer sehr wissenschaftlich zugegangen ist. Und wie wir sehen werden ist dieses Kapitel heute keineswegs abgeschlossen. Von diesem Kapitel handelt der zweite und längere Teil des Buches. Petra Glaubitz gebührt Dank für die Erstellung der Grafiken.

Teil I: Die Methoden der Bestimmung der Erblichkeit mentaler Eigenschaften, insbesondere der Intelligenz

Was Versuche, das Ausmaß der Erblichkeit der Intelligenz zu bestimmen betrifft, sind zwei Ansätze zu unterscheiden: der quantitativ genetische, bei dem die Erblichkeit indirekt über den Vergleich der Ähnlichkeit von Verwandten verschiedenen Verwandtschaftsgrades bestimmt wird, und der molekulargenetische, bei dem, wie erwähnt, die Bestimmung über eine Analyse der DNA erfolgt. Die verbreiteten Vorstellungen über die Erblichkeit der Intelligenz, soweit diese sich überhaupt auf wissenschaftliche Daten und nicht allein auf die Intuition beziehen, stammen allesamt aus quantitativ genetischen Untersuchungen. Die molekulargenetischen Methoden befinden sich noch in einer Art Erprobungsphase und haben, wie erwähnt, bisher keinerlei verlässliche Hinweise darauf erbracht, dass die Intelligenz überhaupt einen erblichen Anteil hat. Da eine Reihe von Wissenschaftlern der Überzeugung ist, dass molekulargenetische Methoden dennoch einen erheblichen genetischen Anteil der Intelligenz ergeben werden (ein zumindest geringer, jedoch unspezifizierbarer Anteil wird von fast allen Wissenschaftlern angenommen), werden hier auch diese Methoden sowie die bisherigen Ergebnisse behandelt. Zunächst seien aber die quantitativ genetischen Methoden dargestellt. Wie wir sehen werden enthält das »Modell« der Quantitativen Genetik entscheidende Grundannahmen über die Beziehung zwischen Anlage und Umwelt in ihrer Wirkung auf eine quantitative Variable (hier : Intelligenz), deren Kenntnis für eine vernünftige Diskussion über das Thema unabdingbar ist.

Quantitativ genetische Untersuchungen Die Methoden zur Bestimmung der Erblichkeit quantitativer (kontinuierlicher) Merkmale (Quantitative Genetik) wurden in den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts in der Agronomie (Landwirtschaftswissenschaft) zu Zwecke der Vorhersage von Züchtungserfolgen entwickelt. Ohne Wissen um die Erblichkeit eines Merkmals (z. B. Milchproduktion bei Kühen) ist es unmöglich

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Die Methoden der Bestimmung der Erblichkeit mentaler Eigenschaften

vorherzusagen wie vieler Generationen es bedarf (ein entscheidender ökonomischer Aspekt) um eine gewünschte Änderung des Merkmals zu erzielen. Die Quantitative Genetik handelt von Unterschieden zwischen Individuen. Wären wir z. B. alle gleich groß, d. h. gäbe es keine Größenunterschiede, würde sich die Frage der Erblichkeit der Körpergröße nicht stellen. Das Ausmaß von Unterschieden wird in der Quantitativen Genetik (und in der Statistik im Allgemeinen) durch die so genannte »Varianz« wiedergegeben. Um die Varianz für eine Anzahl (n) von Messwerten zu berechnen, berechnet man zunächst den Mittelwert (M), sodann die Abweichungen aller Einzelwerte (xi steht symbolisch für einen beliebigen dieser Einzelwerte) vom Mittelwert (xi – M), quadriert diese Abweichungen ((xi – M)2), summiert diese Abweichungsquadrate auf (S(xi – M)2), und bildet zuletzt ihren Mittelwert, so dass die Varianz (V) nun definiert ist als P V¼

ðxi ¢ MÞ2 n¢1

(1)

Warum die Zahl der Messwerte bei der Mittelung um 1 verringert wird, soll uns an dieser Stelle nicht interessieren. Wegen der beschriebenen Einzelschritte bei der Bestimmung von V wird sie oft auch als »mittleres Abweichungsquadrat« bezeichnet. Es ist klar, dass bei großen Unterschieden zwischen Einzelwerten auch ihre Abstände zum Mittelwert groß sind und damit auch die Varianz entsprechend groß ist. Synonym zu Varianz wird häufig der Begriff »Variation« benutzt. Bei dem Begriff der »Streuung« handelt es sich im engeren statistischen Sinne um die Wurzel aus der Varianz. In der Quantitativen Genetik ist das Konzept der Varianz von entscheidender Bedeutung, denn das Modell der Quantitativen Genetik ist ein solches einer Varianzzerlegung, wobei die zu zerlegende Varianz die so genannte »phänotypische Varianz« (Vp) ist. Die phänotypische Varianz ist einfach die in einer Population von Individuen, für die die Erblichkeit eines Merkmals bestimmt werden soll, vorhandene und messbare Varianz dieses Merkmals. Es wird nun angenommen, dass diese phänotypische Varianz auf verschiedene Ursachen (oft auch als »Varianzquellen« bezeichnet) zurückgeht. Im einfachsten Falle sind es zwei Ursachen, die Varianz erzeugen: (1) die Individuen sind genetisch verschieden und (2) wachsen unter verschiedenen Bedingungen auf und leben unter verschiedenen Bedingungen. Dementsprechend lautet die Varianzaufteilung Vp ¼ Vg þ Vu

(2)

Quantitativ genetische Untersuchungen

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Wobei Vg der Anteil an der phänotypischen Varianz ist, der durch genetische Unterschiede bedingt ist, Vu derjenige, der durch Umweltunterschiede bedingt ist.4 In der Literatur findet man häufig für Vg und Vu die Begriffe »genetische Varianz« und »Umweltvarianz«, die der Laie jedoch meiden sollte, da sie irreführend sein können. Vg ist nicht die genetische Varianz, also die Unterschiedlichkeit der Gene, sondern der Anteil an der phänotypischen Varianz, der durch genetische Unterschiede bedingt ist, ebenso wie Vu nicht die Unterschiedlichkeit der Umwelten der einzelnen Individuen ist, sondern der Teil der phänotypischen Varianz, der durch Umweltunterschiede bedingt ist. Was die varianzerzeugenden genetischen und Umweltunterschiede sind, wissen wir nicht und müssen dies zur Bestimmung der Erblichkeit auch nicht wissen (siehe unten). Die phänotypische Varianz vergrößert sich zusätzlich, wenn Anlage- und Umweltfaktoren miteinander »interagieren«, wobei es sich hierbei um einen statistischen Begriff handelt. Stellen wir uns eine bestimmte (von vielen möglichen) genetische Konstellation vor und eine bestimmte (von vielen möglichen) Umweltkonstellationen. Jede dieser beiden hat im Mittel, also in Kombination mit allen anderen Umwelt- bzw. genetischen Konstellationen, eine bestimmte Wirkung auf das phänotypische Merkmal. Treffen die beiden Konstellationen nun zusammen (kommen bei einem Individuum gemeinsam vor), so kann es sein, dass sich ihre Wirkungen (Effekte) einfach aufsummieren, es kann aber auch sein, dass die kombinierte Wirkung größer (oder kleiner) als die Summe der beiden Einzelwirkungen ist. Man spricht in diesem Falle von »Übersummativität«. Einen solchen übersummativen Effekt nennt man Interaktionseffekt. Bei Vorliegen solcher Interaktionseffekte (sie können natürlich bei den ver4 Die Formel zeigt, wie unsinnig das Argument des großen Psychologen und Neurotheoretikers Donald Hebb ist, es mache keinen Sinn, Anlage und Umwelt verschiedene Bedeutung bezüglich eines Verhaltens zuzuschreiben, da Gene und Umwelt sich wie Länge und Breite eines Rechtecks in Bezug auf seine Fläche verhielten (Hebb, 1980, S. 72), eine Meinung, die seither häufig zitiert worden ist (z. B. Ehrlich, 2000, S. 6). Aber der Einfluss von Genen und Umwelt ist additiv und nicht multiplikativ, wie es Länge und Breite eines Rechtecks in Bezug auf seine Fläche sind, weshalb beide sehr wohl eine verschiedene Bedeutung bezüglich eines Verhaltens haben können. Länge und Breite eines Rechtecks sind von gleicher Bedeutung für die Größe seiner Fläche. Wird z. B. die Breite oder die Länge eines Rechteckes um die Hälfte reduziert, so reduziert sich jeweils auch die Größe der Fläche um die Hälfte, oder wenn Länge oder Breite Null werden, so ist auch die Fläche gleich Null. Bei einer additiven Verbindung wie im Falle der obigen Formel, die den Beitrag von Anlage und Umwelt zur phänotypischen Variation wiedergibt, sind die Beiträge unabhängig voneinander, sodass z. B. wenn Vg Null wäre, der Beitrag von Vu zur phänotypischen Variation übrig bliebe. Der Leser mag sich wundern, wie ein bekannter Psychologe, der dem Anlage/Umwelt Thema in seinem berühmten Buch »Essay on Mind« ein eigenes Kapitel widmet, dies in Unkenntnis der Quantitativen Genetik tun kann. Am Ende des zweiten Teils dieses Buches wird er sich wahrscheinlich nicht mehr sonderlich wundern.

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Die Methoden der Bestimmung der Erblichkeit mentaler Eigenschaften

schiedensten Anlage/Umwelt Kombinationen vorkommen) erhöht sich die phänotypische Varianz und die Varianzaufteilung lautet Vp ¼ Vg þ Vu þ Vgu

(3)

Wobei Vgu der interaktionsbedingte Varianzanteil ist. Befinden sich die Individuen nicht unter experimenteller Kontrolle wie bei einem agronomischen Versuch, bei dem sie Umweltbedingungen zugeordnet werden können, so kann eine weitere Varianzquelle entstehen, die sog. Anlage/ Umwelt »Covariation«, die dadurch entsteht, dass Individuen mit bestimmten genetischen Konstellationen gezielt bestimmte Umweltbedingungen aufsuchen oder auch umgekehrt bestimmte Umweltbedingungen sich bestimmten genetischen Bedingungen zuordnen. Im Falle der Intelligenz, angenommen sie habe einen relevanten genetischen Anteil, könnte man sich vorstellen, dass intelligentere Kinder und Jugendliche häufiger in Bibliotheken (oder deren digitales Pendant) gehen und in umgekehrter Richtung Eltern, Lehrer und Erzieher sich tendenziell lieber (und mehr) mit intelligenteren Kindern beschäftigen. Eine solche Situation erhöht die Variation des Merkmals zusätzlich, so dass die Varianzaufteilung nun lautet Vp ¼ Vg þ Vu þ Vgu þ 2Covgu

(4)

wobei Covgu die Anlage/Umwelt Covariation (im Prinzip eine Korrelation) und 2Covgu der Varianzanteil an Vp ist, der durch die Covariation bewirkt wird. Der Grund für den Faktor 2 braucht uns hier nicht näher zu interessieren. Das Ausmaß der Erblichkeit eines Merkmals ist nun definiert als der Teil der phänotypischen Variation, der durch genetische Unterschiede bedingt ist und wird in Form des sog. »Erblichkeitskoeffizienten« (h2) angegeben5, d. h. h2 ¼

Vg Vp

(5)

Der Koeffizient wird häufig mit 100 multipliziert, wodurch sich % – Werte für Erblichkeit ergeben. Es sei der Vollständigkeit halber erwähnt, auch wenn dies für die weiteren Ausführungen nicht von Bedeutung ist, dass Vg in Formel (5) nur einen Teil der genetisch bedingten Varianz bezeichnet (die so genannte 5 Ursprünglich war h (für heritability) das Symbol für den Erblichkeitskoeffizienten, wobei er als Verhältnis von Standardabweichungen definiert war, die, wie erwähnt, die Quadratwurzeln der Varianzen sind, so dass bei Umstellung auf Varianzen h quadriert werden musste.

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Quantitativ genetische Untersuchungen

»additive genetische Varianz«), nämlich den, der die Ähnlichkeit von Verwandten determiniert. Über diese Ähnlichkeit wird die Erblichkeit zum Zwecke der Vorhersage von Züchtungserfolgen ermittelt. Insofern ist Formel (5) nur die Definition der Erblichkeit. Wir können Vg nicht messen, sondern nur erschließen, eben über die Ähnlichkeit von Verwandten. Dass die Ähnlichkeit von Verwandten verschiedenen Verwandtschaftsgrades hinsichtlich eines Merkmals etwas über die Erblichkeit dieses Merkmals aussagt, ist nahe liegend. Ist ein Merkmal in einem gewissen Ausmaß erblich, so müssen z. B. Geschwister einander ähnlicher sein als Halbgeschwister, da Geschwister 50 % der Gene gemeinsam haben, Halbgeschwister jedoch nur 25 %. In diesem Sinne sind eineiige (monozygote) und zweieiige (dizygote) Zwillinge von verschiedenem Verwandtschaftsgrad, da die monozygoten 100 %, die dizygoten, ganz wie normale Geschwister, 50 % der Gene teilen. Eine typische Berechnungsformel zur Bestimmung der Erblichkeit eines Merkmals ist z. B. h2 ¼ 2ðtMZ ¢ tDZ Þ

(6)

Wobei tMZ die Ähnlichkeit der monozygoten und tDZ die der dizygoten Zwillinge ist.6 Es sei zur Sicherheit betont, dass Ähnlichkeit eine solche hinsichtlich eines Merkmals (Größe, Intelligenz) ist und nicht Ähnlichkeit im üblichen Sinne. Selbstverständlich gibt es in der Quantitativen Genetik ein Standardverfahren zur Bestimmung der Ähnlichkeit (die so genannte Intraklassenkorrelation), ein der üblichen Korrelation (Produkt-Moment Korrelation) analoges Verfahren.7 Es stellt sich die Frage, die in der Kontroverse um die Erblichkeit der Intelligenz großen Raum einnimmt, nämlich ob Methoden, entwickelt zum Zwecke der Vorhersage von Züchtungserfolgen bei körperlichen Eigenschaften von Tieren, sinnvoll auf mentale Eigenschaften beim Menschen angewendet werden können. Wie eingangs erwähnt wird die Frage von einer Reihe von Wissenschaftlern verneint. Die Frage soll hier durchaus, wenn auch in aller Kürze, behandelt werden. Es sei aber schon an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Erblichkeitskoeffizienten für mentale Eigenschaften beim Menschen, so paradox dies zunächst erscheinen mag, weder wissenschaftlich-theoretisch noch praktisch irgend einen Sinn machen und zwar auch dann nicht, wenn man die obige 6 Es empfiehlt sich für den Leser, an dieser Stelle nicht weiter darüber nachzudenken, warum dies so ist, da ihm wahrscheinlich die genaue Definition von t fehlt, ebenso wie eine Reihe gedanklicher Nebenschritte, die zur Formel führen. Es ist aber unmittelbar evident, dass je größer der Unterschied in der Ähnlichkeit, desto größer die Erblichkeit. 7 Der Unterschied zwischen beiden Verfahren, ebenso wie die Notwendigkeit, für die Ähnlichkeit von Verwandten ein eigenes Verfahren zu entwickeln, soll hier nicht näher thematisiert werden, da beides zum Verständnis der weiteren Ausführungen nicht notwendig ist.

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Die Methoden der Bestimmung der Erblichkeit mentaler Eigenschaften

Frage bejaht. Deshalb die Kürze der Behandlung der Frage. Eine kurze Thematisierung der Validität von Erblichkeitskoeffizienten macht aber insofern einen Sinn, als sie bereits an dieser Stelle einen Eindruck von der Art des Umgangs mit Methoden und Daten bei der Erforschung der Erblichkeit der Intelligenz vermittelt, ein Aspekt, der über weite Strecken, insbesondere im zweiten Teil, Thema dieses Buches ist. Zunächst aber seien Aussagekraft und Verlässlichkeit von Erblichkeitskoeffizienten aus agronomischen Versuchen thematisiert, bei denen, anders als bei der Anwendung auf den Menschen, die Dinge unter experimenteller Kontrolle sind, z. B. die Zuordnung von Individuen zu bestimmten Umweltbedingungen möglich ist. Dies scheint mir insofern wichtig als ausgerechnet bei der problematischen Anwendung auf die Intelligenz eine völlig überzogene Vorstellung von jener Aussagekraft entstanden ist. Bereits Ronald Fisher, einer der Entwickler der Quantitativen Genetik, sah die Aussagekraft von Erblichkeitskoeffizienten kritisch und sprach von dem »… so genannten Heritabilitätskoeffizienten, den ich als eine jener unglücklichen Abkürzungen betrachte, die in der Biometrie in Ermangelung einer gründlicheren Datenanalyse entstanden sind.« (Fisher, 1951, S. 217). Falconer, Autor des Standardwerkes der Quantitativen Genetik, schreibt über Erblichkeitsbestimmungen bei Tieren und Pflanzen ganz allgemein: »Erblichkeiten können nicht leicht mit einiger Genauigkeit bestimmt werden, und die meisten Schätzungen haben ziemlich große Standardfehler.« (Falconer & Mackay, 1996, S. 161). Er gibt dann eine Reihe von berechneten Erblichkeitswerten für körperliche Merkmale beim Menschen und bei Tieren (Rinder, Schweine, Hühner, Mäuse, Drosophila Melanogaster (Fruchtfliege)) an, die im Mittel bei etwa 40 % liegen, wobei er den Standardfehler auf 2 bis 4 % beziffert. Für die als besonders aussagekräftig angesehenen Zwillinsstudien gibt er die oben angeführte Berechnungsformel (Formel (6)) an, weist aber darauf hin, dass diese Art der Erblichkeitsbestimmung entscheidend auf mehreren Annahmen beruht, u. a. der, dass die umweltbedingte Varianz bei beiden Zwillingsarten dieselbe ist. Dafür, dass allein diese Voraussetzung nicht gegeben ist, gibt er als Auswahl aus einer größeren Anzahl von Gründen beispielhaft allein sieben an, deren Vorliegen oder Nichtvorliegen meist gar nicht überprüft werden kann (z. B. ob der Wettbewerb in utero bei den beiden Zwillingsarten derselbe ist). Die Ausführlichkeit und Nachdrücklichkeit, mit der Falconer diese Probleme anspricht, sollten einen einigermaßen an Genauigkeit orientierten Wissenschaftler eigentlich bereits davon abhalten, eine Zwillingsuntersuchung durchzuführen. Dennoch gibt Falconer Daten aus einer (nicht von ihm selbst durchgeführten) Zwillingsstudie an: eine Erblichkeit von 66 % für Körpergröße und 34 % für Intelligenz beim Menschen (Falconer & Mackay, 1996, S. 173).

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Quantitativ genetische Untersuchungen

Vergleicht man die von Falconer wiedergegebenen Daten mit den Erblichkeitswerten für die Intelligenz, wie sie von Psychologen im Rahmen der Kontroverse um die Erblichkeit der Intelligenz ins Feld geführt worden sind, so fällt eine große Diskrepanz ins Auge. Selbst wenn wir Eysencks (1998) Wert von 80 % ignorieren (Gründe dafür, Eysencks Daten ganz allgemein zu ignorieren, werden im zweiten Teil des Buches gegeben), so finden wir doch Werte für die späte Adoleszenz (die Werte für Kinder sind niedriger) von 75 % (Neisser et al., 1996) oder »irgendwo« zwischen 40 und 80 % (Nisbett et al., 2012). Diese Werte liegen nicht nur weit über dem von Falconer zitierten Wert für die Intelligenz, sondern auch deutlich über den von Falconer angegebenen Werten für körperliche Merkmale, insbesondere den bei Tieren ermittelten, die auf experimentellen, also besonders validen, Untersuchungen basieren. Wie erwähnt hat eine ganze Reihe von Kritikern bestritten, dass die Methoden der Quantitativen Genetik sinnvoll auf mentale Eigenschaften beim Menschen angewendet werden können (z. B. Bailey, 1997; Hirsch, 1990; Kempthorne, 1978, 1997; Layzer, 1974; Lewontin, 1975; Platt & Bach, 1997; Schönemann, 1997; Schwartz & Schwartz, 1973; Wahlsten, 1990) und angenommen, dass die publizierten Daten weitgehend Überschätzungen unspezifizierbaren Ausmaßes darstellen. Nehmen wir als Beispiel eine der am häufigsten zitierten Zwillinsuntersuchungen (Tellegen et al., 1988). Die Autoren geben an, die bei Falconer angegebene (und von ihm ausführlich problematiserte, s. o.) Formel h2 ¼ 2ðtMZ ¢ tDZ Þ

(6)

benutzt zu haben ohne auch nur mit einem Wort darauf einzugehen, weshalb sie glauben, die Voraussetzungen für ihre Anwendung seien erfüllt gewesen. Betrachten wir die Formel, so ist leicht zu sehen, dass schon eine Überschätzung der Ähnlichkeit der monozygoten Zwillinge (tMZ) um den Betrag von 0,1 (die tWerte können zwischen 0,0 und 1,0 schwanken), die aufgrund einer geringeren umweltbedingten Variation bei monozygoten Zwillingen leicht möglich ist, zu einer Überschätzung der Erblichkeit um 20 % führt. Das Gesagte soll genügen, dem Leser einen Eindruck von der fragwürdigen Aussagekraft von Erblichkeitskoeffizienten in Allgemeinen und solchen, die sich auf die Intelligenz beziehen im Besonderen, zu vermitteln und anzudeuten, dass sich im Forschungsbereich zur Erblichkeit der Intelligenz eigentümliche Standards im Umgang mit Methoden und Daten entwickelt haben. Man kann nun allerdings die gesamte Diskussion um die Validität von Erblichkeitskoeffizienten für die Intelligenz vermeiden, indem man sich zwei grundsätzliche Fragen stellt: (1) kann es überhaupt einen allgemeinverbindlichen Erblichkeitskoeffizienten für die Intelligenz geben, selbst wenn die oben

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Die Methoden der Bestimmung der Erblichkeit mentaler Eigenschaften

erwähnten Validitätsprobleme gelöst wären (was sie nicht sind und nicht sein werden)? und, wiederum jene Lösung vorausgesetzt, (2) was könnte der Sinn der extrem aufwendigen Bestimmung jener Koeffizienten sein? Da die Fragen, die doch eigentlich am Anfang jeder Abhandlung zum Thema stehen sollten, meist gar nicht erst gestellt werden, mögen wir annehmen, dass sie allgemein als beantwortet angesehen werden. In der Tat sind sie aber in der langen Tradition des Erblichkeitsdenkens in Bezug auf die Intelligenz seit dem 19ten Jahrhundert nie gestellt worden. Wahrscheinlich hat man wie selbstverständlich die Erblichkeit der Intelligenz für eine Naturkonstante gehalten und wie selbstverständlich angenommen, dass man aus ihr auf die Veränderbarkeit/ Unveränderbarkeit der Intelligenz schließen kann. Außerdem könnte die Beantwortung dieser Fragen mehr als 100 Jahre Forschung und einen ganzen Forschungszweig in Frage stellen, eine Aussicht, die Wissenschaftler in diesem Forschungszweig, bewußt oder unbewußt, veranlassen könnte, sie gar nicht erst zu stellen. Interessanterweise sind die Fragen recht leicht zu beantworten und dies keineswegs im Sinne der oben erwähnten impliziten Annahmen. Zur ersten Frage: kann es einen verbindlichen Erblichkeitskoeffizienten für die Intelligenz geben, oder auch nur eine begrenzte Anzahl für spezifische, definierte Populationen? Der erste Teil der Frage ist relativ leicht zu beantworten wenn wir in der Formel, die den Erblichkeitkoeffizienten definiert

h2 ¼

Vg Vp

(5)

die phänotypische Varianz in ihre möglichen Teile (Formel (4)) zerlegen, so dass

h2 ¼

Vg Vg þ Vu þ Vgu þ 2Covgu

(7)

Soll es einen allgemeinverbindlichen Wert für die Erblichkeit der Intelligenz geben oder auch nur einen einigermaßen engen Bereich von Werten (solche Werte und Bereiche sind bei Untersuchungen zur Erblichkeit der Intelligenz immer wieder angegeben worden), so müssen die Ausdrücke auf der rechten Seite der Gleichung Konstanten sein, d. h. sie müssten für alle erdenklichen Populationen auf der Erde gleich sein. Für Vg können wir dies in etwa annehmen, da die menschliche Spezies (homo sapiens) genetisch recht homogen ist (z. B. Bodmer & Cavalli-Sforza, 1976; Rogers & Jorde, 1995), insbesondere wenn wir bedenken, dass die offensichtlichen genetischen Unterschiede, die bewirken, dass Menschen in Afrika, Europa oder Asien so verschieden aussehen, im

Quantitativ genetische Untersuchungen

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Kontext der Erblichkeit der Intelligenz irrelevant sind. Kann man eine gewisse Gleichheit überall auf der Erde aber auch für die übrigen Ausdrücke annehmen? Betrachten wir alleine Vu, so wird schnell deutlich, dass dies keineswegs angenommen werden kann. Ganz offenbar können die Unterschiede in der Umwelt, die Vu determinieren, in verschiedenen Populationen ganz verschieden groß sein. Zwar wissen wir keineswegs im Einzelnen, welche Umweltfaktoren für die Ausprägung der Intelligenz von Bedeutung sind, aber dennoch haben Psychologen einige dieser Faktoren festgemacht, Faktoren, von denen wir wissen, dass sie eine wichtige Rolle spielen, ohne dass wir das Ausmaß dieser Rolle zahlenmäßig bestimmen könnten. Neisser et al. (1996) nennen in ihrem Report zur Situation der Intelligenzforschung, erstellt in der Folge des heftigen Wirbels um das Buch »The Bell Curve« von Herrnstein und Murray (1994, siehe unten), z. B. die Faktoren »Schulbildung« und »Familienhintergrund«. Ganz offensichtlich variieren Schulqualität, sozioökonomischer Status oder Bildungsgrad und –bewusstsein in verschiedenen Populationen in ganz verschiedenem Maße. Wenn wir allein Unterschiede zwischen Staaten betrachten, so gibt es solche, in denen alle Kinder in etwa vergleichbar gute Schulen gehen (zu denken wäre z. B. an die traditionell egalitär eingestellten skandinavischen Länder), und solche, in denen eine kleine Minderheit auf gute Schulen geht, eine Mehrheit auf schlechte Schulen und eine gar nicht so kleine Minderheit von Kindern überhaupt nicht zur Schule geht weil sie arbeiten müssen oder weil es einfach keine Schulen gibt (zu denken wäre z. B. an Entwicklungsländer in Lateinamerika oder Afrika). Dasselbe gilt für Unterschiede im sozialen Status oder Bildungsgrad und -bewusstsein der Familien. Was die Ausdrücke Vgu und Covgu betrifft, so können wir keinerlei Annahmen darüber machen, unter welchen Bedingungen es zu spezifischen Anlage/Umwelt Interaktionen oder Covariationen kommt. Wir können allerdings annehmen, dass mit zunehmender Größe von Vu tendenziell auch Vgu und Covgu zunehmen, da eine größere Anzahl von Umweltausprägungen eine größere Anzahl von Anlage/Umwelt Bedingungskombinationen (und damit eine größere Zahl von Interaktionseffekten) sowie ein größeres Maß an Anlage/Umwelt Covariation ermöglicht. Umgekehrt könnte es im Falle nur einer Umweltbedingung (keine Umweltunterschiede) weder Interaktion noch Covariation geben. Nach dem Gesagten ist klar, dass es keinen allgemeinverbindlichen Wert oder auch nur einigermaßen engen Bereich von Werten für die Erblichkeit der Intelligenz, so wie dies immer wieder behauptet worden ist, geben kann. Auch die Behauptung einer »hohen Erblichkeit der Intelligenz« ist falsch, da, je nach Umweltbedingungen, die Erblichkeit der Intelligenz auch sehr niedrig sein kann. Atkinson et al. (1993) geben veröffentlichte Werte zwischen 10 % und 87 % an, Scarr (1974) solche zwischen 0 % und 90 %. Nisbett et al. (2012) schreiben gar »…die Erblichkeit kann praktisch irgend einen Wert für irgend eine Eigenschaft

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Die Methoden der Bestimmung der Erblichkeit mentaler Eigenschaften

annehmen…« (gemeint sind psychische Eigenschaften) oder »…die Erblichkeit der Intelligenz liegt zwischen Null und Eins…« Der Hauptgrund für die außerordentliche Verschiedenheit der Erblichkeitsangaben für die Intelligenz dürften, neben verschiedenen Ausmaßen der Nichterfülltheit der Voraussetzungen zur Anwendung der Quantitativen Genetik, die großen Unterschiede in den umweltbedingten Varianzen zwischen den verschiedenen Populationen, in denen die Untersuchungen gemacht wurden, sein. Die Verschiedenheit genetisch bedingter Varianzen zwischen Populationen dürfte aufgrund der oben erwähnten relativen genetischen Homogenität des homo sapiens vergleichsweise gering und somit auch nur in geringem Maße an der Verursachung der großen Unterschiede zwischen den berechneten Erblichkeitskoeffizienten beteiligt sein. Auf die extremen Unterschiede in den berechneten Erblichkeitskoeffizienten sowie deren Ursachen ist allerdings in der Literatur zur Erblichkeit der Intelligenz nur allzu selten hingewiesen worden (Scarr, 1974; Velden, 1997, 2003, 2010; Nisbett et al., 2012), wodurch bis heute in weiten Bereichen der Wissenschaft (in der Populärwissenschaft ohnehin) der völlig falsche Eindruck einer allgemein hohen Erblichkeit der Intelligenz verbreitet ist. Wie steht es nun mit verschiedenen Erblichkeitswerten für spezifische Populationen? Was die für die Entwicklung der Intelligenz relevanten Bedingungen wie Schulqualität und Familienhintergrund betrifft, so haben wir nicht nur im Vergleich zwischen Ländern oder Staaten große Unterschiede in den umweltbedingten Varianzanteilen zu erwarten, sondern auch, vielleicht gar in noch höherem Maße, zwischen Regionen oder Städten innerhalb dieser Länder und innerhalb von Städten Unterschiede zwischen Distrikten oder Vierteln. Insofern gibt es alleine schon so viele Unterpopulationen, für die man Erblichkeitsbestimmungen durchführen müsste, dass dies rein praktisch gar nicht möglich wäre, da in dem nötigen Umfang gar keine Zwillingspaare auffindbar wären. Außerdem gibt es keine hinreichend exakten Kriterien, nach denen man für eine Population eine homogene Umweltvariation, notwendig für einen verbindlichen Erblichkeitskoeffizienten, annehmen könnte. Denkt man ein wenig über diese Probleme nach so stellt man bald fest, dass eine Liste verbindlicher Erblichkeitskoeffizienten für spezifische Populationen eine abwegige Idee ist. Alles, was man über die Erblichkeit der Intelligenz sagen kann, selbst wenn man einmal annähme, die Quantitative Genetik sei sinnvoll auf die Intelligenz anwendbar (was sie nicht ist) ist, dass die Werte extrem verschieden sein können, wobei die von Scarr (0 % bis 90 %), Atkinson et al. (10 % bis 87 %) oder Nisbett et al. (0 % bis 100 %) angegebenen Bereiche recht realistisch sein dürften. Insofern ist die Erblichkeit der Intelligenz eine reine Fiktion. Kommen wir zur zweiten der oben gestellten Fragen: Was könnte der Sinn der Bestimmung von Erblichkeitskoeffizienten für die Intelligenz sein? Da es ja nicht

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der Sinn sein kann, für den sie in der Agronomie bestimmt werden, nämlich die Vorhersage von Züchtungserfolgen, sollte man annehmen, dass die Frage irgendwo thematisiert wird. Da dies aber nicht der Fall ist müssen wir annehmen, dass die Wissenschaftler, die die aufwendigen Bestimmungen vorgenommen haben, den Sinn ihres Tuns voraussetzten oder, auch dies sollte man nicht ausschließen, nicht weiter über die Frage nachgedacht haben. Wie oben bereits erwähnt, ist wohl, implizit oder explizit, in den allermeisten Fällen implizit, angenommen worden, dass Erblichkeitskoeffizienten für Intelligenz zur Vorhersage darüber benutzt werden können, inwieweit diese Eigenschaft durch gezielte Intervention verbessert werden kann. Explizit wurde die Annahme in Jensens berühmt-berüchtigten Artikel von 1969 gemacht, in dem er argumentierte, dass die Bildungsförderungsprogramme für Minoritäten in den USA deshalb wirkungslos bleiben müssten, weil durch die hohe Erblichkeit der Intelligenz diese allenfalls in äußerst geringem Umfang verbessert werden könne.8 Einen weiteren Zweck der Bestimmung von Erblichkeitskoeffizienten für Intelligenz vermag ich nicht zu erkennen. Die Vorstellung, langfristig Eingriffe in das Erbgut zum Zwecke der Verbesserung der Intelligenz vorzunehmen (zu den molekulargenetischen Grundlagen der Intelligenz siehe unten) halte ich wissenschaftlich und ethisch für so abwegig, dass ich nicht glaube, dass ernsthafte Wissenschaftler in diese Richtung denken. Was ist also wissenschaftlich von der so plausibel klingenden Annahme zu halten, die Intelligenz sei in umso geringerem Maße durch soziale Intervention zu verändern, je erblicher sie ist? Plausibel erscheint uns diese Annahme wahrscheinlich vor allem deshalb, weil unsere Vorstellung über die Beziehung zwischen Erblichkeit und Änderbarkeit von Eigenschaften von unserem Wissen über körperliche Merkmale, oft qualitative (wie Augen- oder Haarfarbe), und Erbkrankheiten geprägt ist. Körperliche Merkmale sind zumeist nur sehr bedingt änderbar, und Mutationen haben oft Krankheiten zur Folge, die bis heute, bei allem Fortschritt der Medizin, nicht heilbar sind. Bei quantitativen, mentalen Merkmalen wie der Intelligenz, die in hohem Maße soziokulturellen Einflüssen unterliegen, ist dies völlig anders. Ihre Erblichkeit wird, wie wir gesehen haben, über ein statistisches Instrumentarium (die Quantitative Genetik) ermittelt und die Statistik macht, wie so mancher schon erfahren musste, manchmal zwar logische, jedoch unplausible (»kontraintuitive«) Aussagen. Die erste kontraintuitive Aussage, die uns beim Thema Erblichkeit-Änderbarkeit der Intelligenz begegnet, ist, wie wir oben schon gesehen haben, dass die Erblichkeit eine Funktion der Umwelt ist. Betrachten wir noch einmal die Definition der Erblichkeit in Form von 8 Mehr zu Jensens Artikel sowie zu den weiteren Implikationen der Annahme, insbesondere im Zusammenhang mit dem Thema Eugenik, im zweiten Teil des Buches.

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Die Methoden der Bestimmung der Erblichkeit mentaler Eigenschaften

h2 ¼

Vg Vg þ Vu þ Vgu þ 2Covgu

(7)

so ist klar, dass die Erblichkeit umso größer ist, je kleiner die umweltbedingten oder -mitbedingten Varianzanteile, da diese im Nenner stehen. Eine egalitäre Gesellschaft, die versucht im Sinne des Prinzips gleicher Bildungschancen die umweltbedingten Varianzanteile möglichst klein zu halten, bewirkt damit automatisch, wenn auch nicht vorsätzlich, eine Erhöhung der Erblichkeit der Intelligenz. Wie erwähnt sind die großen Unterschiede in den berechneten Erblichkeiten – die Koeffizienten liegen im gesamten Bereich möglicher Werte – bei einer relativ hohen genetischen Homogenität des homo sapiens durch die offensichtlich großen Unterschiede zwischen Sozietäten hinsichtlich der die Intelligenzentwicklung beeinflussenden Umweltfaktoren bedingt. Selbst bei genetisch identischen Populationen könnte es deshalb deutlich verschiedene Erblichkeitskoeffizienten für die einzelnen Populationen geben. Ein hoher Erblichkeitswert geht also weitestgehend nicht auf einen hohen genetisch bedingten Varianzanteil zurück, sondern auf einen geringen umweltbedingten. Um diese Tatsachen zu veranschaulichen und ihre Bedeutung für die Frage nach der Beziehung zwischen Erblichkeit und Änderbarkeit zu verdeutlichen stellen wir uns zwei Szenarien vor. Im ersten haben wir es mit zwei Kindern zu tun, die aufgrund zu geringer mentaler Leistungsfähigkeit Probleme in der Schule haben. Eines lebt in einer egalitären Gesellschaft mit insgesamt geringen Unterschieden in den Bildungsvoraussetzungen, in der dementsprechend die Erblichkeit der Intelligenz relativ hoch ist. Das zweite lebt in einem Entwicklungsland mit großen Unterschieden bezüglich der Faktoren, die für die Entwicklung der Intelligenz von Bedeutung sind, in dem dementsprechend die Erblichkeit der Intelligenz relativ gering ist. Kann nun dem ersteren Kind durch soziale Intervention (Nachhilfe) aufgrund der hohen Erblichkeit in seiner Population weniger gut geholfen werden als dem zweiten? Ganz offensichtlich ist dies nicht so, denn diese Annahme führt zu der abwegigen Schlussfolgerung, dass die Chancen des ersten Kindes dadurch verbessert werden können, dass man mit ihm in ein Entwicklungsland zieht und die Intervention dort durchführt. Der Erfolg der Intervention hängt allein von den spezifischen Problemen der Kinder und der Qualität der Interventionsmaßnahmen ab. Die Erblichkeit der Intelligenz in den jeweiligen Populationen ist für den Erfolg der Interventionsmaßnahmen völlig irrelevant. Im zweiten Szenario haben wir es mit einer geradezu utopisch egalitären Gesellschaft zu tun, in der die Erblichkeit der Intelligenz dementsprechend in der Nähe von 100 % liegt. Auch in einer solchen Gesellschaft kann es für einzelne Kinder zu umweltbedingten Schulproblemen kommen (z. B. durch spezifische Probleme im Umgang zwischen Eltern und einem Kind oder Lehrern

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und einem Schüler), allerdings recht selten, weshalb der Erblichkeitskoeffizient in dieser Population von diesen Fällen nur äußerst gering beeinflusst ist. Kann in dieser Gesellschaft einem Kind mit Schulproblemen praktisch überhaupt nicht geholfen werden, ganz so wie es die Erblichkeit von 100 % suggeriert? Ganz offenbar ist die Schlussfolgerung unsinnig. Die Erblichkeit der Intelligenz in einer Population ist determiniert durch die im Mittel wirksamen Umweltunterschiede, die im Falle unseres Szenarios sehr gering sind. Aber genau so gut wie es bei einzelnen Individuen oder auch spezifischen Gruppen in erheblichem Umfang abträgliche Umweltbedingungen geben kann, so kann es auch für dieselben Individuen oder Gruppen zugeschnittene Interventionsformen geben, die in erheblichem Umfang wirksam sind. Die in einer Population im Mittel wirksamen Umweltunterschiede, die größtenteils den Erblichkeitskoeffizienten für diese Population determinieren, können nichts über die Wirksamkeit von Interventionsmaßnahmen aussagen, die speziell zum Zwecke der Hilfe von Benachteiligten entwickelt worden sind. Letztere stellen zwar im Prinzip eine Erhöhung der Umweltvariation der Population dar, wirken sich aber auf die Erblichkeit praktisch nicht aus, da sie nur auf einen äußerst kleinen Anteil der Population Anwendung finden. In der Folge von Jensens Artikel von 1969, in dem er die Möglichkeiten der Verbesserung der mentalen Leistungsfähigkeit von Minoritäten aufgrund der hohen Erblichkeit der Intelligenz in Frage stellte, ist immer wieder darauf hingewiesen worden (z. B. Neisser et al., 1996), dass eine hohe Erblichkeit der Intelligenz nicht bedeutet, dass sie unveränderbar ist. Diese Aussage ist zwar richtig, kann aber, wenn man sie nicht näher erläutert, durchaus irreführend sein. Sie kann nämlich dahingehend missverstanden werden, als angenommen wird, dass die Erblichkeit zwar durchaus die Änderbarkeit einschränkt, aber dennoch immer ein gewisser Spielraum für Änderbarkeit übrig bleibt. Es ist aber entscheidend festzuhalten, dass bei der menschlichen Intelligenz ein Erblichkeitskoeffizient praktisch nichts über die Änderbarkeit aussagt. Betrachten wir noch einmal Formel (7), so ist klar, das h2 nicht wirklich Null werden kann, da auch Vg nach Ansicht fast aller Wissenschaftler nicht Null ist, so klein dieser Varianzanteil in Relation zu den umweltbedingten Varianzanteilen auch immer sein mag. Ließe sich nun eine menschliche Population denken, in der Vg so groß ist, dass sie tatsächlich das Ausmaß der Änderbarkeit der mentalen Leistungsfähigkeit in relevantem Umfang einschränkt? Hierzu könnten wir uns, wenn auch nur mit einiger Fantasie, eine hypothetische Population denken, in der »menschlich« so zu verstehen ist, dass sie aus Mitgliedern des Genus homo (»Mensch«) entstanden ist. Hierzu müssten wir uns allerdings vorstellen, dass ausgestorbene Mitglieder des Genus »homo«, wie z. B. der homo erectus, der homo heidelbergensis oder der homo neanderthalensis (»Neanderthaler«) überlebt hätten und mit dem homo sapiens fortpflanzungsfähig gewesen wären.

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Die Methoden der Bestimmung der Erblichkeit mentaler Eigenschaften

Bei jenen ausgestorbenen Spezies können wir annehmen, dass ihre biologischen Voraussetzungen des Spracherwerbs geringer waren als die des homo sapiens, so dass wir nach einer Vermischung mit dem homo sapiens eine Population gehabt hätten, die hinsichtlich der neuralen Voraussetzungen des Spracherwerbs äußerst inhomogen gewesen wäre. In diesem Falle gäbe es zwischen Individuen erhebliche genetische Unterschiede hinsichtlich der Möglichkeiten der Intelligenzentwicklung und damit eine Vg, die in Relation zu den umweltbedingten Varianzanteilen nicht unerheblich wäre. Als Folge wären dann auch die Möglichkeiten deutlich reduziert, die geistige Leistungsfähigkeit mittels sozialer Intervention zu ändern. Das Zustandekommen einer solchen inhomogenen Spezies wäre allerdings nicht nur biologisch, sondern in gleichem Maß soziologisch unwahrscheinlich gewesen. Betrachtet man die Geschichte der Beziehungen der verschiedenen Ethnien innerhalb des homo sapiens zueinander, so müssen wir wohl froh sein, dass außer dem homo sapiens die letzten Formen des Genus »homo« lange vor unserer Zeit ausgestorben sind. Homogenität an sich mag nicht unbedingt erstrebenswert sein, im Falle der genetischen Homogenität unserer Spezies hinsichtlich der Intelligenzentwicklung haben wir es aber ganz eindeutig mit einem Glücksfall zu tun. Sie erlaubt es uns, so sich denn schließlich die wissenschaftliche Vernunft bei diesem leidigen Thema durchsetzt, die Idee von der genetisch bedingten mentalen Ungleichheit von Menschen im Archiv für besonders gefährliche Fehlkonzepte abzuspeichern. Betrachten wir rückblickend noch einmal die wichtigsten Aspekte der Bestimmung von Erblichkeitskoeffizienten für die Intelligenz: 1. Es ist umstritten, ob die Quantitative Genetik überhaupt sinnvoll auf mentale Eigenschaften beim Menschen angewendet werden kann. 2. Einen allgemein verbindlichen Erblichkeitskoeffizienten oder auch nur einen einigermaßen engen Bereich von Erblichkeitswerten für die Intelligenz kann es gar nicht geben. Die berechneten Werte liegen fast im gesamten Bereich zwischen 0 und 100 %. 3. Ein Erblichkeitswert sagt nichts über die Änderbarkeit der Intelligenz mittels sozialer Intervention aus. Allein die letzten beiden Aspekte erlauben eine definitives Urteil über den Forschungszweig, der sich mit der Bestimmung der Erblichkeit der Intelligenz beschäftigt: Erblichkeitsangaben für Intelligenz machen weder wissenschaftlich noch praktisch irgend einen Sinn.

Molekulargenetische Untersuchungen

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Molekulargenetische Untersuchungen Die Quantitative Genetik versucht die Erblichkeit von Merkmalen indirekt (über den Vergleich der Ähnlichkeit zwischen Verwandten verschiedenen Verwandtschaftsgrades) zu ermitteln und auch den optimistischsten Erforschern der Erblichkeit der Intelligenz war und ist bewusst, dass diese Art von Erblichkeitsbestimmung fehlerbehaftet sein muss. Es ist daher seit langem angekündigt worden, dass man das Problem der Erblichkeit der Intelligenz früher oder später auf direktem Wege, also über eine Inspektion der DNA, lösen werde, eine Lösung, die man dann als endgültig ansehen könnte, da man ja die unmittelbare materielle Grundlage der Erblichkeit der Intelligenz vor sich hätte. Durch die stürmische Entwicklung der Genetik in den letzten Jahrzehnten, insbesondere die Entwicklung immer schnellerer und preiswerterer Verfahren zum Lesen des genetischen Codes, ist die Hoffnung auf jene Lösung enorm gestärkt worden. Den ersten Versuch, die Erblichkeit der Intelligenz molekulargenetisch nachzuweisen unternahm Robert Plomin, der mit Zwillingsuntersuchungen eine hohe Erblichkeit der Intelligenz nachgewiesen zu haben glaubte (z. B. Plomin et al., 2012) und den molekulargenetischen Nachweis seit vielen Jahren vorhergesagt hatte. Dieser Nachweis wird über so genannte SNPs (single nucleotide polymorphisms) versucht. Nukleotide sind die Bestandteile der DNA und unterscheiden sich voneinander nur durch ihren Basenanteil (der Zucker- und Phosphatanteil ist für alle Nukleotide identisch), der in Form von vier Basen vorkommt, Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin, weshalb man von »Polymorphismen« spricht. Die Abfolge der Basen auf der DNA stellt den genetischen Code für die Herstellung von Proteinen dar. Proteine sind an der Ausprägung von körperlichen Merkmalen beteiligt, die ihrerseits psychische Merkmale beeinflussen können. Psychische Merkmale (wie z. B. die Intelligenz) sind Abstraktionen (sog. »Konstrukte«), die in der Psychologie über Verhalten definiert und gemessen werden. Insofern kann es natürlich keine Gene für psychische Merkmale geben, nur solche, die über die Produktion von Proteinen psychische Merkmale und Funktionen beeinflussen. Die Methode des molekulargenetischen Nachweises der Erblichkeit der Intelligenz besteht nun darin, einen statistischen Zusammenhang zwischen Basenabfolgen und der Leistung in einem Intelligenztest nachzuweisen. Aus der Stärke dieses Zusammenhanges kann der Anteil an der Varianz der Testintelligenz bestimmt werden, der durch Unterschiede in den Basenabfolgen bedingt ist. Plomins Untersuchung ergab einen Anteil von 0,004, also 0,4 % (Zimmer, 2008). Dieser Wert dürfte zwar eine deutliche Unterschätzung darstellen, da für Körpergröße, für die es recht valide quantitativ genetische Schätzungen gibt (nach Falconer eine Erblichkeit von 66 %, Falconer & Mackay, 1996, S. 173), mit

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Die Methoden der Bestimmung der Erblichkeit mentaler Eigenschaften

derselben Methode nur etwas mehr als 5 % der Varianz erklärt werden konnten. Dennoch müssten wir, läge die Unterschätzung im Falle der Intelligenz im selben Größenordnungsbereich wie bei der Körpergröße, mit einer Erblichkeit deutlich unter 10 % rechnen. Wie dem auch sei, die molekulargenetischen Erblichkeitsbestimmungen befinden sich sozusagen noch in der Erprobungsphase und wir müssen die weitere Entwicklung abwarten. So versucht eine noch nicht ausgewertete chinesische Untersuchung über einen genetischen Vergleich von Hochbegabten mit Normalen eine genetische Grundlage extrem hoher Intelligenz zu finden, während Plomin mit den Daten derselben Untersuchung versucht, Gene zu finden, die im Zusammenhang mit der Intelligenz im Allgemeinen stehen (Yong, 2013). Bisher haben allerdings alle Untersuchungen, die nach der oben zitierten durchgeführt wurden keinerlei valide Hinweise darauf erbracht, dass die Intelligenz in nennenswertem Umfang erblich ist. Plomin et al. (2012) geben Werte erklärter Varianz von allesamt unter 1 % an (S. 207, 208). Den Untersuchungen mit Hochbegabten werden dementsprechend geringe Erfolgschancen eingeräumt (Yong, 2013). Wie erwähnt erhoffen sich die Verhaltensgenetiker über die Molekulargenetik eine endgültige Antwort auf die Frage nach dem Ausmaß der Erblichkeit der Intelligenz. Es ist aber sehr wichtig, an dieser Stelle festzuhalten, dass für molekulargenetisch ermittelte Erblichkeitswerte dasselbe gilt, was oben über quantitativ genetische gesagt wurde: (1) ein Wert gilt nur für die Population, in der er ermittelt wurde und kann für andere Populationen aufgrund anderer umweltbedingter Varianzkomponenten ganz anders aussehen und (2) er sagt nichts darüber aus, inwieweit das Merkmal durch soziale Intervention veränderbar ist. Sollte tatsächlich gefunden werden, dass Unterschiede in der SNP Abfolge in bestimmten Bereichen der DNA mit Unterschieden in der Testintelligenz zusammenhängen, so bedeutet dies lediglich, dass Gene an der Ausprägung der Intelligenz in irgendeinem Maße beteiligt sind. Das Ausmaß der phänotypischen Variation, also die Unterschiede in der gemessenen Intelligenz, hängt aber selbstverständlich auch weiterhin von den Umweltunterschieden ab und dies, betrachtet man die großen existierenden Umweltunterschiede und gleichzeitig die hohe genetische Homogenität des homo sapiens, in größerem Umfang als von den genetischen Unterschieden. Ein molekulargenetischer Erblichkeitswert, sofern er dann auch repliziert wäre, würde nur zeigen, dass die Intelligenz prinzipiell auch einen genetischen Anteil hat. Insofern stellt sich die Frage, welchen Sinn molekulargenetische Erblichkeitsbestimmungen für psychische Eigenschaften eigentlich haben sollen. Sollten sie tatsächlich ein gewisses Maß an Erblichkeit einer solchen Eigenschaft erbringen, so wären wir auch nicht klüger als zuvor. Ein gewisses, wenn auch unbestimmbares, Maß von Erblichkeit der Intelligenz bestreitet ohnehin niemand, das Maß hat keinerlei Allgemeinverbindlichkeit, da es ganz vom Ausmaß der Umweltvariation ab-

Molekulargenetische Untersuchungen

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hängt und über die Änderbarkeit des Merkmals sagt es genauso wenig, wie ein quantitativ genetisch ermitteltes. Der von einigen Forschern zwar nicht ausgesprochene aber mitgedachte Sinn der molekulargenetischen Bestimmung der Erblichkeit der Intelligenz, langfristig durch gezielte Eingriffe in das Erbgut die Intelligenz zu steigern, ist wissenschaftlich-technologisch utopisch und ethisch fragwürdig.9 Unter diesen Umständen erscheint es angezeigt, endlich den Hirntod des Forschungsgebietes »Erblichkeit der Intelligenz« zu konstatieren und die lebenserhaltende Finanzierung einzustellen.

9 Ganz abgesehen davon ist aufgrund der offensichtlich dominierenden Rolle der Umwelt bei der Ausprägung der Intelligenz eine Intelligenzsteigerung durch soziale Intervention ohnehin effizienter.

Teil II: Die Erforschung der Erblichkeit der Intelligenz – ein dunkles Kapitel der Wissenschaftsgeschichte

Die Darstellung des geschichtlichen Hintergrundes dient hier nicht der akademischen Vollständigkeit, sondern ist notwendig, um die heutige Situation in dieser nicht enden wollenden Erblichkeitsdiskussion zu verstehen, in der die im ersten Teil des Buches dargestellten wissenschaftlich-methodischen Tatsachen weitestgehend ignoriert werden und der Eindruck vorherrscht, dass die Intelligenz in hohem Maße erblich ist und dass dies von hoher theoretischer und praktischer Bedeutung ist. Entscheidend dabei ist, dass dieser Eindruck nicht nur in einer breiten Öffentlichkeit herrscht, die von Wissenschaftsjournalisten falsch oder zumindest grob kolportierend (miss-) informiert worden ist, sondern auch unter vielen Wissenschaftlern, auf deren Aussagen sich Wissenschaftsjournalisten beziehen.10 Natürlich hat es in der Wissenschaft immer wieder falsche Vorannahmen oder gar Vorurteile gegeben, die das Bewusstsein über lange Zeit prägten. Seit Thomas Kuhns »The Structure of Scientific Revolutions« (1962) weiß jeder, der sich ein wenig mit Wissenschaftsgeschichte befasst hat, dass Wissenschaft ein sozialer und Bewusstseinsprozess ist, der sich oft nur sehr bedingt an rein wissenschaftlichen Prinzipien orientiert und in der Folge keineswegs zu kontinuierlichem wissenschaftlichen Fortschritt führt.11 Dennoch hat es eindeutige und große wissenschaftliche Fortschritte gegeben. Letztendlich haben sich, vor allem in den Naturwissenschaften, aber nicht nur dort, die wissenschaftlichen Prinzipien wie Empirie, Objektivität und Logik als wirkungsvolle Korrektive erwiesen, die schließlich den Fortschritt im Sinne einer Annäherung an die Wahrheit erzwangen. Das Kennzeichnende an dem (sich ganz naturwissenschaftlich präsentierenden) Bereich der Erforschung der Erblichkeit der Intelligenz ist, beginnend mit Galton und heute keineswegs beendet, die weitgehende Abwesenheit jener Korrektive. Das Thema ist so kon10 Die Verantwortung trifft natürlich die Wissenschaftler und nicht die Laien, wie z. B. Sarrazin (2010) oder Zimmer (2012), da jene es eben besser wissen müssten. 11 Insbesondere im Bereich der Medizin hat immer wieder eine »herrschende Lehrmeinung« den Fortschritt aufgehalten.

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Die Erforschung der Erblichkeit der Intelligenz

trovers wie eh und je, und wer irgend eine vorwissenschaftliche Meinung zum Thema hat, braucht nur ein wenig in der Literatur herumzusuchen und kann alsbald mit Zitaten seine Meinung als wissenschaftlich begründet präsentieren. Um zu verstehen, wie es zu dieser geradezu chaotischen wissenschaftlichen Situation kommen konnte (und dann vielleicht auch aus ihr herauszufinden) ist es für den, der beginnt, sich mit dem Thema zu beschäftigen, wichtig, möglichst früh zu erkennen, dass sich in diesem Forschungsbereich eigentümliche Kriterien dafür entwickelt haben, was als richtig anzusehen ist. In einer Wissenschaft, die die Bezeichnung verdient, erwarten wir nach Jahrzehnten intensiver Forschung Fortschritte im Sinne allgemein akzeptierter Ergebnisse. Wenn, wie im Falle der Erforschung der Erblichkeit der Intelligenz, nach mehr als 100 Jahren Forschung immer noch jeder zum Thema meinen kann was er will, so kann dies nur an jenen eigentümlichen Kriterien liegen, an einer wissenschaftlich inadäquaten Herangehensweise also. Um einen Begriff, und wenn man so will auch ein Gefühl, für die Herangehensweise und die sie determinierende Einstellung, den wissenschaftlichen mindset sozusagen, der für das Forschungsgebiet charakteristisch ist, zu bekommen lohnt die Betrachtung seiner Geschichte, also seiner Entstehung und seines Verlaufs, in der sich die Prinzipien des Herangehens, jene merkwürdigen Kriterien, entwickelt haben. Beginnen wir mit dem Anfang, dem Start, der gleich ein Fehlstart war, wobei die Metapher allerdings insofern unzutreffend ist, als im Sport ein Fehlstart als solcher erkannt und ein neuer, korrekter Start angeordnet wird, während der Start zur Erforschung der Erblichkeit der Intelligenz zu seiner Zeit und für einige Wissenschaftler bis heute, als glänzende Leistung angesehen wurde bzw. wird. Besonders interessant ist es zu betrachten, weshalb der Fehlstart nicht als solcher erkannt wurde.

Galton und der Regressionseffekt – ein folgenschweres Missverständnis Die Vorstellung, dass auch mentale Eigenschaften, ganz so wie körperliche, erblich sind ist nicht durch die Wissenschaft entwickelt worden, sondern wahrscheinlich so alt wie die Menschheit. Sprüche wie »Den Dickkopf hat er vom Großvater« oder »Ihre Tante ist ja auch so musikalisch« hat es immer schon gegeben. Die wissenschaftliche Behandlung des Themas begann mit der bereits vorhandenen festen Überzeugung, dass mentale Eigenschaften erblich sind und diese Überzeugung war so fest, geradezu unumstößlich, dass sie wissenschaftlich immer wieder bestätigt wurde, auch dann, wenn die Daten und Fakten überhaupt nichts über die Erblichkeit aussagten.

Galton und der Regressionseffekt – ein folgenschweres Missverständnis

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Die wissenschaftliche Behandlung des Themas im engeren Sinne, die Messmethoden für mentale Eigenschaften und statistische Verfahren voraussetzt, beginnt mit Francis Galton, einem Cousin Darwins. Aufgrund seiner vielfältigen Beiträge zur Wissenschaft, vor allem der Statistik und der Vererbungslehre, gilt Galton vielen als Gigant der Geistesgeschichte, kaum von geringerer Bedeutung als sein noch berühmterer Vetter. Verehrte Größen der Geistesgeschichte haben meist natürlich Großes geleistet, aber ihre Erhebung in den Olymp hatte nicht selten ihre Schattenseite, die darin bestand, dass Skeptiker sich oft nicht trauten, was bei Göttern ja auch verständlich ist, auf Fehler und Unstimmigkeiten in ihrem Denken hinzuweisen. Auf diese Weise hat z. B. Aristoteles durch seine Schriften die Entwicklung der Physik mehr behindert als gefördert. Betrachten wir Galton deshalb nicht als in der Höhe des Olymps schwebend sondern als einfachen Erdenbürger, der mit den Füßen den Boden berührte. Als solcher wurde er von seinem wohlhabenden Vater nach Cambridge geschickt um Medizin und, auf eigenen Wunsch, Mathematik zu studieren. In der Mathematik glänzte er allerdings nicht selber, sondern betrachtete ehrfürchtig die anderen, die sich hervortaten (Richards, 1987, S. 170). Es reichte schließlich zu einem Bachelor Abschluß (A.B., artium baccalaureus), wonach er Medizin weiterstudierte, das er aber aufgab, nachdem er schon im Bachelorexamen schlecht in Medizin abgeschnitten hatte. Richards (1987) kommentiert Galtons Leistungen auf der Universität im Hinblick auf seine spätere beinahe zwanghafte Beschäftigung mit Genialität als angeborener Eigenschaft so: »Für jemanden, dem es nicht gegeben war, sich auf der Universität auszuzeichnen, musste die Doktrin, dass Genie biologische Wurzeln hat und nicht durch harte Schuljungenarbeit erworben werden kann, etwas Ansprechendes haben.« (S. 171). Sein Interesse an der Mathematik blieb allerdings erhalten in Form von Interesse an der Statistik, was schließlich zu seiner allgemein als große wissenschaftliche Leistung anerkannten Entdeckung des Regressionseffektes führte, und dies bereits in Kombination mit seinem später dominierenden Interesse, der Erbforschung. Beim Vergleich der Körpergrößen von Eltern und ihren Kindern stellte er fest, dass die Größenwerte der Kinder tendenziell näher am Mittelwert der Kinder lagen als die Größenwerte ihrer Eltern am Mittelwert der Eltern (Galton, 1886). Er nannte diesen Effekt »regression (von lat. regredi, zurückgehen) towards mediocrity«, später »regression toward the mean«, in der Statistik schließlich einfach »regression« (Regression) genannt. Die Werte der Kinder liegen »tendenziell« näher am Mittelwert, d. h. sie können im Einzelfall auch weiter vom Mittelwert entfernt liegen. Diesen Regressionseffekt sah Galton nun, da er ihn im Zusammenhang mit seinen Erblichkeitsstudien entdeckt hatte (und vermutlich auch weil seine Aufmerksamkeit fast ausschließlich der Erblichkeitsfrage galt), als ein erbbiologisches Gesetz an, und genau darin besteht der oben erwähnte

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Die Erforschung der Erblichkeit der Intelligenz

Fehlstart der statistischen Erblichkeitsforschung.12 Galtons Annahme war deshalb so außerordentlich folgenreich (wie wir sehen werden bis heute), da es nun ein mathematisch formulierbares Gesetz zu geben schien (so ziemlich das Schönste, was in der Wissenschaft passieren kann), das die Erblichkeit quantitativer Merkmale beschrieb. Um Galtons Trugschluss zu erkennen muss man sich die wichtigsten Grundgedanken der (lange nach Galton entwickelten) Korrelations- und Regressionsstatistik vergegenwärtigen. Die Korrelations- und Regressionsstatistik handelt von Zusammenhängen zwischen Variablen, allerdings nicht von den »perfekten« Zusammenhängen, wie wir sie aus der Mathematik und weiten Bereichen der Physik kennen, die zumeist durch Gleichungen beschrieben werden und die es uns, wenn ein Wert auf einer Variablen vorgegeben ist erlauben, den entsprechenden Wert auf der anderen Variablen exakt zu bestimmen. In der Statistik wird häufig beim Schließen von einer auf die andere Variable der Begriff »vorhersagen« benutzt. Statistische Zusammenhänge sind tendenzielle Zusammenhänge, die keine exakten Vorhersagen erlauben. Abb.1 stellt einen solchen Zusammenhang dar, eine so genannte Korrelation, die statistisch exakt definiert ist und zwischen den Werten –1 und +1 schwanken kann, wobei negative Werte eine umgekehrt proportionale Beziehung bezeichnen. (Die in Abb. 1 dargestellte Beziehung stellt eine Korrelation der Größe 0,61 dar.) Ganz offenbar kann man unter solcherart Bedingungen nicht exakt von einer auf die andere Variable schließen. Um dennoch Schlüsse zu ziehen und dabei möglicht geringe Fehler zu begehen13 ist die Regressionsstatistik entwickelt worden. Der Schluss geschieht über sogenannte »Regressionsgeraden«, von denen es, wie wir in Abb. 1 sehen können, jeweils zwei gibt, eine zum Schließen von x auf y ðx ! yÞ, die andere zum Schließen von y auf x ðy ! xÞ. In Abb. 1 sind zwei »Schlüsse« eingezeichnet, einmal von x = 96 über die Gerade x ! y zu y = 127, und einmal von y = 104 über die Gerade y ! x zu x = 72. Es ist deutlich zu erkennen, dass in beiden Fällen der erschlossene Wert näher am Mittelwert liegt als der Wert, von dem geschlossen wurde. Dies stellt den Regressionseffekt dar. Das Beschriebene ist völlig analog zu dem, was Galton vorfand, als er die Köpergröße von Eltern und Kindern miteinander verglich. Bei dieser Gelegenheit entdeckte er den Regressionseffekt (und gab ihm auch den Namen).14 Dies 12 Der notwendige Neustart kam, allerdings erst Jahrzehnte später, in Form der Quantitativen Genetik. 13 »möglichst geringe Fehler« bedeutet, dass das mittlere Quadrat der Abweichungen zwischen vorhergesagten und tatsächlichen Werten minimal ist. 14 Die Körpergrößen der Kinder lagen tendenziell näher am Mittelwert der Kinder als die Werte ihrer Eltern am Mittelwert der Eltern und dieser Effekt war umso stärker, je weiter die Köpergrößen der Eltern vom Mittelwert der Eltern abwichen.

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Galton und der Regressionseffekt – ein folgenschweres Missverständnis y

140

y

135

x

130

x

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y

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My

115 110 105 100 95

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90 55

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90

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105

x

Abb. 1. Statistischer Zusammenhang zwischen zwei Variablen (x und y).

wird bis heute, und zu recht, als große wissenschaftliche Leistung angesehen. Galtons Trugschluß, bedingt dadurch, dass er den Regressionseffekt nur aus Erblichkeitsuntersuchungen kannte, bestand jedoch in der Annahme, dass es sich um ein erbbiologisches Gesetz handle. Er erkannte nicht die Allgemeinheit des Effektes (und konnte sie unter seinen Umständen wahrscheinlich auch nicht erkennen), die darin zu sehen ist, dass er grundsätzlich bei jedweden korrelativen (also nicht mathematisch funktionalen) Beziehungen auftritt, völlig unabhängig davon, ob sie biologischer Natur sind oder nicht. Galtons rein erbbiologische Orientierung, bei der er die Größe der Kinder aus der der Eltern voraussagen wollte, hinderte ihn wahrscheinlich auch am Erkennen der oben beschriebenen Tatsache, dass der Regressionseffekt in beiden Schließrichtungen gilt, also dass beim Schließen von den Werten der Eltern auf die der Kinder derselbe Effekt eintritt wie beim Schließen von den Werten der Kinder auf die der Eltern.15

15 Wir haben es hier mit einer nicht selten in der Statistik zu beobachtenden Scheinparadoxie zu tun. Ohne die logische Schließfähigkeit des Lesers in Frage stellen zu wollen möchte ich betonen, dass das Obige nicht bedeutet, dass die Werte der Kinder allgemein näher am Mittelwert liegen als die der Eltern und gleichzeitig die der Eltern allgemein näher am Mittelwert liegen als die der Kinder.

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Die Erforschung der Erblichkeit der Intelligenz

Die Verkennung des Regressionseffektes als biologisches Gesetz impliziert beinahe automatisch, dass nicht erkannt wird, dass der Eltern-Kind Regressionseffekt anlage- und umweltbedingt ist, da die Umwelt selbstverständlich die Eltern-Kind Korrelation und damit die Regression beeinflusst (je höher die Korrelation desto geringer der Regressionseffekt). Dass alles dies auch heute noch betont werden muss, wird unten am Beispiel des großen Psychologen und Erbforschers Hans Jürgen Eysenck deutlich, der mehr als 100 Jahre nach Galton und bis in sein letztes Buch den Eltern-Kind Regressioneffekt immer noch für ein biologisches Gesetz hielt. Psychologisch interessant (und relevant) wurde Galton natürlich durch seine Arbeiten und Ansichten über die Erblichkeit mentaler Eigenschaften, bei denen er, beinahe mehr noch als bei körperlichen Eigenschaften, eine hohe oder gar ausschließliche Dominanz der Vererbung annahm. In einem seiner bekanntesten Bücher, »Hereditary Genius« (1869), in dem er akribisch die Häufung »genialer« Richter, Staatsmänner, Schriftsteller, Wissenschaftler etc. in bestimmten Familien nachweist, ist der gemeinsame Familienhintergrund als Umweltfaktor kein Thema. Im Vorwort zur zweiten Auflage (1892) schreibt er explizit: »…Fähigkeit schließt nicht die Einflüsse der Erziehung aus, was Genius (Genialität) aber tut.« (S. VIII). Immerhin beweist das Zitat, dass Galton auch an Umwelteinflüsse bei mentalen Eigenschaften dachte, was man bei vielen seiner Ausführungen eher bezweifeln möchte.

Eugenik – von einer plausiblen Idee zur Paranoia Galtons wissenschaftlich weitestgehend unbegründete Annahmen über die Erblichkeit mentaler Eigenschaften hatten enorme soziale Konsequenzen, vor allem in Form von Gesetzgebungsverfahren. Bei der Betrachtung dieser Konsequenzen soll die Aufmerksamkeit im Folgenden weniger auf ihrer detaillierten Beschreibung liegen, als auf dem Ausmaß an wissenschaftlicher Ahnungslosigkeit, die diese Konsequenzen verursachte. Als Galton beim Anblick von Populationsstatistiken, die eine besonders zahlreiche Nachkommenschaft bei der englischen Unterklasse zeigten, die Verbindung zur Evolutionstheorie zog, kam ihm ein erschreckender Gedanke, den Darwin schließlich so formulierte: »So neigen die Rücksichtslosen, Erniedrigten und oft bösartigen Mitglieder der Gesellschaft dazu, sich schneller zu vermehren als die Vorausschauenden und allgemein tugendhaften Mitglieder« (Darwin, 2004/1879, S. 164). Dies, so nahm Darwin an, muß eine »downward tendency« hinsichtlich der moralischen Maßstäbe der Gesellschaft erzeugen. Während Darwin sich aber noch einige diesen Trend aufhaltenden Mechanismen vorstellen konnte, so z. B. dass die Zügellosen unter einer hohen Mortali-

Eugenik – von einer plausiblen Idee zur Paranoia

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tätsrate leiden, war Galton äußerst alarmiert, so sehr, dass er die »Eugenikbewegung« ins Leben rief, die darauf hinarbeiten sollte, Heirat und Familiengröße entsprechend der genetischen Ausstattung der Eltern zu regulieren.16 Im Hinblick auf die sehr bald beginnende Umsetzung sei betont, dass Galton nicht an irgendwelche Zwangsmaßnahmen zum Zwecke dieser Umsetzung dachte. Galton und Darwin waren sich der Gefährlichkeit des eugenischen Gedankens nicht bewusst. Insbesondere konnten sie sich wahrscheinlich nicht vorstellen, dass ein Staat, und nicht nur ein paar moralisch perverse Intellektuelle, den eugenischen Gedanken auf Behinderte anwenden und daraus ein Programm des Massenmordes machen würde, so wie es im nationalsozialistischen Deutschland schließlich geschah. Wie Darwins Zitat bereits andeutet, hatte die Eugenikbewegung vor allem mentale Eigenschaften im Auge. Es sollte schließlich wieder die Intelligenz sein, die die entscheidende Rolle spielte, als in hohem Maße erbliche Eigenschaft natürlich, da der eugenische Gedanke sonst ja keinen Sinn machen würde. Wenn auch nicht zu vergleichen mit den Verbrechen des III. Reiches hatte der eugenische Gedanke, der sich in vielen Ländern innerhalb weniger Jahre zu paranoiden Vorstellungen vom geistig-moralischen Niedergang der Nation auswuchs, sehr bald moralisch äußerst bedenkliche Konsequenzen. Dabei irritiert uns heute und lässt uns etwas ungläubig vor den Tatsachen stehen, dass diese Konsequenzen in demokratischen Ländern eintraten. Bereits 1907, nur wenige Jahre nachdem der eugenische Gedanke begonnen hatte sich zu verbreiten, verabschiedete der US Staat Indiana das erste Gesetz zur Zwangssterilisierung in der Geschichte. Wie Lombardo (2011) schreibt: »Über die Zeit folgten 30 Staaten und ein Dutzend fremde Länder dem Vorbild Indianas und erließen Sterilisationsgesetze; diese und andere Gesetze zur Einschränkung der Einwanderung und Regulierung von Heirat auf eugenischer Grundlage waren in den Vereinigten Staaten noch in den 1970er Jahren in Kraft.« (S. IX). In heutiger Sicht wird Zwangssterilisierung, selbst wenn sie wie im Falle des Sterilisierungsgesetzes Minnesotas aus dem Jahre 1925 die Zustimmung der Angehörigen verlangt, als abstoßend empfunden und als unakzeptabel angesehen. Hinter jenen Gesetzen aber steckten keine finsteren Machenschaften, unbemerkt von einer breiteren Öffentlichkeit. Vielmehr hat sich seither unser Wertsystem, insbesondere was Individualrechte betrifft, tiefgreifend verändert. Dies wird ganz deutlich in dem, was der auch heute noch hoch angesehene Richter des obersten Gerichtes zur Aufrechterhaltung der Verfassungsmäßigkeit der Zwangssterilisierung durch das Gericht im Jahre 1927 sagte: »Drei Gene16 Der Begriff Eugenik, von Galton 1883 geprägt, entstammt dem griechischen »gut- oder wohlgeboren«. Galton gilt als Begründer der Bewegung. Ihr einflussreichster Vertreter und Theoretiker war jedoch Charles Davenport (z. B. Davenport, 1911).

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rationen von Schwachsinnigen sind genug.« (Holmes, 1935). Heute würde ein solcher Spruch im gesamten politischen Spektrum (außer bei der extremen Rechten) als unerhört angesehen. Der Spruch weist auf die vorrangige Bedeutung der Intelligenz bei Zwangssterilisierungen hin. Das Gesetz Indianas betraf Verbrecher, Schwachsinnige (the feebleminded), Geisteskranke und Epileptiker. Das Gesetz Minnesotas von 1925 wurde vornehmlich auf weiße Frauen der Arbeiterklasse, die als schwachsinnig betrachtet wurden, angewendet (Ladd-Taylor, 2011, S. 118). Schwachsinn wurde zumeist mit einem Intelligenztest diagnostiziert. Wie LaddTaylor über einen Fall aus dem Jahre 1937 schreibt: »Nachdem IQ Tests beide Eltern als schwachsinnig befanden wurden sie staatlicher Vormundschaft unterstellt, an die staatliche Institution überwiesen und sterilisiert.« (S. 117). Wie stand es um die wissenschaftliche Grundlage derart folgenschwerer Entscheidungen? Harry Sharp, Hauptbetreiber von Indianas Zwangssterilisierungsgesetz von 1907, sagte viele Jahre später pauschal: »Über Wissenschaft wussten wir damals nicht genug.« (Carlson, 2011, S. 21). Zunächst einmal hätte klar sein müssen, ob Intelligenztests das angemessene Mittel zur Diagnose von Schwachsinn sind und vor allem, ob Schwachsinn überhaupt ein auch nur einigermaßen klar definierter Zustand ist. Bereits 1928 stellte Goddard, zuvor ein entschiedener Vertreter des Konzeptes Schwachsinn, seiner Diagnose durch Intelligenztests und seiner hohen Erblichkeit fest: »Es war eine zeitlang leichtsinnigerweise angenommen worden, dass jeder, der einen Testwert von 12 Jahren (für sein Intelligenzalter) erzielte, schwachsinnig war… Wir wissen jetzt natürlich, dass nur ein kleiner Prozentsatz der Leute, die einen Wert von 12 erzielen, tatsächlich schwachsinnig sind, d. h. unfähig sind, ihre Angelegenheiten mit hinreichender Klugheit zu regeln und im Lebenskampf zu bestehen.« (Goddard, 1928, S. 220). Außerdem hätte eindeutige Evidenz dafür existieren müssen, dass Intelligenz im Allgemeinen und Schwachsinn im Besonderen erblich sind. Bereits 1937 kamen Lewis Terman, zuvor fest glaubend an eine hohe Erblichkeit der Intelligenz, Zweifel: »Noch sollte es nötig sein, darauf hinzuweisen, dass solcherlei Daten (Unterschiede bezüglich Mittelwert und Varianz von IQ Werten zwischen Gruppen) für sich keinerlei schlüssige Evidenz hinsichtlich der relativen Beiträge genetischer und Umweltfaktoren bei der Ausprägung der beobachteten mittleren Unterschiede darstellen.« (Terman & Merrill, 1937). Interessant sind, nebenher bemerkt, die Formulierungen »Wir wissen jetzt natürlich« bei Goddard und »Noch sollte es nötig sein, darauf hinzuweisen« bei Terman. Beide hatten nicht lange zuvor fest das Gegenteil von dem behauptet, was Goddard jetzt als Selbstverständlichkeit darstellt und von dem Terman nun sagt, saß man eigentlich gar nicht darauf hinweisen müsse.

Immigration und die Intelligenz der Nation

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Goddard und Terman sind beide Beispiele für eine extreme Überschätzung der Bedeutung der Erblichkeit der Intelligenz sowie der Vorhersagekraft von Intelligenztestwerten. Schließlich waren sie aber Wissenschaftler genug, sich von den Daten zu einer Revision ihrer Einstellung führen zu lassen. Wir werden sehen, dass dies in dem hier behandelten Forschungszweig eher die Ausnahme als die Regel ist. Außerdem haben sie, was in diesem Forschungszweig ebenfalls keine Selbstverständlichkeit ist, nicht versucht, gezielt einen von den Daten abweichenden Eindruck über die Erblichkeit der Intelligenz zu erzeugen.

Immigration und die Intelligenz der Nation Wenn wir den Begriff der Eugenik ein wenig ausweiten, so können auch Einwanderungsgesetze als eugenische Maßnahmen angesehen werden, sofern sie das Ziel verfolgen, den genetischen Bestand der Nation zu schützen.17 Im Jahre 1924 veränderte der Amerikanische Kongress die Einwanderungsquoten zuungunsten der süd- und südosteuropäischen Länder und zugunsten der Nordeuropäischen auf der Basis von Intelligenztestdaten, die in einer großen Intelligenztestaktion an amerikanischen Rekruten des ersten Weltkrieges erhoben worden waren und die eine geringere Intelligenz der Einwanderer aus den südund südosteuropäischen Ländern zu belegen schienen (Laughlin, 1924).18 Die Psychologen, die über den offiziellen Eugenikexperten des zuständigen Kongessausschusses für die Änderung der Einwanderungsquoten plädierten, wussten in wissenschaftlicher Hinsicht genaus so wenig was sie taten, wie die Befürworter der Zwangssterilisierung. Nicht nur war die Erblichkeit der Intelligenz eine nicht validierte Vorannahme. Um die eugenische Auswirkung der Einwanderung auch nur einigermaßen abschätzen zu können, hätte man das Ausmaß der Erblichkeit kennen müssen. Zu jener Zeit waren die Methoden hierfür, die Quantitative Genetik, aber noch gar nicht entwickelt. Dies zeigt, wie leichtsinnig die Wissenschaftler an derart folgenreiche Dinge wie Einwanderungsbeschränkung herangingen. Leider müssen wir allerdings annehmen, betrachtet man die auch heute noch auch unter Wissenschaftlern weit verbreiteten nicht wissenschaftlich begründeten Vorstellungen über Erblichkeit und Änderbarkeit der Intelligenz, dass quantitativ genetisch erhobene Daten, hätte 17 Im Prinzip könnte das Ziel auch sein, den genetischen Bestand zu verbessern. Gesetze, die verabschiedet oder vorgeschlagen wurden hatten allerdings ausnahmslos den oben erwähnten Zweck. 18 Um die falsche Behauptung von Herrnstein und Murray (1994, siehe unten), Intelligenztestwerte hätten bei den Kongressanhörungen keine Rolle gespielt, zu widerlegen, präsentiert Hirsch (1997) die dem Kongressausschuss vorgelegten Intelligenztestdaten in Faksimile.

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es sie gegeben, damals als Argument für die Beschränkung der Einwanderung aus Süd- und Südosteuropa benutzt worden wären. Dass das so ist kann man daran erkennen, dass 70 Jahre nach jenem Einwanderungsgesetz Psychologen immer noch für Einwanderungsbeschränkungen aus eugenischen Gründen plädierten, wie z. B. Herrnstein & Murray (1994).19 Herrnstein und Murrays Buch hat eine umfangreiche (und durchaus notwendige) Debatte über Fremdenfeindlichkeit und Rassismus ausgelöst (siehe z. B. Fraser, 1995). Allerdings fällt auf, wie wenig in der ganzen Debatte überhaupt über Wissenschaft gesprochen wird und wir nirgendwo den wissenschaftlich durchaus erbringbaren Beweis finden, dass Einwanderungsbeschränkung aus eugenischen Gründen keinerlei Sinn macht, weil (1) die Erblichkeit mentaler Eigenschaften in höchstem Maße populationsspezifisch ist (siehe oben), (2) die Erblichkeit einer Eigenschaft nichts darüber aussagt, inwieweit Unterschiede zwischen Populationen eine erbliche Grundlage haben (siehe unten) und (3) die Erblichkeit eines mentalen Merkmals nichts über seine Änderbarkeit aussagt (siehe oben). Eine wissenschaftliche Klärung dieser Frage ist eigentlich seit Jahrzehnten überfällig. Sie hätte auch die in Deutschland geführte Debatte über Sarrazins Vorschlag, die Einwanderung aus der Türkei einzuschränken (Sarrazin, 2010), deutlich versachlichen und verkürzen können. Dass diese wissenschaftliche Klärung nicht stattgefunden hat liegt dabei nur zum geringsten Teil daran, dass die Materie so schwierig ist. Es liegt daran, dass eine gezielte wissenschaftliche Diskussion darüber, was quantitativ genetische Daten bei mentalen Eigenschaften aussagen können, und vor allem, was sie nicht aussagen können, überhaupt nicht geführt worden ist, obwohl alle zugunsten einer hohen Erblichkeit der Intelligenz ins Feld geführten Daten aus quantitativ genetischen Untersuchungen stammen. Insbesondere hätte die für Sinn und Brauchbarkeit von Erblichkeitskoeffizienten entscheidende Beziehung zwischen Erblichkeit und Änderbarkeit im Detail anhand der Aufteilung der phänotypischen Variation und der Definition des Erblichkeitskoeffizienten abschließend geklärt werden müssen. Stattdessen wird die Varianzaufteilung in der ganzen Diskussion, wenn sie überhaupt thematisiert wird, lediglich angeführt um den Erblichkeitskoeffizienten zu erläutern. Varianzaufteilung und Erblichkeitskoeffizient sind mathematisch recht einfach und entsprechend einfach zu verstehen, ihre inhaltlichen Implikationen sind es aber nicht. Werden diese Implikationen, die zwangsläufig zu der oben bereits ausgedrückten Erkenntnis führen, dass Erblichkeitskoeffizienten für mentale Eigenschaften wissenschaftlich und praktisch keinerlei Sinn machen, nicht thematisiert, so bleibt der Leser mit publizierten Erblichkeitskoeffizienten über fast den gesamten Bereich des Möglichen konfrontiert und kann über die Erblichkeit der Intelligenz und ihre Bedeutung für die Immigration aus der Türkei 19 Murray ist Politikwissenschaftler.

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denken was er will. Intuitiv wird er allerdings meist denken, dass die Intelligenz in hohem Maße erblich ist und die Türken, denen die Psychologie ja wie es scheint eine mindere Intelligenz nachgewiesen hat, in der Türkei bleiben sollen.

11+ – Eine Tragödie, die unbemerkt blieb 11+ (eleven plus) war ein Intelligenztest, den in England und Wales zwischen 1944 und der Mitte der 1960er Jahre jedes 11- jährige Kind absolvieren musste. Das Ergebnis entschied darüber, ob die Kinder auf eine sogenannte »grammar school« gehen durften, die auf die Universität vorbereitete. Die Möglichkeit von den anderen öffentlichen Schulen, den »secondary modern«, auf die Universität zu kommen war sehr gering. Etwa 20 % der Kinder kamen auf eine grammar school. Die wissenschaftliche Begründung für dieses Auslesesystem hatte der Psychologe Cyril Burt geliefert. Sie basierte entscheidend auf einer hohen Erblichkeit der Intelligenz. Burt glaubte zwei Gründe für seine Annahme einer hohen Erblichkeit der Intelligenz zu haben, den so genannten g-Faktor und Ergebnisse von Zwillingsuntersuchungen. Der g-Faktor (g für general intelligence) ist eine Erfindung des britischen Psychologen Charles Spearman, die eine bei verschiedenen Menschen verschieden ausgeprägte allgemeine Fähigkeit bezeichnet, mentale Probleme der verschiedensten Art zu lösen. Nach Spearman ist die Intelligenz am besten durch diesen allgemeinen Faktor beschreibbar, während andere Forscher es für sinnvoller halten, die Intelligenz in Form einer Reihe spezifischer Faktoren, wie z. B. verbale Intelligenz oder mathematische Intelligenz, zu beschreiben. Spearman entwickelte auch die mathematische Methode der Eruierung solcher Faktoren (des g-Faktors oder spezifischer Faktoren), die »Faktorenanalyse«. Da nach gut 100 Jahren Anwendung der Methode keine Einigung über die Intelligenzstruktur besteht (weder darüber, wie die Bedeutung von g einzuschätzen ist, noch wie viele spezifische Faktoren zur Beschreibung der Intelligenz angenommen werden sollen), können wir davon ausgehen, dass es keine verbindliche Beschreibung der Intelligenzstruktur gibt (und geben wird), d. h. dass es keine Kriterien dafür geben kann, welche Beschreibung der Intelligenzstruktur man für sinnvoller als eine andere hält.20 Letztendlich krankt die ganze Debatte daran, dass es eine verbindliche Definition der Intelligenz nicht geben kann. Ob man z. B. sportliche oder musikalische Leistungen als Intelligenzfaktoren ansehen soll, so wie es Howard Gardner (z. B. 1983) vorgeschlagen 20 Ein Anwender (z. B. ein Berufsberater) muss ohnehin von Fall zu Fall entscheiden, welcher Aspekt der Intelligenz, eine mehr allgemeine oder eher eine mehr spezifische Fähigkeit, für eine bestimmte Vorhersage relevant ist.

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hat, kann man letztendlich halten, wie man will. Jeder kann sich, je nach Interesse aus der unendlichen Vielfalt von möglichen mentalen Leistungen solche heraussuchen, die er sozusagen für »intelligenzfähig« hält. All dies macht deutlich, dass die Intelligenzfaktoren keine vom menschlichen Geist unabhängigen Realitäten besitzen wie Zellen oder Planeten, sondern Produkte des menschlichen Geistes, sogenannte »Konstrukte« oder »hypothetische Konstrukte« sind. Welche Rolle man dem g-Faktor bezüglich der Intelligenzstruktur aber auch zuschreibt, es stellt sich in jedem Falle die Frage, ob dieser Faktor, der sich daraus ergibt, dass die verschiedensten mentalen Aufgaben miteinander, wenn auch z. T. nur in geringem Maße, korrelieren (wer bei der einen gut abschneidet neigt dazu, es auch bei der anderen zu tun), irgend etwas über die Erblichkeit der Intelligenz aussagt, so wie Burt und in der Folge viele Intelligenzforscher angenommen haben. Empirische Daten über biologische oder soziale Gründe dafür, dass fast alle mentalen Aufgaben (mehr oder weniger) miteinander korrelieren, haben wir nicht und können deshalb nur über jene Gründe spekulieren. Was biologische Gründe anlangt könnte man z. B. spekulieren, dass es erblich bedingte Unterschiede in den Membraneigenschaften von Neuronen gibt, die bewirken, dass neurale Prozesse verschieden schnell ablaufen, was zur Folge hat, dass mentale Prozesse verschieden schnell ablaufen, was sich wiederum auf die allgemeine Fähigkeit auswirken könnte, mentale Probleme zu lösen. Genauso gut kann man sich allerdings auch vorstellen, dass verschiedene soziale Erfahrungen (z. B. in der Familie oder der Schule) bewirken, dass Menschen sich in der Motivation unterscheiden, mentale Probleme zu lösen oder ganz allgemein mentale Leistungen zu erbringen, unabhängig von der Art der mentalen Probleme oder Leistungen. Ganz offenbar ist z. B. in Familien die Betonung, die ganz allgemein auf mentale Leistungen, unabhängig von ihrer Art, gelegt wird, verschieden. In der Folge müsste es dazu kommen, dass eine Korrelation zwischen den verschiedensten mentalen Testaufgaben besteht, dass also wer bei einer Aufgabe gut abschneidet, dies tendenziell auch bei irgendwelchen anderen tut. Die Beispiele mögen zeigen, dass der g-Faktor nicht a-priori ein Indiz für die Erblichkeit der Intelligenz sein kann, da er genauso gut wie durch biologische auch durch soziale Einflüsse bedingt sein kann.21 Der zweite Grund für Burts festen Glauben an eine hohe Erblichkeit der Intelligenz sind die Ergebnisse seiner Zwillingsuntersuchungen. Als der Britische König im Jahre 1946 den Psychologen Cyril Burt wegen seiner großen wissenschaftlichen Leistungen in den Adelsstand erhob, konnte er nicht ahnen, was der Psychologe Leon Kamin 25 Jahre später herausfand: Ein 21 Zur Psychologie des verbreiteten Trugschlusses unten einiges mehr im Zusammenhang mit Jensens Vorstellung, der g-Faktor sei entdeckt worden.

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großer Teil der Daten von Burts Zwillingsuntersuchungen war gefälscht (Kamin, 1974).22 Es ist argumentiert worden (z. B. Jensen, 1995), es sei eigentlich gleichgültig, ob man Burts Daten beachte oder nicht, schließlich hätten spätere Untersuchungen seine (vorgeblichen) Ergebnisse bestätigt. Dies ist nicht ganz falsch, aber insofern nicht richtig, als Burts Daten eine besonders hohe Erblichkeit beinhalteten, was bei später erhobenen keineswegs durchweg der Fall ist (s. S. (13)). Außerdem kommt ihnen, was ihren wissenschaftlichen Einfluß betrifft, aufgrund der Prominenz ihres Autors und der ungewöhnlich großen (angeblichen) Stichproben eine besondere Bedeutung bei dem sehr umstrittenen Thema zu. Die Annahme einer hohen Erblichkeit der Intelligenz ist durch Burts dubiose Daten in hohem Maße verstärkt worden. Nach dem, was im ersten Teil dieses Buches über Erblichkeitskoeffizienten für Intelligenz gesagt worden ist (dass sie beinahe jeden Wert annehmen können und praktisch nichts über die Beeinflussbarkeit der Intelligenz aussagen), ist es nun allerdings, rein wissenschaftlich, in der Tat ziemlich gleichgültig, ob man Burts Daten beachtet oder nicht. Das heißt aber noch lange nicht, dass es gleichgültig ist, ob man die Burt-Affäre beachtet oder nicht. Die Affäre ist höchst aufschlussreich was den Umgang mit Daten und Fakten in der scientific community, soweit sie sich mit der Erblichkeit der Intelligenz befasst, betrifft. Jensen (1995) findet, dass Burt manchmal »nachlässig und exzentrisch« bei der Präsentation seiner Ergebnisse ist (S. 11) und selbst Mackintosh, der eigentlich eine sehr kritische Haltung gegenüber Burts Fälschungen hat (Burt »ist bestenfalls schuldig, seine Leser vorsätzlich irrezuführen« (Mackintosh, 1995 b)), findet, dass Burt eine »unbekümmerte« (cavalier) Einstellung beim Darstellen empirischer Daten hat (Mackintosh, 1995 c, S. 148). Nach Lesen von Brands Rezension von Mackintoshs Buch (Brand, 1995) hat man gar den Eindruck, die ganze Sache sei eine reine Lappalie gewesen, schließlich, so meint Brand, hätten Kepler, Newton und Freud ebenfalls eine Neigung zur Datenmanipulation gehabt. Was diese Art der Aufarbeitung betrifft fragte der Psychologe Samelson besorgt »Was haben wir gelernt…über unser Fach, unsere wissenschaftlichen Standards, die Anwendung unserer ethischen Maßstäbe, aus dem Umgang mit dieser peinlichen Affäre?« (Samelson, 1996, S. 1178) und beantwortet sie in einem späteren Artikel über die Affäre implizit mit einem kaum verhohlenen »gar nichts!« (Samelson, 1997). Was die wissenschaftliche Grundlage des oben erwähnten 11+ Tests betrifft, so spielte die Annahme der hohen Erblichkeit der Intelligenz eine große, wenn nicht gar die entscheidende, Rolle. Mitgedacht war dabei, geradezu als sei es eine logische Folge, die weitgehende Unveränderbarkeit der Intelligenz. Nur so 22 Eine ausführliche Darstellung und Kommentierung des Falles findet sich bei Mackintosh (1995a).

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konnte man annehmen, dass ein im Alter von 11 Jahren erhobener Intelligenztest eine gute Prognose über viel später (z. B. auf der Universität) zu erbringende Leistungen erlaubt. Burt sah den positiven Effekt einer pauschalen Testung aller Schüler an öffentlichen Schulen im Alter von 11 Jahren darin, dass, so wie er meinte, man damit den nicht ausreichend Qualifizierten das Scheitern auf höheren Bildungseinrichtungen ersparen könne. Bevor wir uns den Folgen der 20 Jahre lang gültigen 11+ Gesetzgebung zuwenden, halten wir noch einmal fest, was von der wissenschaftlichen Grundlage im Falle Burts zu halten ist: (1) der g-Faktor sagt nichts über die Erblichkeit der Intelligenz, (2) die Daten der Zwillingsuntersuchungen waren weitgehend gefälscht und (3) die Erblichkeit der Intelligenz sagt ohnehin nichts über ihre Änderbarkeit aus. Auf dieser »wissenschaftlichen« Basis wurde über das Schicksal von Millionen von Kindern entschieden.

Anteil Hochschulabsolventen

Studienleistu ng

Anteil zu Unrecht abgelehnter Schüler

KA

Anteil Studienabbrecher und Durchgefallene

Testleistung

Kz

Abb. 2. Beziehung zwischen Testintelligenz und Studienleistung, sowie die Folgen von 11+

Eine einfache Grafik (Abb. 2) mag uns die Größenordnung der Tragödie, die als solche von der Gesellschaft überhaupt nicht wahrgenommen wurde, veranschaulichen. Auf der Horizontalen ist die 11+ Leistung abgetragen, auf der

11+ – Eine Tragödie, die unbemerkt blieb

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Senkrechten die Studienleistung. Innerhalb der Ellipse liegen die meisten Schüler, jeder mit einem Testleistungs- und einem Studienleistungswert.23 Messwertpaare für einzelne Schüler sind nicht eingetragen. Die Verteilung der Messwertpaare, repräsentiert durch die Form der Ellipse, entspricht einer typischen Korrelation zwischen Intelligenztestwert und Schulerfolg oder Erfolg auf der Universität (siehe unten). Es sei darauf hingewiesen, dass die Dichte der Werte in der Mitte der Ellipse am größten ist und von dort in alle Richtungen abnimmt. KZ auf der Testintelligenzachse kennzeichnet den kritischen Wert, der für die Zulassung zu einer grammar school notwendig war. KA auf der Studienleistungsachse kennzeichnet den kritischen Wert, der erreicht werden muss, um einen Studienabschluss zu bekommen. KZ ist so gelegt, dass etwa 20 % der Schüler ihn erreichen oder überschreiten, so wie dies seinerzeit in England und Wales der Fall war. KA ist so gelegt, dass der Anteil der Studienabbrecher oder bei Examina endgültig Durchgefallenen relativ klein ist (horizontal schraffierte Fläche), wie dies an Universitäten in England und Wales aufgrund gut strukturierter Studiengänge und guter Betreuung der Studenten der Fall ist. Entscheidend ist nun die senkrecht schraffierte Fläche, die den Anteil der Schüler wiedergibt, denen de facto der Zugang zur Universität verwehrt wurde, obwohl sie dort durchaus hätten erfolgreich sein können. Die Grafik dient lediglich der Größenordnungsabschätzung. Die Form der Ellipse und die Lage von KZ und KA könnten auch etwas anders sein, aber in jedem Falle ist der Anteil der zu Unrecht abgelehnten erheblich, über die Bevölkerungszahl von England und Wales und einen Zeitraum von 20 Jahren gesehen handelt es sich in jedem Fall um Millionen von Einzelschicksalen. Die ausschlaggebende Ursache für die enorme Größenordnung der Tragödie (man könnte genauso gut von Katastrophe sprechen), ist die geringe Korrelation zwischen Testintelligenz und Studienerfolg. Interessanterweise wird die Korrelation in der Psychologie aber gar nicht als gering angesehen. Die von der Amerikanischen Psychologischen Gesellschaft eingesetzte task force zur Dokumentation des wissenschaftlichen Standes der Intelligenzforschung gibt eine Korrelation von etwa 0,5 für die Beziehung zwischen Testintelligenz und Schulerfolg an (die Korrelation zwischen Testintelligenz und Studienerfolg an der Universität dürfte eher geringer sein) und schreibt, dass die Testintelligenz Schulerfolg »ziemlich gut« (fairly well) vorhersagt (Neisser et al. 1996). Immerhin weist die task force darauf hin, dass bei einer Korrelation von 0,5 nur 25 % der Varianz der Schulleistungen durch Intelligenzunterschiede bedingt sind, d. h. wären alle Kinder gleich intelligent, so wären 75 % der Unterschiede im Schulerfolg immer noch vorhanden. Dies steht eigentlich im krassen Wi23 Für die nicht zum Studium zugelassenen Schüler sind die Studienleistungswerte die, die sie erzielt hätten, wären sie zugelassen worden.

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derspruch zu der Aussage, die Testintelligenz sage den Schulerfolg »ziemlich gut« voraus. Vernünftigerweise sollte man bei einem derart schwachen Zusammenhang überhaupt nicht von »Vorhersage« sprechen. Offenbar hat die Psychologie hier ihre eigenen Sprachgewohnheiten entwickelt, so dass gar eine Variable, die weniger als 1 % der Varianz einer anderen erklärt, als »Prädiktor« bezeichnet wird, wie dies z. B. bei dem mit großem Aufwand entwickelten psychologischen »Prädiktor« für Koronarerkrankungen, dem so genannten »Typ A – Verhaltensmuster«, der Fall ist. (Booth-Kewley & Friedman, 1987). Beschämend für die Wissenschaftler war schließlich, dass nicht sie, sondern Politiker erkannten, dass die Vorhersagekraft des 11+ Tests maßlos übertrieben worden war und in keiner Weise die gravierenden Konsequenzen rechtfertigte, die aus seiner gesetzmäßig vorgeschriebenen Anwendung folgten. Ein Zitat verrät die Einstellung des Ministers für Bildung und Wissenschaft, Anthony Crosland zum 11+ System: »…I’m going to destroy every fucking grammar school in England.« (Murdoch, 2007, S. 155). Dementsprechend wurde das 11+ System Mitte der 1960er Jahre im größten Teil des Vereinigten Königreiches abgeschafft.

Wissenschaftlicher Rassismus24 Die Geschichte des wissenschaftlichen Rassismus ist eng mit der Annahme der Erblichkeit der Intelligenz verbunden. Von Darwins »intellectual and moral faculties« waren es vor allem die intellektuellen Fähigkeiten, die angeblich bei den »savages«, zumeist Schwarzen, in geringerem Maße ausgeprägt waren (z. B. Darwin, 2004/1879, S. 45), ein Vorurteil, das bis in die heutige Zeit verbreitet ist. Nachdem man glaubte, geistige Leistungsfähigkeit messen zu können, zunächst über den Schädelinhalt, später über Intelligenztests, konzentrierte sich die wissenschaftliche Beschäftigung mit Rassenunterschieden fast ausschließlich auf diesen Aspekt. Die entscheidende Rolle spielte dabei der verbreitete Trugschluß »Die Intelligenz ist erblich – zwischen Rassen gibt es offensichtliche genetische Unterschiede – also muß ein Testintelligenzunterschied zwischen Rassen genetische Gründe haben«. Dies ist der Kern der rassistischen Ideologie: Zwischen Rassen gibt es genetisch bedingte Unterschiede hinsichtlich der Intelligenz, und damit eng zusammenhängend, hinsichtlich der moralischen Qualitäten. Betrachtet man die schiere Menge der wissenschaftlichen Literatur 24 Der Begriff ist eigentlich ein Widerspruch in sich, da Rassismus, eine Ideologie, nicht wissenschaftlich sein kann. Man sollte also eher von »Rassismus in der Wissenschaft« sprechen. Allerdings hat sich der Begriff eingebürgert. Tuckers (2002) Buch zum Thema z. B. heißt »The Funding of Scientific Racism«.

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zum Thema Rassenunterschiede, so muß man zu dem Schluß kommen, dass es sich dabei längst nicht mehr um ein Vorurteil handelt, sondern um eine wissenschaftlich belegte Tatsache. Wer sich etwas näher mit dem Thema beschäftigt merkt aber bald, dass es eine relativ kleine, allerdings höchst aktive Gruppe von Psychologen ist, die das Thema bearbeitet und regelmäßig zu dem Schluß kommt »Die Schwarzen sind die Dümmsten« (siehe unten). Zu Zeiten Darwins galt es nicht als Vorurteil die »savages« (gemeint waren zumeist die Schwarzen) für dümmer zu halten und selbst Darwin, von Berufs wegen eigentlich ein sehr genauer Beobachter von Unterschieden und Ähnlichkeiten zwischen Lebewesen, glaubte sie im Vergleich zu den Europäern auf einer früheren Stufe der evolutionären Entwicklung zu sehen. Allerdings war diese viktorianische Sichtweise keineswegs zwangsläufig. Alfred Russel Wallace, der die Evolutionstheorie unabhängig von Darwin entwickelt hatte, sah keinen großen Unterschied zwischen den »savages« und den Europäern hinsichtlich der intellektuellen und moralischen Fähigkeiten (Wallace, 1869). Der Grund ist wahrscheinlich ein ganz einfacher : er hatte, anders als Darwin, viele Jahre mit jenen »savages«gelebt. Spätestens seit der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung im vorigen Jahrhundert25 können sich Wissenschaftler allerdings nicht mehr offen rassistisch äußern. Rassenunterschiede müssen seither wissenschaftlich begründet werden nach dem (durchaus korrekten) Motto »in der Wissenschaft gilt was richtig, nicht was politisch korrekt ist.« Den Schwerpunkt der Untersuchungen über Rassenunterschiede bezüglich psychischer Merkmale bilden die Untersuchungen zu Intelligenzunterschieden. Herausragende Figuren in dieser wie zu erwarten äußerst kontroversen Diskussion sind der kanadische Psychologe Philippe Rushton, der amerikanische Psychologe Arthur Jensen und der britische Psychologe Hans Jürgen Eysenck. Wissenschaftler, die Rassenunterschiede erforschen, Rassisten zu nennen, wie dies vielfältig geschehen ist, macht wenig Sinn, da man nicht wissen kann, ob ein Wissenschaftler die Wissenschaft missbraucht, um ein rassistisches Vorurteil zu verbreiten, oder ob er tatsächlich an seine wissenschaftlichen Ergebnisse glaubt. Eine Ausnahme dürfte allerdings Rushton sein. Er war viele Jahre Präsident des »Pioneer Fund«, der nachgewiesenermaßen immer wieder rassistische Projekte finanziert hat (Tucker, 2002). Seinen Umgang mit Empirie kennzeichnet z. B., dass er als Quelle von ihm publizierter Daten »the ethnographic 25 Zwei entscheidende Jahreszahlen sind 1955 (Rosa Parks weigert sich, ihren Platz im Bus für einen Weißen freizumachen, wie das Gesetz es befiehlt) und 1957 (Präsident Eisenhower schickt die Nationalgarde nach Little Rock, Arkansas, um neun schwarze Schüler in eine bis dahin nur von Weißen besuchte Schule zu eskortieren. Damit die Rassisten auch wirklich verstanden, dass die Zeiten sich geändert hatten, schickte er die berühmteste Einheit des zweiten Weltkrieges, die 101st Airborne Division, gleich mit).

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record« angibt, wobei es sich um die 1898 (eine Zeit, da wissenschaftlicher Rassismus verbreitet war) publizierten Daten eines französischen Chirurgen handelt, dessen Namen er nicht angibt (Rushton, 1988, S. 1015). Seine »Theorie« der Rassenunterschiede ist evolutionspsychologischer Art, beansprucht also eine evolutionstheoretische Grundlage. Danach verfolgen die Schwarzen eine »Reproduktionsstrategie«, die dadurch gekennzeichnet ist, dass sie viele Nachkommen in die Welt setzen, um die sie sich dann wenig kümmern. Dazu bedarf es hoher Fruchtbarkeit, allerdings nur geringer Intelligenz, weshalb die Schwarzen große Genitalien und kleine Gehirne haben. Ulric Neisser kommentiert die Theorie, indem er sagt, dass sie ihm den Magen umdreht (Neisser, 2004, S. 6).26 Arthur Jensen wurde durch einen 124 Seiten langen Artikel im Harvard Educational Review (Jensen, 1969) bekannt, der eine bis heute anhaltenden Kontroverse über Rassenunterschiede und die Erblichkeit der Intelligenz startete. Die Kontroverse ist weitestgehend ideologischer Natur (auf beiden Seiten) und handelt nur selten von Wissenschaft. Jensens Artikel selbst kennzeichnet ganz besonders gut das wissenschaftliche Niveau der Debatte, wobei es bei dieser Debatte nicht auf die Daten sondern deren wissenschaftliche Interpretation ankommt. Die entscheidenden Daten in Jensens Artikel zeigen (1) eine hohe Erblichkeit der Intelligenz, (2) einen erheblichen Unterschied zwischen Schwarzen und Weißen hinsichtlich der Testintelligenz, und (3) die relative Erfolglosigkeit von Förderungsprogrammen für benachteiligte Minoritäten, die vor allem aus Schwarzen bestehen. Jensens Interpretationen der Daten waren allesamt falsch. Er hielt die Erblichkeit der Intelligenz, wie sie sich aus Zwillingsstudien ergeben zu haben schien (siehe oben) für eine biologische Konstante und sah nicht ihre umweltbedingte Populationsspezifität (siehe oben), er hielt, wegen der Erblichkeit der Intelligenz, den Unterschied zwischen Schwarzen und Weißen für genetisch bedingt, und er nahm an, dass die relative Erfolglosigkeit der Förderprogramme durch die hohe Erblichkeit der Intelligenz bedingt war.27 Dass die Erblichkeit der Intelligenz keine biologische Konstante ist und dass sie nichts mit Änderbarkeit zu tun hat, geht aus dem in Teil I dieses Buches Gesagten hervor. Dass die Erblichkeit einer Eigenschaft nichts über die genetische Grundlage von Unterschieden zwischen Gruppen hinsichtlich dieser Eigenschaft aussagt, folgt eigentlich aus einfacher Logik, denn schließlich kann es, bei gleicher Erblichkeit innerhalb der Gruppen, die verschiedensten Um26 Eine ausführliche Kritik der Theorie findet sich bei Zuckerman & Brody (1988). Leider sind darwinisierende Spekulationen in der Evolutionspsychologie derart üblich geworden, dass ernsthafte Wissenschaftler Zeit und Mühe darauf verwenden müssen, auf sie einzugehen, wie unsinnig sie auch sein mögen. 27 Die Programme waren, wie die oben erwähnte task force feststellte, teilweise durchaus erfolgreich (Neisser et al., 1996).

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weltunterschiede zwischen Gruppen geben, die Unterschiede zwischen diesen Gruppen hinsichtlich des Merkmals bedingen. Im Extremfall kann bei 100 % Erblichkeit eines Merkmals ein Gruppenunterschied zu 100 % umweltbedingt sein. Ein einfaches Beispiel aus dem Bereich des Pflanzenwachstums mag dies verdeutlichen. Stellen wir uns vor, dass aus einer Menge Saatgut zwei Zufallsstichproben entnommen werden. Die eine wird auf Boden mit einer guten Wachstumslösung ausgesät, die andere auf Boden mit derselben Lösung, bei der jedoch der Stickstoffanteil fehlt. In diesem Falle sind die Unterschiede im Größenwachstum innerhalb der Stichproben alleine genetisch bedingt (100 % Erblichkeit, da alle Pflanzen unter identischen Umständen wachsen), während der Unterschied zwischen den Stichproben (die Pflanzen der letzteren sind kleiner) alleine umweltbedingt ist (Lewontin, 1995). Eigentlich ist es trivial, darauf hinzuweisen, dass es bei Zahlen in einer empirischen Wissenschaft darauf ankommt, wofür sie stehen. Geht es um die Erblichkeit der Intelligenz, so ist dieser Hinweis allerdings alles andere als trivial. Erblichkeitskoeffizienten sind keine biologischen Konstanten und sagen nichts über Änderbarkeit aus, Intelligenzunterschiede zwischen Rassen müssen keine genetische Grundlage haben, nur weil es zwischen Rassen andere (offensichtliche) genetisch bedingte Unterschiede gibt. Ein besonders anschauliches Beispiel liefert Jensen mit seiner »ökologischen« Korrelation zwischen Schädelinhalt (entspricht der Hirngröße) und IQ (Jensen, 1998, S. 442). Er und die kleine Gruppe von Wissenschaftlern, die seit Jahrzehnten die intellektuelle Minderwertigkeit der Schwarzen behaupten, glauben Unterschiede im Schädelinhalt zwischen Rassen ausgemacht zu haben. Um daraus schließen zu können, dass die geringere Testintelligenz der Schwarzen genetisch bedingt ist, muß eine Korrelation zwischen Schädelinhalt und Testintelligenz bestehen. Hier gibt Jensen zunächst (S. 147) eine Korrelation von r = 0,4 an28. Später (S. 442) finden wir dann eine Korrelation von sage und schreibe r = 0,998, eben jene »ökologische« Korrelation. Hierzu hatte er die Mittelwerte für den Schädelinhalt und die Medianwerte für die Intelligenz der drei Populationen »Mongoloids« (Asiaten), »Caucasoids« (Weiße) und »Negroids« (Schwarze) korreliert (Abb. 3). Die Validität der Daten wiederum dahingestellt müssen bei diesem Vorgehen die drei Messwertpaare auch nur einigermaßen auf einer Geraden liegen und es ergibt sich eine Korrelation nahe 1,0, da die individuellen Unterschiede durch 28 Derselbe Wert wird von Rushton angegeben. Andere Wissenschaftler, wie z. B. die Paläoanthropologin Shipman (1994, S. 198) sehen keinen Zusammenhang. Überdies ist eindeutig nachgewiesen, dass die Hirngröße unter anderem von der mentalen Belastung abhängt (z. B. Myers, 2004, S. 430; Barnett & Williams, 2004, S. 394; Kosslyn & Rosenberg, 2001, S. 285) was die gesamte Kausalinterpretation (Intelligenzunterschiede zwischen Rassen als Folge von Unterschieden in der Hirngröße) hinfällig macht.

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Abb.3. Beziehung zwischen mittlerem Schädelinhalt und Median des IQ für Schwarze (N), Weiße (C) und Asiaten (M). Nach Jensen, 1998.

die Mittelung weggefallen sind. So wie die »ökologische« Korrelation von Jensen präsentiert wird soll der Leser wohl glauben, dass es sich hier sozusagen um die eigentliche, die richtige Korrelation handelt. Diese »ökologische« Korrelation (weshalb sie auch immer so heißen mag) ist natürlich eine extreme Überschätzung der Korrelation, die im Kontext allein von Interesse ist. Es stellt sich die Frage, weshalb Jensen die an dieser Stelle doch eher irreführende »ökologische« Korrelation präsentiert. Er schreibt, dass die fast perfekte Linearität der »Regression« zeige, dass es sich bei der IQ Skala um eine Intervallskala handelt. Nun ist die dargestellte Beziehung aber keine Regression und das Ausmaß der Linearität sagt überhaupt nichts über die Skalenqualität aus. Das erste kann man anhand der oben (S. 30, 31) dargestellten Bedeutung der Regression nachvollziehen, letzteres muß der Leser, der sich mit dem Thema Skalenqualität nicht auskennt, hier einfach glauben, da eine nähere Erläuterung zu weit führen würde.29 Die ökologische« Korrelation ist im Kontext also nicht 29 Wer mit den Begriffen »Ordinalskala« und »Intervallskala« etwas anfangen kann wird sich leicht vorstellen können, dass das in Abb. 3 dargestellte Ergebnis ebenso entstanden sein

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nur irreführend, sie dient nach Jensen auch einem Nachweis, für den sie völlig ungeeignet ist.30 So gravierend dergleichen methodische Ungereimtheiten oft schon sein mögen, Jensen beweist uns darüber hinaus, dass ihm das Bewusstsein für ein fundamentales wissenschaftstheoretisches Problem, das in der Psychologie wie in keiner anderen Wissenschaft von Bedeutung ist, fehlt. Wir finden den Beweis in seinem 650 Seiten starken Buch »The g Factor« noch bevor der Text begonnen hat. Auf einer eigenen Seite widmet er das Buch Charles Spearman mit den Worten Dedicated to the memory of CHARLES EDWARD SPEARMAN The discoverer of g

Spearman, der uns hier mit beiden Vornamen ausgeschrieben und in Großbuchstaben in geradezu denkmalhafter Größe entgegentritt, hatte mit der von ihm entwickelten Methode der Faktorenanalyse den g-Faktor als seiner Meinung nach wichtigsten Aspekt der Intelligenzstruktur vorgeschlagen (s.S. 37). Er hat also den g-Faktor, ein reines Abstraktum, erfunden (entwickelt, konstruiert) und nicht gefunden. Die Unterscheidung ist keine epistemiologische Feinheit sondern von fundamentaler Bedeutung und kann, im Falle von Verwechslungen, die gravierendsten Folgen haben. Sagt man von einem Konstrukt (einer Idee oder einem Faktor ermittelt durch die Faktorenanalyse) es sei entdeckt worden, so schreibt man ihm eine Existenz unabhängig vom menschlichen Geist zu, so wie sie Mikroben, Inseln oder eine Spezies besitzen. Man bezeichnet diesen irreführenden gedanklichen Schritt als »Verdinglichung« (engl. »reification«). Diesen Schritt zu machen ist sehr verlockend, da wir uns bei etwas Realem, Konkreten eher etwas vorstellen können als bei etwas Imaginären, Abstrakten, Konzeptuellen. Bei dem g-Faktor ist die Verlockung besonders groß, da sich die Erfindung Spearmans nur über die Kenntnis der verschiedenen prozeduralen Schritte bei ihrer Herleitung (Entwicklung von Untertests, Durchführung dieser an einer größeren Stichprobe, Anwendung der Faktorenanalyse auf die sich so kann, wenn die IQ Skala eine Ordinalskala wäre. Nach Jensens verquerer Logik müsste eine zunehmende Abweichung von der Linearität eine zunehmend schlechtere Skalenqualität bedeuten. Selbstverständlich kann bei perfekter Skalenqualität eine beliebig große Abweichung von der Linearität bestehen. Linearität und Skalenqualität haben überhaupt nichts miteinander zu tun. 30 Eigentümlichkeiten im Umgang mit Daten und Methoden wie wir sie auch an vielen anderen Stellen bei Jensen finden, sind für den Bereich der Erforschung der Erblichkeit der Intelligenz allerdings nichts Ungewöhnliches, wie der Genetiker Lewontin schon 1975 bemerkte. Im Zusammenhang mit dem Fall Eysenck (S. 48 – 55) werden wir noch ein paar besonders instruktive Beispiele kennenlernen.

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ergebenden Daten) erschließt. Da ist es doch viel anschaulicher sich den gFaktor als etwas tatsächlich im Gehirn vorhandenes vorzustellen. Dabei hilft es zusätzlich, sich den g-Faktor als erblich vorzustellen, denn Gene kodieren Proteine die wiederum an der Ausprägung ganz konkreter körperlicher Merkmale (z. B. in Form von Hirnstrukturen) beteiligt sind. Die Verdinglichung des hochabstrakten Konstruktes »Intelligenz« zu einer körperlichen Eigenschaft dürfte der Grund dafür sein, dass ihre Erblichkeit schon immer implizit mitgedacht wurde, auch lange bevor quantitativ genetische Untersuchungen sie nachzuweisen schienen. Was Rassenunterschiede betrifft greift dasselbe Denkschema: Es gibt offensichtliche, genetisch bedingte körperliche Unterschiede zwischen Rassen, also muss ein Unterschied in der Intelligenz ebenfalls erblich bedingt sein, insbesondere wenn die Intelligenz in Form der Schädelkapazität »gemessen« wird. Halten wir aber fest: nur eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern, insbesondere Philippe Rushton, Arthur Jensen, Richard Lynn und Hans Jürgen Eysenck, allesamt vom Pioneer Fund finanziell unterstützt, findet Rassenunterschiede hinsichtlich Schädelkapazität und eine Korrelation zwischen Schädelkapazität und Testintelligenz bis hinauf zu r = 0,998.31

Der Fall Eysenck Wenden wir uns zum Ende dieses düsteren Kapitels dem bereits erwähnten Psychologen Hans Jürgen Eysenck zu, der uns wie kein anderer demonstriert hat, womit wir, was den Umgang mit Daten und Methoden betrifft, rechnen müssen, wenn wir uns die wissenschaftliche Literatur zum Thema »Erblichkeit der Intelligenz« näher anschauen. Neben John Watson und Burrhus Skinner hat Hans Jürgen Eysenck wahrscheinlich die psychologische Wissenschaft und ihr Bild in einer breiteren Öffentlichkeit am meisten mitgeprägt.32 Der Klappentext seines letzten Buches (Eysenck, 1998) weist auf mehr als 1000 Artikel und mehr als 70 Bücher hin, in denen Eysenck seine Ideen verbreitet hat, darunter Bücher mit sehr hohen 31 Natürlich sehen sich Rushton und seine Mitstreiter nicht als Rassisten und es macht auch keinen Sinn, sie als solche zu bezeichnen, denn letztendlich kann man nicht definitiv wissen, ob ihre Motivation wissenschaftlicher oder rassistischer Natur ist. Teilweise ist es ihnen gar gelungen, sich als tapfere Kämpfer für die Freiheit der Wissenschaft und gegen ideologisch begründete Ansprüche im Sinne von »political correctness« zu stilisieren. Dass sie dies keineswegs sind hat William Tucker gezeigt, indem er ihre enge Verbindung zur rechtsradikalen intellektuellen Szene nachwies (Tucker, 2002). 32 Dies gilt für die so genannte »akademische« Psychologie. Freud, sicherlich der bekannteste aller Psychologen und seine Psychoanalyse spielen in der Geschichte der Psychologie eine Sonderrolle.

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Auflagen, wie z. B. das bei Rowohlt unter »rowohlts deutsche enzyklopädie« erschienene »Wege und Abwege der Psychologie« (Eysenck, 1956). Zentrale Themen Eysencks über mehr als ein halbes Jahrhundert waren (1) die Propagierung der Psychologie als Naturwissenschaft, (2) Intelligenzforschung, (3) die Erblichkeit der Intelligenz33, sowie (4) genetisch bedingte Rassenunterschiede hinsichtlich Intelligenz. Entsprechend seiner besonderen Wertschätzung der Intelligenz als Persönlichkeitseigenschaft lautet der Titel seines letzten Buches auch »Intelligence« (1998). In ihm thematisiert er noch einmal ausdrücklich die Rassenunterschiede. Was die Psychologie als Naturwisssenschaft betrifft, ein Postulat das von John Watson (1913) aufgestellt wurde, so hat sich wahrscheinlich kein Psychologe erfolgreicher für eine Verbreitung dieser Idee, auch in einer breiten Öffentlichkeit, eingesetzt als Eysenck. Dabei ist ihm sehr daran gelegen, klar zu machen, dass er auch die exakten und technischen Wissenschaften beherrscht, so z. B. die Quantenphysik (Eysenck, 1998, S. 5), oder die Kosmologie (S. 8). Pannen sind bei einem solchen Anspruch beinahe zwangsläufig, so wie wenn er den Turbolader für eine Form der Kraftstoffeinspritzung hält (S. 75).34 Nun wird kein Student des Maschinenbaus Eysencks Auslassung lesen und irritiert sein. Was aber die Erblichkeit der Intelligenz und genetisch bedingte Intelligenzunterschiede zwischen Rassen betrifft, so werden besonders viele Studenten die Ausführungen eines der berühmtesten Psychologen, der sich nun gerade mit diesem Thema besonders lange und ausführlich beschäftigt hat, lesen. Eysenck stand neben Jensen über Jahrzehnte im Zentrum der Kontroverse über die Erblichkeit der Intelligenz und die angebliche genetische Grundlage von Rassenunterschieden hinsichtlich Intelligenz. Für ihn waren »genetische Faktoren von überragender Bedeutung bei der Entstehung … intellektueller Unterschiede … zwischen bestimmten Rassen« (Eysenck, 1971, S. 130).35 Betrachtet man den enormen sozialen Sprengstoff, den das Thema enthält, so sollten wir annehmen, dass Eysenck die wissenschaftlichen Grundlagen der Diskussion um dieses Thema in besonderer Weise beherrschte. Dass nun überhaupt jemand auf den Gedanken kommt, dies könne nicht so sein, hätte der berühmte Psychologe sicher als Frevel angesehen, und weil Eysenck so berühmt ist und seine naturwissenschaftliche Kompetenz so sehr betont, ist offenbar auch niemand auf diesen Gedanken gekommen. Aber das Forschungsgebiet »Erblichkeit der Intelligenz« ist immer für Überraschungen gut und wer sich etwas

33 Auch bei anderen mentalen Eigenschaften wie z. B. seiner Persönlichkeitsdimension »Neurotizismus« nimmt er eine biologische und erbliche Grundlage an. 34 Der Turbolader befördert Luft, nicht Kraftstoff in den Brennraum. 35 Erst in seinem letzten Buch von 1998 nimmt er seinen früheren Anspruch eines primär genetisch bedingten Intelligenzunterschiedes zwischen Schwarzen und Weißen ein wenig zurück (S. 217).

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näher mit Eysenck beschäftigt hat weiß, dass Eysenck dies auch ist.36 Schauen wir uns deshalb einfach einmal Eysencks Aussagen zu den fundamentalen methodischen Konzepten der Erblichkeitsbestimmungen im Einzelnen an. Zwei der wichtigsten dieser Konzepte dürften das der »Regression« und das der »Interaktion« sein. Wie wir gesehen haben wurde der Regressionseffekt zuerst von Galton beschrieben (S. 29 – 32). Da dieser ihn bei Eltern-Kind Korrelationen beobachtete und da er sich zeitweilig fast ausschließlich mit Erblichkeit beschäftigte, hielt er den Regressionseffekt für ein biologisches Gesetz. Mit der Entwicklung der Korrelations- und Regressionsstatistik wurde jedoch bald klar, dass der Effekt grundsätzlich bei Korrelationen zwischen irgendwelchen Variablen auftritt und mit Biologie zunächst einmal überhaupt nichts zu tun hat. Korrelations- und Regressionsstatistik hin oder her, mehr als 100 Jahre nach Galton findet Eysenck (1998) immer noch, dass der Regressionseffekt ein biologisches Gesetz ist, wobei er den Begriff »biologisch« ausdrücklich hervorhebt (S. 39). Anders als Galton, der zu seiner Zeit noch nichts über Genetik im heutigen Sinne wissen konnte, glaubt er den Grund für dieses biologische Gesetz gefunden zu haben. Er bezieht sich dabei auf Ausführungen von Li (1971) über die Auswirkungen der zufälligen Segregation und Rekombination von Genen bei der meiotischen Zellteilung, deren statistische Bedeutung er offenbar nicht verstanden hat, denn er schreibt unter ausdrücklichem Bezug auf Li, dass jene Zufallsprozesse den beobachteten Regressionseffekt bedingen und es sich insofern beim Regressionseffekt um ein biologisches Gesetz handeln müsse (Eysenck, 1973, S. 132 f.). Zwar tragen jene Zufallsprozesse selbstverständlich zum Regressionseffekt bei, da sie die Ähnlichkeit von Eltern und Kindern mitbestimmen, aber sie bestimmen nicht ausschließlich die Korrelation zwischen Eltern und Kindern hinsichtlich eines Merkmals, da bei allen denkbaren Variablen, und insbesondere bei mentalen Eigenschaften, die Umwelt eine Rolle spielt (u. U., wie wir gesehen haben, die weitaus größte Rolle) und die ElternKind Korrelation mitdeterminiert. Als biologisches Gesetz kann man aber die Regression allein deshalb nicht sehen, als sie, wie erwähnt, bei jeder Korrelation zwischen Variablen, völlig unabhängig von Eigenschaften bei Mensch, Tier oder Pflanze, auftritt. Fundamentaler und folgenreicher als Eysencks Vorstellung von Regression kann ein Missverständnis kaum sein. Selbst wenn wir einmal die Regression ausschließlich im Zusammenhang der Ähnlichkeit zwischen Eltern und Kindern (oder zwischen irgendwelchen anderen Verwandten) betrachten (sie wird über Korrelationen bestimmt), so führt die Vorstellung von der Regression als bio36 Er bewies z. B., wie immer mit naturwissenschaftlicher Stringenz, dass Lungenkrebs nichts mit Rauchen zu tun hat (z. B. Eysenck, 1987).

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logisches Gesetz automatisch zum Ignorieren der Rolle der Umwelt. Die Ähnlichkeit zwischen Eltern und Kindern ist durch gemeinsame Gene (50 %) und eine gemeinsame Umwelt bedingt. Beides zusammen determiniert die Größe des Regressionseffektes. Sieht man diesen als biologisches Gesetz, so interpretiert man automatisch die gesamte Ähnlichkeit zwischen Eltern und Kindern als biologisch bedingt. Konsequenter- (und unsinniger-)weise präsentiert Eysenck eine angeblich von Genetikern entwickelte Formel zur Vorhersage des IQ eines Kindes aus dem mittleren IQ der Eltern (Eysenck, 1973, S. 105): O ¼ M þ h2N ðP ¢ MÞ

Wobei O für den vorhergesagten IQ steht, P für den mittlern IQ der Eltern, M für den Populationsmittelwert und h2N für den Heritabilitätskoeffizienten. Demnach hängt das Ausmaß, in dem der vorhergesagte Wert für das Kind vom Mittelwert abweicht, neben der Abweichung des mittleren Elternwertes vom Populationsmittelwert (P – M, der empirisch ermittelte Differenzwert, von dem aus vorhergesagt wird) alleine von der Erblichkeit der Intelligenz (h2N ) ab. Da die Ähnlichkeit von Eltern und Kindern hinsichtlich Intelligenz nun aber nicht nur durch die Erblichkeit der Intelligenz, sondern auch durch die gemeinsame Umwelt von Eltern und Kindern bedingt ist, stellt sich die Frage, weshalb Eysenck für seine Vorhersage nicht, so wie jeder, der sich in der Korrelations- und Regressionsstatistik auskennt, die übliche Regressionsgleichung O ¼ MK þ bEK ðP ¢ ME Þ

benutzt, wobei O für den vorhergesagten IQ steht, MK für den Mittelwert aller Kinder, P den mittleren Wert des Elternpaares, ME den Mittelwert aller Eltern und bEK den Eltern-Kind Regressionskoeffizienten, der durch die genetische und Umweltähnlichkeit von Eltern und Kindern determiniert ist und deshalb natürlich eine bessere Vorhersage erlaubt. Auf die Frage gibt es nur zwei mögliche Antworten. Entweder Eysenck weiß gar nicht, dass zur Vorhersage bei quantitativen Variablen ein formales Instrumentarium entwickelt worden ist, die Korrelations- und Regressionsstatistik, die natürlich auch auf dieselbe Variable, wenn sie bei Eltern und Kindern gemessen wird, anwendbar ist, oder er glaubt, dass Regressions- und Erblichkeitskoeffizient identisch sind. Ersteres müsste man annehmen, wenn h2N in seiner Formel tatsächlich den Erblichkeitskoeffizienten (und nicht den Regressionskoeffizienten) symbolisiert. Würde er die Regressionsstatistik kennen, so müsste er schließlich wissen, dass der Regressionskoeffizient, der den Umwelteinfluss mit beinhaltet, eine bessere Vorhersage

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erlaubt. Für die zweite Alternative würden Formulierungen sprechen wie »Wir können die Erblichkeit der Intelligenz bestimmen, indem wir uns das Ausmaß der Regression anschauen« (Eysenck, 1998, S. 39), sowie seine stark überhöhten Erblichkeitsangaben für die Intelligenz, bei denen es sich um Eltern- Kind Regressionskoeffizienten handeln könnte. Gleichsam als wolle er seine Ahnungslosigkeit in Sachen Quantitative Genetik noch einmal unter Beweis stellen, schreibt er im selben Zusammenhang: »Wenn die Erblichkeit 100 % ist gibt es keine Regression.« (S. 39). Da Eltern und Kinder aber nur 50 % der Gene teilen gibt es auch bei 100 % Erblichkeit nur eine Korrelation und keinen funktionalen Zusammenhang zwischen dem IQ von Eltern und Kindern und damit selbstverständlich auch einen Regressionseffekt.37 So unglaublich uns all dies bei einem berühmten, angeblich naturwissenschaftlicher Rigorosität verpflichteten Psychologen erscheinen mag, bei einem anderen für die Quantitative Genetik extrem wichtigen Konzept, dem der Interaktion, sieht es mit Eysencks Kompetenz nicht besser aus. Die große Bedeutung von Interaktionseffekten für die quantitative Genetik ergibt sich einfach daraus, dass ein Teil der phänotypischen Variation durch solche Effekte bedingt sein kann (z. B. Formel (3), S. 12). Wie oben dargelegt bestehen sie darin, dass bei bestimmten Bedingungskombinationen (z. B. einer bestimmten genetischen Ausprägung in Kombination mit einer bestimmten Umweltbedingung) sich die Effekte, die beide Bedingungen im Mittel auf die Messvariable haben, nicht einfach aufsummieren, sondern dass der resultierende Messwert größer oder kleiner ist als es die Summe der Effekte erwarten ließe. So kann es z. B. sein, dass eine bestimmte Umwelt nicht immer dieselbe Wirkung ausübt, unabhängig davon auf welche genetische Konstellation sie trifft, sondern dass die Wirkung je nach genetischer Konstellation verschieden ist. Um den Interaktionseffekt zu veranschaulichen wird als Beispiel häufig das Ergebnis eines Experimentes dargestellt, bei dem zwei genetisch verschiedene Stämme von Ratten unter drei verschiedenen Umweltbedingungen aufwuchsen (Cooper & Zubek, 1958). Meßvariable war die Zahl von Fehlern, die die Tiere in einem Labyrinth machten. Es wurden zwei Stämme von Ratten gezüchtet, die sich hinsichtlich der Zahl der Fehler, die sie im Labyrinth machten, deutlich unterschieden, sozusagen »dumme« und »kluge« Ratten. Beide Stämme wurden sodann jeweils in drei Gruppen unterteilt, deren jede unter einer anderen Umweltbedingung aufwuchs, unter einer »verarmten« Bedingung (die Tiere 37 Selbst wenn Eltern und Kinder zu 100 % die gleichen Gene hätten gäbe es, da die Umwelten von Eltern und Kindern nicht völlig identisch sind, nur eine Korrelation und somit auch dann noch eine Regression. Wiederum sehen wir, dass Eysenck die Umwelteffekte völlig vernachlässigt.

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wuchsen alleine auf), der »normalen« Bedingung (zusammen mit anderen Tieren) und der »angereicherten« Bedingung (zusammen mit anderen Tieren und verschiedenen Gegenständen, mit denen sie spielen konnten). Abb. 4 zeigt die Ergebnisse.

Abb. 4. Mittlere Fehlerzahl im Labyrinth zweier genetisch verschiedener Rattenstämme unter drei verschiedenen Aufzuchtbedingungen (nach Cooper & Zubek, 1958)

Wir sehen, dass die Tiere sich nur unter der normalen Umweltbedingung, unter der sie hinsichtlich ihrer Fehlerzahl im Labyrinth gezüchtet wurden, deutlich unterscheiden. Unter der angereicherten Bedingung machen die »dummen« Ratten nur noch wenig mehr Fehler als die »klugen«, unter der verarmten Bedingung ist die Fehlerzahl gar bei beiden Stämmen gleich groß. Für diese Bedingung ist der Interaktionseffekt am deutlichsten zu erkennen. Im Vergleich zur normalen Bedingung bedeutet sie für die »klugen« Tiere einen überproportionalen Anstieg der Fehler. Für die Bedingung »angereichert« kann

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man die Interaktion in Form einer überproportionalen Abnahme der Fehlerzahl bei den »dummen« Tieren beobachten.38 Ganz offenbar ist der genetische Effekt umweltspezifisch. Unter der normalen Bedingung ist er groß, unter der angereicherten klein, unter der verarmten nichtexistent. Es ist leicht vorstellbar, dass bei der Entwicklung der Intelligenz beim Menschen ebenfalls erhebliche Interaktionseffekte existieren können. Eysenck (1998) verwendet den Begriff »Interaktion« gelegentlich in seinem Kapitel über Anlage- und Umweltaspekte der Intelligenz, gibt aber keine Definition. Man könnte annehmen, dass er die Kenntnis des Interaktionskonzeptes einfach voraussetzt, allerdings ist nirgendwo zu erkennen, dass er mit dem Begriff tatsächlich die Interaktion im statistischen Sinne meint, die im Kontext alleine von Bedeutung ist. Ganz im Gegenteil fehlt in seiner Formel der Aufteilung der phänotypischen Variation (er spricht fälschlicherweise von der Fundamentalformel der Verhaltensgenetik statt der Quantitativen Genetik) die interaktionsbedingte Varianz völlig, ganz so wie bereits 25 Jahre zuvor (Eysenck, 1973, S. 88). Man könnte nun meinen, diese Weglassung diene der Vereinfachung. Allerdings sagt er zuvor, dass Anlage und Umwelt interagierende Kräfte seien, was dann ganz eindeutig bedeutet dass er unter Interaktion die einfache Aufsummierung von Effekten versteht. Im gleichen Sinne heißt es einige Seiten weiter (Eysenck, 1998, s. 43), dass der Phänotyp eines Individuums durch die Interaktion von Genotyp und Umwelt zustande komme. Auch hier kann es sich nicht um Interaktion im statistischen (und im Kontext relevanten) Sinne handeln, denn schließlich ist die Interaktion in diesem Sinne nicht das Einzige, das den Phänotyp determiniert. Eine Seite später begegnet uns der Begriff Interaktion im Kontext der oben beschriebenen Ergebnisse des Experimentes von Cooper und Zubek (Abb. 4), bei dem nun, wie beschrieben, eine deutliche Interaktion zu beobachten ist. Es ist aber wenig einleuchtend, dass Eysenck den Interaktionseffekt bei diesem von ihm selbst gegebenen Beispiel erkannt hat, was ihn ja geradezu zwingen würde, die interaktionsbedingte Varianz in die Fundamentalformel aufzunehmen.39 Schließlich ist das Interessante an jenem Experiment ja gerade die Anlage/Umwelt Interaktion, was auch der Grund für seine häufige Zitierung ist. Wie man die Eysenckschen Texte zur Anlage-Umwelt Interaktion auch liest, man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass er nicht weiß, was statistische Interaktion ist und er jegliche Effekte, die aus Bedingungskombinationen entstehen (z. B. eine bestimmte genetische kombiniert mit einer bestimmten Um38 Das Ausmaß der Interaktion kann am Ausmaß der Nichtparallelität der durchgezogenen und der gestrichelten Linie erkannt werden. 39 Angemessen wäre es natürlich, insbesondere im Hinblick auf die fehlende experimentelle Kontrolle bei Erblichkeitsbestimmungen beim Menschen, auch die Anlage-Umwelt Covariation zu erwähnen.

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weltkonstellation) als Interaktionseffekte ansieht, seien sie nun summativ oder interaktiv. Nach seinen Ausführungen über das Konzept der Regression muß uns dies allerdings nicht mehr sonderlich wundern. Der Zweite Teil dieses Buches soll, wie erwähnt, dazu dienen, dem Leser nahezubringen, dass die Forschung zur Erblichkeit der Intelligenz oft eigenen Regeln folgt und dies, wenn es sich überhaupt um so etwas wie Regeln handeln sollte, nicht unbedingt die sind, die wir sonst aus der Wissenschaften kennen, z. B. die einfache Regel, dass ein Wissenschaftler die von ihm benutzten Begriffe kennt. Eysenck ist in dieser Hinsicht vielleicht ein extremes Beispiel. Über dieses Beispiel hinaus scheint mir in seinem Falle aber, da er ein ganz besonders bekannter und einflussreicher Psychologe ist, ein kurzer, zusätzlicher Kommentar angebracht. Die Intelligenz, ihre Erblichkeit und die Gründe für Intelligenzunterschiede zwischen Rassen ist über Eysencks gesamtes wissenschaftliches Leben hinweg eines seiner zentralen Themen gewesen. Insbesondere hat er in diesem Zusammenhang in höchst provokativer Form die Auffassung vertreten, die Rassenunterschiede seien genetisch bedingt und die hohe Erblichkeit der Intelligenz impliziere, dass Förderungsprogramme für benachteiligte Minoritäten wenig Sinn machen. Natürlich konnte er Auffassungen mit derartiger sozialer Sprengkraft nur unter Berufung auf wissenschaftliche Tatsachen machen. Selbstverständlich trat er dabei als anerkannter wissenschaftlicher Experte auf. Dieser Experte für Fragen der Erblichkeit mentaler Eigenschaften hält nun den Regressionskoeffizienten für den Erblichkeitskoeffizienten, den statistischen Regressionseffekt für ein biologisches Gesetz, findet, dass statistische Interaktion in der Aufsummierung von Effekten besteht, dass beim Schließen von der Intelligenz der Eltern auf die der Kinder die gemeinsame Umwelt von Eltern und Kindern keine Rolle spielt und dass bei 100 % Erblichkeit eines Merkmals kein Eltern-Kind Regressionseffekt aufträte.

Wie ist so etwas geradezu Unglaubliches möglich? Was die Gründe im Einzelnen auch sein mögen, eines ist ganz offenbar: In diesem Wissenschaftsbereich, so wie er sich etabliert hat, fehlen die Korrektive, die etwas Derartiges verhindern. In jeder Wissenschaft können Fehler und Unsinnigkeiten für eine Weile unentdeckt bleiben. Wenn sie aber, verbreitet über viele Jahrzehnte von einem ihrer prominentesten Vertreter, unkorrigiert bleiben stellt sich die Frage nach den wissenschaftlichen Standards des Faches, so wie Samelson (s.S. 39) sie nach dem Burt-Skandal stellte. In der teilweise erbittert geführten Debatte über Rassenunterschiede ist es von vielen als Skandal angesehen worden, dass Psychologen Ansichten ver-

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breiten, die rassistisches Denken fördern, sich bei ihren Forschungen von einer rassistischen Institution (dem Pioneer Fund) finanzieren lassen und ihre Ansichten in rechtsradikalen Organen (z. B. dem »Mankind Quarterly«) publizieren. Aus wissenschaftlicher Sicht besteht der Skandal aber vielmehr darin, dass die sich mit dem Thema befassende Wissenschaft nicht in der Lage ist zu verhindern, dass rassistische Ideen unter dem Deckmantel der Wissenschaft verbreitet werden.40

Molekulargenetische Merkwürdigkeiten Philip Kitchers Diktum »Das Leben ist zu den Humanverhaltensgenetikern (human behavioral geneticists) nicht nett gewesen« (Kitcher, 1996, S. 254) gilt auch heute noch uneingeschränkt. Zur Zeit sind es vor allem die molekularen Verhaltensgenetiker, denen das Leben viel abverlangt. Der erste, der konkrete Hoffnungen weckte, zur molekularen Grundlage eines Verhaltens (der Homosexualität) vordringen zu können, war der Genetiker Dean Hamer (z. B. Hamer & Copeland, 1994). Als sich das Homosexualitätsgen jedoch hartnäckig einer Identifizierung entzog, wartete er mit einem anderen, diesmal ganz konkreten Gen auf (VMAT2), dem »Gottesgen« (GODgene, Hamer, 2004), gekennzeichnet dadurch, dass es in einer bestimmten Ausprägung seinen Träger zu Spiritualität und Selbsttranszendenz veranlasst. Interessanter als das Gen selbst (es hat mit Gottglauben nichts zu tun) ist die Art seiner Kreierung. Da Gottglauben eher eine emotionale als rationale Angelegenheit ist, wende man sich den Körpersubstanzen zu, die eng mit emotionalen Prozessen zusammenhängen und stößt dabei sehr bald auf die Monoamine wie Serotonin oder Dopamin. Von einem Gen, das an der Produktion dieser Substanzen beteiligt ist, finde man zwei Formen, deren Träger, aus welchen Gründen auch immer, minimal verschiedene Werte auf einem Spiritualitätsfragebogen erreichen. Fertig ist das Gottesgen. Alles was wir über das Gen wissen, vorausgesetzt das Ergebnis wird überhaupt repliziert, was es bisher nicht ist, ist, dass es über einen unbekannten emotionalen Prozeß in minimaler Weise die Werte auf einer Spiritualitätsskala beeinflusst. Dem Gottesgen blieb bisher die wissenschaftliche Anerkennung vorenthalten und sie wird es wohl auch bleiben, aber gegenüber Hamer war das Leben dann außerwissenschaftlich doch recht nett, denn sein Buch schaffte es bis auf die 40 So konnte z. B. Neisser (s.S. 44) über Rushtons »Theorie« der Rassenunterschiede nicht einfach schreiben, dass es sich um völlig haltlose Spekulationen handelt, was nach rigorosen Standards eindeutig der Fall ist, sondern sah sich nur in der Lage zu der außerwissenschaftlichen Bemerkung, dass sie ihm den Magen umdreht.

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Titelseite von TIME International (29. November 2004) und dürfte damit seinen Autor reich gemacht haben. Wie erwähnt entzieht sich das Homosexualitätsgen weiter seiner Identifizierung. Dennoch bleibt es, allerdings ohne irgendeine neue empirische Evidenz, auf der Tagesordnung. Wie man so etwas bewirken kann haben Savolainen und Lehmann (2007) gezeigt. Sie nahmen an, dass es nur ein einziges Gen für Homosexualität gibt, was äußerst unwahrscheinlich ist, und führten verschiedene populationsgenetische Berechnungen durch, die zeigten, dass unter spezifischen evolutionären Bedingungen dieses Gen einen Selektionsvorteil darstellen könnte. Natürlich weiß niemand, ob jene Bedingungen jemals im Laufe der Evolution existiert haben aber auf diese Weise bleibt das Homosexualitätsgen jedenfalls weiterhin ein Thema. Was die Intelligenz betrifft, so haben wir im ersten Teil des Buches (S. 23, 24) gesehen, dass es keinerlei valide molekulargenetische Hinweise darauf gibt, dass die Intelligenz in mehr als ganz geringem Umfang erblich ist, wobei man allerdings betonen muss, dass sich die Methoden des Nachweises noch in der Erprobung befinden. Erstaunlicherweise wurde mit der oben beschriebenen Methode der SNP Analyse (S. 23) für die Variable »Kreativität« angeblich ein Wert von 9 % erklärter Varianz ermittelt (Reuter et al., 2006), ein Wert, der von Reuter schließlich noch auf 14 % gesteigert wurde (Reuter, 2007). Die Ergebnisse sind nicht repliziert und es stellt sich die Frage, wie es zu solchen Werten kommen konnte, nachdem die Werte für die Intelligenz, die psychologische Variable, für die immer eine besonders hohe Erblichkeit angenommen wurde, bisher allesamt unter 1 % liegen und, wie oben erwähnt (S. 23, 24), der Wert für die Körpergröße, eine mit Sicherheit in hohem Maße erbliche Variable, bei lediglich 5 % liegt. Das völlige Fehlen valider, d. h. replizierter molekulargenetischer Hinweise auf die Erblichkeit mentaler Eigenschaften hat die in diesem Bereich tätigen Psychologen nun allerdings keineswegs zu einer gewissen Zurückhaltung veranlasst. Ganz im Gegenteil sind von ihnen angebliche Hinweise molekulargenetischer Art auf eine genetische Grundlage mentaler Eigenschaften präsentiert worden, die offenbar den Eindruck erwecken sollen, als bestünden an einer engen Beziehung zwischen DNA und mentalen Eigenschaften keinerlei Zweifel. Nach allem, was wir in diesem Forschungsgebiet bisher erlebt haben, müssen wir uns diese Hinweise allerdings genauer ansehen. Es ist vor allem Robert Plomin, der nicht nur, wie viele Andere auch, aufgrund quantitativ genetischer Ergebnisse eine hohe Erblichkeit der Intelligenz konstatiert hat, sondern auch über viele Jahre den molekulargenetischen Nachweis jener hohen Erblichkeit vorausgesagt hatte. Noch bevor er, in der Folge der technologischen Entwicklung bei der Analyse der DNA, versuchen konnte, diesen Beweis zu erbringen, demonstrierte er bereits eine molekulargenetische

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Grundlage mentaler Eigenschaften (Plomin et al., 1990). Bereits sein Sprachgebrauch soll diese Grundlage ganz klar machen: »Verhalten ist ein Phänotyp – das heißt eine beobachtbare Eigenschaft, die wir messen können.« (S. 2). Die Angewohnheit, jedes Verhalten und jede Eigenschaft als »Phänotyp« zu bezeichnen, ist unter psychologischen Verhaltensgenetikern verbreitet. In der Genetik spricht man allerdings von »Phänotyp« nur im Zusammenhang mit dem »Genotyp«, den Plomin erst 30 Seiten später erwähnt. Genotyp ist die genetische Konstellation, die an der Ausprägung des Phänotyps beteiligt ist. Hat eine Eigenschaft keine genetische Grundlage, so spricht man auch nicht von Phänotyp. Eigenschaften und Verhaltensweisen generell als Phänotyp zu bezeichnen unterstellt somit, dass sie alle eine erbliche Grundlage haben. Ein konkretes Beispiel für die genetische Grundlage einer mentalen Eigenschaft ist für Plomin der Albinismus (S. 53 – 55), eine genetisch bedingte Störung, gekennzeichnet durch ein Defizit oder gänzliches Fehlen von Pigment in Haut, Haaren und Iris oder allein der Iris. Den Zusammenhang zum Psychischen stellt Plomin dadurch her, dass Albinismus angeblich auch eine erhöhte Emotionalität impliziert, wobei es sich dann bei Albinismus um eine sog. »Pleiotropie« handeln soll, d. h. um eine Auswirkung einer Mutation auf zwei oder mehr Eigenschaften. Die erhöhte Emotionalität wurde an Mäusen mittels des sog. »open field -Tests« nachgewiesen. Zu diesem Zweck kamen die Tiere in eine weiße, grell erleuchtete Umzäunung, ein für die Tiere offenbar belastendes Umfeld. Das zum Zwecke der Messung der Emotionalität beobachtete Verhalten ist das Ausmaß der Defäkation und des Urinierens (positiv mit Emotionalität korreliert) und das Ausmaß des Explorationsverhaltens (negativ mit Emotionalität korreliert). Mäuse mit Albinismus zeigten im open field eine höhere Emotionalität als Mäuse ohne diese Mutation. Die Autoren nehmen an, dass der Effekt »über das visuelle System vermittelt wird«. Nachdem man ermittelt hatte, dass der Unterschied im emotionalen Verhalten zwischen Albinomäusen und Mäusen mit Pigment unter Rotlicht geringer war, entwickelten die Autoren die Hypothese, dass die Albinomäuse Angst vor dem hellen Licht im open field hatten, dass sie »photophobisch sein könnten«. Die Formulierung, dass der Effekt »durch das visuelle System vermittelt sein könnte« und dass die Autoren die »Hypothese entwickelten, dass die Albinomäuse Angst vor dem Licht im open field hatten« ist recht interessant, vergleicht man sie mit der Formulierung, die man normalerweise benutzen würde: Die Albinos haben eine reduzierte Menge von Pigment in der Iris, was bedeutet, dass viel mehr Licht auf ihre Retinae fällt. Als Folge davon sind sie photophobisch, ein Symptom, das die Autoren nicht hypothetisch annehmen müssen, da es in medizinischen Textbüchern für alle Arten von Albinismus aufgelistet ist (z. B. Brenton, 1996).41 41 Menschen mit der Mutation tragen typischerweise eine dunkle Brille.

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Weshalb nun diese merkwürdige Formulierung bei Plomin et al.? Ganz einfach weil eine normale Formulierung sofort die Unsinnigkeit der angeblichen Pleiotropie deutlich machen würde. Die Albinomäuse sind nicht emotionaler, sie sind nur photophobisch und dies aus dem einfachsten und unpsychologischsten aller Gründe: bei gleicher Beleuchtung fällt mehr Licht in ihre Augen als in die pigmentierter Mäuse. Das Ganze hat mit Verhaltensgenetik überhaupt nichts zu tun. Nach der Logik der Autoren hätten wir es auch bei Hämophilie (»Bluterkrankheit«) mit einer Pleiotropie zu tun, denn die Träger der Mutation neigen in besonderer Weise dazu, Verletzungen zu vermeiden, haben also eine Verletzungsphobie, wobei dann das mutierte Gen das »Verletzungsvermeidungsgen« wäre. An vielen Stellen des oben erwähnten Buches, ebenso wie in der sechsten Auflage (Plomin et al., 2012), finden wir einen Hinweis auf die Phenylketonurie als verhaltensgenetische Symptomatik. Bei dieser Krankheit (wenn sie nicht behandelt wird) führt eine Mutation zu einer schweren Schädigung bei der Hirnentwicklung und in der Folge zu mentaler Beeinträchtigung. Aber weshalb finden wir die Phenylketonurie in einem Buch zur Verhaltensgenetik? In der Tat handelt es sich um eine Erbkrankheit, die auch das Verhalten beeinflusst. Aber jede schwere Erbkrankheit hat einen Einfluss auf das Verhalten und sei es nur wegen der psychologischen Effekte in der Folge schweren Leidens. Die wiederholte Erwähnung der Phenylketonurie im Zusammenhang mit Intelligenz stellt einen rein assoziativen, keinen logischen Zusammenhang zwischen der DNA und der Intelligenz her und suggeriert damit irgendwie eine genetische Grundlage der Intelligenz. Aber wie kann die Phenylketonurie ein Hinweis auf die Erblichkeit der Intelligenz in einer Population sein, in der die Mutation überhaupt nicht vorkommt?42 Weder gibt es ein Gen für mentale Retardierung bei Phenylketonurie noch eines für Photophobie bei Albinismus. Bei der Phenylketonurie gibt es eine genetische Grundlage für eine toxische Konzentration von Phenylketon im Nervensystem; bei Albinismus eine solche für fehlendes Pigment in der Iris. Mentale Retardierung und Photophobie sind reine Nebeneffekte eines medizinischen Zustandes. Die Erwähnung der beiden Erkrankungen in einem Buch über Verhaltensgenetik hat offenbar nur einen Zweck: den Eindruck der molekulargenetischen Begründbarkeit von Verhalten und psychischen Eigenschaften hervorzurufen. Plomins Technik beim Hervorrufen falscher Eindrücke ist besonders schön bei einem Kommentar zu beobachten, den er zu einem Artikel in der Zeitschrift nature schrieb, um sein Hauptanliegen zu fördern, uns eine molekulargenetische Grundlage der Intelligenz nahe zu bringen. In jenem Artikel (Deary et al., 42 Vernünftigerweise berücksichtigt man bei einer Erblichkeitsuntersuchung für die Intelligenz nicht die Träger der Mutation, die zur Phenylketonurie führt.

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2012) legten die Autoren dar, dass 24 % der Variation der Änderung der kognitiven Fähigkeit (Intelligenz) von der Kindheit (11 Jahre) bis ins hohe Alter (65, 70 und 79 Jahre) durch genetische Unterschiede erklärt werden kann, gemessen in Form von SNP Abfolgen (s.S. 23). In derselben Ausgabe von nature wird der Artikel von Plomin (2012) kommentiert. Plomin beginnt mit einem Zitat von Galton: »Man kann dem Schluß nicht ausweichen, dass genetische Faktoren (nature) in enormem Maße Umweltfaktoren (nurture) dominieren.« Er erinnert uns an die strittige nature-nurture Debatte und bezieht sich sodann auf den Deary et al. Artikel mit der Bemerkung, dass dieser wohl nun das Ende der Debatte markiere, da in ihm molekulargenetische und nicht quantitativ genetische Daten präsentiert werden. Da wir Plomin als einen der entschiedensten Vertreter der Annahme eines hohen Maßes von Erblichkeit der Intelligenz kennen, erwarten wir nun, dass die Debatte im Sinne Galtons entschieden ist, und Plomin versucht die Dinge auch ganz in diesem Sinne darzustellen. Nachdem er kurz die Ergebnisse der Deary et al. Studie präsentiert, kommt er zu dem Problem der Erblichkeit der Intelligenz zurück mit Formulierungen wie »die Deary et al. Untersuchung enthält entscheidende Hinweise zur Lösung des Problems der fehlenden Erblichkeit«43 oder dass die Untersuchung »nicht ganz das Ende der nature-nurture Kontroverse bedeutet, aber zumindest den Anfang vom Ende.« So sollen wir nun den Eindruck haben, die Kontroverse um die Erblichkeit der Intelligenz werde in Kürze zugunsten Galtons (und Plomins) entschieden. Nun sagt die Deary et al. Studie aber überhaupt nichts über die Erblichkeit der Intelligenz. Wie erwähnt handelt sie von genetischen Faktoren, die der Änderung der Intelligenz über das Lebensalter (von 11 bis 65, 70 oder 79 Jahren) zugrunde liegen. Bei den Ursachen der Änderung über diese lange Zeitspanne ist aber vor allem an Altersdegenerationsprozesse zu denken, von denen seit langem bekannt ist, dass sie teilweise eine genetische Grundlage haben. So sind die genetischen Unterschiede, die 24 % der Varianz in der Änderung der Intelligenz über das Lebensalter erklären eben jene, die für die Degenerationsprozesse mitverantwortlich sind und sagen über die Erblichkeit der Intelligenz überhaupt nichts aus. Die neueste Variante im Verwirrspiel um die Erblichkeit der Intelligenz präsentiert Andy Coghlan (2012). Forscher an der Universität von Kalifornien, Los Angeles, fanden ein Gen, dessen Mutation zu einer Verkleinerung des Hirngewichtes und in der Folge zu einer Verringerung der Intelligenz um 1,29 Punkte führt. Ganz wie bei der Phenylketonurie ist die Reduktion Folge eines (in diesem Falle allerdings unerheblichen) pathologischen Zustandes und das Gen trägt in keiner Weise zu unserem Wissen über die Erblichkeit der Intelligenz bei, 43 Gemeint sind die bisher allesamt negativen Ergebnisse der molekulargenetischen Untersuchungen zur Erblichkeit der Intelligenz.

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da diese sich ja auf Menschen bezieht, die nicht Träger der Mutation sind. Dennoch präsentiert Coghlan das Ergebnis so, als ginge es um die Erblichkeit der Intelligenz. Wir lernen z. B., dass »es wenig umstritten ist, dass Genetik einen großen Teil der Variation der Intelligenz der Menschen erklärt«, ganz so als habe es die heftige Debatte über die Validität quantitativ genetischer Daten nicht gegeben. Der gefundene Effekt, eine Reduktion der Intelligenz als Folge der Mutation, wird uns präsentiert als »… die bisher beste Evidenz dafür, dass ein einzelnes Gen den IQ steigern kann…«, was uns die Dinge offenbar so erscheinen lassen soll, als hätten wir es mit einer normalen Population zu tun, bei der Menschen mit einer bestimmten Genvariante (in Wirklichkeit alle Personen, die nicht Träger der Mutation sind) etwas klüger als die anderen sind. So gesehen ist dann das mutierte Gen der Normalfall und das nicht mutierte ist eine Variante eines normalen Gens, das die Intelligenz steigert. Nach dieser (merkwürdigen) Logik haben wir es dann bei der gefundenen Mutation nicht mit einem (milden) pathologischen Zustand zu tun, bei dem das Hirngewicht reduziert ist, sondern es ist endlich ein Gen identifiziert worden, das an der Erblichkeit der Intelligenz beteiligt ist. Man fragt sich, ob dergleichen Unsinn, ebenso wie der Unsinn des Albinismus als Pleiotropie, der Phenylketonurie als Hinweis auf die Erblichkeit der Intelligenz, oder der Erblichkeit der Änderung der Intelligenz über das Lebensalter als Zeichen der Erblichkeit der Intelligenz, von den Autoren tatsächlich geglaubt wird, oder ob es sich um gezielte Irreführungen in Ermangelung valider molekulargenetischer Evidenz für die Erblichkeit der Intelligenz handelt. Nach allem, was das Forschungsgebiet in über 100 Jahren an Unseriösem produziert hat müssen wir uns diese Frage in der Tat stellen.

Zusammenfassung und Kommentar Unter normalen wissenschaftlichen Bedingungen, und das sind solche, bei denen wir uns auf ein Minimum an Seriosität bei der Präsentation von Daten verlassen können, hätte dieses Buch recht kurz sein können (ein Artikel hätte gereicht), gerade so lang wie sein erster Teil. Es ist wissenschaftlich eindeutig, dass Erblichkeitskoeffizienten in höchstem Maße populationsspezifisch sein müssen, d. h. dass die ermittelten Werte fast den gesamten Bereich von 0,0 bis 1,0 überdecken und dass Erblichkeitskoeffizienten praktisch nichts über die Änderbarkeit der geistigen Leistungsfähigkeit mittels sozialer Maßnahmen aussagen können. Beides gilt selbstverständlich auch für molekulargenetisch ermittelte Erblichkeitswerte, bei denen allerdings, wie erwähnt, bisher überhaupt noch keine Hinweise auf eine substantielle Erblichkeit der Intelligenz gefunden wurden. Allein die Populationsspezifität und die Unabhängigkeit von Erblich-

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keit und Änderbarkeit reichen aus, die Forschung auf diesem Gebiet einzustellen. Welchen Sinn soll es machen, Erblichkeitskoeffizienten zu bestimmen, wenn man ohnehin weiß, dass je nach Umweltvariabilität beinahe beliebige Werte vorkommen können und die Koeffizienten den einzigen erkennbaren Zweck ihrer Bestimmung, das Ausmaß der Änderbarkeit einer Variablen abzuschätzen, gar nicht erfüllen können? Dennoch herrscht in einer breiten Öffentlichkeit und auch in weiten Bereichen der Wissenschaft der Eindruck vor, die Frage nach der Erblichkeit der Intelligenz mache Sinn und sei im Sinne einer hohen Erblichkeit der Intelligenz bereits beantwortet. Um diese Diskrepanz zu verstehen, ist der zweite (und längere) Teil des Buches angefügt worden. Er soll zeigen, in welchem Maße ideologische oder ganz allgemein unwissenschaftliche Aspekte bis hin zu purer Inkompetenz (siehe Eysenck) die Diskussion beeinflusst haben. Zwar ist die Wissenschaft generell gegen dergleichen Einflüsse nicht immun, aber im Allgemeinen kennt sie Kriterien, nach denen sich früher oder später doch ein klares Bild ergibt. In dem Wissenschaftszweig, der von der Erblichkeit der Intelligenz handelt, ist dies aber, zumindest bisher, nicht der Fall. Die Situation muss hier als chaotisch bezeichnet werden in dem Sinne, dass jeder, der eine wissenschaftlich unbegründete Meinung zum Thema hat, in der angenommenermaßen wissenschaftlichen Literatur eine Bestätigung für diese Meinung finden kann, d. h. dass zum Thema jeder anscheinend auch wissenschaftlich denken kann was er will. Ich sehe vor allem zwei Gründe für diese Situation. Der eine liegt im Thema selbst, der alten Frage nach der Rolle von Anlage und Umwelt bei menschlichen psychischen Eigenschaften, eine Frage, die weltanschauliche Überzeugungen berührt und deren Beantwortung deshalb je nach weltanschaulicher und damit oft auch politischer Überzeugung verschieden sein kann. Vor allem seit Jensens Artikel von 1969 war es die Verquickung der Frage mit politischer Ideologie (Betonung der Bedeutung der Umwelt: politisch links; Betonung der Bedeutung der Erblichkeit: politisch rechts), die der Debatte ihre Schärfe gab und bewirkte, dass nur scheinbar wissenschaftliche Argumente ausgetauscht wurden, während es sich in Wirklichkeit um eine ideologische Kontroverse handelte, die wissenschaftlich völlig steril blieb. Für die vorwissenschaftliche Annahme einer hohen Erblichkeit der Intelligenz bedarf es allerdings nicht unbedingt einer dahinter stehenden Ideologie. Die Annahme, dass Persönlichkeitseigenschaften erblich sind, ganz so wie körperliche, ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit. Ihre Ideologisierung in Form des Glaubens an eine Dominanz des Biologischen über das Psychologische und Kulturelle hat sicher zu ihrer Verfestigung beigetragen, in den letzten Jahrzehnten unterstützt durch die Popularisierung der Anwendung der Evolutionstheorie auf psychische und soziale Prozesse beim Menschen (siehe Velden, 2012). In einem solchen ideologischen Klima werden Ansichten wie die der

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hohen Erblichkeit der Intelligenz häufig gar nicht mehr als vorwissenschaftlich erkannt und sind dementsprechend schwer zu korrigieren. Eine solche Korrektur verlangt deshalb besonders strikte und eindeutige wissenschaftliche Kriterien, die allein in der Lage sind, das Denken in eine neue Richtung zu zwingen. Womit wir zum zweiten Grund für die unbefriedigende Situation wissenschaftlicher Beliebigkeit beim Thema »Erblichkeit der Intelligenz« kommen, dem bereits mehrfach erwähnten Mangel an solchen Kriterien in dem Wissenschaftszweig, der sich mit dem Thema befasst. Zwar schließt die ungeheuere Komplexität des Gegenstandes der Psychologie (psychische Eigenschaften und Prozesse) Eindeutigkeit im Sinne einer Naturwissenschaft zumeist aus (z. B. kann es eine exakte, allgemein verbindliche Definition von Intelligenz nicht geben), beim vorliegenden Thema hat die allgemeine Unverbindlichkeit des Denkens allerdings dazu geführt, dass die Möglichkeit einer verbindlichen Klärung des Problems nicht genutzt, vielleicht auch gar nicht erkannt wurde. Wie wir gesehen haben besteht diese Klärung allerdings nicht in einer Entscheidung über ein bestimmtes Ausmaß der Erblichkeit der Intelligenz (oder auch nur einen einigermaßen verbindlichen Bereich), sondern darin, dass es apriori gar kein bestimmtes Maß der Erblichkeit der Intelligenz geben kann, dass die Frage nach dem Ausmaß der Erblichkeit der Intelligenz sozusagen falsch gestellt ist. Dies geht aus einer sorgfältigen Analyse der Bedeutung der Aufteilung der phänotypischen Varianz (Formel (4), S. 12) in Verbindung mit der Definition des Erblichkeitskoeffizienten (Formel (7), S. 16) eindeutig hervor.44 Über eine solche Analyse hätte vor langer Zeit das Projekt der Bestimmung der Erblichkeit der Intelligenz als hirntot erklärt und viel Geld, Zeit und Mühe gespart werden können. Zur desolaten Lage des Faches beigetragen haben natürlich auch die vielfältigen, irreführenden Interpretationen von Daten und Fakten mit dem Ergebnis dass der Anschein einer genetischen Bedingtheit mentaler Eigenschaften und Funktionen aufrechterhalten wird. Wer sich eine Besserung der Verhältnisse durch molekulargenetische Untersuchungen erhofft hatte, sieht sich getäuscht. Obwohl die Daten keinerlei Hinweis auf die Erblichkeit der Intelligenz enthalten45 wird der Eindruck vermittelt, es gebe dennoch deutliche Hinweise auf eine solche Erblichkeit, gar eine besonders hohe (z. B. Plomin, 2012). Es ist wahrscheinlich müßig, sich zu fragen weshalb das Forschungsgebiet über die Erblichkeit der Intelligenz in einem solchen Maße von Unseriosität 44 Zugleich geht die im Kontext bedeutsame Tatsache der Unabhängigkeit von Erblichkeit und Änderbarkeit ebenfalls eindeutig aus der Analyse der Bedeutung der Definition des Erblichkeitskoeffizienten hervor (s.S. 16). 45 Weniger als 1 % genetisch bedingte Varianz, dazu noch in nichtreplizierten Untersuchungen, kann nicht als ein solcher Hinweis gelten.

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geplagt ist.46 Es ist aber äußerst wichtig zu wissen, dass dies so ist, denn nur auf dem Hintergrund dieses Wissens kommt der Leser zum einzig vernünftigen Schluss, sich selbst ein eigenes Urteil bilden zu müssen. Ich hoffe es ist mir in diesem Buch gelungen, ihm dazu ein wenig Hilfestellung zu geben.

46 Der Genetiker Richard Lewontin bescheinigte dem ganzen Forschungsgebiet »Sorglosigkeit, Schäbigkeit und intellektuelle Unredlichkeit« (carelessness, shabbiness and intellectual dishonesty ; Lewontin, 1975, S. 402), ein Urteil, das er heute, 40 Jahre später, in Anbetracht des oben Beschriebenen wahrscheinlich nicht zurücknehmen würde.

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Register

Agronomie 9 Albinismus 58 Burt, C. 37 – 40 Covariation (Anlage/Umwelt) 12, 54 Darwin, C. 32,33, 42 Davenport, C. 33 DNA (desoxyribo nucleic acid, Desoxyrobonukleinsäure) 7, 23 Einwanderung 35 – 37 eleven plus (11+) 37 – 42 Erblichkeitskoeffizient – Allgemeinverbindlichkeit, Populationsspezifität 15 – 19 – Beziehung zu Änderbarkeit eines Merkmals 19 – 22 – Definition 12 – Validität 13 – 15 – Zweck der Bestimmung 16, 18 – 22 Eugenik 32 – 35 Evolutionspsychologie 44, 62 Eysenck, H.J. 48 – 55 Falconer, D.S. 14, 15 Faktorenanalyse 37, 47 Fisher, R. 14 Galton, F. 29 – 33 g-Faktor 37, 38, 47, 48 Gottesgen (GODgene) 56 Hamer, D. 56 Hebb, D.O. 11 Herrnstein, R. 35, 36 homo sapiens 16, 21 Homosexualitätsgen 56 Immigration 35 – 37

Intelligenz – Definition 37 – und Hirngröße 42, 45 – 47 – Struktur 37, 47 – Vorhersagekraft 41, 42 Interaktion – statistische 11 – Anlage/Umwelt 11, 12, 52 – 54 Jensen, A. 44 – 48 Kamin, L. 39 Kitcher, P. 56 Lewontin, R. 47, 64 Mackintosh, N.J. 39 Molekulare Verhaltensgenetik – Gottglaube 56 – Homosexualität 56 – Intelligenz 23 – 25 Mutationen 58 – 60 Naturwissenschaft 7 Neisser, U. 44, 56 Phänotyp/Genotyp 10, 58 Phänotypische Variation (Aufteilung) 10 – 12 Phenylketonurie 59 Pioneer Fund 43, 48, 56 Pleiotropie 58 Plomin, R. 23, 24, 57 – 60 Quantitative Genetik 9 – 13 Rassenunterschiede 42 – 46, 48, 49, 55 Rassismus 42 – 48, 55 Regressionseffekt – Definition 30, 31 – bei Eysenck 50 – 52

70 – bei Galton 29 – 32 Rushton, P. 43, 44, 48 Samelson, F. 39, 55 Sarrazin, T. 27, 36 Schwachsinn (feeblemindedness) 34 SNPs (single nucleotide polymorphisms) 23

Register

Spearman, C. 37, 47 Tucker, W.H. 42, 48 Verdinglichung (reification) 47 Verhaltensgenetik 7, 56 Züchtung, Züchtungserfolge 9, 19 Zwangssterilisierung 33, 34 Zwillingsuntersuchungen 13 – 15