Hinkende Rechtsverhältnisse im internationalen Familienrecht [1 ed.] 9783428418442, 9783428018444

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Hinkende Rechtsverhältnisse im internationalen Familienrecht [1 ed.]
 9783428418442, 9783428018444

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 76

Hinkende Rechtsverhältnisse im internationalen Familienrecht

Von

Kristian Dorenberg

Duncker & Humblot · Berlin

KRISTIAN DORENBERG H i n k e n d e Rechtsverhältnisse i m internationalen Familienrecht

Schriften zum ö f f e n t l i c h e n Band 76

Recht

Hinkende Rechtsverhältnisse i m internationalen Familienrecht

Von

Dr. Kristian Dorenberg

D U N C K E R

& H U M B L O T

/

B E R L I N

Alle Rechte vorbehalten © 1968 Duncker & Humblot, Berlin 41 Gedruckt 1968 bei Buchdruckerei Bruno Luck, Berlin 65 Printed in Germany

Vorwort Die Arbeit behandelt die Entstehung und die Rechtsfolgen solcher Ehen, Scheidungen und Kindschaftsverhältnisse, deren internationale Gültigkeit räumlich begrenzt ist. Da die Zahl der Ehen und der sonstigen familienrechtlichen Beziehungen zwischen Deutschen und Ausländern ständig steigt, besonders infolge von Gastarbeiterbeschäftigung, Ausländerstudium und Auslandstourismus, haben diese Erscheinungen erhebliche Bedeutung für die Rechtsprechung und die Verwaltungspraxis. Für Richter, Verwaltungsbeamte und Wissenschaftler, die i n ihrer praktischen Arbeit häufig m i t Familienrecht und internationalem Privatrecht befaßt sind, w i r d vor allem der Besondere Teil der Arbeit von Interesse sein. Er stellt umfassend die Rechtsprechung und Literatur — häufig m i t rechtsvergleichenden Hinweisen — zu den zahlreichen Einzelfragen der hinkenden Rechtsverhältnisse i m internationalen Familienrecht dar. Bei der hinkenden Ehe sei vor allem auf die Übersichten zu ihrer Entstehung, zur Ehelichkeit bzw. Legitimation von Kindern, zum Erbrecht der Ehegatten und zum Scheidungsstatut, bei der hinkenden Scheidung auf die Darstellung der Privatscheidungsfälle und auf die Erörterungen zur Wiederheirat eines hinkend geschiedenen Ehegatten hingewiesen. Die theoretische Bedeutung der Arbeit beruht auf ihren methodischen Grundlagen und auf ihren Ergebnissen zum sogenannten Vorfragenproblem. Das Vorfragenproblem stellt eines der großen und bisher nicht geklärten Probleme des IPR dar. Die Untersuchung der hinkenden Rechtsverhältnisse — nur bei ihnen entfaltet das Vorfragenproblem praktische Bedeutung — führt dazu, es nicht zu „lösen", sondern als i m Ansatz verfehlt aufzugeben und durch konkrete, dem Einzelfall angepaßte Fragestellungen zu ersetzen. Hand i n Hand damit geht eine methodische K r i t i k an der Betrachtungsweise, aus der das Vorfragenproblem entstanden ist. Sie ist, wie die Untersuchungen zeigen, zu abstrakt, zu rechtstechnisch und stellt das Forum zu sehr i n den Mittelpunkt; die den hinkenden Rechtsverhältnissen und wohl auch sonst dem IPR adäquate Betrachtungsweise muß konkret, sachnormnah und synoptisch sein. Kristian

Dorenberg

Inhaltsverzeichnis Einleitung Begriffe und methodische Grundlagen I. Zum Thema

15

I I . Geschichte des Begriffs „Hinkende Rechtsverhältnisse"

15

I I I . Begriffsbestimmung

16

I V . Synoptische Betrachtung eines hinkenden Rechtsverhältnisses

17

V. Schwerpunktstaaten

18

V I . Abgrenzungen

20

1. 2. 3. 4. 5.

Hinkende Rechtsgeschäfte Hinkende Formgültigkeit und hinkende Geschäftsfähigkeit „Hinkende Tatsachen" Gespaltene Rechte Selbständige Rechtsverhältnisse und bloße Teile von Rechtsverhältnissen 6. Inhaltlich unterschiedlich ausgestaltete Rechtsverhältnisse

V I I . Methode

20 21 21 22 22 23 23

1. Rechtstechnik und Rechtsfindungsprozeß 2. Synoptische Betrachtung internationalprivatrechtlicher Fälle . . 3. Zusammengesetzte Normen Besonderer

24 24 27

Teil

Die Einzelfragen zur hinkenden Ehe, zur hinkenden Scheidung und zum hinkenden Kindschaftsverhältnis

A. Allgemeines I. Die Fragestellungen

29 29

I I . Zur Argumentation

31

B. Die hinkende Ehe

32

nsverzeichnis Dil Entstehung hinkender Ehen 1. Konflikte über die Form der Eheschließung a) Konflikte zwischen religiöser und Ziviltrauung aa) Hinkende Zivilehen b) c) d) e) f) g) h) i)

32 33 33 34

bb) Hinkende kirchliche Ehen

37

Hinkende Common-Law-Ehen Hinkende konsularische Eheschließungen Hinkende Not- und Soldatentrauungen Hinkende Handschuhehen Hinkende Ehen wegen des Aufgebots Völkerrechtlicher Sonderfall Hinkende Ehen wegen unterlassener Registrierung Hinkende Ehen wegen systemwidriger Rechtsfolgenzuweisung

41 42 42 43 44 45 45

2. Konflikte über die sachliche Ehegültigkeit a) Die Konfliktsmöglichkeiten im Kollisionsrecht b) Sachrechtliche Divergenzen und die damit möglichen hinkenden Ehen aa) Wegen der Ehemündigkeit bb) Wegen der Zustimmung von Eltern und anderen gesetzlichen Vertretern, bes. Gretna-Green-Ehen cc) Wegen anderer Fragen der Willensbildung dd) Wegen Eheverboten ee) Wegen unterschiedlicher Rechtsfolgenregelung

46 46 46 48 49 49 50 51 58

3. Hinkende Ehen als sekundäre hinkende Rechtsverhältnisse

58

4. Zusammenfassung — Die Vermeidung hinkender Ehen

59

Di< Rechtsfolgen hinkender Ehen 1. 2. 3. 4. 5.

Fallbehandlungstechnik Die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe Die Namensfolgen Die Staatsangehörigkeitsfolgen Güterrechtliche Wirkungen

6. Wirkungen einer hinkenden Ehe auf eine zweite Ehe 7. Emanzipation von der elterlichen Gewalt 8. Schutz der Ehe durch das Zivil- und Strafrecht 9. Die eheliche Abstammung der Kinder

61 62 63 64 65 66 66 69 69 70

a) Hinkende Inlandsehe

71

b) Der Stand der Meinungen c) Hinkende Auslandsehe d) Der Stand der Meinungen

71 73 78

nsverzeichnis 10. Die Legitimation vorehelicher Kinder a) Hinkende Inlandsehe b) Hinkende Auslandsehe 11. Das gesetzliche Ehegattenerbrecht

82 83 84 85

a) Hinkende Inlandsehe

85

b) Der Stand der Meinungen

87

c) Hinkende Auslandsehe

88

d) Der Stand der Meinungen

90

12. Die Wirkung des § 2077 BGB

92

13. Die Scheidung hinkender Ehen

92

a) Hinkende Inlandsehe

92

b) Hinkende Auslandsehe

93

14. Die Rechtsfolgen hinkender Ehen im öffentlichen Recht

95

a) Strafrecht

95

b) Steuerrecht

96

c) Entschädigungsrecht

97

15. Zusammenfassung

97

I I I . Die Regelung der Rechtsfolgen der hinkenden Ehe 1. Die Regelung der persönlichen Rechts Wirkungen 2. Die Regelung der güterrechtlichen Wirkungen

98 98 102

3. Eheliche Abstammung und Legitimation

103

4. Die Regelung der Namensfolgen

103

5. Die Regelung der Scheidung

103

a) Bei scheidungsfeindlichem Scheidungsrecht

104

b) I n den sonstigen Fällen

105

6. Die Regelung der Nichtigerklärung

106

7. Zusammenfassung

107

C. Das Rechtsverhältnis

der hinkenden Scheidung

I. Die Entstehung hinkender Scheidungen 1. Die Abwehrkonflikte

108 109 111

a) Mit scheidungsfeindlichen Staaten

111

b) Wegen ausschließlicher internationaler Zuständigkeit c) Wegen des Erfordernisses der Gegenseitigkeit

114 116

2. Die Regelungskonflikte

116

a) Wegen mangelhafter Beziehung des Scheidungsstaates zum Scheidungsfall 117

10

nsverzeichnis b) Wegen des scheidenden Organs aa) Privatscheidungen

120 121

α) Deutsche im Ausland

121

β) Privatscheidungen in Deutschland

123

bb) Scheidungen durch geistliche Instanzen

124

c) Wegen der Scheidungsgründe

125

aa) Privatscheidungen bb) Grundlose Urteilsscheidungen cc) Nicht ausreichend begründete Urteilsscheidungen d) Wegen Verfahrensmängeln

125 126 126 127

3. Zusammenfassung I I . Die Rechtsfolgen hinkender Scheidungen

129 129

1. Die Auflösung der Ehe

130

2. Güterrechtliche Wirkungen

130

3. Unterhaltspflichten unter Geschiedenen

130

4. Fortfall des Ehegattenerbrechts

131

5. Wirkung des § 2077 BGB

133

6. Auswirkungen auf den Namen

133

7. Eheliche Abstammung nach der Scheidung geborener Kinder . . 134 8. Wirkungen im öffentlichen Recht

136

9. Wiederheirat nach hinkender Scheidung

137

a) Die im Forumstaat wirksame, im Heimatstaat des Geschiedenen unwirksame Scheidung 138 aa) Die Nachteile der Wiederheirat bb) Die Schattenseiten des Heiratsverbots cc) Abwägung

139 142 144

dd) ee) ff) gg) hh)

144 147 148 148 150

Das Staatsangehörigkeitsprinzip Die Frage der Rechtskraft § 10 I I EheG Problemlösung durch Anpassung der Betroffenen Der Stand der Meinungen

b) Die im Forumstaat und im Heimatstaat des Geschiedenen wirksame, im Heimatstaat des anderen Verlobten unwirksame Scheidung 152 c) Vorschläge de lege ferenda

154

d) Stellungnahme zur geschehenen Wiederheirat

155

10. Die Scheidung hinkend geschiedener Ehen

157

11. Zusammenfassung

159

nsverzeichnis I I I . Die Regelung der Rechtsfolgen bei der hinkenden Scheidung

159

D. Hinkende Kindschaftsverhältnisse

161

I. Die Entstehung

161

1. Primäre und sekundäre hinkende Kindschaftsverhältnisse

161

2. Hinkende eheliche Abstammung

162

3. Hinkende Legitimation

164

a) Durch Ehelichkeitserklärung b) Durch nachträgliche Eheschließung

164 165

4. Hinkende Adoption

165

I I . Die Rechtsfolgen hinkender Kindschaftsverhältnisse 1. Personensorgerecht Kindes

der

Eltern und Unterhaltsanspruch

166 des 166

2. Erbrecht

166

3. Eheverbote

170

4. Strafrechtliche Wirkungen

170

5. Steuerrecht, Entschädigungsrecht

171

6. Staatsangehörigkeitsfolgen

171

7. Namensfolgen

172

8. Registrierung in den Personenstandsregistern

172

9. Zusammenfassung

174

I I I . Die Regelung der Rechtsfolgen bei hinkenden Kindschaftsverhältnissen 174 Allgemeiner

Teil

Die Konsequenzen für die allgemeinen Lehren des IPR, insbesondere für die Lehre von der Vorfrage I. Die Entstehung und die Vermeidung hinkender Rechtsverhältnisse 177 1. Primäre hinkende Rechtsverhältnisse a) Entstehung b) Vermeidung 2. Sekundäre hinkende Rechtsverhältnisse

178 178 179 180

I I . Die Rechtsfolgen hinkender Rechtsverhältnisse und das Vorfragenproblem 181 1. Die Lehre von der Vorfrage a) Geschichte der Vorfragenlehre b) Der Begriff der Vorfrage

182 182 183

nsverzeichnis

12

c) Nachfragen, Teilfragen und Erstfragen d) Das Vorfragenproblem e) Der Meinungsstand zur Lösung des Vorfragenproblems

187 189 192

2. Die Rechtsfolgenfrage bei hinkenden Rechtsverhältnissen und das Vorfragenproblem 194 3. Allgemeine Grundsätze für die Beantwortung der Rechtsfolgenfrage 196 4. Kritische Stellungnahme zur Vorfragenlehre 199 I I I . Die Regelungsfrage

202

Literaturverzeichnis

203

Abkürzungsverzeichnis a.a.O. AB GB abl. Abs. AcP a. E. AG A11ER a. M. Art. BayObLG BayOblG Ζ BGB BGH BGH Ζ Β. v. C. A. Cc. Ch. Ch. D. Clunet DAmtsV DuF

EGBGB EheG FamRZ FG FGG FS Fn. hans. h. M. HRR IPR IPRspr. iran. Jher. Jb. JR

am angegebenen Ort Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch ablehnend Absatz Archiv für civilistische Praxis am Ende Amtsgericht A l l England Law Reports anderer Meinung Artikel Bayerisches Oberstes Landesgericht Entscheidungen des BayObLG in Zivilsachen Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des B G H in Zivilsachen Beschluß vom Court of Appeal Code civil. Codigo civil. Codice civile. Chancery Chancery Division Journal du Droit International Der Amtsvormund Das internationale Familienrecht Deutschlands und Frankreichs, 1955, hrsg. Gesellschaft für Rechtsvergleichung und Société de Legislation Comparò Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Ehegesetz Ehe und Familie, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Festgabe Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Festschrift Fußnote hanseatisch herrschende Meinung Höchstrichterliche Rechtsprechung Internationales Privatrecht Die deutsche Rechtsprechung auf dem Gebiet des internationalen Privatrechts iranisch Jherings Jahrbücher für die Dogmatik des Bürgerlichen Rechts Juristische Rundschau

14 JuS JZ JW K. B. KG Komm. LG Ii. Sp. LM

Abkürzungsverzeichnis

Juristische Schulung Juristenzeitung Juristische Wochenschrift King's Bench (Law Reports) Kammergericht Kommentar Landgericht linke Spalte Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofes LQR Law Quarterly Review LZ Leipziger Zeitschrift m. mit m. a. W. mit anderen Worten MDR Monatsschrift für Deutsches Recht m. w. Nwen. mit weiteren Nachweisen NJW Neue Juristische Wochenschrift Nwe. Nachweise ÖOGH Oberster Gerichtshof (Österreich) OLG Oberlandesgericht OLGE Die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auf dem Gebiet des Zivilrechts OLGPräs Oberlandesgerichtspräsident RabelsZ Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht, begründet von Ernst Rabel Rdnr. Randnummer Recueil des Cours Académie de Droit International, Recueil des Cours r. Sp. rechte Spalte RevCrit Revue critique de droit international privé RG Reichsgericht RGBl Reichsgesetzblatt Rvgl. Rechtsvergleichend RVH Rechtsvergleichendes Handwörterbuch für das Zivil- und Handelsrecht, Hrsg. Schlegelberger, 6 Bde., Berlin 1929—1936 RevHell Revue hellénique de droit international sec. section StAZ Das Standesamt, Zeitschrift für Sandesamtswesen Übl. Überblick u. ä. und ähnliches u. E. unseres Erachtens U. v. Urteil vom Vorb. Vorbemerkung ZPO Zivilprozeßordnung

Einleitung

Begriffe und methodische Grundlagen I. Z u m Thema

I m Jahre 1948 schrieb Rabel i n einem Aufsatz: „ I t is a custom i n w r i t ing about ,conflict of laws', to start w i t h censuring the ineptitude of this title and the mendacity of that other name, ,private international law 4 . The American Restatement, evidently moved by similar scruples, chose the title of ,The law of the conflict of laws'. I have admired the amplitude of this expression but have found out that for my purpose more words are needed, namely: The conflict of the laws of the conflict of laws. This still does not bring out that there is more conflict than law i n the subject-matter 1 ." Eines der besten Beispiele für die Wahrheit dieser bitter-ironischen Bemerkung sind leider die hinkenden Rechtsverhältnisse, und hier vor allem die des Familienrechts. Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist es, die auf diesem Gebiet vorkommenden „conflicts of the laws of conflict of laws" zusammenzustellen, die dabei — bei der Entstehung und bei den Rechtsfolgen hinkender Rechtsverhältnisse i m Familienrecht — auftretenden Probleme zu beschreiben und gewisse Lösungen vorzuschlagen, die zwar i m theoretischen Ansatz etwas ungewöhnlich sein mögen, die uns aber geeignet erscheinen, den Anteil des „conflict" i n diesem Gebiet zugunsten des „ l a w " zu verringern. Zusammen m i t der Entstehung der hinkenden Rechtsverhältnisse sind zugleich die Möglichkeiten zu ihrer Vermeidung darzustellen. Bei ihren Rechtsfolgen sind zwei Fragen zu beantworten: 1. Haben sie dieselben Rechtsfolgen wie die nicht-hinkenden Rechtsverhältnisse? und 2. Sind dieselben Rechte zur Regelung der einzelnen Rechtsfolgen berufen wie bei jenen? Die erste Frage w i r d zu einer kritischen Uberprüfung der Lehre von der Vorfrage führen. I I . Geschichte des Begriffs „Hinkende Rechtsverhältnisse"

Den Begriff des hinkenden Rechtsverhältnisses verdanken w i r F. Endemann. Vor nunmehr über 50 Jahren veröffentlichte er i n der Juristischen Wochenschrift einen Aufsatz, dessen Inhalt heute weithin ver1

Gesammelte Aufsätze Bd. I I S. 430.

16

Einleitung

gessen ist, der aber dennoch immer wieder i n Kommentaren und Lehrbüchern zitiert wird, und zwar wegen eines Begriffs, den Endemann für diesen Aufsatz geschaffen und durch i h n i n die Rechtswelt eingeführt hat, den Begriff „matrimonium claudicane" 2 . Der Aufsatz hatte jene unerfreuliche Konsequenz des A r t . 13 I I I EGBGB zum Gegenstand, daß durch ihn Ehen entstehen, deren Gültigkeit räumlich begrenzt ist. Beispiel: Läßt sich ein Ausländer, dessen Heimatrecht auch für Eheschließungen i m Ausland kirchliche Eheschließung vorschreibt, i n Deutschland nur standesamtlich trauen, wie es A r t . 13 I I I EGBGB zugleich vorschreibt und genügen läßt, so ist er dam i t wohl nach deutschem, nicht aber nach seinem Heimatrecht verheiratet 8 . Läßt er sich andererseits i n Übereinstimmung m i t seinem Heimatsrecht i n Deutschland nur kirchlich trauen, so ist er wohl nach seinem Heimatrecht, auf Grund des Art. 13 I I I EGBGB aber nicht nach deutschem Recht verheiratet 3 . Seine Ehe besteht i m einen Staat, i m anderen nicht; für das so entstandene widersinnige Gebilde einer Ehe m i t nach dem Staatsgebiet begrenzter Gültigkeit, für dieses „gescheckte Rechtsgebilde", wie Endemann es nannte 4 , prägte er den Ausdruck „matrimonium claudicane" — deutsch „hinkende Ehe". Der lateinische Ausdruck geht nicht etwa auf eine Quelle des römischen Rechts zurück, sondern auf die Tradition der Gemeinrechtler, — Endemann hatte seine juristische Ausbildung noch unter dem Gemeinen Recht erhalten — juristische Termini i n lateinischer Sprache zu verwenden. Das Bild, das Endemann m i t seinem Ausdruck verwandte, war treffend und einprägsam. Treffend, weil i n der Tat diese Ehen nur auf einem Bein stehen. I n dem Staat, i n dem sie als gültig betrachtet werden, „stehen" sie, i n dem anderen Staat nicht, obwohl die Gültigkeit i n dem anderen Staat zu ihrem Wesen so nötig gehört wie zwei Beine zu einem gesunden Menschen; hinkende Ehen sind, um i n der Sprache der Medizin zu bleiben, pathologische Fälle der Rechtsanwendung. Wie einprägsam der Ausdruck „hinkende Ehen" war, das beweist seine allgemeine Übernahme i n der Rechtsprechung und Rechtslehre und schließlich seine Ausweitung zum allgemeinen Begriff des hinkenden Rechtsverhältnisses. I I I . Begriffsbestimmung

Als hinkende Rechtsverhältnisse bezeichnet man heute ihrer Natur nach universale Rechtsverhältnisse, deren Existenz i n verschiedenen 2 8 4

Endemann: „Matrimonium claudicans" JW 1914 S. 113—121. Vgl. Bes. Teil Β I 1 a). Endemann a.a.O. S. 114 r. Sp.

IV. Synoptische Betrachtung eines hinkenden Rechtsverhältnisses

17

Staaten oder anderen räumlich getrennten Rechtsordnungen verschieden beurteilt wird 5 . I n der einen Rechtsordnung existieren sie, i n der anderen nicht. Die folgenden Erörterungen beschränken sich auf Konflikte zwischen Staaten. Interlokale Konflikte werden nicht behandelt. I m Zusammenhang mit interpersonalen oder interreligiösen Konflikten ist, soweit ersichtlich, der Ausdruck hinkende Rechtsverhältnisse noch nicht gebraucht worden. W i r wollen auch diese Möglichkeit nicht weiter verfolgen. Ihrer Natur nach universal sind solche Rechtsverhältnisse, deren Natur es fordert, daß ihre Existenz nicht durch Gebietsschranken begrenzt ist. Es widerspricht ihrer Natur, sie i n einer Rechtsordnung als existent zu betrachten, i n einer anderen nicht, m. a. W. m i t ihrem Wesen ist ein räumlich begrenzter Existenzbereich nicht zu vereinbaren. Das hervorstechendste und zugleich praktisch wichtigste Beispiel für universale Rechtsverhältnisse ist die Ehe. Die hinkenden Ehen sind denn auch die wichtigsten und praktisch häufigsten hinkenden Rechtsverhältnisse. Hinkende Rechtsverhältnisse entstehen aber auch außerhalb des Eherechts i n fast allen Rechtsgebieten: i m Kindschaftsrecht (z. B. hinkende eheliche Kindschaft), i m Erbrecht (z. B. hinkende Erbenstellung), i m Sachenrecht (z. B. hinkendes Eigentum), i m Schuldrecht (z. B. hinkende Forderung) usw.; besondere Probleme und einen besonderen Namen haben Rechtsverhältnisse dieser A r t i m Gesellschaftsrecht, wo sie durch Enteignungsmaßnahmen entstehen können, deren Wirksamkeit auf ein bestimmtes Territorium beschränkt ist: man spricht dort von einer „gespaltenen Gesellschaft" 6 . Praktisch besonders problematisch sind hinkende Rechtsverhältnisse, die ihrer Natur nach stark mit anderen Rechtsverhältnissen verzahnt sind, etwa weil viele Personen an ihnen beteiligt sind — so die erwähnten gespaltenen Gesellschaften — oder weil sie ihrer A r t nach die Quelle für viele weitere Rechtsverhältnisse sind — so die hinkenden Rechtsverhältnisse des Familienrechts, an erster Stelle wieder die hinkende Ehe. I V . Synoptische Betrachtung eines hinkenden Rechtsverhältnisses

Man spricht häufig von einem hinkenden Rechtsverhältnis i n der Weise, daß man die Entscheidung des Forums und eines ausländischen Staates gegenüberstellt und sagt „Das Rechtsverhältnis besteht nur i m Inland" oder „Es besteht nur i n diesem Staate des Auslands". Man kann die hinkenden Rechtsverhältnisse, die i m Inland bestehen, hinkende In5 6

Neuhaus GB S. 253. Vgl. Beemelmanns

2 Dorenberg

„Die gespaltene Gesellschaft".

Einleitung

18

landsrechtsverhältnisse nennen, die, die i m Ausland, nicht aber i m I n land bestehen, demgegenüber hinkende Auslandsrechtsverhältnisse. Beispiel : Die i n Deutschland nur standesamtlich geschlossene Ehe zweier Griechen ist für uns eine hinkende Inlandsehe, die i n Deutschland nur kirchlich geschlossene Ehe der beiden Griechen eine hinkende Auslandsehe. Diese Einteilung ermöglicht zwar einen Überblick über die hinkenden Rechtsverhältnisse, reicht aber für eine genaue Beschreibung ihrer Eigenarten nicht aus. Denn sie w i r d der Eigenart der hinkenden Rechtsverhältnisse nicht gerecht. Es bedarf einer differenzierteren Betrachtungsweise, bei der nicht offenbleibt, i n welchem ausländischen Staat das Rechtsverhältnis besteht oder nicht besteht und welche Beziehungen die verschiedenen ausländischen Staaten und das Inland — das Forum — m i t dem Rechtsverhältnis verbinden. Die einfache Gegenüberstellung von Inland und Ausland stellt das Forum zu sehr i n den Mittelpunkt der Betrachtung. I n der Astronomie ist der Begriff des geozentrischen Weltbildes, in der Geschichtswissenschaft der des eurozentrischen Geschichtsbildes eingebürgert. Entsprechend könnte man hier kritisch von einer forozentrischen Betrachtungsweise des Internationalen Privatrechts sprechen. W i r wollen die hier vorgeschlagene Betrachtungsweise i m Gegensatz dazu „synoptisch" nennen 7 . I m Mittelpunkt dieser Betrachtungsweise soll der internationale Sachverhalt m i t allen seinen Verzweigungen stehen, auf dem das hinkende Rechtsverhältnis beruht. Eine adäquate Vorstellung von der Lage bei einem hinkenden Rechtsverhältnis gew i n n t man nur i m gleichzeitigen Uberblick über alle die Staaten, zu denen der Sachverhalt Beziehungen aufweist.

V . Schwerpunktstaaten

Die Staaten, m i t denen der Sachverhalt durch kollisionsrechtlich bedeutsame Beziehungen verbunden ist, sollen i m folgenden Schwerpunktstaaten genannt werden. I n ihnen hat der Sachverhalt seine Schwerpunkte 8 . Die Schwerpunkte, die einen Staat zum Schwerpunktstaat machen, können vielfacher A r t sein: Beziehungen des Subjekts 7

Auch eine Begriffsentlehnung aus einer anderen Wissenschaft, diesmal aus der Kirchengeschichte, wo man von der Synopse des Neuen Testaments spricht. 8 Vom Schwerpunkt eines internationalprivatrechtlichen Falles spricht wohl als erster Otto v. Gierke (Deutsches Privatrecht I S. 217), allerdings in einem etwas anderen Sinne: er meint nicht eine Mehrheit von tatsächlich zum Fall in Beziehung stehenden Staaten, sondern einen einzelnen Staat, mit dem der Fall durch die ideale Anknüpfung verbunden ist.

V. Schwerpunktstaaten

19

wie Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder Aufenthalt eines Menschen oder der Sitz einer juristischen Person, eine Handlung wie der Abschluß eines Vertrages, die Erfüllung einer Verbindlichkeit oder die Verletzung eines Rechtsgutes i m Gebiet des Staates, oder ein Objekt — ein Grundstück oder eine bewegliche Sache —, das i n seinem Gebiet sich befindet, oder schließlich andere, besondere Umstände, z. B. die Verwendung seiner Währung. I n der kollisionsrechtlichen Rechtstechnik dienen diese Umstände als sog. Anknüpfungspunkte (auch Anknüpfungsgrund oder Anknüpfungsmoment genannt) 9 . I m internationalen Familienrecht haben w i r es i n der Regel nur m i t Schwerpunkten, die die Person oder die Handlungen betreffen, zu tun. Die Schwerpunkte, die Sachen betreffen, spielen eine geringere Rolle. Nach der A r t des Schwerpunktes, der einen Staat mit einem Fall verbindet, kann man Staaten, die m i t einer Person, solche, die m i t einer Handlung, und solche, die m i t einer Sache usw. verbunden sind, unterscheiden. Für eine synoptische, territorial ausgerichtete Betrachtungsweise sind diese Unterscheidungen unter den Schwerpunktstaaten von gewisser Bedeutung. W i r werden die Staaten der ersten Gruppe — die m i t der Person durch eine besondere Beziehung wie Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder Aufenthalt verbunden sind — Personalstaaten nennen. Der Ausdruck mag zunächst befremden und Unklarheit über das Verhältnis zum Personalstatut (personal law) hervorrufen. Doch bedarf es dieses Ausdrucks. Personalstaat ist ein m i t einer Person tatsächlich verbundener Staat, Personalstatut ist die von einem bestimmten K o l l i sionsrecht zur Regelung der persönlichen Rechtsverhältnisse berufene Rechtsordnung. Personalstaat ist ein concretum, Personalstatut ein abstractum. Welches Recht der Personalstaat anwendet, ist für seine Eigenschaft als Personalstaat gleichgültig; der Wohnsitzstaat ist Personalstaat, auch wenn er als Personalstatut das Heimatrecht beruft. Entscheidend ist die tatsächliche Beziehung zu einer Person. Personalstaat ist der Oberbegriff zu den drei Begriffen des Heimatstaates, des Wohnsitzstaates und des Aufenthaltsstaates. Es sei gestattet, an dieser Stelle einen weiteren Oberbegriff einzuführen, den w i r später benötigen: das Personalrecht. Personalstatut ist die von einem bestimmten Kollisionsrecht ausgewählte Rechtsordnung zur Regelung der persönlichen Rechtsverhältnisse einer Person. Personalrecht ist eine Rechtsordnung, die bei dieser Rechtswahl i n Frage kommt; das kann das Heimatrecht, das Wohnsitzrecht und das Aufenthaltsrecht sein. Personalrecht ist der Oberbegriff zu diesen drei Rechten. Ihrer Natur nach bezeichnen Personalstatut wie Personalrecht eine Rechtsordnung als abstr actum; Personalrecht ist die zur Rechts wähl i n Frage 9

i*

Vgl. Raape IPR S. 12.

20

Einleitung

kommende, Personalstatut die von einem bestimmten Kollisionsrecht ausgewählte Rechtsordnung. Entsprechend dem Personalstaat wollen w i r den Staat, i n dem ein Rechtsgeschäft, Vertrag usw. vor sich geht, allgemein den Abschlußstaat, speziell für die Eheschließung den Eheschließungsstaat, für die Scheidung den Scheidungsstaat, nennen. Die abstrakte Entsprechung auf der Seite der Rechtsordnung ist das Recht des Abschlußortes. Weiter kann man — für das Familienrecht nicht von Bedeutung — vom Belegenheitsstaat und dem Recht der Belegenheit sprechen. Ein wesentliches Merkmal der hinkenden Rechtsverhältnisse ist, daß die Sachverhalte, aus denen sie entstehen, mehrere Schwerpunktstaaten haben, sei es, daß mehrere Personalstaaten oder ein Personalstaat mit einem Abschluß-(Eheschließungs-, Scheidungs- usw.)-staat nebeneinander oder sei es, daß sonstige Kombinationen von Schwerpunktstaat zusammentreffen. Hinkende Rechtsverhältnisse entstehen, um es mit einem Wort zu sagen, aus internationalen Sachverhalten, und internationale Sachverhalte sind solche, die mehrere Schwerpunktstaaten aufweisen 10 . Für die Betrachtung hinkender Rechtsverhältnisse ist es wesentlich, ihre Lage zwischen allen beteiligten Schwerpunktstaaten zu ermitteln. Es genügt nicht, Forum und Ausland gegenüberzustellen. Die Rolle, in der das Forum beteiligt ist, als bloßes Forum oder zugleich als Schwerpunktstaat und als welcher, ist von Bedeutung; und „das Ausland" darf nicht nur i n der Gestalt eines einzigen Staates, etwa des Heimatstaates, betrachtet werden, sondern muß differenziert und vollständig einbezogen, d. h. auch auf die Stellungnahmen anderer Schwerpunktstaaten, etwa des Wohnsitzstaates, geprüft werden.

V I . Abgrenzungen 1. Hinkende Rechtsgeschäfte

Die hinkenden Rechtsverhältnisse dürfen nicht mit solchen Erscheinungen verwechselt werden, die man i n Anlehnung an Endemanns Ausdruck „hinkende Rechtsgeschäfte" oder allgemein „hinkende Rechtsakte" nennen könnte. Damit sind solche Rechtsgeschäfte und sonstigen Rechtsakte gemeint, die, obwohl ihrer Natur nach auf universale Rechtswirkungen gerichtet, nicht in allen Rechtsordnungen als wirksam anerkannt werden. Das Ergebnis solcher Rechtsgeschäfte sind immer 10 Zu diesem Begriff (internationale Sachverhalte) vgl. Steindorff normen im IPR" S. 24 ff.

„Sach-

V I . Abgrenzungen

21

hinkende Rechtsverhältnisse. Beispiele: Die hinkende Eheschließung auf Grund des Art. 13 I I I EGBGB, die hinkende Ehescheidung, das hinkende Testament, die hinkende Adoption (als Rechtsgeschäft, nicht als daraus resultierendes Rechtsverhältnis), die hinkende Enteignung, der hinkende Vertrag (als Rechtsgeschäft, nicht als Rechtsverhältnis), auch die hinkende Todeserklärung (auch sie hat begrenzte Rechts Wirkungen). Die Ursache dafür, daß Rechtsgeschäfte hinken, liegt oft i n der Verschiedenheit der angewendeten Formvorschriften (z. B. Ortsform — Wirkungsform). Hinken Urteile, so liegt es daran, daß sie außerhalb des erlassenden Staates nicht anerkannt wurden — meist auf Grund des ordre public. 2. Hinkende Formgültigkeit und hinkende Geschäftsfähigkeit

Nicht m i t den hinkenden Rechtsverhältnissen zu verwechseln sind weiter Erscheinungen wie hinkende Formgültigkeit und hinkende Geschäftsfähigkeit. Sie sind rechtliche Eigenschaften eines Rechtsgeschäfts bzw. einer ein Rechtsgeschäft vornehmenden Person. Ihnen kommt, i m Gegensatz zu hinkenden Rechtsgeschäften und auch Rechtsgeschäften keine selbständige rechtliche Existenz zu. Sie sind nur Hilfsvorstellungen, die Begriffe Formgültigkeit und Geschäftsfähigkeit nur Hilfsbegriffe 1 1 , bei der Entscheidung der Frage, ob ein Rechtsgeschäft wirksam und damit ein Rechtsverhältnis entstanden, geändert oder aufgehoben ist. Der Zusammenhang mit hinkenden Rechtsverhältnissen ist wieder der von Ursache und Folge: Hinkende Geschäftsfähigkeit führt i n der Regel zu einem hinkenden Rechtsgeschäft, hinkende Testierfähigkeit zu einem hinkenden Testament und hinkende Formgültigkeit zu einem hinkenden Vertrag. 3. Hinkende Tatsachen

Tatsachen können nicht hinken — i m Rechtssinne —. Ob Tatsachen vorliegen, entscheiden nicht Rechtsnormen, sondern die außerhalb ihrer liegende Welt. Doch gibt es auch hier Zweifelsfälle. Sie entstehen durch die gesetzlichen Tatsachenvermutungen: für die Auswahl der in einem internationalen Sachverhalt maßgeblichen Vermutungsregel gibt es Kollisionsnormen; wenn dieselbe Tatsachenfrage in einem Staat durch eine gesetzliche Tatsachenvermutung so beantwortet wird, i n einem andern Staat anders, und jeder Staat auf Grund der besonderen Lage des Falles seine Vermutungsregel beruft, dann „ h i n k t " die Tatsache. Wichtige Beispiele sind die verschiedenen Todes- und Überlebensvermutungen. 11

Ausdruck von Heck „Begriffsbildung und Interessenjurisprudenz" S. 84.

22

Einleitung 4. Gespaltene Rechte

Sonderfälle hinkender Rechtsverhältnisse sind die sogenannten gespaltenen Rechte und Rechtsverhältnisse. Die Rechtslage bei einem hinkenden Rechtsverhältnis, an dem mehrere Personen beteiligt sind, kann so sein, daß verschiedene Staaten übereinstimmend die eine Position, i n dem Rechtsverhältnis derselben Person zuerkennen, eine andere Position dagegen jeweils verschiedenen Personen. Beispiel: Eine Forderung steht i m Staat A dem X zu, i m Staat Β dem Y. Schuldner ist i n beiden Staaten der S. Die Forderung des X besteht damit nur i m Staat A, die des Y nur i m Staat B. Beide Forderungen hinken, jedoch so, daß es sich bei beiden Gläubigern um dieselbe Forderung handelt. Solche Fälle sind häufig. Jede hinkende Forderungsübertragung begründet eine solche Lage. Ein weiteres Beispiel bietet das hinkende Testament. I n dem Staat, der das Testament als wirksam ansieht, ist der Bedachte Erbe (wir gehen einfach von einer Alleinerbeinsetzung aus), i n dem anderen Staat ist der gesetzliche Erbe Alleinerbe (wir gehen auch hier einfach von einer Alleinerbfolge aus). Das Eigentum an den Nachlaßgegenständen steht i n verschiedenen Staaten verschiedenen Personen zu. Die vielfältigen Rechtsbeziehungen Dritter zu den Erben, besonders i n Form von Forderungen und Schulden, bestehen i n verschiedenen Staaten zu verschiedenen Personen. Fälle, i n denen das Eigentum i n verschiedenen Staaten verschiedenen Personen zusteht, können auch unter Lebenden geschaffen werden, durch hinkende Übereignung, Ersitzung usw. Auch bei anderen absoluten Rechten können solche Lagen entstehen. Immer liegt ein hinkender Übertragungsvorgang zu Grunde, sei er rechtsgeschäftlich (Übereignung), gesetzlich (verschiedene gesetzliche Erbfolgeordnungen) oder anderer A r t (ζ. B. hinkende Enteignungsmaßnahmen).

5. Selbständige Rechtsverhältnisse und bloße Teile von Rechtsverhältnissen

Die hinkenden Rechtsverhältnisse sind schließlich abzugrenzen gegen bloße unselbständige Teile von hinkenden Rechtsverhältnissen. Beschreibt man ein hinkendes Rechtsverhältnis allgemein, so stößt man zwangsläufig auf die Schwierigkeit, einen klaren Begriff davon zu geben, was ein Rechtsverhältnis ist. Man sagt: Rechtsverhältnis ist eine selbständige rechtliche Beziehung. Aber was für eine Beziehung ist selbständig, was für eine nicht? Bilden ζ. B. die rechtlichen Beziehungen, die das Ehegüterrecht betreffen, gemeinsam ein besonderes Rechtsverhältnis, den Güterstand, oder ist der Güterstand ein unselbständiger Teil des Rechtsverhältnisses Ehe? Begründet ein hinkender Ehegüter-

V I I . Methode

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vertrag ein hinkendes Hechtsverhältnis des Güterstandes der Gütergemeinschaft? Wohl nicht. Der Güterstand ist kein besonderes Rechtsverhältnis, sondern nur ein Teil der Rechtsbeziehungen, die i n ihrer Gesamtheit die Ehe ausmachen. Rechtsverhältnisse sind nur solche rechtlich geordneten Beziehungen, denen ein selbständiges außer rechtliches Lebensverhältnis entspricht. Diese Feststellung bedarf einer Einschränkung. Sie gilt nur für Rechtsverhältnisse, die einen Inbegriff von Beziehungen enthalten. Für Rechtsverhältnisse, die nur eine einzige Beziehung zum Inhalt haben, z.B. eine Forderung, gilt sie nicht. Diese Rechtsverhältnisse bedürfen aber auch nicht der Abgrenzung zu ihren unselbständigen Teilen. 6. Inhaltlich unterschiedlich ausgestaltete Rechtsverhältnisse

Keine hinkenden Rechtsverhältnisse liegen i n den Fällen vor, i n denen i n verschiedenen Staaten zwar übereinstimmend eine — gleich oder ähnlich benannte — Rechtsbeziehung besteht, dieselbe aber inhaltlich unterschiedlich ausgestaltet ist. Als Beispiel soll wieder der hinkende Ehegütervertrag dienen. Er erzeugt eine Rechtslage, i n der zwar überall eine Ehe besteht, aber das Güterrecht der Ehegatten i n verschiedenen Staaten verschieden ausgestaltet ist. Deswegen hinkt natürlich nicht die Ehe. Der Zusammenhang m i t hinkenden Rechtsverhältnissen besteht darin, daß der ungleiche Güterstand ständig — sofort und immer von neuem — hinkende einfache Rechtsverhältnisse erzeugt. Gegenstand dieser hinkenden Rechtsverhältnisse sind die Teile des ehelichen Vermögens und die gegenseitigen Ansprüche der Ehegatten, bei denen sich die Unterschiedlichkeit des Güterrechts auswirkt. Es entstehen also hinkende Forderungen und hinkendes — gespaltenes — Eigentum. Der Übergang vom inhaltlich unterschiedlichen zum hinkenden Rechtsverhältnis ist nicht scharf zu ziehen. Er ist logisch fließend. Je größer der Unterschied i n der inhaltlichen Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses, desto mehr nähert sich das B i l d dem eines hinkenden Rechtsverhältnisses. Grenzfälle ergeben sich etwa i m Erbrecht, wenn so verschiedene Institute wie „trust" und Treuhand oder „executor" und Testamentsvollstrecker sich gegenüberstehen. V I I . Methode

Die Eigenart der hinkenden Rechtsverhältnisse kann — wie beschrieben — nur dann v o l l erfaßt werden, wenn sie synoptisch betrachtet werden. Daraus ergeben sich bestimmte Folgerungen an die Rechtstech-

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Einleitung

nik, mit deren Hilfe ein internationalprivatrechtlicher Fall behandelt wird, der ein hinkendes Rechtsverhältnis enthalten könnte. 1. Rechtstechnik und Rechtsfindungsprozeß

Die Entscheidung eines Rechtsfalles geschieht — i m IPR wie i n anderen Rechtsgebieten — nicht i n einem einzigen Subsumtionsvorgang, sondern i n vielen Einzelschritten. Die einzelnen Stadien dieses Vorgangs liefern, geordnet aufeinanderfolgend, Zwischenergebnisse, weitere Rechtsanwendungen, neue Zwischenergebnisse und Rechtsanwendungen und schließlich das Endergebnis. Den Inbegriff von Regeln und Begriffen, die diesen Ablauf steuern, kann man als Rechtstechnik bezeichnen 12 . Die Bearbeitung eines Falles ist so gesehen ein Prozeß, und zwar ein logischer Prozeß 13 . Auch die Behandlung eines internationalprivatrechtlichen Falles ist ein solcher Prozeß. Seine Stadien werden u. a. bezeichnet durch Vorgänge wie Anknüpfung, Qualifikation, Vorfragenbeantwortung und A n gl eichung. Ein anderes Beispiel für einen Rechtsfindungsprozeß von besonders klarer Ordnung ist die Behandlung strafrechtlicher Fälle oder die Anwendung des Deliktsrechts sowie die Bearbeitung steuerrechtlicher Fälle, besonders des Internationalen Steuerrechts. Die Zwischenergebnisse und die einzelnen Fragestellungen dieser Prozesse sind nicht Selbstzweck, sondern jeweils nur Grundlage für den nächsten Schritt. Ihre Aufgabe ist es nicht, eine selbständig bedeutsame Aussage über den bearbeiteten Fall zu geben, sondern dem Ziel des Rechtsfindungsprozesses näherzukommen. Wohlgemerkt, damit soll nicht gesagt werden, daß sie auch tatsächlich niemals eine selbständig bedeutsame Aussage über den Fall geben. I m Gegenteil: i m Straf recht ergeben die einzelnen Schritte der rechtlichen Prüfung (Handlung, Rechtswidrigkeit, Schuld usw.) Eigenschaften des Falles wieder, die für sich, d. h. auch außerhalb des ablaufenden Rechtsfindungsprozesses sinnvoll sind. Nur ist das i m Rahmen des Rechtsfindungsprozesses nicht ihre Hauptaufgabe. 2. Synoptische Betrachtung internationalprivatrechtlicher Fälle

I n dem Rechtsfindungsprozeß, der sich i m deutschen IPR herausgebildet hat, ist die Frage „Besteht ein hinkendes Rechtsverhältnis?" und „Welche Konsequenzen ergeben sich für die Rechtsfolgen dieses Rechts12 Ausdruck „Rechtstechnik" bei Holleaux DuF S. 158, der zwischen Grundsätzen des Rechts und Technik des Rechts unterscheidet. 13 Eine ausführliche Beschreibung dieses Prozesses für Fälle des Internationalen Erbrechts gibt Ferid IErbR I Einführung Rdnr. 8—42.

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Verhältnisses daraus, daß es hinkt?" nicht vorgesehen. Beispiel : Wenn zwei Griechen i n Deutschland nur kirchlich heiraten und die Frage auftritt, ob die Kinder aus dieser Ehe i n Deutschland ehelich sind, fragt man: Welches ist das Ehelichkeitsstatut? Art. 18 EGBGB verweist auf das griechische Recht. Eine Rückverweisung findet nicht statt. Vorfrage: Besteht eine Ehe? Das bestimmt das Eheschließungsstatut. Welches Recht ist das? Vorfragenproblem: Welches Kollisionsrecht wählt das Eheschließungsstatut aus, das des Forums (das deutsche) oder das K o l l i sionsrecht des Rechts, das für die Hauptfrage berufen ist (das griechische)? A n t w o r t : nach zwar bestrittener, aber herrschender Meinung das Kollisionsrecht des Forums, d. h. das deutsche Kollisionsrecht 14 . Es verweist i n Art. 13 I I I EGBGB für die Form der in Deutschland vollzogenen Eheschließung auf das deutsche Recht, auf § 11 EheG. Eine standesamtliche Trauung, wie sie § 11 EheG erfordert, hat nicht stattgefunden. Also besteht keine Ehe. Folge: das K i n d ist nicht ehelich. So der durch die rechtstechnischen Begriffe der Anknüpfung, der Haupt- und Vorfrage und des Vorfragenproblems vorgezeichnete Weg. Eine synoptische Betrachtung würde dagegen etwa zu folgendem Rechtsfindungsprozeß führen: Erste Frage: Welches sind die Schwerpunktstaaten des Falles? Deutschland und Griechenland. Das Forum — Deutschland — ist zugleich durch die Eheschließung und, wenn w i r den Fall i n diesem Punkt ergänzen, den derzeitigen Aufenthalt der Familie ein Schwerpunktstaat. Griechenland ist Schwerpunktstaat als Heimatstaat und als Wohnsitzstaat — Wohnsitz etwa i m Sinne des amerikanischen domicil verstanden. Zweite Frage: Besteht die Ehe i n Deutschland? A n t w o r t „Nein" (Art. 13 I I I EGBGB, § 11 EheG). Besteht sie i n Griechenland? A n t w o r t „Ja" (Art. 1376 ZGB). Sie hinkt also, besteht nicht i m Forum, zugleich Aufenthalts- und Eheschließungsstaat, besteht i m Heimat- und Wohnsitzstaat. Dritte Frage: Sind Kinder aus einer solchen Ehe hier ehelich? Dabei ist zu beachten, daß sie i n Griechenland ehelich sind und die stärkeren Schwerpunkte nach Griechenland weisen. Die A n t w o r t soll hier noch offen gelassen werden 1 5 . Die beiden Lösungswege unterscheiden sich grundlegend. I m ersten Weg w i r d der Fall von der letzten Frage aus nach rückwärts — i n die Vergangenheit hinein — aufgerollt. Der Weg führt von der Hauptfrage aus über das Statut für die Hauptfrage, den Anwendungsbereich dieses Statuts, das Statut für die Vorfrage, das Vorfragenproblem zur Zusammenstellung der maßgeblichen Sachnormen und von da aus zur Entscheidung des Falles. I m zweiten Weg dagegen schreiten w i r von 14

Vgl. Bes. Teil Β I I 9 d). Für eine ausführliche Erörterung und die Antwort auf das sehr umstrittene Problem vgl. Bes. Teil Β I I 9 c). 15

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Einleitung

der Vergangenheit über die feststehenden sachrechtlichen Ergebnisse i n den Schwerpunktstaaten zur Gegenwart und zur Hauptfrage. Praktisch w i r d jeder Jurist, auch wenn er den ersten Lösungsweg beschreitet, bei der Behandlung eines Falles wie des der kirchlichen Eheschließung zweier Griechen i n Deutschland feststellen, daß eine hinkende Ehe vorliegt, und bei der Entscheidung über die Ehelichkeit der Kinder dieser Tatsache eine Erwägung widmen, obwohl sein Lösungsweg ihm dazu theoretisch keine Veranlassung gibt. Hinkende Rechtsverhältnisse sind keine Neuentdeckung. Es geht uns nicht darum, den Blick erstmals auf sie zu lenken. W i r wollen nur zeigen, daß i m Rechtsfindungsprozeß die Beachtung hinkender Rechtsverhältnisse an sich nicht vorgesehen ist, wenn man so verfährt, wie es sich i m deutschen IPR herausgebildet hat, und w i r wollen die Betrachtungsweise entwickeln, die diesen Mangel nicht hat. Sie muß u. E. synoptisch sein. Der Vorschlag, das IPR gleichsam synoptisch zu betrachten, ist der Sache nach nicht neu. Bartin, Cavers und Wengler lassen sich als Kronzeugen nennen. Bartin veröffentlichte 1924 einen i n Frankreich und auch außerhalb sehr bekannt gewordenen Aufsatz m i t dem Titel „Le jugement étranger considéré comme un fait" 1 8 . I n i h m lenkte er als erster die Aufmerksamkeit darauf, daß auch ein nicht anerkanntes ausländisches Urteil u. U. als Tatsache rechtliche Beachtung finden müsse, wenn auch nicht i n seiner Eigenschaft als Urteil, sondern eben bloß als Tatsache. Ähnlich, wenn auch viel weiter gehend, denkt, wer seinen Blick auf hinkende Rechtsverhältnisse lenkt. Er betrachtet die feststehenden Entscheidungen der ausländischen Schwerpunktstaaten zur Sache als Tatsachen und schenkt ihnen deshalb — ungebunden durch Fragestellungen der Rechtstechnik — Aufmerksamkeit. Cavers schlug 1933 eine Betrachtungsweise vor, die sehr der hier entwickelten ähnelt: das Gericht solle das materielle Recht des Forums und das aller „konkurrierenden" Gesetzgebungen prüfen und dann unter Anlegung komplizierter Maßstäbe, die sowohl sozialpolitische Erwägungen als auch die Interessen der Parteien i n Betracht ziehen, eine Wahl treffen 1 7 . Nußbaum kommentierte diesen Vorschlag zusammen m i t einem ähnlichen Vorschlag, den 1930 Fraenkel für das Kaufrecht gemacht hat, m i t den Worten, es sei die scheinbar hoffnungslose V e r w i r rung des internationalen Privatrechts, die diese Autoren zu ihren beinahe verzweifelten Vorschlägen veranlaßt habe 18 . So sehr w i r Nußbaum zustimmen müssen, wenn er von der scheinbar hoffungslosen Verwirrung des internationalen Privatrechts spricht — 16 17 18

Clunet 1924 S. 857—876. Wiedergabe nach Nußbaum IPR (1952) S. 35. Nußbaum a.a.O.

V I I . Methode

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jedenfalls gilt das für die hinkenden Rechtsverhältnisse —, so hoffen w i r doch, zeigen zu können, daß derartige Vorschläge durchaus nicht verzweifelt, sondern begründet und der Sache angemessen sind. Ansätze für eine synoptische Betrachtungsweise finden sich bei Wengler , wenn er schreibt: „ M a n muß sich noch viel stärker an die Vorstellung gewöhnen, daß das Rechtsverhältnis als solches i n jeder Rechtsordnung, die es durch ihre Kollisionsnorm einem in- oder ausländischen Rechtssatz zuweist, eine gesonderte Existenz f ü h r t 1 9 " oder „Die Berücksichtigung dessen, daß i m Ausland konkrete Rechtsverhältnisse verwirklicht werden, die i n der inländischen Rechtsordnung als Rechtsverhältnis zunächst nicht existieren, deren Verwirklichung aber entweder als reines Faktum oder als rechtmäßig zustandegekommenes Faktum anerkannt wird, stellt dem internationalen Privatrecht eine schwierige und bisher nicht genügend beachtete Aufgabe 2 0 ." 3. Zusammengesetzte Normen

Bei der synoptischen Betrachtung einzelner hinkender Rechtsverhältnisse, wie w i r sie i m Besonderen Teil dieser Arbeit systematisch vornehmen wollen, w i r d es gelegentlich zweckmäßig sein, die Rechtslage i n einer bestimmten abgekürzten Weise darzustellen, die w i r zunächst an einem Beispiel erläutern wollen: Beispiel: Die bereits mehrfach bemühten griechischen Gastarbeiter heiraten i n Deutschland nur kirchlich. Anstatt Eheschließungsstatut, Kollisionsnormen, Sachnormen und Qualifikationen der Sachnormen i m deutschen und i m griechischen Recht gegenüberzustellen, wie w i r es oben getan haben, kann man kurz und bündig sagen: 1. I n Deutschland vorgenommene kirchliche Eheschließungen — seien sie von Inländern oder von Ausländern — sind in Deutschland nicht wirksam (von § 15 a EheG abgesehen). 2. Kirchliche Eheschließungen von Griechen, seien sie i n Griechenland oder i m Ausland geschehen, sind i n Griechenland wirksam. Die beiden Regeln sind zusammengesetzte Normen; die erste Regel ist aus A r t . 13 I I I EGBGB und § 11 EheG zusammengesetzt, die zweite aus A r t . 1376 ZGB und der dazugehörigen Kollisionsnorm. Zusammengesetzte Normen sind nicht nur bei der Beschreibung der hinkenden kirchlich geschlossenen Ehen, sondern auch i n vielen anderen Fällen zweckmäßige Kurzfassungen für die internationale Rechtslage. W i r werden uns ihrer öfter bedienen, betonen jedoch, daß sie vorläufig nicht mehr als ein Hilfsmittel der Darstellung sind; die dogmatische Trennung von Sachnormen und Kollisionsnormen bleibt unberührt. 19 20

RabelZ 16 (1951) S. 23 f. a.a.O. S. 27 f.

Besonderer

Teil

Die Einzelfragen zur hinkenden Ehe, zur hinkenden Scheidung und zum hinkenden Kindschaftsverhältnis A.

Allgemeines

I . Fragestellungen

I m folgenden Besonderen Teil werden die drei Rechtsverhältnisse des Familienrechts, die vor allem als hinkende Rechtsverhältnisse i n Erscheinung treten, darauf untersucht, welche Probleme sie als hinkende Rechtsverhältnisse aufwerfen. Es ist allerdings nicht unsere Absicht, hier eine Enzyklopädie der hinkenden Rechtsverhältnisse des Familienrechts zu liefern. Hintergrund des Besonderen Teiles ist unsere oben bereits angedeutete Absicht, die theoretischen Grundlagen für die Betrachtung hinkender Rechtsverhältnisse zu überprüfen. Für diese A b sicht genügt eine Beschränkung auf die hinkende Ehe, die hinkende Scheidung und die hinkende Kindschaft, und für sie genügt auch innerhalb dieser Auswahl eine Beschränkung auf die häufigeren Probleme. Für jedes hinkende Rechtsverhältnis sind allgemein drei Fragen zu beantworten: 1. Wie kann es dazu kommen, daß das Rechtsverhältnis hinkt? Wo liegen die Ursachen für hinkende Rechtsverhältnisse speziell dieser Art? Wie kann man sie vermeiden? 2. Soll das hinkende Rechtsverhältnis i n dem Staat, i n dem es besteht, alle Rechtsfolgen eines allseits bestehenden Rechtsverhältnisses haben, und i n dem Staat, i n dem es nicht besteht, gar keine? Oder ergeben sich hier gewisse Abweichungen, nämlich Einschränkungen einerseits und „Ausstrahlungen" andererseits? 3. Welche Rechtsordnung soll seine Rechtsfolgen inhaltlich ausgestalten? Beispiel für die beiden letzten Fragen: Wenn ein deutscher Mann und eine griechische Frau i n Deutschland nur standesamtlich heiraten, entsteht eine hinkende Ehe. I n Deutschland besteht sie, i n Griechenland nicht. Sie w i r f t zwei Fragen auf: 1. Soll sie i n Deutschland die vollen Rechtswirkungen einer normalen Ehe haben? Sollen z. B. die person-

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Besonderer Teil

liehen Ehewirkungen eintreten, obwohl die Ehe i m Heimatstaat des Mannes (Art. 14 I EGBGB) nicht besteht? Soll sie i n Deutschland geschieden werden können, obwohl sie hinkt? Sollen die Kinder ehelich sein, obwohl i n Griechenland keine Ehe besteht? 2. Welches Recht bestimmt den Inhalt der persönlichen Ehewirkungen? Welches die Scheidungsgründe oder die einzelnen Voraussetzungen der Ehelichkeit? Das griechische Recht, wie es die deutschen Kollisionsnormen vorschreiben, oder anderes Recht, weil doch i n Griechenland keine Ehe besteht? Die erste Frage ist zum Teil trivial. Eine Ehe, die i n Deutschland besteht, hat natürlich i n Deutschland auch bestimmte Wirkungen und kann natürlich i n Deutschland auch geschieden werden (im Rahmen des maßgeblichen Scheidungsrechts). Schwieriger ist dagegen schon die Frage, ob die Kinder ehelich sein sollen. Ebenso ist die zweite Frage, nach der zur Regelung berufenen Rechtsordnung, nicht ganz einfach. Die Einzelheiten dieser Fragen sollen uns hier noch nicht beschäftigen. Wichtig ist nur, daß sich tatsächlich zwei verschiedene allgemeine Fragen stellen. Ein weiteres Beispiel: I n dem obigen Fall war ein voreheliches K i n d vorhanden. 1. Frage: Kann die hinkende Ehe das K i n d legitimieren? 2. Frage: Welches Recht regelt die Voraussetzungen der Legitimation i m einzelnen sowie ihre Folgen, d. h. die Rechtsstellung des nunmehr ehelichen Kindes? Das griechische Recht? Oder ein anderes Recht, weil die Ehe i n Griechenland nicht besteht. I n diesem Beispiel sind beide Fragen, die erste und die zweite, umstritten. W i r wollen die erste Frage, bei der es um die Rechtsfolgen des hinkenden Rechtsverhältnisses geht, die Rechtsfolgenfrage nennen, die zweite, bei der es um die Regelung der Rechtsfolgen geht, die Regelungsfrage. Die Rechtsfolgenfrage betrifft, kurz gesagt, das „Ob", die Regelungsfrage das „Wie" der Rechtsfolgen. Die Rechtsfolgenfrage hat zwei Seiten: 1. Hat das hinkende Rechtsverhältnis i n dem Staat, i n dem es besteht, dieselben Rechtsfolgen wie ein allseits bestehendes Rechtsverhältnis, oder fehlen i h m bestimmte Rechtsfolgen m i t Rücksicht darauf, daß es hinkt? 2. Hat das hinkende Rechtsverhältnis einige Rechtsfolgen auch dort, wo es nicht besteht, m i t Rücksicht darauf, daß es anderswo besteht? Strahlt es gleichsam i n einzelnen Punkten über seinen Bestehensbereich i n Staaten aus, i n denen es nicht besteht?

Α. I I . Zur Argumentation

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Der K e r n der Regelungsfrage ist: W i r d die inhaltliche Ausgestaltung der einzelnen Rechtsfolgen eines hinkenden Rechtsverhältnisses dadurch betroffen, daß es hinkt? Ist die an sich berufene Rechtsordnung deshalb von der Anwendung ausgeschlossen, weil sie das Rechtsverhältnis als nicht bestehend betrachtet? I I . Z u r Argumentation

I n den Diskussionen zu den Einzelfragen erscheinen zwei Arten von Argumenten, die man ganz allgemein unter den Bezeichnungen abstrakt und konkret gegenüberstellen kann. Abstrakt nennen w i r die Argumente zur Dogmatik, Rechtstechnik, Rechtstheorie oder wie immer man diesen Bereich nennen mag, konkret die zum konkreten Rechtsverhältnis. Die abstrakten Argumente stellen alle nicht auf die besonderen Verhältnisse eines bestimmten Rechtsverhältnisses ab, sondern beanspruchen Gültigkeit für das IPR insgesamt, ja ihrer Form nach oft auch für jede andere A r t von Kollisionsrecht. Die konkreten Argumente stellen auf das ab, was rechtspolitisch wünschenswert, gerecht oder zweckmäßig ist. Da w i r die Rechtstechnik des IPR und damit auch zum Teil die dahinterstehenden dogmatischen Vorstellungen nicht für geeignet halten, die Probleme der hinkenden Rechtsverhältnisse richtig zu beschreiben und zu lösen, wollen w i r i m folgenden vor allem die konkreten Argumente erörtern und auf ihnen unsere Antworten aufbauen. Die abstrakten Argumente stellen w i r von Fall zu Fall dar, ohne sie selbst zu verwenden.

Β. Die hinkende Ehe I . D i e Entstehung hinkender Ehen

Hinkende Ehen sind von allen hinkenden Rechtsverhältnissen die häufigsten und zugleich die folgenschwersten. Es ist daher besonders wichtig, die Gründe zu kennen, die dazu führen, daß eine Ehe hinkt. Nur dann ist es möglich alle Möglichkeiten, die die Rechtsanwendung zu ihrer Vermeidung bietet, wahrzunehmen. Hinkende Ehen kommen durch hinkende Eheschließungen zustande. Hinkende Scheidungen führen zwar auch zu hinkenden (hinkend fortbestehenden) Ehen, doch steht bei ihnen i m Mittelpunkt der Lage die Eheauflösung, während die hinkend fortbestehende Ehe nur eine Randerscheinung ist; sie werden daher gesondert behandelt. Hinkende Nichtigerklärungen kommen dagegen in der Regel i n ihrer Wirkung hinkenden Eheschließungen gleich. Eine Eheschließung hinkt, wenn ein Staat über ihre Wirksamkeit anders als ein zweiter Staat urteilt. Meistens widersprechen sich der Eheschließungsstaat und der Heimat- oder Wohnsitzstaat eines Ehegatten (der Personalstaat). Es können aber auch Konflikte zwischen verschiedenen Personalstaaten der beiden Ehegatten oder desselben Ehegatten zugrundeliegen, wobei wieder die verschiedensten Kombinationen von Heimatstaaten und Wohnsitzstaaten möglich sind. Der Grund des Konflikts liegt immer darin, daß der eine Staat eine der vielen Bedingungen, von denen die Wirksamkeit einer Eheschließung abhängt, anders beurteilt als der andere. Er verneint, was der andere bejaht, oder er hält für entbehrlich, was der andere für erforderlich hält. Der Konflikt kann sich auf Fragen der Eheschließungsform beziehen oder auf Fragen der sachlichen Ehegültigkeit, wie Ehefähigkeit, Willensbildung. Ehehindernisse und Eheverbote. Rechtstechnisch entsteht ein Konflikt aus drei Voraussetzungen: daß der eine Staat für die Frage, um die der Streit geht, eine andere K o l l i sionsnorm bereithält als der andere und damit zur Anwendung eines anderen Sachrechts gelangt, daß die beiden berufenen Sachrechte sich inhaltlich unterscheiden, und daß der Sachverhalt so gestaltet ist, daß diese doppelte Rechts Verschiedenheit zum Tragen kommt. Kurz gesagt, entsteht ein Konflikt dadurch, daß sich i n einem konkreten Fall eine

Β. I. Die

t s e n

hinkender Ehen

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internationale Verschiedenheit des Kollisionsrechts und zugleich des Sachrechts zweier beteiligter Staaten i n Bezug auf eine Frage der Eheschließung auswirkt. Beteiligte Staaten (Schwerpunktstaaten) sind der Eheschließungsstaat und die verschiedenen Personalstaaten. Dazu kommt als Außenseiter der Staat, i n dem die Rechtsfrage zur Entscheidung ansteht, um die es gerade geht, — das Forum. Es ist zwar als solches nicht an dem Fall beteiligt, t r i f f t aber oft selbst abweichende Stellungnahmen, meist auf Grund seines ordre public. 1. Konflikte über die Form der Eheschließung

I m internationalen Eheschließungsrecht werden Form der Eheschließung und sachliche Ehegültigkeit i m allgemeinen unterschiedlich behandelt. Sie werden daher hier getrennt dargestellt. Unter Form der Eheschließung verstehen w i r dabei „the external conduct required of the parties or of third persons, especially public officers, necessary to the formation of a legal valid marriage" 1 . Konflikte um die Eheschließungsform sind die häufigsten Ursachen für hinkende Eheschließungen 2 . Nach allen Gesetzgebungen der Erde w i r d die Ehe geschlossen durch gegenseitige Erklärung des Einverständnisses der Eheschließenden. Von dieser gemeinsamen Grundlage abgesehen, bestehen aber eine ganze Reihe erheblicher Unterschiede i n den einzelnen Rechten. Es ist weder möglich noch nötig, sie abschließend zu erörtern. Praktisch bedeutsam sind vor allem die Konflikte um folgende Fragen: Ziviltrauung oder religiöse Trauung? Formlose Eheschließung? Konsularische Eheschließung? Nottrauungen und Soldatentrauungen? Handschuhehen? Fehlen des Aufgebots? Registrierung der Eheschließung? a) Die Konflikte

zwischen religiöser und Ziviltrauung

Die meisten Konflikte über die Form entstehen aus dem Gegenüber von kirchlichen und weltlichen Eheschließungsformen. Sie führen teils zu Ehen, die nur am Ort der Eheschließung, nicht aber i m Heimatstaat gültig sind, teils umgekehrt zu Ehen, die nur i m Heimatstaat, nicht aber i m Eheschließungsstaat gültig sind. Der Wohnsitzstaat kann hier praktisch außer Betracht bleiben; denn die Staaten mit Wohnsitzprinzip kennen allesamt keine Kollisions- oder Sachnormen, die sie in Konflikte manövrieren könnten. 1 2

Röbel I S. 224. Jochem FamRZ 1964 S. 392 Ii. Sp.

3 Dorenberg

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Besonderer Teil

aa) Hinkende Zivilehen (Ehen, die i m Eheschließungsstaat, nicht aber i m Heimatstaat gültig sind) Diese Fälle treten ein, wenn der Eheschließungsstaat eine Z i v i l trauung für wirksam erachtet, der Heimatstaat aber eine religiöse Trauung verlangt. Der Eheschließungsstaat bestimmt: Durch Z i v i l trauung i m Inland kommt, bei In- und bei Ausländern, eine Ehe zustande; der Heimatstaat bestimmt: Angehörige dieses Staates können die Ehe, i m In- und i m Ausland, nur kirchlich schließen. Regeln der ersten A r t gelten i n Staaten, i n denen innerstaatlich die Ziviltrauung vorgesehen ist und i m Kollisionsrecht die Regel besteht „locus regit actum". Ziviltrauung als innerstaatliche Eheschließungsform kennen nahezu alle Staaten der Erde: i n Mitteleuropa Frankreich, Belgien, die Niederlande, Luxemburg, die Schweiz, Deutschland, Österreich; i n Südeuropa Italien, Spanien — nur für Ehen von Nicht-Katholiken —, Portugal; i m Norden Europas Island, Norwegen, Schweden, Dänemark und Finnland; i m englischen Rechtskreis Großbritannien, Irland, der größte Teil der USA und Kanadas; i n Lateinamerika Mexiko, Haiti, die Dominikanische Republik, Peru, Argentinien, Chile; dazu die kommunistischen Staaten 3 . Alle diese Staaten lassen die Z i v i l trauung auf Grund ihres Kollisionsrechts auch für Ausländer genügen, ohne auf ihr Heimatrecht Rücksicht zu nehmen. Sie kennen alle die Regel „locus regit actum" 4 . Ob ein Verlobter einem Staat angehört, der für seine Angehörigen auch i m Ausland zwingend die kirchliche Trauung vorschreibt, kümmert sie nicht. Auch der innere Grund für solche Regeln, daß nämlich diese Staaten die Ehe zwischen Angehörigen der jeweiligen Religion als ein Sakrament ansehen, das vom Priester gespendet werden muß und das ein Zivilbeamter nicht schaffen kann, kümmert sie nicht. Sie betrachten auch Ehen zwischen Angehörigen der Staaten, deren Eherecht religiös gebunden ist, als rein weltliche Einrichtung. Zum überwiegenden Teil lassen sie die Ziviltrauung nicht nur hinreichen, sondern fordern sie auch noch. Das System der obligatorischen Zivilehe findet sich i n Mitteleuropa, i m Ostblock, außerhalb Europas in den meisten Staaten Lateinamerikas, insbesondere i n Mexiko, Argentinien und Chile 5 . Fakultativ ist die Ziviltrauung i n Italien, Portugal und der Dominikanischen Republik (katholische Staaten) sowie i n den Staaten Nordeuropas und des englischen Rechtskreises, außerdem in 3

Dölle I S. 186 f. Für Deutschland vgl. Art. 11 I 2 EGBGB; für die USA — common law — vgl. Nußbaum IPR (1952) S. 147; allgemein vgl. Rabel I S. 227—230. 5 Dölle I S. 187; Neuhaus FamRZ 1955 S. 307 f. 4

Β. I. Die Entstehung hinkender Ehen

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H a i t i und Peru 6 . M i t dem System der obligatorischen Ziviltrauung w i r d mittelbar bewirkt, daß die kirchliche Trauung i n vielen Fällen ganz unterbleibt, obwohl sie an sich noch möglich wäre; denn dieses System fordert, daß die Ziviltrauung zuerst stattfindet. Das System der obligatorischen Ziviltrauung erhöht also die Zahl der hinkenden Zivilehen. Es ist aber zu beachten, daß sich seine Bedeutung für die hinkenen Zivilehen darin erschöpft. Schuld an ihnen ist nicht Art. 13 I I I EGBGB oder die entsprechenden A r t i k e l i n ausländischen Gesetzgebungen, sondern A r t . 1 1 1 2 EGBGB, d. h. die Regel, daß die Ortsform genügt. Darauf weist Jochem — m i t vollem Recht — hin; allgemein w i r d fälschlich Art. 13 I I I EGBGB als der Schuldige für die hinkenden standesamtlichen Eheschließungen bezeichnet 7 ' 8 . Die für das Zustandekommen einer hinkenden Zivilehe weiter erforderliche Regel des Heimatstaates muß — wie gesagt — lauten: Angehörige dieses Staates können die Ehe auch i m Ausland nur i n kirchlicher Form schließen. Sie setzt, rechtstechnisch gesehen, voraus, daß der Heimatstaat innerstaatlich die kirchliche Eheschließung vorsieht und kollisionsrechtlich das Erfordernis der kirchlichen Form auch auf Trauungen i m Ausland ausdehnt. Innerstaatlich kennen Griechenland, Spanien (für die Ehen von bekennenden Katholiken), außerhalb Europas Kolumbien, einige Provinzen Kanadas (New Brunswick, Nova Scotia, Prince Edward Island) und zwei Einzelstaaten der USA (Maryland und West Virginia) die kirchliche Eheschließung als obligatorische Eheschließungsform 9 . Als fakultative Form ist sie vorgesehen i n Italien, Portugal und der Dominikanischen Republik sowie i n den protestantischen Ländern Nordeuropas, i m englischen Rechtskreis einschließlich Irlands, des größten Teils der USA und Kanadas und i n H a i t i und Peru; nur i n den ersten drei Staaten w i r d allerdings durch die kirchliche Eheschließung eine echte kirchliche Ehe begründet, d. h. eine Ehe, die i n jeder Hinsicht dem kirchlichen Eherecht unterliegt; in den anderen Staaten ist der Geistliche, vor dem die Ehe geschlossen wird, nur eine staatlich zur Entgegennahme der Eheschließungserklärungen ermächtigte Stelle; rechtlich entsteht eine rein dem staatlichen Recht unterliegende Ehe 10 . Von allen Staaten mit kirchlicher Eheschließungsform betrachten nur zwei das Erfordernis der kirchlichen Trauung als so wesentlich, daß sie es mittels ihres Kollisionsrechts auch auf Eheschließungen i m Ausland ausdehnen: Griechenland und Spanien. Griechenland unterstellt alle orthodoxen Griechen diesem Gebot, Spanien alle 6 7 8 9 10

3*

DöUe I S. 186. Jochem FamRZ 1964 S. 394 r. Sp. und Fußnote 19. Für die übliche Betrachtung vgl. Kegel IPR S. 269. Dölle I S. 186; Neuhaus FamRZ 1955 S. 307. Dölle I S. 186; Neuhaus FamRZ 1955 S. 308 ff.

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Besonderer Teil

katholischen Spanier, soweit sie sich zu ihrer Religion bekennen. Ehen, die orthodoxe Griechen oder katholische Spanier i m Ausland i n ziviler Form schließen, sind i n ihren Heimatstaaten unwirksam. Sie hinken. Wie heute das griechische Recht, so hielt es früher, vor der Sowjetrevolution, das russische Recht. Zwischen den Weltkriegen galt dieses Recht noch i m kongreßpolnischen Teil Polens fort. Ähnlich war das bulgarische Recht und bis 1938 für Katholiken das österreichische Recht 11 . Heute sind noch am Rande die religiös gebundenen Rechte der islamischen Staaten zu nennen, die ihre Staatsangehörigen wie Ausländer dem Recht der jeweiligen Religion unterstellen, was auch zu hinkenden Zivilehen führen kann. Nicht hierher gehört dagegen Italien. Denn Italien schreibt zwar für das Inland, nicht aber für das Ausland für katholische Italiener zwingend die kirchliche Trauung vor. Wenn sich ein Italiener i n Deutschland standesamtlich trauen läßt, entsteht daher keine hinkende E h e 1 2 ' 1 3 . H i n k t eine Eheschließung i n der hier beschriebenen Weise, dann schließen sich dritte Staaten m i t der Regel „locus regit formam actus" der Entscheidung des Eheschließungsstaates an. Da die meisten Rechte diese Regel haben, ist eine hinkende Zivilehe außerhalb des Heimatstaates fast überall wirksam. Die Zivilehe eines Griechen, geschlossen i n San Francisco, ist i n England und in Deutschland gültig. Ebenso war die Zivilehe eines Türken, die vor einem Standesbeamten i n Brasilien geschlossen wurde, obwohl der Türke katholischen Glaubens war und sein Heimatrecht daher eine kirchliche Trauung verlangt hätte, i n Deutschland gültig 1 4 . I n einem anderen Fall wurde die Ehe, die ein orthodoxer Grieche mit einer Norwegerin vor einem norwegischen Standesbeamten geschlossen hatte, i n Deutschland für gültig erachtet 15 . Anders entscheidet i n solchen Fällen Österreich. Es richtet sich nach dem Heimatrecht und erkennt keine Eheschließung als wirksam an, die nicht auch der Heimatstaat anerkennt. Heiratet daher ein Grieche eine Französin i n Frankreich vor dem Standesbeamten, dann gilt die Ehe i n Frankreich und i n Deutschland, nicht aber i n Griechenland und demgemäß auch nicht i n Österreich. Österreich achtet dabei allerdings nur auf den Heimatstaat des Mannes, nicht auf den der Frau. Heiratet also 11

Gamillscheg FS Celle S. 63. Unrichtig daher L G Nürnberg U. v. 28. 2.1951, vgl. Ferid JR 1955 S. 62 Fn. 2. 13 Die Fälle hinkender Zivilehen in der Rechtsprechung sind ohne Zahl; Beispiele: BayObLG B. v. 8.10.1963 FamRZ 1964 45 (Griechenland) und OLG Düsseldorf B. v. 17.4.1964 StAZ 1965 18. Für Eheschließungen außerhalb Deutschlands vgl. Rabel I S. 235 m. Nwen. 14 R G Ζ 88 191. 15 R G IPRspr. 1926—27 Nr. 27. 12

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eine Griechin einen Österreicher vor dem französischen Standesbeamten, dann gilt die Ehe i n Österreich, obwohl sie i n Griechenland wie die des griechischen Mannes nicht gilt 1 6 . bb) Hinkende kirchliche Ehen (Ehen, die i m Eheschließungsstaat nicht gültig, i m Heimatstaat gültig sind) Das Gegenüber von religiöser und Ziviltrauung kann auch dazu führen, daß eine Eheschließung i m Heimatstaat wirksam, i m Eheschließungsstaat dagegen unwirksam ist. Dieser Fall t r i t t ein, wenn jemand außerhalb seines Heimatstaates kirchlich heiratet, der Heimatstaat kirchliche Eheschließungen seiner Angehörigen i m Ausland ohne Rücksicht auf das Ortsrecht für wirksam erklärt und der Eheschließungsstaat i m Inland obligatorisch, für In- und Ausländer, auf der Ziviltrauung besteht. Die Regel des Heimatstaates ist: durch kirchliche Trauung kommt für Angehörige dieses Staates auch i m Ausland, ohne Rücksicht auf das Ortsrecht, eine Ehe zustande. Sie setzt voraus: daß der Heimatstaat innerstaatlich die kirchliche Eheschließung vorsieht und daß er kollisionsrechtlich die Eheschließungsform, ausschließlich oder wahlweise neben dem Ortsrecht, dem Heimatrecht unterstellt. Die Staaten mit kirchlicher Eheschließung i n ihrem innerstaatlichen Recht wurden bereits genannt. Es ist zu betonen, daß hier, i m Gegensatz zu oben, auch Staaten m i t unechter kirchlicher Trauung, ζ. B. Schweden, für die Erzeugung hinkender Ehen i n Betracht kommen. Die meisten der i n Betracht kommenden Staaten haben eine Kollisionsnorm nach der A r t . von Art. 11 I 1 EGBGB oder eine spezielle Kollisionsnorm für die Eheschließung i m Ausland und lassen die vom Heimatrecht vorgeschriebene oder zugelassene Form, also die kirchliche Trauung, bei ihren Angehörigen auch i m Ausland genügen 17 . I n Italien gilt das m i t der Besonderheit, daß die kirchlich i m Ausland geschlossenen Ehen von Italienern i n Italien nur Gültigkeit haben, wenn die Eheschließung nachträglich i n das italienische Personenstandsregister überschrieben worden ist. Es handelt sich dabei um ein sog. matrimonio concordatorio. Früher war i n Italien streitig, ob auch eine i m Ausland vollzogene kirchliche Trauung i n das italienische Register 16

Vgl. Schwind FS Wilburg S. 164 und Fn. 16. Vgl. z. B. Griechenland Art. 11 ZBG, Spanien Art. 42 und 75 Cc., Italien Art. 82 Cc. und die Gesetze zum Konkordat, Portugal Art. 176 Personenstandsdekret, Schweden § 8 des Gesetzes vom 8. 7.1904 — sämtlich abgedruckt bei Bergmann - Ferid; vgl. auch Art. 5 und 7 des Haager Abkommens über die Eheschließung sowie dazu Wolff IPR S. 194. 17

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überschrieben werden und damit Wirksamkeit erlangen könne. 1962 hat der Kassationshof entschieden, daß die Überschreibung möglich ist 1 8 . Die entgegengesetzte Regel, die des Eheschließungsstaates, ist: eine Ehe kommt i m Inland nur durch Ziviltrauung zustande, auch bei Ausländern. Sie setzt sachrechtlich die obligatorische Ziviltrauung und kollisionsrechtlich die Regel „Inlandsehe — zwingend Inlandsform" voraus. Die Staaten, die innerstaatlich die obligatorische Ziviltrauung vorschreiben, wurden bereits genannt 19 . Es sind u. a. i n Mitteleuropa: Frankreich, Belgien, die Niederlande, Luxemburg, die Schweiz, Österreich und Deutschland, i m Ostblock: die UdSSR, Polen, die Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien und Jugoslavien, dazu die Volksrepublik China, sowie die meisten Staaten Lateinamerikas, vor allem Mexiko, Argentinien und Chile. Von ihnen machen die meisten die Ziviltrauung auch für Ausländer zur einzig möglichen Eheschließungsform 20 . I n Deutschland beruht diese Regel auf A r t . 13 I I I EGBGB. Hier, bei den hinkenden kirchlichen Eheschließungen, liegen die Sünden dieser Bestimmung. Die hinkenden Zivilehen beruhen, wie gesagt, auf Art. 11 I 2 EGBGB. Die Auslegung des Art. 13 I I I EGBGB ist jedoch nicht unbestritten. Es gibt einige Vorschläge, die das Ziel haben, seine harten und oft unerfreulichen Konsequenzen abzumildern. Einer der ersten, der m i t solchen Vorschlägen auftrat, war Endemann m i t seinem eingangs genannten Aufsatz über das „Matrimonium claudicane" 21 . Die herrschende Meinung und die Rechtsprechung haben sich diese Vorschläge jedoch nicht zu eigen gemacht. Gamülscheg vertritt, mit guten Gründen, die Ansicht, bereits unter dem geltenden Recht sei eine i m Inland nur standesamtlich geschlossene Ehe eines Spaniers oder Griechen solange auch für uns noch keine wirksame Ehe, als nicht die kirchliche Eheschließung gefolgt sei 22 . Wenn diese Auffassung sich durchsetzen würde und Verfahrensformen gefunden würden, die garantieren, daß i n der Regel beide Trauungen auch tatsächlich stattfinden, dann könnte das griechisch-spanische Kapitel der hinkenden Eheschließungen und damit der Hauptteil der hinkenden Ehen m i t ihren Problemen als erledigt und bloße Geschichte betrachtet werden. Leider hat sie gegenwärtig keine Chancen, sich durchzusetzen. Von Gesetzes wegen soll § 15 a EheG die Konsequenzen des A r t . 13 I I I EGBGB zum Teil vermeiden helfen. Er bestimmt: „(1) Als Ausnah18 Corte di Cassazione, Massimario del Foro Italiano 1962 Nr. 2168; vgl. auch Jochem FamRZ 1964 S. 392 Fn. 2 und Krautkrämer StAZ 1962 S. 23. 19 Vgl. Bes. Teil Β I 1 a) aa). 20 Vgl. Bergmann - Ferid jeweils unter I I I A 2. 21 JW 1914 S. 113—121. 22 FS Celle S. 68.

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me von den Bestimmungen der §§ 11, 13 . . . dieses Gesetzes kann eine Ehe zwischen Verlobten, von denen keiner die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, vor einer von der Regierung des Landes, dessen Staatsangehörigkeit einer der Verlobten besitzt, ordnungsgemäß ermächtigten Person i n der von den Gesetzen dieses Landes vorgeschriebenen Form geschlossen werden. (2) Eine beglaubigte Abschrift der Eintragung der so geschlossenen Ehe i n das Standesregister, das von der dazu ordnungsgemäß ermächtigten Person geführt wird, erbringt vollen Beweis der Eheschließung. . . . " Um die Auslegung von Abs. 1 war i n den vergangenen Jahren i n Rechtsprechung und Literatur ein Streit entbrannt, in dem es mittelbar wieder um die Zurückdrängung des Art. 13 I I I EGBGB ging. Angelpunkt waren die Worte „ordnungsgemäß ermächtigte Person": Muß die Person durch eine besondere Verfügung der zuständigen Behörde ermächtigt sein? Welche Behörden sind zuständig? Enthält ζ. B. das griechische ZGB, das kirchliche Ehen von Griechen für wirksam erklärt, bereits eine hinreichende Ermächtigung i. S. des § 15 a EheG (eine vom Ergebnis her sehr wünschenswerte Auslegung)? Der B G H hat m i t dem Beschluß vom 22. 1. 1965 Stellung zu dem Streit genommen, und zwar i n einem Griechenland-Fall 23 . Das BayObLG hat die Grundsätze dieses Urteils auf die Spanien-Fälle ausgedehnt 24 . Wie ein Urteil des L G Mannheim vom 8. 11. 1966 zeigt, ist die Frage für die Rechtsprechung trotz dieser obergerichtlichen Urteile noch nicht erledigt. Das L G Mannheim vertritt die Auffassung, das griechische ZGB enthalte die von § 15 a EheG geforderte Ermächtigung der griechischen Geistlichen 25 . Inzwischen ist ein neuer Streit um § 15 a EheG entstanden, diesmal um Abs. 2; auch jetzt geht es i m Ergebnis wieder um die Eindämmung des A r t . 13 I I I EGBGB. Die Frage ist: Wenn eine kirchliche Eheschließung von Ausländern i n das staatliche Standesregister des Heimatstaates eingetragen worden ist, ist sie dann auch i n Deutschland wirksam? Beispiel: Das OLG Düsseldorf erkannte eine Eheschließung spanischer Brautleute vor einem katholischen Priester in Deutschland als wirksam an, obwohl der Priester nicht ermächtigt i. S. des § 15 a EheG gewesen war. Aber die Eheschließung war i n das spanische Standesregister eingetragen worden 2 6 . I n dem vom B G H entschiedenen Fall war anscheinend eine Eintragung nicht geschehen; der Beschluß spricht sich darüber nicht eindeutig aus 27 . Die Streitfrage w i r d 23

B G H Ζ 43 218 = FamRZ 1965 311. Β. v. 15.12.1965 StAZ 1966 111; für Griechenland vgl. auch BayObLG B. V. 4.1.1966 StAZ 1966 84. 25 FamRZ 1966 634. 26 Β. v. 27.11.1964 FamRZ 1965 144; für den entsprechenden GriechenlandFall vgl. A G Mönchen-Gladbach B. v. 22.12.1965 FamRZ 1965 310. 27 Worauf Bosch FamRZ 1965 S. 315 hinweist. 24

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i n der Literatur bejaht von Weyers und von Bosch, verneint von Sonnenberger. Auch Habscheid t r i t t für die milde Lösung ( = Bejahung) ein, wenn er auch zugesteht, daß § 15 a EheG, auf den sich Weyers vor allem stützt, seinem Wortlaut nach i n Abs. 2 an die Voraussetzungen des Abs. 1 anknüpft und daher für die Streitfrage nichts hergibt 2 8 . Eine hinkende kirchliche Eheschließung der oben beschriebenen A r t w i r d i n Staaten, die das Ortsrecht i n Formfragen gar nicht oder nur wahlweise neben dem Heimatrecht berücksichtigen, für wirksam erklärt. Diese Staaten schließen sich damit dem Heimatstaat an, wenn sie über diese Ehen urteilen. Beispiel: Zwei Griechen heiraten in Deutschland kirchlich und übersiedeln später nach Frankreich. I n Frankreich ist ihre Ehe gültig. Denn i n Frankreich w i r d das Ortsrecht nur wahlweise berücksichtigt. Wahlweise Berücksichtigung des Ortsrechts ist allgemein die Haltung, die am weitesten verbreitet ist 2 9 . Eine Reihe von Staaten berücksichtigt jedoch i n Formfragen ausschließlich das Ortsrecht und erklärt daher eine Ehe, die nach dem Ortsrecht nicht zustandegekommen ist, ebenfalls nicht für zustandegekommen. Das ist die Haltung des englischen Rechts und des Rechts der USA 3 0 . Beispiel : Zwei Griechen heiraten i n Deutschland nur kirchlich und übersiedeln später nach den USA. Ihre Ehe ist dort nicht gültig. Eine noch strengere Haltung nimmt Österreich ein. Es berücksichtigt i n Formfragen kumulativ das Ortsrecht und das Heimatrecht, und zwar das Heimatrecht beider Verlobter. Die eine Auswirkung dieser Haltung wurde oben beschrieben: hinkende Zivilehen sind i n Österreich wie i m Heimatstaat unwirksam. Die andere Auswirkung zeigt sich jetzt: auch hinkende kirchliche Eheschließungen sind i n Österreich unwirksam, diesmal i n Gefolgschaft des Eheschließungsstaates 31 . Die Betrachtung zur Stellungnahme dritter Staaten bei hinkenden kirchlichen Eheschließungen zeigt eine allgemeine Erscheinung: die K o l lisionsnormen haben hier eine ganz andere Funktion als wenn das Forum als Schwerpunktstaat an der Eheschließung beteiligt ist. Die Gesichtspunkte, die hier rechtspolitisch Beachtung fordern, sind andere als dort. Hier geht es sozusagen um den Anschluß, dort um die erste Entscheidung. Es wäre klarer, wenn beide Funktionen verschiedenen Kollisionsnormen anvertraut wären. Das würde es ermöglichen, 28 Weyers FamRZ 1964 S. 169 und S. 568, 1965 S. I f f . ; Bosch FamRZ 1965 S. 314; Sonnenberger StAZ 1964 S. 289 und FamRZ 1965 69 u.a. O.; Habscheid FamRZ 1966 S. 169. 29 Vgl. Rabel I S. 254 und Fn. 151; für Deutschland vgl. Art. 11 I 2 EGBGB. 30 Rabel I S. 239 f. 31 Vgl. Schwind FS Wilburg S. 164.

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die Anschlußfunktion sachgerecht zu regeln und sie nicht mit Rücksicht auf die Erstentscheidungsfunktion einer unpassenden Kollisionsnorm zuzuweisen. Sachgerecht ist u. E. nur ein „favor matrimonii", d. h. eine Regelung, nach der eine hinkende Ehe von Staaten, die nicht selbst beteiligt, nicht selbst Schwerpunktstaaten sind, immer als wirksam angesehen wird. Ein Staat sollte nicht i n Fällen, an denen er nicht unmittelbar beteiligt ist, den hinkend verheirateten Ehegatten zusätzlich das Leben schwer machen, indem er die Negation der Ehe für seinen Rechtsbereich übernimmt. I m deutschen Recht ist dieser Forderung durch die „sowohl — als auch-Regelung" des Art. I I I EGBGB Genüge getan, nicht dagegen beispielsweise i n England, wo nur die hinkenden Ehen als gültig anerkannt werden, die nach dem Ortsrecht gültig sind, und noch weniger i n Österreich, wo hinkende Ehen der hier beschriebenen A r t (hinkend aus Formgründen) i n keinem Fall anerkannt werden, seien sie nun i m Eheschließungsstaat oder i m Heimatstaat hinkend gültig. b) Hinkende

Common-Law -Ehen

Eine kleine Zahl von Staaten erkennt noch heute innerstaatlich die Eheschließung durch bloße formlose Vereinbarung der Verlobten als wirksam an. Dabei bedarf es also weder eines öffentlichen Beamten noch Zeugen noch einer Registrierung oder Bekanntmachung o. ä. Insbesondere einige Staaten der USA sind hier zu nennen 32 . Eine formlose Ehe kennt auch Pakistan 3 3 . Früher erkannte auch das Recht der Sowjetunion eine Zeitlang eine Eheschließung durch formlose Vereinbarung der Eheleute an. I m anglo-amerikanischen Rechtsbereich ist die dieserart geschlossene Ehe als Common-Law-Ehe bekannt. Hinkende Ehen entstehen aus diesen Regelungen, wenn ein Angehöriger eines Staates, der noch die Common-Law-Ehe kennt, i m Ausland eine solche Ehe schließt, sein Heimatstaat sie anerkennt, der Eheschließungsstaat dagegen nicht 3 4 . Der Eheschließungsstaat erkennt sie vor allem dann nicht an, wenn er obligatorisch die Ziviltrauung fordert. I m umgekehrten Fall, wenn ein Ausländer i n einem Staat m i t Common-Law-Ehe eine solche Ehe schließt, entsteht dagegen in der Regel keine hinkende Ehe (abgesehen von katholischen Spaniern oder orthodoxen Griechen); denn der Heimat- oder Wohnsitzstaat erkennt i n der Regel die nach der Ortsform geschlossenene Ehe an 3 5 . 32

Vgl. Knittel FamRZ 1965 S. 57—61. Vgl. Henrich StAZ 1966 S. 222. 34 Beispiel für Griechenland bei Rabel I S. 235, für Amerikaner in Belgien bei Rabel I S. 236 unter (c) und Fn. 71. 35 Rabel I S. 241 ff. 33

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c) Hinkende konsularische Eheschließungen Die konsularische Eheschließung ist eine Sonderform, die viele Staaten für ihre eigenen Angehörigen bereithalten, wenn diese i m Ausland die Ehe eingehen wollen 3 6 . Konsularische Eheschließung für ihre Angehörigen i m Ausland kennen etwa Ägypten, Großbritannien, Frankreich, Italien, i n beschränktem Umfang Deutschland, und die USA 3 7 . Jedoch erkennen nicht alle Staaten den i n ihrem Gebiet tätigen ausländischen Konsuln und Diplomaten die rechtliche Möglichkeit zu, Ehen zu schließen, teils fußend auf einem politischen Prinzip, teils weil sie obligatorisch die Ziviltrauung oder die kirchliche Trauung fordern. Hierher gehört — jedenfalls i m Grundsatz — auch Deutschland; allerdings sind dabei die Exterritorialen ausgenommen 38 : außerdem enthalten internationale Verträge gewisse Sonderregeln für bestimmte Entsendestaaten 3 9 . Traut der Konsul oder sonstige Beamte zwei Verlobte, obwohl der Gaststaat seine Befugnis hierzu nicht anerkennt, dann hinkt die Ehe. Meistens liegen die Fälle, i n denen es zu hinkenden Eheschließungen kommt, so, daß ein Angehöriger des Entsendestaates und ein Angehöriger des Gaststaates geheiratet haben. Zur Trauung eigener Angehöriger erkennt nahezu kein Staat den ausländischen Diplomaten und Konsuln die Befugnis zu, auch nicht i n Verträgen. d) Hinkende Not - und Soldatentrauungen I n vielen Rechten sind Sonderformen der Eheschließung vorgesehen für Notfälle, i n denen es nicht möglich ist, die reguläre Form zu wahren. I m Schlagwort spricht man von den Dorf- oder Bürgermeistertrauungen 4 0 . Außerdem gibt es häufig Sonderformen für Trauungen von Soldaten i m Feld oder i m besetzten fremden Land, sowie für Trauungen auf See, die sog. Soldaten- und die Schiffstrauungen. Unter den Soldatentrauungen haben nach dem zweiten Weltkrieg die Eheschließungen von ausländischen Besatzungssoldaten mit deutschen Frauen in Deutschland vor Militärgeistlichen oder Trauungsoffizieren besondere Bedeutung erlangt 4 1 . Hinkende Ehen entstehen dann, wenn solche Sonderformen der Eheschließung i m Ausland, d. h. außerhalb des Staates, dessen Recht die 36

Rvgl. Zusammenstellung bei Rabel I S. 237—239 und 255—260. Einzelheiten und Nachweise bei Rabel I S. 257 f.; für Deutschland bei Raape IPR S. 255 f. und Kegel IPR S. 274 f. 38 Vgl. Raape a.a.O. 39 Vgl. Raape a.a.O. Fn. 28; allg. vgl. Rabel I S. 238 f. 40 Rvgl. Übl. bei Rabel I S. 261 und Bergmann R V H I I S. 731. 41 Vgl. Raape S. 248 und 382. 37

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Sonderform enthält, verwirklicht werden und der Eheschließungsstaat zwingende Regeln über die Form der Eheschließung bereithält. So w u r den und werden die Ehen, die deutsche Frauen m i t belgischen, englischen und amerikanischen Soldaten in der Nachkriegszeit vor dem Lagergeistlichen, dem Armeepfarrer oder dem Verwaltungsoffizier geschlossen haben, von den deutschen Gerichten nicht anerkannt 4 2 . e) Hinkende

Handschuhehen

Wenn sich bei der Eheschließung ein Verlobter vertreten läßt, ist zu unterscheiden zwischen der Stellvertretung i m Willen und der bloßen Stellvertretung i n der Erklärung, d. h. genau genommen der bloßen Botenschaft. Die Stellvertretung i m Willen betrifft die Willensbildung und gehört damit i n den Bereich der sachlichen Ehegültigkeit 4 3 . A n dieser Stelle, bei den Konflikten um die Form der Eheschließung, interessiert nur die Stellvertretung i n der Erklärung. Sie betrifft nur die Form; denn bei ihr handelt es sich darum, daß ein Verlobter bei der Eheschließung nicht persönlich anwesend ist. Die übliche Bezeichnung für Ehen, die durch Vertreter geschlossen werden, ist „Handschuhehen". Eine Reihe von Staaten kennt bei der Eheschließung innerstaatlich überhaupt keine Vertretung, so auch das deutsche Recht i n § 13 I EheG. Eine durch Vertreter geschlossene Ehe ist nichtig, d. h. zunächst gültig, aber vernichtbar. Eine Reihe von abendländischen Rechtsordnungen erlaubt innerstaatlich die Vertretung i n der Erklärung — sei es allgemein, sei es für bestimmte Fälle — und verbietet nur die Vertretung i m Willen, so die Niederlande, Spanien (bei der Zivilehe), Portugal, Italien, Jugoslavien, die Tschechoslowakei, Polen und die meisten lateinamerikanischen Staaten 44 . Stellvertretung i n der Erklärung ist außerdem erlaubt i n den Staaten, die darüber hinausgehend auch die Vertretung i m Willen zulassen, insbesondere also i n den islamischen Staaten 45 . Hinkende Ehen können aus dieser sachrechtlichen Divergenz praktisch nicht entstehen, da die Staaten mit Vertretungsverbot ihr Verbot auf Eheschließungen i m Inland beschränken und eine Vertretung bei solchen Eheschließungen durch die praktische Gestaltung der Zeremonie ausgeschlossen ist. Eheschließungen i m Ausland, bei denen ein Verlobter i n Übereinstimmung, m i t dem Ortsrecht in der Erklärung ver42 43 44 45

Vgl. BSG U. v. 28. 4. 1959 FamRZ 1959 278 (Engländer). Kegel IPR S. 268. Vgl. Dölle I S. 214 f. Vgl. Bes. Teil Β. I. 2. b) cc).

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treten war, erkennen auch die Staaten mit Vertretungsverbot an 4 6 . Anders entschied i n einem allerdings besonders gelagerten Fall 1955 das L G Hamburg: zwei Deutsche heirateten durch Bevollmächtigte in Mexiko, während der Mann sich i n Argentinien und die Frau sich an Bord eines skandinavischen Flugzeuges auf der Reise nach Argentinien befand; das L G hielt die Ehe wegen Umgehung der gesetzlichen Formvorschriften für ungültig 4 7 . Früher kam es auch i n den Regelfällen, i n denen keine besonderen Umstände wie i m eben geschilderten Fall vorlagen, häufig zu hinkenden Ehen durch Stellvertretung i n der Erklärung. Grund war, daß das Vertretungsverbot auch auf die Fälle ausgedehnt wurde, i n denen sich der Vertretene i n Deutschland befand — auf dem rechtstechnischen Wege, daß man auch den Ort, an dem der Vertretene dem Boten den Auftrag erteilte, als Ort der Eheschließung ansah. 1959 hat der BGH, nachdem diese Ansicht bereits längere Zeit heftig umstritten gewesen war, sich gegen sie ausgesprochen und eine Eheschließung zwischen einer Deutschen und einem Italiener, zu der die Braut den Boten i n Deutschland bevollmächtigt hatte, für gültig erklärt 4 8 . Einen anderen Weg, um das innerstaatliche Vertretungsverbot auf Inländer auch i m Ausland anzuwenden, geht Brasilien. Dort schlägt man — gegen die Natur der Sache — die Vertretung i n der Erklärung in den Bereich der sachlichen Ehegültigkeit und unterstellt sie damit unmittelbar dem Personalrecht 49 . Da Brasilien hier dem Staatsangehörigkeitsprinzip folgt, ergibt sich die Regel (zusammengesetzte Norm) „Handschuhehen von Brasilianern sind stets unzulässig". f) Hinkende Ehen wegen des Aufgebots Die Staaten m i t Ziviltrauung kennen zum Teil die Einrichtung des Aufgebots 50 , zum Teil nicht. Hinkende Ehen entstehen aus dieser Rechtsverschiedenheit meist nicht, da das Aufgebot allgemein als Formerfordernis angesehen und daher auch von Staaten, die es innerstaatlich fordern, dort für entbehrlich gehalten wird, wo das Ortsrecht es nicht kennt. Anders entscheidet nur Frankreich i n ganz bestimmten Fällen. 46 Für Eheschließungen von Deutschen im Ausland vgl. Kegel Komm. Art. 13 EGBGB Anm. 50 und IPR S. 268 sowie Dölle I S. 230; für das Ausland vgl. Rabel I S. 242 f. 47 StAZ 1955 S. 61. 48 StAZ 1959 181 = FamRZ 1959 378 = NJW 1959 717 = B G H Ζ 29 137. 49 Rabel I S. 244 Fn. 105. 50 Rvgl. Übl. zur Vorbereitung der Eheschließung bei Bergmann R V H I I S. 727.

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Dort ist das Aufgebot auch für gewisse Auslandsehen von Franzosen vorgeschrieben 51 . Doch berührt das Fehlen des Aufgebots auch hier grundsätzlich die Gültigkeit der Eheschließung nicht, so daß es i m Regelfall nicht zu hinkenden Ehen kommt. Anders ist es nur, wenn die Verlobten das französische Gesetz umgehen wollten 5 2 . Dann kann es zu hinkenden Ehen jedoch auch nicht kommen: denn i n solchen Fällen ist der eigentliche Grund für die Ungültigkeit der Eheschließung unter dem französischen Recht nicht das Fehlen des Aufgebots, sondern das Ehehindernis o. ä., das die Verlobten umgehen wollten: die Ungültigkeit der Eheschließung beruht also auf dem französischen Recht zur sachlichen Ehegültigkeit und ist daher (Art. 13 I EGBGB) von uns zu beachten. g) Völkerrechtlicher

Sonderfall

Das L G Dortmund hatte 1961 folgenden Fall zu entscheiden: Ein Deutscher und eine Niederländerin schlossen 1941 vor einem niederländischen Standesbeamten die Ehe. I m Februar 1941 war die „Verordnung Nr. 31 des Reichskommissars für die besetzten niederländischen Gebiete" ergangen, die i n § 1 besagte: „ I n den besetzten niederländischen Gebieten kommt die Ehe eines deutschen Mannes nur zustande, wenn sie vor einem deutschen Standesbeamten geschlossen wird." Die Eheschließung war i m Oktober. Das Gericht hielt die VO für gültig und nahm an, daß sie das deutsche IPR abgeändert habe (Art. 11 I 1 EGBGB). Daher sei nach deutschem Recht keine Ehe zustandegekommen. Zugleich sei die Vorschrift auch Teil des niederländischen Rechts geworden, i n das die Besatzungsmacht auf Grund Kriegsrechts habe eingreifen dürfen. Daher sei auch nach niederländischem Recht keine Ehe zustandegekommen 53 . Die Feststellung des Gerichts zum niederländischen Recht w i r d i n den Niederlanden abgelehnt 54 , so daß die Ehe der Niederländerin und des Deutschen i n Wahrheit hinkte. h) Hinkende Ehen wegen unterlassener

Registrierung

Die Staaten des Nahen Ostens erkennen i m allgemeinen Eheschließungen ihrer Angehörigen i m Ausland, ob i n Ortsform oder i n Heimat51

Art. 63 ff., 166 ff., 170 Cc. Bergmann - Ferid „Frankreich" Fn. 1 zu Art. 170 Cc. und Rabel I S. 245 und Fn. 110. 53 U. V. 14. 9. 1961 StAZ 1962 S. 123. 54 Vgl. Jhr. Mr. Th. van Sasse van Ysselt StAZ 1962 S. 251. 52

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form geschlossen, nur an, wenn sie i m Personenstandsregister des Heimatstaates registriert worden sind 55 . W i r d eine solche Ehe i n der Ortsform i m Ausland geschlossen, unterbleibt aber die Registrierung i m Heimatstaat, dann hinkt die Ehe. i) Hinkende Ehe wegen systemwidriger

Rechtsfolgenzuweisung

Nach Schweizer Recht kann eine Ehe, die i m Ausland vor einem Standesbeamten geschlossen wurde, nicht wegen Formfehlern i n der Schweiz für nichtig erklärt werden. Eine Nichtigerklärung, die aus diesem Grunde i m Ausland ausgesprochen wurde, w i r d i n der Schweiz nicht anerkannt 5 6 . Die Folge ist: die Ehe hinkt.

2. Konflikte über die sachliche Ehegültigkeit

Die sachliche Ehegültigkeit betrifft, wie bereits gesagt, „the substantive requirements for validity" i m Gegensatz zum „external conduct required of the parties or of third persons . . ," 5 7 . Das sachliche Eheschließungsrecht enthält zwei getrennte Bereiche, die Willensbildung bei der Eheschließung mit ihren verschiedenen Aspekten und die Voraussetzungen i n den persönlichen Verhältnissen der Verlobten, die für eine rechtlich einwandfreie Eheschließung gefordert werden. Abstrakt gesehen hat ein Konflikt über eine Frage der sachlichen Ehegültigkeit und die aus ihm folgende hinkende Eheschließung wieder, wie immer, drei Voraussetzungen: eine Verschiedenheit zweier beteiligter Kollisionsrechte, eine Verschiedenheit der so berufenen Sachrechte und einen Fall, i n dem diese doppelte Rechtsverschiedenheit zum Tragen kommt. Diese Voraussetzungen treffen bei der sachlichen Ehegültigkeit erheblich seltener zusammen als bei der formellen Ehegültigkeit, wie sich sogleich zeigen wird. a) Die Konfliktsmöglichkeiten

im Kollisionsrecht

Ein rechtsvergleichender Überblick über die Kollisionsregeln zur sachlichen Ehegültigkeit zeigt, daß es, ganz allgemein betrachtet, zwei Systeme gibt 5 8 : die Anknüpfung an den Eheschließungsort — maßgeb55 Vgl. K G B. v. 14. 9. 1961 FamRZ 1961 480 = StAZ 1962 97 = NJW 1961 2209; in Ägypten gilt dieses Erfordernis heute nicht mehr — vgl. K G B. v. 15.1. 1962 StAZ 1962 329 = FamRZ 1963 43 - NJW 1963 51, im Gegensatz zu früher — vgl. Raape IPR S. 247. 50 Rabel I S. 249. 57 Rabel I S. 224. 58 Die folgende Darstellung beruht weitgehend auf Rabel I S. 263—311.

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lieh ist das Recht des Eheschließungsortes — und die Anknüpfung an die Person — maßgebend ist das Personalrecht, d. h. das Heimatrecht oder das Wohnsitzrecht —. Diese Prinzipien sind in manchen Rechten miteinander verbunden und zwar sowohl das Wohnsitz- mit dem Heimatrecht als auch ein Personalrecht mit dem Recht des Eheschließungsortes. Weitere Komplizierungen ergeben sich, wenn die Verlobten verschiedene Personalrechte, nämlich verschiedene Wohnsitz- oder Heimatrechte haben. Dem Recht des Eheschließungsortes 59 haben sich vor allem die Staaten der USA verschrieben. Außerdem ist es i n Lateinamerika verbreitet, ζ. B. i n Argentinien, Brasilien, Chile, Ecuador, Paraguay, Uruguay, die allerdings alle gewisse Ausnahmen von der Regel machen, mit dem Ziel, den Anwendungsbereich des eigenen Sachrechts bei ihren eigenen Angehörigen zu erweitern. Weiter gilt dieses Prinzip i n Dänemark, in der Schweiz, in der Sowjetunion und auf den Philippinen. Die übrige Welt folgt i m Prinzip dem Personalrecht 80 . Dabei gehen Großbritannien und das übrige British Empire, Norwegen und die skandinavische Konvention über das Familienrecht, um nur einige zu nennen, nach dem Wohnsitz* 1 , die meisten anderen allerdings nach dem Heimatstaat 82 . Haben die Verlobten verschiedene Personalrechte, dann gilt als allgemein akzeptierter Grundsatz, daß für jeden Verlobten gesondert sein Personalrecht entscheidet 63 . Allerdings w i r d diese theoretisch so klare Regelung praktisch sehr kompliziert dadurch, daß viele Staaten zwischen ein- und zweiseitigen Ehehindernissen unterscheiden und eine Ehe wegen eines zweiseitigen Ehehindernisses auch dann verbieten, wenn es i n der Person des Verlobten verwirklicht ist, der einem anderen Personalstaat angehört. Positiv gesprochen, verlangen sie, daß gewisse Ehevoraussetzungen nicht nur i n der Person ihres eigenen Angehörigen verwirklicht sind, sondern auch i n der des anderen. Als einseitige Ehevoraussetzungen werden allgemein betrachtet das Ehemündigkeitsalter (anders i n England), das Fehlen von Willensmängeln, die etwa erforderliche Einwilligung der Eltern, kurz alle Seiten der W i l lensbildung, dazu die Sperrfrist für die Wiederverheiratung nach Eheauflösung und die Abwesenheit eines Ehehindernisses der Impotenz 64 . 59 60 61 02 68 64

Dazu vgl. Rabel I S. 267—271. Vgl. dazu Rabel I S. 280—311. Rabel I S. 280. Rabel I S. 282 Fn. 72. Rabel I S. 284. Rabel I S. 286—291.

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Besonderer Teil

Als zweiseitige Ehehindernisse sieht man meist die an, die auf „social policy" beruhen 65 , wie Bigamie, Verwandtschaft, bestimmte Krankheiten, eugenische Ehehindernisse, Ehebruch und Religionsverschiedenheit". Der knappe Überblick über das Kollisionsrecht scheint Möglichkeiten ohne Zahl für kollisionsrechtliche Konflikte zu zeigen. Der Schein trügt jedoch. Ein großer Teil der denkbar erscheinenden Konflikte betrifft die Fälle, i n denen die Verlobten verschiedene Personalstaaten haben und die beiden Personalstaaten auf ihre Angehörigen nicht das gleiche Recht anwenden; diese Konflikte sind unschädlich, weil die Personalstaaten hierbei gemäß der Regel, daß die Ehefähigkeit jedes Verlobten gesondert nach seinem Personalrecht zu beurteilen ist, aufeinander Rücksicht nehmen und die Entscheidung des einen für seinen Angehörigen vom anderen Personalstaat beachtet wird. Einen weiteren großen Teil der möglich erscheinenden Konflikte bilden die Fälle, i n denen ein Verlobter zwei Personalstaaten hat, die nicht das gleiche Personalrecht berufen. Beispiel : Ein Engländer mit domicile i n Deutschland. Diese Fälle werden jedoch, wie das Beispiel zeigt, zum großen Teil dadurch unschädlich gemacht, daß eine Rückverweisung angenommen wird. I n Deutschland würde auf den Engländer kraft Rückverweisung deutsches Recht angewendet. Diese Wirkung hat der renvoi allerdings nur, wenn er stets so angewendet wird, daß möglichst äußerer Entscheidungseinklang hergestellt w i r d 6 7 . Als konfliktsträchtig bleiben vor allem die Fälle zurück, i n denen ein Verlobter mehrere Personalstaaten hat, aber kein renvoi stattfindet, und die Fälle von Konflikten zwischen Eheschließungsstaat und Personalstaat (wieder, soweit kein renvoi stattfindet). Ergebnis: I m Bereich der sachlichen Ehegültigkeit ist die Zahl der hinkenden Ehen schon vom Kollisionsrecht her beschränkt. b) Sachrechtliche Divergenzen und die damit möglichen hinkenden Ehen Wenn man die Ergebnisse der Rechtsanwendung, nicht die äußere Form der Regeln betrachtet, sind internationale Divergenzen i n den Regelungen der sachlichen Ehegültigkeit ebenfalls nicht häufig. Dazu kommt, daß die Fälle, i n denen sie zum Tragen kommen, der Natur der Sache nach selten sind; denn die Regelungen beziehen sich alle auf 65

Rabel I S. 291. Rabel I S. 291—295. 67 Auf die dabei auftretenden Einzelprobleme kann hier nicht eingegangen werden. Vgl. dazu Kegel IPR S. 122 ff., bes. S. 125—126. 66

Β. I. Die

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hinkender Ehen

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Ausnahmefälle — i m Gegensatz zu den Regelungen über die Form. Das Ergebnis dieser Überlegungen — Ehen, die wegen einer Frage der sachlichen Ehegültigkeit hinken, kann es nicht oft geben — w i r d durch einen Blick i n die Praxis bestätigt. Zu den Einzelfragen der sachlichen Ehegültigkeit ist hervorzuheben: aa) Konflikte über die Ehemündigkeit Die Altersstufen, i n denen die Ehemündigkeit, d. h. die von einem Mindestalter abhängige rechtliche Fähigkeit, eine Ehe einzugehen 68 , eintritt, ist zwar international uneinheitlich 6 9 , doch werden Konflikte daraus nur selten entstehen, weil die Eheunmündigkeit teils nur ein aufschiebendes Ehehindernis darstellt, das die Gültigkeit der einmal geschlossenen Ehe nicht berührt 7 0 , i m übrigen die geschlossene Ehe zwar angreifbar ist 7 1 , die Nichtigerklärung, d. h. der Antrag auf Nichtigerklärung, aber m i t Rücksicht auf das fait accompli meist unterbleibt. Nur in England und einigen wenigen anderen Rechtsordnungen ist die Ehe eines Eheunmündigen ipso jure nichtig (void) 72 . bb) Konflikte über die Zustimmung von Eltern und anderen gesetzlichen Vertretern, bes. Gretna-Green-Ehen Minderjährige bedürfen i m allgemeinen der Zustimmung ihrer gesetzlichen Vertreter, i n der Regel ihrer Eltern, wenn sie eine Ehe eingehen wollen 7 3 . Das Alter, i n dem die Volljährigkeit erreicht wird, ist international sehr verschieden 74 . Fehlt die erforderliche Zustimmung, dann ist die Ehe i m allgemeinen aufhebbar (so in Deutschland, § 30 EheG) oder vernichtbar. Allerdings ist zu beachten, daß meistens die Eltern die einmal geschlossene Ehe nicht mehr angreifen werden. Dazu kommt, daß die Nichtigkeitsklage i n der Regel nach einer bestimmten Zeit ausgeschlossen ist 7 5 . Hinkende Volljährigkeit kann also an sich zu hinkenden Ehen führen, w i r d aber praktisch nicht von großer Bedeutung sein. 68

Dölle I S. 154. Für die Frau kommen alle Altersstufen von 12 bis 18 Jahren, für den Mann alle von 14 bis 21, außer 19 Jahren, vor — vgl. Kössinger StAZ 1965 S. 26 f. und S. 173—178, für die Heimatländer der Gastarbeiter vgl. R. Lüderitz FamRZ 1966 S. 286. 70 So in Deutschland; allgemein vgl. Dölle I S. 168. 71 Dölle a.a.O. 72 Dölle a.a.O. 73 Dölle I S. 179 oben. 74 Kössinger StAZ 1965 S. 26 f. und S. 173—178. 75 Dölle I S. 180. 69

4 Dorenberg

Besonderer Teil

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Die Paradefälle für Konflikte über die Volljährigkeit sind die sog. Gretna-Green-Ehen. Sie beruhen allerdings nicht auf einer der oben beschriebenen allgemeinen kollisionsrechtlichen Konfliktslagen, sondern auf speziellen kollisionsrechtlichen Voraussetzungen. Schottland gehört zu den Staaten, die an sich formell den Wohnsitzstaat zum Personalstaat erklären und die sachliche Ehegültigkeit dem Personalrecht unterstellen, befreit sich jedoch i n puncto Volljährigkeit und Ehemündigkeit sogleich wieder von der damit verbundenen Rücksichtnahme auf das ausländische Recht bei Eheschließungen von Ausländern, indem es diese Fragen als Formfragen qualifiziert. Bei Eheschließungen i n Gretna Green und sonst überall in Schottland wendet es also schottisches Recht an. Nach schottischem Recht bedürfen Verlobte über 16 Jahre zur Eheschließung nicht mehr der Einwilligung ihrer Eltern oder gesetzlichen Vertreter. Daher können Ausländer i n Schottland mit 16 Jahren getraut werden. Dieser Umstand und das offensichtliche Bedürfnis nach einer solchen Trauungsmöglichkeit i n Europa hat den Ort Gretna Green zum Ziel der heiratslustigen Minderjährigen aus ganz Europa gemacht. Das Glück der dort so jung getrauten ist jedoch — von anderen Problemen ganz abgesehen — rechtlich in ihrer Heimat meistens sehr gefährdet, weil der Heimatstaat der schottischen Qualifikation nicht folgt und den Eltern daher das letzte Wort gibt. Deutschland z. B. beurteilt, abweichend von Schottland, die Volljährigkeit des deutschen minderjährigen Ehegatten nach seinem Heimatrecht, d. h. nach deutschem Recht; die Ehe ist entgegen § 3 EheG geschlossen und daher gemäß § 30 EheG auf Antrag der Eltern aufhebbar. Sie kann, wenn die Eltern wollen, zu einer hinkende Ehe werden. Häufig werden aber die Eltern auch hier vor dem fait accompli zurückweichen und nachträglich ihre Zustimmung erteilen 7 6 .

cc) Konflikte aus den übrigen Bereichen der Willensbildung Konflikte über Erklärungsirrtum, Geschäftsirrtum und Idenditätsirrtum bei der Eheschließung sind äußerst selten. Denn erstens kommen Irrtümer dieser A r t kaum vor, und zweitens sind die sachrechtlichen Regelungen sehr einheitlich 7 7 . 76 So in dem Fall A G Frankfurt B. v. 3. 6.1965 StAZ 1966 147; für GretnaGreen-Ehen vgl. auch L G Hamburg U. v. 2. 10. 1963 FamRZ 1964 565 und A G Hamburg FamRZ 1964 532; außerdem Knikkenberg StAZ 1960 45 und Raape IPR S. 249 Fn. 20 a sowie Erdsiek NJW 1960 2232 f. 77

Vgl. Dölle I S. 314 ff.

Β. I. Die Entstehung hinkender Ehen

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Beim Eigenschaftsirrtum ist die Lage etwas anders. Er ist praktisch häufig und international sehr uneinheitlich geregelt. Die Rechtslage w i r d international noch dadurch kompliziert, daß die Irrtumsregelungen und die Täuschungsregelungen sich sachlich überschneiden. Was i n dem einen Recht unter I r r t u m geregelt ist, findet sich i n dem anderen unter Täuschung. Denn Täuschung ist nur ein Sonderfall, ein absichtlich herbeigeführter Fall des Irrtums. Noch weiter kompliziert sich die Lage dadurch, daß eine Reihe von Eigenschaften bisweilen zwar nicht wegen Irrtums, aber als Ehehindernisse die Ehe angreifbar machen. Das Irrtumsrecht und das Täuschungsrecht sind auf diese Weise eng mit dem Recht der trennenden Ehehindernisse verknüpft. Die sachrechtlich möglichen Konflikte zeigen sich nur, wenn man die drei Rechtsgebiete zusammen betrachtet. W i r stellen die Konflikte wegen I r r t u m und Täuschung daher hier zurück. I m deutschen Recht ist eine durch Drohung erzwungene Eheschließung auf hebbar (§ 34 EheG). I m Ausland ist die Regelung meistens sehr ähnlich; nur die Formulierungen und manche Einzelausgestaltungen weichen voneinander ab 7 8 . Konflikte können bei dieser Einheitlichkeit der Sachrechte kaum entstehen. Auch die Simulation, das Fehlen eines ernstlichen Eheschließungswillens, praktisch vor allem vorkommend bei den sog. Staatsbürgerschaftsehen und den Namensehen, w i r d selten zu hinkenden Ehen führen, da sie einmal selten vorkommt und zum anderen in den meisten Rechten i m Regelfall unbeachtlich ist 7 9 . Ausnahmen, die hier und da gelten 8 0 , sind ohne praktische Bedeutung. Stellvertretung i m Willen ist i m deutschen Recht ausgeschlossen (§13 I EheG). Die i n Vertretung geschlossene Ehe ist zunächst gültig, aber vernichtbar (§ 17 I EheG). I m Ausland ist echte Stellvertretung bei der Eheschließung i n den islamischen Rechten i n gewissem Umfang zulässig 81 . Konflikte können sich aus dieser Divergenz bei Mehrstaatern (Verlobter ist Deutscher und zugleich etwa Ägypter) ergeben, allerdings, da Vertretung i m Willen bei Eheschließungen i n Deutschland praktisch nicht vorkommen kann, nur bei Eheschließungen i m Ausland, vor allem i m jeweiligen Heimatstaat. dd) Konflikte über Eheverbote Hinkende Ehen können nur auf Grund solcher Eheverbote entstehen, die die Gültigkeit einer Ehe beeinträchtigen, sei es unmittelbar oder — 78

Dölle I S. 338 f. Dölle I S. 276 f. Für das deutsche Recht vgl. § 19 EheG — Namensehe —. Rechtsvergleichend siehe Dölle a.a.O. und S. 142—148. 81 Dölle I S. 214 mit Einzelheiten und weiteren Nachweisen. 79

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auf dem Wege über eine nachträgliche Nichtigerklärung oder Aufhebung — mittelbar. Die bloß aufschiebenden Eheverbote interessieren hier nicht. Von den trennenden Eheverboten sind diejenigen, von denen eine Befreiung gewährt werden kann, von minderer Bedeutung, weil von der Befreiungsmöglichkeit, wenn einmal eine Ehe geschlossen ist, oft Gebrauch gemacht und dadurch die Lage bereinigt wird. I m deutschen Recht kann nur von den Eheverboten der Blutsverwandtschaft und der Doppelehe Befreiung nicht erteilt werden. Kollisionsrechtlich hängen die Konflikte über Eheverbote davon ab, daß eine der oben geschilderten allgemeinen kollisionsrechtlichen Konfliktslagen besteht oder daß — bei den Eheverboten von besonderer Bedeutung — der ordre public die an sich gegebene kollisionsrechtliche Harmonie stört. Während i m Bereich der Willensbildung und ihrer Fehler der ordre public kaum von Bedeutung ist, findet er hier geradezu einen Tummelplatz für Vorbehalte aller Art. Denn die Vorstellung, daß allein das eigene Recht über Eheverbote moralisch richtig und zugleich unverzichtbar ist, ist leider immer noch i n allen Staaten lebendig und sehr wirksam. Internationale Intoleranz ist kaum anderswo so verbreitet wie hier 8 2 . Die Anwendung des ordre public w i r k t sich verschieden aus, je nachdem ob ein Staat bei der sachlichen Ehegültigkeit auf das Recht des Eheschließungsortes abstellt oder auf ein Personalrecht. Staaten der ersten Gruppe (Recht des Eheschließungsortes) werden dazu neigen, bei ihren Angehörigen (Einwohnern oder Staatsangehörigen) auf dem Wege über den ordre public ihre eigenen Rechtsvorstellungen auch dann durchzusetzen, wenn die Eheschließung i m Ausland stattfindet. Dagegen werden Staaten, die ein Personalrecht anwenden, versuchen, mittels ihres ordre public Regeln ihres Sachrechts auch Ausländern, die i n ihrem Territorium heiraten, zu oktroyieren 8 3 . I n beiden Fallgruppen kann sich der ordre public ehefreundlich (permissiv) auswirken, indem er ein nach dem regulär berufenen Sachrecht vorliegendes Eheverbot ausschließt, oder ehefeindlich (prohibitiv), indem er eine Ehe, die nach dem regulär berufenen Recht zulässig ist, verhindert oder — nach der Eheschließung — angreifbar macht. Die Wirkung des prohibitiven ordre public w i r d dadurch allerdings i n Grenzen gehalten, daß er i n vielen Fällen international Beachtung findet. Verweist etwa ein Staat auf das Heimatrecht eines Verlobten und der Heimatstaat auf ein anderes Recht (Wohnsitzrecht oder Recht des Eheschließungsortes), dann ist der renvoi nur soweit zu befolgen, als nicht der ordre public des Heimatstaates eingreift. Beispiel: W i l l ein Amerikaner i n Deutschland 82 83

Rabel I S. 265. Rabel I S. 266.

Β. I. Die

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seine Nichte heiraten, dann ist an sich deutsches Recht anzuwenden; das Eheverbot der Verwandtschaft i n der Seitenlinie, das das amerikanische Recht aufstellt und zum Bestandteil des ordre public erklärt, ist jedoch zu beachten 84 . (α) Insbesondere: Konflikte wegen Verwandtschaft und Schwägerschaft 85 Nach deutschem Recht sind Verwandte i n gerader Linie sowie voll- und halbbürtige Geschwister gehindert, miteinander die Ehe einzugehen (§ 4 I EheG). Das gleiche gilt überall auch i n den ausländischen Rechten. Dagegen weichen die ausländischen Rechte voneinander ab, soweit es um entferntere Verwandte geht. Onkel und Nichte sowie Tante und Neffe sind i n England und Frankreich an der Eheschließung gehindert. Griechenland, Spanien und offenbar auch die Volksrepublik China gehen darüber noch hinaus und beziehen auch entferntere Verwandte ein. I n manchen Rechten begründen sogar nicht blutsmäßige Verwandtschaftsverhältnisse ein Eheverbot, nämlich i m griechischen Recht das Verhältnis zwischen Taufpate und Taufkind, die sog. geistliche Verwandtschaft, und i n den islamischen Rechten das Verhältnis zwischen Amme und Kind, die sog. Milchverwandtschaft 86 . Die trotz trennender Verwandtschaft geschlossene Ehe ist fast überall vernichtbar (Deutschland — § 21 EheG). I n England und i n den meisten Staaten der USA ist sie sogleich schlechthin nichtig („void") 8 7 . Hinkende Ehen können entstehen, wo es internationale Divergenzen gibt, d. h. bei Eheschließungen zwischen Onkel und Nichte und zwischen Tante und Neffe sowie zwischen den sog. geistlich Verwandten und den „Milchverwandten" 8 8 ; sie entstehen, wenn eine der oben geschilderten allgemeinen kollisionsrechtlichen Konfliktslagen besteht. Beispiel: Zwei Deutsche, Onkel und Nichte, emigrieren 1935 nach England und begründen dort ihr domicile. 1936 heiraten sie. Die Ehe ist in Deutschland gültig, i n England „void". Es handelt sich um einen Konflikt zwischen zwei Personalstaaten — Wohnsitzstaat und Heimatstaat. Hinkende Ehen entstehen aus den sachrechtlichen Divergenzen weiter auf Grund des ordre public, der allerdings hier selten eingreift. Ein Beispiel für die Anwendung des prohibitiven ordre public wurde be84 Vgl im folg. Abschnitt; allgemein zur Beachtung des ausländischen ordre public vgl. Kegel IPR S. 131. 85 Rvgl. Übl. zum Eheverbot der Verwandtschaft u. Schwägerschaft bei Dölle I S. 103 f. 86 Vgl. Dölle I S. 103 f. 87 Vgl. Dölle I. S. 273. 88 Die beiden letzteren Fallgruppen können praktisch ausgeklammert werden.

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Besonderer Teil

reits erwähnt: die Ausdehnung des Eheverbots der Verwandtschaft i n der Seitenlinie durch die USA auf Eheschließungen von Amerikanern i m Ausland 8 9 . Gerade diese ordre-public-Regel w i r d aber wie gesagt, oft vom Eheschließungsstaat beachtet, — nämlich dann, wenn dieser auf das Heimatrecht verweist 9 0 . Das Ehehindernis der Schwägerschaft ist für das deutsche Recht in § 4 I EheG niedergelegt; danach sind geradlinig Verschwägerte an der Eheschließung miteinander gehindert; die trotzdem geschlossene Ehe ist aufhebbar. Praktisch ist die deutsche Regelung für die Entstehung hinkender Ehen nicht bedeutsam, da meist ein Dispens erreicht werden kann und zwar auch nach der Eheschließung ( § 2 1 EheG). I m Ausland ist das Eheverbot der Schwägerschaft i n vielen Rechten unbekannt. Wo es gilt, ergreift es i m allgemeinen nur Verschwägerte i n gerader Linie, also Schwiegereltern und Schwiegerkinder sowie Stiefeltern und Stiefkinder; nur manche Staaten beziehen auch Verschwägerte in der Seitenlinie ein. Das griechische Recht verbietet sogar Ehen zwischen Verwandten der Ehegatten 91 . Hinkende Ehen ergeben sich aus diesen wenigen sachrechtlichen Divergenzen wie oben bei der Verwandtschaft aus den allgemeinen kollisionsrechtlichen Konfliktslagen und aus dem ordre public. Der ordre public dürfte hier allerdings eine noch geringere Rolle spielen als bei der Verwandtschaft. Für das deutsche Recht spricht die Möglichkeit eines Dispenses bei rein nationalen Sachverhalten dagegen, den ordre public bei einem internationalen Sachverhalt anzuwenden 92 . (ß) Konflikte wegen persönlicher Eigenschaften eines Ehegatten I n den Zusammenhang mit diesen Konflikten gehören auch die Fälle hinkender Ehen auf Grund von I r r t u m und Täuschung über persönliche Eigenschaften 93 . Der Sache nach geht es hier um Fälle, i n denen ein Ehegatte vorbestraft, impotent, körperlich oder geistig schwer krank ist, widernatürliche Gewohnheiten hat, oder i n denen die Frau von einem anderen Mann schwanger ist, und was es sonst an ähnlichen für die Eheschließung wesentlichen Umständen geben mag. Es ist i m Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, die Divergenzen in den Sachrechten auf diesem Gebiet vergleichend darzustellen und aus 89 Vgl. Rabel I S. 262, wo allerdings auch Entscheidungen genannt werden, die den ordre public nicht anwenden. 90 Vgl. oben vor α). 91 Rvgl. Übl. bei Dölle I S. 105 f. 92 Henrich StAZ 1966 S. 303. 93 Vgl. oben cc).

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ihnen und den kollisionsrechtlichen Konfliktsmöglichkeiten die möglichen Fälle hinkender Ehen abzuleiten. Möglich ist nur wieder die allgemeine Feststellung, daß eine der oben beschriebenen kollisionsrechtlichen Konfliktslagen und eine sachrechtliche Divergenz zusammentreffen müssen oder der ordre public eingreifen muß, um eine hinkende Ehe zu erzeugen. Praktisch ist der ganze Bereich für die Entstehung hinkender Ehen nicht sehr wichtig, wie ein Blick in die Rechtsprechung zeigt. Die Ursache dafür liegt vielleicht auch darin, daß viele Konfliktsfälle sich nachträglich durch eine Scheidung wieder „normalisieren"; auf den Zusammenhang der Eheverbote dieses Abschnittes m i t dem Recht der Scheidungsgründe brauchen w i r nicht eigens hinzuweisen. (γ) Konflikte wegen Religionsverschiedenheit der Ehegatten Das Ehehindernis der Religionsverschiedenheit ist i n den Staaten bekannt, deren Eherecht noch unter dem starken Einfluß einer der großen Religionen steht, sei es das Christentum, der Islam, das Judentum oder die Hindureligion 9 4 . Bei den christlich beeinflußten Staaten sei vor allem auf Spanien, Liechtenstein und Griechenland hingewiesen. I n Spanien ist eine Ehe zwischen Katholiken und nicht-katholischen Christen oder Ungetauften verboten. I n Liechtenstein ist jede Ehe zwischen Christen und Nicht-Christen verboten und nichtig, ebenso i n Griechenland. I n den islamischen Rechten ist der mohammedanischen Frau jede Ehe mit einem Andersgläubigen verboten, dem Mann dagegen die Ehe mit einer Christin oder Jüdin erlaubt; Angehörige anderer Religionen darf auch er nicht heiraten 9 5 . I n Israel untersagt das für Juden geltende Talmudrecht den Juden die Ehe m i t Personen nicht-jüdischen Glaubens. Die gleichwohl geschlossene Ehe ist nichtig 9 6 . I n Indien und Pakistan verbietet das — für Hindus maßgebliche — religiöse Hindurecht die Ehe eines Hindu m i t einem Nichthindu 9 7 . Die anderen Rechte der Erde kennen das Ehehindernis der Religionsverschiedenheit nicht. Konflikte entstehen bei dieser allgemeinen Rechtsverschiedenheit aus den oben beschriebenen kollisionsrechtlichen Konfliktslagen und aus dem ordre public. Die Staaten, die Religionsverschiedenheit als Ehehindernis betrachten, folgen für die sachliche Ehegültigkeit überwiegend der Regel, daß der Heimatstaat entscheidet, zum Teil auch der, daß das 94 Rvgl. Übl. bei Mergenthaler StAZ 1965 S. 135; vgl. auch Raape I P R S. 257 und Komm. S. 239. 95 Vgl. Brintzinger StAZ 1964 S. 337, für Marokko vgl. Serick F G Gutzwiller S. 1959, für den Irak vgl. Wilke FamRZ 1961 S. 403. 98 Bergmann - Ferid „Israel" S. 19. 97 Mergenthaler a.a.O.

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Besonderer Teil

domicile entscheidet, und können daher kollidieren m i t einem anderen Personalstaat oder m i t einem Eheschließungsstaat. Der ordre public w i r k t vor allem permissiv. Die permissive Wirkung beruht darauf, daß man i m allgemeinen i n Staaten, die das Ehehindernis der Religionsverschiedenheit nicht kennen, dieses Ehehindernis als ordre-public-widrig betrachtet und ausschaltet. I n Deutschland ist diese Frage umstritten 9 8 . Wendet man, u. E. zutreffend, den ordre public an, dann kommt man, da der ordre public nur bei einer gewissen Inlandsbeziehung des Falles (Deutscher beteiligt oder Eheschließung i n Deutschland) eingreift, zu der Regel: Religions Verschiedenheit ist kein Ehehindernis für Ehen, an denen ein Deutscher beteiligt ist oder die i n Deutschland geschlossen wurde. Die Ergebnisse der Anwendung des permissive ordre public i m Ausland sind ähnlich 99 . (8) Konflikte wegen Rasseverschiedenheit der Ehegatten Während des Dritten Reichs waren i n Deutschland Ehen zwischen Juden und „Staatsangehörigen deutschen oder artverwandten Blutes" durch die sog. Nürnberger Blutschutzgesetze 100 verboten. Heute noch trennen die Südafrikanische Union und einige Staaten der USA Menschen, die heiraten wollen, aus rassischen Gründen. I n Südafrika verbietet die Apartheid-Gesetzgebung bei Strafe und Nichtigkeit der Ehe Eheschließungen zwischen „Europäern" und „Nicht-Europäern" 1 0 1 . I n den USA werden i n Alabama, Arizona, Californien, Georgia, Indiana, Kentucky und Louisiana Neger und Weiße an der Eheschließung m i t einander gehindert. Einige der genannten Staaten diskriminieren darüberhinaus auch andere farbige Rassen 102 . Außerhalb der genannten Staaten werden diese Eheverbote nicht beachtet. Solche Mischehen hinken also, wenn ein Ehegatte Ausländer ist oder die Eheschließung i n einem ausländischen Staat stattgefunden hat 1 0 3 . U. E. verstößt die Beachtung dieser Eheverbote auch dann gegen den deutschen ordre public, wenn eine unmittelbare Beziehung zum deutschen Rechtsbereich nicht besteht, wenn also beide Ehegatten Süd98 Einen Verstoß gegen den ordre public bejahen: Ferid (StAZ 1954 S. 20), Dieckmann (JuS 1966 S. 108), Mergenthaler (StAZ 1965 S. 136), Guggumos (StAZ 1964 S. 54) und Wolff (IPR S. 190); einen Verstoß verneinen u. a: Raape (IPR S. 257), Serici c (FS Gutzwiller S. 403 f.), Neuhaus (StAZ 1965 S. 280) und Lauterbach (Komm. Art. 13 Anm. 4 b), anscheinend auch Gamillscheg (FS Nipperdey S. 335 f.). Höchstgerichtlich ist die Frage noch nicht entschieden. 99 Vgl. Rabel I S. 301 f. 100 Vom 15. 9.1935 — RGBl I 1146. 101 Prohibition of Mixed Marriages Act Nr. 55 — vom 1. 7. 1940. 102 Börner StAZ 1956 S. 46. loa p ü r Eheschließungen in Deutschland vgl. Börner a.a.O.

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afrikaner sind und die Eheschließung i n Südafrika stattgefunden hat. Hier ist eine hinkend anerkannte Ehe besser als die Versagung der Anerkennung. (ε) Konflikte wegen des Ehehindernisses des Ehebruchs Eine Ehe, die wegen des Ehehindernisses des Ehebruches hinkte, lag dem Urteil des RG vom 14. 1. 1965 104 zugrunde. I n dem entschiedenen Fall war ein Deutscher von seiner Frau wegen Ehebruchs geschieden worden. Anschließend wollte er die Ehebruchspartnerin heiraten. Er beantragte Befreiung vom Eheverbot des Ehebruchs nach § 6 I I EheG; er begab sich dann aber vor der Entscheidung über das Gesuch nach England — ebenso die Frau — und heiratete dort. Die Befreiung wurde nachträglich versagt. Die Ehe war i n England gültig — i n England gibt es kein Eheverbot des Ehebruchs 105 . I n Deutschland dagegen wurde die Ehe für nichtig erklärt. Ergebnis: sie hinkte. (ζ) Doppelehe und Mehrehe I n Deutschland ist eine bigamische Ehe unzulässig und nichtig (vernichtbar). Auch i m Ausland ist überwiegend die Einehe Gesetz. Die Mehrehe ist i m Rückgang begriffen 1 0 6 . Sie ist noch zugelassen i n Indien durch das Gewohnheitsrecht der Hindus, das allerdings durch Gesetzesrecht zum Teil verdrängt ist 1 0 7 , i n den vom Islam beherrschten Rechten 1 0 8 , sowie i n den Rechten einer Reihe von Eingeborenenvölkern i n verschiedenen Erdteilen, z. B. i n Südafrika 1 0 8 . Eine hinkende bigamische Ehe entsteht beispielsweise, wenn eine Mehrstaaterin, Deutsche und Ägypterin, als zweite Frau einen Ägypter heiratet. A u f Grund des ordre public kommt es zu einer hinkenden Ehe, wenn ein verheirateter Ausländer — Moslem — i n Deutschland eine zweite Ehe schließt. Nach seinem Heimatrecht ist sie gültig, der deutsche ordre public verbietet ihre Anerkennung 1 0 9 , nach der Nichtigerklärung hinkt sie. 104

JW 1935 1403. Dölle I S. 128 Fn. 18; dort auch ein rvgl. Übl. 106 Rvgl. Übl. bei Dölle I S. 114 f. 107 Das Hindu Marriage Act Nr. 25 von 1955 verbietet in sec. 5 Hindus untereinander die Mehrehe. 108 Dölle a.a.O. 109 Kegel Komm. Art. 13 Anm. 97. 105

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Besonderer Teil

ee) Konflikte wegen unterschiedlicher Rechtsfolgenregelung I m deutschen Recht ist eine Ehe, die wegen Verwandtschaft, Schwägerschaft, Doppelehe usw. nicht hätte geschlossen werden dürfen, trotzdem zunächst gültig. Das Gesetz sagt, sie ist nichtig, sie ist aber nur vernichtbar, zunächst besteht sie. Anders ist es i n den meisten angloamerikanischen Rechten. Dort ist sie sofort „void". Heiratet also ein verheirateter Engländer mit domicile i n England eine Deutsche, dann ist die Ehe nach englischem Sachrecht „void", nach deutschem Sachrecht nur vernichtbar. Trotzdem hinkt sie nicht. Denn kollisionsrechtlich setzt sich das ärgere Recht i n diesem Fall auch bei uns durch 1 1 0 . Ebenfalls entsteht keine hinkende Ehe, wenn eine Deutsche einen verheirateten, aber von Tisch und Bett getrennten Spanier heiratet. Zwar ist eine bigamische Ehe nach deutschem Eherecht nur vernichtbar, nach spanischem dagegen nichtig, doch ist hier auch das spanische Recht vom deutschem Kollisionsrecht berufen (Art. 13 I EGBGB), da der Ehemann Spanier ist, und es setzt sich als das ärgere Recht durch. Anders ist es, wenn das ärgere Recht vom deutschen Kollisionsrecht nicht angesprochen wird, wie i n folgendem Fall: ein verheirateter Deutscher wandert i n die USA (New York) aus und geht dort eine neue Ehe ein. Die Ehe ist bigamisch und daher nach deutschem Recht (Art. 13 I EGBGB) vernichtbar, nach dem Recht von New York dagegen (das sich als Recht des Eheschließungsortes selbst beruft) ist sie „void". Hier hinkt die Ehe wegen der unterschiedlichen Rechtsfolgenregelung, obwohl sich i n der Sache beide Staaten einig sind.

3. Hinkende Ehen als sekundäre hinkende Rechtsverhältnisse

Hinkende Ehen können auch als sekundäre hinkende Rechtsverhältnisse entstehen, d. h. sie können deshalb hinkend sein, weil ein anderes Rechtsverhältnis, von dem ihre Gültigkeit mittelbar oder unmittelbar abhängt, hinkt. Beispiel: Ein hinkend Verheirateter heiratet noch einmal. Nachträglich w i r d seine erste Ehe entdeckt und die zweite wegen Bigamie für nichtig erklärt; damit w i r d sie nur i n dem Staat vernichtet, i n dem die erste Ehe galt, i m anderen besteht sie fort. Sie hinkt also. Diese Lage war i n einem Fall des L G Tübingen 1 1 1 gegeben. Dort hatte ein verheirateter Deutscher (N) i n New York mit einer Deutschen (B) die Ehe geschlossen und später die Β einen anderen Deutschen (A) geheiratet, ohne ihre erste Ehe mit Ν aufzulösen. Die Ehe B - N war bigamisch und daher i n New York „void". I n Deutschland war sie nur ver110

Raape IPR S. 238; a. M. anscheinend, wenn auch nicht eindeutig, Dölle FS Boehmer S. 140. 111 IPRspr. 1934 Nr. 57 = JW 1934 2802.

Β. I. Die

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nichtbar. Sie hinkte also. Die Ehe B - Α war nur i n Deutschland bigamisch, i n New York dagegen unbelastet. Sie wurde auf Betreiben der A für nichtig erklärt und hinkte damit auch. Die Ehe N - B war eine primäre, die Ehe B - Α eine sekundäre hinkende Ehe. Ähnliche Fälle ergeben sich, wenn ein Ehegatte hinkend ehelich ist, mit 18 Jahren bereits geheiratet hat, aber die Einwilligung seiner Eltern — deren Stellung rechtlich hinkt — nur hinkend wirksam ist. Auch hinkende Verwandtschaft oder Schwägerschaft kann solche Fälle erzeugen. Praktisch dürften allerdings nur die Fälle der zweiten Eheschließung nach nur hinkender erster Eheschließung (oder Ehescheidung) eine Rolle spielen. 4. Zusammenfassung — Die Vermeidung hinkender Ehen

Den größten Teil der hinkenden Ehen stellen die hinkenden Z i v i l ehen und die hinkend kirchlich geschlossenen Ehen. U m hinkende kirchliche Eheschließungen zu vermeiden, ist es nötig, entweder eine neue Auslegung des Art. 13 I I I EGBGB durchzusetzen oder das Gesetz zu ändern. Der erste — der juristische — Weg hat bisher nicht Erfolg gehabt und w i r d wohl auch in der Zukunft keinen Erfolg haben. Es bleibt daher nur die Gesetzesinitiative, d. h. der politische Weg. Angesichts der vielen praktischen, menschlichen und auch rechtlichen Probleme dieser Ehen, die i m weiteren Verlauf dieser Untersuchung noch zur Sprache kommen werden, dürfte ihm, w i r d er nur einmal beschritten, der Erfolg nicht versagt bleiben. I n den Reformvorschlägen der Eherechtskommission des Deutschen Rates für Internationales Privatrecht w i r d die Streichung des Art. 13 I I I EGBGB vorgeschlagen 112 . Vielleicht findet sich, ebenso wie für die Zulassung der Wiederheirat nach hinkender Scheidung 113 , auch hier eine Gruppe initiativfreudiger Abgeordneter, die diesen Änderungsvorschlag schon jetzt in ein Gesetz umzusetzen versuchen. Die Streichung des Art. 13 I I I EGBGB sollte um so leichter fallen, als er eine Überspitzung des Grundsatzes der obligatorischen Zivilehe darstellt 1 1 4 , die heute, fast hundert Jahre nach dem Kulturkampf, nicht mehr zeitgemäß ist. Die hinkenden Zivilehen beruhen, von Deutschland aus gesehen, auf Art. 11 I 2 EGBGB. Hier ein Nachgeben des deutschen Rechts vorzuschlagen, fällt viel schwerer. Denn an sich wäre es Sache des ausländischen Heimatstaates, seine starre Haltung aufzugeben. Er ist es ja, der von der international fast allgemein geübten Regel „Ortsform genügt" abweicht. Trotzdem möchten w i r i m Anschluß an den oben erwähnten 112 113 114

Vgl. dazu Kegel RabelsZ 25 (1960) S. 201 ff., 205 f. Vgl. Bes. Teil C. I I . 9. c). So Dölle I S. 226.

60

Besonderer Teil

Vorschlag Gamillschegs 115 die Auffassung propagieren, nach der Z i v i l ehen von Spaniern oder Griechen, die nach ihrem Heimatrecht nur kirchlich heiraten können, i n Deutschland nicht wirksam sind. Diese Auffassung setzt natürlich eine Abkehr von dem ausweglosen Denken i n Qualifikationskonflikten voraus, wie Gamillscheg i m einzelnen ausführt. Praktisch würde die Übernahme dieser Auffassung sehr erleichtert, wenn A r t . 13 I I I EGBGB gestrichen würde; denn dann bedürfte es nicht mehr unbedingt der Ziviltrauung. Gegenwärtig liegt es in der Konsequenz des Vorschlags von Gamillscheg , daß der Spanier oder Grieche unbedingt zweimal, zivil und kirchlich, heiraten muß. Solange diese Vorschläge nicht Wirklichkeit geworden sind, muß man sich mit § 15 a EheG und m i t dem praktischen Behelf begnügen, den die Dienstanweisung für Standesbeamte enthält, nämlich eine Traubereitschaftserklärung eines Geistlichen zu fordern. Allerdings kann dieses Erfordernis nicht durchgesetzt werden. Die Verlobten sind nicht verpflichtet, eine Traubereitschaftserklärung beizubringen. Durchgesetzt werden kann das Erfordernis nur, wenn ein ausländischer Verlobter kein Ehefähigkeitszeugnis beibringen kann und deshalb um Befreiung nach § 10 I I EheG nachsucht; dann kann die Befreiung versagt werden, wenn er keine Traubereitschaftserklärung vorlegt. M i t diesem Erfordernis nützen die OLG-Präsidenten die ihnen durch § 10 I I EheG eingeräumte Ermessensfreiheit zur Vermeidung hinkender Ehen aus 1 1 6 . Die übrigen Fälle, i n denen Ehen aus Formgründen hinken, sind praktisch kaum von Bedeutung; ihre Ursachen und deren Vermeidung sollen nur gestreift werden. M i t den hinkenden Common-Law-Ehen brauchen w i r uns angesichts ihrer praktischen Seltenheit gar nicht zu befassen. Die Verantwortung für die Vermeidung der hinkenden konsularischen Eheschließungen liegt klar bei den Entsendestaaten. Es ist ihre Sache, durch Begrenzung der ihren Diplomaten erteilten Ermächtigungen Konflikte m i t den Gaststaaten zu vermeiden. Das gleiche gilt für die Trauungen vor Militärgeistlichen und Verwaltungsoffizieren. Die Fälle, i n denen eine Eheschließung mangels Registrierung i m Heimatstaat hinkt, sind i m allgemeinen nicht vermeidbar. Den Konflikten mit der Schweiz wegen ihrer systemwidrigen Rechtsfolgenzuweisung kann nur die Schweiz selbst begegnen. Ehen, die aus Gründen der sachlichen Ehegültigkeit hinken, sind viel seltener als die, bei denen der Grund i n der Form der Eheschließung liegt. 115

FS OLG Celle S. 68—70. Vgl. Dieckmann JuS 1966 S. 99 Fn. 16; ablehnend zu dieser Praxis Dieckmann a.a.O. S. 101 r. Sp. 118

Β. I. Die

t s e n

hinkender Ehen

61

Die bekanntesten Fälle, die sog. Gretna-Green-Ehen, lassen sich vom deutschen Recht her nicht vermeiden. Die Verantwortung für sie liegt beim schottischen Recht, das die Frage der Zustimmungserfordernisse i n kollisionsrechtlich ganz unüblicher Weise als Formfrage behandelt. Ein Großteil der übrigen Konflikte würde vermieden, wenn es gelänge, das Kollisionsrecht zu vereinheitlichen und damit schon die kollisionsrechtlichen Konfliktslagen auszuschalten. Zu einer solchen Vereinheitlichung würde vor allem der Ausgleich zwischen Domizil- und Staatsangehörigkeitsprinzip gehören, und zwar, wegen der besseren Anwendbarkeit i n unserer Zeit des starken internationalen familienrechtlichen Verkehrs, i n Richtung auf das Domizilprinzip. Zu einer solchen Vereinheitlichung würde weiter die Entwicklung international übereinstimmender Regeln über die Behandlung von Mehrstaatern gehören; die gegenwärtige Praxis, bei Mehrstaatern m i t zugleich inländischer Staatsangehörigkeit stets nur die inländische Staatsanghörigkeit zu beachten, kann nicht zu internationaler Harmonie führen. Erwünscht wäre schließlich von der Seite der wenigen Staaten, die i n Fragen der sachlichen Ehegültigkeit das Recht des Eheschließungsortes entscheiden lassen, eine Umstellung auf das Wohnsitzrecht, um die Konflikte zwischen Eheschließungsstaat und Personalstaat zu vermeiden. Eine Vereinheitlichung des Sachrechts zur Ehegültigkeit wäre ebenfalls wirkungsvoll, liegt aber nur bei wenigen Fragen i m Bereich des auf lange Sicht vielleicht möglichen. I m deutschen Recht wäre hier allenfalls an eine Umwandlung des Eheverbots der Schwägerschaft i n ein aufschiebendes Ehehindernis sowie an eine Abschaffung des Eheverbots des Ehebruchs zu denken. Für die hinkenden sekundären Ehen hängt alles daran, daß die hinkenden primären Rechtsverhältnisse, hinkende Ehen und K i n d schaftsverhältnisse, nach Möglichkeit vermieden werden. Damit verschwinden auch ihre unerfreulichen Folgen, die hinkenden sekundären Rechtsverhältnisse.

I I . D i e Rechtsfolgen hinkender Ehen

Wie bei jedem hinkenden Rechtsverhältnis fragt sich auch bei der hinkenden Ehe, Welche Rechtsfolgen hat sie? Welche nicht? Hat der überlebende Ehegatte i m Forum ein Erbrecht? Werden die vorehelichen Kinder durch die hinkende Eheschließung legitimiert? Können sich die Ehegatten, deren Ehe hinkt, scheiden lassen? Das ist die von uns so genannte Rechtsfolgenfrage 117 . Sie hat zwei Seiten: 1. Treten die Rechtsfolgen ein, wenn die Ehe i m Forum, nicht 117

Vgl. Bes. Teil Α. I.

Besonderer Teil

62

aber i n einem ausländischen Staat besteht? 2. Wenn die Ehe i n einem ausländischen Staat, nicht aber i m Forum besteht, treten dann i m Forum gar keine Rechtsfolgen ein oder doch wenigstens einige? 1. Fallbehandlungstechnik

I n der Rechtstechnik des IPR werden diese Fragen unter dem Titel des Vorfragenproblems behandelt 1 1 8 . Ist der Bestand einer Ehe präjudiziell für eine bestimmte Rechtsfolge, dann ist i n der Fallbehandlungstechnik vorgesehen, daß die Frage nach dem Bestand dieser Ehe gestellt, die Rechtswahl zu dieser Frage einem bestimmten Kollisionsrecht unterstellt, anschließend die Rechtswahl durchgeführt und schließlich m i t Hilfe des berufenen Sachrechts die Frage nach dem Bestand der Ehe beantwortet wird. Vorfrage ist die Frage nach dem Bestand der Ehe, Vorfragenproblem das Problem, welches Kollisionsrecht über die Rechtswahl zur Vorfrage zu entscheiden hat. Zur Wahl werden — das ist eine u. E. wesentliche, aber bisher nicht beachtete Tatsache — allein und ausschließlich die Kollisionsrechte des Staats, dessen Recht für die Hauptfrage berufen ist, und des Forums gestellt. Es ist also nicht möglich, z. B. das Kollisionsrecht des Wohnsitzstaats anzuwenden. Es ist nötig, sich klarzumachen, was dieses technische Verfahren praktisch bedeutet. Die Kollisionsregeln eines bestimmten Staates zur Rechtswahl heranziehen, heißt, praktisch gesehen, die Entscheidung dieses Staates über den Bestand des Rechtsverhältnisses feststellen. W i r d das Kollisionsrecht des Forums herangezogen, dann w i r d festgestellt, ob das Forum die Ehe als solche als bestehend betrachtet. Wendet man das Kollisionsrecht des Staates an, dessen Recht für die Hauptfrage berufen ist, dann stellt man fest, ob die Ehe als solche i n diesem Staat besteht. Hier liegt der Gedanke, der Vorfragenproblem und hinkende Ehen miteinander verbindet. Die Rechtsfolge der Ehe, die Gegenstand der Hauptfrage ist, t r i t t nur ein, wenn die Vorfrage nach dem Bestand der Ehe bejaht wird. I n Verbindung m i t dem Vorigen heißt das: sie t r i t t nur ein, wenn die Ehe i n dem Staat besteht, dessen Kollisionsrecht zur Beantwortung der Vorfrage herangezogen wird. W i r d das K o l l i sionsrecht des Forums herangezogen — man spricht von selbständiger Anknüpfung —, dann t r i t t die fragliche Rechtsfolge der Ehe nur ein, wenn die Ehe i m Forum besteht. Zieht man das Kollisionsrecht des Staates heran, dessen Recht für die Hauptfrage berufen ist, dann t r i t t die fragliche Rechtsfolge der Ehe i m Forum nur ein, wenn die Ehe i n diesem Staat besteht; das ist die Bedeutung der unselbständigen A n knüpfung. Besteht die Ehe i m Forum und i n dem jeweiligen fremden Staat, dann ist es gleichgültig, wie man anknüpft. Die Vorfrage w i r d i n 118

Vgl. Einl. V I I . 2.

Β. I I . Die Rechtsfolgen hinkender Ehen

63

jedem Fall bejaht. Anders ist es, wenn die präjudizielle Ehe hinkt. Jetzt kommt es darauf an, wie man die Vorfrage anknüpft. Ein Forum, das sie selbständig anknüpft, gibt ihr die fragliche Rechtsfolge nur, wenn sie i m Forumstaat besteht, mag sie auch anderswo nicht bestehen, also nur bei hinkender Inlandsehe. Ein Forum, das unselbständig anknüpft, gibt der Ehe die fragliche Rechtsfolge nur, wenn sie i n dem betreffenden ausländischen Staat besteht, also bei hinkender Auslandsehe 119 . Das ist die praktische Bedeutung der beiden zum Vorfragenproblem möglichen Lösungen, der selbständigen und der unselbständigen Anknüpfung. Die Lehre vom Vorfragenproblem hat den Mangel, daß sie diese ihre praktische Bedeutung mehr verhüllt als klarlegt und daß sie die Betrachtung der hinkenden Ehen so, wie sie tatsächlich sind, d. h. synoptisch, vermeidet. Sie hat darüberhinaus den Mangel, daß der Blick des Betrachters neben dem Forum nur auf den Staat gelenkt wird, dessen Recht die Hauptfrage untersteht. Andere Schwerpunkte des hinkenden Rechtsverhältnisses, etwa der Wohnsitzstaat, werden nicht einbezogen. Wegen dieser Mängel wollen w i r die Fragen nach den einzelnen Rechtsfolgen der hinkenden Ehe i m folgenden nicht auf der Grundlage der Lehre vom Vorfragenproblem beantworten, sondern allein von der hinkenden Ehe mit ihren Verzweigungen und dem Zusammenwirken der Rechtslagen i n den verschiedenen Schwerpunktstaaten, wie es sich bei synoptischer Betrachtung darstellt, ausgehen.

2. Die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe

Den Kern der Ehe machen die Rechtswirkungen aus, die § 1353 I BGB mit dem Satz umschreibt: Die Ehegatten sind einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Diese Rechtswirkungen treten nur ein, wenn das Forum den Bestand der Ehe als solcher bejaht. Den Bestand der Ehe als solcher bejahen und diese Rechtswirkungen bejahen, ist dasselbe. Den Bestand der Ehe als solcher verneinen, bedeutet umgekehrt, auch sie verneinen. Ob die Ehe anderswo besteht, spielt dabei keine Rolle. Ergebnis: Die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe treten bei hinkenden Ehen nur auf Grund hinkender Inlandsehen ein. Betrachtet man die Frage nach dem Bestand der Ehe als Vorfrage, dann kann man dieses Ergebnis so ausdrücken: Wenn es um die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe geht, dann ist die Vorfrage nach dem Bestand der Ehe selbständig anzuknüpfen. Dieser Satz ist i n Deutsch119

Auch eine hinkende Auslandsehe ist — als Tatsache — eine Ehe.

Besonderer Teil

land allgemeine Meinung 1 2 0 . Raape hat i n diesem Zusammenhang die klassisch gewordene Formulierung geprägt, Art. 14 EGBGB sei so zu lesen „Wenn eine Ehe vorliegt, dann beurteilen sich die persönlichen Rechtsverhältnisse der Ehegatten nach dem Heimatrecht des Mannes 1 2 1 ." Genauer müßte der Satz heißen „Wenn eine Ehe i m Inland besteht, d a n n . . Λ Denn auch eine hinkende, i m Ausland, nicht aber i m Inland bestehende Ehe ist eine Ehe. Das deutsche Recht kann durch seine Rechtsentscheidung die Tatsache, daß i m Ausland eine Ehe besteht, nicht aus der Welt schaffen. Unter die eben aufgestellte Regel fällt auch die Schlüsselgewalt. Auch Schlüsselgewalt kann sich nur aus einer hinkenden Inlandsehe, nicht aus einer hinkenden Auslandsehe ergeben. Dementsprechend w i r d die Vorfrage nach der Ehe auch hier allgemein selbständig angeknüpft 1 2 2 . 3. Die Namensfolgen

I n den meisten Rechten hat die Eheschließung die Wirkung, daß sie den Namen der Frau ändert; nach manchen Rechten berührt sie auch den Namen des Mannes. I n Deutschland führt die verheiratete Frau den Familiennamen des Mannes (§ 1355 S. 1 BGB). Ändert auch eine hinkende Eheschließung den Namen der Frau oder des Mannes? Und zwar 1. wenn sie i m Inland nicht besteht? 2. wenn sie i m Ausland nicht besteht? Welches Ausland ist entscheidend? Beispiel: Zwei orthodoxe Griechen, Gastarbeiter und Gastarbeiterin, heiraten i n Deutschland nur vor dem orthodoxen Priester. Die Ehe besteht i n Griechenland, nicht aber i n Deutschland. I n Griechenland führt die Frau den Mannesnamen. Soll Deutschland darauf bestehen, daß die beiden nicht verheiratet sind, und der Frau verbieten, i n Deutschland den Mannesnamen zu führen? W i r meinen: nein. Die Frau fühlt sich dem griechischen Recht zugehörig und erwartet, daß ihr Name i h m entspricht. Sie w i r d sich i m Privatleben nach ihrem hinkend angetrauten Mann nennen, ebenso i m Verkehr mit den Behörden ihres Heimatstaates, von denen sie auch ihre Ausweispapiere bekommt. Es wäre nicht sinnvoll, von der Frau, die nur vorübergehend i n Deutschland lebt, eine doppelte Namensführung zu verlangen, gegenüber deutschen Behörden Mädchenname, i m übrigen Mannesname. Entscheidend i n dem Beispiel 120 Kegel Komm. Art. 14 EGBGB Anm. 39; IPR S. 281; Komm. Art. 7 EGBGB Vorb. 48 Mitte; Raape IPR S. 119. 121 Raape a.a.O. 122 Rvgl. Hinweise zur Schlüsselgewalt bei Dölle I S. 694—724. Zur Vorfrage vgl. Kegel Komm. Art. 14 EGBGB Anm. 38; Raape IPR S. 119 und 325; Hoffmeyer Vorfrage S. 84.

Β. I I . Die R e g e n

hinkende Ehe

ist der Umstand, daß die Gastarbeiterfrau sich hier nicht auf Dauer niederlassen w i l l , m. a. W. daß sie hier keinen Wohnsitz i. S. des domicil errichten w i l l . Ergebnis: Hinkende Auslandsehen haben Namensfolgen, wenn sie i m Wohnsitzstaat (domicil-Staat) bestehen 123 . Das Forum muß die Namensfolgen hinnehmen. Damit w i r d i h m nicht zuviel abverlangt. Schließlich ist der Name nicht die ganze Ehe, und sein Nachgeben hier bedeutet für seine Stellung zur Ehe wenig, für die Ehegatten aber viel. Für den umgekehrten Fall sei ebenfalls von einem Beispiel ausgegangen: Ein Russe und eine Staatenlose mit Aufenthalt i n Deutschland hatten i n Deutschland vor dem Standesbeamten geheiratet. Die Eheschließung war i n Rußland nicht wirksam, weil sie dort nicht registriert worden war. I n Deutschland dagegen bestand eine Ehe. Das BayObLG ging, obwohl die Ehe i n Rußland nicht bestand, davon aus, daß eine Namensänderung eingetreten w a r 1 2 4 . Eine Inlandsehe ohne Namensfolgen ist nicht tragbar. Ebenso ist zu entscheiden, wenn ein Grieche i n Österreich eine Österreicherin oder ein Österreicher eine Griechin nur standesamtlich heiratet 1 2 5 . Ergebnis: Hinkende Inlandsehen haben Namensfolgen. Bei keine genug ja vor

vielen Ausländern werden die Namensfolgen hinkender Ehen Schwierigkeiten machen, weil ihr Namensrecht selbst elastisch ist, um auch dort, wo die Ehe nicht gilt, ihrem Willen, um den es allem geht, Rechnung zu tragen 1 2 6 . 4. Die Staatsangehörigkeitsfolgen

Nach vielen Rechten erwirbt die Frau mit der Heirat die Staatsangehörigkeit des Mannes, sei es von selbst, sei es auf Grund besonderer Erklärung bei der Eheschließung. I n England und in einigen anderen Staaten hat sie das Recht, die Einbürgerung durch Staatsakt auf erleichterte Weise zu erreichen 127 . Hinkende Ehen können diese Rechtswirkungen nur haben, wenn der Staat, um dessen Staatsangehörigkeit es geht, die Ehe anerkennt. Denn i m Staatsangehörigkeitsrecht gilt allgemein: Wer eine Staatsangehörigkeit erwirbt und wer die dazu erforderlichen familienrechtlichen Vor123 Ähnlich, aber ohne die Einschränkung auf Ehen, die im Wohnsitzstaat bestehen, Neuhaus GB S. 256. 124 Β. v. 20. 4.1955 StAZ 1955 260 (262). 125 Schwind FS Wilburg S. 162. 126 Rvgl. Übl. bei Dölle I S. 463—469. 127 Dölle I S. 471.

5 Dorenberg

Besonderer Teil

aussetzungen erfüllt, das bestimmt allein der Staat, um dessen Staatsangehörigkeit es geht. Betrachtet er die Ehe als bestehend, dann verleiht er die Staatsangehörigkeit und kümmert sich nicht darum, ob die Ehe andernorts nicht besteht. Rechtstechnisch drückt man das so aus: Vorfragen werden i m Staatsangehörigkeitsrecht immer unselbständig angeknüpft. Den K e r n der Sache läßt diese rechtstechnische Formel nicht klar hervorscheinen. Umgekehrt zum Erwerb, sehen eine Reihe von Staaten, früher auch Deutschland, vor, daß eine Frau die Staatsangehörigkeit durch Eheschließung m i t einem Ausländer verliert. Auch diese Rechtswirkung t r i t t nur ein, wenn der Staat, dem die Frau bisher angehört, die Eheschließung als wirksam ansieht. Beispiel : Deutsche heiratete 1930 einen Italiener i n Deutschland i n kirchlicher Form. Die Eheschließung war, auf Grund besonderer Umstände, i n Italien wirksam, nicht aber i n Deutschland. Die Frau behielt die deutsche Staatsangehörigkeit. 5. Güterrechtliche Wirkungen

Güterrechtliche Wirkungen ohne Ehe sind nicht tragbar. Daher kann eine hinkende, nur i m Ausland bestehende Ehe i m Inland keine güterrechtlichen Wirkungen haben. Umgekehrt kann man güterrechtliche Wirkungen einer Ehe, die i m Inland besteht, nicht deshalb absprechen, weil sie i m Ausland nicht besteht. Ehegüterrechtliche Ansprüche sind z. B. nicht deshalb zu verneinen, weil nach der für die Regelung maßgeblichen Rechtsordnung (Art. 15 EGBGB) eine Ehe nicht besteht 128 . Diesen beiden Regeln entsprechend, w i r d i n der Theorie bei A r t . 15 EGBGB die Vorfrage nach der Ehe allgemein selbständig angeknüpft 1 2 9 . 6. Wirkungen einer hinkenden Ehe auf eine zweite Ehe

Die meisten Rechte der Erde verbieten eine zweite Ehe oder ein zweites Verlöbnis, wenn schon eine Ehe besteht. Das Bigamieverbot 1 3 0 ist der Sache nach die Kehrseite der Pflicht zur vollen ehelichen Lebensgemeinschaft unter den Ehegatten. I n Übereinstimmung mit der Regel zu den persönlichen Rechtswirkungen der Ehe bewirkt eine hinkende Inlandsehe daher auch ein Bigamieverbot und Nichtigkeit der zweiten Ehe. 128 129 130

Jochem FamRZ 1964 S. 396 r. Sp. Kegel Komm. Art. 15 Anm. 36. Vgl. Bes. Teil Β. I. 2. b) dd) ζ).

Β. I I . Die Rechtsfolgen hinkender Ehen

67

Beispiel: der oben geschilderte Fall, i n dem ein hinkend, i n Deutschland wirksam verheirateter Deutscher wieder heiratete. Die zweite Ehe war für Deutschland nichtig und wurde später auch für nichtig erklärt 1 3 1 . Rechtstechnisch w i r d diese Regel wieder i m Zusammenhang mit der Vorfragenanknüpfung behandelt. Besonders bezeichnend ist die Erörterung des Beispielsfalles des L G Tübingen bei Kegel 132 : Er sagt, nach deutschem IPR sei die Sachnorm über das Bigamieverbot anzuwenden; i m Tatbestand dieser Sachnorm erscheine die Rechtsfolge „gültige Ehe". Die Frage sei, ob diese Rechtsfolge dem vom deutschen Kollisionsrecht für die Hauptfrage „Gültigkeit der neuen Ehe" berufenen Recht oder dem vom deutschen Kollisionsrecht speziell berufenen Recht unterliege. Er antwortet „Die Vorfrage w i r d selbständig angeknüpft; die speziellen Kollisionsnormen des deutschen Rechts berufen das Recht, das über die Gültigkeit der ersten Ehe entscheidet." Das Wort „hinkende Ehe" kommt i n der ganzen Erörterung nicht vor! Anderes Beispiel: Ein Grieche heiratet i n Deutschland standesamtlich eine Deutsche. Später geht er i n Griechenland mit einer Griechin eine neue Ehe ein, ohne vorher die i n Deutschland geschlossene Ehe auflösen zu lassen. Die zweite Ehe ist i n Deutschland bigamisch und vernichtbar. Die erste Ehefrau kann sie i n Deutschland für nichtig erklären lassen. Schwind 133 lehnt für das österreichische Recht die Nichtigerklärung in einem solchen Fall ab, weil sie i m Heimatstaat des Mannes nicht anerkannt werden könne und die Anerkennungsfähigkeit Voraussetzung für die internationale Zuständigkeit Österreichs sei. Das ist äußerst inkonsequent. Wenn man i n Österreich die erste Ehe gegen den Willen des Heimatstaates entstehen läßt, muß man die zustandegebrachte Ehe auch gegen eine zweite Ehe schützen, notfalls wieder gegen den Heimatstaat. Wer A sagt, muß auch Β sagen. Die normale Zuständigkeitsregelung muß hier weichen. Schwind 134 ist darüberhinaus der Ansicht, daß, wenn die zweite Ehe statt i n Griechenland i n Österreich kirchlich geschlossen werde, sie nicht bigamisch sei, weil ihre Gültigkeit sich auf Griechenland, die der ersten — i n seinem Fall — sich auf Österreich beschränke. Auch das ist u. E. falsch. Das österreichische Recht beansprucht für die erste Ehe Gültigkeit auch i n Griechenland und das griechische für die zweite Ehe auch i n Österreich. Rechtlich kollidieren also beide Ehen. Die beiden Rechte können ihren Anspruch bloß nicht durchsetzen. 131 Vgl. Bes. Teil Β. I. 3. — L G Tübingen JW 1934 2308 = IPRspr. 1934 Nr. 57. 132 IPR S. 115; vgl. auch S. 263. iss F S wilburg S. 166 f. 134 a.a.O. S. 167.



Besonderer Teil

Der umgekehrte Fall, d. h. der einer hinkenden i m Forum nicht bestehenden Ehe ist, i m Gegensatz zu dem der hinkenden Inlandsehe, zweifelhaft. Heiratet hier ein Ehegatte noch einmal, dann steht lediglich fest, daß die zweite Ehe i n dem Auslandsstaat, der die erste Ehe anerkannt, nichtig oder vernichtbar ist. Eine zweite Ehe, i m Forum zugelassen, würde also hinken. Es ist umstritten, ob sie i m Hinblick darauf überhaupt i m Forum geschlossen werden darf, und ob sie, wenn geschlossen, gültig ist. Kegel 135 meint, die Vorfrage, ob bereits eine gültige Ehe bestehe, sei selbständig anzuknüpfen, und entscheidet damit praktisch für die Eheschließung und die Gültigkeit der zweiten Ehe. Denn selbständige Anknüpfung bedeutet, daß nur geprüft wird, ob i m Forum bereits eine Ehe besteht. Raape 136 dagegen entnimmt Art. 13 EGBGB, daß eine i n Deutschland nicht bestehende hinkende Ehe gleichwohl eine zweite Eheschließung verhindert, wenn sie i m derzeitigen Heimatstaat des Verlobten besteht. Beispiel: Ein Amerikaner schließt eine Ehe, die i n Deutschland nicht anerkannt wird, wohl aber i n den USA. Er darf, laut Raape, i n Deutschland nicht noch eine Ehe eingehen, obwohl er hier nicht verheiratet ist. Das gilt auch, wenn er früher Deutscher war und erst nach seiner — hinkenden, nur i n den USA anerkannten — Eheschließung Amerikaner geworden ist. Das gilt sogar, wenn er jetzt Deutscher ist und nur früher, zur Zeit der Eheschließung, Amerikaner war. Nach der Regel Kegels — selbständige Anknüpfung — wäre die zweite Ehe i n allen drei Fällen zuzulassen und die erste Ehe als hinkende Auslandsehe für unbeachtlich zu erklären. I n der Rechtsprechung ist die Frage, soweit ersichtlich, noch nicht akut geworden. I n der Verwaltungspraxis erscheint sie oft unter § 10 I I EheG. Der Verlobte braucht, wenn er Ausländer ist, meist ein Ehefähigkeitszeugnis seines Heimatstaates. Ist er zu Hause bereits verheiratet, erhält er das Zeugnis nicht. Er beantragt daher Befreiung. Damit entsteht die Frage: Kann Befreiung gewährt werden, wenn der Verlobte i n seinem Heimatstaat bereits als verheiratet gilt, daher kein Ehefähigkeitszeugnis erhält, Deutschland aber diese Ehe nicht anerkennt? Die Frage ist schief, weil die A n t w o r t darauf, ob ein hinkend verheirateter Ehegatte noch einmal heiraten kann, nicht dem § 10 I I EheG zu entnehmen ist, sondern dem allgemeinen Kollisionsrecht. U. E. verdient die Auffassung Raapes den Vorzug. Eine zweite Ehe sollte, wenn bereits irgendwo eine Ehe besteht, nicht zugelassen werden, ehe die erste Ehe geschieden wurde, eine trotzdem geschlossene 135 138

Komm. Art. 13 EGBGB Anm. 17 m. w. Nwen. IPR S. 242.

Β. I I . Die R e g e n

hinkende Ehe

Ehe nichtig sein. Sonst gibt es zwei hinkende Ehen statt einer. Hier, bei der Verhinderung einer weiteren hinkenden Ehe, liegt das Hauptargument 1 3 7 . Raapes Auffassung geht nicht ganz so weit wie w i r hier. Raape fragt nur, ob i n dem Heimatstaat des Verlobten eine Ehe besteht. Man sollte jedoch auch Ehen, die ζ. B. i m Wohnsitzstaat bestehen, berücksichtigen. Bei der hinkenden Scheidung einer Ehe bleibt rechtlich auch immer eine hinkende Ehe zurück, und wenn einer der hinkend Geschiedenen wiederheiraten w i l l , entsteht ein äußerlich ähnliches Problem wie hier. Genau besehen liegt es jedoch anders und erlaubt daher auch eine andere Lösung, nämlich die Zulassung der Wiederheirat 1 3 8 . 7. Emanzipation von der elterlichen Gewalt

Nach den meisten Rechten w i r d ein Minderjähriger, der geheiratet hat, ganz oder teilweise einem Volljährigen gleichgestellt. I n Deutschland beschränkt sich die Emanzipation auf die Töchter und bei ihnen auf die Personensorge; die Söhne dürfen ohnehin erst heiraten, wenn sie volljährig oder für volljährig erklärt sind 1 8 9 . Es ist klar, daß auch eine hinkende Ehe die Tochter emanzipiert, wenn sie i m Forum besteht, — auch auf die Gefahr, daß ein fremder Staat, der die Ehe etwa nicht anerkennt, das K i n d weiterhin unter der elterlichen Gewalt beläßt. Denn das Forum muß, wenn es schon die Ehe schafft oder anerkennt, auch den Ehegatten ein Leben nach eigenem Willen, nicht nach dem Willen der Eltern ermöglichen. Dagegen ist es nicht sinnvoll, daß das Forum Minderjährige, die es nicht als verheiratet ansieht, emanzipiert, weil sie in einer hinkenden Auslandsehe leben. Denn damit nimmt es ja den Eltern gerade die rechtliche Möglichkeit, ihre Kinder an der Fortsetzung der hier ungültigen Ehe zu hindern. Hinkende Auslandsehen haben also i m Forum keine Emanzipation zur Folge. Rechtstechnisch müßte man die Regel bilden: I m Zusammenhang mit § 1633 BGB und ähnlichen Regeln w i r d die Vorfrage nach der Ehe selbständig angeknüpft. 8. Schutz der Ehe durch das Zivil- und Strafrecht

Eine Ehe wird, i m einzelnen i n den verschiedenen Rechten unterschiedlich, durch Schadenersatz- und Unterlassungsansprüche des Z i v i l 137 138 139

Das betont auch Hoffmeyer Vorfrage S. 91. Vgl. Bes. Teil C. I I . 9. Rvgl. Hinweise bei Rabel I S. 186.

0

Besonderer Teil

rechts und durch Strafdrohungen des Strafrechts gegen Störungen durch Dritte geschützt. Ergreift dieser Schutz auch hinkende Ehen, und zwar hinkende Inlandsehen und hinkende Auslandsehen? Die A n t w o r t ist: Geschützt werden nur Ehen, die i m Forum bestehen. Ein Staat kann nicht eine Ehe rechtlich schützen, die er selbst nicht als bestehend betrachtet. Das wäre widersprüchlich. Also genießen nur die hinkenden Inlandsehen den Schutz des Z i v i l - und Strafrechts. Rechtstechnisch ausgedrückt, bedeutet das: Bei Ansprüchen aus Delikt wegen Ehestörung entscheidet das Forum, nicht die lex loci delicti commissi, welche Sachnormen, welches Recht zur Beantwortung der Vorfrage nach der Ehe heranzuziehen ist. M i t etwas anderen Worten drückt Raape das aus: „Fragen, die bloße Vorfragen sind, unterliegen nicht dem Deliktsstatut" 1 4 0 ; wieder anders Kegel : „Soweit subjektive Rechte geschützt werden, beantwortet das für sie maßgebende Recht die Vorfrage, ob sie bestehen 141 ." Einen anderen Aspekt des Strafrechtsschutzes hinkend verheirateter Ehegatten beleuchtet der folgende Fall: Ein Hotelier bezichtigt eine i n seinem Hause wohnende Frau eines unzüchtigen Lebenswandels, obwohl der sie besuchende Mann ihr Ehemann ist; allerdings hinkt die Ehe und ist i n dem betreffenden Staat nicht anerkannt. — Die Frau kann sich m i t einer Beleidigungsklage zur Wehr setzen 142 . Denn die beklagenswerte Möglichkeit hinkender Ehen darf kein Freibrief für Ehrabschneider sein 1 4 3 . Hier geht es um den Ehrenschutz eines Ehegatten, und da genügt es nach dem Sinn des Beleidigungstatbestandes, wenn die Frau irgendwo verheiratet ist. 9. Die eheliche Abstammung der Kinder

Die Ehelichkeit eines Kindes beruht entweder auf der ehelichen Geburt oder Zeugung oder auf einem späteren Vorgang, der Legitimation. I m ersten Fall ist das K i n d ehelich, weil die Mutter bei der Geburt (oder Zeugung) verheiratet war. I m folgenden ist die Frage zu behandeln, ob auch eine hinkende Ehe die Wirkung hat, daß ein während ihres Bestehens geborenes oder erzeugtes K i n d der Ehefrau ehelich ist. I m einzelnen ist zu fragen: Sind Kinder aus hinkenden Inlandsehen ehelich? Sind Kinder aus Ehen ehelich, die nicht i m Forum, aber i n dem Staat bestanden, dessen Recht die 140 141 142 143

IPR S. 575. IPR S. 245. Fall nach Hoffmeyer Hoffmeyer a.a.O.

Vorfrage S. 82.

Β. I I . Die R e g e n

hinkende Ehe

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eheliche Abstammung regelt? Hat vielleicht auch die Stellungnahme anderer Staaten als des Heimatstaats des Vaters (Art. 18 EGBGB) Bedeutung? a) Hinkende Inlandsehe — die Ehe besteht im Forum Sind Kinder aus hinkenden Inlandsehen ehelich? Beispiel: Ein orthodoxer Grieche heiratet eine protestantische Deutsche nur vor dem deutschen Standesbeamten. Nach einem Jahr kommt ein K i n d an. Ist das K i n d ehelich? Die Frage beantwortet sich selbst. Es geht nicht an, daß ein und dasselbe Recht zwei Menschen als Ehegatten rechtlich verbindet, aber die Kinder aus dieser Verbindung als unehelich betrachtet. Das eine bedingt notwendig das andere. Was wäre das sonst für eine Familie, i n der Vater und Mutter verheiratet sind, aber die Kinder unter der Personensorge der Mutter stehen, die vom Amtsvormund überwacht wird, und i n der der Vater für die Kinder seiner Ehefrau Alimente zahlt. Das wäre, wie Kegel anschaulich sagt, juristische Schizophrenie 144 . Kinder aus einer hinkenden, i n Deutschland bestehenden Ehe sind daher i n Deutschland ehelich, ohne Rücksicht darauf, was der Heimatstaat des Mannes oder sonst ein Staat dazu sagt. Natürlich hat diese Rechtslage auch Schattenseiten. Die Rechtsstellung der Kinder hinkt wie die der Eltern, von der sie sich herleitet. Ihre Ehelichkeit h i n k t 1 4 5 . I n dem obigen Beispiel w i r d Griechenland die Kinder nicht als eheliche gelten lassen. Doch ist die hinkende Ehelichkeit immer noch besser als die allseitige Unehelichkeit. b) Der Stand der Meinungen Rechtstechnisch erscheint die Frage, ob Kinder aus einer hinkenden, i m Forum bestehenden Ehe ehelich sind, wieder unter dem Titel des Vorfragenproblems, und zwar i n der Fassung: Ist die Vorfrage, ob eine Ehe besteht, bei A r t . 18 EGBGB selbständig anzuknüpfen? I m deutschen IPR w i r d sie allgemein selbständig angeknüpft und nach A r t . 13 und 11 EGBGB beurteilt 1 4 6 . I n der Terminologie abwei144

IPR S. 117. Den Ausdruck „hinkende Ehelichkeit" verwendet in der Literatur als erster anscheinend Wolff IPR S. 213, in der Rechtsprechung wohl das BayObLG FamRZ 1964 S. 45. 146 Kegel Komm. Art. 18 Anm. 5, IPR S. 307; Raape IPR S. 119, 246 und 343; Wolff IPR S. 213; Dölle FS Boehmer S. 142; Lauterbach Komm. Art. 18 Anm. 3; Henrich FamRZ 1958 S. 122 r. Sp.; BayObLG B. v. 8.10.1963 BayObLGZ 1963 265 = FamRZ 1964 45; OLG Düsseldorf B. v. 14.4.1964 StAZ 1965 18. 145

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chend, i m Ergebnis jedoch gleichbedeutend, sagt Melchior, die Frage nach der Ehegültigkeit sei eine Teilfrage, die begriffsnotwendig zur Hauptfrage nach der Ehelichkeit gehöre 147 . Unter den Vertretern der Vorfragenlehre machen auch diejenigen hier die selbständige Anknüpfung zur Regel, die sonst die unselbständige Anknüpfung propagieren 1 4 8 . Wengler spricht von einem Fall aus der Ausnahmekategorie „Der E i n t r i t t oder Nicht-Eintritt einer bestimmten Rechtswirkung muß nach Auffassung der lex fori ganz notwendig eine andere Rechtswirkung nach sich ziehen" 1 4 9 . M i t der selbständigen Anknüpfung der Vorfrage „Ehe" erreicht man, daß Kinder aus Ehen, die i m Forum bestehen, ehelich sind. Neuhaus 150 erachtet wie die h. M. Kinder aus hinkenden Inlandsehen für ehelich, konstruiert dieses Ergebnis aber nicht mittels der Vorfragentheorie, sondern betrachtet das ganze Problem als Teilaspekt des allgemeinen Problems der Anpassung. „Es handelt sich nicht darum, daß die Vorfrage bald so und bald so zu beantworten w ä r e . . . Es handelt sich hier vielmehr um die Durchbrechung des regulären Kollisionsrechts, welches eine Rechtsfrage dem ausländischen Recht zugewiesen hat, m i t Rücksicht auf die Entscheidung über eine andere Frage, wenn die getrennte Behandlung beider Fragen sich i n concreto als unsinnig erweist" 1 5 1 und „ . . . das sind Sonderfälle, die mit den Regeln über die ,Anpassung 4 zu bewältigen sind, d. h. über die modifizierte Anwendung einer an sich maßgebenden Rechtsordnung mit Rücksicht darauf, daß ein anderer Aspekt desselben Rechtsverhältnisses einer anderen Rechtsordnung untersteht" 1 5 2 . Das BayObLG schließlich beruft sich auf den ordre public. „Indem A r t . 13 I I I EGBGB für die Form einer Ehe, die i m Inland geschlossen wird, ausschließlich die deutschen Gesetze maßgebend sein läßt, bricht er als Ausprägung des deutschen ordre public i n das griechische Recht ein 1 5 3 ." Dabei verkennt es allerdings, daß die hinkenden, i n Deutschland nur standesamtlich geschlossenen Inlandsehen nicht auf Art. 13 I I I EGBGB, sondern auf Art. 1112 EGBGB beruhen 1 5 4 . 147

Grundlagen S. 259 f. Wolff a.a.O.; Wendler (1963) 11 f. 149 Vorfrage a.a.O. 148

150

Vorfrage S. 204 und 214, Revue Hellénique 16

GB S. 237 ff. GB S. 241. 152 FamRZ 1965 S. 547 r. Sp. 153 BayObLG B. v. 8.10.1963 (Griechenland) — BayObLGZ 1963 265 (269) = FamRZ 1964 45 (47). 154 Vgl. Bes. Teil Β. I. 1. a) aa). 151

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c) Hinkende Auslandsehe — die Ehe besteht im Heimatstaat des Ehemannes oder in einem anderen ausländischen Staat Die Frage, ob Kinder aus solchen Ehen i m Forum ehelich sind, bejahen führt sogleich zu dem kritischen Schlagwort von den ehelichen Kindern ohne Ehe. Doch ist dieses Schlagwort überspitzt und dadurch falsch. I n Wahrheit besteht eine Ehe, zumindest als Tatsache. Daß eine Auslandsehe, die i m Inland nicht anerkannt wird, trotzdem eine Ehe ist, wurde bereits oben betont 1 5 5 . Das Schlagwort muß also richtig heißen „Eheliche Kinder ohne Inlandsehe". So gewendet, verliert es seine ganze logische Schärfe und Durchschlagskraft als Argument. Gerade die Forderung nach Widerspruchslosigkeit ist i m Zusammenhang m i t hinkenden Rechtsverhältnissen oft ein schlechtes Argument. Denn die Lage der Beteiligten ist von vorneherein dadurch gekennzeichnet, daß sie widerspruchsvoll ist. Es geht nicht darum, die Widerspruchsfreiheit durch geeignete Rechtsanwendung wiederherzustellen — das ist nicht möglich —, sondern darum, den beteiligten Personen ihre Situation möglichst erträglich zu gestalten, ohne wichtige Interessen der beteiligten Staaten — Interessen i m weitesten Sinne verstanden — zu übergehen. Geht man davon aus, dann muß der Leitgedanke bei der Lösung des hier gestellten Problems der „favor legitimitatis" 1 5 6 sein. Denn Ehelichkeit des Kindes ist es, was die Beteiligten durch die Bank anstreben. Die Konsequenzen aus diesen Gedanken seien an einem Beispiel dargelegt: Zwei Griechen (Gastarbeiter) schließen i n Deutschland vor dem orthodoxen Geistlichen eine hinkende Ehe. Die Kinder sind für Griechenland ehelich. Sie haben wie die Eltern die griechische Staatsangehörigkeit. Angenommen, die ganze Familie ist nur vorübergehend hier und begibt sich i n regelmäßigen Abständen zurück i n die Heimat, angenommen also Griechenland steht diesen Menschen nicht nur durch Herkunft und Staatsangehörigkeit, sondern auch durch Wohnsitz und fortdauernde innere Verbundenheit i n jeder Hinsicht näher als Deutschland: warum sollen w i r die Kinder aus dieser Familie, die i n Griechenland ehelich sind, hier i n Deutschland auf Lebenszeit zu unehelichen Kindern stempeln? Noch schärfer stellt sich die Frage, wenn die Kinder während eines Aufenthalts der Eltern i n Griechenland geboren werden, dort aufwachsen und Deutschland nie i n ihrem Leben sehen, oder, noch einen Schritt weiter, wenn die Eltern schon vor der Geburt endgültig wieder nach 155

Vgl. Bes. Teil B. I I . 1. ΐ5β £ ) e r Ausdruck sei, obwohl er nicht der römischen Rechtssprache angehörte, sondern eine Neubildung ist, und obwohl der Begriff der Legitimität schon in vielen Bedeutungen gebraucht wird, als kurzes Schlagwort für ein Prinzip gestattet.

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Griechenland zurückgekehrt sind und alle Brücken zu Deutschland abgebrochen haben. M i t welchem Recht greift der deutsche Staat hier i n die Rechtsverhältnisse dieser Kinder ein und macht sie entgegen dem Recht, das ihr Heimat- und Wohnsitzstaat und das Heimat- und Wohnsitzrecht ihrer Eltern ist, zu unehelichen Kindern? Die Quintessenz dieser Überlegungen ist: Es geht nicht an, ein K i n d aus einer hinkenden Auslandsehe i m Inland als unehelich zu behandeln, wenn die Ehe i n dem Staat, der gegenwärtig der klare Mittelpunkt des Lebens des Kindes ist und es aller Voraussicht nach auch künftig bleiben wird, gültig und das K i n d daher dort ehelich ist. A n diese Feststellung knüpfen sich eine Reihe bedeutsamer Fragen, die der Reihe nach erörtert werden sollen: (α) Wie muß die Regel lauten, die i n dem Beispiel m i t den Gastarbeitern das unerwünschte Ergebnis der Unehelichkeit vermeidet? (ß) Kann man die Unsicherheit i n Kauf nehmen, die darin liegt, daß eine solche Regel u. a. auch auf den künftigen Mittelpunkt des Lebens des Kindes abstellen muß? (γ) Was bedeutet die Regel für das Vorfragenproblem, mit dessen Hilfe ja derartige Fälle sonst erörtert werden? (δ) Ist die Regel m i t dem positiven Recht vereinbar? (ε) Paßt sie zu dem sonst dem EGBGB überwiegend zugrunde liegenden Staatsangehörigkeitsprinzip? (α) Die Regel, die i n dem Beispielsfall das unerwünschte Ergebnis vermeidet, muß u. E. lauten: Kinder aus hinkenden Auslandsehen, sind auch i m Inland ehelich, wenn die Ehe i n dem Staat besteht, i n dem die Eltern ihren ehelichen Wohnsitz haben. Dabei ist Wohnsitz nicht i m weiten Sinne des § I 1 BGB zu verstehen, sondern i n der Bedeutung, die der Begriff „domicil" i m amerikanischen Kollisionsrecht hat; wesentliche Voraussetzung für den Erwerb eines neuen Wohnsitzes (domicil) ist also der animus manendi et non revertendi. Der Staat, i n dem der so definierte Wohnsitz liegt, ist der Staat, i n dem i n aller Regel gegenwärtig und künftig der Mittelpunkt des Kindeslebens liegt. I n dem Beispielsfall ist es Griechenland. Meistens w i r d der gemeinsame Heimatstaat der Eltern auch ihr Wohnsitzstaat sein; es muß aber nicht so sein. Der eheliche Wohnsitz eines geschiedenen Spaniers, der i n zweiter Ehe i n Frankreich eine Französin geheiratet und sich i n Frankreich beruflich mit einer Arztpraxis fest niedergelassen hat, wird, wenn nicht ganz besondere Umstände dagegen sprechen, i n Frankreich liegen. Für die Ehelichkeit der Kinder aus dieser Verbindung würden w i r also darauf abstellen, ob die Ehe i n Frankreich besteht.

Β. I I . Die R e g e n

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(ß) Die Wohnsitzregel enthält einen Unsicherheitsfaktor, der darauf beruht, daß w i r auf den Wohnsitz zur Zeit der Geburt abstellen müssen, nicht auf den Wohnsitz zu einem späteren Zeitpunkt, etwa zur Zeit der Entscheidung. Wenn die Eltern nach der Geburt ihren Wohnsitz i n einen Staat verlegen, i n dem ihre Ehe nicht gilt, müssen w i r das K i n d als ehelich fortführen, obwohl das der Rechtslage am Wohnsitz der Familie nicht mehr entspricht. Die Unsicherheit, die darin liegt, daß der Wohnsitz sich ändern kann, können, ja müssen w i r jedoch i n Kauf nehmen. Wir können es; denn der Wohnsitz i n dem hier gemeinten Sinn ändert sich nicht so leicht. I n der überwiegenden Mehrzahl aller Fälle findet kein endgültiger Wohnsitzwechsel statt, vor allem nicht i n einen Staat, der die Ehe der Eltern nicht anerkennt. Dazu kommt, daß auch eine Regel, die auf den Heimatstaat abstellt, einen Unsicherheitsfaktor enthält. Auch die Staatsangehörigkeit kann sich ändern. Eine Alternative ohne diesen Faktor gibt es nicht. W i r müssen ihn i n Kauf nehmen, weil er nahezu nichts wiegt i m Vergleich zu dem Gewinn an Fallgerechtigkeit für den Regelfall. Es ist i m IPR nicht möglich, jede denkbare Fallgestalung und jede denkbare künftige Entwicklung zu berücksichtigen. Gewisse Unschärfen sind unvermeidbar, wenn auf Grund der hier und jetzt gegebenen Umstände eine ein für allemal gültige Entscheidung über den Status des Kindes getroffen werden soll. (γ) M i t der Lehre vom Vorfragenproblem ist die Regel nicht vereinbar. A u f der Grundlage der Problemstellung, wie sie i m Vorfragenproblem festgelegt ist, können von vorneherein überhaupt nur Kinder aus hinkenden Ehen, die entweder i m Forum oder i m Heimatstaat der Eltern bestehen, als ehelich betrachtet werden. Andere Ehen sind von der Berücksichtigung ausgeschlossen, es sei denn, das Recht des Heimatstaates oder des Forums enthält eine Weiterverweisung auf einen dritten Staat, ζ. B. den Wohnsitzstaat. Die Lehre vom Vorfragenproblem bedeutet also — und das ist vielleicht ebenso wichtig wie die Entscheidung über das Vorfragenproblem selbst —, daß das für die Rechtswahl i n einer bestimmten Frage maßgebliche Prinzip (für die eheliche Abstammung i n Deutschland das Staatsangehörigkeitsprinzip) auch für die Frage bedeutsam wird, welche hinkenden i m Forum nicht bestehenden Rechtsverhältnisse i m Forum Rechtsfolgen haben können (konkret, welche Auslandsehen i m Forum eheliche Kinder ergeben). Es ist nicht möglich, das Vorfragenproblem so zu beantworten, daß i m Ergebnis der Bestand der Ehe i m Wohnsitzstaat entscheidet. Knüpft man selbständig an, entscheidet der Bestand der Ehe i m Forum, knüpft man unselbständig an, entscheidet der Bestand der Ehe i m Heimatstaat des Vaters. Das Staatsangehörigkeitsprinzip, i n Art. 18 EGBGB für die Rechtswahl nie-

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dergelegt, w i r k t auf dem Wege über die Vorfragenlehre auf die Behandlung hinkender Rechtsverhältnisse ein und hindert die Berücksichtigung solcher hinkender Ehen, die i m Wohnsitzstaat der Eltern, nicht aber i m Heimatstaat des Ehemannes bestehen. Das bedeutet: w i r müssen, wollen w i r nicht die Regel wieder aufgeben, die Lehre von der Vorfrage opfern. Sie hindert uns, die Lösung zu erreichen, die sich von der Sache her als richtig erweist. Statt von der Hauptfrage zur Vorfrage zu gehen und die Vorfrage so oder so anzuknüpfen, müssen w i r umgestellt feststellen, ob eine hinkende Ehe vorliegt und dann die Regeln über die Ehelichkeit von Kindern aus hinkenden Ehen anwenden. Diese Regeln übernehmen die Funktion, die beim Vorfragenproblem die Regeln über die Anknüpfung der Vorfragen gehabt haben — mit dem Unterschied, daß sie dem Einzelfall besser gerecht werden. W i r müssen den Fall historisch statt systematisch entwickeln, und bei der Feststellung, ob eine hinkende Ehe vorliegt, müssen w i r „synoptisch" die Stellungnahmen des Forums und der Schwerpunktstaaten ermitteln. Es hat viel Wahrscheinlichkeit für sich, wenn Neuhaus 157 erklärt, die undifferenzierte Behandlung der Kinder aus hinkenden Ehen habe ihren Grund vermutlich nicht i n Gleichgültigkeit gegenüber dem Schicksal dieser Kinder, sondern i n dem Mangel an rechtstechnischem Instrumentarium, um eine differenzierende Behandlung durchzuführen. W i r meinen, daß mit der hier entwickelten Betrachtungsweise ein Weg zur differenzierenden Betrachtung eröffnet wird, wenn auch nicht der, den Neuhaus vorschlägt 158 . (8) Die Vorfragenlehre hat, wie eben dargelegt, die Wirkung, daß die Anknüpfungsprinzipien des EGBGB auch bei der Behandlung der hinkenden Rechtsverhältnisse mittelbar von Bedeutung sind. Ist es mit dem positiven Recht vereinbar, ihnen diese Bedeutung zu nehmen? U. E. ist es nicht die Aufgabe der Kollisionsnormen, bei der Behandlung der hinkenden Rechtsverhältnisse mitzuwirken; sie haben für die Rechtsfolgenfrage bei hinkenden Rechtsverhältnissen nichts zu sagen. Sie betreffen nur die abstrakte Rechtswahl zu einzelnen Fragen, mehr nicht. Sie sind nicht darauf abgestellt, zu entscheiden, welche i n einem ausländischen Staat bestehenden, i n Deutschland nicht bestehenden Rechtsverhältnisse auf Grund der Natur der Sache oder des internatio157

FamRZ 1966 147. Das rechtstechnische Instrumentarium, mit dem Neuhaus arbeitet, besteht aus dem Begriffspaar von Vorfrage und Erstfrage (dazu Allg. Teil I I . 1. c) und aus der Gegenüberstellung von unmittelbarer (wörtlicher) und analoger Anwendung des Art. 18 EGBGB. 158

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nalen Zusammenhangs eines Falles i n einzelnen Punkten auch i n das deutsche Recht hineinwirken sollen. Sie sind für hinkende Rechtsverhältnisse einfach blind, ebenso blind wie es die innerstaatlichen Sachnormen für internationale Sachverhalte sind. Das Kollisionsrecht enthält hier eine Lücke, die vom Gesetzgeber nicht gesehen wurde. Das bedeutet: das positive Recht läßt die Frage, auf die sich unsere oben aufgestellte Regel bezieht, offen. Die Rechtsanwendung hat die Aufgabe, die Frage nach den Prinzipien von Gerechtigkeit und Rechtssicherheit zu entscheiden. Es steht ihr frei, dabei auch den Wohnsitzstaat zu berücksichtigen, obwohl bei der Rechtswahl der Wohnsitzstaat nicht beachtet wird. Das Staatsangehörigkeitsprinzip w i r d dadurch nicht verletzt. Denn es gilt nur für die Rechtswahl. (ε) Ist es praktikabel, auf den Bestand der Ehe i m Wohnsitzstaat abzustellen? Es ist zuzugeben, daß der Wohnsitzstaat (domicil-Staat) bisweilen schwer festzustellen ist, schwerer als der Heimatstaat, obwohl auch das Staatsangehörigkeitsrecht manchmal nicht leicht anzuwenden ist. I m allgemeinen jedoch ist der Wohnsitzstaat klar und eine Regel, die auf den Wohnsitz abstellt, ohne weiteres anwendbar. Die Furcht vor den unlösbaren Einzelfällen sollte nicht dazu führen, daß eine sachlich richtige und i m allgemeinen leicht anwendbare Regel i m Ganzen verworfen wird. Es ist jedoch zu erwägen, ob man nicht für die Fälle, i n denen der Wohnsitzstaat unklar ist, eine Hilfsregel aufstellt, nach der ζ. B. die Kinder nur ehelich sind, wenn die präjudizielle Ehe i n beiden als Wohnsitzstaat i n Betracht kommenden Staaten besteht. ζ) Staatsangehörigkeitsprinzip und Wohnsitzstaat? Wie fügt sich diese Mischung von Prinzipien — für die Rechtswahl das Staatsangehörigkeitsprinzip, für die Frage nach den Rechtsfolgen einer hinkenden Ehe Beachtung des Wohnsitzstaates — i n einem Kollisionsrecht zusammen? U. E. ohne Schwierigkeiten. Man mag zwar grundsätzlich der Ansicht sein, ein Kollisionsrecht könne nur funktionieren, wenn es sich generell für ein Prinzip entscheide. Dieser Satz ist jedoch wie die Kollisionsnormen des EGBGB nur auf die Rechtswahl gemünzt. Es würde i n der Tat zu Verwirrung führen, wollten man das Ehewirkungsstatut nach dem Wohnsitz, das Ehegüterstatut nach der Staatsangehörigkeit bestimmen. Bei der Rechtswahl ist eine einheitliche Anknüpfung notwendig. Beim Rechtsfolgenproblem der hinkenden Rechtsverhältnisse dagegen ist es nicht nur möglich, sondern von der Sache her geboten, anders vorzugehen. Bei der Rechtswahl geht es darum, welches Recht der Frage am nächsten steht und daher zur Regelung berufen ist. Beim Rechtsfolgenproblem geht es um etwas ganz anderes: um die Anerkennung von Tat-

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Sachen, die darin bestehen, daß i n einem ausländischen Staat hinkend ein Rechtsverhältnis entstanden ist, und um die Konsequenzen, die daraus für das Forum zu ziehen sind, obwohl das Rechtsverhältnis hier nicht entstanden ist. Die Rechtswahl fordert eine einheitliche Anknüpfungsmethode, das Rechtsfolgenproblem dagegen ein individualisierendes Vorgehen. Beide müssen nicht gleichlaufen.

d) Der Stand der Meinungen zur Ehelichkeit aus hinkenden Auslandsehen

der Kinder

Die Meinungen darüber, ob und wann Kinder aus hinkenden Auslandsehen ehelich sein sollen, sind geteilt. Eine Reihe von Autoren lehnt es generell ab, diese Kinder als ehelich zu betrachten. Für sie sind nur Kinder aus Inlandsehen ehelich. I h r Hauptargument ist, daß sonst Kinder ehelich wären, ohne daß eine Ehe besteht 159 . Hierher gehören u. a. alle, die die Vorfrage der Ehe i n A r t . 18 EGBGB selbständig anknüpfen. Die eine Konsequenz dieser Anknüpfung wurde bereits dargelegt: Kinder aus hinkenden Inlandsehen sind ehelich 160 . Die zweite Konsequenz zeigt sich jetzt: Kinder aus hinkenden Auslandsehen sind nicht ehelich. Bei selbständiger Anknüpfung der Vorfrage „Ehe" w i r d überhaupt nicht geprüft, also auch nicht beachtet, ob i m Ausland eine Ehe besteht 181 . Gelegentlich erscheint auch das Argument, A r t . 18 EGBGB sei seinem Tatbestand nach nicht anwendbar, wenn nach deutschem Kollisionsrecht keine Ehe bestehe, und daher könnten auch die Kinder nicht ehelich sein. A u f der anderen Seite stehen eine ganze Reihe von Stimmen, nach denen auch eine hinkende Auslandsehe ein K i n d ehelich machen kann. Dabei werden mehrere Varianten vertreten: teils verlangt man, daß die Ehe i m Heimatstaat des Vaters besteht, teils, daß sie i m Heimatstaat beider Eltern besteht. Andere Lösungen beschränken sich auf die hinkenden Ehen, die auf A r t . 13 I I I EGBGB beruhen, und fordern, daß die jeweilige hinkende Ehe keine Inlandsbeziehung zum deutschen RechtsDazu vgl. Bes. Teil B. I I . 9. c). Bes. Teil B. I I . 9. b). 1(51 Unehelich sind die Kinder nach den Auffassungen von Melchior Grundlagen S. 264, Lewald IPR S. 130, Raape IPR S. 119, 246 und 343, IPR S. 307 und Wolff IPR S. 213, Kegel IPR S. 307 und Komm. Art. 18 Anm. 5, Dölle FS Boehmer S. 142,Henrich FamRZ 1958 S. 121,Lauterbach Komm. Art. 18 Anm.3,Marquordt Komm. Art. 18 Anm. 5, Rabel I S.608 und Krautkrämer StAZ 1962 S. 22 sowie nach Entscheidungen des BGH, des BayObLG, des OLG München und des OLG Celle und des K G : B G H B. v. 22.1.65 B G H Ζ 43 213 = FamRZ 65 311 (312); BayObLG B. v. 4. 1. 66 StAZ 1966 84; OLG München B. v. 10. 3. 1921 OLGe 42 98; OLG Celle B. v. 5. 6.1963 FamRZ 1964 209; K G B. v. 14. 8. 1961 FamRZ 1961 483 (485) = StAZ 1962 41 (42). 160

Β. I I . Die R e g e n

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bereich habe; dann sei das K i n d ehelich. Schließlich versucht man auch, den Kindern zu helfen, indem man von der Ungültigkeit der Ehe gemäß deutschem Recht ausgeht, aber auf Grund von A r t . 18 EGBGB die Vorschriften des Heimatrechts über die Rechtsstellung von Kindern aus Putativehen anwendet. A m häufigsten w i r d der letzte Weg eingeschlagen. Man fragt: wie würde das Heimatrecht des Vaters das K i n d behandeln, wenn es von einer nichtigen oder Nichtehe ausginge 162 . Aus der Rechtsprechung sei folgender Fall wiedergegeben: Russische Emigranten schlossen 1920 i n Deutschland vor einem orthodoxen Geistlichen die Ehe. Das K G 1 6 3 ging davon aus, daß gemäß A r t . 13 I I I EGBGB eine Nichtehe vorlag, beurteilte aber die Ehelichkeit des Kindes aus dieser Verbindung nach den Vorschriften des russischen Rechts über die Rechtsstellung von Kindern aus nichtigen Ehen und kam so zu dem Ergebnis, daß das K i n d ehelich war. Gegen diesen Lösungsvorschlag ist mit Recht eingewendet worden, daß es keine ausländische Rechtsordnung gibt, die die Kinder aus einer nicht existierenden Ehe ehelichen Kindern gleichstellt, daß aber die meisten hinkenden Auslandsehen auf Art. 13 I I I EGBGB beruhen und i n Deutschland Nichtehen sind. Man kann nicht einfach Vorschriften über nichtige Ehen auf Nichtehen anwenden. Der Wesensunterschied zwischen beiden läßt das nicht zu 1 6 4 . Die danach am häufigsten vertretene Meinung ist, daß es auf den Bestand der Ehe i m Heimatstaat des Ehemannes ankomme 1 6 5 . A u f dieser Grundlage wurde beispielsweise das K i n d aus einer Ehe, die zwei Griechen i n Deutschland geschlossen hatten, für ehelich angesehen 166 . Der österreichische OGH entschied i n einem Fall, i n dem ein Bulgare und eine Österreicherin i n der bulgarischen Gesandtschaft i n Wien die Ehe geschlossen hatten — für Österreich unwirksam —, daß das K i n d aus dieser Verbindung ehelich war, weil die Ehe i m Heimatstaat des Vaters gültig w a r 1 6 7 . Schwind bemerkt zu dieser Entscheidung des öOHG: „ . . . Interessant ist . . . die Tatsache, daß sich der OGH von dem Bestreben leiten läßt, in 102 Frankenstein IPR I S. 235 f.; Raape Komm. 456 und M D R 1948 S. 99 Ii. Sp.; Lewald IPR S. 130; M. Wolff IPR S. 213; K G U. v. 9.12.1921 OLGE 42 97; K G B. v. 9. 7.1937 JW 1937 2526 f. = StAZ 1937 332 = HRR 1937 Nr. 1446 = JFG 16 55. 163 K G Β. v. 9. 7.1937. 164 Henrich FamRZ 1958 S. 123. 165 A G Mannheim B. v. 15.1.1953 StAZ 1955; zustimmend Serick RabelsZ 21 (1956) S. 233 f.; Neuhaus GB S. 239 und FamRZ 1966 S. 146 (allerdings anscheinend nur für Ehen im Zusammenhang mit Art. 13 I I I EGBGB). 166 A G Mannheim a.a.O. 167 ÖOGH 25 SZ (1952) Nr. 285 = RevCrit 1955 110 (U. v. 25. 10. 1952).

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einer de lege lata wohl viel zu weit gehenden Korrektur des geltenden Rechts zu einer Umgehung des Vorfragenproblems zu kommen und damit zu einer einheitlichen Anknüpfung eines einheitlichen Lebensverhältnisses, dessen Zersplitterung instinktiv als ungesund empfunden w i r d 1 6 8 . " Interessant an dieser Stellungnahme scheint uns wiederum, daß Schwind die Entscheidung des öOHG i m Ergebnis vollauf billigt, und sich nur deshalb gegen sie ausspricht, weil er sich de lege lata — u. E. zu Unrecht — an die Konsequenzen aus der Vorfragenlehre gebunden fühlt. Wengler meint, daß eine Ehe, die i m Heimatstaat des Vaters bestehe, zur Ehelichkeit des Kindes dann genüge, wenn sie auch für den Heimatstaat genüge, das K i n d ehelich zu machen 169 . Das bedeutet eine kleine Erweiterung gegenüber der eben dargestellten Ansicht insofern, als auch eine Ehe, die i m Heimatstaat des Vaters nicht besteht, aber von i h m als hinreichend angesehen wird, etwa weil sie i m Wohnsitzstaat der Eltern besteht, ausreicht. Schwind 170 vertritt i m Ergebnis die Auffassung, eine Ehe müsse nach den Heimatrechten beider Ehegatten bestehen, wenn die Kinder ehelich sein sollten. Teilweise ähnlich urteilt Lauterbach 171. Grundsätzlich entscheidet zwar, nach Lauterbach , A r t . 13 EGBGB und das von i h m berufene Recht darüber, ob eine gültige Ehe vorliegt; das bedeutet i m Ergebnis, daß Kinder aus hinkenden Auslandsehen grundsätzlich nicht ehelich sind. Doch — hier liegt die Übereinstimmung m i t Schwind — wenn eine Ehe zweier Ausländer gemäß Art. 13 I I I EGBGB i n Deutschland nicht gültig ist, aber nach den Heimatrechten beider Verlobten gültig ist, sind die Kinder nach Ansicht Lauterbachs trotzdem ehelich. Begründung: A r t . 13 I I I EGBGB w i l l nur den Abschluß nicht standesamtlicher Ehen verhindern und t r i t t hier zurück. Kronzeuge für Lauterbach ist das K G m i t einem Beschluß vom 9. 7. 1937 172 ; leider zu Unrecht, denn i n diesem Fall, i n dem zwei russische Emigranten i n Deutschland vor dem orthodoxen Geistlichen geheiratet hatten, entschied das K G lediglich, daß die Vorschriften des russischen Rechts über die Rechtsstellung von Kindern aus nichtigen Ehen zur Anwendung kämen, ging aber bei deren Anwendung von der Entscheidung des deutschen Rechts, daß eine Ehe nicht bestand, aus. Trotzdem ist die Auffassung Lauterbachs i m Ergebnis gutzuheißen. Sind die Ehegatten beide Ausländer, dann führt sie i n der Regel zum gleichen Ergebnis wie 168 109 170 171 172

RabelsZ 23 (1958) S. 463. JZ 1965 S. 536 r. Sp.; RevHell 16 (1963) S. 10 f. a.a.O.; ebenso Koehler IPR S. 91 Fn. 36. Komm. Art. 18 Anm. 3. JW 1937 2526 f.

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unsere Auffassung, nach der es auf den Wohnsitzstaat ankommt; anders ist es, wenn ein Ehegatte Deutscher ist. Einen neuen Vorschlag hat 1958 Henrich i n die Debatte geworfen 1 7 3 . Er beschränkt sich allerdings auf die hinkenden Auslandsehen, deren Ungültigkeit i n Deutschland auf A r t . 13 I I I EGBGB beruht, also vor allem auf Ehen von Ausländern, die i n Deutschland kirchlich geschlossen wurden 1 7 4 . Die Vorfrage der Ehegültigkeit ist, so sagt Henrich, i n diesen Fällen nur dann gemäß A r t . 13 I I I EGBGB zu beurteilen, wenn der Fall eine hinreichende Inlandsbeziehung aufweist. Fehlt die I n landsbeziehung oder ist sie nur sehr gering, dann w i r d die Ehegültigkeit nach dem von A r t . 13 I I I EGBGB verdrängten Recht, also nach dem Heimatrecht der Verlobten (Art. 13 I EGBGB) beurteilt. Eine Inlandsbeziehung besteht jedenfalls nicht schon deshalb, weil die Ehe i n Deutschland geschlossen wurde; sonst käme der Vorschlag Henrichs nie zum Tragen. Eine Inlandsbeziehung besteht laut Henrich ζ. B. dann, wenn die Ehegatten Deutschland nach der Eheschließung nie verlassen haben. Dagegen besteht sie nicht, wenn sie sich mehrere Jahre i m Ausland aufgehalten haben, mögen sie oder ihr K i n d auch später wieder nach Deutschland zurückgekehrt sein. Maßgebender Zeitpunkt ist — das sagt Henrich nicht, aber es versteht sich von selbst — der Zeitpunkt der Geburt; denn i n diesem Zeitpunkt muß der Status des K i n des endgültig feststehen. Die Begründung Henrichs für seine Lösung ist: A r t . 13 I I I EGBGB könne als Vorschrift mit ordre-public-Charakter nur unter den gleichen einschränkenden Voraussetzungen angewendet werden wie A r t . 30 EGBGB. I n der Rechtsprechung hat der Vorschlag Henrichs i n einer Entscheidung des OLG Celle Widerhall gefunden 175 . Das Gericht hat i n einem Fall, i n dem zwei Spanier in Deutschland nur kirchlich geheiratet hatten, und die Ehelichkeit des Kindes zur Debatte stand, das K i n d zwar als unehelich betrachtet, aber ausdrücklich dahinstehen lassen, ob nicht anders zu entscheiden wäre, wenn die Ehegatten Deutschland alsbald nach der Eheschließung verlassen hätten. I m Ergebnis bedeutet der Vorschlag Henrichs, daß ein K i n d aus einer auf A r t . 13 I I I EGBGB beruhenden hinkenden Auslandsehe dann ehelich ist, wenn zur Zeit der Geburt keine wesentliche Verbindung zum deutschen Rechtsbereich besteht. Die Tendenz, die dieser Auffassung zugrunde liegt, die Eindämmung der Auswirkungen von A r t . 13 I I I EGBGB, kann nur begrüßt werden. Die K r i t i k muß jedoch darauf hinweisen, daß Henrich, da i m Prinzip noch der Vorfragenlehre verhaftet, nicht allen Kindern aus hinkenden Auslandsehen zur Ehelichkeit ver173 174 175

FamRZ 1958 S. 123. Zu ihnen Bes. Teil Β. I. 1. a) bb). Β. v. 5. 6. 1963 FamRZ 1964 209 (210 oben).

6 Dorenberg

Besonderer Teil

hilft, die es nach der Sachlage verdienen. Keine Hilfe bietet er, wenn an der Ehe ein deutscher Staatsangehöriger beteiligt ist und wenn die hinkende Ehe nicht auf A r t . 13 I I I EGBGB, sondern auf einer der vielen anderen möglichen Ursachen beruht. Die einzige Stimme, die i m Prinzip mit der von uns entwickelten Regel voll übereinstimmt, kommt aus dem Ausland, nämlich aus dem englischen Recht. Das englische Recht steht wie w i r auf dem Standpunkt, daß Kinder aus einer hinkenden Auslandsehe i n England ehelich sind, wenn die Ehe am Wohnsitz des Vaters (der nach englischem Recht i m allgemeinen auch der Wohnsitz der Mutter ist) bestand. Es schließt nur solche Ehen von dieser Regel aus, die „incestuous" oder anderswie „contrary to religion or sound morality" sind 1 7 6 . Außerdem ist zu beachten, daß der Wohnsitzbegriff i m englischen Recht (domicile) sich von dem von uns zugrunde gelegten des amerikanischen Rechts unterscheidet. Beispiel : I n dem Fall I n Re Bischoffsheim heiratete eine Engländerin 1908 i n England einen Engländer. Nach sechs Jahren fiel ihr Mann i m Krieg. Drei Jahre später heiratete die Frau i n New York den Bruder ihres gefallenen Mannes, ihren Schwager. Die Ehe war nach englischem Recht „void" (Eheverbot der Schwägerschaft — Marriage Act von 1835, jetzt ersetzt durch Marriage Act von 1949), vorausgesetzt, die Frau hatte noch nicht vor der zweiten Eheschließung ein neues domicile in New York begründet. Nach dem Recht von New York war die Eheschließung gültig (das Recht von New York kennt das Eheverbot der Schwägerschaft nicht und beurteilt die Eheschließung nach dem Recht des Eheschließungsortes). I m Prozeß ging es um die Ehelichkeit des Kindes. Das Gericht ließ i n diesem Zusammenhang die Gültigkeit der Ehe nach englischem Recht dahinstehen, da die Ehelichkeit des Kindes nur von der Gültigkeit der Ehe i n New York, dem Wohnsitz (domicile) der Eltern zur Zeit der Geburt abhänge. „Mr. Richard Wellesley (das Kind) undoubtedly received at birth the status of legitimacy from the law of his domicil of origin (New York), and such status is, i n general, accorded international recognition 1 7 7 ." Die Entscheidung ist bemerkenswert, weil sie ganz typisch historisch und synoptisch vorgeht. 10. Die Legitimation vorehelicher Kinder

I n nahezu allen Rechten der Erde findet sich das Rechtsinstitut der Legitimation vorehelicher Kinder durch nachträgliche Eheschließung der 176 Obiter dictum bei J. Romer, In Re Bischoffsheim (1947) 2 A11ER 830 (832 A) = Ch. 79, 82. 177 a.a.O. S. 832 A.

Β. I I . Die Rechtsfolgen hinkender Ehen

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Eltern. Ein uneheliches K i n d w i r d ehelich, wenn seine Eltern nachträglich heiraten. Eine Reihe von Rechten fordert zusätzlich zur Eheschließung eine A r t Anerkennung des Kindes durch die Eltern 1 7 8 . Unsere Frage i m Zusammenhang mit der Legitimation lautet: Legitimiert auch eine hinkende Ehe die Kinder, und zwar 1. eine hinkende Inlandsehe und 2. hinkende Auslandsehen? A u f welchen Staat kommt es dabei an? Diese Fragen stellen i m wesentlichen die gleichen Probleme wie die eben behandelten Fragen nach der ehelichen Abstammung. Es wäre nicht sinnvoll, die Wirkung hinkender Ehen für die Legitimation anders zu beurteilen als für die eheliche Abstammung. Der wesentliche Gesichtspunkt ist auch hier der „favor legitimationis" 1 7 9 , soweit es möglich und mit den Interessen der Beteiligten und dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit vereinbar ist. a) Hinkende Inlandsehe — die Ehe besteht im Forum Eine hinkende Inlandsehe führt immer zur Legitimation vorehelicher Kinder (sofern das Regelungsrecht die Legitimation kennt und zuläßt). Sonst gäbe es dasselbe Unding wie oben, nämlich eine Ehe i m Inland mit i m Inland unehelichen Kindern. I n Übereinstimmung damit knüpft die herrschende Meinung die Vorfrage, ob eine Ehe besteht, i m Zusammenhang mit der Legitimation (Art. 22 I EGBGB) selbständig an 1 8 0 . Eine Einschränkung von dieser Regel möchte Gamillscheg machen 181 , nämlich die, daß noch eine gewisse Beziehung zum deutschen Rechtsbereich bestehen muß. Andernfalls soll die Tatsache, daß die Ehe i n Deutschland besteht, für die Legitimation ohne Bedeutung sein. Die selbständige Anknüpfung der Vorfrage „Ehe" sei für die Legitimation nur gerechtfertigt, wenn die Beteiligten eine hinreichende Verbindung zum deutschen Rechtsbereich hätten. Beispiel: Eine Deutsche heiratet einen katholischen Spanier i n Deutschland nur standesamtlich. Sie hat bereits ein K i n d von ihm. Nach der Eheschliezung zieht die Familie nach Spanien. Dort verläßt sie der Mann später, sie aber bleibt mit dem K i n d i n Spanien. I n diesem Fall soll die Tatsache, daß die Ehe i n Deutschland besteht, für die Legitimation nicht von Bedeutung sein. U. E. ist es nicht möglich, wie es hier geschieht, 178

Rvgl. Übl. bei Rabel I S. 613 f. 179 p ü r ^ie Berücksichtigung des „favor legitimationis" als Leitgedanke auch Gamillscheg FS OLG Celle S. 65. 18

· Vgl. Rabel 2 I S. 621 f. und Schwenn DuF S. 363 f.; Kegel IPR S. 340; OLG Hamm FamRZ 1959 28. 181 FS O L G Celle S. 65. 6*

Besonderer Teil

auf Umstände abzustellen, die sich erst nach der Eheschließung ergeben. Die Frage der Legitimation muß sich m i t der Eheschließung endgültig entscheiden. Es geht nicht an, daß spätere Entwicklungen die Entscheidung, die zur Zeit der Eheschließung auf Grund der damals gegebenen Umstände geboten war, umstoßen. Sonst erhält das K i n d einen schwankenden Status, der je nach Inlandsbeziehung bald ehelich, bald unehelich ist. Was Gamillscheg i n der Sache will, dem Vater die elterliche Gewalt nehmen, muß auf andere Weise erreicht werden, z. B. auf dem Wege der §§ 1666 f. BGB. b) Hinkende

Auslandsehe

Für hinkende Auslandsehen gilt ebenfalls das gleiche wie bei der ehelichen Abstammung. Entscheidend ist, ob die Ehe i n dem Staat besteht, i n dem die Eheleute ihren Wohnsitz haben. Der eheliche Wohnsitz ist zwar bei der Legitimation, bei der es auf den Zeitpunkt der Eheschließung ankommt, manchmal schwer zu bestimmen. I n der Regel werden die Eheleute jedoch schon vorher im gleichen Staat gelebt haben. I n Zweifelsfällen w i r d es vielleicht geboten sein, eine Legitimation nur anzunehmen, wenn die Ehe i n beiden als Wohnsitz (domicil) i n Betracht kommenden Staaten gültig ist; eine ähnliche Regel erschien oben bei der ehelichen Abstammung angebracht. I n Literatur und Rechtsprechung stellt man i m Prinzip nicht auf den Wohnsitzstaat ab. Nur das englische Recht enthält eine grundsätzlich gleichlautende Regel. Das L G K ö l n 1 8 2 befürwortete eine Legitimation durch hinkende Auslandsehe i n einem Fall, i n dem die Ehe i m Heimatstaat des Vaters bestand: ein belgischer Soldat hatte mit einer deutschen Frau zwei Kinder erzeugt und heiratete sie anschließend i n Deutschland vor einem belgischen Verwaltungsoffizier. Das L G K ö l n unterstellte die Vorfrage der Ehegültigkeit den Kollisionsnormen des belgischen Rechts und kam so zur Ehelichkeit der Kinder. Ebenso entscheiden Serick 183 und Neuhaus18*. Die herrschende Meinung lehnt dagegen eine Legitimation ab, wenn i m Forumstaat keine Ehe besteht. Sie knüpft die Vorfrage selbständig an. Wenn also ein englischer Soldat und eine Deutsche i n Deutschland vor dem Lagergeistlichen oder Besatzungsoffizier heiraten, w i r d ein voreheliches K i n d dadurch nicht ehelich 185 . 182 183 184 185

Β. v. 20. 2.1953 M D R 1953 488 = IPRspr. 1952/53 Nr. 193. RabelsZ 21 (1956) S. 235. Neuhaus FamRZ 1965 S. 543. Raape M D R 1948 S. 100; für die h. M. vgl. weiter Raape IPR S. 382;

Β. I I . Die R e g e n

hinkende Ehe

Gegen die herrschende Meinung hat man geltend gemacht, daß es gegen den ordre public verstoße, ein K i n d als unehelich zu behandeln, das i m Ausland durch eine, wenn auch hinkende, Auslandsehe legitimiert worden sei 1 8 8 . Dieses Argument hat sich nicht durchgesetzt. Es setzt auch für ein richtiges Bemühen an der u. E. falschen Stelle an. Nicht der ordre public, sondern das allgemeine Kollisionsrecht gebietet es, Kinder aus hinkenden Auslandsehen, die i m Wohnsitzstaat der Eltern bestehen, als legitimiert zu betrachten. 11. Das gesetzliche Ehegattenerbrecht

Die meisten Rechte sehen vor, daß der zuerst verstorbene Ehegatte, wenn er nicht anderweitig verfügt hat, vom überlebenden Ehegatten beerbt w i r d 1 8 7 . War die Ehe eine hinkende Ehe, dann stellt sich die Frage: Führt auch die hinkende Ehe zu einem solchen Erbrecht? Und zwar 1. die hinkende Inlandsehe und 2. die hinkende Auslandsehe? I n welchem Staat muß die letztere bestehen? Bei dieser Frage spielen der mutmaßliche Wille des Erblassers, die Interessen des überlebenden Ehegatten sowie der sonstigen gesetzlichen Erben und die Interessen der Nachlaßgläubiger eine Rolle. Die Lösung muß ihnen Genüge tun, dabei aber praktikabel und daher generell sein. a) Erbrecht bei hinkender

Inlandsehe

Beispiel: Eine Französin schließt i n Frankreich standesamtlich m i t einem Griechen eine — hinkende — Ehe. Beide Ehegatten übersiedeln nach Deutschland. Der Grieche stirbt ohne Testament und hinterläßt Vermögen i n Deutschland und Griechenland. Das griechische Recht gibt der Ehefrau keinen Teil am Nachlaß; denn sie war nicht die Ehefrau des Verstorbenen — nach griechischer Auffassung. I n Deutschland war sie es. Sollen w i r auf das griechische Recht hören oder sollen w i r unsere Entscheidung über die Ehe auch hier konsequent durchsetzen? Das eine bedeutet Einheitlichkeit der Erbfolge, erhöhte Erbquoten für die sonstigen Erbanwärter, aber Pech für die Ehefrau. Sie hatte erwartet, nach dem Tod ihres Mannes, mit dem sie schließlich eine Ehe geführt hatte, Kegel IPR S. 340 und Komm. Art. 22 Anm. 21; Schwenn DuF S. 363; Lauterbach Komm. Art. 22 Anm. 3; Rabel I S. 621; OLG Hamm FamRZ 1959 28 und A G Hamburg B. v. 27. 4. 66 StAZ 66 205. 188 Vgl. die Nachweise bei L G Tübingen DAmtsV 1965 323. 187 Erbrechte, die eine ehegüterrechtliche Funktion haben, sollen hier ausgeschlossen sein. Sie müssen kollisionsrechtlich gesondert behandelt werden. Rechtsvergleichend zu solchen Erbrechten Dölle I S. 1025 f.; kollisionsrechtlich vgl. Kegel Komm. Art. 15 Anm. 2.

Besonderer Teil

durch ihr gesetzliches Erbrecht versorgt zu sein; sie hatte sich vorgestellt, daß sie am Vermögen des Menschen, dem sie zeitlebens die Nächste war, auch nach seinem Tode teilzuhaben berechtigt sei, und der Erblasser war, nachdem sie i n einer wenn auch rechtlich hinkenden Ehe, tatsächlich gelebt hatten, von derselben Erwartung ausgegangen; jetzt aber w i r d sie von der Teilhabe am Nachlaß ausgeschlossen. Das andere, Durchsetzung unserer eigenen Entscheidung über den Bestand der Ehe auch beim Erbrecht, bedeutet uneinheitliche Erbfolge; das Vermögen i n Deutschland w i r d anders verteilt als das i n Griechenland; damit w i r d die Nachlaß ab wicklung i m Ganzen und insbesondere die Rechtsverfolgung für etwaige Nachlaßgläubiger kompliziert. Zwischen diesen beiden Alternativen müssen w i r wählen. Die Entscheidung ist nicht einfach. Raape hat noch ziemlich spät i n seinem Leben seine Meinung geändert und — jedenfalls i m Prinzip — die Ehefrau i n hinkender Inlandsehe von der Erbfolge ausgeschlossen, wenn die Ehe i m ausländischen Heimatstaat des Erblassers nicht bestand 188 . W i r halten es für untragbar, die Ehefrau vom Erbrecht auszuschließen. Das griechische Recht mag sagen, was es w i l l : die Ehe habe rechtlich nicht bestanden, die Frau habe nicht als Ehefrau, sondern als Konkubine m i t dem Mann zusammengelebt, das griechische Recht könne nicht nachträglich ein Verhältnis belohnen, das es vorher mißbilligt habe. A l l e diese Einwände verblassen gegenüber der Tatsache, daß eine Ehe unter dem Schutz und der Aufsicht der deutschen Rechtsordnung bestanden hat. Das berechtigte Interesse der Ehefrau, am Nachlaß teilzuhaben, überwiegt bei weitem das allgemeine Interesse an einheitlicher Nachlaßabwicklung sowie die Interessen der sonstigen Erbanwärter und eventueller Nachlaßgläubiger. I n dem gegebenen Beispiel hat also die überlebende Ehefrau ein gesetzliches Erbrecht. Die stillschweigende Voraussetzung dieser Entscheidung ist, daß die Ehefrau sich selbst als verheiratet betrachtet und m i t dem Mann i n einer Ehe zusammengelebt hat. Es ist ja auch denkbar, daß die Ehegatten alsbald nach der Eheschließung die Trennung vollzogen und sich ohne Scheidung i n Griechenland, wo sie ohnehin nicht rechtlich verheiratet waren, anderen Partnern zugewendet haben. I n den weitaus meisten Fällen w i r d das nicht der Fall sein. Es bleibt aber die Frage, wie die Ausnahmefälle zu behandeln sind, i n denen sich die Ehegatten ohne Scheidung getrennt haben. Soll man i m Interesse der Fallgerechtigkeit das Erbrecht verweigern oder soll man sie i m Interesse einer leicht 188 IPR 5. Auflage S. 297 ; allerdings hat er von dieser Meinungsänderung den praktisch wichtigsten Fall hinkender Inlandsehen im deutschen Recht, die hinkenden Zivilehen, ausgenommen; praktisch steht er daher doch noch überwiegend „im anderen Lager"; vgl. IPR 5. Auflage S. 435.

Β. I I . Die R e g e n

hinkende Ehe

praktikablen Regelung gleich behandeln? Entscheidend gegen eine Ausnahmeregelung spricht u. E., daß auch i m Normalfall — wenn eine Ehe nicht h i n k t — das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten ohne Rücksicht darauf besteht, ob die Ehegatten wirklich eine Ehe geführt oder ob sie getrennt gelebt haben. Es ist i m Normalfall wie bei der hinkenden Ehe Sache der Ehegatten, durch geeignete letztwillige Verfügungen das Erbrecht auszuschließen. Sie wissen ja schließlich, daß sie eine Ehe geschlossen haben und damit — sei es allseits gültig oder nur hinkend, aber i m Forum wirksam — verheiratet sind. Was hier für das Erbrecht der überlebenden Ehefrau gesagt wurde, gilt mutatis mutandis ebenso für das Erbrecht des überlebenden Ehemannes. b) Der Stand der Meinungen I n der Literatur sprechen sich u. a. Ferid 189, Serick 19°, Maury lel, Jochem192, Kegel 193 und Raape194 für ein Erbrecht aus. I n der Regel kleidet man diese Auffassung i n den Satz, daß die Vorfrage nach der Ehe selbständig angeknüpft w i r d 1 9 5 . Raape beschränkt seine Ansicht auf Fälle, die m i t A r t . 13 I I I EGBGB zusammenhängen, da hier die Verweigerung eines deutschen Erbrechts gegen den deutschen ordre public verstoße, dessen Ausfluß Art. 13 I I I EGBGB sei. Dabei übersieht er, daß die hinkenden Zivilehen von Ausländern, die i n Deutschland nur standesamtlich getraut wurden, nicht auf Art. 13 I I I EGBGB, sondern auf Art. I I I 2 EGBG beruhen 1 9 8 . Damit fehlt seiner Argumentation die Prämisse. Gegen ein Erbrecht bei hinkenden Inlandsehen — wenn der Erblasser ein Ausländer war, i n dessen Heimatstaat die Ehe nicht galt — wenden sich Melchior (mit Einschränkungen), Wengler, Lewald, Robertson, Wolff und — allerdings nur i m Prinzip — Raape197. Die Begründung ist: Der äußere Entscheidungseinklang, die Entscheidungsharmonie, er189

IErbR I Einf. Rdnr. 28 am Ende (als Ausnahme vom Grundsatz). Serick RabelsZ 21 (1956) S. 222. 191 Maury Nr. 214. 192 Jochem FamRZ 1964 S. 396 und S. 394 Fn. 16 (keine „Erstfrage", sondern „Vorfrage"). 193 Komm. Art. 24 Vorb. 11 und 73; IPR S. 359. 194 IPR S. 435 (mit Einschränkungen, da im Prinzip a. M. — vgl. IPR S. 297). 195 Vgl. Kegel a.a.O. 196 Vgl. Bes. Teil Β. I. 1. a) aa). 197 Melchior Grundlagen S. 261; Wengler Vorfrage S. 231; Lewald R V H I V S. 454; Robertson LQR 55 (1939) S. 571 ff.; Wolff IPR S. 79; Raape IPR S. 120, vgl. auch S. 434 f. 190

Besonderer Teil

scheint wichtiger als das Interesse an dem inneren Einklang. Es heißt nicht ,Wenn eine Ehe besteht, dann ist für das gesetzliche Erbrecht des einen Ehegatten gegen den anderen das Heimatrecht des letzteren maßgebend', sondern ,Ist der Erblasser ein Ausländer, so entscheidet sein Heimatrecht, wer Erbe ist, also auch, ob eine das Erbrecht bedingende Ehe vorliegt' 1 9 8 . Bei Raape ist darauf hinzuweisen, daß seine Ausnahme von der Regel gerade die wichtigsten Fälle von hinkenden Inlandsehen ergreift 1 9 9 . Die Rechtsprechung ist spärlich. Für ein Erbrecht sprach sich das Tribunal de Première Instance von Rabat aus i n dem folgenden Fall: Ein Grieche heiratete i n Marokko standesamtlich eine Marokkanerin. Nach dem Recht von Marokko war die Ehe gültig, nach dem von Griechenland nicht 2 0 0 . c) Erbrecht bei hinkender

Auslandsehe

1. Beispiel: Ein Spanier heiratet eine Deutsche i n Deutschland nur kirchlich. Beide übersiedeln nach Spanien und lassen sich dort endgültig nieder. Später stirbt der Ehemann ohne Testament. Er hinterläßt Vermögen i n Deutschland und i n Spanien. 2. Beispiel : Wie Beispiel 1, nur stirbt jetzt die Ehefrau zuerst. 3. Beispiel : Wie Beispiel 1, doch trennen sich die Ehegatten nach kurzem Zusammenleben und die Ehefrau übersiedelt wieder nach Deutschland. 4. Beispiel: Wie Beispiel 3, doch hat sich die Ehefrau i n Deutschland wieder verheiratet. A n diesen vier Beispielen sei die Problematik der hinkenden Auslandsehen erörtert. Das bei der Erörterung der hinkenden Inlandsehen ausschlaggebende Argument kommt auch hier zum Zuge: das Argument, daß eine Ehefrau, die i n einer rechtlich, wenn auch nur hinkend, bestehenden Ehe m i t ihrem Ehemann zusammengelebt hat, und umgekehrt ein solcher Ehemann, nicht vom Nachlaß ausgeschlossen werden kann. I m Unterschied zu oben war bei den hinkenden Auslandsehen die Ehe, i n der die Ehefrau gelebt hat, nicht vom Forum, sondern von einem ausländischen Staat, rechtlich anerkannt und geregelt sowie geschützt. Für die Interessen der Ehefrau macht das jedoch keinen wesentlichen Unterschied. Nicht die Quelle des Rechts, unter dem die Ehe stand, sondern die Tatsache, daß die Ehe unter den Geboten und dem Schutz einer Rechtsordnung stand, ist von Bedeutung. Das ist keine Anerkennung der Ehe selbst durch die Hintertür des Erbrechts. Ist ein 198

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Raape I P R S. 120. g l

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?00 Clunet 60 (1933) S. 992 ff.

Β. I I . Die R e g e n

hinkende Ehe

Ehegatte gestorben, dann ist die Ehe aufgelöst und nichts mehr anzuerkennen. W i r vergeben uns nicht zuviel, wenn w i r jetzt die Auffassung von der Ungültigkeit der Ehe zurücktreten lassen. Wozu auch eine Verfolgung der hinkenden Auslandsehe über den Tod eines Ehegatten hinaus? W i r kommen daher für Beispiel 1 zu dem Ergebnis, daß die überlebende Ehefrau auch nach deutschem Recht ein gesetzliches Erbrecht am Nachlaß ihres verstorbenen Ehemannes hat. Die eben angestellten Überlegungen gelten i n gleicher Weise, wenn, wie i n Beispiel 2, die Ehefrau zuerst stirbt. Es macht, betrachtet man die beiden Fälle, wie hier, nach den Interessen der Beteiligten, keinen Unterschied, ob der erstversterbende Ehegatte Deutscher oder Spanier ist. Anders, wenn man den Fall so betrachtet, wie es die Lehre von der Vorfrage fordert: knüpft man die Vorfrage nach der Ehe selbständig an, gibt es bei hinkenden Auslandsehen überhaupt kein gesetzliches Ehegattenerbrecht; diese Entscheidung soll außer Betracht bleiben. Knüpft man die Vorfrage nach der Ehe unselbständig an, dann erbt in Beispiel 1 die überlebende Ehefrau, nicht aber i n Beispiel 2 der überlebende Ehemann. Denn überlebt die Ehefrau, dann ist der Erblasser Spanier, und nach seinem Heimatrecht bestand eine Ehe. Überlebt der Ehemann, dann ist die Erblasserin Deutsche, und nach ihrem Heimatrecht bestand keine Ehe. U. E. sind diese Unterschiede i n den Ergebnissen nicht gerechtfertigt. Sie sind das Produkt einer unzweckmäßigen Problemstellung, nämlich des Vorfragenproblems, die es gilt, durch eine bessere, nämlich die Frage nach den Rechtsfolgen hinkender Rechtsverhältnisse zu ersetzen. W i r halten fest: die Staatsangehörigkeit des erstversterbenden Ehegatten ist für das gesetzliche Ehegattenerbrecht ohne Bedeutung. Der internationale Entscheidungseinklang, den man mit der unselbständigen Anknüpfung der Vorfrage nach der Ehe und der damit verbundenen Rücksichtnahme auf die Staatsangehörigkeit anstrebt, w i r d auch auf der Grundlage unserer Lösung erreicht. Beispiel 3 w i r f t die bereits bei der hinkenden Inlandsehe erörterte Frage auf, ob das Ehegattenerbrecht auch dann gelten soll, wenn sich die Ehegatten ohne Scheidung getrennt haben. Der dort i n den Vordergrund gerückte Gesichtspunkt, daß es Sache der Ehegatten selbst ist, aus der Trennung Konsequenzen und ein passendes Testament zu errichten, gilt auch hier. Man mag zu Beispiel 3 einwenden, daß die deutsche Ehefrau nach der Trennung und der Rückkehr nach Deutschland, wo die Ehe nicht besteht, bisweilen nicht mit einem Erbrecht ihres Mannes an ihrem i n Deutschland liegenden Vermögen rechnet und sich daher auch nicht veranlaßt sieht, darüber anderweitig testamentarisch zu verfügen. Doch ist es besser, diese Möglichkeit i n Kauf zu nehmen und gelegentlich ein „unverdientes" Erbrecht zu gewähren als eine

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Besonderer Teil

schwer faßbare, unpraktikable und am Ende auch nicht immer allen gerecht werdende Ausnahmeregel einzuführen. Wer i n einer hinkenden Ehe lebt, muß eben rechtlich auf der Hut sein und aus eigener Initiative dazu beitragen, daß sich seine Ausnahmesituation nicht ganz anders entwickelt, als er es sich vorgestellt hat. Das IPR kann nur versuchen, für den Regelfall Gerechtigkeit zu verwirklichen. Die gegenwärtig vertretenen Lösungen, selbständige oder unselbständige Anknüpfung der Vorfrage m i t ihren praktischen Konsequenzen, führen i n viel mehr Fällen zu materiell ungerechten Ergebnissen als die von uns vertretene Lösung. W i r haben nicht zwischen Vollkommenheit und Unvollkommenheit, sondern zwischen einer mehr und einer weniger unvollkommenen Regel zu wählen. Es bleibt also bei der Regel, daß auch hinkende Auslandsehen zu einem gesetzlichen Ehegattenerbrecht des überlebenden Ehegatten führen. Probleme ergeben sich aus dieser Regel, wenn, wie i n Beispiel 4, der eine Ehegatte i n dem Staat, i n dem die Ehe nicht galt, eine zweite Ehe geschlossen hat, sodaß sich zwei Ehen gegenüberstehen. Stirbt der zweimal verheiratete Ehegatte, i n Beispiel 4 die zurückgekehrte deutsche Ehefrau, sollen dann beide überlebenden Ehegatten erben? Das wäre die logische Konsequenz der beiden bisher aufgestellten Regeln. U. E. muß das Forum sich i n solchen Fällen für eine Ehe entscheiden, und zwar zugunsten der Ehe, die i m Forum gilt. d) Der Stand der Meinungen Die Lösungen, die in der Literatur und der Rechtsprechung vertreten werden, sind inhaltlich überwiegend dadurch bestimmt, daß das Problem unter dem Gesichtspunkt der Vorfragenlehre betrachtet wird. Das bedeutet: sie bewegen sich i n dem Antwortschema zwischen selbständiger und unselbständiger Anknüpfung und sie antworten einheitlich, also vertreten entweder die selbständige oder die unselbständige A n knüpfung der Vorfrage, während unsere Regeln ein Erbrecht sowohl bei hinkender Inlandsehe als auch bei hinkender Auslandsehe zubilligen. Nur Ferid und, weniger konsequent, Raape überspringen, soweit ersichtlich, das m i t der Vorfragenlehre an sich vorgegebene Schema von entweder selbständiger oder unselbständiger Anknüpfung und vertreten ein „sowohl — als auch". Ferid befürwortet, daß sowohl die hinkende Inlandsehe als auch die hinkende Auslandsehe, sofern sie i m Heimatstaat des Erblassers bestand, zu einem Erbrecht des überlebenden Ehegatten f ü h r t 2 0 1 . Raape vertritt wie Ferid bei hinkenden Aus201 I E r b R I Einführung Rdnr. 28 und Deutschland Grundzüge Rdnr. 23 (Griechenland — Art. 13 I I I EGBGB) sowie JR 1955 S. 63; zur hinkenden I n landsehe vgl. oben b).

Β. I I . Die R e g e n

hinkende Ehe

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landsehen ein gesetzliches Ehegattenerbrecht dann, wenn die Ehe i m Heimatstaat des Erblassers bestand, unterscheidet sich von Ferid aber bei den hinkenden Inlandsehen, bei denen er, wie bereits gesagt, ein Erbrecht nur befürwortet, wenn sie auf Art. 13 I I I EGBGB beruhen, also bei den hinkenden Zivilehen von Ausländern, die i n Deutschland nur standesamtlich heiraten 2 0 2 . Von Ferid und Raape abgesehen — und mit Ausnahme von Serick, der einen Fall m i t einer hinkenden Auslandsehe nicht bespricht — folgen die, die bei der hinkenden Inlandsehe ein Erbrecht bejahen, dem Entweder-oder-Schema des Vorfragenproblems und verneinen ein Erbrecht bei hinkenden Auslandsehen, teils ausdrücklich, teils als stillschweigende Konsequenz der selbständigen Anknüpfung 2 0 3 . Umgekehrt bejahen hier ein Erbrecht, die es oben, bei der hinkenden Inlandsehe verneinten, also Wengler, Melchior, Lewald, Robertson, Wolff und wohl auch Neuhaus 204. Wengler prägt den klaren Satz: „Sie (die Rechtsordnung, an die angeknüpft wird) soll nicht nur sagen, daß der Erblasser von jemand beerbt w i r d . . . , sondern, wer den Erblasser beerbt 2 0 5 ." Teils ziehen sie die Konsequenz für die hinkende Auslandsehe ausdrücklich, teils ergibt sie sich stillschweigend aus der unselbständigen Anknüpfung der Vorfrage nach der Ehe. Allerdings fordern sie alle, daß die Ehe i m Heimatstaat des Erblassers bestanden habe. Das ist die Konsequenz des Vorfragenproblems. Bei der Frage, ob K i n der aus hinkenden Auslandsehen ehelich sind, macht man den gleichen Vorbehalt und leitet i h n ebenfalls aus dem Vorfragenproblem ab. U. E. ist der Vorbehalt dort wie hier nicht gerechtfertigt. Denn er beruht allein auf der Anwendung der Vorfragenlehre, nicht auf dem Gesetz und auch nicht auf Erwägungen, welches Ergebnis sachlich berechtigt wäre 2 0 8 . Gerechtfertigt sind Vorbehalte, die sich aus der Natur des jeweiligen Rechtsverhältnisses und der jeweiligen Rechtsfolge ergeben. Unter diesem Gesichtspunkt war bei der Frage der Ehelichkeit der Vorbehalt geboten, daß die Ehe i m Wohnsitzstaat (domicil-Staat) der Eltern bestehen müsse. Hier, wo es um eine Rechtsfolge eines beendeten Rechtsverhältnisses geht, ist kein solcher Vorbehalt geboten. Es kommt nicht darauf an, wo die hinkende Auslandsehe bestanden hat. Entscheidend ist, daß sie bestanden hat. 202

Raape IPR S. 435; vgl. auch oben b). Jochem FamRZ 1964 S. 394 Fn. 16; Kegel Komm. Art. 24 Vorb. 11 und 73; IPR S. 359. 204 Wengler Vorfrage S. 231; Melchior Grundlagen S. 261; Lewald R V H I V S. 454 Ii. Sp.; Robertson LQR 55 (1939) S. 571 ff.; Wolff IPR S. 79; Neuhaus FamRZ 1965 S. 543 Ii. Sp. 205 Wengler a.a.O. 206 Vgl. Bes. Teil B. I I . 9. c) γ). 203

Besonderer Teil 12. Die Wirkung des § 2077 BGB

Nach deutschem Recht ist eine Erbeinsetzung durch Einzeltestament, gemeinschaftliches Testament oder Erbvertrag, durch die sich Ehegatten bedenken, i m Zweifel unwirksam, wenn die Ehe zur Zeit des Erbfalls nicht besteht (§§ 2077, 2268, 2279 BGB). Dabei ist auch der Fall eingeschlossen, daß die Eheschließung von vornherein unwirksam war. Wenn die Eheschließung nur hinkend unwirksam war, ist die Frage: Soll auch dann die Rechtsfolge des § 2077 BGB usw. eintreten? Wie ist es bei hinkenden Inlandsehen? Wie bei hinkenden Auslandsehen? Der Sache nach sind die §§ 2077 usw. BGB gesetzliche Auslegungsregeln 2 0 7 . Das Problem ist daher so zu lösen, daß ergänzend der vermutliche Wille des Erblassers für den Fall einer nur hinkend unwirksamen Eheschließung festgestellt wird. I m allgemeinen w i r d man annehmen können, daß der nur hinkend verheiratete Erblasser ein Erbrecht für seine Ehefrau wollte. Das heißt, daß praktisch i n den meisten Fällen eine hinkende Eheunwirksamkeit das Testamentserbrecht nicht beeinträchtigt. Doch kommt es am Ende immer auf den Einzelfall an. Der Fall des § 2077 BGB wird, obwohl praktisch bei den hinkenden Ehen nicht sehr bedeutsam, hier erörtert, weil er klar zeigt, daß bei hinkenden Ehen jede Rechtswirkung für sich betrachtet werden muß und nicht alles unter einer Regel behandelt werden darf.

13. Die Scheidung hinkender Ehen

Nach den meisten Rechten der Erde können Ehen, wenn bestimmte Gründe vorliegen, wieder geschieden werden, nach manchen Rechten auch ohne Gründe 2 0 8 . Können auch hinkende Ehen geschieden werden? Hinkende Inlandsehen? Hinkende Auslandsehen? a) Die Scheidung hinkender

Inlandsehen

Hinkende Inlandsehen könne i m Inland selbstverständlich auch geschieden werden (sofern ein Scheidungsgrund vorliegt). Das Forum kann die Scheidung nicht mit dem Hinweis darauf ablehnen, daß die Ehe i n dem Staat, dessen Recht es zur Regelung der Scheidung (der Gründe etc.) beruft (in Deutschland ist das i n der Regel der Heimat207 Staudinger - Seybold § 2077 BGB Anm. 2; Palandt - Keidel § 2077 Anm. 2. 208 Scheidungsfeindlich sind Italien, Spanien, Irland, Andorra, San Marino sowie Argentinien, Brasilien, Chile, Paraguay und die Philippinen. Vgl. Dölle I S. 480 und Bergmann - Ferid „Paraguay" A I I I 3.

Β. I I . Die R e g e n

hinkende Ehe

Staat des Mannes — A r t . 17 I EGBGB), nicht bestehe. Was das Forum zusammenbringt, muß es auch wieder auseinanderbringen. Daß die Scheidung hier möglich ist, ist allgemeine Meinung 2 0 9 . Sie w i r d häufig i n die Worte gekleidet: „Ob eine Ehe besteht, entscheidet das Eheschließungsstatut, wie es sich aus A r t . 13 EGBGB ergibt" oder „Die Vorfrage, ob die Ehe besteht, w i r d selbständig angeknüpft". Die OLGe K ö l n und Celle haben i n je einer Entscheidung als Vorfrage zur Scheidung geprüft, ob die Ehe nach deutschem Recht zustandegekommen war, und anschließend auch noch, ob sie nach dem Heimatrecht des Ehemannes gültig geschlossen w a r 2 1 0 . Die zweite Prüfung war i m Hinblick auf die Zulässigkeit der Scheidung entbehrlich, da schon eine hinkende Inlandsehe genügt 2 1 1 . b) Die Scheidung hinkender

Auslandsehen

Schwierig ist die Frage, ob auch hinkende Auslandsehen geschieden werden können. Kann das Forum durch seine Gerichte eine Ehe scheiden, die es selbst nicht als bestehend betrachtet? Beispiel: Ein Grieche schließt i n Deutschland eine Ehe vor dem orthodoxen Geistlichen und klagt später hier auf Scheidung. Internationale Zuständigkeit vorausgesetzt: kann das deutsche Gericht scheiden? Die erste A n t w o r t ist „Nein". Das scheint schon aus Gründen der Logik geboten. Man kann ja nicht nichts scheiden. I n Deutschland besteht keine Ehe, also ist hier auch nichts zu scheiden. Doch hatten w i r bereits mehr als ein Problem i n dieser Untersuchung, das mit Hilfe der Logik allein nicht befriedigend gelöst werden konnte. Daher empfiehlt sich auch hier zunächst Vorsicht mit den Geboten der Logik. Rein logisch ist es ζ. B. auch ausgeschlossen, daß jemand ein nichtiges Rechtsgeschäft anficht, und doch w i r d das allgemein zugelassen. Die Anfechtung einer nichtigen Willenserklärung ist eben deshalb nicht unlogisch, weil u. U. die Anfechtung stärkere oder weitere Wirkungen hat als der bereits vorhandene Nichtigkeitsgrund 2 1 2 . Betrachtet man in 209 Raape IPR S. 119, 246 und 286; Kegel IPR S. 291 und Komm. Art. 17 EGBGB Anm. 2. 210 OLG Köln IPRspr. 1932 Nr. 78 = JW 1932 2304 (Polen); OLG Celle IPRspr. 1934 Nr. 14 (bes. S. 284) = JW 1934 1920 (Polen). 211 Dagegen war sie beim Fall des OLG Celle für die Rechtswahl nötig, weil das reguläre Scheidungsrecht scheidungsfeindlich war. Vgl. Bes. Teil B. I I I . 5. a). 212 Kipp (FS Martitz S. 226—229) hat diesen Gedanken im Jahre 1911 entwickelt; heute ist er h. M.; vgl. Enneccerus - Nipperdey § 203 I I I 7 und Palandt - Danckelmann Vorb. 4 e vor § 104.

Besonderer Teil

dieser Weise die Scheidung einer hinkenden Auslandsehe, dann zeigt sich u.E., daß eine solche Scheidung keine Frage der Logik, sondern des Rechtsschutzbedürfnisses ist, wobei allerdings das Rechtsschutzbedürfnis nur selten gegeben sein wird. Man kann nicht einfach sagen, es bestehe keine Ehe, wenn i m Ausland eine Ehe besteht. Wir erkennen die Ehe nicht an, aber andere Staaten erkennen sie an, darum kommt man nicht herum. W i r d in Deutschland eine Ehe geschieden, die i n Deutschland nicht besteht, die aber etwa i m Heimatstaat des Mannes besteht, und erkennt der Heimatstaat des Mannes die Scheidung des deutschen Gerichts an, dann ist das Urteil nicht unlogisch. Es stößt nicht ins Leere, sondern entfaltet auf dem Wege über die Anerkennung die i h m zugedachten Wirkungen. denken wie gegen die Wirksamkeit des Erlaßvertrags, durch den ein Gegen die Wirksamkeit dieser Scheidung bestehen genausowenig BeGläubiger seinem Schuldner i n Deutschland eine Forderung erläßt, die hinkt und i n Deutschland gar nicht besteht. Der Einwand der Unlogik zählt also nicht. Was zählt ist ein anderer Einwand. Vielleicht ist i m Grunde er gemeint, wenn von Unlogik die Rede ist. Dieser Einwand lautet: Es besteht kein Bedürfnis nach einer Scheidung einer Ehe, die i m Forum nicht besteht, mag sie auch i m Ausland bestehen. Dieser Einwand leugnet der Sache nach das Rechtsschutzbedürfnis für eine Scheidungsklage. Damit gehört er zu den Fragen des Prozeßrechts, während unsere Fragen privatrechtlich sind. Er soll trotzdem hier weiterverfolgt werden. Damit die Scheidung nicht ins Leere stößt, muß man immer fordern, daß sie der Anerkennung i n dem Staat, i n dem die Ehe besteht, fähig ist; sonst fehlt auf jeden Fall das Rechtsschutzbedürfnis. Darüberhinaus w i r d man aber immer fordern müssen, daß es dem Scheidungskläger wirklich ganz und gar unzumutbar ist, i n seinem Heimatstaat oder sonst i n dem Staat zu klagen, i n dem die Ehe besteht, sei es wegen der Entfernung oder aus anderen äußeren Gründen, sei es aus rein persönlichen Gründen. Dabei w i r d man zu berücksichtigen haben, ob nicht das Anerkennungsverfahren i n dem jeweiligen ausländischen Staat für den Kläger den gleichen Aufwand mit sich bringen w i r d wie die Scheidungsklage i n jenem Staat; ist das der Fall, dann kann es i h m zugemutet werden, gleich die Scheidungsklage i m Ausland zu erheben. Wann i m einzelnen sonst die Klageerhebung i m Ausland zumutbar ist, hängt ganz vom Einzelfall ab. Entscheidend ist, ob die Zurückweisung der Klage für den Betroffenen praktisch auf eine Rechtsverweigerung hinauslaufen würde. Ohne weiteres ist das Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen, wenn der ausländische Staat, i n dem die Ehe gilt, sich mangels jurisdiction oder aus anderen Gründen für unzuständig erklärt. Weiter-

Β. I I . Die R e g e n

hinkende Ehe

hin dürfte das Rechtsschutzbedürfnis stets zu bejahen sein, wenn ein deutscher Staatsangehöriger klagt. Denn die deutschen Gerichte müssen deutschen Staatsangehörigen auch zur Lösung solcher Bindungen behilflich sein, die nur i m Ausland bestehen. I n der Rechtsprechung ist die Frage nach der Zulässigkeit solcher Scheidungen noch nicht behandelt worden. Wahrscheinlich ist das praktische Bedürfnis nach ihnen auch nicht groß. I n der Literatur w i r d die Scheidung hinkender Auslandsehen abgelehnt. Raape schreibt: „ A r t . 17 EGBGB ist zu lesen ,Wenn eine Ehe vorliegt, d a n n . . . ' " und „Ob eine Ehe vorliegt, beurteilt sich nicht nach dem Scheidungs-, sondern nach dem Eheschließungsstatut" 213 . Ferid und Neuhaus schlagen als Ersatz ein Feststellungurteil des Inhalts vor, daß die Ehe i n Deutschland nicht bestehe und daß die Voraussetzungen einer Scheidung nach dem Heimatrecht gegeben seien 214 . Fast das gleiche Problem wie hier entsteht, wenn Ausländer i n Deutschland geschieden werden, aber der Heimatstaat die Scheidung wegen eines Verfahrensmangels nicht anerkennt und die Ausländer daher einen zweiten Scheidungsausspruch begehren, der der Anerkennung fähig ist. Dieser Fall soll uns bei den Rechtsfolgen der hinkenden Scheidung beschäftigen 215 . Für die Nichtigerklärung hinkender Ehen gilt sinngemäß das gleiche wie für ihre Scheidung. D. h. hinkende Inlandsehen können stets für nichtig erklärt werden (sofern ein Grund vorliegt), hinkende Auslandsehen nur, wenn ein Rechtsschutzbedürfnis besteht. 14. Rechtsfolgen hinkender Ehen im öffentlichen Recht

a) Straf recht Den Bereich des Strafrechts hat 1957 Hoffmeyer für die Vorfragen Problematik und damit mittelbar für die hinkenden Rechtsverhältnisse entdeckt 21 *. Hier wie überhaupt i m öffentlichen Recht ist es noch mehr als i m Privatrecht geboten, von dem durch die Vorfragenlehre vorgezeichneten Lösungsschema abzuweichen und für die einzelnen Rechtsfolgen besondere Lösungen zu entwickeln. 213 IPR S. 119 und S. 286; ebenso Kegel IPR S. 291 und Komm. Art. 17 Anm. 2 und 3; Ferid JR 1955 S. 62; Wolff IPR S. 205; Rabel I S. 451. 214 Ferid a.a.O.; Neuhaus GB S. 255. 215 Vgl. Bes. Teil C. I I . 10. 216 FamRZ 1957 S. 406—409.

Besonderer Teil

Die Beleidigung einer hinkend verheirateten Ehefrau wurde bereits erwähnt 2 1 7 . Das Ergebnis war: jede hinkende Ehe genießt einen Ehrenschutz durch das Strafrecht. „Die beklagenswerte Möglichkeit hinkender Ehen darf kein Freibrief für Ehrabschneider werden 2 1 8 ." Straftaten, bei denen das Bestehen der Ehe zum Tatbestand gehört, wie etwa die Verletzung der gesetzlichen Unterhaltspflicht nach § 170 b StGB können nur bei hinkenden Inlandsehen verwirklicht werden. Sonst würde das Forum zur Zahlung zwingen, wo nach seiner A u f fassung keine Ehe besteht. Ist dagegen die Ehe ein Strafausschließungsgrund wie i n § 247 I I StGB und i n § 257 I I StGB (Diebstahl und Begünstigung), dann w i r d dem Täter jede hinkende Ehe, sofern er sie selbst als bestehend betrachtete, zugute kommen. Nur das entspricht dem Sinn dieser Strafausschließungsgründe. Ebenso muß man i m Strafprozeß verfahren. Zeugnisverweigerungsrechte u. ä. entstehen aus hinkenden Inlandsehen, aber auch aus hinkenden Auslandsehen. Denn auch sie führen zu den Gewissenskonflikten, die das Zeugnisverweigerungsrecht vermeiden helfen soll. Das RG hat 1930 bei einer hinkenden Auslandsehe ein Zeugnisverweigerungsrecht abgelehnt, u. E. zu Unrecht 2 1 9 . I n der Rechtsprechung erscheinen gelegentlich Fälle, i n denen ein hinkend — i n Deutschland unwirksam — verheirateter Ehegatte seinen Personenstand oder den seiner Ehefrau oder seiner Kinder für die Eintragung i m Personenstandsregister unrichtig angegeben hat und später wegen Personenstandsfälschung hinsichtlich der Kinder (§ 169 StGB) und wegen mittelbarer Falschbeurkundung hinsichtlich der Ehefrau (§ 271 StGB) angeklagt worden ist. Das RG hat 1914 den Einwand eines solchen Angeklagten, es habe ja immerhin eine hinkende Ehe bestanden und davon sei er ausgegangen, nicht beachtet 220 . U. E. fehlt i n solchen Fällen i n der Regel der subjektive Tatbestand. b) Steuerrecht Die Ehefrau steht nach dem Erbschaftssteuergesetz i n einer günstigeren Klasse (Steuerklasse I) als Erben, die weder verwandt noch verschwägert sind. Erhält auch die hinkend verheiratete Ehefrau die Erbschaftssteuerklasse I? 217 218 219 220

Vgl. Bes. Teil B. I I . 8. Hoffmeyer Vorfrage S. 82 und FamRZ 1957 S. 407 r. Sp. U. v. 1. 6. 1930 IPRspr. 1930 Nr. 28 = JW 1931 1366. U. V. 16. 2. 1914 L Z 1914 869.

Β. I I . Die R e g e n

hinkende Ehe

Bei hinkender Inlandsehe ohne Zweifel ja. U. E. muß dasselbe auch bei der hinkenden Auslandsehe gelten, wenn die Ehefrau auf Grund des gesetzlichen Ehegattenerbrechts oder gar auf Grund Testaments etwas erhält. Denn auch dann hat sie „als Ehefrau" etwas vom Nachlaß erhalten, wie § 17 a ErbStG und § 9 ErbStG es voraussetzen. Beispiel: Ein i n Deutschland nur kirchlich getrauter Grieche stirbt und hinterläßt Vermögen i n Deutschland. U. E. hat die Ehefrau unter Umständen ein gesetzliches Ehegattenerbrecht und u. E. w i r d sie als Ehefrau mit Erbschaftssteuer belegt. Bei der Lohn- und Einkommenssteuer w i r d man für hinkende Auslandsehen anders entscheiden müssen und sie steuerlich für unbeachtlich erklären. c) Entschädigungsrecht I m Zusammenhang m i t LAG-, BVG-, BEG- und ähnlichen Ansprüchen muß man jede irgendwo bestehende Ehe als genügend betrachten und die aus ihr sich ergebenden Entschädigungsansprüche gewähren. Nur das entspricht dem Zweck dieser Gesetze, einen möglichst vollständigen Ausgleich für die jeweiligen Schäden, Lasten und Nachteile zu schaffen 221 . 15. Zusammenfassung

Hinkende Ehen haben folgende Rechtsfolgen: Rechtsfolge

Hinkende Inlandsehe

Persönliche Rechtswirkungen Schlüsselgewalt Namensfolgen

nein nein ja — bei Bestand der Ehe im Wohnsitzstaat Entscheidend ist, ob die Ehe in dem Staat besteht, um dessen Staatsangehörigkeit es geht. nein ja ja ja nein ja

Staatsangehörigkeitsfolgen Güterrechtliche Wirkungen Ungültigkeit einer 2. Ehe Emanzipation von der elterlichen Gewalt Eheschutz durch Zivil- und Strafrecht Ehelichkeit der Kinder

821

Hoffmeyer

7 Dorenberg

Hinkende Auslandsehe

ja ja ja

ja

nein

ja

ja — bei Bestand der Ehe im Wohnsitzstaat ζ. Z. der Geburt

NJW 1956 92—94.

Besonderer Teil Rechtsfolge

Hinkende Inlandsehe

Hinkende Auslandsehe

Legitimation vorehel. Kinder

ja

Gesetzliches Ehegattenerbrecht Wirkung des § 2077 BGB

ja

ja — bei Bestand der Ehe im Wohnsitzstaat ζ. Ζ. der Geburt ja — anders bei Bigamie

Scheidung möglich

Rechtsfolgen des öffentlichen Rechts (Straf- u. Strafprozeßrecht, Steuerrecht, Entschädigungsrecht)

Entscheidend ist der mutmaßliche Wille des Erblassers ja ja — aber nur bei besonderem Rechtsschutzbedürfnis Je nach der Eigenart der jeweiligen Rechtsfolge

I I I . D i e Regelung der Rechtsfolgen der hinkenden Ehe

Unter der Überschrift „Die Regelung der hinkenden Ehe" w i r d die Frage behandelt: Vorausgesetzt, daß die hinkende Ehe eine bestimmte Rechtsfolge haben kann, obwohl sie hinkt, welches Recht stellt die Rechtsnormen zur Verfügung, die die Rechtsfolge i m einzelnen regelt? Das ist die von uns oben so genannte „Regelungsfrage" 222 . Bei ihr geht es um die Rechtswahl bei den Rechtsfolgen hinkender Ehen. I h r K e r n ist: Bleibt es bei den normalen Rechtswahlregeln (den K o l lisionsnormen des EGBGB), wenn die Ehe hinkt? Wenn die Ehe i n dem Staat, dessen Recht zur Regelung berufen wird, besteht, haben w i r keinen Grund, von den normalen Rechtswahlregeln abzuweichen. Dagegen w i r d immer wieder die Frage gestellt: Kann Regelungsrecht auch das Recht eines Staates sein, i n dem die Ehe nicht besteht? Beispiel: Kann das deutsche Recht das Ehegattenerbrecht regeln, wenn die Ehe der gestorbenen Ehefrau i n Deutschland nicht bestand? (Ζ. B. die kirchlich geschlossene Ehe einer Deutschen m i t einem Griechen.) Oder kann das spanische Recht die Scheidung einer Ehe regeln, die i n Deutschland, nicht aber i n Spanien besteht? W i r wollen die Frage für jede einzelne Rechtsfolge gesondert untersuchen. 1. Die Regelung der persönlichen Rechtswirkungen

I m Normalfall ist Regelungsrecht nach deutschem IPR das Heimatrecht der Ehegatten (Art. 14 EGBGB, der zur allseitigen Kollisions222

Vgl. Bes. Teil Α. I.

Β. I I . Die R e g e n

hinkende

Ehe

norm ausgeweitet wird). Die Rechtswahl bei verschiedener Staatsangehörigkeit der Ehegatten ist umstritten. Die herrschende Meinung wendet grundsätzlich das Heimatrecht des Mannes an 2 2 3 . Doch stößt sie i n der Literatur zunehmend auf Widerspruch 2 2 4 oder zumindest auf Bedenken 2 2 5 . Als Ersatz schlägt man — teils de lege lata 2 2 6 , teils nur de lege ferenda 2 2 7 — eine Anknüpfung an den Aufenthalt vor, und zwar der Reihe nach an den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt, an den letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt, an den gemeinsamen schlichten Aufenthalt und an den letzten gemeinsamen schlichten Aufenthalt. Die Regelungsfrage bei der hinkenden Ehe lautet: Ist das reguläre Regelungsrecht auch berufen, wenn die Ehe i m Heimatstaat des Mannes oder dem Staat, der sonst berufen sein mag, nicht besteht? Da persönliche Rechtswirkungen nur bei hinkenden Inlandsehen eintreten 2 2 8 , geht es bei dieser Frage nur um hinkende Inlandsehen. Die A n t w o r t ist, wie viele andere Antworten bei den hinkenden Rechtsverhältnissen auch, oft aus den Gesetzen der Logik entnommen worden. Man hat gesagt, die Anwendung eines Rechts, das den Bestand der Ehe nicht anerkenne, sei fiktiv und daher sinnlos 2 2 9 . Dieser Gedanke hat u. E. einen falschen Ausgangspunkt. Ein Regelungsrecht ist berufen, nicht weil es selbst für den Fall gelten w i l l , sondern weil w i r es berufen. Sonst könnten w i r oft fremdes Recht nicht anwenden, obwohl unsere Kollisionsnormen es zur Anwendung berufen. Der richtige Ausgangspunkt müßte sein: Warum beruft der Gesetzgeber für die persönlichen Rechts W i r k u n g e n der Ehe dieses oder jenes Recht? W i r d der gesetzgeberische Grundgedanke hinfällig, wenn die Ehe i m Heimatstaat des Ehegatten oder dem sonst i n Frage kommenden Staat nicht besteht? Die A n t w o r t auf diese Ausgangsfrage ist eindeutig „Nein". Das Heimatrecht der Ehegatten w i r d berufen, weil man annimmt, daß es den Ehegatten „am nächsten steht". Es ist ihnen bekannt, sie sind es gewöhnt, sie leben nach ihm. Es beruht auf den sozialen Anschauungen, i n denen sie zu Hause sind. Die bloße Tatsache, daß die Ehe hinkt, ändert an diesen Umständen nichts. 223

Vgl. Kegel Komm. Art. 14 Anm. 4 m. w. Nwen. Jochem FamRZ 1964 S. 396 Ii. Sp. Fn. 39. 225 Kegel IPR S. 259 und Komm. Art. 14 Anm. 4. 226 Jochem FamRZ 1964 S.397 r.Sp.; Beitzke Komm. Art. 14 EGBGB Anm. 2; Makarov RabelsZ 17 (1952) S. 382, 389. 227 Braga M D R 1952 S. 268. 228 Vgl. Bes. Teil Β. I I . 2. 229 Neuhaus GB S. 256. 224



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Besonderer Teil

Es mag sein, daß ein Ausländer, der i n Deutschland eine hinkende, i n Deutschland gültige, i n seinem Heimatstaat ungültige Ehe geschlossen hat, sich auf die Dauer hier niederläßt und damit auch die innere Verbindung zu seinem Heimatrecht verliert. Doch ist es dann nicht die hinkende Ehe als solche, die Zweifel an der Berechtigung des A r t . 14 EGBGB und seiner Rechtswahl aufkommen lassen könnte, sondern der inländische Wohnsitz. I h n zu berücksichtigen, verbietet Art. 14 EGBGB, wenn beide Ehegatten die gleiche Staatsangehörigkeit haben. Anders ist es, wenn es sich, wie meist i n solchen Fällen, um die hinkende Ehe eines Ausländers mit einer Deutschen handelt. Hier liegt der verdeckte K e r n der Streitfrage um die Regelung der persönlichen Rechtswirkungen bei hinkenden Ehen 2 3 0 , und hier w i r d man, mit Jochem 231 , über den gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt zum deutschen Recht gelangen können. Man muß sich aber darüber klar sein, daß es hier nicht u m ein Problem der hinkenden Ehe, sondern um die Rechtswahl bei staatsangehörigkeitsrechtlichen Mischehen geht. I n der Diskussion, die sich i n Deutschland fast ausschließlich um hinkende Zivilehen von Ausländern dreht, erscheint oft noch ein anderes Argument gegen eine Abweichung vom regulären Regelungsrecht: Art. 13 I I I EGBGB, auf dem diese Ehen beruhten, sei ein Einbruch des ordre public i n das reguläre Kollisionsrecht. Dieser Einbruch müsse, dem Wesen des ordre public entsprechend, eng gehalten werden 2 3 2 . Die Prämisse dieses Gedankens ist falsch. Die hinkenden Zivilehen beruhen auf Art. 1112 EGBGB 2 3 3 . Der Stand der Meinungen ist sowohl i n der Literatur als auch i n der Rechtsprechung umstritten. Dabei ist zu beachten, daß ein Teil der Meinungsäußerungen sich nur auf staatsangehörigkeitsrechtliche Mischehen bezieht. Dieser Teil w i r d unten gesondert dargestellt. M i t Bezug auf Ehen, i n denen beide Ehegatten die gleiche Staatsangehörigkeit haben, spricht sich Frankenstein für eine Abweichung vom regulären Regelungsrecht aus 2 3 4 . Er schlägt als Ersatzrecht das Recht des Orts der Eheschließung vor. Eine Ehe, die zwei Griechen i n Deutschland vor dem Standesbeamten geschlossen haben, soll i n allem, also auch i n den persönlichen Rechtswirkungen, dem deutschen Recht un230 231 232 233 234

Darauf weist Jochem FamRZ 1964 S. 397 hin. a.a.O. Vgl. Kegel Komm. Art. 14 Anm. 39. Vgl. Bes. Teil Β. I. a) aa). IPR I I I S. 215.

Β. I I I . Die Regelung der hinkenden Ehe

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terstehen. Denn das deutsche Recht habe die Ehe zustandegebracht. Es handle sich um eine „deutsch-rechtliche Ehe". Frankensteins Ansicht ist allgemein abgelehnt worden. Neuhaus meint, die „unabdingbaren Wirkungen" einer solchen Ehe sollten nicht dem Heimatrecht der Ehegatten, sondern einem Ersatzrecht unterstellt werden 2 3 5 . Seine Begründung überzeugt allerdings nicht. Soweit er auf die Probleme der Scheidung solcher Ehen hinweist, ist damit noch nicht die Abweichung bei den sonstigen unabdingbaren Wirkungen einer solchen Ehe gerechtfertigt. Und wenn er auf den Vorteil der Entscheidungsgleichheit mit dritten Staaten hinweist, dann geht er stillschweigend davon aus, daß auch diese Staaten i n der Regelungsfrage vom regulären Kollisionsrecht abweichen, was noch zu beweisen wäre. Gegen eine generelle Abweichung wendet sich die überwiegende Meinung m i t insbesondere Jochem, Serick, Raape und Kegel 23e. „ A r t . 14 EGBGB beruft nicht die materiellen Eheschließungsnormen einer bestimmten Rechtsordnung, sondern Sachnormen, die die persönlichen Rechtsbeziehungen der Ehegatten regeln; alles andere überhören wir, denn die fremde Rechtsordnung spricht hier ohne gefragt zu sein 2 3 7 ." „Es ist keineswegs widersinnig, wenn man Anfang und Beendigung solcher (seil, hinkender) Ehen dem deutschen Recht, das (materiellrechtliche) Zwischenstadium aber einem ausländischen Recht unterstellt. Dieser ,Widersinn 4 ist doch vom Aufbau unseres geltenden IPR und schon seit Savigny geradezu gefordert, wenn zur Beurteilung des Eingehens, des Inhalts und der Beendigung der Ehe verschiedene Kollisionsnormen m i t jeweils verschiedenen Anknüpfungen zur Verfügung gestellt werden 2 3 8 ." Bei verschiedener Staatsangehörigkeit der Ehegatten haben sich u. a. das BayObLG, das L G Düsseldorf und das L G Wuppertal für eine A b weichung vom regulären Kollisionsrecht ausgesprochen 239 . I n dem Fall des L G Düsseldorf hatten ein katholischer Spanier und eine evangelische Deutsche standesamtlich geheiratet. I m Prozeß ging es um den Namen der Ehefrau. Die anderen Fälle lagen ähnlich. Dagegen hat das OLG Düsseldorf i n einem solchen Fall eine Abweichung abgelehnt 240 . 235

GB S. 256. Jochem FamRZ 1964 S. 395 Ii. Sp.; Serick RabelsZ 21 (1956) S. 237; Raape IPR S. 296; Kegel IPR S. 281 und Komm. Art. 14 Anm. 39. 237 Jochem a.a.O. 238 Jochem a.a.O. 239 BayObLG B. v. 20.4.1955 StAZ 1955 260 (262) = RevCrit 1956 36; L G Düsseldorf M D R 1952 623; L G Wuppertal B. v. 27. 8.1963 StAZ 1964 52. 240 OLG Düsseldorf B. v. 17. 4.1964 StAZ 1965 18. 238

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Besonderer Teil

Kegel hat dem BayObLG vorgeworfen, es habe sich i n seiner Entscheidung um eine Stellungnahme zu dem eigentlichen Problem, nämlich zu der Rechtswahl bei verschiedener Staatsangehörigkeit der Ehegatten, gedrückt 2 4 1 . Der V o r w u r f ist u. E. berechtigt; das Gericht hätte an den Aufenthalt anknüpfen sollen, wäre damit i m Ergebnis allerdings auch zum deutschen Recht gekommen. I n Grenzfällen, i n denen die Bestimmung des Aufenthalts Schwierigkeiten bereitet, mag vielleicht auch die Tatsache, daß die Ehe hinkt und i m Heimatstaat des Ehegatten nicht besteht, zugunsten des deutschen Rechts ins Gewicht fallen. 2. Die Regelung der güterrechtlichen Wirkungen

I m Normalfall unterstehen die güterrechtlichen Wirkungen der Ehe dem Heimatrecht des Mannes bei der Heirat (Art. 15 EGBGB) 2 4 2 . Das gilt auch, wenn die Ehefrau einem anderen Staat angehört als der Ehemann 2 4 8 . Gilt es auch, wenn die Ehe i m Heimatstaat des Mannes nicht besteht? Das ist hier die Regelungsfrage. Güterrechtliche Wirkungen treten, wie die persönlichen Ehewirkungen, nur bei hinkenden Inlandsehen ein. Es geht hier also wieder nur um die Regelung hinkender Inlandsehen, und zwar solcher Ehen, bei denen der Ehemann Ausländer ist und die Ehe i n seinem Heimatstaat nicht besteht. I n diesen Fällen fragt sich: Ist das Heimatrecht des Mannes zur Regelung berufen, obwohl die Ehe dort nicht besteht? Das Argument, die Anwendung, des ausländischen Rechts sei unlogisch, hat hier genausowenig Gewicht wie oben bei den persönlichen Ehewirkungen. Entscheidend ist vielmehr wie dort: Die Gründe, die den Gesetzgeber bewogen haben, die Rechtswahl an die Staatsangehörigkeit des Ehemannes zu knüpfen, werden dadurch allein, daß die Ehe hinkt, nicht berührt. Die Versuche, bei hinkenden Ehen von der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des Mannes abzuweichen, sind nicht gerechtfertigt. I n der Literatur sprechen sich Raape und Kegel gegen jede Abweichung aus 2 4 4 , während Frankenstein wieder — ausgehend von seiner Vorstellung einer „deutschrechtlichen Ehe" — eine Abweichung zugunsten des Rechts des Orts der Eheschließung befürwortet 2 4 5 . 241

IPR S. 281. Kegel Komm. Art. 15 Anm. 1. Kritisch de lege ferenda: Kegel Komm. Art. 15 Anm. 5 a. E. 244 Kegel Komm. Art. 15 Anm. 36 und Art. 14 Anm. 39; I P R S. 386; Raape IPR S. 296. 245 IPR I I I S. 215, 242

243

Β. I I I . Die Regelung der hinkenden Ehe

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3. Eheliche Abstammung und Legitimation

Für die Regelung der ehelichen Abstammung und der Legitimation ist das Heimatrecht des Ehemannes bzw. des Vaters berufen (Art. 18 und 22 I EGBGB, die zu allseitigen Kollisionsnormen ausgeweitet werden). Rein nach den behaupteten Forderungen der Logik müßte man auch hier vom regulären Kollisionsrecht abweichen, wenn der Heimatstaat des Ehemannes oder Vaters die Ehe nicht anerkennt. Diese A n sicht w i r d jedoch nirgends vertreten, nicht einmal von Frankenstein, der sonst i n dieser Hinsicht am weitesten geht 2 4 6 . Die allgemeine Meinung ist vielmehr, daß keine Abweichung stattfindet 2 4 7 . Das ist ein Beweis mehr, daß es bei der Regelungsfrage nicht um die Logik, sondern um die sachliche Berechtigung der regulären Anknüpfung geht. 4. Die Regelung der Namensfolgen

Regulär ist das Recht berufen, das die persönlichen Rechtsverhältnisse der Ehegatten regelt 2 4 8 . Bei hinkenden Ehen ist hier eine Abweichung ebenso wenig geboten wie bei der Regelung der persönlichen Rechtsverhältnisse der Ehegatten i m übrigen 2 4 9 . Dagegen ist es der Erwägung wert, ob man nicht bei staatsangehörigkeitsrechtlichen Mischehen an den gewöhnlichen Aufenthalt statt an die Staatsangehörigkeit des Mannes anknüpfen soll. Das würde sich natürlich auch auf hinkende staatsangehörigkeitsrechtliche Mischehen auswirken. Da die Mehrzahl der hinkenden Inlandsehen staatsangehörigkeitsrechtliche Mischehen sind, liegt hier der sachliche Kern der Diskussion um die Regelungsfrage bei hinkenden Ehen. Das OLG Düsseldorf hat die Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt statt an den Heimatstaat des Mannes abgelehnt 2 5 0 . Eine Stellungnahme zu dem Problem liegt außerhalb des Rahmens dieser Arbeit. 5. Die Regelung der Scheidung

Art. 17 EGBGB beruft zur Regelung der Ehescheidung je nach Fallage eines oder mehrere Rechte, die w i r i m folgenden das oder die Schei24β 247

I P R

XV

s


Raape IPR S.296; Kegel Komm. Art. 22 Anm. 21 und IPR S.307; Schwind FS Wilburg S. 166; Wengler RevCrit 1956 S. 83; O L G Hamm B. v. 18. 9.1954 StAZ 1956 62 (Legitimation — span. Vater); L G Berlin West U. v. 12.9.1955 RevCrit 1956 83 (Legitimation — Vater iran. Staatsangeh. der armenisch-gregorianischen Konfession); BayObLG B. v. 8.10.1963 BayObLG Ζ 1963 265 (Ehel. Abstammung — griechischer Vater). 248 Kegel Komm. Art. 14 Anm. 25. 249 Vgl. Bes. Teil B. I I I . 1. 250 Β. V. 17. 4. 1964 StAZ 1965 18.

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Besonderer Teil

dungsrechte nennen wollen. H i n k t eine Ehe, dann fragt sich: Kann das an sich berufene Recht auch dann angewendet werden, wenn die Ehe i n dem betreffenden Staat nicht besteht? Diese Frage ist sehr umstritten. a) Die Fälle Scheidungsfeindlichen

Scheidungsrechts

Entzündet hat sich die Diskussion an den hinkenden Ehen, die nach dem Heimatrecht eines oder beider Ehegatten nicht bestehen, nach eben diesem Recht aber, wenn sie bestünden, überhaupt nicht oder nur schwer, erheblich schwerer als nach den Regeln des Forums, scheidbar wären 2 5 1 . Beispiele sind die hinkenden Inlandsehen der katholischen, spanischen oder italienischen Gastarbeiter, die i n Deutschland oder Frankreich nur standesamtlich geheiratet haben bzw. — bei Italienern — nach hinkender Scheidung wieder geheiratet haben, sofern die zweite Ehe i n Italien für nichtig erklärt worden ist. Für die Scheidung eines hinkend, i n Deutschland wirksam verheirateten Italieners oder Spaniers ist regulär das italienische oder spanische Recht berufen. Danach sind die Ehen jedoch nicht scheidbar. Wendet man also das regulär berufene Recht an, dann ist eine Ehe, die i m scheidungsfeindlichen Staat überhaupt nicht besteht, nicht scheidbar. Der Italiener oder Spanier ist dann für Deutschland zeitlebens i n einer Ehe gebunden, für Italien oder Spanien dagegen frei. Bei diesem Ergebnis stehenbleiben, hieße wirklich, i n die Grube fallen, die w i r uns selbst gegraben haben, wie Raape treffend sagt 252 . Kegel formuliert: W i r dürfen nicht päpstlicher sein als der Papst 2 5 3 . Daher die Folgerung: Wenn eine Ehe i n einem scheidungsfeindlichen Staat nicht besteht, kann das Scheidungsrecht dieses Staates durch das deutsche IPR nicht zur Regelung der Scheidung berufen sein. Es muß ein Ersatzrecht an seiner Stelle berufen werden. Für die Auswahl des Ersatzrechts werden alle nur i n Frage kommenden Staaten vorgeschlagen: das Heimatrecht des anderen Ehegatten, das Wohnsitzoder Aufenthaltsrecht, das Recht des Eheschließungsortes und sogar das Forumrecht. Von ihnen ist das Recht des Eheschließungsortes zu zufäll i g bestimmt. Außerdem ist es entgegen dem Grundsatz des A r t . 17 I EGBGB nicht wandelbar. Es steht von Anfang an für immer fest. Das Heimatrecht des anderen Ehegatten bietet nur dann einen Ausweg, wenn dieser einem anderen Staat angehört und wenn das Recht dieses Staates nicht selbst scheidungsfeindlich ist. Das Forumrecht ist als zur 251 Einen Überblick über die scheidungsfeindlichen Staaten geben wir unten bei C. I. 1. a). 252 IPR S. 298. 253 Komm. Art. 17 Anm. 22.

Β. I I I . Die Regelung der hinkenden Ehe

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Sache völlig beziehungslos ganz und gar ausgeschlossen. A m besten ist daher die Anknüpfung an den Aufenthalt und zwar i n der Reihenfolge, die schon oben für die persönlichen Rechtsverhältnisse der Ehegatten bei staatsangehörigkeitsrechtlichen Mischehen genannt wurde: 1. gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt, 2. letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt, solange ein Ehegatte ihn beibehält, 3. und 4. schlichter Aufenthalt ebenso. Nur an letzter Stelle, wenn alle Stricke reißen, sollte auf das Recht des Eheschließungsortes zurückgegriffen werden. Es ist allgemeine Meinung, daß in den hier beschriebenen Fällen das scheidungsfeindliche Heimatrecht ausgeschlossen werden muß 2 5 4 . Welches Recht als Ersatz einspringt, ist umstritten 2 5 5 . Für das Recht des Eheschließungsortes treten Frankenstein und Gamillscheg, anscheinend auch Kegel ein 2 5 6 . Wie w i r für das Recht des Aufenthaltsortes und nur hilfsweise für das Recht des Eheschließungsortes spricht sich Neuhaus aus 2 5 7 . Maßfeller meint, man solle die Scheidung aus den Gründen zulassen, die nach dem scheidungsfeindlichen Heimatrecht die Trennung von Tisch und Bett rechtfertigen 258 . Die Rechtsprechung nimmt zu dem hier behandelten Problem nicht Stellung, da sie, wie unten ausgeführt wird, generell bei hinkenden Ehen eine Abweichung vom regulären Scheidungsrecht befürwortet, wenn die Ehe i n dem betreffenden Staat nicht besteht. b) Die sonstigen Fälle Ist der ausländische Heimatstaat, der regulär das Scheidungsrecht stellen würde, der die Ehe aber nicht anerkennt, nicht scheidungsfeindlich gesinnt, dann besteht von der Sache her kein Grund, ihn auszuschließen und vom regulären Kollisionsrecht abzuweichen. Es t r i f f t nicht zu, daß die Anwendung seines Rechts dann unlogisch wäre oder nur zur Auflösung eines Scheines, keiner wirklichen Ehe führen würde 2 5 9 . Merkwürdigerweise w i r d das Argument der Unlogik i m Zusammenhang mit der Scheidung besonders häufig verwendet, viel häu254 Kegel IPR S. 293 und Komm. Art. 17 Anm. 22 und Art. 14 Anm. 39; Neuhaus GB S. 256; Raape IPR S. 298; Lauterbach Komm. Art. 17 Anm. 4b; Marquordt Komm. Art. 17 Anm. 15b; Lewald IPR S. l l l f . ; Ferid JR 1955 S. 62; Gamillscheg FS Celle S. 65; Schöndorf Jher. Jb. 75 (1925) S. 73 ff. 255 Die meisten Stimmen lassen allerdings nicht erkennen, in welcher Qualität in ihren Beispielen das deutsche Recht als Ersatz berufen wurde. 256 Frankenstein IPR I I I S. 425 f.; Gamillscheg FS Celle S. 66; Kegel IPR S. 293. 257 GB S. 256. 258 JW 1936 S. 2466 unter I I I . 259 So aber Schöndorf a.a.O. S. 75.

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Besonderer Teil

figer als etwa i m Zusammenhang m i t der Regelung der persönlichen Rechtsverhältnisse der Ehegatten. Ginge es nur um die Logik, so dürfte das nicht sein. I n Wahrheit steckt dahinter wohl die bekannte Erscheinung des Heimwärtsstrebens, die i m Scheidungsrecht besonders stark ist. I n der Literatur sind die sonstigen Fälle, also die, bei denen das reguläre Scheidungsrecht nicht scheidungsfeindlich ist, umstritten. Ein Teil der Literatur begrenzt die Abweichung auf die oben dargestellten Fälle scheidungsfeindlicher Heimatrechte und lehnt eine Abweichung i m übrigen ab 2 * 0 . Die überwiegende Meinung geht jedoch dahin, daß bei hinkenden Ehen eine allgemeine Abweichung vom Recht des Staates geboten sei, der die Ehe nicht anerkenne 281 . Die Rechtsprechung steht durchweg auf diesem Standpunkt 2 8 2 .

6. Die Regelung der Nichtigerklärung hinkender Ehen

Die Voraussetzungen und Folgen einer Nichtigerklärung bestimmt regulär das Recht, das angeblich verletzt ist, d. h. das Heimatrecht jedes Ehegatten. Schließen also zwei Griechen i n Deutschland eine Ehe und klagt anschließend der Ehemann auf Nichtigerklärung der Ehe, dann legt das griechische Recht die Voraussetzungen fest, unter denen die Ehe für nichtig erklärt werden kann, sowie die Folgen der Nichtigerklärung. Gilt das auch, wenn die Ehe i n Griechenland nicht besteht? Ist das griechische Recht z. B. auch berufen, wenn die Eheleute i n Deutschland nur standesamtlich geheiratet haben? Die A n t w o r t ist „Ja". Das Recht, an dem gemessen wurde, ob die Ehe geschlossen werden durfte, bestimmt nach der Eheschließung auch, ob es verletzt worden ist. Es wäre widersprüchlich und durch keinen i n der Sache liegenden Grund gerechtfertigt, vor der Eheschließung am Maßstab des einen Rechts zu messen und nachher die geschlossene Ehe am Maßstab eines anderen Rechts für nichtig zu erklären 2 8 3 . 280 Raape IPR S. 246, 296, 297 m. w. Nwen.; Kegel IPR S. 293 u. Komm. Art. 17 Anm. 22; Wolff Clunet 64 (1937) S. 825 (Wolff weist zusätzlich auf sonst gegebene Umgehungsmöglichkeiten hin). 261 Schöndorf a.a.O.; Frankenstein I P R I I I S. 425 f. und I S. 233 Fn. 189; Lewald IPR S. 111; Bergmann StAZ 1934 442; Neumayer M D R 1951 S. 298; Ferid JR 1955 62 (mit Hinweisen auf gleichlaut. Auffassungen in ausi. Rechten); Neuhaus GB S. 256; Lagarde S. 480; Lauterbach Komm. Art. 17 Anm. 4b; Beitzke Komm. Art. 17 Anm. 11. 262 Nachweise bei Kegel Komm. Art. 17 Anm. 22 Fn. 23. 283 Darauf hat als erster Raape hingewiesen. Raape I P R S. 296.

Β. I I . Die R e g e n

hinkende Ehe

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7. Zusammenfassung

Die Auswahl des Regelungsrechts erfolgt bei den hinkenden Ehen nach denselben Regeln wie bei den allseits gültigen Ehen. Logische Gründe gebieten keine Abweichung. Wenn jedoch eine Ehe i n einem scheidungsfeindlichen Staat nicht besteht, dann kann das Recht dieses Staates nicht zur Regelung der Scheidung berufen sein.

C. Das Rechtsverhältnis der hinkenden Scheidung I m Grunde besteht jedes hinkende Rechtsverhältnis aus zwei entgegengesetzten hinkenden Rechtsverhältnissen. Das klingt paradox, w i r d aber durch Beispiele ohne weiteres bestätigt. Beispiele: Ein hinkend geschiedener Ehemann lebt i n einer hinkend fortbestehenden Ehe und zugleich i n einer hinkenden Scheidung. Wer eine hinkende Ehe geschlossen hat, lebt zugleich i n einer hinkenden Ehe und i n hinkender Ledigkeit. Wer durch eine hinkende Forderung gebunden ist, ist zugleich hinkender Schuldner und hinkend frei von Verpflichtungen. Das zweite Rechtsverhältnis ist immer gleichsam die Kehrseite der Medaille. I m allgemeinen fällt die Kehrseite der hinkenden Rechtsverhältnisse nicht auf, weil sie sich i n der bloßen Negation einer Rechtsbeziehung erschöpft. Anders bei der hinkenden Scheidung. Wer geschieden ist, steht nicht gleich einem Nicht-verheirateten. Die aufgelöste Ehe hat eine ganze Reihe von Nachwirkungen, die ihn m i t seinem vormaligen Ehegatten, dessen Familie und u. U. auch dritten Personen verbinden, manchmal auch rechtlich von ihnen trennen. Die Gesamtheit dieser Rechtsbeziehungen, zusammen mit der i m übrigen durch die Scheidung geschaffenen Rechtsstellung eines Ledigen, bildet die hinkende Scheidung. Sie stellt also ein eigenes Rechtsverhältnis dar. Der Ausdruck „hinkende Scheidung" für dieses Rechtsverhältnis befriedigt nicht ganz, weil Scheidung zugleich den Vorgang bezeichnet, der die Ehe auflöst. Doch steht ein besserer nicht zur Verfügung. Der Ausdruck Neumayers „gespaltene Ehe" bezeichnet zu sehr auch die Kehrseite, die hinkend fortbestehende Ehe 1 . I m übrigen kann man die Doppeldeutigkeit des Begriffs um so eher i n Kauf nehmen, als auch in anderen Rechtsgebieten oft Vorgang und Rechtsverhältnis mit demselben Wort bezeichnet werden; man denke z. B. an die Begriffe Kauf, Miete und Leihe. Bei der Betrachtung der hinkenden Scheidung und ihrer Einzelfragen w i r d sich eine ganze Reihe ähnlicher Probleme ergeben wie bei der hinkenden Ehe, einfach auf Grund der Tatsache, daß die Kehrseite der hinkenden Scheidung eine hinkend fortbestehende Ehe ist. I m Ganzen haben die Probleme jedoch ein eigenes Gesicht. Der Unterschied zur 1 Neumayer RabelsZ 20 (1955) S. 66 ff. I n den USA spricht man von „divised divorce". Den Ausdruck „hinkende Scheidung" für den Vorgang verwendet z. B. Kegel IPR S. 297.

C. I. Die Entstehung hinkender Scheidungen

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hinkenden Ehe beruht vor allem darauf, daß hinkend Verheiratete in einer Ehe leben, während die hinkend Geschiedenen, obwohl rechtlich noch verheiratet, außerhalb dieser Ehe stehen. I. Die Entstehung hinkender Scheidungen A n Konflikten um eine Scheidung, d. h. an einer hinkenden Scheidung, können folgende Staaten beteiligt 2 sein: der Scheidungsstaat, d. h. der Staat, i n dem die Scheidung stattfindet, die Personalstaaten der Ehegatten, d. h. ihre Heimat- und Wohnsitzstaaten, dazu ihre Aufenthaltsstaaten, und schließlich das Forum. Die Aufenthaltsstaaten greifen selten als solche, sondern meist nur auf Grund einer zusätzlichen Qualität, z. B. Personalstaat, i n einen Konflikt ein. Sie werden daher i m folgenden vernachlässigt. Zwischen den übrigen Staaten können Konflikte verschiedenster Art entstehen. I n der Regel liegt der Konflikt so, daß die Scheidung i m Scheidungsstaat wirksam, i n einem Personalstaat dagegen unwirksam ist. Es kann jedoch auch vorkommen, daß die Scheidung i m Scheidungsstaat unwirksam und i m Personalstaat w i r k sam ist, z. B. die Verstoßung einer deutschen Frau durch ihren irakischen Ehemann, die i n Deutschland ausgesprochen wird. Wenn an einer Scheidung mehrere Staaten als Personalstaaten beteiligt sind (auf Grund einer Kollision von Heimat- und Wohnsitzstaat, bei staatsangehörigkeitsrechtlichen Mischehen, bei Mehrstaatern, bei Wohnsitzverschiedenheit von Mann und Frau usw.), können sich auch Konflikte zwischen diesen Staaten ergeben. Die Konflikte können ganz verschiedene Ursachen haben. W i r wollen versuchen, sie etwas zu klassifizieren. Vorweg allerdings ist eine U r sache zu erwähnen, die sich der Einordnung entzieht, weil sie mit Rechtswissenschaft nichts zu t u n hat: das ist die auf I r r t u m über Tatsachen und über Rechtsfragen beruhende falsche Rechtsanwendung. I r r tümer über die Staatsangehörigkeit der Ehegatten, über das anzuwendende Kollisions- und Sachrecht und über die Umstände des einzelnen Falles führen oft, werden sie nachträglich aufgeklärt, zur Nichtanerkennung einer Scheidung und damit zur hinkenden Scheidung. Diese Fehlerquelle gehört, obwohl von großer praktischer Bedeutung, nicht zu den Sorgen der Gesetzgeber und Gesetzesinterpreten, sondern zu denen der Juristenausbilder und der internationalprivatrechtlichen Dokumentationsdienste. Die uns hier interessierenden Konflikte entstehen aus der vorgegebenen Verschiedenheit der einzelnen Rechtsordnungen. Allgemein lassen 2 A n einem Fall beteiligt sind vor allem seine Schwerpunktstaaten, vgl. Einl. V., dazu auch das Forum.

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Besonderer Teil

sich zwei große Gruppen unterscheiden: Konflikte wegen genereller Nichtanerkennung von Scheidungen und Konflikte wegen unterschiedlicher Regelungen von Einzelfragen bei grundsätzlicher Bereitschaft zur Anerkennung. Die Konflikte wegen genereller Nichtanerkennung bezeichnen w i r m i t dem Ausdruck „Abwehrkonflikte". Sie beruhen auf einer Abwehrhaltung, die auf die Umstände der einzelnen Scheidungen kein Gewicht legt, sondern i n Bausch und Bogen verwirft. I m einzelnen zeigen sich drei A r t e n von Abwehrregeln: 1. allgemeine Scheidungsfeindlichkeit i m eigenen Eherecht, 2. der Anspruch auf ausschließliche Zuständigkeit i n Scheidungssachen und 3. das Erfordernis der Gegenseitigkeit als Voraussetzung jeder Anerkennung. Die Konflikte der zweiten Gruppe, wegen unterschiedlicher Regelungen i m einzelnen bei grundsätzlicher Bereitschaft zur Anerkennung, wollen w i r m i t dem Ausdruck „Regelungskonflikte" kennzeichnen. Solche Konflikte entstehen, wenn die Anforderungen für die Zulassung der Scheidung i m Scheidungsstaat zurückbleiben hinter den Voraussetzungen für die Anerkennung i m Anerkennungsstaat. Da solche Staaten, mit denen die Ehegatten weder durch Staatsangehörigkeit noch durch Wohnsitz verbunden sind, i n der Regel für sie keine eigenen Anerkennungsvoraussetzungen aufstellen, sondern sich der Entscheidung eines näherberechtigten Staates für die Anerkennung anschließen, können w i r Anerkennungsstaat auch gleichsetzen m i t Personalstaat. I n ihrem K e r n beziehen sich die Regelungen der Scheidungsstaaten über die Zulassung der Scheidung und die der Anerkennungsstaaten über die Anerkennung, soweit sie einen Regelungs-, nicht einen A b wehrzweck haben, alle auf einen der vier folgenden Punkte: (α) auf die Beziehung des Scheidungsstaates zum Scheidungsfall, die sein Eingreifen i n den Fall rechtfertigt, (ß) auf das scheidende Organ, (γ) auf die Gründe der Scheidung und (5) auf die faire Ausgestaltung des Verfahrens. Zu (α): Der Scheidungsstaat fordert eine bestimmte Beziehung des Falles zum Forum, sonst erklärt er sich für international nicht zuständig. Der Anerkennungsstaat fordert das gleiche, sonst spricht er dem Scheidungsstaat die internationale Zuständigkeit 3 ab. Z u (ß): Der Scheidungsstaat legt fest, daß die Scheidung durch ein bestimmtes Organ zu geschehen habe, ein staatliches Gericht, eine Behörde, ein geistliches Gericht, u. U. durch das Parlament, oder auch durch die Ehegatten selbst. Der Anerkennungsstaat fordert, daß die Scheidung i m Scheidungsstaat durch ein Organ geschehen sei, das nach seiner Auffassung vom Wesen der Ehe scheiden dürfe, und lehnt die 3

I m Sinne des französischen Terminus „compétence indirecte".

C. I. Die Entstehung hinkender Scheidungen

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Anerkennung von Scheidungen durch andere Organe, insbes. durch die Ehegatten selbst, ab. Zu (γ): Der Scheidungsstaat scheidet i n der Kegel nur, wenn bestimmte Gründe vorliegen, und der Anerkennungsstaat überprüft die Scheidung i m allgemeinen auch inhaltlich, mehr oder weniger weitgehend, ehe er sie anerkennt. Zu (8): Der Scheidungsstaat regelt schließlich das Verfahren meistens i m Sinne eines „fair trial" und der Anerkennungsstaat macht davon meistens auch die Anerkennung abhängig. Die meisten Rechte haben für die Scheidungen, für die ihre komplexen Anerkennungsvoraussetzungen eingreifen, ein förmliches Verfahren bereitgestellt, i n dem die Anerkennungsvoraussetzungen nachgeprüft werden. Ehe dieses Verfahren durchgeführt ist, kann sich i m Inland niemand auf das ausländische Scheidungsurteil berufen. I n Deutschland ist das Verfahren i n A r t . 7 § 1 FamRÄndG niedergelegt. Ob es auch für Privatscheidungen gilt, ist umstritten; nach überwiegender Meinung gilt es für sie nicht 4 .

1. Die Abwehrkonflikte

Sie beruhen, wie oben ausgeführt, auf der generellen Abwehr ausländischer Scheidungen durch den Anerkennungsstaat, ohne Rücksicht auf die Umstände der einzelnen Scheidung. a) Konflikte

mit scheidungsfeindlichen

Staaten

Eine Reihe von Staaten betrachten, unter dem Einfluß des kanonischen Rechts, die Ehe als unauflöslich; einige von ihnen schränken das Prinzip auf Katholiken ein, andere wenden es allgemein an. Ein generelles Scheidungsverbot kennen Italien, Spanien, Irland, Andorra, San Marino, Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien und die Philippinen 5 , dazu Paraguay 6 . Das Scheidungsverbot t r i f f t regelmäßig Inländer und Ausländer 7 . Liechtenstein, Portugal und die Dominikanische Republik haben ihr Scheidungsverbot auf die kanonisch geschlossenen Ehen von Katholiken beschränkt 8 . 4 5 8 7 8

Nachweise bei Kleinrahm S. 15—18. Vgl. Dölle I S. 480 f. Vgl. Bergmann - Ferid „Paraguay" I I I A 3. Rabel I S. 463. Dölle I S. 481; Bergmann - Ferid „Dominikan. Republik" I I I A 3.

1

Besonderer Teil

Auch die Rechte der meisten mohammedanischen Staaten sind hier zu nennen, weil sie die Ehen der Christen dem religiösen Recht der betreffenden Konfession unterstellen 9 . Aus dem Scheidungsverbot entwickeln die genannten Staaten die Regel, daß ausländische Ehescheidungen, die entgegen dem Verbot ausgesprochen wurden, nicht anerkannt werden können. Diese Regel gilt ohne Rücksicht auf den Scheidungsstaat und darauf, wie er seine internationale Zuständigkeit begründet, ob er das Verfahren gesetzmäßig ausgestaltet hat und ob er wirklich schwerwiegende Scheidungsgründe zugrundegelegt hat. Der Anwendungsbereich dieser Abwehrregel ist unterschiedlich. I m allgemeinen verweigern die scheidungsfeindlichen Staaten die Anerkennung nur, wenn es um einen ihrer eigenen Staatsangehörigen geht, nehmen dabei allerdings auf die Religion oder Konfession oder auf den Ort der Eheschließung keine Rücksicht. Mag ein Spanier auch Protestant sein und i n Deutschland eine Protestantin nur standesamtlich geheiratet haben, das Scheidungsurteil über diese Ehe w i r d i n Spanien nicht anerkannt 1 0 . Auch Frankreich urteilte so für seine Staatsangehörigen, bevor es 1884 die Ehescheidung wieder einführte 1 1 . Scheidungsurteile für Ausländer wurden dagegen anerkannt 1 2 . Einen Schritt darüber hinaus i n der Anwendung ihrer Abwehrregel gehen Italien und Spanien. Sie erkennen auch Scheidungen von Ausländern nicht an, wenn die Ausländer eine kanonische Ehe geschlossen hatten; auf den Ort der Eheschließung kommt es dabei nicht an 1 3 . Für Italien ist dabei allerdings zu beachten, daß eine kanonisch i m Ausland geschlossene Ehe, sofern sie nicht kraft Ortsrechts gültig ist, i n Italien nur Wirksamkeit erlangt, wenn sie i n das Zivilstandsregister überschrieben wird. Ist das nicht geschehen, dann bedarf es weder einer Scheidung noch der Anerkennung einer ausländischen Scheidung. Die Ehe besteht i n Italien nicht. I m Verhältnis zu Deutschland gilt außerdem das deutsch-italienische Abkommen über die Anerkennung und Vollstrekkung gerichtlicher Entscheidungen i n Zivilsachen vom 9. März 193614. Aus i h m ergibt sich, daß eine Anerkennung der Scheidung auch bei kanonischen Ehen möglich ist, wenn keine Inlandsbeziehung zum ita9

Dölle I S. 481. Vgl. Rabel I S. 535 (allgemein) und S. 540 Fn. 187 (Spanien); Bergmann Ferid „Chile", „Columbien", „Paraguay", „Spanien", jeweils unter I I I A 3; Simson JZ 1957 S. 295 (bes. Chile, Italien) und S. 296 (Paraguay, Spanien); Tavolaro FamRZ 1965 S. 299 Ii. Sp. (Italien); für Irland vgl. Art. 41 See. 3 Absatz 3 der Verfassung; für Liechtenstein vgl. § 111 ABGB. 11 Rabel I S. 535. 12 Rabel I S. 540 Fn. 18 und Francescakis DuF S. 562. 13 Für Italien vgl. Tavolaro a.a.O.; für Spanien vgl. Bergmann - Ferid „Spanien" I I I A 3; R. Lüderitz FamRZ 1966 S. 288; Rabel I S. 540 und Fn. 187. 14 RGBl 1937 I I 145. 10

C. I. Die Entstehung hinkender Scheidungen

1

lienischen Rechtsbereich mehr bestand. Die Scheidung von Konkordatsehen, die Deutsche i n Italien geschlossen haben, ist also meistens anerkennungsfähig, weil sie meistens mangels Inlandsbeziehung zu Italien nicht mehr gegen den italienischen ordre public verstößt 15 . W i r d eine Zivilehe, die Deutsche i n Italien oder i n Spanien geschlossen haben, geschieden, dann ist eine Anerkennung in Italien und Spanien möglich 16 . Eine Sonderstellung unter den scheidungsfeindlichen Staaten nimmt Argentinien ein. Es verweigert die Anerkennung einer Scheidung, wenn die Ehe i n Argentinien geschlossen worden war. A u f die Staatsangehörigkeit und den Wohnsitz kommt es dabei nicht an 1 7 . Dagegen kommt es bei der Scheidung von Ehen, die i m Ausland geschlossen wurden, auf den Wohnsitz an. Hatten die Ehegatten ihren Wohnsitz zur Zeit der Scheidung oder ihren letzten ehelichen Wohnsitz i n Argentinien, kann die Scheidung nicht anerkannt werden; ebenso nicht, wenn sie ihren Wohnsitz zur Zeit der Scheidung i m Ausland, zur Zeit der Eheschließung — die i m Ausland geschah — aber i n Argentinien hatten 1 8 . Liberaler als der Durchschnitt der scheidungsfeindlichen Staaten ist Brasilien. Es verweigert zwar die Anerkennung, wenn beide Ehegatten Brasilianer sind, gewährt aber eine beschränkte Anerkennung für den ausländischen Ehegatten, wenn nur ein Ehegatte Brasilianer ist. A l l e r dings darf auch der ausländische Ehegatte nicht i n Brasilien wiederheiraten; heiratet er i m Ausland wieder, ist die Ehe i n Brasilien gleichwohl gültig. Sind beide Ehegatten Ausländer, dann w i r d die Anerkennung allgemein gewährt; allerdings ist auch dann zumindest streitig, ob sie i n Brasilien wiederheiraten dürfen 1 9 . Überraschend liberal war früher, als es noch zu den scheidungsfeindlichen Staaten gehörte, Österreich. Österreich kannte ein allgemeines Scheidungsverbot für Katholiken bis 1938. Wenn ein Ehegatte Ausländer war, wurde die Scheidung jedoch anerkannt, und zwar mit ehebefreiender Wirkung nicht nur für den Ausländer, sondern auch für den katholischen Österreicher 20 . 15

Vgl. Böhmer StAZ 1965 S. 203 r. Sp. Nwe. bei Jayme StAZ 1965 S. 147 Fn. 35 2. Abs. Trotzdem können bei der Wiederheirat Probleme auftreten. Vgl. R. Lüderitz FamRZ 1966 S. 288 r. Sp. 17 Art. 7 EheG; vgl. Rabel I S. 537 und S. 464 Fn. 178; Bergmann - Ferid „Argentinien" Fn. 2 zu Art. 7 EheG und I I I A 3. 18 Bergmann - Ferid a.a.O. 19 Vgl. Art. 7 § 6 des Einführungsgesetzes zum Codigo Civil vom 4. 9.1942; vgl. auch Rabel I S. 536 Fn. 160 und neuestens J. Samtleben RabelsZ 30 (1966) S. 459 ff. 20 Vgl. Rabel I S. 536 f. 16

8 Dorenberg

Besonderer Teil

1

Würden die scheidungsfreundlichen Staaten sich jeder Scheidung enthalten, die i m Heimatstaat des Ehegatten auf eine generelle Ablehnung stößt, dann käme es nicht zu Konflikten mit den scheidungsfeindlichen Staaten. Die Scheidungsstaaten nehmen aber meist nur i n sehr beschränktem Umfang Rücksicht auf die Anerkennungsfähigkeit ihrer U r teile i m Ausland. Daher kommt es sehr häufig zu hinkenden Scheidungen, die i n einem scheidungsfeindlichen Staat nicht anerkannt werden. I n Deutschland sind die Zuständigkeitsregel des § 606 b Nr. 1 ZPO und die Kollisionsregel des Art. 17 I und I I I EGBGB von gewisser Bedeutung für die Vermeidung solcher Scheidungen. Praktisch, das ist die Folge dieser Bestimmungen, w i r d auf ein scheidungsfeindliches Heimatrecht eines Ehegatten Rücksicht genommen, wenn der Ehemann diesem Staat angehört und die Ehefrau nicht Deutsche ist. b) Konflikte

wegen ausschließlicher internationaler

Zuständigkeit

Die Rechte vieler Staaten enthalten die Bestimmung, daß die innerstaatlichen Gerichte oder Behörden zur Scheidung der eigenen Staatsangehörigen ausschließlich zuständig sein sollen. Diese Regeln sind i n Wahrheit keine Zuständigkeits-, sondern verkappte Anerkennungsregeln, deren Zweck es ist, ausländischen Scheidungen eigener Staatsangehöriger generell die Anerkennung zu verweigern. Der Sinn der ausschließlichen Zuständigkeit ist negativ: Kein anderer Staat soll zuständig sein, oder — noch genauer —: Ausländische Scheidungsurteile über die eigenen Staatsangehörigen werden nicht anerkannt. Das Recht von Peru gebraucht überhaupt nicht mehr den Begriff der Zuständigkeit, um diese Regel zu formulieren, sondern setzt unumwunden fest: Entscheidungen eines ausländischen Gerichts über den Personenstand (condición civil) u. a. eines Peruaners haben i n Peru keine Wirksamkeit 2 1 . Regeln dieser A r t führen, w i r d ein Angehöriger eines solchen Staates i m Ausland doch geschieden, zu einer hinkenden Scheidung. I n gewissem Umfang nehmen die Scheidungsstaaten allerdings auf die Anerkennungsfähigkeit und damit auch auf solche Klauseln Rücksicht und vermeiden damit die drohenden hinkenden Scheidungen. I n Deutschland ist wieder auf § 606 b Nr. 1 ZPO zu verweisen. Der Wirkungsbereich der Regeln über die ausschließliche Zuständigkeit ist unterschiedlich. I n der Regel beschränkt er sich auf die Scheidungen eigener Staatsangehöriger. So verfahren u. a. die Sowjetunion 2 2 , 21 22

Art. 1158 Cc. Simson JZ 1957 S. 296 r. Sp.; Bergmann - Ferid „UdSSR" I I I A 3.

C. I. Die Entstehung hinkender Scheidungen

115

Ungarn 2 3 , Polen 24 , die Türkei 2 5 , Peru 2 0 und Frankreich 2 7 . Auch Deutschland scheint auf den ersten Blick hierher zu gehören. Denn für Scheidungen Deutscher begründet § 606 ZPO die ausschließliche Zuständigkeit Deutschlands, so daß eigentlich Auslandsscheidungen Deutscher generell nicht anerkannt werden dürften. A u f diesem harten Standpunkt steht das deutsche Recht aber nicht. § 606 ZPO w i r d nur angewendet, wenn keiner der Fälle des § 606 a ZPO vorliegt, d. h. wenn der Kläger allein die Anerkennung beansprucht (§ 606 a Nr. 3 ist nicht gegeben), wenn der Beklagte Deutscher ist (§ 606 a Nr. 1 ZPO ist nicht gegeben), und wenn weiter der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt i n Deutschland hat und der letzte gemeinsame gewöhnliche A u f enthalt der Ehegatten i n Deutschland lag (§ 606 a Nr. 2 ZPO ist nicht gegeben). Es w i r d selten vorkommen, daß diese drei Bedingungen erfüllt sind und trotzdem der Kläger i m Ausland geklagt und eine Scheidung e r w i r k t hat. Denkbar ist es i n Fällen, i n denen der ausländische Ehegatte eines Deutschen den Deutschen gegen dessen Willen verlassen hat, i n seinen Heimatstaat zurückgekehrt ist und dort eine Scheidung erwirkt hat. England und Argentinien knüpfen den Anspruch auf das Scheidungsmonopol, der hinter der Regel über die ausschließliche Zuständigkeit steht, nicht an die Staatsangehörigkeit der Ehegatten, sondern an das eheliche domicile 2 8 . Österreich setzt ähnlich wie Deutschland österreichische Staatsangehörigkeit der Ehegatten und österreichischen ehelichen Wohnsitz voraus 29 , ebenso die Schweiz 30 . I m Verhältnis der Schweiz zu Deutschland gilt allerdings ein besonderes Abkommen 3 1 . Jugoslawien verwehrt ausländischen Scheidungen die Anerkennung, wenn die Ehe i n Jugoslawien geschlossen wurde und die Ehegatten i n Jugoslawien ihren letzten gemeinsamen Wohnsitz hatten 3 2 . 23

Simson a.a.O. Simson JZ 1957 S. 297 Ii. Sp. Fn. 22; Bergmann - Ferid „Polen" I I I A 3. 25 Art. 18 und 540 Ziff. 4 der ZPO; vgl. Bergmann - Ferid „Türkei" I I I A 3. 28 Vgl. Fn. 1. 27 Art. 14 und 15 Cc. — Die darauf beruhende ausschließliche Zuständigkeit Frankreichs kann allerdings durch Verzicht aufgehoben werden. Vgl. Fran cescakis DuF S. 503 f. und Bergmann - Ferid „Frankreich" S. 16. 28 Vgl. Rabel I S. 531; Art. 7 und 104 des argent. EheG sowie Fn. 2 zu Art. 7 argent. EheG bei Bergmann - Ferid „Argentinien". 29 Bergmann - Ferid „Österreich" I I I A 3 und Simson JZ 1957 S. 297 f. 30 Simson a.a.O. 31 Abgedruckt bei Bergmann - Ferid „Schweiz" I I I A 3. 32 Simson JZ 1957 S. 298. 24

8*

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Besonderer Teil

c) Konflikte

wegen des Erfordernisses

der Gegenseitigkeit

Leider ziemlich weitverbreitet ist die unerfreuliche Regel, daß ausländische Scheidungsurteile nur anerkannt werden, wenn i m Verhältnis zum Scheidungsstaat Gegenseitigkeit verbürgt ist. Gegenseitigkeit ist nicht verbürgt, wenn der Scheidungsstaat Scheidungen seiner Angehörigen, die i m Anerkennungsstaat ausgesprochen wurden, nicht oder nur unter schärferen Voraussetzungen anerkennt als umgekehrt der Anerkennungsstaat. Diese Regel dient nicht der internationalprivatrechtlichen Ordnung, sondern der politischen Vergeltung. Sie ist eine ständig von neuem wiederholte politische Vergeltungsmaßnahme auf dem Rücken von Privatpersonen. I n der Literatur des IPR w i r d sie allgemein mißbilligt. „ I I est fächeux que les droits des particuliers dépendent de préscriptions apparaissant comme des mesures de rétorsion; le domaine de ces dernières devait se limiter aux intérèt politiques et de droit public", schreibt Batiffol sz. Der einzige Befürworter, soweit ersichtlich, ist Nußbaum**. Früher kam es i n Deutschland bei der Anerkennung ausländischer Ehescheidungen streng auf die Gegenseitigkeit an 3 5 . Doch hat der Gesetzgeber dieses Hindernis vernünftiger internationalprivatrechtlicher Ordnung schrittweise abgebaut (1941 mit der 4. DVO zum EheG und 1957 m i t dem Gleichberechtigungsgesetz) und schließlich mit dem Fam RÄndG 1961 (Art. 7 § 1 1 2) ganz verschwinden lassen. I n Frankreich besteht bis jetzt keine Gegenseitigkeitsklausel, soll aber nach dem Entwurf der Reformkommission für den Code Civil eingeführt werden 3 6 . Wie weit die Klausel i n den einzelnen Staaten der USA Gültigkeit hat, ist noch ungeklärt. Fest steht nur, daß es eine Frage des einzelstaatlichen Rechts, nicht des Bundesrechts ist 3 7 . Hinkende Scheidungen ergeben sich immer dann, wenn vom Anerkennungs- zum Scheidungsstaat keine Gegenseitigkeit verbürgt ist. 2. Die Regelungskonflikte

Sie sind praktisch nicht so bedeutsam wie die Abwehrkonflikte, weil sie nicht i n jedem Fall, sondern nur nach Maßgabe des einzelnen Schei83

I P R 3 Nr. 762. IPR S. 225. 35 Beispiel: K G U. v. 13. 1. 1925 JW 1925 2146. 86 Francescakis DuF S. 588 Fn. 6. 37 Bergmann - Ferid „USA" I I I A 5, S. 68, und Restatement — Second (Draft) (1964) § 430 e, Comment c. 84

C. I. Die Entstehung hinkender Scheidungen

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dungsfalles in Erscheinung treten. Sie beruhen, wie ausgeführt 38 , darauf, daß zwar generell i m Anerkennungsstaat Anerkennungsbereitschaft besteht, aber Scheidungsstaat und Anerkennungsstaat verschiedene Vorstellungen darüber haben, wie die Scheidung i m einzelnen vor sich gehen sollte. Die Meinungsverschiedenheiten beziehen sich 1. auf die Beziehung des Scheidungsstaates, die sein Eingreifen i n den Fall rechtfertigt, 2. auf das zur Scheidung berufene Organ, 3. auf die Scheidungsgründe und 4. auf die Ausgestaltung des Verfahrens. a) Konflikte wegen mangelhafter Beziehung des Scheidungsstaates zum Scheidungsfall Konflikte über diese Frage können nur bei Urteils- und Behördenscheidungen, nicht aber bei Privatscheidungen entstehen. Rechtstechnisch sind die Regelungen über die notwendige Beziehung zwischen Scheidungsstaat und Scheidungsfall i n den Regeln über die internationale Zuständigkeit enthalten. Internationale Zuständigkeit ist allgemein sowohl eine Verfahrensvoraussetzung i m Scheidungsstaat als auch eine Anerkennungsvoraussetzung i m Anerkennungsstaat. Das Ärgerliche ist nur, daß beide Staaten ihre eigenen Vorstellungen von dem I n halt dieses Begriffs haben und damit i n Konflikte kommen können. Der Begriff der internationalen Zuständigkeit enthält mehrere Elemente; i n ihm sind neben der Frage der notwendigen Beziehung zum Scheidungsfall auch andere Fragen geregelt, so z. B. die Frage der ausschließlichen Zuständigkeit 3 9 . M i t dem Begriff der notwendigen Beziehung zum Scheidungsfall isolieren w i r das Hauptelement aus der internationalen Zuständigkeit zur gesonderten Betrachtung. I n der französischen Terminologie würde man vielleicht von „rattachement", i n der englischen von „contacts" sprechen 40 . Die Regelungen darüber, welche Beziehungen für die Scheidung einerseits und für die Anerkennung andererseits erforderlich sind, gehen international weit auseinander. Konflikte entstehen, wenn der Scheidungsstaat für die Scheidung eine Beziehung genügen läßt, die der A n erkennungsstaat für die Anerkennung nicht als ausreichend betrachtet. Die auf diese Weise international möglichen Konflikte i m einzelnen darzustellen, würde hier zu weit führen. Es genügt, den allgemeinen Rahmen zu beschreiben. I n ihm sind vor allem zwei Gruppen von Konflikten zu unterscheiden: solche, bei denen auf beiden Seiten Staaten mit 38

Bei C. I. am Anfang. Zu ihr vgl. oben bei 1. b). 40 Für den Ausdruck „rattachement" vgl. etwa den Fragebogen der 10. Haager Privatrechtskonferenz — Dokumente Bd. I S . 110 Frage 6 ff. 39

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Besonderer Teil

normalen, dem internationalen Standard entsprechenden Zuständigkeitsregeln stehen, und solche, bei denen sich ein Anerkennungsstaat m i t „normalen" Anerkennungsregeln und ein Scheidungsstaat m i t Paradiesscheidung, Fernscheidung und ähnlichen freien, an nahezu w i l l kürliche Zuständigkeitsbegründungen geknüpften Scheidungsmöglichkeiten gegenüberstehen. aa) Erste Gruppe Die Fälle der ersten Gruppe beruhen auf der Verschiedenheit kollisionsrechtlicher Anknüpfungs- und Regelungsprinzipien i m Scheidungsstaat einerseits und i m Anerkennungsstaat andererseits. Die Uneinigkeit bezieht sich vor allem auf die Fragen: (α) Bildet der Wohnsitz bzw. der gewöhnliche Aufenthalt i m Scheidungsstaat oder die Staatsangehörigkeit zum Scheidungsstaat die geeignete Beziehung? (ß) Begründet nur die Staatsangehörigkeit (der Wohnsitz, der Aufenthalt) beider Ehegatten eine hinreichende Beziehung oder genügt auch, daß ein Ehegatte diese Beziehung zum Scheidungsstaat hat? Insbesondere: Genügt eine Beziehung zum Forum beim Beklagten? Genügt eine Beziehung zum Forum beim Kläger — das problematische forum actoris —? Welche zusätzlichen Umstände sind i m letzteren Fall noch erforderlich? (γ) Gilt für die Ehefrau etwas anderes als Konflikten über diesen Punkt spielen auch die den Wohnsitz der Frau rechtlich an den so zur Ungleichbehandlung der Geschlechter

für den Ehemann? Bei den die Regelungen eine Rolle, des Ehemannes binden und führen 4 1 .

(5) Weitere Konflikte ergeben sich daraus, daß zwar oft die rechtlichen Regelungen harmonieren, daß aber die Praxis bei der Nachprüfung der Zuständigkeitsvoraussetzungen des Wohnsitzes und des Aufenthalts so lax ist, daß diese Voraussetzungen praktisch nicht mehr wirksam werden 42 . Hier spielt also die Gerichtspraxis eine mittelbare Rolle für die Entstehung hinkender Scheidungen. I m Ergebnis führt eine solche Gerichtspraxis ohne ernsthafte Nackprüfung dazu, daß die Parteien die Zuständigkeit eines Staates vereinbaren können; der Kläger behauptet die Zuständigkeitsvoraussetzungen, der Beklagte bestreitet sie nicht und das Gericht prüft sie nicht nach. 41

Für die Rechtslage in den USA in diesem Punkt vgl. Rabel I S. 432—436.

42

Nachweise für solche Praktiken bei Rabel I S. 425 f.

C. I. Die Entstehung hinkender Scheidungen

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bb) Zweite Gruppe Die Konflikte der zweiten Gruppe — hinkende Paradiesscheidungen, Fernscheidungen usw. — beruhen auf dem Gegensatz von beliebiger Zuständigkeitsbegründung i m Scheidungsstaat und geregelter Zuständigkeitsprüfung i m Anerkennungsstaat. Bei den sog. genannten Paradiesscheidungen ist die einzige Zuständigkeitsvoraussetzung, daß die Ehegatten oder auch nur der Kläger sich eine kurze Zeit i m Scheidungsstaat aufhalten. Die Frist ist gerade lang genug bemessen, um dem einheimischen Fremdenverkehrsgewerbe das große Geschäft mit den Scheidungslustigen zu ermöglichen, aber doch wieder nicht so lange, daß Scheidungslustige abgeschreckt werden. Die bekannten Scheidungsparadiese der Welt liegen i n den USA (Nevada mit den Städten Las Vegas und Reno, Idaho, aber auch Florida und South Carolina) und i n Mexiko 4 3 . Fernscheidungen nennt man Scheidungen, bei denen die Scheidungslustigen an Anwälte i m Scheidungsstaat Prozeßvollmachten geben, den Scheidungsprozeß durchzuführen, sich aber selbst überhaupt nicht an den Gerichtsort bemühen müssen. I n den USA nennt man solche Scheidungen anschaulich „mail order divorce" 4 4 . Eine andere in manchen mexikanischen Bundesstaaten mögliche Scheidungsart liegt zwischen der Paradies- und der Fernscheidung. Sie geschieht praktisch vom Flugzeug aus. Die Zuständigkeit w i r d so begründet, daß der Scheidungslustige ein Flugzeug nach Mexiko nimmt, auf dem Flugplatz angekommen sich i n eine Präsenzliste einträgt und wieder nach Hause fliegt. A l l e diese Paradies-, Fern- und Flugplatzscheidungen werden, wenn die Ehegatten ihren Aufenthalt i n einem Staat m i t kontrollierter Scheidungsregelung hatten, oder wenn ihr Wohnsitz i n einem solchen Staat lag oder ihre Staatsangehörigkeit sie mit einem solchen Staat verband, in den Aufenthalts-, Wohnsitz- oder Heimatstaaten nicht anerkannt. Der Scheidungsstaat hatte nach ihrer Auffassung keine Beziehung zum Scheidungsfall, die ihn berechtigte, i n den Fall durch Scheidung einzugreifen. Technisch gesehen sprechen die Anerkennungsstaaten solchen Scheidungsstaaten die internationale Zuständigkeit ab. I n den meisten Fällen w i r d die Anerkennung daneben deswegen verweigert, weil die Scheidung einer inhaltlichen Nachprüfung nicht standhält (Konflikt wegen der Scheidungsgründe) und weil das Verfahren schwere Mängel aufweist. I n Deutschland ist streitig, ob die Anerkennung eines ausländischen Scheidungsurteils auch dann von der Einhaltung der auf das Ausland 43 Die einzelnen Bundesstaaten von Mexiko mit erleichterten Scheidungsmöglichkeiten sind aufgezählt bei Bergmann - Ferid „Mexiko" S. 11 Fn. 3. 44 Vgl. etwa McKinney's Consolidated Laws of New York Annotated Book 13 Descedent Estate Law § 87 note 8. „Vesandhausscheidung" und das Motto „Mexiko macht's möglich" wären die entsprechenden deutschen Schlagworte.

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projizierten deutschen Zuständigkeitsvorschriften (§ 328 I Nr. 1 ZPO i. V. mit §§ 606 ff. ZPO) abhängen soll, wenn die Voraussetzungen des § 606 a ZPO gegeben sind. Praktisch geht es bei dieser Streitfrage vor allem darum, ob sich deutsche Ehegatten, wenn einer der Fälle des § 606 a ZPO gegeben ist, ohne Rücksicht auf Aufenthalt und Wohnsitz der Scheidungsparadiese bedienen oder fernscheiden lassen können. Läßt man das zu, dann kann die Anerkennung derartiger Scheidungen nur noch mit dem Vorbehalt des ordre public (§ 328 I Nr. 4 ZPO), d. h. nur noch dann abgewehrt werden, wenn ein nach deutschen Vorstellungen unzureichender Scheidungsgrund vorlag (von Verfahrensfehlern — § 328 I Nr. 2 ZPO — einmal abgesehen). Beispiel : Zwei Deutsche, deren letzter gemeinsamer gewöhnlicher Aufenthalt in New York lag, lassen sich durch Urteil des Zivilgerichts des Bezirks Bravos i m Staate Chihuahua i n Mexiko scheiden. I m Anerkennungsverfahren vor der deutschen Justizbehörde nach Art. 7 § 1 FamRÄndG bringen sie vor, Mexiko sei zwar nicht international zuständig gewesen, aber das sei unerheblich. I n ihrem Fall genüge für die Anerkennung, daß ein nach deutschen Vorstellungen zureichender Grund der Scheidung zugrunde gelegen habe. U. E. ist es sinnvoller, i n solchen Fällen die Anerkennung nicht an Zuständigkeitsvorschriften scheitern zu lassen 45 . b) Konflikte

wegen des scheidenden Organs

Die hier zu besprechenden Konflikte beziehen sich meist auf die sog. Privatscheidungen, bisweilen aber auch auf Scheidungen durch geistliche Gerichte. Privatscheidungen sind Scheidungen durch einseitigen A k t eines Ehegatten oder durch Vertrag beider Ehegatten. „Die M i t w i r k u n g staatlicher Behörden, staatlich autorisierter oder staatlich i n dieser Funktion anerkannter religiöser Instanzen beschränkt sich, soweit sie überhaupt vorgeschrieben ist, auf die Überwachung einer Sühneverhandlung, auf die Registrierung der Scheidung und auf die Kontrolle der vorgeschriebenen Formalien, ohne daß diese M i t w i r k u n g — jedenfalls i n der Regel — konstitutive Wirkung hätte 4 6 ." Privatscheidungen i n verschiedener Form kennen die islamischen Rechte 47 , Israel 4 8 , die Mongolische Volksrepublik, die Volksrepublik China, Nationalchina und Japan 49 . Bis 1944 kannte auch die Sowjetunion die Privatscheidung durch überein45

OLG München FamRZ 1964 43 und 442; a. M. OLG Düsseldorf FamRZ 1966 200 und Partikel Anm. a.a.O. S. 202. 48 Kleinrahm FamRZ 1966 S. 10. 47 Vgl. jeweils bei Bergmann - Ferid. 48 Bergmann - Ferid „Israel" S. 22. 49 Vgl. Dölle I S. 483.

C. I. Die Entstehung hinkender Scheidungen

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stimmende Erklärung der Ehegatten gegenüber einer Behörde, die die Scheidung registrierte 50 . Eine religiöse Scheidung kennt Israel: für Juden ist eine Scheidung auf Anordnung der Rabbinatsgerichte möglich 51 . Praktisch kommt die Rabbinatsscheidung jedoch kaum vor 5 2 . aa) Konflikte über Privatscheidungen Die Staaten, die die Scheidung der Ehe Gerichten oder staatlichen Behörden zuweisen, haben i n der Regel die Vorstellung, daß es dem Wesen der Ehe nicht angemessen sei, wenn sie durch die Ehegatten selbst aufgelöst werde. Diese Vorstellung setzen sie auch bei der Anerkennung von Scheidungen, die nicht von ihren Gerichten oder Behörden ausgesprochen wurden, möglichst allgemein durch. Möglichst allgemein bedeutet dabei: immer dann, wenn einer ihrer eigenen Staatsangehörigen geschieden wurde oder wenn die Scheidung i n ihrem Territorium ausgesprochen wurde; nur dann haben sie nämlich auch eine äußere Veranlassung, ihren eigenen Vorstellungen über das Wesen der Ehe zum Durchbruch zu verhelfen. I m ersten Fall — Scheidung eigener Staatsangehöriger — spielt der Ort der Scheidung und sein Recht keine Rolle, i m zweiten Fall — Scheidung i m Inland — die Staatsangehörigkeit oder der Wohnsitz und das Heimat- oder Wohnsitzrecht der Ehegatten. Das ist auch die Einstellung des deutschen Rechts zu Privatscheidungen — jedenfalls nach der Auffassung der herrschenden Meinung. (α) Privatscheidungen Deutscher i m Ausland: A n sich ist auf Privatscheidungen A r t . 17 I EGBGB anzuwenden, sodaß die Privatscheidung wirksam ist, wenn sie dem Heimatrecht des Mannes entspricht. Danach ist die von einem deutschen Ehemann ausgesprochene Privatscheidung unwirksam, die von einem ägyptischen Ehemann gegenüber seiner deutschen Frau ausgesprochene Scheidung dagegen wirksam. Die h. M. beruft sich jedoch auf den ordre public (Art. 30 EGBGB) und lehnt die Anerkennung von Scheidungen, die die Ehegatten selbst ausgesprochen haben, grundsätzlich ab 5 3 . Kleinrahm hat jüngst die Auffassung entwickelt, daß bei der Privatscheidung einer deutschen Ehefrau i m Aus50

Vgl. Bergmann Vgl. Bergmann 52 Vgl. Bergmann 53 Nachweise bei kennungshindernis, unten S. 145 f. 51

- Ferid „UdSSR" S. 10. - Ferid „Israel" S. 22. - Ferid „Israel" S. 22 Fn. 1. Kleinrahm FamRZ 1966 S. 14 ff.; zu dem weiteren Anerdaß die Privatscheidung meist des Grundes entbehrt, vgl.

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land durch ihren ausländischen Ehemann Art. 30 EGBGB nicht generell, sondern nur nach Lage des Einzelfalles anzuwenden ist. Er begründet seine Auffassung konstruktiv damit, daß es dem Wesen des ordre public entspricht, wenn man auf das Ergebnis der Rechtsanwendung i m Einzelfall, nicht auf den abstrakten Charakter der ausländischen Regelung abstellt. Weiter verweist er darauf, daß es nicht Aufgabe der Rechtssprechung sein kann, die vom EGBGB grundsätzlich gewollte Anknüpfung an das Heimatrecht des Ehemannes für die Scheidung (Art. 17 I EGBGB) unter Berufung auf den ordre public für Privatscheidungen allgemein auszuschalten; das ist Sache des Gesetzgebers. Die Rechtssprechung kann nur in Einzelfällen von der gesetzlichen Kollisionsregel abweichen. Die Auffassung Kleinrahms muß nicht nur konstruktiv, sondern auch und gerade i m Ergebnis voll gebilligt werden. Denn eine unterschiedslose Anwendung des ordre public führt allzuleicht statt zu einem Schutz der deutschen Ehefrau zu einer schweren Belastung. Man muß sich nur die praktische Lage einer i m Ausland durch Privatscheidung geschiedenen Ehefrau vorstellen, um das zu sehen, und zwar muß man vom Regelfall, der einseitigen Verstoßung der Ehefrau durch den Ehemann ausgehen: Die Verstoßung geschieht fast immer i m Heimatstaat des ausländischen Ehemannes, i n den die Ehegatten nach der Eheschließung gezogen sind. Die Verstoßung ist dort gültig, ungeachtet eines Widerspruchs des deutschen Rechts. Die verstoßene Frau hat gegenüber dem Mann i n diesem Staat keinerlei Rechte. Sie kann auch von Deutschland aus keinen A n spruch durchsetzen, da ein i n Deutschland erstrittenes Urteil i n Ägypten oder wo der Ehemann sonst zu Hause ist, nicht anerkannt würde. Daß i n Deutschland Vermögen des Mannes liegt, ist selten. I m übrigen kann darauf auch auf Grund von Ansprüchen zugegriffen werden, die sich aus der Scheidung ergeben (Unterhalt nach Scheidung). Was tut die verstoßene Frau i n dieser Lage? Sie kehrt nach Deutschland zurück und richtet sich auf ein neues Leben ein, und zwar als Geschiedene. Nach Jahren erst erfährt sie plötzlich, daß sie rechtlich gesehen m i t dem Mann, der sie verstoßen hat, noch verheiratet sein soll, und daß sie von dieser Ehe nur loskommt, wenn sie einen Scheidungsprozeß durchführt. Meist w i r d diese Überraschung offenbar, wenn sie gerade so weit ist, daß sie hier eine neue Ehe schließen w i l l . Häufig hat oder erwartet sie von dem neuen Verlobten schon ein K i n d und möchte i h m durch die Eheschließung die Stellung eines ehelichen Kindes verschaffen. Oft kommt die unerwartete Rechtslage auch i n dem Augenblick ans Licht, i n dem ein i n Deutschland nach der Rückkehr geborenes K i n d von einem Dritten adoptiert werden soll. Erkennt man die Verstoßung aus der ersten Ehe nicht an, dann muß die Frau jetzt versuchen, auf irgendeine Weise die alte Ehe scheiden zu lassen, was unter Abwesenden nicht

C. I. Die Entstehung hinkender Scheidungen

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einfach ist. W i l l sie ihr K i n d adoptieren lassen, muß erst — wegen der gesetzlichen Vertretung des Kindes — dem vormaligen Ehemann in Ägypten oder i n Pakistan, der von dem K i n d nichts weiß und nichts wissen w i l l , weil er geschieden und das K i n d nicht von i h m ist, die elterliche Gewalt entzogen und der Mutter übertragen werden (§§ 1671 f. oder § 1679 BGB — wegen nicht nur vorübergehenden Getrenntlebens oder wegen Verwirkung der elterlichen Gewalt). Es entstehen Schwierigkeiten über Schwierigkeiten — und alle nur, weil das deutsche Recht die Frau vor der Verstoßung zu schützen versucht. Die Nichtanerkennung, die eigentlich ihren Schutz bezweckt, w i r d zu einem Bumerang, der statt des Ehemannes die Ehefrau trifft. Die Schilderung zeigt, daß i m Regelfall die Anerkennung der Verstoßung geboten ist und der wohlverstandene Schutz und die berechtigten Interessen der Ehefrau ein Eingreifen der Vorbehaltsklausel nicht erfordern. I n Sonderfällen, in denen besondere Umstände gegeben sind, insbesondere, wenn die Ehefrau zu erkennen gibt, daß sie an der Ehe festhalten w i l l , muß dagegen die Anerkennung auf Grund des ordre public verweigert werden. I n eine ähnliche Richtung, wie sie bei Kleinrahm und hier vertreten wird, geht offenbar auch die Auffassung Gamillschegs 54. Jedoch ist es nicht tragbar, wie Gamillscheg es will, die Entscheidung über die Wirksamkeit der Scheidung von Umständen abhängig zu machen, die zeitlich nach der Verstoßung liegen und sich noch mehrfach wieder ändern können. Das würde zu einem unerträglichen, schwankenden Status führen, i n dem die Ehefrau bald geschieden, bald noch verheiratet und dann wieder geschieden sein könnte. I m Prinzip ähnlicher Auffassung scheint auch Raape zu sein, wenn er meint, die Privatscheidung könne anerkannt werden, sofern die Umstände keine Bedenken gegen diese A r t der Eheauflösung erweckten 55 . (ß) Privatscheidungen i n Deutschland: Auch sie werden nach der durchaus herrschenden Meinung i n Deutschland nicht anerkannt. Grundlage ist § 41 EheG, dem man insofern einen internationalprivatrechtlichen Gehalt zuspricht. Da das Heimatrecht eines Ausländers, das die Privatscheidung kennt, sie ohne Rücksicht auf den Ort der Scheidung als wirksam ansieht, kommt es hier häufig zu hinkenden Scheidungen. U. E. ist die Nichtanerkennung von Privatscheidungen i n Deutschland unnötig und führt zu unpassenden Ergebnissen, wenn die Ehegatten 54

FS Nipperdey S. 339. IPR S. 306; Henrich StAZ 1966 S. 306 stellt für die Anwendung des ordre public darauf ab, ob die persönlichen Rechtsverhältnisse der Ehegatten dem deutschen Recht unterlagen. 55

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beide einem Staat angehören, der die Privatscheidung zuläßt. Beispiel: Wenn zwei iranische Studenten i n Deutschland heiraten und sich — noch vor Abschluß ihres Studiums — i n Deutschland wieder selbst scheiden, kurz danach beide i n den Iran zurückkehren und nie wieder Kontakt mit Deutschland haben, warum soll dann ein deutscher Richter über die Gültigkeit der Scheidung (die etwa in einem Erbfall später relevant werden könnte) anders entscheiden, weil sie sich hier geschieden haben, als er entscheiden würde, wenn sie sich einen Monat später i n ihrem Heimatstaat oder während eines Wochenendausflugs i n Österreich oder sonstwo i m Ausland geschieden hätten. Die Tatsache, daß die Privatscheidung i n Deutschland stattfindet, ist eben kein hinreichender Grund, auf dem Scheidungsmonopol der deutschen Gerichte zu bestehen. Man sollte den Vorbehalt gegen Privatscheidungen i n Deutschland auf Fälle beschränken, i n denen ein zusätzlicher enger Kontakt zum deutschen Recht besteht. Konstruktiv bedeutet das: man muß § 41 EheG den internationalprivatrechtlichen Gehalt, den ihm die herrschende Meinung zuspricht, absprechen 56 , Privatscheidungen grundsätzlich auch i n Deutschland i m Rahmen des Art. 17 EGBGB zulassen und die Nichtanerkennung i m Einzelfall auf Art. 30 EGBGB stützen — je nach den besonderen Umständen des Falles. Diese Auffassung würde auch dazu führen, daß Privatscheidungen i m Inland und i m Ausland i m wesentlichen gleich behandelt werden. Der mehr oder weniger zufällige Umstand, wo die Scheidung ausgesprochen wird, verliert damit seine für die Beteiligten oft überraschende Bedeutung. bb) Konflikte über Scheidungen durch geistliche Instanzen Nach h. M. gilt das Scheidungsmonopol der deutschen Gerichte i m Inland auch gegenüber Scheidungen durch geistliche Gerichte. Praktisch gibt es jedoch zur Zeit in Deutschland keine geistlichen Gerichte, die eine eigene Scheidungsgerichtsbarkeit ausüben, sodaß hinkende Scheidungen wegen solcher Konflikte nicht vorkommen. Die Rabbinatsgerichte beschränken ihre Tätigkeit heute auf das Staatsgebiet von Israel. Scheidet ein geistliches Gericht Deutsche i m Ausland, dann bestehen wegen des Scheidungsorgans keine Bedenken, die Scheidung i n Deutschland anzuerkennen. Auch das Urteil eines geistlichen Gerichts ist ein Urteil i m Sinne des § 328 ZPO. Auch hier kommt es also nicht zu hinkenden Scheidungen. 56 Für die h. M. vgl. Kleinrahm FamRZ 1966 S. 13 f. m. w. Nwen.; gegen die h. M. vgl. Kegel IPR S. 297 und Komm. Art. 17 Anm. 45, ähnlich weitgehend auch Eppelsheimer FamRZ 1960 S. 125 f.

C. I. Die Entstehung hinkender Scheidungen

c) Die Konflikte

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wegen der Scheidungsgründe

Sie entstehen daraus, daß eine Scheidung der inhaltlichen Nachprüfung i m Anerkennungsstaat nicht standhält. Eine inhaltliche Nachprüfung findet sich, m i t mehr oder weniger großer Genauigkeit, i n den Anerkennungsregelungen der meisten Rechte. Sie beruht teils auf speziellen Regelungen, teils auf der allgemeinen Vorbehaltsklausel des ordre public. Maßstab für die Anwendung des ordre public ist das eigene Scheidungsrecht des Anerkennungsstaates. Praktisch läuft die Nachprüfung oft auf eine volle nachträgliche Anwendung des inländischen Scheidungsrechts hinaus, besonders bei eigenen Staatsangehörigen. Bei Fremden ist man großzügiger. Drei Fallgruppen lassen sich unterscheiden: Konflikte wegen Privatscheidungen, Konflikte wegen grundloser Urteilsscheidungen und Konflikte wegen zwar begründeter, aber — nach Auffassung des Anerkennungsstaates — unzureichend begründeter Urteilsscheidungen. aa) Privatscheidungen: Die Grundlosigkeit bietet den meisten Staaten, auch der i n Deutschland herrschenden Meinung, einen weiteren Anlaß, um Privatscheidungen i m Inland oder Privatscheidungen der eigenen Staatsangehörigen die Anerkennung zu verwehren. Wie oben dargelegt 5 7 , kann man jedoch gegen Privatscheidungen den ordre public nicht schon wegen des abstrakten Charakters der Regelung ins Feld führen, sondern muß auf die besonderen Umstände des Einzelfalles, i n dem die ausländische Regelung gemäß Art. 17 I EGBGB angewendet wird, abstellen. I n der Regel fordern diese Umstände nicht die Anwendung des ordre public. Ergänzend ist auf einen besonderen Umstand hinzuweisen, aus dem das Fehlen eines Scheidungsgrundes im allgemeinen nicht so schwer ins Gewicht fällt: das Verhalten des Mannes, der seine Ehefrau verstößt, stellt stets einen nach deutschem Recht zureichenden Scheidungsgrund, nämlich eine schwere Eheverfehlung dar. Bei Urteilsscheidungen ist i n der Rechtsprechung anerkannt, daß eine unzureichend begründete Scheidung dann anerkannt werden kann, wenn ein nach deutschen Vorstellungen tatsächlich hinreichender Scheidungsgrund tatsächlich vorgelegen hat; denn dann w i r d der deutsche ordre public durch die Anerkennung nicht beeinträchtigt. Man kann diesen Gedanken m i t einer gewissen Abwandlung auf die Privatscheidungen übertragen und bei der Frage, ob ihre Anerkennung gegen den deutschen ordre public verstößt, berücksichtigen, daß die Verstoßung selbst, als Tatsache, einen nach deutschen Vorstellungen hinreichenden Scheidungsgrund abgibt. Der Vorbehalt des Art. 30 EGBGB ist weit genug, 57

S. 141 ff.

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daß auch dieser Umstand, obwohl er zeitlich nicht vor der Scheidung liegt, berücksichtigt werden kann. Als Bestätigung dafür, daß die Anerkennung von Privatscheidungen, an denen eigene Staatsangehörige beteiligt sind, mit dem ordre public einer abendländischen Rechtsordnung durchaus vereinbar sein kann, seien zwei ausländische Entscheidungen erwähnt: i n dem englischen Fall Ratanachi v. Ratanachi 58 wurde die einverständliche Scheidung eines Thailänders von seiner englischen Frau anerkannt. Der Ehemann hatte seine Frau als Student i n England nach Erzeugung und Geburt eines Kindes als 17jährige geheiratet, sich aber alsbald danach nach Hause empfohlen. Ähnlich hat ein französisches Gericht, das Tribunal de Grande Instance de la Seine, einmal die i n Kairo ausgesprochene einverständliche Verstoßung einer Französin durch ihren ägyptischen Ehemann anerkannt 5 9 . Hat schon vor der Scheidung ein Scheidungsgrund vorgelegen, der nach deutschem Recht die Scheidung gerechtfertigt hätte, dann greift die oben erwähnte Regel der Rechtsprechung 60 ein, nach der auch eine grundlose Scheidung anerkannt werden kann, wenn ein zureichender Grund tatsächlich vorgelegen hat. bb) Grundlose Urteilsscheidungen: Sie unterliegen auf Grund von § 328 I Nr. 4 ZPO der Nachprüfung auf ihre Vereinbarkeit m i t dem deutschen ordre public. Die Grundsätze für die Berufung auf den ordre public, wenn deutsche Staatsangehörige i m Ausland grundlos geschieden worden sind, müssen die gleichen sein wie bei Privatscheidungen; d. h. es kommt nicht auf den abstrakten Charakter der Regelung an, sondern auf die besonderen Umstände des einzelnen Scheidungsfalles. Auch hier ist zu berücksichtigen, ob der andere Ehegatte einen i m Urteil nicht genannten, aber nach deutschem Recht zureichenden Scheidungsgrund geliefert hat und ob nicht ein solcher Grund auch ggf. i n der Tatsache gefunden werden kann, daß er die Scheidung eingeleitet hat. cc) Begründete, aber nicht ausreichend begründete Urteilsscheidungen: Die hier entstehenden Konflikte haben gemeinsam, daß Scheidungsstaat und Anerkennungsstaat vom Prinzip der kontrollierten Scheidung ausgehen, daß jedoch der Scheidungsstaat i m konkreten Fall „leichter" geschieden hat, als es der Anerkennungsstaat billigt. 58

The Times vom 4. 6.1960 S. 10, wiedergegeben bei Kegel IPR S. 300. Recueil Dalloz 1960 Jur. 714 m. Anm. von Malaurie. Beispiele: K G JW 1937 1977 und RG 121 24 (29); anscheinend zustimmend Kegel IPR S. 300; dahingestellt bei OLG Stuttgart FamRZ 1962 97; ablehnend, weil diese Regel praktisch auf die Durchführung eines Scheidungsverfahrens bei der Anerkennung hinauslaufe und große Unsicherheiten berge, Maß feller JW 1937 S. 1977 (1978 r. Sp.) in einer Anm. zu der KG-Entscheidung. 59

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C. I. Die Entstehung hinkender Scheidungen

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Technisch gesehen, entstehen diese Konflikte daraus, daß der Anerkennungsstaat die Scheidung anhand eines anderen Rechts nachprüft, als es der Scheidungsstaat bei der Scheidung angewandt hat, und daß dieses Recht strenger ist als jenes. Es muß also, wie schon so oft bei hinkenden Rechtsverhältnissen, eine kollisionsrechtliche Divergenz mit einer sachrechtlichen i n einem Fall zusammentreffen. Die kollisionsrechtliche Divergenz besteht dabei zwischen Regelungen des IPR einerseits und des IZPR andererseits. A u f der einen Seite stehen die K o l l i sionsnormen zur Scheidung, auf der anderen Seite die Regelungen zur Auswahl des Rechts, an dem die Scheidung gemessen wird. Eine Darstellung der i m einzelnen möglichen Konflikte zwischen Scheidungsstaat und Anerkennungsstaat ist nicht durchführbar. Zur Veranschaulichung sei der Rahmen i m Großen, i n dem sich die bestehenden internationalen Divergenzen bewegen, dargestellt. A u f der Seite des Sachrechts geht es vor allem um die Frage: Scheidung aus Verschulden oder Scheidung bei objektiver Zerrüttung der Ehe. Innerhalb dieser beiden Grundsätze geht es um die Kasuistik, um die Ausfüllung von Begriffen wie: Schwere Eheverfehlung, seelische Grausamkeit, Zerrüttung der Ehe, Einzelfälle wie Impotenz, Unfruchtbarkeit, verschiedene schwere körperliche und geistige Krankheiten usw. I m Bereich des Kollisionsrechts divergieren Scheidungsstaat und A n erkennungsstaat gewöhnlich über die Frage, ob das Wohnsitz-, das Heimatrecht oder das Recht des Forums bei der Scheidung bzw. bei der Anerkennung anzuwenden ist; daneben spielen Durchbrechungen des regulären Kollisionsrechts — vor allem bei den eigenen Staatsangehörigen — eine große Rolle. Besonders leicht ergeben sich kollisionsrechtliche Divergenzen bei der Scheidung von Mehrstaatern oder von staatsangehörigkeitsrechtlichen Mischehen, weil hier jeder Staat versucht, nach Möglichkeit sein Sachrecht anzuwenden. M i t dem Haager Ehescheidungsabkommen von 1902 hat man einmal den Versuch gemacht, die kollisionsrechtlichen Konflikte auszuschalten. Da das A b kommen keine Ausnahmen für Konflikte mit scheidungsfeindlichen Heimatstaaten 61 vorsah, ist es jedoch von den meisten scheidungsfreundlichen Mitgliedstaaten wieder gekündigt worden. d) Konflikte

wegen Verfahrensmängeln

Die Anerkennung eines ausländischen Ehescheidungsurteils w i r d meistens davon abhängig gemacht, daß das Scheidungsverfahren in fairer Weise durchgeführt worden ist. I n Deutschland findet dieser Grundsatz 61

Zu diesen Konflikten vgl. oben S. 128—131.

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seinen Ausdruck i n § 328 I Nr. 2 ZPO. Zu einem fairen Verfahren gehört insbesondere, daß beide Seiten, auch der Beklagte, Gelegenheit zum rechtlichen Gehör hatten, insbesondere daß ihnen diese Gelegenheit nicht von vorneherein durch mangelhafte Zustellung der Klage (öffentliche Zustellung, Zustellung an eine falsche Adresse) genommen wurde. Das neue Abkommen der internationalen Zivilstandskommission spricht i n diesem Zusammenhang davon, daß jeder Gelegenheit haben müsse „faire valoir ses moyens". Auch das Fehlen von Beweisbehinderungen (obstruction of proof) und anderen Verteidigungsbehinderungen während des Verfahrens gehört hierher. Wo ausdrückliche Regeln über solche Anerkennungsvoraussetzungen fehlen, leitet man sie aus dem ordre public ab, so i n Frankreich 6 2 . Mangelhafte Verfahrensregelungen, die zu Konflikten und hinkenden Scheidungen führen können, finden sich vor allem i n den Staaten mit Paradies- und Fernscheidung und ähnlichen Instituten. Hier liegt ein weiterer Grund, aus dem solchen Scheidungen oft die Anerkennung versagt wird. Aber auch Regelungen anderer Staaten können Anlaß zu hinkenden Scheidungen geben, so z. B. die Regelung des deutschen Rechts über die öffentliche Zustellung der Klage, die einen Scheidungsprozeß auch gegen den abwesenden Ehegatten ermöglicht. Umgekehrtes Beispiel für mangelhafte Zustellung: ein deutscher Ehemann ließ sich 1903 i n Milwaukee scheiden, ohne daß seiner Frau die Ladung persönlich zugestellt wurde; das Urteil wurde wegen § 328 I Nr. 2 ZPO nicht anerkannt 6 3 . I n die Fallgruppe „hinkende Scheidung wegen Verfahrensmängeln" gehört auch die Mißachtung der deutschen Rechtshängigkeit. Scheidungen, bei denen die Rechtshängigkeit einer Klage i n Deutschland mißachtet wurde, werden i n Deutschland nicht anerkannt und hinken damit unheilbar. Beispiel: Ein Italiener, wohnhaft i n München, verheiratet mit einer Österreicherin, klagt i n München auf Scheidung. Die Ehefrau lebt getrennt, sie wohnt i n Salzburg. Einen Monat nach der Zustellung der Scheidungsklage klagt sie ihrerseits in Salzburg auf Scheidung. Der Ehemann erhebt die Einrede der „Streitanhängigkeit", weil bereits i n München ein Verfahren laufe. Das Salzburger Gericht achtet darauf nicht, entscheidet schneller und erläßt zuerst ein Urteil. Das Urteil w i r d rechtskräftig. I n Deutschland w i r d es nicht anerkannt, weil das Salzburger Gericht die ihm bekannte deutsche Rechtshängigkeit nicht beachtet hat 6 4 . 82 Vgl. Francescakis DuF S. 560 und Batiffol I P R 3 Nr. 759. Unklar ist, ob auch in Frankreich die Vorbehalte nur für die eigenen Staatsangehörigen gelten. 63 K G JW 1925 2146. 84 OLG München B. v. 2. 4. 1964 FamRZ 1964 444.

. I I . Die Rechtsfolgen hinkender

c h e i e

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3. Zusammenfassung

Die meisten hinkenden Scheidungen entstehen aus drei Fallgruppen; aus Konflikten m i t scheidungsfeindlichen Staaten, aus Paradies-, Fernund ähnlichen Scheidungen und aus Privatscheidungen. Bei der ersten Fallgruppe ist weder Abhilfe durch Anerkennung noch vorbeugende Vermeidung möglich. Dagegen zeichnet sich bei den anderen beiden Fallgruppen eine Tendenz ab, die — i n Lehre und i n Rechtsprechung — mehr als bisher auf die Anerkennung solcher Scheidungen hinausläuft. I m Interesse der Vermeidung hinkender Scheidungen muß man diese Tendenz und die Auffassungen, i n denen sie i m einzelnen zum Ausdruck kommt, begrüßen. Allerdings ist ihr dort eine Grenze gezogen, wo die berechtigten Interessen des Ehegatten, der gegen seinen Willen geschieden wurde und an der Ehe festhalten w i l l , beeinträchtigt werden. Jenseits dieser Grenze ist eine hinkende Scheidung besser als die Anerkennung einer zu Unrecht erfolgten Scheidung.

II. Die Rechtsfolgen hinkender Scheidungen Wie bereits gesagt, ist die Kehrseite einer hinkenden Scheidung i m mer eine hinkend fortbestehende Ehe. I m folgenden Abschnitt wollen w i r uns nicht m i t dem Schicksal der hinkend fortbestehenden Ehe beschäftigen, also mit den Fragen, ob und unter welchem Regelungsrecht die verschiedenen Ehewirkungen fortdauern; w i r wollen uns vielmehr nur m i t den Rechtsfolgen der hinkenden Scheidung als solcher befassen. Hauptfolge der Scheidung ist die Auflösung der Ehe. Diese Folge bildet den Inhalt der Scheidung; sie ist i n der Entscheidung über die Wirksamkeit einer Scheidung stets mitenthalten. Die Folgen der Scheidung erschöpfen sich jedoch nicht darin, daß für die Zukunft keine Ehe mehr besteht. Sie hat vielmehr eine ganze Reihe von Rechtsfolgen für verschiedene andere Rechtsverhältnisse, vor allem für die persönlichen Rechtsverhältnisse der Ehegatten, für ihr Vermögen, für das Erbrecht, für die Stellung der bereits geborenen und späterer Kinder und für die Freiheit, sich wieder zu verheiraten; außerdem treten Rechtsfolgen für das öffentliche Recht ein. Die hinkenden Scheidungen werfen die Frage auf: Wie steht es mit diesen Rechtsfolgen bei einer hinkenden Scheidung? Treten sie trotz des Hinkens ein? A u f den ersten Blick mag es scheinen, als ob alle Rechtsfolgen dort, wo die Scheidung gilt, eintreten, dort wo sie nicht gilt, dagegen nicht. Jedoch trägt diese schematische Antwort der internationalen Verflochtenheit vieler Sachverhalte nicht genügend Rechnung. Es bedarf einer Un9 Dorenberg

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tersuchung i m einzelnen, ob die Rechtsfolgen dort eintreten, wo die Scheidung wirksam ist, und wie es dort steht, wo sie nicht wirksam ist. M i t anderen Worten kann man auch fragen: Treten die einzelnen Rechtsfolgen einer Scheidung i m Forum ein, wenn sie i m Forum wirksam ist? Treten sie ein, wenn die Scheidung i m Forum nicht wirksam ist? I m ersten Fall — bei Wirksamkeit i m Forum — wollen w i r von einer hinkenden Inlandsscheidung sprechen, i m zweiten Fall — bei Wirksamkeit i m Ausland, aber Unwirksamkeit i m Forum — von einer hinkenden Auslandsscheidung. M i t Inland und Ausland w i r d dann nicht der Ort der Scheidung, sondern der Bereich ihrer Wirksamkeit bezeichnet. Die so gestellte Rechtsfolgenfrage darf, ebenso wie bei der hinkenden Ehe und bei anderen hinkenden Rechtsverhältnissen, nicht mit der Regelungsfrage verwechselt werden 6 5 . Die Regelungsfrage geht nicht dahin, ob eine Rechtsfolge eintritt, sondern welches Recht die Rechtsfolge regelt, vorausgesetzt, die Rechtsfolge ist nicht von vorneherein wegen des Hinkens ausgeschlossen. 1. Die Auflösung der Ehe

M i t der Scheidung ist die Ehe aufgelöst. Diese Rechtsfolge t r i t t selbstverständlich bei der hinkenden Scheidung nur ein, wo die Scheidung gilt, also nur bei der hinkenden Inlandsscheidung. 2. Die güterrechtlichen Wirkungen der Scheidung

Nach der Scheidung muß das Vermögen der Eheleute gesondert und das Schicksal der ehelichen Wohnung und des Hausrats geregelt werden. Häufig können auch Geschenke, die mit Rücksicht auf die Ehe gemacht worden sind, zurückgefordert werden. Alle diese Rechtsfolgen können bei hinkenden Scheidungen nur dort eintreten, wo sie wirksam sind, also i m Forum nur bei hinkenden Inlandsscheidungen. 3. Unterhaltspflichten unter Geschiedenen

Die gesetzliche gegenseitige Unterhaltspflicht der Ehegatten, den meisten Rechten bekannt, fällt mit der Scheidung der Ehe weg. Aber i n den meisten Fällen erzeugt die Ehe insofern Nachwirkungen, als nunmehr unter bestimmten Voraussetzungen an die Stelle der bisherigen eine neue Unterhaltspflicht tritt, die auf der Scheidung beruht 6 6 . Die Regelungen sind international i m einzelnen unterschiedlich, besonders, was 05 66

Allegmein zu dieser Unterscheidung vgl. Bes. Teil Α. I. I n Deutschland vgl. §§ 58 ff. EheG; rvgl. Hinweise bei Dölle I S. 626 ff.

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die Berücksichtigung des Verschuldens, zum Teil auch, was die unterschiedliche Behandlung von Mann und Frau betrifft. Bei hinkenden Scheidungen gilt dasselbe wie i m Ehegüterrecht: Die Unterhaltspflicht ist mit der Auflösung der Ehe untrennbar verbunden. Sie t r i t t nur und immer dort ein, wo die Scheidung wirksam ist. Beispiel: Eine Scheidung i n Massachusetts wurde i n England nicht anerkannt, weil der Ehemann seinen Wohnsitz (domicile) zur Zeit der Scheidung i n England gehabt hatte. Daher wurde auch der i n Massachusetts erstrittene Unterhaltstitel der Ehefrau nicht anerkannt 6 7 . 4. Der Fortfall des gesetzlichen Ehegattenerbrechts

Die meisten Rechte der Erde kennen ein gesetzliches Erbrecht des überlebenden Ehegatten. Durch die Scheidung w i r d dieses Erbrecht hinfällig. Gilt das aber auch, wenn die Scheidung hinkt? Und zwar, wenn sie i m Forum nicht gilt (hinkende Auslandsscheidung)? Wenn sie im Forum gilt, aber i m Heimatstaat des Erblassers oder i n einem anderen Staat nicht gilt? Die Frage gleicht äußerlich sehr der oben erörterten, ob eine hinkend geschlossene Ehe zu einem Erbrecht führt. Daher liegt die Antwort nahe, daß hier wie oben zu entscheiden und auf den Fortbestand der Ehe i m Wohnsitzstaat (domicil-Staat) abzustellen ist. I n Wahrheit besteht, und das zeigt schon die scheinbar naheliegende Antwort, ein wesentlicher Unterschied zur hinkend geschlossenen Ehe. Nach einer hinkenden Scheidung besteht keine Ehe mehr. Bei der hinkend geschlossenen Ehe ist die Interessenlage i m wesentlichen fast immer gleich: es ist tatsächlich eine Ehe geführt worden, geschützt und überwacht von einer Rechtsordnung — wenn auch nicht immer von der des Forums —; daher besteht ein moralischer, rechtlich anzuerkennender Anspruch der überlebenden Ehefrau oder des überlebenden Ehegatten auf einen Anteil am Nachlaß. Bei einer hinkenden Scheidung können sich auf der Grundlage, daß die Ehe tatsächlich und mit beschränkter Wirkung auch rechtlich aufgelöst ist, ganz verschiedene Interessenlagen aufbauen: es kann sein, daß die Ehegatten sich ein verständlich getrennt haben, es kann sein, daß der eine den anderen böswillig verlassen hat; die Scheidung kann i n einem geordneten Gerichtsverfahren geschehen sein, i n einem Scheidungsparadies gekauft worden sein oder durch das berühmte Talak der islamischen Rechte erzwungen worden sein; die Ehegatten können sich nach der Scheidung wieder zusammengefunden haben, ohne noch einmal zu heiraten, weil ja ihre alte Ehe noch hin-

6 7

9*

Simons

υ.

Simons

(4. 9.1938) (1939) 1 Κ . B. 490 = AUER (1938) 4, 436.

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Besonderer Teil

kend fortbestand. Alle diese Fälle lassen sich, was die Lage der Interessen am Nachlaß angeht, nicht auf einen Nenner bringen. Es ist nicht möglich, dadurch, daß man auf die Wirksamkeit der Scheidung i n einem bestimmten Schwerpunktstaat abstellt, eine i m Regelfall materiell richtige Lösung zu garantieren. W i r müssen daher hier von einer Lösung anhand der spezifischen Interessenlage absehen und uns auf die Berücksichtigung der allgemeinen kollisionsrechtlichen Interessen beschränken. Hier stellt sich i n bereits klassischer Weise das Prinzipienpaar von äußerem und innerem Entscheidungseinklang, erstmalig von Wengler herausgearbeitet, zur Entscheidung. Äußerer Entscheidungseinklang bedeutet international einheitliche Entscheidung über den Nachlaß. Innerer Entscheidungseinklang bedeutet Entscheidung über den Nachlaß i m Inland entsprechend der Entscheidung des Forums über die Ehe. W i r geben dem inneren Entscheidungseinklang den Vorzug. Ist die Ehe i m Forum geschieden, gibt es i m Forum auch kein gesetzliches Ehegattenerbrecht, mag die Scheidung auch i n dem Heimatstaat des Erblassers oder einem anderen ausländischen Staat nicht anerkannt sein. Die Konsequenz der hinkenden Scheidung ist dann eben eine hinkende Erbfolge. Ist die Scheidung umgekehrt i m Forum nicht wirksam, dann gibt es ein Erbrecht für den überlebenden Ehegatten. Begründung für den Vorrang des inneren Entscheidungseinklangs: solange es nur um formale Ordnungsprinzipien geht, ist uns die Ordnung i m eigenen Staat, die Abstimmung verschiedener Rechtslagen aufeinander i m Inland, wichtiger als die Abstimmung einer Rechtslage i m internationalen Bereich. I n der Literatur w i r d die Frage des Ehegattenerbrechts nach hinkender Scheidung meist nicht von der Frage nach dem Erbrecht bei hinkend geschlossener Ehe getrennt. Raape sagt z. B. kurz und knapp: „Was für die Frage gilt, ob die Ehe gültig ist, oder nicht, gilt auch dafür, ob sie gültig geschieden ist oder nicht 6 8 ." Was die Ergebnisse, die vertreten werden angeht, so findet sich die i m Ergebnis gleiche Auffassung wie hier bei Kegel und Lüderitz 68a und bei Habel 69 . Die entgegengesetzte Auffassung vertritt Raape, daß nämlich nur die Scheidung das Erbrecht aufhebt, die i m letzten Heimatstaat des Erblassers wirksam ist 7 0 . Ebenso sagt Wengler: „Ob eine Ehescheidung wirksam ist, entscheidet, wenn es um die Erbfolge geht, das Erb68 e8a 69 70

IPR S. 435. Kegel - Lüderitz FamRZ 1964 S. 59 r. Sp. Rabel I V S. 355 f. IPR S. 435.

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Statut" und kommt damit i m Ergebnis nur bei hinkenden Auslandsscheidungen zu einem Fortfall des Erbrechts 71 . Rechtsvergleichend sei auf das New York Descedent Estate L a w hingewiesen. Es bestimmte in § 87, seit 1965 i n dem inhaltsgleichen, wenn auch anders formulierten § 50: „No distributive share of the estate of a decedent shall be allowed under the provisions of this article, either a) to a spouse against whom or i n whose favour a final decree or judgment of divorce recognised as valid by the law of this State has been rendered b) or to a spouse who has procured without the State of New York a final decree or judgment dissolving the marriage w i t h the decedent, where such decree or judgment is not recognised as valid by the law of this State.. , 7 2 ." Buchstabe a) betrifft u. a. die hinkende I n landsscheidung und bestimmt i m Ergebnis, daß bei ihr das Ehegattenerbrecht hinfällig wird. Buchstabe b) betrifft die hinkende Auslandsscheidung und verwehrt das gesetzliche Ehegattenerbrecht bei ihr — offenbar aus Billigkeitsgesichtspunkten — nur dem Scheidungskläger, nicht aber dem Scheidungsbeklagten. Das ist eine Lösung des Problems mit den Mitteln des materiellen Rechts, die gerecht sein mag, die aber mit den Mitteln des internationalen Privatrechts nicht erreicht werden kann; sie bedarf eines Gesetzes. 5. Die Wirkung des § 2077 BGB

Für die Wirkungen, die die Auflösung der Ehe auf Erbeinsetzungen unter den Ehegatten hat, gilt das gleiche wie bei der hinkend geschlossenen Ehe. Das Problem liegt bei der ergänzenden Testamentsauslegung. Entscheidend ist, ob nach dem mutmaßlichen Willen des Erblassers die Erbeinsetzung auch bei bloß hinkender Scheidung hinfällig werden sollte; i n der Regel w i r d man die Frage bejahen müssen, sowohl beim Scheidungskläger als auch beim Scheidungsbeklagten. 6. Die Auswirkung der hinkenden Scheidung auf den Namen

Die Scheidung hat häufig eine Auswirkung auf den Namen der Ehefrau, zuweilen auch auf den des Ehemannes 73 . Bei hinkenden Scheidungen fragt sich: Treten die namensrechtlichen Wirkungen ein, obwohl die Scheidung hinkt? 71

Vorfrage S. 213. Mc Kinney's Consolidated Laws of New York Annotated Buch 13 S. 486 f.; § 50 ist enthalten im Supplement 1965; er beruht auf dem Amendment L. 1965, c. 245, in Kraft seit 1. 9. 1965. 73 Rvgl. Übl. bei Dölle I S. 596 f. 72

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Ist die Scheidung i m Forum unwirksam, dann geht es nicht an, daß die Ehegatten trotzdem ab Scheidung plötzlich einen verschiedenen Namen führen, sofern sie vorher einen gemeinsamen Namen gehabt haben. Die hinkende Auslandsscheidung ist daher i m Forum für den Namen unerheblich. Die A n t w o r t entspricht der oben für die hinkende Inlandsehe gegebenen 74 . Dagegen kommen w i r bei der hinkenden Inlandsscheidung — bei der die Ehe i m Inland nicht mehr besteht — nicht zu einer der hinkenden Auslandsehe parallelen Antwort. Vom Parteiinteresse her besteht kein Grund, auf die hinkend i m Ausland fortbestehende Ehe Rücksicht zu nehmen und deshalb die Namensfolgen nicht eintreten zu lassen. Denn die Ehegatten selbst betrachten sich als geschieden. I n dieser Lage ist die innerstaatliche Abstimmung des Namensrechts mit dem Scheidungsrecht wichtiger als die internationale Abstimmung unseres Namensrechts mit dem eines fremden Staates. Wengler 75 stellt darauf ab, ob die Scheidung i n dem Staat anerkannt ist, dessen Recht die persönlichen Rechtsverhältnisse der Ehegatten regelt. Wenn die Scheidung in diesem Staat nicht anerkannt wird, treten also keine Namensfolgen ein. Er gibt also der internationalen Harmonie i m Namensrecht den Vorzug. 7. Die eheliche Abstammung der Kinder einer hinkend geschiedenen Ehefrau

Kinder, die eine geschiedene Frau nach der Scheidung zur Welt bringt, einen gewissen Zeitraum, meist ca. 300 Tage, ausgenommen, sind nicht mehr eheliche Kinder des geschiedenen Ehemannes 78 . Ist die Ehe nur hinkend geschieden, so ist die Rechtslage zweifelhaft, weil eine hinkende Ehe fortbesteht. Ist das K i n d unehelich oder ist es noch ein eheliches K i n d des hinkend geschiedenen Ehemannes? Wie ist es, wenn die Mutter inzwischen wiedergeheiratet hat? Praktisch ist das Problem nicht so gravierend, weil meist eine A n fechtung der Ehelichkeit durch den falschen Vater die Lage klären kann. Theoretisch ist es jedoch sehr problematisch. Meistens geht es darum, daß die Mutter von einem anderen Mann ein K i n d bekommen hat und das K i n d durch die Heirat der Mutter mit dem wahren Vater die Stellung eines ehelichen Kindes aus der neuen Verbindung erhalten soll. Oder das K i n d soll von Dritten adoptiert werden und für seine gesetzliche Vertretung bei der Adoption muß die Ehelichkeit oder Unehelichkeit geklärt werden. Oder die Ehefrau hat wie74 75 76

Vgl. Bes. Teil B. I I 3. Vorfrage S. 212. Rvgl. Hinweise bei Dölle I I S. 63 ff.

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dergeheiratet und ein K i n d bekommen, dessen tatsächlicher Vater der neue Ehemann ist, das aber rechtlich in einer unklaren Stellung zwischen dem alten und dem neuen Ehemann steht. I n der Literatur w i r d die Frage nach der Ehelichkeit von Kindern einer hinkend geschiedenen Ehefrau im allgemeinen nicht von der Frage getrennt, ob Kinder aus einer hinkend geschlossenen Ehe ehelich sind. Beide Fragen werden unter dem Titel des Vorfragenproblems vereinigt zu der Frage: Ist die Vorfrage nach dem Bestand der Ehe, wenn es um die eheliche Abstammung geht, selbständig oder unselbständig anzuknüpfen? Ist die Vorfrage hier selbständig anzuknüpfen 77 , dann kommt es darauf an, ob nach dem Recht des Forums eine Ehe besteht. Dann ist, wenn die Scheidung i m Forum nicht wirksam ist, das K i n d ehelich, mag auch i m Ausland die Ehe geschieden sein; wenn umgekehrt die Scheidung i m Forum wirksam ist, ist das K i n d unehelich, mag auch i m Ausland, etwa i m Heimatstaat des Vaters, eine hinkende Ehe fortbestehen, weil die Scheidung dort nicht wirksam ist. Ist die Vorfrage unselbständig anzuknüpfen, dann kommt es auf den Heimatstaat des Ehemannes an. Ist die Scheidung dort unwirksam, ist das K i n d ehelich, ist sie dort wirksam, ist das K i n d unehelich, mag auch i m Forum eine hinkende Ehe fortbestehen. Ähnlich wie bei der Frage des Erbrechts verdient u. E. die selbständige Anknüpfung — mit dem Ergebnis, daß Kinder bei hinkender Inlandsscheidung unehelich, bei hinkender Auslandsscheidung ehelich sind — den Vorzug. Dafür sind zwei Gründe maßgebend: (α) Die typische Interessenlage, die uns bei der hinkend geschlossenen Ehe veranlaßt hat, auf den Bestand der Ehe i m Wohnsitzstaat abzustellen, legt an sich den Gedanken nahe, Kinder einer hinkend geschiedenen Ehefrau generell als unehelich zu betrachten, sowohl bei hinkender Inlandsscheidung als auch bei hinkender Auslandsscheidung. Denn das K i n d einer geschiedenen, auch einer hinkend geschiedenen Frau, das nach der Scheidung und nach Ablauf der Empfängniszeit geboren wird, stammt kaum je von dem vormaligen Ehemann ab. I h m ist daher mit der Stellung als eheliches K i n d nicht gedient. Der geschiedene Ehemann kümmert sich nicht um es; seine Rechtsstellung als ehelicher Vater ist ihm gleichgültig oder gar lästig, sofern sie ihm nicht gar einfach unbekannt und er selbst nicht mehr auffindbar ist. A u f der an77 So vor allem Kegel Komm. Art. 18 Anm. 6: „Die Vorfrage, ob die Ehe der Mutter aufgelöst ist, wird mit Hilfe der Kollisionsnormen des Forums, also Art. 13 EGBGB sowie der Grundsätze über die Rechtskraft deutscher Scheidungsurteile und die Anerkennung ausländischer Scheidungsurteile beurteilt".

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deren Seite hindert die Ehelichkeit des Kindes die Mutter, das Jugendamt, den tatsächlichen Vater und ggf. Dritte, die das K i n d adoptieren wollen, so zu verfahren, wie es dem Wohl des Kindes entspräche. Der Status der Ehelichkeit, sonst ein Vorteil für das Kind, den w i r i h m i n Zweifelsfällen stets zuerkennen und nur unter strenger gerichtlicher Kontrolle i m Ehelichkeitsanfechtungsprozeß wieder nehmen lassen, verkehrt sich hier i n sein Gegenteil. Doch besteht, das ist der entscheidende Unterschied zur Frage der Ehelichkeit bei der hinkend geschlossenen Ehe, keine Notwendigkeit, dieser Lage durch eine besondere internationalprivatrechtliche Regel Rechnung zu tragen. Denn das sachliche Recht bietet mit der Ehelichkeitsanfechtung eine ausreichende Möglichkeit, die Rechtslage zu korrigieren. Besonderer Regeln i m IPR für hinkende Rechtsverhältnisse bedarf es nicht, wenn das Sachrecht eine ausreichende Möglichkeit bietet, den Konflikt zwischen den beteiligten Staaten so zu regeln, wie es den Interessen der beteiligten Personen entspricht. (ß) Brauchen w i r somit bei der Antwort auf die Frage nach der Ehelichkeit hier nicht auf materielle Gerechtigkeit bedacht zu sein, so müssen w i r doch eine den formalen Ordnungsprinzipien des internationalen Privatrechts Rechnung tragende A n t w o r t geben. Dabei w i r d eine Entscheidung zwischen den Prinzipien des äußeren und des inneren Entscheidungseinklangs notwendig. Der innere Entscheidungseinklang verdient den Vorzug, weil die Abstimmung verschiedener Rechtslagen (Scheidung und Ehelichkeit) i m eigenen Rechtsbereich wichtiger ist als die Abstimmung der Rechtslage i n Bezug auf eine Frage i m internationalen Bereich. Die Konflikte i m eigenen Rechtsbereich sind häufiger und stören uns mehr; ihre Vermeidung ist vordringlich. Ergebnis: Bei hinkender Inlandsscheidung sind die Kinder der geschiedenen Ehefrau unehelich, bei hinkender Auslandsscheidung ehelich; die Korrektur der Rechtslage ist Sache der Beteiligten. Besondere Probleme entstehen, wenn eine hinkend geschiedene Frau, deren Scheidung i m Inland nicht anerkannt wird, wiedergeheiratet hat. Welche Stellung hat ein jetzt geborenes Kind? Die A n t w o r t gibt die Regel des § 1600 BGB; sie t r i f f t nicht nur die Fälle, in denen ein K i n d nach Auflösung der Ehe, aber innerhalb der Empfängniszeit geboren wird, sondern auch die, i n denen eine Wiederverheiratung ohne Auflösung der ersten Ehe stattfand. 8. Rechtsfolgen der hinkenden Scheidung im öffentlichen Recht, insbesondere im Steuerrecht, im Entschädigungsrecht und im Strafprozeßrecht

Entfallen die günstigen steuerlichen Auswirkungen der Ehe, wenn sie hinkend geschieden wurde? Fällt die Ehefrau i n die ungünstigeren

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Steuerklassen der Erbschafts- und der Einkommenssteuer zurück? Die Antwort ist: Der entscheidende Gesichtspunkt ist die innerstaatliche Harmonie mit der privatrechtlichen Entscheidung über die Auflösung der Ehe. Ist die Ehe hier aufgelöst, dann ist sie auch für das Steuerrecht und die anderen Bereiche des öffentlichen Rechts aufgelöst 78 . Es besteht hier, i m Unterschied zur hinkend geschlossenen Ehe, kein Anlaß, einer i m Ausland hinkend fortbestehenden Ehe Beachtung zu schenken, zumal diese hinkend fortbestehende Ehe fast immer nur eine leere rechtliche Hülse ohne tatsächlichen Inhalt ist. Ist umgekehrt die Ehe hier nicht aufgelöst, dann gilt sie auch für das öffentliche Recht als fortbestehend. Nicht nur i m Steuerrecht, auch i m Entschädigungsrecht und i m Strafprozeßrecht (Zeugnisverweigerung u. ä.) besteht kein Grund, aus einer nur hinkend i m Ausland fortbestehenden Ehe ohne tatsächlichen Inhalt irgendwelche Vorteile oder Nachteile oder sonstigen Wirkungen für die Geschiedenen herzuleiten.

9. Wiederheirat nach hinkender Scheidung

Der Sinn der Scheidung besteht nicht nur darin, zwei Ehegatten voneinander zu trennen, sondern auch darin, ihnen die Freiheit zur Eingehung einer anderen Ehe zu geben. Sonst würde ja auch eine Trennung von Tisch und Bett genügen. Die Freiheit wiederzuheiraten ist die Kehrseite der Auflösung der Ehe dem Bande nach. Ermöglicht auch eine hinkende Scheidung die Wiederheirat? Bei dieser Frage sind mehrere Fälle zu unterscheiden. 1. Die Scheidung ist i m Heimatstaat des geschiedenen Verlobten nicht wirksam. 2. Sie ist i m Heimatstaat des anderen Verlobten nicht wirksam. (1. und 2. sind die Fälle hinkender Inlandsscheidung.) 3. Sie ist i m Forum nicht wirksam. Der Fall 3. ist klar. Ist die Ehe i m Forum nicht aufgelöst, kann hier auch keine neue Ehe eingegangen werden. Es bleiben Fall 1. und Fall 2. Rechtstechnisch rangieren sie unter dem Titel des Vorfragenproblems. Ob das Ehehindernis einer ersten Ehe besteht, ist eine Vorfrage der Ehefähigkeit, die man entweder selbständig oder unselbständig anknüpfen kann. Selbständige Anknüpfung bedeutet: Die Vorfrage, ob die Ehe besteht, w i r d anhand der Kollisionsnormen des Forums entschieden; es genügt also, wenn die Ehe für das Forum aufgelöst ist, mag sie auch i m Heimatstaat eines Verlobten hinkend fortbestehen. Die Wiederheirat ist also bei selbständiger Anknüpfung i m Fall 1 und 2 zulässig. 78

Kegel - Lüderitz

FamRZ 1964 S. 59; L G Mannheim IPRspr. 1952/53 Nr. 96.

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Besonderer Teil

Unselbständige Anknüpfung bedeutet: Die Frage, ob die Ehe noch besteht, w i r d anhand der Kollisionsnormen des Heimatstaates des geschiedenen Verlobten geprüft; eine dort hinkend fortbestehende Ehe steht der Wiederheirat also i m Wege. Die Wiederheirat ist in Fall 1 unzulässig. Eine bereits bestehende Ehe gilt allgemein als sog. zweiseitiges Ehehindernis. D. h. das Heimatrecht jedes Verlobten verbietet eine neue Ehe nicht nur, wenn der eigene Staatsangehörige, sondern auch wenn nach seiner Auffassung der andere Verlobte noch verheiratet ist. Daraus folgt: Knüpft man die Vorfrage der Ehe unselbständig an, dann steht auch die Ehe eines Verlobten, die nicht in seinem Heimatstaat, sondern nur i n dem des anderen hinkend fortbesteht, der Wiederheirat i m Wege, mag sie auch i m Forum und i n seinem eigenen Heimatstaat aufgelöst sein. Bei unselbständiger Anknüpfung ist also die Wiederheirat auch i m Fall 2 nicht zulässig. Für die Diskussion i n der Literatur ist kennzeichnend, daß i m allgemeinen die Fälle 1 und 2 nicht getrennt, sondern i n scheinbar zwangsläufiger Verbindung durch das Vorfragenproblem behandelt werden. a) Die im Forum wirksame, im Heimatstaat des Geschiedenen unwirksame Scheidung Für Deutschland als Forum sehen diese Fälle i n der Regel so aus: Eine Deutsche (ein Deutscher) w i l l einen geschiedenen Ausländer (Ausländerin) heiraten, dessen Scheidung in seinem Heimatstaat nicht anerkannt wird, wohl aber i n Deutschland. Meistens hat i n diesen Fällen schon die Scheidung der ersten Ehe i n Deutschland stattgefunden und wurde — bei Männern als Ausländern — zugelassen, weil die erste Ehefrau Deutsche war. Beispiel: Ein Italiener und seine deutsche Frau sind in Deutschland auf Grund von Art. 17 I V EGBGB nach deutschem Recht geschieden worden. Der Mann w i l l sich i n Deutschland wieder verheiraten. Oder : Italienische Eheleute sind entgegen dem italienischen Recht, das keine Scheidung kennt, i n Deutschland geschieden worden, weil das Gericht sie irrtümlich für Deutsche hielt. Der Mann w i l l in Deutschland eine Deutsche heiraten. Es können aber auch Fälle eintreten, in denen zwei Ausländer in Deutschland heiraten wollen, von denen der eine hinkend, nämlich zu Hause unwirksam, i n Deutschland und i m Heimatstaat des anderen aber wirksam geschieden ist. Die Problematik dieser Fälle liegt einerseits i n den Nachteilen und Gefahren der zweiten Ehe eines nur hinkend Geschiedenen und andererseits i n den Schattenseiten eines Heiratsverbots für i m Forum

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nicht Verheiratete begründet. Die Bewertung und Abwägung beider Seiten ist nicht einfach. Dazu kommen dogmatische Probleme bei der Einfügung der sachlich gerechtfertigten Lösung i n die allgemeinen Lehren vom Vorfragenproblem, wie bereits oben angedeutet wurde. aa) Die Nachteile der Wiederheirat Der Kern des Problems liegt darin, daß die Wiederheirat zu einer hinkenden bigamischen Ehe führt. I m Forum ist die zweite Eheschließung gültig, im Heimatstaat des Geschiedenen wegen Doppelehe nichtig, und damit entweder sogleich „void" oder zunächst nur vernichtbar, wobei aber die Nichtigerklärung auf amtliches oder privates Betreiben selten ausbleiben wird. Unerfreulich an dieser Lage sind drei Dinge: daß eine hinkende Ehe besteht, daß sich der andere, der nicht geschiedene Ehegatte i n einer besonders unsicheren Stellung befindet und daß beiden Ehegatten i n dem Staat, i n dem die erste Ehe noch gilt, Strafverfolgung wegen Bigamie droht. (α) Die allgemeinen Nachteile einer hinkenden Ehe haben sich oben bei der Erörterung der Rechtsfolgen hinkender Ehen i m Detail gezeigt. Hauptpunkte sind die unsichere Rechtsstellung der Kinder aus solchen Ehen — der Heimatstaat des hinkend Geschiedenen w i r d sie i n aller Regel nicht als ehelich anerkennen — und die hinkende Erbrechtslage bezüglich des i m Heimatstaat des hinkend Geschiedenen belegenen Vermögens — i n der Regel erhält der überlebende Ehegatte kein gesetzliches Erbrecht. Dazu können kleinere Probleme, etwa bei der Staatsangehörigkeit oder beim Namen und der damit verbundenen Frage der Ausweise kommen. Zur Bewertung dieser Nachteile ist darauf hinzuweisen, daß die Ehegatten sie zum Teil durch eigene Initiative ausschließen können, wenn sie rechtlich hinreichend informiert werden. Sie können geeignete Testamente errichten und sie können ihre Kinder adoptieren und so für den Heimatstaat ehelichen Kindern gleichstellen. Eine solche Adoption müßte i m Heimatstaat anerkannt werden. Ein Grund, weshalb ihr die Anerkennung versagt werden sollte, ist ebenso wenig ersichtlich wie, wenn der hinkend Geschiedene ein tatsächlich uneheliches K i n d oder ein fremdes K i n d adoptiert. Da die Adoption in den Heimatstaat hineinwirkt, könnte ihr auch das deutsche Vormundschaftsgericht seine M i t w i r k u n g nicht versagen. Außergewöhnliche Lagen wie solche Ehen erfordern eben i m Interesse der Kinder auch außergewöhnliche Mittel. Selbst wenn man von diesem Behelf absieht, verbietet sich eine hohe Bewertung der allgemeinen Nachteile hinkender Ehen, weil hinkende Ehen durch bestimmte Regelungen des deutschen Rechts, vor allem durch Art. 13 I I I EGBGB ohne zwingende Not-

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wendigkeit i n solcher Zahl erzeugt werden, daß es widersprüchlich wäre, wollte das deutsche Recht hier plötzlich die Wiederheirat m i t Rücksicht auf die allgemeinen Unzuträglichkeiten der hinkenden Ehen nicht zulassen. Die Beibehaltung des Art. 13 I I I EGBGB offenbart eine gleichgültige Haltung des Gesetzgebers gegenüber diesen Nachteilen; an diese Wertung sind w i r allgemein gebunden. (ß) Die unsichere Stellung des nicht geschiedenen Ehegatten beruht darauf, daß die neue Ehe ausgerechnet i m Heimatstaat des anderen Ehegatten nicht besteht. Der hinkend Geschiedene kann sich jederzeit allen Bindungen aus der zweiten Ehe dadurch entziehen, daß er die Familie verläßt und i n seinen Heimatstaat zurückkehrt. Wenn die zweite Ehe i n eine schwere Krise gerät, w i r d er um so eher zu einer solchen Flucht neigen, als der Staat, der ihn von allen Bindungen befreit, sein Heimatstaat ist. Ein weiteres Motiv für die Rückkehr kann u. U. darin liegen, daß i m Heimatstaat die erste Ehe noch besteht und daß diese Bindung plötzlich auch tatsächlich wieder auflebt. Andererseits muß man jedoch bedenken: Die Gefahr, daß ein Ehegatte sich einer ihm zur Last gewordenen Ehe dadurch entzieht, daß er ins Ausland geht, besteht immer, ja er kann sogar i m Inland „untertauchen". Diese Gefahr ist also nicht der A r t nach einzigartig, sondern allenfalls gegenüber dem Normalfall gesteigert, weil der Staat, der die Freiheit von der Ehe verspricht, zugleich der Heimatstaat ist. Selbst diese Steigerung ist zweifelhaft; denn die Furcht vor zivil- und strafrechtlicher Verfolgung (Bigamie!) w i r d ebenso stark und oft noch stärker den Ehegatten von einer Flucht aus der Ehe i n seine Heimat zurückhalten. (γ) Kehrt der hinkend geschiedene und wiederverheiratete Ehegatte i n seine Heimat zurück, sei es für immer, sei es auf einer Besuchsreise, dann droht ihm dort, wie oben angedeutet, eine Bestrafung wegen B i gamie. Den Straftatbestand der Bigamie kennen fast alle Rechte der westlichen Welt 7 9 . Wenn auch die Strafdrohung nicht immer v e r w i r k licht wird, so ist doch schon die Wahrscheinlichkeit sehr unangenehm. Sie führt nämlich dazu, daß der hinkend geschiedene und wieder verheiratete Ehegatte nicht mehr in seinen Heimatstaat zurückkehren kann . Diese Konsequenz übersehen die Verlobten oft. Zumindest erfassen sie nicht immer ihre volle Tragweite. Es bedarf keines Romans, um sie greifbar zu machen und zu zeigen, wie hart es für den Betroffenen ist, wenn er i n seinen Heimatstaat, m i t dem er durch Sprache, Sit79

Vgl. Töbelmann in Materialien zur Strafrechtsreform 2. Bd. I I . Teil S. 170.

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ten, Gebräuche, Landschaft und Klima, Familie, Freunde und Erinnerungen und oft auch durch ein starkes Nationalgefühl verbunden ist, nicht zurückkehren kann, weil i h m Bestrafung droht. Kegel und Lüderitz machen es sich zu leicht, wenn sie hier nur von einem „Verzicht auf eine Auslandsreise" sprechen 80 . Die Reise i n die Heimat ist keine Auslandsreise, sondern das gerade Gegenteil. Ferid berichtet einen sehr dramatischen Fall: „ M i r ist i n diesem Zusammenhang ein Fall i n recht unerfreulicher Erinnerung, in dem die römische Hochzeitsreise eines derart (von einem ländlichen Standesbeamten) entgegen seinem Heimatrecht wiederum Getrauten i m „Carcere Giudiziario Regina Coeli" endete, von welchem „luogo del dolore" alsbald die bewegte Kunde von einer Verurteilung zu zwei Jahren „reclusione" als „bigamo" gemäß Art. 556 des italienischen Codice Penale kam. Sodann folgten temperamentvoll geltend gemachte Schadenersatzansprüche . . . 8 1 " Es muß allerdings nicht jeder Fall so ausgehen wie der von Ferid berichtete. Ferid deutet selbst an, wo i n dem berichteten Fall „der W u r m saß", indem er i n Klammern bemerkt, daß es „ein ländlicher Standesbeamter" war, der die Trauung vorgenommen hatte. Der Standesbeamte hatte nicht gewußt, was er tat, und es deshalb unterlassen, die Verlobten über ihre Lage aufzuklären. Vielleicht hätten sie bei klarer Belehrung auf die Eheschließung verzichtet. Hätten sie sich trotzdem trauen lassen, dann wäre durch die Aufklärung die Gefahr einer Italienreise und eines anschließenden Aufenthalts i m „Carcere Giudiziario Regina Coeli" wohl ausgeschlossen worden. Weiter ist darauf hinzuweisen, daß z. B. i n Lateinamerika durch einen internationalen Vertrag die Strafverfolgung i n solchen Fällen ausgeschlossen worden ist (Vertrag von Montevideo Art. 15 b). Eine solche Regelung wäre für Europa anzustreben. Schließlich besteht die Gefahr einer Strafverfolgung wegen Bigamie auch i n vielen anderen Fällen, i n denen w i r die Eheschließung bedenkenlos zulassen. Man denke nur an den deutschen Doppelstaater, der in Deutschland hinkend, für seinen zweiten Heimatstaat unwirksam, geschieden worden ist. I h n lassen w i r wiederheiraten, bei ihm nehmen w i r die Gefahr einer Bestrafung i m zweiten Heimatstaat i n Kauf. Hinkend geschiedene Deutsche werden vom deutschen Recht weniger gegen ihre eigene Unvorsichtigkeit geschützt als Ausländer. Dabei nehmen w i r — jedenfalls die h. M. — nicht einmal darauf Bedacht, ob die deutsche 80 81

Kegel - Lüderitz FamRZ 1964 S. 60 Ii. Sp. FamRZ 1961 S. 401.

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Staatsangehörigkeit tatsächlich die effektivere Staatsangehörigkeit ist 8 2 . Ist der hinkend geschiedene Verlobte nur Deutscher, dann achtet man ohnehin überhaupt nicht darauf, ob ihm wegen der hinkend fortbestehenden Ehe irgendwo i m Ausland Strafe wegen Bigamie droht 8 3 . bb) Die Schattenseiten des Heiratsverbots W i r d die Wiederheirat nicht zugelassen, dann ist der geschiedene Ehegatte zwar von der ersten Ehe frei, aber er kann keine neue Ehe eingehen. Auf diesem absurden Ergebnis 84 beruhen alle Argumente für die Wiederheirat. (α) Das Heiratsverbot für den Nicht-mehr-Verheirateten — so w i r k t es sich praktisch aus — ist auch ohne, daß schon konkrete Heiratsabsichten bestehen, eine überaus schwerwiegende Freiheitsbeschränkung. Man bedenke, welche überragende Rolle die Freiheit zu heiraten i m sozialen Leben und bei der Entfaltung der eigenen Persönlichkeit spielt. Kegel und Lüderitz sprechen von einem Zwangszölibat 85 . Kegel nennt an anderer Stelle das Ergebnis anstößig — ein hartes Urteil; denn anstößig ist nicht alles und jedes ungerechte Ergebnis, anstößig ist schon ein starker Grad moralischer Mißbilligung. Aber das Urteil ist nicht von der Hand zu weisen. (ß) I n voller Härte w i r k t sich das Heiratsverbot aber erst aus, wenn zwei Verlobte, von denen einer hinkend geschieden ist, konkret den Vorsatz gefaßt haben, zu heiraten. Denn was tun zwei Verlobte, wenn sie beide nicht verheiratet sind und doch nicht heiraten dürfen? Entweder sie entschließen sich zum dauernden Zusammenleben, ohne verheiratet zu sein, d. h. zur „wilden Ehe". Die sozialen und rechtlichen Unzuträglichkeiten solcher Verhältnisse, die Schutzlosigkeit jedes Partners vor der W i l l k ü r des anderen, die unerfreuliche Stellung der K i n der aus solchen Verhältnissen, all das ist allgemein bekannt. Alle nachteiligen Folgen der hinkenden Ehe kehren hier — und zwar vielfach verstärkt — wieder. Beide Partner sind gegeneinander rechtlich ungesichert, und zwar nicht nur i n bestimmten Fällen, sondern ganz und gar. Nicht nur der Heimatstaat des einen Partners verweigert ihnen jeden Rechtsschutz, sondern auch der Staat, i n dem sie leben und auch jeder andere Staat. Dazu droht beiden Ehegatten i n dem Staat, i n dem 82 Kegel Komm. Art. 13 Anm. 96; anders bei nur ausländischen Doppelstaatern. 83 A G Lübeck B. v. 7. 1. 1955 StAZ 1955 160. 84 So Rabel I S. 558 und Kegel - Lüderitz FamRZ 1964 S. 59 r. Sp. 85 a.a.O.; ebenso R. Lüderitz FamRZ 1966 S. 287.

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die erste Ehe rechtlich fortbesteht, Strafverfolgung, zwar nicht wegen Bigamie, aber wegen Ehebruch und wegen Konkubinat 8 6 . Die Stellung der Kinder ist noch unerfreulicher als bei den hinkenden Ehen: sie sind allseits unehelich, nicht einmal i n Deutschland, wenn auch nur hinkend, ehelich. Wilde Ehen sind i n jeder Hinsicht schlimmer als hinkende Ehen. Und doch ist die wilde Ehe oft der Ausweg der Verlobten. „Die Verweigerung der Eheschließung w i r d angesichts der Scheidung als „Formalismus" nicht verstanden und damit das eigene Gewissen zur alleinigen Bindung erhoben 87 ." Kegel und Lüderitz weisen darauf hin, daß in einigen Gerichtsentscheidungen klar zu erkennen sei, daß die Verlobten den Ausweg i n die Illegitimität beschritten hätten, als ihnen die Eheschließung verweigert wurde 8 8 . Die andere Möglichkeit für die Verlobten, die nicht heiraten dürfen, besteht darin, sich zu trennen. Sie ist kaum weniger unerträglich als die erstere. Besonders häufig w i r d dieser Ausweg auch nicht beschritten werden. Eher werden die Verlobten alle Wege versuchen, um doch noch zu einer Eheschließung zu kommen, und wenn sie dazu ein anderes Land aufsuchen müssen. Besonders häufig hilft den i n der Bundesrepublik geschiedenen Italienern oder Spaniern das dänische Standesamt Tondern. Denn dort können sie ohne Rücksicht auf das nach italienischem oder spanischem Recht bestehende Ehehindernis des bestehenden Ehebandes heiraten. Die Eheschließung von Tondern ist nach deutschem Kollisionsrecht zwar am italienischen (bzw. spanischen) Recht zu messen und danach bigamisch, aber die Folge ist nur, daß sie vernichtbar ist; sie ist nicht per se unwirksam 8 9 . Sie besteht also zunächst, so daß die Verlobten ihr Ziel erreicht haben, solange nicht i n Italien die Nichtigerklärung beantragt und ausgesprochen wird. Ist den Verlobten der Weg nach Tondern aus Unwissenheit oder auf Grund der äußeren Umstände versperrt und die wilde Ehe aus moralischen oder auch aus praktischen Gründen nicht möglich, dann müssen sie sich trennen. Die menschliche Problematik eines solchen Schritts ist so groß, daß w i r erhebliche Zweifel haben, ob das Gesetz ihn den Verlobten mit Rücksicht auf die Nachteile einer Wiederheirat zumuten darf. 86 Zur Strafbarkeit des Konkubinats, rechtsvergleichend, siehe Töbelmann in Materialien zur Straf rech tsreform Bd. 2 I I S. 170 ff.; für Italien vgl. Art. 559 ff. des Codice Penale. 87 Kegel - Lüderitz FamRZ 1964 S. 60 Ii. Sp. 88 a.a.O.; vgl. L G Weiden IPRspr. 1952/53 Nr. 104 und OLG München NJW 1963 2233. 89 Vgl. unten bei d).

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cc) Abwägung Man muß die Nachteile der Wiederheirat und die Schattenseiten des Heiratsverbots gegenüberstellen, um die sachlich gerechtfertigte Entscheidung zu erkennen. Sie heißt „Zulassung der Wiederheirat". Die Nachteile der Wiederheirat sind insgesamt, wie w i r gesehen haben, weder einzigartig noch ihrem Ausmaß nach stärker als i n vielen anderen Fällen zulässiger Eheschließungen. Die Schattenseiten des Heiratsverbots sind, w i r d der Weg der wilden Ehe eingeschlagen, erheblich stärker. Angesichts der Bewertung der Nachteile einer Wiederheirat kann den Verlobten jedoch auch nicht zugemutet werden, auf die Eheschließung i n ihrem angeblich eigenen, von Staats wegen erkannten und als höher bewerteten Interesse zu verzichten. Es mag sein, daß der Staat dann, wenn i m Regelfall eindeutig überwiegende Interessen der Allgemeinheit oder der Verlobten selbst gegen eine Heirat sprechen oder ein allgemein anerkanntes moralisches Verbot i m Wege steht, das Recht hat, eine Heirat zu verbieten. Hier jedoch kann eine solche Wertung der Sache nach nicht vollzogen werden und verbietet sich auf Grund der aus anderen Regeln des IPR erkennbaren Wertung der hinkenden Ehe durch den Gesetzgeber. Es ist daher ausschließlich Sache der Verlobten, das Für und Wider zu bewerten und zu entscheiden, ob sie die Risiken i n Kauf nehmen wollen. Es ist nicht die Aufgabe des Staates, sich durch das Eherecht zum Vormund der Verlobten aufzuschwingen. Seine Aufgabe ist es, durch die Behörden die Verlobten über die Rechtslage aufzuklären und ihnen die Konsequenzen ihres Entschlusses ganz klar vor Augen zu stellen 90 . Wenn aber die Verlobten die Risiken kennen und trotzdem eingehen wollen, ist es nicht Sache des Staates, sie vor ihren eigenen Entschlüssen zu schützen. Jeder ist für sich selbst verantwortlich, jeder ist seines Glückes eigener Schmied. Der Staat kann, solange nicht ganz klar weit überwiegende Gründe gegen die Wiederheirat sprechen, überhaupt nicht die Verantwortung dafür auf sich nehmen, daß seine Entscheidung gegen die Heirat besser und damit richtig ist. Das Denken des patriarchalischen Staates, der sich als Fürsorger seiner Bürger fühlte, gehört einer vergangenen Epoche an 9 1 . dd) Das Staatsangehörigkeitsprinzip Es mag scheinen, als ob das Ergebnis „Zulassung der Wiederheirat" m i t dem Staatsangehörigkeitsprinzip, so wie es in A r t . 13 I EGBGB sei90

Ficker FS Nipperdey I S. 313. Vgl. Dehner NJW 1963 S. 2310; vgl. auch Kegel - Lüderitz FamRZ 1964 S. 60 Ii. Sp. „Aufklärung, aber nicht mehr" ; für freie Entschließung der Verlobten auch R. Lüderitz FamRZ 1966 S. 287. 91

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nen Niederschlag gefunden hat, nicht i n Einklang zu bringen sei. Vor allem Gamillscheg hat den Standpunkt vertreten, das Staatsangehörigkeitsprinzip hindere uns, eine Eheschließung zuzulassen, die der Heimatstaat des Verlobten verbiete. So beschreibt er i n einer Urteilsanmerkung 9 2 die Unzuträglichkeiten einer hinkenden Ehe und schließt ab: „Alles besser als das! Nun w i r d man gleich beschwichtigend sagen, das sei nicht so schlimm und werde nicht so heiß gegessen; denn die neue Ehe spiele sich doch nur i m Inland ab. Aber dann ist die Anknüpfung der Ehefähigkeit an die Staatsangehörigkeit falsch, dann werfe man das Ruder herum und gehe zum Wohnsitzgrundsatz über." Kurz gesagt meint Gamillscheg, daß eine solche Ehe i n der Praxis gutgehen mag, daß aber das Staatsangehörigkeitsprinzip ihrer Zulassung i m Wege steht. Daß es ihm i m Grunde nicht um das Schicksal der Ehe, sondern um die Befolgung des Staatsangehörigkeitsprinzips geht, bestätigt Gamillscheg, wenn er vorschlägt, der hinkend geschiedene Verlobte solle sich i n Deutschland einbürgern lassen; dann könne die Nichtanerkennung der Scheidung i n seinem Heimatstaat übergangen werden 9 3 . Die Einbürgerung ändert an den sachlichen Problemen nichts; die Scheidung w i r d nicht nachträglich durch die Einbürgerung i n Italien wirksam oder auch nur anerkennungsfähig; infolgedessen ist die zweite Ehe auch jetzt bigamisch, von Nichtigerklärung, Strafverfolgung und Flucht des hinkend Geschiedenen aus der Verantwortung i n die alte Heimat bedroht. Das einzige, was sich ändert, ist, daß das Staatsangehörigkeitsprinzip in der Form, die Gamillscheg ihm hier gibt — „der Heimatstaat entscheidet über die Ehefähigkeit des Verlobten" —, nicht verletzt wird. Auch ein anderer Gedanke Gamillschegs muß als Ausdruck des Staatsangehörigkeitsprinzips verstanden werden: er meint, dem betroffenen ausländischen Verlobten gehe es nicht anders als seinen Landsleuten, die i n ihrer Heimat zwar von Tisch und Bett getrennt worden seien, aber dabei nicht ihre Wiederverheiratungsfähigkeit gewonnen hätten; daher habe der hinkend geschiedene Ausländer das Heiratsverbot hinzunehmen 94 . M i t anderen Worten: weil der Verlobte Italiener ist, darf er i n seinem Leben nur eine einzige Ehe schließen. Wenn diese Ehe i n Deutschland wirksam geschieden worden ist, hat das genau so wenig Bedeutung als wenn i n Italien eine Trennung von Tisch und Bett stattgefunden hat. Entscheidend ist, daß der Verlobte Italiener ist. Der Grundgedanke, von dem aus Gamillscheg zu dieser Auffassung des Art. 13 I EGBGB und des Staatsangehörigkeitsprinzips kommt, ist der Gedanke der übergeordneten Verteilung der Zuständigkeit 9 5 . „ W i r 92 93

JZ 1963 S. 22 f., S. 23. a.a.O. S. 25 Ii. Sp. 23. JZ 1963 S. 24 f.; vgl. auch FS Celle S. 73 f.

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unterwerfen die Ehefähigkeit unseres Türken seinem Heimatrecht vor allem deshalb, weil A r t . 13 I EGBGB uns das gebietet. Die Existenz unseres Kollisionsrechts ist der Ausdruck der Erkenntnis, daß, wer m i t anderen zusammenleben w i l l und muß, dem anderen auch seinen Platz belassen muß. Das gilt für Menschen wie für Staaten und für Rechtsordnungen. Es geht schon sehr weit, daß w i r unseren Bereich und damit den Bereich der anderen selber bestimmen — durch unsere Kollisionsnormen, i n casu den Staatsangehörigkeitsgrundsatz. Wenn w i r dies aber getan haben, so müssen w i r uns daran halten und nur dann von unseren selbstgesetzten Normen abweichen, wenn es nicht anders geht. . . . Es ist der Gedanke einer übergeordneten Verteilung der Zuständigkeit, der den Eingriff i n den Status des Ausländers als Ausnahme erscheinen läßt und deshalb . . . eng zu begrenzen befiehlt." Die Auslegung des A r t . 13 I EGBGB durch Gamillscheg ist u. E. unzutreffend. Das Staatsangehörigkeitsprinzip hat nicht die Bedeutung, die Gamillscheg i h m hier beilegt. Wenn das Forum und der Heimatstaat sich darüber einig sind, daß der Verlobte m i t seiner Braut verschwägert ist, dann ist es Sache des Heimatstaates, zu entscheiden, ob die Ehe deswegen verboten ist oder nicht. Seine Norm über das Eheverbot der Schwägerschaft w i r d angewendet. Wenn dagegen zwischen Forum und Heimatstaat schon i n der Frage keine Übereinstimmung besteht, ob der als Eheverbot i n Frage kommende Umstand gegeben ist, ob also die erste Ehe besteht oder nicht, dann besagt A r t . 13 I EGBGB und das Staatsangehörigkeitsprinzip nichts darüber, wem w i r i n dieser Frage Beachtung schenken: Allgemein gesprochen: Art. 13 I EGBGB und das Staatsangehörigkeitsprinzip verweisen auf das Heimatrecht des Verlobten i n abstracto, berufen die abstrakten Regeln über Ehefähigkeit und Eheverbote. Die von Gamillscheg beschworene übergeordnete Verteilung der Zuständigkeit besteht darin, daß über die Möglichkeit der Eheschließung i n einem i n Forum und Heimatstaat i m übrigen gleich beurteilten Sachverhalt das Heimatrecht entscheidet; so i n der Frage, ob Verschwägerte heiraten dürfen. Wenn aber schon der Ausgangssachverhalt i m Forum und i m Heimatstaat unterschiedlich beurteilt wird, dann sagt das Staatsangehörigkeitsprinzip nicht, welche Beurteilung hier zugrundezulegen ist. Die Frage, wie hier zu verfahren ist, ist i m EGBGB überhaupt nicht geregelt. Das Gesetz enthält eine Lücke, die w i r hier, bei der hinkenden Scheidung, wie bei der hinkenden Ehe und den anderen hinkenden Rechtsverhältnissen unter Beachtung der eigenartigen Zwischenstellung der Beteiligten zwischen den gegenläufigen Entscheidungen mehrerer Staaten so auszufüllen haben, wie es die Bedürfnisse der Rechtssicherheit auf der einen und der Fallgerechtigkeit auf der anderen Seite verlangen.

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W i r haben die Frage nach der Reichweite des Staatsangehörigkeitsprinzips bereits oben bei der Frage behandelt, ob Kinder aus hinkenden Auslandsehen ehelich sind. Dort ergab sich: sie sind ehelich, wenn die Ehe i m Wohnsitzstaat (domicil-Staat) der Eltern bestand; ob sie i m Heimatstaat des Vaters bestand, ist nicht von Bedeutung; das Staatsangehörigkeitsprinzip steht dieser Lösung nicht entgegen 96 . Das der Rechtswahl zugrundeliegende Staatsangehörigkeitsprinzip kann auch die Aufgabe, die Konflikte der hinkenden Rechtsverhältnisse befriedigend zu lösen, gar nicht erfüllen. Denn als Rechtswahlprinzip abstrahiert es soweit als irgend möglich: von den Umständen des Falles, von dem einzelnen Rechtsverhältnis und von der jeweiligen Rechtsfolge. Es bildet die Grundlage eines ganzen Kollisionsrechts. Die hinkenden Rechtsverhältnisse dagegen stellen bei jedem einzelnen Rechtsverhältnis und bei jeder einzelnen Rechtsfolge besondere Probleme und fordern daher eine Betrachtungsweise, die auf diese Besonderheiten eingeht. ee) Die Frage der Rechtskraft Einige Autoren leiten aus dem Verfahrensrecht, und zwar aus der Lehre von der Rechtskraft ein Argument für die Zulassung der Wiederheirat her. Die Gestaltungswirkung des deutschen Scheidungsurteils führe dazu, daß i m deutschen Recht die Ehe als aufgelöst betrachtet werden müsse; das gelte auch bei international gelagerten Sachverhalten. Z u einer Vorfrage komme es überhaupt nicht 9 7 . Dieser Gedanke ist, obwohl das Ergebnis u. E. richtig ist, zur Lösung des Problems nicht geeignet. Denn Rechtskraftwirkung und Gestaltungswirkung sind ihrem Ursprung nach Begriffe aus dem innerstaatlichen Prozeßrecht. Sie sind nach den Bedürfnissen des innerstaatlichen Rechtslebens gefaßt und definiert worden. Das innerstaatliche Rechtsleben kennt aber keine hinkenden Ehen, hinkenden Scheidungen und überhaupt keine Konflikte der A r t , daß ein Rechtsverhältnis i n verschiedenen Räumen teils besteht, teils nicht besteht. Es kennt keine internationalen Sachverhalte. Überträgt man Begriffe des innerstaatlichen Verfahrensrechts auf das internationale Verfahrensrecht, dann muß man Sorge tragen, daß dabei die besonderen Probleme desselben, etwa aus hinkenden Ehen und hinkender Ehefähigkeit, gebührend berücksichtigt werden. Ob die Rechtskraft- oder die Gestaltungswirkung des deutschen ScheidungsM

Vgl. Bes. Teil B. I I . 9. c).

® 7 Kegel - Lüderitz FamRZ 1964 S. 59 Ii. Sp. oben; ebenso Dehner NJW 1963 S. 2202, Göppinger FamRZ 1965 S. 12 r. Sp. und Dieckmann JuS 1966 S. 102 f. 10·

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Urteils so weit geht, daß der Geschiedene entgegen dem Willen seines Heimatstaates wiederheiraten darf, das kann erst entschieden werden, wenn die dabei i n der Sache auftretenden Schwierigkeiten, wie w i r es oben getan haben, erörtert und gewertet worden sind. Ist man dabei zur Ansicht gekommen, die Wiederheirat müsse erlaubt werden, dann kann man die Rechtskraft- oder Gestaltungswirkung i m internationalen Bereich entsprechend definieren. Nicht aber kann man umgekehrt den innerstaatlichen Begriff unverändert auf das internationale Verfahrensrecht übertragen und daraus deduktiv Lösungen ableiten. Wengler spricht von einer kollisionsrechtlichen Relativität des deutschen Scheidungsurteils 98 und t r i f f t damit genau den Kern der Sache — wenn w i r i h m auch i m Ergebnis bei der Wiederheirat nicht zustimmen können. Dieckmann 99 wendet für die unten 1 0 0 zu erörternden Fälle, i n denen eine nur hinkend geschiedene deutsche Frau einen Ausländer heiraten w i l l , i n dessen Heimatstaat ihre Scheidung nicht anerkannt wird, ein, zur maßgeblichen Zeit, der Rechtskraft des Scheidungsurteils, gebe es für die deutsche Frau, die sich von einem deutschen Gericht habe scheiden lassen, keinen „internationalen Sachverhalt". Dieser stelle sich erst später ein, wenn die Frau einen Ausländer heiraten wolle. Dann aber könne die Rechtskraft nicht mehr nachträglich m i t Rücksicht auf das Heimatrecht des Ausländers eingeschränkt werden. Der Schluß Dieckmanns enthält eine falsche Prämisse: Die Rechtskraft w i r d nicht nachträglich dadurch eingeschränkt, daß sich ein internationaler Sachverhalt ergibt, sondern ist von vorneherein auf nationale Sachverhalte beschränkt. Ihre Reichweite für internationale Sachverhalte unterliegt von vorneherein besonderen Regeln. ff) § 10 I I EheG Guggumos hat vorgeschlagen, das Problem der Wiederheirat dadurch zu lösen, daß man den heiratswilligen Ausländer einfach von der Beibringung des Ehefähigkeitszeugnisses befreit 1 0 1 . Daß dieser Weg, eine Anwendung einer Verfahrensvorschrift unter einfacher Umgehung des materiellen Rechts, nicht gangbar ist, ist mehrfach betont worden 1 0 2 . gg) Problemlösung durch Anpassung der Betroffenen Manche Autoren, die die Wiederheirat ablehnen, weisen darauf hin, daß die Betroffenen den harten Konsequenzen dieser Entscheidung oft 08

JZ 1964 S. 622. JuS 1966 S. 102 f. 100 S. 183 ff. 101 StAZ 1954 S. 2 ff. 102 Ferid JR 1955 S. 63 Fn. 9; Neumayer RabelsZ 20 (1955) S. 72.

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durch geeignete Anpassungsmaßnahmen entgehen können, nämlich durch Nachholung einer allseits der Anerkennung fähigen Scheidung, durch Einbürgerung vor der Eheschließung und durch Einbürgerung bei der Eheschließung. A u f die Möglichkeit eines zweiten Scheidungsverfahrens weist Gamillscheg h i n 1 0 3 . Das Verhalten des vormaligen Ehegatten des hinkend Geschiedenen w i r d regelmäßig einen Scheidungsgrund für eine zweite Scheidungsklage abgeben; denn der vormalige Ehegatte verhält sich nach der ersten Scheidung wie ein Geschiedener und hält sich nicht mehr an die Bindung durch die erste Ehe. Doch ist mit diesem Vorschlag in den meisten Fällen nichts zu erreichen, weil das Heimatrecht des hinkend Geschiedenen absolut scheidungsfeindlich ist. Eine Ausnahmeregel des Inhalts, daß die Wiederheirat zu verbieten sei, solange nicht der Verlobte den Nachweis erbracht habe, daß die hinkende Scheidung nicht mehr perfekt gemacht werden könne, verbietet sich wegen der damit verbundenen Komplizierung. Auch die Möglichkeit der Einbürgerung vor der Eheschließung w i r d vor allem von Gamillscheg betont. „Und wenn er sich seinem Heimatstaat nicht mehr verbunden fühlt, weil er etwa seit langem i m Inland ansässig ist, von einer Inländerin geschieden wurde und wieder eine Inländerin heiraten möchte, so w i r d es ihm i n der Regel möglich sein, durch Einbürgerung den Status eines Ausländers abzuschütteln und damit die volle Wiederverheiratungsfähigkeit zu gewinnen 1 0 4 ." Das hinter diesem Vorschlag erkennbar werdende Bestreben nach Abhilfe i m Einzelfall ist sehr zu begrüßen. Doch ist der Wert des Vorschlags zweifelhaft. Denn die Einbürgerung hängt nicht nur davon ab, daß der A n tragsteller die nötige äußere und innere Verbindung zum Forum hat, sondern auch davon, daß nicht öffentliche Interessen oder politische Gesichtspunkte des Forums i m Wege stehen. Von solchen Faktoren eine privatrechtliche Entscheidung abhängig zu machen, erscheint hier nicht gerechtfertigt. Dazu kommt, daß das Einbürgerungsverfahren oft Jahre dauert und daß gesetzliche Voraussetzung für die Einbürgerung fast immer ein Mindestaufenthalt von mehreren Jahren i m Inland ist. Auch diese Wartezeit erscheint bei der Wiederheirat von der Sache her nicht angemessen. I m Grunde werden bei diesem Vorschlag die Interessen der Beteiligten in übermäßiger Weise dem Bedürfnis nach formaler Ordnung geopfert. Denn daß sachlich die Probleme durch die Einbürgerung keineswegs geringer werden, haben w i r bereits dargelegt. 103

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JZ 1963 S. 23 f. und Fußnote 12. S C e l l e

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