Hermannstadt: Kleine Geschichte einer Stadt in Siebenbürgen
 9783412312732, 9783412051068

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Hermannstadt innerhalb d e r S t a d t b e f e s t i g u n g e n (mit Einträgen für das 16. bis 21. J a h r h u n d e r t ) 1 Evangelische Stadtpfarrkirche 2 Jakobskapelle 3 Laubenkirche 4 Jcsuitenkolleg (katholisches Stadtpfarramt) 5 Priesterturm und Ladislauskapelle 6 Kapitelshaus 7 Sagturm 8 Evangelisches Stadtpfarrhaus 9 Lügenbrilcke 10 Fleischerlauben (Schatzkästlein) 11 Vermutlich erstes Rathaus 12 Ratturm 13 Katholische Stadtpfarrkirche 14 Bodenkreditanstalt (Rathaus) 15 Zweites Rathaus, Priesterhof 16 Schule (Brukenthalgymnasium) 17 Stadttor der dritten Stadtbefestigung 18 Spitalskirche u n d Siechenhaus 19 Fingerlingsstiege 20 H a u s d e r Familie L u t s c h 21 L a n d h a u s (evangelisches Bischofspalais) 22 H a u s d e r Familie Haller 23 Haus d e r Familie H e c h t (Universitätshaus) 24 Sitz d e s Kommandierenden Generals 25 H a u s der Familie Frank von Frankenstein 26 Blaues Stadthaus 27 Brukenthalpalais 28 Altemberger-Haus (Altes Rathaus) 29 Dragonerwache 3 0 Dritte Ringmauer und Türme 31 Staatsgymnasium

32 Nationsarchiv (Staatsarchiv) 33 Gasthaus ..Römischer Kaiser" (alter Standort) 34 Reformierte Kirche 35 Orthodoxe Kathedrale 36 Orthodoxes theologisches Institut 37 Z e u g h o f ( K e m p e l k a s e r n e ) 38 Sagtor und Torbastei 39 Ledererturm 40 Burgertor u n d Torbastei 41 Kloster der G r a u e n N o n n e n 42 Elisabethtor 4 3 Elisabethkirehe u n d altes Franziskanerkloster 44 Synagoge 45 Salztor 4 6 Dominikanerkloster, später Ursulinenkloster 47 Kloster der DominikanerN o n n e n , später Franziskanerkloster 48 Hallerbastei 49 T i l r c h e n zum Friedhof 50 Dicker Turm (Stadttheater) 51 Wehrtürme Harteneckgasse 52 Torbastei, später städtische Kaserne 53 Heltauer Tor 54 Astra-Gebäude am SoldischPark 55 Evangelische Johanniskirche (u. Friedrich-Teutsch-Haus) 5 6 Soldisch-Bastei 57 Sagvorstadt. Konradwiese 58 Burgervorstadt, T h e r e s i a n u m 59 Alter Standort des Dominikanerklosters, jetzt Kreuzkapelle u n d Bahnhofsplatz 60 Elisabethvorstadt 61 Hallerwiese 62 Heltauer Vorstadt 63 Hermannsplatz 64 Josefvorstadt, Zitadelle

Maßstab ca. 1:8500 Dir Darstellung der Stadtbefestigunsan lagen entspricht nicht dem heutigen Erhaltungszustand.

Hermannstadt innerhalb der S t a d t b e festigungen

Harald Roth Hermannstadt

Harald Roth

Hermann Stadt Kleine G e s c h i c h t e einer Stadt in Siebenbürgen

2006 BÖHLAU VERLAG KÖLN WEIMAR WIEN

Für Charlotte und J o h a n n e s

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Umschlagabbildung: Rekonstruktionsversuch von Hermannstadt um die Mitte des 17. Jahrhunderts. Zeichnung von Radu Oltean nach Vorarbeiten von Alexandru Avram, Hermann Fabini und Paul Niedermaier (www.historyarts.ro). 2. Auflage 2007 © 2006 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Köln Ursulaplatz 1, D-50668 Köln Tel. (0221) 913 90-0, Fax (0221) 913 90-11 [email protected] Alle Rechte vorbehalten Gesamtherstellung: Freiburger Graphische Betriebe Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-412-05106-8

INHALT

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Vorbemerkung

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Von der Villa Hermanni zur reichen Handelsmetropole (ca. 1150-1526)

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Die Hauptstadt der Sächsischen Nation (1526-1614)

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Die bescheidene Stadt (1614-1687)

126

Die Landeshauptstadt (1687-1849)

167

Die moderne Stadt (1850-1918)

190

Von der vergessenen Provinzstadt zur europäischen Kulturhauptstadt (1918-2007)

219 222 223 225

Auswahlbibliographie Abbildungsnachweis Verzeichnis der Straßen, Gassen und Plätze Register der Personen und Orte

VORBEMERKUNG Statt eines ausfuhrlichen Vorwortes möchte ich dieser kleinen Stadtgeschichte Hermannstadts eine Bemerkung über Ortsnamen in alten mehrsprachigen Regionen vorausschicken. Es ist eine Stadtgeschichte von Hermannstadt, natürlich, nicht von Sibiu. Jeder Hermannstädter Rumäne würde sich doch sehr wundern, wenn in einer deutsch verfaßten Stadtgeschichte Sibiu stünde. In cazul in care a$ scrie in limba romänä, cu siguran^ä a§ folosi denumirea romäneascä a ora^ului, adicä Sibiu. Ε szöveg majdani magyar forditäsäban a väros neve nyilvän Szeben vagy Nagyszeben. Sin autem casu accidit, ut demus documentum lingua Latina conscriptum, nos quidem verbo »Cibinio« utemur. Die Ortsnamen wechseln in mehrsprachigen Gesellschaften je nach Sprache, die der Sprecher oder Schreiber benutzt. Hermannstadt hieß auf Rumänisch schon vor vielen Jahrhunderten Sibiu genauso wie es heute auf Deutsch noch immer Hermannstadt heißt. Nur die Aussprache mag sich verändert haben. Irgendwann ab dem ausgehenden 18. Jahrhundert haben verwirrte Verwaltungsbeamte in monokulturellen Hauptstädten offizielle Namensformen festgelegt - zur internen Arbeitserleichterung. Später wurde diese Praxis rechtsverbindlich und in vermeintlichen Nationalstaaten zum Politikum. Wo im 20. Jahrhundert vollständige Bevölkerungsaustausche vorgenommen wurden oder gar in Fallen, wo komplett neue Orte neben fast verschwundenen alten entstanden, wie etwa bei Königsberg und Kaliningrad, ist die Ortsnamenfrage gewiß anders zu betrachten - obwohl auch da kritisch nachzufragen wäre, ob man den heutigen Bewohnern nicht einen Teil der inzwischen eigenen Ortsgeschichte vorenthält, wenn man alte Namen bewußt ignoriert. Diese Problematik besteht in Siebenbürgen aber nicht. Mindestens über acht, neun Jahrhunderte existierten hier drei Sprachen nebeneinander - und sie werden bis heute gesprochen und mit ihnen werden die verschiedenen Ortsnamenformen benutzt. Schon die Achtung vor dem Nachbarn gebietet es, in dessen Sprache auch dessen Namensusus zu folgen. Nur den jeweils offiziellen Verwaltungsnamen zu verwenden, wie sich dies zumal in Deutschland und Österreich aufgrund eines schwierigen Verhältnisses zu einer schwierigen Geschichte und in Anwendung angeblicher Political Correctness herausgebildet hat, weist auf nicht vorhandenes Verständnis für Mehrsprachigkeit. Vorbemerkung

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Wer heute nach Hermannstadt kommt, wird eines Besseren belehrt werden. Die heutigen Hermannstädter haben keine Berührungsängste mit den alten Stadtnamen. Jene 95% der Stadtbewohner, in deren Muttersprache die Stadt Sibiu heißt, schreiben den deutschen Ortsnamen gerne dazu, ob auf dem Ortsschild, im Internet, auf Plakaten oder auf Kanaldeckeln. Und wer weiter durchs Land fahrt wird feststellen, wie häufig Ortsschilder mehrsprachig sind. Europa kann hier noch etwas lernen. Kurz ein Wort zu diesem Buch. Auch wenn es an zusammenfassenden Darstellungen zur Geschichte Hermannstadts einen gewissen Mangel gibt, so existiert doch eine Vielzahl hervorragender und teils umfangreicher Einzeluntersuchungen. Auf diesen baut die vorliegende kleine Stadtgeschichte auf. In der Reihenfolge der Geburtsjahre seien dabei genannt Georg Soterius, Johann Seivert, Georg Daniel Teutsch, Gustav Seiwert, Franz Zimmermann, Friedrich Teutsch, Emil Sigerus, Georg Adolf Schuller, Gustav Gündisch, Hellmut Klima, Paul Niedermaier, Hermann Fabini, Alexandru Avram, Konrad Gündisch, Angelika Schaser, Ulrich A. Wien - um nur einige herausragende Namen zu nennen. Ihnen gebührt ein wesentlicher Teil der Autorschaft. Und mein aufrichtiger Dank. Ich habe nur den Versuch einer knappen Synthese unternommen. Unterstützt wurde ich dabei vom Bundesbeauftragten für Kultur und Medien und vom Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte der Universität Jena, wofür ich beiden genauso danke wie dem Bühlau Verlag, der an diesem Buchvorschlag großes Interesse zeigte. Möge dieses Buch dem Leser Zugänge zu einer faszinierenden Vergangenheit eröffnen, deren Spuren heute noch an vielen Stellen der Stadt wie auch verstreut in der Welt wiederzufinden sind. H. R.

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Vorbemerkung

VON DER VILLA HERMANNI ZUR REICHEN HANDELSMETROPOLE (CA. 1 1 5 0 - 1 5 2 6 )

Es war nichts Ungewöhnliches, einen deutschen Dialekt im jungen Königreich Ungarn zu hören. Auch viele andere Dialekte hörte man hier, italienische, französische, wallonische, die Hochsprachen waren noch nicht ausgebildet. Der neue Staat gewann gerade Gestalt. Nachdem sich der ungarische Großfürst Geza zur Annahme des lateinischen Christentums entschloß, seinen Sohn Vajk um das Jahr 1000 auf den Namen Stephan taufen ließ und mit der Schwester des späteren römisch-deutschen Kaisers Heinrich II. verheiratete, konnte dieser beim Ausbau seines Reiches viel Hilfe gebrauchen: in Sachen der Verwaltung, bei der Ausbeutung von Bodenschätzen, in Handel und Handwerk, aber auch bei der Festigung des christlichen Glaubens seiner Länder und selbst bei der Landesverteidigung. So war es in den kommenden Jahrzehnten und Jahrhunderten ganz selbstverständlich, daß sich deutsche oder italienische Ritter oder Geistliche - der Heilige Gerhard etwa -, Bergbauleute oder Händler in Ungarn aufhielten und niederließen. Schließlich war es auch die Epoche der Kreuzzüge und nicht wenige der »Reiserouten« von Mittel- und Westeuropa nach Kleinasien führten im 11. und 12. Jahrhundert durch das sich allmählich nach Osten hin ausbreitende Ungarn: Es war ein durchaus gut bekanntes Land in der katholischen Christenheit jener Zeit, wenn auch an der Grenze zur »Wildnis« hin gelegen. Denn so wie die Vorfahren der Ungarn oder Magyaren gegen Ende des 9. Jahrhunderts von Asien her nach Europa drängten, so folgten etliche weitere turkstämmige Steppenvölker nach: Petschenegen, Kumanen, Jassen, um nur die wichtigsten zu nennen. Um sich gegen diese zu schützen und ihr Reich zu festigen, strebten die ungarischen Könige eine allmähliche Verlegung ihrer Grenzen bis zu dem burgartigen Karpatenwall hin an. Dabei warben sie sogenannte Grenzwächter an: Stammesverbände oder Völkerschaften, die sich für die Gewährung kollektiver Rechte und von Siedlungsraum an den jeweiligen Grenzen ansiedeln ließen und die Grenzverteidigung übernahmen. Das waren zum Beispiel die Szekler, die mit den Magyaren wohl schon aus Asien mitgewandert waren. Dann aber auch Teile der genannten Steppenvölker, die sich vor anderen nachrückenden Stämmen in Sicherheit bringen wollten und nun das Königreich Ungarn Von der Villa Hermanni zur Handelsmetropole

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selbst verteidigten. Jedenfalls bildeten die Karpaten nach Osten und Süden hin die natürliche Grenze zu einem - trotz wiederholter Versuche - nicht kontrollierbaren Raum, von dem kriegerische Bedrohung ausging. Der ungarische Landesausbau von Westen, also von der Pannonischen Tiefebene her erfolgte schrittweise: Nach Uberwindung der Gebirge im Westen des siebenbürgischen Hochplateaus wurden vereinfacht skizziert - auf einer Nord-Süd-Achse Burgen angelegt, von denen aus in östlicher Richtung die Komitate, Verwaltungseinheiten nach dem Vorbild der karolingischen Grafschaften, angelegt wurden. So erklären sich die Siebenbürgen streifenartig in West-OstRichtung durchziehenden alten Komitatsgrenzen. Bei diesem Vorgang wurden »Grenzverhaue« - dichte Wälder oder künstlich verdichtete Wildnisstreifen mit vorgelagerten wüsten Flächen - angelegt und allmählich nach Süden und Osten verschoben. Dabei kam es auch wiederholt zur Umsiedlung von Grenzwächtern, etwa der Szekler. Hatten diese im 11. Jahrhundert noch an den damaligen südlichen Grenzen gesiedelt, folgte nun deren Zuweisung ins Vorfeld der Ostkarpaten als der erreichten natürlichen Grenze. Der Süden hingegen, wo ebenfalls die Karpaten erreicht wurden, sollte einer neuen Siedlergruppe anvertraut werden. Nachdem offenbar schon früh, um 1100, erste Siedlungen westlicher hospites im Südwesten, am Fuße der Gebirge und unweit des Zentralortes Weißenburg bestanden, wohl noch in Nachbarschaft zu den Szeklern, nahm die Zuwanderung bis zur Mitte des Jahrhunderts in einem Maße zu, daß Planmäßigkeit hinter den Vorgängen vermutet werden muß. Die Vergabe eines größeren Territoriums im Süden, das von den Szeklern verlassen, also ein desertum und in der Verwaltung der Krone war, an westliche Siedler fallt jedenfalls in die Regierungszeit des Königs Geza II. (1141-1161), wie aus späteren Urkunden zweifelsfrei hervorgeht. Die erste urkundliche Nennung dieser »Gastsiedler« ist von 1186 überliefert, als sie bereits eine so ansehnliche Summe Steuern zahlten, daß sie der Erwähnung bei der Brautwerbung des ungarischen Königs am französischen Königshof wert war. Hospites, lateinisch fur »Gäste« oder besser »Eingeladene«, war der Begriff in den Urkunden jener Zeit für die Siedler aus Mittel-, Westund Südeuropa - was nicht hieß, daß sie nur vorübergehend zu Besuch waren. Es war vielmehr ein Terminus zur Bezeichnung der auswärtigen Herkunft und des in der Regel besonderen Rechtsstan4

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des dieser Personen, was in einer Zeit, in der nicht alle Menschen gleiche Rechte hatten, eminent wichtig war. In den Salz- und Edelmetallgebieten des westlichen und mittleren Siebenbürgen waren etliche, aber nicht zusammenhängende Hospites-Siedlungen meist deutscher Bergleute entstanden. Lediglich in Südsiebenbürgen kam es zu einer flächendeckenden Vergabe eines großen Territoriums, das nach seiner Auflassung als Grenzstreifen an den König gefallen war, im Norden aber eines kleineren Gebiets an eine Siedlergemeinschaft. Daraus leitet sich der Ausdruck fiindtis regius oder »Königsboden« für diese Territorien ab. Die Siedler kamen schwerpunktmäßig aus den linksrheinischen Gebieten des Heiligen Römischen Reichs - Elsaß, Lothringen, Luxemburg, Flandern - bis hin zur Kölner Gegend, doch sind auch andere Einflüsse, etwa baierische oder sächsische, auszumachen. In den Quellen tauchen sie zunächst oft als Flandrenses und Theutonici auf, doch schon bald setzte sich das zeitgenössische Stereotyp für westliche Siedler, Saxones, auch für sie durch, das auf das erfolgreiche Wirken sächsischer Bergleute und ihres Rechts im östlichen und südöstlichen Europa zurückging. Bis zum 13. Jahrhundert übernahm diese herkunftsmäßig sehr heterogene Gruppe den Begriff »Sachsen« auch als Eigenbezeichnung - übrigens ähnlich den im nördlichen Ungarn, der Zips, zur gleichen Zeit angesiedelten Hospites. Wie beim Landesausbau in den ostelbischen Herzogtümern kann man sich die Ansiedlung auch hier als von »Lokatoren« organisiert vorstellen, also von Anführern, die Kleinadlige oder Unternehmer sein konnten und die für ihre Siedlergruppe sorgten, eine Gemarkung ausmachten und diese nach einem strikten Plan in Gehöfte und gemeinsame Gründe aufteilten. Später vertraten diese Anführer und ihre Nachkommen die gegründeten Gemeinden, sorgten für die Wahrung ihrer ökonomischen, politischen und geistlichen Interessen. In manch einem der späteren Ortsnamen verbirgt sich der Name eines solchen Gründers, mitunter auch nur in der lateinischen oder ungarischen Form als der Urkundensprache. Sehr deutlich tritt uns so ein Gründer in den frühen Namen jenes Ortes entgegen, dem von Anfang an eine zentrale Funktion zukam: Hermann als der Gründer von villa Hermannt, Hermannsdorf, aus dem erst allmählich eine Stadt wurde. Als der Ort um 1150 gegründet wurde, könnte das etwa an der Stelle oder in der Nachbarschaft einer früheren Szekler-Grenzwächtersiedlung von etwa 1100 geschehen sein. Diese lag genauso wie die erste Von der Villa Hermanni

zur H a n d e l s m e t r o p o l e

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Hospites-Ansiedlung in der Aue des unweit verlaufenden Flusses, des Zibin, also im Bereich der späteren Unterstadt. Auf dem etwa 15 bis 20 Meter höher gelegenen Plateau, in der späteren Oberstadt, befanden sich jene kirchlichen Einrichtungen, die 1191 zur ersten urkundlichen Erwähnung des Ortes führten und zugleich seine zentrale Rolle unterstrichen: In diesem Jahr bestätigte Papst Coelestin III. die Selbständigkeit der Ecclesia Theutonicorum Ultrasilvanorum, also der Kirche der Deutschen Siebenbürgens, deren freie Propstei ihren Sitz in Cibinium hatte. »Frei« war sie deshalb, weil sie nicht dem Bischof im nahegelegenen Weißenburg, sondern dem Erzbischof im fernen Gran unterstand, und weil sie den besonderen Schutz der Krone genoß. König Bela III. hatte sie vorher bereits bestätigt, also muß sie in der Zeit zwischen 1172, seinem Regierungsantritt, und 1190 gegründet worden sein. Warum war es so wichtig, daß diese Propstei exemt, also aus der unmittelbaren regionalen Kirchenadministration des siebenbürgischen Bischofs herausgelöst war? Weil, wie wir noch genauer sehen werden, die Zusage des Königs an die Siedler auch die freie Regelung der eigenen kirchlichen Angelegenheiten implizierte und diese Propstei die Vorstufe fur ein späteres eigenständiges Bistum hätte bilden sollen. Neben dem Hermannstädter Kapitel umfaßte sie übrigens mit den Kapiteln Leschkirch und Schenk das erste und älteste Rechtsgebiet der späteren Hermannstädter Provinz, war also religiöser Bezugspunkt aller zur Zeit Gezas II. angesiedelten Hospites. Warum aber wurden diese zentralen Funktionen ausgerechnet an diesen Ort gebunden, obwohl doch einige Gründungen in der Nachbarschaft zunächst noch größer und kräftiger sein mochten? Der Grund muß in der Lage an der Kreuzung zweier Fernwege, sodann an der Nähe zum Zibin-Fluß und zu anderen Gewässern, schließlich an der guten Zugänglichkeit und Erreichbarkeit im Vorfeld eines Karpatenpasses liegen. Ob bereits der nur vermuteten Grenzwächtersiedlung eine zentrale Rolle zukam, wäre reine Spekulation. Uberhaupt läßt sich auf dem späteren Stadtgebiet keinerlei frühere Siedlung feststellen, die Hospites, ob nun vom legendären Hermann und seinen Nachkommen angeführt oder nicht, hatten einen breiten Gestaltungspielraum. Belege fur die von Anfang an übergeordnete Stellung dieses Ortes sind etwa in der großdimensionierten, jeden anderen Ort übertreffenden Gemarkung sowie in den kleinen, für Ackerbau wenig, für Handwerk und Handel aber gut geeigneten Parzellen von Hermannsdorf zu sehen beide Größen veränderten sich seit der Gründungszeit kaum. 6

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Ihre Gestaltungsmöglichkeiten wußten die deutschen Siedler durchaus zu nutzen, denn als ihre Rechte im Jahre 1224 von König Andreas II. im Goldenen Freibrief, dem Andreanum, zusammenfassend bestätigt wurden, wurde bereits ein etabliertes Hermannstädter Maß genannt, Märkte wurden erwähnt und Reisefreiheiten fur Kaufleute bestätigt. Somit hatte sich die Siedlung in den ersten rund sieben Jahrzehnten ihres Bestehens als Umschlagplatz und als Herstellungsstätte fur Waren, die nach einem klar definierten Hermannstädter Gewicht gehandelt wurden, gefestigt. Aber zur Rolle von Kaufleuten und Handwerkern sowie der Geistlichkeit der Propstei trat noch eine weitere herausragende Funktion: nämlich die als politischer Vorort der fideles hospites Theutonici Ultrasilvani, also der treuen deutschen Gastsiedler in Siebenbürgen, wie es im Andreanum heißt. König Andreas II. legte fest, daß alle anderen Grafschaften, also die mittleren Verwaltungsebenen, der Siedler aufgehoben werden und der Hermannstädter Grafschaft unterstellt sein sollten. Der vom König eingesetzte Hermannstädter Graf oder Comes sollte - unterhalb des Königs selbst - ihr einziger Richter sein, er stand der »Hermannstädter Provinz« vor. Diese erhielt somit den Rechtscharakter eines Komitats mit einem Gespan an der Spitze, war also von außen gesehen den Adelskomitaten durchaus vergleichbar, jedoch innen gänzlich anders organisiert. Was beinhaltete die »Hermannstädter Freiheit« des Andreanums von 1224, die zum Vorbild für andere Siedlergruppen im Königreich Ungarn werden sollten, und für wen galt sie? Zunächst sei daraufhingewiesen, daß es sich hier in den Grundzügen um Rechte handelte, die den Siedlern wohl bereits um 1150 von König Geza II. gewährt worden waren, die aber verlustig zu gehen drohten. Als Kernbestimmungen sind gewiß das freie Richter- und Priesterwahlrecht der Siedlergemeinschaften sowie der Ausschluß von Sonderrechten wie etwa jener des Adels auf ihrem Territorium anzusehen. Letzteres wurde durch die Eckpunkte im Westen (Broos) und Osten (Draas) klar definiert und es wurde verfügt, daß die Bewohner dieses Gebiets eine einheitliche politische Gemeinschaft sein, also einheitliches Recht besitzen sollten. Das »Hermannstädter Recht«, das persönliche Freiheit gewährleistete, wurde somit für die benachbarten Siedlergemeinschaften zum erstrebenswerten Ziel. Der Hermannstädter Graf, der übrigens nicht zwingend in Hermannstadt wohnen, sondern hier nur zu Gericht sitzen mußte, war nämlich nur dem König selbst verantVon der Villa Hermanni zur Handelsmetropole

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wortlich. Diese Königsunmittelbarkeit übertrug sich somit auf das gesamte Rechtsgebiet, wo kein anderes als das Gewohnheitsrecht der Siedler Geltung hatte. Diesem Grafen kam es übrigens auch zu - und das ist neben der politischen, geistlichen und wirtschaftlichen die vierte zentrale Funktion des Ortes -, im Kriegsfalle dem König mit 500 Bewaffneten beizustehen. Aus diesem Kontext ist der erste Hermannstädter Gespan bekannt, der 1210 als Anfuhrer des Kontingents der Sachsen, Szekler, Petschenegen und Wlachen auf einem Kriegszug nach Bulgarien begegnet. Mit 500 Silbermark (etwa 115 kg), an deren Aufbringung ausnahmslos alle Bewohner des Rechtsgebiets zu beteiligen waren, war die in Hermannstadt dem königlichen Boten jährlich - in der Regel am Martinstag (11. November) - zu übergebende Steuerlast fur die königliche Kammer nicht unbedeutend. Wenn diese Bestimmungen, die später zur Grundlage der sächsischen Verfassung werden sollten, im Laufe der Zeit auch manche Ergänzung erfuhren, so muß an dieser Stelle nachdrücklich auf die zentrale Rolle des Hermannstädter Gespans oder Grafen hingewiesen werden, um die spätere Rolle des Ortes in der sich herausbildenden »Sächsischen Nation« nachvollziehen zu können. Verschaffen wir uns noch einmal einen Uberblick über die Faden, die in der »villa Hermani«, wie Cibinium in einer Vorform des deutschen Namens 1223 erstmals genannt wurde, zusammenliefen: Die Kreuzung zweier Fernstraßen bot Verbindungen in alle vier Himmelsrichtungen. Die hier angesiedelte freie Propstei sicherte den Siedlern kirchliche Unabhängigkeit. Der Hermannstädter Graf, vom König eingesetzt, hielt hier Gericht für alle nicht auf lokaler Ebene lösbaren Rechtsfalle der Provinz. Er war der Heerführer bei Kriegsfolge, der Ort aber war namengebend für das geltende Recht des gesamten Gebiets der Siedler und fur die benutzte Maßeinheit. Es wurden hier also alle maßgeblichen Funktionen - administrativ, geistlich, militärisch, ökonomisch - für ein Rechtskollektiv auf einen Ort konzentriert, während in der zeitgleich mit überwiegend deutschen Hospites besiedelten Zips im nördlichen Ungarn mehrere nebeneinanderliegende Zentren angelegt wurden. Wie zentral unser Ort, Cibinium, auch gewesen sein mag, er wurde das ganze 13. Jahrhundert hindurch als Dorf bezeichnet und eine Beschreibung des Mongolensturms von 1241 gibt seine Einwohnerzahl mit 600 an - was für jene Zeit schon nicht mehr klein war. Die eigentliche Siedlung ist in der Unterstadt um den Platz der späteren 8

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Dragonerwache anzunehmen, befestigt vermutlich mit Wällen und Palisaden, wofür es jedoch keine verbindlichen Anhaltspunkte gibt. Die erste Dorfkirche wird an der Stelle der späteren Spitalskirche, etwas abseits des Ortskernes zum Hang hin gelegen, angenommen. Einige schwer deutbare Befestigungsreste im Bereich des Spitalshofes lassen auch eine Befestigung der Kirchenanlage vermuten. Unmittelbar oberhalb des Dorfes, auf der Anhöhe des Plateaus, entstand ein sakraler Bereich wohl mit der Errichtung der Propstei in den siebziger oder achtziger Jahren des 12. Jahrhunderts. Frühneuzeitliche Quellen nennen die Jakobskapelle, deren Reste sich heute in einem Wohnhaus nördlich der Stadtpfarrkirche, zum Kleinen Ring hin, finden, als erste Kirche Hermannstadts, doch finden sich für diese Hypothese bislang weder urkundliche noch archäologische Belege. Zur Propstei dürften jedenfalls eine kleine Basilika und einige andere Gebäude gehört haben. Diese werden schon um 1200 etwa in den Ausmaßen des heutigen Kirchhofs oder - wie eine andere Vermutung lautet - in der Form eines etwas kleineren Ovals eine erste Befestigung nach Art eines Kirchenkastells besessen haben. Diese muß zu diesem Zeitpunkt noch ganz überwiegend aus Holz und Erdwällen bestanden haben. Auch die Häuser, Werkstätten und Lager des Ortes muß man sich noch vollständig als Holzbauten in Block- oder Fachwerkbauweise vorstellen, schließlich bot das ausgesprochen waldreiche Gebiet und die eigene große Gemarkung genügend Baustoff. Baustellen fur Kirchen- und Klosterbauten in Stein, also Bauhütten, hatten um diese Zeit ihre Tätigkeit bereits aufgenommen, wenngleich in Hermannstadt selbst aufgrund späterer Uberformung keine romanischen Bauwerke erhalten geblieben sind. Ob es ein Haus des legendären Gründers Hermann wirklich gab, wie spätere Legenden berichteten, entzieht sich leider der historischen Erschließbarkeit. Interessant muß jedenfalls die Sprache gewesen sein, derer sich die aus verschiedensten Ecken der deutschen Länder hier zusammenkommenden Siedler bedienten. Denn Latein war bestenfalls fur den Klerus ein Kommunikationsmittel und die »sächsische Landsprache« als Lingua Franca hatte sich erst Generationen später herausgebildet. Der Propst der freien Hermannstädter Propstei dürfte zumindest in den ersten Jahrzehnten nach deren Gründung im Ort selbst keine herausragende Rolle gespielt haben. Er war nämlich meist auch Kanzler oder Vizekanzler des ungarischen Königs, an dessen Hof er sich somit aufgehalten haben muß. Uber die Geistlichen, die das PropVon der Villa Hermanni

zur Handelsmetropole

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steikapitel bildeten, wissen wir nur wenig, aber die vorhandenen Hinweise deuten darauf, daß auch sie als Plebane, also Ortspfarrer, an verschiedenen Orten der Nachbarschaft tätig waren. Somit war nicht eigentlich das Wirken des Propstes, sondern das Bestehen einer Propstei und somit einer unabhängigen Kirchenorganisation das entscheidende Faktum. König Andreas II. aber versuchte, diese Stellung noch auszubauen, übrigens zeitlich parallel zur Verleihung des Burzenlandes an den Deutschen Orden: 1211/12 wollte er die Hermannstädter Propstei zu einem Bistum erheben, um die Siedlergemeinschaft noch stärker an die Krone zu binden. Doch der siebenbürgische Bischof setzte sich mit Erfolg dagegen zur Wehr, bis selbst der Papst die Bistumsgründung ablehnte. Der Bischof in Weißenburg vereitelte dabei auch, daß sich die Exemtion der Propstei auf mehr als nur die ursprünglichen drei Stühle Hermannstadt, Leschkirch und Schenk, also des frühesten Rechtsgebiets unter König Geza II., ausdehnte. So kam es, daß die Geistlichen und Kapitel in späteren Jahrhunderten selbst innerhalb des einheitlichen Rechtsterritoriums der Sieben Stühle zwei unterschiedlichen Bischöfen unterstellt waren, die einen dem Erzbischof in Gran, die anderen dem Bischof in Weißenburg. Die Vorortfunktion von Hermannsdorf war während der ersten rund eineinhalb Jahrhunderte nach der Gründung allerdings nicht unangefochten. Das nur wenige Meilen südlich benachbarte Heitau konnte es von seiner Bevölkerung und Wirtschaftskraft her gut mit dem prominenteren Cibinium aufnehmen. Dennoch waren diesem sowohl Heitau wie auch alle anderen jungen Siedlungen des Umlandes nachgeordnet. Schon aus der Bestätigung der freien Propstei von 1191 wissen wir, daß sie für die späteren Landkapitel Hermannstadt, Leschkirch und Schenk galt. So können wir annehmen, daß sich schon während des Ansiedlungsprozesses ein relativ klar umrissener Verwaltungsbereich, also die ursprüngliche Grafschaft, herausgebildet hatte. Ein Stuhl, ein politischer Verwaltungs- und Gerichtsbezirk, genauso wie ein Kapitel, das die gleiche Funktion in kirchlicher Hinsicht hatte, mit Namen Cibinium werden beide ausdrücklich erst im Jahre 1302 erwähnt. In jedem Falle wurde und wird die Region nach dem Ort benannt, ein umfassender Regionalname wie etwa beim Burzenland, Nösnerland oder dem Unterwald kam hier nicht auf. Die Gründung der den späteren Hermannstädter Stuhl bildenden über 20 Orte dürfte zeitgleich mit jener Hermannstadts um 1150 oder bald danach anzusetzen sein, so daß von Anfang an ein breites Umfeld 10 Hermannstadt ca. 1150-1526

bestand, das wiederum eine wesentliche Voraussetzung fur die Entwicklung eines Zentralortes war. Dieses Umfeld weitete sich ab 1224 insoweit zusätzlich aus, als die administrative und richterliche Zuständigkeit von Hermannsdorf nun für das ganze Komitat galt. Diese flächenmäßig breit angelegte und rechtlich vereinheitliche Siedlung sollte sich bald bewähren müssen. Siebenbürgen gehörte nämlich 1241 wie das ganze östliche Mitteleuropa zu den Zielregionen der von den Mongolen angeführten asiatischen Kriegernomaden. Hermannsdorf war offenbar bereits so bekannt, daß es am 11. April 1241 gezielt angegriffen wurde. Die Folgen dieses »Mongolensturms« waren hier wie in der ganzen Umgebung im wahrsten Sinne des Wortes verheerend: Dezimierung der Bevölkerung, Zerstörung des Baubestands und der kultivierten Flächen. Das gesamte Aufbauwerk war um Jahrzehnte zurückgeworfen worden. Einzeln liegende HospitesGründungen wie etwa Bergbauorte, die kein unmittelbares Umfeld besaßen, konnten sich nach dieser Katastrophe oft nicht mehr erholen und gingen gleich oder allmählich unter oder veränderten ihren Status und ihre Bewohnerschaft. Bei den Orten im Hermannstädter Komitat oder, wie es bald heißen sollte, in der »Hermannstädter Provinz« sowie den benachbarten deutschen Gründungen setzte nun eine nachhaltig wirkende Binnenmigration ein, also eine Neuaufsiedlung der meisten verheerten und zerstörten Orte aus solchen, die im Frühjahr 1241 nicht so hart getroffen worden waren. So war auch gegenseitige Unterstützung möglich und die weitere Durchmischung der Siedler - aus Mitteleuropa kamen bestenfalls noch vereinzelte Gruppen nach - wird zum Entstehen einer relativ einheitlichen Volkssprache wesentlich beigetragen haben. Es gab allerdings auch etliche Orte, die nach 1241 einfach verschwanden und an die bestenfalls noch überlieferte Flurnamen erinnern. Andere Orte wieder wurden zusammengelegt, so wie das für zwei benachbarte Siedlungen bei Heitau angenommen wird, oder sie wurden an anderer, sicherer Stelle wieder aufgebaut. Auch Hermannsdorf begann, seinen Schwerpunkt zu verlagern: Befand sich bis zu diesem Zeitpunkt auf der oberen Ebene mit großer Wahrscheinlichkeit lediglich der sakrale Bereich, so wurde dieser nun nicht nur durch neue, steinerne Befestigungen verstärkt, sondern durch einen weiteren, bauhistorisch zweiten Mauerring ergänzt. Dieser verlief, vom Kirchhof ausgehend, entlang der Grenzen des späteren Kleinen Rings. Sowohl der Verlauf dieser Burganlage wie Von der Villa Hermanni zur Handelsmetropole

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auch deren Zugänge und Türme sind bis heute gut erkennbar: Im Uhrzeigersinn von der Kirchhofsbefestigung ausgehend folgte ein Torturm über der Auffahrt von der Unterstadt in die Burg - kurz unterhalb der heutigen »Lügenbrücke« - gewiß als zentrales Tor zwischen dem alten Marktplatz an der Kreuzung BurgergasseElisabethgasse und der neuen Befestigung. Nach einem weiteren Mauerstück entlang der Böschung folgte ein weiterer Torturm mit Aufgang von der Unterstadt, nämlich der Turm über dem Fingerling, dessen Reste heute in die Häuser, die den Aufgang überwölben, integriert sind. Wo jetzt die Bürgerhäuser mit den freigelegten Laubengängen zu sehen sind, müssen wir uns die Burgmauer vorstellen, die unterbrochen wird von einem weiteren Turm, seit Jahrhunderten als Ratturm bekannt. Seinen Namen erhielt er von dem ersten Hermannstädter Rathaus, das sehr wahrscheinlich an Stelle des bis heute aus der Häuserfront links des Turmes - vom Kleinen Ring her gesehen - vorspringenden Gebäudes stand. Seine Torfunktion hat dieser Turm bis heute bewahrt, doch folgten noch weitere Zugänge zur Burg: Nach einem Mauerstück, das die Sicherung zum späteren Großen Ring (an Stelle des heutigen katholischen Stadtpfarramtes und der katholischen Stadtpfarrkirche) bildete, folgte ein weiterer, heute verschwundener Torturm - man wird ihn sich an der Stelle des katholischen Kirchturmes vorzustellen haben, in dessen offenem Bogen sich die alte Torfunktion erhalten hat. Die Entfernung zu jenem Eckturm, der noch zum Kirchenkastell gehörte, dem erst 1898 abgerissenen Priesterturm (zwischen Huetplatz und späterer Fleischergasse), war nur mehr kurz. Ob im Anschluß an den Priesterturm bereits im 13. Jahrhundert eine Kirche stand, womöglich gar die Propsteikirche selbst, die bewußt in den Mauerverlauf einbezogen wurde, bleibt offen, selbst wenn in der ältesten erhaltenen Grundrißzeichnung von Georg Soterius ausgerechnet diese Kapelle eingetragen ist. Jedenfalls läßt sich die weitere Form der inneren Mauer des alten Teils der Burg, des Kirchenkastells, noch heute gut erkennen: an der Vorderseite des heutigen Schulgebäudes entlang bis zur Ecke, wo das Kapitelsgebäude auf die Mauer aufgesetzt wurde, sodann oberhalb der heute sogenannten Pemfflingerstiegen. Das noch heute stehende Türmchen mit einem Durchgang zu den Treppen zur Saggasse schließlich geht auf einen der frühesten Verteidigungstürme zurück, der zugleich den Verbindungsweg zu dem unmittelbar darunter liegenden Hospital bildete. Nach einem wei-

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teren Mauerstück über dem Abhang folgte das der Mauer nach außen hin, gegen die Unterstadt zu vorgebaute Wohnhaus der Geistlichen, das selbst Verteidigungsfunktion übernehmen konnte. In den Untergeschossen des heutigen evangelischen Stadtpfarrhauses finden sich noch Reste dieser Vorgängerbauten. Bis zum Torturm zwischen Burgergasse und Kleinem Ring verblieb nur noch ein kurzes Mauerstück. Die Mauern waren in der Regel doppelt angelegt, so daß Zwinger unterschiedlicher Breite entstanden und die Türme meist zwischen den beiden Mauerringen zu stehen kamen. Dies sollte für die weitere bauliche Entwicklung wichtig werden. Anhand der vogelperspektivischen Rekonstruktion auf Seite 83 oder auf der Vorderseite des Umschlags dieses Büchleins läßt sich die gerade skizzierte Burganlage annährend nachvollziehen, wenn auch für einen späteren Zeitpunkt. Innerhalb dieses vergrößerten Burgbereichs verlor der innere Teil des alten Kirchenkastells seine Funktion. So konnten sich hier allmählich andere Gebäude, meist Wohnhäuser anlagern, deren Lage den früheren Mauerverlauf noch heute gut erkennen läßt. Ein auf diesem Abschnitt liegender Rundturm im Osten des heutigen Kirchenchors diente wohl noch einige Zeit als Wachtturm, dann als Beinhaus fur den auf dem Kirchhof über Jahrhunderte hin bestehenden Friedhof und verschwand erst im 18. Jahrhundert vollständig. Die beschriebene Form erreichte die Burg in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Somit war der dominante, heute nur noch an spärlichen Resten erkennbare Baustil jener der Romanik. Diese Burganlage ist übrigens keinesfalls als Stadtbefestigung zu verstehen, sondern primär als eine Fliehburg für die nach wie vor unterhalb befindliche Siedlung sowie für die allmählich auch auf dem oberen Plateau entstehenden Gassen. Es war dies eine zeittypische Erscheinung, ähnlich besaßen die Kronstädter eine Fliehburg auf der Zinne, kleinere Orte bauten sich gemeinschaftlich solche Burgen an zentraler Stelle. Im befestigten Bereich befanden sich neben den sakralen Einrichtungen zunächst wohl nur Gebäude der politischen Gemeinde wie ein Rathaus oder die Gerichtsstätte. Der Versammlungsort der Einwohner für gemeinschaftliche Angelegenheiten dürfte von aller Anfang an der benachbarte Friedhof um die Kirche gewesen sein. Die Verbindung zwischen dem Kleinen Ring und dem Platz um die Kirche sicherte ein Weg zwischen dem Burgtor zur Unterstadt (anstelle der heutigen Lügenbrücke) und der Jakobskapelle, ein bis heute im »Schusterloch« erhalVon der Villa Hermanni

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tener Durchgang und schließlich ein enges Gäßchen seitlich des Priesterturms. Die Burganlage war aber keineswegs die einzige Baustelle nach 1241. Desgleichen wurde an einer der Heiligen Muttergottes geweihten romanischen Basilika, der Marienkirche, auf dem Kirchhof sowie an einer ganzen Reihe anderer Kirchen und Klöster gebaut. Schon vor dem Mongolensturm bestanden mehrere geistliche Einrichtungen. Zunächst setzte die Begründung einer Propstei, die für ein größeres Gebiet zuständig war und die beinahe zu einem Bistum geworden wäre, eine ausreichende Zahl fähiger Geistlicher, geheiligter Gebäude sowie deren Existenz sichernden Besitz voraus. Darüber hinaus wissen wir aber noch von der Existenz zumindest zweier Ordensniederlassungen: 1235 wurde ein Prämonstratenserinnen-Kloster erwähnt, das nach dem Mongolensturm genauso wie jenes in Kronstadt vollständig verschwand. Darüber hinaus wurde 1241 das Kloster der Dominikaner-Predigermönche niedergebrannt. Diese setzten ihr Wirken später aber fort und bauten ihr Kloster am Rande der damaligen Stadt gegen Hammersdorf zu mit der Heilig-KreuzKirche wieder auf. Es stand etwa an der Stelle der kleinen Heiligkreuzkapelle vor dem heutigen Bahnhof. In die Zeit vor den Mongolensturm weist auch das Hospital mit Spitalskirche am Abhang unterhalb des Kirchenkastells, wenngleich diese erst in einer Urkunde von 1292 erstmals ausdrücklich erwähnt werden. In jenem Jahr jedenfalls übergab die Vertretung der Hermannsdorfer Gemeinschaft - Richter, Geschworene und die ganze Gemeinde - das Hospital mit allem Zubehör an die »Kreuzträger vom Orden des Heiligen Geistes«, die hier ihrer karitativen Aufgabe zur Pflege von Armen, Kranken, Gebrechlichen und Fremden nachkommen sollten. Doch das Hermannsdorf des 13. Jahrhunderts kannte noch mehr geistliche Gemeinschaften: Von dem Orden der geringen Brüder, den Minoriten oder Franziskanern, erfahren wir erst aus einer Urkunde aus dem Jahre 1300, doch müssen sie damals bereits seit längerer Zeit im Ort gewesen sein. Sie bauten gerade an ihrer der Heiligen Elisabeth geweihten Kirche. Deren Bauzeit erstreckte sich offenbar über das ganze 14. Jahrhundert, ihre Ausmaße müssen beträchtlich gewesen sein. Neben der Kirche befand sich das Kloster. Die Franziskaner, die zu der 1235 heiliggesprochenen Elisabeth von Thüringen - einer Tochter König Andreas' II. - eine besondere Beziehung hatten, gaben solcherart der Gasse wie auch später dem Stadttor in der Unterstadt ihre Namen. 14

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Neben der Propstei, der unter anderem Klein- und Großpropstdorf gehörte, hatten sowohl die Dominikaner wie auch die Franziskaner grundhörige Besitzungen an verschiedenen Stellen des deutschen Siedlungsgebietes. Auf die Frömmigkeit der Bewohner, auf fromme Stiftungen oder Bruderschaften weist noch manch alte Bezeichnung hin, auch weitere Kapellen dürften spätestens in dieser Zeit des Ubergangs zum Spätmittelalter entstanden sein. Die Ladislauskapelle und die Jakobskapelle befanden sich am Rande des Kirchhofs, oder besser: des Friedhofs, wie es damals hieß. Allerdings hat die neuere Forschung eine Verwechslung des Volksmunds richtig gestellt, so daß wir in der 1898 abgetragenen Kirche im Süden des Kirchhofs die Ladislauskapelle und in dem heute in ein Wohnhaus an der Ecke zur Lügenbrücke hin umgewandelten Kirchlein die Jakobskapelle sehen müssen. Wann die Ladislauskapelle das Patrozinium, also die Schutzherrschaft des Heiligen Ladislaus erhielt und ob ein Zusammenhang zwischen Kapelle und freier Propstei bestand, die ebenfalls wohl im Laufe des 13. Jahrhunderts diesem zunehmend populär werdenden Landesheiligen geweiht wurde, ist nicht eindeutig zu erschließen, wenngleich eine Verbindung naheliegt. Wo die Stephans- und die Nikolauskapellen standen und ob es sich bei diesen Gotteshäusern etwa um Patroziniumswechsel bekannter Kirche oder um Seitenkapellen der Marienkirche handelte, ist heute nicht mehr auszumachen. Jedenfalls muß man sich das zunehmend städtischen Charakter erlangende und sich auf beiden Ebenen ausweitende Hermannsdorf um 1300 als einen ganz in die katholische Religiosität einbezogenen Ort vorstellen, wo neben Kirchen, Klöstern, Mönchen, Nonnen und Priestern auch Prozessionen, Bethäuser, Kruzifixe und Heiligenstandbilder zum öffentlichen Bild gehörten. Nichtkatholische fanden zu dieser Zeit noch keine Erwähnung. Bald nach der Jahrhundertwende wurde 1309 mit Pleban Georg übrigens auch erstmals ein Ortspfarrer namentlich erwähnt. Freilich muß es solche schon seit Generationen gegeben haben, denn das Priesterwahlrecht gehörte zu den wichtigsten Bestandteilen der Siedlerrechte, die im Andreanum 1224 bestätigt wurden. Die dem Erzbistum Gran direkt unterstehenden Pröpste hatten andere Aufgaben und wurden vom König eingesetzt. Wer aber die Rechtsträger, also die Wahlberechtigten waren, läßt sich für diese Zeit nicht mit Gewißheit sagen. Vom Grundsatz her waren es erwachsene, unbescholtene MänVon der Villa Hermanni zur Handelsmetropole

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ner, die Haus und Hof besaßen. Doch hat sich schon früh, wohl im ersten Jahrhundert nach der Ansiedlung, eine Einschränkung herausgebildet. Demnach waren nur die besonders wohlhabenden oder einer Gräfenfamilie entstammenden Männer cives, also Vollbürger, während die Masse der Einwohner als Hospites kein unmittelbares Wahlrecht besaß, wohl aber durch zunehmenden Wohlstand oder Einheirat zu Cives werden konnten. Zu den wichtigsten Rechten dieser Vollbürger gehörte weiterhin die Wahl der Ortsrichter. Für Hermannsdorf erhalten wir mit der schon erwähnten Urkunde über die Verleihung des Hospitals von 1292 erstmals Einblick in die politische Verfassung der Gemeinde: indices, iuratiac tota communitas villae Cybiniensis, also die Richter, Geschworenen und die gesamte Gemeinde von Hermannsdorf urkundeten hier, was auf ein ausdifferenziertes Gemeinwesen hindeutet. Wenn wir aus späteren Zeiten, aus denen wir zahlreichere Nachrichten über die Stadtverwaltung besitzen, rückschließen dürfen, versammelten sich die rechtsfähigen Bewohner einmaljährlich sehr wahrscheinlich auf dem Friedhof, um die Geschworenen - wohl schon damals zwölf an der Zahl - und einen oder manchmal auch zwei Richter zu wählen. Diese führten dann für die Dauer eines Jahres die Amtsgeschäfte. Gemeinsam bildeten sie den Rat des Ortes. Gleichzeitig aber spielten Bewohnerschaft und Rat auch eine wichtige Rolle für den »Stuhl« Hermannstadt, der 1302 erstmals erwähnt wurde und wohl die Vorform des erst nach 1324 offiziell eingerichteten Hauptstuhles Hermannstadt oder auch die im Alltagsbewußtsein und der Alltagspraxis noch bestehende erste Grafschaft der Gründungszeit war. Noch aber waren die comites, die vom König eingesetzten Gespane oder Grafen, die obersten Beamten der »Hermannstädter Provinz«. Zwei dieser Comites, die sächsischen Gräfen Blavuz und Henning - denn inzwischen hatte sich der Begriff »Sachsen« für die Deutschen Siebenbürgens etabliert -, setzten sich 1317 fur eine Bestätigung der Rechte des Andreanums von 1224 ein. Diese schienen abermals gefährdet, wohl durch die vom König ernannten Hermannstädter Gespane, die oft aus dem Komitatsadel oder selbst aus dem Hochadel kamen, oder wegen des nach dem Aussterben des Königshauses der Arpaden lange Zeit unsicheren und schwachen Königtums. König Karl I. Robert bestätigte die Grundrechte der Sachsen »für die Gesamtheit der Sachsen von Chybinium und des dazugehörigen Stuhls«, womit die ganze Provinz gemeint gewesen sein wird. Allerdings hatten die Hermannstädter und die

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Sachsen mit diesem König aus dem Hause Anjou, das aus dem Thronstreit als Sieger hervorging, auch ihre Schwierigkeiten. Um den Thron stritt nämlich auch Otto von Wittelsbach, der 1306 Hermannsdorf besuchte und den dessen Einwohner explizit unterstützten. Ob sich ihre Fürsprache mit Ottos deutscher Herkunft erklären läßt, wie einige Quellen suggerieren, bleibe dahingestellt. Jedenfalls mußten sie sich später mit König Karl abfinden, dem andererseits durchaus daran gelegen sein mußte, eine gute Beziehung zu den Sachsen zu pflegen. Diese traten nämlich nicht nur immer häufiger als die Gesamtheit der Sachsen von Cibinium und der dazugehörigen Gebiete auf, sondern wurden auch immer wohlhabender und immer selbstbewußter. Seit 1308/09 führten sie einen Zehntprozeß gegen den siebenbürgischen Bischof, den sie vorher schon durch bewaffnete Überfalle eingeschüchtert hatten. Und schließlich betrieb Karl Robert, selbst aus Italien kommend, eine bewußte Städteförderungspolitik. Er ließ den Bergbau wieder intensivieren und schuf den ungarischen Gulden (Florin) als wertbeständigste europäische Währung des Mittelalters. Als der neue siebenbürgische Woiwode Thomas Szechenyi ab 1320 mit den unsicheren Verhältnissen in Siebenbürgen nach den Thronwirren aufräumen und - 1323 auch Comes der Hermannstädter Provinz geworden - die Sachsen in ihre Schranken weisen wollte, griffen diese 1324 unter der Führung des Gräfen Henning von Petersdorf zu den Waffen. König Karl Robert konnte den Aufstand der Sachsen erst mit Hilfe seiner kumanischen Truppen niederschlagen. In der Folge wurden die Komitate der Sachsen wie wohl auch jene der Szekler im Rahmen einer Verwaltungsreform 1325-1329 neu organisiert: Die Hermannstädter Provinz als das Kernstück des vom König verliehenen und rechtlich unmittelbar und nur diesem unterstehenden Gebiets, des Königsbodens also, wurde in sieben (Gerichts-)Stühle sowie den Hauptstuhl Hermannstadt gegliedert. Jeder Stuhl erhielt einen vom König ernannten Königsrichter sowie einen von der Stuhlsversammlung gewählten Stuhlsrichter aus den eigenen Reihen. Die gesetzmäßige Vorrangstellung hatte dabei der Königsrichter des Hauptstuhles Hermannstadt. Es war der erste der eigentlich acht sogenannten »Sieben Stühle« Schäßburg, Mühlbach, Schenk, Reußmarkt, Reps, Leschkirch und Broos. Dem in die Stadtadministration zunehmend stark eingebundenen Hermannstädter Grafen, Comes Saxonum, kam die Vertretung der Gesamtheit der Sachsen zu, im Kriegsfalle war er deren Von der Villa Hermanni

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Heerführer. Im wesentlichen scheinen sich die Könige in den folgenden Jahrzehnten an den Usus gehalten zu haben, zu Hermannstädter Königsrichtern nur Sachsen selbst zu ernennen. In Hermannstadt kam es allmählich zu einer nachträglich nur schwer durchschaubaren Personalsituation in der Führung der Stadt wie auch der Sieben Stühle. Diese bildeten der Comes, also der ernannte Königsrichter, dann der gewählte Stuhlsrichter, der Stadthann als Leiter der Verwaltung und spätestens seit 1366 auch der Bürgermeister. Diese vier Oberbeamten wechselten oft nur die Amter, bekleideten mehrere gleichzeitig oder teilten sie sich. Entscheidend festzuhalten aber ist, daß den stimmberechtigten Vollbürgern der Stadt ein enormes Gewicht zufiel, da sie die Stadtführung und direkt oder indirekt auch den Stadtrat bestimmten, dem zwischen den Zusammenkünften der Stuhlsvertretungen die Verwaltung und Leitung der gesamten Sieben Stühle zukam. Die Oberbeamten kamen in aller Regel aus dem Stadtrat, dem zwölf »geschworene Bürger« angehörten. Weshalb sprechen wir nun zunehmend von »Stadt«? Weil auch in den Quellen seit dem Beginn des 14. Jahrhunderts dieser Begriff civitas (erstmals 1322), oder die schon erwähnten Vollbürger, die universitas civium (1321, 1322) immer häufiger auftritt - auch wenn ausdrückliches Stadtrecht wohl erst ab der Mitte des Jahrhunderts angenommen werden kann. Irgendwann in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhundert wird auch der heutige deutsche Name Hermannstadt in Gebrauch gekommen sein, erstmals finden wir ihn erst 1401 urkundlich belegt. Davor hat der Ort im Deutschen Hermannsdorf geheißen. Das können wir nicht nur aus der Rückübersetzung von »villa Hermanni« und in Analogie zu den zeitgleich unmittelbar benachbart gegründeten Neppendorf (villa Epponis) und Hammersdorf (villa Humberti) schließen, sondern auch aus der Überlieferung einer Notiz der Echternacher Klosterbibliothek zum Mongolensturm von 1241, wo ausdrücklich Hermannstorf erwähnt wird. Im ersten Stadtsiegel, wohl ab den 1350erJahren in Benutzung, steht »villa Hermanni«. So muß die Umstellung auf Hermann-Stadt ganz bewußt erfolgt sein, und zwar zu einem Zeitpunkt, als der Ort so eindeutig zur Stadt wurde und fast allen anderen sächsischen Orten und Städten als Gerichtsinstanz übergeordnet war, daß von einem Dorf zu sprechen den Stadtoberen nicht mehr würdig genug erschien. Daraus könnte sich auch die über die Jahrhunderte hin wiederkehrende Eigenheit erklären, den Ortsnamen mit dem bestimmten Artikel zu verwenden. 18

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Im übrigen nennt auch Soterius zu Beginn des 18. Jahrhunderts als alten deutschen Namen ausdrücklich HerrmannsdorfF, so daß wir annehmen können, daß diese Namensform zumindest im 17. Jahrhundert noch erschließbar war. In den Quellen aber wurde meist die lateinische Form »Cibinium« in diversen Schreibweisen benutzt. Diese wiederum geht auf einen slawischen oder, wahrscheinlicher gar, Szekler Namen für den Zibinsfluß zurück, der entweder von den ersten Hospites oder von der königlichen Kanzlei fortgeführt wurde. Die Theorie, daß sich aus diesem Flußnamen der Name Zibinsburg für das frühe Hermannstadt und daraus wiederum »Siebenbürgen« entwickelt hat, ist sprachgeschichtlich widerlegt worden. Daß die sieben alten Komitate Siebenbürgens, die jedes auf eine Burg zurückgehen, eine weitere, allerdings auch nicht überzeugende Deutungsoption sind, sei der Vollständigkeit wegen erwähnt. Eindeutig falsch ist die Herleitung des Namens von sieben deutschen Städten des Landes. Jedenfalls war Hermannstadt nun sichtlich zur Stadt geworden und entwickelte auf der Grundlage des einem Stadtrecht sehr ähnlichen Andreanums eine städtische Verwaltung und Struktur. Die Benennung der ganzen Provinz nach dem Ort wich allmählich der Bezeichnung als Sieben Stühle, allerdings noch bis tief ins 15. Jahrhundert hinein unter Voranstellung von Hermannstadt. Zu den Sieben Stühlen stießen zwischen 1315 und 1422 die Zwei Stühle Mediasch und Schelk sowie die Distrikte Bistritz (Nösnerland) und Kronstadt (Burzenland). Auf diese konnten die Hermannstädter Oberbeamten und der Stadtrat zwar nicht so unmittelbar Einfluß nehmen wie bei den Sieben Stühlen, in deren Angelegenheiten sie mitunter auch unliebsam hineinregierten. Doch vertraten diese Instanzen nach außen hin durchaus auch die neuen, zum Hermannstädter Recht hinzugekommenen Territorien. 1322 erhielt auch die Abtei Kerz mit den ihr gehörenden Orten die libertas Cibiniensis, womit die langfristige Einbindung dieses Streubesitzes in die Hermannstädter Provinz eingeleitet wurde. Aus dem 14. Jahrhundert sind auch die ersten Hermannstädter Siegel - Zeichen geordneter Rechtspflege und der Schriftlichkeit - überliefert, und zwar sowohl fur die Provinz wie für die Stadt selbst. Das älteste erhaltene Siegel der Hermannstädter Provinz von 1302 deutet aufgrund seiner altertümlichen Darstellung - vier eine Giebelkrone stützende Männer - auf das 13. Jahrhundert hin. Schon die genannte Von der Villa Hermanni zur Handelsmetropole

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Die beiden ältesten Siegel der Hermannstädter Provinz: links das Siegel des 13. Jahrhunderts an einer Urkunde von 1302, rechts das Siegel ab der Zeit König Ludwigs I., erstmals an einer Urkunde von 1372.

Urkunde von 1292 muß es getragen haben. Eine inhaltliche Deutung ist schwer möglich, eine Hilfestellung gibt jedoch die Siegelumschrift: Sigil(lum Cibiniens)is Provincie ad r(etinendam coronam), womit ein SchlüsselbegrifF des Andreanums, »zum Schutze der Krone«, aufgenommen wurde. Ein späteres Provinzsiegel, 1372 erstmals bezeugt, übernimmt diese Umschrift und stellt mit dem Blätterdreieck und der darüberliegenden Krone das Wappen der Sieben Stühle bereits deutlich dar. Das Hermannstädter Gerichtssiegel von 1323 hingegen enthält erstmals die zwei abwärts gekreuzten Schwerter. Und im Wappen des Hermannstädter Stadtsiegels, das zumindest von 1367 bis 1584 in Gebrauch war, sind diese durch die Krone und, eigentümlich, durch sechs Sterne ergänzt. Bemerkenswert ist zunächst, daß in der Umschrift dieses Stadtsiegels der Name »villa Hermanni« gebraucht wurde und somit noch bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts in Benutzung stand (Soterius erwähnt eine Erneuerung des Siegels mit dieser Umschrift 1650, Tröster spricht davon 1666), sodann, daß es das Siegel der Cives, also der Vollbürger war. Das Selbstverständnis, als Stadt zu handeln, hatte sich also durchgesetzt. Mit diesem wohl um 1350 entstandenen Stadtsiegel gab sich die Stadtgemeinde zugleich jenes Wappen, das - mit verschiedenen Veränderungen - bis heute in Gebrauch ist. Für die Deutung des Wappens besteht die schöne Legende, wonach die beiden Anführer der Gründer - einer davon namens Hermann - ihre Schwerter zum Zeichen der Inbesitznahme 20

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kreuzweise zum Schwur in die Erde stießen. Danach seien diese an die beiden äußersten Punkte der Hermannstädter Provinz, nach Broos und nach Draas gebracht worden. Überzeugender aber ist die Deutung der beiden Schwerter im Wappen als Sinnbild des Gerichts, wobei sich die Doppelung durch die beiden Richter, den vom König ernannten und den vom Volk gewählten, einleuchtend erklären läßt. Die zentrale Funktion Hermannstadts äußerte sich eben primär in der Eigenschaft als Ort des obersten Gerichts, ab 1397 war es über Bistritz selbst fur Klausenburg zweite Appellationsinstanz. In der Krone des Wappens hingegen läßt sich der enge Bezug zum König - man vergleiche etwa das älteste Provinzsiegel oder die Umschrift »ad retinendam coronam« - genauso wie die übergeordnete Stellung der Stadt erkennen. In einer vermehrten Form setzte sich ab etwa 1500 das Stadtwappen mit Schwertern, Krone und Blätterdreieck durch, wobei sowohl Herkunft wie auch Bedeutung von letzterem bis heute nicht geklärt sind. Die heraldisch klar definierten Farben des Stadtwappens - roter Schild, goldene Krone, silberne Schwerter - sind aus

Das Hermannstädter Wappen zwischen dem 14. und dem 20. Jahrhundert: links im alten Stadtsiegel, erstmals nachgewiesen 1367, rechts auf amtlichen Drucksachen der 1920er Jahre.

dem 15. und 16. Jahrhundert bezeugt. Eine Wappenverleihung ist genauso wie eine Erhebung zur Stadt nicht ausdrücklich bekannt, wir stellen beides anhand mehr oder weniger zufallig erhaltener Belege fest. Nachdem aber bereits König Karl Robert als erster Landesherr mit der Verleihung von Wappen begann und auch sein Sohn, König Ludwig I., die Städte allgemein und Hermannstadt im Besonderen nachhaltig förderte, kann eine Wappen- und Stadtrechtsverleihung unter einem dieser beiden Anjou-Könige als wahrscheinlich gelten. Von der Villa Hermannl zur Handelsmetropole

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Mit dem rechtlichen Auftreten als Stadt, mit einem - neben dem Königsrichter - zweiten Richter (also dem gewählten Stuhlsrichter) und einem villicus oder Stadthann (Stadtverwalter) - Johannes Schebniczer und Kunczel Kall werden 1346 ausdrücklich als solche erwähnt, wenngleich das Amt offenbar schon seit Beginn des Jahrhunderts besetzt war -, dann mit einem magister civium oder Bürgermeister der Hermannstädter Bürgerschaft - seit Jacobus Hentzmanisse 1366 sind die Bürgermeister mit kurzen Unterbrechungen alle bekannt einem Stadtsiegel und einem Stadtwappen ist aber nur ein kleiner, wenn auch entscheidender Teil des städtischen Gemeinwesens beschrieben. Ein anderer wichtiger Teil waren die eingangs erwähnten Geistlichen, Mönche und Nonnen. Wer aber machte diese Stadt vor allem aus, wer wohnte und arbeitete hier? Die Nachrichten über die eigentliche Stadtbevölkerung im 13. und 14. Jahrhundert sind aufgrund der Urkundenverluste leider nicht sehr zahlreich, aber anhand der erhaltenen schriftlichen und dinglichen Quellen läßt sich doch ein Bild nachzeichnen. Zwei große Gruppen fallen dabei sofort ins Auge: die Kaufleute und die Handwerker. Dabei sind die Kaufleute nicht nur die, deren Wirken sich in den Quellen dieser frühen Zeit deutlich niederschlägt, sondern sie stellen im wesentlichen auch jenen Bevölkerungsteil, der zusammen mit den recht aktiven Gräfen die politische Geschichte der Stadt bestimmte - im wesentlichen also die schon erwähnten Cives oder Vollbürger. Es hatten sich in den ersten beiden Jahrhunderten nach der Gründung nach und nach manche Gräfen aus anderen Gegenden in Hermannstadt niedergelassen, oder dort durch Hauserwerb zumindest Bürgerrecht erlangt. Als Comites tauchen sie als Vertreter der Gesamtheit der Sachsen oder als Glieder der Stadtobrigkeit immer wieder auf. Neben sie aber traten schon von Anbeginn der Konstituierung des städtischen Gemeinwesens jene Stadtbewohner, die es vor allem durch Handel zu Wohlstand gebracht hatten. Die Gruppe dieser Kaufleute läßt die Offenheit der sächsischen Gesellschaft im späten Mittelalter am besten erkennen, da sich hier neben den einheimischen Händlern, die ihren Reichtum und Einfluß über mehrere Generationen hin aufgebaut hatten, zahlreiche hinzugezogene Persönlichkeiten finden. Diese brachten erhebliches Kapital in die aufstrebende Stadt, aktuelles kaufmännisches Wissen, europaweite Kontakte und unter Umständen sogar politische Verbindungen mit. Zur Zeit der beiden Könige aus dem Hause Anjou, Karl I. Robert 22

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und Ludwig I., kamen diese Zuzügler vor allem aus den oberitalienischen Städten, etwa aus Florenz, später, etwa zur Zeit König Sigismunds, schwerpunktmäßig aus dem oberdeutschen Raum. In einer spannenden Studie hat Konrad Gündisch nicht nur das unternehmerische Wirken, sondern die nun einsetzenden vielfaltigen familiären Verknüpfungen zwischen den neu Hinzugezogenen, den alteingesessenen Patriziern und den Gräfenfamilien in Hermannstadt nachgezeichnet. So entstand eine neue, nicht nur wohlhabende oder gar reiche, sondern bis zu einem gewissen Grade auch welterfahrene und politisch landesweit einflußreiche städtische Oberschicht. Dieses Hermannstädter Patriziat konnte durch ökonomische Leistungsfähigkeit, durch Zuverlässigkeit und Treue gegenüber der Krone, vielleicht auch durch mitgebrachte königliche Protektion sowohl für die Stadt wie auch für die Provinz, die Sieben Stühle - 1355 erstmals ausdrücklich so genannt - , viele vorteilhafte Rechte sichern: So stellte König Ludwig zwischen 1351 und 1382 nicht weniger als elf Freibriefe für die Hermannstädter Kaufleute aus, die ihnen uneingeschränkte Reisefreiheit und teilweise Zollfreiheit in Ungarn, Befreiung vom Ofener Stapelzwang oder ungehinderte Fahrt in die mitteleuropäischen Zentren außerhalb der Reichsgrenzen sicherten. Das wohl wichtigste Privileg war schließlich das Stapelrecht von 1382. Dieses zwang auswärtige Kaufleute, die in die Walachei weiterfahren wollten, ihre Waren für eine bestimmte Zeit zunächst in Hermannstadt anzubieten, bevor sie mit dem Verbliebenen weiterreisten. So konnten die einheimischen Unternehmer - und nur mit diesen durften Ausländer Handel treiben - selber verfügen, in welchem Umfang sie den Warenhandel mit der Walachei fortführten und dadurch hohe Gewinne abschöpften. Das Hermannstädter Stapelrecht von 1382 war auch insoweit wichtig, als Kronstadt dies bereits 1369 erlangt hatte und durch seine günstige Lage - es verfügte über direkte Pässe nicht nur zur Walachei, sondern auch zur Moldau Hermannstadt einzuholen drohte. Die Rolle dieser beiden transkarpatischen Provinzen für die Entwicklung von Handel und Gewerbe der siebenbürgischen Städte kann gar nicht überschätzt werden: Sie dienten sowohl als Lieferanten von Naturprodukten für den Handel in großem Maßstab wie auch als Absatzmarkt für Gewerbeprodukte der Zünfte und Handelsgüter, schließlich als Verbindungswege zu den Handelsplätzen der Levante. Um 1350 stabilisierten sich die Verhältnisse sowohl in der Walachei Von der Villa Hermanni zur Handelsmetropole

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wie auch in der Moldau allmählich und relativ autonome Staatswesen - zunächst unter ungarischer, ab etwa 1400 unter osmanischer Oberhoheit - entstanden. Somit wandelte sich gewissermaßen eine zentrale Aufgabenstellung der sächsischen Siedlung und vorneweg ihres Vorortes Hermannstadt: Es galt nun nicht mehr primär, die Krone Ungarns an den Grenzen des Reiches zu sichern und zu verteidigen, sondern vielmehr zu deren und zum eigenen Vorteil die Grenzregionen wirtschaftlich zu erschließen. Daß die wenigen städtischen Siedlungen in der Walachei und der Moldau in dieser Zeit in wesentlichen Teilen ebenfalls von Deutschen bewohnt waren, beförderte die Möglichkeiten für lukrativen Handel mit diesen Ländern wesentlich. Handelsgüter der Walachei und der Moldau waren dabei Vieh (Rinder, Schafe), Fische - in katholischer Zeit ein wichtiges Gut für Fastenzeiten - , Wachs, Honig, Häute, Pelze und Wolle, aber auch Getreide. Aus der Levante kamen im Transit durch die Fürstentümer Gewürze, wertvolle Stoffe, Teppiche und andere Luxusgüter. Bei der Vermarktung dieser Waren kamen die Hermannstädter und die anderen sächsischen Kaufleute nicht nur bis Ofen und Wien, sondern bis Venedig, Nürnberg, Köln oder Brügge. Eine weitere Handelsroute führte nach Norden mit den Zielen Lemberg und Krakau in Polen oder zu den Städten an der Ostsee, etwa Danzig oder Königsberg. Nach Siebenbürgen brachten die Kaufleute, die meist in Gruppen und mit einem Fahnlein Bewaffneter reisten, vor allem hochwertige Gewerbeprodukte wie Waffen, Werkzeuge, Messer oder Stoffe, während sie in die Walachei oder in die Moldau vor allem die Produktion der heimischen Handwerker vermarkteten, etwa verarbeitetes Leder, Kleider, Waffen und Geräte, Schmuck und Kultgerät. Dieser hier nur sehr vereinfacht dargestellte Fernhandel konnte in Friedenszeiten und abgesichert durch königliche Freiheiten großen Gewinn abwerfen. Diese Wertschöpfung, der Profit, verblieb den sächsischen Kaufleuten in der Stadt, die dieser entsprechend hohe Steuern abführen und Investitionen tätigen konnten: in Finanzunternehmen großen Stils wie die Pacht von Zöllen, von Berggruben oder der königlichen Münze selbst, in Waren für neue Handelsreisen, was wiederum dem örtlichen Gewerbe zugute kam, in die Präsentation des eigenen Wohlstands oder in fromme Stiftungen für das eigene Seelenheil. Aber gerade beim Kaufmannsstand darf man sich nicht vorstellen, daß diese »Sachsen« alle Deutsche waren, die seit jeher in Hermannstadt gewohnt hätten. Vielmehr war die städtische Gesellschaft zu diesem 24

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Zeitpunkt unter bestimmten Bedingungen noch sehr offen: Beispiele dafür sind vor allem die zahlreichen schon genannten italienischen Kaufleute und Unternehmer, die sich in Hermannstadt nicht nur problemlos niederlassen, sondern in etlichen Fallen auch binnen weniger Jahre zu den höchsten städtischen Würden aufsteigen konnten. Diese Offenheit, die man als gezielte Wirtschaftsförderpolitik ansehen konnte und die ihre Wirkung nicht verfehlte, läßt sich sehr gut auch an der Zunftsatzung der Sieben Stühle von 1376 erkennen. Hier heißt es: Damit auchjeder beliebige Handwerker sein Handwerk so gut, als er nur will, betreibe, sei es ihmfreigestellt, alles, was zu seinem Werk und seinem Gewerbe gehört und notwendig ist, in so großer Masse, als er will und kann, (...) zu kaufen, von seinem Gewerbserzeugnis eine beliebig große Masse herzustellen, auf dem Marktfeilzubieten und sowohl im Hause als auch auf dem Markte zu verkaufen und Lehrlinge und Gehilfen, wie viele er will, für seine Arbeit zu halten. (...) Auch soll kein zugereister [Handwerker] zum Nachweise seiner Ehrlichkeit und seines Rufes in sein Vaterland zu reisen gezwungen werden, sondernjeder Handwerker (...) soll (...) zur Zunft seines Gewerbes zugelassen und aufgenommen werden, nach vorheriger Erlegung der schuldigen Aufhahmstaxe (...), jedoch so, daß einemjeden armen Handwerker zum Kauf der Zunft (...) ein entsprechender Termin gesetzt werde. Wie ganz anders klingt diese Vorgabe als jene Beschränkungen und Reglementierungen, mit denen wir Zünfte in späteren Jahrhunderten in Verbindung bringen. Es herrschte eine auf Ausbau und Produktionssteigerung gerichtete Stimmung vor, die Handwerker regelrecht anwarb, da die Märkte und Absatzmöglichkeiten den Zeitgenossen zumal nach über drei Jahrzehnten der Förderung sächsischer Städte durch König Ludwig I. - nahezu unerschöpflich schienen. Diese Zunftsatzung, der Auseinandersetzungen zwischen Handwerkern und Patriziern vorausgingen, regelte weiterhin die Struktur der Zünfte, die sich jährlich zwei Meister zu wählen hatten, die den Stuhlsversammlungen beiwohnen sollten, ferner allerhand Rechtsfragen. Sicher gab es im Vorfeld vielfaltige Ärgernisse zwischen den alteingesessenen und den neu hinzuziehenden Gewerbetreibenden, sonst hätte deren Verhältnis nicht so eingehend geordnet werden müssen. Jedenfalls zeigen die Lösungen, daß die politisch Verantwortlichen namentlich werden der siebenbürgische Bischof sächsischer Herkunft Von der Villa Hermanni zur Handelsmetropole

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Gobelinus und der Kastellan der Burg Landskrone genannt - bewußt eine Regelung suchten, die langfristige Prosperität sicherte. Im übrigen bestand zu diesem Zeitpunkt - also im 14. und auch noch während des größten Teils des 15. Jahrhunderts - keine Einschränkung hinsichtlich der sprachlichen Herkunft der Ansiedlungswilligen; ausschließende Bedingungen werden vor allem die katholische Konfession, eheliche (ehrliche) Geburt, ein guter Leumund und gegebenenfalls der Verzicht auf adlige Vorrechte gewesen sein. Aus Forschungen zur Sozialgeschichte Kronstadts im Mittelalter wissen wir, daß sich zwischen den Deutschen durchaus auch einige Ungarn und Rumänen fanden, die schließlich unter den Sachsen aufgingen. So können wir auch im Falle Hermannstadts, für das solche Analysen noch fehlen, zumindest von einigen Ungarn zwischen den in aller Regel deutschsprachigen Zuzüglern unter den Handwerkern ausgehen. Letzteres läßt sich übrigens schön am Bruderschaftsregister der Hermannstädter Schustergesellen aus dem 15. Jahrhundert erkennen. Als Folge des großen Aufschwungs strömten Lehrlinge und Gesellen, wandernde Handwerksburschen, in die Stadt, und zwar nicht nur vom Königsboden, sondern verstärkt aus den anderen deutschen Orten Siebenbürgens, aus der Zips und aus Oberungarn sowie aus allen denkbaren deutschen Ländern. Ihre Zahl wuchs so stark an, daß sie sich in Bruderschaften zusammenschlossen und sich Ordnungen gaben. Sie sollten in der Sozialgeschichte der Stadt später noch eine wichtige Rolle spielen. Beeindruckend ist die Vielzahl der in der Zunftsatzung von 1376 aufgeführten Zünfte und Gewerbe, die oft mit wichtigen deutschen Städten jener Zeit wie Straßburg im Elsaß, Augsburg oder Nürnberg verglichen werden. Andererseits überrascht es aber nicht, angesichts der regelrechten Einladung und der idealen Existenzgründungsbedingen in den sächsischen Städten ein Spiegelbild mitteleuropäischer Städte zu finden, denen angesichts inzwischen schon beschränkter Entfaltungsmöglichkeiten sicher viele kleine und junge Handwerker die sagenhaften Verhältnisse »ze den sieben bürgen« vorzogen. Da sie neue Fertigkeiten und Gewerbszweige mitbrachten, waren sie dort hochwillkommen, zumal sich nicht nur das Königreich Ungarn selbst, sondern auch die Nachbarprovinzen verheißungsvoll zu entwickeln versprachen. Vor diesem Hintergrund wird auch verständlich, wie es möglich war, daß Kunstströmungen und künstlerische Fertigkeiten im späten Mittelalter in Siebenbürgen nahezu zeitgleich mit Mitteleuro26

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pa auftraten. Doch dazu später mehr, zunächst ist es angebracht, einen Blick auf die Gewerbe der Zunftsatzung von 1376 zu werfen. Sie galten fur die Zünfte in Hermannstadt, Schäßburg, Mühlbach und Broos, die meisten waren aber fraglos in Hermannstadt vertreten. Besonders ausfuhrlich werden die Regelungen für die damals bedeutenden und großen Zünfte der Fleischhauer, der Bäcker, Lederer, Weißgerber, Schumacher, Schmiede und Kürschner behandelt. Kleinere Zünfte waren jene der Handschuhmacher, Messerschmiede, Mantelschneider, Hutmacher, Seiler, Wollweber, Weber, Faßbinder, Töpfer, Bogner, Schneider und Beutelmacher. Zur Zunft der Schmiede wurden die Gewerbe der Nagler, Kupferschmiede, Wagner, Gürtler, Schwertfeger und Schlosser gerechnet. Somit ergibt sich mit einer Zahl von 19 Zünften und sechs weiteren Gewerben eine bereits stark ausdifferenzierte Arbeitsteilung, die dennoch nicht vollständig ist. Aus dem 14. Jahrhundert wissen wir nämlich auch von Zimmerleuten, Maurern und Fenstermachern, die jedoch in Bauhütten organisiert waren - die zahlreichen städtischen Baustellen wurden bereits erwähnt. Weswegen die ebenfalls vorhandenen Goldschmiede keine zunftmäßige Zuordnung fanden, muß vorerst offen bleiben. Und freilich kamen im Laufe der Zeit weitere Gewerbe hinzu und die Rangordnung und Bedeutung veränderte sich. In dieser Zeit des Aufbruchs jedenfalls konnten die Zünfte neben dem Alltagsbedarf der Städte wie der umgebenden Landstriche sowohl das Luxus- und Repräsentationsbedürfnis etwa des Adels der Komitate oder der Bojaren und Woiwoden der Nachbarprovinzen wie auch den speziellen Bedürfnissen der militärischen Aufrüstung des Königreichs genügen. Hinweise auf den Aufschwung der Zünfte geben die ersten Nachrichten von Lauben auf dem Kleinen Ring, der schon bald zum Marktplatz der Hermannstädter Gewerbetreibenden schlechthin werden sollte: 1370 wurden die Fleischerlauben erwähnt, unmittelbar rechts neben dem Torturm aus der Unterstadt, heute als »Schatzkästlein« bekannt. Solche Lauben als Verkaufsstände der einzelnen Gewerbe bildeten sich allmählich um den ganzen Platz, neben den Fleischhauern wurden die Kürschner, Bäcker und Schuster als erste hier erwähnt. Die erste Nachricht einer Zunft in Hermannstadt ist übrigens von 1367, als jene der Rotgerber eine Lohmühle erwarb. Eigentümer der Lauben auf dem Kleinen Ring waren die Zünfte, die ihren Mitgliedern die Verkaufsplätze zur Verfügung stellten. Ein Wochenmarkt ist für Hermannstadt schon für 1328 bezeugt, und zwar ein Dienstagsmarkt, Von der Villa Hermanni

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also der Hauptumschlagplatz auch fur die Gewerbeerzeugnisse. Allerdings ist von Wochenmärkten schon ein Jahrhundert vorher auszugehen, da wohl diese im Andreanum ausdrücklich erwähnt wurden. Auf diesen Märkten trafen sich keinesfalls nur die Stadtbewohner und die der umgebenden Orte, vielmehr deckten sich hier auch die Kaufleute in großem Maßstab ein, die mit den Gewerbeerzeugnissen im ganzen Königreich, in den Nachbarprovinzen Moldau und Walachei und vielfach auch weit darüber hinaus Handel trieben. Für einige Gewerbe wie die Lederer und Kürschner legten die Zunftbestimmungen sogar fest, daß sie nicht weniger als eine bestimmte Mindestmenge ihrer Erzeugnisse abgeben durften. Es ist relativ einfach möglich, sich das bunte Treiben auf dem Kleinen Ring an Markttagen sagen wir etwa zwischen 1250 und 1350 vorzustellen: In Filmen zu mittelalterlichen Handlungen werden Szenen sehr häufig innerhalb von Burgmauern gedreht, mit Zufahrten durch Tortürme, mit Marktständen und Buden, Gedränge, einer Gerichtsstätte mittendrin, Kirche oder Kapellen nahebei. So wird man sich auch diesen Markt vorzustellen haben, dem sakralen Bereich unmittelbar benachbart, die Stätte des Gerichts wohl in der Nähe des ersten Rathauses und des Ratturmes, im Hintergrund stets Mauern und Türme mit Zinnen. Zum Dienstagsmarkt kam in späteren Zeiten ein weiterer Wochenmarkt freitags hinzu, ab dem 15. Jahrhundert sind auch Jahrmärkte bekannt. Der erste Marktplatz von Hermannsdorf, also wohl für die Zeit etwa 1150 bis 1250, ist im übrigen in der Unterstadt am alten Dorfanger zu suchen, also an der Kreuzung Elisabeth/Schmiedgasse und Burgergasse (an der Stelle der späteren Dragonerwache). Auch später wird dieser Ort noch einige Zeit als Markt genutzt worden sein, denn der Kleine Ring, der diesen Namen offenbar schon sehr früh erhielt (1401 als inparvo circulo erwähnt) war nicht nur von den städtischen Gewerben bestimmt, sondern reichte vor allem für den stetig wachsenden Bedarf nicht aus: Feldfrüchte und Holz etwa wurden auf dem Kornmarkt gehandelt, unmittelbar vor den Burgtoren gelegen, nämlich auf dem späteren Großen Ring, Vieh und Wein zunächst wohl vor allem auf dem Anger in der Unterstadt, also auf dem heute von Weinanger, Rosenanger und Saggasse gebildeten Dreieck. Auch andere Viehmärkte sind bekannt, etwa vor der Elisabethkirche oder der Lämmermarkt auf dem Kirchhof - sie wurden alle erst im Laufe des 18. Jahrhunderts vor die Tore der Stadt verlegt. 28

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Rekonstruktionszeichnung der Stadtsilhouette (von Norden) um 1 4 0 0 (von Hermann Fabini).

Die junge, eben erst dem Hermannsdorf entwachsene HermannStadt darf man sich jedoch keinesfalls im modernen Sinne als Stadt vorstellen. Vielmehr war die landwirtschaftliche Betätigung auch für die Handel- und Gewerbetreibenden eine Selbstverständlichkeit. Zunächst ist zu bedenken, daß die Parzellen nicht nur ungeteilt, sondern auch nur zu kleinen Teilen mit Gebäuden bebaut waren und daß der Rest des Grundes der Hausgemeinschaft als Garten diente. Auch Ställe fur verschiedene Arten von Vieh gehörten selbstverständlich zu jedem Haushalt: Das Vieh wurde morgens auf die Weide getrieben und kam abends wieder zurück, gehörte also zum Straßenbild der Stadt. Die Hermannstädter des Mittelalters aßen überwiegend Rindfleisch, und zwar von einer altertümlichen kleinen Rinderart, sodann Geflügel und nur wenig Schwein. Der Stadtrat verfügte erst im 18. Jahrhundert, daß Schweine und Rinder nicht mehr frei in den Gassen herumlaufen sollten, auch dies eine Folge des damals zunehmenden österreichischen Einflusses. Und nicht umsonst hatte Hermannstadt die größte Gemarkung der Region, so daß seine Bewohner für den eigenen Bedarf Landbau betreiben konnten. Es ist überaus schwer, etwas zur Bevölkerungszahl der Stadt im Mittelalter zu sagen, da keinerlei vollständige Verzeichnisse oder Steuerlisten überliefert sind, zudem hatten Epidemien wie die Pest um 1350 große Schwankungen zur Folge. Erst für die Zeit um 1500 sind halbwegs gesicherte Schätzungen möglich, wonach sich für Hermannstadt eine Zahl von etwa 6.000 Einwohnern ergibt. Damit rangierte Hermannstadt innerhalb Siebenbürgens etwa gleichstark wie Klausenburg auf Platz zwei nach Kronstadt, für das sich für Ende des 15. Jahrhunderts rund 10.000 Einwohner errechnen lassen. Für Hermannstadt dürfen wir auf dieser Grundlage für das 14. Jahrhundert Von der Villa Hermanni zur Handelsmetropole

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eine Bewohnerzahl von 3.000 bis 4.000 annehmen. Noch schwerer als für die Stadt läßt sich die Bevölkerung für die Stuhlsgemeinden oder für die Dörfer auf Hermannstadt untergeordneten Gebieten errechnen. Aufgrund überlieferter Namen oder der steuerrechtlichen Beziehungen lassen sich aber Sprach- und Konfessionsgruppen nachvollziehen. Neben den im Mittelalter ausschließlich von Deutschen bewohnten Stuhlsgemeinden sowie den deutschen Gründungen in den grundhörigen Gebieten, die Hermannstadt im 15. Jahrhundert erwerben sollte, gab es in letzteren auch einige ungarischsprachige Gemeinden, die auf arpadische Grenzsicherungen zurückgingen, etwa Sakadat. In den südlich Hermannstadt gelegenen Bergen lebten Rumänen, in den Quellen blachi- Vlachen, sächsisch Blochen - und im Deutschen bis ins 19. Jahrhundert Walachen genannt. 1210 begegnen diese bereits als eine offenbar zur Grenzverteidigung verpflichtete Gruppe in einem vom Grafen von Cibinium angeführten Kampfverband. Im Andreanum wurden sie zusammen mit Petschenegen als Bewohner des Waldes im Süden des Grafschaftsgebiets erwähnt. Und als Grenzwächter tauchten die Walachen auch 1383 wieder auf, als sie den Schutz entlang der Karpaten im südlichen Vorfeld Hermannstadts vertraglich von den Sieben Stühlen übernahmen. Zum einen bewachten sie den für den Handel in die Walachei äußerst wichtigen, aber auch militärisch genutzten Saumweg, der über das Zibins- und Lauterbachgebirge führte, zum anderen waren sie für die Sieben Stühle im Vorfeld der um 1370 vor dem nördlichen Paßausgang bei Talmesch als Grenzschutz errichtete Burg Landskrone eingesetzt, die künftig von einem königlichen Kastellan befehligt wurde. Die beiden Paßwege zur Walachei hin, der Gebirgsweg sowie der Durchbruch des Flusses Alt durch die Karpaten, waren für Hermannstadt durch den Handel mit dem Süden Lebensnerv und durch die oft unsicheren Verhältnisse südlich der Karpaten eminente Bedrohung zugleich. Durch diese enge Paßstraße, die erst im 18. Jahrhundert ansatzweise ausgebaut werden sollte, zogen nicht nur Händler und Truppen in beide Richtungen, auch die häufig abgesetzten und sich befehdenden Woiwoden der Walachei fanden durch diesen Paß Zuflucht im Fogarascher Land und oft in Hermannstadt selbst - das war Teil der intensiven diplomatischen Beziehungen der Stadt zu den Nachbarprovinzen. Einer dieser in Hermannstadt Zuflucht suchenden Woiwoden, Mihnea der Böse, wurde 1510 im dunklen Durchgang des Priesterturms von gegnerischen walachischen Bojaren ermordet - sein Epi30

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taph steht heute in der Ferula, dem westlichen Teil des Kirchenschiffs der evangelischen Stadtpfarrkirche. Und auf die Grenzverteidigungsfunktion genauso wie auf die Dienstbarkeit gegenüber der Stadt deutet die militärische Rolle, die die Rumänen der Gebirge südlich Hermannstadt bei der Zerschlagung eines osmanischen Kontingents zusammen mit den Hermannstädtern unter deren Bürgermeister Georg Hecht 1493 spielten. Im übrigen waren die Hermannstädter wie auch andere Sachsen, vor allem Gräfen, schon um 1300 rechte Haudegen geworden. Das zeigte sich meist an Fällen, als sie angefochtene Rechte mit scharfer Klinge verteidigten. Nicht nur, daß sie im Streit mit dem Weißenburger Bischof wiederholt in dessen Besitzungen einfielen und diese verwüsteten, 1277 legten sie die Bischofsstadt in Schutt und Asche, 1308 ritten sie sogar bewaffnet in den Dom und trieben die Kapitelsbrüder vor sich her. Sie erhoben sich auch - ihr Widerstandsrecht ernst nehmend - wiederholt gegen den König, 1324 und 1342, und waren 1343 Gegenstand des Tadels des Graner Erzbischofs, der Hermannstadt als zu seiner Diözese gehörend visitierte. Er führte allerlei Vergehen des »zank- und besitzgierigen Volkes« auf, das Pfarrer mißhandle, sich am Kirchengut bereichere und sich wenig fromm verhalte. Durch Kirchenstrafen versuchte er, dieser allzu freien Entwicklung in der exemten Propstei entgegenzuwirken. Zu einer Erneuerung der Frömmigkeit dürfte aber eher noch der »schwarze Tod«, die europäische Pestepidemie um 1350, beigetragen haben, die Hermannstadt als Ort des Fernhandels an einer wichtigen Straßenkreuzung ohne Frage hart getroffen haben wird. So ließe sich auch die verstärkte Anwerbung von Handwerkern durch günstige Bedingungen wie oben gezeigt erklären, aber auch die 1372 gegründete »Bruderschaft des Heiligen Leichnams« in der Marienkirche. Ihr gehörten prominente Stadtbewohner an - Pleban, Bürgermeister, Handelsherren - und ihr Wirken läßt sich über Generationen hin verfolgen. In diese Zeit, in die Jahre von etwa 1325 bis zum Jahrhundertende, fallt auch der Bau der ersten gotischen Pfarrkirche Hermannstadts, der Marienkirche, Vorgängerin der heutigen evangelischen Stadtpfarrkirche, deren Errichtung ohne Frage nur durch zahlreiche fromme Stiftungen der Stadtbürger möglich war. Der gotische Bau entstand im wesentlichen an der Stelle der 1321 erstmals erwähnten, wohl nach dem Mongolensturm errichteten romanischen Basilika. Die alte Basilika muß man sich etwas größer als die Michelsberger Burgkirche vorstellen, ergänzt durch einen Von der Villa Hermanni zur Handelsmetropole

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Westturm. Chor und Seitenschiffe der gotischen Marienkirche entstanden unter dem Einfluß oder unter der Leitung der Kerzer Bauhütte, also noch der Hochgotik zuzuordnen. Das Gotteshaus erreichte jedoch nicht die geplanten Ausmaße, wahrscheinlich beanspruchten andere Bauprojekte der Stadt die verfügbaren Ressourcen zu stark. Vor allem das Mittelschiff blieb noch eher bescheiden, im Verhältnis zu niedrig. Vom Westturm, der wohl auf einem romanischen Vorgänger aufgesetzt wurde und durch den der Zugang zur Kirche erfolgte, wurden nur die ersten Stockwerke errichtet. Hermannstadt hatte früh angefangen, die alte romanische Kirche zu vergrößern und gotisch umzubauen, die anderen Städte Siebenbürgens fingen damit meist erst Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts an. Insoweit war das über Generationen hin bestehende Provisorium einer unfertigen Hauptkirche, an der abschnittweise weitergebaut wurde, keine Besonderheit dieser Stadt. Ein größerer Kirchenbau war dringend nötig, weil sich die Stadt in der Zeit zwischen dem Mongolensturm 1241 und dem Schwarzen Tod um 1350 erheblich ausdehnte. War im 13. Jahrhundert die sich um das alte Dorf in der Zibinsaue bildende Siedlung in der späteren Unterstadt noch die wichtigere, so wandelte sich diese Rolle allmählich zugunsten des Ortsteils auf der erhöhten Terrasse. Neben der Spitalskirche mit dem Hospital und möglicherweise alten Befestigungen befanden sich in der »Unterstadt« die Klöster der Dominikaner und der Franziskaner sowie bald auch das der Klarissen, einem Nonnenorden: und zwar am östlichen Ende, südlich und nördlich der Elisabethgasse. Auch das 1241 untergegangene Kloster der Prämonstratensernonnen ist in der Unterstadt zu vermuten. In der »Oberstadt« befand sich hingegen zunächst lediglich der sakrale Bereich der neuen Pfarrkirche und der Propstei, deren Befestigung ausgebaut und durch die Errichtung der Burg um den späteren Kleinen Ring wesentlich ergänzt wurde. Nach dem Mongolensturm wurde die wohl bis zum Dominikanerkloster (also beim jetzigen Bahnhof) fuhrende und somit kaum zu sichernde Elisabethgasse deutlich zurückgezogen, so daß die Predigermönche außerhalb der Siedlung verblieben und ihren Klosterbereich nun selbst wehrhaft machten. Die Unterstadt-Siedlung wurde entlang von Schmied-, Elisabeth- und Burgergasse erweitert, das Neustift zum Terrassenabhang hin, Schiflbäumel und Neugasse zum Zibinsarm hin kamen später hinzu. Um die Siedlung selbst müssen Verhaue bestanden haben, die mit der Erweiterung verlegt wurden. 32

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Die bauliche Entwicklung auf der oberen Terrasse läßt sich hingegen nicht so eindeutig nachzeichnen. Eine Parzellierung einzelner Abschnitte, als erstes wohl im Süden des Großen Rings in ausreichender Entfernung zur Burg, dürfte schon vor dem Mongolensturm stattgefunden haben. Die Umrisse dieses als Markt genutzten großen Platzes werden als erstes festgestanden haben, von dessen Ecken aus sich der Verlauf der abgehenden Gassen abzeichnete. Heltauer Gasse und Sporergasse müßten dabei früher als die Fleischergasse und die Reispergasse parzelliert und bebaut worden sein, da die letzten beiden erst mit dem strategischen Bedeutungsverlust der alten Burg erschlossen werden konnten. Mit dem Bau der Burg, der Etablierung eines organisierten Gemeinwesens mit einem Rathaus und einer Gerichtsstätte innerhalb der Burgmauern sowie mit dem beginnenden Ausbau der Straßenzüge auf dem oberen Plateau dürfte die Oberstadt etwa ab 1300 der führende Teil des Ortes geworden sein. Die Ubertragung der Spitalskirche mit Hospital durch die politische Gemeinde an die Kreuzträger vom Orden des Heiligen Geistes 1292, also die Aufgabe eines alten geistlichen Zentrums in der Unterstadt zugunsten des neuen am oberen Terrassenrand, kann sinnbildlich für diesen Wandel stehen. Der obere Stadtteil bot nämlich jenen, die die administrativ-juristische Vorortstellung bewußt zu nutzen trachteten, den Gräfen und den Kaufleuten, zudem auch mehr Entfaltungs- und Repräsentationsmöglichkeiten als die schon besetzte und enge alte Ortsmitte um den »Zwillen«. Die Cives, nach denen die Burgergasse ihren Namen erhielt, verlagerten ihren Schwerpunkt allmählich in die Oberstadt. Somit bildete sich hier der Ort heraus, wo jene Familien wohnten, die das städtische Patriziat und die »ratsföhigen Geschlechter« bildeten. Die Unterstadt blieb hingegen im wesentlichen der Stadtteil der Handwerker. Dessen Ausdehnung war deutlich kleiner als der später befestigte Stadtteil, da sich etwa im Bereich zwischen Saggasse und Hundsrücken der Kempel befand, ein ausgedehnter Weiher, teils wohl auch Sumpfgebiet aus dem Uberschwemmungsbereich des Zibin. Erst im 14. und 15. Jahrhundert wurde er allmählich zugeschüttet. In der »Kempelkaserne«, die auf einer der letzten trockengelegten Ecken steht, hat sich der Name bis heute erhalten. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Gliederung wird auch verständlich, weshalb die zweite Erweiterung der Stadtbefestigung im 14. Jahrhundert nur die Oberstadt umschloß. Vorher aber hatte man den Mauerring der alten Burg um Friedhof und Kleinen Ring Von der Villa Hermanni zur Handelsmetropole

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wiederholt verstärkt und gutteils verdoppelt. Die Burg mit ihren hohen Mauern, Türmen und Zinnen - immerhin mit einem Umfang von rund 650 Metern und einem Durchmesser von rund 200 Metern - muß neben den inzwischen sehr zahlreichen und allgemein kleinen Wohnhäusern beeindruckend gewirkt haben. Wie in allen sächsischen Orten waren die ersten Häuser auch hier niedrige Holzbauten mit gestampften Lehmböden. In Schäßburg ließen sich davon etliche Spuren finden, doch auch in Hermannstadt gibt es vereinzelte Belege. Die in Michelsberg bis heute erhaltenen Blockhäuser geben einen guten Eindruck davon, wie im Mittelalter auch die meisten Hermannstädter Häuser ausgesehen haben mögen. Erst ab dem Ende des 13. und im 14. Jahrhundert können wir mit ersten gemauerten Wohnhäusern rechnen. Sie bestanden aus zwei bis drei hintereinander liegenden Räumen und verfugten neben dem Keller meist über ein Geschoß, in wenigen Fallen in der Oberstadt auch über zwei, und hatten ein Satteldach. Ihr charakteristisches Kennzeichen waren die Treppengiebel, die sich in mehreren Fallen in Hermannstadt noch nachweisen lassen. Parallel zu dem offenbar rasch zunehmenden Wohlstand von Hermannsdorf ab dem Ende des 13. Jahrhunderts und zu dem durch Handel, Regalienunternehmen und Städteförderung der Krone im 14. Jahrhundert fortschreitenden Stadtwerdungsprozeß, ist in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts der Beginn der Befestigung der Oberstadt anzusetzen. Wurden für die alte Burg noch Bruchsteine aus der näheren Umgebung verwendet, so erfolgte der Bau der neuen Stadtmauern, ihrer Türme und Tore nun mit gebrannten Ziegeln. Der Verlauf der Mauer, der auch hier ein Verhau vorausgegangen sein wird, richtete sich dabei im wesentlichen nach der Form des Plateaus, auch wenn noch erhebliche Teile des Areals unbebaut waren: Zur Unterstadt hin wurde die neue Stadtmauer östlich und westlich in Verlängerung der Burg unmittelbar oberhalb des Abhangs angelegt. Dabei wurden Teile der Böschung beim Hundsrücken abgetragen und zur Auffüllung des darunter befindlichen Kempelweihers benutzt. Im Südwesten folgte die Mauer bis zum Heltauer Tor dem Verlauf eines nur sehr leichten Abhangs, verstärkt durch große Teiche. Im Süden und Südosten, also etwa zwischen Heltauer Tor und später sogenannter Hallerbastei, wurde mit dem in gerader Linie angelegten Verlauf der Mauer ein Teil des Plateaus abgetrennt, um schließlich im Osten abermals dem Abhang zu folgen. Hier, wo sich Reispergasse 34

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und Sporergasse trafen, wurde mit dem Salztor ein neuer Zugang zur Stadt geschaffen. Zur Unterstadt hin bestanden ebenfalls zwei Tore, neben dem Tor etwa anstelle der heutigen Lügenbrücke gab es noch das bis heute bestehende Tor unmittelbar westlich neben dem Kirchenkastell, also nebem dem heutigen »Alten Rathaus«. Die in regelmäßigen Abständen errichteten Verteidigungstürme waren noch nicht so zahlreich, da erst im 15. Jahrhundert je ein neuer Turm zwischen zwei alte gesetzt wurde. Wir können annehmen, daß diese Befestigungen im Kontext und als Folge der Etablierung Hermannstadts als Civitas und ihrer ratsfahigen Bürger als Cives sowie mit der Umstellung von Hermannsdorf auf Hermannstadt ab der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstanden und spätestens um 1390 fertiggestellt waren. Allerdings darf man sich einen Stadtmauerbau nicht wie ein modernes abgeschlossenes Projekt vorstellen, vielmehr - den alten Kirchenbauten ähnlich - wie eine ewige Baustelle, zumal die Anlagen mit Fortschritt der Waffentechnik laufend erneuert und erweitert werden mußten. Ob die Wehranlagen zu diesem frühen Zeitpunkt bereits Zünften zugeordnet waren oder doch eher Nachbarschaften oder Zehntschaften, muß offen bleiben. Welch eine ungeheure Leistung die Errichtung dieser Anlagen war, wird deutlich, wenn wir uns die Einwohnerzahl des Ortes im 14. Jahrhundert von etwa 3.000 bis 4.000 Personen in Erinnerung rufen. Jedenfalls bot die großdimensionierte Stadtmauer der Oberstadt nun einen gewissen Spielraum für eine planmäßige Stadterweiterung, so daß sich zumindest hier im Stadtbild wie im Gassenverlauf Anzeichen wie bei anderen deutschen »Gründungsstädten« im östlichen Mitteleuropa erkennen lassen. Vor allem im südlichen Teil der Oberstadt, wo die Stadtmauer geradlinig über das Plateau gezogen wurden, bestanden weite Freiflächen, wie unter anderem der bis heute geläufige Name der Wiesengasse verrät. Die Befestigung der Oberstadt hatte langfristig auch einen Bedeutungswandel für die einzelnen Plätze zur Folge, ähnlich wie vordem die Unterstadt ihre Führungsrolle an die Oberstadt abgab. Zum wichtigsten Platz wurde jetzt nämlich der Große Ring, und es ist schwer zu sagen, ab wann er auch Gerichtsstätte war. Der Kleine Ring jedenfalls büßte die Rolle des auch für die politische Gemeinde ersten Platzes allmählich ein und wurde zum Gewerbemarkt. Wenn sich der wohlhabende Bürger Thomas Gulden im Jahre 1470 veranlaßt sah, der Stadt sein Haus neben dem Priesterturm als Rathaus zu schenken, so wird Von der Villa Hermann/zur Handelsmetropole

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das auch damit zu tun gehabt haben, daß sich die Ratsherren inmitten des Markttreibens der Handwerker »fehl am Platze« gefühlt haben ob sie nun in jenem in den Kleinen Ring vorgerückten Haus oder in einem an den Ratturm angrenzenden Gebäude gesessen haben mögen, die Uberlieferung ist nicht eindeutig. Die Rolle des Hermannstädter Stadtrates als Exekutivbehörde der Sieben Stühle stand im übrigen spätestens seit Jahrhundertbeginn fest, wie eine Entscheidung 1416 in einer Angelegenheit innerhalb des Schenker Stuhls zeigt. Das 15. Jahrhundert läßt sehr deutlich die sich zuspitzende Konkurrenzsituation zwischen den beiden Handelsemporien Hermannstadt und Kronstadt - gerade mal einen Tagesritt voneinander entfernt - erkennen. Gleichzeitig aber waren sie als die beiden reichsten Repräsentanten ihrer Rechtsgemeinschaft haftbar fur die Gesamtheit der sächsischen Städte und ihrer Territorien. Kronstadt erhielt als »Distrikt« erst 1422 das volle Hermannstädter Recht von König Sigismund zugesprochen, womit der Hermannstädter Königsrichter auch fur diese Stadt anstelle des Szeklergrafen zur maßgeblichen juristischen Instanz wurde. Vorher schon versuchten die Hermannstädter, die Kronstädter Kaufleute einzuschränken, so daß der siebenbürgische Woiwode 1412 einen Vergleich zwischen den Städten vermitteln mußte. Ohne Zweifel aber kam es der von Hermannstadt angeführten »Sächsischen Nation« sehr zugute, alle bedeutenden Städte im Verbund zu haben, neben den Kleinstädten der Sieben und Zwei Stühle wie Schäßburg und Mühlbach - Mediasch wurde erst im 16. Jahrhundert zur Stadt - nun auch die einflußreichen und über zunehmend größere Territorien verfugenden Städte Bistritz und Kronstadt. So war dieser »sächsische Städtebund«, wie Konrad Gündisch es ausdrückt, schon allein wegen seiner Wirtschaftskraft eine Macht im Lande, die nicht übergangen werden konnte, obwohl sie keine Oberschicht »von Stand«, also keinen eigentlichen Adel hatte. Es war somit nur folgerichtig, daß sich die Sachsen beim Ausbruch sozialer Unruhen 1437 im Nordwesten Siebenbürgens und angesichts der wachsenden Türkengefahr mit den anderen beiden politischen Gruppen, dem Komitatsadel und den Szeklern, zur »Union der drei Nationen« zusammenschlossen und diese über alle Folgejahrzehnte hin wahrten und erneuerten. Diese Union sollte primär den inneren Frieden im Lande wiederherstellen, denn ein weiterer Krisenherd neben den das Land bedrohenden Osmanen wäre nicht haltbar gewesen. Seine uneingeschränkte politische Vorrangstellung mußte sich Hermannstadt aller36

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dings noch erkämpfen, denn eine Zusammenkunft aller sächsischen Stühle und Distrikte sollte erst 1473 stattfinden. Ohnehin mußte die Sorge um die Sicherung der eigenen Existenz in diesen Jahren jeden anderen Gedanken dominieren. Ob die mit der Levante handeltreibenden und somit im Schwarzmeerraum, auf dem Balkan und in Kleinasien erfahrenen Hermannstädter schon im 14. Jahrhundert die Gefahr erkannten, die bald auch auf sie zukommen würde, und deswegen zum Ausbau der Stadtbefestigungen drängten, oder ob diese einfach als für den Status einer Stadt, dazu noch eines wohlhabenden Gerichtsvorortes, als notwendig angesehen wurden, können wir heute nicht mehr entscheiden. Wir können aber feststellen, daß jene Vortruppen der Osmanen, die den ganzen Süden Siebenbürgens spätestens ab 1395 laufend überfielen, niemals bis vor Hermannstadt zogen: Die Stadt war zu groß und zu stark befestigt, als daß sie etwas hätten ausrichten können. Die Aufgabe dieser »Renner und Brenner« war die Demoralisierung der Grenzregionen, sie sollten das Terrain fur spätere Eroberungen bereiten. Fast alle sächsischen und Szekler Dörfer und Marktflecken im Süden reagierten darauf mit der Anlage von Wehrkirchen oder Kirchenburgen, denn diese kleinen, beweglichen und unberechenbaren Haufen erschienen plötzlich, die Menschen mußten sich umgehend in eine Verteidigungsstellung bringen können und konnten meist nicht mehr zu entfernteren Fliehburgen, den alten Anlagen, eilen. Oft erschienen diese osmanischen Verbände auch zusammen mit Bündnistruppen, im Umfeld Hermannstadts waren dies meistens jene der Walachei. Erst 1438 zog ein großes osmanisches Heer, sehr wahrscheinlich angeführt von Sultan Murad II. selbst, statt gegen Ungarn auf Siebenbürgen. Es verheerte den Südwesten und belagerte Mühlbach, das kapitulieren mußte. Kurz danach setzte eine achttägige Belagerung Hermannstadts ein. Und zwar ergebnislos - die Türken und ihre Verbündeten mußten angesichts der starken Wehranlagen und wohl auch wegen der Größe der Stadt unverrichteter Dinge wieder abziehen. Dieser ungewohnte Mißerfolg hatte die Osmanen tief und langfristig beeindruckt, Hermannstadt sollte künftig auf der Wunschliste ihrer Expansionsgelüste ganz oben stehen. Eine für 1432 erwähnte vermeintliche erste osmanische Belagerung der Stadt beruht, wie wir heute wissen, auf einer irrigen Notiz. Das Ereignis von 1438 hatte allerdings auch die Hermannstädter sehr beeindruckt. Und zwar stieg ihr Selbstbewußtsein noch etwas an. Von der Villa Hermanni zur Handelsmetropole

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Der Hermannstädter Rat mußte sich 1445 oder kurz davor in einer Angelegenheit an den Papst wenden, auf die wir noch kommen werden, für die der damalige Ratsschreiber eine Vorurkunde entwarf. In dieser heißt es, daß Hermannstadt »nicht allein dieses Königreichs Ungarn, sondern der ganzen Christenheit Mauer und Schild« sei. Papst Eugen IV. übernahm diese Formulierung schließlich in seinen Erlaß vom Silvestertag 1445 und wurde über Jahrhunderte hin als Urheber dieses lobenden Ausspruchs zitiert. Tatsächlich aber ist er wie Gustav Gündisch 1974 herausfand - Ausdruck eines gesteigerten Selbst- und Sendungsbewußtseins der Hermannstädter selbst, aber auch Beleg einer bewußt wahrgenommenen hohen Verantwortung. Bei der Belagerung von 1438 war die Unterstadt wohl noch nicht in gleicher Weise befestigt wie die Oberstadt, eine einfache, halbhohe Mauer im Verbund mit Palisaden, Wassergräben, Bächen und Teichen werden sie vor der Einnahme geschützt haben. Nun aber schritten die Hermannstädter zur vollständigen Befestigung des Stadtareals, also zur Anlage regulärer, hoher Stadtmauern mit Türmen und Toranlagen auch um die Unterstadt sowie zur Verstärkung der Oberstadtbefestigung. Dabei erhielt die Stadt wiederholt auch königliche Förderung, etwa als ihr 1454 König Ladislaus V. 40 Silbermark aus den königlichen Einkünften für die Befestigungsarbeiten anweisen ließ. Die aus gebrannten Ziegeln errichteten hohen und imposanten Stadtbefestigungen und deren Dachziegeln ließen die Stadt von außen rot erscheinen, so daß Hermannstadt von den Osmanen »die rote Stadt« genannt wurde. Im Osten, vor dem Salztor, wurde die Oberstadt deutlich erweitert, so daß dieses Tor ähnlich dem Ratturm und dem Priesterturm zu einem innerstädtischen Durchgang wurde. In der Unterstadt wurden spätestens mit diesen Befestigungsarbeiten die verbliebenen Reste des Kempelweihers innerhalb des Stadtbereichs zugeschüttet, so daß im westlichen Bereich, zwischen Hundsrücken, Stadtmauern und Saggasse, weiteres Baugelände erschlossen wurde. Die Stadtmauern schlossen nun 72 Hektar ein, womit Hermannstadt die größte befestigte Stadt Siebenbürgens und Ungarns wurde, nur wenig kleiner als das damalige befestigte Stadtareal Wiens. Spätestens um 1470 müssen die Erweiterungsarbeiten abgeschlossen gewesen sein. Um die Stadtmauern wurde ein ausgeklügeltes System unzähliger Bäche, Weiher, künstlicher Teiche und Kanäle angelegt, durch Dämme und Brücken voneinander getrennt. Letztere konnten im Belagerungsfalle geöffnet oder gekappt werden und den Feind sehr 38

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wirkungsvoll auf Abstand halten, jedenfalls gemessen an den Reichweiten der damaligen Kanonen. Erst ab dem 17. Jahrhundert sollte diese beeindruckende Wasserwehr, auf alten Stadtplänen gut zu erkennen, allmählich zweckentfremdet und schließlich trockengelegt werden. Der Zibin bot im Norden zusätzlichen Schutz. Einer seiner Nebenarme und diverse Bäche wurden durch die Unterstadt geleitet - der Turmbach etwa erhielt seinen Namen vom Turm, unter dem er durchfloß - und betrieben dort mehrere Mühlen, davon in der unteren Saggasse die wohl namengebende Sägemühle. Eine kleiner Wasserlauf durch die Oberstadt mit Brunnen auf dem Großen Ring wurde mit einigem Aufwand hingegen erst Mitte des 16. Jahrhunderts angelegt. Bei der Erweiterung und Verstärkung der Mauern wurde der Entwicklung der Waffentechnik Rechnung getragen. Statt der Armbrüste des 14. Jahrhunderts kamen nun verstärkt Handfeuerwaffen zum Einsatz, so daß anstelle der Zinnen nun schmale Schießscharten angelegt wurden. Die Mauern wurden innen durch Bögen verstärkt, die Zahl der Türme verdoppelt. Türme, Mauerabschnitte und Tore wurden nun großteils den Zünften und Gewerben zugeteilt, was die Verantwortung fur die Instandhaltung und die Verteidigung im Belagerungsfall implizierte. Die Tore wurden den vier Hauptzünften übertragen: die Fleischhauer verantworteten das Heltauer Tor, die Schneider das Sagtor, die Schuster das Burgertor und die Kürschner das Elisabethtor. Die Handwerker verwahrten ihre Waffen in den Türmen und in den Verkaufshallen der Zünfte - dazu gehörten Schwerter, Spieße, Armbrüste, Pfeil und Bogen, dann aber auch Feuerwaffen und zum Schutz Panzer und Harnische. Schieß- und Kampfubungen waren für die Stadtbürger unerläßlich. Eine ihrer Übungsstätten befand sich im Bereich der Fleischergasse, später vor dem Heltauer Tor. Neben Waffen mußten die Zünfte aber auch für die Bevorratung im Belagerungsfall sorgen, wofür Türme und Lauben oft nicht ausreichten. So legten sie Korngruben an, ausgebrannte und mit Ziegeln ausgelegte tiefe Gruben im Lehmboden, mit Bohlen abgdeckt, zur Aufbewahrung des Getreides. Auf dem Großen Ring, dem alten Kornmarkt, wurden sie kürzlich wiedergefunden und sichtbar gemacht. Es gab in dieser Stadt viel zu verteidigen. So waren die dreißiger Jahre des 15. Jahrhunderts nicht nur die Zeit der ersten und vergeblichen osmanischen Belagerung oder des niedergeschlagenen BauernVon der Villa Hermanni zur Handelsmetropole

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aufstandes, sondern auch das Jahrzehnt, fur das erstmals eine Münzkammer in Hermannstadt nachgewiesen ist. Der Gold- und Silberbergbau in den siebenbürgischen Westgebirgen wurde unter König Sigismund erneut stark gefördert, die deutschen Bergstädte blühten auf. Die königliche Bergkammer sowie die Gold- und Silbereinlösungskammer wurden von ihrem Sitz in Offenburg wegen der Türkengefahr um 1430 ins sichere Hermannstadt verlegt. Schon vorher hatten sich Hermannstädter Unternehmer in dieses lohnende Geschäft einzuklinken gewußt, andererseits orientierten sich die erfolgreichen Bergbauunternehmer der Bergstädte zur relativ nahegelegenen und sicheren Großstadt jener Zeit hin. Das hier geförderte Gold und Silber mußte künftig in Hermannstadt eingelöst werden das waren erhebliche Mengen, denn das Königreich Ungarn hatte mit über der Hälfte der europäischen Edelmetallproduktion im späten Mittelalter eine Monopolstellung auf dem Kontinent. Ein wesentlicher Teil dieses Goldes mußte also durch die Hermannstädter Münzkammer laufen. In den dreißiger Jahren tauchten auch die ersten in Hermannstadt geprägten Goldmünzen auf, erkennbar am mitgeprägten »h«. In der Folgezeit sind laufend Hermannstädter als Inhaber des Münzrechts zu finden, so 1438 der aus Bamberg stammende Hans Lemmel, 1444 der Bürgermeister Jakob, 1445-1459 der Bürger Simon, 1456 der Bürgermeister Oswald Wenzel. In den sechziger Jahren kam das Münzrecht, »Cement« oder »Ciment« genannt, in Teilen an die Stadt selbst, die es nun fur geraume Zeit auch behalten sollte, wobei bis 1499 in der Regel die Bürgermeister, danach die Königsrichter das Amt des Kammergrafen innehatten. Daß Gold und Silber mit königlichem Privileg in Hermannstadt geschieden und geprägt wurden, verweist nicht nur auf die ökonomische Potenz führender Bürger der Stadt, sondern auch auf hohen politischen Einfluß bei Hof. So war das 1453 verliehene Recht an die Stadt und die Sieben Stühle, mit rotem Wachs zu siegeln, eine Auszeichnung vor anderen Städten, doch die Verleihung des Talmescher Stuhls im gleichen Jahr weist hingegen in die Zukunft: die langfristige territoriale Ausdehnung der Stadt und der Sieben Stühle. Am Beispiel des mit hohem Kapitalbedarf verbundenen Münzrechts, für das der königlichen Kammer eine beachtliche Pacht zu zahlen war, läßt sich die außerordentliche Offenheit der Hermannstädter Oberschicht veranschaulichen, die bereits ab der Mitte des 14. Jahrhunderts zu beobachten ist. Waren es zunächst, zur Zeit der Könige 40

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aus dem Hause Anjou, vor allem italienische, meist Florentiner Kaufleute und Unternehmer, die sich in Hermannstadt niederließen, in Gräfen- und Patrizierfamilien einheirateten, Häuser erwarben und innerhalb kürzester Zeit bis zu den höchsten Stadtämtern, mitunter sogar ins Königsrichteramt aufsteigen konnten, so sind es zur Zeit König Sigismunds, also ab den Jahren um 1400, vor allem oberdeutsche Unternehmer, die uns in Hermannstadt begegnen. Entscheidend für ihre rasche Integration in die Führungsschicht war im wesentlichen ihr Wohlstand, der wiederum in Verbindung stand mit europaweiten Handels- und Finanzbeziehungen, Kapitalmarktkenntnissen und - ganz wichtig im beginnenden 15. Jahrhundert - Erfahrungen im modernen Montangeschäft. Einige dieser Familien verschwanden auch bald wieder, als sich die politische Großwetterlage veränderte, andere aber, die in alte Hermannstädter Familien einheirateten, lassen sich über mehrere Generationen hin an verantwortlicher Stellung in Wirtschaft und Stadt- oder bald Nationsfuhrung wiederfinden. Als einige anschauliche Beispiele seien genannt der Florentiner Matthäus Baldi, der Anfang des 15. Jahrhunderts Salzkammergraf in Salzburg wurde, und dessen Sohn Nikolaus de Wagio, der 1456 zusammen mit dem Bürgermeister Oswald und mit Christopherus Italicus die Hermannstädter Münz- und Bergkammer pachtete. Dann der zuletzt genannte Christopherus, der schon 1443 Münzgraf in Hermannstadt war. Oder als weiterer Florentiner der Kaufmann Zanobius, der in eine Gräfenfamilie einheiratete und dessen Sohn Nikolaus mit dem deutschen Namen Proll im ausgehenden 15. Jahrhundert nicht nur die Hermannstädter Münzkammer pachtete und Salzkammergraf fur ganz Siebenbürgen, sondern auch Hermannstädter Bürgermeister wurde. Aus dem süddeutschen Raum sind etwa die Trautemberger zu nennen, die Bürgermeister und Königsrichter wurden, oder die Stromer aus Nürnberg, die sich bis ins 16. Jahrhundert verfolgen lassen, und die Lemmel aus einem Bamberger Patriziergeschlecht. Auf deutsche Städte im europäischen Nordosten hingegen weisen die späteren Bürgermeister Russe und Hecht. Daß Wohlstand und Aufstiegsmöglichkeiten die entscheidenden Kriterien für die miteinander vielfach verschwägerten Oberschichtfamilien waren, zeigen nicht nur die diversen Heiratsverbindungen zu anderen Städten, sondern konkret etwa das Beispiel des bekannten Bürgermeisters Georg Hecht, der seine Tochter Eufemia an den Ofener Hans Haller verheiratete, der einem Nürnberger Patriziergeschlecht entstammte, aber auch Von der Villa Hermann!

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Adoptivsohn des einflußreichen ungarischen Vizeschatzmeisters Imre Szerencses war, eines aus Spanien zugewanderten und konvertierten Juden. Schon beginnend im 14. Jahrhundert und vor allem im Folgejahrhundert läßt sich feststellen, daß die reichsten Bürger danach strebten, ein Haus an der Südzeile des Großen Rings zu erwerben, die somit als die vornehmste Wohngegend der Stadt anzusehen ist. Doch auch die anderen Zeilen des Großen Rings sowie vor allem die Reispergasse, sodann die Fleischergasse und die Heltauer Gasse hatten ein hohes Renommee. Sehr schwer nachzuzeichnen sind die sozialen Entwicklungen, die sich in den Mittel- und Unterschichten der Stadt im späten Mittelalter abgespielt hatten. War zunächst die Etablierung der Stadtgemeinde mit einem Bürgermeister in den 1350er und 1360er Jahren ein wichtiger Schritt fur die erstarkende Kaufmannschaft zur Emanzipation gegenüber den alten Gräfenfamilien, so muß es wohl bereits ab dem Beginn des 15. Jahrhunderts weitere soziale Spannungen gegeben haben, die ab 1437/38 an Virulenz zunahmen und mit dem Erstarken der Handwerkerschaft zu tun hatten. Die bekannte Erzählung »Der Schneideraufruhr in Hermannstadt«, den Gustav Seivert in diesen Kontext und in diese Zeit versetzt, ist jedenfalls schöngeistige Fiktion als Versuch des Historikers, offene Fragen literarisch zu lösen. Sicher gelang einigen der Handwerker - etwa aus Gewerben, wo sich ein Zwischenhandel anbot wie bei den Kürschnern mit Fellen und Häuten oder bei Goldschmieden mit hohen Ertragschancen - der soziale Aufstieg. Insgesamt aber muß die Mehrheit der Stadtbürger eine erdrückende Ohnmacht empfunden haben gegenüber dem Regiment der ratsfahigen Familien und der Wirtschaftskraft zumal der zugezogenen Kaufleute und Unternehmer. Die konkrete Zuordnung zu den Cives, zu jenen Vollbürgern, die in der Regel aufgrund ihres Wohlstands Zugang zum Stadtrat hatten, und den Hospites, zu denen alle anderen Stadtbürger mit Hausbesitz, also die Masse der Handwerker gehörte und die keine politische Vertretung hatten, ist schwer zu fassen. Die lange demokratische Tradition jedenfalls, von der die sächsische Historiographie so viel schrieb und das Bild verzerrte, war zu dieser Zeit bestenfalls in zarten Strängen vorhanden. Erst im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts wird eine Beteiligung der Handwerker am Stadtregiment greifbar, nachdem Macht und Einfluß von Teilen der alten Elite vollständig gebrochen war. 42

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Entscheidende Ereignisse fallen dabei in die Regierungszeit des Königs Matthias Corvinus (1458-1490), wobei diese Jahre für Hermannstadt und fur die Sachsen allgemein ein dauerndes Auf und Ab bedeuteten. Noch 1457 standen die Hermannstädter auf der Seite der Gegner der Hunyaden, also von Matthias als Sohn des Reichsverwesersjohannes Hunyadi. Ob es damit zusammenhängen kann, daß der noch nicht zwanzigjährige und sich im Innern gegen zahlreiche Anfeindungen erwehrende König 1462 entgegen geltendem Recht zwei ungarische Adlige als Hermannstädter Königsrichter einsetzte, ist nicht festzustellen. Jedenfalls muß er im Bestreben, den Einfluß der Magnaten zurückzudrängen, die Bedeutung der großen Städte erkannt haben, so daß er - sicher auch auf Betreiben der mit den amtierenden Königsrichtern unzufriedenen Hermannstädter - 1464 eine Entscheidung mit weitreichenden Folgen fällte: Die Stadt Hermannstadt erhielt das Recht, den bisher stets vom König ernannten Königsrichter und Grafen von Hermannstadt künftig selbst zu wählen: »Dieser soll unter anderen Richtern und Königsgrafen dieser Provinz der Sieben Sächsischen Stühle der erste sein.« Damit erhielten die wahlfähigen Hermannstädter ein ganz neuartiges Machtinstrument, denn neben dem Stadtrat und seinen Beamten als dem Exekutivorgan für die Sieben Stühle konnten sie nun auch den obersten Repräsentanten und Richter dieser Provinz selbst bestimmen. Matthias begründete diesen Schritt mit seinem Bemühen, die Treue der Stadt zu festigen und ihre Wohlfahrt zu erhöhen. Die Folgejahre zeigten, daß es trotz vielfacher Verschwägerungen innerhalb der Stadtführung doch gekocht haben muß. Als sich nämlich der Unmut über eine Münz- und Steurreform des Königs 1467 in einem Aufstand des siebenbürgischen Adels Luft machte, schlossen sich auch Teile des Hermannstädter Stadtregiments, darunter der Königsrichter und der Bürgermeister, der Empörung an. Die Verschwörung flog jedoch auf und König Matthias verbannte die Beteiligten. So floh der Bürgermeister Benedikt Roth nach Polen, die anderen verblieben jedoch in Hermannstadt und hofften auf Vergebung. Der agile König aber machte kurzen Prozeß, erschien in Hermannstadt und ließ die Beteiligten hinrichten: So rollte der Kopf des Königsrichters, des Gräfen Petrus von Rothberg, und anderer auf dem Großen Ring. Dies war der entscheidende Schlag gegen die alten Gräfengeschlechter. Nachdem Matthias 1477 schließlich die freie Wahl der anderen Königsrichter der Sieben Stühle gestattete sowie die teilweise noch bestehende Erb-

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lichkeit des Königsrichteramtes aufhob, war der Einfluß der verbliebenen Gräfen endgültig gebrochen. Sofern sie sich nicht bereits durch Grunderwerb in den Komitaten und durch Einheirat zu Angehörigen des Komitatsadels entwickelt hatten, gingen sie - nachdem sie über gut vier Jahrhunderte die sächsische Geschichte entscheidend geprägt hatten - in der sich abermals neu definierenden Oberschicht der Städte oder auch der Stuhlsgemeinden auf. Nach Vollstreckung der Urteile von 1467 wurde sofort sichtbar, wer auf der anderen Seite gestanden hatte: Es waren Vertreter der teils gut ausgebildeten Kaufmannschaft und des Unternehmertums, die jetzt die Stadtfuhrung übernahmen. Nach Ladislaus Hahn folgte Nikolaus Aurifaber als Königsrichter, womit es in diesem Amt erstmals einen Hinweis auf einen Gewerbenamen, einen Goldschmied gibt. Nikolaus Russe wurde Bürgermeister und im Stadtrat taucht erstmals ein vormals in Wien auch akademisch erfolgreicher Geschäftsmann auf, Thomas Altemberger, der 1470 erstmals Bürgermeister werden sollte. Die neue Lage scheint innerhalb der Stadt eine gewisse Entspannung gebracht zu haben, alte Querelen im kirchlichen Bereich fanden - wie wir noch sehen werden - ein Ende, die Ergänzung und Verstärkung der Stadtbefestigungen um Ober- und Unterstadt kamen zum Abschluß, die wirtschaftliche Entwicklung verlief, abgesichert durch verbriefte Rechte, stetig, aber ohne große Aufregungen. Der Erwerb des Hamlescher (oder Selischter) Stuhls 1472, der Erwerb der Güter der aufgelösten Kerzer Abtei 1474, schließlich der zeitweilige Erwerb des Fogarascher Landes ab 1469, festigten die Stadt und die Sieben Stühle nicht nur ökonomisch, sondern ließen sie zu einer echten Territorialmacht im Süden Siebenbürgens werden - was die Kokurrenzsituation zu Kronstadt, das das ausgedehnte Törzburger Dominium, und Bistritz, das das Rodnaer Land erwarb, weiter aufrechterhielt. Mit dem Ausbau des Rotenturmpasses durch die Lauterburg, die statt der aufzulösenden Landskrone errichtet wurde, und durch die mit dem namengebenden roten Turm versehene Grenz- und Zollanlage südlich Talmesch erlangte die Stadt nicht nur zusätzliche Sicherheit, sondern durch die Pacht des Grenzzolls, des Zwanzigsten, auch eine wichtige Einnahmequelle. Die Filialstühle Talmesch und Hamlesch bestanden zu großen Teilen aus Wäldern und Gebirgen, durch die ökonomisch und strategisch wichtige Saumpfade führten. Lehensnehmer dieser Güter war die Hermannstädter Provinz, also Hermannstadt und die Sieben Stühle. Sinnbildlich fur diese standen sieben Richter als 44

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Eigentümer, denn die Lehen gingen in dauerhaften Besitz über. Als Begriff bürgerte sich dafür »die Sieben Richter« ein, zu denen auch andere, insgesamt über die Zeiten hinweg schwer faßbare Kleinterritorien gezählt wurden, die der Gesamtheit der Sieben Stühle gehörten. Hermannstadt war somit zu einer mittelgroßen Territorialmacht geworden, sicher größer und wohlhabender als mancher der zahlreichen deutschen Kleinstaaten. Die Karte in der hinteren Umschlagklappe kann eine Vorstellung von der Ausdehnung des Stadtgebiets und des Rechtsterritoriums geben. Allerdings mußten die sächsischen Provinzen trotz allgemeinen Aufblühens mit wiederholten Eingriffen des Königs kämpfen, der etwa Mühlbach zeitweilig an den Woiwoden verlieh, oder mit neuen Steuern, die die sächsische Autonomie in Frage stellten. So kam es auf Initiative des Hermannstädter Bürgermeisters Thomas Altemberger 1473 zu einer ersten Versammlung aller sächsischen Stühle und Distrikte. Nachdem bereits um 1400 Vertreter aller sächsischen Kapitel erstmals in Hermannstadt zusammenkamen, war dies nun ein umfassendes Treffen auf politischer Ebene unter Einbeziehung auch der anderen mächtigen Stadtrepubliken. Bürgermeister Altemberger, der ab 1470 während zwanzigjahren - so oft wie keiner vor noch jemals nach ihm - in dieses Amt gewählt wurde, hatte Visionen sowohl für die Stadt wie für die Nation. Während er in der Stadt ein würdiges Rathaus einzurichten trachtete, festigte er die Bande zu den freien wie zu den abhängigen sächsischen Territorien und Orten. 1470 schenkte Thomas Gulden sein Wohnhaus der Stadt zur Nutzung als Rathaus. Es befand sich im ältesten Teil der befestigten Oberstadt, im südwestlichen Eck des Kirchenkastells neben Priesterturm und Ladislauskapelle und wurde nun unter Altemberger umgebaut. Altembergers akademische Erfahrung in Wien aber eröffnete ihm noch eine andere Dimension, so daß er eine Sammlung deutscher Stadt- und Bergrechte anlegen ließ, 1481 abgeschlossen, enthaltend eine Kompilation aus Nürnberger, Magdeburger, Kuttenberger und Iglauer Recht. Der »Codex Altemberger«, ein bis heute im Brukenthalmuseum erhaltener Pergamentband, sollte ein Instrument des Stadtrates sein und das ungeschriebene Gewohnheitsrecht ergänzen. Die letzte Seite des Bandes enthielt j e n e Schwurformel, mit der die Hermannstädter Ratsherren über Jahrhunderte hin ihren Eid ablegten. Die bedeutendste Initiative Altembergers, der von 1481 bis 1486 neben dem Bürgermeisteramt auch das des Königsrichters innehatte, Von der Villa Hermanni

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war jedoch das beharrlich verfolgte kollektive Auftreten der sächsischen Gebietskörperschaften. So traten diese auf sein Betreiben hin 1481 erstmals zusammen, und zwar mit gemeinschaftlichen Anliegen in einem »Anbringen aller stet und aller Teutschen aus Sybenbürgen« vor den König. Schon 1484 begegnen wir erstmals dem Begriff Universitas Saxonum, also der »Gesamtheit der Sachsen«, als die sie 1485 erstmals urkundete. Nachdem König Matthias diese neue Körperschaft durch die Bestätigung des Andreanums 1486 anerkannte, war die Sächsische Nationsuniversität geboren, und Altemberger konnte das Königsrichteramt nach vollbrachter Aufgabe wieder abgeben. Keine andere Persönlichkeit dieses Zeitalters läßt sich als solcherart zielgerichtet politisch gestaltend erkennen. Wie wir noch an Altembergers Wohnhaus sehen werden, verband er ökonomisches und politisches Selbstbewußtsein auf hohem Niveau mit dem maximal Machbaren. Durch den Zusammenschluß erst wurde Hermannstadt zur Nations- oder Standeshauptstadt, denn vorher war es lediglich der Vorort der Sieben Stühle und die gerichtliche Appelationsinstanz der anderen sächsischen Stühle und Städte. Bei aller Selbständigkeit von Kronstadt und Bistritz aber war Hermannstadt nun nicht nur der Ort, wo der Katharinalkonflux, die Versammlung der Stühle und Distrikte einmal im Jahr am Katharinentag (25. November) zusammenkam, sondern der Hermannstädter Königsrichter vertrat die gesamte Nation nach außen und der Hermannstädter Stadtrat führte die Geschäfte der Nation zwischen den Zusammenkünften. Noch immer aber lassen sich die im Hintergrund fraglos schwelenden sozialen Konflikte nicht greifen, wahrscheinlich deswegen, weil sie nicht zu Eskalationen führten, vielmehr friedlich und allmählich verliefen und die Aufmerksamkeit auf ganz andere, existenzielle Fragen gerichtet war. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts war die Türkengefahr in Siebenbürgen ein übermächtiger Faktor, der das ansonsten typisch mitteleuropäische Stadtleben deutlich mitprägte. Kirche, Frömmigkeit und Klosterleben kennzeichneten den Alltag der nur scheinbar den weltlichen und materiellen Interessen verschriebenen Stadtbürger. Nach Abschluß der neuen Befestigungsanlagen um 1470 konnten sich auch die Dominikaner im Schutze der Mauern niederlassen. Ihr ursprüngliches Kloster, das in die Zeit vor den Mongolensturm zurückging, befand sich in Verlängerung der Elisabethgasse außerhalb der befestigten Stadt. Dort hatten die Mönche nach 1241 ihre Anlage befestigt, unter anderem mit starken Mauern und zwei 46

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Türmen. Im Vorfeld des Türkeneinfalls von 1438 aber ließ der Stadtrat das Kloster bis auf den Kirchenchor schleifen, um den Belagerern nicht im unmittelbaren Vorfeld der Stadt die Möglichkeit zu eröffnen, sich zu verschanzen. Mit dem Baumaterial wurden die Stadtmauern ausgebessert. Es geschah dies mit der Zusage an die Dominikaner, ein Kloster innerhalb der Stadtmauern errichten zu dürfen. Diesem Ansinnen aber widersetzte sich der Pleban der Marienkirche, weil er seine Kompetenzen in der Stadt beeinträchtigt sah: Die papstunmittelbaren Orden entzogen sich seiner geistlichen Gerichtsbarkeit. So sah sich der Rat 1445 veranlaßt, beim Papst um Rückendeckung bei der Einhaltung seines Versprechens anzusuchen. Der nun folgende päpstliche Erlaß enthielt nicht nur die Erlaubnis fur den Rat, das Kloster zu errichten, sondern auch den schon zitierten Ausspruch vom »Bollwerk der Christenheit«. Doch die Bürgerschaft und der Rat hatten - von den Osmanen und dem Befestigungsbau einmal ganz abgesehen - mit dem außerordentlich streitbaren Pleban Dr. Antonius (genannt zwischen 1442 und 1457) so viele Sorgen in Kirchenangelegenheiten, daß ein Neubau des Konvents wohl nicht zu ihren primären Anliegen gehört haben wird. Die Mönche werden zwischenzeitlich im notdürftig wiederrichteten Kloster vor der Stadt gelebt haben. Ein Konvent der Dominikaner-Nonnen bestand innerhalb der Stadtmauern seit der ersten Hälfte jenes Jahrhunderts oder gar schon seit Ende des 14. Jahrhunderts, und zwar in der südöstlichen Ecke des befestigten Oberstadtareals, jenseits der Kleinen Erde. Erst einige Jahre nach dem Tode von Pleban Antonius kam allmählich Bewegung in die Angelegenheit, doch verhinderten die politischen Wirren, von denen wir oben hörten, eine rasche Erledigung. Vielleicht war es der Machtzuwachs des Plebans durch die Auflösung der Kerzer Abtei, vielleicht die Persönlichkeit des Bürgermeisters Thomas Altemberger, die 1474 einen Vertrag zwischen Dominikanerkonvent und Stadt ermöglichten, wonach sich diese innerhalb der Stadtmauern niederlassen durften. Die Dominikaner mußten übrigens zusichern, daß der Prior und die Mehrheit der Mönche Deutsche sein würden - ein erstes Zeichen dafür, daß sich das Niederlassungsrecht einer genauen Definition näherte und die Offenheit der Stadtgesellschaft abzunehmen begann. Kirche und Konventsgebäude entstanden nun am östlichen Ende der Sporergasse neben dem Salztor und in relativer Nachbarschaft zum Nonnenkonvent. Die Dominikaner errichteten hier eine große Hallenkirche mit einem spätgotischen

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Netzgewölbe, die Konventsgebäude schlossen sich südlich an. Die alte Kirche zum Heiligen Kreuz mit dem Steinkreuz von Petrus Lantregen von 1417 sowie die zugehörigen Gebäude übergaben die Predigermönche der Stadt. Diese konnte nun ihren Siechenhof von der Spitalskirche hierher, vor die Stadtmauern verlegen. Neben dem Kloster der Predigermönche, den Dominikanern, und den Dominikaner-Nonnen bestanden in Hermannstadt, ebenfalls in relativer Nachbarschaft zueinander, nach wie vor das Franziskanerkloster mit der Elisabethkirche an der Elisabethgasse sowie die Klarissen oder im Volksmund Grauen Nonnen mit ihrem Kloster »im Bereich des Tores«, also nördlich der Elisabethgasse nahe dem Elisabethtor. Ein anderes Kapitel Hermannstädter Kirchengeschichte ist hier schon angedeutet worden: die Auseinandersetzungen zwischen dem Stadtrat und dem Pleban, dem Stadtpfarrer. Der Ursprung hierfür findet sich in der Auflösung der Hermannstädter Propstei 1424 durch König Sigismund. Er tat dies, weil die Propstei ihren geistlichen Aufgaben angeblich nicht mehr nachgekommen sei, wohl aber auch, weil es im Vorfeld wiederholt Zwist über Zuständigkeiten gab und sicher auch, weil sich die ursprüngliche kirchenpolitische Aufgabe dieser Einrichtung überlebt hatte. Die Propstwürde war eine vom König vergebene Pfründe, der Propst war kaum j e in Hermannstadt, es sind kaum Zusammenkünfte des Propsteikapitels aus der über zweihundertjährigen Geschichte bekannt. Und nicht erst seit der Propsteiauflösung muß dem Hermannstädter Pleban eine gewisse Führungsrolle innerhalb des sächsischen Klerus' zugefallen sein. Um 1400 kam es in Hermannstadt zudem zur ersten Zusammenkunft der gesamten sächsischen Geistlichkeit, also sowohl der dem Erzbistum Gran wie auch der dem Bistum Weißenburg unterstehenden Kapitel - ein neues Netzwerk wurde hier erkennbar, das seinen Mittelpunkt in Hermannstadt fand. Die Auflösungbestimmungen zur Propstei schufen langfristig jedoch sowohl in geistlicher wie in materieller Hinsicht solcherart unklare Verhältnisse, daß die beiden Erben, der Pleban und der Stadtrat, in Zwist miteinander geraten mußten. Grundsätzlich waren »der Richter, die Geschworenen und die ganze Gemeinschaft der Stadt Hermannstadt« die Nachfolger der Propstei und neue Eigner von deren Einkünften und Besitzungen. Zu den Einkünften der Stadt gehörten somit neben dem Propsteizins und einigen Orten auch der Zehnte von Hermannstadt, was kirchlichem Recht eigentlich wider48

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sprach und zum Streit führte. Sodann nahm König Sigismund mit der Auflösung eine umfangreiche Messestiftung vor, wobei die Einkünfte der Propstei für den Unterhalt von 15 Priestern zu verwenden waren, die täglich jeweils eine Messe an bestimmten Kirchen und Altären zu lesen oder zu singen hatten, und zwar nach einer für die gesamte Woche festgesetzten Ordnung, pro Jahr also fast 5500 Messen. Die oberste Leitung dieser Priester fiel dem Pleban zu, während der Stadtrat ein Aufsichtsrecht ausübte. Nach einer vertraglichen Klärung der jeweiligen Verpflichtungen 1432 eskalierte der Streit über die jeweiligen Pflichten und Rechte unter dem Pleban Dr. Antonius und läßt sich bis 1457 weiterverfolgen. Uber den Ausgang des Zwistes wissen wir nichts, können aber feststellen, daß er spätestens während der langen parallelen Amtszeiten des Bürgermeisters Thomas Altemberger (1470-1490) und des Plebans Johannes Dwer/Dür (1471-1499) abgeklungen sein wird. Die »Propsteipriester«, also jene, die aus den alten Propsteieinkünften unterhalten wurden, standen übrigens stets auf der Seite des Stadtrates. Neben diesen gab es an der Pfarrkirche weitere zwölfbis fünfzehn Priester, so daß allein auf dem Kirchhof- also abgesehen von den verschiedenen Ordensangehörigen - rund 25 bis 30 Geistliche in der Hauptkirche und den Kapellen wirkten. Auf ein gespanntes Verhältnis der Priesterschaft wie der Stadt zur Propstei deutet auch ein weiterer Umstand hin: Schon 1457 wurde die Ladislauskapelle nicht mehr erwähnt, so daß wir vermuten können, daß diese inzwischen einem anderen Heiligen geweiht wurde, etwa dem Heiligen Stephan, da sie auch unter dessen Namen erscheint. Es ist interessant festzustellen, daß ausgerechnet im Jahre 1424, also zum Zeitpunkt der Propsteiauflösung, umfangreiche Erweiterungsarbeiten an der Marienkirche einsetzten, da erst jetzt Mittel für die Fortführung des großen gotischen Kirchenbaus bereitstanden. Dabei wurde das Mittelschiff der ab etwa 1320 erbauten frühgotischen Kirche um etwa 2,6 Meter erhöht und mit Kreuzrippengewölbe versehen. 1438, im Jahr der Türkenbelagerung, entstand das bronzene Taufbecken. Von den Wandmalereien jener Zeit hat sich ein großes Kreuzigungsfresko von Johannes von Rosenau von 1445 an der Nordwand des Chores erhalten. Um die Mitte des Jahrhunderts erfolgte der westliche Anbau vor den Kirchturm, die sogenannte Ferula, so daß die Hauptzugänge zur Kirche an die Seiten verlegt wurden. Das Südportal mit Vorhalle etwa wurde 1457 im besagten Rechtsstreit zwischen Rat und Pleban erstmals erwähnt. Der Ort vor dem Kirchenportal Von der Villa Hermanni zur Handelsmetropole

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hatte im übrigen eine besondere Bedeutung. Hier wurden öffentliche Bekanntmachungen vorgenommen, bei Rechtsangelegenheiten etwa vor Zeugen entsprechende Schriftstücke zur öffentlichen Kenntnis ans Portal geheftet. Noch bis ins 18. Jahrhundert hinein erfolgte hier die öffentliche Ausrufung von zum Verkauf angebotenen Häusern. Die Erweiterung des Kirchenbaues ging - nachdem Mittel aus den Kerzer Gütern flössen - während des letzten Viertels des Jahrhunderts, nun mit spätgotischer Prägung, weiter, indem das südliche Seitenschiff erhöht und zu einer Hallenkirche umgebaut wurde. Die zusätzlich zum Querschiff erbauten fünf Satteldächer des südlichen Seitenschiffs und der Ferula sowie der für eine Kapelle aufgestockte Vorbau der südlichen Eingangshalle mit einem siebenten Satteldach wurden schon bald als ein Sinnbild für die Sieben Stühle oder die Sieben Richter gesehen - ob diese schöne Idee dem Bau tatsächlich zugrundelag, läßt sich jedoch nicht nachweisen. Die Erneuerung und Erweiterung der großen Pfarrkirche genauso wie andere Kirchenbauten fallen in eine neue Welle der Frömmigkeit, sicher mit ausgelöst durch die allgegenwärtige Türkenbedrohung: 1442 waren die Türken mit einem größeren Heer wieder in Siebenbürgen (allerdings nicht vor Hermannstadt, wie oft falschlich angenommen wird), 1453 fiel Konstantinopel in ihre Hände, 1454 wurde ein Angriff auf Südsiebenbürgen erwartet, 1457 fielen sie wahrscheinlich ein, und ein ausgeklügeltes Informantensystem brachte laufend Nachrichten über ihre Bewegungen an der Donau in die sächsischen Städte. Vor dem Hintergrund dieser Bedrohung durch die »Ungläubigen« nimmt die geistliche Besinnung nicht Wunder. Nicht nur, daß dem Stadtrat das ordnungsgemäße Singen und Lesen der »königlichen Messen« oder anderer privater Messen ein wichtiges Anliegen war. Die Zünfte der Kürschner und der Schneider zogen wegen des Vorrangs beim Anführen der Fronleichnamsprozession 1448 sogar bis vor das Gericht der Sieben Stühle. 1460 schließlich ließ sich die Heiligleichnamsbruderschaft ihre Stiftungsurkunde von 1372 wie auch spätere Ablaßurkunden bestätigen, offenbar im Zusammenhang mit der Neueinrichtung einer Prozession und eines Ablasses. Auch diesmal waren der Hermannstädter Bürgermeister, Oswald, und andere namhafte Laien unter den Mitgliedern. Daneben bestand als wohl auf den Beginn des 14. Jahrhunderts zurückgehende fromme Einrichtung die Kalandsbruderschaft, die dem Totengedenken diente. Ihr gehörten alle bekannten Plebane der Stuhlsgemeinden und - jedenfalls 50

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Rekonstruktionszeichnung: Blick auf Burgertor, Unterstadt und Burg gegen Ende des 15. Jahrhunderts (von Radu Oltean).

ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts - alle bekannten Laienpersönlichkeiten der Stadt an, so daß sie wohl als die bedeutendste Einrichtung dieser Art angesehen werden muß. Den Ursprung der nur aus dem 16. Jahrhundert bekannten Sankt-Annen-Bruderschaft dürfen wir wohl auch in dieser Zeit gesteigerter Frömmigkeit suchen. Die Anliegen all dieser Bestrebungen war die Förderung des eigenen Seelenheils wie auch des Seelenheils der Verstorbenen. Diesen Hintergrund müssen wir bedenken, um Bürgermeister Oswald zu verstehen, der 1454 an den Rat von Wien über die bedeutende Rolle Hermannstadts für die Christenheit gegenüber der Bosheit der Türken schreibt, oder um den inneren Antrieb nachzuvollziehen, wenn größere Kontingente bewaffneter Hermannstädter Bürger 1479 in der Schlacht auf dem Brotfeld und 1493 unter ihrem Bürgermeister Georg Hecht im Rotenturmpaß kampfesmutig und erfolgreich gegen osmanische Truppen auszogen. In dieser Zeit wurde nicht nur die Marienkirche erneuert, gleiches gilt fur wohl alle Kirchen der Stadt, worauf der gotische Chor der Spitalskirche oder jener der Elisabethkirche hinweist. Auch für die Ladislauskapelle dürfen wir eine Erneuerung vermuten. Wohlhabende Bürger richteten sich sogar HauskapelVon der Villa Hermann! zur Handelsmetropole 5 1

len ein wie jene im Lutsch-Haus (Ecke Großer Ring/Sporergasse), datiert 1474. Andere Bürger wie der Kirchenvater Georg Schneider hielt sich um 1485 einen eigenen Altardiener bei der Marienkapelle in der Pfarrkirche. Zahlreiche und umfangreiche Stiftungen kamen den Kirchen zugute, die auch notwendig waren, um die große Zahl an Kirchen, Kapellen und Geistlichen zu erhalten. Ein beredtes Zeugnis der Frömmigkeit und der Glaubensrichtung vermittelt uns eine erhalten gebliebene Predigtsammlung, die der Predigerjohannes Zekel 1502 an der Hermannstädter Marienkirche hielt. Dabei wird eine ausgeprägte, fast übersteigerte Marienverehrung sichtbar, die sogar noch jene des Gottessohnes übertrifft, sodann eine Uberbetonung des Vorrangs der geistlichen Gewalt vor der weltlichen. Aber wir kennen noch andere Belege der Frömmigkeit dieses Zeitalters, alle noch erhaltenen gotischen Flügelaltäre sächsischer Kirchen etwa. Die besten anwerbbaren mitteleuropäischen Künstler waren dafür gerade gut genug. Auch der alte Hochaltar im Chor der Marienkirche, heute im nördlichen Querschiff, weist auf die Zeit um 1480. Der Chor der großen Pfarrkirche war im übrigen durch einen Lettner vom Hauptschiff abgetrennt, belegt erstmals 1432. Erst Mitte des 19. Jahrhundert wurde diese Trennwand zwischen Geistlichen und Laien entfernt. Verglichen mit der Zahl an Altären des ausgehenden 15. Jahrhunderts oder auch mit der Reichhaltigkeit der Kirchenschätze jener Zeit - Kelche, Ziborien, Tabernakel, Schreine etc. -, sind die bis heute erhaltenen Kunstwerke freilich nur ein verschwindend geringer Teil. Der herausgehobenen Würde des Plebans verlieh der Stadtpfarrer Johannes von Alzen durch seine geistliche Prunkentfaltung Ausdruck. Auf ihn geht unter anderem das gotische Portal des Stadtpfarrhauses mit darüberliegendem Wappenschmuck zurück. 1503 erhielt er von Papst Alexander VI. das Recht verliehen, an zehn hohen Feiertagen des Jahres die Messe mit den Abzeichen der bischöflichen Würde, mit Mitra, Ring und Hirtenstab, zu halten, und sein zum Abschluß erteilter Segen sollte mit einem Ablaß von 100 Tagen verbunden sein. Gleichzeitig erhielt der Hermannstädter Pleban das Recht der Wiederweihe entweihter Kirchen, was in den kriegerischen Zeiten besondere Bedeutung hatte. Der Hermannstädter Stadtpfarrer war somit ohne Frage der herausragende sächsische Geistliche. Die erhalten gebliebenen Kirchen - die große Pfarrkirche, die Dominikanerkirche, die Spitalskirche - vermitteln bis heute einen Eindruck vom äußeren Bild des ausgehenden Mittelalters, nämlich 52

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vom Stil der Gotik, sichtbar meist in einer bescheidenen Ausführung der Spätgotik. Doch es waren nicht allein die Kirchen, die der Gotik in Hermannstadt ein Gesicht gaben, es war auch eine immer größere Zahl gemauerter Bürgerhäuser. Das Lutsch-Haus auf dem Großen Ring wurde bereits erwähnt, eine alte Darstellung läßt zahlreiche gotische Details und einen Wohnturm erkennen. Auf der Seite gegenüber, etwa an Stelle der späteren Sparkasse, stand ein weiteres gotisches Haus, das im 17. Jahrhundert der Familie Frank von Frankenstein gehörte und das, wie schon das Lutsch-Haus, über einen großen Saal verfugte. Die Südseite des Großen Rings galt als die vornehmste Wohngegend. Diese Häuser waren im Besitz der reichsten Familien der Stadt, die diesem Wohlstand auch durch ihre Wohnhäuser Ausdruck verliehen. Durch die spätere Uberformung sind die mittelalterlichen Teile nur mehr im Inneren der Häuser zu erkennen, im Hof des Haller-Hauses etwa ebenfalls ein gotischer Wohnturm. Doch auch in der Reispergasse, in der Burgergasse und Saggasse lassen sich viele Spuren dieser Zeit finden. Das bis heute bedeutendste Beispiel eines spätgotischen Patrizierhauses ist das Alte Rathaus, das sich der Bürgermeister Thomas Altemberger unter Einbeziehung älterer Bauten etwa in den Jahren 1475-1490 vom Baumeister Andreas Lapicida erbauen ließ - und zwar in umittelbarer Nachbarschaft zum damaligen Rathaus, das sich nur jenseits der Gasse zum Kirchhof hin befand. Durch die Nutzung als Rathaus zwischen 1545 und 1948 und die Restaurierungen in jüngerer Zeit ist hier das wohl beeindruckendste profane Beispiel des gotischen Hermannstadt, einer Palastburg ähnlich, erhalten geblieben. Jene Teile der Befestigungen des ersten, zweiten und dritten Mauerrings, die nun innerhalb der Stadt lagen, hatten ihre Rolle nach und nach eingebüßt. Als erstes wurde die Abgrenzung zwischen Kirchhof und Kleinem Ring durch Wohn- und Geschäftshäuser überbaut, dann folgte der Anbau von Lager- und Verkaufslauben der Zünfte um den Kleinen Ring, nach und nach überbaut mit Wohnhäusern. Die überdachten Laubengänge aber blieben öffentliches Gebiet, das nicht abgesperrt, vollgestellt oder zugebaut werden durfte. Die verschiedenen alten Tortürme blieben, wie wir schon hörten, als innerstädtische Durchgänge erhalten genauso wie zahlreiche andere Kommunikationen, Löcher genannt, zur Sicherstellung schneller Fortbewegung bis in die Neuzeit hinein offen gehalten wurden - einige wenige können bis heute benutzt werden. Türme der innerstädtischen StadtVon der Villa Hermanni

zur Handelsmetropole

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Rekonstruktionszeichnung eines Hermannstädter gotischen W o h n h a u s e s d e s 14. Jahrhunderts (von Paul Niedermaier).

mauer hingegen wurden wie diese allmählich in die Wohnbauten miteinbezogen. In den Rückgebäuden der Reispergasse zur Unterstadt hin sind einige alte Türme bis heute zu erkennen. Auch der westliche Teil des Kirchhofes erhielt wohl schon früh eine Bebauung. Wir hörten bereits vom Guldenschen Haus, das zum Rathaus wurde, und von der Ladislaus-Kapelle als möglichem Sitz der Propstei, zu der sicher noch weitere Gebäude

gehörten. Dieser folgte nun ein altes Schulgebäude, eventuell weitere kirchliche Bauten oder gar eine Kapelle, schließlich das Kapitelsgebäude. Die Schule wurde um das Jahr 1380 erstmals erwähnt, als Reparaturen an ihr durchgeführt wurden, so daß sie bereits ein gewisses Alter gehabt haben muß. Sie ist jedenfalls eindeutig als Kirchenschule erkennbar, da die Ausgaben in einem Kirchenbuch vermerkt wurden. Ihre Aufgabe zu dieser Zeit bestand gewiß in der Ausbildung zumindest der niederen Geistlichen, denn der Bedarf in den sächsischen Orten war bekanntlich sehr hoch. Sodann wird sie als Lateinschule jene jungen Männer zum Studium vorbereitet haben, die uns ab 1385 an den Universitäten in Wien, Bologna, Prag und Krakau begegnen. Für die Zeit bis 1526 konnte Sändor Tonk insgesamt 285 Hermannstädter Studenten ausmachen - die größte siebenbürgische Gruppe überhaupt, zu der gewiß noch Schüler des Umlands zu rechnen sind. Über Schulunterricht an Hermannstädter Klöstern wissen wir zwar nichts, dürfen jedoch annehmen, daß es ihn gab, zumal beim aufstrebenden Bürgertum mit zunehmend ausdifferenzierten Aufgaben sicher ein großer Bedarf an Bildung vorhanden war. Die Schule am Kirchhof jedenfalls hatte schon im 15. Jahrhundert akademisch gebildete Lehrer, der erste bekannte Schulrektor Johannes Arnoldi aus Graudenz etwa war Baccalaureus. Die Zunahme der schriftlichen Zeugnisse während der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, die allmählich zahlreicher greifbaren Rechnungen, Steuerlisten und Verzeichnisse jeder Art belegen die 54

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Bedeutung von Schriftlichkeit nicht nur fur die alte Oberschicht, sondern nun auch für die Zünfte und die Stadtbürger schlechthin. Für diese Mittelschicht, also die nicht ratsfahigen Bürger, entstand - ohne daß wir Konkretes über die Ursprünge wissen - in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhundert die »Genanntschaft« als eine Art äußerer Rat, dessen Mitglieder Aufgaben im Zusammenspiel mit dem Stadtrat bei Gemeindearbeiten wie der Beaufsichtigung der Befestigungen, bei juristischen Vorgängen wie Gefangensetzungen von Bürgern oder bei der Veranschlagung von Steuern zukamen. Der soziale Druck hatte also zu einem Kompromiß gefuhrt, wodurch zugleich Aufgaben und Verantwortlichkeiten breiter verteilt wurden. Darauf aufbauend entstand im Jahre 1495 schließlich mit Zustimmung des Königs Wladislaus II. die »Hundertmannschaft«, der äußere Rat, dem hundert Männer als Vertreter der Stadtbürger angehörten. Ihre Bestellung erfolgte durch den Stadtrat, auch Magistrat oder in späterer Zeit Senat genannt. Ein Steuerregister der Zeit um 1475 gibt interessanten Aufschluß nicht nur über die Zahl der Hausbesitzer, sondern auch über die Vermögensverhältnisse der Stadtbewohner. Von 896 Hausbesitzern zahlten lediglich 17 Personen (1,9%) mehr als eine Silbermark Steuern (zwei davon rund drei Silbermark), 26 Personen (3%) zahlten eine Silbermark und 595 Personen (66,41%) zahlten 2 bis 4 Lot (16 Lot = 1 Silbermark). Als »ratsfahig« können wir somit eine kleine Oberschicht von rund 5% der Hausbesitzer betrachten. Schon wenige Jahre später, 1480, gab es in Hermannstadt 940 Hauswirte und 368 Mieter, woraus sich zusammen mit der Geistlichkeit eine geschätzte Einwohnerzahl von rund 6.000 ergibt. Die Einrichtung der Hundertmannschaft hatte aber keinen dauerhaften Ausgleich zwischen jenen wenigen Bürgern, die hohe, und den vielen Bürgern, die niedrige Steuern zahlten, bewirken können. Doch in ganz Siebenbürgen und Ungarn, nicht nur in Hermannstadt breitete sich ab dem Beginn des 16. Jahrhunderts eine soziale Unrast aus, befördert durch die unsichere Lage mit wiederholten Türkeneinfallen auf der einen, inneren Spannungen und Unzufriedenheit mit den jagellonischen Königen Ungarns auf der anderen Seite. Die Schäßburger etwa verweigerten ihrem Bürgermeister 1510 die Zahlung einer Reichssteuer und bezichtigten ihn der Vorteilnahme. Und kurz bevor sich 1514 aus einem Kreuzzug gegen die Osmanen ein reichsweiter Bauernaufstand gegen die Feudalherren unter Führung von Von der Villa Hermanni zur Handelsmetropole

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Georg Dozsa entwickelte, vertrieben auch die Hermannstädter 1513 den Königsrichter Johannes Lulay aus der Stadt, ohne daß wir die unmittelbaren Ursachen dafür kennen. Mit Hilfe des Königs konnte Lulay wieder zurückkehren und das Amt bis 1521 behalten, die Bürger aber mußten eine gleichmäßig auf alle Häuser erhobene Strafe von 6.000 Gulden zahlen. Dieses gesellschaftliche Brodeln und die zunehmende Selbstgerechtigkeit des zahlreichen Klerus waren der Boden, auf den am Beginn der 1520er Jahre die Idee religiöser Erneuerung im Sinne des Wittenberger Mönchs Martin Luther fiel. Dabei war Hermannstadt offenbar die erste Stadt Siebenbürgens, in der sich das reformatorische Gedankengut schon so früh auszubreiten begann: Die ersten lutherischen Schriften sollen Kaufleute von Messen mitgebracht haben. Ambrosius der Schlesier und ein Dominikaner Georgius aus der Nähe von Wittenberg müssen um die Jahre 1523-1526 wohl als Wanderprediger im lutherischen Sinne gewirkt haben. Doch auch der Schulrektor Johann Mild mußte sich 1524 vor dem Kapitelsgericht wegen Verbreitung ketzerischer Gedanken verantworten - Schmähgedichte gegen die konservativen Geistlichen waren im Umlauf. Der Ratsherr Johannes Hecht schließlich war um 1525 bereits ein so eifriger Anhänger der neuen Lehre, daß er in seinem Hause am Großen Ring, dem Hecht-Haus an der Stelle des späteren Nationsgebäudes, Versammlungen gleichgesinnter Bürger und Kaufleute abhielt. Hier waren erstmals in der Stadt evangelische Predigten und Gesänge zu hören. Der Uberlieferung nach war es die Elisabethkirche, wo erstmals evangelischer Gottesdienst gehalten wurde. Der Pleban und der Kapitelsdechant waren jedoch streitbare Persönlichkeiten, die an altem Kirchenbrauch streng festhielten und nicht nur durch zahlreiche Kirchenprozesse, sondern auch durch Eingaben an den Graner Erzbischof der Lage Herr zu werden suchten. Allerdings sympathisierten offenbar Teile des Stadtrates wie auch der seit 1522 amtierende Königsrichter Markus Pemfflinger mit der neuen Lehre, so daß sich katholische und evangelische Kräfte einige Zeit die Waage hielten. Auch die zunächst geflohenen Mönche und Nonnen kehrten allmählich wieder. Noch wenige Wochen vor der Schlacht von Mohäcs drohte König Ludwig II. Pemfflinger den Verlust aller Güter an, wenn der Ausbreitung der lutherischen Irrlehre in Hermannstadt nicht Einhalt geboten würde. Der 29. August 1526, der Tag der Schlacht, bei dem der König und viele hohe Vertreter des Reiches, auch der Erzbi56

Hermannstadt ca. 1 1 5 0 - 1 5 2 6

schofvon Gran, ums Leben kamen, veränderte die Lage grundlegend. Das Interesse an der reformatorischen Erneuerung bestand zwar weiter, rückte angesicht der existenziellen Bedrohung und der politisch unsicheren Lage jedoch in den Hintergrund. Im ganzen Königreich hatte eine neue Epoche angefangen.

DIE HAUPTSTADT DER SÄCHSISCHEN NATION (1526-1614)

Als für das Königreich Ungarn und für Siebenbürgen mit 1526 eine neue Zeitrechnung anfing, stand Hermannstadt auf der Höhe seines Wohlstands, seines ökonomischen wie politischen Einflusses, seiner Bautechnik und Kunstfertigkeit. Eine starke und stolze Stadt, die vor allem ihrer Größe wegen wiederholt mit Wien verglichen wurde. Ob nun Kronstadt, Bistritz oder Klausenburg im Einzelfall materiell besser dagestanden haben mögen, bleibe dahingestellt, jedenfalls mangelte es den ersten beiden an überregionaler politischer Relevanz, das letzte lahmte sich selbst durch die innere sächsisch-ungarische Antagonie. Hermannstadt aber strahlte weithin erkennbar, als das mittelalterliche Ungarn in Mohäcs sein Ende fand. Und Hermannstadt wähnte sich unter seinem Königsrichter Markus Pemfflinger, eines zugewanderten süddeutschen Unternehmers, der seit 1522 dieses Amt bekleidete, so mächtig, daß es in dem 1526 losbrechenden Streit um die Länder der Stephanskrone schon bald Partei für den >deutschen« König Ferdinand von Habsburg ergriff. Aufgrund eines Heirats- und Erbvertrages sollten sich die Herrscherhäuser in Wien und Ofen beziehungsweise Prag, die Habsburger und die Jagellonen, nämlich gegenseitig beerben, wenn eine Seite kinderlos bliebe. Dieses Erbrecht Ferdinands von Habsburg, des Bruders der Königin Maria von Ungarn und des römisch-deutschen Kaisers Karls V., stellten große Teile des ungarischen Adels in Frage und krönten ihren eigenen Kandidaten, den bisherigen Woiwoden von Siebenbürgen Johann Szapolyai, zum ungarischen König. Da es auch Ferdinand kurz danach glückte, mit der rechten Krone am rechten Ort gekrönt zu werden, gab es zur Jahreswende 1526/27 in Ungarn zwei Gegenkönige, und die Fraktionenbildung setzte ein. Die Hauptstadt der Sächsischen Nation

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schofvon Gran, ums Leben kamen, veränderte die Lage grundlegend. Das Interesse an der reformatorischen Erneuerung bestand zwar weiter, rückte angesicht der existenziellen Bedrohung und der politisch unsicheren Lage jedoch in den Hintergrund. Im ganzen Königreich hatte eine neue Epoche angefangen.

DIE HAUPTSTADT DER SÄCHSISCHEN NATION (1526-1614)

Als für das Königreich Ungarn und für Siebenbürgen mit 1526 eine neue Zeitrechnung anfing, stand Hermannstadt auf der Höhe seines Wohlstands, seines ökonomischen wie politischen Einflusses, seiner Bautechnik und Kunstfertigkeit. Eine starke und stolze Stadt, die vor allem ihrer Größe wegen wiederholt mit Wien verglichen wurde. Ob nun Kronstadt, Bistritz oder Klausenburg im Einzelfall materiell besser dagestanden haben mögen, bleibe dahingestellt, jedenfalls mangelte es den ersten beiden an überregionaler politischer Relevanz, das letzte lahmte sich selbst durch die innere sächsisch-ungarische Antagonie. Hermannstadt aber strahlte weithin erkennbar, als das mittelalterliche Ungarn in Mohäcs sein Ende fand. Und Hermannstadt wähnte sich unter seinem Königsrichter Markus Pemfflinger, eines zugewanderten süddeutschen Unternehmers, der seit 1522 dieses Amt bekleidete, so mächtig, daß es in dem 1526 losbrechenden Streit um die Länder der Stephanskrone schon bald Partei für den >deutschen« König Ferdinand von Habsburg ergriff. Aufgrund eines Heirats- und Erbvertrages sollten sich die Herrscherhäuser in Wien und Ofen beziehungsweise Prag, die Habsburger und die Jagellonen, nämlich gegenseitig beerben, wenn eine Seite kinderlos bliebe. Dieses Erbrecht Ferdinands von Habsburg, des Bruders der Königin Maria von Ungarn und des römisch-deutschen Kaisers Karls V., stellten große Teile des ungarischen Adels in Frage und krönten ihren eigenen Kandidaten, den bisherigen Woiwoden von Siebenbürgen Johann Szapolyai, zum ungarischen König. Da es auch Ferdinand kurz danach glückte, mit der rechten Krone am rechten Ort gekrönt zu werden, gab es zur Jahreswende 1526/27 in Ungarn zwei Gegenkönige, und die Fraktionenbildung setzte ein. Die Hauptstadt der Sächsischen Nation

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Hermannstadt stand, wie ganz Siebenbürgen, zunächst auf König Johann Szapolyais Seite. Doch Ferdinand vermochte durch militärische Siege und durch diplomatisches Geschick schnell an Anhängerschaft zu gewinnen und Szapolyai nach Polen abzudrängen. Während der wenigen Monate seiner Regentschaft hatte König Johann bei einem Reichstag in Ofen Anfang 1527, wo auch die Vertreter der Sächsischen Nation teilnahmen, den Nationsgrafen Pemfflinger des Hochverrats angeklagt und zu einer hohen Strafzahlung verpflichtet, womit er die Sachsen insgesamt brüskierte. Pemfflinger selbst gehörte zu den reichsten Männern des Landes, er war Kammergraf der siebenbürgischen Salzgefalle, er hatte den Hermannstädter und Kronstädter Zwanzigstzoll - also die Paßzölle auf Handelswaren - gepachtet, er besaß Burgen und Gemeinden auf Komitatsboden, er war Groß- und Fernhändler. In Hermannstadt besaß er aufgrund der Heirat mit der Witwe des Königsrichters Johannes Lulay das größte Anwesen, den Stadtpalast von Thomas Altemberger. Er lieh dem Hof Geld und erhielt 1522 die Königsrichterwürde durch königliche Ernennung, nicht durch Wahl wie sonst üblich. Er hatte stets ein Fähnlein in seinem Sold, das er auch zu Amtsgeschäften mitnahm. Er muß sich also durchaus wie ein oberitalienischer Stadtfurst gefühlt und aufgeführt haben, stets von einer Aura überlegenen Wohlstands umgeben - dem von Geldmangel geplagten alteingesessenen ungarischen Adel gewiß ein Dorn im Auge. Warum aber hätte sich die Stadt der Ernennung einer solchen Persönlichkeit zum Königsrichter auch widersetzen sollen? Er war ein der Stadt wohlgesinnter Bürger ohne Sonderrechte, keinesfalls der einzige wohlhabende. Noch blühte der Handel, Unternehmer ließen sich gerne hier nieder, die Pacht von Regalien und Zöllen fiel nicht selten Hermannstädtern zu. Und die Stadt selbst verfugte über das Münzrecht, verwaltete zwei Filialstühle, hatte ein kräftiges Umland. Weswegen hätte man der Politik jener Männer also nicht trauen sollen, die selbst das meiste zu verlieren hatten? Nach einem allmählichen Entscheidungsprozeß, bei dem Ferdinands Hofbeamter Georg Reicherstorffer, ein gebürtiger Hermannstädter, zunächst in Kronstadt, dann in Hermannstadt Überzeugungsarbeit leistete, entschloß sich die Sächsische Nationsuniversität im August 1527 zur Absage an König Johann und unterstellte sich König Ferdinand. Unter der Masse der Stadtbürger jedenfalls war offenbar fur die »deutsche Sache«, also für 58

Hermannstadt 1 5 2 6 - 1 6 1 4

Ferdinand als neuen Landesherrn viel Zuspruch, gar mehr, als bei den diplomatisch sorgfältig abwägenden Stadträten. Pemfflinger sollte der konsequenteste Vertreter dieser Politik werden, der Stadt die Treue zum deutschen König bis zur fatalen Infragestellung der Existenz vorleben und abfordern. Der politisch-militärische Schauplatz aber wandelte sich rasch. König Johann unterstellte sich 1528 dem osmanischen Sultan. Er sicherte sich dadurch für sein Regnum den Status des »nicht eroberten Landes« nach islamischem Recht und erhielt Hilfstruppen vom Bosporus. König Ferdinand aber hatte in anderen Teilen seiner Reiche ganz andere Sorgen - so war er zugleich regierender Erzherzog der österreichischen Erblande, die nach Mohäcs nun unmittelbar von den Osmanen bedroht wurden. Für Ferdinand war das östliche Ungarn mit Siebenbürgen sehr weit entfernt, zudem war die Staatskasse leer und so kam die Region schon bald wieder zu wesentlichen Teilen unter Johann Szapolyais Herrschaft. Den Rest Ungarns, von den Osmanen nach 1526 aufgrund ihrer Taktik noch nicht besetzt, beherrschte der lokale Adel. So konnten die osmanischen Heere 1529 nahezu ungehindert durch Ungarn zur ersten Belagerung Wiens ziehen. Währenddessen tobte in Siebenbürgen der Krieg der beiden Parteien, wobei die Sachsen, angeführt von Pemfflinger, vollständig zurfactio Germanica gehörten. In der Schlacht von Marienburg im Juni 1529 wurde diese vernichtend geschlagen, es kamen schwere Schläge gegen das Burzenland, gegen Schäßburg und Bistritz hinzu. Kronstadt war im Herbst 1530 die erste Stadt, die die Fronten wechselte, auf König Johanns Seite trat und die führenden Ferdinandisten aus der Stadt verbannte. In den kommenden Monaten folgten die übrigen sächsischen Städte und Stühle diesem Beispiel - mit der Ausnahme Hermannstadts. Dieses blieb damit ab dem Frühjahr 1531 die letzte Bastion König Ferdinands nicht nur in Siebenbürgen, sondern überhaupt in den östlichen Reichsteilen. Die bereits 1528 einsetzende Abschnürung der Stadt sollte nun über viele Jahre hin durch eine unterschiedlich intensive Belagerung fortgesetzt werden. Dabei standen Kronstadt, Schäßburg und die anderen sächsischen Städte auf Hermannstadts Gegenseite, im Bürgerkrieg herrschte auch innerhalb der Nation die »Wut so schwerer Zwietracht«, wie dies Johannes Hontems 1530 in seiner Kosmographie ausdrückte. Die Belagerungen der Stadt aber hatten weitreichende Folgen. Schon 1527, kurz nach dem Seitenwechsel, entzog König Johann Hermannstadt das MünzDie Hauptstadt der Sächsischen Nation

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recht und entledigte die Stadt daher einer der wichtigsten Quellen ihres Reichtums - Klausenburg kam nun in den Genuß dieses Privilegs. Der auf freiem Verkehr und Rechtssicherheit basierende Fernhandel brach allmählich weg. Kapitalstarker Zuzug in die Stadt blieb aus. Die Kriegszeiten und der Thronstreit brachten die Edelmetallunternehmen in den Westgebirgen genauso wie die Regalienpachten der Hermannstädter zum Erliegen. Das kurzzeitige Engagement der Fugger im Edelmetallabbau Siebenbürgens fand schnell ein Ende und die Mitarbeiter des Unternehmens harrten in Hermannstadt aus, bis ihnen der freie Abzug ermöglicht wurde. Schließlich konnte Pemfflingers großer Gegner, der Kronstädter Stadtrichter Lukas Hirscher, ersterem nach langem Bemühen 1528 endlich die Pacht des Zwanzigstzolls im Törzburger Paß abjagen. Überhaupt mußte Hermannstadt ab etwa 1530 die Führung der Nation an Kronstadt abgeben, das nun deren Vertretung und die Zusammenkünfte außerhalb Hermannstadts organisierte. Hermannstadt hatte sich selbst isoliert, es war eine selbständige kriegfuhrende Macht gegen den Rest des Landes, auf Unterstützung des fernen Königs hoffend. In Zeiten der Belagerung - 1530 etwa werden unter den Belagerern Türken, Tataren und Walachen genannt, es herrschte ein strenger Winter, die Pest wütete - mußten sich die Korngruben und die durch die Stadt geleiteten Bäche bewähren. Auch die Verteidigungsanlagen wurden weiter verstärkt. Nachdem die Stadt ab Frühjahr 1531 aber vollständig eingeschlossen wurde, stellte sich der Hunger als dauernder Begleiter der Einwohner ein, und die Pest hielt erneut Einzug. Um in dieser schwierigen Lage Hilfe vom Wiener Hof zu erhalten, zog Markus Pemfflinger im Sommer 1531 mit einer Abordnung des Hermannstädter Rates und einer Truppe Bewaffneter zu Ferdinand. In den folgenden Jahren sollte er sich im Umfeld des Hofes in Osterreich, in Ofen oder in Kaschau aufhalten, um unentwegt Versuche zu unternehmen, Unterstützungen für den Entsatz seiner Stadt und Siebenbürgens zu erhalten. Mit dem Stadtrat blieb er in laufendem Briefkontakt und rief über Jahre hin stets zum Durchhalten und zur Treue zu Ferdinand auf. Vorher schon hatte er sein in der Stadt befindliches immenses Vermögen für deren Verteidigung bereitgestellt. Erstaunlich ist dabei nicht nur die Treue zu Ferdinand, sondern vor allem die Treue der Hermannstädter zu Pemfflinger, zumal es im Stadtrat durchaus Parteigänger Szapolyais gab. Georg Huet etwa war ein solcher, der Ende 1533, als Hermannstadt aufgrund seiner Schwächung 60 Hermannstadt 1526-1614

vor einem Seitenwechsel stand, von Szapolyai zum Königsrichter ernannt wurde - doch ohne tatsächliche Folgen. Vielmehr erkennen wir die sich mit Pemfflinger allmählich etablierende Besetzung des Königsrichteramtes auf Lebenszeit - erst nach Bekanntwerden seines Todes 1537 gab es eine reguläre Nachfolge. Die Persönlichkeit dieses Judex Regius, Unternehmers und sich sicher auch mit einem gewissen Prunk selbstinszenierenden »Stadtfürsten« muß jedenfalls außergewöhnlich gewesen sein und die Hermannstädter nachhaltig in ihren Bann gezogen haben.

Hermannstadt und U m l a n d auf der S i e b e n b ü r g e n - K a r t e von J o h a n n e s H o n t e r u s (Basel 1532).

Schon 1531 wäre die Stimmung in der Stadt wohl beinahe gekippt, nur die Oberbeamten und der Stadtrat hielten noch zu Ferdinand. In dieser Situation widmete Honterus in Basel seine Siebenbürgen-Karte, die erste überhaupt und 1532 gedruckt, dem Hermannstädter Senat: Selbst als Ferdinandist aus Kronstadt verbannt, hatte er die Notwendigkeit des Wechsels zu Königjohann erkannt und versuchte, die Verantwortlichen der Stadt von dieser Einsicht zu überzeugen. Die Wappen Hermannstadts und Kronstadts auf der Karte sollten für die in Eintracht wiedervereinten Häupter der Nation stehen. Es war dem Stadtrat aber immer wieder möglich, Hermannstadt als ferdinandisch gesinntes Bollwerk zu erhalten, auch wenn vom Hof statt Hilfen nur leere Versprechungen kamen und selbst als die Stadt 1534 von großer Hungersnot geplagt wurde. Die Einwohner begannen, abzuwandern. Während Pemfflingers Abwesenheit wirkte in Hermannstadt der von Ferdinand eingesetzte Weißenburger Bischof Nikolaus Gerendi, ein treuer Anhänger derfactio Germanica, als Kommandant der StadtverDie Hauptstadt der Sächsischen Nation

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teidigung. Im Herbst 1534 gab es einen Waffenstillstand mit Johann Szapolyai, die Vorstufe eines Seitenwechsels. Doch haben weitere Versprechungen Ferdinands abermals einen Umschwung bewirkt: Hermannstadt blieb standhaft, allein, isoliert, ausgehungert, geschwächt - für Ferdinand und gegen Siebenbürgen. Einem früheren Parteigänger Ferdinands, Stephan Majlath, nun Szapolyais Woiwode für Siebenbürgen, riß der Geduldsfaden, er ließ Hermannstadt von jeder Zufuhr absperren, ließ ihre Bürger als Verräter überall ausschreien, unternahm Überfalle auf die Stadt, ließ ihre Gesandten erhängen. Zwietracht in der Stadt war die Folge. Ohnehin waren die Meinungen zwischen Bevölkerung und Hundertmännern auf der einen und Stadtrat auf der anderen Seite geteilt. Im November 1535 erzwang die Hundertmannschaft die Kapitulation, und Ende des Monats besetzte Majlath die Stadt, trotz eines Waffenstillstandes. Es war die erste bekannte Besetzung in ihrer Geschichte. König Johann war froh, seine Kräfte nicht mehr zersplittern zu müssen und die neben Kronstadt größte Festung des Landes auf seiner Seite zu haben. Er ließ sich daher auf alle Bedingungen der Stadt ein, bestätigte 1536 alle ihre Rechte wie auch jene der Sächsischen Nation, ja schenkte Hermannstadt als Zeichen seiner Gnade sogar die Einkünfte des Zwanzigstzolls im Rotenturmpaß auf zehn Jahre. Die Stadt war gerettet, die Einheit der Nation wiederhergestellt. Nach siebenjähriger Unterbrechung wurde Ende 1536 vom Bürgermeister erstmals wieder ordentlich Rechnung gelegt, am Katharinentag kam die Nationsuniversität wieder in Hermannstadt zusammen, 1537 gab es wieder ordentliche Wahlen. Dennoch bedeutete das verflossene Jahrzehnt einen entscheidenden Wendepunkt in der Stadtgeschichte, wobei der politische Sonderweg Hermannstadts die Folgen des Zusammenbruchs des alten Königreichs noch verstärkte: Gab es während rund dreihundert Jahren, seit dem Mongolensturm 1241, eine stetige Aufwärtsentwicklung von einem zentralörtlichen Dorf hin zu einem weit ausstrahlenden und reichen Handelsmittelpunkt, der selbst mit bedeutenden Residenzstädten verglichen wurde, so folgte nun ein Zeitalter der Stagnation, das vom Glanz der Vergangenheit zehren sollte. Es waren aber nicht allein die politischen Verhältnisse in der Region und die Sonderrolle Hermannstadts, die einen ökonomischen Einschnitt bewirkten, weltgeschichtliche Entwicklungen schlugen sich hier genau so nieder. Das amerikanische Gold ließ die europäischen Edelmetallmärkte zusammenbrechen und die neuen 62 Hermannstadt 1526-1614

Handelsrouten zur See drängten die kontinentalen Fernhandelsstraßen in ihrer Bedeutung stark zurück - und das betraf zwei entscheidende Einnahmequellen der Hermannstädter. Abgesehen vom Austausch mit der Moldau und der Walachei sollte nur noch ein Handelsweg auf Dauer Bedeutung haben, nämlich jener nach Norden hin, nach Lemberg und zu anderen Städten in Polen. 1553 sicherte ihn Ferdinand durch Zollfreiheiten fur die Hermannstädter und Kronstädter ab. Noch während sich Pemfflinger in Ungarn und Osterreich aufhielt, begannen Gläubiger sich an die Stadt zu wenden, um ihre Forderungen an ihn geltend zu machen. Nach dessen Tod wurde der Stadtrat um so mehr bestürmt. Pemfflinger hatte sein ungeheures Vermögen der Treue zu Ferdinand geopfert, in Hermannstadt verblieb der Stadtpalast. Um die Gläubiger zu befriedigen und um den Erwerb durch einen Auswärtigen zu verhindern - so hatte der Kanzler Martinuzzi Interesse an dem Haus erwarb die Stadt unter ihrem Bürgermeister Petrus Haller das repräsentative Anwesen 1545 zu einem stattlichen Preis und richtete hier das Rathaus ein. Damit hatte die Stadt nicht nur Pemfflingers Andenken gewahrt und Aspirationen von Angehörigen anderer Stände auf Hausbesitz in sächsischen Städten abgewehrt, sie hatte auch erstmals ein deutlich über die Wohnhäuser der Patrizier hinausragendes öffentliches Gebäude. Der Pemfflingersche Glanz wie auch das Andenken an Altemberger und Lulay konnten nun auf das Gemeinwesen übergehen. In den unmittelbar vorangegangenen Jahren war schließlich ein weiterer Wandel erfolgt: 1541/42 hatte sich Siebenbürgen als eigenständiges Regnum, als eigenes Reich, konstituiert, getragen von den alten Nationen, den jetzt den Staat definierenden Ständen des Komitatsadels, der Szekler und der Sachsen. Landesherr war König Johann II. Sigismund, der wenige Wochen vor Königjohanns Tod geborene Thronerbe. Bis zu seiner Großjährigkeit sollte ein Regentschaftsrat die Regierung bilden, bestehend aus der Königinmutter Isabella, dem Kanzler Martinuzzi und einer je gleichen Zahl von Angehörigen der drei Nationen - auch der Sachsen. Hermannstadt wurde somit binnen weniger Jahre von der isolierten, ausgehungerten und verzweifelten Stadt zum Zentrum eines staatstragenden Standes. Ihr Königsrichter, ihr Bürgermeister und ihre Räte entschieden plötzlich über Krieg und Frieden, Steuern und Bündnisse mit. Landtage fanden nun regelmäßig statt, 1544 und 1547 auch in Hermannstadt selbst. Da paßte es gut, den damals sicher noch Die Hauptstadt der Sächsischen Nation

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prächtiger als heute wirkenden Stadtpalast als Rathaus zur Verfugung zu haben. Schließlich war hier zugleich die zentrale Administration der Sächsischen Nation angesiedelt. Aber dieser Wandel im Äußeren stand auch für einen weiteren Wechsel: Es waren nun immer weniger die reichen Unternehmer und Großkaufleute, die sich die Stadtleitung mehr oder weniger nebenher teilten. Das Gemeinwesen als solches rückte stärker in den Vordergrund, unternehmerische Aspekte verloren an Einfluß. Die Stadt führte nun nicht nur die eigene Nation, sondern bestimmte auch die Landespolitik mit, und zwar stärker als die anderen Städte, da ihre Oberbeamten und Räte von Amts wegen der Nation vorstanden. Die Neuordnung der Stadtverwaltung machte es auch erforderlich, erstmals städtische Statuten schriftlich festzulegen. So beschlossen 1541 »ein ehrbarer Rat und die ganze Gemein einträchtiglich« die »gemeinen Statuta oder Gemäch und Ordnung der königlichen Stadt Hermannstadt«: Sie waren noch sehr kurz gefaßt und dienten im wesentlichen dazu, die Einkünfte der Oberbeamten und des Rates festzulegen und zu begrenzen. Die Amterbesetzungen selbst erfolgten nach einem ungeschriebenen, aber feststehenden überlieferten Usus. Die Rechnungslegung des Rates und der Oberbeamten über das vergangene Jahr fand in der Regel am ersten Weihnachtstag statt. Der scheidende Stadtrat berief auch die neuen Hundertmänner - in der Regel tatsächlich hundert unbescholtene und namhafte Stadtbürger. Diese Hundertmannschaft pflegte sich nun fur die Wahl der Oberbeamten auf dem Friedhof um die Hauptkirche zu versammeln. Gewählt wurden aus dem Kreise der Ratsmitglieder jährlich der Bürgermeister, der Stuhlsrichter und der Stadthann sowie im Falle des Ablebens des alten Königsrichters auch dessen Nachfolger - falls dieser nicht auf andere Weise zu seiner Amtswürde gekommen war, mitunter aber dann durch Wahl bestätigt wurde. Im 16. Jahrhundert kam auch der Begriff des Provinzialbürgermeisters und für den Stadtschreiber, eines nichtgewählten und regulär angestellten Beamten, der des Provinzialnotars in Gebrauch, da sie Befugnisse und Zuständigkeiten im gesamten Bereich der Sieben Stühle hatten. Die Ratsmänner warteten die Wahlen der Oberbeamten im nahegelegenen Rathaus ab. Letztere bestimmten daraufhin die zwölf Ratsherren für das Folgejahr. Neue Mitglieder des Rates mußten in der Regel vorher Hundertmänner gewesen sein. Ein demokratisches Element im modernen Sinne gab es also nur bei der Wahl der Oberbeamten durch die Centumviri. Nach abgeschlossener Wahl, 64 Hermannstadt 1526-1614

aber auch nach dem Kirchgang an Festtagen setzte sich ein großer Zug durch die Stadt in Bewegung: Zunächst wurde der ranghöchste Beamte, der Königsrichter, vom gesamten inneren und äußeren Rat zu seinem Haus begleitet, danach zog der Zug weiter zum Bürgermeister, von diesem zum Stuhlsrichter und so weiter. Zum Zeichen der Amtswürde wurden junge geschlagene Tannen vor den Häusern der Oberbeamten angebracht, der Königsrichter erhielt vier, der Bürgermeister drei, der Stuhlsrichter zwei und so fort. Die »Comestannen« vor dem Universitätshaus an der Südseite des Großen Rings hatten sich bis ins 19. Jahrhundert erhalten. Wenn Hermannstadt in politischen Belangen auch rasch wieder an Boden gewann, nicht zuletzt dank des seit jeher Szapolyai-freundlichen Georg Huet, Königsrichter 1538/39-1543, und des diplomatisch wendigen Ratsherrn Peter Haller, ab 1543 Bürgermeister, so gab es doch einen Bereich, in dem der Stadt nach den Jahren der Wirrnis das Heft des Handelns deutlich aus der Hand glitt. War die Stadt zu Beginn und Mitte der zwanziger Jahre noch jener Ort in Siebenbürgen, wo die reformatorischen Strömungen am frühesten und am intensivsten wahrgenommen werden konnten, getragen von Teilen des Rates und auch Pemfflingers, so konnten von hier angesichts der Zeitumstände nach 1526 doch keine Impulse mehr ausgehen. Auch wenn eine Grundstimmung der Erneuerung vorhanden war, hatte sie kaum Konsequenzen. So wurden die Orden 1529 aufgefordert, ihre Klöster zu räumen, die Ausweisung wurde vom Rat aber nicht vollzogen. Erst kurz nach Aufhebung der Belagerungen und des Kriegszustands konnte im Mai 1536 mit Mathias Ramser, Pfarrer in Broos, ein evangelisch gesinnter Stadtpfarrer an die Hermannstädter Marienkirche berufen werden. Er folgte aber nicht nur konservativen, an den alten Bräuchen festhaltenden Geistlichen nach, er erbte mit der höchsten geistlichen Würde der Sächsischen Nation - die mit dem Amt des Hermannstädter Plebans verbundenen Quasi-Episkopalrechte seien in Erinnerung gerufen - auch die alten Reibungen zwischen dem hohen Klerus und dem Stadtregiment. Hinzu kommt, daß der starke Charakter des Königsrichters Huet ausdrücklich katholisch eingestellt war - eine breit angelegte Kirchenerneuerung wird somit schwer zu erwarten gewesen sein. Demgegenüber konnte in Kronstadt schon seit 1530 ein allmählicher Ausgleich der Interessen angegangen werden, 1533 wurde gar Hontems vom Stadtrichter Hirscher »in Gnade« wieder aufgenommen und der Rat der Stadt konnte nach Beendigung Die Hauptstadt der Sächsischen Nation

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des politischen Zwistes die Kirchenerneuerung selbst in die Hand nehmen: 1542/43 wurden die Kirchen des Burzenlandes reformiert, 1543 das akademische Gymnasium konstituiert, 1544 der Ratsherr Hontems vom Senat zum Stadtpfarrer eingesetzt. Hermannstadt geriet in Zugzwang. Allerdings wurde im Gegensatz zu Kronstadt, wo der Stadtrat die Kirchenerneuerung vornahm, auch gegen den Willen der Pfarrer, in Hermannstadt zunächst die Geistlichkeit tätig: Mathias Ramser sandte Hontems' Burzenländer Reformationsbüchlein noch 1543 an Luther und Melanchthon nach Wittenberg und fragte an, ob es für recht befunden würde und als Gmndlage der Kirchenerneuemng dienen könne. Beide äußerten sich voll Lobes darüber, ja Melanchthon ließ es in Wittenberg gar nachdrucken. In Hermannstadt ließ es der Stadtrat währenddessen aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzen. So fand die Kirchenerneuerung in Hermannstadt auf der Grandlage des Reformationsbüchleins und nach streng lutherischen Gesichtspunkten nur wenige Monate nach Kronstadt statt. Und im Frühjahr 1544 nahm Ramser zusammen mit zwei Vertretern des Stadtrates die erste Visitation in seinem Kapitelsgebiet vor, dem er auch als Dechant vorstand - Kirche und Rat hatten die evangelische Reformation im Konsens verwirklicht. Doch noch im gleichen Jahr nahm die politische Obrigkeit die Angelegenheit vollständig in ihre Hand. 1544 wurde auch der Bewahrer Georg Huet im Königsrichteramt von Johann Roth abgelöst, die größere Persönlichkeit aber war der schon erwähnte Bürgermeister Peter Haller - ein seit rund zwei Jahrzehnten in der Stadt lebender Unternehmer aus einer Nürnberger Patrizierfamilie, der der Reformation zugetan war. So war es nicht zu verwundern, daß die Nationsuniversität in ihrer Novembersitzung beschloß, daß in allen Städten ähnliche kirchliche Zeremonien zu beachten seien - ganz im Sinne der Kronstädter Reformation also eine Regelung durch die politische Obrigkeit als Ersatzbischof. Erst nach dem Tode Ramsers, der nur eine sehr sorgfaltige, Schwärmereien eindämmende Reformation in Hermannstadt zuließ, berief die Nationsuniversität fur den März 1547 einen Ausschuß gelehrter Männer hierhin ein, der eine Kirchenordnung fur alle sächsischen Orte ausarbeiten sollte. Pfarrer und Ratsherren wirkten hier zusammen und legten nach mehreren Wochen die auf dem Reformationsbüchlein fußende »Kirchenordnung aller Deutschen in Siebenbürgen« vor. Sie erschien noch 1547 bei Hontems in Kronstadt im Druck. Zwar ist die älteste 66

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Druckerei Siebenbürgens fur 1528 und 1530 in Hermannstadt nachgewiesen, doch konnte sie sich nicht auf Dauer etablieren, so daß noch auf lange Sicht alle wichtigen Druckwerke in der Schwesterstadt erscheinen sollten. 1550 schließlich erhob die Nationsuniversität die Kirchenordnung für alle Pfarrer und Gemeinden des Königsbodens zum Gesetz. Die Reformation nach Wittenberger Vorbild war somit für die Sächsische Nation besiegelt, die folgenden Visitationen sollten für eine angemessene Umsetzung sorgen. Uber die Kapitel und die Pfarrbruderschaften erfolgte auch der Anschluß der deutschen Gemeinden der Adelskomitate, so daß die deutsch-sächsische Sprachgemeinschaft bald ein Synonym für die Lutheraner Siebenbürgens bildete. Die Hermannstädter, die nach Ramsers Tod zunächst Johannes Hontems zu ihrem Stadtpfarrer haben wollten, der aber aus Kronstadt nicht wegziehen wollte, hatten sich schließlich mit der Berufung des Mediascher Stadtpfarrers Bartholomäus Altenberger im Frühjahr 1547 für einen überzeugten Lutheraner entschieden. Die Klöster waren inzwischen aufgelöst worden, Mönche und Nonnen vertrieben oder durch Anreize zu einem bürgerlichen Leben bewegt worden. Die Nationsuniversität verfügte 1550, daß die Klostergüter wie auch die nach der neuen Ordnung nicht mehr benötigten Kirchengüter Schulzwecken zugeführt werden sollten. Schon 1545 hatte die Stadt vier ehemals den Dominikanern gehörende Häuser verkauft und auf dem Kirchhof neben der alten Schule ein Haus erworben, das zum neuen Schulgebäude wurde. Hermannstadt war nun wieder das Haupt der Sächsischen Nation, bestätigt auch in dem Beschluß der Universität von 1549, daß der Magistrat, also der Stadtrat, diese zwischen ihren Sitzungen zu vertreten habe. Schon mit dem Einzug in das neue Rathaus hatte eine Aufwertung der Nationsbelange stattgefunden. So gab Bürgermeister Haller 1546 eine Ordnung des Nationsarchivs in Auftrag - es war zugleich Hermannstädter Stadtarchiv und befand sich bis 1923 in der sogenannten Hauskapelle des Rathauses. Die politischen Würdenträger des Landes verkehrten wieder in der Stadt, der Statthalter Martinuzzi besuchte sie 1546, Königin Isabella kam 1547. Eine herausragende Rolle spielte dabei Haller, der sich bereits seit Mitte der dreißiger Jahre als integrative Persönlichkeit hervortat und vor allem seit 1540 vielfaltige vermittelnde diplomatische Aufgaben auf höchster politischer Ebene des Landes ausführte. Am Beispiel Hallers läßt sich gut ersehen, daß die Bedeutung der beiden Ämter des Hermannstädter KönigsD i e H a u p t s t a d t der S ä c h s i s c h e n N a t i o n

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richters und Bürgermeisters stets mit dem Charakter der jeweiligen Personen verbunden war: Die stärkere Persönlichkeit überwog in ihrer Wirkung stets die schwächere, meist unabhängig vom Amt. Nach rund einem Jahrzehnt schienen Hermannstadts Wunden aus der Zeit des Bürgerkriegs geheilt, die Stadt politisch gar bedeutender als vordem geworden zu sein. Doch da geriet das labile Gefüge zwischen den Machtblöcken der Osmanen und der Habsburger, nach der Dreiteilung Ungarns halbwegs zur Ruhe gekommen, erstmals nachhaltig ins Wanken. Schon nach dem Tode König Johanns 1.1540 witterte die Anhängerschaft; Ferdinands Morgenluft, selbst die Regentschaft des Landes führte Verhandlungen in beide Richtungen. Und König Ferdinand wähnte sich ganz offensichtlich als Landesherr, als er den Hermannstädtern Ende 1542 das Goldeinlösungs- und Münzrecht wieder verlieh. Nicht zuletzt war auch Bürgermeister Haller ein überzeugter Parteigänger Ferdinands - wie Pemfflinger ein erfolgreicher Unternehmer süddeutscher Herkunft und fraglos auch deswegen dem Hause Habsburg besonders zugetan. Hallers Reichtum basierte auf dem Handel, dem Kleinhandel im eigenen Gewölbe sowie dem Großhandel, etwa mit Gewürzen, dann auf Pachten im Bergbau und im Zoll wesen, schließlich auf Geld verleih. Sein Haus an der Südseite des Großen Rings, 1537 erworben, gilt bis heute als ein Paradebeispiel der siebenbürgischen Renaissance. In einem weiteren eigenen Haus am Großen Ring, dem schon erwähnten und heute sogenannten Lutsch-Haus (damals »Cementhaus«), hatte Haller die Gold- und Silber-Einlösungskammer und die Münze untergebracht. Darüber hinaus erwarb er zunehmend Grund in den Komitaten. Haller war der wohl letzte bedeutende Unternehmer der sächsischen Städte, der wirtschaftlich und politisch auf oberster Ebene mitspielte. Er machte Hermannstadt zwischen Mitte der vierziger und Mitte der fünfziger Jahre, einem außerordentlich instabilen und dennoch wegweisenden Zeitabschnitt, zum zentralen Punkt des politischen Austausche und des diplomatischen Vermitteins in Siebenbürgen. Die Schaukelpolitik des Statthalters Martinuzzi jedenfalls führte, wesentlich befördert von Haller, 1549 wiederum zur Unterstellung Siebenbürgens unter König Ferdinand, was zunächst einen neuen siebenbürgischen Bürgerkrieg und bald danach das für dieses Land erste große Aufeinanderprallen der beiden Großmächte zur Folge hatte. Im Sommer 1551 nahm General Gianbattista Castaldo Siebenbürgen für König Ferdinand in Besitz. Hermannstadt betraf das unmittelbar: 68

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Castaldo erkannte die Stadt als einzigen Ort Siebenbürgens, der im Falle von Gefahr zu halten sei, so daß er sofort weitere Maßnahmen zur Verstärkung der Befestigungen einleitete. Zudem rückten schon im August 1551 vierzehn Kompanien deutscher Söldner in Hermannstadt ein - der Festungscharakter der Stadt, die so treu zu Ferdinand gehalten hatte und die nun abermals unter einem oberdeutschen Treueträger stand, sollte verstärkt werden. Die schändlichen Hilfe versprechen durch Ferdinand in den dreißiger Jahre, die fast nie gehalten worden waren, die zahllosen sinnlosen Opfer schienen vergessen zu sein. Die Hermannstädter empfingen die Besatzung jedenfalls freundlich und ein Schreiber notierte: »Möge Gott uns endlich Frieden geben unter unserem deutschen König.« Noch vor seiner Ankunft in Hermannstadt teilte Castaldo seine Pläne zur Verstärkung der Stadt dem Bürgermeister Haller mit, seit 1550 bezeichnenderweise wieder im Amt. Auch wenn dieser zunächst darüber erschrak, wandte er doch bald all seine Energie auf deren Umsetzung: Dabei ging es vor allem um den Bau von Basteien an der Südseite der Stadt sowie vor den Toren im Norden. Schon vorher, ab 1540, wurde angesichts der gewandelten Waffentechnik mit dem Bau von »Rundein« begonnen, runder Vorsprünge vor den Stadtmauern, von deren Plattformen oder oberstem Stockwerk aus die Festungsgräben mit Geschützen gesichert werden konnten. Der noch heute stehende sogenannte Dicke Turm im Süden ist das älteste dieser Rundel. Castaldos Plan sah neben weiteren Rundein mächtige, über einen halben Hektar große Basteien vor, die über Kasematten verfugten und auf deren Auffüllungen die großen Geschütze postiert werden konnten. Die Arbeiten an diesen bis dahin größten Verteidigungswerken setzten 1552 ein und zogen sich bis Ende der siebziger Jahre hin, sicher vielfach unterbrochen. Mit der erhaltenen »Hallerbastei« ist der damalige Bürgermeister heute noch präsent: Er setzte sich nachdrücklich für deren Errichtung ein und investierte auch eigene Mittel. Als letztes Bauwerk dieser Art wurde die Soldischbastei - benannt nach dort postierten Söldnern - in den Jahren vor 1627 vor ein Rundel gebaut. Hier stand auch das Gießhaus, da die Stadt ihre Geschütze, also die Kanonen, selber goß. Zwischen der Hallerbastei und der Heltauertorbastei sowie zwischen letzterer und der Soldischbastei wurde schließlich eine zweite Stadtmauer vor die alte gesetzt. Davor lag um die gesamte Stadt die wiederholt erwähnte und nach strengen Ordnungen gepflegte Wasserwehr. Vor dem Elisabeththor war diese Die Hauptstadt der Sächsischen Nation

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gar so stark, daß kein Rundel oder keine Bastei nötig waren. Die befestigte frühneuzeitliche Stadt, wie wir sie von alten Ansichten und Stadtplänen her kennen, stand nun vollendet da, lediglich die Silhouette der Türme sollte sich noch etwas verändern. Hermannstadt aber war in den Jahren 1551-1556 einer der wenigen Ausnahmefalle des Landes. Die erste habsburgisch-osmanische Verwüstungswelle zog übers Land: Die zur Abdankung gezwungene Königin Isabella mit Johann II. Sigismund wandte sich an die Hohe Pforte um Unterstützung. Den wankelmütigen und undurchsichtigen Martinuzzi, nun gar Woiwode Siebenbürgens und Kardinal, ließ Ferdinand schon im Dezember 1551 ermorden. Die Truppen Ferdinands nahmen Siebenbürgen zwar ein, waren aber auf Dauer zu schwach, zudem plünderten sie in Dörfern und Städten wie in Feindesland. In Hermannstadt begannen die Klagen über die eingelagerten Söldner schon im Oktober 1551, kaum drei Monate nach der freudig begrüßten Ankunft. Die Klagen steigerten sich in der Folgezeit wegen vielfacher Zuchtlosigkeiten und Übergriffe der lange soldlos bleibenden Männer. Im Frühjahr 1553 zogen sie vollständig aus Siebenbürgen ab, der ferne König hatte abermals andere Sorgen und das Land blieb auf sich gestellt. 1552 schon waren die wichtigen Festungen Temeswar und Lippa an die Osmanen gefallen. Als der Sultan den Ständen melden ließ, daß sie das Haus Szapolyai als Regenten zurückholen sollten, da sie sonst vom Erdboden verschwänden, kam diesmal auch im habsburgtreuen Hermannstadt die Realpolitik zum Tragen: Peter Haller selbst, 1552/53 gar Schatzmeister Ferdinands für Siebenbürgen, fungierte als Gesandter bei den Verhandlungen mit den Osmanen und richtete sich und den Stadtrat ab 1553/54 auf eine Kooperation mit diesen aus. Die Wiener Ignoranz gegenüber den siebenbürgischen Problemen, die osmanischen Strafexpeditionen mit Moldauern, Walachen und Krimtataren, konträre Interessen des ungarischen Adels dezimierten die Bevölkerung und ruinierten die Wirtschaftsgrundlagen des Landes. Erst mit der Rückkehr Isabellas und Johanns II. Sigismund 1556 stabilisierte sich die Lage, auch wenn die Ausgeglichenheit und Rechtssicherheit des alten Königreichs Ungarn niemals wieder erreicht wurden. Hermannstadt war von diesen Ereignissen natürlich nachhaltig betroffen, auch wenn die Stadt selbst - sieht man von der marodierenden Besatzung ab - keine Verheerungen erlitt, vielmehr immer stärker befestigt wurde. Doch gerade in Zeiten, als die alten einträg70

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liehen Wirtschaftszweige des Handels und des Unternehmertums zu einem Schatten ihrer selbst verkamen, waren die anderen ökonomischen Grundlagen der Stadt um so entscheidender: Die ausgedehnten Besitzungen in den Filialstühlen Talmesch und Selischte sowie die Stadtgüter, also vor allem die früheren Besitzungen der Propstei und der Kerzer Abtei, schließlich der eigene Hauptstuhl Hermannstadt mit fast 30 Orten waren massiv von den Verwüstungen betroffen. Folgen davon waren nicht nur enorme Einnahmeausfalle, sondern vor allem die Hilfsbedürftigkeit dieser Gemeinden wie auch solcher aus den Sieben Stühlen. Angesichts jederzeit zu erwartender Kriegstruppen entweder der Bürgerkriegsparteien oder der Nachbarländer im Osten und Süden, der osmanischen Verbündeten oder je nach Lage auch der Szekler mußten alle Orte ihre Energien auf den Ausbau der eigenen Verteidigungsanlagen richten: Neben den wenigen Städten mit ihren Stadtmauern waren dies vor allem die unzähligen Wehrkirchen und Kirchenburgen, die immer wieder der Erneuerung und Erweiterung bedurften. Die vorher so herausragende künstlerische Ausgestaltung etwa der Gotteshäuser in Städten wie auf dem Lande hörte mit einem Schlage auf, nicht allein wegen der nunmehr lutherischen Ausrichtung. Und für die neue Stilrichtung der Renaissance war in den sächsischen Städten kaum Geld vorhanden. Auch in Hermannstadt beschränkt sie sich auf wenige Objekte, wovon heute Portale etwa des Haller-Hauses auf dem Großen Ring oder des WeidnerHauses in der Reispergasse zu sehen sind. Die Stadt aber, durch ihre Stadtmauern vor dem Kriegselend halbwegs bewahrt, hatte in diesen Jahren in ihrem Inneren andere Katastrophen und Dramen zu bestehen. 1554 wütete zu allem Überfluß die Pest derart in Hermannstadt, daß sie allein in diesem Jahre über 3.200 Opfer forderte - das dürfte zu diesem Zeitpunkt rund einem Drittel der Einwohnerschaft entsprochen haben. Um die Seuchengefahr zu vermindern und auch aus Platzgründen wurden die Beerdigungen auf dem Kirchhof um die Marienkirche mit wenigen Ausnahmen eingestellt und am Ende der heutigen Reißenfelsgasse das »Leichentürlein« in die Stadtmauer gebrochen. Eine kleine Brücke führte über die Stadtgräben zum neuen Friedhof beim Schneiderteich, der bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts in Verwendung stand. Der damalige kleine Durchbruch durch die Mauer ist bis heute die einzige Kommunikation der Oberstadt an ihrer Südseite nach außen geblieben. Die Hauptstadt der Sächsischen Nation

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Eine Katastrophe anderer Art traf die Stadt am 31. März 1556: Ein Stadtbrand legte fast die gesamte Unterstadt sowie den östlichen Teil der Oberstadt in Schutt und Asche, über 550 Häuser brannten ab, 80 Menschen sollen ums Leben gekommen sein. Es dürfte mehr als die Hälfte der Hofstellen betroffen haben, wobei gerade in der Unterstadt, zu guten Teilen aber auch in der Oberstadt Holzhäuser standen. Nun ereignete sich dieser Stadtbrand zu einem Zeitpunkt, als die Herrschaft des Landes gerade von Ferdinand wieder an Königin Isabella gewechselt hatte, was offenbar vielen Stadtbürgern mißfiel. In den sich lange hinziehenden Prozeß des Seitenwechsels waren sie nicht einbezogen, nicht einmal die Hundertmannschaft, in der die Handwerker das Sagen hatten, war eingebunden. Der innere Stadtrat hatte die politischen Zügel fest in der Hand. Schon im Februar 1556 war diese Unruhe und Unzufriedenheit zu spüren, und der Stadtrat wappnete sich durch eine Erhöhung der Zahl der Stadttrabanten, der städtischen Söldner. Im gleichen Monat setzte die Nationsuniversität in einer außerordentlichen Sitzung in Hermannstadt die Bedingungen für ein Zusammengehen mit den anderen beiden Ständen und für die Huldigung an Königin Isabella fest. Dazu gehörte der Verbleib der zahlreichen, teils schweren Geschütze aus ferdinandischen Beständen in der Stadt, ein Pfand für Schulden des Habsburgers an die Stadt. Die Geschütze, Waffen und zahlreiches Kampfgerät befanden sich zu jenem Zeitpunkt im ehemaligen Franziskanerkloster in der Elisabethgasse, das die Stadt seit dessen Auflassung als Zeughaus nutzte. Der Verwalter dieser Waffen war übrigens der von Ferdinands Truppen zurückgelassene kaiserliche Zeugwart Conrad Haas, der durch seine ersten Entwürfe mehrstufiger Raketen heute in der Fachwelt bekannt ist. Auch er wurde später ein Hermannstädter Bürger. Die Abmachung hinsichtlich dieser Geschütze konnte jedenfalls nicht voll eingehalten werden, da sie die Szapolyai-Partei zur Durchsetzung von Isabellas Herrschaft dringend benötigte. Dabei scheint der Königsrichter Johann Roth, ein ausgesprochener Anhänger der Szapolyais, die entscheidende Rolle bei der Vermittlung eines Teiles der schweren Geschütze gespielt zu haben, die dem Zeughausverwalter Haas »mit Gewalt« abgenommen wurden. Wesentliche Teile der Stadtbürger, sicher auch Hundertmänner, scheinen sich vorher vehement dagegen gewehrt zu haben. Wenige Tage danach, um die Mittagszeit des 31. März, des Kardienstags, brannte die Stadt ab. Am Morgen des Folgetages versammelte sich - wie Gustav Gündisch 72

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detailliert nachgezeichnet hat - eine aufgebrachte Menge auf dem Kleinen Ring, und die Hundertmannschaft tagte auf dem Kirchhof. Gegen Mittag kamen immer mehr Menschen vor dem Haus des Königsrichters auf dem Großen Ring zusammen, wobei Zunftgesellen, Handwerksburschen und einige Hundertmänner führend waren. Roth wurde als »hungerischer hund und türkischer Schelmen« beschimpft - ganz offensichtlich sah die wütende Menge in dem Stadtbrand einen Racheakt der »ungarischen Partei« an den Hermannstädtern, zumal das Feuer einer zeitgenössischen Chronik zufolge an verschiedenen Stellen ausbrach. Roth wurde dazu gebracht, einer Begehung der abgebrannten Stadtteile zuzustimmen, begleitet von vielfachen Vorwürfen. Als er anschließend wieder in sein Haus auf dem Großen Ring eintreten wollte, entlud sich der Haß des versammelten Volkes auf den alten Königsrichter und die anwesenden Ratsmitglieder. Roth wurde von einem Schwerthieb und einem Schuß zu Boden gestreckt und von den Umstehenden gelyncht. Mehrere Stadträte konnten sich bei einer Verfolgungsjagd nur mit Mühe in Sicherheit bringen. Am nächsten Tag wurde Roths Leichnam außerhalb der Stadtmauern, möglicherweise auf der Richtstätte, verscharrt. Die anderen Ratsmitglieder verschanzten sich, ebenso der offenbar ortsanwesende Bürgermeister Haller, der im Zusammenhang mit der Revolte niemals in Erscheinung trat. Die Aufständischen übernahmen fur mehrere Tage Anfang April 1556 das Regiment in der Stadt, mit eigenem Hauptmann und mit Trabanten. Wie es dem alten Stadtrat gelang, die Situation zu entspannen und die Zügel wieder in die Hand zu bekommen, ist nicht genau zu sagen. Eine wichtige Rolle hat dabei der offenbar beliebte Stuhlsrichter Augustin Hedwig, ein Kürschner, gespielt. Der Rat und die gemäßigten Hundertmänner müssen einen Weg gefunden haben, die Gemüter zu beruhigen. So wurde bei dem Anfang Mai erfolgenden Prozeß mit Zeugenverhören relative Zurückhaltung bei den Verurteilungen geübt. Allerdings ging es dabei im wesentlichen um den Mord am Königsrichter, nicht um die Revolte selbst. Von den acht Verurteilten waren fünf geflohen, erst spät wurde nach ihnen gesucht. Die drei anderen, ein Hundertmann, ein Bürger und ein Kürschnergeselle, die sicher auch hätten fliehen können, wurden am 11. Mai auf dem Großen Ring enthauptet. Anschließend wurde der Königsrichter Johann Roth ehrenvoll in der Stadtpfarrkirche beigesetzt. Die Hauptstadt der Sächsischen Nation

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Diese zweite in Gewalt endende Hermannstädter Revolte - wir erinnern uns der Vertreibung des Königsrichters Lulay 1513 bei der die städtische Ordnung zeitweilig aufgehoben war, offenbart die immense soziale Spannung, die sich in den vorangehenden drei Jahrzehnten angestaut hatte: Belagerungen, vielfache Seitenwechsel, Besatzungen, mehrfache große Pestwellen, kirchliche Erneuerung, Belastungen durch neue Verteidigungsanlagen, ausbleibende Einkünfte, ein zerstörtes Umland - und das alles bei einem weitgehend gleichbleibenden Stadtrat, wobei nur die Zusammensetzung der Oberbeamten gelegentlich variierte. Die Stadtbewohner waren mit diesen Veränderungen nicht nur überfordert, zumal sie selbst immer höhere Umlagen aufbringen mußten. Sie wurden sich ihrer politischen Einflußlosigkeit gegenüber der Stadtoligarchie bewußt. In dem sich selbst und gegenseitig ergänzenden System von Magistrat und Hundertmannschaft vermochte sich letztere, die die Interessen der Stadtbürger relativ gut widerspiegelte, nur sehr bedingt durchzusetzen. Zwar kamen in den letzten Jahrzehnten nun zunehmend auch Vertreter des Handwerks in den Stadtrat, er war also nicht mehr eine alleinige Domäne der Kaufleute und Unternehmer, doch war nach wie vor großer Wohlstand eine Voraussetzung für diese Würde - und somit der Aufstieg während einer Generation kaum zu schaffen. Die Zeit nach dem Mai 1556 brachte keinen grundsätzlichen Wandel, langfristig freilich sollte die Rolle der Handwerker jedoch steigen. Ende des Jahres aber wurde Augustin Hedwig, der bisherige Stuhlsrichter und Vermittler im Frühjahr, selbst Handwerker, zum neuen Bürgermeister gewählt, Peter Haller wurde zu dem auf Lebenszeit gewählten und bestätigten Königsrichter. Das Amt des Hermannstädter Bürgermeisters aber spielte inzwischen - möglicherweise seit der langen Abwesenheit Pemfflingers und der hohen Bedeutung Hallers - sowohl in der Stadt wie auch in der Nation und somit im Landtag eine größere Rolle als jenes des Judex Regius. Zudem war das frühkapitalistische Unternehmertum gegenüber dem politisch aufsteigenden Handwerk erkennbar zurückgetreten. Es mag auch kein Zufall sein, daß ausgerechnet 1556 die Sprache der Eintragungen im Stadtbuch von Lateinisch zu Deutsch wechselte. Auch wenn Isabella der Stadt den Zwanzigstzoll zur Linderung der Brandschäden auf drei Jahre schenkte und die Abgebrannten auf die Dauer von sechs Jahren von allen Abgaben und Steuern befreit waren, so stand Hermannstadt 1556 doch nicht besser da als der Rest des 74 Hermannstadt 1526-1614

Landes. Durch die Pestwellen in der Einwohnerzahl dezimiert und in der Bausubstanz gutteils zerstört, war auch hier ein vielfaltiger Neuanfang nötig. Ein das ganze Mittelalter hindurch impulsstiftender Aspekt veränderte sich aber nun grundlegend: Gab es in früheren Jahrhunderten einen ununterbrochenen Zuzug aus ganz Europa, und dabei vor allem aus den deutschsprachigen Ländern, der der Stadt vor allem unternehmungsfreudige, kapitalstarke und gut ausgebildete Bürger zuführte, so blieben diese nun angesichts der unsicheren Verhältnisse weitgehend aus und es kamen vor allem Handwerker oder zunehmend Glaubensflüchtlinge, darunter immer wieder Pfarrer, Künstler und andere Literaten. Allgemein schien der Name Hermannstadt durch seine ferdinandische Haltung in den deutschen Ländern nicht unbekannt zu sein, so daß es wandernde Handwerksburschen häufig aufsuchten. Dieser Migrationswandel wurde begleitet durch eine zunehmend strenger angewandte Einschränkung, die ihren Ursprung im Andreanum hatte, nämlich daß auf Königsboden nur das Recht der Hospites und nicht das Recht Auswärtiger gelten dürfe. Bereits bei der Bestimmung für die Dominikaner von 1474 klang an, daß mehrheitlich Deutsche im Kloster sein mußten. Die Vorgabe, daß sich nur Deutsche auf Königsboden dauerhaft niederlassen, Haus und Grund und damit politische Rechte erwerben durften, wurde nun immer unnachgiebiger gehandhabt. Befördert wurde diese Tendenz durch die heftigen Versuche des Adels auf den Landtagen ab 1541/42, die Niederlassungs- und Hauserwerbsoption in sächsischen Städten zu erhalten, um in den gefahrvollen Zeiten eine sichere Zuflucht zu besitzen. Die Sächsische Nation aber kannte genügend Präzedenzfalle aus kleineren Orten, wo Nachkommen von Gräfenfamilien oder Erbfalle an Adlige sächsisches Recht in Frage stellten - vor allem durch Steuerfreiheit und Zuständigkeit anderer Gerichte -, so daß die Nation in der Frage der »Konzivilität« auf Dauer kompromißlos blieb. Das ursprünglich juristische Problem, nämlich Adelsrechte auf dem Königsboden auszuschließen, hatte durch die Langfristigkeit jedoch die Nebenwirkung, zu einer frühen ethnischen Bewußtwerdung und Separation beizutragen. So behandelte die Nationsuniversität die Frage der Aufnahme ungarischer und Szekler Handwerker in die Zünfte Mitte des 16. Jahrhunderts intensiv, Schloß sie letztlich aber genauso wie alle anderen Nicht-Deutschen aus. Die Hauptstadt der S ä c h s i s c h e n Nation

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So beansprucht die Leitung der Nation mit der Landespolitik in diesen Jahren auch war - Religionsgesetzgebung, wirtschaftliche Regulierungen, Niederschlagung von Szeklerunruhen - , so war es doch eine Zeit weitgehender äußerer Ruhe und allmählicher Erholung. Auf drei Jahrzehnte der Kriege und der Unsicherheit mit einer Kulmination zu Beginn der fünfziger Jahre folgten nun rund vier Jahrzehnte des Aufbaus und der Erholung für das ganze Land, trotz einer gewissen politischen Labilität. Diese Jahre brachten auch noch einmal eine kulturelle Blüte hervor, wie die umfangreiche späthumanistische Literatur und die zahlreichen Produkte siebenbürgischer Druckereien belegen. Für Hermannstadt aber bedeuteten die Jahren 1553 bis 1571 auch noch etwas anderes: Die Stadt war Sitz sowohl der politischen Führung der Nation wie auch Sitz des obersten geistlichen Vertreters - sowohl die Nationsuniversität wie auch die geistliche Universität fanden hier ihren Mittelpunkt. Letztere griff über das Rechtsterritorium der Nation durch die Einbeziehung auch der benachbarten deutschsprachigen Gemeinden in den Komitaten deutlich hinaus. Unter den Voraussetzungen einer praktisch vollkommenen Selbständigkeit eines staatstragenden Standes sollte sich diese Hauptstadtfunktion Hermannstadts später nie mehr wiederholen. In der evangelischen Kirche Hermannstadts spiegelte sich der erwähnte Wandel in der Zuwanderung. Nach dem Tod von Stadtpfarrer Altenberger wurde ein aus Osterreich ausgewiesener Lutheraner zum Nachfolger gewählt: der aus Laibach in Krain stammende Paul Wiener. Seit 1549 lebte er als wegen seines Glaubens Verbannter in Hermannstadt und war hier Prediger. Schon im Frühjahr 1552 wurde er zum Stadtpfarrer gewählt und im Februar 1553 wählte ihn die geistliche Synode der sächsischen Kapitel auf Anregung Hermannstadts zum ersten Superintendenten, später landläufig Bischof genannt, der evangelischen Kirche Siebenbürgens. Das Stadtpfarramt behielt er bei und so war in gewisser Weise die Situation aus katholischer Zeit mit der herausragenden Rolle des Hermannstädter Plebans wiederhergestellt, ja noch ausgeweitet, da er nun für alle und nicht nur für die zu Gran gehörenden Kapitel zuständig war. Tatsächlich nahm Wiener bereits im März 1553 die ersten evangelischen Ordinationen für Siebenbürgen in der Hermannstädter Stadtpfarrkirche vor. Allerdings war der Bruch mit der alten Kirche noch nicht vollständig erfolgt. Die Hermannstädter und Kronstädter Dechanten 76 Hermannstadt 1526-1614

waren bestrebt, die äußere Form zu wahren und pflegten den Austausch mit dem Erzbischofvon Gran. 1553 kam gerade der Sohn eines Brooser Königsrichters, der möglicherweise aus Hermannstadt gebürtige königliche Kanzler Nicolaus Olahus in dieses Amt. Sein noch Ende 1554 erfolgendes Mahnschreiben an die Hermannstädter Pfarrer und Dechanten, die alte Ordnung wiederherzustellen, verhallte ungehört. 1555 entrichteten das Hermannstädter und das Burzenländer Kapitel letztmals den Kathedralzins nach Gran, danach wurde der Augsburger Religionsfrieden des gleichen Jahres sinngemäß auch auf Siebenbürgen übertragen. Er besagte unter anderem, daß die geistliche Jurisdiktion der katholischen Kirche gegenüber den Augsburger Konfessionsverwandten, also den Lutheranern, nicht mehr anzuwenden war. Beachtenswert ist, daß sich die Hermannstädter und in der Folge die Nation auch für das oberste geistliche Amt eine Persönlichkeit aus den deutschen Ländern wählten. Es ist dies wohl als deutliches Zeichen für ihr dringendes Legitimationsbedürfnis als Anhänger einer gemäßigten reformatorischen Richtung, des Luthertums, gegenüber den allenthalben schon seit Ramsers Zeiten aufkommenden schwärmerischen und helvetischen Neigungen zu sehen. So ließ Superintendent Wiener einen Theologen seines engeren Umfelds, Matthias Hebler, im Herbst 1553 ausdrücklich in Wittenberg für Hermannstadt ordinieren. Einige Jahre vorher hatte Hebler dort auch seine prägende Ausbildung erhalten. Wiener war es nicht vergönnt, längere Zeit am Aufbau der jungen Kirche mitzuarbeiten, die große Pestwelle raffte ihn im August 1554 in Ausübung seiner Amtspflichten dahin. Er mußte nicht auf den neuen Friedhof vor den Stadtmauern gebracht werden, sondern wurde vor dem Altar der Marienkirche beigesetzt. Und für ihn wurde auch noch das Totenglöckchen geläutet, fur die große Masse der Pestopfer wurde dieser Brauch während der grassierenden Seuche außer Kraft gesetzt. Im Amt des Stadtpfarrers wie noch mehr in jenem des Superintendenten trat nun eine gewisse Vakanz ein, die sich durch die oben geschilderten Wirrnisse und Katastrophen genügsam erklären läßt. Wieners Nachfolger wurde, bemerkenswert genug, ebenfalls ein auswärtiger Deutscher, nämlich der eben erwähnte Matthias Hebler aus der Zips. Nachdem er noch unter Wiener von der Rektorstelle der Schule 1554 auf ein Diakonat wechselte, wählten ihn Rat und Hundertmannschaft 1555 einstimmig zum Stadtpfarrer. Auch er soll sich während der Pestepidemie des Vorjahres vorbildlich verhalten haben. Die Hauptstadt der Sächsischen Nation

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Aber erst Ende Juni 1556, nachdem sich die Revolte gelegt hatte, der Stadtrat wieder Herr der Stadt war und der Lynchmord am Königsrichter gesühnt war - erst da fand sich in der halbzerstörten Stadt die geistliche Synode ein und wählte Hebler einstimmig zum Superintendenten. Es war dies auch ein dringend notwendiger Schritt geworden, da sich nicht nur die Bildung einer ungarischsprachigen lutherischen Kirche mit Sitz in Klausenburg abzuzeichnen begann, sondern neue, von der Schweizer Richtung getragene Strömungen in den sächsischen Städten um sich griffen. Zudem mußte mit der Wiederkehr der Szapolyais auch die Kirchenfrage auf den Landtagen einer Klärung zugeführt werden. Mit Hebler trat eine Persönlichkeit an die Spitze der Kirche, die während eineinhalb Jahrzehnten unbeirrt von vielfachen Anfeindungen und theologischen Auseinandersetzungen ihren Weg auf der Grundlage der Wittenberger Theologie gehen sollte und der Kirche somit die notwendige innere Festigkeit verlieh. Darin wußte sich Hebler einig mit der weltlichen Obrigkeit der Stadt wie der Nation, die selbst wiederholt Maßnahmen gegen Abspaltungen oder weitergehende Neuerungen ergriff. Den Hermannstädtern stand das Beispiel Klausenburg vor Augen, das über das Luthertum zum Kalvinismus und schließlich zum Antitrinitarismus kam und an seinen inneren Gegensätzen beinahe zerriß. In etlichen Synoden, von denen mehrere in Hermannstadt stattfanden, führte Hebler nicht nur eine Klärung innerhalb der sächsischen Pfarrerschaft, sondern auch mit den Anhängern Calvins herbei, die sich 1564 endgültig in der reformierten Kirche konstituierten. Das Ausgsburger Bekenntnis sollte erst 1572, im Jahr nach Heblers Tod, von der sächsischen Kirche verbindlich angenommen werden, doch geschah dies auf den von ihm geschaffenen Grundlagen. Dabei mußte er seine Stellung als »Pfarrer der Hermannstädter Kirche und Superintendent der Kirche Gottes Sächsischer Nation«, wie er selber unterschrieb, durchaus verteidigen, denn neben den Hermannstädter und Burzenländer Dechanten, die Sonderrechte aus historischen Zeiten beanspruchten, war auch seine Position gegenüber dem Generaldechanten, also dem Dechanten des Mediascher Kapitels und bisherigem Oberhaupt der »geistlichen Universität«, noch ungeklärt. Und schließlich traten bei den Synoden von 1569 und 1570 deutliche Differenzen mit der politischen Nationsvertretung zu Tage, die die alten Reibungen wegen der jeweiligen Zuständigkeiten wieder sichtbar werden ließen. 78

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Nach Heblers Tod wollte die Nationsuniversität ihre alte Politik fortfuhren und einen namhaften Theologen aus den deutschen Ländern berufen, um die Verkündigung der lutherischen Lehre unverfälscht zu gewährleisten. Als sich schließlich auch noch der neue, 1571 nach dem frühen Tod Johanns II. Sigismund von den Ständen gewählte Landesherr, der Woiwode und Katholik Stephan Bäthory, drei Kandidaten als Nachfolger Heblers vorschlagen lassen wollte, um einen genehmen Mann zu benennen, zogen die sächsischen Geistlichen die Konsequenzen. Sie wählten den Birthälmer Pfarrer Lukas Unglerus, einen Hermannstädter, 1572 zum neuen Superintendenten, dessen Residenz ab diesem Zeitpunkt für knapp dreihundert Jahre zum Sitz der evangelisch-sächsischen Bischöfe werden sollte. Es war bewußtes politisches Handeln und keinesfalls Zufall, wie oft in der Literatur erwähnt, daß sich die geistliche Universität gegen Hermannstadt als Zentrale ihrer Kirche entschied - sie wollte der Einflußnahme und versuchten Bevormundung durch die Nationsuniversität und den Hermannstädter Stadtrat entgehen. Die mit diesem Schritt einhergehende ausdrückliche Festlegung auf das Augsburger Bekenntnis von 1530 diente nicht nur der Selbstvergewisserung der eigenen Pfarrer und der Beruhigung der skeptischen Politiker, sondern auch der Definition gegenüber den drei anderen inzwischen rezipierten, also anerkannten Konfessionen des Landes: Unter den Standesangehörigen war die römisch-katholische Kirche auf rund 10% reduziert, das Luthertum, der Kalvinismus und der Antitrinitarismus machten Siebenbürgen zu einem protestantischen - und mit den tolerierten Orthodoxen, neben Polen, zu einem konfessionell einzigartigen Land. Das Hermannstädter Stadtpfarramt erhielt nun eine im Verhältnis zu den vorhergehenden Jahrhunderten nebengeordnete Rolle. Zwar gehörten die Stadtpfarrer gewiß zu den wichtigeren ihres Standes, aber bis 1893 wurde keiner Bischof der Gesamtkirche, so bedeutend einzelne auch gewesen sein mögen. Die Stadtgeschichte lief jedoch auch auf anderen Ebenen weiter. Im Jahre 1555 erwarb die Stadt ein ansehnliches Haus in der Heltauer Gasse zur Einrichtung eines Gasthofes. Es ist dies ein Ausdruck des Wandels Hermannstadts ab den vierziger Jahren, wobei einerseits die Zahl der reichen, zur Repräsentation fähigen Handelsherren deutlich abnahm, andererseits aber immer mehr politische Zusammenkünfte hier stattfanden, kurz: Hermannstadt wurde von einem Mittelpunkt des Handels und des Unternehmertums nun zu einem Tagungs- und D i e H a u p t s t a d t der S ä c h s i s c h e n Nation

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Handwerkerzentrum. Neben den regelmäßigen Zusammenkünften der Vertreter der Nationsuniversität - zu den Hermannstädtern kamen rund 22 Stuhls- und Distriktsvertreter zuzüglich Dienerschaft und oft Schutztrabanten - ein- bis zweimal jährlich an St. Katharina (25. November) und oft auch an St. Georg (23. April) gab es bei Bedarf noch außerordentliche Nationssitzungen, dann die Zusammenkünfte der geistlichen Universität und die immer häufiger, und zwar auch in Hermannstadt stattfindenden Landtage mit Vertretern der drei Nationen sowie dem Landesherrn und seinen Beamten. Darüber hinaus fanden hier laufend Besprechungen politischer Natur statt, da jeder im Lande danach trachtete, mit der Sächsischen Nation und ihrem Haupt, also dem Stadtrat von Hermannstadt und seinen Oberbeamten, auf gutem Fuße zu stehen, waren die sächsischen Städte doch nach wie vor die zahlungskräftigsten Institutionen im Lande. Diesen zahlreichen hohen Besuchern standen bis dahin neben Privatquartieren nur kleine und schäbige Gasthäuser zur Verfugung. Potente Gastgeber, die Stadträten, Richtern, Adelsherren oder gar der Regentin und dem König für einige Zeit hätten Unterkunft anbieten können, gab es immer weniger. So entschloß sich der Rat dazu, einen städtischen Gasthof zu etablieren. Das gotische Haus an der Ecke Heltauer Gasse/Brukenthalgasse, dem heutigen »Römischen Kaiser« gegenüber, wurde umgebaut und stand schon bald den gutsituierten Besuchern der Stadt zur Verfugung. Der Gasthof, dessen Pächter mehrfach wechselten, wurde unter dem Namen »Zum türkischen Sultan« bekannt. Wie dieser »Zum Römischen Kaiser« werden sollte, wird gut zweihundert Jahre später zu behandeln sein. Die meisten sächsischen Stühle und Distrikte erwarben im Laufe der Zeit eigene Häuser in der Stadt, sogenannte Herrenhöfe, in denen ihre Abordnungen absteigen konnten - ähnlich wie auch in der Fürstenresidenz Weißenburg bis zum Ende des 17. Jahrhunderts. Dieser Mittelpunktcharakter Hermannstadts hatte eine weitere interessante Folge: Die einzelnen Orte und Gegenden des Sachsenlandes pflegten stark voneinander differierende Varianten des Sächsischen. Schriftsprache war das Deutsche (auf der Grundlage des Ober- und Mitteldeutschen), gesprochene Sprache aber blieb stets die Mundart - im Alltag, aber auch in Verhandlungen und in der Predigt, teils auch in der Schule (hier neben Latein). Um sich problemlos verständigen zu können, bildete sich die sächsische »gemeine Landsprache« oder das »siebenbürgische Teutsch« heraus, eine besondere 80

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Form der Mundart auf der Grundlage der Hermannstädter Variante, bei der die meisten kantigen Besonderheiten abgeschliffen waren und die auch von Auswärtigen am leichtesten zu erlernen war. Denn Zugewanderte mußten nicht nur Deutsche und evangelisch sein, sie mußten auch die gesprochene Sprache beherrschen. So erklärt sich unter anderem die große Integrationskraft der sächsischen Gesellschaft. Die erste Gruppe, die diesem Zwang widerstehen sollte, kam erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nach Siebenbürgen. In der Landsprache jedenfalls wurden die Verhandlungen der Nationsuniversität und Gespräche auf gehobenem Niveau geführt, geschrieben wurde diese Sprache jedoch nicht. Der Umbruchcharakter der fünfziger Jahre äußert sich auch im Bestreben, fiir die verschiedensten Bereiche des politischen und gesellschaftlichen Lebens Reformen bestehender Regeln und deren Kodifizierung umzusetzen. Neben der Klärung der religiösen Verhältnisse ist hier in erster Linie die Zusammentragung des bestehenden Rechts auf Königsboden zu sehen. Der Codex Altemberger reichte allmählich nicht mehr aus, und 1544 brachte Hontems sein Kompedium des bürgerlichen Rechts heraus. Bis 1560 legte der Notarius des Hermannstädter Rats, Thomas Bomelius, seine »Statuta oder Satzungen gemeiner Stadtrechte der Hermannstadt und anderer Städte und Dörfer aller Deutschen in Siebenbürgen« vor. Darauf baute jenes Gesetzbuch auf, das der Kronstädter Mathias Fronius bearbeitete und das die Nationsuniversität in den siebziger Jahren prüfte. Schließlich wurde die Gesetzessammlung 1583 vom Landesherrn Stephan Bathory, zugleich König von Polen, fur die Sächsische Nation bewilligt. Auf dem römischen Recht und auf dem Gewohnheitsrecht fußend, sollte es Grundlage der Rechtsprechung auf dem Königsboden bis 1853 sein. Das Buch wurde noch im Jahre der Verabschiedung vom Hermannstädter Druckereibesitzer mit Hermannstädter und Kronstädter Lettern in Kronstadt gedruckt - eine sinnbildhafte Kooperation zwischen den Schwesterstädten. Doch auch weniger spektakuläre Belange waren zu regeln. Dem allgemeinen Bedürfnis dieses Zeitalters, durch »Ordnungen« eine soziale Disziplinierung zu erreichen, verdanken wir 1563 die erste Erwähnung einer Hermannstädter Nachbarschaft, also jener Einrichtung, die das gesamte zwischenmenschliche Leben in einem Mikrokosmos, also gassenweise, regelte. Sicher älter als die Zünfte, hatte diese bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts hinein bestehende Institution bis dahin keinen Die Hauptstadt der Sächsischen Nation

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Niederschlag in den Quellen gefunden. Die Nachbarschaften regelten nicht nur Fragen wie Brunnenbesorgung, Wegepflege, soziale Fürsorge oder Begräbnisse, sondern boten auch einen strengen Verhaltenskodex für alle Alltagssituationen. In den Folgejahren sollten sich immer mehr Nachbarschaften Statuten geben. Eine größere Tragweite hatte jedoch die Problematik der Zünfte. Diese hatten, nachdem die umfassende Zunftordnung von 1376 zu allgemein und von der Praxis längst überholt war, in den letzten beiden Jahrzehnten vor 1500 zunftweise neue Statuten erhalten. Der aber schon bald fühlbare wirtschaftliche Wandel, die hohe Migration gerade unter den Gewerbetreibenden und der Drang zur Sicherung sowohl von Standards wie von Besitzständen, machte ab 1539 neue Zunftregulationen nötig. Diese Neuordnung des Zunftwesens, die schon viele der charakteristischen neuzeitlichen Einschränkungen erkennen ließ, zog sich über rund vier Jahrzehnte hin und blieb im wesentlichen die Grundlage der Zünfte bis ins 19. Jahrhundert. Auch wenn die Zunftordnungen meist nur für die jeweiligen Hermannstädter Zünfte erstellt und bestätigt wurden, so hatten sie doch Vorbildfunktion für die anderen Städte und Märkte der Sieben Stühle. Hermannstadt wiederum vergewisserte sich in Zweifelsfallen gerne auswärts, etwa in Ofen oder in den deutschen Ländern. Als eine Zunft der Barbiere und Wundärzte eingerichtet werden sollte, holte der Stadtrat erst einmal in Wien, Nürnberg und Augsburg Erkundigungen ein, bevor die Nationsuniversität die Zunftgründung 1562 gestattete. Auch das Verteidigungswesen hatte offenbar einen großen Ordnungsbedarf: Im Herbst 1556, rund ein halbes Jahr nach dem Stadtbrand und dem Aufstand, wurden die gesamten Verteidigungswerke den verschiedenen Zünften verbindlich zugeteilt - die großen Basteien befanden sich zum Teil noch im Bau, zwei beim Brand zerstörte Pulvertürme mußten wiederhergestellt werden. Im Jahr 1560 wurde eine Büchsenmeister-Ordnung festgelegt, die eine strenge Aufsicht über die Waffen- und Munitionsbestände vorsah, 1564 schließlich folgte eine Ordnung zum Befüllen der Korngruben zur Vorratsicherung für den Belagerungsfall. Statt des beim Brand stark zerstörten Zeughauses im früheren Franziskanerkloster erwarb die Stadt in dem ansehnlichen Anwesen der Gräfenfamilie Tobiassy aus Hetzeldorf 1568 im Westen der Unterstadt ein neues Zeughaus. Im 15. Jahrhundert errichtet und später verschiedentlich umgebaut, behielt dieser Gebäudekomplex bis ins 20. Jahrhundert als Kempelkaserne 82

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R e k o n s t r u k t i o n s v e r s u c h von Kirchhof, Kleinem und G r o ß e m R i n g um 1 6 5 0 (von R a d u Oltean).

seine militärische Zweckbestimmung. Uberhaupt gewann die Ausrichtung auf die Kriegswirtschaft in Hermannstadt eine neue Qualität. War die Stadt schon im 15. Jahrhundert als Waffenschmiede wohlbekannt, so differenzierten sich die waffenproduzierenden Gewerbe nun weiter aus, fraglos den allerorten hohen Bedarf zum eigenen Vorteil nutzend - neben den Schmieden, Sporern, Lederern, Sattlern gab es auch Schwertfeger, Bogner, Schildmacher, Geschützgießer, Plattner (Harnischschmiede) und andere mittelbar und unmittelbar der Rüstung zuarbeitende Berufe. Auch die erwähnten Raketenexperimente des Zeugmeisters Haas sind in diesem Kontext zu sehen. Der Regelungs- und Sozialdisziplinierungsdrang, in dem sich ein gesellschaftlicher Umbruch durch die Einbindung früher eher unbeteiligter Kreise erkennen läßt, führte bis hin zu Vorschriften des Rates zur Eindämmung des Luxus beim gemeinen Volk 1565 und schließlich zu einer Feuerlöschordnung 1570. Wie wenig des Menschen Ordnungsbemühen aber letztlich ausrichten konnte, wurde ausgerechnet im letztgenannten Jahr offenbar, als die Stadt am 7. November vom größten jemals erfahrenen Stadtbrand heimgesucht wurde: Über 1300 Gebäude gingen in Flammen auf diesmal in der Heltauer Gasse in der Die Hauptstadt der Sächsischen Nation

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westlichen Oberstadt beginnend und sich quer durch die Stadt bis zum Burgertor ausbreitend. Auch Teile der Stadtbefestigung wurden ein Opfer der Flammen, wobei das sich in den Türmen entzündende und explodierende Pulver zusätzlichen Schaden in den Wohnquartieren verursachte. Nur wenige Wochen vor dem Brand waren die Arbeiten an der Sagtorbastei abgeschlossen worden, nun mußte ein Großteil der Stadt einschließlich vieler Befestigungen wiederaufgebaut werden. Anders als 1556 brauchte Hermannstadt diesmal über ein Jahrzehnt, um sich von diesem Rückschlag zu erholen. Johann II. Sigismund schenkte der Stadt zwar den Zwanzigstzoll auf drei Jahre, dennoch erhielt sie noch bis 1583 wiederholt Zuwendungen des Landesfürsten zum Wiederaufbau der Befestigungen. Diese waren städtisches Eigentum, und auf den Türmen befanden sich Metallfahnchen mit dem Stadtwappen, nur Besorgung und Verteidigung war den Zünften übertragen. Bald nach dem Brand und während des Wiederaufbaus der Stadt sammelte sich auf dem Großen Ring so viel Unrat, daß er 1571 von den Zigeunern aufgegraben werden mußte. Diese Gruppe wurde 1497 erstmals in Hermannstadt genannt. Man nannte sie nach ihrer Selbstbezeichnung Faröner (nach Pharaonen, also Ägypter) und gestattete ihnen, vor dem Sagtor Hütten zu errichten. Sie wurden vor allem für unreine und »unehrliche« Arbeiten, wie Henkersdienst und Abdeckerei, herangezogen. Sie gehörten zur Gruppe der Roma, Sinti waren in Siebenbürgen nicht vertreten. Im Kontext der starken Verunreinigung sind auch die wiederholten Pestepidemien, die die Stadt etwa 1573 und 1577 heimsuchten, leichter verständlich. Der letztgenannten fiel auch der langjährige Weggefahrte Hallers, der Bürgermeister und seit 1570 Königsrichter Augustin Hedwig zum Opfer. Auch wenn sich im 16. Jahrhundert eingebürgert hatte, daß der Hermannstädter Bürgermeister den Vorsitz in der Nationsuniversität führte - was er bis 1796 tun sollte -, so war die nun im Amt des Judex Regius nachfolgende Persönlichkeit doch so überragend und wirkte über drei Jahrzehnte hin so nachhaltig, daß die anderen Oberbeamten dagegen deutlich zurücktreten mußten: Albert Huet, Königsrichter von 1577 bis 1607. Einer angesehenen Hermannstädter Familie entstammend - sein Vater Georg Huet war Königsrichter, ein Großonkel war der vorletzte katholische Pleban -, verfugte Huet über eine profunde humanistische Bildung. Er hatte im Ausland studiert, stand in Wien unter vier Kaisern im Hofdienst und beherrschte mehrere 84

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Sprachen. Zu seinen wichtigsten politischen Handlungen gehörte das Erwirken der Bestätigung des Eigen-Landrechts durch Stephan Bäthory 1583 sowie die grundlegende Rede vor Fürst und Landtag 1591 in Weißenburg zur Verteidigung der sächsischen Rechte. Der Komitatsadel stellte den Rechtsstatus der Sachsen nämlich zunehmend in Frage und war bestrebt, sie zu seinen Grundhörigen zu degradieren. Diesem Ansinnen trat Huet mit einer umfassenden Auseinandersetzung über Herkommen und Rechtsentwicklung der Sachsen wirkungsvoll entgegen. Wie sehr aber sahen sich die Sachsen durch diese Anfeindungen und Infragestellung ihrer Existenz wieder in ihrer Haltung bestätigt, keinen andersnationalen Siebenbürgern den Zugang zu ihren Orten zu gestatten. Schon zwei Jahre vorher verbot der Hermannstädter Rat, Häuser und Grundstücke an Nichtdeutsche zu veräußern. Hinsichtlich seines Wirkens für Hermannstadt aber ist Huets Einsatz fur den Abschluß der Zunftregulationen zu nennen, die bis 1582 als abgeschlossen gelten: Alle Zünfte hatten neue, überarbeitete Satzungen erhalten. Doch immer mehr kleine Berufsgruppen organisierten sich zunftmäßig, 1598 etwa die »Stadtturner«, also die Musikanten auf dem großen Kirchturm, die nicht nur zu bestimmten Uhrzeiten, sondern auch zu besonderen Anlässen Melodien, oft Kirchenlieder, bliesen. Von langer und nachhaltiger Wirkung aber war Huets Einsatz fur das Hermannstädter Schulwesen. Der Plan der fünfziger Jahre, aus dem Hermannstädter Gymnasium eine Lehranstalt fur die gesamte politische Nation, eine Landesschule, zu machen, wurde 1578 schließlich umgesetzt, auch wenn sich nur die Sieben und Zwei Stühle daran beteiligten, da Kronstadt und Bistritz ihre eigenen Gymnasien ausbauten. Weitere Lehrer aus den deutschen Ländern wurden berufen, so daß das Gymnasium academicum nun einen Rektor, zwei Kollegen, also Professoren, weiterhin zwei Lektoren und einen Kantor hatte. Geboten wurde der klassische Kanon humanistischer Bildung, der zu Studien an allen europäischen Universitäten, aber auch zur Übernahme von Dorfpfarren, Notars- und Lehrertätigkeiten befähigte. Die Lehrer des Gymnasiums jedenfalls verfugten durchweg über Universitätsstudien genauso wie die Zahl der Studenten an meist mitteleuropäischen - Universitäten selbst in den turbulenten Zeiten des 17. Jahrhunderts ansehnlich blieb. Beachtenswert ist dabei die bereits 1555 begründete Unterstützungskasse für bedürftige Schüler, die über die folgenden Jahrzehnte hin ausgebaut und über die Die Hauptstadt der Sächsischen Nation

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Jahrhunderte hin in ein vielfaltiges Stiftungswesen mündete, das soziale Ungleichheit im Falle besonders befähigter Jugendlicher auffing und sogar Hochschulstudien ermöglichte. An der Schule selbst gab es im Coetus organisiert - die humanistische Schülerselbstverwaltung, die erst rund zweieinhalb Jahrhunderte später mit deutschen Burschenschaftsideen in Verbindung gebracht werden sollte. Die schon 1545 erweiterten Schulgebäude erfuhren nun eine wesentliche Vergrößerung: Die seit der Reformation offenbar zunehmend außer Gebrauch gekommene Kapelle im Südosten des Kirchhofs, die Ladislauskapelle, wurde dem Schulbereich 1592 angegliedert: Hier befand sich seither die Gymnasialbibliothek, der alle weiteren Bibiotheken aus städtischer Verwaltung - so die Bestände des Dominikanerklosters -, die Bücher des Stadtpfarramtes sowie künftig wichtige Nachlässe zugeführt wurden. Der ehemalige Kapellenraum wurde mit Fresken ausgemalt, verschiedene Würdenträger, aber auch die Stadt darstellend. 1595 erhielt die Bibliothek ein Renaissanceportal mit dem Wappen Huets. Diese Bibliothek, die selbst über Inkunabelbestände verfugte, gehörte mit der Kronstädter Gymnasialbibliothek zu den bedeutendsten Bücherbeständen im gesamten historischen Ungarn, da die Ofener königliche Bibliothek, die berühmte Corvina, während der osmanischen Besetzung zerstreut und zerstört worden war. 1879 wurden die älteren Bestände dieser sogenannten »Kapellenbibliothek« jener des Brukenthalmuseums eingegliedert, die alte Kapelle, über deren altes Patrozinium späterhin viel Verwirrung herrschte - seit Ende des 19. Jahrhunderts hieß sie im Volksmund Jakobskapelle wurde 1898 abgetragen. Die Schule erfuhr noch zu Huets Zeit eine weitere Ausdehnung, und zwar durch den Ankauf zweier benachbarter Häuser 1598. Sie dürfte nun bereits die ganze Breite zwischen der Kapelle und dem Kapitelshaus, die ganze Südwestseite des Kirchhofes für sich beansprucht haben, auch wenn eine architektonische Vereinheitlichung erst knapp 200 Jahre später erfolgen sollte. Das Jahr 1598 steht aber nicht nur für die räumliche, sondern auch fur die inhaltliche Festigung dieser Schule, da sie in den Statuta scholae Cibiniensis eine grundlegende, den Lehrplan sowie die Aufgaben der Lehrer und der Schüler definierende Schulordnung erhielt. Unmittelbares Vorbild war zwar Honters Schulordnung für Kronstadt, beide basieren jedoch auf pädagogischen Modellen oberdeutscher Humanisten. Die zeitgleich angelegte Schulmatrikel verzeichnete für 1598 14 studiosi sowie 10 adolescentes, die Schule hatte 86

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also 24 Schüler sowie fünf bis sechs Lehrer. Hinzu wird die Kleine oder Deutsche Schule zu rechnen sein, also eine Entsprechung zur Volksschule, deren Unterbringung ungewiß bleibt. Im Laufe der Zeit wurde das ehemalige Dominikanerkloster j e d o c h wiederholt als Ort einer solchen Schule erwähnt. Insgesamt ist der Schulbetrieb nun als eine städtische Einrichtung zu erkennen, die Stadtobrigkeit trug Sorge und Kosten für die Schule, kaufte G e b ä u d e an oder renovierte sie und berief den Rektor. Dieser wiederum stellt die weiteren Lehrer an, über alle übte der Stadtpfarrer die Aufsicht, allerdings unter Einflußnahme des Rates. Von einer Kirchenschule zu diesem Zeitpunkt oder überhaupt in der Frühen Neuzeit zu sprechen ist aber gewiß nicht zutreffend, auch wenn die erste Erwähnung im kirchlichen Kontext geschah und Schule und Kirche stets benachbart waren. Politische G e m e i n d e und Kirchengemeinde waren j e d o c h deckungsgleich und letztere von ersterer bestimmt und gefuhrt. In einer der mit dem U m b a u des Hermannstädter Schulwesens wiederbelebten Disputationen hielt der Königsrichter Huet 1602 eine Grundsatzrede über Schola seminarium rei publicae, über die Schule als Pflanzstätte des Gemeinwesens. Die Weitsichtigkeit dieses gebildeten Politikers, der hier seinen Mitbürgern die Sorge für die Schule ans Herz legte, erwies sich an der Gültigkeit seiner Aussagen für das sächsische Bildungswesen während der folgenden rund dreieinhalb Jahrhunderte. Bei seinem Tod 1607 hinterließ Huet der Schule nicht nur seine ansehnliche Gelehrtenbibliothek - rund 140 Werke, bis zum 15. Jahrhundert zurückreichend sondern auch 2000 Gulden für die Unterstützung von Studierenden im Ausland. In die Zeit zwischen Reformation und Schulreform muß auch die Einrichtung des sogenannten Priesterhofes fallen. E s war dies das 1545 aufgelassene Rathaus im Priestergäßchen unmittelbar benachbart zur Kapellenbibliothek, das die Stadt zunächst verkaufte, das später aber wieder in Gemeinschaftsbesitz kam und zum Wohnort der neben d e m Stadtpfarrer nach wie vor zahlreichen Geistlichen wurde. Parallel zum späthumanistischen Aufblühen der Hermannstädter Schule erfolgte auch eine gewisse Festigung des Druckereiwesens der Stadt. Zwar verfügte Hermannstadt 1529/30 über die damals einzige Druckerei Ungarns, doch ist es fraglos d e m etwas eigenwilligen politischen Weg der Stadt geschuldet, daß sie auf kulturellem Gebiet nicht die Führung übernehmen konnte. Sowohl bei der grundlegenden Schulreform wie bei der Buchproduktion blieb Hermannstadt Die Hauptstadt der Sächsischen Nation

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dadurch einige Jahrzehnte hinter Kronstadt, ja gar hinter Klausenburg zurück. Immerhin kam die Stadt im 16. Jahrhundert aber noch auf 37 bekannte Drucke (gegenüber 208 in Klausenburg und 119 in Kronstadt), im wesentlichen durch die Tätigkeit der Buchdrucker ab 1575. Den gestiegenen Papierbedarf belegt auch der Bau einer Papiermühle auf Stadtbesitz bei Talmesch 1573. Die dramatischen politischen Verhältnisse führten im 17. Jahrhundert allerdings zu einer deutlichen Abnahme der Buchproduktion in ganz Siebenbürgen, und auch in Hermannstadt kann man nur fur zwei Zeitabschnitte, nämlich für 1631-1653 mit dem Verleger Marcus Pistorius und für 1666-1684 mit Stephan Jüngling, von einem kontinuierlichen Wirken der Druckerei sprechen. Erschienen zwischen 1544 und etwa 1552 in Hermannstadt die ersten Bücher in rumänischer Sprache überhaupt - kennzeichnenderweise als erstes ein reformatorischer kleiner Katechismus - , so waren es ansonsten vor allem Schulbücher, theologische Klein- und Streitschriften und Gelegenheitsdichtungen in lateinischer, deutscher und ungarischer Sprache. Der erste Hermannstädter Kalender ist aus dem Jahre 1606 bekannt. Eine langanhaltende Popularität erlangte der 1670 bei Jüngling in Hermannstadt erschienene »Siebenbürgische Würg-Engel« von Mathias Miles, eine Art Landesgeschichte mit Schwerpunkt auf dem 16. Jahrhundert und auf den Deutschen des Landes. Es ist erstaunlich, daß um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert so außergewöhnliche kulturelle Leistungen wie der Aufbau einer Landesschule, die Einrichtung einer weithin bekannten Bibliothek und die Belebung des Buchdrucks möglich waren. Wenn man die äußeren Umstände bedenkt, ist man geneigt, dies an der Persönlichkeit des Königsrichters festzumachen. Seit 1595 wütete nämlich der sogenannte Lange Türkenkrieg, der 1593 von Osmanen und Habsburgern begonnen worden war, auch in Siebenbürgen, und 1603 dezimierte eine der bisher schlimmsten Pestepidemien das Land: In Hermannstadt überlebte nur etwas mehr als ein Viertel der Einwohner, ein weiterer Friedhof außerhalb der Stadtmauern, diesmal vor dem Sagtor, mußte eröffnet werden. Auch der Bürgermeister Lukas Enyetter wurde ein Opfer der Seuche. Doch diesem furchtbaren Einschnitt gingen bereits wirre und entbehrungsreiche Jahre voraus, die der relativen Ruhe nach 1556 ein abruptes Ende setzten. Im Jahre 1594 war es der Königsrichter Albert Huet, der am Prager Hof Kaiser Rudolfs II. wesentlich an den Verhandlungen beteiligt 88

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war, die zum Kriegseintritt Fürst Sigismund Bäthorys auf Seiten der Habsburger führte. Sollte sich die Geschichte wiederholen, sollte Hermannstadt erneut unter einem habsburgtreuen Mann letztlich alleine auf der falschen Seite stehen? Am Anfang sah es, wie schon zweimal vorher, ganz gut aus. 1595 führte Stephan Bocskay, der Feldherr des Fürsten, den siebenbürgischen und - in diesem - Huet den sächsischen Heerbann in eine Schlacht gemeinsam mit dem Woiwoden der Walachei Michael gegen die Osmanen, die mit einem grandiosen Sieg bei Giurgiu an der Donau endete. Das war für die Hohe Pforte zu viel und auch diesmal sah die osmanische Taktik vor, das abtrünnige Gebiet mit Chaos zu überziehen. Hinzu kam, daß der jugendliche Fürst wankelmütig war, viermal die Fürstenwürde niederlegte und dreimal wiederkehrte, unterschiedliche Gruppen des Adels einmal türkische, einmal österreichische Hilfe holten. Kleine Scharmützeltruppen der osmanischen Verbündeten auf der einen, eine entfesselte und schlecht bezahlte kaiserliche Soldateska auf der anderen Seite verschärften die vom Beginn der 1550er Jahre her bereits bekannte Situation der Zerstörung der Orte, der Dezimierung der Bevölkerung und der Ressourcen mit der Folge von Hungersnöten und von Seuchen - Verhältnisse eines vorweggenommenen Dreißigjährigen Krieges. Auch wenn Hermannstadt niemals eingenommen werden konnte, so wurden das Umland, zumal die reichen sächsischen Dörfer des Königsbodens, aber auch die Stadtgüter außerordentlich verwüstet. Eine der großen Schlachten fand nahe den Stadtmauern, zwischen Hermannstadt und Schellenberg, statt: Am 28. Oktober 1599 schlug der Woiwode der Walachei, Michael, hier den kurzzeitigen siebenbürgischen Fürsten, Kardinal Andreas Bäthory, vernichtend. Schellenberg wurde zerstört und der Totenhügel für die Gefallenen dieser Schlacht ist westlich der Straße von Hermannstadt nach Talmesch zu erkennen. Im 20. Jahrhundert wurde dort von rumänischen Behörden ein Kreuz als Gedenkstätte errichtet. Michael, landläufig »der Tapfere« genannt, konnte kurz danach ganz Siebenbürgen, vorgeblich fur Kaiser Rudolf, in Besitz nehmen und sich in Weißenburg als Landesherr huldigen lassen. Die Vereinigung der Herrschaft über Siebenbürgen und die beiden rumänischen Woiwodschaften Moldau und Walachei im Jahre 1600 in seiner Hand wird in der national ausgerichteten rumänischen Geschichtsschreibung verklärt und irrig interpretiert. Die Anarchie im Lande wurde jedoch nur weiter gesteigert, und auch die Bemühungen Hermannstadts, das die sächsischen Die H a u p t s t a d t der S ä c h s i s c h e n N a t i o n

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Städte und Stühle im Herbst 1600 wieder auf die habsburgische Seite brachte, Einigkeit unter den siebenbürgischen Ständen herbeizufuhren, fruchteten nichts. Eine weitere Rückkehr Sigismund Bäthorys im Herbst 1601 mit osmanischer Hilfe brachte einen neuerlichen Seitenwechsel fast ganz Siebenbürgens und aller sächsischen Städte. Bis auf Hermannstadt die Geschichte wiederholte sich doch. Wieder stand diese Stadt als einzige treu zu Habsburg, um sie herum nur brennendes Land: Von Oktober 1601 bis Juli 1602 belagerte der Truppenfuhrer Sigismund Bäthorys, Csäky, die Stadt, seine Söldner vernichteten alles, was außerhalb der Stadtmauern lag. Csäkys Lager war in Hammersdorf, und zu Verhandlungen kamen die beiden Seiten vor dem Elisabethtor zusammen, ergebnislos. Erst der endgültige Rücktritt des Fürsten führte zur Beendigung der Belagerung. Als nun die entfesselten, zuchtlosen kaiserlichen Truppen unter Generalfeldobrist Basta das Land für den Kaiser und ungarischen König Rudolf wieder übernahmen, wurde strenges Gericht gehalten: die Untreuen sollten bestraft, die Verfassung des Landes vollständig umgestaltet, die katholische Kirche über alle anderen gestellt werden, in die entvölkerten Orte und Gegenden sollten deutsche Siedler kommen. Bei dem von Basta im September 1603 nach Deva einberufenen Landtag wurden die Strafen und künftigen Maßnahmen verkündet. Stadt und Stuhl Hermannstadt kamen dabei am besten weg, standen sie doch in der Gunst des Hofes und seines Generals am höchsten. Für den Königsrichter Huet und den Bürgermeister Enyetter waren während der Sitzung sogar Ehrenplätze neben dem Generalfeldobristen und seinen Kommissären vorgesehen, während die Vertreter anderer sächsischer Stühle und Städte teils hingerichtet, zu Kerkerhaft oder hohen Strafen verurteilt wurden. Kontributionen mußten Stadt und Stuhl dennoch zahlen, so daß Hermannstadt nicht mehr in der Lage war, seine Auslagen zu decken und Schulden aufnehmen mußte - ein bis dahin fast undenkbarer Vorgang für dieses reiche und stolze Gemeinwesen. Dies muß umso schwerer gewogen haben, als die zeitgleich grassierende Pest größte Teile der Einwohnerschaft hinwegraffte. In dem solcherart völlig erschöpften und ausgebluteten Land - in den Landtagsprotokollen heißt Siebenbürgen in diesen Jahren nur »das arme Land« - konzipierten die Vertreter des Kaisers eine Provinz innerhalb eines frühabsolutistischen Obrigkeitsstaats mit weitgehendem Austausch der Eliten und vollständiger Rekatholisierung - eine 90

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Eine Hermannstädter Münzprägung zur Zeit der Wirren d e s L a n g e n Türkenkrieges ( 1 6 0 5 ) .

Vorwegnahme des nach 1618 in Böhmen umgesetzten Modells. Diese fur die Stände unhaltbare Position und der Seitenwechsel Bocskays, der bisher treu zu Habsburg gestanden hatte, brachte 1605 eine neuerliche und langfristige Wende. Selbst die Sächsische Nation erkannte Bocskay im Juli 1605 als Landesfursten an, zumal die kaiserlichen Truppen weitgehend verschwunden und mehr eine Bedrohung als ein Schutz waren. Doch auch an diesem Fall offenbart sich die Neigung Hermannstadts zu Habsburg von Neuem: Gab es schon in den Vorjahren Spannungen innerhalb der Bürgerschaft wegen des Verharrens auf Seiten Rudolfs, so war es kurz nach Bocskays Anerkennung ausgerechnet ein Ratsmann, der offenbar zeitweilig das Bürgermeisteramt verwaltete, nämlich Johann Rhener, der heimlich habsburgtreue Truppen eines berüchtigten Söldnerfuhrers in die Stadt einlassen wollte. Seine Verschwörung wurde rechtzeitig entdeckt, und Rhener mußte in die Walachei fliehen. Auch der alternde Huet mußte sich vielerlei Anfeindungen wegen seiner habsburgtreue η Haltung stellen. Mit dem Wiener Frieden 1606 war jedenfalls das habsburgische Engagement in Siebenbürgen auf längere Sicht beendet. Das Haus Habsburg hatte diesem Land nun bereits zum dritten Mal Verderben gebracht, da es Kriege zwar anfachte, aber nicht willens und in der Lage war, Siebenbürgen auf Dauer zu halten. Trotz des Rückzugs des Erzhauses aus dem Karpatenbogen hatten die gerade abgeschlossenen Kriege für das Land doch ähnlich weitreichende Folgen wie 1241 der Mongolensturm. Bocskay wurde als Fürst von Siebenbürgen schließlich von allen Seiten hoffnungsvoll anerkannt. Als er gegen Ende des Jahres unerwartet starb, hatten sich die Verhältnisse im Lande noch nicht stabilisert. In Hermannstadt, nun unter dem Königsrichter Daniel Malmer und dem Bürgermeister Gallus Lutsch, berieten beim Katharinalkonflux 1607 die Nationsuniversität und die Die Hauptstadt der Sächsischen Nation

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geistliche Universität gemeinsam über Auswege aus der Krise in den Städten und Stühlen. Eine weitere Verschlechterung der Lage nach endlich eingetretenem Frieden war nicht vorstellbar. Und doch sollte es vor allem für Hermannstadt viel schlimmer kommen. Fast scheint es, als ob sich nun aller Haß des ungarischen Adels gegen die stets habsburgtreue und uneinnehmbare deutsche Stadt entfesseln wollte. Allerdings wäre diese Sichtweise doch etwas vereinfacht. Wir wollen uns mit diesem wahrhaft einschneidenden Kapitel etwas ausfuhrlicher befassen. Bocskay folgte nach kurzem Übergang und gestützt auf eine Haiducken-Armee - heimatlose Freischärler, entstanden aus den Bürgerkriegswirren um 1600 - im Frühjahr 1608 der jugendliche Gabriel Bäthory als Landesfürst nach. Erfolge bei der Befriedung der politisch-militärischen Situation festigten ihn zunächst, doch sein inkompetenter Regierungsstil, sein ausschweifender und die wirtschaftlichen Grundlagen der Orte wie der Adelsgüter, die sich gerade erst wieder erholten, gefährdender oder gar ruinierender Lebensstil, sein Drang nach militärischen Taten ließen breite Unzufriedenheit im Lande aufkommen. Ein Attentat eines Teils des Adels auf ihn scheiterte. Für seinen Plan, gegen die Walachei zu Felde zu ziehen, sammelte er eine Streitmacht von 20.000 Mann und erschien mit dieser am 10. Dezember 1610 völlig überraschend bei Großau westlich Hermannstadt. Gleichzeitig hatte er einen Landtag für den 17. Dezember nach Hermannstadt einberufen. Die Hermannstädter hatten seitens des ungarischen Adels bereits versteckte Warnungen erhalten, daß der Fürst Böses mit ihnen vorhabe, doch hielt es der Rat für klüger, den Landesherrn, dem immerhin ein Eid geschworen wurde, nicht abzuweisen und freundlich in der Stadt zu empfangen. Ein durch die Gassen reitender Ratsherr beruhigte die aufgebrachten Bürger. Als Bäthory am 11. Dezember mit seinen Packwägen und der Leibwache, zusammen 2.000 Bewaffnete, in die Stadt einzog, soll er auf der Zugbrücke gesagt haben »Dieses hätten wir nicht gedacht«. Auch ein anderer Ausspruch kurz nach Erlangung der Fürstenwürde wird ihm zugeschrieben: »Wer Herr von Siebenbürgen sein will, muß die Schlüssel von Hermannstadt in seiner Tasche haben.« Wahr ist, daß die Fürstenresidenz Weißenburg zu jenem Zeitpunkt aus den letzten Kriegen zerstört und unbewohnbar war, und es trifft auch zu, daß die Sächsische Nation die letzte wirklich freiheitliche Bastion Siebenbürgens war, die den absolutistischen Ideen des damals einundzwanzigjährigen Fürsten völlig zuwiderlief. 92 Hermannstadt 1526-1614

Erst nach drei Tagen wurde der Stadtrat von ihm in Audienz empfangen, ungnädig und nur zu dem Zweck, die Schlüssel der Tore und Befestigungen einzufordern. Von der Heeresmacht eingeschüchtert, wurden diese ausgefolgt. Die Stadt befand sich somit in Bäthorys Gewalt, seine Truppen konnten ungehindert einziehen. Es soll kein Haus gegeben haben, das ohne Besatzung blieb. Am 17. Dezember wurde der Landtag eröffnet und am 18. die Stadt Hermannstadt des Hochverrats angeklagt - der einzige Tagesordnungspunkt. Des Fürsten Anklage umfaßte den Vorwurf, dem vor dem Woiwoden Michael nach der Schlacht bei Schellenberg 1599 fliehenden Fürsten Andreas Bäthory keine Zuflucht gewährt zu haben, dann für das geplante Attentat auf ihn selbst im Frühjahr 1610 eine hohe Summe geboten zu haben, schließlich kurz vor seiner Ankunft in der Stadt noch beraten zu haben, ob er eingelassen werde. Widerspruch oder Verteidigung war nicht zulässig, die anwesenden Ständevertreter waren überwiegend eingeschüchtert, teils gekauft. Das Urteil lautete auf Hinrichtung aller Bürger der Stadt und Verlust ihres Vermögens, wurde aber bald in eine Zahlung von 100.000, dann auf 50.000 Gulden gemindert, sofort zu erlegen. Schon dieses groteske Szenario offenbart die völlige Absurdität einer unberechenbaren Willkürherrschaft. Männer vom Schlage eines Haller oder eines Huet fehlten der Stadt. Es ging aber weiter, denn die Landstände hielten als Beschluß fest: 1. Hermannstadt wird zur Residenz des Fürsten, die anderen beiden Nationen erhalten Niederlassungsrecht; 2. der Fürst erhält das städtische Vermögen, der Privatbesitz der Bürger bleibt erhalten; 3. Besatzungsrecht, Befestigungen und Kriegsgerät der Stadt gehören dem Fürsten; 4. in den Kirchen wird abwechselnd ungarischer und sächsischer Gottesdienst gehalten. Am 19. Dezember mußten die Bürger alle ihre Waffen auf dem Großen Ring abgeben. Da Bäthory von den Hermannstädtern keinerlei Gegenwehr mehr befurchten mußte, konnte er am 20. Dezember das Rathaus besetzen und es plündern lassen. Nach den Kostbarkeiten folgte das Aktenmaterial und das Archiv. In diesen Vorweihnachtstagen 1610 sind sehr wahrscheinlich die größten Verluste an Urkundenbeständen der ersten 450 Jahre der Stadtgeschichte entstanden - noch Jahre später kaufte der Rat verstreut auftauchende Unterlagen zurück. Ein Wunder übrigens, daß die Kapellenbibliothek verschont blieb - wohl deswegen, weil sie dem kirchlichen Bereich zugeordnet wurde, und Kirchen schien Bäthory in der Regel nicht zu behelligen. Die Hauptstadt der Sächsischen Nation

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Der Landtag war beendet, Bäthory hatte eine neue Residenzstadt, er konnte nun Anfang Januar 1611 in den Krieg gegen die Walachei ziehen. In der Stadt verblieb eine starke Besatzung. Die Truppen hatten schon seit Dezember freie Hand, von ihren Wirtsleuten alles zu erpressen. Häuser wurden beschlagnahmt, Vorräte aufgebraucht, wohlhabende Bürger und Ratsmitglieder wurden in die Kerker geworfen, aus denen sie sich mit hohem Lösegeld freikaufen mußten, der Erniedrigungen war kein Ende. Die Quellen aus dieser Zeit sind spärlich. Es scheint aber so zu sein, daß viele Bürger ihre Häuser freiwillig verließen, sicher auch, um den wilden Zuchtlosigkeiten der Truppen zu entgehen. Schließlich war der zügellose Fürst selbst ein Vorbild der Maßlosigkeit: So mußte der Königsrichter Malmer zusehen, wie seine Tochter ein Opfer wurde, eine Bürgersfrau nahm sich, bevor der Fürst sie entehren wollte, das Leben. Solcherart Residenz des Fürsten, Hauptstadt des Regnum geworden zu sein, konnte niemanden mit Stolz erfüllen. Ein Teil des Adels nahm diese Entwicklung mit Bestürzung zur Kenntnis, andere wiederum hegten einen Groll gegen die stolzen und reichen, aber bürgerlichen Sachsen und zumal gegen ihr Haupt, die Stadt Hermannstadt, das immer wieder an den Eiden, die den habsburgischen Königen geleistet wurden, festhielt. Dieser Vorwurf sollte einige Jahre später, im Aussöhnungsprozeß mit dem nächsten Fürsten, deutlich zum Ausdruck gebracht werden. So mögen etliche Vertreter des Adels dieses Schicksal Hermannstadts nur als gerecht erkannt haben, zumal sie nun endlich das Niederlassungsrecht innerhalb der Stadtmauern erlangt hatten. Noch wohnten die Hermannstädter j a in ihrer Stadt und offensichtlich amtierten auch die Stadtbeamten in irgend einer Weise weiter. Die anderen sächsischen Städte aber waren gewarnt. Allen voran Kronstadt, das nun wieder - wie während der Isolierung Hermannstadts 1530-1535 - die fuhrende Rolle der Sächsischen Nation übernahm. Als Bäthory im Juni und Juli 1611 auch diese sächsische Stadt einnehmen wollte, deren Innere Stadt noch stärker befestigt war als Hermannstadt, verschloß sie nicht nur ihre Tore, sondern bewog einen Haiduckenfuhrer durch Bestechung zum Abzug, drohte dem Fürsten mit Vertreibung und brachte ein Heer aus Verbündeten zusammen, das Bäthory am 11. Juli eine schwere Niederlage zufugte. Dieser Vorgang kräftigte die Oppositionsbewegung gegen den despotischen Fürsten auch unter dem Adel, so daß die in Kronstadt versammelte Opposition - zentrale Figur dabei war der Senator 94

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Michael Weiss, der Ende des Jahres zum Kronstädter Stadtrichter gewählt werden sollte - im Namen der drei Nationen bei der Hohen Pforte um die Vertreibung Bäthorys ansuchte. Dieser war nach der verlorenen Schlacht unversehens - da niemand wußte, ob er selbst überlebt hatte - in Hermannstadt wieder eingetroffen und forderte nun von der Stadt 100.000 Gulden. Und zwar um seine Söldner und Haiducken zu bezahlen, denn der Kaschauer Oberkapitän Michael Forgacs und der Woiwode der Walachei Radu $erban hatten sich bereits aufgemacht, Bäthory zu vertreiben. Da die Hermannstädter Bürger diese Summe nicht in der gesetzten Frist aufbringen konnten, wurden Rat und Hundertmannschaft eingesperrt, letztere erst nach fünf Wochen Ende September 1611 entlassen - damit sie aus dem Rathaus, wo sie gefangen saßen, nicht in die Stadt hinaussehen und kommunizieren konnten, ließ er dessen Fenster zumauern. Währenddessen wurde Hermannstadt im August von Forgacs und §erban belagert, doch erfolglos, die Mauern und die Geschütze schützten nun den Despoten, der in der Stadt auf dem Großen Ring mit Kriegsgefangenen grausame Hinrichtungen inszenierte. Nachdem die erpreßte Summe - offenbar in verschiedensten Formen der Edelmetalle - vorlag, holte Bäthory Anfang September 1611 erst zum eigentlich vernichtenden Schlag aus: Die Bürger sollten die Stadt verlassen, nur jene sollten bleiben, die ihm als Handwerker für die Hofhaltung wichtig erschienen. Sodann verblieben der Rat und die Hundertmannschaft, auch die Frauen und Kinder der Stadtbürger zunächst noch in der Stadt. Ein Ratsherr zog nachts mit Bäthorys Leuten durch die Gassen, um die Häuser der Bürger, die am nächsten Tag vertrieben werden sollten, zu kennzeichnen. Dieser ersten Vertreibung folgten im Jahre 1612 drei weitere, Anfang Januar, Anfang März und Ende Mai, wahrscheinlich verblieb nicht mehr als der zwanzigste Teil der früheren Einwohner in der Stadt. Es gibt kaum Quellen darüber, was nun mit den Hermannstädtern geschah. Sie verstreuten sich in alle Himmelsrichtungen, ihre Odyssee sollte noch lange nicht zu Ende sein. Es finden sich Hinweise, daß einige in Heitau, Michelsberg und Birthälm unterkamen und einiges deutet daraufhin, daß die Oberbeamten in Schäßburg Unterkunft gefunden hatten. Immerhin war diese Stadt wehrhafter und wehrbereiter als Mediasch, das zur Zeit Bäthorys mehrfach von verschiedenen Seiten eingenommen wurde. Auch das Auftauchen des Familiennamens Hermannstädter in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, etwa im BurDie Hauptstadt der Sächsischen Nation

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zenland, ist mit großer Wahrscheinlichkeit auf diese Austreibung zurückzuführen. Durch die Vertreibung in mehreren Schüben wurden Familien auseinandergerissen - über den gegenseitigen Verbleib war nichts bekannt, für die Beschreibung der Verzweiflung fehlte auch den Zeitgenossen das Vokabular. Wohl im Jahre 1613 müssen zumindest Teile des Rates und der Hundertmannschaft im Exil in Verbindung miteinander gestanden, wenn nicht gar getagt haben, denn in diesem Jahr verliert sich die Spur des Königsrichters Malmer und Kolomann Gottsmeister taucht als solcher auf. Zwar hatte Bäthory im gleichen Jahr den Repser Königsrichter David Weyrauch, der ihm nach der verlorenen Schlacht 1611 Unterschlupf gewährte und ihn anschließend nach Hermannstadt brachte, zum Hermannstädter Königsrichter und somit zum Grafen der Nation ernannt, doch trat dieser sein Amt nicht an. Die gängigen Listen der Nationsgrafen sind insoweit fehlerhaft, auf Malmer folgte bereits 1613 Gottsmeister, und Weyrauch war nur eine Laune des irren Fürsten. Als dieser im März 1612 einen Landtag in Hermannstadt abhielt, lag die Stadt jedenfalls schon weitgehend wüst, vereinzelte Hofstellen waren noch von deutschen Handwerkern bewohnt, wohl im wesentlichen Schmiede, einige Schneider, Fleischhauer und Bäcker, andere aber von Kriegsvolk Bäthorys. Rund eineinhalb Jahre sollte dieser Zustand dauern, lange genug, daß Bäthorys Leute in den öden Gassen Hirse anbauen konnten, wie die Chronisten berichten. Aufjenem Landtag wurde jedenfalls Kronstadt ernstlich ermahnt, dem Fürsten seine Tore zu öffnen, andernfalls würde das ganze Land gegen die Stadt in Krieg treten. Erstaunlich genug, daß sich hohe Würdenträger der Sächsischen Nation, der Bistritzer Stadtrichter und der erwähnte Repser Königsrichter, zum Überbringer dieser Nachricht machen ließen. Wahrscheinlich überwog die Einschüchterung durch Bäthorys Truppen die Eindrücke, die sie aus dem seiner sächsischen Einwohner entledigten Hermannstadt mitgenommen hatten, denn gerade im Frühjahr 1612 kam wieder ein großes Heer Haiducken aus Ungarn an. Kronstadt blieb nicht nur standhaft, es vereinigte auch weiterhin die Opposition gegen den Despoten und trat ihm unter Stadtrichter Weiss im Herbst 1612 in offener Feldschlacht entgegen: Bäthory errang am 16. Oktober bei Marienburg jedoch einen Sieg, bei dem auch Weiss im Kampfgetümmel fiel. Der dadurch gestärkte Fürst betrieb nun von seiner Residenzstadt Hermannstadt aus, wohin Weißens Kopf zur Abschreckung mit96 Hermannstadt 1526-1614

genommen und aufgesteckt wurde, seine neuen Bündnispläne mit Wien. Auf einem Landtag im November ließ er alle Oppositionellen verbannen. Doch im Hintergrund verfolgten diese bereits eine ganz andere Politik, und schon im März 1613 hatte die Hohe Pforte entschieden, daß Gabriel Bethlen, ein früherer Gefolgsmann Bocskays und Bäthorys, neuer Fürst von Siebenbürgen werden sollte. Um das Land für ihn zu erobern und sich des irrsinnigen Bäthory zu entledigen, brachen im Sommer Armeen aus Konstantinopel und aus der Walachei auf, hinzu kam die Hauptmacht der Krimtataren sowie jene des Paschas von Ofen, zusammen im Oktober 80.000 Mann - so viele Türken, Tataren und Verbündete, wie wohl niemals vorher und nachher in Siebenbürgen standen. Bäthory hatte Hermannstadt am 1. Oktober verlassen, die Stadt lief also nicht mehr Gefahr, Belagerungsort einer solchen Streitmacht zu werden. Er zog sich etappenweise bis Wardein zurück, während unter dem Druck der Osmanen mit der Neuordnung der Verhältnisse alles ganz schnell ging: Bethlen wurde bereits am 23. Oktober 1613 vom Landtag in Klausenburg zum Fürsten gewählt. Vier Tage später fiel Bäthory in Wardein einem Mordkomplott zum Opfer, wahrscheinlich von der Hand gedungener Haiducken. Allerdings hatte er, der seine Fürstenwürde nicht aufzugeben dachte, noch in seinen letzten Tagen der Hermannstädter gedacht, wenn auch folgenlos: Er verurteilte alle einschließlich der Frauen und Kinder zur Hinrichtung mit dem Schwert. Wie groß muß der Haß dieses jungen Adligen gegen die deutschen Bürger gewesen sein? Die erreichte Zerstörung war ihm noch nicht genug. Am 4. November 1613 übergaben Bäthorys Leute - 600 Mann Fußvolk und drei Schwadronen Reiterei - Hermannstadt an Bethlens Abgesandte. Nun entspann sich ein sehr aufschlußreicher dreieinhalbmonatiger Austausch zwischen dem neuen Fürsten und der Sächsischen Nation. Schon im Mai jenes Jahres hatte das zwischenzeitlich zwar um Ausgleich bemühte, aber dennoch standhafte Kronstadt mit Schäßburg ein Bündnis zum Schutz und Erhalt der Rechte der sächsischen Städte und Stühle geschlossen, denen sich die übrigen angeschlossen haben müssen, so daß die Nation beim Klausenburger Landtag im Oktober wieder gemeinsam auftreten und die Restitution Hermannstadts fordern konnte. Schon in den ersten Novembertagen erneuerte eine Abordnung der Nation diese Bitte beim Fürsten in Klausenburg, der die Rückgabe der Stadt mit allen Rechten und allem Zubehör am 9. November eidlich versicherte. Die Hauptstadt der Sächsischen Nation

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Bethlen traf am 22. November in Hermannstadt ein und gab vor, dort den Winter zubringen zu müssen, da die Residenz Weißenburg wüst liege. Nach den Erfahrungen der Voijahre aber war das Mißtrauen der Sachsen grenzenlos, und schließlich war Bethlen bis 1612 einer der wichtigsten Gefolgsmänner Bäthorys, er muß an dessen Rechtsverletzungen und Gewalttaten erheblichen Anteil gehabt haben. Sie verweigerten Bethlen den Huldigungseid, den jede Nation bei der Fürstenwahl abzulegen hatte, sowie die schuldigen Steuern - die erheblich waren, denn die Sächsische Nation brachte rund die Hälfte des fürstlichen Haushalts auf. Nun forderte Bethlen, man möge ihm Mühlbach als Residenzstadt überlassen, da es Weißenburg unmittelbar benachbart lag und viel weniger zerstört war. Er ließ die Sächsische Nation am 4. Dezember auch wissen, wie der siebenbürgische Adel ihren politischen Standort einschätzte: »Gott und die Zeit hat Euch gelehrt, daß Ihr ohne die ungarische Nation Euer Wohl nicht begründen könnt und daß man auch im Ausland Euren Verhältnissen nicht gar so viel Aufmerksamkeit schenkt« - ein dezenter Vorwurf wegen der Habsburg-Orientierung und Ermahnung zur Zusammenarbeit auf Landesebene. Im allgemeinen war Bethlens Ton aber in diesem Schreiben wie in den vielen folgenden auf Aussöhnung ausgerichtet und die nächsten eineinhalb Jahrzehnte sollten zeigen, daß er es tatsächlich ernst und ehrlich meinte. Dessen aber waren sich die in Schäßburg zusammengekommenen Nationsvertreter nicht sicher und hegten tiefes Mißtrauen vor allem gegen Bethlens Umgebung. Und sie waren nicht bereit, daß statt Hermannstadt ein anderes Glied, nun Mühlbach, dem Nationsterritorium entfremdet werden sollte. So bestätigten sie in einer am 10. Dezember 1613 in Schäßburg geschlossenen und beschworenen Union den alten Bund der Nation: Wir (...) fiigen hiermit zu wissen allen, denen es von Nöten ist, daß wir angesichts des großen, unwiederbringlichen Schadens, so der sächsischen Nation durch den Riß und die Abtrennung der Hermannstadt von den anderen Städten, der Spaltung und Trennung der Sachsen voneinander in eben vergangener Zeit (zugeßigt wurde), den Unionseid auf die sächsischen Freiheiten und Rechte, durch den unsere Voreltern hochlöblichen Gedächtnisses auf Ewigkeit verbunden und verpflichtet gewesen sind, jetzt erneuert haben (...) auf folgende Weise: (...) Wir geloben und versprechen bei unserer rechten Augsburgischen Confession (...), beim ehrlichen sächsischen Namen zur Fertei98

Hermannstadt 1526-1614

digung und Erhaltung Freiheiten, Besitzungen

des Sächsischen Geblüts und der genannten Rechte und der Orte der ganzen

Universität

(...)

allen unseren

Widersachern und Störern unserer Sächsischen Freiheiten, wer sie auch sein mögen, heimlich oder öffentlich, den Freunden Freund, den Feinden Feind zu sein, alles in allem miteinander oder auch einzeln zu tun, zu befördern, zu verhandeln, abzuschließen, zu befrieden, auch zu opponieren, daneben auch die Ausgaben

miteinander zu tragen (...)

bei Verlust der Ehre und der Säch-

sischen Freiheiten.

Unterschrieben ist dieses Dokument, versehen mit den Siegeln der Nation, Hermannstadts und Schäßburgs, von 19 Nationsvertretern, darunter alle neun Königsrichter der Sieben und Zwei Stühle sowie die beiden Stadtrichter von Kronstadt und Bistritz. Als Primi inter Pares stehen vorneweg Gallus Lutsch als Bürgermeister und Koloman Gottsmeister als Königsrichter von Hermannstadt. Der Vorgang, der zu diesem Dokument gefuhrt hat, kann kaum überbewertet werden und macht sowohl die folgenden Wochen wie auch die sächsische Politik der nächsten zwei bis drei Jahrhunderte besser verständlich: Die vollständige Erniedrigung der bis dahin so stolzen sächsischen Nation durch die Auslöschung ihres Hauptes, der Stadt Hermannstadt, und die Infragestellung ihrer gesamten Rechtsstellung hat ihre Vertreter zu einer harten, kompromißlosen Haltung uneingeschränkter Rechts- und Besitzwahrung gebracht. Zugleich wurden sich die neuen Herren, die durch den allerorten erfolgenden Wegfall der alten Kaufherren- und Unternehmereliten nun in Führungspositionen gekommen waren, ihrer weitreichenden Verantwortung bewußt. Sie beschworen ganz ausdrücklich jenen Vertrag der Universitätsgründung von vor rund 130 Jahren, der von ganz anderen Interessen geleitet war, damals dominant wirtschaftlicher Natur. Gleichzeitig wird ein weiterer Schritt bei der Ethnisierung der sächsischen Gesellschaft deutlich, da nun ausdrücklich das eigene, gutteils zerstreute und im Falle Hermannstadts fast ausgelöschte Volk erhalten werden sollte. Auf dieser Grundlage erfolgten die weiteren Verhandlungen zwischen der Nation in Schäßburg und Bethlen in Hermannstadt, sächsischerseits unerbittlich und kein Jota von den alten Rechtstiteln und Besitztümern abweichend. Bethlen stattete nach und nach alles zurück, Stuhlsgemeinden und Stadtzubehör, Marktrechte, Zunft- und Handelsrechte, er wies die ungarischen Handwerker aus. Die Nation aber wollte alles und ohne Abstriche, die komplette Räumung der Die Hauptstadt der Sächsischen Nation

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Stadt und Übergabe der Stadtschlüssel. Offenbar war vorher kein Hermannstädter zur Rückkehr bereit, nur der Königsrichter scheint um Weihnachten 1613 vor Ort gewesen zu sein und Ubernahmen getätigt zu haben. Zeitgleich aber hatte Bethlen eine Versammlung des Adels und der Szekler in Hermannstadt abgehalten, was das eiserne Mißtrauen der Sachsen durchaus erklärlich macht. Denn noch in den letzten Dezembertagen wandten sie sich mit Schreiben an die Komitatsvertreter und ermahnten sie zur Unterstützung ihrer Anliegen, also zur Rückgabe der Stadt, da auch sie einst des sächsischen Schutzes bedürfen könnten. Schon auf dem Klausenburger Landtag im Oktober war nämlich verabredet worden, daß die sächsischen Städte dem Adel im Falle kriegerischer Bedrohung Schutz gewähren sollten, und zwar unter klar definierten Bedingungen wie der Bestreitung des Aufenthalts auf eigene Kosten. Ende Januar 1614 berichteten die Abgesandten der Universität aus Hermannstadt über den Fortgang der vollständigen Räumung und am 18. Februar, nur einen Tag nach dem schon lange festgesetzten Termin, verließ Bethlen die Stadt. Dabei rief er alle in Hermannstadt befindlichen Bürger, 53 an der Zahl, zu sich und sagte ihnen in ungarischer Sprache: »Ich Gabriel Bethlen, Siebenbürgens gesetzlich erwählter Fürst, Herr der Ungarn, Graf der Szekler, Vater der Sachsen, übergebe Euch vom heutigen Tag angefangen Eure Stadt mit allen ihren Rechten. Seid ruhig und treu. Gott mit Euch.« In einem Tornister übergab er alle Stadtschlüssel und zog mit seinem Anhang und in Begleitung des Königsrichters Gottsmeister zum Landtag Richtung Mediasch. Die Hermannstädter aber schlossen die Tore und wachten die ganze Nacht über, von der Angst geplagt, der geringen Zahl in der großen Stadt wegen doch noch überfallen zu werden. Am 19. Februar 1614 sollte die Geschichte dieser Stadt neu beginnen.

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DIE BESCHEIDENE STADT (1614-1687) Jene 53 Hauswirte, also Stadtbürger, die beim Abzug von Bethlen noch in Hermannstadt lebten, dürften für kaum mehr als den zwanzigsten Teil der vormaligen Stadtbevölkerung gestanden haben, vielleicht fur 300 Personen. Denn mehr als 6.000 Einwohner wird Hermannstadt nach der Pest von 1603 nicht gehabt haben, eher weniger. Man kann sich diese Stadt 1614 fast wie Rom oder Konstantinopel in den späten Zeiten ihrer historischen Größe vorstellen, als weite Teile des befestigten Areals unbewohnt waren und sich innerhalb der Stadt einzelne Gemeinschaften, dorfahnlich, bildeten. Noch fur den Beginn des 18. Jahrhunderts stellte Soterius fest, daß die weitläufigen Hofstellen nur von wenigen Personen bewohnt waren und man oft Mühe hatte, die Hausleute zu finden. Ab dem ersten Tag der wiedererlangten Freiheit und während der kommenden Wochen und Monate kamen viele jener Hermannstädter wieder in die Stadt zurück, die Bäthory vertrieben hatte oder die geflohen waren. Viele fanden ihre Angehörigen nicht wieder, weil sie verstorben, ermordet oder hingerichtet - oder bei der Vertreibung an unbekannte Orte gezogen waren. Ob in der Stadt gegen Ende des Jahres 3.000 Personen lebten, ist eher zu bezweifeln. Die erst ab diesem Zeitpunkt allmählich wieder einsetzenden Quellen sagen dazu nichts aus. Zwar fingen die Zurückgekehrten nicht gerade bei Null an, denn immerhin verfugten sie über die befestigte Stadt, über meist verwüstete Häuser und über gute Rechtstitel. Doch waren alle Vorräte und aller Hausrat vernichtet, alle Rücklagen der Stadt wie der Einwohner durch Bäthorys Kriegszüge aufgebraucht, Waffen und Munition großteils verschwunden. Die umgehend wieder amtierende Stadtführung vermochte Kornreserven zu beschaffen, die sie den Bürgern zur späteren Rückerstattung oder Bezahlung ausgab. Wo aber sollte das Kapital herkommen, neue Betriebe und Geschäfte aufzubauen, woher die Steuern, die Bethlen schon wenige Wochen nach seinem Abzug beharrlich forderte? Auch der Fürst verfugte über keinerlei Geldreserven und konnte sein Hofgesinde zeitweilig nicht entlohnen - er drohte den Hermannstädtern sogar an, es ihnen in Kost zu schicken, falls die Nation die Steuern nicht bald zahle. Die Zeiten, da man vom Landesherrn nach Katastrophen umfassende Steuernachlässe oder gar Förderungen erhielt, waren vorbei, die Stadt selbst wurde gerade einmal für zwei Jahre von den Steuern befreit und eine halbe JahresDie bescheidene Stadt

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pacht fiir den Zwanzigstzoll wurde ihr erlassen, obwohl es der regierende Landesherr gewesen war, der ihr alle Mittel geraubt hatte. Aber Hermannstadt war fur die Abführung der Steuer der gesamten Nation zuständig, Königsrichter oder Bürgermeister pflegten sie zu überbringen. Wie stand es 1614 um diese obersten Vertreter, die doch 1610 so schwach und nachlässig waren, den irren Fürsten einzulassen? Die Spur des Königsrichters Malmer verliert sich in den Vertreibungsmonaten und es ist gut denkbar, daß er aus Gram starb. Bürgermeister Gallus Lutsch amtierte noch und konnte seine verwüstete Stadt übernehmen, doch auch er starb schon im Januar 1615, es mag eine Folge der wiederholten Einkerkerungen und der enormen Bedrückung gewesen sein. Wer hätte die Stadtoberen auch ihres Vorgehens wegen zeihen sollen? Die reichen Bürger hatten ohnehin das meiste verloren und den höchsten Preis gezahlt und jüngst erst die Stadt durch ihre Beharrlichkeit vollständig zurückerhandelt. Selbst der windige Johann Rhener, der die Stadt 1605 beinahe verraten hätte, wurde nun zurückgeholt. Neuer Bürgermeister wurde 1615 der bisherige rührige Stadtnotarius während der Zeit der Wirren, Johann Roth, doch starb auch er schon 1617. Als Nicht-Hermannstädter und offensichtlichem Aufsteiger sollte mit seiner Wahl wahrscheinlich ein Kontrapunkt gesetzt werden, doch mit Michael Lutsch folgte ihm ein Bruder seines Amtsvorgängers und Mitglied einer der reichsten Familien der Stadt nach - diese saßen also nach drei Jahren wieder fest im Sattel. Und mit Koloman Gottsmeister war schon im Exil ein Vertreter einer alten und damals reichen Familien in die oberste, auf Lebenszeit bestellte Nationswürde gekommen. Einen gewissen Vorteil bei der Wiederaufnahme des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens in der Stadt bot sicher der Umstand, daß offenbar Rat und Hundertmannschaft, die von Bäthory 1611 mehrfach kollektiv belangt und eingesperrt wurden, in relativ großer Zahl bald wieder versammelt waren und ihre Tätigkeit aufnahmen. Aus einer Art Aussöhnungsschrift zwischen Äußerem und Innerem Rat von 1614 und aus den »Postulata« der Hundertmänner von 1615 aber lassen sich viele innere Probleme der Stadt über die Zeit vor, während und nach der Austreibung herauslesen. Schon am 20. April 1614, zwei Monate nach dem beginnenden Wiedereinzug der Bürger, kam es zu einer Forma Unionis Civitatis Cibiniensis, in der die Hundertmänner ihre Anliegen und Beschwerden in zwanzig 102

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Punkten vorbrachten und der Rat dazu Stellung bezog. Es war zugleich der Tag, an dem Stadtbeamte und Rat gewählt wurden, nachdem mehrere Jahre hindurch keine Regularien erfolgen konnten. Von den zwölf Stadträten waren nur acht Übriggeblieben. Die Hundertmänner, die sich als Vertreter der Gemeinde gegenüber dem Rat verstanden, führten alle Punkte auf, über die sie Klarheit haben wollten, beanspruchten ausdrücklich Mitsprache bei den Wahlen der Oberbeamten, die nicht öfter als zwei Mal in Folge ein Amt bekleiden sollten, und beanstandeten Amtsmißbräuche bei diesen und bei den Stadträten - wie schon in früheren Postulata etwa aus dem ausgehenden 16. Jahrhundert. So forderten sie genaue Rechnunglegung des Rates über alle an Bäthory während der Besetzung ausgefolgten Leistungen und Zahlungen. Besonders aufschlußreich ist der letzte Punkt, der eine Abbitteleistung der Hundertmannschaft auf der einen und des Rates auf der anderen Seite vor der Universität für die während der Besatzungszeit durch Bäthory gegenseitig zugefügten Schmähungen vorsah - wer dagegen aus Rache und anderen Gründen verstoße und die alten Wunden wieder aufreiße »soll Gut und Leben der Universität zu eigner Straff verfallen« sein. Dieser geregelt vorgenommene Aussöhnungprozeß durch gegenseitige Abbitte vor der versammelten Nation - sie muß kurz danach am Georgstag getagt haben, zumal einige der obigen Punkte dorthin verwiesen wurden - wirft ein helles Licht auf die während der Bäthory-Jahre in der besetzten Stadt offenbar hart aufeinanderprallenden Gegensätze und Vorwürfe zwischen den Stadtbürgern und den Ratsherren. Deutlich wird dies auch in den Postulata der Hundertmänner vom Februar 1615, die nur im Entwurf erhalten sind und wo neben der Abstellung vielerlei anderer Mißbräuche auch gefordert wird, daß der Wortmann oder Orator, also der Sprecher der Hundertmannschaft, zu konsultieren sei, wenn die Stadttore außerordentlich, etwa nachts, geöffnet werden. Bis dahin war der Bürgermeister dafür verantwortlich, was ihm nach dem Kardinalfehler vom Dezember 1610 nicht mehr gestattet sein sollte. Insgesamt aber läßt sich aus diesen wie auch aus früheren und späteren Klärungen zwischen Hundertmannschaft, auch »Kommunität« genannt, und Rat deutlich eine Spannung zwischen Ober- und Mittelschicht erkennen - von den »Tausendern«, wie die Hundertmänner die Stadtbevölkerung nennen, ganz zu schweigen. Diese Spannung ging zurück auf einen zu freizügigen Umgang der Ratsherren und Oberbeamten Die bescheidene Stadt

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ausgenommen ist stets der Königsrichter als offenbar der Nation und weniger der Stadt zugehörig - mit ihren Amtern und mit den Stadtfinanzen. Der Neuanfang 1614/15 schien dazu angetan, die Verhältnisse klarzustellen und gegenseitige Vergebung im Sinne evangelischer Glaubenspraxis zu üben, um dadurch einen gesellschaftlichen Ausgleich zu erreichen. Als treibende Kraft erkennen wir die Centumviri, die Hundertmänner. Ob der »Ehrsame Rat« ehrliche Reue über die eigenen Verfehlungen zeigte und das Gemeinwohl über das eigene zu stellen bereit war, wird nicht deutlich. Bemerkenswert ist übrigens, wie rasch das Bedürfnis der Erinnerung an die Bäthorysche Austreibung bei der Stadtgemeinde und vor allem beim Rat verblaßte, offenbar wurde eine bewußte Verdrängung praktiziert. Der 1614 amtierende Stadtpfarrer, Petrus Besodner, der vom Kapitel und der Restgemeinde im Frühjahr 1613 nach halbjähriger Vakanz installiert wurde, propagierte nämlich einen Festgottesdienst zur Erinnerung an die Befreiung der Stadt am 18. Februar 1614. Während beim ersten Gedenken die Gemeinde noch zahlreich erschien, hatte sich das Interesse daran aber noch zu seinen Lebzeiten, also binnen zweier Jahre, denn er starb im März 1616, so sehr verflüchtigt, daß sich so ein Gottesdienst kaum wiederholen ließ. Der Wiederaufbau der Stadt begann jedenfalls umgehend. Doch aus der vormals stolzen und reichen, durch eine gewisse Pracht sich auszeichnenden Stadt wurde nun eine beschaulich-bürgerliche, eine bescheidene Stadt. Kein einziges größeres Bauwerk, keine Kunstschöpfung ist uns aus den folgenden Jahrzehnten überliefert, lediglich an den Befestigungen wurde ausgebessert, einige Erweiterungen wurden angefugt. Der Stadt wie dem Land kam fur die Konsolidierung die beständige und kompetente Regentschaft Gabriel Bethlens zugute, der Beginn des »goldenen Zeitalters« des Fürstentums, wie es die ungarische Geschichtsschreibung nennt. Es sollte rund vier Jahrzehnte dauern. Den demographischen Aderlaß durch den Langen Türkenkrieg, durch die Pest und durch die »Wolfszähne des Bäthory«, die Austreibung, konnte Hermannstadt aber fraglos nur durch hohe Zuwanderungsraten wieder aufholen, über deren Ursprünge wir mangels entsprechender Forschungen leider nur wenig wissen. Auf der einen Seite muß es sehr viel sächsischen Zuzug gegeben haben, denn so erklärt sich auch der Wandel der im 15. und 16. Jahrhundert noch stark ober- und mitteldeutsch geprägten Sprache hin zu einem den ländlichen Mundarten ähnlicheren Sächsisch. Es läßt sich dies 104

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anhand der Urkundensprache und der wenigen literarischen Zeugnisse erkennen. Angesichts der verheerenden Erfahrungen auf dem Lande, etwa in den unbefestigten Marktflecken, während der zwei vergangenen Jahrzehnte muß die Verlockung, in die befestigte Stadt zu ziehen, groß gewesen sein, zudem besaßen Sachsen grundsätzlich Zuzugsrecht und profitierten angesichts des Leerstands in der Stadt sicher von niedrigen Preisen. Auf der anderen Seite aber finden wir auch viele Zuwanderer aus dem binnendeutschen Raum, fur die die sächsischen Städte Siebenbürgens gerade während des beginnenden Glaubenskriegs ein Refugium darstellten. Die Nationsfiihrung dachte in den Jahren 1614 und 1615 im übrigen tatsächlich an eine systematische Anwerbung deutscher Siedler, im besonderen von Handwerkern: Sie unterbreitete sowohl dem Wiener Hof wie verschiedenen Fürstenhäusern ein großzügiges Siedlungsprogramm und dachte auch an den Erwerb adliger Güter für die Zuziehenden. Offenbar waren diese Vorschläge auch angeregt worden durch Bastas Aufsiedlungskonzept von 1603, sie fanden jedoch keine Resonanz. Mittelfristig mußte sich der außerordentliche Bevölkerunsgverlust gerade Mitteleuropas während der drei Jahrzehnte nach 1618 ohnehin auf die Zuwanderung nach Siebenbürgen auswirken. Siebenbürgen war zu Beginn des 17. Jahrhunderts allgemein sehr entvölkert, vor allem mangelte es dem Land an Fachkräften in Handel, Handwerk und Bergbau. Fürst Bethlen, der eine umsichtige und weitschauende Politik betrieb, warb daher gezielt einzelne Gruppen an, von denen er sich eine Förderung der Wirtschaft versprach. Im Umfeld seiner Residenz in Weißenburg siedelte er Juden an, die ansonsten in Siebenbürgen - herrührend von den Bestimmungen des alten Königreichs Ungarn - kein Niederlassungsrecht besaßen. Sie betätigten sich primär im Handel. Für die westsiebenbürgischen Bergstädte warb er deutsche Bergleute aus Oberungarn an, um den Goldund Silberbergbau wieder zu beleben. Den Sachsen unmittelbar benachbart, in Unterwinz, das zu den fürstlichen Besitzungen gehörte, durfte sich ein hutterischer Bruderhof (»Habaner«) etablieren, der vor allem hochwertige Töpferwaren produzierte. Gegen all diese Maßnahmen genauso wie auch gegen das Vordringen der »griechischen«, also im wesentlichen walachischen, moldauischen oder armenischen Kaufleute, und gegen Szekler Handwerkserzeugnisse opponierten die Sachsen mit Hermannstadt an der Spitze mit aller Vehemenz. Unter den gegebenen Umständen blieb den StadtobrigDie b e s c h e i d e n e S t a d t

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keiten und der Nationsfuhrung zur Sicherung der eigenen Existenz auch nur halbwegs auf überkommenem Niveau nichts anderes übrig, als die ererbten Rechtstitel mit der Macht eines Landstandes zu verteidigen - unliebsame Händler und auswärtige Handwerker von den eigenen und möglichst auch von anderen Märkten auszuschließen, ursprünglich sinnvolle Regelungen jetzt zur Übervorteilung der Konkurrenz zu nutzen. So schützte die Hermannstädter Kaufleute schon ab 1577 ein Beschluß des Thorenburger Landtags, der das unmittelbar vor den Stadttoren gelegene Schellenberg als Umschlagplatz für griechische, türkische und rumänische Kaufleute vorschrieb - sie sollten innerhalb der Stadt keine Konkurrenz darstellen. Die zahlenmäßige Schwäche der Deutschen, die sich am Beispiel Hermannstadts gut erkennen läßt, war eine weitere neue Erkenntnis. Ungarn und Deutsche hatten sich bislang nicht nur die Politik geteilt, sondern waren auch demographisch die beiden dominanten Gruppen im Lande. Die Rumänen Siebenbürgens kamen durchaus vor, aber eher am Rande, als kleine und ökonomisch in der Regel wenig leistungsstarke Gruppe. Auf dem Lande aber sah man es aus ökonomischen Gründen nun nicht ungern, wenn Rumänen in wüst gewordene Dorfstraßen zogen, ausgestorbene Siedlungen belebten oder auch neue auf Königsboden gründeten. Sie übernahmen dort zwar die am Boden haftenden Steuerverpflichtungen, als Nichtdeutsche und Nichtständische erhielten sie aber keinesfalls die Rechte von Nationsangehörigen. Ein Zuzug nach Hermannstadt war hingegen grundsätzlich ausgeschlossen, es sollte hier auch noch für lange Zeit keine rumänische Vorstadt geben. Vor allem auf Stadtgütern und in den Siebenrichtern, aber auch in Stuhlsgemeinden selbst nahm die Zahl der Rumänen als Steuerzahler allmählich zu, im 17. Jahrhundert jedoch noch deutlich hinter den Sachsen zurückstehend. Vor allem den wenigen ungarischsprachigen Gemeinden fehlte es in dieser Zeit an gleichsprachigem Zuzug. Während der politisch ruhigen Jahrzehnte nach 1614 nahmen vor allem die Gewerbe in Hermannstadt einen großen Aufschwung. Waren einzelne Zünfte durch Krieg, Pest und Vertreibung zunächst so gut wie erloschen, so differenzierte sich das Zunftwesen nun noch weiter aus. Die Handwerker produzierten nicht nur für den siebenbürgischen Markt - der sich durch den Ausbau der Agrarwirtschaft ökonomisch erholende Adel war dabei ein guter Abnehmer vor allem für Luxuswaren - , sondern auch für die rumänischen Für106 Hermannstadt 1614-1687

stentümer und fur einige Nachbarländer wie etwa Polen. Dadurch mehrte sich der Wohlstand der Handwerker stärker als vorher, während die Kaufleute zwar nach wie vor gute Gewinne erzielten, aber nicht mehr über den großartigen Reichtum früherer Generationen verfugten. Auch drängten die Familien der Oberschicht, die »Patrizier«, zunehmend in die städtische Beamtenschaft, da das Auskommen hier sicherer war. Waren die Stellen der Oberbeamten und der Stadträte - mit Ausnahme des Stadtnotars - noch bis zum 16. Jahrhundert Ehrenämter, für die es von altersher bestimmte Entschädigungen und Beteiligungen an Gerichtsgefallen gab, die also gegenüber den eigentlichen Berufen bestenfalls ein Zubrot bildeten, so wurden diese Ämter nun eher zu Pfründen, und der Profit daraus überwog die beruflichen Einnahmen. Doch auch die zwölf Ratsherren oder Senatoren hatten jeweils besondere Funktionen, die einträglich gestaltet werden konnten. Einer war »Teilherr«, also Verwalter der Erbangelegenheiten, ein weiterer war als Bauherr oder »Architector« fur das städtische Bauwesen zuständig, ein Stadtrat war Richter des Filialstuhls Selischte und einer für die anderen »Stadtzubehöre« zuständig, ein weiterer verwaltete den Zwanzigstzoll im Rotenturmpaß (Mautherr), also den regulären Grenzzoll, den die Stadt auf Dauer vom Landesherrn gepachtet hatte. Weitere Ratsherren waren der Spitalsvater, zuständig für das Gesundheitswesen, einer war als Kirchenvater für die Verwaltung der komplexen Kircheneinnahmen verantwortlich, weitere verantworteten die Stadtwaage, Grundverkäufe (Almeßherr), das Mühlenwesen, das Brauhaus oder den Kupferhammer. Hinzu kam eine weitere Aufgabe der Ratsherren, und zwar für die Einhebung der Steuern in jeweils einem Zwölftel der Stadt. Wie diese zwölf Teile genau abgegrenzt waren, ist leider nicht überliefert, jedenfalls muß es bei dieser Aufgabe wie auch bei den anderen Verantwortlichkeiten zu vielfachen Intransparenzen und ausbleibender Rechnunglegung gekommen sein, sonst hätten die Hundertmänner, deren wesentliche Aufgabe die Kontrolle des Rates war, nicht so häufig Postulata, also Klarstellungen, Begehren formulieren müssen. Alle Vorschläge der Kommunität, die auf Neuerungen oder Verbesserungen bestehender Verhältnisse hinzielten, wurden vom Rat allerdings mit dem Hinweis, daß dies früher nicht Brauch gewesen sei, abgelehnt. Uberhaupt scheint der Rat stets Wege gefunden zu haben, sich der einschränkenden Beaufsichtigung durch die Hundertmänner zu entziehen. Die bescheidene Stadt

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Das sich allmählich wieder festigende städtische Gemeinwesen war in den zwanziger Jahren sogar in der Lage, die Befestigungsanlagen zu erweitern, indem vor das Rundel an der Ostseite der Stadtmauer im Ubergang zwischen Ober- und Unterstadt eine große Bastei, die spätere Soldischbastei, und vor die Stadtmauer zwischen dieser und der Heltauertorbastei eine zweite zur Verstärkung gesetzt wurde. Auch baufällige Tore oder Türme mußten erneuert werden. 1638 etwa schlug der Blitz in den Ledererturm zwischen Sagtor und Burgertor ein, dessen Pulver explodierte und eine Feuersbrunst in der Umgebung auslöste. Alles wurde wiederhergestellt, der Turm steht als einer der ganz wenigen von einst rund 70 heute noch. Ein die Stadtleitung nachweislich bereits im dritten Jahrhundert bedrückendes Problem war die Pflege der meist künstlichen Teiche um die Stadt, um sie als effektive Wasserwehr zu erhalten. Waren sie im 15. Jahrhundert noch einwandfrei erhalten, mußten die Bürger im 16. Jahrhundert schon nachdrücklich ermahnt werden, die Gewässer nicht versumpfen zu lassen, und im 17. Jahrhundert kämpften Kommunität und Rat laufend gegen die in den Teichen angelegten Gärten - diese waren offenbar leicht herzustellen und viel ergiebiger als die in evangelischer Zeit ohnehin nicht mehr so wichtige Fischzucht. Überhaupt kann die beinahe schon biedermeierliche Ausgestaltung der unmittelbaren Umgebung vor den Stadtmauern sinnbildlich für das sich in diesem Jahrhundert zunehmend verbürgerlichende Stadtleben stehen. Um 1650 erreichte die Stadt annähernd das Aussehen, das die Rekonstruktionszeichnung auf dem Umschlag dieses Büchleins einzufangen versucht - nur daß sehr viel mehr Dächer mit Schindeln und nicht mit gebrannten Ziegeln gedeckt waren. In den sich nun häufenden Reisebeschreibungen über Siebenbürgen ist Hermannstadt als einer der wichtigsten Orte des Landes stets ein Muß. In jener des deutschen Reiseschriftstellers und Geographen Martin Zeiler (1589-1661, erschienen 1674) heißt es unter anderem: Es ist aber Hermannstadt / Szeben oder Cibinium, die vornehmste /größte / und schönste unter den sieben Teutschen / wie auch allen Stätten deß Landes Siebenbürgen / so in einer Ebene von den Bergen und Wäldern abgesondert / erbaut / mit starcken Mauren / Bollwercken / Basteyen / Wassergräben / Thum / und dergleichen / bevestigt / mit Zeug Häusern / Geschütz / und Munition wol versehen /mit vielen Pßitzen / Teichen und Wassern weit umbgeben. 108

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Zwar war Hermannstadt nicht so wohlhabend und bevölkerungsreich wie Kronstadt, das sich durch eine pragmatischere Politik ab 1526 noch etwas mehr vom früheren Wohlstand bewahren konnte. Dennoch aber kam Hermannstadt eine größere Bedeutung zu, nicht nur gegenüber den sächsischen Städten, sondern auch etwa verglichen mit der etwa einen halben Tagesritt entfernt liegenden Fürstenresidenz Weißenburg. Dieses blieb von seiner Größe her ein Marktflecken, geprägt im wesentlichen vom Hof des Fürsten, zudem schlecht befestigt. In den zwanziger Jahren kamen Fürst und Stände überein, sich den Bau von vier Basteien der Weißenburger Befestigung zu teilen. Die Bastei der Sächsischen Nation entstand bis 1627 unter der Aufsicht des Hermannstädter Ratsbauherrn. Königsrichter und Bürgermeister von Hermannstadt verewigten sich auf der Bastei. Auch die Bastei des Fürsten wurde gebaut, die Basteien des Adels und der Szekler aber blieben aus. Dieser Befestigungsversuch Weißenburgs war im übrigen die Folge eines Angriffs der letztgenannten beiden Stände auf die Sächsische Nation, indem sie über diese hinweg und mit Billigung des Fürsten ihr eigenes Niederlassungsrecht in sächsischen Städten beschlossen. Die Nationsuniversität kam daraufhin im Mai 1625 zu einer Krisensitzung in Hermannstadt zusammen und setzte sich mit einer riesigen Delegation, offenbar in kompletter Besetzung zuzüglich von Vertretern der Hundertmannschaften, beim Fürsten durch: Das Gesetz wurde annulliert, ein Stand konnte nicht von den anderen beiden überstimmt werden. Aber natürlich waren solche in gewissen Abständen sich wiederholende Angriffe auf die städtische Freiheit - denn darum ging es, wenn Adel mit eigenem Recht und Steuerfreiheit in die Städte drängte, nicht um ethnische Belange - solche Angriffe waren nicht dazu angetan, das Vertrauen zwischen den Ständen zu vertiefen oder gar die Orientierung der deutschen Stadtbürger auf das deutsche Königshaus, die Habsburger, zurückzudrängen. Die hintergründige Ausrichtung auf Wien blieb - gerade in Hermannstadt - weiterhin erhalten, auch wenn das Kaiserhaus katholisch war und gerade Krieg gegen alle Protestanten führte. Das äußerte sich etwa darin, daß sächsische Bürger der Oberschicht nicht ungern Adelsdiplome von der kaiserlichen Verwaltung annahmen, auch wenn sie damit de jure nichts anfangen konnten, da sie auf Königsboden nichts galten und die Geadelten weiterhin ihre bürgerlichen Namen trugen. Schule und Kirche konnten nach den Zeiten der Not auf den vorher geschaffenen guten Grundlagen aufbauen: Die Ordnung des Die bescheidene Stadt

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Schulwesens aus der Zeit Huets wirkte langfristig weiter und die Kirchengemeinde profitierte von lange amtierenden Pfarrerpersönlichkeiten, etwa Johann Oltard von 1617 bis 1630. Von europäischen Universitäten kamen laufend gut ausgebildete Akademiker zurück, wobei während des Dreißigjährigen Krieges oft italienische Bildungsstätten gewählt wurden. Nicht selten beherbergte die Stadt in diesen Jahren ihres Glaubens wegen geflohene Pfarrer und Schulleute aus den deutschen und böhmischen Ländern. Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, daß die vom Fürsten Bethlen an sein 1622 in Weißenburg gegründetes reformiertes Kollegium, einer Art kleiner Hochschule, berufenen deutschen Professoren Beziehungen nach Hermannstadt aufnahmen, lebten sie doch in einem ungarischsprachigen und wenig akademischen Umfeld. Zu den bekanntesten zählte Martin Opitz, der sich - angeregt durch die Zeit in Siebenbürgen - mit dessen römischer und deutscher Vergangenheit befaßte, ja ausdrücklich die Herkunft der Sachsen aus den deutschen Ländern propagierte. Der von Opitz geprägte und bekannte Begriff der »Germanissimi Germani«, also der »ganz echten, wirklichen Deutschen«, gründete in erster Linie auf seinem Kontakt mit den Hermannstädtern der Jahre 1622/23. Einer seiner späteren Kollegen, Heinrich Bisterfeld, knüpfte mit Hermannstädtern mehrfache familiäre Bande und erhielt dort Bürgerrecht. Insgesamt gesehen blieb die »ungarische«, also reformierte Konfession dieser Gelehrten jedoch eine deutliche Trennlinie fur die lutherischen Sachsen. Die strikte Einhaltung des Augsburger Glaubensbekenntnisses gehörte zum unbedingten gesellschaftlichen Konsens, auch fur die neu Hinzugezogenen. Nach wie vor waren Auseinandersetzungen unter Pfarrern über die rechte Glaubenspflege an der Tagesordnung, so war der schon erwähnte Stadtpfarrer Besodner ein streitbarer Verteidiger rechten Luthertums. In dem scheinbar beschaulichen bürgerlichen Alltag, der aufregender politischer Ereignisse entbehrte und in dem auch für vielerlei Belange neue Ordnungen geschaffen wurden, entlud sich mit einem Male die über Jahre hin angestaute soziale Spannung. Und es will scheinen, daß sich der Gegensatz zwischen der Oberstadt als dem Wohnbereich der wohlhabenden Beamten und Kaufleute und der Unterstadt als dem Stadtteil der Handwerker festigte und perpetuierte. Der Hintergrund der 1645 ausbrechenden Unruhen wäre ein Stoff für eine Historienverfilmung des 21. Jahrhunderts. Schon 1640 wollte der Fürst untersuchen lassen, wie es in Hermannstadt zu so zahl110

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reichen Ehebruchsangelegenheiten kam. In der städtischen Oberschicht hatte sich ein Wandel sittlicher Moralvorstellungen vollzogen. Der Ursprung jenes Falles, der das Faß zum Uberlaufen brachte, lag etwas weiter zurück - auch dieses Szenario hat Gustav Gündisch detailliert rekonstruiert. Als der Sohn des Königsrichters Kolomann Gottsmeister gleichen Namens 1629-1631 zum Studium im Ausland weilte, wurde ihm seine Jugendliebe, mit der er sich vorher heimlich verlobte, durch diverse Familienintrigen abspenstig gemacht. Sie verheiratete sich anderweitig, und er wurde nach der Rückkehr an eine reiche Erbin vermittelt. Dennoch fanden sie später wieder zueinander, verbotenerweise in jener Zeit. Einer der Nachfolger seines längst verstorbenen Vaters, der Königsrichter Michael Agnethler, erpreßte Gottsmeister 1639 auf perfide Weise, was dieser, selbst reinen Gewissens, nicht tolerierte und vor Gericht zog. Dieses entschied entgegen einer klaren Sachlage dennoch für Agnethler, der nun seinerseits 1640 Gottsmeister und seine Jugendverlobte des Ehebruchs anklagte. Damit nahm eine mehrjährige Prozeßfolge ihren Anfang, die einen umfassenden Verfall der moralischen Wertvorstellungen der Oberschicht sichtbar werden lassen - der Ausdruck »Elite«, den die moderne Begrifflichkeit eigentlich vorschreiben würde, kann hier angesichts seiner positiven Konnotation keinesfalls gebraucht werden. Rechtsbeugung, Einkerkerung, Vermögensentzug, Anrufung nicht zuständiger Gerichtsinstanzen nur um des eigenen Vorteils willen, Bestechlichkeit, Hurerei bis hin zu Kindsmord gehören in diese unappetitliche Geschichte. Es war freilich eine kleine Minderheit, die sich gegenseitig betrog, anklagte, gegeneinander intrigierte, sich von Haß und Verwandtschaftsbanden leiten ließ. Sie wohnte um den Großen Ring und in den hierhin fuhrenden vornehmen Gassen. Diesem Treiben sah die Bürgerschaft der Stadt mit ihrer Vertretung in der Hundertmannschaft mit steigendem Unmut und Zorn zu, und wieder kam es zu Postulata gegenüber dem Rat. Die bekanntermaßen treulose Gattin Gottsmeisters, die vor allem zu diversen Kaufleuten der noch jungen griechischen Handelskompagnie rege Beziehungen unterhielt, erfreute sich großer Protektion des Rates, des Bürgermeisters und des Stadtpfarrers. Gottsmeister selbst, der hier in gewisser Weise in eine Opferrolle tritt, wurde hingegen unter Zuhilfenahme des Junior-Fürsten im August 1645 eingekerkert. Daraufhin brach der Volkszorn los: Das Rathaus wurde gestürmt und Gottsmeister befreit. Die aufgebrachte Menge stürmte auch das Haus der Die bescheidene Stadt

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inzwischen geschiedenen Gottsmeisterin, die wieder heiraten wollte, und fand im Keller zwei verscharrte Kinderleichen. Unter dem Druck der Bevölkerung mußte der Rat die Frau daraufhin als Kindsmörderin verurteilen. Sie wurde, sächsischem Recht gemäß, vor dem Sagtor im Zibin ertränkt. Vor einem fürstlichen Untersuchungsrichter wurde auch das verderbte Verhalten des Stadtpfarrers Petrus Rihelius offenbar: Er hatte Gottsmeisters Frau schon vorher des Kindsmordes überfuhrt, ließ sich von ihr aber bestechen, wahrte Stillschweigen und lobte sie noch in höchsten Tönen in seinen Predigten. Die aufgebrachten Stadtbürger, die »Tausenden«, forderten die Absetzung des Pfarrers, Kapitel und Rat aber zeigten große Zurückhaltung und vor allem auch Verachtung für die wütende Menge. Diese zwang Rihelius in einer Demonstration zum Auszug aus seiner Amtswohnung am Kirchhof und zum Umzug in sein eigenes Haus in der Heltauer Gasse. In dieser angespannten Situation vermochte nicht einmal die im November in Hermannstadt tagende Nationsuniversität zu vermitteln, doch schon vorher gingen Rat und Vertreter der Geistlichkeit zum Fürsten Georg I. Räkoczi, um Beistand gegen die eigene Stadtbevölkerung zu erwirken. Die Lage eskalierte bei den Amtsmännerwahlen Ende Dezember 1645, wobei sich am Versammlungsort der Hundertmannschaft, dem Kirchhof, auch die städtische Bürgerschaft einfand und massiv Einfluß auf die Wahlen nahm. In einem offenbar tumultuarischen Ablauf wurden völlige Neulinge zu Oberbeamten gewählt, Ratsherren wurden aus der Stadt gewiesen, die Tannen als Zeichen der Amtswürde vor dem Haus des bisherigen, verhaßten Bürgermeisters Johann Reußner wurden weggerissen. Die Hermannstädter Bürger rechneten mit ihrem Stadtrat ab. Sie hatten die Macht in der Hand und machten deutlich, daß sie das eigensüchtige Regiment der Oligarchen nicht länger dulden mochten. Allerdings fehlte es den Aufrührern sowohl an geeigneten Persönlichkeiten wie an einem Konzept für die Stadtregierung. Es mag auch damit zu tun gehabt haben, daß es die Familie Gottsmeister im Verlaufe der Eskalation vermochte, den Aufruhr zumindest teilweise zu instrumentalisieren und ihm somit seine ursprüngliche Zielsetzung zu nehmen. Jedenfalls war die gesamte Stadtbevölkerung mit Ausnahme von 32 namentlich gemeldeten Personen, also Familienoberhäuptern, an der Rebellion beteiligt. Der alte Stadtrat mit abgesetztem Königsrichter und Bürgermeister erreichte jedoch beim Fürsten eine Intervention, und dieser zitierte 43 Anführer vor einen Generallandtag 112

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nach Weißenburg. Diese fürstliche Vorladung brach den Aufruhr sofort, doch nun besannen sich die hochmögenden Herren Räte des angerichteten Schadens: Sie hatten den Fürsten dazu gebracht, in innersächsischen Angelegenheiten Recht zu sprechen, und nur zu gerne wollte er einen Präzendenzfall schaffen. Es hatte hoher materieller Opfer bedurft, ihn davon wieder abzubringen, wichtige Dörfer und Güter mit ihren Einnahmen wurden ihm verpfändet und ihm das Recht eingeräumt, bei Bedarf Einlaß in die Stadt zu erhalten, einschließlich der Besetzung eines Tores und der Aushändigung der Schlüssel dazu. Die Erinnerung an Gabriel Bäthory war offenbar verblaßt. Jedenfalls willigte der Fürst in den Handel ein. Die gesamte Bürgerschaft, 852 Mann, wurden statt vor den Landtag vor ein Gericht der eigenen Nation nach Mediasch bestellt, nur die erwähnten 32 sowie die betroffenen Ratsherren und Oberbeamten ausgenommen. Die überwiegende Mehrzahl der 852 Hermannstädter Bürger wurde im Frühjahr 1646 in Mediasch, wo sie nach einem langen Fußmarsch alle erscheinen mußten, zu zehn Gulden Strafe verurteilt, die Zehntmänner - also die Vorsteher der wohl auf die Ansiedlungszeit zurückgehenden Organisationsform von je zehn Hofstellen in Zehntschaften - zu höheren Strafen. Ein knappes Dutzend wurde zu Festungshaft in Fogarasch verurteilt und kam erst 1649 wieder frei, so auch Kolomann Gottsmeister. Die alten Oberbeamten und der Stadtpfarrer aber behielten ihre Amter, der Rat hatte binnen Wochen seine alte dominante Stellung zurückgewonnen. Nahezu alle Akten über die »Gottsmeisterischen Unruhen«, wie sie bald heißen sollten, auch jene der verschiedenen Prozesse im Vorfeld, sind verschwunden, dahinter kann nichts anderes als Planmäßigkeit vermutet werden. Die Parallele zu 1556 drängt sich auf. Die in der Literatur vielbeschworene sächsische Demokratie läßt sich nicht erkennen, es war eine Oligarchenherrschaft, nicht anders als in anderen Städten Mitteleuropas um die gleiche Zeit. Auch in der Folgezeit läßt sich kein Wandel wahrnehmen, zumindest aber tritt der Sittenverfall in den nächsten Jahrzehnten nicht mehr so stark in den Vordergrund. Im übrigen, um noch einmal auf die Unruhen zu sprechen zu kommen, machte Fürst Räkoczi I. von seinem Besatzungsrecht, das ihm der Stadtrat Anfang 1646 zusichern mußte, tatsächlich Gebrauch: Im April 1647 zog er mit großem Anhang in die Stadt und besetzte das Heltauer Tor. Die aufgebrachten Bürger waren erst wieder beruhigt, als er mit allen Soldaten wieder Die bescheidene Stadt

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abzog und die Schlüssel des Tores zurückgab. Das Szenario sollte sich nicht mehr wiederholen. Aus dem Prozeß, der den Aufrührern 1646 gemacht wurde, treten die Zahlverhältnisse der Bewohner recht gut hervor: Etwa 50 Familien der Oberschicht standen etwa 850 Familien der Mittelschicht gegenüber. Die Unterschicht der Besitzlosen, der Mieter oder Sedler und der Handwerksburschen, läßt sich hingegen schwer fassen. Etwa ein Jahrzehnt später, 1657, läßt sich die Einwohnerzahl aufgrund der erhaltenen Quellen etwas besser berechnen: Rund 1460 Familien oder etwa 7000 Menschen lebten um diese Zeit in der Stadt. Sie hatte damit ihre Einwohnerzahl etwa vom Beginn des 16. Jahrhunderts wieder erreicht, nachdem die Einwohnerschaft mehrfach stark dezimiert wurde, zuletzt bei mehreren Pestwellen in den dreißiger und vierziger Jahren. 1643 etwa stellte ein Reisender, David Fröhlich fest, daß die Stadt ihrem Umfange nach zwar mit Wien verglichen werde, die Bevölkerung aber gering sei und oft die vornehmsten Häuser leer stünden. Und selbst Johannes Tröster stellt in seiner Landesbeschreibung 1666 fest, daß »oft, in einem Haus, ein einiger Hauswirth wohnet, da wol seiner sechs sich betragen könnten«. Angesichts dieses Leerstands wird auch leichter verständlich, warum sich der Adel der Komitate und der Szekler ausgerechnet in dieser Stadt immer wieder niederzulassen trachtete. Jedenfalls werden die Stadtbewohner in ihrer Gesamtheit nun immer konkreter greifbar, Namen, Berufe, Wohnorte, ja selbst umfassende Bevölkerungsaustausche nach Pestepidemien wie 1660 lassen sich nachzeichnen. Seit 1642 sind in Hermannstadt die Taufmatrikeln nachweislich gefuhrt worden, aber auch andere Verzeichnisse haben sich erhalten, etwa Schulgeldkataloge, Verzeichnisse von Eidesleistungen, Stadthannen- und Bürgermeisterrechnungen, Zunftregister. Ein auf dieser Grundlage erarbeitetes Verzeichnis der männlichen Einwohner der Stadt um 1657 birgt viele aufschlußreiche Details. So lassen sich nicht mehr als zwölf Kaufleute nachweisen, während die Handwerker viele Hundert ausmachten, allein 99 Schneider, 63 Kürschner oder 125 Schuster. Auch die städtischen Amter, sieht man von den Oberbeamten ab, und die Ratsstellen wurden inzwischen gutteils von Handwerkern besetzt. Neben dem Stadtpfarrer gab es sechs bis sieben weitere Prediger, die Schule verfugte über sechs bis sieben Lehrer. Erheblich höher war die Zahl des städtischen Personals in einem anderen Bereich: So gab es 27 Stadttrabanten (Soldaten, auch 114

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mit Polizeiaufgaben) mit drei bis vier Offizieren und zwei Feldschützen, 14 Stadtreiter, die für rasche Kommunikation in alle Himmelsrichtungen sorgten, schließlich sechs Torhüter und noch manch andere wie den Stadtkoch, die Büchsenmeister, Nachtwächter und Stundensteiler. Für die medizinische Versorgung sorgten ein Stadtphysikus, 1655 aus Ulm zugezogen, und ein Stadtapotheker, aus Leutschau gebürtig. Durchweg bekannt sind auch die Nachbarhannen der 31 Nachbarschaften der Stadt, allesamt Handwerker. Bei diesen lassen sich rund 50 Gewerbe nachweisen, die meisten zünftig organisiert: Neben den drei bereits genannten waren dies Fleischhauer, Faßbinder, 23 Goldschmiede gegenüber nur sieben Schmieden, Lederer, Seiler, Gewandmacher, Weber, Riemer, Wollenweber, Hutmacher, Schlosser, Wagner, Tischler, Drechsler, Töpfer, Haubenmacher, Handschuhmacher und Weißgerber, Sattler, Knopfstricker, Scheidenmacher, Schwertfeger, Weißbäcker, Maurer und Steinmetze, Zimmerleute, Filzmacher, Kessler, Fischer, Schröter, Barbiere und Bader, Kannengießer, Stundenmacher, Trichtermacher, Kamner, Fenstermacher, Maler, Siegelstecher, Seifensieder, Buchdrucker, Buchbinder, Messerschmiede, Pflugmacher, Ziegelmacher, Brotbäcker, Müller, ferner Fuhrleute, Tagelöhner, Leichenträger und ein Kuhhirte. Familiennamen hatten sich bereits fast vollständig durchgesetzt, vielleicht drei bis fünf von hundert, wo er fehlt oder unsicher ist. Solch vielfältiges und prosperierendes Gewerbeleben machte auch wieder Mittel und Muße fur die Wissenschaften und die schönen Künste frei. Das große Fresko im Chor der Stadtpfarrkirche von 1445 wurde 1650 restauriert, eine neue große Orgel gebaut, die Schule und die Kapellenbibliothek erhielten zahlreiche wichtige ZuStiftungen. Die gesellschaftliche Schattenseite zeigte sich jedoch auch in Hermannstadt im einsetzenden Hexenwahn: 1653 begann es mit der Verbrennung der Witwe eines früheren Königsrichters, viele Hexenprozesse sollten in den nächsten Jahren und Jahrzehnten folgen. Meist wurden die Verurteilten in den Teichen vor der Stadt ertränkt. Die gerade erwähnte Übersicht über die Stadtbewohner um 1657 erschließt natürlich nur die Stadtbürger, alles deutsche Namen. Gerade im Bereich des Handels aber konnte sich der alte städtische Kaufmannstand auf Dauer nicht behaupten, nur zwölf sächsische Handelsleute tauchten auf. Hingegen mußten die Hermannstädter 1636, rund vier Jahrzehnte vor Kronstadt, dem Drängen der auswärtigen Konkurrenz und des Fürsten nachgeben und die Gründung einer Die bescheidene Stadt

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»griechischen Handelskompagnie« in der Stadt tolerieren. Dies erfolgte ohne Einräumung des dauerhaften Niederlassungs- und des Bürgerrechts für die orthodoxen, also »griechischen« Kaufleute: Armenier, Bulgaren, Walachen, Moldauer, Griechen waren darunter. Auch sonst wurde das Bild in der Stadt bunter. Als Hausgesinde scheinen in den Folgejahren immer wieder Rumänen auf, die wegen Arbeitskräftemangels sicher aus den Gemeinden des Stuhles und der Filialstühle angeworben wurden. Vor allem nach Städterdorf, Reschinar, einer Gründung wohl des 14. Jahrhunderts auf Gebirgsgemarkung des Hermannstädter Stuhls, bestanden enge Beziehungen. Auch die vor den Stadtmauern gelegenen Meierhöfe der Bürger sind zum Teil von Rumänen verwaltet worden. Daß auch Ungarn in der Stadt gelebt hätten, von zeitweiligen Gästen vor allem aus dem Adel abgesehen, ist nicht bekannt. Noch kurz nach der Reformation, in den 1550er Jahren, hatte angesichts der neuen Rolle des volkssprachlichen Gottesdienstes eigens ein ungarischer Prediger angestellt werden müssen, doch die restriktive Konzivilitätspolitik des Stadtrats hatte diese Sprachgruppe schon lange verdrängt. Ende der fünfziger Jahre senkten sich neue Schatten über die wieder kräftige und ansehnliche Stadt. Dem neuen Landesfursten, Georg II. Räkoczi, war Siebenbürgen nicht genug, er schielte, wie viele seiner Vorgänger, nach der polnischen Krone. Sein Feldzug gegen Polen 1657 geschah gegen den Willen der Hohen Pforte, die Siebenbürgen zwar im Inneren vollständige Freiheit gewährte, in der Außenpolitik aber mitbestimmen wollte. Das unter den Köprülü-Großwesiren wieder erstarkte Osmanische Reich kam 1658 zum Aufräumen in den ungehorsamen Vasallenstaat, denn Räkoczi akzeptierte die eigene Absetzung nicht und zwang den Landtag zu seiner erneuten Bestätigung als Fürst. Nun wiederholten sich die Verhältnisse vom Beginn des Jahrhunderts, allerdings ohne die Habsburger, dafür mit großen osmanischen Heeren, mit deren Verbündeten aus der Walachei, der Moldau und von der Krim, mit Kosaken und mit verschiedenen Adelsfraktionen, mit fünf verschiedenen Fürsten während vier Jahren, wobei es meist zwei sich bekriegende Gegenfursten gab. Die kurze Zeit zwischen 1658 und 1661 reichte, um Siebenbürgen erneut vollständig zu zerstören, kein Ort, in dessen Annalen sich für diese Zeit nicht zumindest eine Verheerung, wenn nicht Vernichtung fände. Der von Georg Daniel Teutsch für diese Jahre geprägte Begriff »Schrecken ohne Ende« könnte treffender nicht sein. Freilich war 116

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Hermannstadt auch in diesem Krieg neben Kronstadt der einzige Ort des Landes, der nicht eingenommen und zerstört wurde. Allerdings war es mehrfach Kriegsschauplatz. Als die Türken unter dem Großwesir Köprülü Mehmed Pascha 1658 das erste Mal in Siebenbürgen einfielen, belagerten sie Anfang September Hermannstadt. Dieses konnte sich mit 25.000 Gulden freikaufen, und der Großwesir zog ab. Während der kurzen Belagerung hielten die Osmanen - die überlieferte Truppenstärke von 150.000 Mann ist sicher übertrieben, aber das osmanische Hauptheer ergänzt durch Tataren, Kosaken, Moldauer, Walachen muß immens gewesen sein - vor dem Elisabethtor einen Menschenmarkt ab. Dabei konnten 80 Hermannstädter freigekauft werden. Das war ein gängiges Mittel der Osmanen zur Geldbeschaffung. Wer nicht freigekauft wurde, wurde in die Sklaverei verschleppt oder niedergemacht, ganze Gemeinden wurden dadurch ausgelöscht. Das Riesenheer unter dem mächtigsten Mann der Osmanen - die Sultane waren in ihrer Bedeutung inzwischen weit zurückgefallen - hinterließ eine enorme Spur der Verwüstung im Land, fast alle Orte des Hermannstädter Stuhles bis auf die jeweiligen Burgen wurden vernichtet, in Weißenburg künftig im Volksmund die »schwarze Burg« - etwa brannten sie Gasse fur Gasse nieder. Der Abzug der »Ordnungsmacht« nach der Bestätigung Akos Barcsays als Fürst durch die Stände im Oktober 1658 hätte Frieden bringen können, doch begann jetzt ein Adelskrieg im Land: Die Anänger Räkoczis, der den Fürstenthron aufs Neue zurückerobern wollte, jene Barcsays und ab Herbst 1659 auch noch jene Johann Kemenys bekriegten sich, wobei keine Seite dominant werden konnte. Während dieser Kämpfe kam es zur letzten vollständigen Belagerung Hermannstadts. Barcsay wurde von Räkoczi immer weiter zurückgedrängt und bat Hermannstadt dringlich um Einlaß und Schutz, nicht zuletzt aufgrund der alten Zusicherung, diesen den Mitständen in Zeiten der Not zu gewähren. Immerhin war Barcsay der wenn auch unter Druck - legitim gewählte Fürst, der die Oberherren, die Osmanen, hinter sich hatte. Während die Bürgerschaft das Anliegen noch diskutierte, gewährte - wieder einmal - der Bürgermeister dem Fürsten mit seinem Anhang und einigen Adligen sowie rund lOOOJanitscharen, das sind Fußtruppen, und etwa 500 Spahi, also osmanischen Reitern, Einlaß. Das war die Schutztruppe, die der Großwesir »seinem« Fürsten hinterlassen hatte. In Hermannstadt war Die bescheidene Stadt

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damals, im Dezember 1659, der Bürgermeister Andreas Melzer alias Werder verantwortlich für die Leitung der Stadt, denn der Königsrichter Johann Lutsch befand sich zu diesem Zeitpunkt in osmanischem Gewahrsam in Konstantinopel. Er war Ende August 1658, nur wenige Tage vor Ankunft des osmanischen Heeres vor der Stadt, zusammen mit Barcsay, damals noch nicht Fürst, und anderen Räten und Adligen als Abgesandter des Landes zum Großwesir gezogen, um Frieden zu erwirken. Sie trafen ihn Mitte September bei der Festung Jeno im Banat, damals ein Teil des Fürstentums Siebenbürgen. Während der Großwesir Barcsay zum Fürsten ernannte, wurde Lutsch als Sicherheit fur eine dem Fürstentum auferlegte »Kriegsentschädigung« in Höhe von 500.000 Talern in die Hauptstadt des Reiches geschickt. Dort lebte der betagte Königsrichter im Siebenbürgischen Haus, der diplomatischen Vertretung des Landes bei der Pforte, unter Hausarrest, während Siebenbürgen im Chaos versank und Hermannstadt belagert wurde. So konnte die hohe Summe niemals eintreffen, und Lutsch starb in Gefangenschaft 1661. Als sein Mit-Delegierter von 1658, Fürst Barcsay, am 18. Dezember 1659 Einlaß in Hermannstadt erhielt, waren sich die Bürger des Ernstes der Lage voll bewußt. Auch der größte Teil der Bewohner der umliegenden Orte muß in die Stadt geströmt sein, hatten sie doch die osmanischen Verheerungen des Vorjahres noch gut in Erinnerung. Die Stadt wird ihre Fassungskapazität zum ersten Mal seit langer Zeit ausgeschöpft haben. Die Hermannstädter und die hinter den Mauern Schutz Suchenden bereiteten sich systematisch auf die Belagerung durch Räköczi vor - denn diese konnte lange dauern, da die osmanischen Entsatztruppen nicht vor dem Frühjahr aus ihren Winterquartieren aufbrechen würden: In der Stadt wurde eine von Pferden betriebene Mühle gebaut, falls die Belagerer die Bäche für die innerstädtischen Mühlen umleiten würden. Die Siechhofkirche vor dem Elisabethtor, das größte Bauwerk vor der Stadt, wurde vollständig abgetragen und das große Steinkreuz im Kürschnerweiher versenkt, der Feind sollte hier keine Deckung finden. Die Meierhöfe um die Stadt und die Umplankungen der Gärten wurden niedergerissen, die Bäume wurden abgehauen. Die Teiche und Wassergräben wurden, soweit noch möglich, zu Wehrzwecken aktiviert. Währenddessen, also ab Weihnachten, kamen schon die ersten Vortrupps Räkoczis, auch er selbst, und es kam zu ersten Scharmützeln vor der Stadt. Räköczi lagerte seine Truppen in Hammersdorf, Schellenberg und 118

Hermannstadt 1 6 1 4 - 1 6 8 7

Neppendorf, die Zahl wird auf etwa 5.000 geschätzt. Das wären viel zu wenige gewesen, die Stadt ununterbrochen und vollständig zu belagern und abzuschließen, vielmehr errichteten sie »Schanzen«, Geschützstellungen um die Stadt, und kamen aus ihren Stellungen in den Dörfern zwar täglich, aber in unterschiedlicher Intensität zur Beschießung vor die Stadt. Darüber hinaus gab es ein weiträumiges Patrouillieren um die Stadt herum, so daß es zwar schwer, aber nicht unmöglich war, durch die feindlichen Linien nach draußen oder auch in die Stadt durchzukommen. So konnte die Stadtbesatzung auch laufend Ausfalle machen, beritten und zu Fuß, um Räkoczische Truppen zurückzuschlagen, ihre Stellungen zu zerstören oder ihre Vorräte (vor allem Munition, aber auch Lebensmittel oder Pferde) zu rauben. In einem Verhau vor dem Heltauer Tor hielten die Hermannstädter das Vieh für den eigenen Bedarf, das sich offenbar durch Basteien und Teiche gut schützen ließ. Glockenschlagen und Turmblasen wurden in der Stadt eingestellt. Am 7. Januar 1660 fing die Beschießung der Stadt durch Kanonen an, die von da an mehr als fünf Monate ohne Unterbrechung fortgesetzt werden sollte. Die Kanonenschüsse, insgesamt wohl in die Tausend gehend, waren nicht systematisch auf spezielle Teile der Befestigungen gerichtet. Vielmehr gingen sie in alle Teile der Stadt und sollten vor allem die Bevölkerung zermürben, Kinder wurden genauso getroffen wie türkische Soldaten auf den Basteien. Auch Feuerkugeln flogen in die Stadt. Noch ein Jahrhundert später ließen sich an Hermannstädter Häusern Treffer sehen. Räkoczi hatte den Hermannstädtern, die er zu Belagerungsbeginn zur Ubergabe der Stadt aufforderte, gedroht, vor allem die »große Kirche«, die Stadtpfarrkirche in Schutt und Asche zu schießen. Sein Ansinnen wird wohl gewesen sein, die Bürger zur Aufgabe zu bringen, um sich dann selbst in Hermannstadt festzusetzen - die alte Residenz Weißenburg war schließlich vollständig zerstört und auch er war ein ausdrücklicher Gegner der alten sächsischen Freiheiten. Der Verteidigungswille der Bürger aber war eisern und durch die osmanischen Einheiten, die unter anderem auf den Basteien Dienst taten, offenbar zusätzlich angespornt. Es fallt auf daß viele junge Leute, ja teils heranwachsende Jungen am Verteidigungskampf beteiligt waren. Biedere Handwerker, Tuchmacher, Schuster, Fleischhauer, die seit 50, 60 Jahren keinen Krieg gesehen hatten, diese Bürger zogen zusammen mit den osmanischen Kriegsspezialisten zu Ausfallen vor die Stadt, um SöldDie bescheidene Stadt

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ner und andere Haudegen in die Flucht zu schlagen. Mehrere erhaltene Tagebücher aus der belagerten Stadt verzeichnen diese Scharmützel, die täglichen Kanonenschüsse, die Opfer und viele Details des aufreibenden Krieges. Die Mittel des Feindes waren brutal: Als zwei Briefträger aufgegriffen wurden, die für Nachrichten für die und aus der belagerten Stadt sorgten, wurde einer gespießt, dem anderen Nase und Ohren abgeschnitten. Von einer Gruppe Gefangener der Stadtbesatzung wurden die Köpfe nachher in Hammersdorf wiedergefunden. Auch die Hermannstädter machten laufend Kriegsgefangene - sie übergaben sie nach der Belagerung den türkischen Befehlshabern. Andererseits brachten auch die Hermannstädter und Türken nach der Rückkehr in die Stadt oft nur die Köpfe der erlegten Feinde mit. In einer Tagebuchnotiz heißt es: »Den 24. April sind 14 Schuß gethan worden, auch ist diesen Tag bey dem Heltner-Thor ein Ausfall geschehen, und haben die Unsrigen stattlich victorisiret also daß den Feinden bis an 105 ins Graß gebießen, 18 Häupter, wie auch 3 lebendige hereingebracht; von den Unsrigen aber ist ein Türk geblieben, 4 hart geleydiget, von welchen auch kurtz darauf zwey zu ihrem Mahometh gefahren, ein Ungar aber, wie auch ein Türk lebendig davon getragen worden.« Nach Ausfallen mit größeren Opfern verboten Bürgermeister und Rat das Offnen der Tore. Das führte jedoch zu regelrechtem Aufruhr, bis die Bürger auf der einen und diejanitscharen und Spahis auf der anderen Seite neue Ausfalle erzwangen - es galt, den Belagerungstruppen den größtmöglichen Schaden zuzufügen. Von den Stadtbewohnern fielen während der Belagerung mehrere Dutzend bei Kampfhandlungen oder durch die Beschießung, es kamen etwas mehr Osmanen um. Allerdings brachen in der Stadt Seuchen aus, die viel mehr Opfer forderten. Die Belagerer hatten tatsächlich alle durch die Stadt fließenden Bäche umgeleitet, und während des ganzen Frühjahrs fiel kein Regen. Zunächst kam der Typhus, schon im Februar beginnend, und ging dann in eine Pestepidemie über, die im Hochsommer ihren Höhepunkt erreichte. Die hygienischen Verhältnisse in der Stadt müssen katastrophal gewesen sein. Beerdigungen mußten innerhalb der Stadtmauern erfolgen, vor allem in den Gärten der früheren Klöster in der Sporergasse und in der Nonnengasse. Den Seuchen fielen überwiegend Männer zum Opfer, in einigen Gassen blieben kaum welche übrig. Im Oktober starb auch der langjährige und namhafte Stadtpfarrer Andreas Oltard mit seinen Söhnen an der 120 Hermannstadt 1614-1687

Pest, desgleichen die meisten Schüler und Lehrer, so daß die Schule für ein Jahr ihre Tätigkeit einstellte. Uber 2.700 Menschen starben in wenigen Monaten. Diese Hölle im Inneren wurde durch die Bestürmung von außen verstärkt. Räkoczi intensivierte sie mit fortschreitendem Frühjahr, denn er wollte die Stadt vor dem Eintreffen der osmanischen Truppen zur Übergabe bringen. Ein dritter Geschützgraben auf nächstmöglicher Entfernung zur Mauer wurde aufgeworfen, große Sturmleitern kamen aus den umliegenden Orten an, der Mauerkranz der Burgertorbastei war vom Feind schon abgebrochen worden. Als am 13. Mai rund 2.300 Mann einen weiteren Ausfall machen wollten, hinderte sie zunächst Gabriel Haller daran ein Nachkomme des berühmten Bürgermeisters und Königsrichters Peter Haller, der längst zum ungarischen Adel gehörte und mit Barcsay in der Stadt weilte. Später zogen sie dennoch vor die Stadt und kamen beutebeladen und ohne Verluste zurück. Räkoczi und seine Truppen machten sich nämlich schon zum Abzug fertig, um die heranrückenden Osmanen aufzuhalten. Am Folgetag waren alle verschwunden und die Belagerung beendet, wahrscheinlich nicht lange bevor die Stadt wegen Erschöpfung, wegen Mangels an Vorräten und wegen der Seuchen hätte aufgeben müssen. Fast fünf volle Monate aber hielten die Bürger zusammen mit der osmanischen Besatzung, deren Pascha kurz danach starb und vor dem Sagtor beerdigt wurde, der Besatzung stand - die Befestigungen waren somit noch auf der Höhe der Zeit. Ein letztes Mal hörte man die Kanonen von den Basteien donnern, als nämlich am 23. Mai die Nachricht von Räkoczis Niederlage gegen die Osmanen in die Stadt kam. Und fünf Tage danach verließ auch der Fürst mit allen Adligen und mit den türkischen Truppen die Stadt und zog zum osmanischen Lager hin. Der Krieg zog aus der Stadt und ihrer näheren Umgebung aus, doch der Kampf gegen die Pest blieb. Nachdem auch all jene, die während der Belagerung in die Stadt geflohen waren, wieder wegzogen, dürfte Hermannstadt im Herbst 1660 bestenfalls die Hälfte der Einwohnerschaft von vor Jahresfrist gehabt haben. Hätte sich der Bürgermeister aber im Dezember 1659 nicht für die Aufnahme des Fürsten entschieden, was ihm oft zum Vorwurf gemacht wurde, hätte Hermannstadt mit der Rache der Osmanen gut das Schicksal Wardeins treffen können. Dessen historische Anlage - Burg, Stadt und Kirchen mit den Grablegen der Könige - wurde nach der Einnahme nur drei Monate später, im August 1660, vollständig vom Erdboden Die bescheidene Stadt

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wegradiert. Nach dem Willen der Hohen Pforte war Siebenbürgen künftig nämlich ein abhängiger Vasallenstaat wie die Walachei und die Moldau, mit hohen Steuern und ohne Selbständigkeit. Das Land sollte jedoch noch nicht zur Ruhe kommen. Erst als auch der letzte Gegenfürst, Johann Kemeny, in einer Schlacht mit den Türken Anfang 1662 fiel, konnte der den Ständen 1661 oktroyierte Fürst Michael Apafi, ein Schöngeist aus siebenbürgischem Geschlecht, dem Land längeren Frieden sichern. Bei diesem abermaligen Neuanfang stand das etwa zur Hälfte entvölkerte Hermannstadt noch relativ gut da. Die Bewohnerschaft des Königsbodens war durch die letzten Kriege zu weiten Teilen ausgelöscht worden, die immensen Heere der wiedererstarkten Osmanen und die kriegssüchtigen Adelsparteien hatten Siebenbürgen ein drittes Mal an den Rand des Abgrunds gebracht. Noch langsamer als in früheren Jahrzehnten war nun eine Erholung möglich, es fehlte an Einwohnern und Rücklagen. Und die nun immens hohen Steuern, noch immer zu rund der Hälfte von der Sächsischen Nation aufzubringen, zogen die Wirtschaft zusätzlich herab. Dabei entwickelte sich gerade jetzt allmählich ein barockes Lebensgefühl, eine neue Kultur entstand. Ob die Stadtbürger nach der gerade überstandenen Katastrophe nach neuen Inhalten suchten oder ob die neuen Zuwanderer befruchtend wirkten - die Widerspiegelung der geistigen und künstlerischen Strömungen des deutschsprachigen Mitteleuropa läßt sich in Hermannstadt wie auch in den anderen sächsischen Städten nun wieder viel deutlicher greifen als in den vorangegangenen hundert Jahre. Sichtbar wird dies etwa in der Musikkultur, an den wenigen Bildwerken, die sich eine verarmte Oberschicht leisten konnte, also etwa Epitaphen, oder an der nun praktizierten und publizierten Dichtkunst. Auf die strenge lutherische Glaubenspraxis, die vielerorts buchstäblich noch im katholischen Gewand, mit ausgemalten Kirchen, alten Gesängen und Bräuchen zu finden war, regte sich zunehmend die Strömung des Pietismus, die zu vielerlei Auseinandersetzungen führen sollte. In der Stadtfuhrung erfolgte zwar ein Wechsel, die alten und begüterten Familien gaben jedoch weiterhin den Ton an: Nach dem Tode Lutschs in Konstantinopel 1661 folgte ihm Andreas Fleischer als Königsrichter für eineinhalb Jahrzehnte im Amt. Dem durch die Belagerungsmonate belasteten Melzer kamen zwar häufig wechselnde, jedoch vorerst keine prägenden Persönlichkeiten als Bürgermeister nach. 122 Hermannstadt 1614-1687

Evangelische Stadtpfarrkirche mit dem Bischof-Teutsch-Denkmal.

Blick auf die Häuserzeile zwischen Huetplatz und Kleinem Ring sowie auf Häuser mit Laubengängen auf dem Kleinen Ring, rechts der Ratturm, links die alten Fleischerlauben (Schatzkästlein) und die Lügenbrücke (Blick vom Turm der evangelischen Stadtpfarrkirche).

Die Brukenthalschule.

Der Ratturm (Blick vom Turm der evangelischen Stadtpfarrkirche).

Spitalskirche mit Siechenhof und Büßerwinkel (Blick vom Turm der evangelischen Stadtpfarrkirche).

Blick auf die Häuserzeile zwischen Huetplatz und Kleinem Ring sowie auf Ratturm und katholische Stadtpfarrkirche (Blick vom Turm der evangelischen Stadtpfarrkirche).

Alter Torturm der dritten Stadtbefestigung neben dem Alten Rathaus.

Blick auf die S a g g a s s e in der Unterstadt.

Blick vom Huetplatz durch das Schusterloch auf den Kleinen Ring mit dem vermutlich ersten Rathaus der Stadt.

Fingerlingsstiege, Aufgang zu einem früheren Torturm der Burg.

Einer der Wehrtürme (Zimmermannsturm) in der Harteneckgasse mit Wehrgang.

Der Dicke Turm (mit Stadttheater) vor der südlichen Stadtmauer.

C h o r der Klosterkirche der Dominikanernonnen, später der Franziskaner.

Der Wohnturm des Altemberger-Hauses (Altes Rathaus) und der Turm der reformierten Kirche in der Fleischergasse.

Klosterkirche der Dominikaner, später der Ursulinernonnen.

Der Große Ring mit dem G e b ä u d e der Bodenkreditanstalt (neuerdings Rathaus) und der katholischen Stadtpfarrkirche.

Das Blaue Stadthaus und das Brukenthalpalais am Großen Ring.

Portal des Haller-Hauses an der Südseite des Großen Rings.

Die erste orthodoxe Kirche in der Grabengasse.

Die orthodoxe Kathedrale in der Fleischergasse.

Neuerlicher Zuzug in die Stadt setzte schon bald ein, aus anderen sächsischen Orten, aus deutschen Städten Ungarns oder aus den deutschen Ländern. Der in späterer Zeit wohl bekannteste Zuwanderer dieser Zeit war der aus Leutschau in der Zips stammende Sebastian Hann, ein Goldschmied höchster Meisterschaft. Seine Treib- und Ziselierarbeiten fur reiche Bürger, den Adel und den Fürstenhof, gar für den russischen Zaren waren schon zu seinen Lebzeiten berühmt und sind heute unbezahlbar. 1700, im Alter, wurde er Orator der Hundertmannschaft. Uberhaupt waren die Hermannstädter bestrebt, neue Leute in die Stadt zu holen, vor allem Fachleute mit Niveau. Als Rektor für die Schule konnten sie 1662 einen jungen Hermannstädter gewinnen, der in Wittenberg gerade Professor für Mathematik geworden war und eigentlich nicht zurückzukehren gedachte: Jakob Schnitzler. Er brachte nicht nur die »Landesschul« abermals auf einen hohen Stand, sondern propagierte auch die Schulreformideen von Jan Arnos Comenius in Siebenbürgen und bereitete den Boden für die wenige Jahrzehnte später von der Nationsuniversität beschlossene allgemeine Schulpflicht. Von 1668 bis 1684 sollte er schließlich als Stadtpfarrer die Gemeinde prägen. 1665 konnte Hermannstadt einen Zugewanderten als Kantor und Organisten aus Bistritz abwerben: Gabriel Reilich, der erste in Siebenbürgen wirkende richtige Komponist, der die neuen europäischen Stilrichtungen vermittelte und die Kirchenmusik nachhaltig prägte. Die in Oberungarn bald unerbittlich einsetzende Gegenreformation durch die Habsburger führte Hermannstadt weitere Geistesschaffende als Glaubensfüchtlinge zu. Einer der bedeutenden, Isaak Zabanius, sollte später ebenfalls Rektor der Schule und dann Stadtpfarrer werden. Ein anderer Glaubensflüchtling wurde Prediger in der Klosterkirche, also der ehemaligen Dominikanerkirche. Uberhaupt war wieder eine gewisse Zunahme der Frömmigkeit festzustellen, es bestand Bedarf an Gottesdiensten, Kirchenmusik wurde intensiv gepflegt - zu der 1671-1673 von einem Orgelbauer aus Neusohl errichteten großen Orgel kam 1679 eine kleine hinzu - und die Stadtpfarrkirche, von Bürgern mit Zuwendungen bedacht, wurde genauso wie die Klosterkirche neu ausgestaltet. Als der Rat das große Steinkreuz von Petrus Lantregen, das Ende 1659 aus Sicherheitsgründen versenkt worden war, 1683 aus dem Moder wieder bergen und an alter Stätte unter einem offenen Gewölbe aufstellen ließ, so zeigte sich darin sowohl frommes Handeln wie auch bewußter Kunstsinn. Aber als die Stadtoberen in den siebziger Die b e s c h e i d e n e S t a d t

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Jahren wiederholt Kleider- und Hochzeitsvorschriften herausgeben mußten, um Ubertreibungen bei der im allgemeinen noch recht armen Stadtbevölkerung zu steuern, wenn etwa an den Kirchentüren große Scheren hängen mußten, um bestimmte Uberlängen an der Kleidung unsanft zurückzuschneiden, so wirft dies ein bezeichnendes Bild auf die abermals zunehmenden sozialen Gegensätze. Mittel- und Unterschichten taten nichts, was ihnen die fuhrenden Familien der Stadt nicht vorlebten: barocke Ubertreibung und Prunksucht bis zur Erschöpfung der eigenen Mittel. Schon in den sechziger Jahren kam Fürst Michael Apafi wiederholt zu Besuch in die Stadt, ein nur zweitägiger Aufenthalt 1670 kostete die Stadt 3.700 Gulden (zum Vergleich: die große Orgel kostete zwei Jahre später etwas über 6.000 Gulden) - wie sollen solcherart rauschende Feste nicht fur viele stimulierend gewirkt haben? Ein anderer Schatten fallt auf diese Jahre durch die häufigen Hexenprozesse. Am Martinstag 1678 wurden gar sechs Hexen verbrannt. An diesem Phänomen lassen sich nicht nur ein Wandel durch den umfassenden Bevölkerungsaustausch und die fragilen ökonomischen Verhältnisse, sondern auch die Empfänglichkeit fur Endzeitszenarien erkennen. Schon für 1666 hatte der Hermannstädter Arzt Israel Hübner, aus Meißen stammend, den Weltuntergang vorherberechnet - es handelte sich, wie sich später herausstellen sollte, um die erste Entdeckung des Halleyschen Kometen -, 1681 hielt Stadtpfarrer Schnitzler auch eine »Kometenpredigt«, in der er aufgrund astronomischer Details viel Unheil prophezeite. Es war eine Mischung aus dem Drang, barocke Lebensfreude umzusetzen, aus Frömmigkeit, aus Schmerz über Erlittenes, aus Zukunftsangst und Alltagsnot, die Hermannstadt, die nach wie vor bescheidene Stadt, kennzeichnete. Schwer zu glauben, daß man in Hermannstadt, dessen politischer Horizont sich stark verengt hatte und der gerade noch bis zum Landtag reichte, erkannte, was sich in der Nachbarschaft ab 1683 abzuspielen begann. Im Mai jenes Jahres erst lagen bei 80.000 Mann osmanischer Truppen vor der Stadt und demonstrierten den Hermannstädtern ihre Ohnmacht. Im Folgejahr noch, nachdem die Osmanen 1683 vor Wien empfindlich geschlagen wurden und Richtung Südosten zurückdrängten, wurde ein osmanischer Würdenträger mit allen Ehren empfangen. Und 1685 öffnete die Stadt dem Fürsten Apafi mit seinem Gefolge und sieben Fahnlein Soldaten die Tore, weil habsburgische Truppen im Anmarsch waren - diese fingen an, die Osma124

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nen aus Ungarn und Siebenbürgen systematisch zu vertreiben. Der Fürst sollte fast neun Monate in der Stadt bleiben, Hermannstadt wurde zur Residenzstadt und die Abgesandten der Habsburger und der Osmanen gaben sich nun beinahe die Torklinken in die Hand. Apafi verstand es nämlich gut, die Seite nicht zu früh zu wechseln, sondern über mehrere Jahre hin diplomatisch zwischen den geschwächten und skeptischen Osmanen und der diesmal siegeswilligen »Heiligen Liga« unter Führung der Habsburger zu lavieren. Die Folgen einer osmanischen Strafexpedition hätten für das militärisch ungesicherte Land leicht zum Todesstoß werden können. Als Apafi Ende August 1686, wenige Tage vor der Eroberung Ofens durch kaiserliche Truppen, aus Hermannstadt auszog, zeichnete sich ein Zukunftsszenario ab. Offenbar gab es kurz vorher Auseinandersetzungen in der Stadt, weil sich Stadtbürger, Gesellen und besitzlose Einwohner gegen die Aufnahme kaiserlicher Soldaten zur Wehr setzten. Der Friede unter den muslimischen Türken war der Stadtbevölkerung inzwischen wichtiger als die Aussicht auf militärische Unrast unter den Habsburgern, die jedermann in der protestantisch-offenen Stadt als gnadenlose Rekatholisierer bekannt waren. Das nächste Jahr aber sollte der Stadt und ihrem Rat jede Entscheidungsfreiheit nehmen: Die kaiserlichen Truppen fügten den Osmanen im Spätsommer 1687 in Ostungarn eine vernichtende Niederlage zu und erschienen kurz danach ganz überraschend, noch im Herbst, in Siebenbürgen. Wieder flüchtete sich der jedem Krieg abholde Fürst - in Friedenszeiten hatte er sich als Autor wissenschaftlicher Arbeiten einen Namen gemacht hinter die Mauern Hermannstadts, schließlich war Weißenburg noch immer zerstört und viel Schutz vor den Kaiserlichen hätten die fürstlichen Burgen nicht geboten. Bei den Verhandlungen Ende Oktober in Blasendorf zwischen den Ständen und General Scherffenberg, der Siebenbürgen für den Kaiser als König von Ungarn in Besitz nehmen sollte, war Hermannstadt erneut ein zentrales Thema. Die Soldaten sollten Winterquartiere in den befestigten Orten, also in den sächsischen Städten sowie in Klausenburg nehmen, darunter auch Hermannstadt. Gegen letzteres, gegen die Besetzung Hermannstadts, sträubte sich Apafi heftig, hatte er doch dort mit seinem Hofstaat eine sichere Zuflucht gefunden. Scherffenberg aber bestand darauf, da es die Sache des Kaisers und die Ehre des Christenheeres erfordere, daß die Hauptstadt des Landes als Vorbild fur alle anderen Städte in Die bescheidene Stadt

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kaiserlicher Hand sei. Die Hauptstadt des Landes! Hermannstadt war endlich in Siebenbürgen angekommen, zog den Habsburgern nicht mehr mit fliegenden Fahnen entgegen, es lebte in relativem Ausgleich mit den anderen Ständen des Landes zusammen. Ausgerechnet da wurde es von des Kaisers Vertreter als größter befestigter Ort des Landes, als deutsche Stadt und fraglos auch als Auszeichnung für frühere, offenbar nicht vergessene Treue zum Erzhaus ungefragt zur Hauptstadt des Landes. Fürst Apafi zog mit Familie und Hof am 29. Oktober 1687 aus der Stadt aus und seinem Schloß Fogarasch nach Osten zu. Am 30. Oktober zog General Scherffenberg mit zwei Infanterieregimentern und einem Kavallerieregiment in Hermannstadt ein, um über den Winter zu bleiben. Die Geschichte der bescheidenen Stadt hatte ein Ende gefunden.

DIE LANDESHAUPTSTADT ( 1 6 8 7 - 1 8 4 9 )

Mit dem Einzug habsburgischer Besatzungstruppen waren die politischen Verhältnisse jedoch noch lange nicht geklärt. Und auch Landeshauptstadt war Hermannstadt freilich noch nicht. Vielmehr begann jetzt ein fast zweieinhalb Jahrzehnte währender Prozeß des Anschlusses Siebenbürgens an das Habsburgerreich - verbunden mit neuerlichen und vehementen Auseinandersetzungen zwischen dem Erzhaus auf der einen und ungarischen Parteiungen auf der anderen Seite. Hermannstadt war davon natürlich auch betroffen, mittelbar wie unmittelbar. Was der Stadt ab dem Herbst 1687 für über ein Jahrhundert durchgehend erhalten bleiben sollte, ist die Einquartierung von Soldaten in praktisch allen Wohnhäusern. Während die Offiziere in den größeren und besseren Häusern der Oberstadt unterkamen, wurde die Mannschaft überwiegend bei den Handwerkern untergebracht. Angesichts der beengten Wohn- und Arbeitsverhältnisse Ende des 17. und noch während des längsten Teils des 18. Jahrhunderts wurden die deutschen Soldaten als unerträgliche Belastung empfunden. Die einfachen Häuser bestanden meist aus einem Wohnraum, der »Stube«, gefolgt von einer kleinen Küche und im günstigen Falle von einem weiteren kleinen Arbeits- oder Speicherraum - der Anlage sächsischer Bauernhäuser vergleichbar. Dieser Lebensraum der Fami126

Hermannstadt 1687-1849

kaiserlicher Hand sei. Die Hauptstadt des Landes! Hermannstadt war endlich in Siebenbürgen angekommen, zog den Habsburgern nicht mehr mit fliegenden Fahnen entgegen, es lebte in relativem Ausgleich mit den anderen Ständen des Landes zusammen. Ausgerechnet da wurde es von des Kaisers Vertreter als größter befestigter Ort des Landes, als deutsche Stadt und fraglos auch als Auszeichnung für frühere, offenbar nicht vergessene Treue zum Erzhaus ungefragt zur Hauptstadt des Landes. Fürst Apafi zog mit Familie und Hof am 29. Oktober 1687 aus der Stadt aus und seinem Schloß Fogarasch nach Osten zu. Am 30. Oktober zog General Scherffenberg mit zwei Infanterieregimentern und einem Kavallerieregiment in Hermannstadt ein, um über den Winter zu bleiben. Die Geschichte der bescheidenen Stadt hatte ein Ende gefunden.

DIE LANDESHAUPTSTADT ( 1 6 8 7 - 1 8 4 9 )

Mit dem Einzug habsburgischer Besatzungstruppen waren die politischen Verhältnisse jedoch noch lange nicht geklärt. Und auch Landeshauptstadt war Hermannstadt freilich noch nicht. Vielmehr begann jetzt ein fast zweieinhalb Jahrzehnte währender Prozeß des Anschlusses Siebenbürgens an das Habsburgerreich - verbunden mit neuerlichen und vehementen Auseinandersetzungen zwischen dem Erzhaus auf der einen und ungarischen Parteiungen auf der anderen Seite. Hermannstadt war davon natürlich auch betroffen, mittelbar wie unmittelbar. Was der Stadt ab dem Herbst 1687 für über ein Jahrhundert durchgehend erhalten bleiben sollte, ist die Einquartierung von Soldaten in praktisch allen Wohnhäusern. Während die Offiziere in den größeren und besseren Häusern der Oberstadt unterkamen, wurde die Mannschaft überwiegend bei den Handwerkern untergebracht. Angesichts der beengten Wohn- und Arbeitsverhältnisse Ende des 17. und noch während des längsten Teils des 18. Jahrhunderts wurden die deutschen Soldaten als unerträgliche Belastung empfunden. Die einfachen Häuser bestanden meist aus einem Wohnraum, der »Stube«, gefolgt von einer kleinen Küche und im günstigen Falle von einem weiteren kleinen Arbeits- oder Speicherraum - der Anlage sächsischer Bauernhäuser vergleichbar. Dieser Lebensraum der Fami126

Hermannstadt 1687-1849

lie war meist zugleich Arbeitsstätte des Hausvaters und sollte nun ein bis zwei alles andere als wohlerzogenen Truppenangehörigen Schlafund zeitweilige Aufenthaltsstatt bieten - das alles bei mangelndem gegenseitigem Respekt füreinander schon wegen unterschiedlicher Konfession, Verhaltens- und Sprachgewohnheiten. Der Reibereien war somit kein Ende - und da Hermannstadt Garnisonsstadt und Sitz des Kommandierenden Generals für Siebenbürgen geworden war, war ein Ende auch nicht abzusehen. Der Magistrat, also der Stadtrat, stand dabei zwischen den Fronten der beschwerdeführenden Bürger und den neuen Landesherren, die sich nun in Hermannstadt niederließen. In der Stadtführung fanden in diesen Jahren mehrere Wechsel statt, die für die Stadt und die Nation wichtig werden sollten. 1686 wurde der umsichtige und hochgebildete Kaufmann Valentin Frank (später mit dem Prädikat Frank von Frankenstein) zum neuen Königsrichter gewählt. Ihm zur Seite stand als Bürgermeister Christian Reichert, der dieses Amt nach mehreren Jahrzehnten raschen Wechsels wieder über einen längeren Zeitraum, nämlich über elfjahre bekleidete. Das Amt des Stadt- und Provinzialnotars erhielt 1690 der junge, gerade erst von seinen Universitätsstudien zurückgekehrte Johann Zabanius, ein aus Oberungarn stammender Sohn eines Glaubensflüchtlings. Angesichts der bevorstehenden grundlegenden Verhandlungen mit der neuen Macht im Lande war diese personelle Konstellation ein Glücksfall. Den Blasendorfer Vertrag vom Oktober 1687 über die prinzipielle Unterstellung Siebenbürgens unter Wien und die Winterquartiere der Truppen billigten die Stände schon im November in Fogarasch. Doch Apafi führte sein Lavieren vorerst weiter, er traute den Habsburgern nicht. Deren Generäle lösten sich in Hermannstadt rasch ab, bis Antonio Caraffa als Kommandierender im Februar 1688 eintraf und die Vertreter der Stände zu sich zitierte. Es war nun unzweifelhaft, daß die Macht in Siebenbürgen in den Händen des habsburgischen Befehlshabers lag. Nach Abstimmung mit Apafi, der Fogarasch aus Gesundheitsgründen nicht mehr verließ, kam es zur Hermannstädter Erklärung der Stände vom 9. Mai 1688. Dadurch sagte sich Siebenbürgen formell von der osmanischen Oberhoheit los und unterstellte sich dem Schutz Kaiser Leopolds I. Der anschließende Landtag in Fogarasch bestätigte diesen Schritt, die großen Städte des Landes - Kronstadt, Klausenburg, Bistritz - aber widersetzten sich nach einem Winter mit Einquartierungen der Die Landeshauptstadt

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kampflosen Waffenstreckung, zu groß war das Mißtrauen gegenüber den Habsburgern. Die Kronstädter Bürger wagten gar einen Aufstand und erklärten dem Kaiser kurzzeitig den Krieg. Anders auch diesmal Hermannstadt, das als Residenz des Kommandierenden Generals keine Wahl mehr hatte. Die Skeptiker sollten jedoch in gewisser Weise Recht behalten, denn Kaiser Leopold wurde im Westen bald von Frankreich bestürmt und die Osmanen setzten nach Apafis Tod 1690 den alten HabsburgGegner Emmerich Thököly als Fürsten Siebenbürgens ein. Er überraschte und schlug die habsburgischen Truppen. Die Stände mußten ihn in Großau zum Fürsten wählen. Die altbekannte Situation des habsburgisch-osmanischen Krieges verbunden mit innersiebenbürgischen Querelen drohte sich zu wiederholen. Doch die kaiserlichen Generäle setzten diesmal auf Siebenbürgen und opferten dafür das kurz davor eroberte Belgrad. Zudem bestätigte Kaiser Leopold im »Leopoldinischen Diplom« im Oktober 1690 die Verfassung Siebenbürgens mit den Rechten der drei Stände und der vier anerkannten Konfessionen. Nachdem die Ständevertreter Anfang 1692 die endgültige Fassung des Leopoldinums in Händen hielten, fand im März und April jenes Jahres in Hermannstadt der erste Landtag der neuen Zeit statt: Georg Bänffy wurde als erster Gouverneur eingesetzt und auch die anderen vorgesehenen Amter besetzt. Der eigentliche Aufbau der neuen Landesverwaltung zog sich mangels klarer Richtlinien jedoch über Jahre hin. Zu den acht Gubernialräten gehörten auch die Bürgermeister von Hermannstadt und Mediasch sowie der Hermannstädter Königsrichter. Sitz des Guberniums aber wurde nicht Hermannstadt, wie oft zu lesen ist, sondern in Anknüpfung an die Fürstenzeit zunächst Weißenburg. In Hermannstadt behielt der eigentliche Machthaber, der Kommandierende General, seinen Sitz, und das Thesaurariat, das Landeschatzamt, wurde nach seiner allmählichen Einrichtung hier angesiedelt. Für Hermannstadt wie fur die Sächsische Nation bestand nun kein Zweifel mehr, daß es diesmal mit dem habsburgischen Schutz ernst gemeint war. Die einquartierten Truppen teilten sich mit den Bürgern die Bewachung der Tore und der Stadt. Die österreichischen Soldaten waren natürlich durchweg Katholiken. Ihre geistliche Betreuung führte - nach fast eineinhalbhundertjähriger Unterbrechung - 1688 zur dauerhaften Einrichtung der katholischen Kirche in Hermannstadt. Seitdem die Jesuiten 1602, zur Zeit des Basta-Regiments, kurz128

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Die erste nach der Natur g e s t o c h e n e Vedute von Hermannstadt (von Nordwesten, Kupferstich von S t e p h a n W e l z e r für G i o v a n n i M o r a n d o V i s c o n t i s » M a p p a della Transilvania«, 1 6 9 9 ) .

zeitig in den Lauben auf dem Kleinen Ring Unterkunft erhalten hatten, war deren Konfession in der Stadt nicht mehr vertreten. 1689 wurde daran wieder angeknüpft und auf Befehl des Kommandierenden Generals CarafFa die Schneiderlaube auf der Nordseite des Großen Rings für den Garnisonsgottesdienst freigegeben. Das sollte der Anfang einer langfristigen Strategie zur neuerlichen Etablierung der katholischen Kirche sein. Doch hatte CarafFa schon 1690 in einer Denkschrift an den Kaiser festgestellt, daß insbesondere die Sachsen für ihre Glaubensfreiheit alles zu opfern bereit seien, und hatte daher von Pressionen nachdrücklich abgeraten. Um ihre Interessen bei Hofe zu vertreten, hatten Hermannstadt und die Nation 1692 ihren Notarius Johann Zabanius nach Wien entsandt. Nach seiner Rückkehr wurde er 1695 Stuhlsrichter und wenige Wochen danach Bürgermeister von Hermannstadt - 31jährig. Nach innen wie nach außen trat der habsburgtreue Zabanius als Verfechter einer geregelten, rechtlich einwandfreien Verwaltung auf. Während des Aufbaues einer neuen Landesstruktur mußte das den österreichischen Behörden in Siebenbürgen wie in Wien besonders angelegen sein, nicht aber dem argwöhnischen ungarischen Adel. Als Zabanius dem Königsrichter Frank von Frankenstein 1697 im Amt nachfolgte und 1698 als »Sachs von Harteneck« - ein sprechender Name für das allseits geschätzte AufDie Landeshauptstadt

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treten dieses Protestanten in Wien - in den Ritterstand erhoben wurde, geriet er erstrecht in Gegensatz zu den anderen beiden Ständen. Hinzu kam sein Kampf gegen Korruption innerhalb der selbstgerechten Oligarchie der eigenen Nation: So ließ er den Schäßburger Bürgermeister wegen Falschmünzerei hinrichten. Nachdem Zabanius auf dem Landtag 1702 eine gerechte Verteilung der Steuern auf alle Stände forderte, also unter Einbeziehung des bis dahin steuerfreien Adels, suchte letzterer nach Vorwänden zu seiner Beseitigung. Der persönlich durchaus schillernde und moralisch mitunter ungefestigte Zabanius hatte sich zudem eine Reihe weiterer Feinde zugelegt, so daß sich im Herbst 1703 eine Adelsfront aus Gouverneur, Kommandierendem General und weiteren Standesgenossen bildete, die ihn unter dem Vorwurf des Hochverrats festnehmen und vom Landtag als Adligen ohne Vorlage von Beweisen zum Tode verurteilen ließ. In einem weiteren Verfahren verurteilte ihn der Hermannstädter Magistrat wegen eines nicht angezeigten Mordes im eigenen Hause ebenfalls zum Tode. Am 5. Dezember 1703 wurde Zabanius auf dem Großen Ring enthauptet. Eine Zeichnung dieses Ereignisses zeigt nicht nur städtebauliche Details, sondern auch die außerordentliche militärische Absicherung des Platzes - Zeichen eines unsicheren Handelns und einer Machtdemonstration des Adels. Die städtische Oberschicht und voran jene Hermannstadts war zwar zunehmend an Adelsprädikaten interessiert, die der Wiener Hof phantasievoll und sprechend - Frank von Frankenstein, Sachs von Harteneck, von Sachsenheim, von Sachsenfels, von Hermannsburg, von Hermannsfeld, Hann von Hannenheim - seinen habsburgtreuen Sachsen verlieh. Doch dieses schmückende Beiwerk war lediglich für den gesellschaftlichen Umgang mit den Vertretern der neuen Landesherren oder in der Reichshauptstadt selbst von einer gewissen Relevanz. Auf Königsboden hatten diese Titel keinerlei rechtliche Konsequenzen, ihre Träger blieben Bürger und wurden mit bürgerlichem Namen angesprochen. Das sprechendste Beispiel für dieses Selbstverständnis ist die bekannteste Persönlichkeit Hermannstadts jenes Jahrhunderts, Samuel Freiherr Breckner von Brukenthal - auch er Träger eines an den sächsischen Namen Breckner angehängten Phantasienamens, Inhaber des höchsten Staatsamtes im Fürstentum mit großem Stadtpalais und Liegenschaftsbesitz, aber dennoch regulärer Bürger der Stadt Hermannstadt. Auch sein Wahlspruch Fidem genusque servabo, dem Glauben und der Nation 130

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bleibe ich treu, ließ keinen Zweifel an dieser Einstellung aufkommen. Ähnlich verhielt es sich mit Zabanius, der trotz erblichen Ritterstands für die städtisch-ständischen Freiheiten und die Gleichheit der Stände eintrat. Auf lange Sicht schuf seine Hinrichtung einen Märtyrer in den im 18. Jahrhundert nun zunehmend ethnisch gefärbten Auseinandersetzungen zwischen den Ständen. Ironischerweise wurde ausgerechnet sein Wohnhaus in der südöstlichen Ecke des Großen Rings, an der Stelle des heutigen evangelischen Bischofspalais', später zur wichtigsten Tagungsstätte des Landtags in Hermannstadt. Die Hinrichtung Hartenecks im Dezember 1703 fand zu einem Zeitpunkt statt, als Siebenbürgen gerade wieder in einen Ausnahmezustand getreten war. Nach dem Friedensschluß Wiens mit der Hohen Pforte 1699 in Karlowitz verstärkten die österreichischen Beamten und Militärs die zentralistische Vereinnahmung ganz Ungarns und Siebenbürgens - und zwar ohne die in den Verträgen und Diplomen zugesagten alten Rechte und die Selbständigkeit der Länder und ihrer Einwohner, vor allem der Protestanten, weiter zu berücksichtigen. Von Oberungarn ausgehend regte sich dagegen massiver Widerstand, der unter der Führerschaft von Franz II. Räkoczi ab Juni 1703 binnen weniger Wochen und Monate Bauern, Adel und ungarische Städte vereinte, Landstrich für Landstrich unter seine Kontrolle und die kaiserlichen Truppen in die Defensive brachte. Der spanische Erbfolgekrieg (1701-1714) hatte vorher schon den Abzug großer habsburgischer Kontingente nötig gemacht, so daß sich in Siebenbürgen bis 1704 nur die beiden Städte Hermannstadt und Kronstadt mit ihren österreichischen Besatzungen halten konnten - der Rest des Landes war in der Hand der »Kuruzzen«, wie sich diese Aufständischen in Anlehnung an die antihabsburgischen Bewegungen des 17. Jahrhunderts nach dem Kreuzzugsheer Georg Dozsas von 1514 nannten. Der Gouverneur Bänffy war bereits im Herbst 1703 mit dem Gubernium aus dem unsicheren Weißenburg nach Hermannstadt geflüchtet, wo diese Behörde nun verbleiben und wo auch Bänffy fünf Jahre später sterben sollte. Räkoczy konnte somit, während der offizielle Landtag in Hermannstadt tagte, im Juli 1704 einen Gegenlandtag nach Weißenburg einberufen und sich dort zum Fürsten Siebenbürgens wählen lassen. Was dem Land in den 1680er Jahren dank des ausgeglichenen Taktierens Apafis und in den 1690er Jahren dank des Eingreifens der Kaiserlichen weitgehend erspart blieb, folgte nun zwischen 1703 und 1711: Die vierte flächendeckende und vernichtenDie Landeshauptstadt

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de Verheerung des Landes innerhalb von etwas mehr als eineinhalb Jahrhunderten. Ein großer Teil des Komitatsadels sowie die Szekler standen auf Seiten der Kuruzzen, die Sächsische Nation aber fühlte sich an den dem Kaiser geschworenen Eid gebunden und bot den verbliebenen kaiserlichen Truppen und dem habsburgtreuen Adel in ihren Städten Schutz. So fielen die Kuruzzen über den Rest des Landes her, vor allem über die sächsischen Stühle und Distrikte. Die Szekler zogen bis in die Hermannstädter Gegend, Mediasch wurde viele Male eingenommen und geplündert. Hermannstadt selbst blieb uneinnehmbar, im wesentlichen wegen der in den Vorjahren begonnenen neuartigen Befestigungen: Im Westen und Südwesten, in einem gewissen Abstand zu Heltauer Tor und Soldischbastei und zum Schutz dieses anfalligsten Teils der Stadtbefestigung, wurde 1702 mit dem Bau einer großangelegten Zitadelle im Vauban-Stil begonnen, wozu weitflächige Aufschüttungen vorgenommen und ein Kanal vom Fuße der Berge zum Transport des Baumaterials angelegt wurde. Die Stadt selbst war zu groß, um sie zeitgemäßen Verteidigungserfordernissen gemäß vollständig neu zu befestigen. Im Norden, jenseits des Zibin zur innersiebenbürgischen Seite hin, wurde ein Retranchement, eine weiträumige zackenförmige Verschanzung angelegt, um dem Waffenfortschritt zu genügen. Hier im Norden konnte General Rabutin im November 1704 ein größeres Kuruzzenheer in die Flucht schlagen. Trotz dieser Abwehr war Hermannstadt von den Kriegen erheblich betroffen, 1705 etwa, als »4 Meilen von der Stadt alles (...) wüste« wurde. Die Kuruzzen verheerten alle Orte der Umgebung, die Dorfbewohner flüchteten sich in die Stadt, die Folge waren vernichtete oder ausgebliebene Ernten. Neue habsburgische Truppen kamen, 1707 etwa 2.500 Deutsche und Raitzen, also Südslawen, aber nie genügend. Die Selbstvernichtung der Stände ging über Jahre hin weiter. Währenddessen zogen in Hermannstadt für rund zweieinhalb Jahre abermals Seuchen, die Pocken und die Pest ein, wie so oft die Begleiter von Kriegen und Krisen. Die »Landesdeputation«, die die Geschäfte für das sich auflösende Gubernium wahrnahm, wich nach Mediasch aus, wohin 1712 nach mehreren Jahren wieder ein Landtag einberufen wurde. Dessen Bürgermeister, Samuel Conrad von Heydendorff, hatte als einziger von zwölf Gubernialräten den Kuruzzenaufstand überlebt und mußte nun den Wiederaufbau der Landesverwaltung koordinieren. Die erschöpften Kuruzzen wurden nämlich von den gut geführten und modern kämpfenden Kaiserlichen schließlich zurückgedrängt 132 Hermannstadt 1687-1849

und mußten im Frieden von Sathmar 1711 der Rückkehr Ungarns unter die Regierung des Habsburgers zustimmen. Jetzt erst wurde Hermannstadt wirklich zur Landeshauptstadt, und zwar eines abermals ruinierten und entvölkerten Landes. Das 1703 aus Weißenburg geflohene Gubernium behielt seinen Sitz in Hermannstadt. Der Landtag vom Frühjahr 1713 verlegte während der Session seinen Tagungsort von Mediasch nach Hermannstadt, wo nun der neue Gouverneur Sigismund Kornis sowie die Gubernialräte in ihre Amter eingeführt wurden. Die Landtage sollten bis 1781 fast durchgängig in Hermannstadt stattfinden: 30 Landtagen hier standen acht in Klausenburg gegenüber. Gouverneur Kornis wich wegen einer neuerlichen schlimmen Pestwelle 1717 bis 1719 mit dem Gubernium nach Klausenburg aus und propagierte diese Stadt als Mittelpunkt des Landes. Während seiner Amtszeit fanden die Landtage meist dort statt. Die zahlreichen Gubernialbüros aber hatten ihren Sitz in Hermannstadt. Hinzu kam das Schatzamt, das Thesaurariat, das lange Zeit von einer Kammerkommission verwaltet wurde, um die verworrenen Einkünfte des Fürstentums zu ordnen. Erst 1742 erfolgte dessen reguläre Besetzung. Die Unterbringung all dieser Ämter und der Beamten, dazu des Militärkommandos, stellte in Hermannstadt ein größeres Problem dar. Die Stadt war auf diese Funktionen nicht eingerichtet. Das 17. Jahrhundert brachte neben den Zerstörungen nicht auch das Kapital für nennenswerte Investitionen, so daß der Baubestand bescheiden blieb. In den besseren Gassen der Oberstadt standen stockhohe, kaum zweistöckige Häuser, sonst überwiegend ebenerdige Häuser. Neubauten und Erweiterungen lohnten nicht, denn sie mußten fur eine miserable Miete freigegeben werden oder wurden mit zusätzlichen Einquartierungen vergolten. Dieser Stillstand, der zu vielerlei Spott der hierher versetzten Österreicher Anlaß gab, sollte erst spät im Jahrhundert aufgebrochen werden. Der Ausbau Hermannstadts als Festung wurde jedenfalls nicht weiter verfolgt, Zitadelle und Retranchement blieben halbfertig stehen. Stattdessen wurde Weißenburg als sternförmige Festung im Vauban-Stil um die erhaltenen Reste der historischen Anlagen ausgebaut und 1715 erhielt die Stadt den Namen Karlsburg nach dem regierenden Kaiser - alles Zeichen, daß auch dieser Stadt künftig eine zentrale Funktion zugedacht war. Bei der Betrachtung der Hermannstädter Stadtbevölkerung wird künftig stets zu unterscheiden sein zwischen Zivilpersonen und Militärangehörigen, ferner zwischen Hermannstädtern und AusDie Landeshauptstadt

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wärtigen. Es weilten künftig noch mehr zeitweilige Einwohner in der Stadt als vorher schon, so die Vielzahl an Beamten oder die Landtagsdeputierten. Immerhin zogen sich Landtagssessionen über etliche Wochen und Monate hin, drei, vier Monate waren keine Seltenheit. Die Beamten mußten laut Leopoldinischem Diplom nach einem festgelegten Schlüssel aus den drei Nationen und vier anerkannten Konfessionen kommen, doch setzte sich der Wiener Hof darüber oft hinweg und erteilte eigenen Kandidaten das Indigenat, also das Staatsbürgerrecht. Den Vertretern der Ungarn und der Szekler in der Gubernialverwaltung blieb die reguläre Niederlasssung in der Stadt nach wie vor verwehrt, sie mußten zur Miete wohnen. Österreicher machten hingegen zuweilen Gebrauch von der Möglichkeit, das Bürgerrecht zu erwerben und ein Haus zu kaufen, aber auch dies waren eher Ausnahmefalle. Die zivilen Einwohnerzahlen der Stadt lassen sich fur den Beginn des 18. Jahrhunderts, für 1710 und fur 1721/22, relativ stabil mit rund 10.000 angeben. Eine interessante Feststellung in der Konskription des letztgenannten Jahres ist ein Anteil von über 9 % rumänischer Familien. Diese wohnten auf den Meierhöfen vor der Stadt, wo wir sie schon im 17. Jahrhundert vereinzelt antrafen, doch bildeten sich nun auch Häuserzeilen entlang der Verkehrsstraßen vor allem nördlich des Zibin innerhalb des Retranchements - Vorläufer der Vorstädte, die es in Hermannstadt bis dahin nicht gab. Hier wohnten neben Rumänen auch vom Lande zugezogene Sachsen, ferner die in kleinen Hütten abgesondert lebenden Zigeuner. Wenn wir einen Blick auf die demographische Entwicklung im Stuhl Hermannstadt und in den abhängigen Gebieten, den beiden Filialstühlen und den Stadtgütern, werfen, so stellen wir fest, daß 1721/22 in 57 von 58 Orten - ohne die Stadt - Rumänen lebten. Die Filialstühle Talmesch und Selischte waren seit jeher überwiegend von Rumänen bewohnt, doch auch in den sächsischen Stuhlsgemeinden und dem Streubesitz an sächsischen Dörfern, die unter den Verheerungen des 17. Jahrhunderts und jenen der Kuruzzen besonders zu leiden hatten, war die Zahl der Rumänen beachtlich - Michelsberg war als einziges Dorf nur von Sachsen bewohnt. Im Stuhl Hermannstadt selbst besaßen die Sachsen 1721/22 gerade noch die absolute Mehrheit, während die Rumänen die mit Abstand größte Minderheit darstellten. Auch wenn sich dieses Verhältnis in den kommenden Jahrzehnten hier wieder etwas zugunsten der Deutschsprachigen entwickeln sollte, so veränderten sich die Verhältnisse hinsichtlich der Gesamtheit des Stuhls134 Hermannstadt 1687-1849

gebiets sowie der Siebenrichter- und Stadtgüter dauerhaft: Die absolute Mehrheit blieb ab dem Beginn des 18. Jahrhunderts bei den Rumänen, so daß auf sächsischer Seite nun immer wieder der Begriff der »Überschwemmung« durch diese Gruppe gebraucht wurde. Seit der Jahrhundertwende verfugten die Rumänen in Siebenbürgen über eine mit der römisch-katholischen Kirche vereinigte eigene Kirchenhierarchie, die unierte oder griechisch-katholische Kirche. Als der Universalkirche zugehörig, erfreuten sich diese Unierten einer gewissen Förderung durch das Herrscherhaus und durch dessen Vertreter. Mehrere rumänische Orte der Stadtgüter und der Siebenrichter sollten zu wichtigen Zentren dieser neuen Konfession werden. Als aber 1699 auf Betreiben des russischen Gesandten in Wien das erste orthodoxe Bethaus in Hermannstadt errichtet werden durfte, so hatte dies mit den Rumänen der Vorstädte nichts zu tun: Es waren die »griechischen«, rumänischen, bulgarischen und anderen ostkirchlichen wohlhabenden Kaufleute, die in der Stadt zahlreiche »Gewölbe«, also Verkaufsräume unterhielten und die von den ländlichen Rumänen noch während vieler Generationen streng unterschieden werden wollten. 1722 etwa gab es 32 Griechen, die von einem eigenen Judex vertreten wurden. Das Bethaus stand in einem Hinterhof etwa an jener Stelle in der Fleischergasse, wo rund zwei Jahrhunderte später die orthodoxe Kathedrale errichtet wurde. Doch auch die Konfession des Herrscherhauses war deutlich auf dem Vormarsch. 1696 hatten die Jesuiten die Seelsorge für die österreichische Besatzung in Hermannstadt übernommen, ihre feierliche Einfuhrung erfolgte dort drei Jahre später. Nachdem der katholische Garnisonsgottesdienst seit 1689 in der ehemaligen Schneiderlaube auf dem Großen Ring gehalten wurde, erscheint 1711 auch die »Laubenkirche« auf dem Kleinen Ring als Bethaus der Jesuiten. Diese befand sich in einer vormaligen Goldschmiedlaube oberhalb von Verkaufsgewölben über der Durchfahrt aus der Unterstadt. Und zwar wurden ab dem 15. Jahrhundert über der Zufahrt von der Burgergasse auf den Kleinen Ring im Anschluß an das alte Tor, das seit dem Bau der Stadtmauer um die Unterstadt seine Funktion verloren hatte, weitere Handwerkerlauben, Durchgänge und Häuser bis mitten auf den Platz gebaut. Dadurch entstand darunter ein gewölbter Tunnel, dunkel und lang, auf den ersten Stadtplänen und auch auf dem Umschlag dieses Buches gut zu erkennen. Ehe man recht hinsehen konnte, errichteten die Jesuiten hier über Nacht Anfang 1712 einen hölzernen GlockenDie L a n d e s h a u p t s t a d t

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türm. Auf Dauer aber waren weder die Schneiderlaubenkirche am Großen Ring noch die Laubenkirche am Kleinen Ring Lösungen im Sinne der durchaus regen Jesuiten. 1716 schon hatten die sich Siebenbürgen wieder erschließenden Franziskaner auf Druck des Kommandierenden und des Gouverneurs das alte Kloster mit Kirche der Dominikanernonnen in der Oberstadt erhalten. Die Gebäude waren bis dahin zu städtischen Belangen genutzt worden und waren nicht in gutem Zustand. Sie wurden nun von den Franziskanern allmählich saniert und barock umgestaltet. Aus der bisherigen Nonnengasse wurde nach und nach die Franziskanergasse. Vom alten Franziskanerkloster in der Unterstadt, das seinerzeit fraglos größer war, standen nur mehr Ruinen sowie der Chor der Kirche. Ebenfalls 1716 fand andernorts eine weithin beachtete Kirchenenteignung statt: Die altehrwürdige Weißenburger Kathedralkirche wurde den Reformierten weggenommen und dem zeitgleich wiederbesetzten katholischen Bistum übergeben. 160 Jahre hatte es keinen katholischen Bischof in Siebenbürgen gegeben, nun fand im Beisein des Gouverneurs und des Kommandierenden Generals seine feierliche Wiedereinsetzung statt. Solcherart vorgewarnt, war der Hermannstädter Magistrat sehr umsichtig geworden, als die Jesuiten 1721 den soeben neuberufenen Kommandierenden General Virmont dafür gewannen, an Stelle des Schneiderhauses eine eigene Kirche auf dem Großen Ring zu errichten. An die großen lutherischen Kirchen wagten sich die Österreicher nicht heran, auch wenn einzelne katholische Geistliche sie »rückforderten«. Doch die Errichtung eigener Kirchen konnten die Sachsen der Konfession des Herrschers nicht verwehren. Nach vielem Hin und Her wurde der Platz des Schneiderhauses zwischen Großem und Kleinem Ring den Jesuiten von der Stadt kostenfrei zum Bau einer eigenen Kirche überlassen. 1726 begannen die Arbeiten. Im folgenden Jahr wurde auch der westlich anschließende Platz der Stadtapotheke teilweise für den Bau des Kirchturmes verlangt und von der Stadt freigegeben. Allerdings war dies mit der Auflage verbunden, einen öffentlichen Durchgang freizuhalten, worin eine der historischen Kommunikationen an der Stelle eines mittelalterlichen Torturms, Schlosserloch genannt, zu erkennen ist. Der Durchgang unter dem katholischen Kirchturm besteht bis heute. Der Bau der Kirche ging zügig voran, ihre Weihe erfolgte im September 1733. Die Wirkung dieses Baues auf die evangelischen Hermannstädter war niederschmetternd: Wo vormals ein nicht mehr als stockhohes 136

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Verkaufshaus fur Handwerker gestanden hatte, das den Blick vom Großen Ring auf die imposante Hauptkirche im Hintergrund zu guten Teilen freigab, fand sich nun ein mehrstöckiger, langer Barockbau mit hohem Dach und hohem Kirchturm, der gerade noch die Spitze der alten, der evangelischen Kirche erkennen ließ. Die Universalkirche hatte die Sachsen sichtbar zurückgesetzt. Doch damit nicht genug, die Jesuiten kämpften vehement auch fur ein eigenes Schulgebäude, wobei immer wieder auch die Androhung von Waffengewalt seitens des Generals im Spiele war. 1739-1741 konnten die Jesuiten dann östlich an die Kirche anschließend ihr Kolleg errichten, ein zweistöckiger hoher Bau um einen Innenhof, der den Großen Ring zum Kleinen Ring hin zusätzlich abschottete. Im Rahmen der Rekatholisierung hatte die Hermannstädter evangelische Gemeinde aber auch einen unmittelbaren Verlust zu beklagen: Neben der Hauptkirche und der Spitalskirche war die Klosterkirche, also die ehemalige Dominikanerkirche in der Sporergasse, das dritte in Gebrauch stehende evangelische Gotteshaus. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erfuhr es sogar verschiedene Erneuerungen. Die alten Klostergebäude dienten als »deutsche Schule«, also als Volksschule im Gegensatz zum Gymnasium als Lateinschule am Kirchhof, sodann als Pfarrwohnungen sowie als städtisches Lager. Die Baulichkeiten waren immer wieder ausgebessert worden. Auch auf diese Anlage hatten die österreichischen Besatzer es abgesehen. Es bedurfte jedoch erst eines kaiserlichen Befehls und des militärischen Einschreitens des Generals, bis der Stadtrat die alte Klosteranlage 1728 räumen ließ. Nun zogen Ursulinernonnen ein. Unter ihrer Ägide setzte ein barocker Umbau ein, nur noch das Äußere erinnert an die Spätgotik. Auch sie schufen hier schon 1733 eine Schule - eine Zweckbestimmung, die der Anlage bis heute erhalten geblieben ist. Die Gegenreformation beschränkte sich aber nicht auf Äußerlichkeiten, wie etwa die Aufstellung einer Nepomukstatue zunächst auf der Brücke vor dem Burgertor und 1734 schließlich mitten auf dem Großen Ring. Die katholische Kirche und zumal die Jesuiten versuchten natürlich, vor allem die Protestanten zum Kirchenübertritt zu bewegen. Die Ernte im sächsischen Weinberg war sehr gering. Dennoch machten zuweilen Mitglieder der Oberschicht, die die Beamtenlaufbahn einschlugen, von dem Mittel der Konversion Gebrauch, um schneller hohe Ämter in der Landes- oder selbst in der Nationsverwaltung zu erringen. 1742 wählte die Kommunität Michael Czekelius Die Landeshauptstadt

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Der G r o ß e Ring auf einer Fotographie um 1 8 6 0 (im B i l d von links nach rechts): Brukenthalpalais, im H i n l e r g r u n d der Turm der e v a n g e l i s c h e n Stadtpfarrkirche, katholische Pfarrkirche und Nepomukstatue.

von Rosenfeld zum Königsrichter und »Sachsenkomes«, wie nun immer häufiger mit Rückgriff auf das Mittelalter gesagt wurde. Allerdings blieb die laut Leopoldinum notwendige Bestätigung aus Wien aus. Stattdessen ernannte Maria Theresia zwei Jahre später den soeben zum Katholizismus übergetretenen Bürgermeister der Stadt, Stephan Waldhütter von Adlershausen, zum Königsrichter. Die Stadtbevölkerung geriet in Erregung und die Hundertmannschaft trachtete danach, seine Einfuhrung zu verhindern. Tatsächlich zögerte Waldhütter - wohl auch wegen jener Stelle seines zu schwörenden Eides, die sich auf den Schutz der evangelischen Kirche bezog. Beinahe hätten Hundertmänner und Rat es geschafft, ihn vom Amtseid abzubringen und somit vom Antritt des usurpierten Amtes, doch die Staatsmacht war schneller. Der Kommandierende hatte Waldhütter zum Eid als Gubernialrat gezwungen und den Komeseid fur ihn so verändert, daß aus konfessioneller Hinsicht keine Bedenken mehr bestehen konnten. So wurde er im Februar 1745 als erster katholischer Königsrichter seit der Reformation installiert und behielt diese Würde bis zu seinem Tod 1761. Die Gemüter aber blieben erregt, Flugzettel tauchten 1745 allerorten auf und wurden an öffentliche Stellen geheftet. Der neue Komes wurde verhöhnt und beschimpft, den Hun138

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dertmännern, die doch als letzte und nur der militärischen Macht gewichen waren, wurde Feigheit vorgeworfen. Waldhütter aber wurde künftig aus allen evangelischen Institutionen ausgeschlossen, also praktisch aus den meisten Einrichtungen jenes Gemeinwesens, dem er als oberster Repräsentant vorstand. Die Zunahme katholischer Stadtbürger und bald auch katholischer Rats- und Kommunitätsmitglieder hatte zur unmittelbaren Folge, daß Stadt- und Kirchengemeinde nicht mehr identisch waren - erstmals seit der Stadtgründung. So kamen grundsätzliche Probleme bei der Leitung und Verwaltung konfessionell evangelischer Einrichtungen der Stadt auf, also im wesentlichen der alten Kirchen und der Schulen. Stadtpfarrer und Gymnasialrektor etwa wurden von äußerem und innerem Rat gewählt, wovon katholische Mitglieder nun ausgeschlossen wurden. Mittelfristig mußte diese Abgrenzungsproblematik natürlich zu Reibungen fuhren. Die Evangelischen reagierten darauf mit der der Einrichtung einer Gemeindevertretung: 1753 trat erstmals ein evangelisches Konsistorium in Hermannstadt zusammen. Und 1762 schließlich fand die Stadtpfarrerwahl erstmals in der Hauptkirche und nicht mehr im Rathaus statt - die Trennung von politischer und kirchlicher Gemeinde hatte Gestalt angenommen. Im allgemeinen aber mag das Beispiel Waldhütter abschreckend gewirkt haben, die Zahl der Konvertiten blieb auch künftig verschwindend gering. Vielmehr erfuhr die evangelische Kirche durch die Angriffe von außen eine innere Stärkung - wohl auch aus dem nun wahrnehmbaren Kontrast zum Reformkatholizismus, der mit dem alten papistischen Feindbild nicht mehr viel zu tun hatte. Die Sachsen galten inzwischen auch in Wien als dermaßen verstockt im Festhalten an ihrer Augsburgischen Konfession, daß Karl VI. und Maria Theresia die eigenen, österreichischen Protestanten, die allen Rekatholisierungsversuchen widerstanden hatten, zwangsweise nach Siebenbürgen umsiedelten. So sollten die Untertanen als steuerzahlende Bürger im Reich der Habsburger behalten und nicht wie vorher ausgewiesen werden. Doch schon zwei Wochen nach Erlaß des Transmigrationspatents Kaiser Karls VI. 1733, noch Monate bevor die ersten Deportierten in Siebenbürgen eintrafen, schrieb der Hermannstädter Bürgermeister protestierend nach Wien, daß man »nicht diese odiösen Emigranten, sondern andere altdeutsche Colonien hereinbringen« möge. Mit massenhaft zwangsweise umgesiedelten Bergbauern wollte man nichts zu tun haben, aus Hermannstädter Sicht Die Landeshauptstadt

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sollte es bei einzeln zuwandernden Handwerkern bleiben. Offenbar war es für die sächsische Obrigkeit auch indiskutabel, in den Augen der österreichischen Machthaber auf einer Stufe mit den ausgewiesenen und verachteten Kryptoprotestanten zu stehen, selbst wenn sie von deren ausgeprägter Frömmigkeit noch gar nichts wissen konnten. Im Oktober 1733 kamen die ersten zwei Dutzend Transmigranten aus dem Salzburger Land, 1734 bis 1739 folgten weitere etwa Tausend aus dem Salzkammergut und aus Kärnten. Danach wurden die Deportationen erst 1752-1757 unter Maria Theresia fortgesetzt und fanden mit Steiermärkern 1774 ihr Ende, zusammengenommen wohl bei 4.000 Personen. Es war der seit dem Mittelalter größte Zuzug deutscher Siedler nach Siebenbürgen. Allerdings waren sie diesmal nicht willkommen. Ihre zentrale Anlaufstelle wurde in Hermannstadt eingerichtet, wo das Transmigranten-Inspektorat, 1752 eingerichtet, jahrelang von einem unfähigen Beamten verwaltet wurde. Viele dieser vertriebenen Österreicher hausten elend verstreut in Gemeinden zwischen Hermannstadt und Broos, Mitte der fünfziger Jahre über 400 aber auch in Massenunterkünften im Retranchement jenseits des Zibin, aufMeierhöfen oder im Spital. Ihr Guthaben wurde ihnen mit ungeheurer Verspätung ausgezahlt, der zugesagte Grund und Boden wurde nicht oder sehr spät zugewiesen. 1755 kam es zu einem Aufruhr von über hundert Deportierten, die vor der Wohnung des zuständigen Beamten, des Konvertiten Wankhel von Seeberg, demonstrierten. Er ließ den Aufruhr vom Militär niederschlagen, die Unzufriedenheit der Deportierten aber blieb. Auch die große Wohnanlage, die Seeberg bis 1756 im Retranchement für rund 50 Transmigranten-Familien errichten ließ, wurde nicht angenommen, die kasernenmäßige Unterbringung widersprach ihrer Ausrichtung auf den Landbau. Sie waren zwar von ihrer Ankunft an Mitglieder der Sächsischen Nation mit der Option aufjede Art des Bürgerrechts, die Sachsen aber hielten eine unwürdige Distanz zu ihnen. Erst allmählich klärten sich die Verhältnisse und die »Landler«, wie sie nun kollektiv bezeichnet wurden, wurden im wesentlichen in den Dörfern Neppendorf und Großau nahe Hermannstadt sowie in Großpold im Reußmarkter Stuhl angesiedelt. Hier sollten sie sich bis ins 20., ja bis ins 21. Jahrhundert hinein als eigene Gruppen auszeichnen. In Hermannstadt gingen die Verbliebenen, letztlich wohl über 500, binnen einiger Generationen unter den einheimischen Sachsen auf. 140

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In das Ansiedlungsdurcheinander der Landler gehört das intrigante Wirken des Jesuitenpaters Delphini, der es verstand, das »Theresianum«, wie der für die Glaubensdeportierten errichtete Gebäudekomplex genannt wurde, fiir eigene Zwecke zu entfremden: Die Anlage wurde zum katholischen Waisenhaus, zugeordnet eine kleine Kirche, die noch verbliebenen Protestanten wurden 1765 gewaltsam entfernt. Schließlich war nur wenige Jahre vorher, 1758, ein evangelisches Waisenhaus vor dem Sagtor eingerichtet worden. Doch nicht nur die katholische Seite reagierte, die beiden Konfessionen trachteten danach, gleichzuziehen. Nach der Verdrängung aus der Klosterkirche in der Sporergasse, wo die Ursulinernonnen einzogen, hatten die Hermannstädter Sachsen schon 1728 den noch stehenden Chor der Elisabethkirche in der Unterstadt, der alten Kirche der Franziskaner, wieder in Benutzung genommen. Der Begriff »Klosterkirche« ging nun allmählich auf dieses Gotteshaus über. Vom Rest dieses im Laufe der Zeiten mannigfaltig, aber nur profan genutzten Klosters waren nur mehr Ruinen übrig. Eine weitere Kirche richtete die evangelische Gemeinde auf der Lügenbrücke ein, in jenem Raum, den die Jesuiten bis zur Fertigstellung ihrer großen Kirche nutzten. Der »Laubenprediger« war dafür zuständig, in den neunziger Jahren einer von insgesamt acht Predigern neben dem Stadtpfarrer. An Sonntagen fanden neun evangelische Gottesdienste statt, zwei weitere für die Gefangenen, während der Woche gab es zwölf Predigten und Betstunden - Zeichen einer noch lebhaften Frömmigkeit, die der katholischen kaum nachgestanden haben mochte. 1760 schließlich baute die evangelische Kirche die Spitalskirche um und verlieh ihr das teilweise barocke und bis heute erhaltene Aussehen. Zwei deutschsprachige Gemeinden, jede mit vier Gotteshäusern, hatten sich nebeneinander etabliert, wobei sich die evangelischen Sachsen nun zunehmend auch begrifflich von den katholischen »Deutschen« unterschieden. Neben den Landlern war eine andere größere Zuwanderergruppe jene der preußischen Kriegsgefangenen der Schlesischen Kriege und des Siebenjährigen Krieges - auch in diesen Fallen sollten Untertanen gewonnen und als Protestanten möglichst dorthin abgeschoben werden, wo sie ohnehin nicht zu vermeiden waren. Etliche Hermannstädter und andere sächsische Familien gehen auf sie zurück. Doch würde ein falsches Bild entstehen, wenn nur von evangelischen Zuwanderern gesprochen würde. Mit dem Militär und den - wenn Die Landeshauptstadt

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auch nicht zahlreichen - österreichischen Beamten kamen zunehmend mehr neue Einwohner aus dem gesamten habsburgischen Raum in die Stadt. Diese waren fast ausnahmslos katholisch, und da die Vergabe des Bürgerrechts - aus dem Rechtskontext des Mittelalters herrührend - zwar an die deutsche Herkunft, nicht aber an eine Konfession gebunden war, konnten sie sich langfristig in Hermannstadt niederlassen. Die Protektion der Landesherrschaft bot ihnen sogar Aufstiegschancen. Uberhaupt mischte sich der Hof zunehmend in die inneren Angelegenheiten der Stadt ein. 1750 wurde der Vollzug der höheren Beamtenwahlen verboten, und im Folgejahr bestand Maria Theresia darauf auch katholische Kandidaten fur den Magistrat zu nominieren. Ein Konvertit ohne eigentliche Eignung mußte ohne Wahl in den Magistrat aufgenommen werden, ein anderer wurde der Kommunität 1752 gar als Orator aufgezwungen. Diese Maßnahmen im Namen des allerhöchsten Erzhauses wurden zähneknirschend hingenommen, eine Opposition gegen die Herrscherin widersprach dem Selbstverständnis der kaisertreuen sächsischen Oberschicht. Allerdings hatten die Senatoren und die Oberbeamten auch sehr viel schwerwiegendere Probleme zu schultern, die Stadt- und Nationsfinanzen etwa. Die Regelung der Steuern und ihre gerechte Aufteilung war eine Frage, die seit Beginn der Habsburgerherrschaft behandelt wurde, aber ungelöst blieb. Die hohe Belastung der Sächsischen Nation ließ sich nicht in den Griff bekommen, weil den Sachsen die rechten wendigen Vertreter in Wien fehlten, wo sie zudem von den Ungarn oft übervorteilt wurden. Delegation um Delegation ging von Hermannstadt nach Wien ab, ohne wirklich Erfolge zu erzielen. Ein Blick auf den Jahreshaushalt von Stadt und Stuhl Hermannstadt 1750 läßt die Schwachstellen sofort erkennen: Über 121.500 Gulden wurden fur das dort stationierte Militär ausgegeben, Stadt und Stuhl benötigten rund 24.700 Gulden, wovon 3.660 Gulden Zinsen fur aufgenommene Schulden waren. Vor diesem Hintergrund wird es leichter nachvollziehbar, weshalb die Stadtfuhrung sowohl die grundherrlichen Besitzungen wie aber auch mehrere eigentlich freie Stuhlsgemeinden in eine zunehmend stärkere Abhängigkeit brachte und gnadenlos belastete. Überhaupt ist angesichts des zunehmenden Zuzugs und des Wandels der äußeren Bedingungen eine Verhärtung in der Haltung der Oligarchen zu erkennen. Sie betrachteten die Sächsische Nation nun zunehmend wie einen kollektiven Adel, der sich nur ausnahmsweise und nur wenigen Erlesenen öffnete. Eine

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frühere Stärke der sächsischen städtischen Gesellschaft, ihre Offenheit und Integrationskraft, verkehrte sich nun in ihr Gegenteil. Bei der Einrichtung der Siebenbürgischen Militärgrenze 1761/62, die eine militarisierte Zone entlang der Grenzen nun auch in diesem Landesteil zum Ziel hatte, vermochte Hermannstadt eine fur die Nationsinteressen glimpfliche Lösung auszuhandeln: Nur fünf Ortschaften - einer aus dem Stuhl Hermannstadt, einer aus dem Filialstuhl Talmesch und drei von den Siebenrichter- und Stadtgütern - mußten den Militärbehörden abgetreten werden. Als Ausgleich wurde der Sächsischen Nation 1765 der Fogarascher Distrikt fur 99 Jahre verpachtet, nachdem die Sieben Stühle ihn bereits zwischen 1469 und 1528 wiederholt zu Lehen hatten. Die Rückstellung an den Staat sollte - mit kurzen Unterbrechungen während der Aufhebung der Verfassung 1871 erfolgen. Doch jenseits der streng gewahrten ständischen Trennlinie fand ein ganz andersartiger Austausch mit der Monarchie und vor allem mit ihrer Hauptstadt statt. Wiener Einfluß machte sich nämlich allmählich in allen Bereichen des Alltags und der Kultur bemerkbar. Zunächst betraf dies Äußerlichkeiten. Als erstes ahmte der in der Stadt weilende ungarische Adel Wiener Mode in Kleidung und Frisuren nach, nach einiger Zeit der Distanzierung folgte aber auch die wohlhabende sächsische Gesellschaft. Schon in den 1720er Jahren gab es häufige Musikabende, es folgten Tanzveranstaltungen, dann sporadische, später regelmäßige Theatervorführungen. Ohne wirklich weltstädtisch zu sein, wurde Hermannstadt nun für siebenbürgische Verhältnisse zu einer kulturell agilen, mit Einschränkungen sogar offenen Stadt. Neue Handwerkszweige ließen sich hier nieder, etwa Perückenmacher, deutsche Schneider und Schuster im Gegensatz zu den sächsischen Schneidern und Stiefelmachern. Gleichzeitig wurden die Grundlagen für einen langfristigen, bis ins 19. und 20. Jahrhundert reichenden sprachlichen Wandel gelegt: Im Kontakt mit den Deutschen und anderen Zuwanderern aus der Monarchie, ob nun Italiener oder Slawen, mußte notgedrungen das Hochdeutsche benutzt werden, lediglich die sich vollständig eingliedernden Evangelischen erlernten das Sächsische. So entstand einerseits das für Hermannstadt und Kronstadt typische, stark österreichisch-nasal gefärbte Siebenbürger Deutsch, das sich vom erzwungenen Hochdeutsch auf dem Lande durch Klangfarbe und Satzmelodie deutlich unterschied. Auf der anderen Seite aber entwickelte sich auf lange Sicht im sozial Die Landeshauptstadt

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benachteiligten Umfeld vor allem der Unterstadt oder einzelner Vorstädte das sogenannte Kucheldeutsch, ein durch die vielen Neuhermannstädter geprägtes Kauderwelsch auf hochdeutscher Grundlage. Am sichtbarsten aber blieben die Veränderungen dieser Zeit in der Architektur. Das 17. Jahrhundert hatte neben dem Bau einstöckiger Wohnhäuser in der Oberstadt kaum Spuren hinterlassen, danach hatten Geldmangel sowie Besatzung mit Quartierlegung jede weitere bauliche Entwicklung gebremst. Die Jesuitenkirche mit ihrer breiten Fassade und dem Zwiebelturm brachte den Barock in die Stadt, bald gefolgt vom benachbarten Jesuitenkolleg. Andere Neubauten aber unterblieben. So konnte eine kaiserliche Quartierkommission 1762 feststellen: »Hermannstadt bestehet größtenteils aus kleinen nach der alten Gewohnheit nur zum bürgerlichen Gewerbe errichteten Häusern.« Um die Wohnsituation in der Landeshauptstadt zu verbessern - schließlich mußte das Militärkommando der Provinz mit einem ansehnlichen Stab und viel Mannschaft untergebracht werden -, wurde ein modern anmutendes Bauprogramm aufgelegt, das Darlehen mit vierprozentiger Verzinsung vergab. So wurden zwischen 1763 und 1776 immerhin 72 Häuser neugebaut oder modernisiert und vergrößert. Einen anregenden Schub brachte schließlich das ab 1778 errichtete Brukenthal-Palais an der Stelle zweier alter Bürgerhäuser am Großen Ring - das Hauptgebäude mit der den Platz bestimmenden Front stand bereits im Folgejahr. 1779 begann sogar der Bau des ersten größeren öffentlichen Gebäudes nach Jahrhunderten, nämlich des Neubaues des Hermannstädter Gymnasiums längs der Südfront des Kirchhofs anstelle mehrerer alter Schulhäuser. 1789 stand die Schule so, wie wir sie heute kennen, fertig da. Viele Wohn-, Geschäftsund Gewerbehäuser wurden nun neugebaut oder alte Gebäude spätbarock und bald klassizistisch umgestaltet, die Stadt fing langsam an, etwas moderner und freundlicher zu werden. Von Wiener Verhältnissen aber war Hermannstadt noch weit entfernt. Die Gassen und Plätze waren ungepflastert und bei nassem Wetter unpassierbar, die durchfließenden Bächlein und Rinnsale waren nicht eingefaßt und dienten der Entsorgung des Abfalls. Die feinen Herrschaften, die statt der landesüblichen Stiefel, den Tschismen, lieber moderne Schnallenschuhe trugen, mußten sich in Schäffern von Dienern über den Morast tragen lassen. Ansonsten behalfen sich die Hermannstädter mit Planken, über die man an den schlimmsten Stellen vorbeibalancierte. In den Gassen durfte zudem das in den Ställen 144

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der Hinterhöfe lebende Vieh frei herumlaufen - ganz zu schweigen von einem regelmäßigen Abstransport des sich ansammelnden Mülls oder von nächtlicher Beleuchtung. Es waren vor allem die österreichischen Offiziere mit dem Kommandierenden an der Spitze, die hier auf Verbesserungen drängten: Um die Mitte des Jahrhunderts setzten erste Pflasterungen ein, zunächst um die Brunnen, dann der Heltauer Gasse und teilweise des Großen Rings. Die Bäche wurden in Kanäle gelegt und 1768 wurde verfugt, daß Rinder und Schweine nicht mehr frei durch die Gassen laufen sollten. Das reichte alles nicht, um Joseph II., Mitregent der österreichischen Länder, aber schon römisch-deutscher Kaiser - es reichte nicht, um Joseph gegenüber Hermannstadt bei seinem ersten Besuch 1773 milde zu stimmen. Er äußerte sich despektierlich über die Stadt und ihre Einwohner und verglich Hermannstadt mit einem entlegenen böhmischen Städtchen. Dennoch hinterließ er dort einen bleibenden Eindruck und einen dauerhaften Namen. Er nächtigte nämlich im alten städtischen Gasthaus »Zum türkischen Sultan« in der Heltauer Gasse, damals gepachtet vom Luxemburger Collignon und betrieben unter dem Namen »Zum Blauen Stern«. Der herrschaftliche Glanz machte daraus bald den Gasthof »Zum Römischen Kaiser«, der bis heute überdauert hat auch wenn die Mehrheit der heutigen Hermannstädter damit eher einen alten Römer assoziieren mag. Josephs II. erste Siebenbürgen-Reise, zu deren Abschluß er sich zwei Wochen in Hermannstadt zur Aufarbeitung der Reiseergebnisse aufhielt, hatte jedoch eine viel weitreichendere Folge: die Ernennung Samuel von Brukenthals zum Präses des Guberniums. Nachdem drei Kommandierende Generäle seit 1762 auch das Amt der Gouverneurs versehen hatten und anschließend ein unfähiger und meist ortsabwesender Gouverneur keine Ordnung in das Verwaltungsdurcheinander zu bringen vermocht hatte, wurde auf den Leiter der Siebenbürgischen Hofkanzlei in Wien als weithin bekannten Fachmann zurückgegriffen. Brukenthal hatte 1773 schon eine bedeutende Karriere hinter sich. Sie begann 1741 zunächst als Kanzlist beim Gubernium in Hermannstadt. Nach der Rückkehr vom anschließenden Studium trat der gebürtige Leschkircher Königsrichtersohn in den Dienst der Sächsischen Nation und war dabei unter anderem flir deren Archiv zuständig. Hier eignete er sich jene umfassenden Kenntnisse der komplizierten Rechtsverhältnisse des Landes an, die ihn nachher vor allen anderen auszeichnen sollten. Und ab 1753 hatte die Die L a n d e s h a u p t s t a d t

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Nation offenbar den Mann gefunden, der in Wien den rechten Ton und die richtigen Türen fand - und freilich auch viel herablassende Demütigung, weil man ihm seine niedrige Herkunft vorwarf, aus einem Bauerngeschlecht nämlich. Als er 1761 zum Hermannstädter Königsrichter gewählt wurde, als Nachfolger des zweifelhaften Waldhütter, versagte ihm der Hof jedoch die Bestätigung. Vielmehr ernannte ihn Maria Theresia, die ihn als unschlagbaren Administrator kennen und schätzen gelernt hatte, 1762 zum Provinzialkanzler und erhob ihn in den Freiherrenstand. Als solcher setzte er unter anderem endlich ein weitgehend ausgeglichenes Steuersystem um, das bis 1850 Bestand haben sollte. Hermannstadt gehörte dabei zusammen mit Kronstadt und den beiden Armenierstädten - mit 10 Gulden pro Steuerzahler zur Spitze des Landes. Der nach Wien abgeordnete Brukenthal übernahm dort zunehmend höhere Aufgaben bis hin zur faktischen Leitung der Siebenbürgischen Hofkanzlei - als Protestant konnte er jedoch nicht Hofkanzler werden. Auf seinen Ratschlag hin erfolgte 1765 die Erhebung Siebenbürgens zum Großfurstentum. Als ihn Maria Theresia 1774 zunächst zum Präses des Guberniums ernannte und er nach Hermannstadt zurückkehrte, mußte er als erstes die Verwaltung des Landes neu ordnen und bald einen massiven Angriff auf das sächsische Niederlassungsrecht abwehren. Nicht nur deswegen hatte er als erster sächsischer Gouverneur des Landes unter dem ungarischen Adel wenige Freunde. Die reguläre Ernennung zum Gouverneur erfolgte 1777 - verbunden mit einer feierlichen Einfuhrung. Diese »übertraf an Geschmack, Ordnung und Pracht alle Installationen von Gubernatoren und Präsidenten des Gubernii«, die zu jener Zeit erinnerlich waren, wie ein Augenzeuge vermerkte. Eine Prachtentfaltung wie an diesem 12. November hatte Hermannstadt seit den Besuchen von Königen im späten Mittelalter nicht mehr gesehen. Die vier Divisionen der Garnison, zwei eigens in die Stadt beorderte Abteilungen Kürassiere, die gesamte Bürgerschaft in Dolman, Mente und Waffen standen mit fliegenden Fahnen Spalier auf dem Großen Ring. Der Kommandierende General empfing Brukenthal morgens in seiner Kommandantur und geleitete ihn in einer sechsspännigen vergoldeten Kutsche an der Parade entlang und vorbei an den herandrängenden Menschenmassen zum Gubernialamtshaus - also wohl in mehreren Schleifen über den Großen Ring, zu Fuß wären es vielleicht zwei-drei Minuten an ein paar Häuserfronten vorbei gewesen. Dort wurden der General 146

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und der zu Installierende von allen hohen Würdenträgern des Landes erwartet - alle Komitate und Stühle hatten ihre Vertreter entsandt, denn der wegen der Weinernte nach hinten verschobene Termin hatte dafür genügend Zeit gelassen. Nach der Einsetzungsmitteilung durch den Kommandierenden vor allen Würdenträgern im Saal des Guberniumshauses ertönten draußen zwölffach Kanonensalven - die Reden und anschließenden Festlichkeiten nahmen ihren Anfang. Welch ein erhebendes Gefühl muß es für die Hermannstädter Bürgerschaft gewesen sein, als jener Mann, den sie vor einigen Jahren noch zu ihrem Königsrichter gewählt hatte, nun als der oberste Vertreter Wiens, als höchster Beamter des Landes vor ihren Augen vom ganzen Lande gefeiert wurde - und das, obwohl er Lutheraner blieb, trotz persönlichen Drängens der Herrscherin, und, bei aller Geschicklichkeit auf dem Wiener Parkett, vom freiheitlichen Ideal seines Bürgerstandes kein Jota abrückte. Es mußte die Hermannstädter und sicher auch weite Kreise der Sachsen auch innerlich mit dem Hause Habsburg wieder aussöhnen, da sie nun durch diese hohe Würde eines Standesgenossen als anerkannt gelten mußten - als unbekehrbare Protestanten wie als kollektiv adlige Gruppe. Eine Aussöhnungjedenfalls fur den Moment, politische Gewitterwolken waren während dieses Hochgefühls nicht vorstellbar. Während sich Brukenthal als Gouverneur mit echt protestantischem Arbeitsethos an die Straffung der Landesverwaltung begab, erlebte Hermannstadt in diesen Jahren das Aufblühen einer vielfaltigen Kulturszene. Schon 1767 war hier eine Freimaurerloge gegründet worden, die den sprechenden Namen »St. Andreas zu den drei Seeblättern« trug - in Anlehnung an die Rolle König Andreas' II. für die Stadt und die nicht deutbaren Blätter aus den Wappen der Sieben Stühle und Hermannstadts. Bis zu ihrer Auflösung 1790 gehörten der Loge knapp 280 Freimaurer an, wobei Beamte des Guberniums und der Sächsischen Nation sowie Offiziere ganz klar dominierten. Doch auch zahlreiche Geistliche, Lehrer, Arzte gehörten zu den Mitgliedern, vor allem aber waren zahlreiche ausländische Akademiker dabei und sie waren konfessionell und ethnisch stark durchmischt - ein siebenbürgischer Idealfall schien sich in diesem elitären, humanistischen Ideen verschriebenen Kreis zu konkretisieren. Erst 1777 trat die Loge aus ihrem Wirken im Stillen hervor. Auch Brukenthal war Freimaurer. Ein Interessenschwerpunkt der Hermannstädter Maurerbrüder lag auf naturwissenschaftlichen Fragen, erst spät gefolgt von historisch Die Landeshauptstadt

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ausgerichteter Landeskunde. Eine 1769 in Hermannstadt gegründete »Gesellschaft der Beförderer der Künste und des Ackerbaus« kam zwar auf Druck von Hofbeamten zu Stande, zeigt aber doch, daß hier ein entsprechendes Umfeld fiir volkswirtschaftliche Zielsetzungen zu finden war. Daß der Theaterbetrieb in der Stadt ab den sechziger Jahren einen großen Aufschwung erlebte, ist eher dem nicht dauerhaft hier lebenden, weltläufigen Publikum zu danken als den eher provinziell orientierten Stadtbürgern. 1766 wurde in einem Haus am Großen Ring, dem späteren Blauen Stadthaus, ein Schauspielsaal eröffnet, in den siebziger Jahren gab es zeitweilig gar zwei Bühnen in der Stadt. Diesem regen Theaterinteresse, das allmählich auch die Sachsen nachhaltig ergriff, ist das erste Periodikum Siebenbürgens schlechthin zu verdanken: 1778 erschien in Hermannstadt das »Theatral-Wochenblatt«, immerhin zwölf Nummern lang. Für den Druck zeichnete ein Mann verantwortlich, dem es im gleichen Jahr gelang, mit kaiserlichem Privileg die erste dauerhafte Buchhandlung Siebenbürgens einzurichten, nämlich Martin Hochmeister. In dieses geistige Umfeld zogen immer wieder auch Wissenschaftler: so 1777 fur rund zwei Jahre Samuel Hahnemann, später der Begründer der Homöopathie, in Hermannstadt Leibarzt und Bibliothekar Brukenthals, oder 1778 Franz Joseph Müller von Reichenstein als Leiter des siebenbürgischen Berg-, Hütten- und Salinenwesens, der in seinem Hermannstädter Laboratorium das Element Tellur entdeckte. Geistiger Austausch war also auf vielfachen Ebenen möglich, bald auch in den Lesegesellschaften, deren erste der nachmalige evangelische Stadtpfarrer Johann Filtsch 1784 gründete. Hermannstadt war eine weltoffene Stadt geworden, für Siebenbürgen tatsächlich so etwas wie das »Tor zur Welt«. Zwar war Kronstadt von seiner Einwohnerzahl und seiner ökonomischen Leistungskraft Hermannstadt deutlich voraus, und Klausenburg zog noch gleich auf, mit dem geistigen Klima dieser Stadt konnten sie es aber nicht aufnehmen: Kulturelle und wissenschaftliche Strömungen, Neues in der Kunst, der Ökonomie, der Publizistik, der Musik oder der Mode, aber auch politische Entwicklungen wurden in Siebenbürgen hier zuerst wahrgenommen. Die Briefpost nach Wien verkehrte täglich, hinzu kamen jedoch noch besondere Verbindungen der Hofstellen und ganz unabhängig davon das Militär - der Puls der Reichshauptstadt wurde hier aufgenommen und gefiltert ins Land weitervermittelt. 148

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Diese Öffnung der Stadt sollte sich in den Folgejahren gegen den ausdrücklichen Willen der Sachsen wesentlich verstärken. Deren Hochgefühl nach Brukenthals Gouverneursinstallation währte nicht lange. Nach dem Tode Maria Theresias 1780 schritt Joseph II. unmittelbar an die Verwirklichung seiner Idee eines aufgeklärten absolutistischen Staates. Der endlich alleinherrschende Kaiser hatte es dabei in besonderer Weise auf die mittelalterlichen Ständestrukturen Siebenbürgens abgesehen, wovon er als erstes das sächsische Niederlassungsrecht kippte: 1781 erließ er das sogenannte Konzivilitätsreskript, eine kaiserliche Verordnung, die nun allen freien Einwohnern Siebenbürgens die Möglichkeit einräumte, sich auf Königsboden und in sächsischen Städten niederzulassen, Häuser und das Bürgerrecht zu erwerben. Dabei hatten der Kaiser und seine Beamten in erster Linie die Herstellung gleicher Verhältnisse für die drei Stände des Landes, weniger für andere Gruppen im Auge. Doch der Adel der Komitate und der Szekler freute sich zu früh, Joseph erließ eine Reform nach der anderen: 1784 eine Verwaltungsreform unter anderem mit Auflösung der Sächsischen Nation, dann die Einfuhrung des Deutschen als Amtssprache, 1786 eine neue Komitats- und Gerichtseinteilung, 1787 ein neues Strafgesetzbuch. Verwaltung und Jurisdiktion des Landes standen praktisch still. Waren die ihrer feudalen Verhältnisse schon vorher schwer entwöhnbaren siebenbürgischen Beamten den Wiener Direktiven nur mißmutig gefolgt, so fanden sie vielerlei Wege, das sicher vorhandene Reformpotential durch Verschleppen verpuffen zu lassen. Selbst der effiziente Administrator Brukenthal vermochte nicht mehr viel auszurichten. Bei Josephs II. drittem Besuch in Hermannstadt 1786 brachte er dem Kaiser seine Bedenken gegenüber Reformkonzept und Reformfortschritt devot, aber deutlich zum Ausdruck. Der Dank des darauf nicht antwortenden Monarchen erfolgte 1787 mit der Entlassung aus dem Amte. Der dem Kaiser eher zugetane neue Gouverneur Georg Bänffy konnte den Gang der Dinge auch nicht ändern, Siebenbürgen war fast zu Tode reformiert. Es war viel zu rückständig, um binnen weniger Jahre den Anschluß an Mitteleuropa umzusetzen. Hingegen traf Josephs Toleranzgesetzgebung von 1781 durchaus die Bedürfnisse Siebenbürgens. Sie verhalf der bereits über 200 Jahre alten Religionsfreiheit wieder zu mehr Recht, da sich die katholische Kirche nun nicht mehr ohne weiteres über die anderen Konfessionen zu setzen vermochte - zahlreiche Konvertiten wechselten nun wieder zu den Die Landeshauptstadt

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protestantischen Kirchen oder zur orthodoxen Konfession zurück. Die Orthodoxen erhielten durch die dauerhafte Wiedergründung ihres Bistums und die Neuberufung eines Bischofs einen deutlichen Auftrieb. Für dessen feierliche Einsetzung im Juli 1784 stellte Brukenthal sogar sein neues Palais am Großen Ring zur Verfugung. Bischof Nikititsch residierte in Hermannstadt, wo sich auch seine regulär bestellten Nachfolger niederließen, bis die Stadt ab 1811 dauerhaft zum religiösen Zentrum der Orthodoxen Siebenbürgens werden sollte. Zuständig fur dieses Bistum war der serbische Metropolitensitz Karlowitz im habsburgischen Hoheitsbereich. Es folgte bald der Bau mehrerer griechisch-orthodoxer Kirchen auf Stadtgebiet, wenn auch außerhalb der Stadtmauern: zunächst 1788/89jener in der Grabengasse in der Josefvorstadt, 1791 einer weiteren in der Langgase in der Burgervorstadt (rumänisch »Biserica din Maierii« nach den Meierhöfen genannt). Auch das vor bald hundert Jahren in der Fleischergasse für die vornehmen orthodoxen Kaufleute eingerichtete Bethaus wurde 1790-1799 als turmlose Kapelle neugebaut. Die Rumänen, die den Großteil der Orthodoxen bildeten, waren nun zu einer deutlich wahrnehmbaren Minderheit in der Stadt geworden. Schon 1778 hatte in der Sagvorstadt der Bau einer unierten Kirche begonnen, was vom Magistrat angesichts des besonderen kaiserlichen Schutzes für diese »griechisch-katholischen« Rumänen nicht verhindert werden konnte. Doch die konfessionelle Vielfalt wurde noch größer. Das Konzivilitätsreskript von 1781 eröffnete den anderen siebenbürgischen Ständen die Option des Hauserwerbs in der Stadt, so daß die schon seit Jahrzehnten zahlreich in der Stadt lebenden ungarischen reformierten Beamten nun eine eigene Kirche erhalten konnten: 1785 entstand ein Bau mit klassizistischer Fassade in der Fleischergasse. Die katholische Gemeinde hatte inzwischen einen eigenen Stadtpfarrer, denn der Jesuitenorden war 1773 vom Papst aufgelöst, seine Mitglieder ausgewiesen worden. Die Jesuitenkirche wurde zur Pfarrkirche, das Jesuitenkolleg zum katholischen Gymnasium, an dem bekannte Lehrer wirkten. Im Kontrast dazu wird auch das Bedürfnis der evangelisch-sächsischen Gemeinde verständlich, sich durch einen repräsentativen Schulneubau und durch Stärkung des Schul- wie des Kirchenwesens allgemein der eigenen Stellung zu vergewissern. Von den josephinischen Reformen war jedenfalls keine andere Stadt Siebenbürgens in so hohem Maße betroffen wie Hermannstadt. 150

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In Klausenburg durften sich Ungarn schon seit dem Mittelalter und Adlige mit eigenem Recht schon seit geraumer Zeit niederlassen. Kronstadt hatte einen noch etwas kräftigeren Kaufmanns- und Handwerkerstand, vor allem aber war es nicht Nationsvorort oder Sitz von Landesbehörden. Die reichen Armenierstädte lagen ohnehin auf Komitatsboden und andere, wie Bistritz, waren in der Bedeutung längst zurückgefallen. In Hermannstadt aber war der Druck von Nicht-Sachsen in die Stadt am größten, da die Gubernialbürokratie hier lebte und die »griechischen« Kaufleute hier mächtig waren schließlich hatte sich die sächsische Oberschicht zu großen Teilen ins Beamtenwesen zurückgezogen. Doch auch die Sächsische Nation mit ihrer Zuständigkeit für den Königsboden und für die ausgedehnten Besitzungen sollte es nach dem Willen Josephs II. nicht mehr geben, ja, er verbot sogar den Nationsnamen. Die neu eingerichteten Verwaltungsstrukturen wie das Komitat Hermannstadt 1784 waren dafür kein Ersatz und sicherten nur Bruchteile des alten sächsischen Einflusses. Die Loyalität gegenüber dem Herrscherhaus forderte zwar die Umsetzung der einander jagenden Direktiven, Verbitterung und Ratlosigkeit aber wurden zumindest in der Hermannstädter sächsischen Oberschicht bestimmend. Währenddessen war der Magistrat bestrebt, den um Bürgerrechte ansuchenden Nicht-Deutschen möglichst viele Steine in den Weg zu legen. Seit dem Erlaß des Konzivilitätsreskripts bis zum Tode Josephs II. erhielten fünfzehn Vertreter des Adels, siebzehn armenische, »griechische« und italienische Kaufleute und einige wohl ungarische Handwerker, alle zusammengenommen zwischen vierzig und fünfzig Personen, das Niederlassungsrecht in Hermannstadt - an sich keine große Zahl, jedoch ganz außerordentlich, wenn man bedenkt, daß vor 1781 kein einziger und im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts nur zwei Nicht-Deutsche das Bürgerrecht erhielten. Die Zuzügler vom Königsboden blieben die ganze Zeit hinweg die größte Gruppe. Vor allem auf die Neubürger aus dem ungarischen Adel, überwiegend Gubernialbeamte, gingen nun architektonische Akzentsetzungen zurück - etwa das bis heute bemerkenswerte kleine Stadtpalais der Witwe Bethlen mit den Karyatiden, den »steinernen Jungfrauen«, in der Fleischergasse. Es war nun allzu deutlich geworden, daß die bisherigen Herren der Stadt wie zugleich auch der Sächsischen Nation kaum noch echte Entscheidungsgewalt in der Hand hatten. Als Landstand war die Rolle der Sachsen schon längst unbedeutend geworden, da die Die Landeshauptstadt

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Siebenbürgische Hofkanzlei in Wien 1751 die Leitung der Landesverwaltung im wesentlichen übernommen hatte, Gubernium und Stände waren nur mehr ausführende Organe. Zudem wurden sie ab 1761, als sie in Hermannstadt einer jährlichen Steuer zugestimmt hatten, von Maria Theresia nicht wieder einberufen. 1781 kam der Landtag gerade einmal zur Huldigung für Joseph II. zusammen. Spätestens seit der relativ ausgeglichenen Aufteilung der Steuern spielte die Sächsische Nation auch nicht mehr die besondere Schlüsselrolle als Financier des Landes. Selbst innerhalb der eigenen Stadtmauern sollten die Sachsen nun nicht mehr selbstbestimmt leben dürfen. Der Begriff des Finis Saxoniae, des Endes der Sachsen, kam auf - zum ersten Mal. Am Beispiel Hermannstadts ist dies besonders anschaulich. Die Rechtsintegrität des Bereichs innerhalb der Stadtmauern galt als höchstes zu schützendes Gut. Die Vorstädte, die sich im 18. Jahrhundert stark ausgeweitet hatten, wurden diesem gegenüber rechtlich deutlich zurückgestuft - selbst wenn sie von Deutschen bewohnt waren. Neben den ethnisch gemischten Vorstädten in den Zibinsauen vor dem Sagtor und vor dem Burgertor im Norden entstand in den siebziger Jahren die Josefs (vor) stadt im Westen. Joseph II. gab das seit dem Abbruch des Zitadellenbaus bestenfalls durch die Anlage von Gärten und Magazinen genutzte Gelände 1773 zur Parzellierung frei, wobei unter anderem an die teilweise noch immer nicht untergebrachten österreichischen Transmigranten gedacht wurde. Durch planmäßige Erschließung entstand hier schnell eine ansehnliche Siedlung, deren Einwohner allerdings Stadtrechte einforderten. Sie wurden kaum anders behandelt als der in die Stadt drängende ungarische Adel. Die Revolution von oben des aufgeklärten Kaisers ließ die städtische Oligarchie an den wenigen verbliebenen Rechtstiteln und Rechtsinstrumenten, die sie besaß, noch hartnäckiger als vordem festhalten. Kaiser Joseph II., der ja nicht nur Siebenbürgen, sondern sein ganzes Reich umbauen wollte, hatte sich in den Schlingen der vielen Reformen verfangen. Hinzu kam außenpolitische Bedrängnis durch ungewollte Kriege. Der todkranke Monarch war gescheitert, mit seinem Restitutionsedikt nahm er Ende Januar 1790 alle Reformen bis auf die Einfuhrung der religiösen Toleranz und die Regelungen der Bauernfragen zurück. Bei den Ständen Siebenbürgens brach Jubel aus, der größte wohl in Hermannstadt. Die »Auflebung der fur erloschen erklärten (Sächsischen) Nation«, wie es 1790 in einem Buchtitel 152

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hieß, brachte den Sachsen einen ungeheuren politischen Aufwind. Hermannstadt wurde wieder Nationsvorort und Sitz der Nationsführung. Die erste große Feierlichkeit fand am 11. Mai 1790 sinnfalligerweise bei der Rückführung des Nationsarchivs statt. Wenige Tage vorher, am 4. Mai, war Michael von Brukenthal, der Neffe des vormaligen Gouverneurs, nach fast sechsjähriger Vakanz wegen Aufhebung der Verfassung, zum Hermannstädter Königsrichter und Nationsgrafen gewählt worden. Im März schon hatte die Hermannstädter Kommunität einen neuen Provinzialbürgermeister gewählt. Das Archiv mit sämtlichen historischen Freibriefen und bestätigten Rechtstiteln war der Nation mit schrittweiser Umsetzung der Reformdiktate Josephs II. abverlangt und aus dem Rathaus ins Landesarchiv - wohl beim Sitz des Guberniums am Großen Ring - überfuhrt worden. Auch die Akten von Stadt und Stuhl waren gemäß der neuen Verwaltungsgliederung getrennt worden und mußten wieder zusammengeführt werden. Nun versammelten sich am 11. Mai Magistrat und Hundertmänner sowie die Abgeordneten der Stuhlsdörfer zu einer feierlichen Versammlung im Rathaus, wo Reden auf die Nation und deren Verfassung gehalten wurden. Michael Conrad von Heydendorff notierte zum weiteren Verlauf: »Hierauf wurden Anstalten getroffen, die oben erwähnten Urkunden aus dem Landesarchiv abzuholen. Vier aus dem Magistrate und die ganze Kommunität wurden in dieser Absicht abgeschickt, übernahmen die Schriften und brachten sie zwischen der in Parade ausgerückten und in zwei Reihen stehenden Bürgerschaft, unter allgemeinen Zurufen des frohlockenden Volkes: Es lebe die sächsische Nation! auf das Rathaus, wo sie von dem übrigen Magistrate unter feierlichem Schalle von Trompeten und Pauken empfangen wurden. Abends wurde dem Magistrat und der Kommunität beim Collignon (im Römischen Kaiser) Soupe und Ball gegeben und die Stadt ward beleuchtet, und durch ein Feuer aus Mörsern und kleinem Gewehr ganz ertönet.« Nach zwei Wochen, am 25. Mai, kam erstmals die gesamte Universität wieder in Hermannstadt zusammen und beging mit einem Festgottesdienst - und einer für dieses »Nationalfest« komponierten Kantate - ein öffentliches Dankfest. Die größte Feierlichkeit jenes Jahres aber war ohne Zweifel am 29. September das Installationsfest für den Nationskomes Michael von Brukenthal nach dessen Bestätigung aus Wien. Dieses Ereignis war aber nicht nur die Einführung eines Oberbeamten in sein Amt, es war zugleich der Eckpunkt für einen Die Landeshauptstadt

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nachhaltigen Bewußtseinswandel der politischen und geistigen sächsischen Oberschicht: Das Amt des Nationskomes' rückte deutlich vor jenes des Hermannstädter Königsrichters und wurde zum bewußt wahrgenommenen Sinnbild der Nation - 1796 sollte er schließlich auch regulär den Hermannstädter Bürgermeister als Leiter der Universitätssitzungen ablösen. Alle bekannten historischen Zeremonien wurden bei Brukenthals Einfuhrung genau beachtet. Die Geschichte rückte allgemein in den Vordergrund, etwa in der Rede des Nationsgrafen am 29. September genauso wie in einer eigens für diesen Tag publizierten Ballade unter dem Titel »Die Geschichte der Sachsen« von Michael Lebrecht. Im übrigen fand die Installationsfeier mit allem nur denkbaren Prunk statt, in Gegenwart des Gouverneurs und des Thesaurarius. Drei Gubernialsekretäre, als Vertreter der drei Stände des Landes, überbrachten der versammelten Nationsuniversität und dem neuen Komes die Insignien der hohen Würde. Festbankette und Bälle folgten über mehrere Tage. Auf einer der Fahnen, die dem am 11. Mai 1790 rückgefuhrten Nationsarchiv durch Hermannstadt vorangetragen wurden, war zu lesen: In Privilegiis Securitas - Sicherheit durch Freibriefe. Dieser neue Sinnspruch sollte nun zum Leitmotiv der sächsischen Politik werden, ja, sogar das Ad retinendam coronam des Andreanums ablösen. Die Wahrung der ständischen Rechte, auch wenn es mehr um Symbole und Zeremonien denn um wirkliche politische Macht gehen sollte, bestimmte nun jede weitere Zukunftsvision - auch des Landes selbst, denn während alle anderen Landtage der Monarchie 1790/91 weitreichende Verfassungsreformen diskutierten, ging es dem siebenbürgischen vor allem um Restauration. Für die Rezeption politischgeistiger Strömungen etwa aus Frankreich oder gar aus den jungen Vereinigten Staaten waren weder Kraft noch Interesse vorhanden. Aus der Orientierung nach rückwärts, die zu einem scheinbaren Stillstand führte, erwuchs langfristig aber auch ein neues Potential. Aus dem Umfeld der Hermannstädter Freimaurer, die ihre Logentätigkeit wegen der Reglementierungswut des Hofes 1790 beschlußmäßig einstellten, entstanden neue Betätigungsfelder. Martin Hochmeister jun. begründete im gleichen Jahr die erste wissenschaftliche Zeitschrift Siebenbürgens, die »Siebenbürgische Quartalsschrift«. Sie war zunächst vor allem damit befaßt, die Folgen der Wiederherstellung des alten Verfassungszustands für die Sächsische Nation zu diskutieren und sich mit den alten Texten auseinanderzusetzen. Gleichzeitig 154

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sammelte sich um den früheren Gouverneur Samuel von Brukenthal ein sächsischer Gelehrtenkreis, und das Lesekabinett in seinem Palais am Großen Ring wurde ein wichtiger Ort des Gedankenaustauschs. Anfang 1792 erging in Brukenthals Auftrag erstmals eine Anfrage an den Göttinger Professor August Ludwig Schlözer, ob er sich nicht einer eingehenden Untersuchung der sächsischen Geschichte annehmen wolle - er hatte kurz vorher reges Interesse an der Wiedererrichtung der Nation gezeigt. Ein intensiver Austausch mit vielen Quellenabschriften zwischen Hermannstadt und Göttingen führte schließlich 1795 bis 1797 zu den drei Bänden der »Kritischen Sammlungen zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen« - ein wichtiger Etappensieg bei der Herstellung von Öffentlichkeit für die sächsischen Interessen. Die Notwendigkeit, Quellentexte allgemein bekannt zu machen, war nach der zeitweiligen Beschlagnahmung des historischen Archivs besonders deutlich geworden. Eine weitere Front eröffnete sich der Sächsischen Nation nach 1790 unter den in ihren Hoffnungen auf mehr politische Rechte enttäuschten Rumänen. Sie richteten 1791 eine Klageschrift, den SuppJex Libellus Valachorum, an den Kaiser, der sie jedoch genausowenig wie der Landtag erhörte. Der Verteidiger des sächsischen Rechts in Form wissenschaftlicher Editionen und Kommentare fand sich in Hermannstadt: Es war der Direktor des dortigen katholischen Gymnasiums, der Priester Joseph Karl Eder, der Grundsteine für die Historiographie Siebenbürgens schlechthin legte. An seiner Person zeigt sich, daß sich das Verständnis der Sächsischen Nation bis zum Ende des 18. Jahrhunderts grundlegend gewandelt hatte: Ein katholischer Geistlicher, Sohn eines Zuwanderers, konnte sich mit ihr ohne Einschränkung identifizieren. Aber auch andere wichtige historische Werke erschienen, 1792 etwa Johann Seiverts »Hermannstädter Provinzialbürgermeister«. Die Orientierung auf die Vergangenheit mag auch eine gewisse Kompensation für einen weiteren Verlust Hermannstadts gewesen sein. Kurz nach der Einsetzungsfeier für Komes Brukenthal verlegte der Gouverneur Bänffy im Oktober 1790 den Sitz des Guberniums von Hermannstadt nach Klausenburg. Nach rund dreißigjähriger Pause war dorthin ein ordentlicher Landtag einberufen worden und die Dienstgeschäfte erforderten die Anwesenheit der obersten Landesbehörde am Tagungsort, so die Begründung. Tatsächlich aber hatte sich der den Landtag wie auch die Gubernialbeamtenschaft dominierende ungarische Adel in Hermannstadt nie Die Landeshauptstadt

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wirklich wohl gefühlt. Die wiederholten Jubelfeiern im Jahre 1790 konnten ihnen noch einmal veranschaulichen, daß sie in dieser Stadt fehl am Platze waren, auch wenn einige wenige jetzt dort Häuser besaßen. So blieb das Gubernium auch nach dem Landtag, der bis zum August 1791 dauerte, in Klausenburg, und auch ernstliche Ermahnungen des Hofkriegsrates, an den Ort des Generalkommandos zurückzuziehen, ließ den nun wieder deutlich Oberwasser verspürenden Adel nicht aus dem ihm viel vertrauteren Klausenburg weichen. Dennoch wurde Hermannstadt weiterhin als Landeshauptstadt angesehen. Neben dem Kommandierenden General hatten schließlich zahlreiche Behörden hier ihren Sitz. Für 1839 etwa verzeichnet eine Landesgeographie folgende zentrale Einrichtungen in der Stadt: Die Stadt Hermannstadt ist übrigens Sitz des Landes-Militär-Generalcommando, mit allen ihm untergeordneten Stellen, als: Feld-Kriegskanzley, FeldKriegscommissariat, Kriegscasse, das judicium delegatum militare, das HauptVerpflegsamt und die Fortifications-Districts-Direction; sie bequartiert den commandirenden General, zwey General-Feldmarschall-Lieutenants als Divisionäre, zwey General-Feld-Wachtmeister als Brigadiere, alle bey den genannten Stellen befindlichen Staatsdiener, das Militär-Platzcommando und die beyden Regiments-Erziehungshäuser der Linien-Infanterieregimenter Graf Leiningen und Baron Mercsey. Es befinden sichferner nochfolgende Stellen in der Stadt: i) dashön. Thesaurariat in Cameral- und Bergwerksangelegenheiten mit allen unterstehenden Cossen und Buchhaltereyen; 2) das kön. Ober-Landescommissariat mit dem Provinzial-Hauptzahlamt; 3) die kön. Bancocasse; 4) das kön. Ober-Dreyßigstamt; ζ) das kön. Ober-Postamt; 6) die kön. LottoDirection;~j)der griechisch nicht-unierte Bischof mit seinem Consistorium; 8) ein Gremium der Griechen; dannp) ein Postwechsel (...). Aus Hermannstadt verschwand also vor allem die Landespolitik und mit ihr der ungarische Adel. Nur zwei Landtage sollten noch hier stattfinden, 1837/38 und 1863/64. In Hermannstadt aber verblieb der Großteil der Landesverwaltung und vor allem das Militär. Beamte und Soldaten sollten die Zeit des österreichischen Kaisertums auch in dieser Stadt prägen, einer mittelgroßen Provinzstadt an der südöstlichen Peripherie eines Riesenreiches, ein typisch kaiserlich-königliches Bild unter dem Doppeladler der Monarchie. Auf den ersten Blick austauschbar mit Brody in Galizien, Olmütz in Mähren oder Laibach in 156

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Krain, aber doch auf seine Weise einzigartig-faszinierend wie jede Stadt dieses supranationalen Imperiums. Einen Einblick in diese Besonderheit der Stadt gewähren die Ölgemälde des - ebenfalls aus Osterreich zugewanderten - Malers und Zeichenlehrers Franz Neuhauser d.J. von Hermannstädter Jahrmarkttagen. Er hielt diese kaum zu überbietende Vielfalt an ethnischen Gruppen, sozialen Ständen, Trachten und Gewerben 1789 und wieder 1808 so anschaulich im Bild fest, daß eine dieser Darstellungen erstmals 1819 als Farblithographie in Wien gedruckt wurde. Zum sächsischen und zum neuen deutschen Bürgertum unterschiedlicher gesellschaftlicher Stellung kamen die griechischen, armenischen, rumänischen und im 19. Jahrhundert auch jüdischen Kaufleute, die Bauern der Umgebung unterschiedlicher Rechtsstellung und Sprache, dann die Geistlichen und Ordensangehörigen von einem halben Dutzend Konfessionen, die Handwerker aus Stadt und Land, die Hirten mit Naturprodukten, italienische Händler mit Galanteriewaren, Gäste aus den benachbarten Fürstentümern, selbst Muslime, dann Zigeuner als Kesselschmiede oder Unterhalter, Soldaten und Offiziere aller Waffengattungen jener Zeit, Behördenvertreter wie auch Bettler - eine Farbenpracht, die die Marktplätze der siebenbürgischen Landeshauptstadt kurzzeitig, drei Mal jährlich, in den Orient entrückte. Danach waren Alt- und Neu-Hermannstädter unter sich. Aber keinesfalls monokulturell wie noch um die Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert. Auch im Inneren nahm die Buntheit der Stadt zu. Bis in die 1780er Jahre war die Einwohnerschaft auf über 14.000 angewachsen, wobei etwa ein Viertel in den Vorstädten lebte - die Militärangehörigen nicht mitgerechnet. Die Bevölkerung sollte in den kommenden Jahrzehnten stetig wachsen. Vor allem gewannen die Vorstädte allmählich ein Gesicht. Und hier war es auch, wo sich eine altbekannte Gruppe immer häufiger finden ließ: die Rumänen. Ihre Kirchen in den Vorstädten wurden schon erwähnt. Jene in der Josefstädter Grabengasse wurde auch zur Grablege mehrerer orthodoxer Bischöfe und in ihrem Umfeld stand auch die erste rumänische Hauptschule der Stadt. Der verhältnismäßige Anteil der Rumänen beider Konfessionen, also der orthodoxen wie der unierten, läßt sich nur schwer berechnen, fur die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert dürfte er bei 12 bis 13 % gelegen haben. Im ausgehenden Jahrhundert kam es nicht mehr zu vielen aufsehenerregenden Veröffentlichungen. Die von Joseph II. etablierte ZenDie Landeshauptstadt

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sur hatte nach seinem Tod und dann noch einmal nach dem Tode Kaiser Leopolds II. 1792 so stark angezogen, daß das sich allmählich differenzierende Verlags- und Buchhandelswesen der Stadt mit Ausnahme der Verlagsbuchhandlung mit Druckerei Martin Hochmeisters jun. wieder einging. Auch dieser hatte seine Mühe, vor allem die Periodika, die 1784 von seinem Vater gegründete »Siebenbürgische Zeitung« und dann die seit 1790 erscheinende »Siebenbürgische Quartalsschrift«, am Zensor vorbeizubringen, die Abonnentenzahlen nahmen dramatisch ab. Das Lesebedürfnis der Hermannstädter stieg jedoch laufend an, nachhaltig angeregt durch ein florierendes und sich steigerndes Theaterwesen - die ersten Stücke von Goethe etwa gab es schon 1778 in Hermannstadt. 1788 hatte Hochmeister sen. den »Dicken Turm«, das alte Rondell der Stadtmauer im Süden, von der Stadt zur Einrichtung eines dauerhaften Theaters erhalten. Der Abzug des Guberniums und gewissermaßen auch des Landtags mit den Beamten und dem Adel brachte keinen Einbruch der Theaterkultur, denn die zunächst zurückhaltenden Hermannstädter hatten sich den Theaterbesuch als gesellschaftliche Sitte zu eigen gemacht. Hinzu kamen zahlreiche Bälle, die praktisch jedermann offenstanden - eine ausgeprägte Unterhaltungskultur war entstanden, die anderen Städten Siebenbürgens in dieser Form oder zu diesem frühen Zeitpunkt noch fehlte. Das ist fraglos auch als Ergebnis des Ausschlusses des bis dahin politisch stark engagierten Bürgertums von der Politik zu sehen - das starre zentralistische Regime unter dem römisch-deutschen Kaiser Franz II., bald Franz I. von Osterreich, und Staatskanzler Metternich hatte die Monarchie fest im Griff. Hermannstadt wurde zu einem Biedermeierstädtchen wie aus dem Bilderbuch - die Veduten der Zeit zwischen 1790 und 1850 lassen keinen Zweifel an der Beschaulichkeit der Provinzidylle aufkommen. In diese Jahre der politischen Entmündigung fallt der Tod des alten Gouverneurs Samuel von Brukenthal. Er hatte seine letzten Jahre teils in seinem Palais am Großen Ring, teils auf dem Sommergut in Freck verbracht, eher zurückgezogen und verbittert, wenngleich er von den höchsten Gerichten aller Vorwürfe der Bevorzugung seiner Nation oder der Vorteilnahme freigesprochen wurde. Bei seinem Tod 1803 brachte ihm die evangelische Gemeinde eine große Huldigung dar: Sie ließ seine Beisetzung in der Hauptkirche zu. Der erste Fall seit Jahren und der letzte seither. Das fur ihn in Wien angefertigte klassizistische Gedenkmonument ging auf dem Transportweg im Mieresch 158

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unter. Brukenthal bedachte das evangelische Gymnasium in seinem Testament in herausragender Weise. Da sein Neffe, der Komes Michael von Brukenthal, in seiner zweiten Ehe eine ungarische Adlige zur Frau genommen hatte, schloß er ihn vom Erbe aus und setzte das Gymnasium und somit dessen Trägerin, die Hermannstädter evangelische Gemeinde, zur mittelbaren Erbin seiner Sammlungen ein allerdings mit diversen Verklausulierungen, die jahrelange Prozesse mit seinen Verwandten zur Folge hatten. Zu den Auflagen seines Testaments gehörte auch die Öffnung der Sammlungen fürs Publikum. Für die Betreuer des Museums und der Bibliothek genauso wie für die laufende Aktualisierung der Bestände, zumal der Bibliothek, sah er bestimmte Summen aus der Anlage seines Vermögens vor. Noch vor seiner regulären Öffnung furs Publikum im Palais am Großen Ring im Jahre 1817 war das »Baron Brukenthalische Museum« weithin bekannt: zunächst vor allem die Bibliothek und die Handschriftensammlung, die in ihrer Wahrnehmung später jedoch überragt werden sollte von der bedeutenden Gemäldesammlung vor allem alter niederländischer, deutscher oder italienischer Meister oder vom Mineralien- und Münzkabinett. Schon in seiner Festrede zur Eröffnung sprach der Hermannstädter evangelische Stadtpfarrer Johann Filtsch von einem »Sächsischen Nationalmuseum« - und genau diese Aufgabe sollte es schon bald übernehmen. Die Bibliothek sammelte künftig restlos alles Schriftgut über die Sachsen und Deutschen Siebenbürgens, dessen sie habhaft werden konnte, ohne die allgemeinen europäischen Geistesströmungen zu vernachlässigen. Der Ausbau der Gemäldesammlung, des Graphikkabinetts und der anderen Abteilungen verlief nicht so umfassend, eher allmählich und mit Orientierung auf Siebenbürgen. Doch die Museumseröffnung war nicht das einzige Ereignis dieses Jahres, vielmehr bieten zwei große Festlichkeiten Einblicke in die Rückwärtsgewandtheit wie in die Zukunftsoptionen der Hermannstädter deutschsprachigen Gesellschaft. Im September 1817 besuchte Kaiser Franz I. mit seiner Gemahlin im Rahmen einer Rundreise durch den Osten seines Reiches für eine Woche auch Hermannstadt. Der Empfang erfolgte auch hier mit großem Gepränge, Triumphbogen, Fahnen, Glockengeläute, Reiterbanderien, jubelnden Volksmengen - und Festgedichten. Bemerkenswert ist der Empfang des Kaiserpaares in der evangelischen Stadtpfarrkirche, wo es der angereiste Bischof empfing und zum Chor geleitete. Dort wartete vor Die Landeshauptstadt

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dem Altar der Stadtpfarrer, gekleidet in ein altes rotes Festornat aus katholischer Zeit, ihm zur Seite sechs Stadtprediger, zwei in alten Meßgewändern, zwei im weißen Chorrock. Eine für dieses Ereignis verfaßte Liturgie und, die Prediger knieend, ein Gebet für das Kaiserpaar folgten - alles hinter dem noch stehenden Lettner der Kirche, einer katholischen Messe nicht unähnlich. Tatsächlich wurden die katholischen Meßgewänder noch bis tiefins 19. Jahrhundert hinein an hohen Festtagen von den evangelischen Geistlichen getragen, auch viele andere alte Äußerlichkeiten oder historische Liturgieformen gepflegt. Der Kampf des 16. Jahrhunderts um die strikte Festlegung auf die Lehren Luthers hatte gewirkt, die sächsische Kirche hatte sich seither kaum verändert - nicht wenige katholische Reisende waren erstaunt festzustellen, daß Kirchen und Gottesdienste, die ihnen zunächst so vertraut vorkamen, eigentlich lutherisch waren. Wie die politische Universität an ihren Rechten kompromißlos festhielt, so stand ihr die geistliche Universität an Bewahrungskraft in Glaubensdingen nicht nach. Doch eine neue Zeit war auch hier erahnbar. Kaiser Franz I. sprach bei seinem Besuch mit vielen Persönlichkeiten, so auch mit dem Bischof Neugeboren. Dieser erhielt die kaiserliche Erlaubnis, nur wenige Wochen später ein kirchenweites Reformationsfest zu begehen: Luthers Wittenberger Thesenanschlag jährte sich am 31. Oktober zum 300. Mal. Die Feierlichkeiten fanden im November und Dezember statt und richteten sich ausdrücklich an die Gemeinden. Bedeutsam aber sind sie vor allem deswegen, weil sich darin der neue Geist eines gesamtdeutschen Nationalbewußtseins auch in Siebenbürgen deutlich spiegelte, der in den deutschen Ländern mit den Befreiungskriegen eingesetzt hatte. Schon 1813 marschierte von Hermannstadt ein sächsisches Jägerbataillon Richtung Wien und dann nach Frankreich weiter - eines von zweien des Landes und ein Vielfaches größer als das der anderen Stände. Bei den Deutschen Siebenbürgens und zumal jenen Hermannstadts, die ihren ethnischen Charakter seit Jahrhunderten zu definieren verstanden, fiel die neue nationale Strömung auf fruchtbaren Boden. Vor dem Fortschreiten in die Neuzeit sei ein Blick auf die äußeren Veränderungen des Stadtbildes um die Wende vom 18. zum W.Jahrhundert gestattet. Dabei sei zunächst angemerkt, welch interessante Nebenwirkungen ein Kaiserbesuch haben kann: Während des Besuchs von Franz I. hatten die Hermannstädter Nachbarschaften die Gassen nachts mit Kerzen beleuchtet. Einige führten diese Gassen160

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beleuchtung fort, um sie 1820 regulär zu beschließen. Auch die Pflasterung der Straßen schritt nun allmählich voran, ein Vorhaben, das schließlich rund ein Jahrhundert dauern sollte. Die Teiche um die Stadt waren im Laufe des 18. Jahrhunderts nach und nach zugeschüttet worden. Der gewonnene Grund bot Raum für zusätzliche Gärten, die während des beginnenden 19. Jahrhunderts noch einen gewissen Cordon zwischen Innenstadt und Vorstädten bildete. Von der alten beeindruckenden Wasserwehr waren neben dem Zibin nur der Schewisbach und der Mühlkanal Übriggeblieben. Das Grün um die Stadtmauern bot aber auch einem neuen gesellschaftlichen Bedürfnis Raum, nämlich dem biedermeierlichen Spaziergang und dem romantischen Austausch im Freien. Auf der Promenade vor der Stadtmauer im Süden wurde 1818 gar ein Konkordiatempel errichtet, 1829 folgte eine Büste für Kaiser Franz I. Doch auch in architektonischer Hinsicht bewegte sich viel in der Stadt. Die Quartierlegung des Militärs hatte die Hermannstädter schon seit Generationen belastet und seit 1782 versuchte die Stadt, die Erlaubnis zu einem Kasernenbau zu erhalten. Als diese 1796 endlich erfolgte, wurde mit dem Bau eines großen Gebäudes auf den Grundmauern der Bastei vor dem Heltauer Tor begonnen. Die Kosten trug die Stadt und übergab die Kaserne 1807 den Militärbehörden. Damit hatte die Einquartierung nach rund 120 Jahren ein Ende gefunden, und der Auftakt für eine Vielzahl militärischer Gebäude vor allem im südlichen Vorfeld der Stadt während des folgenden Jahrhunderts war gemacht. Als Hemmschuh der Bautätigkeit entfiel neben der Einquartierung aber auch die Belegung von Gebäuden durch Landtag und Gubernium. Zwei der wichtigsten Gebäude, in denen Gubernialstellen untergebracht waren, wechselten die Besitzer: Das sogenannte »Landhaus« in der Südostecke des Großen Rings, in dessen Saal der Landtag meist zusammenkam und wo der Gouverneur seine Amtswohnung hatte, erwarb ein erfolgreicher Handwerker, der hier anstelle eines gotischen Baues 1802 jenes noch am Spätbarock orientierte klassizistische Stadtpalais errichten ließ, das heute evangelischer Bischofssitz ist. Ein anderes vormals von Ämtern mitgenutztes Haus war das Nachbargebäude des Brukenthalpalais, das 1810 von der Stadt erworben wurde, wodurch es erst zum »Blauen Stadthaus« wurde. Ein weiterer bekannter gotischer Bau, das südlich ans Blaue Stadthaus anschließende Stammhaus der Familie Frank von Frankenstein, wurde desgleichen zu Beginn des 19. Jahrhunderts von Leopold Graf Die Landeshauptstadt

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Bethlen abgetragen und durch den heutigen klassizistischen Bau ersetzt. Auch ein weiteres gotisches Wohnhaus mit altem Wohnturm und Kapelle verschwand in diesen Jahren: 1830 wich das LutschHaus, in der Südostecke des Großen Rings dem späteren Bischofspalais gegenüber, einem weitgehend schmucklosen Neubau. Und erstmals trat nun eine Institution als Hausbesitzerin auf, die über Jahrhunderte hin Gast im Rathaus war: die Nationsuniversität. Sie erwarb 1821 das ehemalige Hecht-Haus an der Südseite des Großen Rings, dem Sitz des Kommandierenden benachbart, und gestaltete es äußerlich klassizistisch um. Das Haus wurde nun auch Sitz des Nationskomes und die Komestannen, die Zeichen seiner Amtswürde, blieben nun dauerhaft vor diesem Haus stehen. Von diesen zentralen Plätzen ausstrahlend kam es nun zu einer nachhaltigen baulichen Umgestaltung nicht nur der Oberstadt, sondern vor allem auch in der bis dahin eher zurückhaltenden Unterstadt. Die verbliebenen Holzhäuser neue Holzbauten waren schon seit 1768 nicht mehr zugelassen - verschwanden zugunsten neuer Ziegelbauten, auch wenn diese oft bescheidene Ausmaße hatten. Die Zeit des biedermeierlichen politischen Stillstands erschöpfte sich jedoch nicht nur in äußerer Umgestaltung, auch das Bildungswesen erfuhr ganz wesentliche Impulse. Schon 1788 war als ein Nebenzweig des evangelischen Gymnasiums eine Lehrerausbildung, das »Seminar«, eingerichtet worden, das erfolgreich Lehrer und Prediger für die Landgemeinden heranbildete. Diesem Vorbild folgte die orthodoxe Kirche, die 1811 in Hermannstadt eine ähnliche Einrichtung etablierte. Eine weitere deutsche Schulgründung erfolgte 1814 für die inzwischen zahlreich gewordenen Kinder der Josefvorstadt, 1832 wurde die Handels- und Lehrlingsschule eingerichtet. Insgesamt befand sich das evangelische Bildungswesen in einem Reformprozeß, der nicht nur eine Modernisierung und Intensivierung des Unterrichts, sondern schon bald eine breite Diversifizierung des Bildungsangebots zur Folge haben sollte. Ein besonderer Fall war dabei - nachdem die Ideen zur Schaffung einer Universität in Hermannstadt zur Zeit Brukenthals ergebnislos blieben - die Gründung der Hermannstädter Rechtsakademie 1844. Von der Nationsuniversität gegründet, bestand ihre Aufgabe vor allem in der Ausbildung von Juristen für die sächsische Verwaltung. Doch besuchten auch zahlreiche Nicht-Deutsche diese Anstalt, vor allem Rumänen, war es doch die einzige höhere Schule dieser Art im Lande. Die Rechtsakademie, an der vor 162 Hermannstadt 1687-1849

allem nach der Übernahme durch das Wiener Kultusministerium 1851 zahlreiche namhafte Gelehrte wirkten, wechselte mehrfach ihren Standort: Zunächst befand sie sich in einem Haus über der Durchfahrt zum Kleinen Ring, später war sie unter anderem im Blauen Stadthaus untergebracht. Doch auch andere Wissenschaften entfalteten sich während des Vormärz. Trotz der strengen Zensur konnten zwischen 1805 und 1824 bei Hochmeister die »Siebenbürgischen Provinzialblätter« erscheinen, die akademische Interessen ansatzweise bedienen konnten. In der »Transsilvania« konnten ab 1833 jedoch schon etwas anspruchsvollere landeskundliche Themen behandelt werden, um ab 1840 mit dem »Archiv fur die Kenntniß von Siebenbürgens Vorzeit und Gegenwart« (das 1843 ins »Archiv des Vereins für siebenbürgische Landeskunde« überging und bis heute erscheint) ein Organ zu erhalten, das zeitgenössischen wissenschaftlichen Ansprüchen genügte. Die Gründer dieser Periodika und der sie tragenden Vereine knüpften dabei unmittelbar an die Zielsetzungen der Hermannstädter Freimaurerloge an, die sich die Erarbeitung einer übernationalen Landesgeschichte zum Ziel gesetzt hatte. Doch nicht nur die historischen Wissenschaften erfreuten sich im gut ausgebildeten Bürgertum großen Zuspruchs, vielmehr setzte eine Vereinsgründungswelle ein, die alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens umfaßte und, auch wenn die Gründungen meist in Hermannstadt erfolgten, ganz Siebenbürgen einbezogen: 1839 kam es zur Gründung des Pädagogischen Vereins und des Musikvereins, 1845 folgte der Siebenbürgisch-sächsische Landwirtschaftsverein, 1849 der Siebenbürgische Verein für Naturwissenschaften, von diversen anderen wie Schützen- (1844) oder Kasinoverein (1847) ganz zu schweigen. Schon 1844 gab es die ersten sächsischen »Vereinstage« in Hermannstadt, also eine gebündelte große Tagung etlicher Vereine. Das Vereinswesen sollte ab dem Vormärz zu einem bestimmenden Kennzeichen des siebenbürgischen Gesellschaftslebens bis hin zum Zweiten Weltkrieg werden, wobei die Gründungen in sächsischen Städten, allen voran Hermannstadt, allmählich auf die anderen Völkerschaften des Landes ausstrahlten, die mit einer Verzögerung von höchstens ein bis zwei Jahrzehnten folgten. Die schöngeistigen Literaten aber, die sich in den Jahren vor der Revolution mit Lyrik und Dramatik erstmals vernehmlich zu Worte meldeten, oder die politisch-ökonomisch ausgerichteten Autoren wie Stephan Ludwig Roth, waren überwiegend in der progressiven VerlegerlandDie Landeshauptstadt

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schaft Kronstadts zu Hause - Hermannstadt war demgegenüber die von Bürokratie, Militär und Gelehrsamkeit gekennzeichnete Stadt, die eine kritische Auseinandersetzung mit dem Regime scheute. Musik war hingegen unverfänglich: 1846 gastierte Franz Liszt in Hermannstadt, 1847Johann Strauß Sohn, Hermannstadt war eine der wichtigen Stationen der Monarchie-Tourneen der Zeit. Zeitgleich begann das sächsische und deutsche Bürgertum, sich auf dem Wege der Industrialisierung eine Position im Wirtschaftsleben des Landes zurückzuerobern, die es schon seit vielen Generationen eingebüßt hatte. Dabei waren es keineswegs die alten Familien der Oberschicht, die hier voranschritten, diese waren zu sehr ihrer Beamten- und Pfarrerswelt verhaftet. Es waren eher pfiffige Handwerker, die ihre Betriebe ausbauten und auf neue Technologien setzten, zuweilen auch zugezogene Unternehmer oder die Stadtgemeinde selbst. So entstanden die ersten Fabriken meist vor den Toren der Stadt, 1839 die Runkelrübenzuckerfabrik, 1841 die Stearinkerzenfabrik. Zur Stärkung der Kapitalkraft vor allem des städtischen Bürgertums wurde 1841 die Hermannstädter allgemeine Sparkassa als eines der ersten Geldinstitute Siebenbürgens und Ungarns ins Leben gerufen. Es geschah dies aus Eigeninitiative als privater Verein und von Anfang an mit einer gemeinnützigen Komponente. Wenn auch gegenüber den Zentren der Monarchie mit ein bis zwei Jahrzehnten Verzögerung, so waren diese ökonomischen Entwicklungen doch vernehmliche Zeichen eines neuartigen Aufbruchs. Währenddessen führte der jahrzehntelange politische Stillstand zu einem gesellschaftlichen Ausbruch. Mit dem Ubergreifen der Märzrevolution 1848, die eigentlich politische und gesellschaftliche Anliegen hatte, nach Ungarn und Siebenbürgen wurden endgültig nationale Ideen im Sinne eines modernen Nationsverständnisses entfesselt. Ungarn und Szekler wollten eigene nationale Freiheit, gestanden diese aber den anderen Sprachgruppen auf dem historischen Reichsterritorium Ungarns nicht zu, denn die bedingungslose Union Siebenbürgens mit Ungarn gehörte ebenfalls zu ihren Forderungen. Sachsen und Rumänen distanzierten sich entschieden von diesem Standpunkt und ergriffen Partei für den Gesamtstaat. Die Nationsuniversität machte sich das ursprüngliche Anliegen der Revolution zu eigen und beschloß schon Anfang April, den Rumänen auf Königsboden gleiche Bürgerrechte zu gewähren. Hermannstadt zeigte wie eh und je ausgeprägte Habsburgtreue. Als ein Adliger in seinem Stadtpalais in der 164

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Fleischergasse am 30. März die Union Siebenbürgens mit Ungarn feierte, versammelten sich viele Bürger vor seinem Haus, mit schwarzgelben Fahnen, den Farben der Monarchie und des Kaiserhauses, demonstrierend. Noch am Vortag hatte die Hermannstädter Stadtfuhrung eine Loyalitätsadresse an den Kaiser gesandt und auch in den nächsten Tagen und Wochen sollten die Farben des Kaisers dominieren, die Bürgen trugen demonstrativ schwarz-gelbe Kokarden, vom Rathausturm wehten schwarz-gelbe Fahnen. In ihrer Anhänglichkeit an Kaiser und Gesamtstaat waren sich die Sachsen dabei keinesfalls einig, Kronstädter und Schäßburger etwa hielten die ungarische Vision durchaus flir zukunftsweisend. Beim Klausenburger Landtag im Mai 1848 einigten sich die sächsischen Abgeordneten - unter dem Druck des Landtags und der fanatisierten Straße - auf eine Formel zur Annahme der Union mit Ungarn unter Wahrung der kaiserlichen Souveränität. Auf diese Nachricht hin versammelten sich Hermannstädter Bürger wütend im Hof des Rathauses, die Kommunität mißbilligte das Verhalten der eigenen Abgeordneten. Ganz Siebenbürgen schlitterte nun nach und nach in anarchische Zustände hinein - mit einem beschlußunfahigen Landtag, mehreren zuständigen Regierungen und sich polarisierenden Fronten, wobei sich im wesentlichen Ungarn und Szekler auf der einen sowie Sachsen und Rumänen auf der anderen Seite gegenüberstanden. Im September schließlich ging von Hermannstadt eine grundsätzliche Weigerung der Sachsen aus, weiter mit ungarischen Behörden und mit dem neuen Pester Ministerium zusammenzuarbeiten, die sächsischen Abgeordneten verließen den Reichstag. Eine Versammlung des Hermannstädter Stuhls wie auch eine der Bürgerschaft unterstellte sich am 29. September und am 1. Oktober direkt dem Kaiser und der Regierung der Gesamtmonarchie - sie klinkten sich gewissermaßen aus dem gerade entstehenden ungarischen Nationalstaat aus. In Ungarn brach im Herbst 1848 ein Bürgerkrieg aus, in dessen Verlauf auch Siebenbürgen Kriegsschauplatz wurde. Hatte zunächst, unterstützt von Sachsen und Rumänen, die Autorität der Wiener Regierung noch aufrechterhalten werden können, und hatte der junge Kaiser Franz Joseph kurz vor Weihnachten seine Beziehungen zu Hermannstadt revidiert und die Sächsische Nation durch ein Manifest unter direkten kaiserlichen Schutz gestellt, so sollten die Waffen das Blatt bald wenden: Als der Kommandierende General Puchner Die Landeshauptstadt

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mit seinen besiegten Truppen nach Hermannstadt zurückkehrte, gerieten die kaisertreuen Hermannstädter in große Aufregung. Viele Einwohner flüchteten vor der erfolgreichen ungarischen Revolutionsarmee unter General Bern in die Walachei. Mit russischer Hilfe aber, die vom sächsisch-rumänischen Pazifikationsausschuß in Hermannstadt schon im Dezember angefordert worden war, konnte Bern im Februar bei Salzburg noch zurückgeschlagen werden. Bald aber zog der Krieg für ein halbes Jahr auch unmittelbar in die Stadt ein. Am 11. März kam es zu einer großen Schlacht vor der Stadt, in deren Verlauf sich die russischen Truppen zurückzogen. Die überhastete Ausbesserung der alten Stadtbefestigung genauso wie die von Bürgerwehr und Militär ausgehobenen Verschanzungen waren wirkungslos geblieben. Nachdem auch die Kaiserlichen die Stadt verlassen hatten, rückte am Abend jenes Tages Bern mit seinen Truppen ein. Mit 50.000 Gulden konnte sich die Stadt vor Brandschatzung retten, und auch sonst hielt der General seine Truppen in Zucht und von Plünderungen ab. Den Mord an einem kaisertreuen Gegner der Revolution, dem aus Wien stammenden und in Hermannstadt schon lange wissenschaftlich und publizistisch tätigen Joseph Begnini von Mildenberg, konnte er nicht verhindern. Der Weisung Lajos Kossuths, des »regierenden Präsidenten« Ungarns, Hermannstadt dem Erdboden gleich zu machen, leistete er jedoch nicht Folge: »Ich habe eine Stadt erobert und will auch eine Stadt behaupten, keinen Schutt- und Trümmerhaufen« erklärte Bern. Unter ungarischer Besatzung verhielten sich die Hermannstädter zurückhaltend, die Presselandschaft wandelte ihr Gesicht. Schon wenige Tage nach der Besetzung ließ Bern die städtischen Beamten neu wählen, lediglich der Komes behielt seine Amtswürde. Insgesamt stellten die Stadtbürger fest, daß die ungarische Besetzung bei weitem nicht so schlimm war wie erwartet. Im Sommer sollte sich das Kriegsszenario noch zwei Mal wiederholen, zunächst am 19. Juli, als die Revolutionstruppen nach einer weiteren Schlacht vor der Stadt der Ubermacht der russischen und österreichischen Verbände wichen. Dann Anfang August, als Bern noch einmal für einen Tag in die Stadt einmarschierte, um schließlich der Übermacht endgültig zu weichen und am 6. August bei Großscheuern seine entscheidende Niederlage hinnehmen zu müssen. Die Revolution trieb seit der Absetzung des Hauses Habsburg durch die ungarische Revolutionsregierung im April 1849 ihrem Höhepunkt zu. Am 13. August erfolgte die Kapitulation der ungarischen Revolu166

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tionsgeneräle im Banat, am 25. August für die restlichen siebenbürgischen Truppen. Das auf dem Fuße folgende Kriegsgericht war gnadenlos. Mit dem russischen General Lüders zog am 6. September der Krieg auch aus Hermannstadt wieder aus. Noch im Oktober 1849 wurde zwar die Union Siebenbürgens mit Ungarn wieder rückgängig gemacht. Aber die alte Ordnung von vor 1848 sollte doch nicht mehr hergestellt werden.

DIE MODERNE STADT (1850-1918)

Mit der Niederschlagung der ungarischen Revolution durch die österreichischen und russischen Truppen und der Wiedererrichtung des umfassenden habsburgischen Kaiserstaats, jetzt unter Franz Joseph I., setzte auch für Hermannstadt nahezu schlagartig ein Wandel auf allen Gebieten ein. Die Stadt erhielt neue administrative und militärische Funktionen, es begann eine umfassende städtebauliche Erneuerung, ihre zentrale Rolle für die Sachsen wurde neu konzipiert, und hier bauten die Rumänen Siebenbürgens ihr Zentrum systematisch aus. Wie die ganze Monarchie litt auch Hermannstadt unter den Verfassungsexperimenten der Wiener Regierung. Diese machte Hermannstadt nun expressis verbis zur Landeshauptstadt Siebenbürgens, nachdem die Ungarn in österreichischen Augen jegliche Rechte verwirkt hatten. Allerdings zeigt schon die Ernennung eines Militär- und Zivilgouvernements für Siebenbürgen unter der Leitung eines Feldmarschalleutnants mit Sitz in Hermannstadt, daß es sich eher um eine Besetzung des Landes denn um dessen geordnete Verwaltung handelte. Die Klagen auch der die ganze Revolutionszeit über ausgesprochen kaisertreuen Hermannstädter Sachsen gegenüber den ungerechtfertigten und demütigenden Übergriffen der neoabsolutistischen Vertreter Wiens waren enorm - ausgerechnet ein Bruder des berüchtigten Innenministers Bach saß als Landes-Zivilkommissär in Hermannstadt. Die Einrichtung einer vom jungen Kaiser im Dezember 1848 zunächst zugesagten exemten »Markgrafschaft Sachsenland« wurde seitens der Behörden bald verworfen. Der letzte frei gewählte und 1846 mit viel Pomp und unter Bezugnahme auf die jahrhundertealten Traditionen installierte Nationsgraf Franz von Salmen Die moderne Stadt

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tionsgeneräle im Banat, am 25. August für die restlichen siebenbürgischen Truppen. Das auf dem Fuße folgende Kriegsgericht war gnadenlos. Mit dem russischen General Lüders zog am 6. September der Krieg auch aus Hermannstadt wieder aus. Noch im Oktober 1849 wurde zwar die Union Siebenbürgens mit Ungarn wieder rückgängig gemacht. Aber die alte Ordnung von vor 1848 sollte doch nicht mehr hergestellt werden.

DIE MODERNE STADT (1850-1918)

Mit der Niederschlagung der ungarischen Revolution durch die österreichischen und russischen Truppen und der Wiedererrichtung des umfassenden habsburgischen Kaiserstaats, jetzt unter Franz Joseph I., setzte auch für Hermannstadt nahezu schlagartig ein Wandel auf allen Gebieten ein. Die Stadt erhielt neue administrative und militärische Funktionen, es begann eine umfassende städtebauliche Erneuerung, ihre zentrale Rolle für die Sachsen wurde neu konzipiert, und hier bauten die Rumänen Siebenbürgens ihr Zentrum systematisch aus. Wie die ganze Monarchie litt auch Hermannstadt unter den Verfassungsexperimenten der Wiener Regierung. Diese machte Hermannstadt nun expressis verbis zur Landeshauptstadt Siebenbürgens, nachdem die Ungarn in österreichischen Augen jegliche Rechte verwirkt hatten. Allerdings zeigt schon die Ernennung eines Militär- und Zivilgouvernements für Siebenbürgen unter der Leitung eines Feldmarschalleutnants mit Sitz in Hermannstadt, daß es sich eher um eine Besetzung des Landes denn um dessen geordnete Verwaltung handelte. Die Klagen auch der die ganze Revolutionszeit über ausgesprochen kaisertreuen Hermannstädter Sachsen gegenüber den ungerechtfertigten und demütigenden Übergriffen der neoabsolutistischen Vertreter Wiens waren enorm - ausgerechnet ein Bruder des berüchtigten Innenministers Bach saß als Landes-Zivilkommissär in Hermannstadt. Die Einrichtung einer vom jungen Kaiser im Dezember 1848 zunächst zugesagten exemten »Markgrafschaft Sachsenland« wurde seitens der Behörden bald verworfen. Der letzte frei gewählte und 1846 mit viel Pomp und unter Bezugnahme auf die jahrhundertealten Traditionen installierte Nationsgraf Franz von Salmen Die moderne Stadt

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wurde 1852 nach Wien wegbefördert, das Amt blieb bis 1861 vakant. Ein ähnliches Schicksal widerfuhr dem Bürgermeister, während der Orator der Kommunität amtsenthoben wurde. Die Stadt wurde praktisch von den Zentralbehörden fremdbestimmt, und die Kommunitätsmitglieder konnten nicht selten in der Zeitung lesen, was sie in den kommenden Tagen beschließen würden. Der Besuch des Kaisers im Juni und Juli 1852 in Hermannstadt, wobei er einem Volksfest beiwohnte und die Grundsteinlegung des neuen Bürgerspitals auf den Wiesen gegenüber der Hallerbastei vornahm, wurde zumindest von den deutschen und rumänischen Stadtbewohnern begeistert gefeiert und ließ andere politische Sorgen kurzzeitig vergessen. Doch die administrativen Experimente der schwarz-gelben Monarchie hatten gerade erst begonnen. 1853 wurden die alten Rechtsbücher zugunsten des einheitlichen österreichischen Bürgerlichen Gesetzbuches aufgehoben und 1854 wurde Hermannstadt Sitz einer Statthalterei. Diese übernahm nun die Regierung der Provinz, und zwar im neoabsolutistischen Sinne. Die alte Verwaltungsgliederung wurde aufgehoben und damit auch die Nationsuniversität zum zweiten Male aufgelöst. Das Land wurde in Kreise und Bezirke eingeteilt. Bis auf den Brooser Stuhl gehörten die früheren Sieben und Zwei Stühle und viele kleine Teile der Komitate zum Kreis Hermannstadt, das ansonsten Sitz aller Behörden blieb. Mit zwölf Bezirken und über 320.000 Einwohnern war dieser Kreis zudem der mit Abstand größte des Kronlandes Siebenbürgen. Doch damit nicht genug. Schon 1850 hatte der österreichische Staat die Hermannstädter Rechtsakademie von der Nationsuniversität übernommen. Allerdings in diesem Falle nicht zum Nachteil der Anstalt, denn nun kamen zahlreiche namhafte Gelehrte nach Hermannstadt, die im kulturellen und wissenschaftlichen Leben der Stadt allgemein eine große Rolle spielen sollten. Der Versuch einer modernen und zentralistischen Verwaltung des Riesenreiches aber schlug auch diesmal fehl, und Franz Joseph ruderte im Oktoberdiplom von 1860 zurück, um im Februarpatent 1861 doch nicht alle Zusagen des Voijahres umzusetzen. Ab Dezember 1860 wurde wieder ein Gubernium in Klausenburg aufgebaut, die Statthalterei in Hermannstadt bestand jedoch bis April 1861 weiter, so daß sich über Monate hin ein heilloses Verwaltungsdurcheinander entspann. In Hermannstadt verblieb der Kommandierende General, der nun - anders als in den Jahren ab Ende 1849 - nur mehr militärische Kompetenzen hatte. Ein Detail ließ künftige Probleme 168 Hermannstadt 1850-1918

erahnen: Der General schickte dem Gubernium in ungarischer Sprache verfaßte Schriftstücke wieder nach Klausenburg zurück. Jedenfalls kam es abermals, wie schon 1790, zur Wiederherstellung der alten Verwaltungskörperschaften, also der alten Nationsgebiete. Das Komesamt wurde nach mehreren Jahren der Auflassung 1861 wieder besetzt, wenn auch gegen den Willen der sächsischen Vertreter nicht mit dem vormaligen Amtsinhaber, sondern mit einem neuen Kandidaten. Und auch das Bürgermeisteramt wurde wieder regulär besetzt. Diese Vorgänge waren auch notwendig, denn die Sachsen hatten fur den Königsboden bereits im Frühjahr 1848 die Gleichberechtigung der dort lebenden Rumänen beschlossen, bislang diese Beschlüsse aber nicht umsetzen können. Hierfür wurden nun sowohl für das Nationsterritorium wie auch fiir ganz Siebenbürgen neue Wege gesucht. So kam es nach längerer Vorbereitungszeit 1863/64 zum letzten Hermannstädter Landtag, der für die gesamte Landesgeschichte einzigartigen Charakter hat. Kaiser Franz Joseph hatte mit der Einberufung die Punkte vorgegeben, die die im Festsaal des »Römischen Kaisers« versammelten Deputierten zu behandeln hatten. Aufgrund eines mäßigen Zensuswahlrechts, also abhängig von der Steuerleistung, nahmen erstmals auch rumänische Vertreter am Landtag teil, so daß sich die Versammlung aus 56 Ungarn und Szeklern, 58 Rumänen und 44 Sachsen zusammensetzte. Die Ungarn und Szekler blieben den Sitzungen wegen angeblicher Unrechtmäßigkeit bald mehrheitlich fern, Sachsen und Rumänen aber revolutionierten die Landesverfassung binnen weniger Monate: Sie fanden einen Weg zur Etablierung der Rumänen als gleichberechtigte vierte Landesnation, die Konfessionen der Orthodoxen und der Unierten traten zu den anderen vier rezipierten Kirchen hinzu, Ungarisch, Deutsch und Rumänisch wurden zu gleichberechtigten Landessprachen. Doch noch während Sachsen und Rumänen in Hermannstadt ein neues Siebenbürgen entwarfen, hatten sich in Wien die Vertreter einer großungarischen Politik bereits durchgesetzt. Kaiser Franz Joseph löste den Hermannstädter Landtag im September 1865 auf und berief gleich einen Folgelandtag mit abgeändertem Wahlverfahren nach Klausenburg ein. Dessen wesentliche Aufgabe bestand in dem Beschluß der Union Siebenbürgens mit Ungarn und der Delegierung aller weiteren Landesinteressen an den Pester Reichstag. Die Beschlüsse des Hermannstädter Landtags, teilweise vom Kaiser bereits sanktioniert, wurden annulliert. Die moderne Stadt

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HO'il

D a s alte G e b ä u d e d e s »Römischen Kaisers« in der Heltauer G a s s e (Fotographie aus d e n 1 8 7 0 e r Jahren).

Mit dem 1867 schließlich endgültig umgesetzten »Ausgleich« zwischen den Ungarn und dem Wiener Hof kam es zu einer faktischen Reichsteilung. Siebenbürgen hörte als eigenes Land nach rund sieben Jahrhunderten zu existieren auf und wurde integraler Teil Ungarns. Die alten Territorien der Nationen blieben als administrative Einheiten einstweilen noch bestehen, um 1876 einer gut vorbereiteten und den ganzen ungarischen Reichsteil abdeckenden Verwaltungsreform endgültig zu weichen. Das ganze Land wurde in Komitate gegliedert, die sich teilweise an alten Verwaltungsgrenzen orientierten, jedenfalls die vielfachen Verschachtelungen und Überlappungen von Rechtsgebieten aufhoben. Der Status von Hermannstadt veränderte sich damit schlagartig: Die Stadt verlor alle über die Grenzen des Komitats Hermannstadt, wie es nun hieß, hinausgehenden Kompetenzen. Sie war nicht mehr Hauptstadt der Sächsischen Nation, denn diese wurde endgültig aufgelöst. Sie war nicht mehr Landeshauptstadt, denn alle Provinzbehörden gingen in den Zentralinstitutionen in der neuen Hauptstadt Budapest auf. Sie blieb noch Sitz eines Generals und einer großen Garnison, denn das Militär blieb 170

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gesamtstaatlich, und Hermannstadt blieb eine strategisch bedeutsame Grenzstadt. Die Stadt erhielt einen »geregelten Magistrat«, wie es in der Terminologie der Zeit hieß, war Sitz des gleichnamigen Komitats, dessen »Obergespan«, also oberster Beamter, zugleich den Titel eines Komes der Sachsen trug. Das erhebliche materielle Erbe der Sächsischen Nationsuniversität bestand in Form einer gleichnamigen Stiftung weiter, in die neben diversen Immobilien vor allem in Hermannstadt in erster Linie die großen Waldgebiete und Gebirge der Siebenrichter im Süden Hermannstadts eingingen. Die Erträge kamen Schulen und kulturellen Einrichtungen der auf dem ehemaligen Königsboden lebenden Sachsen, Rumänen und Ungarn zugute. Die Rumänen hatten nun grundsätzlich überall gleiche Rechte erlangt, waren aber aufgrund ihrer ökonomischen Schwäche nur sehr eingeschränkt in der Lage, das an eine bestimmte Steuerleistung und Schulbildung geknüpfte Wahlrecht fur sich zu nutzen. In Hermannstadt hatten die Deutschen zu diesem Zeitpunkt noch mit großem Abstand die absolute Mehrheit: Von 18.998 Einwohnern (ohne Militär) waren 1869 über 67% Deutsche, knapp 20% Rumänen und rund 11 % Ungarn. In diesem Jahre gab es in der Stadt des weiteren 168 Juden, die sich ab der ersten Jahrhunderthälfte überwiegend als Kaufleute anzusiedeln begannen. 1846 wurde erstmals ein jüdischer Friedhof erwähnt. Hermannstadt schien recht bald auch für diese Religionsgruppe eine zentrale Bedeutung zu erlangen, denn für die Jahre 1872/73 wissen wir, daß hier - offenbar in jiddischer Sprache die Zeitschrift »Der siebenbürgische Israelit« in einer Auflage von 200 Exemplaren erschien. Im Allgemeinen trat das Element der österreichischen Beamten nach einem Höhepunkt in den fünfziger Jahren nun zunehmend zurück, dafür nahm die Zahl der in der Stadt lebenden Ungarn spätestens ab 1867 deutlich zu. Neben der staatlicherseits zunächst nur mäßig gesteuerten Siedlungspolitik war die einheitliche Verwaltungsstruktur Ungarns und der Primat der ungarischen Sprache ein wichtiger Grund dafür: Ungarischsprachige Beamte konnten nun quer durch das Reich versetzt werden oder nutzten diese Gelegenheit selbst zum Karriereaufstieg. So nahm auch die Zahl der ungarischen Schulen in Hermannstadt rasch zu - 1868 Magyarisierung des katholischen Gymnasiums, 1876 Staatselementarschule in der Reispergasse, 1899 Neubau des Staatsgymnasiums in der Reißenfelsgasse -, und die katholische Gemeinde der Stadt wurde nicht nur größer, sondern zunehmend auch zweisprachig, deutsch und ungarisch. Eine zunächst Die moderne Stadt

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ebenfalls magyarisierte Lehranstalt war die Rechtsakademie, die bis 1887 aber schrittweise abgebaut wurde. Ein über die politischen Brüche hinweg stabiler, wenn auch streng geschiedener Teil der Stadtbewohnerschaft blieb das polyglotte Militär. Dieses verlegte seinen Schwerpunkt im Verlaufe des W.Jahrhunderts sukzessive in den Süden und Westen der alten Stadt, wo es die neu entstandene Heltauer Vorstadt bildete. So wurden hier Artillerie-, Jäger-, Kavallerie- und Train-Kasernen errichtet, es folgten eine Kadettenschule, eine Militär-Reitschule und Militär-Schwimmschule, ein Garnisonsspital, das Bezirkskommando, diverse Magazine und Exerzierplätze. Doch dieser weitflächigen Vereinnahmung durch die k.u.k. Armee ging ein tatsächlicher städteplanerischer Modernisierungsschub voraus. Während der Kämpfe um die Stadt 1849 hatte sich herausgestellt, daß die alten Befestigungsanlagen keine militärische Bedeutung mehr hatten. Nach Wiederherstellung des Friedens fielen die historischen Bauwerke, in vielen Fällen ohnehin erheblich reparaturbedürftig, ab 1850 Schlag auf Schlag der Stadtmodernisierung zum Opfer. Als erstes wurde beschlossen, die Gebäude zwischen Burgergasse und Kleinem Ring, die den dunklen Tunnel bildeten, abreißen zu lassen. Gestank und Unrat in dieser langen Durchfahrt hatten schon vorher Anlaß zu Beschwerden gegeben und waren nicht mehr tragbar. Der Abriß der Häuser, die Neuregulierung der Auffahrt bis hin zur Eröffnung der heute noch benutzten gußeisernen Lügenbrücke, der letzten Erinnerung an eine einst große Anlage, dauerte fast ein Jahrzehnt, bis 1859. Bei diesen wie auch bei anderen Abrißarbeiten wurden gutteils italienische Arbeiter eingesetzt - noch gehörte ja der Großteil Oberitaliens zum gleichen Kaiserstaat. Und mit diesem Abriß verschwand auch die Laubenkirche, die inzwischen seit rund eineinhalb Jahrhunderten in Benutzung stand. Doch der Bedarf an evangelischen Kirchenräumen war ohnehin geschwunden, denn ebenfalls 1850 wurde die Herabsetzung der Predigerzahl von acht auf sechs, 1869 schließlich auf vier beschlossen, da diese häufig vor leeren Kirchenbänken erschienen. Einem neuen Verständnis der Religiosität begegnen wir auch bei der massiven Umgestaltung der evangelischen Stadtpfarrkirche in den Jahren 1853 bis 1855: Der Kirchenraum wurde durch die Abtrennung der Ferula mit einer Mauer um rund ein Drittel reduziert, womit dem massiven Rückgang des Gottesdienstbesuchs Rechnung getragen wurde. Der Chor wurde durch die Ab172 Hermannstadt 1850-1918

tragung des Lettners sichtbar und zugänglich, die Kanzel aus der Mitte des Schiffs an den nördlichen Bogen des Chors versetzt. Epitaphen und andere Kunstwerke wurden von ihren historischen Orten entfernt und ein weitgehend nüchterner Kirchenraum geschaffen. Nachdem in den sechziger Jahren schließlich auch der Gebrauch der vorreformatorischen Meßgewänder endgültig aufgehoben wurde und sich die letzten Hinweise auf praktizierte Privatbeichte in Hermannstadt um 1850 finden lassen, können wir nun von einer modernen, also dem Zeitgeist vor allem binnendeutscher protestantischer Kirchen entsprechenden Auffassung auch in dieser Stadt ausgehen. Auf den Rückgang des evangelischen Gemeindelebens weist auch die Abtragung der Elisabethkirche in der Unterstadt wegen Baufalligkeit 1868, so daß lediglich die deutlich verkleinerte Stadtpfarrkirche und die Spitalskirche für Gottesdienste zur Verfugung standen. Doch es waren vor allem die alten Befestigungen, die als Hemmschuh für die Stadtentwicklung, zunächst als den Verkehr beeinträchtigend, empfunden wurden. In der ersten Jahrhunderthälfte war 1839 lediglich der Heltauertorturm abgetragen worden, nun folgte 1852 die Sagtor-Bastei und 1858 das Tor selbst, 1857 das Burgertor, 1865 dessen Bastei und die letzten Teile des Elisabethtores, 1871 die Wagnerbastei, in der Zwischenzeit Dutzende weiterer Türme und der größte Teil der Stadtmauern. Das, was Hermannstadt über Jahrhunderte hin nicht nur seinen besonderen Charakter verliehen und es zur »roten Stadt« gemacht hatte, sondern auch was die Stadt als größte Festung des Landes und als mit hohem Einsatz zu schützendes Rechtsgebiet definierte, ihre Befestigungen nämlich, verschwand nahezu unbemerkt in einer Periode ausgeprägten Fortschrittsglaubens. Ein künstlerisch begabter und stadtgeschichtlich interessierter Hermannstädter Bäcker, Johann Böbel, verfolgte diese Entwicklung aufmerksam. Er hielt viele der abgetragenen Bauwerke auf ausgezeichneten Aquarellen und in einem Stadtmodell fest. 1872 wurden einige der Stadtverantwortlichen dieser Entwicklung gewahr, suchten Böbel auf und ließen sich die Zeichnungen des Verschwundenen zeigen. Auch sie vermochten jedoch nicht mehr, als Drucke von Böbels einzigartigen Kunstwerken anfertigen zu lassen. Immerhin beschloß die Kommunität 1873, die noch vorhandenen Türme zu erhalten - was nicht heißen sollte, daß nicht noch weitere fallen sollten, so 1876 der Schlosserturm neben dem Theater oder 1881 der Goldschmiedeturm auf dem Soldisch. Und gegen Ende des Jahrhunderts war der Vorsatz Die moderne Stadt

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der Denkmalbewahrung längst wieder vergessen, denn 1890 wurde das Salztor abgetragen und 1898 folgte das große Corpus aus Ladislauskapelle, Priesterturm und Priesterhof - Bauwerke, die auf die früheste Stadtgeschichte zurückgingen. Damit wäre kein Ende gewesen, hätte nicht der 1904 in Hermannstadt gegründete SebastianHann-Verein den Abriß eines heutigen Wahrzeichens der Stadt, des alten Ratturmes, verhindert.

Der Ledererturm (auch Pulverturm oder Marienturm) im N o r d e n der Unterstadt mit der n o c h ungepflästerten P u l v e r g a s s e entlang der ehemaligen S t a d t m a u e r (Fotographie E n d e 19. Jahrhundert).

Die Stadt mit geordnetem Magistrat, in ihrer Zuständigkeit nun ausdrücklich auf die Stadtgrenzen beschränkt - für die anderen Orte des Komitats waren Komitatsbehörden zuständig -, diese Stadt sanierte ihre Strukturen von Grund auf: das Straßennetz wurde reguliert, erneuert und gepflastert, 1872 und 1874 eine Neunumerierung der Häuser mit teilweiser Neubenennung der Straßen unter Einbeziehung der durch die Abtragungen neugewonnenen Bauplätze durchgeführt, Gärten und Grundstücke vor den alten Mauern wurden angekauft und zur Bebauung parzelliert, das alte Gasthaus »Zum Römischen Kaiser« als Aktiengesellschaft an der gegenüberliegenden 174

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Ecke 1895 vollständig neu errichtet. Beim Anschluß an das Eisenbahnnetz, eine wichtige Voraussetzung fur die Entwicklung von Handel und Industrien im ausgehenden 19. Jahrhundert, hatte Hermannstadt nicht die besten Karten, da die Entscheidung zur Führung der Hauptlinie von Budapest über Kronstadt fiel. Mit dieser konnte Hermannstadt 1872 nur über eine Anschlußstrecke nach Kleinkopisch verbunden werden, ein bis ins 21. Jahrhundert fortdauernder Nachteil im Fernverkehr. Der Bahnhof wurde östlich der Stadt errichtet, etwa benachbart zum ersten Dominikanerkloster, an dessen Standort bis heute die kleine Kreuzkapelle erinnert. 1892 folgte der Eisenbahnanschluß über Talmesch nach Freck, 1894 nach Heitau und erst 1897 einerseits nach Unterwinz zur Verbindung an die Karlsburg-Strecke, andererseits durch den Rotenturmpaß zur rumänischen Grenze hin. Diese letztlich mehrfache Einbindung ins Schienennetz, überwiegend von Dr. Karl WolfF von Hermannstadt her betrieben, brachte der Stadt und ihrem Umland schließlich enorme Vorteile für die Förderung von Handel und Gewerbe. Überhaupt war Hermannstadt beim technologischen Fortschritt führend, die Stadt setzte ganz auf Innovation: Als in Deutschland 1891 erstmals eine Drehstromübertragung über große Entfernungen hinweg realisiert wurde, wurde in Hermannstadt Karl WolfF darauf aufmerksam. WolfF, zeitweilig Reichstagsabgeordneter in Budapest, war seit 1885 Direktor der Hermannstädter allgemeinen Sparkassa und war 1890 gerade zum Präsidenten des Sächsischen Zentralausschusses, der seit 1876 obersten politischen Vertretung der Sachsen, gewählt worden. Vor allem auf das Kapital der Sparkasse und auf ein begeisterungsfähiges Bürgertum gestützt, konnte WolfF die Idee eines Elektrizitätswerkes für Hermannstadt verFolgen und die höchste Kapazität jener Zeit, Oskar von Miller aus München, für die Umsetzung gewinnen. 1893 gab es eine erste elektrische Ausstellung in Hermannstadt, das von den Petroleumlampen und Stearinkerzen unmittelbar zum elektrischen Licht hingeführt werden mußte. Und Ende 1896 wurde das Elektrizitätswerk eröfFnet, das vom Wasserkraftwerk in Zoodt den Strom über 17 Kilometer hin in die Stadt lieferte. Die Maschinenleistung steigerte sich von anfanglich 810 während eines Jahrzehnts auf 2.236 Pferdestärken. Vor allem Hermannstadt und Heitau profitierten von dieser neuen Einrichtung, doch nach und nach wurden alle umliegenden Gemeinden angeschlossen. Neben den Privathaushalten und öffentlichen Nutzungen Die moderne Stadt

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profitierten vor allem Kleingewerbe und kleine Fabriken von der Stromlieferung, denn größere Industrien sollte es in Hermannstadt zunächst kaum geben. Erst die Maschinenfabrik Rieger, ab 1875 ebenfalls aus einem Gewerbebetrieb entstanden, wurde ein Großabnehmer. Die kostengünstige Energielieferung, nach jeweils neuesten Erkenntnissen fortlaufend ausgebaut, ermöglichte den Betrieben in der Stadt wie auch in der Nachbarschaft, vor allem den zahlreichen Wollwebereien in Heitau, trotz angespannter Wirtschaftslage konkurrenzfähig zu bleiben und in gewissem Umfang zu prosperieren. Die Erwartungen der Gründer des Elektrizitätswerkes wurden mehr als erfüllt, Stromproduktion und Stromabnahme schössen in die Höhe. Da die Hermannstädter Elektrizitätswerk AG genauso wie die Sparkasse ihren Profit satzungsgemäß in gemeinnützige Projekte investierten, profitierten Hermannstadt und Umgebung gleich mehrfach. Teile der Stromlieferung an die Stadt erfolgten kostenlos, das Werk selbst sollte ihr nach 50 Jahren vollständig zufallen. Auch am Reingewinn des Elektrizitätswerkes war sie beteiligt. Selbst Luxusprojekte waren möglich: 1904 der Bau des Volksbades am Soldischpark nach Plänen des Münchener Architekten Karl Hocheder, 1905 ein Leuchtspringbrunnen im Erlenpark, 1906 die Nachtbeleuchtung der Ratturmuhr oder 1911 gar die elektrische Heizung der evangelischen Stadtpfarrkirche. Nach einem ersten Versuch einer gleislosen elektrischen Straßenbahn 1904 wurde 1905 die Elektrische Stadtbahn AG gegründet, die noch im gleichen Jahr eine Straßenbahn zwischen Bahnhof und Erlenpark, also quer durch die gesamte Stadt, in Betrieb nahm. Das Schienennetz wurde zügig ausgebaut. Die schon im 18. Jahrhundert zu beobachtende und im 19. Jahrhundert weiterentwickelte Ausflugskultur der Hermannstädter erfuhr durch die Straßenbahn eine nachhaltige Förderung. Nachdem schon der Erlenpark, mit dessen Anlage der Stadtverschönerungsverein 1882 begonnen hatte, nähergerückt war, kam auch der Junge Wald näher an die Stadt heran. Hier befand sich die große Festwiese, wo die Hermannstädter sächsischen Vereine 1884 einen großen Festzug in Historiengewändern zur 800-Jahr-Feier der Stadtgründung und der Einwanderung in Siebenbürgen hinleiteten, oder wo seit 1865 jährlich im Mai das populäre »Maifest« der Hermannstädter Schulen und der ganzen Stadtbevölkerung stattfand. Etwas außerhalb wurden Michelsberg und schließlich in den Bergen weit oberhalb von Reschinar die »Hohe Rinne«, in Salzburg aber die Badebetriebe zu Orten der Sommer176 Hermannstadt 1850-1918

frische und des Kuraufenthalts für das gutsituierte Hermannstädter Bürgertum. Auch der neue Zentralfriedhof, 1907 fur alle Konfessionen mit Anteilen im Verhältnis der damaligen Einwohner weit außerhalb der Stadt angelegt, wurde durch die Stadtbahn erst gut erreichbar. Parallel zu dieser Entwicklung erfolgten weitere Infrastrukturverbesserungen. 1894 wurde eine neue Trinkwasserleitung aus dem Schewistal eröffnet, wenngleich die Ausstattung der gesamten Stadt mit einem neuen Kanalisationssystem erst in den Jahren 1906-1910 erfolgte. Bei den Grabungen wurden übrigens die historischen Befunde in den alten Stadtteilen gesichtet, woraus sich viele Kenntnisse zur mittelalterlichen Stadtgeschichte ableiten. Unter den Neuerungen ist schließlich die Einrichtung einer Telefonverbindung 1895 zu nennen. Zusammen mit den Banken und Versicherungen, die ihren Sitz in Hermannstadt hatten - neben der Sparkasse, der Bodenkreditanstalt (gegründet 1872) und der von beiden 1891 gegründeten Siebenbürger Vereinsbank, von rumänischer Seite die Albina-Bank, schließlich als größte sächsische Versicherungsgesellschaft die Transsylvania-Versicherungs-AG (gegründet 1868) -, konnten die infrastrukturellen Maßnahmen auf mitteleuropäischem Zeitniveau die begrenzte Industrialisierung der Stadt ausgleichen. Die Nutzung neuer Technologien, die Etablierung als Bankenzentrum, ein vielfaltiges Kleingewerbe und ein sich erholender Regionalhandel boten die Grundlage, um mit Städten wie Kronstadt oder Klausenburg um die Führung im Lande weiter zu wetteifern - obwohl es Hermannstadt mit den Industrien dieser Städte nicht aufnehmen konnte. Dennoch zeigen die trockenen statistischen Daten zu Hermannstadt eine einzigartige Entwicklung: In den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende wuchs die Bevölkerung aller Städte Siebenbürgens trotz starker Auswanderungsströme deutlich an, eine Folge des teilweisen Zusammenbruchs der Landwirtschaft auf der einen und der Industrialisierung auf der anderen Seite. Während aber die absoluten Zahlen der Deutschen in den sächsischen Städten etwa gleich blieben oder nur geringfügig anstiegen, gingen sie als Ausnahmeerscheinung nur in Hermannstadt sprungartig nach oben. Und zwar von 12.010 im Jahre 1880 auf 16.832 im Jahre 1910, womit der verhältnismäßige Anteil in diesen drei Jahrzehnten von knapp 62% lediglich auf knapp 57% fiel (zum Vergleich: in Kronstadt nahm der Anteil der Deutschsprachigen zwischen 1880 und 1910 von knapp 34%, der relativen Mehrheit, auf gut 26% ab, womit sie auf den dritten Platz fielen). Die moderne Stadt

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Die Zunahme der deutschsprachigen Bevölkerung Hermannstadts um rund 40% erklärt sich nur durch eine hohe Zuwanderung, die bevorzugt eben diese Stadt zum Ziel wählte. Da der deutschsprachige Zuzug aus der Monarchie tendentiell eher abnahm, muß es sich im Wesentlichen um sächsischen Zuwachs aus anderen Städten oder vom Lande gehandelt haben, der in das Umfeld der neuen Fabriken drängte. Zu einem gewissen Teil sind unter den Deutschsprachigen auch die bis 1910 auf über 1.300 Personen angewachsenen zwei jüdischen Gemeinden der Stadt zu sehen - 1899 hatten sie in der Salzgasse eine Synagoge errichtet. Im Allgemeinen bleibt festzuhalten, daß sich die neu aufkommende Fabrikarbeiterschaft in Hermannstadt zunächst überwiegend aus Sachsen und Monarchie-Zuwanderern und nur zu kleineren Teilen aus Rumänen - wie andernorts meist der Fall - zusammensetzte, während unter den Rumänen der Stadt eher der bürgerliche Anteil zunahm. Auf das ganze Komitat Hermannstadt gesehen hatten die Rumänen schon lange die absolute Mehrheit erreicht. 1900 machten sie hier gut 66% aus, während die Deutschen gut 29% und die Ungarn knapp 5% hielten. Daß die Rumänen jedoch in der Hermannstädter Stadtvertretung kaum anzutreffen waren und diese nach wie vor fast ausschließlich von Deutschen gebildet wurde - Anfang des 20. Jahrhunderts etwa machten Rumänen hier etwa 6-8 % aus -, ist wohl auf bewußtes sächsisches Taktieren in Kooperation mit ungarischen Behörden zurückzufuhren. So bewegt die gesellschaftliche Entwicklung der Stadt während der Zeit des Dualismus auch war, so arm war die Stadtgeschichte hingegen an politischen Ereignissen. Hermannstadt war eine Provinzstadt - ein Komitatsvorort unter insgesamt 64 im ungarischen Reichsteil. Die Sachsen Siebenbürgens behielten zwar hier den Mittelpunkt für ihre Interessenswahrung. Ihre politische Arbeit, bis dahin Ausdruck der Selbstverwaltung und der Selbstbestimmung als alter Landstand, erhielt nun den Charakter ausgesprochener Minderheitenpolitik. Auch die »Sachsentage«, Zusammenkünfte sächsischer Wahlkreisvertreter, die 1890 und 1896 in Hermannstadt stattfanden, befaßten sich nur mehr mit inneren Belangen und Anliegen der Gruppe, des sächsischen Kollektivs, nicht mehr mit einem Nationsterritorium oder gar gesamtstaatlichen Problemen. Zum publizistischen Sprachrohr wurde ab 1874 die wichtigste Zeitung der Stadt, das »SiebenbürgischDeutsche Tageblatt«, dessen Vorgänger zwischen 1868 und 1873 als Wochenblatt erschienen war. Was auch diese Stadt in besonderer 178

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Weise aufwühlen sollte, war eine Verordnung der Budapester Regierung, die die ungarischen Ortsnamen zu den allein zulässigen amtlichen Bezeichnungen erklärte. Die Kommunität Hermannstadts beschloß 1899 einstimmig, den Namen Hermannstadt beizubehalten und nicht durch Nagyszeben zu ersetzen. Gutachten bei anerkannten Kapazitäten wurden in Auftrag gegeben, die die Rechtmäßigkeit des deutschen Namens belegten. Das unerbittlich vereinheitlichende und magyarisierende Budapest blieb jedoch hart, auch künftige Proteste gegen das amtliche Nagyszeben waren vergebens. Die Benutzung der vorgeschriebenen und ungeliebten Namensform wurde jedoch wo nur irgend möglich vermieden, die deutsche aber zumindest dazugesetzt. Der Anteil der Ungarischsprachigen an der Bevölkerung stieg bis 1910 auf immerhin gut 19% oder rund 7.300 Einwohner, keine kleine Gruppe auch verglichen mit den Rumänischsprachigen, die gut 26% der Einwohner ausmachten. Doch im Gegensatz zu den Rumänen und Deutschen der Stadt entwickelten die Ungarn hier, wohl auch wegen der Aufsplitterung in mehrere Gemeinden und wegen sozialer Disparität, keine rechte Gruppenidentität. Sie wurden von den Alteingesessenen auch nicht angemessen wahrgenommen, und ihr Anteil sollte später rasch wieder abnehmen. Von überregionaler Bedeutung war das 1864 in der Josefstadt eingeweihte Kloster der Franziskanerinnen, das eine ungarischsprachige Mädchenschule unterhielt. Ganz anders bei den Rumänen. Diese waren nach dem für sie verheißungsvollen Hermannstädter Landtag von 1863/64 durch die Union Siebenbürgens mit Ungarn und durch die Folgen des Ausgleichs schwer enttäuscht worden. Doch in Hermannstadt, dieser kaisertreuen und am wenigsten ungarischen Stadt Siebenbürgens, sollten sie dennoch wichtige Weichenstellungen für ihre spätere Geschichte vornehmen können. Bereits 1861 war in Hermannstadt die »Siebenbürgische Vereinigung fur rumänische Literatur und Kultur des rumänischen Volkes«, Asoctafmnea Transilvanä oder kurz Astra, gegründet worden, die sich die kulturelle Förderung ihrer Sprachgenossen in ganz Siebenbürgen zur Aufgabe stellte und im Laufe der Jahrzehnte einen großen Wirkungskreis erreichte. Und 1864 wurde das orthodoxe Bistum Siebenbürgens mit Sitz in Hermannstadt zur Metropolie, etwa einem Erzbistum entsprechend, erhoben. Die überragende Persönlichkeit des Bischofs und dann Metropoliten Andrei von $aguna prägte diese rumänische Kirche auf lange Sicht. 1868 konnte er in HerDie m o d e r n e S t a d t

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mannstadt den ersten rumänischen »National-Kirchlichen Congress« abhalten, bei dem unter anderem das »Organische Statut« die Grundlagen der siebenbürgisch-orthodoxen Kirche legte. Viele Elemente dieser Kirchenverfassung, etwa die starke Laieneinbindung auf allen Kirchenebenen, spiegeln die enge Kooperation $agunas mit Hermannstädter sächsischen Kirchenrechtlern wider. In Hermannstadt und in den unweit gelegenen Städtchen der 1851 aufgelösten südsiebenbürgischen Militärgrenze begann sich allmählich ein rumänisches Bürgertum herauszubilden, das Anregungen der Nachbarnationen aufzunehmen in der Lage war. 1871 etwa wurde in Hermannstadt die »Albina«, die langfristig wichtigste rumänische Bank Siebenbürgens gegründet. Ein Jahrzehnt später, 1881, fand hier die Gründung der Rumänischen Nationalpartei aller ungarländischen Rumänen statt. Die Hermannstädter rumänische Presse, etwa die 1884 gegründete »Tribuna«, erlangte Bedeutung fur die Rumänen des ganzen Landes. Anregung und Förderung erhielten die Rumänen in Politik und Kultur auch aus dem inzwischen als unabhängiges Königreich konstituierten Nachbarland Rumänien, das unter einer neubegründeten Dynastie des Hauses Hohenzollern-Sigmaringen stand. Die rumänischen kulturellen Bestrebungen von gesamtsiebenbürgischer Bedeutung gipfelten in Hermannstadt mit der Eröffnung des Astra-Gebäudes mit Museum und Bibliothek am Soldisch-Park 1905, mit der Fertigstellung der neuen orthodoxen Kathedrale nach dem Vorbild der Hagia Sophia in der Fleischergasse - wesentlich gefördert vom Kaiserhaus und ausgeführt von Künstlern und Architekten aller siebenbürgischen Völker - an der Stelle des alten griechischen Bethauses 1906 und schließlich mit dem Bau des orthodoxen Priesterseminars gegenüber der Kathedrale 1913/14. Der Mittelpunkt der Hermannstädter Rumänen hatte sich damit endgültig aus den Vorstädten in die alten Stadtteile verschoben, und zwar in die westliche Oberstadt, wo sich Elementar- und Mädchenschulen, Astra-Museum, Metropolitensitz, Seminar, Kathedrale und Albina-Bank in Nachbarschaft zueinander befanden. Die soziale Trennung zwischen den reichen Kaufmannsfamilien, den »Griechen«, und den ländlichen Rumänen der Umgebung war endgültig verschwunden. Interessant ist die Feststellung, daß das Verhältnis zwischen Rumänen und Sachsen - trotz Wahrung der eindeutigen Dominanz der letzteren - in Hermannstadt ein relativ ausgeglichenes war, ohne nationale Spannungen wie in manch anderen Städten. Die eindeutigen Mehrheitsverhält180 Hermannstadt 1850-1918

nisse in der Stadt mögen dieses entspannte Nebeneinander befördert haben. Die Umgangssprache zwischen den Oberschichten der beiden Gruppen war in der Regel das Deutsche, hatten doch viele der maßgebenden Rumänen auf sächsischen Gymnasien und später auf deutschen oder österreichischen Universitäten ihre Ausbildung erhalten. In der Abwehr der zentralungarischen Politik und der Magyarisierungsbestrebungen wußte man sich einig, auch wenn es nicht zu eigentlichen politischen Kooperationen kam. Die Sachsen hatten, wie gehört, schrittweise bereits in den 1850er Jahren und nach einer kurzzeitigen Restitution ihre Sonderrechte auf dem Königsboden 1876 endgültig verloren. Hermannstadt als das Zentrum der Selbstverwaltung war davon am nachhaltigsten betroffen. Doch die Weichen für eine neue Zentrumsbildung waren bereits gestellt worden. Im Zuge einer Neustrukturierung der kirchlichen Angelegenheiten hatte das evangelische Oberkonsistorium schon 1850 beschlossen, den Bischofssitz von der Birthälmer Pfarrstelle zu trennen, um dem Kirchenoberhaupt den fur seine zunehmenden Aufgaben nötigen Spielraum zu verschaffen. 1854 wurde die Verlegung des Bischofsstuhls nach Hermannstadt behördlich verfugt. Doch erst nach der Wahl Georg Daniel Teutschs zum neuen Bischof kam es 1867 zur Etablierung des Bischofssitzes in Hermannstadt. Dieser war damit nach fast drei Jahrhunderten wieder an seinen Ursprungsort zurückgekehrt. In der Zwischenzeit hatte die Kirche nach langwierigen Verhandlungen mit den österreichischen Behörden eine neue Verfassung erhalten. Diese war bei der ersten Landeskirchenversammlung, die im April 1861 in Hermannstadt stattfand, beschlossen worden und sah als ein wichtiges neues Element die Einbindung der Laien in Presbyterien, Gemeinde-, Bezirks- und Landeskirchenversammlungen vor. Eine breite Repräsentanz der Konfessionsangehörigen war damit geschaffen, die deutlich über den alten Königsboden hinausging, da nun auch die Evangelischen der Komitate eingebunden waren. Des weiteren wurde die historische Kapitelseinteilung durch Kirchenbezirke abgelöst, wobei der neue Hermannstädter Bezirk mit 30 Gemeinden aus den alten Kapiteln Hermannstadt und Leschkirch sowie drei weiteren Gemeinden gebildet wurde. Die kirchliche Umstrukturierung bot zugleich die Möglichkeit der eindeutigen Zuordnung des sächsischen Schulwesens zu den evangelischen Gemeinden. Eine neue, umfassende, klar und straff organisierte Institution entstand parallel zum Abbau der alten SelbstDie moderne Stadt

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Verwaltung. Sie verlegte ihre Zentrale zum richtigen Zeitpunkt nach Hermannstadt und hatte das Glück, im ersten Vierteljahrhundert des Aufbaus unter der Leitung einer starken, umfassend gebildeten und weitsichtigen Persönlichkeit zu stehen. An die Stelle des Nationalkonfluxes der Nationsuniversität trat nun die regelmäßig in Hermannstadt zusammenkommende Landeskirchenversammlung, an die Schaltstellen kamen nun statt der Juristen die Pfarrer, Gymnasialprofessoren und Lehrer - zugleich wurden damit die alten Oligarchenfamilien durch ein breites soziales Spektrum ersetzt. In gewisser Weise blieb Hermannstadt damit eine Stadt der Verwaltung, an Stelle der Provinzial- und der Nationsverwaltungen traten nun jene der evangelischen Landeskirche und der orthodoxen Metropolie. Unter Bischof Teutsch bezog das Oberkonsistorium das ehemals Fileksche Haus am Großen Ring, das an der Stelle des früheren Landhauses mit Landtagssaal und Gouverneurswohnung entstanden war. Hier haben Bischof und Landeskonsistorium seither ihren Sitz. Auf die »Evangelische Kirche Augsburgischen Bekenntnisses in den siebenbürgischen Landesteilen Ungarns«, wie sie sich aufgrund der regierungsamtlichen Negierung des alten Regionsbegriffs Siebenbürgen bald nennen mußte, kamen immer mehr Aufgaben zu, die bisher die Gemeinden getragen hatten. So übernahm die Gesamtgemeinde 1878 das Lehrerseminar von der Kirchengemeinde Hermannstadt und baute es zu einer großen Lehrerbildungsanstalt aus. Diese bezog 1891 einen neuen und geräumigen Gebäudekomplex an der Schewisgasse nahe des Erlenparks. Auch die Gemeinde zeigte wieder reges Leben und sie übernahm neue soziale und kulturelle Aufgaben. 1882/83 kam es zum ersten neuzeitlichen Kirchenbau, der nicht nur steigenden Bedarf, sondern auch einen Bedeutungswandel der Vorstädte signalisierte: Gerade noch in der Innenstadt, auf dem nun einen Park bildenden Gelände des ehemaligen Soldischzwingers, entstand die Johanniskirche (und zwar deren erster Bau, dem wegen Baufälligkeit 1912 der bis heute stehende späte Jugendstilbau folgte), die fur die geistliche Betreuung der Josefstadt sowie fur das zeitgleich benachbart errichtete evangelische Waisenhaus, das Lutherhaus, bestimmt war. Die Kirche wurde im Rahmen der groß begangenen Feiern zum 400. Geburtstag Luthers eingeweiht. In den eigentlichen Vororten gab es wohl immer mehr kirchliche Einrichtungen. Gottesdienste auf der Hallerwiese, einem neuen Wohngebiet südlich der Innenstadt, wurden aber erst 1904 und auf der Konradwiese, einer 182 Hermannstadt 1850-1918

Wohnsiedlung westlich der Sagtorvorstadt, erst 1912 aufgenommen. Dafür wurde ab 1906 auf die Nutzung der Spitalskirche verzichtet. Wie nachhaltig die städtische Kirchengemeinde - im Jahre 1880 mit etwas mehr als 10.000 Seelen - zum neuen Forum fur alle gesellschaftlichen Belange der Sachsen wurde, läßt sich an der weiteren Gründungs- und Bautätigkeit in den Jahrzehnten um die Jahrhundertwende ersehen: 1875 erfolgte die Gründung des Frauenvereins zur Unterstützung der evangelischen Mädchenschule, 1884 gefolgt vom evangelischen Ortsfrauenverein; 1896/97 gab es Neubauten der evangelischen Krankenpflegeanstalt und des Volksschulgebäudes, 1905-1911 umfassende Renovierungen an der Stadtpfarrkirche, 1907 übernahm die Gemeinde die 1871 in der Oberstadt und 1882 in der Unterstadt gegründeten ersten Privatkindergärten und führte sie als etablierte Einrichtungen fort, 1911-1913 kam es zu Neubauten des Schulkinderhortes, des Frauenheims, eines Stadtpredigerhauses mit Betsaal auf der Konradwiese und des landeskirchlichen Diasporaheims. Nach dem Tod des letzten männlichen Brukenthal 1872 konnte die evangelische Gemeinde nach einem erfolgreich verlaufenen Prozeß 1878 die Verwaltung sämtlicher Brukenthal-Güter übernehmen. Deren ausdrückliche Zweckbestimmung als Fonds für die Stadtpfarrkirche, für das Gymnasium, die Waisen und die Armen setzte die Gemeinde überhaupt erst in die Lage, viele der hier genannten Vorhaben umzusetzen. 1908 erwarb die Gemeinde darüber hinaus den Brukenthalschen Sommersitz in Freck mit Schloß und Park und richtete dort ein Erholungsheim ein. Der in Südsiebenbürgen verstreut liegende Brukenthalsche Stiftungsbesitz wurde 1909 durch Tausch und durch Verkäufe auf zwei große Komplexe reduziert. Die Sammlungen Brukenthals im Palais am Großen Ring wurden, obwohl im Eigentum der Hermannstädter evangelischen Kirchengemeinde, nun unbestritten zur kollektiven sächsischen Institution. Sie wurden fachmännisch betreut und zumal die Bibliothek und die Handschriftensammlung systematisch ausgebaut. 1879 etwa, unmittelbar nach Klärung der rechtlichen Verhältnisse, wurden die größten und wichtigsten Teile der »Kapellenbibliothek« aus dem Gymnasium in die Brukenthalbibliothek überfuhrt. Die evangelische Kirchengemeinde Hermannstadt war zu Beginn des 20. Jahrhunderts ohne Frage das am stärksten verzweigte Unternehmen der Stadt, auch wenn die Bilanzen der Sparkasse oder des Elektrizitätswerks höher gewesen sein mögen. Noch kurz vor Kriegsbeginn entschloß sich die Gemeinde zu einer herausragenden NeuDie m o d e r n e S t a d t

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Priesterturm und Ladislauskapelle (beide 1 8 9 8 abgetragen), rechts anschließend ein E c k d e s neuen G y m n a s i a l g e b ä u d e s (Fotographie kurz vor d e m Abriß).

anschaffung: Die europaweit führende Firma Sauer aus Frankfurt an der Oder sollte eine neue Orgel errichten. Wie schon bei den Modernisierungen im ausgehenden 19. Jahrhundert war das Beste aus Deutschland gerade gut genug. Zu Weihnachten 1915 wurde sie eingeweiht. In der hier geschilderten kirchlichen Tätigkeit ragt ein Datum besonders heraus und veranschaulicht die Selbstsicht wie auch die Fremdsicht der evangelischen Hermannstädter, stellvertretend sicher fur die meisten Sachsen Siebenbürgens: 1899 wurde auf dem Kirchhof oder Huetplatz, wie der alte Friedhof nach dem großen Königsrichter nun genannt wurde, und zwar vor dem Südportal der Stadtpfarrkirche ein Standbild des Bischofs Georg Daniel Teutsch errichtet. Er war gerade erst vor sechs Jahren verstorben, doch seine geistigen Erben waren sich nicht nur der Bedeutung seines Aufbauwerkes für die erneuerte evangelische Kirche mit ihren erweiterten Aufgaben bewußt. Vielmehr verspürten sie das Bedürfnis der Selbstvergewisserung ihres konfessionellen und ethnischen Standortes zwischen einem sich zunehmend aggressiv-national gebärdenden ungarischen Einheitsstaat und einer demographisch erdrückenden rumänischen Mehrheit ihrer unmittelbaren Umgebung. An der Ent184

Hermannstadt 1 8 5 0 - 1 9 1 8

hüllungsfeier des ehernen Denkmals, geschaffen in einer Stuttgarter Bildhauerwerkstatt, nahm neben sämtlichen sächsischen Honoratioren eine große Delegation aus dem Deutschen Reich teil, darunter mehrere Dekane theologischer Fakultäten, Vertreter der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, des Germanischen Nationalmuseums Nürnberg, des Gustav-Adolf-Vereins. Auch die bekannten Wissenschaftspersönlichkeiten Adolf Harnack und Ernst Troeltsch waren dabei und trugen später zur Popularisierung sächsischer Belange in Deutschland wesentlich bei. Das Standbild Teutschs wurde an einer Stelle platziert, wo über Jahrhunderte hin öffentliche Bekanntmachungen vorgenommen wurden und wo sich die Hundertmänner versammelten, im Zentrum der ersten Befestigung der Zeit um 1200. An diesem symbolträchtigen Ort sollte es ein öffentliches Bekenntnis zu einer neu definierten Sächsischen Nation sein: als ein alle evangelischen Deutschen in einer Kirche vereinigendes Volk, das sein Mutterland im Deutschen Reich sah. Hermannstadt war Mittelpunkt und Vorreiter dieses Selbstverständnisses. Doch diese Feier war - in der Folge des Reformationsjubiläums von 1817 - nur eine unter vielen ähnlicher Zielsetzung. Die Lutherfeiern 1883 wurden erwähnt, schon 1888 folgten Lutherfestspiele, 1884 gab es die Einwanderungsfeier, 1887 Uhlandfeiern, 1896 wurde des 100. Geburtstags Stephan Ludwig Roths und 1898 des 400. von Hontems, 1903 des 100. Todestags Brukenthals gedacht, 1905 folgten Schillerfeiern, dann 1893 und 1907 große Bischofseinfuhrungen, 1895 die Eröffnung des Museums des Siebenbürgischen Vereins für Naturwissenschaften zu Hermannstadt und schließlich die zahlreichen 50-Jahr-Jubiläen der im Vormärz und bald danach gegründeten Vereine. Es waren dies Äußerungen eines regen kulturellen Lebens, eines sich weiter hebenden Bildungstands der städtischen Gesellschaft, aber meist auch eines sich im Sinne der Nationalismen ethnisierenden Alltags. Der das dualistische Ungarn erfassende »Nationalitätenkampf« fand auf örtlicher Hermannstädter Ebene jedoch nur in abgeschwächter Form statt. Die nationale Selbstvergewisserung der einzelnen Gruppen diente in erster Linie der gegenseitigen Abgrenzung, regelrechte Konflikte oder radikale Anfeindungen waren unbekannt. Sehr anschaulich wird dies im blühenden Vereinswesen der Stadt, das um die Jahrhundertwende ungeahnte Ausmaße erreichte. Viele Vereine hatten eine Ersatzfunktion für die aufgelösten Zünfte und Innungen und waren zwar dominant deutsch besetzt, vom Grundsatz her Die moderne Stadt

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aber übernational angelegt. Kulturelle und soziale Belange aber waren nach Sprach- oder Konfessionsgruppen deutlich getrennt. So gab es neben zwei evangelisch-deutschen Frauenvereinen jeweils einen israelitischen, einen rumänischen und einen ungarisch-protestantischen. Die Gesangs- und Musikvereine gliederten sich in sechs deutsche, einen ungarisch-reformierten, einen rumänischen und einen katholischen. Kultur- und Bildungsvereine bestanden - neben jenen der Sachsen und der Rumänen - auch für die in der Stadt lebenden Tschechen, Szekler, Ungarn, für die Angehörigen des Deutschen Reichs, für die orthodoxen Studenten oder für die israelitische Jugend nach Geschlechtern getrennt. Die größte AusdifFerenzierung nach Konfessionen, Berufen und anderen Kriterien bestand bei den Bestattungsvereinen. Zahlreich waren zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch die Turn- und Sportvereine - Eislaufverein, Fechtklub, Jagdverein, Karpatenverein, zwei Radfahrvereine, Scharfschützenverein, Turnverein -, die im wesentlichen vom deutschsprachigen Bürgertum genutzt wurden. Für 1908 verzeichnet das Hermannstädter Adreßbuch 114 Vereine. Alles in allem das Bild einer typischen Kleinstadt der Habsburgermonarchie, gekennzeichnet von miteinander friedlich kommunizierenden konfessionellen und sprachlichen Parallelgesellschaften. Das zahlenstark allgegenwärtige k.u.k. Militär bündelte schließlich all diese Besonderheiten und war, trotz seines Eigenlebens, noch am ehesten mit all diesen Gruppen verzahnt. Schließlich bot es allen, je nach Ausgangspunkt, die Option auf eine Militärkarriere, die zumal vom gehobenen Bürgertum nicht selten angenommen wurde. Schließlich liefen auch die Reaktionen auf die erschütternden Ereignisse im Sommer 1914 in Hermannstadt genauso wie in jeder anderen Stadt der Doppelmonarchie ab: Sowohl die Ermordung des Thronfolgers wie auch später die Kriegserklärung an Serbien wurden durch Maueranschläge bekannt gemacht, Trauerkundgebungen und Trauergottesdienste, bald danach die Generalmobilmachung und rege Anteilnahme am Kriegsgeschehen kennzeichneten auch hier das Stadtbild. Die unbedingte Loyalität aller Einwohner zu König und Vaterland stand außer Frage, für die Rumänen erleichtert durch die Neutralität des benachbarten Königreichs Rumänien, für die Deutschen durch das enge Bündnis Österreich-Ungarns mit dem Deutschen Reich. Der Kriegsverlauf sollte für Hermannstadt und den Süden Siebenbürgens jedoch einen gravierenden Einschnitt bringen. Der seit dem Herbst 1914 regierende König Rumäniens, Ferdinand I., 186 Hermannstadt 1850-1918

war den deutschsprachigen Ländern aufgrund seiner Herkunft nicht mehr so bedingungslos verbunden wie noch sein Vorgänger. Zusammen mit einer den Mittelmächten feindlich gesinnten Bukarester Regierung und hohen Gewinnzusagen der Entente, die Rumänien im Falle eines Sieges ganz Siebenbürgen, das Banat, Teile Ostungarns und mehr versprachen, führte dies am 17. August 1916 zur Kriegserklärung Rumäniens an Österreich-Ungarn. Im Vertrauen auf die Neutralität Rumäniens hatte dieses die Grenze entlang des Karpatenwalls nicht besonders gesichert und die rumänischen Truppen konnten den Südosten mit Kronstadt und dem Szeklerzipfel schnell einnehmen. Zur Einnahme Hermannstadts kam es jedoch nicht mehr. Nach der Kriegserklärung Rumäniens begann in Südsiebenbürgen eine überstürzte Evakuierung. In Hermannstadt zogen die Behörden am 29. August ab, Banken und Betriebe schlossen, und die deutsche und ungarische Bevölkerung wurde in Fuhrwerken und in endlos scheinenden Zügen nach Norden und Westen, großteils bis Budapest verbracht. Die Hermannstädter Banken, die Kasse der Nationsuniversität sowie das evangelische Landeskonsistorium kamen nach Pest, auch die Brukenthalsche Gemäldegalerie wurde dorthin ausgelagert, der Magistrat kam nach Sombor im südlichen Ungarn, die orthodoxe Metropolie nach Großwardein. Die meisten Hermannstädter mußten zunächst zum Eisenbahnknotenpunkt nach Klein-Kopisch fahren und dort auf Anschlußmöglichkeiten warten. In Budapest nahmen einige der Ämter ihre Tätigkeit wieder auf, für Kinder wurden Schulen eingerichtet, das Siebenbürgisch-Deutsche Tageblatt erschien in einigen Spalten des Pester Lloyd. Der Bürgermeister Albert Dörr und der evangelische Stadtpfarrer Adolf Schullerus gehörten zu den wenigen Persönlichkeiten, die in der Stadt verblieben. Diese schien schon in der ersten Septemberwoche wie ausgestorben, über zwei Drittel der Einwohner waren geflohen. Trotz hoher militärischer Präsenz in Friedenszeiten, verblieben nach Räumung sämtlicher Einrichtung der k.u.k. Armee nur wenige Einheiten in der Stadt, zweieinhalb Landsturmkompanien. Schon Anfang des Monats wurden neue Verbände in den Süden des Landes gelenkt, doch vorher mußte eine Bürgerwehr aus meist alten Männern aller Nationalitäten, ausgestattet mit weißen Armbinden mit dem Stadtwappen, zusammen mit den paar Soldaten die öffentliche Ordnung den September über aufrecht erhalten. Vielfache Verdächtigungen gegen rumänische Mitbürger erwiesen sich als unbegründet. Anders Die m o d e r n e S t a d t

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als Kronstadt und Umgebung aber hatte Hermannstadt Glück im Unglück, denn es näherten sich der Stadt lediglich Patrouillen der königlich-rumänischen Armee. Diese war am weiteren Vormarsch nach Norden gehindert worden, weil Rumänien von Süden her von deutschen, bulgarischen und türkischen Verbänden angegriffen wurde und von Siebenbürgen aus eine Offensive deutscher Truppen unter dem Kommando Falkenhayns begann. Rumänische Einheiten lagen in einem Bogen südlich Hermannstadt, bis zu Schellenberg, dem Zentralfriedhof und dem Jungen Wald hin. Heitau wie auch alle anderen südlichen Orte waren besetzt, täglich war Geschützfeuer zu hören. Am 26. September begann eine große, dreitägige Schlacht südlich Hermannstadt und Neppendorf. Deutsche Einheiten zusammen mit ungarischer Landwehr und einem den Rotenturmpaß besetzenden Alpenkorps trieben die rumänischen Einheiten schließlich bei Boi^a unweit Talmesch in einen Kessel. Dort wurden sie aufgerieben und hatten hohe Verluste. Die Gefangenen wurden nach Hermannstadt gebracht. Eine Kommandostelle der Entsatztruppen befand sich während der Gefechte der guten Fernsicht wegen in einem der Türme der orthodoxen Kathedrale. Schon ab dem 29. September begann sich das Leben schrittweise wieder zu normalisieren, zunächst durch die Freigabe des Verkehrs, dann durch die Wiederinbetriebnahme der Straßenbahn und der Wasserleitungen, Ende Oktober durch die Wiederöffnung der Schulen. Thronfolger Karl und der ungarische Ministerpräsident weilten im Oktober und November 1916 wiederholt in der Stadt, in die die Behörden und die Bewohner allmählich zurückkehrten und die nun vor der Grenze zu einem deutsch besetzten Nachbarland lag. Von Hermannstadt marschierten die deutschen Truppen Richtung Kronstadt, wo sie in einer weiteren Schlacht siegreich waren und schließlich zur Eroberung Bukarests zogen. An die »Rumänenzeit«, wie die Wochen im Spätsommer und Herbst 1916 bald genannt wurden, erinnerten nicht nur Schäden in der näheren Umgebung Hermannstadts, sondern auch mehrere Soldatenfriedhöfe, etwa an der Jungenwaldstraße oder am Hammersdorfer Berg. Jene der deutschen und österreichisch-ungarischen Gefallenen befinden sich bis heute auf der Michelsberger Burg und in der Kerzer Abteiruine und wurden von den sächsischen Gemeinden seither stets gepflegt. Der Schock des unerwarteten rumänischen Einmarsches in Siebenbürgen sollte zumal bei den deutschen Einwohnern aber noch lange nachwirken. 188 Hermannstadt 1850-1918

Die bei der Zurückdrängung der königlich-rumänischen Armee den Ausschlag gebenden deutschen Einheiten unter General von Falkenhayn wurden von den Sachsen als Befreier bejubelt und noch lange Zeit danach gefeiert. Bei aller Loyalität zum österreichischen Kaiserhaus hatte sich das nationale Bewußtsein der Deutschen Siebenbürgens schon seit den 1870er Jahren zunehmend auf das Deutsche Reich hin ausgerichtet. Ausgerechnet in diesen unruhigen Wochen der Wiedereinrichtung verstarb der greise, fast schon zur mythischen Gestalt gewordene Monarch Franz Joseph, und Erzherzog Karl bestieg den Kaiser- und den Königsthron. Einige der noch nicht zurückgekehrten Flüchtlinge wohnten den Feierlichkeiten in Budapest bei. Die überragende Identifikationsfigur mit dem Staat, die sein Vorgänger in fast sieben Jahrzehnten geworden war, konnte Karl freilich nicht sein und auch nicht mehr werden. Die innige Verbundenheit zumal der Sachsen mit dessen Bündnispartner ließ sich am enthusiastischen Empfang für Kaiser Wilhelm II. ablesen, der Hermannstadt am 25. September 1917, ein Jahr nach der Schlacht, am Rande von Truppeninspektionen besuchte. Bürgermeister, evangelischer Bischof Komes und Stadtrat sprachen mit ihm beim Besuch der Stadt und der evangelischen Stadtpfarrkirche. Von weiteren Kriegshandlungen blieb die Stadt fiirderhin verschont, wenngleich der kriegsbedingte Mangel, die Meldungen von den Fronten und die sich häufenden Verluste von Angehörigen und Mitbürgern den Alltag auch hier zunehmend verfinsterten. Daß in Wien mit Arthur Arz von Straußenburg seit März 1917 ein Hermannstädter, ein Nachkomme wichtiger Familien des 18. und 19. Jahrhunderts, Chef des Generalstabes war, weist ein übriges Mal auf die dauerhafte historische Verbindung dieser Stadt mit den Habsburgern hin. Der Hermannstädter Ehrenbürger Arz setzte dieser Beziehung ein Ende. Am 3. November 1918 hatte er den Waffenstillstand Österreich-Ungarns gegenüber den Vertretern der Entente zu verantworten.

Die moderne Stadt

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VON DER VERGESSENEN PROVINZSTADT ZUR EUROPÄISCHEN KULTURHAUPTSTADT (1918-2007) Schon vor der Waffenstreckung Österreich-Ungarns war die Revolution, die am 30./31. Oktober 1918 in Budapest ausgebrochen war und ein neues Regime an die Macht brachte, auch nach Hermannstadt übergeschwappt. Am 2. November kam es hier zu Ausschreitungen. Soldaten und randalierende Haufen drangen ins Rathaus ein, befreiten russische Kriegsgefangene aus dem Garnisonsarrest, verwüsteten den Bahnhof und plünderten dort Magazine und Waggons. In der Folgenacht zerstörten ungarische Soldaten Geschäfte am Großen Ring und in der Heltauer Gasse. Anarchische Zustände kündigten sich an, die Angehörigen einer Riesenarmee waren von einem Tag auf den anderen heimatlos und entfesselt. Einer vom städtischen Nationalrat unter Bürgermeister Dr. Wilhelm Göritz unmittelbar aufgestellten Bürgergarde ist es wohl zu verdanken, daß in den Folgetagen Schlimmeres verhindert und neueintreffende und revoltierende Soldaten trotz blutiger Zusammenstöße in Schach gehalten werden konnten. In dieser angespannten Lage bildeten sich in Hermannstadt zwischen dem 4. und 6. November bewaffnete Wehren auf ethnischer Grundlage, die aber von Anfang an auf Kooperation bei der Aufrechterhaltung der Ordnung setzten - die rumänische Legion, der sächsische Soldatenrat, die sächsische Nationalgarde und die städtische Bürgerwehr richteten sich zu keinem Zeitpunkt gegeneinander. Ungarische Offiziere blieben Nationalrats verhandlungen jedoch fern. Der nach wie vor in der Stadt residierende k.u.k. Kommandierende General hatte nichts mehr ausrichten können. Unter dem Spott der Bevölkerung verließ er am 7. November die Stadt und verlegte das Militärkommando nach Klausenburg. Nach ziemlich genau 231 Jahren hatte diese Institution somit ein unrühmliches Ende gefunden. Es war zu jenem Zeitpunkt offen, wer Herr im Lande war und wo Siebenbürgen künftig hingehören würde. In fuhrenden sächsischen Kreisen wurde aber bereits am 6. November klar erkannt, daß die Rumänen die Politik bestimmen würden. Nur wenige Tage vor dem Zusammenbruch der Monarchie hatte der Sächsische Zentralausschuß am 29. Oktober in Hermannstadt einen neuen Präsidenten und erstmals einen Sekretär gewählt: Karl Wolff wurde nach fast drei Jahr190

Hermannstadt 1918-2007

zehnten an der Spitze auf eigenen Wunsch abgelöst, sein Nachfolger wurde der umsichtige und hochgebildete Hermannstädter evangelische Stadtpfarrer Adolf Schullerus. Als Sekretär berief der Vollzugsausschuß den jungen Juristen Dr. Hans Otto Roth. Auch diesmal war es wieder ein ausgesprochener sächsischer Glücksfall, noch rechtzeitig den richtigen Wechsel vorgenommen zu haben. Die neue Leitung reagierte schon am 2. November auf die Ereignisse in der Hauptstadt und berief alle in Hermannstadt anwesenden Mitglieder zu einer Krisensitzung ein, darunter fünf Reichstagsabgeordnete. Hier wurde nun ein Vollzugsausschuß gebildet, bald »Deutsch-sächsischer Nationalrat« genannt, der während des ganzen kommenden Jahres eine nahezu ununterbrochen in Hermannstadt tagende sächsische Regierung bilden sollte. Das Domizil war zunächst in der Heltauer Gasse, bald aber im Gewerbevereinshaus am Kleinen Ring. Von hier aus gingen laufend Informationen an sämtliche sächsischen Kreisausschüsse - konstituiert aufgrund der Wahlkreise - hinaus, so etwa die nachdrückliche Ermahnung schon am 5. November zum »brüderlichen Einvernehmen mit Romänen und Magyaren« - die Gefahr eines ethnisierten Bürgerkrieges war zum Greifen nahe. Die Hermannstädter deutschsprachigen Juden wollten sich in dieser Lage übrigens auch vom Deutschsächsischen Nationalrat vertreten wissen. Es stellte sich bald als richtig heraus, die sächsischen jungen Männer dazu aufzurufen, der Einberufung zum ungarischen Militär nicht Folge zu leisten, und mit den sich bildenden politischen Gremien der ungarländischen Rumänen enge Kontakte aufzunehmen. Schon am 9. November hatte deren Nationalrat die Übernahme der Regierung in Siebenbürgen und in den ostungarischen Komitaten gefordert. Viele ihrer fuhrenden Köpfe waren den sächsischen Abgeordneten aus dem Budapester Reichstag gut bekannt, zu manchen bestanden auch Freundschaften. Währenddessen flutete österreichisches und deutsches Militär über Hermannstadt Richtung Norden und Westen zurück. Dabei hielt sich bis zum 30. November auch Feldmarschall Mackensen in der Stadt auf. Der Wechsel ging Hand in Hand, schon in den ersten Dezembertagen kamen erste Offiziere der königlich-rumänischen Armee in die Stadt. Am 1. Dezember 1918 hatte eine nach Karlsburg einberufene Nationalversammlung der ungarländischen Rumänen über die Zukunft des Landes abgestimmt: Die mehrheitlich von Rumänen bewohnten Gebiete sollten mit dem Königreich Rumänien vereinigt werden. Ein Großer Rumänischer Nationalrat sollte deren Interessen Von der Provinzstadt zur europäischen Kulturhauptstadt

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bis zur Wahl einer Konstituante wahrnehmen - der Anteil der Hermannstädter Rumänen in diesem Gremium war enorm. Die Regierung der anzuschließenden Gebiete sollte ein »Leitender Regierungsrat« innehaben, dessen Sitz in Hermannstadt festgelegt wurde. Die Stadt war wieder eine Art Hauptstadt geworden, wenn auch nur provisorisch. Am 9. Dezember hielt der Regierungsrat seine erste Sitzung ab. Er residierte im vormaligen Korpskommando, 1892 an Stelle des Gebäudes des alten »Römischen Kaisers« in der Heltauer Gasse errichtet. Der Weg zur sächsischen »Regierung« dauerte wenige Minuten zu Fuß, gute Bedingungen für eine Kooperation in diesen Wochen und Monaten des Umbruchs. In die Stadt zog allmählich rumänisches Militär ein, die Garden wurden aufgelöst. Die Leitung der Stadt unter Bürgermeister Göritz blieb im Amt, nichts deutete auf nationale Spannungen wie in manch anderen Städten hin. Es kam nun immer häufiger zu größeren rumänischen Feierlichkeiten auf dem Großen Ring, etwa im Januar und Februar 1919 bei der Begrüßung des französischen Generals Berthelot, an orthodoxen Kirchenfeiertagen oder bei einer rumänischen Volksversammlung. Schon im April besuchten Vertreter des rumänischen Königshauses die Stadt. Sie sollten in den kommenden Jahren häufig dorthin kommen, etwa anläßlich militärischer Feierlichkeiten, zu Pfadfindertreffen oder um Staatsgästen dieses andere Rumänien zu präsentieren. Die besondere militärische Bedeutung Hermannstadts blieb erhalten, die zahlreichen Gebäude übernahmen nach und nach Einheiten der rumänischen Armee. In deren Reihen standen auch die Angehörigen der deutschen Minderheit Siebenbürgens bereits im Frühjahr und Sommer 1919, als sie die ungarische sozialistische Räterepublik niederschlug. Die Sachsen hatten nämlich am 9. Januar 1919 in Mediasch ihren eigenen Anschluß an Rumänien erklärt. Dem Leitenden Regierungsrat lag sehr viel an dieser politischen Willensäußerung der Deutschen, da sich dadurch die rumänische Position bei den Pariser Friedensverhandlungen deutlich verbessern würde. Auf der Grundlage der Karlsburger Beschlüsse vom 1. Dezember 1918, die weitreichende Rechte für die »mitwohnenden Völker« vorsahen, konnte der Regierungsrat dem Deutsch-Sächsischen Nationalrat die Erfüllung vielfaltiger politischer Erwartungen in Aussicht stellen. In dem sächsischen Memorandum, das dem Regierungsrat im Januar 1919 übergeben wurde und im Laufe des Jahres 192

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verhandelt werden sollte, befanden sich auch mehrere Punkte, die eine herausragende Rolle Hermannstadts vorsahen. Ein letztes Mal wurde ein eigenes sächsisches Verwaltungsgebiet, ein Munizipium, ins Gespräch gebracht, dessen Vorort Hermannstadt gewesen wäre. Diese Idee scheiterte schon in den ersten Besprechungen mit dem zuständigen Minister. Allerdings ernannte der Regierungsrat Hermannstadt, also den eigenen Sitz, am 24. Januar 1919 zur Munizipalstadt, zur kreisfreien Stadt. Unter den weiteren im Laufe des Jahres erörterten Anliegen war die Gründung einer alle Fakultäten umfassenden Universität der Südostdeutschen mit Standort in Hermannstadt. Als Begründung dieses Vorschlags wurde die bevorstehende Auflösung der deutschsprachigen Universität Czernowitz und die große Zahl der Deutschen genannt. Rumänien hatte sein Territorium durch die Gebietsgewinne 1918/19 etwa verdoppelt. In Siebenbürgen, der Bukowina, dem rumänischen Altreich, in Bessarabien und der Dobrudscha, im Sathmarer Land und - nach der Klärung der Zugehörigkeit - im Banat lebten rund eine Dreiviertelmillion Deutsche. Angesichts der Verwirklichung des allgemeinen Wahlrechts für Männer hatte der Deutsch-sächsische Nationalrat in Hermannstadt sofort die enorme Chance dieses demographischen Potentials erkannt und für alle Deutschen des Landes die Initiative ergriffen. In diesem Kontext ist auch die Idee einer Hermannstädter Universität zu sehen, die von rumänischer Seite anfangs positiv aufgenommen wurde, sich letztlich aber nicht realisieren ließ. Hingegen vermochten die sächsischen Politiker als die versiertesten der deutschen Interessenvertreter im neuen Großrumänien die verschiedenen deutschen Gruppen des Landes in einem Verband zusammenzufassen. Am 9. Juni 1919 kam es in Hermannstadt zur Gründungsversammlung des »Verbandes der Deutschen in Großrumänien«, dessen Geschäftsstelle hier ihren Sitz haben sollte. Als Vorsitzender wurde im Herbst Rudolf Brandsch gewählt, einer der Hermannstädter Parlamentsabgeordneten. Brandsch hatte sich noch vor dem Krieg im Hermannstädter deutschen Bürgertum, zumal im Mittelstand eine politische Basis aufgebaut und galt als gesamtdeutsch orientierter Politiker mit guten Beziehungen zu den rumänischen Kollegen. 1922 hatte er wesentlichen Anteil an der Gründung des »Verbandes der Deutschen Volksgruppen in Europa« und blieb auch dessen Vorsitzender über mehr als ein Jahrzehnt. Somit liefen vielfache minderheitenpolitische Stränge in HermannVon der Provinzstadt zur europäischen Kulturhauptstadt

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Stadt zusammen: jene der Deutschen Siebenbürgens und Rumäniens sowie teilweise auch aus Europa. Im November 1919 zog der Leitende Regierungsrat aus Hermannstadt ab, zunächst nach Klausenburg, bis er im April 1920 - nach Herstellung der staatlichen Einheit, aber noch vor dem Friedensvertrag mit Ungarn - ganz aufgelöst wurde. Bei den ebenfalls im November durchgeführten Wahlen zur Konstituante Großrumäniens entsandte Hermannstadt einen Abgeordneten, Brandsch, und zwei Senatoren von Amts wegen, den evangelischen Bischof und den orthodoxen Metropoliten, ins neue Bukarester Parlament. Ein völlig neues politisches Leben begann. Doch nicht nur auf politischer Ebene verstärkte Hermannstadt seine Zentrumsfunktion fur die Deutschen des neuen Staates, sondern auch auf kirchlicher: Alle deutschsprachigen lutherischen Gemeinden schlossen sich bis 1922 der siebenbürgischen Landeskirche an, jene des Altreichs mit einer großen Gemeinde in Bukarest, die Deutschen Bessarabiens, der Dobrudscha, die Evangelischen der Bukowina sowie vereinzelte evangelische Gemeinden im Norden Siebenbürgens sowie im Banat. Die Kirche führte nun den Namen Evangelische Kirche A.B. in Rumänien, Bischof und Landeskonsistorium in Hermannstadt waren für alle neuen Regionen zuständig. Die zentrale Lage innerhalb Großrumäniens und die gute Infrastruktur bot sich für Zusammenkünfte geradezu an - und zwar für Veranstaltungen jeder Art, was gesamtstaatlich ausgerichtete Verbände und Interessengruppen schon ab 1919 erkannten und seither häufig nutzten. Das südliche Siebenbürgen mit den Städten Hermannstadt und Kronstadt lag nämlich nicht mehr an der Peripherie eines mitteleuropäischen Riesenreiches, sondern es lag nun im Zentrum eines jungen, mittelgroßen südosteuropäischen Staates. Zwar dachten die rumänischen Politiker, die den Anschluß betrieben hatten, nicht an eine so schnelle und vollständige Eingliederung in das rumänische Altreich, da auch sie die deutlich fortgeschritteneren Verhältnisse der vormals ungarländischen und österreichischen Landesteile als Maßstab für die weitere Entwicklung hätten sehen wollen. Doch Bukarest war zu stark, der einheitliche und zentralistische Staat forderte Unterordnung. Siebenbürgische Persönlichkeiten waren aber noch Ende 1919 zu Schlüsselstellungen in der Hauptstadt vorgedrungen: Alexandru Vaida-Voevod wurde kurzzeitig Premierminister, und Miron Cristea wurde orthodoxer Metropolit von Bukarest und somit 194

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Primas von ganz Rumänien. Cristea hatte wiederholt auch in Hermannstadt gewirkt und war unter anderem Direktor der Astra. In Hermannstadt war man sich der neuen wirtschaftlichen Möglichkeiten in der Landesmitte jedenfalls bewußt und bereit, sie zu nutzen: Grenzenloser und zollschrankenfreier Zugang zu den historischen Märkten im Süden und Osten ließ Erinnerungen ans Spätmittelalter aufkommen. Vorerst aber waren die Nachkriegsprobleme und die Anpassung der Verhältnisse zu bewältigen. 1920 wurde Hermannstadt von mehreren Streikwellen der verschiedenen Arbeitergruppen bis hin zu einem Generalstreik im Herbst erfaßt. Hinzu kam der außerordentliche Kapitalverlust durch die ungünstige Einwechslung der alten Kronen in die neuen Lei zum Kurs von 2:1, was angesichts des geringen Wertes des Leu einer Reduzierung auf ein Viertel des vormaligen Wertes gleichkam. Dies traf die in Hermannstadt ansässigen Banken besonders hart. Schließlich war auch die hohe Kriegsanleihe an den ungarischen Staat verloren, die zumal die Sachsen in großem Umfang gezeichnet hatten. Als durch die Agrarreform von 1921, die vor allem den Großgrundbesitz des Adels an die besitzlosen Bauern verteilen sollte, zum einen die gesamten Siebenrichterwaldungen der Stiftung Sächsische Nationsuniversität, zum anderen große Gemeindebesitze, hier also der evangelischen Kirchengemeinde, enteignet wurden, zeichneten sich für die zentralen sächsischen Institutionen existentielle Krisen ab. Der Besitz der Nationsuniversität wurde auf wenige Gebäude in der Stadt reduziert, alle Proteste gegen die Unrechtmäßigkeit dieser Enteignung fruchteten nichts. Sie traf genauso wie die Verluste der Gemeinde in erster Linie das breit ausgebaute und ausdifferenzierte sächsische Bildungswesen. Dabei hatte die Nationsuniversität gerade erst einen großen Neubau auf dem hinteren Teil der großen Parzelle ihres Hauses auf dem Großen Ring bis hin zur Wintergasse errichtet - darunter der erste Archivzweckbau Siebenbürgens, wohin das Archiv der Sächsischen Nation und der Stadt Hermannstadt 1923 aus dem Rathaus übersiedelte (heute Staatsarchiv). Diese Einbußen und die ausbleibende Verwirklichung der Zusagen aus den Karlsburger Beschlüssen an die »mitwohnenden Völker« - in Großrumänien lebten immerhin knapp 30% nationale Minderheiten - brachten die ersten großen Enttäuschungen über das neue Staatswesen. Das Hauptinteresse der Sachsen galt ohnehin dem politischen Geschehen in den deutschen Ländern, die ersten Seiten des Tageblatts enthielten meist Nachrichten Von der Provinzstadt zur europäischen Kulturhauptstadt

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aus Deutschland und Österreich, danach erst folgte Rumänien. Eine bewußtseinsmäßige Ausrichtung Richtung Südosten schien ausgeschlossen, auch wenn die Einstellungen angesichts der schlechten Erfahrungen mit Ungarn zunächst erwartungsvoll-positiv waren. Hermannstadt hatte 1921 mit gut 18.200 Deutschen, etwas über 8.500 Rumänen, knapp 4.300 Ungarn und rund 1.300 Juden noch eine klare deutsche Bevölkerungsmehrheit. In der städtischen Gesellschaft machten sich soziale Spannungen bemerkbar, nicht umsonst kam es 1920 zu wiederholten Streiks. Schon beim Schäßburger Sachsentag im November 1919 hatte sich gezeigt, daß es auch eine sächsische Sozialdemokratie gab, wenngleich von den etablierten Kreisen und von der Landbevölkerung sehr skeptisch betrachtet. So erschien in Hermannstadt mit der »Wahrheit« und dann »Der Kampf« genannten Wochenschrift zwischen 1919 und 1921 das »Organ der Sozialdemokratie Siebenbürgens« bezeichnenderweise auf Deutsch. Aber andere Strömungen waren auf Dauer offenbar attraktiver. 1922 gründete hier der ehemalige Offizier und Sparkassenangestellte Fritz Fabritius die »Selbsthilfe«, eine Art Bausparkasse »für das ehrlich arbeitende Volk«, wie der Untertitel ihres Blättchens besagte. Ihr Ziel war, wie es in dessen erster Nummer heißt, »ein eigenes Heim auf eigenem Grund, mit Stall und Garten, mit Luft und Licht, mit Obst und Blumen (...) in wirtschaftlicher Freiheit und Unabhängigkeit, ohne Ausbeutung (...), ohne erst andern, die nicht arbeiten, oder ungenügend arbeiten, tributpflichtig zu werden und zeitlebens tributpflichtig zu bleiben.« Was sich hier widerspiegelte war die starke soziale Trennung Hermannstadts in Oberstadt und Unterstadt, die sich einerseits durch den zahlreichen Zuzug aus verarmenden Kleinstädten und Landorten, andererseits durch die Entstehung zahlreicher schöner Villenviertel auf den parzellierten Wiesen um die Stadt für die bessere Gesellschaft noch verstärkte. Ein ausgeprägter Dünkel der Oberstädter gegenüber den oft bunt zusammengemischten Unterstädtern, die auch an ihrer Sprachfarbung erkennbar waren, kam hinzu und sollte den Hermannstädtern noch lange erhalten bleiben. So erhielt die Selbsthilfe rasch Zulauf und schon im Herbst 1922 konnte mit dem Bau der ersten Siedlung begonnen werden. Obwohl von Anfang an deutschnational ausgerichtet und mit Kontakten zu den Nationalsozialisten, kam es bei Fabritius' Selbsthilfe erst Ende der zwanziger Jahre, nach erfolgreichem Wirken als Bausparkasse für Mittellose zunächst in Hermannstadt, dann 196

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auch in anderen sächsischen Orten, zu einer ausgesprochenen politischen Betätigung. Virulenter war hingegen eine andere Gruppierung, die sich in Hermannstadt ab 1924 bildete: die sogenannten Unzufriedenen. Die Verluste der Gemeinden und der Nationsuniversität durch die Bodenreform sowie fehlende Unterstützungen durch den Staat führten zu einer außerordentlichen Steigerung der Kirchensteuern. Neben den Pfarrern und den zahlreichen Gemeindeeinrichtungen mußte vor allem das umfassende konfessionelle Schulwesen erhalten werden. Dieses wurde trotz der angespannten Lage nicht ab-, sondern weiter ausgebaut - 1927 etwa wurde das neue evangelische Mädchenlyzeum in der Seilergasse fertiggestellt -, da in einem hohen Bildungsstand eine der Grundvoraussetzungen für das Überleben als Gruppe gesehen wurde. Die »Unzufriedenen« aber wandten sich gegen die als erdrückend empfundenen Kirchensteuern. Unterschwellig scheint es sich jedoch um einen Konflikt zwischen Teilen des Hermannstädter Bürgertums gehandelt zu haben. Angriffsziel der Unzufriedenen waren vor allem das Landeskonsistorium und die führenden Politiker sowie der »Bürgerabend«, in dem die Nachbarschaften der Stadt gebündelt waren. Der wichtigste Unzufriedenenvertreter war der ehemalige Hermannstädter Bürgermeister von 1906 bis 1918, Albert Dörr. Es kam zu vielfachen öffentlichen Anschuldigungen, die vor allem die Finanzgebarung der Landeskirche zum Inhalt hatten, und selbst zu einem Presseprozeß vor Gericht. Eine offene und sachliche Diskussion unterblieb. Als die Unzufriedenen mit der Gründung des »Sachsenbundes« im Frühjahr 1927 in Hermannstadt ihre Bewegung in eine politische Partei zu überführen versuchten, zeigte sich, daß die Anhängerschaft überwiegend aus sächsischen Bauern des Hermannstädter Umlands bestand, wo die antikirchliche Stimmung deutlich stärker ausgeprägt war. Die Führung des Deutsch-sächsischen Volksrats, wie es inzwischen hieß, trat nun entschiedener gegen die Unzufriedenen auf, da sie eine Aufsplitterung in Parteiungen wegen des damit einhergehenden Kräfteverlusts nicht tolerieren wollte. Doch zerfaserte die Bewegung wegen politischer Konzeptionslosigkeit ohnehin bald. Die soziale Fragmentierung der Hermannstädter Deutschen sollte sich jedoch bald in anderen politischen Strömungen widerspiegeln. Als unbestrittenes Zentrum nicht nur der Sachsen, sondern aller Deutschen Siebenbürgens und bis zu einem gewissen Grade auch Von der Provinzstadt zur europäischen Kulturhauptstadt

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Rumäniens - wenngleich sich die Repräsentanten der einzelnen Siedlungsgebiete nun eher in der Deutschen Parlamentspartei in Bukarest zusammenfanden -, konnte Hermannstadt kulturelle Institutionen anziehen: 1922 entstand hier das »Kulturamt der Deutschen in Rumänien«, das unter der Leitung von Dr. Richard Csaki eine ausgedehnte Wirksamkeit entfaltete. Dazu gehörte eine rege Bildungstätigkeit im Sinne einer Volkshochschule, die Ferienhochschulkurse in Hermannstadt, die mit meist aus Deutschland eingeladenen Referenten ein Teilersatz für die nicht realisierte Universität sein sollten, die Stipendienvergabe fur ein Studium in Deutschland, die Herausgabe der Zeitschrift »Ostland«, die Führung eines Bildarchivs und manches mehr. 1923 konnte das Kulturamt die staatliche Konzession für ein deutsches Landestheater erhalten und zeitweilig betreiben. Doch auch auf rumänischer Seite gab es wichtige kulturelle Entwicklungen. 1920 wurde der Hermannstädter Theologieprofessor Nicolae Bälan Metropolit Siebenbürgens. Die orthodoxe Kirchenhierarchie der angeschlossenen Landesteile war dem Bukarester Metropoliten unterstellt worden, der 1925 zum Patriarchen der staatlich bevorzugten rumänisch-orthodoxen Kirche wurde. Aus der siebenbürgischen Tradition heraus setzte sich Bälan sehr fur die ökumenische Bewegung und für eine Autonomie der orthodoxen Kirche ein. Hermannstadt wurde zu einem der wichtigsten orthodoxen Verlagszentren. Mit der Enthüllung eines Denkmals fur den rumänischen Publizisten, Historiker und Politiker des 19. Jahrhunderts George Bari^iu im Soldischpark vor dem Astra-Gebäude 1924, hatten auch die Rumänen ein öffentlich dargestelltes Identifikationssymbol. Im allgemeinen unterblieben in Hermannstadt chauvinistische Selbstdarstellungsversuche der neuen Staatsnation, wie dies in vielen Städten Siebenbürgens der Fall war, etwa durch Siegesdenkmäler oder durch orthodoxe Kathedralen auf zentralen Plätzen. Der weitgehend freundschaftliche Umgang zwischen Deutschen und Rumänen in der Stadt blieb bestimmend, auch wenn es etwa wegen des Zwangs zur Firmenbeschilderung in rumänischer Sprache zu Streit am Rande kommen konnte. Straßenschilder und Haustafeln waren bereits seit dem Herbst 1922 zweisprachig angebracht. Auch an die neue Staatssprache gewöhnten sich die deutschen Hermannstädter allmählich, zumal in den Amtern noch lange Zeit deutsche Beamte dominieren sollten. Gab es Ende 1918 unter den Hermannstädter Deutschen noch kaum jemanden, der - über die Benutzung zum Einkauf auf dem Markt hin198

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aus - gutes Rumänisch beherrschte und etwa an der Karlsburger Anschlußversammlung teilnehmen konnte, so wußten sich die Abgeordneten, die Vertreter der Stadt, die Beamten schon binnen weniger Jahre auf allen Ebenen bestens zurechtzufinden. Wie es - wohl 1934 - zur Ablösung von Wilhelm Göritz als Bürgermeister kam und inwieweit die Bukarester Regierung bei dem wiederholten Wechsel in diesem Amt in den dreißiger Jahren bis hin zur Nichtbesetzung in den Jahren 1936/37 durch Ernennung von außen gewirkt hat, läßt sich nicht feststellen. Die differenzierte Volkszählung des Jahres 1930 gewährt uns einen Einblick in den Wandel der Stadtbewohnerschaft: Von 49.345 Einwohnern waren 21.598 Deutsche (43,8%), 18.620 Rumänen (37,8%), 6.521 Ungarn (13,2%) sowie ziemlich konstant 1.308 Juden (2,6%), schließlich rund 1.300 andere (Südslawen, Russen, Ruthenen, Bulgaren, Türken, Roma). Die Zahl der Rumänen hatte sich gegenüber 1921 deutlich mehr als verdoppelt, doch auch Deutsche und Ungarn konnten zulegen. Die Zunahme der Deutschen um mehr als 18% läßt sich auch diesmal - bei einem Geburtenüberschuß für diese Zeit von rund 2,5% - nur durch massive Zuwanderung erklären. Der Wohnungsbau in der Stadt boomte, 1923 gab die Stadt ein weiteres Gelände im Südosten zur Parzellierung frei, und allein 1926 wurden rund 580 Häuser fertiggestellt. Dennoch griffen die staatlichen Behörden schon seit Ende 1919 durch Wohnungsrequirierungen für neu Hinzuziehende wiederholt ein, so daß es zu Spannungen kam. Anfang 1928 etwa und auch noch 1929 kam es zu protestierenden Volksversammlungen gegen diese Maßnahmen. Verwaltungsmäßig blieb Hermannstadt als Munizipium kreisfreie Stadt innerhalb des neuen Kreises (jude^) Hermannstadt, der in fünf Bezirke (plase) unterteilt war, und zwar Hermannstadt, Selischte, Reußmarkt, Salzburg und Leschkirch. Der Kreis stand unter der Leitung eines von der Regierung ernannten Präfekten, der seinen Sitz im vormaligen Komitatshaus in der Mühlgasse hatte (und bis heute hat). Die Zunahme der Bevölkerung wurde zumindest teilweise dadurch ermöglicht, daß der ökonomische Sektor der Stadt nach dem Anschluß an Rumänien bis zu einem gewissen Grade prosperierte. Dabei blieben für Hermannstadt jedoch weiterhin ein sehr breites Kleingewerbe sowie kleine und mittelgroße Fabriken kennzeichnend, nur wenige Betriebe vermochten den Ausbau zu Großunternehmen zu vollziehen. Für die Stadt bot das den großen Vorteil der BewahVon der Provinzstadt zur europäischen Kulturhauptstadt

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rang gewachsener baulicher Strukturen ohne große Industriegebiete mit Trabantenstädten. Auch das Handwerk hatte sich auf einem mittleren Niveau wieder gefestigt. Uberwiegend auf die Ressourcen des Umlandes und der Nachbarprovinzen aufbauend bestanden Industrien im Lebensmittelbereich, etwa Salamifabriken, Brauereien und Spirituosenfabriken, dann eine ganze Reihe holzverarbeitender Betriebe wie Möbelfabriken, aber auch die Holzindustrie-AG des Hermannstädter Elektrizitätswerks, chemische Industrie etwa für Seifen- und Stearinproduktion, dann im Bereich der Textilindustrie Tuch- und Deckenfabriken, die auch auf die Heltauer Produktion zurückgreifen konnten, schließlich Lederverarbeitung, wobei die Erste Hermannstädter Schuhfabrik mit »Herma« auch den Ortsnamen zum Qualitätsbegriff machte, oder gut ein Dutzend Metallindustrien, wovon die Maschinenfabrik Rieger mit 450 Arbeitern (um 1926) als mit Abstand größtes Unternehmen herausragt. Der weit überwiegende Teil der Hermannstädter Betriebe befand sich während der Zwischenkriegszeit im Besitz der ortsansässigen Deutschen und ging auf deren altes Kleingewerbe zurück. Außersiebenbürgische Investitionen kamen - sieht man von Bank- und Versicherungsfilialen ab - praktisch nicht vor. Die Absatzmärkte der größeren Hermannstädter Unternehmen waren neben der heimischen Kundschaft vor allem das rumänische Altreich mit der Metropole Bukarest. Seit 1925, nach Schaffung der gesetzlichen Grundlagen, bestand eine Hermannstädter Industrie- und Handelskammer, die seit 1927 auch ein zweisprachiges Wirtschaftsbulletin herausgab. Es wird jedoch immer schwerer, von einer ausgesprochenen Hermannstädter Stadtgeschichte zu sprechen wie dies noch in den Jahrhunderten zuvor der Fall war. Wie auch alle anderen Städte Rumäniens wurde Hermannstadt mehr und mehr fremdbestimmt, die Entwicklung der Städte glich sich im ganzen Land sehr stark an. Charakteristika lassen sich vor allem an einzelnen Gruppen oder Institutionen festmachen. So soll anhand einiger Beispiele versucht werden, dennoch einen Abriß der weiteren Stadtgeschichte zu skizzieren. Ein drängendes Problem zu Beginn der dreißiger Jahre war die Arbeitslosigkeit in der Stadt, bedingt durch den hohen Zuzug des Landproletariats und die insgesamt nicht ausreichend expandierende Wirtschaft. 1930 eröffneten der Deutsch-sächsische Kreisausschuß, 1931 die Selbsthilfe und 1933 die evangelische Kirchengemeinde 200

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Arbeitsvermittlungsbüros. Die Kirche stand überhaupt vor der großen Aufgabe der Integration der neu hinzugezogenen Evangelischen ins Gemeindeleben, da bisher in den neuen Vororten - vor allem jenseits des Zibin und jenseits der Bahnlinie oder dem Jungen Wald zu - kaum eine geistliche Betreuung erfolgt war. Allein in der evangelischen Gemeinde wurde für den Winter 1930/31 eine Zahl von 3.000 unterstützungswürdigen Mitgliedern geschätzt. Während fünf Jahren konnte das Büro der Gemeinde über 6.000 Arbeitsvermittlungen vornehmen, wobei Stadtpfarrer Friedrich Müller auch punktuelle Kooperation mit der Selbsthilfe und mit den neu belebten »völkischen Nachbarschaften« in Kauf nahm. Die Selbsthilfe hatte sich ab Ende der zwanziger Jahre zunehmend politisiert und ganz auf den Nationalsozialismus nach deutschem Vorbild ausgerichtet. So gründete Fritz Fabritius 1932 die »Nationalsozialistische Selbsthilfebewegung der Deutschen in Rumänien«, die nun von Hermannstadt aus politisch als Partei zu wirken begann und die Auseinandersetzung mit der etablierten konservativen Politikerriege aufnahm. Diese Bewegung fand - nicht zuletzt aufgrund großer Unzufriedenheit mit den Verhältnissen in Rumänien - in allen sächsischen Orten viel Zuspruch. Als nach vielem Hin und Her im Herbst 1933 wieder ein »Sachsentag« nach Hermannstadt einberufen wurde - er fand am 1. Oktober im Hof der neuen Mädchenschule statt -, um nach 14 Jahren die Richtpunkte der gemeinsamen Politik neu abzustecken, setzten sich die nationalsozialistisch ausgerichteten »Erneuerer« sowohl mit ihrer Programmatik wie auch bei der Besetzung der Gremien durch. Die politischen Auseinandersetzungen wurden deutlich schärfer, zumal sich die »Erneuerungsbewegung« 1935 noch einmal aufspaltete und die konservativen Politiker als deutsche Vertreter zumindest noch im Bukarester Parlament dominant waren. Eine konkrete Auswirkung des »Volksprogramms« von 1933 für Hermannstadt war der Modellversuch, in dieser Stadt neue Nachbarschaftsstrukturen aufzubauen und anschließend auf die anderen Orte zu übertragen. Dieses alte sächsische Phänomen der sozialen Organisation und Sicherung war in Hermannstadt praktisch verschwunden, die schon nicht mehr aktiven Nachbarschaften des Bürgerabends hatten zudem primär politischen Charakter. Wegen seiner heterogenen Bevölkerungsstruktur bot sich Hermannstadt für einen Versuch dieser Art in besonderer Weise an. Schließlich wohnte hier rund ein Zehntel der Deutschen Siebenbürgens, obwohl von dessen Gesamtzahl nicht Von der Provinzstadt zur europäischen Kulturhauptstadt

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einmal ein Viertel in Städten lebte. Die neuen »völkischen Nachbarschaften« sollten die sächsischen und deutschen Stadtbewohner, die hier oft erst seit ein bis zwei Generationen ansässig waren, konfessionsübergreifend zusammenschließen, ihnen soziale Einbindung und Sicherung bieten - und sie weltanschaulich deutschnational ausrichten. Für die Leitung dieser neuen Nachbarschaften wurde der alte Begriff des Stadthannen wiederaufgenommen. Neue Nachbarschaftszeichen wurden entworfen, in Namen- und Zeichengebung historische Bezüge gewählt. Der Einsatz für die zahlreichen verarmten Neuhermannstädter, Hilfen bei Entschuldung, Hausbau und Existenzgründung, bei Geburten und Todesfallen machten die Institution ausgesprochen glaubwürdig und erfolgreich. 1936 konnte der Stadthann Wilhelm Schunn mit seinem Erfolgsbericht auch ein Konzept fiir die anderen Orte mit deutscher Bevölkerung in Rumänien vorlegen. Das Tragische an dieser vom sozialen Gesichtspunkt her dringend notwendigen Arbeit war die starke Verquickung alter sächsischer Traditionen, die auf dem Lande durchaus noch lebendig waren, mit völkischer Ideologie - freilich ohne in direkter Weise Völkerhaß oder gar rassistische Gedanken zu propagieren. Doch wirkten diese neuen Nachbarschaften, die dem »Volksrat der Deutschen in Rumänien« untergeordnet waren, vorbereitend fiir die spätere Radikalisierung. Wie sehr das gesellschaftliche Klima bereits ideologisiert war, zeigte sich etwa 1936/37 bei den Planungen für Bau und Erweiterung des Hermannstädter Schwimmbades und der Diskussion über die Errichtung einer Deutschen Volkshochschule für Leibesübungen in Hermannstadt - sportliche und nationale Ertüchtigung nach reichsdeutschem Vorbild bestimmten die Argumentationen. Doch auch im kirchlichen Bereich fand ein Politikwandel statt. 1932 trat der greise Bischof Friedrich Teutsch, der die evangelische Kirche seit 1906 und durch die schwierigen Anfangsjahre im neuen Staat geführt hatte, zurück. Bei der Neuwahl setzte sich der Kronstädter Stadtpfarrer Viktor Glondys gegen den Hermannstädter Stadtpfarrer Müller nach einem erstmals aktiv geführten Wahlkampf durch. Der aus Schlesien stammende Glondys war ein großer Redner, auf dem internationalen ökumenischen Parkett versiert, aber mit den innersächsischen Problemen wenig vertraut. Bei den aufkommenden politischen Spannungen nahm er oft schwankende Positionen ein. Hinzu kam eine alte, ausgeprägte Gegnerschaft zwischen Glondys und Müller, der zum Stellvertreter des Bischofs gewählt wurde. So 202

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war das deutsche politische Klima in der Stadt nicht nur zwischen verschiedenen ideologischen Parteiungen und Strömungen, sondern auch auf kirchlicher Ebene extrem belastet und gespannt. Im Rahmen der städtischen Kirchengemeinde - mit rund 19.000 Gliedern (1930) die mit Abstand größte der Landeskirche - gab es hingegen vielfaltige positive Errungenschaften. 1928 setzte ein großangelegtes Entschuldungsprogramm der Gemeinde ein, das nach der enormen Nachkriegskrise nötig geworden war - mit Seelsorge, Schulen und karitativen Anstalten, betreut von 166 Angestellten und 83 Hilfskräften (1931), war sie nach wie vor das komplexeste Unternehmen der Stadt. Die geistliche Betreuung der kirchlich oft Entwurzelten in den neuen Wohngebieten wurde genauso intensiviert wie die Jugendarbeit. Die seit 1931 neben dem Stadtpfarrer wieder fünf Stadtprediger waren für je eigene Seelsorgebezirke zuständig. Auch größere Projekte konnten in Angriff genommen werden: Ab 1930 wurde die Krankenpflegeanstalt zu einer Klinik ausgebaut und mit dem Stadtpark-Sanatorium vereinigt. 1934 ging die Anstalt am Soldischpark in die Trägerschaft der Landeskirche über, die sie als Martin-Luther-Krankenhaus weiterführte. Andererseits übernahm die Kirchengemeinde 1932 die Gewerbeschule in ihre Obhut, die in den fünf vorangegangenen Jahrzehnten eine städtische Einrichtung gewesen war. Auch kulturell wurden in der Gemeinde Weichen gestellt: 1931 gründete der Stadtkantor Franz Xaver Dressler den Bachchor an der evangelischen Stadtpfarrkirche - eine Institution, die bis heute alle politischen Brüche überdauern und mit großer Ausstrahlungskraft in alle Gruppen der Stadt wirken sollte. Dressler stammte aus Aussig in Böhmen und hatte schon 1922 an der Brukenthalschule, wie das evangelische Gymnasium seit dem Voijahr hieß, einen Knabenchor nach dem Muster der Leipziger Thomaner ins Leben gerufen. Und eine weitere Einrichtung entstand, die ins ganze Land auszustrahlen vermochte. Nach dem Ersten Weltkrieg ging der professionelle Theaterbetrieb in Hermannstadt ein, auch das Kulturamt konnte kein Theater auf Dauer etablieren. Dafür wurde 1923 das erste rumänische Theater der Stadt gegründet. 1933, nachdem Gastspiele ausländischer Ensembles verboten worden waren, bildete sich in Hermannstadt die Deutsche Theatergemeinschaft, für die Gust Ongyerth die staatliche Konzession zum Betrieb des Deutschen Landestheaters in Rumänien erhielt. Mit seinem Sitz im alten Hermannstädter Stadttheater im Dicken Turm entfaltete es während Von der Provinzstadt zur europäischen Kulturhauptstadt

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der folgenden elfjahre eine ausgesprochen rege Spieltätigkeit in ganz Rumänien. 1935 wurde nach den Plänen Ongyerths, der zum Theaterdirektor bestellt wurde, im Erlenpark das Naturtheater mit 2000 Sitzplätzen gebaut. Das nach einem Tiefpunkt zu Beginn der zwanziger Jahre wieder deutlich auflebende deutsche Kulturleben der Stadt ließ sich auch an einer prosperierenden Verlags- und Presselandschaft ablesen: Mitte der dreißiger Jahre erschienen bis zu 40 deutschsprachige und über 30 rumänische Periodika in der Stadt, Lehrbücher einheimischer Autoren fanden genauso Verlage und Leser wie historische Themen, Prosa oder Lyrik. Eine deutlich über die Stadtgrenzen hinauswirkende deutschsprachige Literaturszene konnte sich in Hermannstadt - mit wenigen Ausnahmen - jedoch nicht entwickeln. Allerdings wurden die kulturellen Errungenschaften überschattet von den sich zuspitzenden politischen Auseinandersetzungen und der allgemeinen Ideologisierung der Stimmung. Die Auflösung der Stiftung Sächsische Nationsuniversität 1937, womit auch der Titel des Komes für den Stiftungsvorsitzenden nach über siebeneinhalb Jahrhunderten endgültig verschwand, mag dabei nur als Randnotiz zur Kenntnis genommen worden sein. Das Stiftungsvermögen wurde auf die evangelische und die orthodoxe Kirche aufgeteilt, darunter zwei symbolträchtige Gebäude: Das Universitätshaus am Großen Ring bis hin zum Nationsarchiv ging an die Landeskirche, das Hallerhaus wenige Meter benachbart an die Metropolie. Gegen Ende der dreißiger Jahre erreichten die Rumänen die absolute Mehrheit der Stadtbevölkerung. 1941 machte ihr Anteil mit 33.824 Einwohnern 53% aus, die Zahl der Deutschen stieg im vorausgegangenen Jahrzehnt ebenfalls etwas an, sie hatten nun mit 23.571 Einwohnern aber nur mehr einen Anteil von 37%. Die Zahl der Juden blieb abermals nahezu identisch (1361 oder 2,1%), jene der Ungarn nahm aber auf 4.262 oder 6,7% deutlich ab. Äußerlich brachten Bauten rumänischer Einrichtungen die Moderne und den internationalen Stil ins Hermannstädter Stadtbild. Am Eingang der Heltauer Gasse entstand bis 1939 das etwas überdimensionierte Büro- und Mietshaus der Versicherungsgesellschaft »Prima Ardeleanä«. Jenseits des Hermannsplatzes wurden Gebäude für Mustermessen errichtet, die seit 1933 regelmäßig stattfanden und die Rolle Hermannstadt im geographischen Zentrum des Landes zu nutzen versuchten. Die neue rumänische Andrei-$aguna-Schule, ein großer Bau an Stelle der vormaligen Landwehr-Kaserne am Zibin, zeigte genauso Bauhaus-Ein204

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flüsse wie viele der neuerrichteten Wohnhäuser, die nicht selten in eine Front mit barocken oder klassizistischen Fassaden gesetzt wurden. Auch der aus Altrumänien herrührende Bräncoveanu-Stil fand allmählich Verbreitung, etwa beim Internat des inzwischen nach Gheorghe Lazär umbenannten ehemaligen ungarischen Staatsgymnasiums. Die Zugehörigkeit zu Rumänien hatte sich schon seit den zwanziger Jahren an der Benennung der wichtigsten Straßen und Plätze nach Angehörigen des rumänischen Königshauses oder nach rumänischen Persönlichkeiten und Einrichtungen ablesen lassen - der Große Ring etwa hieß König-Ferdinand-Platz, die Heltauer Gasse nun Königin-Maria-Straße. Im Alltag aber blieben die alten Namen präsent, die die deutschsprachigen Neubürger bald übernahmen. Die rumänischen Neuhermannstädter hingegen - wir können in den zwanziger und dreißiger Jahren von durchschnittlich einer neuen Familie täglich ausgehen - wuchsen gleich in die veränderte Namenslandschaft hinein. Auch historisch suchten sie nach Wurzeln in der Stadt, so daß eine Touristen aus dem ganzen Land anwerbende Reisebroschüre von 1939 schlicht ein römisches »Castrum Cibiniensis« erfand, auf dessen Ruinen der deutsche Hermann im 12. Jahrhundert dann seine neue Burg gebaut habe. Neben Namen und Gebäuden trugen sicher auch Denkmäler rumänischer Persönlichkeiten zur Identifikation der Neubürger mit der Stadt bei, wie die 1933 zunächst auf dem Hermannsplatz aufgestellte Büste des Literaten George Co$buc. Auch wenn Hermannstadt - wohl aufgrund der politischen Großwetterlage - 1940 noch einmal einen deutschen Bürgermeister bekam, so erhielt das rumänische Kulturleben Hermannstadts durch die von den Achsenmächten erzwungene Abtretung Nordsiebenbürgens von Rumänien an Ungarn einen nachhaltigen Schub: Ein großer Teil der Universität Klausenburg wurde 1940 nach Hermannstadt verlegt, Professoren, Hochschulpersonal und Studenten zogen um, Institute und Verlage führten ihre Tätigkeit hier weiter. Der Philosoph und Dichter Lucian Blaga etwa pflegte in dieser Zeit hier einen fruchtbaren Literaturkreis. Auch im deutschen öffentlichen Leben der Stadt brachte das Jahr 1940 massive Einschnitte. Rumänien gehörte zu den Verbündeten Hitler-Deutschlands, das sich nicht nur in neue Grenzziehungen einmischte, sondern auch die deutschen Minderheiten des Südostens auf NS-Kurs brachte. Die politischen Rangeleien zwischen den einzelnen Strömungen, deren nationalsozialistische Ausrichtung sich nur in Von der Provinzstadt zur europäischen Kulturhauptstadt

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Details unterschied, wurden von Berlin entschieden und von SS-Stellen eine komplett gleichgeschaltete, junge Führungsriege eingesetzt. Die bisherigen politischen Eliten hatten ausgedient. Die neue »Volksgruppenfuhrung« verlegte ihren Sitz in deutlicher Abgrenzung zum überkommenen »Filz«, wie sie es nannte, von Hermannstadt nach Kronstadt. Das Zentrum aller Informationsstränge wurde abgezogen, alle Weisungen - denn es galt das unbedingte Führerprinzip - kamen nun aus Kronstadt. Die Rolle der noch verbliebenen Parlamentarier war minimal, da Rumänien seit Herbst 1940 unter einem Militärregime stand. Auch die Kirchenleitung wurde gleichgeschaltet, da Bischof Glondys zum Rücktritt gedrängt und ein Pfarrer der Erneuerungsbewegung zum Bischof gewählt wurde. Hermannstadt rückte ins zweite Glied, was angesichts der Berlin und der SS bedingungslos hörigen Politik der »Deutschen Volksgruppe in Rumänien« gar nicht von Nachteil war. 1943 führte die Volksgruppenfiihrung eine Einberufungsaktion deutscher Männer zur WafFen-SS, zwischenstaatlich ausgehandelt, mit viel Propaganda und Druck durch und konnte ihr Ziel mehr als verdoppeln. Die Deutschen des Landes und unter ihnen besonders die Sachsen waren völlig fanatisiert, der seit dem 19. Jahrhundert und schon lange davor bereitete Boden war ausgesprochen fruchtbar für die NS-Ideologie. Auch in Hermannstadt meldeten sich nahezu alle waffenfähigen deutschen Männer, teils von der Schulbank weg, zur »Wehrmacht-SS«, wie es verwirrend in den Erlassen hieß. Keiner wußte über seine eigentliche Bestimmung Bescheid. Entscheidend in der eigenen Wahrnehmung war, nicht zum rumänischen Militär einrücken zu müssen. Einige der wenigen sächsischen Abweichler fanden sich unter den bekannten Hermannstädter Persönlichkeiten: der Parlamentarier Hans Otto Roth etwa, der in persönlichen Gegensatz zur Volksgruppenführung geriet und von dieser aus allen Ämtern und Institutionen ausgeschlossen wurde, oder Stadtpfarrer Friedrich Müller. Dieser hatte sich 1941 entschieden gegen die bedingungslose Ubergabe des Schulwesens der Gemeinde an die »Volksgruppe« gewehrt, unterlag aber dem gleichgeschalteten Presbyterium. Die Nazis in der Kirchenführung versuchten zudem, ihn seines Amtes als Bischofsstellvertreter zu entheben und diffamierten ihn in Siebenbürgen wie in Berlin nach Kräften. Es entstand der »Müllersche Verteidigungsring«, dem eine ganze Reihe Pfarrer und andere Akademiker angehörten, die auf große Distanz zu den eigenen National206

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Sozialisten gegangen waren, wobei von einem aktiven Widerstand aber nicht gesprochen werden kann. Sehr unerfreulich entwickelte sich das Verhältnis zwischen Deutschen und Juden in der Stadt, unter denen in der Zwischenkriegszeit zunehmend Mischehen zustande gekommen waren. Es verschlechterte sich während der dreißiger Jahre und gipfelte in schroffer Ablehnung und Ausgrenzung der Juden durch die Deutschen nach 1940. Deutsche mit jüdischen Ehepartnern wurden geschnitten, Kinder mit einem jüdischen Elternteil wurden von den Schulen gewiesen, Kleinkindern aus Mischehen wurde die Taufe verweigert, jüdische Geschäfte wurden boykottiert. Eine Verfolgung von Juden fand in diesem Teil Rumäniens nicht statt, die Zahl der Juden nahm sogar etwas zu: Für 1947 sind 2.020 nachgewiesen, die wahrscheinlich auf Flüchtlinge aus dem ungarisch annektierten Norden zurückgingen. Der Wechsel König Mihais I. vom 23. August 1944 auf die Seite der vordringenden Alliierten veränderte die Situation über Nacht. Zeitungen stellten ihr Erscheinen ein, politische Amtsträger tauchten unter oder wurden verhaftet, die seit 1941 im Land stehenden reichsdeutschen Truppen zogen ab. Mit sich abzeichnender Dominanz der Sowjets in Rumänien zeigte sich, daß Hermannstadt eine im Landesvergleich starke Arbeiterschaft besaß. Aus deren Reihen entstanden nun politische Initiativen, meist sozialdemokratisch und in jedem Falle überethnisch orientiert. Auch kleine Zeitungen brachten sie heraus, um die antifaschistische Front zu stärken. In dieser Gruppe befand sich auch ein junger Hermannstädter, Ernst Breitenstein, der zur Volksgruppenzeit von der Schule gewiesen worden war und der nun bald ein führender Kopf in der Arbeiterpartei, nachher ZK-Mitglied werden sollte. In sächsischen Kreisen dauerte es nur wenige Tage, bis sich verantwortungsbewußte Persönlichkeiten zum Handeln entschlossen: Hans Otto Roth nahm seine Verbindungen zu ihm bekannten rumänischen Politikern wieder auf und ließ das SiebenbürgischDeutsche Tageblatt ab dem 30. September unter altem Namen wieder erscheinen - die Nazis hatten es vorher umbenannt und gleichgeschaltet. Darin veröffentlichte er einen Aufruf an seine deutschen Landsleute, Ordnung und Ruhe sowie die Loyalität zum Staat zu bewahren. Stadtpfarrer Müller übernahm in seiner Eigenschaft als Bischofsvikar am 11. Oktober die Leitung der Landeskirche, nachdem der gleichgeschaltete Bischof zum Rücktritt gebracht worden war. Am 13. Oktober hatten die Sowjettruppen jedoch auch Von der Provinzstadt zur europäischen Kulturhauptstadt

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Hermannstadt erreicht, und sie waren es, die künftig die Eckpunkte jeder Politik festlegen sollten. Immerhin vermochten die Vertreter der Kirche, die als einzige Institution der Deutschen Übriggeblieben war, sowohl die eigene Auflösung wie auch die Deportation der Deutschen in andere Landesteile zu verhindern, denn sie galten als Hitleristen und als kollektiv schuldig, sie hatten alle Bürgerrechte verloren. Zu einer Vertreibung kam es nicht, doch forderten die Sowjets deutsche Arbeitskräfte für den Wiederaufbau. Niemand konnte die Aushebung der gesamten arbeitsfähigen deutschen Bevölkerung beiderlei Geschlechts im Januar 1945 und ihre Deportation in die Sowjetunion verhindern. Hinzu kamen wiederholte Verhaftungswellen politisch und wirtschaftlich tätiger Personen, im März schließlich eine Bodenreform, die die gesamte deutsche Landbevölkerung enteignete. Die Deutschen waren für ihren Hochmut, der sie - von Berlin verführt zwischen 1940 und 1944 praktisch einen Staat im Staate errichten ließ, bestraft worden. In Hermannstadt hatte sich ihre Zahl bis 1948 auf 16.359 reduziert, rund 7.000 waren in reichsdeutsche Kampfverbände gezogen, in die Deportation verschleppt worden, gefallen, in Kriegsgefangenschaft, verhaftet oder geflohen. Die Kirche, wo Müller im Frühjahr 1945 zum Bischof gewählt worden war, bot ein letztes Refugium. Noch 1944 hatte sie die Schulen wieder übernommen, doch 1948 wurden - neben der Enteignung aller Banken, Fabriken, Betriebe und Werkstätten - auch diese verstaatlicht, die Kirche auf den Seelsorgebereich begrenzt. Eine andere Kirche wurde ganz aufgelöst, die griechisch-katholische, die mit der orthodoxen zwangsvereinigt wurde. Dies betraf auch die älteste rumänische Kirche Hermannstadts in der Brückengasse und jene rund 7-8% der Stadtbevölkerung, die ihr angehörten. Mit zunehmender Macht der Kommunisten in Bukarest, die nach der Abdankung des Königs Ende 1947 alle Positionen in Politik, Administration, Justiz und Wirtschaft besetzten, fand jede regionale oder lokale Sonderentwicklung ein Ende. Auch Hermannstadt wurde eine jener vergessenen Provinzstädte, die im stalinistischen Sorgengrau versanken. Der Zustrom in die Stadt hielt auch nach dem Krieg ungebrochen an, diesmal mitbedingt durch rumänische Flüchtlinge aus den von den Sowjets annektierten Landesteilen, vor allem aus Bessarabien. Dennoch kam es zu einem zeitweiligen Bevölkerungsrückgang bis in die zweite Hälfte der vierziger Jahre, vor allem verursacht durch die erwähnte Abnahme des deutschen Anteils. Anschließend aber 208

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erfolgte bis 1956 ein ungeheurer Zuwachs auf über 90.000 Einwohner. Waren es in der Zeit zwischen den Weltkriegen vor allem Rumänen aus der Märginime, des Hermannstädter südlichen Vorlandes, die den Zuzug dominierten, so stellten nun jene aus Oltenien, der Kleinen Walachei südlich der Karpaten, den größten Anteil. Diese Neubürger konnten nur durch Einquartierungen in bestehenden Wohnungen untergebracht werden, da noch keine ausreichende Bautätigkeit neuer Wohnquartiere eingesetzt hatte. Mit der neuen Verwaltungsgliederung des Landes nach sowjetischem Vorbild wurde Hermannstadt Sitz eines Rayons (Bezirkes) innerhalb der halb Siebenbürgen umfassenden Region Stalin - beziehungsweise Kronstadt, denn dieses wurde in Stalinstadt umbenannt. Hermannstadt war nun erstmals in der Geschichte Kronstadt nach- oder gar untergeordnet, was zumindest die alteingesessenen Hermannstädter als eine gewisse Belastung empfanden. Jedenfalls kamen in Hermannstadt tatsächlich nur wenige Förderungen an, städtebaulich trat trotz forcierter Industrialisierung und trotz Bevölkerungsexplosion Stillstand ein. Doch es zogen nicht nur Rumänen zu, auch für die Deutschen blieb Hermannstadt ein Magnet: 1956 waren es mit 24.263 (knapp 27%) fast 8.000 mehr als acht Jahre vorher. Die NS-Ideologie, die Verluste durch Krieg und Deportation, die Enteignungen und schließlich die kommunistische Ideologie hatten die markanten sozialen Unterschiede und Abgrenzungen zwischen den Hermannstädter Deutschen weitgehend aufgeweicht. Eine gewisse Unterscheidung erfolgte jedoch zwischen den gerade vom Lande Zugezogenen und den schon länger in der Stadt Ansässigen wobei in den fünfziger Jahren schwerlich ein Viertel der deutschen Hermannstädter schon länger als zwei bis drei Generationen in der Stadt lebte. Bei den Rumänen dürfte dieser Anteil damals bei kaum mehr als einem Zehntel gelegen haben. In der Stadt verschwanden nun alle historischen Bezeichnungen: Gassen und Plätze erhielten neue Namen, die in irgend einer Weise sozialistische oder zumindest rumänische Bezüge hatten: Der Huetplatz wurde offiziell nach einem Arbeiteraufstand von 1933 in Bukarest benannt, der Große Ring wurde zum Platz der Republik - auch wenn diese Namen im Deutschen nie benutzt wurden, zu oft wechselten die Aufschriften. Ab 1950 wurden die Deutschen im Lande allmählich wieder rehabilitiert, schon seit 1949 erschien in Bukarest mit dem »Neuen Weg« eine deutschsprachige Tageszeitung. Mit auf Initiative des ZK-Mitglieds Von der Provinzstadt zur europäischen Kulturhauptstadt

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Breitenstein kam Mitte der fünfziger Jahre etwas Bewegung auch ins deutsche Kulturleben, was zur Wiedereröffnung des gleich nach der politischen Wende enteigneten Brukenthalmuseums und 1956 zur Gründung der Sektion Hermannstadt der Klausenburger Filiale der Rumänischen Akademie führte. Dieser Vorläufer des heutigen Akademie-Instituts für Geisteswissenschaften sollte sich vor allem der wissenschaftlichen Belange der deutschen Minderheit im Lande annehmen und führte in mehreren Abteilungen zum Teil alte Großprojekte weiter, so das Siebenbürgisch-Sächsische Wörterbuch oder das Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbürgen. Allmählich aber wurden auch rumänische Themen eingebunden, so vor allem die Ethnologie der Rumänen der Märginime. Neben das nach wie vor bedeutende orthodoxe Priesterseminar, seit 1948 ein Institut mit Universitätsgrad, trat 1955 die deutschsprachige lutherische Abteilung (später Fakultät) des Vereinigten Protestantisch-Theologischen Instituts Klausenburg als Ausbildungsstätte evangelischer Pfarrer - schließlich war ein Besuch ausländischer Universitäten seit Kriegsende ausgeschlossen. Doch auch das Kulturleben der Stadt erhielt allmählich wieder eigene Foren, so ab 1949 durch die Gründung einer Staatsphilharmonie, die zusammen mit dem Bachchor die Arbeit aller früheren Musikgesellschaften und -vereine wieder aufnahm, oder die Unterbringung der Theaterarbeit in einem alten Kino am Hermannsplatz, nachdem das Stadttheater 1949 abgebrannt war. 1956 wurde selbst deutsches Theater wieder zugelassen. Die vormals konfessionellen, nun zentralstaatlich gelenkten deutschsprachigen Schulen mußten ihre Tätigkeit übrigens niemals unterbrechen, genauso wie die deutsche Sprache niemals verboten oder etwa verpönt war. Allerdings war die bis 1944 über Jahrhunderte hin enge Verbindung zum binnendeutschen Sprachraum nun radikal gekappt worden und die deutsche Sprache begann hier allmählich, eine eigene Entwicklung zu nehmen. Die schon ab den fünfziger Jahren möglichen Kontakte zur DDR, zu Brieffreundschaften und später auch zu Reisen genutzt, glichen diese Abtrennung nur teilweise aus. Das äußere Erscheinungsbild der Stadt begann sich ab den sechziger Jahren allmählich zu verändern. Es kam zu ersten Restaurierungen historischer Bauwerke, so des »Schatzkästleins« und der Laubengänge auf dem Kleinen Ring oder später des Alten Rathauses. Das Rathaus wurde schon 1948 als »Volksrat« vollständig umstrukturiert und 210

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aus dem historischen Gebäude in der Oberstadt in die Verwaltungsgebäude der Jahrhundertwende verlegt. Die administrativen Aufgaben des alle Lebensbereiche reglementierenden Staates und der Einheitspartei nahmen zu und Amter breiteten sich in der ganzen Stadt aus. Der Militärstandort wurde erhalten und allmählich erweitert, eine Akademie fur die Infanterie wurde eingerichtet und ein Militärflugplatz vor Neppendorf kam hinzu. Allerdings wurden auch die Wohnviertel durch den Bau von Wohnblocks vergrößert und die alten Exerzierplätze der verschiedenen militärischen Einheiten vor allem in der Heltauer Vorstadt dafür geopfert. Ein Bauboom setzte aber erst ein, nachdem Hermannstadt mit der Verwaltungsreform von 1968 wieder Kreisvorort des gleichnamigen Kreises wurde. Es waren zunächst vor allem die Viertel im Süden und Südwesten der Stadt, die ausgebaut wurden, so das Hipodrom-Viertel zwischen den Ausfallstraßen zum Rotenturmpaß und nach Heitau. Die Verwaltungsreform gemeindete auch die Nachbardörfer Neppendorf und Hammersdorf ein, die mit den Ausläufern der Vororte schon lange zusammengewachsen waren. Unter ideologischem Vorzeichen standen auch mehrere Großbauten, so das 1973 fertiggestellte Kulturhaus der Gewerkschaften am Hermannsplatz im sozialistischen Betonstil. Die ersten Verbote zur Benutzung der nichtrumänischen Ortsnamen gab es 1971, was die an Zahl noch etwas angestiegenen deutschsprachigen Hermannstädter schwer traf: 1977 waren es 25.414 oder 16,8% gegenüber 119.625 Rumänen (79,1%) und 5.114 Ungarn (3,4%). Zur Vermeidung des rumänischen Ortsnamens in deutschen Texten machte man Hermannstadt nun oft zur »Stadt am Zibin«. Die 1968 gegründete deutschsprachige und wöchentlich erscheinende »Hermannstädter Zeitung« mußte ebenfalls einen anderen Namen annehmen und wurde nun zu »Die Woche«. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Aussiedlungswille in die Bundesrepublik Deutschland bereits sehr stark zugenommen. Diese seit den endsechziger Jahren beschränkt eröffnete Option wurde durch ein zwischenstaatliches Abkommen 1978 kontingentiert und verstetigt. Die jüdische Minderheit war inzwischen fast ganz aus der Stadt verschwunden, überwiegend durch Emigration nach Israel: 1977 wurden noch 111 Juden gezählt gegenüber mehr als 2.000 drei Jahrzehnte vorher. Die Deutschen sollten auch zunehmend den Weg der Auswanderung wählen, durchaus angeregt durch den Besuch von Bundespräsident Karl Carstens in Hermannstadt 1981 oder durch ihre schon im Westen Von der Provinzstadt zur europäischen Kulturhauptstadt

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Deutschlands lebenden Landsleute. Die noch immer kollektiv verfaßte sächsische Gesellschaft sollte einen Schneeball ins Rollen bringen, der rasch auch die anderen Deutschen einbezog. Die Rahmenbedingungen der achtziger Jahre waren im ganzen Land alles andere als ermunternd: ein an Absurdität sich steigernder Personenkult um einen nationalkommunistischen Diktator, Mangelwirtschaft und allgegenwärtige Korruption, in Hermannstadt verstärkt durch Machtmißbrauch und Schikanen des als Kreis-Parteisekretär eingesetzten Sohnes des Diktators waren die Kennzeichen. Renovierungen einiger Baudenkmäler wie jene des Brukenthalpalais' - das genauso wie die Brukenthalschule diesen Namen nicht mehr tragen durfte - oder des Römischen Kaisers standen Abrisse von Denkmalsubstanz gegenüber: der Dragonerwache in der Unterstadt, der alten Kaserne vor der Heltauer Gasse, im Rahmen der sogenannten Systematisierung aber auch einer Ecke der historischen Bebauung der Unterstadt oder von alten Straßenzügen in Neppendorf. Ein großer Ring vielstöckiger Plattenbauten, teilweise in ganz neuen Vierteln wie das nach Vasile Aaron benannte im Südosten, Schloß die Stadt ein - die alte Stadtsilhouette läßt sich ansatzweise nur noch vom Bergrücken der nach Karlsburg fuhrenden Straße erahnen. In diese Zeit unsäglicher Tristesse fielen im Dezember 1989, nachdem die sozialistischen Regime in Ostberlin und Prag gerade umgekippt waren, die Nachrichten von protestierenden Bürgern in Temeswar. Hermannstadt war die zweite Stadt Rumäniens, in der die Demonstrationen gegen das menschenverachtende Regime einsetzten. Vom 20. bis 25. Dezember kam es in der Stadt zu zahlreichen Schießereien und Kämpfen, meist zwischen Angehörigen des Geheimdienstes Securitate und der Armee, doch auch protestierende Zivilisten wurden zu Zielscheiben und viele gerieten zwischen die Fronten. 108 Menschen fanden dabei den Tod, 270 wurden verletzt, mehrere Häuser brannten nieder und zahlreiche wurden zerschossen. Trauer und Stolz bestimmten die Stadt in den Tagen nach dem Sturz des Diktators und nach der Waffenstreckung der widerstandleistenden Geheimdienst- und Sondertruppen. Ein Aufbruch sondergleichen setzte ein, es bildeten sich Initiativgruppen, Zeitungen wurden gegründet oder wiederbelebt, politisch-gesellschaftliche Fragen wurden diskutiert. Ganz neue Personen übernahmen die Leitung der Stadt, oft aus der Kulturszene kommend. Die alten Parteikader waren zunächst verschwunden. Schon in den Weihnachtstagen diskutiert, 212

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wurde am 27./28. Dezember das Demokratische Forum der Deutschen in Rumänien gegründet - wie schon vor 70 Jahren von Hermannstadt ausgehend und mit seinem Sitz in dieser Stadt. Noch im Laufe des Januar 1990 erhielt es Amtsräume im Lutsch-Haus am Großen Ring, wo heute die Verwaltung des Landesforums, des Siebenbürgen-Forums sowie des Hermannstädter Forums gebündelt wird. Die Hermannstädter Zeitung nahm sofort wieder ihren alten Namen an - schließlich waren den ethnischen Minderheiten ähnlich 1918 von den Bukarester Initiativgremien weitreichende Zusagen gemacht worden, die sie zu nutzen gedachten. Auch das Interesse des Auslands an Siebenbürgen und im Besonderen an Hermannstadt war groß, die Brückenfunktion der Deutschen begann sich abzuzeichnen. Schon Mitte Januar 1990 war der bundesdeutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher in Hermannstadt. Er hielt eine Rede in der evangelischen Stadtpfarrkirche, vor allem, um den Deutschen dort Mut zum Bleiben zu machen und ihren Beitrag zum Wiederaufbau des Landes zu leisten, und um beruhigend auf sie zu wirken: Das Tor nach Deutschland würde offen bleiben, auch für die, die erst später kommen wollten. Doch die Lawine war nicht aufzuhalten, zu viele waren schon ausgereist und zu groß waren Druck und Erniedrigung der vergangenen Jahre. Binnen weniger Monate wanderte die Mehrheit der noch in Siebenbürgen lebenden Deutschen aus. Selbst viele, die eigentlich hätten bleiben wollen, brachen auf, aus Angst, allein zurückzubleiben. In Hermannstadt waren 1992 immerhin noch rund 5.600 Deutsche übrig, doch offenbarte sich da ein interessantes Phänomen. Lag das Mengenverhältnis zwischen evangelischen und katholischen Deutschen in der Stadt im 20. Jahrhundert meist bei 10:1, so verschob sich dies nun eklatant: Die Katholiken zogen viel langsamer weg, während die Sachsen von einer Gruppendynamik getrieben wurden. So glich sich die Relation zwischen den Konfessionen beinahe an. Wie im ganzen Land verbesserten sich auch in Hermannstadt die ökonomischen und sozialen Verhältnisse nur sehr langsam, ja es gab sogar manche Rückschritte, zu langsam kamen die Reformen des Zentralstaats voran, zu arm und heruntergewirtschaftet war Rumänien. Erst die bürgerliche Regierung ab 1996 gewährte den einzelnen Kreisen mehr Eigenständigkeit, die aber auch erst gelernt werden mußte. Historische Bezeichnungen kehrten in die Stadt zurück, Brukenthal kam an Museum und Schule wieder zu seinem Recht, Von der Provinzstadt zur europäischen Kulturhauptstadt

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überlieferte Namen von Straßen und Plätzen wurden wiederbelebt. Die 1990 kurz nach der politischen Wende gegründete Universität, die auf den wenigen Resten der 1969 bis 1971 eingerichteten Institute und Fakultäten aufbaute, wurde bald zu einem bestimmenden Faktor in der Stadt - die heute über 20.000 Studenten stehen für über ein Zehntel der Stadtbevölkerung. Dennoch stagnierte die Stadtentwicklung zunächst, um Ende der neunziger Jahre mit umso größerem Schwung wieder einzusetzen. Dabei kam Hermannstadt auch diesmal zugute, daß seine Wirtschaft noch immer von kleinen und mittelgroßen Betrieben geprägt war und es nicht von Industriekolossen abhing, deren Zusammenbruch ganze Stadtviertel in Arbeitslosigkeit und Elend gestürzt hätte. Kleinere Einheiten ließen sich leichter sanieren, von Investoren übernehmen oder auch abwickeln. Allerdings blieb die Einwohnerzahl der Stadt seit der Wende weitgehend gleich, die nicht geringe Abwanderung der Minderheiten oder auch die Auswanderung rumänischer Fachkräfte nach Westeuropa und nach Übersee wird durch Zuwanderung lediglich ausgeglichen. Dennoch entstehen neue Villenviertel, geprägt von einer neuen Mittelschicht. Ästhetisch fragwürdige Großbauten von Banken und Konzernen oder orthodoxe Kirchen nach byzantinischen Vorbildern sind die neuen Großbaustellen. Imposante Phantasiebauten sind den Roma-Einwohnern zu danken, deren frühere »Ziganien« mit der Stadtentwicklung immer weiter abgedrängt wurden. Nach der Wende haben auch sie Hermannstadt zu einem zentralen Ort gemacht, indem ein König und ein Kaiser der Roma Rumäniens hier ausgerufen wurden. Von der politischen Freiheit profitierte die Kulturszene zunächst am nachhaltigsten. Bereits in den Zeiten der Diktatur war Hermannstadt von verschiedensten Kulturschaffenden als Nische entdeckt worden, Schriftsteller, Komponisten, Maler, Fotografen fanden hier ab den siebziger Jahren zum Austausch zusammen. Deren Entfaltungsdrang explodierte nun. Theaterfestspiele, Ausstellungen, Fotowettbewerbe, Filmfestivals, Symposien, Kongresse, Konzerte, Jazz- oder Rocktage, Puppenspielertreffen, Volksfeste finden nahezu ohne Unterbrechung statt. Das Astra-Museum, 1990 durch die Ausgliederung der Volkskunde aus dem Brukenthalmuseum entstanden, eröffnete 1993 das Franz-Binder-Völkerkundemuseum und 1997 das EmilSigerus-Museum für sächsische Ethnographie, beide im alten Gewerbevereinshaus. Das Freilichtmuseum für bäuerliche Technik im Jungen Wald, 1967 eröffnet, wurde stark ausgebaut. Das halbverrot214

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tete alte Stadttheater im Dicken Turm wurde allmählich und größer wiedererrichtet und 2006 eröffnet. Die kulturelle Hinterlassenschaft vieler weitgehend verwaist gebliebener evangelischer Gemeinden Siebenbürgens wurde in Hermannstadt in einem Zentralarchiv gesichert. 2004 wurde es im ehemaligen evangelischen Waisenhaus bei der Johanniskirche, heute Friedrich-Teutsch-Haus, eröffnet, wo fur 2007 auch die Einrichtung eines Museums kirchlicher Kunst vorbereitet wird. Zu Beginn des Jahres 2006 wurde auch das Brukenthalmuseum wieder seiner rechtmäßigen Besitzerin, der evangelischen Kirchengemeinde rückerstattet, die seither in Kooperation mit staatlichen Stellen und unter neuer Leitung eine Neukonzeption anstrebt. Landesweit bekannte Ereignisse wie der Töpfermarkt am Kleinen Ring oder die Handwerkerwochen im Freilichtmuseum erinnern an den historischen Jahrmarktcharakter, selbst bei deutlich abnehmender Qualität. Es paßte durchaus in das Bild nicht nur der offenen Stadt, sondern auch des immer wieder mit Reformkräften besetzten orthodoxen Metropolitenstuhls in Hermannstadt, als nach dem Tod des langjährigen Amtsinhabers 2005 ein aufgeschlossener, Europa und den anderen Konfessionen zugewandter Nachfolger fur den altehrwürdigen Stuhl §agunas gewählt wurde - ein vormaliger Hermannstädter Professor übrigens. Die Reaktion des greisen Bukarester Patriarchen, der schon mit dem Regime vor 1989 gut zu kooperieren in der Lage war, folgte auf dem Fuße: Die Metropolie Siebenbürgen mit Sitz in Hermannstadt wurde 2006 radikal verkleinert und auf das Erzbistum Hermannstadt sowie ein erst vor gut einem Jahrzehnt geschaffenes Bistum im Szeklerland verkleinert. Der Rest wurde dem Erzbistum Klausenburg zugeschlagen. Traurige Belege eines weiten Weges nach Europa. Das große internationale Interesse an dieser Stadt baute sich nach 1990 nur allmählich auf. Sicher halfen dabei prominente Besuche wie jener Genschers, 1992 des österreichischen Außenministers Alois Mock oder 1995 des Bundespräsidenten Roman Herzog. Zehn internationale Städtepartnerschaften kamen hinzu. Die zahlreichen Kontakte, die zwischen den Hermannstädtern in Deutschland und ihrer Heimatstadt noch bestanden, die auch aufgrund teilweiser Mehrsprachigkeit verhältnismäßig guten Ausgangsbedingungen für ausländische Investitionen in der Stadt oder die vielfaltige internationale Präsenz der evangelischen Kirchenleitung taten ein übriges, HermannVon der Provinzstadt zur europäischen Kulturhauptstadt

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Stadt stärker als andere Städte Ostmitteleuropas auf der Landkarte wieder aufscheinen zu lassen. Nicht zuletzt wurde kurz nach der Wende hier ein bundesdeutsches Generalkonsulat eingerichtet. Und Luxemburg entdeckte seine fernen »Verwandten«. Schließlich sind die Siebenbürger Sachsen die einzigen, mit denen sich die Luxemburger in ihrem eigenen Idiom relativ problemlos unterhalten können. Ihr heutiges Großherzogtum ist eine jener Gegenden, wo der legendäre Hermann und seine Genossen im 12. Jahrhundert aufgebrochen sein mögen. Mit initiiert vom rumänischen Kulturminister Ion Caramitru wurde 1998 ein Symposium zur Rettung der stark sanierungsbedürftigen Hermannstädter Altstadt abgehalten. Hochrangige rumänische, deutsche, französische, luxemburgische Vertreter nahmen daran teil, die von Deutschland aus koordinierte Denkmaltopographie der Stadt wurde vorgestellt - der Stein kam ins Rollen. Der deutsche Innenminister Otto Schily setzte sich seither nachdrücklich für die Aufnahme der Altstadt auf die Weltkulturerbe-Liste der Unesco ein, so wie das 1999 mit Schäßburg geschah. Die bundesdeutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit eröffnete 2000 ein Büro in Hermannstadt und berät seither bei der Sanierung der Infrastruktur und der Restaurierung historischer Bausubstanz. Der Europarat bezog die Stadt in seine Arbeit ein, Prinz Charles entdeckte sein Faible für Siebenbürgen, und zusammen mit Luxemburg wurde 1999 ein Kulturweg durch die Stadt eröffnet. Nicht wegzudenken sind zudem die jährlich zunehmenden Touristenströme sowie die im Zweijahresabstand stattfindenden Treffen der in der ganzen Welt, vor allem aber in Deutschland lebenden Hermannstädter mit den Deutschen in der Stadt. Als das Hermannstädter deutsche Forum wie schon in den Jahren davor auch 2000 zur Kommunalwahl antrat, kandidierte es erstmals einen eigenen Bürgermeister, nämlich sein Vorstandsmitglied Klaus Johannis, Physiklehrer und Generalschulinspektor. Der Anteil der deutschen Minderheit an der Stadtbevölkerung lag bei weniger als zwei Prozent. Daß der Forumskandidat aus der Stichwahl mit absoluter Mehrheit hervorging war überraschend, aber nicht unerklärlich. Schließlich warb das Forum mit den Stereotypen deutscher Sekundärtugenden wie Ehrlichkeit und Wertarbeit, Effizienz und 850 Jahren Erfahrung. Zu groß war die Enttäuschung über Mißwirtschaft, Intransparenz und Stillstand des letzten Jahrzehnts, die Hermannstädter wollten ein Experiment wagen. Warum gerade in dieser Stadt? 216

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Kannten sie wohl deren Geschichte? Vom Jahre 2004 aus betrachtet kann Johannis sie nicht enttäuscht haben. Er straffte die Verwaltung, er sorgte für die ordnungsgemäße Verwendung öffentlicher Mittel, er war präsent, und zwar nicht als Apparatschik, sondern als Stadtmanager, er kooperierte auf breiter Front im Lande wie auch mit dem Westen, er nahm guten Rat an und zog immer mehr westliche Unternehmen in die Stadt - er schaffte Vertrauen nach beiden Seiten, in Richtung der Stadtbewohner wie der Investoren. Mit mehreren tausend neuen Arbeitsplätzen und hohem Wirtschaftswachstum stand Hermannstadt plötzlich als eine Ausnahmeerscheinung im Lande da. Die Wiederwahl von Johannis als Forumskandidat vier Jahre später im ersten Wahlgang mit fast 89% der Stimmen - bei einem Anteil von 1,6% Deutschen - spricht für sich. Doch damit nicht genug. 2004 erhielt das Hermannstädter deutsche Forum über 60% der Sitze im Stadtrat, auf Kreisebene gewann es die Wahl des Kreisratsvorsitzenden mit seinem Kandidaten Martin Bottesch. In den benachbarten Kleinstädten Heitau und Mediasch wurden ebenfalls die deutschen Kandidaten zu Bürgermeistern gewählt - große Hoffnungen in eine kleine Gruppe, deren geringe Zahl an der Last des ihr zufallenden Erbes ohnehin schon schwer trägt. Denn im Gegensatz zu vielen anderen Gegenden Europas waren die Deutschen hier ohne Unterbrechung präsent, und im Zuge der Etablierung von Rechtsstaatlichkeit kurz vor dem angestrebten EU-Beitritt erhalten sie, natürlich nicht ungewollt, immer mehr jener materiellen Güter wieder zurück, die sie bis zur Machtergreifung der Kommunisten wie ihre Augäpfel gehütet hatten. Dabei besteht ihre Rolle hauptsächlich in einer Mittlerfunktion zwischen den Kulturen und Sprachen, nicht nur in der Politik: Die deutschsprachigen Schulen wie die Brukenthalschule werden nur noch zum geringsten Teil von Schülern deutscher Herkunft besucht. Dennoch werden hier die besten Deutschen Sprachdiplome außerhalb Deutschlands abgelegt. Der Bachchor wurde nach 1990 zunehmend überkonfessionell und hat heute eine nichtevangelische Mehrheit, ohne Einbußen an Wirkungsweise und Qualität. Und in den zahlreichen deutschen Firmen entspricht die Zusammensetzung der Beschäftigten durchaus jener der Stadtbevölkerung. Wenige Tage vor den Lokalwahlen 2004 entschied der Ministerrat der Europäischen Union über die Europäische Kulturhauptstadt des Jahres 2007. Zwei Städte sollten diese Ehre erhalten, Luxemburg als Großregion und Hermannstadt. Nach Prag und Krakau im Jahr 2000 Von der Provinzstadt zur europäischen Kulturhauptstadt

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war Hermannstadt die dritte Stadt des östlichen Europa und der ehemaligen Blockstaaten, die diese große Herausforderung annehmen sollte - ohne teure, großangelegte Bewerbungskampagne, aber im Großherzogtum sicher mit einem starken Fürsprecher. Die Stadt hat ihre Vorbereitungen für das Jahr 2007 mit Begeisterung und Elan angenommen. Eine umfassende Stadtsanierung beansprucht die Hermannstädter bis zu den Grenzen ihrer Geduld, doch die allmählich sichtbar werdenden Ergebnisse erfüllen sie mit Genugtuung und Stolz. Ein ostmitteleuropäisches Kleinod entsteht, wohl schöner als selbst in Zeiten des größten Reichtums der Stadt im späten Mittelalter. Teile der Geschichte kehren wieder an ihren alten Platz zurück, ob es die Brunnenlaube auf dem Großen Ring ist, die Büste Kaiser Franz I. auf der Unteren Promenade, der deutsche Name auf den Ortsschildern oder das wieder ins Herzen der Stadt ziehende Rathaus. Die heutigen Hermannstädter haben die ersten achteinhalb Jahrhunderte dieser Stadt angenommen und führen sie würdig weiter.

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AUSWAHLBIBLIOGRAPHIE

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Auswahlbibliographie

Seivert, Gustav: Die Stadt Hermannstadt. Eine historische Skizze. Hermannstadt 1859. [Seivert, Johann:] Kurze Geschichte der Provinzial Bürgermeister von Hermannstadt in Siebenbürgen. Hermannstadt 1792. Seiwert, Gustav: Die Brüderschaft des heiligen Leichnams in Hermannstadt. In: AVfSL N F 10 (1872), S. 314-360. Seiwert, Gustav: Chronologische Tafel der Hermannstädter Plebane, Oberbeamten und Notare (1309-1499). In: AVfSL N F 12 (1875), S. 189-256. Sigerus, Emil: Chronik der Stadt Hermannstadt 1100-1929. Hermannstadt 1930 (Ndr. ebenda 2000). Soterius, Georg: Cibinium. Eine Beschreibung Hermannstadts vom Beginn des 18. Jahrhunderts. Ubers. Lore Poelchau. Köln u.a. 2006. Teutsch, Fritz: Hermannstadt und die Sachsen im Kampf für Habsburg 1598-1605. In: AVfSL N F 14 (1878), S. 359-410. Teutsch, Georg Daniel und Friedrich Teutsch: Geschichte der Siebenbürger Sachsen für das sächsische Volk. 4 Bände. Hermannstadt 1926, 1907-1925. Die Veranlassung zu der engern Verbrüderung der Sachsen in Siebenbürgen im Jahre 1613, und deren Folgen. In: AVfSL N F 3 (1858), S. 208-273. Wien, Ulrich Α.: Kirchenleitung über dem Abgrund. Bischof Friedrich Müller vor den Herausforderungen durch Minderheitenexistenz, Nationalsozialismus und Kommunismus. Köln u.a. 1998 (Studia Transylvanica 25). Zimmermann, Franz: Chronologische Tafel der Hermannstädter Plebane, Oberbeamten und Notare (1500-1884): In: AVfSL N F 19 (1884), S. 529-578. Zimmermann, Franz: Die Nachbarschaften in Hermannstadt. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Stadtverfassung und -Verwaltung in Siebenbürgen. In: AVfSL N F 20 (1885), S. 47-202.

Auswahlbibliographie

221

ABBILDUNGSNACHWEIS

Die Fotographien der sechzehn Tafeln wurden von Arne Franke, Berlin/Görlitz, während der Jahre 2004 bis 2006 aufgenommen.

Abbildungen im Text Seite 20 und 2Γ. Albert Arz von Straußenburg: Beiträge zur siebenbürgischen Wappenkunde. Köln, Wien 1981. Seite 2g und 8j. Hermann Fabini: Baugeschichtliche Entwicklung von Alt-Hermannstadt im Spiegel historischer Stadtbilder. Sibiu 1983. Seite ßr. Neagu Djuvara, Radu Oltean: De la Vlad Tepe$ la Dracula Vampirul [Von Vlad dem Pfahler zum Vampiren Dracula]. Bucure^ti: Humanitas 2003. Seite 54: Paul Niedermaier: Städtebau im Mittelalter. Siebenbürgen, Banat und Kreischgebiet (1242-1347). Köln, Weimar, Wien 2002. Seite 6r. Siebenbürgen auf alten Karten. Lazarus/Tannstetter 1528, Johannes Hontems 1532, Wolfgang Lazius 1552/56. Bearb. Hans Meschendörfer, Otto Mittelstrass. Heidelberg 1996. Seite 91\ Adolf Resch: Siebenbürgische Münzen und Medaillen von 1538 bis zur Gegenwart. Hermannstadt 1901. Seite 129: Erich Michael Thalgott: Hermannstadt. Die baugeschichtliche Entwicklung einer siebenbürgischen Stadt. Hermannstadt 1934. Seite 138 und 170: Hermannstädter Plätze und Straßen in alten Fotografien 1860-1910. [Hermannstadt 2005]. Seite ij4 und 184·. Aus Alter Zeit. 50 Bilder aus siebenbürgisch-sächsischen Städten. Hg. Emil Sigerus. Hermannstadt 1904.

222

Abbildungsnachweis

VERZEICHNIS DER STRASSEN, GASSEN UND PLÄTZE (DEUTSCH-RUMÄNISCH)

Berücksichtigt werden die im Text und im Stadtplan vorkommenden Namen der Straßen und Plätze, wobeifiir die gängigen deutschen Namen die im Jahre 2006gültigen rumänischen Entsprechungen aufgeführt werden. Str. Arhivelor Pia^a 1 Decembrie 1918 Str. Reconstrucpei Str. Xenopol Str. Ocnei (Kreuzung Str. Ocnei/ 9 Mai/Faurului) Str. 9 Mai Str. Mo? Ion Roatä Parcul sub Arini Str. Argintarilor Str. Mitropoliei Str. $elarilor

Armbrustergasse Bahnhofsplatz Brückengasse Brukenthalgasse Burgergasse Dragonerwache Elisabethgasse Entengasse Erlenpark Fingerlingsgasse Fleischergasse Franziskanergasse Friedhof siehe Huetplatz Grabengasse Großer Ring Harteneckgasse Heltauer Gasse Hermannsplatz Huetplatz Hundsriicken Jungewaldstraße Kälbergasse Kirchhof siehe Huetplatz Kleine Erde Kleiner Ring Kornmarkt siehe Großer Ring Langgasse Lederergasse Leichengäßchen siehe Reißenfelsgasse

Str.Justi^iei Pia^a Mare Str. Cetä^ii Str. N. Bälcescu Pia^a Unirii Pia^a Huet Str. Centumvirilor/ Al. Odobescu Calea Dumbrävii Str. V. Tordo^an Str. Filarmonicii Pia^a Micä Str. Lungä Str. Pielarilor

Verzeichnis der Straßen, Gassen und Plätze

223

Lügenbrücke Margarethengasse Marktgasse Mühlgasse Neugasse Neustift Nonnengasse siehe Franziskanergasse Pemfflingergasse Priestergäßchen zu Fleischergasse Promenade Pulvergasse Quergasse Reispergasse Reißenfelsgasse Rosenanger Rosmaringasse Saggasse Salzgasse Schewisgasse Schiffbäumel Schmiedgasse Seilergasse Soldischpark Sporergasse Weinanger Wiesengasse Wintergasse

224

Verzeichnis der Straßen, G a s s e n und Plätze

Podul Minciunilor Str. L. Rebreanu Str. Tärgului Str. Andrei §aguna Str. Nouä Str. Movilei Pasajul Scärilor Bd. C. Coposu Str. Pulberäriei Str. Tribunei Str. A. Iancu Str. Gh. Lazär Tärgul Pe^telui Str. Mäsarilor Str. Turnului Str. Constitupei Bd. Victoriei Str. Plopilor Str. Faurului Str. Banatului Parcul Astra Str. Gen. Magheru Tärgul Vinului Str. Tipografilor Str. T. Popovici

REGISTER DER PERSONEN UND ORTE

Abk. : Bf. = Bischof, Bgm. = Bürgermeister von Hermannstadt, Comes - Hermannstädter Königsrichter, ev. = evangelisch, Fst. = Fürst von Siebenbürgen, Gouv. = Gouverneur, Kg. = König, Ks. = Kaiser, Komm. Gen. = Kommandierender General, orth. Metr. = orthodoxer Metropolit von Siebenbürgen, osm. = osmanisch, rum. = rumänisch, russ.= russisch, serb. = serbisch, slk. = slowakisch, slw. = slowenisch, Stpfr. = Hermannstädter evangelischer Stadtpfarrer, tsch. = tschechisch, türk. = türkisch, ukr. = ukrainisch, ung. = ungarisch, wal. Woiw. = fVorwode der Walachei

Aaron, Vasile 212

Aussig (tsch. Ustf nad Labern) 203

Agnethler, Michael (Comes

Avram, Alexandra 2

1640-1645) 111

Avrig siehe Freck

Alba Iulia siehe Weißenburg Alexander VI. (Papst 1492-1503) 52

Bach, Alexander 167

Altemberger, Thomas (Comes

Baia de Arie$ siehe Offenburg

1481-1486) 44-47,49, 53, 58, 63 Altenberger, Bartholomäus (Stpfr. 1547-1552) 67, 76

Bälan, Nicolae (orth. Metr. 1920-1955) 198 Baldi, Matthäus 41

Ambrosius der Schlesier 56

Bamberg 40, 41

Andreas II. (ung. Kg. 1205-1235) 7,10,

Bänfly, Georg [I.] (Gouv. 1691-1708)

14,147 Andreas Lapicida 53 Antonius, Dr. (Pleban ca. 1442-1457) 47,49 Apafi, Michael I. (Fst. 1661-1690) 122, 124-128,131

128,131 Bänfly, Georg [Π.] (Gouv. 1787-1822) 149,155 Banskä Bystrica siehe Neusohl Barcsay, Äkos (Fst. 1658-1660) 117, 118,121

Apoldu de Sus siehe Großpold

Bari^iu, George 198

Armenierstadt (rum. Gherla) 146,151

Basel 61

Arnoldi, Johannes 54

Basta, Giorgio (Gen.) 90,105

Arz von Straußenburg, Arthur (Gen.)

Bäthory, Andreas (Fst. 1599) 89,93

189 A{el siehe Hetzeldorf Augsburg 26, 82 Aurifaber, Nikolaus (Comes 1468) 44

Bäthory, Gabriel (Fst. 1608-1613) 92-98,101,103,104,113 Bäthory, Sigismund (Fst. 1581-1598/99,1601-1602) 89,90 Register

225

Bäthory, Stephan (Fst. 1571/76-1586) 79, 81, 85 Begnini von Mildenberg, Joseph 166 Belgrad (serb. Beograd) 128 Bemjozef (Gen.) 166 Beograd siehe Belgrad Berlin 206,208,212 Berthelot, Henri-Mathias (Gen.) 192 Besodner, Petrus (Stpfr. 1613-1616) 104,110 Bethlen, Gabriel (Fst. 1613-1629) 97-101,104,105,109,110 Bethlen, Leopold 161,162 Bethlen, Witwe 151 Biertan siehe Birthälm Birthälm (rum. Biertan) 79,95,181 Bisterfeld, Heinrich 110 Bistripa siehe Bistritz Bistritz (rum. Bistri(a) 19,21,36, 44,46, 57,59,85,99,123,127,151 Blaga, Lucian 205 Blaj siehe Blasendorf Blasendorf (rum. Blaj) 125 Blavuz, sächs. Gräf 16 Böbel, Johann 173 Bocskay, Stephan (Fst. 1604-1606) 89, 91, 92 Boiia 188 Bologna 54 Bomelius, Thomas 81 Bottesch, Martin 217 Bran siehe Törzburg Brandsch, Rudolf 193,194 Bra§ov siehe Kronstadt Breitenstein, Emst 207,210 Brody (ukr. Brody) 156 Broos (auch Stuhl, rum. Orä^tie) 7,17, 21,27, 65,140,168 Brotfeld (rum. Cämpul Päinii) 51 226

Register

Brügge 24 Brukenthal, Michael von (Comes 1790-1813) 153-155,159 Brukenthal, Samuel Breckner von (Gouv. 1774/77-1787) 130,145, 147-150,155,158,162,183,185,213 Bucure^ti siehe Bukarest Buda siehe Ofen Budapest (siehe auch Ofen) 170,175, 179,187,189,190 Bukarest (rum. Bucure?ti) 188,194, 198,200,201,209 Calvinjohann 78 Cämpul Päinii siehe Brotfeld Caraflä, Antonio (Komm. Gen. 1688) 127,129 Caramitru, Ion 216 Carstens, Karl 211 Cär^a siehe Kerz Castaldo, Gianbattista (Gen.) 68, 69 Cernivci siehe Czernozvitz Charles, Prince ofWales 216 Christopherus Italicus 41 Cincu siehe Schenk Cisnädioara siehe Michelsberg Cluj siehe Klausenburg Coelestin III. (Papst 1191-1198) 6 Collignon, Philipp 145 Comenius, Jan Arnos 123 Conrad von Heydendorf^ Michael 153 Conrad von Heydendorfi Samuel 132 Cop$a Micä siehe Kleinkopisch Co$buc, George 205 Cristea, Miron 194,195 Cristian siehe Großau Csaki, Richard 198 Csäky, Istvän 90

Czekelius von Rosenfeld, Michael (Bgm. 1730-1739) 137,138 Czemowitz (ukr. Cemivci) 193 Danzig (poln. Gdansk) 24 Delphini, Johann Theophil 141 Deva (auch Diemrich) 90 Diemrich siehe Deva Dörr, Albert (Bgm. 1906-1918) 187, 189,197 Dozsa, Georg 56,131 Draas (rum. Dräu^eni) 7,21 Dräu$eni siehe Draas Dressler, Franz Xaver 203 Dumbräveni siehe Elisabethstadt Dwer/Dür, Johannes (Pleban 1471-1499) 49 Eder, Joseph Karl 155 Elisabeth, Hl. 14 Elisabethstadt (rum. Dumbräveni) 146, 151 Enyetter, Lukas (Bgm. 1599-1603) 88 Esztergom siehe Gran Eugen IV. (Papst 1431-1447) 38 Fabini, Hermann 2 Fabritius, Fritz 196,201 Fägära$ siehe Fogarasch Falkenhayn, Erich von (Gen.) 188,189 Feldioara siehe Marienburg Ferdinand I. (rum. Kg. 1914-1927) 186 Ferdinand I. (ung. Kg. 1526-1563) 57-63, 68-70, 72 Filtsch, Johann (Stpfr. 1805-1835) 148, 159,160 Fleischer, Andreas (Comes 1661-1676) 122 Florenz 23

Fogarasch (rum. Fägära§) (Fogarascher Land) 30,44,113,126,127,143 Forgacs, Michael 95 Frank (von Frankenstein), Valentin (Comes 1686-1697) 53,127,129, 161 Frankfurt/Oder 184 Franz (II./L, ung. Kg. 1792-1835) 158-161,218 Franz Joseph I. (öst. Ks. 1848-1916) 165,167-169,189 Freck (rum. Avrig) 158,175,183 Fröhlich, David 114 Fronius, Mathias 81 Fugger, Fam. 60 Gdansk siehe Danzig Genscher, Hans-Dietrich 213,215 Georg (Pleban 1309-1317) 15 Georgius, Dominikaner 56 Gerhard, Hl. 3 Geza Π. (ung. Kg. 1141-1161) 3,6, 7,10 Geza, ung. Grfst. 3 Gherla siehe Armenierstadt Giurgiu 89 Glondys, Viktor (ev. Bf. 1932-1941) 202,206 Gobelinus (siebg. Bf. 1376-1386) 26 Goethe, Johann Wolfgang von 158 Göritz, Wilhelm (Bgm. 1918-1934?) 190,192,199 Gottsmeister, Kolomann [jun.] 111, 113 Gottsmeister, Kolomann [sen.] (Comes 1613-1633) 96,99,100,102, 111 Gottsmeister, Katharina 111, 112 Gran (ung. Esztergom) 10, 15,48, 57, 77 Graudenz (poln. Grudzi^dz) 54 Großau (rum. Cristian) 92, 128,140 Register

227

Großpold (rum. Apoldu de Sus) 140 Großprobstdorf (rum. Tärnava) 15

Hermann, leg. Stadtgründer 5,6,9,20, 205,216

Großscheuern (rum. $ura Mare) 166

Herzog, Roman 215

Großwardein siehe Wardein

Hetzeldorf (rum. A^el) 82

Grudzi^dz siehe Graudenz

Hirscher, Lukas 60, 65

Gulden, Thomas 35,45

Hocheder, Karl 176

Gündisch, Gustav 2,38, 72,111

Hochmeister, Martin [sen.] 148,158

Gündisch, Konrad 2,23,36

Hochmeister, Martin von [jun.] 154,

Gu§teri^a siehe Hammendorf

158,163 Hohe Rinne (rum. Pältini$) 176

Haas, Conrad 73, 83 Hahn, Ladislaus (Comes 1467) 44

Hontems [Hontems],Johannes 59,61, 65-67,81,86,185

Hahnemann, Samuel 148

Hübner, Israel 124

Haller, Gabriel 121

Huet [Huet], Albert (Comes

Haller, Hans 41 Haller, Peter (Comes 1557-1569) 63, 65-70, 73, 74,84,93,121

1577-1607) 84-91, 93,184 Huet [Huet], Georg (Comes 1533, 1539-1543) 60,65,66, 84

Hamlesch (Stuhl) siehe Selischte Hammersdorf (rum. Gu$teri^a) 14,18, 90,118,120,211 Hann, Sebastian 123

Ineu siehe Jena Isabella (ung. Kgin.) 63, 67, 70, 72, 74 Istanbul siehe Konstantinopel

Harnack, Adolf 185 Harteneck siehe Zabanius Hebler, Matthias (ev. Bf. 1556-1571) 77, 78, 79 Hecht, Eufemia 41 Hecht, Georg (Bgm. 1491/92,1495) 31, 41, 51 Hecht, Johannes 56 Hedwig, Augustin (Comes 1570-1576) 73, 74, 84 Heinrich II. (röm.-dt. Ks.) 3 Heitau (rum. Cisnädie) 10,11,95, 175, 176,188,211,217 Henning von Petersdorf sächs. Graf 17

Jena 2 Jenö (rum. Ineu) 118 Johann I. Szapolyai (ung. Kg. 1526-1540) 57-63, 68 Johann II. Sigismund (ung. Kg. 1540/59-1570) 63, 70, 79, 84 Johannes Hunyadi (Reichsverweser 1446-1453) 43 Johannes von Alzen (Pleban 1495/1500-1512) 52 Johannes von Rosenau 49 Johannis, Klaus (Bgm. seit 2000) 216, 217

Henning, sächs. Graf 16 Hentzmanisse, Jacobus (Bgm. 1366/67) 22 228

Jakob (Bgm. 1442/43) 50

Joseph II. (ung. Kg. 1780-1790) 145, 149,151-153,157 Jüngling, Stephan 88

Register

Kaliningrad siehe Königsberg Kall, Kunczel (Stadthann) 22 Karl I. Robert (ung. Kg. 1301/07-1342) 16,17,21,22 Karl IV. (ung. Kg. 1916-1918) 188,189 Karl V. (röm.-dt. Ks. 1519-1556) 57 Karl VI. (III. als ung. Kg. 1712-1740) 139 Karlowitz (serb. Sremski Karlovci) 131, 150 Karlsburg siehe Weißenburg Kaschau (slk. Kosice) 60 Kemeny, Johann (Fst. 1661) 117,122 Kerz, Abtei (rum. Cär{a) 19, 44,47,50, 188

Klausenburg (rum. Cluj) 21,29, 57, 60, 78, 88, 97,125,127,133,148,151, 155,156,168,169,177,190,194,205, 210,215

131,146,148,151,164,175,177,187, 188,194,206,209 L'viv siehe Lemberg Ladislaus I., Hl. (ung. Kg. 1077-1095) 15 Ladislaus V. (ung. Kg. 1446-1457) 38 Laibach (slw. Ljubljana) 76,156 Landskrone 26,44 Lantregen, Petrus 48,123 Lapicida siehe Andreas Lauterburg 44 Lazär, Gheorghe 205 Lebrecht, Michael 154 Lemberg (ukr. L'viv) 24, 63 Lemmel, Hans (Comes 1444,

Köprülü Mehmed Pascha (osm. Großwesir) 117 Kornis, Sigismund (Gouv. 1713-1731)

1449/50-1455) 40,41 Leopold I. (ung. Kg. 1655-1705) 125, 127,128 Leopold II. (ung. Kg. 1790-1792) 158 Leschkirch (auch Stuhl, rum. Nocrih) 6,10,17,145,181,199 Leutschau (slk. Levoca) 115,123 Levoca siehe Leutschau Lipova siehe Lippa Lippa (rum. Lipova) 70 Liszt, Franz 164 Ljubljana siehe Laibach Lüders, Aleksandr N. (Gen.) 167 Ludwig I. (ung. Kg. 1342-1382) 20,21, 23,25

133,136 Kosice siehe Kaschau Kossuth, Lajos 166 Krakau (poln. Krakow) 24, 54,217 Krakow siehe Krakau Kronstadt (rum. Bra$ov) 19,23,26,29, 36,44,46, 57-62, 65-67, 81, 85, 86, 88,94,96, 97,99,109,115,117,127,

Ludwig Π. (ung. Kg. 1516-1526) 56 Lulay, Johannes (Comes 1507-1521) 56,58, 63, 74 Luther, Martin 56, 66, 160, 182 Lutsch, Gallus (Bgm. 1604-1614) 91, 99,102 Lutsch, Johann (Comes 1648-1661) 118,122

Kleinkopisch (rum. Cop$a Micä) 175, 187 Kleinprobstdorf (rum. Tärnävioara) 15 Klima, Hellmut 2 Köln 5,24 Königsberg (russ. Kaliningrad) 1, 24 Konstantinopel (türk. Istanbul) 50, 97, 101,118

Register

229

Lutsch, Michael (Bgm. 1618-1622) 102 Luxemburg 216,217 Mackensen, August von (Gen.) 191 Majlath, Stephan 62 Malmer, Daniel (Comes 1607-1612) 91, 94,96,102 Maria Theresia (ung. Kgin. 1741-1780) 138,139,140,142,146,149,152 Maria von Habsburg (ung. Kgin.) 57 Marienburg (rum. Feldioara) 59,96 Martinuzzi, Georg 63, 67,68, 70 Matthias I. Corvinus (ung. Kg. 1458-1490) 43,46 Media? siehe Mediasch Mediasch (rum. Media?) 19,36,95, 100,113,132,133,192,217 Meißen 124 Melanchthon, Philipp 66 Melzer alias Werder, Andreas (Bgm. 1657-1660) 118,122 Metternich, Klemens Wenzel 158 Michael (d.T., wal. Woiw.) 89,93 Michelsberg (rum. Cisnädioara) 31,34, 95,134,176,188 Miercurea Sibiului siehe Reiißmarkt Mihai I. (rum. Kg. 1927-1930, 1940-1947) 207,208 Mihnea der Böse (wal. Woiw.) 30 Mild, Johann 56 Miles, Mathias 88 Miller, Oskar von 175 Mock, Alois 215 Mohäcs 56, 57, 59 Mühlbach (auch Stuhl, rum. Sebe?) 17, 27,36,37,45, 98 Müller von Reichenstein, Franz Joseph 148 230

Register

Müller, Friedrich (ev. Bf. 1945-1969) 201,202,206-208 München 175 Murad II. (osm. Sultan 1421-1451) 37 Neppendorf (rum. Turni?or) 18,119, 140,188,211,212 Neugeboren, Daniel Georg (ev. Bf 1806-1822) 159,160 Neuhauser, Franz d j . 157 Neusohl (slk. Banska Bystrica) 123 Niedermaier, Paul 2,54 Nikititsch, Gedeon (orth. Bf. 1784-1788) 150 Nikolaus IV. Gerendi (sbg. Bf. 1528-1540) 61 Nocrih siehe Leschkirch Nürnberg 24,26,41,82 Ocna Sibiului siehe Salzburg Ofen (ung. Buda) 24, 57, 58, 60,82, 86, 97,125 Offenburg (rum. Baia de Arie?) 40 Olahus, Nicolaus (Ebf.) 77 Olmütz (tsch. Olomouc) 156 Olomouc siehe Olmütz Oltard, Andreas (Stpfr. 1648-1660) 120 Oltard, Johann (Stpfr. 1617-1630) 110 Oltean, Radu 51 Ongyerth, Gust 203,204 Opitz, Martin 110 Oradea siehe Wardein Orä?tie siehe Brnos Ostberlin siehe Berlin Oswald siehe Wenzel Otto von Wittelsbach (ung. Kg. 1305-1308/12) 17 Pältini? siehe Hohe Rinne

Pemfflinger, Marcus (Comes 1522-1535) 56-61, 63, 65, 68, 74 Pest siehe Budapest Petrus von Rothberg (Comes 1466/67) 43 Pistorius, Marcus 88 Prag (tsch. Praha) 54, 57,212,217 Praha siehe Prag ProU, Nikolaus (Bgm. 1498) 41 Puchner, Anton (Komm. Gen. 1846-1849) 165 Rabutin, Johann Ludwig (Komm. Gen. 1696-1708) 132 Räkoczi, Franz II. (Fst. 1704-1711) 131 Räkoczi, Georg I. (Fst. 1630-1648) 110, 112,113 Räkoczi, Georg II. (Fst. 1648-1660) 111,116-119,121 Ramser, Mathias (Stpfr. 1536-1546) 65-67, 77 Rä$inari siehe Reschinar Reicherstorfler, Georg 58 Reichert, Christian (Bgm. 1684-1695) 127 Reilich, Gabriel 123 Reps (auch Stuhl, rum. Rupea) 17 Reschinar (auch Städterdori rum. Rä?inari) 116,176 Reußmarkt (auch Stuhl, rum. Miercurea Sibiului) 17,140,199 Reußner (auch Reißner), Johann (Bgm. 1644-1646) 112 Rhener,Johann (Bgm.) 91, 102 Rieger, Andreas 176 Rieger, Richard Andreas 200 Rihelius, Petrus (Stpfr. 1642-1648) 112, 113 Rom 101

Roterturm (rum. Turnu Ro§u) (Paß) 44, 51, 62,107,175,188,211 Roth, Benedikt (Bgm.) 43 Roth, Hans Otto 191,206,207 Rothjohann (Bgm. 1615-1617) 102 Roth, Johann (Comes 1544-1556) 66, 72,73 Roth, Stephan Ludwig 163,185 Rudolf [II.] (ung. Kg. 1572-1608) 88-91 Rupea siehe Reps Russe, Nikolaus (Bgm. 1468) 41, 44 Säcädate siehe Sakadat Sachs von Harteneck siehe Zabanius Sadu siehe Zoodt $aguna, Andrei von (orth. Bf./Metr. 1846/48-1873) 179,180,215 Sakadat (rum. Säcädate) 30 Säli$te siehe SeJischte Salmen, Franz von (Comes 1846-1852) 167 Salzburg (rum. Ocna Sibiului) 41,166, 176, 199 Sathmar (rum. Satu Mare) 133 Satu Mare siehe Sathmar Schaser, Angelika 2 Schäßburg (auch Stuhl, rum. Sighi$oara) 17,27,34,36, 55,59, 95, 97-99,130,165,196,216 Schebniczer, Johannes (Stadthann) 22 Schelk (Stuhl) 19 Schellenberg (rum. $elimbär) 89,93, 106,118,188 Schenk (Stuhl, nach Großschenk, rum. Cincu) 6,10, 17 Scherffenberg, Friedrich (Gen.) 125, 126 Schiller, Friedrich von 185 Register

231

Schily, Otto 216 Schlözer, August Ludwig 155 Schneider, Georg 52 Schnitzlerjakob (Stpfr. 1668-1684) 123,124 Schuller, Georg Adolf 2 Schullerus, Adolf (Stpfr. 1907-1928) 187,191 Schunn, Wilhelm 202 Sebe§ siehe Mühlbach Seivert, Johann 2,155 Seiwert (Seivert), Gustav 2,42 $elimbär siehe Schellenberg Selischte (Filialstuhl, rum. Saline) 44, 71,134,199 $erban, Radu (wal. Woiw.) 95 Sigerus, Emil 2 Sighi^oara siehe Schäßburg Sigismund (ung. Kg. 1387-1437) 23,36, 40, 41, 48,49 Simon, Bürger 40 Sombor (serb. Sombor) 187 Soterius, Georg 2,12,19,20,101 Sremski Karlovci siehe Kariowitz Städterdorf siehe Reschinar Stalinstadt siehe Kronstadt Stephan I., Hl. (Vajk, ung. Kg. 1001-1038) 3,49 Strasbourg siehe Straßburg Straßburg (frz. Strasbourg) 26 Strauß, Johann (Sohn) 164 Stromer, Farn. 41 Stuttgart 185 $ura Mare siehe Großscheuern Szapolyai siehe Johann I. Szerencses, Imre 42 Tälmaciu siehe Talmesch Talmesch (auch Filialstuhl, rum. Täl232

Register

maciu) 30,40,44, 71,88, 89,134, 143,175,188 Tärnava siehe Großprobstdorf Tämävioara siehe Kleinprobstdorf Temeswar (rum. Timi$oara) 70,212 Teutsch, Friedrich (ev. Bf. 1906-1932) 2,189,202 Teutsch, Georg Daniel (ev. Bf 1867-1893) 2,116,181,182,184,185 Thököly, Emmerich (Fst. 1690-1691/99) 128 Thomas Szechenyi (siebg. Woiw. 1320/22-1342) 17 Thorenburg (rum. Turda) 106 Timi$oara siehe Temeswar Tobiassy, Fam. 82 Tonk, Sändor 54 Törzburg (rum. Bran) (Paß und Dominium) 44, 60 Trautemberger, Fam. 41 Troeltsch, Emst 185 Trösterjohannes 20,114 Turda siehe Thorenburg Turni$or siehe Heppendorf Turnu Ro$u siehe Roterturm Uhland, Ludwig 185 Ulm 115 Unglerus, Lukas (ev. Bf. 1572-1600) 79 Unterwinz (rum. Vin^u de Jos) 105,175 Usti nad Labem siehe Aussig Vaida-Voevod, Alexandru 194 Vajk siehe Stephan Venedig 24 Vinpj de Jos siehe Unterwinz Virmont, Damian Hugo (Komm. Gen. 1721-1722) 136 Visconti, Giovanni Morando 129

Wagio, Nikolaus de 41 Waldhütter von Adlershausen, Stephan (Comes 1745-1761) 138,139,146 Wankhel von Seeberg, Martin 140 Wardein (auch Großwardein, rum. Oradea) 97,121,187 Weiss, Michael 95,96 Weißenburg (ab 1715 Karlsburg, rum. Alba Iulia) 4, 6,10,31, 48, 80, 85, 89, 92,98,105,109,110,113,117,119, 125,128,131,133,136,175,191 Welzer, Stephan 129 Wenzel, Oswald (Bgm. 1454-1458) 40, 41, 50, 51 Weyrauch, David 96 Wien 24,38,44,45, 51,54, 57, 59,60, 82,84, 97,105,109,114,127,129, 130,131,135,138,139,142,143, 145-148,152,153,157,158,160, 167-169,189

Wien, Ulrich A. 2 Wiener, Paul (ev. Bf. 1553-1554) 76, 77 Wilhelm II. (dt. Ks. 1888-1918) 189 Wittenberg 56, 66, 77,123 Wladislaus II. (ung. Kg. 1490-1516) 55 Wolff, Karl 175,190 Zabanius, Isaak (Stpfr. 1692-1707) 123 Zabanius, Johann (Sachs von Harteneck, Comes 1697-1703) 127, 129-131 Zanobius, Kaufmann 41 Zäpolya siehe Johann l. Zeiler, Martin 108 Zekel, Johannes 52 Zimmermann, Franz 2 Zoodt (rum. Sadu) 175

Register

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Harald Roth

KLEINE

GESCHICKTE

SIEBENBÜRGENS

Kleine Geschichte Siebenbürgens 2007. 3. Auflage. 199 Seiten. Mit 30 s/w-Abbildungen. Broschur. ISBN 978-3-412-13502-7

Siebenbürgen, das im deutschen Sprachraum als die Herkunftsregion der Siebenbürger Sachsen bekannt ist, hat mit seiner Völker-, Konfessionen- und Kulturenvielfalt eine Geschichte aufzuweisen, von der ein modernes, zusammenwachsendes Europa viel lernen kann. Sie wurde bestimmt von Sonderentwicklungen

gegenüber

den

Nachbarregionen,

gleichwohl das Land nur auf anderthalb Jahrhunderte staatlicher Selbstständigkeit zurückblicken kann. A m Schnittpunkt mehrerer Machtblöcke und Kulturen gelegen, sind in seiner Geschichte ost-mitteleuropäische genauso wie südosteuropäische und orientalische Einflüsse präsent, so dass eine eindeutige Zuordnung stets umstritten bleiben wird. Hier wird versucht, die Geschichte Siebenbürgens als Ganzes zu erfassen, die Positionen der verschiedenen Nationalhistoriographien der Rumänen, der Ungarn und Sachsen auf dem Wege einer Synthese zu überwinden. Der historische Uberblick wird ergänzt durch das Kapitel zum Forschungsstand, einen bibliographischen Essay, eine Zeittafel und einige Karten.

U R S U L A P L A T Z I, D - 5 0 6 6 8 K Ö L N , T E L E F O N

(0221) 9 1 3 9 0 - 0 , FAX

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Legende * Stuhl: Verwaltung*- und Gerichtseinheit (14.-19. Jh.) Hauptstuhl Hermannstadt c n Siebenrichter und Stadtzubehöre Sieben und Zwei Stühle Komi täte des Adels Grenze des Komitats Hermannstadt 1876-1918 Grenze des heutigen Kreises Hermannstadt