Heiliger Geist und Wirklichkeit: Erich Schaeders Pneumatologie und die Kritik Karl Barths 3110474832, 9783110474831, 9783110490916, 9783110490459

Erich Schaeder (1861 - 1936), zuletzt Prof. für Systematische Theologie in Breslau, zählt zu den weitgehend vergessenen

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Heiliger Geist und Wirklichkeit: Erich Schaeders Pneumatologie und die Kritik Karl Barths
 3110474832, 9783110474831, 9783110490916, 9783110490459

Table of contents :
Inhalt
Einleitung
Teil I: Heiliger Geist und Lebenswirklichkeit Erich Schaeders
1. Jugend, Studium und erste Lehrtätigkeit
1.1 Jugend und Schulzeit
1.2 Studium in Berlin
1.3 Studium in Greifswald und Beginn der Lizentiatenarbeit
1.4 Inspektor am Tholuck-Konvikt in Halle
1.5 Lizentiatenprüfung in Greifswald
1.6 Aufenthalte in Bad Boll
1.7 Privatdozent in Greifswald
1.8 Der Einfluss Adolf Schlatters
2. Lehrtätigkeit in Königsberg und Göttingen
2.1 Außerordentlicher Professor für Neues Testament in Königsberg
2.2 Außerordentlicher Professor für Neues Testament in Göttingen
3. Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Kiel
3.1 Die Fakultät
3.2 Längere Krankheitszeit
3.3 Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit
3.4 Dekan und Rektor
3.5 Frühes literarisches Schaffen
3.6 Die Herausbildung der eigenen theologischen Position
3.7 Theozentrische Theologie
3.8 Vortragstätigkeit, gesellschaftliche Aufgaben und Familie
3.8 Der Erste Weltkrieg
4. Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Breslau
4.1 Die Fakultät
4.2 Lehrveranstaltungen und kleinere Veröffentlichungen
4.3 „Das Geistproblem der Theologie“
4.4 Die Neuauflagen der Theozentrischen Theologie
4.5 „Das Wort Gottes“ und die „Glaubenslehre für Gebildete“
4.6 Vortragstätigkeit und Engagement im kirchlichen Bereich
4.7 Auseinandersetzung mit Karl Bornhausen und dem Nationalsozialismus
4.8 Umzug nach Berlin, Ruhestand und Tod
Teil II: Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottesb
1. Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung
1.1 „Mit Kant und gegen Kant“
1.1.1 Die Inversion der Subjekt-Objekt-Relation
1.1.2 Theologie als Wissenschaft
1.1.3 Die Aufgabe der Religionsphilosophie
1.1.4 Kants Erkenntnistheorie
1.1.5 Aufnahme und Ablehnung Kants
1.2 Mit Schleiermacher und gegen Schleiermacher
1.2.1 Schleiermacher als Vertreter des deutschen Idealismus
1.2.2 Schaeders Schleiermacher-Interpretation
1.2.2.1 Schleiermacher als Reformator der Theologie
1.2.2.2 Schleiermachers anthropozentrisches Glaubensverständnis
1.2.2.3 Der speziell anthropozentrische Zug in der Theologie Schleiermachers
1.2.2.4 Mit und gegen Schleiermacher
1.3 Der Begriff „Wirklichkeit“
1.3.1 Gott als die alles bedingende Wirklichkeit
1.3.2 Wirklichkeit, Realität, Wahrheit
1.3.3 Wirklichkeit und Wirksamkeit
2. Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes
2.1 Der Glaube als direktes Wirklichkeitsverhältnis
2.1.1 Der Glaube als ein Erleben Gottes im Geiste
2.1.1.1 Rückgriff auf Schaeders Schleiermacher-Interpretation
2.1.1.2 Psychologisch-analytische Differenzierungen
2.1.1.3 Die „absolute Doppelwirkung“ der Inanspruchnahme und Befreiung
2.1.1.4 Präzisierungen
2.1.2 Der Glaube als ein „Haben“ Gottes im Geiste
2.1.2.1 Rückgriff auf Schaeders Schleiermacher-Interpretation
2.1.2.2 Gottes freie Selbstvergegenwärtigung
2.1.2.3 Gottes liebende Selbstmitteilung
2.1.2.4 Die Neuschöpfung des Sünders
2.1.2.5 Gottes unüberbietbare Nähe
2.1.2.6 Gottes zu fürchtende Ferne
2.1.2.7 Furcht und Ehrfurcht
2.1.2.8 Gottes universale und individuelle Gegenwart
2.1.2.9 „Haben“ Gottes als permanente Rezeption
2.1.2.10 gratia infusa oder donatio spiritus sancti? – Versuch einer Explikation
2.1.2.11 Gegen ein rein forensisches Rechtfertigungsverständnis
2.1.3 Die Mystik des Glaubens
2.1.3.1 Vermittelte Unmittelbarkeit
2.1.3.2 Festhalten am Begriff „Mystik“
2.1.3.3 Präzise Unterscheidung von Gott und Mensch
2.1.3.4 Die Mystik des Kreaturverhältnisses
2.1.3.5 Die Vergegenwärtigung der vergangenen Geschichte Jesu
2.1.3.6 Charakteristika der Glaubensmystik
2.1.4 Die natürliche Anlage für den Glauben
2.1.4.1 Die Transformation der Selbstbejahung
2.1.4.2 Die Transformation der Selbsthingabe
2.1.4.3 Die Transformation der Selbstbestimmung
2.1.5 Der Glaube als der große Wahrheitsfaktor unseres Seins
2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes
2.2.1 Wie der Glaube, so der Geist
2.2.2 Heiliger Geist und Wort Gottes
2.2.2.1 Erste Bestimmung des Begriffs „Wort Gottes“
2.2.2.2 Schaeders Kritik am theologischen Entwurf Gogartens
2.2.2.3 Schaeders Kritik an Barths „Christlicher Dogmatik im Entwurf“
2.2.2.4 Der Inhalt des Wortes Gottes
2.2.2.5 Wort Gottes und Heilige Schrift
2.2.2.6 Wort Gottes und Sakrament
2.2.2.7 Wort Gottes und Kirche
2.2.2.8 Fazit
2.3 Heiliger Geist, Jesus Christus und Gott – Trinitätstheologische Überlegungen
2.3.1 Erste Selbstcharakterisierung von Schaeders Entwurf
2.3.2 Die Gottheit Jesu Christi
2.3.3 Der Heilige Geist und Jesus Christus
2.3.4 Der trinitarische Gott
2.3.4.1 Das Verhältnis des Geistes zum Sohn und zum Vater
2.3.4.2 Der Heilige Geistes als „Persönlichkeit“
2.3.4.3 Der Heilige Geist als Macht
Teil III: Karl Barths Kritik an Schaeders Entwurf
1. Schaeder als Vertreter des Neuprotestantismus
1.1 Biographische bzw. theologiegeschichtliche Verortung
1.2 Inhaltliche Näherbestimmung des Neuprotestantismus
2. Aufgehobene „Subjektivität“ Gottes
2.1 Gott als Gott des Bewusstseins
2.2 Indirekter „Cartesianismus“
3. Bewertung der Kritik Barths
3.1 Empfangene Möglichkeit oder Wirklichkeit des Empfangs?
3.2 Heilsame Verunsicherung und seelsorgerlicher Trost
3.3 Relecture der Dogmatik aus pneumatologischer Perspektive
Teil IV: Die Bedeutung der Pneumatologie Erich Schaeders
Thesen
Quellen- und Literaturverzeichnis
Autorenregister
Sachregister

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Klaus-Dieter Rieger Heiliger Geist und Wirklichkeit

Theologische Bibliothek Töpelmann

Herausgegeben von Bruce McCormack, Friederike Nüssel und Christoph Schwöbel

Band 176

Klaus-Dieter Rieger

Heiliger Geist und Wirklichkeit Erich Schaeders Pneumatologie und die Kritik Karl Barths

ISBN 978-3-11-047483-1 e-ISBN (PDF) 978-3-11-049091-6 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-049045-9 ISSN 0563-4288 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Erich Schaeder (1861– 1936), zuletzt Professor für Systematische Theologie in Breslau, zählt zu den weitgehend vergessenen Theologen des 20. Jahrhunderts. Er hat wie kein anderer und bereits Jahrzehnte vor Karl Barth die absolute Majestät und Überlegenheit Gottes über alle endliche Wirklichkeit herausgestellt und die theozentrische Orientierung der Theologie gefordert. Andererseits betont er – gegenüber einem überzogenen Distanzbegriff in Bezug auf Gott – die durch den Empfang des Heiligen Geistes sich jetzt ereignende radikale Veränderung und Neubegründung des Menschen. Durch seinen Entwurf eines „pneumatischen Theozentrismus“ versucht Schaeder dabei zu entfalten, wie die Wirklichkeit und Wirksamkeit des Heiligen Geistes so in die Grundbestimmung theologischer Arbeit einzubeziehen ist, dass einerseits Gottes absolute Majestät sowie andererseits dessen unüberbietbare Nähe gewahrt bleibt. Ausgangspunkt bildet dabei der geistgewirkte Glaube, den Schaeder als direktes Verhältnis zur göttlichen Wirklichkeit näher bestimmen kann. Theologie ist so verstanden produktive Explikation des Glaubens oder systematisch-theologische Reflexion auf die Wirklichkeit Gottes, wie sie sich in den Wirkungen des göttlichen Geistes zu erkennen und zu erleben gibt. Von daher erklärt sich, dass nach Schaeder die Pneumatologie als Kernfrage der Theologie zu werten und die Dogmatik unter diesem Blickwinkel zu reformulieren ist. Schaeder hat bei aller harscher Kritik von Seiten Barths durch seinen Entwurf auf beachtliche Weise die Pneumatologie als Antwort auf die Grundlagenkrise der Theologie nach dem Ersten Weltkrieg ins Gespräch gebracht. Die von ihm geforderte und heute nicht minder aktuelle Relecture der Dogmatik unter pneumatologischer Perspektive wird man dabei als ein gemeinsames, wenn auch zeitlich versetzt vorgetragenes Moment der beiden theologischen Ansätze von Schaeder und Barth sehen dürfen. Diese Arbeit ist die geringfügig überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im Sommersemester 2015 von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Eberhard-Karls-Universität Tübingen angenommen wurde. Herzlich danke ich Herrn Prof. Dr. Eberhard Jüngel, der mich zur Arbeit ermutigt hat und mir völlige Freiheit in der Bearbeitung des Themas ließ. Aus gesundheitlichen Gründen konnte er diese Arbeit aber nicht mehr begutachten. Ich danke deshalb von ganzem Herzen Herrn Prof. Dr. Christoph Schwöbel für die unkomplizierte Übernahme der Betreuung in der Schlussphase, seine erfrischend-ermutigende Art sowie die Erstellung des Erstgutachtens. Herrn PD Dr. Martin Wendte danke ich für die Anfertigung des Zweitgutachtens. Für die aufmerksame Lektüre gilt mein besonderer Dank Herrn apl. Prof. Dr. Hans-Martin Rieger.

VI

Vorwort

Danken möchte ich auch der Landesgraduiertenförderung des Landes BadenWürttemberg für die Unterstützung in der Anfangszeit. Die Drucklegung haben durch ihre großzügigen Zuschüsse die Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands und die Evangelische Landeskirche in Württemberg gefördert. Den Herausgebern der „Theologischen Bibliothek Töpelmann“ danke ich für die Aufnahme des Bandes in ihre Reihe, dem Verlag De Gruyter, insbesondere Herrn Dr. Albrecht Döhnert, Herrn Stefan Selbmann und Frau Nancy Christ, für die unkomplizierte und freundliche Zusammenarbeit. Gewidmet sei diese Arbeit meiner Frau Dorothea sowie meinen Kindern Berenike, Justinus und Salome. Pliezhausen, im Sommer 2016

Klaus-Dieter Rieger

Inhalt Einleitung

1

Teil I: Heiliger Geist und Lebenswirklichkeit Erich Schaeders  . . . . . . . .

Jugend, Studium und erste Lehrtätigkeit 7 7 Jugend und Schulzeit Studium in Berlin 9 Studium in Greifswald und Beginn der Lizentiatenarbeit 13 Inspektor am Tholuck-Konvikt in Halle Lizentiatenprüfung in Greifswald 16 Aufenthalte in Bad Boll 18 23 Privatdozent in Greifswald Der Einfluss Adolf Schlatters 25

 . .

Lehrtätigkeit in Königsberg und Göttingen 28 Außerordentlicher Professor für Neues Testament in 28 Königsberg Außerordentlicher Professor für Neues Testament in Göttingen

 . . . . . . . . .

Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Kiel Die Fakultät 36 38 Längere Krankheitszeit Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit 41 42 Dekan und Rektor Frühes literarisches Schaffen 43 Die Herausbildung der eigenen theologischen Position 44 Theozentrische Theologie 46 Vortragstätigkeit, gesellschaftliche Aufgaben und Familie 52 Der Erste Weltkrieg 56



Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Breslau 60 Die Fakultät 60 66 Lehrveranstaltungen und kleinere Veröffentlichungen „Das Geistproblem der Theologie“ 68 Die Neuauflagen der Theozentrischen Theologie 69

. . . .

11

29 36

VIII

. . . .

Inhalt

„Das Wort Gottes“ und die „Glaubenslehre für Gebildete“ Vortragstätigkeit und Engagement im kirchlichen Bereich Auseinandersetzung mit Karl Bornhausen und dem Nationalsozialismus 83 Umzug nach Berlin, Ruhestand und Tod 94

73 75

Teil II: Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes 99



Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

. .. .. .. .. ..

„Mit Kant und gegen Kant“ 99 99 Die Inversion der Subjekt-Objekt-Relation Theologie als Wissenschaft 102 Die Aufgabe der Religionsphilosophie 106 110 Kants Erkenntnistheorie Aufnahme und Ablehnung Kants 115

. .. ..

Mit Schleiermacher und gegen Schleiermacher 123 Schleiermacher als Vertreter des deutschen Idealismus 123 Schaeders Schleiermacher-Interpretation 128 129 ... Schleiermacher als Reformator der Theologie ... Schleiermachers anthropozentrisches Glaubensverständnis 134 ... Der speziell anthropozentrische Zug in der Theologie 139 Schleiermachers ... Mit und gegen Schleiermacher 149

. .. .. ..

Der Begriff „Wirklichkeit“ 156 Gott als die alles bedingende Wirklichkeit Wirklichkeit, Realität, Wahrheit 158 Wirklichkeit und Wirksamkeit 167



Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

. ..

Der Glaube als direktes Wirklichkeitsverhältnis 171 Der Glaube als ein Erleben Gottes im Geiste 172 172 ... Rückgriff auf Schaeders Schleiermacher-Interpretation ... Psychologisch-analytische Differenzierungen 174 ... Die „absolute Doppelwirkung“ der Inanspruchnahme und Befreiung 176 ... Präzisierungen 180

156

171

Inhalt

..

..

..

.. . .. ..

Der Glaube als ein „Haben“ Gottes im Geiste 181 ... Rückgriff auf Schaeders Schleiermacher181 Interpretation ... Gottes freie Selbstvergegenwärtigung 182 ... Gottes liebende Selbstmitteilung 184 186 ... Die Neuschöpfung des Sünders ... Gottes unüberbietbare Nähe 188 191 ... Gottes zu fürchtende Ferne ... Furcht und Ehrfurcht 195 ... Gottes universale und individuelle Gegenwart 198 202 ... „Haben“ Gottes als permanente Rezeption ... gratia infusa oder donatio spiritus sancti? – Versuch einer Explikation 205 ... Gegen ein rein forensisches 208 Rechtfertigungsverständnis Die Mystik des Glaubens 213 213 ... Vermittelte Unmittelbarkeit ... Festhalten am Begriff „Mystik“ 214 ... Präzise Unterscheidung von Gott und Mensch 216 ... Die Mystik des Kreaturverhältnisses 217 ... Die Vergegenwärtigung der vergangenen Geschichte 218 Jesu ... Charakteristika der Glaubensmystik 221 224 Die natürliche Anlage für den Glauben ... Die Transformation der Selbstbejahung 225 ... Die Transformation der Selbsthingabe 227 ... Die Transformation der Selbstbestimmung 228 Der Glaube als der große Wahrheitsfaktor unseres Seins 230 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes 235 Wie der Glaube, so der Geist 235 Heiliger Geist und Wort Gottes 238 ... Erste Bestimmung des Begriffs „Wort Gottes“ 238 ... Schaeders Kritik am theologischen Entwurf Gogartens 243 ... Schaeders Kritik an Barths „Christlicher Dogmatik im Entwurf“ 249 254 ... Der Inhalt des Wortes Gottes ... Wort Gottes und Heilige Schrift 270 ... Wort Gottes und Sakrament 276

IX

X

Inhalt

... ... . .. .. .. ..

Wort Gottes und Kirche 284 Fazit

279

Heiliger Geist, Jesus Christus und Gott – Trinitätstheologische Überlegungen 286 Erste Selbstcharakterisierung von Schaeders Entwurf 286 Die Gottheit Jesu Christi 288 Der Heilige Geist und Jesus Christus 295 Der trinitarische Gott 298 ... Das Verhältnis des Geistes zum Sohn und zum 298 Vater ... Der Heilige Geistes als „Persönlichkeit“ 304 307 ... Der Heilige Geist als Macht

Teil III: Karl Barths Kritik an Schaeders Entwurf  . .

Schaeder als Vertreter des Neuprotestantismus 312 Biographische bzw. theologiegeschichtliche Verortung Inhaltliche Näherbestimmung des Neuprotestantismus

 . .

Aufgehobene „Subjektivität“ Gottes 316 316 Gott als Gott des Bewusstseins Indirekter „Cartesianismus“ 319

 . . .

Bewertung der Kritik Barths 322 Empfangene Möglichkeit oder Wirklichkeit des Empfangs? 322 329 Heilsame Verunsicherung und seelsorgerlicher Trost Relecture der Dogmatik aus pneumatologischer Perspektive 338

312 314

Teil IV: Die Bedeutung der Pneumatologie Erich Schaeders Thesen

345

Quellen- und Literaturverzeichnis Autorenregister Sachregister

389 395

357

Einleitung Untersucht man die Geschichte der Lehre vom Heiligen Geist im 20. Jahrhundert, so zeigt sich, dass die Pneumatologie im Grunde erst bei Erich Schaeder aus dem Schatten der Christologie heraustritt und zu einem eigenständigen Thema erhoben wird.¹ Umso mehr verwundert es, dass – nach einer Blütezeit pneumatologischer Arbeit in den vergangenen vier Jahrzehnten² – Schaeders Werk bis heute nur wenig Beachtung erfahren hat.³ Gründe für diese weitgehende Vergessenheit sind, wie die folgende Arbeit zeigen wird, zu einen in den Wirren während der letzten Phase von Schaeders Wirksamkeit und zum anderen in der sehr harschen Kritik Karl Barths zu suchen. Beides, die biographisch-theologiegeschichtliche Perspektive wie auch das Urteil Barths über Schaeder, wird man deshalb bei der Darstellung von Schaeders Pneumatologie nicht übergehen können. Methodisch entspricht die Anlage unserer Untersuchung dabei dem Gegenstand: Weil es in ihr um die Darstellung und Skizzierung eines weitgehend vergessenen pneumatologischen Entwurfs geht, scheint es nicht geboten, Maßstäbe von außen anzulegen. Schaeders pneumatologischer Entwurf soll vielmehr zunächst gemäß der ihm eigenen Reflexion erfasst und systematisiert werden.⁴ Die daran anschließende Beschäftigung mit der Kritik Barths dient dann dazu, diese Darstellung zu vertiefen, von außen kritisch zu hinterfragen und gegebenenfalls zu korrigieren. Insofern ergibt sich letztlich eine dreifache Aufgabenstellung: Einerseits ist die Persönlichkeit Schaeders und die Herausbildung seiner theologischen Position herauszuarbeiten. Da von Schaeder abgesehen von einer kleinen Selbstdarstellung⁵ noch keine Darstellung seiner Person und seiner theologischen Entwicklung vorliegt, wird hier der Versuch unternommen, diese Lücke zu schließen. Dazu wurde auch zahlreiches, bisher unveröffentlichtes Archivmaterial gesichtet und eingearbeitet. So etwa u. a. die Briefe Schaeders, welcher dieser an seinen

 Henning, Lehre vom Heiligen Geist, .  AaO., . Zu den Entwürfen der letzten Jahrzehnte zählen etwa Berkhof, Theologie; Moltmann, Geist des Lebens; Welker, Gottes Geist; Kraus, Heiliger Geist u. a.  Eine Ausnahme bildet die kleinere Untersuchung des mennonitischen Theologen Hans-Jürgen Goertz mit dem ähnlich lautenden Titel „Geist und Wirklichkeit“ aus dem Jahr . Goertz bietet darin eine erste Annäherung an das Werk Schaeders. In neueren Werken der Theologiegeschichte findet Schaeder – wenn überhaupt – meist nur sehr knapp als Vertreter der sogenannten „Greifswalder Schule“ Beachtung. Vgl. z. B. Lessing, Geschichte ,  ff.  Vgl. Obst, Veni Creator Spiritus!, .  Selbstdarstellung,  ff. DOI 10.1515/9783110490916-001

2

Einleitung

Lehrer, Kollegen und auch Seelsorger Adolf Schlatter richtete.⁶ Als außerordentlicher Glückfall ist es auch zu werten, dass für die Erfassung der Persönlichkeit Schaeders ein unveröffentlichtes, in den Händen der Nachkommen Schaeders sich befindliches Erinnerungsbuch herangezogen werden konnte. Dieses von Anna Schaeder, der Ehefrau, verfasste und sehr persönlich gehaltene Buch deckt den Zeitraum bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges ab und gibt ergänzend Einblick in das private und familiäre Leben Schaeders. Da Schaeders Haltung im Nationalsozialismus immer wieder Anlass zu Spekulationen gegeben hat, war – um eine voreilige Diskreditierung seiner Person zu verhindern – an dieser Stelle der Untersuchung ein verstärkt kirchengeschichtliches Arbeiten nötig. Darüber hinaus wird auch die Bedeutung Schaeders für das kirchliche Leben in Schlesien kurz skizziert. Ansonsten aber nimmt der erste Teil der Untersuchung v. a. Schaeders Wissenschaftsbiographie, die Entwicklung seiner theologischen Position und die kurze Charakterisierung seiner Hauptwerke in den Blick. Angesichts der Tatsache, dass Schaeder heute weitgehend unbekannt ist und seine theologische Position ohne Rückbezug auf seine Biographie wohl kaum angemessen gewürdigt werden kann, erweist sich diese ausführliche Erfassung von Schaeders Lebenswirklichkeit auch im Rahmen einer systematisch-theologischen Arbeit als notwendig und gerechtfertigt. Auch wenn die Biographie als Kontext seiner Lehre stets mit bedacht werden sollte, so bedeutet dies aber keineswegs, dass Schaeders Werk nur als Objektivation der theologischen Existenz seines Autors interessant sein kann.⁷ Vielmehr hat – wie die folgende Untersuchung zu zeigen erhofft – Schaeders Schaffen trotz seiner historischen Bedingtheit bis heute große Relevanz. Der zweite Teil dieser Arbeit trägt diesem Anliegen Rechnung: Als „Hauptproblem der Dogmatik“ erweist sich nach Schaeder die Bestimmung des Weges unseres Inwendigen zur Wirklichkeit Gottes.⁸ Insofern ergibt sich – orientiert man sich an Schaeders Gedankengang – als zweite Aufgabenstellung die systematisch-theologische Reflexion auf die Wirklichkeit Gottes, wie sie sich in den Wirkungen des göttlichen Geistes zu erkennen und zu erleben gibt.⁹ In seiner unverfügbaren Souveränität und Freiheit bleibt göttlicher Geist nach Schaeder dabei stets präzise vom Menschen unterschiedener Geist. Von daher wird man den göttlichen Geist im Un-

 Im LKA Stuttgart, Bestand D  (Adolf-Schlatter-Archiv), werden unter der Inventar-Nummer  zahlreiche Briefe Erich Schaeders und ein Brief Anna Schaeders an Adolf Schlatter verwahrt.  Vgl. Jüngel, Barth-Studien, .  Weg,  f.  Vgl. Hilberath, Pneumatologie, .

Einleitung

3

terschied zum menschlichen als „Heiligen Geist“ zu qualifizieren haben.¹⁰ Zugleich kommt Gott aber dem Menschen unüberbietbar nahe. Schaeders Explikation des Glaubens als direktes, weil geistgewirktes Wirklichkeitsverhältnis bringt diese Nähe so zum Ausdruck, dass einerseits die seinsbestimmende, ontologische Dimension des Glaubens nicht geschmälert, andererseits aber zugleich eine intime, die Differenz zwischen Gott und Mensch auflösende Unschärferelation zurückgewiesen wird.¹¹ Vom Glauben als Wirkung des Geistes her lässt sich dann die begründende Wirklichkeit bzw. das „Wesen“ des Heiligen Geistes näher explizieren. Das hohe Maß an Unmittelbarkeit, welches nach Schaeder dem Verhältnis zwischen Gott und Mensch eignet, wirft schließlich die Frage auf, inwieweit das Verhältnis zwischen göttlichem Geist und menschlichen Geist so kurzgeschlossen ist, dass das Wort Gottes die vermittelnde Funktion zu verlieren droht.¹² Die daraus sich ergebende Untersuchung von Schaeders Wort- und Offenbarungsverständnis nimmt bereits auch die theologischen Entwürfe Gogartens und Barths kritisch in den Blick. Der Vervollständigung und Bündelung dient dann – diesen zweiten Teil gleichsam abschließend – eine Reflexion auf die trinitätstheologischen Äußerungen Schaeders. Es war dann kein Geringerer als Rudolf Bultmann, der schon recht bald Karl Barths „Polemik“ gegen Schaeder zwar als treffend und amüsant, aber doch auch als überholten „Kampf gegen Gespenster“¹³ bezeichnen hat. Die wahren Gegner stünden heute – so sein Brief aus dem Jahre 1928 – wohl anderswo. Karl Barths Einschätzung fiel dagegen differenzierter aus: „Soweit ich bei den Studenten und auf den Pfarrerkonferenzen und in der kirchlichen Presse sehe, sind Schaeder, Wobbermin etc. leider durchaus noch keine Gespenster“.¹⁴ Dies erklärt dann auch, dass Barths Kritik an Schaeders Position nicht nur in der „Christlichen Dogmatik im Entwurf“, sondern auch im ersten Band der „Kirchlichen Dogmatik“ ihren deutlichen Niederschlag fand. Als dritte Aufgabenstellung ergibt sich somit die Beschäftigung mit ebendieser Kritik des „frühen“ Barth. Sein Urteil über Schaeder dürfte in nicht zu unterschätzendem Maße mit dazu beigetragen haben, dass Schaeder in der theologischen Diskussion und Rezeption fortan kaum mehr eine Rolle spielte. Die Auseinandersetzung mit der Kritik Barths bietet somit auch einen Einblick in die Anfangsjahre der sogenannten „dialektischen Theologie“.¹⁵ Im

 Vgl. aaO., . Dieser Sachverhalt findet auch – etwa im Unterschied zur Arbeit von Goertz – im Titel dieser Untersuchung ihren Niederschlag.  Vgl. z. B. unten S.  ff.  f.  Goertz, Geist, .  Jaspert, Briefwechsel, .  AaO., .  Goertz, Geist,  f.

4

Einleitung

Rahmen unserer Untersuchung dient sie aber v. a. dazu, Schaeders Gedankengang zu bündeln und zu profilieren. In einem vierten und abschließenden Teil wird dann in Form von Thesen die hohe Aktualität und Relevanz von Schaeders Pneumatologie herausgestellt und gewürdigt. Schaeder war es demnach, der wie kein anderer und bereits Jahrzehnte vor Karl Barth einerseits die absolute Majestät bzw. die schlechthinnige Überlegenheit Gottes über alle endliche Wirklichkeit herausgestellt und die theozentrische Orientierung der Theologie gefordert hat. Andererseits betont Schaeder zugleich nachdrücklich die durch den beständigen Empfang des göttlichen Geistes sich jetzt ereignende radikale Veränderung und effektive Neukonstituierung des menschlichen Seins. Die göttliche Wirklichkeit ist deshalb niemals eine „virtuelle“, sondern eine durch die Nähe des Heiligen Geistes irdisch-konkret erfahrbare Wirklichkeit. Dies erklärt dann auch die Grundintention Schaeders, wonach die Pneumatologie als Kernfrage der Theologie zu werten und die Dogmatik letztlich unter diesem Blickwinkel zu reformulieren ist. Schaeder wendet sich deshalb nicht primär der Entfaltung der materialen Pneumatologie zu, sondern fragt v. a. danach, wie die Wirklichkeit und Wirksamkeit des Heiligen Geistes so in die Grundbestimmung theologischer Arbeit einzubeziehen ist,¹⁶ dass einerseits Gottes absolute Majestät sowie andererseits dessen unüberbietbare Nähe gewahrt bleibt. Für diese Erkenntnis eines pneumatischen Theozentrismus dürfte Schaeders Lebenswirklichkeit ihren eigenen Beitrag geleistet haben: Sie hat ihn sensibilisiert, beim Gottesverständnis die heilige und zu fürchtende Majestät Gottes aufs Engste mit dessen unüberbietbaren Nähe beim und im Menschen zu verbinden.

 Vgl. Obst, Veni Creator Spiritus!,  f.

Teil I: Heiliger Geist und Lebenswirklichkeit Erich Schaeders

1 Jugend, Studium und erste Lehrtätigkeit 1.1 Jugend und Schulzeit Erich Schaeders¹ Heimat war der Oberharz, wohin seine Vorfahren – Bergleute fränkischer Herkunft – aus dem Erzgebirge eingewandert waren.² In Clausthal erblickte er am 22. Dezember 1861 als zweiter Sohn des Bergrevisors Georg Schaeder und dessen Ehefrau Ida, geborene Capelle, das Licht der Welt. Eine tiefe Prägung für sein Leben und auch für sein theologisches Schaffen empfing er durch die im Oberharz zusammen mit seinem älteren Bruder Albert und seiner jüngeren Schwester Agnes verbrachten Jugendjahre. Eine starke Faszination an der Natur – auch als Ausgleich zur sehr streng empfundenen Erziehung des Vaters – erwachte in den Geschwistern.³ Mit „grenzenloser Liebe“ hing Erich Schaeders deshalb zeitlebens an seiner Heimat und deren landschaftlichen Eigenart⁴: „dem herben, monotonen Ernst ihrer Wälder, der strengen Geschiedenheit eines kurzen Sommers mit seiner Blütenfülle und eines charaktervollen, in herrlichen Bildern erstrahlenden Winters“.⁵ Wenn es ihm viele Jahre später zu einem Bedürfnis wurde, eine ethizistisch oder soteriologisch verengte Theologie aufzubrechen und die vernachlässigte Natur tief in den Zusammenhang des Glaubenslebens hineinzuziehen, dann war dies nach seinem Selbstzeugnis auch dem Einfluss seiner Oberharzer Jugendjahre zu verdanken.⁶ Das religiöse und kirchliche Leben der Oberharzer Bergstadt übte dagegen kaum Einfluss auf ihn aus. Die Bevölkerung war trotz des gefährlichen Berufes der Männerwelt in der Regel „leichtlebig und religiös reichlich flach“. Es herrschte nach Schaeders eigenen Aussagen ein eigentümliches, blindes Mißtrauen gegen alles „Pietistische“, was oft nichts anderes als die Ablehnung lebendiger Glaubensäußerungen bedeutete.⁷  Über Erich Schaeder liegt außer einer kleinen Selbstdarstellung aus dem Jahre  (in: Die Religionswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen, hg.v. E. Stange, Bd. , Leipzig ) keine biographische Veröffentlichung vor. Der Vf. stützt sich u. a. auf ein von Anna Schaeder, der Ehefrau Erich Schaeders, geschriebenes Erinnerungsbuch über die Familie, welches diese ihren Kindern und Verwandten hinterlassen hat. Dieses sehr persönlich gehaltene Buch, welches den Zeitraum bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges abdeckt, befindet sich in den Händen der Nachkommen Erich Schaeders und war dem Vf. zugänglich (abgekürzt: Erinnerungsbuch).  Selbstdarstellung, .  Erinnerungsbuch,  f. Vgl. auch Führer, Erich Schaeder,  f.  Erinnerungsbuch, .  Selbstdarstellung, .  Ebd.  Ebd. DOI 10.1515/9783110490916-002

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1 Jugend, Studium und erste Lehrtätigkeit

Mitte der 70er Jahre erfolgte die Versetzung und Beförderung des Vaters an das Ministerium für öffentliche Arbeiten in Berlin.⁸ Für die Familie bedeutete der Umzug in eine Drei-Zimmer-Wohnung eines Mehrfamilienhauses in der Gneisenaustraße 101 einen tiefen Einschnitt.⁹ Von der geliebten Natur waren die Geschwister nun geschieden und in die ungewohnte „feindliche Fremdheit“¹⁰ einer aufstrebenden Großstadt gebannt. Insbesondere bei Erich und seiner jüngeren Schwester Agnes machte sich dies durch eine angegriffene körperliche und seelische Gesundheit bemerkbar. Hinzu kam bei Agnes ein Leistungsabfall in der Schule. Ein solcher stellte sich bei Erich nach dem Wechsel von der höheren Bürgerschule in Clausthal an das Friedrich-Wilhelms-Gymnasium dank einer engen Schulfreundschaft und dank der Förderung mehrerer Lehrer nicht ein. Das Schulleben wurde ihm zum eigentlichen und lebendigen Inhalt seines Lebens.¹¹ Die Schulzeit war allerdings stets auch mit der Belastung verbunden, aufgrund guter Leistungen die Prämie und damit die völlige Befreiung vom Schulgeld zu erlangen, womit zu Hause fest gerechnet wurde.¹² Viel Zeit, insbesondere auch die Sonntage, verbrachte er zusammen mit seinem Schulfreund, einem Sohn einer Apothekerfamilie, und partizipierte an deren Wohlstand und Geselligkeit.¹³ „Ein heller Punkt in dem grauen Einerlei der nächsten Jahre“ war neben dieser Freundschaft auch „die Ankunft des kleinen Brüderchens“ Willy, das durch sein fröhliches Wesen die anderen Familienmitglieder ansteckte.¹⁴ Die letzten Schuljahre waren dann durch einen sehr anregenden Unterricht geprägt, der ihm durch zwei Lehrer, insbesondere wohl durch Prof. Ferdinand Ranke, dem jüngeren Bruder Leopold von Rankes, zuteilwurde.¹⁵ Unvergessliche Eindrücke humanistischer, besonders geschichtlicher Art vermittelten ihm diese Jahre der Schulzeit und erweckten in ihm den Wunsch, nach dem Abitur im Frühjahr 1881¹⁶ Geschichte zu studieren. „Aber ein Innerstes, Unabweisbares trieb schließlich doch zur Theologie.“¹⁷ Das Studium konnte aber erst begonnen werden, nachdem der Plan, ihn zum Kaufmann zu machen, fehlgeschlagen war¹⁸.

 AaO., .  Erinnerungsbuch,  ff.  AaO., .  AaO.,  f. Zu den Namen der Schulen vgl. UA Greifswald, Lehrer-Album I.  Erinnerungsbuch, .  AaO.,  f.  AaO.,  f.  AaO.,  f.  Chronik Greifswald /, .  Selbstdarstellung, .  Erinnerungsbuch,  f.

1.2 Studium in Berlin

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1.2 Studium in Berlin Zum Sommersemester 1881 immatrikulierte Erich Schaeder sich an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität¹⁹ und widmete sich dort fünf Semester der Theologie sowie ausgesprochen philologischen Studien.²⁰ Während dieser Zeit wohnte er weiterhin in der elterlichen Wohnung in der Gneisenaustraße.²¹ Die freie Zeit wurde dabei, wie auch bereits in den letzten Jahren der Schulzeit, stark durch die Notwendigkeit beschnitten, Privatstunden zu geben, um zu Hause seinen Unterhalt zu verdienen. Auch mancherlei kleine Hausverwaltungsgeschäfte hatte er im Auftrag des Vaters zu übernehmen.²² Im Sommersemester 1883, dem letzten Semester in Berlin, trat Schaeder schließlich der Studentenverbindung Wingolf bei, der er auch noch als Professor treu bleiben sollte.²³ Über die Bedeutung der Berliner Studienzeit für seine spätere theologische Arbeit und Einstellung fällte er selbst ein zurückhaltendes und differenziertes Urteil: Der Alttestamentler August Dillmann, der in Schaeders erstem Semester auch Dekan der Fakultät war, und der neutestamentliche Ordinarius Bernhard Weiß boten zwar bedeutende geschichtliche Einsichten und eine scharfsinnige sprachwissenschaftliche wie gedankliche Exegese, doch fehlte bei ihnen die „religiöse Einfühlung“ in starkem Maße.²⁴ So machte z. B. die von Prof. Weiß gebotene Auslegung des Römerbriefes nicht deutlich, dass dieser „zu den Hauptbüchern der weltbewegenden Reform der Kirche, zu den Grundlagen immer sich erneuernden evangelischen Glaubens gehörte und gehört“.²⁵ Es fehlte nach Schaeders rückblickendem Urteil in der altund neutestamentlichen Exegese das pneumatische Moment. „Der Hörer wollte mit der Sache, mit dem Besitz des Glaubens in Berührung kommen und erreichte

 Amtl. Verzeichnis Berlin (SS ), .  Selbstdarstellung, . Die Theologische Fakultät verzeichnete damals einen starken Anstieg der Studentenzahlen. Zählte der Fachbereich Theologie zu Beginn seines Studiums noch  Studierende – davon hatten sich  neu eingeschrieben –, so sollte diese Anzahl bis zu seinem letzten Semester in Berlin auf  Studierende ansteigen. Vgl. Amtl. Verzeichnis Berlin (SS  – SS ).  Amtl. Verzeichnis Berlin (SS ), .  Erinnerungsbuch, .  Historiographie des Berliner Wingolf (SS ). Ab dem Sommersemester  hat sich Schaeder in Berlin und im Wintersemester / in Greifswald als Wingolfit aktiv gemeldet. Außerdem war er als „Alter Herr“ („Philister“) z. B.  in Göttingen,  in Kiel und  in Breslau aktiv.  Selbstdarstellung, .  Ebd. Vgl. Vorlesungsverzeichnis Berlin (SS ).

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1 Jugend, Studium und erste Lehrtätigkeit

doch nur ihre geschichtliche Vermittlung. So blieb eine stark empfundene Leere, jedem verständlich, der weiß, daß Theologie und Glaube zusammen gehören.“²⁶ Durch die massive Kritik, die Weiß in der Exegese und Bibelwissenschaft an dem 1877 verstorbenen Erlanger v. Hofmann übte, wurde Schaeder dann dazu angeregt, sich mit diesem so heftig kritisierten Theologen zu beschäftigen. Bei ihm fand er die vermisste „Welt des Glaubens“ trotz aller Eigentümlichkeit in genialer Selbständigkeit dargestellt.²⁷ Wenn Schaeder auch Kritik an seinen Berliner Lehrern übte, so verkannte er deren Einfluss auf ihn nicht: „Daß die Theologie in einem organischen Zusammenhang mit der Historie steht, dass kein dogmatischer Machtspruch, keine Reflexion auf den ‚Geist‘ oder das πνεῦμα sie aus dieser Verknüpfung löst, das ist mir durch jene Männer für immer eingeprägt worden.“²⁸ Der größte Einfluss auf Schaeder während seiner Berliner Studienjahre ging wohl von dem durch Schleiermacher und Rothe beeinflussten²⁹ Professor Steinmeyer aus. Bei diesem „weithin verkannte[n] und innerhalb der akademischen Welt ungebührlich in den Hintergrund gedrängte[n]“ Professor für Praktische Theologie besuchte Schaeder exegetische Veranstaltungen über die Leidensgeschichte Jesu Christi und über die Parabeln Jesu im Lukasevangelium.³⁰ In diesen Veranstaltungen begegnete Schaeder neben einer straffen Stoffanordnung „ein tiefer kongenialer Glaubensernst“, so dass Schaeder im Rückblick über sie urteilen kann: „Hier ging mir auf, was theologische Auslegung, die als solche wirklich an die Sache heranführte, sein könne“. Schaeder lernte auch durch geschichtliche Bezüge, die Steinmeyer in seinen Veranstaltungen herstellte, die altprotestantischen Dogmatiker nicht als schematisierende Intellektualisten, sondern als bedeutende Vermittler des reformatorischen Glaubenserbes kennen und schätzen.³¹ Das Fach Kirchengeschichte, vertreten durch die Professoren Semisch, Piper u. a. hielt sich nach Schaeders Angaben „auf einer überraschend niedrigen Stufe“ und war wohl wenig attraktiv.³² Ähnlich verhielt es sich mit dem Studium der Ethik, das Schaeder in Berlin begann: Jene Berliner Studienjahre fielen in eine Zeit, in der Adolf Stoecker seinen Kampf gegen die aufstrebende Sozialdemokratie sowie den weltanschaulichen Liberalismus führte und in der die Kirche genötigt

 Selbstdarstellung, .  Ebd. Zu Hofmann vgl. Beyschlag, Erlanger Theologie,  ff.  Selbstdarstellung, .  Niebergall, Steinmeyer, .  Selbstdarstellung, .Vgl. auch Vorlesungsverzeichnis Berlin (WS / u. SS ). Prof. Steinmeyer war zunächst auch Professor für Neues Testament, später nur für Praktische Theologie.  Selbstdarstellung, .  AaO.,.

1.3 Studium in Greifswald und Beginn der Lizentiatenarbeit

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wurde, zum Schlagwort „Christlich-Sozial“ Stellung zu nehmen. Der theologische Nachwuchs, auch Schaeder, schien damals von den Ideen Stoeckers wenig berührt worden zu sein.³³ Gerade deshalb empfand er es im Nachhinein als Mangel, dass die Studierenden nicht auf die drängende soziale Frage verwiesen wurden, sondern – wenig befriedigend – eine abstrakte Pflichtenreihe und eine diffizile Kasuistik geboten bekamen.³⁴ „Daß der gute Wille, wie ihn das Evangelium durch Gottes Geist wirkt, nicht nur individueller, sondern auch sozialer, Gemeinschaftswille ist, daß er sich sozialen Mißbildungen, die aus widersittlichem oder widergöttlichem Geiste stammen, entgegenzuwerfen hat“³⁵, wurde damals nicht vermittelt. Zu stark war man noch in einem „einseitigen christlichen Individualismus“ gefangen.³⁶ „Einen großen Schwung und Inhalt“ bekam für Schaeder das Studium aber erst, als es ihm wohl auch mit finanzieller Unterstützung „zweier Tanten“ gelang, von Berlin und von den beengten häuslichen Verhältnissen fortzukommen. In Berlin hatte er „im Studium noch keinen rechten Grund gefunden“.³⁷ Dies änderte sich grundlegend mit seinem Wechsel an die Königliche Universität in Greifswald zum Wintersemester 1883/84.³⁸

1.3 Studium in Greifswald und Beginn der Lizentiatenarbeit Im Vergleich zur Friedrich-Wilhelms-Universität handelte es sich bei der Königlichen Universität zu Greifswald mit ihren insgesamt 725 Studierenden (im Wintersemester 1883/84) zwar um eine kleinere Hochschule, die aber in den folgenden Semestern einen starken Aufschwung erlebte und bereits im Sommersemester

 AaO.,  f.  AaO., . Dies dürfte auch damit zusammenhängen, dass der damals (neben Prof. Otto Pfleiderer) Ethik lehrende Honorar-Professor Hermann von der Goltz zu den Gegnern Stoeckers gehörte und dessen Parteigründung ablehnte. Willibald Beyschlag – Gründer und ebenfalls wie von der Goltz Mitglied der kirchenpolitischen Mittelpartei – vertrat die Ansicht, dass der Beitrag der Kirche zur sozialen Frage in der Schaffung einer neuen, besseren Gesinnung bestehe, die allein durch das Wort des Glaubens und das Werk der Liebe gewirkt werde. Von der Goltz, der auch Mitglied des Oberkirchenrates und Propst von St. Petri war, verschärfte dies dahingehend, dass nur der Unglaube nach anderen Mitteln greife. Die ganze christlich-soziale Bewegung sei, so sein Urteil, ein Kind dieses Pessimismus; allerdings hoffentlich ein sehr kurzlebiges. Vgl. Greschat, Adolf Stoecker, .  Selbstdarstellung, .  AaO., .  Erinnerungsbuch, .  Amtl. Verzeichnis Greifswald (WS /).

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1 Jugend, Studium und erste Lehrtätigkeit

1886 1002 Studierende – davon über ein Drittel Theologiestudenten – zählte.³⁹ Vor allem mit der im Jahre 1870 erfolgten Berufung Hermann Cremers als Professor für Systematische Theologie an die Universität Greifswald hatte die Gruppe der „positiven“ Theologen gegenüber den Angehörigen des Protestantenvereins in Greifswald das Übergewicht gewonnen und bestimmten dort fortan das akademische Leben. Unter Cremers Einfluss wurde die theologische Fakultät v. a. in den achtziger und neunziger Jahren zum Zentrum und Anziehungspunkt biblischer Theologie.⁴⁰ Cremers dezidiertes Anliegen war es, angesichts der dominierenden Ritschl-Schule eine möglichst homogene „positiv“-biblisch geprägte Fakultät zu etablieren, um die von ihm befürchtete Alleinherrschaft der liberalen Theologie zu verhindern. Durch eine wissenschaftlich fundierte Alternative sollte eine Überwindung des theologischen Liberalismus erreicht werden. Dabei verband sich dieses Bemühen um eine wissenschaftliche Alternative bei Cremer mit einem eminent fakultätspolitischen Anliegen, das er mithilfe des Leiters der Hochschulabteilung im preußischen Kulturministerium, Ministerialrat Althoff, zu verwirklichen suchte.⁴¹ Während Schaeders Studienzeit in Greifswald, die wohl mit dem Sommersemester 1886 endete,⁴² bestand die Fakultät aus fünf Ordinarien: Neben dem Systematiker Cremer, der im Lutherjahr 1883 das Rektorat innehatte⁴³, waren dies der Kirchenhistoriker Zöckler, welcher Cremers Berufung nach Greifswald betrieben hatte, sowie der Wellhausen-Nachfolger Bredenkamp, der aus Kiel kommende Neutestamentler Haupt und der dem Protestantenverein zugehörige Praktische Theologe Hanne.⁴⁴ Der größte Einfluss auf Schaeder ging dabei von Cremer aus: Cremer war es, der ihm den organischen Zusammenhang von wissenschaftlicher Arbeit und Glauben aufzeigte und ihm dadurch „de[n] unwiderstehliche[n] Impuls zu einer eigenen theologischen Entwicklung“ zuteilwerden ließ.⁴⁵ Auch wenn andere, wie Schaeder aus späterer Sicht urteilte, z.T. „geist-

 Vgl. Amtl. Verzeichnis Greifswald (WS / – WS /).  Als Cremer seine Professur in Greifswald antrat, waren an der Fakultät  Studenten eingeschrieben. Davon dienten im Kriegsjahr /  als Soldaten. Die Greifswalder Fakultät war damals völlig unbedeutend und übte keine Anziehung aus. Vgl. Stupperich, Hermann Cremer,  sowie Thümmel, Greifswald, .  Neuer, Adolf Schlatter,  f.  Im Sommersemester  wird Schaeder noch im amtlichen Verzeichnis des Personals und der Studierenden der Universität Greifswald geführt; im Wintersemester / ist dies nicht mehr der Fall. Vgl. Amtl. Verzeichnis Greifswald (SS  u. WS /).  Stupperich, Westfälische Lebensbilder, .  Vgl. Amtl. Verzeichnis Greifwald (WS / – SS ) sowie Cremer, Hermann Cremer,  ff. u.  ff.  Selbstdarstellung, .

1.4 Inspektor am Tholuck-Konvikt in Halle

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voller, vielseitiger, erkenntnis- und ideenreicher“ auf dem Grund, den Cremer legte, weitergebaut hätten, so habe sein „theologisches Leben“, doch den fundamentalen Anschluss an Cremer nie verloren: „Dieser Anschluß und eine in faßbaren Linien verlaufene, eigenständige Abwendung von Cremers Theologie – beides zusammen – haben es bestimmt. Ich fühle mich als einen theologischen Schüler aus Greifswalds großer Zeit und bin doch zugleich ein Anderer geworden“.⁴⁶ Cremers Bemühen um eine wissenschaftliche Überwindung des theologischen Liberalismus fand auch im Bestreben, junge Kräfte für die wissenschaftliche Aufgabe zu werben, seinen Niederschlag. So nahm er eine Seminararbeit über die communicatio idiomatum zum Anlass, Schaeder zur Promotion im Fach Systematische Theologie aufzufordern.⁴⁷ Diesem Wagnis, eine akademische Laufbahn einzuschlagen, standen jedoch zunächst mancherlei praktische Erwägungen entgegen, die aber durch die Hilfe des älteren Bruders Albert verringert werden konnten. Dieser vermochte es in Greifswald – sein Bruder Erich „erstarb“ dort aus „Hochachtung vor den Professoren“ – bei den betreffenden Instanzen das Nötige in die Wege zu leiten.⁴⁸ Auch ein Promotionsstipendium – der Antrag wurde am 19. April 1885 gestellt – dürfte ihn in finanzieller Hinsicht entlastet haben. Das Fakultätszeugnis, das dem Antrag beigefügt wurde, weist Schaeder als einen Studenten mit großer geistiger Begabung und einem tiefen christlichen Ernst aus, womit ein eiserner Fleiß und liebenswürdige anspruchslose Bescheidenheit verbunden sei. Er verfüge, wie seine Arbeiten in den Seminaren zeigten, über eine Begabung zur klaren Darstellung sowohl des geschichtlichen Ganges der wissenschaftlichen Arbeit als auch der eigenen Gedanken und gewinne leicht ein klares und sicheres Urteil über die eingegangenen und einzuschlagenden Wege für die Weiterführung der theologischen Arbeit. Es stehe zu hoffen, dass in ihm eine wertvolle Kraft für die Wissenschaft und für die Kirche heranreife.⁴⁹

1.4 Inspektor am Tholuck-Konvikt in Halle Vom Sommersemester 1887⁵⁰ an verbrachte Schaeder noch fünf Semester lernend und als Inspektor des Tholuckschen Konviktes anfangsweise lehrend in Halle.⁵¹

 Ebd.  Cremer, Hermann Cremer, .  Erinnerungsbuch, .  Stupperich, Hermann Cremer,  f.  Die Aufenthaltszeit in Halle wird unterschiedlich datiert: Professoren und Dozenten,  führt den Zeitraum von Oktober  bis Oktober  an. Diese Angabe dürfte auf einen Lesefehler

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1 Jugend, Studium und erste Lehrtätigkeit

Das Tholuck-Konvikt zählte während der Inspektorenzeit Schaeders acht Konviktuale – alles Studierende, die der Theologischen Fakultät Halle angehörten –, welche von dem Inspektor in ihren Studien geleitet und beaufsichtigt wurden.⁵² Der Inspektor, der mit den Studenten zusammenlebte, hatte die tägliche Morgenandacht und wöchentlich eine wissenschaftliche Übung abzuhalten.⁵³ Der Zweck des Konviktes sollte es sein, mit der Förderung der wissenschaftlichen Bildung die Entwicklung christlichen Glaubenslebens zu verbinden. Deshalb war dem Inspektor die Aufgabe zugewiesen, „auch und vornehmlich in freiem Verkehr mit den Konviktualen nach Kräften christlichen Sinn und christliche Entwicklung bei ihnen zu hegen und zu fördern und auf alle Weise ihnen die hohe Würde und die Verantwortlichkeit des Dienstes eindrücklich zu machen, für welche sie sich bestimmt haben“.⁵⁴ Die Zeit als Inspektor scheint Schaeder dahingehend geprägt zu haben, dass ihm zeitlebens das Beispiel Tholucks, wie es in Halle gepflegt wurde und wie er es durch seinen von Tholuck geprägten Lehrer Cremer⁵⁵ bereits in Greifswald erlebt hatte, als Vorbild im Umgang mit den Studenten vor Augen stand.⁵⁶ Stets hatte Schaeder später als Professor offene Augen und Ohren für die Belange der Studenten und machte sich, auch wenn es zeitweise über seine Kräfte ging, sowohl den persönlichen Umgang mit den Studierenden als auch deren seelsorgerliche zurückzuführen sein. In einem Greifswalder Verzeichnis der theologischen Lehrer (UA Greifswald, Theol. Fak. ) wird der Zeitraum Ost. (=Ostern)  – Okt.  angegeben. Dies deckt sich mit der Eintragung im Hausbuch des Tholuckschen Konviktes (Archiv des Evangelischen Konviktes Halle, Hausbuch des Tholuck-Konviktes) und Schaeders eigenen Angaben in seiner Selbstdarstellung ( Semester). Schaeders Dienstzeit beim Militär – genauer bei den Naumburger Jägern –, welche durch seine eingeschränkte Marschtauglichkeit verkürzt wurde, dürfte vor seiner Aufenthaltszeit in Halle zu datieren sein. Vgl. Erinnerungsbuch, .  Selbstdarstellung, .  Archiv des Evangelischen Konviktes Halle, Statut des Tholuckschen Konvikts,  (inzwischen abgedruckt in: Boor/Lehmann, Studien- und Lebensgemeinschaft,  ff). Das Tholucksche Konvikt führte sein Leben frei von der Bindung an die Universität sowie an Staat und Kirche.  Witte, Leben Tholucks, .  Archiv des Evangelischen Konviktes Halle, Statut des Tholuckschen Konvikts,  f (inzwischen abgedruckt in: Boor/Lehmann, Studien- und Lebensgemeinschaft,  ff).  Von Tholuck empfing Cremer während seiner Studienzeit so manche wissenschaftliche Anregungen. Bei einem der Spaziergänge sprach Tholuck von der Notwendigkeit, ein Begriffslexikon zum Neuen Testament zu schaffen, was Cremer dann auf sich bezog. Die ersten Ausgaben des Biblisch-theologischen Wörterbuchs der Neutestamentlichen Gräzität widmete er Tholuck. Vgl. Stupperich, Hermann Cremer, .  f. . Cremer lebte für seine Studenten und gehört in dieser Hinsicht zu den Studentenvätern des . Jahrhunderts. Was er bei Tholuck in Halle erfahren und gelernt hatte, wollte er fortsetzen,wobei es um persönliche und wissenschaftliche Förderung ging, die auch das Innerste einschloss. Vgl. Stupperich, Westfälische Lebensbilder, . .  Vgl. Erinnerungsbuch,  u.  f.

1.4 Inspektor am Tholuck-Konvikt in Halle

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Begleitung zur Aufgabe. Der entscheidende Einfluss auf Schaeders theologische Entwicklung während seiner Zeit in Halle dürfte jedoch von dem stark durch Tholuck geprägten Theologen Martin Kähler ausgegangen sein. Kähler war neben seiner Tätigkeit als Professor für Systematik und Neues Testament Ephorus sowohl des Schlesischen als auch des institutionell angegliederten Tholuckschen Konviktes.⁵⁷ Dadurch scheint es zu einem engen Kontakt und Austausch zwischen Kähler als Ephorus und Schaeder als Inspektor gekommen zu sein, der sich später nach Schaeders Weggang aus Halle in einem Briefwechsel fortsetzte.⁵⁸ Im Blick auf seine theologische Entwicklung und im Vergleich zu Cremer charakterisierte Schaeder seinen Lehrer in Halle als den reicheren, umfassenderen, theologisch weiterführenden Geist: „Beherrschte Cremer in seiner Weise die biblischen Grundbegriffe, so kam bei Kaehler eine glänzende Gabe hinzu, ihre Entwicklung, ihre Veränderung durch die Geschichte des kirchlich-dogmatischen Denkens hindurch zu verfolgen. Der Biblizismus verlor auf diese Weise seine Enge. Geistvolle dogmengeschichtliche Partien verbanden sich mit ihm. Dazu stand Kaehler in einer deutlicheren Fühlung mit der Philosophie, zumal der des deutschen Idealismus, ohne daß daraus eine strenge erkenntniskritische Auseinandersetzung mit dieser entsprungen wäre. […] Seine Empfänglichkeit für die Problematik historischer, mehr noch religiöser Erkenntnis war sehr fein entwickelt. Er untersuchte oder er argumentierte, er dekretierte nicht“.⁵⁹ Vor allem die „tiefe, feinsinnige und lebensoffen durchdachte Ethik Kaehlers“⁶⁰ übte großen Einfluss auf Schaeders theologische Entwicklung aus. Schaeder empfand Kählers Ethik als das notwendige Korrektiv zu einer merkwürdig stilisierten und schwachen Ethik, wie sie sein Greifswalder Lehrer vertreten hatte. Die Dominanz des Objektiven im christlichen Glauben schmälerte bei Cremer das Interesse an der sittlichen Auswirkung des Glaubens und ließ deren theologisches Verständnis deutlich zurücktreten. Kähler dagegen „verband die objektive und subjektive Seite am Glauben viel bestimmter“ und konnte somit „eine sehr bedeutende Ethik“ entwerfen, die freilich nach Schaeders Urteil eine „Individual-Ethik“ blieb.⁶¹

 Vgl. Kähler, Theologe und Christ,  – . Die institutionelle Angliederung erfolgte nach dem Tod Tholucks () mit der Stiftungsgründung durch dessen Witwe im Jahre . Vgl. Archiv des Evangelischen Konviktes Halle, Statut des Tholuckschen Konvikts (inzwischen abgedruckt in: Boor/Lehmann, Studien- und Lebensgemeinschaft,  ff).  Im Archiv der Franckeschen Stiftungen in Halle werden allerdings nur wenige Briefe Schaeders an Kähler verwahrt.  Selbstdarstellung, .  AaO., .  AaO.,  f.

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1 Jugend, Studium und erste Lehrtätigkeit

Da Schaeders Studienzeit im engeren Sinne abgelaufen war, scheint er die übrigen Mitglieder der Fakultät – abgesehen von den jüngeren Privatdozenten – nicht näher kennengelernt zu haben. In Halle gab es aber einen Kreis von jungen, etwa gleichaltrigen Theologen, die sich trotz ihrer gegensätzlichen theologischen Richtung einmal in der Woche zu einem „Kaffeekränzchen“ trafen, um sich durch oft stundenlange Diskussionen auf ihre akademische Laufbahn vorzubereiten. Außer Erich Schaeder und den Privatdozenten Otto Ritschl, Johannes Gloël und Albert Eichhorn gehörten diesem Kreis Otto Baumgarten, Wilhelm Rothstein und Karl Müller an.⁶² Der Einfluss dieses Kreises auf Schaeders theologisches Denken dürfte dabei im Vergleich zu der von Kähler empfangenen Prägung von geringer Bedeutung gewesen sein.

1.5 Lizentiatenprüfung in Greifswald Nach seiner Rückkehr aus Halle legte Schaeder am 29. Oktober 1889 zunächst seine mündliche Lizentiatenprüfung ab. Geprüft wurde er im Hauptfach Systematische Theologie von Professor Cremer und hatte dabei – wie es das Prüfungsprotokoll ausweist – die Geschichte der Disziplin, den Zusammenhang und die Abhängigkeit der einzelnen Lehrstücke sowie das Verständnis der einzelnen Lehrpunkte darzulegen. Dafür erhielt er das Prädikat magna cum laude. Der Alttestamentler Baethgen, der im Sommersemester 1889 von Halle nach Greifswald gekommen war, bewertete Schaeders Leistungen mit cum laude, während Schlatter, der seit dem Wintersemester 1888/89 das Fach Neues Testament vertrat, ihn mit magna cum laude beurteilte. Die Prüfungen in Dogmengeschichte und Symbolik unter Leitung von Zöckler, in Kirchengeschichte unter Schultze und in Praktischer Theologie unter von Nathusius ergaben jeweils das Resultat cum laude. Aufgrund dieses Ergebnisses wurde Schaeder die venia legendi erteilt, die allerdings bis nach erfolgter Begutachtung seiner lateinischen Arbeit noch ausgesetzt blieb.⁶³ Schaeders Lizentiatendissertation, die erst einige Jahre später in einer überarbeiteten und erweiterten Form unter dem Titel „Die Bedeutung des lebendigen Christus für die Rechtfertigung nach Paulus“ erschien,⁶⁴ wurde am 14. März 1890 von Cremer und danach von Schlatter begutachtet.⁶⁵ In dieser Arbeit betonte Schaeder, dass Paulus die Rechtfertigung nicht einfach an die objektiven Heilstatsachen des Todes und der    

Baumgarten, Lebensgeschichte,  f. und Bassi, Baumgarten, . UA Greifswald, Protokoll der mündlichen Lizentiatenprüfung, . .  (Theol. Fak. ). Die gedruckte Version der Lizentiatendissertation erschien  bei Bertelsmann, Gütersloh. UA Greifswald, Gutachten Cremers und Gutachten Schlatters, . .  (Theol. Fak. ).

1.5 Lizentiatenprüfung in Greifswald

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Auferstehung Jesu, geschweige denn an „einen dinglichen Leistungswert“ dieser beiden geknüpft habe.⁶⁶ Es ist nach Schaeders Auffassung vielmehr die Person des lebendigen, gekreuzigten und auferweckten Christus, mit der bei Paulus das Heil in der ganzen Verzweigung seiner Wirkungen verbunden ist.⁶⁷ Eine Religion der Heilstatsachen, die den Glauben lediglich als Bejahung überlieferter geschichtlicher Fakten versteht, lehnte Schaeder ab: „Glaube wurde mir für immer das persönliche Haften an dem lebendigen Christus und durch ihn oder mit ihm an Gott“.⁶⁸ Dieses relationale Glaubensverständnis, das damals noch durch „das Objektivitätsstreben Cremers in übertriebener Weise“ beeinflusst war, empfand Schaeder im Rückblick als nicht ausreichend: „Ängstlich vermied ich den notorisch paulinischen Gedanken, daß dieser lebendige Gekreuzigte, in der Form des rechtfertigenden Glaubens, den er wirkt, ein allerstriktestes Verhältnis der Nähe zu dem hat, der glaubt. Jede Christusmystik schloß ich aus, und daß der Glaube, eben im Verfolg dieses Mystischen, die sittliche Erneuerung seines Trägers ist, war mir verborgen. Bringe ich den Mangel dieser Erstlingsarbeit auf eine kurze Formel, dann will ich sagen: mir fehlte die Erkenntnis von der zentralen Bedeutung des Geistes Gottes, des πνεῦμα ἅγιον, oder des Christusgeistes im Christentum.“⁶⁹ Diesen Mangel sah Schaeder später im Zusammenhang mit der v. a. bei Cremer, aber auch bei Kähler stark in den Hintergrund gedrängten Lehre vom Heiligen Geist. Auch wenn Schaeder deshalb in dieser Arbeit die entscheidende Bedeutung des göttlichen Geistes im Rechtfertigungsgeschehen noch nicht erkannte bzw. zu erkennen vermochte, so wurde doch – wie Schaeder im Rückblick feststellen konnte – eine Entwicklung eingeleitet, die ihm die Geistfrage zum „theologischen Kern- und Hauptproblem“ seines theologischen Schaffens werden ließ.⁷⁰ In seinem Gutachten beanstandete Cremer – freilich nach einer ausführlichen inhaltlichen Würdigung – eine gewisse Schwerfälligkeit in der Darstellung, die

 Selbstdarstellung, .  Lütgert, Rezension, .  und Selbstdarstellung, . Schaeder kann das Thema seiner Untersuchung wie folgt umschreiben: „Der Zweck unseres Versuches liegt in dem Nachweise, daß Paulus den bedingenden Mittelgrund der gnadenmäßigen Selbstbethätigung Gottes, in welcher er den Sünder gerecht spricht, nicht in irgendeiner geschichtlichen Leistung Christi als solcher, überhaupt nicht in irgendeinem heilsbedeutsamen Ereignisse der Geschichte Christi, geschweige denn in dem gesamten Verlaufe seines geschichtlichen Lebens erkannt hat, sondern in dem lebendigen übergeschichtlichen Jesus Christus selber, aber in ihm doch nur insofern, als er die Ereignisse seines Todes und seiner Auferweckung hinter sich hat und deren grundlegliche Heilswirkungen in sich befaßt“ (Bedeutung, ).  Selbstdarstellung,  (Hervorhebung hinzugefügt).  Ebd. (Hervorhebung hinzugefügt).  Ebd.

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1 Jugend, Studium und erste Lehrtätigkeit

v. a. aus der gewählten Methode resultiere.⁷¹ Einfacher wäre es gewesen, wenn Schaeder, anstatt mit den schwierigsten und anscheinend widerstreitendsten Stellen zu beginnen, zunächst aufgewiesen hätte, dass der rechtfertigende Glaube bei Paulus überall Glaube nicht an den sogenannten historischen, sondern an den lebendigen, erhöhten Christus sei, woraus sich eben die Person des lebendigen Christus als das Fundament der Rechtfertigung ergebe. Die Aussagen über den Tod Christi und seinen Wert als Opfer wären dann verständlicher geworden. Manche exegetische Kleinarbeit führe deshalb nicht zum Ziel, weil die Entscheidung über exegetische Einzelfragen nur von den großen Grundanschauungen aus gegeben werden könne.⁷² Auch Schlatter, dem von Cremer v. a. die exegetische Beurteilung überlassen wurde, sah die Schwerfälligkeit des exegetischen Beweisverfahrens mit der Atomisierung des exegetischen Materials zusammenhängen.⁷³ Diese Beanstandungen werteten Cremer und Schlatter jedoch lediglich „als die jedem Anfang anhaftenden Schwächen“, die einem jungen Theologen zu verzeihen seien, und beantragten das Prädikat magna cum laude. ⁷⁴

1.6 Aufenthalte in Bad Boll Später als Schaeder es sich wünschte, gelangte er dann zur Habilitation. Nach Schaeders Angaben lag zwischen den entscheidenden Leistungen der Promotion und der Habilitation ein volles Krankheitsjahr.⁷⁵ Eng im Zusammenhang damit dürfte ein mehrere Monate dauernder Aufenthalt in Bad Boll stehen, der ihn mit Christoph Friedrich Blumhardt zusammenführte. Christoph Friedrichs Vater, auch Blumhardt der Ältere genannt, war durch den jahrelangen Kampf um die Genesung der psychisch und somatisch schwer belasteten jungen Frau Gottliebin Dittus⁷⁶ sowie deren endgültige Heilung bekannt geworden. Nach seiner Pfarramtszeit in Möttlingen hatte Blumhardt d. Ä. im Jahre 1852 das „Königliche Württembergische Bad für die oberen Stände“ in Boll erworben, um sich in stärkerem Maße insbesondere psychisch kranken Menschen zuwenden zu kön UA Greifswald, Gutachten Cremers (Theol. Fak. ) und Antrag Cremers auf Extraordinariat, . .  (Theol. Fak. ).  UA Greifswald, Gutachten Cremers, . .  (Theol. Fak. ).  UA Greifswald, Gutachten Schlatters, . .  (Theol. Fak. ).  UA Greifswald, Gutachten Schlatters und Gutachten Cremers, . .  (Theol. Fak. ).  Selbstdarstellung, .  Ärztlicher Diagnose zufolge war sie von Dämonen besessen. Vgl. Gremmels, Blumhardt, . Zu den Vorgängen in Möttlingen und den daraus resultierenden Auseinandersetzungen vgl. Blumhardt, Gesammelte Werke I,. Darin befindet sich auch der eigenständige Deutungsversuch des Arztes, Psychotherapeuten und Theologen Theodor Bovet.

1.6 Aufenthalte in Bad Boll

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nen.⁷⁷ Mit Schriftlesung, Seelsorge und Heilungsgebeten bemühte er sich die Not der zahlreichen Menschen, die ihn in dem stetig wachsenden „geistlichen Sanatorium“ aufsuchten, zu lindern, wobei ihn seine beiden Söhne Christoph und Theophil unterstützten.⁷⁸ Nach dem Tode des Vaters im Jahre 1880 wurde Christoph Friedrich Blumhardt mit der Leitung Bad Bolls betraut, die er bis 1911 innehatte.⁷⁹ Schaeder traf, wie es der Gästebucheintrag⁸⁰ erkennen lässt, am 1. April 1890 in Bad Boll ein und dürfte sich aus Krankheitsgründen wohl bis Anfang Dezember dort aufgehalten haben.⁸¹ Ein Brief, den Schaeder am 16. November 1890 an Schlatter richtete, enthält detailliertere Hinweise zu diesem Aufenthalt: Er wolle, so teilte er Schlatter mit, Boll Anfang Dezember verlassen und beabsichtige im Januar nach Greifswald zurückzukehren. Sein Gesundheitszustand sei freilich noch kein befriedigender und es werde, wie man es ihm prognostizierte, noch längere Zeit vergehen bis die „Trübungen [s]eines seelischen Lebens“ völlig aufhören würden. Er wolle das Leiden um Gottes willen tragen und hoffe auf einen günstigen Ausgang. Er habe einen größeren Optimismus gewonnen, der es ihm ermöglichen werde, den Blick immer mehr von seinem Leiden weg auf Gott zu richten. Der Greifswalder Fakultät, so Schaeder weiter, fühle er sich zu herzlichem Dank verpflichtet für die Geduld, mit der sie ihm die Möglichkeit des Eintritts in den Dozentenberuf freigehalten habe. Seit mehreren Monaten habe er täglich wieder eine Reihe von Stunden vorbereitet. Momentan arbeite er eine Vorlesung über die beiden Thessalonicherbriefe aus. Bis zum Ende des Wintersemesters wolle er die Disputation und Habilitation hinter sich bringen, so dass er zu Ostern

 Troebst, Blumhardt, .  Ruhbach, Blumhardt,  sowie Stober, Blumhardt,  ff.  Gremmels, Blumhardt, .  übergab Blumhardt aufgrund seiner schweren Erkrankung die seelsorgerliche Betreuung seines Hauses an Pfarrer Eugen Jäckh. Die Verwaltung von Bad Boll wurde  in die Hände von Freunden gelegt. Vgl. Jäckh, E., Christoph Blumhardt,  f. und Jäckh, W., Ihre Welt,  ff.  Archiv der Brüdergemeine, Gästebuch. Die Ausstrahlung Bad Bolls führte, wie das Gästebuch erkennen lässt, auch zahlreiche Personen aus Theologie und Kirche zu Blumhardt. Im Gästebuch lassen sich u. a. die Einträge von Karl Barth und Eduard Thurneysen finden (. April ). Auch der märkische Pfarrer Tillich besuchte „mit Söhnlein Paul“ mehrmals Bad Boll.Vgl. Troebst/Ising, Blumhardt,  u.  und Jäckh, W., Ihre Welt,  ff.  Auf die Krankheitszeit Schaeders weist auch ein Brief Cremers hin, den dieser am . Mai  an Althoff richtete. Cremer antwortete darin u. a. auf die von Althoff vorgebrachte Frage nach jüngeren Systematikern und erwähnte dabei, dass „[u]nser Schäder“ zwar seinen Lizentiaten magna cum laude gemacht habe, aber augenblicklich noch durch Krankheit an der Habilitation gehindert sei (Stupperich, Hermann Cremer,  f).

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beginnen könne.⁸² Folgt man diesem Briefzeugnis, so scheint der Grund für Schaeders Aufenthalt in Bad Boll dessen angegriffene seelische Verfassung gewesen zu sein. Solche Zeiten der Niedergeschlagenheit und der Schwermütigkeit sollten sich bei Schaeder v. a. nach vorangehenden Überanstrengungen im Laufe seines Lebens immer wieder einstellen.⁸³ In dem über 30 Jahre später verfassten Aufsatz „Theologische Erinnerungen an den jüngeren Blumhardt“ nahm Schaeder auf diesen Aufenthalt in Bad Boll Bezug⁸⁴ und fällte über Blumhardt unter theologischem Blickwinkel ein differenziertes Urteil.⁸⁵ Er stützte sich dabei auf Notizen, die er damals von Blumhardts Äußerungen in Andachten und Predigten angefertigt hatte.⁸⁶ Blumhardt sei, so Schaeders Urteil, „ein Seelsorger ersten Ranges“ gewesen, der „eine intuitive, liebestarke Fähigkeit der Einfühlung in andere Individualitäten“ besessen habe: „Er war ein geistlicher Diagnostiker, der nicht oft seines gleichen findet. Der kranke Punkt im Seelenleben derer, die sich an ihn wandten, die geistig-geistliche Kompliziertheit mit ihren mancherlei Verkrümmungen und Hemmungen – ihm war sie merkwürdig rasch offenbar. An ihm konnte man

 LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ). Schaeder übermittelte darin auch Grüße Howard Eugsters und Hermann Kutters an Schlatter. Schaeder dürfte demnach beide in Bad Boll kennengelernt haben. Eugster war der Einzige aus Blumhardts engerem Freundeskreis, der parallel zu ihm den Schritt zur Sozialdemokratie vollzog; vgl. Meier, Blumhardt, ; Jäckh, E., Christoph Blumhardt,  ff; Jäckh, W., Ihre Welt,  f. Als „Appenzeller Weberpfarrer“, schweizerischer Gewerkschaftspionier und sozialdemokratischer Nationalrat machte Eugster sich einen bleibenden Namen.Vgl. zur Biographie Eugsters: Specker,Weberpfarrer, sowie zum engen Verhältnis zu Blumhardt den gegenseitigen Briefwechsel: Specker, Politik aus der Nachfolge. Zu Kutter vgl. Meier, Blumhardt,  ff und Sauter,Theologie des Reiches Gottes,  ff. Auf die Begegnung Kutters mit Schaeder in Bad Boll weist auch hin: Brief Kutters an Schlatter, . .  (abgedruckt in: Kocher, Briefe,  – )  Vgl. unten S.  ff.  Dass Schaeder dabei von seinem Aufenthalt im Jahre  berichtet, ist v. a. dadurch zu erkennen, dass nach seinen Angaben damals in Deutschland zum ersten Mal die „Arbeiter-Maifeier“ stattfand (Theologische Erinnerungen, ). Da der Maifeiertag von der zweiten Internationale  begründet und  zum ersten Mal begangen wurde, ist die Datierung von Schaeders Aufenthalt genau vorzunehmen. Auch der Hinweis, dass er dort „drei Vierteljahre in fast täglichem Verkehr mit Blumhardt gestanden habe“, sowie die etwas ungenauere Zeitangabe des Aufenthaltes „um die Wende der er Jahre des vorigen Jahrhunderts“, lassen sich dem Aufenthalt im Jahre  zuordnen. Siehe: Theologische Erinnerungen,  f.  Ob und inwieweit dieses Beurteilung Blumhardt angemessen ist, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht untersucht werden.  Schaeder teilte das Wirken Blumhardts in drei unzertrennliche Phasen ein: die der Zusammenarbeit mit dem Vater bzw. in dessen Nachfolge, die mittlere und die dritte „sozialistisch eingestellte“. Nur auf die mittlere Phase nahm Schaeder mit seinen Ausführungen Bezug (Theologische Erinnerungen, ).

1.6 Aufenthalte in Bad Boll

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studieren, daß Religionspsychologie einen tiefen Sinn hat. Man versteht, daß sich ungezählte Menschen von diesem Manne in ihrem Innersten begriffen, daß sie sich von ihm in einer hellen, freien Liebe getragen fühlten. Er war ein Führer, der ein Vater war.“⁸⁷ Allerdings wies Blumhardts Seelsorge nach Schaeder auch deutliche Mängel auf: Blumhardts „Evangelium, mit dem er am Inwendigen der Menschen arbeitete“, müsse deutlich und berechtigt beanstandet werden.⁸⁸ In Bezug auf Blumhardts seelsorgerlicher Tätigkeit differenzierte Schaeder folglich zwischen Blumhardts Begabung bzw. Ausstrahlung und dessen theologischer Auffassung, wie sie sich z. B. in Andachten und Predigten äußerte. War Schaeder einerseits von der Persönlichkeit und dem Leben Blumhardts beeindruckt, so schien ihm andererseits dessen Lehre doch mit Mängeln behaftet und einseitig. Bei Blumhardt dominierte z. B. nach Schaeder ein „Tätigkeitsdrang“, ein „Aktivismus“, der den Glauben v. a. als Aufgabe des Menschen, weniger als Gabe Gottes begreifen ließ.⁸⁹ In engem Zusammenhang damit schien nach Schaeders Auffassung dessen Sündenverständnis zu stehen: „Blumhardts Auge für die Bedeutung der Sünde war nicht geschärft genug. Unter Umständen behandelte er sie […] als ein Element unserer Wirklichkeit, mit dem man unter bestimmten psychologischen Bedingungen unschwer fertig wird.“⁹⁰ Auch wenn Blumhardt die Sünde gesehen und bekämpft habe, so sei sie ihm – entsprechend seinem beherrschenden Gedanken vom Reich Gottes – Hemmung und Verderbnis der Sache Gottes in der Welt gewesen. „Aber die persönliche Schuld, welche an der Sünde haftet, die elementare Zerrüttung des persönlichen Verhältnisses zu Gott, welche mit dieser Schuld einsetzt, die Zerstörung der Gemeinschaft mit Gott, die der tiefste Grund der Zersetzung des menschlichen Einzel- und Gesamtlebens ist, dies alles würdigte Blumhardt nicht genügend. Es war, als ob an dieser, für Glauben, Christentum, Kirche, Reich Gottes maßgebenden Stelle ein tiefstes, aber ganz notwendiges Persönliches in der theologischen Haltung Blumhardts fehlte.“⁹¹ Blumhardt strebte nach Schaeders Urteil „in die Weite einer gottgemäßen Neuordnung der Dinge in der Welt, aber viel weniger und zunehmend weniger in die Tiefe der Frage nach der Lösung der persönlichen Krise zwischen Gott, Sünder und

 Theologische Erinnerungen, .  Ebd.  Sauter widerspricht Schaeder scharf und lehnt es ab, bei Blumhardt von einem „Aktivismus“ zu reden (Sauter, Theologie des Reiches Gottes, .  f). Differenzierter urteilt Stober, der bei Blumhardt von einer Akzentverlagerung weg vom Tun Gottes hin zum Tun des Menschen spricht (Stober, Blumhardt,  ff). Ein abschließendes Urteil muss einer ausführlichen Untersuchung vorbehalten bleiben.  Theologische Erinnerungen, .  Ebd.

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Sündenmenschheit“.⁹² Weitere Mängel, wie z. B. die fehlende Beachtung des Versöhnungsgeschehens, die Dominanz des menschlichen Wirkens in seiner Auffassung vom Reich Gottes oder die Wertung des menschlichen Strafleidens als etwas Versöhnendes,⁹³ dürften sich auf Blumhardts Glaubens- und Sündenverständnis zurückführen lassen. Blumhardt war, so Schaeders abschließende Zusammenfassung, „ein großer Erreger von Menschenseelen in der Richtung auf Gottes Willen und Gottes Ehre“. Aber den Zugang zu der Kraft, „welche die Erregung zum […] Ich und Welt überwindenden Willen gestaltet“,⁹⁴ konnte er nicht aufzeigen. Nach Schaeders Rückkehr erfolgte schließlich in Greifswald – wie er es bereits in seinem Brief an Schlatter angekündigt hatte⁹⁵– am 23. Februar 1891 seine Promotion zum Lizentiaten der Theologie und am 26. Februar 1891 seine Habilitation.⁹⁶ Bereits ab dem Sommersemester 1891 war Schaeder dann an der Theologischen Fakultät der königlichen Universität zu Greifswald als Privatdozent tätig und dürfte neben den dogmatischen Übungen, die er auf Wunsch Cremers übernahm,⁹⁷ neutestamentliche Vorlesungen – im ersten Semester wohl über die beiden Thessalonicherbriefe,⁹⁸ in den folgenden Semestern dann über die Apostelgeschichte, das Vaterunser, die Lehre des Apostels Johannes sowie über neutestamentliche Theologie – gehalten haben.⁹⁹ Wohl in der Mitte des Sommersemesters 1891 musste Schaeder allerdings, wie Cremer in einem Schreiben dem königlichen Kurator der Universität Greifswald mitteilte, seine Vorlesungen aufgrund „eine[r] schwere[n] psychische[n] Erkrankung“ abbrechen und sich zur Behandlung eines Arztes nach Bad Boll begeben.¹⁰⁰ Ein acht Jahre später an Schlatter gerichteter Brief Schaeders enthält nähere  AaO., .  AaO.,  ff. .  AaO.,  f.  LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ).  Chronik Greifswald (/), . .  UA Greifswald, Antragsentwurf Cremers, . .  (Theol. Fak. ).  LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ). Aus terminlichen Gründen war es wohl nicht mehr möglich, die Vorlesung im Vorlesungsverzeichnis anzukündigen.  So zumindest die Ankündigungen in den Vorlesungsverzeichnissen.Vgl. Vorlesungsverzeichnis Greifswald (WS / – WS /).  UA Greifswald, Schreiben Cremers, . .  (Theol. Fak. ). Demnach begab sich Schaeder zur Behandlung eines Arztes nach Stuttgart. Mit dieser Ortsangabe sollte vermutlich aber nur dem Ortsunkundigen die Lokalisierung von Schaeders Aufenthaltsort erleichtert werden. Auch Schaeder konnte Briefe, die er in Bad Boll verfaßte, mit der Ortsangabe Stuttgart versehen.Vgl. LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ). Wie dem Gästebuch zu entnehmen ist, traf Schaeder am . September  in Bad Boll ein und dürfte sich dort längere Zeit aufgehalten haben. Vgl. Archiv der Brüdergemeine, Gästebuch.

1.7 Privatdozent in Greifswald

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Hinweise zu seiner damaligen Krankheitszeit. Demnach wurde Schaeder von schwersten Anfechtungen heimgesucht, die ihn an der Arbeit hinderten.V. a. seine als sündig empfundene Vergangenheit erweckte in ihm den Gedanken der ewigen Verlorenheit und stürzte ihn in tiefe Verzweiflung. Sein Freund Wilhelm Lütgert, der ebenfalls von Cremer zur Promotion in Systematischer Theologie aufgefordert worden war und diese im Herbst 1892 erlangen sollte,¹⁰¹ konnte ihm schließlich durch den Hinweis helfen, dass keiner verloren sei, „so lange ihm noch ein Gläubiger für ihn glaubend Gottes Wort sage, denn so lange suche ihn noch Gott“. Anhand dieses Gedankens gelang es ihm, mit seiner Anfechtung fertig zu werden.¹⁰²

1.7 Privatdozent in Greifswald Nach seiner Genesung konnte Schaeder dann zum Wintersemester 1892/93 seine neutestamentlichen Vorlesungen wieder aufnehmen¹⁰³ und wurde, wie Cremer an Althoff in einem Brief mitteilte, außerordentlich gern von den Studenten gehört. Auch Schaeders dogmatische Gesellschaft war mit ihren 26 Teilnehmern ebenso gut besucht wie das Seminar seines Lehrers.¹⁰⁴ Ende 1893¹⁰⁵ gab Schaeder schließlich die erweiterte Fassung seiner Dissertation unter dem Titel „Die Bedeutung des lebendigen Christus für die Rechtfertigung nach Paulus“ als erste theologische Arbeit heraus.¹⁰⁶ Danach scheint sich die Greifswalder Theologische Fakultät, insbesondere Cremer, für Schaeders Verbleiben in Greifswald eingesetzt zu haben: „Es wäre ja für uns nur schön“, so Cremer in einem Brief an den inzwischen nach Berlin

 Schaeder opponierte gemeinsam mit zwei weiteren Theologen bei Lütgerts Verteidigung seiner Lizentiatenthesen am . . . Vgl. Lütgert, Methode. Zu Lütgerts Biographie vgl. Neuer, Wilhelm Lütgert,  ff u. Eber, Wilhelm Lütgert,  ff.  LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ); Hervorhebungen gestrichen.  Die im Vorlesungsverzeichnis angekündigten Vorlesungen über den Galaterbrief (WS / ) und die katholischen Briefe (SS ) dürfte Schaeder demnach wohl kaum gehalten haben. Für das Sommersemester  kündigte Schaeder erneut eine Vorlesung über die katholischen Briefe an, die er aber aufgrund seiner Berufung nach Königsberg nicht mehr halten konnte.  Brief Cremers an Althoff, . .  (in: Stupperich, Hermann Cremer, ) u. Chronik Greifswald (/), .  Brief Cremers an Schlatter, . .  (in: Stupperich, Hermann Cremer,  f) und Brief Cremers an Schlatter, . .  (in: Stupperich, Hermann Cremer,  f).  Selbstdarstellung, .

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1 Jugend, Studium und erste Lehrtätigkeit

berufenen Schlatter,¹⁰⁷ „wenn wir Lütgert sowohl wie Schäder hier halten könnten. Aber wir haben ihnen ja nichts zu bieten u. Schäder muß in die Lage kommen, heiraten zu können.“¹⁰⁸ Einen Versuch, Schaeder doch noch in Greifswald halten zu können, unternahm die theologische Fakultät dadurch, dass sie beim zuständigen Minister einen Antrag auf Einrichtung eines Extraordinariats für neutestamentliche und systematische Theologie stellte. In dem von Cremer verfassten Antragsentwurf wurde der Wunsch nach einem Extraordinariat eng mit der Person Schaeders verknüpft: „Nun hat unser Privat-Dozent Lic. theol. E. Schäder sich durch seine mehrjährige Wirksamkeit wie durch seine neuerdings erschienene Schrift über die Bedeutung des lebendigen Christus für die Rechtfertigung nach Paulus als ein Docent bewiesen, wie wir ihn bedürfen. In der genannten Schrift erweist er sich uns als ein Theologe, der mit sicherer Beherrschung der Methode die Wissenschaft zu fördern versteht. Er führt einen Gedanken aus, der in dieser Weise bisher überhaupt noch nicht zur wissenschaftlichen Darstellung gebracht ist […]. Wenn die Darstellung in dieser Schrift an einer gewissen Schwerfälligkeit leidet, so steht es in dieser Hinsicht weitaus anders mit dem Vortrage Schäders in den Vorlesungen. Er hat es verstanden, eine ungewöhnlich große Zahl von Zuhörern um sich zu sammeln, die ihn geradezu mit Begeisterung hören. In diesem Semester liest er vor einer constanten Zuhörerzahl von 50 – 60 Studierenden neutestamentliche Theologie – ein Erfolg, wie ihn wohl selten ein Privat-Dozent aufzuweisen hat. Seine dogmatischen Übungen, die er auf Wunsch des mit unterzeichneten Vertreters der systematischen Theologie von Anfang seiner Dozenten-Thätigkeit an gehalten, erfreuen sich eines großen Zudranges u. Erfolges. Er versteht es mit großer Ruhe u. Klarheit u. ungemeinem pädagogischen Geschick, die jungen Leute in die Methoden dogmatischer Arbeit einzuführen u. sie für dieselbe zu gewinnen.“¹⁰⁹ Durch die Ernennung Schaeders zum außerordentlichen Professor an der Theologischen Fakultät der Universität Königsberg zum Sommersemester 1894 wurde dieser Antrag der Greifswalder Fakultät allerdings dann hinfällig.¹¹⁰

 Für Cremer war der Weggang seines Freundes Schlatter ein schmerzlicher Verlust, unter dem er noch lange litt.Vgl. Neuer, Adolf Schlatter, . Dieser Verlust wird Cremers Wunsch nach dem Verbleiben seiner Schüler Lütgert und Schaeder in Greifswald verstärkt haben. Vgl. auch UA Greifswald, Stellungnahme Schultzes zum Antragsentwurf Cremers, . .  (Theol. Fak. ) und Antragsentwurf Cremers, . .  (Theol. Fak. ).  Brief Cremers an Schlatter, . .  (in: Stupperich, Hermann Cremer,  f).  UA Greifswald, Antragsentwurf Cremers, . .  (Theol. Fak. ).  Unter Bezugnahme auf ihren Antrag wurde der Theologischen Fakultät am . April  die Berufung Schaeders nach Königsberg mitgeteilt. Durch Althoff war Cremer schon früher über die Berufung Schaeders nach Königsberg informiert. Althoff scheint ihn nach seiner Ansicht über

1.8 Der Einfluss Adolf Schlatters

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Im Rückblick auf seine Tätigkeit als Privatdozent schätzte Schaeder später seine damalige neutestamentliche Exegese als eine v. a. von Weiß, Hofmann, Holsten und Schlatter beeinflusste ein. Desweiteren habe er – so sein späteres Urteil – die fünfstündige Vorlesung über neutestamentliche Theologie damals „ohne hinreichende Kenntnis ihrer historischen Untiefen, reichlich definierend gestaltet und mit dogmatischer Absicht durchgeführt“.¹¹¹ Kern seiner Lehrtätigkeit seien aber – nicht nur in Greifswald, sondern auch an den anderen Orten – die systematischen Übungen bzw. das betreffende Seminar gewesen.¹¹²

1.8 Der Einfluss Adolf Schlatters Schaeders Lehrtätigkeit im Bereich der neutestamentlichen Exegese scheint ihn auch noch näher mit Schlatter zusammengeführt zu haben. Schlatter, der Schaeder bereits bei dessen mündlichen Lizentiatenprüfung geprüft und dessen Dissertation begutachtet hatte, lag ebenso wie Cremer viel an der Förderung eines wissenschaftlichen Theologennachwuchses. Auch wenn Schlatter sich – abgesehen von den Schweizer Studenten – um keine Gruppe so intensiv kümmerte wie um den Kreis der zukünftigen Lizentiaten, dürfte Schaeder auch noch als Privatdozent die Hilfe und Betreuung Schlatters erfahren haben.¹¹³ Während Schlatters Greifswalder Wirksamkeit von 1888 – 1893, die Schaeder nur teilweise miterlebte, wuchs zwischen beiden ein Vertrauensverhältnis, das sich in einem über Jahrzehnte andauernden Briefwechsel Ausdruck verschaffte und teilweise seelsorgerliche Dimension annahm.¹¹⁴ Aus seinem Werdegang könne er sich, wie Schaeder später in seiner Selbstdarstellung schrieb, die theologische Persönlichkeit Adolf Schlatters nicht wegdenken. Neben Cremer und Kähler habe sie am stärksten auf ihn gewirkt. Einen großen Eindruck auf Schaeder hinterließ v. a. die 1885 erschienene Arbeit Schlatters „Der Glaube im Neuen Testament“¹¹⁵: „Ein unbeschreiblicher Reichtum an Gesichtspunkten für die Erfassung des Glaubens tat sich hier auf. Wie tief Schaeder und dessen Berufung nach Königsberg gefragt zu haben. Vgl. Brief Althoffs an Cremer, . .  (in: Stupperich, Hermann Cremer,  f).  Selbstdarstellung, .  Ebd.  Vgl. Neuer, Adolf Schlatter, .  Im LKA Stuttgart, Bestand D : Adolf-Schlatter-Archiv, werden unter der Inventar-Nummer   Briefe Erich Schaeders und ein Brief Anna Schaeders an Adolf Schlatter verwahrt.  Schaeder schätzte besonders die erste Auflage. Die späteren Auflagen hätten durch eine gewisse Zerstückelung des Gedankenmaterials, durch häufigere Abgerissenheit der Diktion die Lektüre des Buches schwieriger gestaltet (Selbstdarstellung, ).

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1 Jugend, Studium und erste Lehrtätigkeit

reichte die Begründung und Motivierung des Glaubens, wie weit sein innerer Reichtum an lebendigen Beziehungen, wie vielseitig und doch organisch verbunden stellten sich seine Wirkungen dar! Dies war biblische Theologie von einer überraschenden Kraft der psychologischen Zusammenfassung unter einem maßgebenden Gesichtspunkt, eben dem des Glaubens. […] Ich sah, daß keines der mir bekannten theologischen Systeme auch nur von ferne den Erkenntnisreichtum des Neuen Testaments in bezug auf das, was der Glaube ist, wirkt und wovon er lebt, zum Ausdruck bringt. Keine spätere Schrift Schlatters hat mir geboten, was diese bot, so viel sie auch boten. Und immer blieb mir eine Art eigenen schmerzlichen Eindrucks, daß man die Fülle ihrer Einsichten systematisch nicht annähernd ausschöpfen könne.“¹¹⁶ An die Seite dieser Arbeit traten Schlatters exegetische Schriften, deren praktische Ausrichtung Schaeder nicht hinderten, die zugrunde liegende sprachwissenschaftlich-geschichtliche Forschung zu erkennen: „Hier hatte man pneumatische Exegese vor sich, die nicht geistlich schwärmte, sondern die sich, bis hin zur eigenen Glaubenserfahrung und derjenigen der Gemeinde, gehorsam der gottgeordneten Mittel zu Erfassung des Objekts bediente.“¹¹⁷ Über Schlatters Werk „Das christliche Dogma“ fällte Schaeder ein differenziertes Urteil: Vor der Ideen- und Erkenntnisfülle von Schlatters Dogmatik, vor der in ihr sich aussprechenden Vertrautheit des Verfassers mit den maßgebenden Erträgen der Theologie- und sonstigen Geistesgeschichte stand Schaeder mit einem großen Maß an Bewunderung. Schlatters Dogmatik wende sich dem gesamten Gebiet unserer Wirklichkeit, der Geschichte, aber auch durchaus der Natur zu, um die in ihm oder mit ihm gegebene Offenbarung Gottes zu erfassen: „In der Erkenntnis der Größe Gottes enden alle Gedankenlinien des Buches, alle seine Intentionen und alle sein Schlüsse. Man wird wie in einen Bannkreis auf Gott gerichteter, wirklichkeitsgesättigter Denkarbeit hineingezogen, der den Geist mit starker Eigenart festhält.“¹¹⁸ Auch wenn Schaeder darüber hinaus neben der Naturtheologie insbesondere dem Abschnitt über die Christologie große Bedeutung zumaß, so hatte er gegenüber dem Dogmatiker Schlatter doch einen größeren Vorbehalt als gegenüber dem Schrifttheologen und Historiker. Schaeder vermisste an Schlatters Dogmatik wie auch in dessen Werk „Die philosophische Arbeit seit Cartesius“ eine Auseinandersetzung mit der Erkenntniskritik Kants, die der von Kant aufgewiesenen Problematik der Erkenntnisvorgänge tatsächlich Rechnung trägt. Die durch Kant dargelegten Grenzen und Bedingungen unserer Objekt-

 Selbstdarstellung, .  Ebd.  AaO., .

1.8 Der Einfluss Adolf Schlatters

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Erkenntnis, speziell unserer Gotteserkenntnis, erkenne Schlatter nicht im erforderlichen Maße an. Der „methodische Charakter“ der Dogmatik Schlatters halte den Stoß der Erkenntniskritik Kants nicht aus und weise die Ansprüche des transzendentalen Idealismus an unsere Urteilsbildung zu rasch ab.¹¹⁹ Schaeder konnte deshalb über Schlatters Einfluss auf ihn zusammenfassend feststellen: „So ist mir Schlatter zu einem Führer in die Schrift, in den Beziehungsreichtum des Glaubens, von dem alle wirkliche Theologie lebt, in eine die Enge der bloß geschichtlichen Orientierung überwindende Auffassung der Offenbarung Gottes, in die Erkenntnis, daß alle Theologie, wenn sie denkt, schließlich immer Gott denkt, geworden. Aber methodisch lernte ich andere Wege gehen als er. Der ganze Zug meiner bisherigen theologischen Entwicklung hinderte mich, dem Elemente außerkantischer Spekulation, das in Schlatters Systematik lebt, zuzufallen. Seine Theologie, die so Echtes über den Glauben und so Großes über die Inhalte des Glaubens sagte, schien mir doch, auf ihr Erkenntnisverfahren gesehen, dem Charakter einer Glaubenstheologie nicht voll zu entsprechen.“¹²⁰

 AaO.,  f.  AaO., .

2 Lehrtätigkeit in Königsberg und Göttingen 2.1 Außerordentlicher Professor für Neues Testament in Königsberg Ein Semester nach Schlatters Berufung an die Universität Berlin stand auch für Schaeder ein Wechsel bevor. Er hatte, nachdem er kurz zuvor vom zuständigen Minister zum außerordentlichen Professor an der Theologischen Fakultät der Universität Königsberg ernannt worden war, sein Amt in der ostpreußischen Hafenstadt als Nachfolger des verstorbenen Neutestamentlers Grau zum Sommersemester 1894 anzutreten.¹²¹ Die einjährige Tätigkeit an der kleinen Theologischen Fakultät¹²² scheint – wie ein Brief Cremers an Althoff zeigt – nur bedingt befriedigend gewesen zu sein. Schaeder werde, so Cremer, in Königsberg doch das Leben etwas schwer gemacht. Dorner und Jacobi wollten ihn nicht an die Dogmatik heranlassen.¹²³ Demnach dürfte es Schaeder nur mit Mühe gelungen sein, neben seinen neutestamentlichen Vorlesungen – er las z. B. über die beiden Korintherbriefe – die Zustimmung zu seinen Vorlesungen über die Geschichte der protestantischen Theologie bzw. über das Verhältnis von Glaube und Wissen zu erlangen.¹²⁴ Das durch gegenseitige Freundlichkeit geprägte Verhältnis zu seinen Kollegen scheint aber darunter nicht gelitten zu haben. Eine besonders herzliche Verbindung, die sich in Göttingen fortsetzen sollte, entstand zum damaligen Rektor Prof. Fleischmann und dessen Familie.¹²⁵ In die Zeit seiner kurzen Königsberger Wirksamkeit fiel als bedeutungsvollstes Ereignis Schaeders Heirat mit der aus Groß-Stove in Mecklenburg stammenden Gutsbesitzertochter Anna Sellschopp. Der Kontakt zum Hause Sellschopp war bereits während Schaeders Greifswalder Studienzeit über seinen Freund und Bundesbruder Adolf Sellschopp zustande gekommen. Adolf, der ältere Bruder  UA Greifswald, Ernennung zum a.o. Prof., . .  (Theol. Fak.  bzw. PA ).Vgl. auch ThLBl  (), .  In Sommersemester  zählte die Königsberger Theologische Fakultät nur , die Greifswalder Theologische Fakultät dagegen  Studierende.Vgl. die endgültigen Daten im Amtl. Verzeichnis Königsberg (WS /) und im Amtl. Verzeichnis Greifswald (WS /).  Brief Cremers an Althoff, . .  (in: Stupperich, Hermann Cremer,  f).  Vgl. Vorlesungsverzeichnis Königsberg (WS  – SS ). Die für das Sommersemester  angekündigten Vorlesungen über den Römerbrief und über das Verhältnis von Glaube und Wissen konnte er aufgrund seiner Versetzung nach Göttingen nicht mehr halten.  Erinnerungsbuch, . Prof. Fleischmann war o. Prof. für Landwirtschaft und Agrikulturchemie und gehörte in Königsberg der Philosophischen Fakultät an. Ab dem Wintersemester / wird Prof. Fleischmann im Personalverzeichnis der Universität Göttingen geführt. Vgl. Amtl. Verzeichnis Göttingen (WS /) und Erinnerungsbuch, . DOI 10.1515/9783110490916-003

2.2 Außerordentlicher Professor für Neues Testament in Göttingen

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Annas, hatte desöfteren seine Greifswalder Freunde, darunter auch Schaeder, zu einem Besuch mit auf das elterliche Gut gebracht, wodurch Schaeder und seine zukünftige Frau sich näherkamen. Nach 6 Jahren verlobten sie sich am 12. Dezember 1892 und konnten schließlich am 10. August 1894 heiraten.¹²⁶ Das Wintersemester 1894/95 verbrachte Schaeder – nun gemeinsam mit seiner Frau – noch in Königsberg, ehe er im März 1895 den Ruf als außerordentlicher Professor an die Georg-August-Universität Göttingen erhielt.¹²⁷ Nach einem herzlichen Abschied von Königsberg traf er mit seiner Frau zum Sommersemester 1895 in Göttingen ein.¹²⁸

2.2 Außerordentlicher Professor für Neues Testament in Göttingen An der etwas größeren Theologischen Fakultät in Göttingen,¹²⁹ der von 1864– 1889 Albrecht Ritschl angehört hatte, lag der Schwerpunkt seiner vierjährigen Tätigkeit, wie zuvor auch in Königsberg, im Bereich des Neuen Testaments. Er hielt Vorlesungen z. B. über die Korintherbriefe, das Matthäusevangelium, die Johannesbriefe, den Jakobusbrief, das Johannesevangelium, die synoptischen Evangelien sowie neutestamentliche Theologie und hatte darüber hinaus die Leitung der neutestamentlichen Übungen inne.¹³⁰ In verstärktem Maße konnte er sich jedoch auch systematischen Vorlesungen widmen. Im Sommersemester 1896 las er zum ersten Mal Dogmatik I und schrieb darüber gegen Ende des Semesters an Schlatter: „Zum ersten Male habe ich den Versuch mit Dogmatik gemacht. Der äußere Erfolg ist nicht schlecht, aber das innere Gelingen macht mir manchesmal Pein, besonders war das in der Behandlung der Prinzipienfragen der Fall. Am Schlusse des Semesters werde ich mich dann doch freuen, daß der erste Entwurf der Arbeit vorliegt und daß ich ihn mit Gottes Hülfe später gründlich verbessern kann. Aber

 Erinnerungsbuch,  f und  ff.  AEvSM Kiel, Ausschnitt aus Kieler Neueste Nachrichten, . .  und Akademisches Deutschland, . Anders ThLBl  (), : Demnach soll Schaeder nach Greifswald zurückberufen worden sein. Diese Fehlinformation könnte damit zusammenhängen, dass Luthard, der Herausgeber des ThLBl, sich eine Berufung Cremers nach Leipzig wünschte. Cremer brachte in diesem Zusammenhang u. a. Schaeder als sein möglicher Nachfolger in Greifswald ins Spiel. Cremer lehnte jedoch schließlich den Ruf nach Leipzig ab. Vgl. Brief Cremers an Schlatter, . .  (in: Stupperich, Hermann Cremer, ).  Erinnerungsbuch,  f.  Während Schaeders Wirksamkeit zählte die Theologische Fakultät zwischen  und  Studenten. Vgl. Studentenzahlen Göttingen, .  Vgl. Vorlesungsverzeichnis Göttingen (SS  – WS /)

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2 Lehrtätigkeit in Königsberg und Göttingen

etwas von dem, was Schleiermacher einmal an Kosegarten schreibt: bei der ersten Ausarbeitung der Dogmatik steht man vor einem Abgrund, erfahre ich auch.“¹³¹ Für die folgenden Semester kündigte er dann Vorlesungen über Dogmatik II, über Ethik und über die Darstellung und Beurteilung der dogmatischen Systeme von Lipsius, Ritschl und Frank an.¹³² Schaeders systematische Veranstaltungen scheinen dabei sehr gerne gehört worden zu sein. So zählte z. B. das einstündige „Sonnabend-Kolleg“ über die Darstellung und Beurteilung der dogmatischen Systeme von Lipsius, Ritschl und Frank mehr als 100 Zuhörer.¹³³ Über Schaeders Verhältnis zu seinen Göttinger Kollegen lässt sich nur schwer etwas ausmachen. In Göttingen lehrten damals u. a. Julius Wellhausen,¹³⁴ August Wiesinger, Karl Knoke, Paul Tschackert, Nathanael Bonwentsch, Rudolf Smend, Alfred Rahlfs und Wilhelm Bousset. Das Verhältnis zum praktischen Theologen Knoke, der Schaeder dazu drängte, immer noch mehr zu übernehmen,¹³⁵ aber auch zum neutestamentlichen Ordinarius Schürer scheint eher gespannt gewesen zu sein. Dabei dürfte Schürers vernichtende Rezension zu Schlatters 1893 erschienenen Studie „Zur Topographie und Geschichte Palästinas“, die Schlatter tief verletzt hatte, eine Rolle gespielt haben.¹³⁶ Mit dem Kirchenhistoriker Bonwentsch dagegen fühlte sich Schaeder eng verbunden. Unter der Führung von Bonwentsch schlugen Schaeder und sein Freund Lütgert im Juni 1896 eine Tagung „positiver“ Theologen vor, die zum ersten Mal¹³⁷ Ende September desselben Jahres in Eisenach stattfinden sollte: „Wir dachten, daß es für uns positive Docenten von rechtem Werthe wäre, wenn wir uns einmal gründlich aussprechen und über wichtige Fragen der gegenwärtigen theologischen und kirchlichen Lage verhandeln könnten. In den Ritschlschen Kreisen hat man in der Begegnung der Freunde der christlichen Welt eine solche wünschenswerthe Zusammenkunft. […] Wir Göttinger – Prof. Bonwentsch und ich – dachten uns die Sache so, daß es sich zunächst gar nicht etwa um eine officielle Konferenz der positiven Docenten überhaupt handeln sollte, sondern um eine Zusammenkunft solcher, die bereits in irgendwelchen persönlichen Bezie LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ).  Vgl. Vorlesungsverzeichnis Göttingen (WS / – WS /)  Erinnerungsbuch, .  Wellhausen gehörte wie auch Smend dem Lehrkörper der Philosophischen Fakultät an. Ihre Veranstaltungen sind jedoch unter denen der Theologischen Fakultät verzeichnet.  Erinnerungsbuch,  f.  Neuer, Adolf Schlatter,  ff. Vgl. Schlatter, Entstehung,  f. Schaeder bezeichnet Schürers Buchbesprechung als eine „plumpe Recension“. Vgl. LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. )  In den folgenden Jahren fanden weitere Treffen statt, so z. B.  in Wernigerode,  in Weimar und  in Goslar. Vgl. Anm. .

2.2 Außerordentlicher Professor für Neues Testament in Göttingen

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hungen zu einander stehen. […] Vielleicht ergäbe sich doch daraus eine energischere Zusammenfassung und Einheit der theologischen Arbeit innerhalb der positiven Kreise und nicht zum wenigsten ein gegenseitiges Vertrauen. Wir sitzen hier so sehr isoliert und würden es als eine Wohlthat empfinden, wenn wir uns in einer Begegnung mit den anderen Herren befestigen und klären könnten.“¹³⁸ Die Initiatoren¹³⁹ verschickten dabei Einladungen an Adolf Schlatter, Hermann Cremer und dessen Sohn Ernst, Martin Kähler, Samuel Oettli, Reinhold Seeberg, Friedrich Bosse, Victor Schultze, Johannes Haußleiter und Otto Voigt.¹⁴⁰ Im Herbst trafen sich die Gesinnungsfreunde dann in Eisenach. Auf diesem Treffen wurde u. a. die Gründung einer Zeitschrift vorgeschlagen, welche „die Anhänger einer biblischen Theologie vereinigen“ sollte.¹⁴¹ Bereits schon Jahre zuvor hatten Wilhelm Lütgert, Erich Schaeder und Ernst Cremer gegenüber Hermann Cremer und Adolf Schlatter den Wunsch geäußert, eine Zeitschrift zu gründen, und insbesondere Adolf Schlatter um die Ausführung des Planes gebeten. Verschiedene Faktoren – u. a. die Existenz der „Neuen Jahrbücher für Deutsche Theologie“ – hatten diesen Plan jedoch in den Hintergrund treten lassen.¹⁴² Wenn man auch auf der Eisenacher Tagung noch keine endgültige Entscheidung zugunsten einer neuen Zeitschrift zu fällen vermochte, so konnte doch dort der Plan konkretisiert und ein vorläufiger Konsens erzielt werden.¹⁴³ Erst nach Schlatters Rücksprache mit Cremer und dessen Zusage, zusammen mit Schlatter die Redaktion zu übernehmen, entschlossen beide sich zur Gründung der Zeitschrift.¹⁴⁴ Die inhaltliche Zielsetzung der neuen Zeitschrift fand dabei auch in der Namensgebung des neuen Organs seinen Niederschlag: „Beiträge zur Förderung christlicher Theologie“. Die in diesem Namen zum Ausdruck gebrachte Konzeption erläuterte Schlatter später Wort für Wort in einer autobiographischen Skizze, die deutlich machte, wie eng das Programm der „Beiträge“ mit der theologischen Arbeit Schlatters verbunden war.¹⁴⁵ Im Blick auf das im Titel verwendete Attribut „christlich“, das bei Schaeder wegen seines polemischen Potentials Bedenken

 LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ).  Neben Bonwentsch, Lütgert und Schaeder beteiligte sich auch Lezius, Privatdozent in Greifswald, an der Einladeaktion. Vgl. LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ).  Ebd.  Cremer, Hermann Cremer, . Vgl. auch Neuer, Adolf Schlatter, .  Vgl. Brief Cremers an Seeberg, Dez.  (in: Stupperich, Hermann Cremer,  f).  Neuer, Adolf Schlatter, .  Schlatter, Entstehung, . Zum damit verbundenen Konflikt mit Erich Seeberg vgl. Neuer, Adolf Schlatter,  f sowie LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ).  Schlatter, Entstehung,  ff und Mildenberger, Geschichte, .

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2 Lehrtätigkeit in Königsberg und Göttingen

erregt¹⁴⁶ und schon im Vorwort zum ersten Heft eine Erläuterung veranlasst hatte, konnte Schlatter dann 1920 formulieren: „Indem wir sagten, die Theologie, der die Hefte dienten, solle christlich sein, nannten wir die Grenze, bis zu der wir die Gemeinschaft ausdehnten. Wir hoben sie dadurch mit bewußter Entschlossenheit über alle bestehenden Parteibildungen empor. Der Titel sagte aller theologischen Schul- und Sektenbildung den Kampf an. Gleichzeitig stellte er fest, daß wir die Wissenschaft nicht als das Mittel benutzen, um das Christentum zu überwinden. Er wies also auf einen Kampf mit doppelter Front hin, da er den restaurierenden Konfessionalismus ablehnte und sich zugleich einer angeblich neutralen, in Wahrheit aber immer polemischen Religionswissenschaft widersetzte, die das Christentum durch den Nachweis der historischen und psychischen Kausalzusammenhänge, durch die es wird, überwältigen will. Wo der Widerspruch gegen Jesus und die Schrift zum bestimmenden Motiv der wissenschaftlichen Arbeit wird, das sollte für uns die Gemeinschaft enden. Wir dachten aber dabei nicht einzig oder an erster Stelle an die Polemik, die von uns geleistet werden müsse, sondern wendeten die kritische Kraft unseres Titels zuerst gegen uns selbst.“¹⁴⁷ Schlatter war es dann auch, der mit 33 Beiträgen allein innerhalb der ersten 25 Jahre die Hauptarbeit leistete. Darüber hinaus bestimmte die sogenannte „Greifswalder Schule“ – Hermann Cremer sowie die beiden Initiatoren Lütgert und Schaeder, dann aber auch Kögel – durch ihre gedruckten Vorträge, Aufsätze und kleinere Monographien die inhaltliche Ausrichtung der Zeitschrift in hohem Maße.¹⁴⁸ Bereits im Dezember 1896 und Juli 1897 kündigte Schaeder bei Schlatter einen zur Veröffentlichung in den „Beiträgen“ bestimmten Aufsatz an, konnte dies aber aus verschiedenen Gründen nicht einhalten.¹⁴⁹ Erst 1905 sollte unter dem Titel „Die Christologie der Bekenntnisse“ seine erste von insgesamt 12 Veröffentlichungen in der Zeitschrift erscheinen. Die lange Zeitspanne bis zum ersten Beitrag für die Zeitschrift deckt sich mit einer – abgesehen von wenigen kleineren Veröffentlichungen¹⁵⁰ – mehr als zehnjährigen Publikationspause, welche Schaeder seinen Angaben zufolge nach dem Erscheinen seiner Dissertation im Jahr 1893 eingelegt haben will: „Der entscheidende Grund für diese Zurückhaltung, neben welcher der Übergang von Greifswald nach Königsberg, von dort nach Göttingen, von Göttingen nach Kiel

 LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ).  Schlatter, Entstehung,  f.  Neuer, Adolf Schlatter, .  Vgl. LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . . /. . /. .  (Nr. ).  Z. B. ein Aufsatz für die Festschrift zu Cremers -jährigem Professorenjubiläum, eine Rezension zu Schlatters „Der Glaube im NT“ und ein Artikel für die Realenzyklopädie.

2.2 Außerordentlicher Professor für Neues Testament in Göttingen

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und mit diesen Veränderungen der Eintritt in die systematisch-theologische Lehrtätigkeit herging, war doch wohl die Empfindung, daß ich mich noch nicht zu einer Theologie, die ich mit einigem Recht mein eigen nennen konnte, durchgearbeitet hatte.“¹⁵¹ Trotz dieser Begründung scheint Schaeder während seiner Göttinger Zeit den Druck, ein größeres Werk zu veröffentlichen, deutlich gespürt und darunter gelitten zu haben. In einem Brief Cremers an Geheimrat Elster, dem Vertreter und späteren Nachfolger Althoffs, kommt die Wichtigkeit einer größeren Publikation für Schaeders zukünftigen beruflichen Werdegang deutlich zum Ausdruck. Im Blick auf die Neubesetzung der Schlatterschen Professur in Berlin schrieb Cremer: „Sonst aber erlaube ich mir, auf Prof. Schäder in Göttingen hinzuweisen, der die allerbeste Gabe hat, in ruhiger Hingabe den jungen Leuten nahe zu kommen mit vollem Verständnis für die Gegebenheiten ihnen ein begehrter und sicherer Führer zu sein, der sich tatsächlich vollständig bewährt hat. Er würde der Berliner Aufgabe völlig gewachsen sein. Leider hat er bis jetzt zur Begründung (?) seiner Lehraufgabe noch nichts weiter als sein erstes Buch geschrieben, so daß er nicht gut als Ordinarius berufen werden könnte, wo doch, wie mir scheint, das Ordinariat Bedingung ist für die gedeihliche Erfüllung der besonderen Aufgabe, die es zu lösen gilt.“¹⁵² Abgesehen von kleineren Verpflichtungen, wie z. B. ein Referat über das Thema „Heilsgewißheit“ auf der Eisenacher Konferenz christlicher Studenten im August 1898, musste Schaeder deshalb auf Anfragen zunehmend eine ablehnende Antwort erteilen. An Schlatter, der ihn zur Mitarbeit beim ersten Ferienkurs in Bethel eingeladen hatte,¹⁵³ schrieb Schaeder: „Mit Ihnen und Cremer thäte ich liebend gerne mit; eine solche gemeinschaftliche Arbeit, gerade dort in Bielefeld

 Selbstdarstellung, .  Brief Cremers an Elster, . .  (in: Stupperich, Hermann Cremer,  – ).  Bereits Anfang September  hatte Schaeder Bodelschwingh kennengelernt. Im Anschluss an ein Treffen mit Gesinnungsfreunden in Wernigerode war er mit Nathusius, Lütgert, Schlatter und Feine durch die geliebte Oberharzer Landschaft zum Luftkurort Braunlage gewandert, wo Friedrich von Bodelschwingh zusammen mit seiner Familie gerade seine Ferien verbrachte. Zum Gottesdienst trafen sie in Braunlage ein und verbrachten den Nachmittag mit Bodelschwingh und seiner Familie. Am nächsten Morgen nahmen alle, bis auf Schlatter, von Bodelschwingh Abschied. Schlatter und Bodelschwingh fassten dort auch den Plan, im August  in Bethel mit dem ersten Ferienkurs zu beginnen. Vgl. Bodelschwingh, Friedrich von Bodelschwingh,  ff und Gerhardt/Adam, Bodelschwingh,  ff. Für Bodelschwingh dürfte Schaeder auch vor dieser Begegnung in Braunlage kein Unbekannter gewesen sein, da Bodelschwinghs Söhne in Greifswald studiert hatten. Möglicherweise waren sich Schaeder und Bodelschwingh auch schon während eines akademischen Missionsfestes im Winter  begegnet, bei dem Bodelschwingh auf Einladung seiner Söhne hin teilgenommen und die Predigt gehalten hatte. Vgl. Bodelschwingh, Friedrich von Bodelschwingh,  f.

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2 Lehrtätigkeit in Königsberg und Göttingen

würde mir eine Freude und Ehre sein. Aber ich kann nicht; es fehlt mir an Zeit. Ich fühle, und meine Bekannten sagen es mir, daß ich bald mit einer literarischen Arbeit hervortreten muß und daß diese dann keine eng begrenzte sein darf. Bisher ist es der Vorlesungen, der Dogmatik und anderer Dinge wegen nicht gegangen.“¹⁵⁴ Auch von Paul Althaus, der zum Wintersemester 1897/98 als außerordentlicher Professor für Systematische und Praktische Theologie nach Göttingen gekommen war, konnte Schaeder keine Zusage mitteilen: „[W]ir stecken immer noch etwas in den akademischen Kinderschuhen. Eine so freie Entfaltung, wie ich sie mir wünsche, ein wirklich freies Verfügen über meine Zeit ist mir jetzt noch nicht möglich. Aber bitte, geben Sie uns deshalb nicht auf.“¹⁵⁵ Mit dem gleichaltrigen Althaus, von dem Schaeder schon beim ersten Zusammentreffen „den anziehendsten Eindruck“¹⁵⁶ hatte, verband ihn, wie er Schlatter berichten konnte, bald eine herzliche Freundschaft: „So einen Kollegen an Ort und Stelle zu haben, mit dem man alles besprechen kann, ist ein wirkliches Gottesgeschenk. Wir haben unsere bestimmten, regelmäßigen Zusammenkünfte nach Art der Greifswalder kleinen Fakultät, in denen wir, um Lütgerts Ausdruck zu gebrauchen, ‚über die Welt und das menschliche Herz‘ sprechen. Dogmatische Hauptfragen, Professuren-Besetzung und was es sonst noch Gutes und Böses giebt, alles gehen wir miteinander durch.“¹⁵⁷ Spätestens am Ende seiner Göttinger Zeit dürfte Schaeder auch noch Rudolf Otto kennengelernt haben. Otto, der vom Wintersemester 1895/96 bis zum Sommersemester 1897 das Inspektorenamt am Theologischen Stift innegehabt hatte,¹⁵⁸ lehrte als Privatdozent ab dem Wintersemester 1898/1899 in Göttingen Systematische und Historische Theologie¹⁵⁹ und war dann auch derjenige, der fast zwei Jahrzehnte später der Theologischen Fakultät Breslau Schaeder als seinen Nachfolger vorschlagen sollte.¹⁶⁰

 LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ).  Ebd. Eine große Belastung stellte es für Schaeder dar, die großen Vorlesungen von Tag zu Tag auszuarbeiten. Er arbeitete dabei öfters bis in die frühen Morgenstunden. Vgl. Erinnerungsbuch,  f.  LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ).  LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ).  So zumindest die Angaben im Amtlichen Verzeichnis des Personals und der Studierenden der Universität Göttingen. Vgl. Amtl. Verzeichnis Göttingen (WS / – SS ).  Vgl. Amtl. Verzeichnis Göttingen (WS /) sowie Corpus Academicum,  und Catalogus, . Dagegen: Ratschow, Otto, , der dessen Privatdozentenzeit erst  beginnen lässt. Dies dürfte damit zusammenhängen, dass Otto aufgrund des bei seiner Ernennung zum Privatdozenten bereits verstrichenen Redaktionsschlusses für das Wintersemester / erst zum Sommersemester  im Vorlesungsverzeichnis geführt werden konnte.  Steinbeck, Prinzipienlehre, .

2.2 Außerordentlicher Professor für Neues Testament in Göttingen

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Neben seinen Lehrverpflichtungen und Vorträgen engagierte Schaeder sich im Göttinger Wingolf ¹⁶¹ und machte sich – gebunden an Tholucks Beispiel – den persönlichen Umgang mit den Studenten zur Aufgabe. Zahlreiche Studenten fanden sich zu persönlichen Gesprächen in Schaeders Arbeitszimmer ein.¹⁶² Jeden Freitag nahmen darüber hinaus Studenten an der Mittagsmahlzeit im Hause Schaeder teil oder waren zum warmen Abendessen mit wissenschaftlicher Aussprache geladen.¹⁶³ Die tiefe freundschaftliche Verbundenheit mit Lütgert – dieser war inzwischen außerordentlicher Professor für Neues Testament in Greifswald¹⁶⁴ – fand in zahlreichen Besuchen und im Patenamt für Hans Heinrich, dem ersten der beiden in Göttingen dem Ehepaar Schaeder geschenkten Söhne, seinen Ausdruck. Durch Lütgerts Hochzeit mit Martha Sellschopp, der Schwester Anna Schaeders, erhielt die innige freundschaftliche Verbundenheit im Jahr 1898 zusätzlich noch verwandtschaftlichen Charakter.¹⁶⁵

 Im Sommersemester  wurde ein „Erbauungskränzchen“ zu Beginn und Schluss des Semesters durch Konventsbeschluss wieder eingeführt. Das erste „Erbauungskränzchen“ hielt Schaeder. In demselben Semester wurde dem „Wingolfsphilister“ Professor Schaeder auch das „Göttinger Band“ überreicht. Vgl. Semesterbericht des Göttinger Wingolf (SS ),  f.  Erinnerungsbuch, .  AaO., . Zum Mittagessen kam ein oder zwei, zum Abendessen drei bis vier Studenten.  Zum Wintersemester / wurde Lütgert in Greifswald vom Privatdozenten zum Extraordinarius für Neues Testament ernannt. Er bot aber wie Schaeder seinerzeit auch dogmatische Übungen und Proseminare an. Vgl. Vorlesungsverzeichnis Greifswald (SS  – WS /) sowie Neuer, Wilhelm Lütgert, .  LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . . /. .  (Nr. ) und Erinnerungsbuch,  f.

3 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Kiel 3.1 Die Fakultät Ende 1898 scheint sich dann Schaeders Berufung nach Kiel bereits deutlich abgezeichnet zu haben.¹⁶⁶ In einem kurz vor dem Umzug nach Kiel an Schlatter gerichteten Brief nahm Schaeder dann auf die bevorstehenden Verhältnisse in Kiel Bezug: „Hat auch die Hälfte der Fakultät mich nicht gewollt, so kommen mir doch Klostermann und Mühlau, wie aus ihren Briefen deutlich hervorgeht, mit aufrichtig-herzlichen Gesinnungen entgegen. Mit beiden wird es, wie ich hoffe, ein wirkliches Zusammenarbeiten geben. Titius hat mir eine Zuschrift sehr abweisend erwidert und damit meinen Versuch, ein ordentliches Verhältnis zwischen uns zu begründen, vereitelt. Wir werden nun neben einander hergehen und müssen abwarten,wie uns das gefällt. Ich begreife ja seine Betrübnis über den Gang der Dinge vollkommen, umsomehr noch, als er allerdings in seiner Weise tüchtig und umfassend in Kiel gewirkt zu haben scheint; aber er sollte sie mich nicht entgelten lassen. Nun, Spuren davon, wie wenig man in Docenten-Kreisen mit der Gabe der Selbstverleugnung ausgestattet ist und wirtschaftet, kann man ja auch sonst treffen. Von Herzen dankbar würde ich sein, wenn es mir vergönnt wäre, mit der holsteinischen Geistlichkeit, die zum größeren Theil positiv ist, Fühlung zu gewinnen. […] Ich könnte es mir so schön denken, wenn ich wenigstens mit einer kleinen, aber festen Zahl von Studenten und mit Kreisen der Landeskirche eine Gemeinschaft des Vertrauens und der Arbeit gewänne.“¹⁶⁷ Demnach scheint der Wechsel zum Sommersemester 1899 Schaeder in eine schwierige fakultätspolitische Situation geführt zu haben, die durch ungeschicktes Vorgehen des Kultusministers Bosse beim Besetzungsverfahren verschärft worden war.¹⁶⁸ Dem Alttestamentler Klostermann und dem Neutestamentler Mühlau, die sich beide für die Berufung Schaeders als Nachfolger des am 21.12.1898 verstorbenen Professors für Systematische Theologie Friedrich Nitzsch  Vgl. Brief Althoffs an Cremer, . .  (in: Stupperich, Hermann Cremer,  f).  LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ).  Wie Julius Kaftan in einem Brief seinem Bruder Theodor, dem Generalsuperintendenten von Schleswig, mitteilte, hatte der Kultusminister – um eine bei der Berufung von Titius drohende „Revolution in der schleswig-holsteinischen Kirche“ zu verhindern – die Ernennung Schaeders bereits beschlossen, ehe er den Vertreter der Schaeder ablehnenden Professorengruppe zu einer Audienz empfing. Die Auswirkungen dieser gegen „jede gute Sitte“ verstoßenden Handlungsweise des Ministers dürfte Schaeder in Kiel deutlich zu spüren bekommen haben. Siehe: Brief J. Kaftans an Th. Kaftan, . . /. .  (in: Göbell, Kirche, Recht und Theologie  –  u.  – ). DOI 10.1515/9783110490916-004

3.1 Die Fakultät

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eingesetzt hatten, standen der Kirchengeschichtler von Schubert und der praktische Theologe Baumgarten mit ihrem Wunsch, den langjährigen außerordentlichen Professor Titius als Nachfolger zu ernennen, entgegen. Baumgarten, der Schaeder aus seiner Hallenser Zeit zwar persönlich durchaus schätzte, sich aber theologisch weit von ihm geschieden wusste, und von Schubert scheinen dabei die Studenten zum Boykott der angeblich rückständigen Veranstaltungen Schaeders aufgefordert und Unterschriften für den allein als wissenschaftlich angesehenen und von den Studenten gewünschten außerordentlichen Professor Titius gesammelt zu haben.¹⁶⁹ So kam es, dass Schaeder, der in Göttingen an große Hörerzahlen gewöhnt war – sein einstündiges „Sonnabend-Kolleg“ zählte z. B. über 100 Zuhörer – in Kiel mit seiner ohnehin geringen Anzahl an Theologiestudenten¹⁷⁰ vor fast leeren Bänken las.¹⁷¹ Trotz des beschwerlichen Beginns seines Ordinariats konnte Schaeder, wie er Schlatter nach den ersten Wochen des Semesters mitteilte, der neuen Situation auch etwas Positives abgewinnen: „Die Verhältnisse, in die ich hier gekommen bin, sind klein. So gering sind mir die Zahlen der Hörer in den Vorlesungen noch nicht gewesen. Ich bin aber dankbar für die Art, wie einem diese wenigen entgegenkommen, daß sie Vertrauen haben, daß sie etwas von einem wollen. In der Richtung erlebe ich mehr als ich in Göttingen erlebt habe. Und dazu giebt es allerhand erfreuliche Berührungen mit Männern der Landeskirche.“¹⁷²

 Erinnerungsbuch,  f. Auch Nitzsch hatte sich stets den jungen Extraordinarius Titius als Nachfolger gewünscht. Baumgarten schätzte Schaeder zwar „als einen wirklich frommen, innerlich genötigten Vertreter einer streng biblischen Orthodoxie“ betonte aber zugleich: „[I]ch konnte ihn aber um seine [sic!] Gebundenheit an die Dogmen von der Gottheit und Auferstehung Christi willen als einen Genossen in der Heranbildung von Predigern des Evangeliums an unsere Zeitgenossen nicht ansehen. Und doch ist der praktische Theologe darauf angewiesen, auf dem Grunde aufzubauen, den der Neutestamentler und der Dogmatiker gelegt haben. Wir konnten aus Gehorsam gegen unsere Überzeugung nur gegen einander arbeiten, damit die von uns zu bildenden zukünftigen Geistlichen nicht sei es in eine ‚dogmatische Engigkeit‘ sei es in eine ‚uferlose Weite‘ hineingeführt wurden, die wir für unbedingt schädlich hielten. Jedenfalls war die Zusammensetzung der Fakultät nun unorganisch und lähmend für ein fröhliches Schaffen.“ Siehe: Baumgarten, Lebensgeschichte,  f. Vgl. auch Bassi, Baumgarten,  f.  Im Sommersemester waren an der Königlichen Universität zu Kiel  Studenten immatrikuliert, wovon  der Theologischen Fakultät angehörten. In den darauffolgenden sechs Jahren zählte die Theologische Fakultät zwischen  (SS ) und  (WS /) Studierende. Vgl. Amtl. Verzeichnis Kiel (WS / – SS ).  Im Sommersemester  und Wintersemester / besuchten z. B. nur  Teilnehmer sein systematisches Seminar. Vgl. Chronik Kiel (/), .  LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ).

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3 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Kiel

Ohne Schwierigkeiten scheint Schaeder zuvor auch die Ehrendoktorwürde verliehen bekommen zu haben.¹⁷³ Um ein stimmberechtigtes Vollmitglied zu werden, musste damals nach preußischem Brauch ein neuberufenes Fakultätsmitglied im Laufe der folgenden zwei Jahre nach der Berufung den theologischen Doktortitel erhalten haben. Meist verlieh die Theologische Fakultät, bei der der akademische Grad des Lizentiaten erworben worden war, deshalb die Ehrendoktorwürde.¹⁷⁴ Schaeder wurde die Ehrendoktorwürde, verliehen durch die Theologische Fakultät Greifswald, gleich zu Beginn seines ersten Semesters in Kiel zuteil.¹⁷⁵ Neben einem Seminar über neuere Vorstellungen der Versöhnungslehre las Schaeder in seinem ersten Semester Dogmatik I und konnte darüber Schlatter, den er zugleich zur alljährlichen Theologenkonferenz einladen wollte,¹⁷⁶ mitteilen: „Es geht für mich nun vorwiegend in die Dogmatik hinein. Ich arbeite sie nun zum zweiten Male aus. Daß ich in den Principienfragen, vor allem in den erkenntnistheoretischen, zu befriedigender Klarheit gelangt bin, kann ich nicht sagen. An der Stelle sitzen mir jetzt die Probleme, und in der Richtung werde ich weiter zu kommen suchen. Ich arbeite mich mit dem Gedanken herum, daß es noch eine andere Vergewisserung der Wahrheit Gottes geben müsse, als nur die moralischgewissensmäßige – aber ich komme vorläufig zu keiner deutlichen Erkenntnis.“¹⁷⁷

3.2 Längere Krankheitszeit Wegen einer schweren psychischen Erkrankung im Wintersemester 1899/1900, dem zweiten Semester in Kiel, musste Schaeder dann in der Weihnachtszeit seine Lehrtätigkeit für mehrere Semester unterbrechen. Er wurde wie bereits vor acht Jahren von so schweren Anfechtungen und einer so starken Angst heimgesucht, dass er nicht zu arbeiten vermochte.¹⁷⁸ Hatte ihm vor acht Jahren Lütgert noch mit dem Hinweis helfen können, dass Gott den Menschen solange suche wie ein Gläubiger ihm Gottes Wort sage, so hatten seine Erfahrungen gezeigt, dass damit

 Zu Schwierigkeiten bei der Verleihung der Ehrendoktorwürde vgl. Stupperich, Hermann Cremer,  f und Neuer, Adolf Schlatter,  ff.  Stupperich, Hermann Cremer, .  Das genaue Datum ist der . oder . Mai . Vgl. Professoren und Dozenten,  bzw. Akademisches Deutschland, .  Im Herbst  fand die Theologentagung in Goslar statt.Vgl. LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . . /. .  (Nr. ).  LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ).  Vgl. oben S.  ff.

3.2 Längere Krankheitszeit

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Anfechtungen unterdrückt, nicht aber sündige Taten überwunden werden konnten. „Nun brach mir“, so Schaeder in einem Brief an Schlatter, „gegen Weihnachten alles zusammen. Ich sagte mir, Gottes Wort komme durch Gläubige auch an Verlorene. Dies sei keine Bürgschaft der Gnade Gottes. Letztere habe man nur,wenn man an das Wort Gottes Glauben fassen könne resp.wenn man trotz aller Schwachheit der Sünde gegenüber doch immer einmal wieder über sie siege. Aber glauben konnte ich nicht u. kann es bis heute nicht. Und Kraft zur Buße, d. h. zur Abkehr von der Sünde, habe ich nicht. Ich habe auch den Eindruck, daß ich während der 8 Jahre nicht wahrhaft geglaubt habe.“¹⁷⁹ Auch ein Vergleich seines Zustandes mit der Heiligen Schrift und mit Schlatters Kommentaren brachte keine Besserung: „Da sind mir die Stellen Joh 3 u. Hebr 12 von der Sünde zum Tode und von der Unerreichbarkeit der Buße für Esau besonders in die Seele gedrungen. Ist denn das nicht Sünde zum Tode, wenn ich verzweifle, wenn ich keine Fähigkeit zum Glauben und zur Buße habe? Und geht es mir nicht wie Esau: ich möchte wohl noch glauben und Gott finden können, aber ich finde ihn nicht und fühle nur bestimmt den inneren Tod?“¹⁸⁰ Die schweren seelischen Anfechtungen in Form der Glaubenszweifel standen dabei, wie ein Brief Anna Schaeders an Schlatter zeigt, im Zusammenhang mit einer großen Überanstrengung im vorangehenden Semester, welche durch die ungewohnte Seeluft und einen sehr heißen Sommer verstärkt worden war. Ein bald zu Rate gezogener Facharzt verordnete absolute Bettruhe, die zwar zur körperlichen Erstarkung führte, Schaeders Anfechtungen aber nicht beseitigen konnte.¹⁸¹ Immer wieder brachen auch Schlafstörungen und Angstzustände durch, die eine längere Ruhepause nötig machten.¹⁸² Dass Professor Titius in dieser Zeit gebeten werden musste, Schaeders Vorlesungen zu übernehmen, scheint eine zusätzliche Belastung gewesen zu sein.¹⁸³ Erst nach längeren Besuchen bei Verwandten und Freunden sowie einem Kuraufenthalt im Harz war Schaeder soweit genesen, dass er zum Sommersemester 1902 seine Lehrtätigkeit in Kiel wieder aufnehmen konnte.¹⁸⁴ Im Blick auf Schaeders angegriffene körperliche und seelische Verfassung scheinen sich demnach verschiedene Faktoren, teils psychosomatischer, teils geistlicher Natur, getroffen zu haben. Mit einer gewissen Prädisposition für depressive Störungen dürften Erschöpfungszustände, die meistens den Auslöser

     

LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ). Ebd. LKA Stuttgart, Brief Anna Schaeders an Schlatter, o. Datum (Nr. ). Erinnerungsbuch, . . AaO., . AaO.,  ff.

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3 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Kiel

darstellten, und geistliche Anfechtungserfahrungen zusammengewirkt haben. Dadurch kam es zu Symptomen wie Motivationsverlust, Schlafstörungen und Angstzuständen, die eine Unterbrechung von Schaeders Lehrtätigkeit erzwangen. Ähnlich wie auch bei Martin Luther standen bei Schaeders geistlichen Anfechtungen die Gnade Christi und die Barmherzigkeit Gottes auf dem Spiel.¹⁸⁵ Schaeder wurde gewahr, dass ihm sein Sünder-Sein – er erlebte dies an bestimmten sündigen Taten – „trotz aller Anstrengungen und Glaubensversuche“ unverändert anhaftete und ihn von der Zusage Gottes wegriß. Diese Erfahrung des Ungenügens stellte, da er sich dadurch dem „definitiven Zorn“ Gottes anheimgefallen sah, für Schaeder den Glauben selbst infrage und rief tiefe Schreckensängste hervor: Das Zerbrechen der Gottesgemeinschaft, die Scheidung von Gott, der ewige Tod als ewige Gottesferne drohten.¹⁸⁶ Die Anfechtungen waren demnach für Schaeder weniger Phänomene intellektuellen und theoretischen Erwägens, sondern gehörten vielmehr als geistliche Erfahrungen in den Bereich der Lebenserfahrung des Glaubens. Sie entstanden aus der engen Verbindung von Glauben und Leben: Die väterliche Güte Gottes, von der der christliche Glaube überzeugt ist und lebt, wurde durch die Erfahrung des Ungenügens und durch die Sündenerfahrung unwahrscheinlich gemacht.¹⁸⁷ Seine eigene Schwachheit, die sich immer wieder verhängnisvoll bemerkbar machen sollte, ließ ihn dabei in besonderer Weise für die Nöte anderer Menschen sensibel werden.¹⁸⁸ Schaeder beschränkte sich deshalb nicht darauf, seinen Zuhörern ein reiches theologisches Fachwissen zu vermitteln, „sondern war ihnen gerade in ihren persönlichen Zweifeln und Sorgen, Freuden und Nöten zugänglich“.¹⁸⁹ Etlichen Studenten wurde er so zum „väterlichen Freund“ und „Beichtvater“, den man „auch im Alter nicht missen mochte“.¹⁹⁰ Auch über den universitären Bereich hinaus leistete er „manchen Mühseligen und Beladenen Wegweiserdienste zum zeitlichen und ewigen Glück“.¹⁹¹

 Zu Luthers Anfechtungserfahrungen vgl. z. B. Lohse, Luther,  ff und Luthers Theologie,  f.  ff sowie Beintker, Anfechtung,  ff. Luthers Gedanken über die Anfechtung sind so ausführlich, dass man bei ihm geradezu von einer Theologie der Anfechtung sprechen kann. Vgl. Trillhaas, Dogmatik, .  LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ).  Vgl. Ratschow, Anfechtung, .  Zänker, Theologieprofessor,  ff.  Lohmeyer, Zum Gedächtnis (Dt. Pfarrerblatt), .  Zänker, Theologieprofessor,  u. Schwarz, D. Erich Schaeder,  f. Vgl. auch Müller, Beichtvater,  f.  AEvSM Kiel, Kieler Sonntagsblatt, . . .

3.3 Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit

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3.3 Wiederaufnahme der Lehrtätigkeit Nach der Wiederaufnahme seiner Lehrtätigkeit zum Sommersemester 1902 konnte er sich zunehmend etablieren.Vor allem nach der Versetzung von Professor Titius zum Wintersemester 1906/07 nach Göttingen kam es zu einem deutlichen Anstieg der Studentenzahlen in Schaeders Seminarveranstaltungen.¹⁹² So scheint unter den Studierenden z. B. das Seminar über die Lektüre und Besprechung der Lutherischen Bekenntnisschriften sehr beliebt gewesen zu sein. Diese Lehrveranstaltung, welche Schaeder im Laufe seiner Kieler Wirksamkeit insgesamt fünfmal anbot, erreichte im Sommersemester 1914 mit 43 Studenten ihren Höchststand.¹⁹³ Auch die mehrmals in Kiel abgehaltenen Seminare über die Lehre von der Versöhnung, die Lehre von der Heiligen Schrift, die Person Christi sowie über die Hauptprobleme der Religionspsychologie waren wie die nur einmal durchgeführten Seminarveranstaltungen z. B. über die Bedeutung des Apostolischen Glaubensbekenntnisses, über die christliche Gottesidee im Rahmen der allgemeinen Religionsgeschichte oder über das Thema „Orthodoxie, Pietismus und Gemeinschaftswesen in ihrem Verhältnis zum Christentum“ gut besucht.¹⁹⁴ Neben seinen regelmäßig wiederkehrenden Vorlesungen Dogmatik I/II und Ethik las er über Themen wie „Das Wesen der christlichen Religion“, „Jesus und Paulus“, „Der Einfluß der Philosophie auf die Theologie seit der Reformation bis zu Gegenwart“ und „Dogmatische Hauptfragen“. Den Studenten aller Fakultäten widmete er

 Vgl. Professoren und Dozenten, . Zum Wintersemester / wurde auch Professor v. Schubert nach Heidelberg berufen. Vgl. Chronik Kiel (/), . Waren die Mehrheitsverhältnisse an der Theologischen Fakultät seit  nicht mehr, wie Baumgarten es sich wünschte, eindeutig theologisch kritisch geprägt, sondern lediglich ausgewogen, so setzte in den folgenden Jahren eine Gewichtsverlagerung zugunsten der positiven Seite ein, die Baumgartens Wunsch, Kiel zu verlassen, verstärkt haben dürfte. Eine deutliche Zäsur stellte dabei das Jahr  dar. Den Wechsel seines Freundes v. Schubert nach Heidelberg empfand Baumgarten für sein amtliches wie persönliches Leben als einen schweren Verlust. Dass auch Titius, Baumgartens sozial- und kirchenpolitischer Mitstreiter der ersten Kieler Jahre, sich nach Göttingen begab, schmälerte den liberalen Einfluss an der Kieler Theologischen Fakultät deutlich. Indem er bei den in den folgenden Jahren anfälligen Besetzungen sich u. a. für die Berufung von Bousset, Gunkel und Weinel aussprach, bemühte er sich, den liberalen Einfluss wieder zu vergrößern. Diese Bemühung blieb, wie z. B. die Berufungen von Leipoldt, Sellin und A. Seeberg zeigen, erfolglos. Bei den Besetzungen dürfte die Rücksichtnahme auf die schleswig-holsteinischen kirchlichen Belange eine Rolle gespielt haben. Insbesondere Baumgartens öffentliches Wirken war, wie z. B. die Petitionen der Pastoralkonferenz deutlich zeigen, stark umstritten.Vgl. Bassi, Baumgarten  ff und Baumgarten, Lebensgeschichte,  ff. Zu Baumgartens Wirken in der Öffentlichkeit vgl. z. B. auch Bassi, Baumgarten,  ff.  ff.  Vgl. Chronik Kiel (/), .  Vgl. Vorlesungsverzeichnis Kiel (SS  – WS /) und Chronik Kiel (/ ff ).

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3 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Kiel

darüber hinaus wiederholt Vorlesungen z. B. über das Wesen des Christentums, die sittlichen Anschauungen der Gegenwart, die Wahrheit des Christentums und die Religionen der Erde sowie über die geistigen Strömungen des 19. Jahrhunderts. Zusätzlich zu Seminaren und Vorlesungen bot Schaeder immer wieder „Konversatorien“ an. Darin konnten dann z. B. dogmatische Hauptfragen, der Unterschied zwischen lutherischer und reformierter Frömmigkeit, die wichtigsten Weltanschauungsformen der Gegenwart, Schleiermachers Theologie oder die Hauptfragen der Religionsphilosophie erörtert und einzelne Werke von Herrmann, Schlatter oder Troeltsch besprochen werden.¹⁹⁵

3.4 Dekan und Rektor 1903 wurde Schaeder erstmals – wie später auch 1908 und 1913 – das Dekanat der Fakultät übertragen, was ebenso wie die Mitgliedschaft in der Prüfungskommission für die erste theologische Prüfung zur zunehmenden Etablierung beitrug.¹⁹⁶ Der Höhepunkt seiner Kieler Wirksamkeit dürfte dann allerdings die Übernahme des Rektorats der Universität für das Verwaltungsjahr 1909/1910 dargestellt haben.¹⁹⁷ Bereits im November 1908 war Schaeder überraschenderweise – man hatte wohl mit Professor Mühlau gerechnet – zum zukünftigen Rektor der Universität gewählt worden.¹⁹⁸ Mit seiner Rede „Theologie und Geschichte“ trat Schaeder, der für seine bewusste christliche Haltung unter den Studenten bekannt war, dann am 5. März 1909 das ein Jahr dauernde Rektorat an.¹⁹⁹ Auch wenn einige dazu spöttelnd bemerkten, dass man nun die Universität schwarz anstreichen und jeden Morgen mit

 Vgl. Vorlesungsverzeichnis Kiel (SS  – WS /).  Vgl. Amtl. Verzeichnis Kiel (WS / – WS /) und Vorlesungsverzeichnis Kiel (WS / – WS /). Desweiteren übernahm Schaeder nach der Versetzung von Prof. Leipoldt im Sommer  das Dekanat bis zum . Januar .Vgl. Amtl. Verzeichnis Kiel (WS /) und Chronik Kiel (/). Daran schloss sich nach dem Tode von Prof. Klostermann am . .  die Leitung der Theologischen Fakultät als Prodekan bis zum . Januar  an. Vgl. Amtl. Verzeichnis Kiel (WS / – WS /). Schaeder hatte also vom . Januar  mit einer etwas mehr als halbjährigen Unterbrechung fast drei Jahre lang die Leitung der Fakultät inne. Dies hing freilich auch mit der angespannten Personalsituation aufgrund des Ersten Weltkrieges zusammen. Im Sommersemester  begann die Mitgliedschaft in der Prüfungskommission für die erste theologische Prüfung.  Vgl. Amtl. Verzeichnis Kiel (SS  – WS /), Chronik Kiel (/) und Vorlesungsverzeichnis Kiel (SS  – WS /). Das Verwaltungsjahr / dauerte vom . März  – . März . Vgl. auch AEvSM Kiel, Kieler Neueste Nachrichten, . . .  Erinnerungsbuch,  und AEvSM Kiel, Kieler Neueste Nachrichten, . . .  Die Rektoratsrede wurde veröffentlicht: Theologie und Geschichte,  ff.

3.5 Frühes literarisches Schaffen

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einem Choral beginnen wolle, konnte Schaeder durch sein Geschick für die Amtsgeschäfte und insbesondere für den Umgang mit Menschen und Instanzen sich das Vertrauen der Studenten erwerben.²⁰⁰ In Schaeders Amtsjahr fiel als äußeres, für die Universität bedeutsames Ereignis die Grundsteinlegung des Studentenhauses Seeburg, welche am 14. Mai 1909 unter Anwesenheit des Prinzen Heinrich von Preußen und unter Beteiligung der Spitzen der Behörden nach einer vorhergehenden feierlichen Sitzung in der Aula auf dem Baugrundstück unter freiem Himmel stattfand.²⁰¹ Die Kunsthalle konnte schließlich am 15. November 1909 durch eine mit dem schleswig-holsteinischen Kunstverein gemeinschaftlich veranstaltete Feier eingeweiht werden.²⁰² Neben zahlreichen gesellschaftlichen Anlässen brachte das Rektorenamt für Schaeder auch mancherlei repräsentative Aufgaben außerhalb Kiels – etwa bei der 500-Jahrfeier der Universität Leipzig – mit sich.²⁰³

3.5 Frühes literarisches Schaffen Nicht nur aufgrund seines neuen Amtes, sondern auch in literarischer Hinsicht stellte das Jahr 1909 einen Höhepunkt seiner Wirksamkeit dar. Waren nach seiner mehr als zehnjährigen Publikationspause ab 1903 vermehrt Vorträge und Vorlesungen u. a. in den „Beiträgen zur Förderung christlicher Theologie“ erschienen, so trat er 1909 in Form des ersten Bandes seiner „Theozentrischen Theologie“ mit einer größeren Monographie an die Öffentlichkeit. Die seit 1903 herausgegebenen kleineren Arbeiten trugen dabei, so Schaeders spätere Bewertung, noch nicht „den vollen Stempel des Eigenen“: „Ich beteiligte mich, noch stark unter der Einwirkung der Theologie Cremers, an der durch Harnacks bekannte Vorlesungen hervorgerufenen Erörterung über das Wesen des Christentums.Was ich in der kleinen Schrift: Über das Wesen des Christentums und seine modernen Darstellungen 1904, in bezug auf Harnacks Auffassung ablehnend und bejahend bemerkte, würde ich auch heute noch sagen, was in bezug auf R. Seebergs Grundwahrheiten der christlichen Religion ablehnend, in beträchtlichem Umfange nicht mehr.“²⁰⁴ Auch seine Abhandlung über die Christologie der Bekenntnisse und die moderne

 Erinnerungsbuch, .  Chronik Kiel (/). Bei den Feierlichkeiten hielt Schaeder eine Ansprache über das Thema „Modernes Studententum“. Vgl. Modernes Studententum,  ff. Zur „Seeburg“ und deren Funktion vergleiche die Rede des nachfolgenden Rektors zur Einweihungsfeier : Martius, Seeburg,  ff.  Chronik Kiel (/).  Erinnerungsbuch,  ff. Die Feierlichkeiten der -Jahrfeier der Universität Leipzig schildert eindrücklich Bindig, Erlebtes Leben,  ff.  Selbstdarstellung,  f.

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3 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Kiel

Theologie, mit der sich Schaeder nach seinen Angaben zur „kenotische[n] Christologie“ hinwandte, sah er später als überwundenen Versuch an. Stärker stand Schaeder nach fast zwei Jahrzehnten zu seiner Arbeit über Schriftglaube und Heilsgewissheit. Auch wenn diese Abhandlung noch eine gewisse Abhängigkeit von Kähler aufwies, so zeigte sich doch in ihr die durchdringende, führende Bedeutung, welche das Geistproblem in der Beurteilung von Glaube, Heilsgewissheit und Schrift für Schaeder gewann. Dass es sich – zumindest weit gefaßt – bei der Heilsgewissheit oder beim heilsgewissen Glauben nicht nur um die Gewissheit der Sündenvergebung handle, sondern auch um die Gewissheit, nicht mehr sündigen zu müssen, schien ihm auch später noch eine unaufgebbare Position im Glaubensverständnis darzustellen.²⁰⁵ Schaeder bewertete freilich diese Veröffentlichungen, denen mancherlei Aufsätze und praktisch-kirchliche Arbeiten an die Seite traten,²⁰⁶ im Rückblick nur als Auftakte.

3.6 Die Herausbildung der eigenen theologischen Position Die Ausformung einer eigenen theologischen Position sah Schaeder dann v. a. in engem Zusammenhang mit den kirchenpolitischen Verhältnissen in SchleswigHolstein. Drei theologische Gruppen rangen nach Schaeders Angaben damals um die maßgebende Geltung in der Kirche: Den Vertretern einer Gemeindeorthodoxie, welche dem Bekenntnis zur Verbalinspiration der Schrift sowie „zur altprotestantischen Bearbeitung des Lutherischen Dogma“ eine große Bedeutung beimaßen und sich an der theologischen Arbeit des 19. bzw. beginnenden 20. Jahrhunderts desinteressiert zeigten, stand ein von dem Kieler Praktologen Otto Baumgarten geführter Kreis gegenüber. Baumgarten vertrat mit starker theoretischer Anlehnung an Troeltsch „ausgesprochen propagandistisch und missionierend“ die Gesichtspunkte eines religionswissenschaftlich orientierten Neuprotestantismus. Beide Gruppierungen, die Gemeindeorthodoxie und „der aufklärerische, evolutionistische Neuprotestantismus“, hatten im schleswiger Generalsuperintendenten Theodor

 AaO. .  Z. B. „Kirche und Gegenwart“, „Der moderne Mensch und die Kirche“; „Christenstand und kirchliche Lehre“, „Das Evangelium Jesu und das Evangelium von Jesus“, „Der Jünger Christi und der moderne Mensch“. Hierzu gab es auch Stellungnahme in der Fachwelt, z. B.: Cremer, Rezension; Jordan, Rezension; Amelung, Rezension.

3.6 Die Herausbildung der eigenen theologischen Position

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Kaftan, dem Führer der dritten Gruppe und Vertreter einer „modernen Theologie des alten Glaubens“, ihren Gegner.²⁰⁷ Schaeders Beurteilung der drei Gruppierungen fiel unterschiedlich aus: „Mit jenem im strengeren Sinne des Wortes theologielosen Luthertum war ich rasch fertig. Der evangelische Glaubensbegriff trennte mich von ihm, aber gar nicht von dem, was an lebendigem Christusgeiste in seinen Bekennern lebte. Die Auseinandersetzung mit der großen Erscheinung der religionswissenschaftlichen Theologie nahm, sofern sie das Prinzipielle, aber auch das Einzelne der theologischen Fragestellung betraf, Jahre in Anspruch. Ich erkannte, daß ihr Gottes- und Christusbegriff, ihre Auffassung von der Sünde und geschichtlicher Entwicklung, ihre Deutung von Geist und geschichtlicher Offenbarung mich von ihr schieden.“²⁰⁸ Gegenüber Kaftans Schrift „Moderne Theologie des alten Glaubens“ hatte Schaeder längere Zeit Vorbehalte, da er in ihr bei allem Bemühen lutherisch-reformatorisches Gedankengut zum Ausdruck zu bringen, doch einen, wenn auch begrenzten Einfluss Ritschls und eine gewisse Uneinheitlichkeit zu erkennen glaubte. Neben der von Schaeder bewunderten dialektischen Kraft hinterließ diese wie auch andere Schriften dennoch vor allem an einem Punkt einen tiefen Eindruck:²⁰⁹ „Es zeigte sich, was ich weder an Cremer, noch an Kaehler oder Frank gelernt hatte, daß Kant der große Schicksalsmann der Theologie des 19. und 20. Jahrhunderts sei. Es zeigte sich, daß eine grundsätzliche Auseinandersetzung der Theologie des Glaubens, nicht des Glaubens selber, mit der Philosophie Kants zu den ernsthaftesten theologischen Anliegen gehören müsse. Th. Kaftan zeigte das vermöge der gedrungenen Systematik, die in seinem Buche lebte, eindruckvoller noch als die großen Arbeiten Ritschls. Für den Hinweis auf diese Notwendigkeit werde ich Kaftan immer dankbar sein, für andere, inhaltlich-systematische Anregungen aber auch. Indes der Philosoph des Protestantismus oder der protestantischen Theologie wurde mir Kant trotz des negativ und positiv Kritischen, das ich ihm für meine Arbeit entnahm und nicht wieder aufgab, nicht.“²¹⁰ Auch wenn Schaeder in Aufsätzen gegen Kaftans kleine Schrift „Der Mensch Jesus Christus, der einige Mittler zwischen Gott und den Menschen“ – wie

 Selbstdarstellung,  f. Vgl. auch Göbell, Kirche, Recht und Theologie,  ff; Kaftan, Moderne Theologie,  ff und Stahlberg, Seelsorge,  ff. Zum Bruch zwischen Kaftan und Baumgarten vgl. Bassi, Baumgarten,  ff.  Selbstdarstellung, .  AaO.,  f.  AaO., . Unter dem Titel „Kant, der Philosoph des Protestantismus“ hatte Julius Kaftan, der Bruder Theodors,  einen Vortrag veröffentlicht. Darauf dürfte Schaeder anspielen. Nach Theodor Kaftan geht das „feine Wort […] von Kant als dem Philosophen des Protestantismus“ ursprünglich auf Friedrich Paulsen zurück. Siehe: Kaftan, Moderne Theologie, .

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3 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Kiel

er sich später eingestand – übertrieben Stellung bezog,²¹¹ so blieb dennoch trotz der eigenständigen theologischen Positionen ein wissenschaftliches Zusammenarbeiten mit Kaftan erhalten, was sich in der Form gemeinsam veranstalteter Konferenzen Ausdruck verschaffte.²¹² Im Blick auf die Herausbildung einer eigenen theologischen Position konnte Schaeder deshalb zusammenfassend festhalten: „In dieser Umgebung, von diesen Kontrasten umzogen, in der Mitte meiner Mannesjahre erwuchsen mir die entscheidenden Züge einer eigenen Theologie, die doch nichts eigenes im Sinne einer natürlich-menschlichen Zutat zum Glauben, sondern ein aus dem Glaubensbewußtsein der Gemeinde erwachsenes Eigenes zum Dienst an der Gemeinde oder Kirche sein wollte.“²¹³

3.7 Theozentrische Theologie Literarisch verschaffte sich diese in den kirchenpolitischen Verhältnissen Schleswig-Holsteins herangereifte eigenständige Position v. a. in Schaeders Hauptwerk „Theozentrische Theologie“ Ausdruck. In dieser Arbeit, deren beide Bände 1909 und 1914 erschienen, erhob er gegen die gesamte von Schleiermacher hervorgerufene und beeinflusste Theologie des 19. und 20. Jahrhunderts den Vorwurf, „in verkehrter Weise anthropozentrisch“ zu sein.²¹⁴ Im ersten Band spürte er diesen „anthropozentrischen Zuge“ in der dogmatischen Theologie seit Schleiermacher über die Erlanger Bewusstseinstheologie, den Biblizismus Cremers und Kählers, der Theologie Ritschls und seiner Schüler bis hin zur religionswissenschaftlichen Theologie auf. Auch wenn Schaeder später v. a. bei der ersten Auflage seines Buches das eine oder andere übersteigerte Urteil einräumte,

 Schaeder sah in Kaftans Schrift die Gottheit bzw. die Gottessohnschaft Jesu Christi gefährdet. Vgl. Brief Th. Kaftans an J. Kaftan, . . /. . /. .  (in: Göbell, Kirche, Recht und Theologie,  – .  f) und Kaftan, Erlebnisse und Beobachtungen,  ff. Außerdem: SHLbg. K.– u. Schulbl.  (),  – .  – .  – .  – .  – .  f.  Selbstdarstellung, . Schaeder und Kaftan riefen ein „theologische Arbeitsgemeinschaft“ ins Leben, die der theologischen Fortbildung dienen sollte. Dieses Treffen wurde zweitägig im Frühjahr und Herbst abgehalten und in der Regel von ca.  Teilnehmern besucht. Vgl. Kaftan, Erlebnisse und Beobachtungen,  f sowie Brief Th. Kaftans an J. Kaftan, . .  (in: Göbell, Kirche, Recht und Theologie,  – ). Darüber hinaus wollten Schaeder und Kaftan gemeinsam mit Mordhorst und Feddersen „das tun, was bisher nur die Liberalen getan haben, öffentliche Vorträge im Wirtshaussaal mit Diskussion halten“. Siehe: Brief Th. Kaftans an J. Kaftan, . .  (in: Göbell, Kirche, Recht und Theologie,  ff).  Selbstdarstellung, .  Theozentrische Theologie  (), .

3.7 Theozentrische Theologie

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so schmälerte dies nach seinen Aussagen dessen Durchsetzungskraft nicht. Am stärksten dürfte sich dabei seine Kritik an Schleiermacher und Ritschl Geltung verschafft haben.²¹⁵ Schleiermacher war es nach Schaeder gewesen, der „eine Auflösung der Glaubenstheologie in eine anthropozentrische Glaubens- und Religionspsychologie“ heraufbeschworen hatte.²¹⁶ Auch wenn Schaeder deshalb eine deutliche Abwendung von Schleiermacher forderte, setzte seine Arbeit in Anlehnung an Schleiermacher beim Glauben ein. Einen solchen Ansatz beim Glauben konnte Schaeder deshalb befürworten, weil er in seiner theologischen Erörterung davon ausging, dass sich der Glaube dem Wirken des majestätischen und liebenden Gottes verdankt²¹⁷: „[R]eflektiert der Theologe auf den Gott des Glaubens, begründet er den Glauben von ihm aus, begreift er von ihm aus den gesamten Inhalt des Glaubens, dann darf man seine Arbeit im Unterschied von der des Religionspsychologen, der es […] immer mit dem Menschen, immer mit dem endlichen Geist, mit seinen Anlagen, Gedanken, Willensregungen in religiöser Richtung zu tun hat, theozentrisch nennen.“²¹⁸ Nicht der Einfluss der calvinistischen Tradition – wie Kattenbusch zu erkennen meinte²¹⁹ – sondern die durch Cremer, Schlatter und auch Lütgert empfangene Prägung bestimmten dabei Schaeders Gedankengang mit: „Von Cremer her wirkte die Betonung des Objektiven am Glauben nach. Ich zog dies Objektive grundsätzlich tief ins Subjektive. Gottes Geist und endlicher Geist traten für mein Auge im Glauben zusammen, dieser durch jenen in souveräner Freiheit ergriffen und schöpferisch gestaltet bzw. erneuert.“²²⁰ In der Konzentration aller theologischen Arbeit auf die Gottesfrage sah Schaeder den entscheidenden Impuls, den er von Schlatter und dann auch durch den Austausch mit seinem Freund Lütgert empfangen hatte. Die unmittelbaren Motive für sein theologisches Verfahren kamen aber weder von Cremer noch von Kähler oder Schlatter, sondern lagen – ebenso wie bei der Herausbildung seines theologischen Profils überhaupt – im kirchenpolitischen Spannungsfeld, welches ihn in Schleswig-Holstein umgab. Gegenüber der Gemeindeorthodoxie, die nach Schaeders Einschätzung im Blick auf den Glauben dazu neigte, an die Stelle des lebendigen Gottes oder des Geistes Gottes das überkommene kirchliche Dogma zu setzen und somit die Wirklichkeit des Glaubens entstellend zu gefährden, sah er es als notwendig an, diese vor den lebendigen Gott, vor seinen

 Selbstdarstellung,  f.  AaO.,  (Hervorhebung hinzugefügt).  Ebd.  AaO., .  Ebd. Vgl. auch Kattenbusch, Deutsche evangelische Theologie,  f und Gutzke, Herausarbeitung, .  Selbstdarstellung,  f.

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Christus sowie vor den bindenden und befreienden Geist geschobenen Wände zu durchstoßen. Das ergab nach Schaeder das Theozentrische.²²¹ Neben der religionswissenschaftlichen Theologie, bei der sich nach Schaeder der Mensch vor den Gott der Majestät und der heiligen Liebe schob, trat als dritter Faktor ein „vulgarisierter Ritschlianismus“²²², den Schaeder in weiten Kreisen der Kirche und in nächster Nähe in den Diskussionen der Seminarveranstaltungen wahrnehmen konnte: „Unfaßbar war die Leichtherzigkeit, in der man mit Gott umging und über Gott dachte. Unfaßbar die Harmlosigkeit, die Flachheit des Glaubens, aus der heraus dies geschah. Und doch beanspruchte man, den Glauben Luthers zu vertreten und das antikatholische Erbe der Reformation zu wahren. Daß ich es kurz sage: Der Gesichtspunkt der Liebe hatte die übrigen Wesenszüge Gottes, wie die Offenbarung sie anschaulich macht und der Glaube sie erfaßt, sozusagen absorbiert. Diese Liebe erschien dabei auf die Zwecke der Menschen gerichtet. In der Verzeihung oder Vergebung der Sünden, in dem vorsehenden Walten zugunsten der Menschen, in den Anweisungen einer leicht ins Humanitäre umzusetzenden Moral stellten sich ihre Äußerungen dar. Ein mehr oder weniger flaches und wie selbstverständliches ‚Für uns‘ bestimmte das Bild Gottes. Er drohte Mittel für unsere Zwecke zu werden. Ein egoistischer Personalismus meldete sich als die gottgemäße Tendenz des Glaubens.“²²³ Diese Gottesvorstellung stand nach Schaeder im Zusammenhang mit einem „modernen“, aller metaphysischwesensmäßigen Verbindung mit Gott beraubten Jesusbild. Mit einer starken Akzentuierung der Majestät Gottes bezog Schaeder gegen diese Fehlentwicklungen, die ihm während seiner Kieler Wirksamkeit begegneten, Stellung: „Dem allen gegenüber hob sich für mein theologisches Denken die Majestät, die schlechthinnige, unentrinnbare, absolut wirksame, geistig-persönliche Macht Gottes über und in aller Wirklichkeit, in die Höhe. Der maßgebende Titel Gottes wurde mir der des Herrn. Niemals ist es meine Meinung gewesen, dieser Seite am Sein und Wirken des lebendigen Gottes theologisch die Absolutheit seiner Liebe und mit ihr den Christus Gottes zu opfern. […] Aber allerdings sollte betont werden, daß das zweifelsfreie ‚Für uns‘ Gottes, welches sich in Christus, in der Vergebung, Rechtfertigung, Erneuerung, Vollendung, kurz in all den Richtungen, von denen der neuere Protestantismus einhellig redete, äußert, schlechterdings nicht jenes fundamentale Gottheitliche an Gott, seine Herrenstellung, seinen Herrenwillen über uns und damit unser ‚Für Gott‘ auflöst und schwächt. Zusammen mit der

 AaO., .  Schaeder bezeichnete damit eine Wirkung, an der Ritschl selber aufgrund der biblischtheologischen und dogmengeschichtlichen Weite seiner Konzeption nicht beteiligt war, die er aber doch nach Schaeders Meinung ermöglicht hatte (Selbstdarstellung,  f).  Selbstdarstellung, .

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Furcht, der restlosen Demut vor ihm als unerläßlichen Bestandteilen der normalen persönlichen Haltung ihm gegenüber betonte ich am Glauben das Moment der unbedingten Hingabe an ihn. […] Mit dem Moment des Vertrauens verband sich das andere der demütigen, furchterfüllten, aus knechtischer Furcht immer wieder zur kindlichen Furcht sich erhebenden Hingabe an Gott. Hier galt kein zeitliches Vorher und Nachher. Er handelte sich um eine Wechselbeziehung von inneren Bewegungen des Glaubens.“²²⁴ In diesem Zusammenhang unterschied sich Schaeder von seinen Lehrern Cremer und Kähler, deren theologische Konzeptionen nach Schaeders Urteil die sündenabwehrende Heiligkeit Gottes, nicht aber seine Machtmajestät hervorhoben. Dabei traten bei ihnen, so Schaeder, die Heiligkeit so eng mit der Liebe und Gnade zusammen, dass sie ein diesen eingeordnetes oder untergeordnetes Moment wurde.²²⁵ Noch stärker als bei Cremer zeigte sich diese Absorption der unergründlichen Machtmajestät Gottes durch die Liebe und Gnade Gottes bei Kähler: „Seine Theologie war im strengen, bewußten Sinne Heilstheologie, Rechtfertigungstheologie. […] Trat sie, ebenso wie die Theologie Cremers, auch Ritschls unter den Titel des Christozentrismus, dann bedeutete dieser die einseitige Herrschaft der Heilskategorie, des Interesses an Seligkeit oder Vollendung der Persönlichkeit.“²²⁶ Demgegenüber bestand Schaeder mit allem Nachdruck auf die „Vorordnung“ der Majestät vor der Liebe Gottes. Niemals – so Schaeders Erläuterung des Begriffes „Vorordnung“ – schiebe die Absolutheit der Liebe die Herrenmajestät Gottes beiseite, sondern habe sie immer als fundamentales Wesensmerkmal Gottes bei sich und mit sich.²²⁷ Auch bei seiner Rede vom Geist Gottes stellte Schaeder dessen Machtseite heraus. Glaube als Wirkung des Geistes Gottes verstand er demzufolge als souveräne Machtäußerung Gottes, der gegenüber sich der Mensch empfangend, passiv verhalte.²²⁸ Diese Einsicht hatte dann aber deutliche Auswirkungen auf Schaeders Stellung zu den Fragen der Erkenntnistheorie: „Jeder Weg der natürlichen Vernunft zu Gott hin war nun prinzipiell ausgeschlossen, mochte der Vernunftgebrauch in der Theologie in Richtungen spielen, in welchen er wollte.

 AaO.,  f.  AaO., .  AaO., .  Von da aus wurde ihm das Gottes- und Glaubensverständnis Calvins bedeutsam. Auch Luthers Gottesauffassung – die paradoxe Verbindung des undurchdringlichen Macht- und des in Christus offenbaren Liebesgottes – erfasste Schaeder in vorher nicht gekannter Weise. Entscheidende Einsichten verdankte Schaeder dabei vor allem den Lutherstudien von K. Holl und E. Hirsch. Vgl. Selbstdarstellung, .  AaO.,  f.

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Dies gab die Verbindung mit Kant. Dies führte auf die Vertretung einer besonderen religiösen Erkenntnistheorie oder einer solchen des Glaubens. Es zeigte sich, daß keine Theologie in irgendeiner Form die Schranke überfliegen kann, derzufolge die Urteile, eben weil sie direkt oder indirekt Gott betreffen, lediglich irrationale Urteile des Glaubens sind. Das aber veranlaßte weiter eine eigenartige Verhältnisbestimmung von Theologie und Naturwissenschaft.“²²⁹ Im zweiten Band seines Buches, der im Unterschied zum ersten, geschichtlichen Teil dann in stärkerem Maße seine eigenen systematischen Ausführungen zum Inhalt hatte, stellte Schaeder den Offenbarungsbegriff oder – wie er es in seinem Buch auch nannte – die Erörterung über Mittel und Art der Erkenntnis Gottes in den Mittelpunkt.²³⁰ Schaeder konnte sein ganzes Buch mit Ausnahme der einführenden und abschließenden Abschnitte geradezu als eine in deutlichen, direkten Gedankenreihen verlaufende Erkenntnistheorie bezeichnen.²³¹ Der Akzent lag demnach auf dem Nachdenken über die Methode der Gotteserkenntnis, weniger auf deren Inhalt. Schaeder sprach sich mit aller Deutlichkeit dagegen aus, die Kulturgeschichte bzw. die Religionsgeschichte „unter Anwendung irgendeines evolutionistischen Schemas schlechtweg als Offenbarung zu stempeln und den Glauben, eben religionsgeschichtlich, zu relativieren“. Daran schlossen sich u. a. die Herausarbeitung des grundsätzlichen Unterschieds zwischen Glaubenstheologie und Glaubenspsychologie, die Auseinandersetzung über das Erleben Gottes, die Frage der religiösen Anlage des natürlichen Menschen sowie Erwägungen über das Mystische des Glaubens an.²³² Nach diesen grundlegenden Ausführungen über das Erleben und Erkennen Gottes griff Schaeder noch die beiden großen Themen Glaube und Natur sowie Glaube und Geschichte auf: „Und dabei legte ich ein besonderes Gewicht auf die Tatsache, daß der geistgewirkte Glaube an der Natur wie an der Geschichte ebenso wohl Tatbestände erfaßt, die mit seiner Gewißheit des machtvoll-majestätischen Gottes organisch und das Bild Gottes erweiternd zusammentreten, wie auch andere, in denen Hemmungen für den Gottesglauben vorliegen, die er doch von seinen gewonnenen Positionen aus kämpfend überwindet.“²³³ Auf diese Ausführungen ließ Schaeder ein zusammenfassendes Bild des Glaubens folgen. Mit einem doppelten Schlussabschnitt, in dem Schaeder die Frage „Kant und die Theologie“ behandelte und Grundlinien

    

AaO., . AaO., . AaO., . AaO.,  f. AaO., .

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einer theozentrischen Theologie entwarf, beendete Schaeder seine zweibändige „Untersuchung zur dogmatischen Prinzipienlehre“.²³⁴ In zahlreichen Besprechungen z. B. durch Stephan, Lobstein, Pachali, Bachmann u. a. erfuhr Schaeders „Theozentrische Theologie“ z.T. scharfe Kritik.²³⁵ Mit seiner 1916 in den „Beiträgen zur Förderung christlicher Theologie“ erschienenen Abhandlung „Streiflichter zum Entwurf einer Theozentrischen Theologie“ versuchte Schaeder deshalb, die Absichten seines Hauptwerkes den kritischen Entwürfen gegenüber klarzustellen und erneut zu begründen. In der Studie „Religion und Vernunft“ wollte Schaeder nochmals z.T. ergänzend zu seinem Hauptwerk über das religiöse Apriori Auskunft geben. Der menschliche Geist, so Schaeders Ausführungen, könne in der Totalität seiner Äußerungen nicht lebendig tätig werden ohne die Wendung zum Absoluten: „[W]enn der Mensch verstandesmäßig erkennend tätig ist, dann denkt er in der Richtung auf ein Absolutes. Ihm strebt er gleichfalls zu, wenn er will und wenn er in der Form des Affektes fühlt oder empfindet. Und hier liegt der vernunftnotwendige Entstehungspunkt der Religi-

 Ebd.  Vgl. Stephan, Theozentrische Theologie; Lobstein, Rezension; Pachali, Schaeder wider Schleiermacher; Bachmann, Rezension ThLBl  ()/ThLBl  ()/ThLBl  (). Nach Lobstein müsste man „ein dickes Buch schreiben, um die Interpretation, die Sch. von den angeführten Texten gibt, richtig zu stellen, um den ‚Nebel von Unklarheit‘ […] zu zerstreuen, den er über die einfachsten Gedanken zu verbreiten gewußt hat“. „[J]ene angebliche Entgleisung im Sinne einer anthropozentrischen Verkleinerung Gottes“ stamme, so Lobstein, nicht erst von Schleiermacher, sondern liege bereits schon „dem religiösen Programm Luthers und Melanchthons zugrunde“. Siehe: Lobstein, Rezension,  f. Theodor Kaftan hielt – wie er vertraulich seinem Bruder mitteilte – das Buch als Ganzes unhaltbar. Angesichts der Arbeitsgemeinschaft mit Schaeder enthielt er sich aber der öffentlichen Kritik. Vgl. Brief Th. Kaftans an J. Kaftan, . .  (in: Göbell, Kirche, Recht und Theologie Bd. ,  – ). Julius Kaftan fand Schaeders Hauptwerk beim Durchblättern nicht der Mühe wert, um es ganz durchzulesen. Glaubenserkenntnis sei, so Kaftan, in ihrer Wurzel immer Gotteserkenntnis und deshalb theozentrisch. Aber wirkliche Gotteserkenntnis erwachse nur im praktischen Lebenszusammenhang. Dies verkenne Schaeder. J. Kaftan konnte deshalb festhalten: „Alles ist Gotteserkenntnis, aber Gotteserkenntnis kommt nur auf diesem ‚subjektiven‘ Weg zustande, selbstverständlich, wir haben keine andere als subjektiv zustandekommende Erkenntnis, so oder anders mit durch das Subjekt bedingte. So rennt Schaeder für mich teils offne Türen ein, teils erscheint er mir als einer, der nicht bis zu Ende gedacht hat“. Siehe: Brief J. Kaftans an Th. Kaftan, . .  (in: Göbell, Kirche, Recht und Theologie,  – ). In ihrem  erschienenen Buch „Der Streit über theozentrische und anthropozentrische Theologie im Hinblick auf die theologische Grundposition Schleiermachers“ untersuchte die Wobbermin-Schülerin Maria Heinsius eingehend die von Schaeder in seinem Hauptwerk aufgewiesene Problemstellung auf deren Wert und Berechtigung. Friedrich Traub, Theologieprofessor und zugleich Ephorus des Stifts in Tübingen, setzte sich ebenfalls  kritisch mit Schaeders Hauptwerk auseinander. Vgl. Traub, Zur Dogmatik,  – .

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on“.²³⁶ Schaeder ging dann aber – freilich unter der Annahme, dass es neben und mit der Welterfahrung auch eine Erfahrung des Absoluten selber gebe – davon aus, „daß der natürliche Zug unserer Vernunft zum Absoluten oder das religiöse Vernunftapriori durch die Erfahrung des Absoluten selber in voller Energie aktualisiert wird. Und eben indem das der Fall ist, wird dies Apriori für uns in das volle Licht der Wirklichkeit gerückt oder voll erkennbar“.²³⁷ Ohne die „Selbstoffenbarung oder Selbsterschließung“ Gottes komme es zu einer „widersinnigen Religion“, in der endliche Größen in den Rang des Absoluten erhoben werden.²³⁸

3.8 Vortragstätigkeit, gesellschaftliche Aufgaben und Familie Ein nicht geringes Maß an Zeit und Kraft während seiner Kieler Wirksamkeit widmete Schaeder der Vortragstätigkeit vor den verschiedensten religiös und theologisch interessierten Kreisen im In- und Ausland. Zahlreiche Vorträge, die er von 1906 – 1911 u. a. in Hamburg, Berlin, Bremen und von 1911– 1913 auch im Auftrage des baltischen St. Johannis-Vereins für Innere Mission in den größeren Städten der russischen Ostseeprovinzen abhielt, fanden in den 1911 und 1913 erschienenen Sammelbänden „Religiös-sittliche Gegenwartsfragen“ und „Aus Theologie und Leben“ ihren literarischen Niederschlag. Diese Vorträge über wichtige Fragen, insbesondere Gegenwartsfragen der Dogmatik, Ethik, der kirchlichen und allgemeingeistigen Lage erwuchsen dabei, auch wenn sie nicht ausgesprochen fachwissenschaftlichen Charakter trugen, doch „streng und strikt“ aus Schaeders wissenschaftlich-theologischer Arbeit.²³⁹ Damit begründete Schaeder zum einen deren  Religion und Vernunft, . Als kurze Rezension zu diesem Werk vgl. Lauerer, Rezension.  AaO., .  AaO., .  Selbstdarstellung,  f. Vgl. Theologie und Leben, III f. u. Religiös-sittliche Gegenwartsfragen, III f.Vgl. auch Grützmacher, Rezension ThLBl  () sowie Rezension ThLBl  (). Dass Schaeder bei seiner Vortragstätigkeit z.T. auch Kritik zu spüren bekam, zeigt ein Vortrag, den er  auf dem ersten Kongress des Allgemeinen positiven Verbandes in Berlin hielt. Auf diesem Kongress, der vom .–. April im großen Saal des Krollhauses tagte, sprach Schaeder über das Thema „Wirkliches Christentum“. Im Anschluss daran erhob sich, wie einem Bericht in der Allgemeinen Evangelisch-Lutherischen Kirchenzeitung zu entnehmen ist, „der den Freunden unbekannte Pastor Lorenz und richtete an D. Schaeder folgende Fragen: . Ob er die jungfräuliche Geburt zu den unaufgebbaren Daten wirklichen Christentums rechne; . ob er die Persönlichkeit des Heiligen Geist dazu rechne; . ob ihm der alte Inspirationsgedanke noch feststehe. Der Moment war in der Tat ‚peinlich‘. An einen Mann von der Stellung und dem Ansehen Schaeders wurden hier inquisitorische Fragen gestellt, so wie es bei einem Gerichtshof zu geschehen pflegt.“ Als Antwort verwies Schaeder „den Frager kurz auf seine Schriften, in denen er über alle diese Fragen schon Auskunft gegeben habe. Speziell zu der Frage der Menschwerdung Christi bemerkte

3.8 Vortragstätigkeit, gesellschaftliche Aufgaben und Familie

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Veröffentlichung. „Sodann aber erschien es mir wertvoll, über die Grenzen der Zunft hinaus mit einer großen Zahl fragender Christen und eventuell auch Nichtchristen in einem belebten Gedankenaustausch zu stehen, der das, was ihnen und mir wichtig war, grundsätzlich zu klären suchte. Dienst an der Wissenschaft ist dies rechtverstanden auch.“²⁴⁰ Eher fachwissenschaftlichen Charakter trugen dagegen die auf den „Theologischen Lehrerkonferenzen“ in Mölln gehaltenen Vorträge und Vorlesungen,²⁴¹ seine Mitarbeit bei theologischen Ferienkursen in Braunschweig, Dresden, Straßburg und Bethel,²⁴² die Durchführung eines religionsgeschichtlichen Kursus in Herford²⁴³ sowie sein Beitrag auf der Tagung der „Bayerischen theologischen Arbeitsgemeinschaft“ in Nürnberg.²⁴⁴ Sein Engagement für die christliche

er, daß unser Christenglaube es primär mit der Auferstehung des Herrn zu tun habe, sekundär mit seinem Eintritt in die Welt.“ In Bezug auf die Begriffe „primär“ bzw. „sekundär“ erklärte das „Protestantenblatt“ dann: „Da habe man ja den Liberalismus mitten im Lager der Positiven!“. Siehe: AELKZ  (),  f (Hervorhebung hinzugefügt). Vgl. auch Brief J. Kaftans an Th. Kaftan, . .  (in: Göbell, Kirche, Recht und Theologie,  – ).  Selbstdarstellung, .  Vgl. Erinnerungsbuch,  f sowie Schaeders Veröffentlichungen „Über das Wesen des Christentums und seine modernen Darstellungen“; „Die Christologie der Bekenntnisse und die moderne Theologie“ und „Das Evangelium Jesu und das Evangelium von Jesus“. An Cremer schrieb er : „Ich kann nicht sagen und brauche es Ihnen eigentlich nicht zu sagen, daß der konfessionelle spiritus loci in Mölln, so wie er sich gibt, nicht ganz mein Fall ist. Aber ich gehe dorthin, weil es mir notwendig zu sein scheint, mit der positiven Landesgeistlichkeit Fühlung zu suchen. Eine sehr erfreuliche Erscheinung war mir der Lerneifer einer Reihe jüngerer Geistlicher. Sie paßten tüchtig auf, diskutierten und erklärten, daß sie aus den Vorträgen mancherlei Anregungen mit nach Hause nähmen.“ Siehe: Brief Schaeders an Cremer, . .  (in: Stupperich, Hermann Cremer,  f).  Auf der Braunschweiger Tagung hielt er einen Vortrag über „Der moderne Mensch und die Kirche“, der in den BFChTh , () veröffentlicht wurde. In Dresden äußerte er sich in drei Vorlesungen zur Trinitätsfrage. Diese Vorlesungen erschienen  und in einer zweiten überarbeiteten Auflage  unter dem Titel „Zur Trinitätsfrage“. In einem Brief an Schlatter drückte Schaeder seine Freude auf ein Wiedersehen mit Schlatter auf den Ferienkursen in Straßburg und Bethel aus, die im Herbst  stattfinden sollten.Vgl. LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ). Möglicherweise konnten diese Veranstaltungen aufgrund des beginnenden Weltkrieges nicht mehr durchgeführt werden. In Bethel fand zumindest von  an fünf Jahre lang keine Theologische Woche mehr statt. Vgl. Jäger, Theologische Woche, . Während seiner Kieler Zeit dürfte Schaeder aber trotzdem, wenn auch nicht , als Referent bei den Theologischen Wochen in Bethel tätig gewesen sein. Vgl. Bodelschwingh, Friedrich von Bodelschwingh,  u. Neuer, Adolf Schlatter, .  AFSt Halle, Brief Schaeders an Kähler, . .  (Kähler ).  Vgl. seinen in der NKZ  (),  ff erschienenen Vortrag mit dem Titel „Die Anforderungen der Gegenwart an die Theologie“.

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Studentenarbeit führte ihn dann anlässlich der internationalen Studentenkonferenz im Frühjahr 1911 nach Konstantinopel.²⁴⁵ Neben seinen theologischen Forschungen und Verpflichtungen lagen Schaeder besonders auch soziale und gesellschaftliche Aufgaben in Kiel am Herzen.²⁴⁶ Die angewachsene Großstadt mit Marine und Werften, Handel und Industrie hatte eine große Anzahl vor allem junger Menschen – Lehrlinge, Matrosen, stellungs- und arbeitsuchende junge Frauen – angezogen, die oft fern von Familie und Heimat und ohne tragende Gemeinschaft allzu leicht ihren Halt verloren. Obdachlosigkeit, Jugendgefährdung, Abdriften ins Milieu, Alkoholsucht, Verarmung und Verelendung waren in Kiel allseits bekannte Probleme.²⁴⁷ Angesichts dieser Situation hatte ein kleiner Kreis um den Propst Wilhelm Becker, dem auch Schaeder angehörte, am 22. September 1904 die Gründung eines „Vereins für Stadtmission und Jugendpflege“ sowie die Anstellung eines Stadtmissionars beschlossen, um durch „ein praktisches Christentum“ die „mancherlei Notstände auf kirchlichem und wirtschaftlichem Gebiet in Kiel“ zu beseitigen.²⁴⁸ Vom 15. November 1904 bis zum 1. Februar 1908 leitete er dann als gleichberechtigter Vorsitzender neben Propst Becker die Stadtmission. Zu einem wesentlichen Teil auf Schaeders Anregungen hin wurden das Jugendheim I, die Männerarbeitsstätte, die Frauenarbeitsstätte, die Kinderzufluchtsstätte, das Obdachlosenasyl und das Jugendheim II errichtet.²⁴⁹ Im  Vgl. AFSt Halle, Brief Schaeders an Kähler, . .  (Kähler ). Schaeder hielt sich demnach aus Anlass der internationalen Studentenkonferenz vier Wochen in Konstantinopel und Griechenland auf. Vgl. auch Erinnerungsbuch, . Mit der Deutschen Christlichen StudentenVereinigung (DCSV) war Schaeder bereits im Jahre  anlässlich einer in Eisenach stattfindenden Tagung, auf der er über das Thema „Heilsgewißheit“ zu reden hatte, in Berührung gekommen. In Kiel scheint sich Schaeder dann stark für die DCSV engagiert zu haben. Im Jahre  zählte diese Gruppe  –  Mitglieder (Rückblick,  ff).  Schwöbel, Leben gegen den Tod, .  AEvSM Kiel, Festschrift  Jahre Evangelische Stadtmission Kiel,  f.  AEvSM Kiel, Protokoll der Gründungsversammlung, . .  und Kieler Sonntagsblatt, . . . Ab  führte der Verein dann in Anlehnung an die bereits  gegründete „Berliner Stadtmission“ den Namen „Kieler Stadtmission e.V.“. Vgl. AEvSM Kiel, Festschrift  Jahre Evangelische Stadtmission Kiel, .  In der Männerarbeitsstätte wurden z. B. arbeitslose, besonders durch Alkohol gefährdete Personen mit Holzzerkleinern und anderen Gelegenheitsarbeiten, wie Teppichklopfen, Kohlentragen, Schneefegen, beschäftigt. Die Frauenarbeitsstätte diente der Beschäftigung hilfsbedürftiger oder sittlich gefährdeter Frauen und Mädchen in Wäscherei, Näh- und Flickstube. Die Jugendhilfe gewährte nicht nur Heimplätze in den Jugendheimen, sondern leistete auch einen bedeutenden Teil der damaligen offenen Jugendarbeit. So verkehrten hier,wie den Jahresberichten / zu entnehmen ist, täglich im Durchschnitt  Kinder und Jugendliche. Unterrichtskurse in Kurzschrift, Englisch und Deutsch gehörten dabei u. a. zum Programm dieser offenen Jugendarbeit. Auch eine Arbeitsvermittlung wurde eingerichtet. Vgl. AEvSM Kiel,  Jahre Kieler Stadtmission,  ff. und Festschrift  Jahre Evangelische Stadtmission Kiel,  f.

3.8 Vortragstätigkeit, gesellschaftliche Aufgaben und Familie

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April 1906 konnte durch ihn die Frauenhilfe der Stadtmission mitbegründet werden.²⁵⁰ Eine enge Zusammenarbeit als stellvertretender Vorsitzender verband ihn dann von 1908 bis zu seinem Weggang nach Breslau mit dem Nachfolger Beckers, dem Propst und späteren Generalsuperintendenten Mordhorst.²⁵¹ Während dieser Zeit entstanden die Männerarbeitsstätte, das Christliche Hospiz, die Schreibstube, das Brockenhaus, das Kriegerwaisenhaus, die Missionsschule und das neue Heim der Kinderzufluchtsstätte. Im Jahr 1918 konnte die Kieler Stadtmission somit täglich über 700 hilfsbedürftigen Personen dienen.²⁵² Mehrere Jahre lang übernahm Schaeder außerdem auch den Vorsitz des mit der Stadtmission verbundenen „Christlichen Vereins Junger Männer“.²⁵³ In familiärer Hinsicht war Schaeders Kieler Zeit vor allem durch das Anwachsen der Familie gekennzeichnet: Zu den in Göttingen geborenen Söhnen Hans-Heinrich (Januar 1896) und Paul (1897) kamen in Kiel Milla (Juli 1899), Hildegard (April 1902), Reinhard (Juni 1905) und Johann Albrecht (November 1910) hinzu. Der Beruf des Vaters brachte es dabei mit sich, dass die Kinder in einem Haus aufwuchsen, das von geistiger Lebendigkeit geprägt war, verbunden mit großer Offenheit für die Fragen der Welt und von bewusster christlicher Frömmigkeit. Die Mutter, die einem großen Haus vorzustehen hatten und darüberhinaus auch Kinderbücher schrieb, besaß die Fähigkeit, ihre sechs Kinder mit ihren verschiedenen Begabungen zu bejahen und zu fördern.²⁵⁴ Musik und Naturwissenschaften, Literatur und Theologie prägten das familiäre Zusammenleben. Durch den Beruf des Vaters bedingt wuchsen die Kinder mit vielen Menschen heran und teilten darüber hinaus mit zahlreichen Freunden ihr Leben.²⁵⁵ Die von Erich Schaeder und seiner Frau gepflegte Gastfreundschaft sowie die angewachsene Familie ließen dann den Entschluss aufkommen, ein eigenes Haus zu bauen. Dieses neue, eigene Heim konnte

 AEvSM Kiel, Kieler Sonntagsblatt, . . .  AEvSM Kiel,  Jahre Kieler Stadtmission, . Durch Schaeder kam es wohl auch zu einer Verbindung zwischen der  durch den Oberhofprediger Stoecker gegründeten Berliner und der Kieler Stadtmission. Dass Schaeder am . .  bei der Generalversammlung des evangelischen kirchlichen Hilfsvereins unter dem Vorsitz von Prinzessin August Wilhelm von Preußen im Herrenhause zu Berlin den Hauptvortrag mit dem Thema „Die Kieler Stadtmission“ hielt, kann als Hinweis dafür dienen, welche Bedeutung die Arbeit der Stadtmission bereits nach einem Jahrzehnt gewonnen hatte. Vgl. AEvSM Kiel,  Jahre Kieler Stadtmission, .  Dieses kräftige Blühen und Gedeihen der Stadtmission bereitete Schaeder trotz der damit verbundenen sehr starken Inanspruchnahme seiner schon reichlich besetzten Zeit große Freude. Vgl. Erinnerungsbuch, .  AEvSM Kiel, Kieler Sonntagsblatt, . . .  Schwöbel, Leben gegen den Tod, . Im ersten Schuljahr unterrichtete sie auch ihre Kinder selbst. Vgl. Erinnerungsbuch, .  Schwöbel, Leben gegen den Tod,  f.

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3 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Kiel

im Herbst 1904 bezogen werden und erwies sich angesichts der gesellschaftlichen Verpflichtungen – z. B. während des Rektorats – als äußerst hilfreich.²⁵⁶ Ein enger und über die kollegiale Zusammenarbeit weit hinausgehender Kontakt entstand auch zu den Familien Mühlau und Klostermann.²⁵⁷ Ein schwerer Schicksalsschlag traf die Familie dann im Juni 1914.²⁵⁸ Wie Schaeder in einem Brief an Schlatter schrieb, starb „an den Folgen eines Unglückfalles“ überraschend der zweite Sohn Paul, „17 Jahre alt, mitten aus einem Leben voll jugendlichen Strebens und erfreuenden Sonnenscheins heraus“ und hinterließ in der Familie eine tiefe Lücke.²⁵⁹

3.9 Der Erste Weltkrieg Auch am weltpolitischen Horizont braute sich in jener Zeit Unheilvolles zusammen: Nur wenige Tage nach Pauls Tod, am 28. Juni, spitzte sich der Konflikt auf dem Balkan im Attentat von Sarajevo zu und führte über die Julikrise zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges.²⁶⁰ Das städtische Leben in Kiel mit seinem Reichskriegshafen erfuhr vor allem in den ersten Tagen nach Kriegsbeginn eine merkliche Einschränkung: Verstärken der Befestigungsanlagen, Verdunklungsanordnungen, Zivilschutzmaßnahmen und erhöhte militärische Präsenz prägten den Alltag. Auch wenn das Hotel „Bellevue“ mit seiner Terrasse wie auch die Seebadeanstalt zum Lazarett umgewandelt wurden, so konnte das kulturelle Leben der Stadt wie auch kommunale Bauvorhaben zunächst noch weitergeführt werden.²⁶¹ Für den akademischen Lehrbetrieb an der Universität dagegen bedeuteten die Kriegsjahre einen tiefen Einschnitt: Zahlreiche Dozenten und der überwiegende Teil der Studierenden traten in den Kriegsdienst. So galten z. B. im Wintersemester 1914/15 von 1941

 Erinnerungsbuch,  ff. Die Mutter Schaeders und seine Schwester Agnes gaben ihre Wohnung auf und zogen ebenfalls in das neue Haus. Die Anforderungen des Rektorats mit seinen repräsentativen Aufgaben machten auch kleinere Umbaumaßnahmen im neuen Haus erforderlich. Vgl. Erinnerungsbuch, .  Erinnerungsbuch,  ff.  Die Zeit der Kieler Wirksamkeit war überschattet von mehreren Todesfällen im Freundes- und Familienkreis. Bereits am . Oktober  starb mit Hermann Cremer der väterliche Freund und Lehrer, im April  Schaeders Mutter, am . September  sein Lehrer Martin Kähler, am . September  Prof. Mühlau und am . Februar  Prof. Klostermann. Zur Beerdigung Cremers vgl. LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ) und Cremer, Hermann Cremer,  ff.  LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . .  (Nr. ).  Erinnerungsbuch,  f.  Sauer, Kriegsjahre,  ff.

3.9 Der Erste Weltkrieg

57

Studierenden bereits 1404 männliche und 3 weibliche Studierende als beurlaubt, weil sie im Heeresdienst oder im Dienst der freiwilligen Krankenpflege standen.²⁶² Trotz dieser enormen Reduktion der Anzahl an „ortsanwesenden“ Studierenden – diese geringe Zahl sollte sich in den nächsten Semestern um mehr als die Hälfte reduzieren²⁶³ – wurde der Lehrbetrieb z.T. auch mit „Hilfskräften“ aufrechterhalten. Die geringen Hörerzahlen erlaubten es dabei in fast allen Fakultäten, dass die Vorlesungen in den Wohnungen der Dozenten abgehalten werden konnten.²⁶⁴ Schaeder, der ebenso wie Baumgarten während des Krieges den Titel „Geheimer Konsistorialrat“ verliehen bekam,²⁶⁵ äußerte sich in zahlreichen schriftlichen und mündlichen Beiträgen direkt oder indirekt zum Krieg.²⁶⁶ Darin forderte er trotz der bedrückenden Situation eine verstärkte theologische Arbeit: „Je mehr wir jetzt streng theologisch arbeiten, desto mehr bauen wir für die Zukunft vor. Je größer und notwendiger uns Gott wird, desto besser für uns und für die, welche auf uns hören. Also von den Vermutungen und Konstruktionen, von den Nebendingen weg zu der Offenbarungswahrheit, die uns dargeboten wird und die uns bleiben muß, wenn wir bleiben sollen.“²⁶⁷ Es müsse, so Schaeder an anderer Stelle,²⁶⁸ „möglichst viel Christuspredigt, möglichst viel Evangelium von dem Könige Christus ins Volk“. Denn nur der Glaube gebe – indem er trotz Kriegsunheil und Kriegsnot Christus ins Auge fasse – dem Krieg gegenüber ein festes Herz: „[…]

 Chronik Kiel (/). Bald waren auch die ersten Toten zu beklagen. So fanden z. B. bis zum Ende des Wintersemesters / sieben Dozenten und  Studenten den Tod. Vgl. Chronik Kiel (/) und die Ehrentafeln in Chronik Kiel (/ u. /).  Zur Anzahl der im Feld stehenden Dozenten und der beurlaubten Studierenden vgl. Martius, Universität Kiel, . Im Wintersemester / blieben demnach z. B. nur noch  Studierende zurück.  AaO.,  ff.  Schaeder bekam den Titel am . Juli , Baumgarten am . Juli  verliehen. Vgl. Professoren und Dozenten,  f.  Z. B. Schaeder, Gott des Christentums; An die Wingolfsbrüder; Anforderungen; Die theologische Fakultät; Tod und Ewigkeit; Theocentric Theology; Unser Glaube und der Krieg; Christentum und Weltfriede. Während des Krieges erschien auch die zweite Auflage des ersten Bandes seiner Theozentrischen Theologie. Vgl. auch Jelke, Rezension ThLBl  ().  Anforderungen, . Eine „Werturteilstheologie“, wie sie z. B. Ritschl oder J. Kaftan vertraten, sah Schaeder aufgrund der Kriegserfahrung als weitgehend widerlegt an: „Wie und mit welcher Wucht ist Gott jetzt über diese Ichreligion zur Tagesordnung übergegangen! Wie hat er von uns allen erst einmal Unterordnung, schweigenden Gehorsam gegen eine Führung der Geschichte und des Einzellebens verlangt, die tausend Werte zerstört und tausend Ichinteressen durchkreuzt! Ich sehe gar nicht ein, wie man es nach dem Kriege überhaupt noch fertig bringt, sich zu der reinlich oder grundsätzlich durchgebildeten Werttheologie zu bekennen.“ (AaO., ). Vgl. auch: Gott des Christentums, .  Unser Glaube und der Krieg,  f.

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3 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Kiel

Christus, weil er zu Gott, zu dem Herrn der Welt gehört, ist die überlegene Wirklichkeit, die kein Krieg, kein Elend, keine Sünde und Unvernunft hier unten zerstört. […] Es gilt in dieser Zeit zu allererst einmal die Christustatsache, die letzte, weltumfassende Wirklichkeit, vor den Menschen groß werden zu lassen. Sie mit ihrer unzerstörbaren Übermacht hebt uns über die Weltbeobachtung mit ihren Schwierigkeiten heraus.“ Dabei räumte Schaeder allerdings ein: „Wir wissen nicht, […] wie alle die zerstörenden, zertrennenden Folgen des Krieges wieder gut gemacht, wie der wirtschaftliche, der kulturelle Schaden, die Gefahr für das Missionsleben²⁶⁹ beseitigt werden soll; […] wir wissen aber im Glauben an die unzerstörbare, innerlich erlebte Tatsache, die Christus heißt, daß Gottes gerechtes, gnädiges Regiment bleibt und daß es mit allem fertig wird. Das ist im tiefsten Grunde die Festigkeit des gläubigen Herzens dem Kriege gegenüber.“²⁷⁰ Bei aller patriotischen Gesinnung²⁷¹ und Betonung der staatlichen Selbstbehauptung sprach sich Schaeder ausgehend von seinem Verständnis Gottes als „Regulativ aller Wirklichkeit“²⁷² auch nachdrücklich gegen eine unbegrenzte Machtpolitik aus:²⁷³ „Gott ist die tiefste Vereinigung von Macht und Liebe, von Selbstbehauptung und Hingabe an unsere, an die menschlichen Zwecke. Deshalb ist doch der Staat für das Auge des Christen nur dann gottgemäß, wenn er Macht und Hingabe, Selbstbehauptung und Menschendienst eint. […] So gewiß der Staat machtvolle Rechtsordnung ist […] ebenso sicher ist doch das andere, daß die rechtlichen Machtäußerungen des Staates zugleich Äußerungen des Dienstes und der Hingabe an die menschlichen Zwecke sein müssen. Das gibt den Stoß in den reinen Machtkultus des Staates.“²⁷⁴ Diese Anforderungen hatten dabei auch für

 Den „Eindruck, den dieser mordende Krieg der großen christlichen Völker in den nichtchristlichen Ländern hervorruft“, bewertete Schaeder als „ein großes, schwer zu überwindendes Hindernis“ für die christliche Mission (AaO.,  f).  Unser Glaube und der Krieg,  f.  Den „Aufruf der  an die Kulturwelt“ vom . .  unterschrieb Schaeder aber – anders als etwa sein Freund und Lehrer Schlatter – nicht. Vgl. Besier, Kirchen,  – .  Gott des Christentums, .  Vgl. Deutscher Geist, . Kritisch konnte Schaeder sich auch zum „Heldentod“ äußern: „Wir sind auch als Wirklichkeitsmenschen von dem Wahn frei, den uns eine Art irregeleiteter SoldatenEthik in die Seele hineinlegen will, daß der Heldentod auf dem Schlachtfelde uns rein als solcher die Pforten des ewigen Gottesreiches öffne.“ Siehe: An die Wingolfsbrüder, .Vgl. auch:Tod und Ewigkeit, .  Gott des Christentums, . Vgl. auch Christentum und Weltfriede,  ff. Schaeder forderte deshalb zur Fürbitte auf: „Man bete für unser Volk, daß es, wenn es den Willen hat, zu sein, wozu es von Gott geschaffen ist, mit diesem Willen den anderen eint, andere Völker nicht zu vergewaltigen, sondern mit ihnen und an ihnen den Zwecken Gottes dient.“ Siehe: Deutscher Geist, . Auch im Blick auf den Krieg betonte Schaeder: „Der Krieg, den wir rechtfertigen können, ist als Machtäußerung zugleich Dienst. […] Reine Macht ohne den Willen zur Hingabe besteht vor Gottes

3.9 Der Erste Weltkrieg

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das erwartete Ende des Krieges seine Gültigkeit: „Wenn wir den Frieden ersehnen, dann muß es der Friede sein, durch den Deutschland sich wahrhaft selbst sichert. Dieser Friede ist sittlich unanfechtbar. Aber ein Friede, der umsichtig dem Ideal der Völkerverbindung dient, muß dieser Friede auch sein.“²⁷⁵

Augen überhaupt nicht und in keinem Fall.“ Siehe: Gott des Christentums, . Dabei stand für Schaeder fest: „Daß es Krieg in der Welt gibt, das ist, rechtverstanden, auch Gottes Ordnung, nicht Schöpfungsordnung, aber Ordnung im Verfolg der Sünde.“ Siehe: Tod und Ewigkeit, . Vgl. auch Christentum und Weltfriede,  f.  Gott des Christentums, . In diesem Zusammenhang konnte Schaeder festhalten: „Es gibt doch allgemeine Menschheitsideale, geistig-intellektuelle, sittliche, religiöse, die kein überstiegener Nationalismus und keine Rassen-Großtuerei auslöscht. […] Selbstverständlich werden wir vom Staat fordern müssen, daß er sie pflegt. Und die rechtliche Form, in welcher der Staat dies seiner Art nach zu tun hat, wird das Völkerrecht sein.“ Ebd.

4 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Breslau 4.1 Die Fakultät Das Kriegsende sollte Schaeder und seine Familie dann allerdings nicht mehr in Kiel erleben. Am 29. November 1917 erhielt er auf Vorschlag von Rudolf Otto, welcher in Breslau von 1915 bis 1917 gewirkt hatte,²⁷⁶ den Ruf an die dortige Schlesische Friedrich-Wilhelms-Universität und trat seine Professur zum Sommersemester 1918 als Nachfolger des mit 42 Jahren verstorbenen Professors für Systematische Theologie Friedrich Kropatschek an.²⁷⁷ Schaeders aus den beschränkten Kieler Verhältnissen erwachsener Wunsch, an einer etwas größeren Fakultät wirken zu dürfen,²⁷⁸ ging nun in Erfüllung.²⁷⁹

 Steinbeck, Prinzipienlehre, . Obwohl Otto damals den „Liberalen“, Schaeder aber den „Positiven“ zuzurechnen war, schlug Otto der Fakultät die Berufung Schaeders vor. Steinbeck, damals Professor für Praktische Theologie, bemerkte dazu: „[…] Otto war kein Parteipolitiker, sondern ging nach sachlichen Gründen. Und diese ließen ihn das Verwandte zwischen ihm selbst und Schaeder erkennen und berücksichtigen. Dies bestand darin, daß beide das übermenschliche Objekt der Religion, Otto mehr im allgemeinen religionsphilosophischen Sinn (das ‚Heilige‘), Schaeder ausschließlich im speziell christlichen Sinn (der persönliche, dreieinige Gott) mehr in den Mittelpunkt der Betrachtung stellten als das menschliche Subjekt mit seinem gläubigen Seelenleben.“ Siehe: Ebd.Von Bedeutung dürfte auch gewesen sein, dass sich Otto und Schaeder von ihrer Göttinger Zeit her kannten. Vgl. oben S. . Ottos Wirksamkeit in Schlesien war nur von kurzer Dauer. Nachdem er  den Ruf nach Breslau erhalten hatte, nahm er diesen  an und blieb dort zwei Jahre bis ihn der Ruf nach Marburg erreichte. Vgl. Ratschow, Otto, .  Vgl. Professoren und Dozenten,  und Breslauer Hochschul-Rundschau  (), . .  Vgl. z. B. LKA Stuttgart, Brief Schaeders an Schlatter, . . /. .  (Nr. ). Schaeder rechnete / auch mit einer möglichen Berufung nach Greifswald. Obwohl der Tiefpunkt in Kiel damals nach Schaeders Angaben bereits überwunden war, wünschte er sich ein Anwachsen der Studentenzahlen. Vgl. AFSt Halle, Brief Schaeders an Kähler, . .  (Kähler ).  Im Sommersemester  zählte die Theologische Fakultät in Kiel  Studierende,während in Breslau  Theologiestudierende immatrikuliert waren. Da sich aber sowohl in Kiel als auch in Breslau der größte Teil der Studierenden im Kriegsdienst befand, dürfte sich die Zahl der „ortsanwesenden“ Studierenden nur geringfügig unterschieden haben. Im Sommersemester , dem ersten Semester nach dem Waffenstillstand, waren in Breslau dann aber  Theologiestudierende immatrikuliert, während die Theologische Fakultät in Kiel nur  Studenten zählte. Ab dem Sommersemester  sank die Zahl der Theologiestudierenden in Breslau jedoch erheblich, erreichte im Wintersemester / mit  Studierenden ihren Tiefpunkt und stieg daraufhin zunächst langsam, dann rasant an. Vor allem vom Sommersemester  bis Wintersemester / erreichte die Theologische Fakultät mit bis zu  Studierenden eine große DOI 10.1515/9783110490916-005

4.1 Die Fakultät

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Die am Ostrand des Staatsgebietes²⁸⁰ gelegene Breslauer Universität war dabei vorwiegend eine Lehrstätte für die schlesische akademische Jugend, der jedoch nach 1919 zunehmend auch Studierende von außerhalb zur Seite traten. Der Sonderstellung und Aufgabe der schlesischen Hochschule als östliche Grenzuniversität trug u. a. dann das Osteuropainstitut Rechnung, welches 1918 aus privater Initiative entstand, aber sich bald eng an die Universität anschloss. Man erhoffte sich von ihm Einsicht in den neugestalteten Ostraum, aber auch – wie es Schaeder später in seiner Funktion als Vorsitzender des Universitätsbundes zum Ausdruck bringen konnte – den Austausch mit dem Osten.²⁸¹ Darüber hinaus beherbergte die schlesische Metropole mit dem angesehenen Jüdisch-Theologischen Seminar Fraenckelscher Stiftung eine moderne Ausbildungsstätte für Rabbiner und Lehrer²⁸² sowie mit über 20.000 Juden die drittgrößte jüdische Gemeinde der Weimarer Republik nach Berlin und Frankfurt.²⁸³ Auch wenn die evangelisch-theologische Fakultät²⁸⁴ in Breslau mehr Studierende zählte als diejenige in Kiel, so gehörte die Fakultät der schlesischen Hauptstadt im Blick auf die deutsche Universitätslandschaft doch zu den kleineren Fakultäten und diente – bedingt durch ihre geographische Lage und durch die preußische Hochschulpolitik, welche den Zug der Hochschullehrer an westlich gelegene Universitäten eher begünstigte als hemmte – zumeist als Anfangs- und Blüte. Dieses starke Wachstum dürfte Schaeder u. a. dazu motiviert haben, seine Lehrtätigkeit auch nach seiner Emeritierung zum . April  unvermindert fortzusetzen.Vgl. Amtl. Verzeichnis Kiel (WS / – WS /); Personalverzeichnis Breslau (WS / – WS /) und Vorlesungs- und Personalverzeichnis Breslau (SS  – SS ).  Zur unsicheren politischen Lage, die sich nach dem Kriegsende in der alliierten Forderung nach Abtretung Oberschlesiens äußerte und nach z.T. gewalttätigen Auseinandersetzungen am . März  zu einer Volksabstimmung mit anschließender Gebietsteilung führte vgl. Abmeier, Abstimmung,  ff und Neubach, Abstimmung,  – .  Vgl. Aubin, Gedenkrede,  ff; Petry, Breslau,  f; Petry, Breslauer Universitätsgeschichte,  ff. Die Blickrichtung in den slawischen Osten unter kirchlichem Bezug kam ab  bis zum Wintersemester / im Lektorat für Polnisch und Russisch zum Ausdruck, welches der Breslauer Pastor Dr. Abicht innehatte. Vgl. Petry, Breslauer Universitätsgeschichte, .  Vgl. Petry, Breslau,  und ders., Breslauer Universitätsgeschichte,  f sowie Neubach, Die Juden, . Das Jüdisch-Theologische Seminar Fraenckelscher Stiftung besuchte u. a. Leo Baeck.  Im Jahr  lebten in Berlin ., in Frankfurt a. M. . und in Breslau . Juden. Vgl. Jonca, Schlesiens Juden, . Vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht hatten die niederschlesischen Juden einen großen Einfluss. In Breslau selbst gab es z. B. jüdisch geführte Kaufhäuser, Chemiebetriebe, Getreidemühlen, Verlagshäuser, Kreditinstitute und Bankhäuser. Auch die Breslauer Aktiengesellschaft für Eisenbahnwagenbau und Maschinenbau war in jüdischer Hand. Vgl. Neubach, Die Juden  ff.  Die  gegründete Breslauer Universität war die erste preußische Universität mit einer evangelisch-theologischen und einer katholisch-theologischen Fakultät und hatte darin Vorbildfunktion für Bonn. Vgl. Petry, Breslau, .

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4 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Breslau

Zwischenstation aufsteigender Gelehrter.²⁸⁵ Trotz der damit hervorgerufenen Fluktuation traf Schaeder, als er zum Sommersemester 1918 in die Fakultät eintrat, in dem Praktologen Johannes Steinbeck, dem Neutestamentler Gustav Hoennicke und dem Alttestamentler Carl Steuernagel auf Kollegen, die ihn während seiner gesamten Breslauer Wirksamkeit begleiten sollten. Auch mit dem aus Ohio stammenden und über Erlangen, Leipzig und Königsberg nach Breslau gekommenen Kirchenhistoriker Franklin Arnold,²⁸⁶ dem Honorarprofessor für Kirchengeschichte und Praktische Theologie Georg Hoffmann²⁸⁷ und dem seit dem Wintersemester 1922/23 als Nachfolger von Wilhelm Caspari in Breslau lehrenden Alttestamentler Anton Jirku verband ihn eine langjährige kollegiale Zusammenarbeit. In gleicher Weise traf dies auf den Privatdozenten für Praktische Theologie Hans Haack sowie die Privatdozenten und späteren Professoren Herbert Preisker (Neues Testament) und Helmut Lother (Kirchengeschichte) zu.²⁸⁸ Dagegen verbrachte er mit den Professoren für Kirchengeschichte Leopold Zscharnack, Ernst Kohlmeyer und Hans Leube sowie mit dem Privatdozenten Gottfried Fitzer (Neues Testament) und dem in Breslau zum außerordentlichen Professor für Altes Testament ernannten Hartmut Schmökel nur wenige Jahre gemeinsam an der Friedrich-Wilhelms-Universität.²⁸⁹ Zu denen, deren Wirksamkeit Schaeder nur kurz miterlebte, gehörte auch der von 1916 – 1920 in Breslau lehrende außerordentliche Professor für Neues Testament Rudolf Bultmann, dessen bedeutsames Buch „Die Geschichte der synoptischen Tradition“ in der schlesischen Metropole entstand.²⁹⁰ Schon wenige Monate nach Schaeders Eintritt in das Kollegium konnte Bultmann, der in der schlesischen

 Meyer, Zur Geschichte,  u. Schwarz, Die Ev. Theol. Fakultät, .  Vgl. Petry, Breslauer Universitätsgeschichte, . Arnold starb .  Er hatte „besonders das Gebiet der osteuropäischen Kirchenkunde in den Kreis seiner Lehrtätigkeit“ einzubeziehen. Vgl. Breslauer Hochschul-Rundschau  (), .  Nach den Angaben im Vorlesungs- und Personalverzeichnis lehrte Hoffmann bis zum Sommersemester , Jirku vom Wintersemester / bis zum Wintersemester /, Haack vom Wintersemester / bis zum Wintersemester /, Preisker vom Wintersemester / bis zur Schließung der Universität und Lother vom Wintersemester / bis zum Sommersemester  in Breslau.  Für die Dauer der Breslauer Lehrtätigkeit lassen sich folgende Daten aus dem Personalverzeichnis entnehmen: Zscharnack: SS  – SS ; Kohlmeyer: SS  – WS /; Leube: SS  bis zur Schließung der Universität; Fitzer: WS / – WS /; Schmökel: SS  – SS .  Außerdem übernahm Bultmann schon während seiner Breslauer Zeit den Auftrag, für den „Kritisch-exegetischen Kommentar über das Neue Testament“ das Johannesevangelium und die Johannesbriefe neu zu bearbeiten. Neben einer größeren Anzahl von Rezensionen und anderer kleinerer Arbeiten, die er in Breslau verfasste, ließ Bultmann sich auch durch eine nicht unerhebliche Vortragstätigkeit außerhalb der Universität in Anspruch nehmen. Vgl. Evang, Rudolf Bultmann,  ff.

4.1 Die Fakultät

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Hauptstadt und deren evangelisch-theologischen Fakultät nicht eigentlich heimisch wurde und zu den Fakultätskollegen eher in einem distanzierten Verhältnis stand,²⁹¹ sich positiv über den neuen Kollegen äußern: „In das Fakultätsleben kommt durch Schäders frische, liebenswürdige Art mehr Zusammenhang, und ich habe, wenn ich mir auch der Grenzen bewußt bin, keinen Grund, mich dem zu entziehen.“²⁹² Angesichts der dürftigen Kontakte zu den Kollegen freute sich Bultmann dann besonders über die 1918 ergangene Berufung Hans von Sodens nach Breslau.²⁹³ Der damals noch unbekannte Professor²⁹⁴ für Kirchengeschichte konnte dann noch zwei Jahre lang mit Bultmann zusammen an der „Provinzuniversität“²⁹⁵ wirken, ehe er wie auch zuvor Bultmann 1924 nach Marburg berufen wurde und dort im Dritten Reich eine wichtige Rolle im Dienste der Bekennenden Kirche spielen sollte.²⁹⁶ Unter den Kirchengeschichtlern in jenen Jahren war Erich Seeberg – 1919/20 und von 1924– 26 in Breslau, seit 1927 dann als Nachfolger von Karl Holl in Berlin lehrend – wohl der erfolgreichste. Er machte sich durch seine Arbeiten über Luther, Gottfried Arnold und die Edition der Werke von Meister Eckhardt einen Namen. Im Gegensatz zu Hans von Soden sollte sich seine kirchenpolitische Haltung allerdings später deutsch-christlichen und nationalsozialistischen Bestrebungen annähern.²⁹⁷ Unterschiedliche theologische Positionen prägten auch unter den Systematikern die kollegiale Zusammenarbeit. Vor allem zwischen Schaeder und dem linksliberalen Religionsphilosophen und Goetheforscher Karl Bornhausen,²⁹⁸ der

 Eine Ausnahme stellte Rudolf Otto dar, mit dem Bultmann in regem Austausch stand (Evang, Rudolf Bultmann, ).  UB Marburg, Brief Bultmanns an Rade, . .  (Ms. ). Über die Beziehung Schaeders zu Bultmann lässt sich kaum etwas ausmachen. Nach Evang widerraten neben theologischen Divergenzen auch die Äußerungen Bultmanns über seine politische Isolation gegenüber einer „alldeutsch“ gesinnten Mehrheit in der Fakultät der Annahme, dass Bultmanns Beziehung zu Schaeder besonders intensiv gewesen wäre (Evang, Rudolf Bultmann, ). Von einer „alldeutschen“ Gesinnung im Sinne eines aggressiven Nationalismus und einer Ablehung der Weimarer Demokratie kann aber, wie u. a. Schaeders Äußerungen während des . Weltkrieges zeigen, wohl kaum die Rede sein. Außerdem hat Schaeder, für einen theologischen Universitätslehrer der zwanziger Jahre nicht gerade eine Selbstverständlichkeit, zur Loyalität gegenüber der Weimarer Verfassung gemahnt. Vgl. Goertz, Geist, .  Vgl. Evang, Rudolf Bultmann,  u. UB Marburg, Brief Bultmanns an Rade, . .  (Ms. ).  Im Personalverzeichnis wird Hans von Soden ab dem Sommersemester  als außerordentlicher (im ersten Semester noch mit der Zusatzbemerkung „z. Zt. im Felde“), ab dem Wintersemester / dann als ordentlicher Professor geführt.  UB Tübingen, Brief v. Sodens an Bultmann, . .  (Mn  – ).  Dinkler, Theologie und Kirche,  ff und Meyer, Zur Geschichte, .  Meyer, Zur Geschichte, ; Ehrenforth, Schlesische Kirche,  u. Hohlwein, Seeberg, .  Vgl. Thalmann, Klepper,  u. Meyer, Zur Geschichte, .

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4 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Breslau

zum Wintersemester 1919/20 dem nach Kiel versetzten Heinrich Scholz auf dem Lehrstuhl für Religionsphilosophie und Systematische Theologie nachfolgte, bestanden deutliche theologische Unterschiede, die später in gegensätzlichen kirchenpolitischen Positionen ihren Niederschlag finden sollten. Neben Schaeder und Bornhausen wirkte vom Sommersemester 1919 bis zum Wintersemester 1926/ 27 der Privatdozent und spätere außerordentliche Professor Rudolf Hermann, welcher neben seiner Tätigkeit als Inspektor des Theologischen Konviktes einen Lehrauftrag für „Neuere Religionsphilosophie seit Kant und für die Theologie der Reformation, für den Zweck der Systematik“ innehatte und insbesondere Luthers Theologie auszulegen verstand.²⁹⁹ Über das nähere Verhältnis Schaeders zu seinen Fakultätskollegen während seiner Breslauer Zeit ist nur wenig auszumachen. Er scheint sich aber, wie Briefnotizen vom Juli 1918 zu erkennen geben, bereits von Anfang an im Kollegenkreis wohlgefühlt zu haben und das keineswegs einheitliche und durch verdeckte Gegensätze geprägte Kollegium durch seine „frische, liebenswürdige Art“ positiv verändert zu haben.³⁰⁰ Dem sich in erster Linie als Religionsphilosoph betätigenden Karl Bornhausen, der aufgrund seines schwierigen Charakters Probleme im Verhältnis zu den übrigen Kollegen hatte, stand Schaeder allerdings eher distanziert gegenüber.³⁰¹ Eng verbunden wusste er sich dagegen mit dem Praktische Theologie lehrenden Professor Johannes Steinbeck, der wie Schaeder der Prüfungskommission des Konsistoriums angehörte,³⁰² dem Systematiker Rudolf Hermann und besonders mit dem zum Wintersemester 1920/21 als Nachfolger Bultmanns nach Breslau berufenen Ernst Lohmeyer, der nach kurzem Extraordinariat als Ordinarius neutestamentliche Exegese und zusätzlich ab 1925 allgemeine Religionsgeschichte lehrte.³⁰³ Nicht nur zu den Fakultätskollegen, sondern auch zu den Studierenden hatte Schaeder, wie ein Brief Bultmanns an Rade zeigt, von Anfang an ein gutes Ver-

 Vgl. Krüger, Hermann, .  SUB Göttingen, Brief Schaeders an Meyer, . .  (Cod. Ms. A.O. Meyer ) und UB Marburg, Brief Bultmanns an Rade, . .  (Ms. ).Vgl. auch Meyer, Zur Geschichte,  u. Ehrenforth, Schlesische Kirche,  f.  Zu Bornhausens Stellung in der Fakultät vgl. Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät,  ff und ders., Zur Geschichte,  ff.  Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät,  ff.  Hutter, Theologie als Wissenschaft, . Als ein indirekter Hinweis auf die enge Verbundenheit mit Steinbeck, Hermann und Lohmeyer dürfte es zu werten sein, dass nur diese drei Kollegen – abgesehen von Schaeders Nachfolger Gogarten – sich am Festheft zu Schaeders . Geburtstag (ZSTh , ) beteiligten. Lohmeyer verfasste auch nach dem Tode Schaeders zwei Nachrufe, die im Deutschen Pfarrerblatt (. . ) und in der Schlesischen Zeitung (. . ) abgedruckt wurden. Zu Lohmeyer vgl. auch Otto, Freiheit in der Gebundenheit.

4.1 Die Fakultät

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hältnis: „Schaeders Einfluß auf die Studenten ist außerordentlich. Das ist insofern nicht unverdient, als Schaeder eine wirklich anziehende Persönlichkeit ist.“³⁰⁴ Zu denen, die von Schaeder nachhaltig geprägt wurden, sollten dann u. a. Ernst Hornig³⁰⁵ und Hans Joachim Iwand³⁰⁶ gehören, aber auch – allerdings in abgeschwächter Form – Jochen Klepper, der insbesondere in dem Inspektor des Theologischen Konviktes und außerordentlichen Professor Rudolf Hermann seinen verehrten Lehrer und Seelsorger fand.³⁰⁷  UB Marburg, Brief Bultmanns an Rade, . .  (Ms. ). Auch wenn Bultmann, wie er in dem Brief weiter schrieb, diesen Einfluss von Schaeders Persönlichkeit für den wissenschaftlichen Geist der Studentenschaft für verhängnisvoll hielt, so wurde Schaeder gerade dadurch, dass „er lebte, was er lehrte“ für die Mehrzahl der Studenten die theologisch prägende Kraft der Breslauer Fakultät.Vgl. Evang, Rudolf Bultmann, ; Lohmeyer, Zum Gedächtnis (Dt. Pfarrerblatt),  und Meyer, Zur Geschichte,  f.  Ernst Hornig ( – ) wurde während seines Studiums in Breslau v. a. von Schaeder und Steuernagel beeinflusst. Als Breslauer Pfarrer betrieb er in der Zeit des Nationalsozialismus mit anderen unverzüglich den Aufbau des Pfarrernotbundes in Schlesien und gehörte, als es zum Bruch innerhalb der Bekennenden Kirche Schlesiens kam, der „Naumburger Synode“ an, die ihn zu ihrem stellvertretenden Präses wählte.Während der letzten Phase des Krieges verhandelte er in seiner Funktion als Vorsitzender einer aus Mitgliedern des Provinzialbruderrates der Bekennenden Kirche gebildeten Kirchenleitung mit dem Festungskommandanten der eingeschlossenen Stadt Breslau und drängte darauf, dem sinnlos gewordenen Verteidigungskampf ein Ende zu bereiten. Nach seiner Ausweisung Ende  wurde ihm das Bischofsamt der Evangelischen Kirche von Schlesien übertragen.Vgl. Bunzel, Zum . Geburtstag,  ff; Hornig, Ernst Hornig,  ff und Schott, Kirchenprovinz,  ff.  Zu den von Iwand besuchten Veranstaltungen an der Breslauer Universität vgl. Seim, Iwand,  ff. Neben Rudolf Hermann prägten v. a. Erich Schaeder und Hans von Soden Iwand theologisch am nachhaltigsten.Vgl. Graf, Iwand, ; Seim, Iwand,  f u. Burdach, Iwand,  f. Bei Schaeder, der Iwands schriftliche Abhandlung zum ersten theologischen Examen beurteilt hatte, wollte Iwand auch anfänglich eine Lizentiaten-Arbeit anfertigen. Vgl. Seim, Iwand,  f. .  Vgl. Assel, Der du die Zeit in Händen hast,  ff u. Thalmann, Klepper,  f. Klepper studierte ab Mai  in Breslau und wohnte im Sedlnitzkyschen Theologenkonvikt „Johanneum“, dessen Inspektor Rudolf Hermann war. Bei Schaeder besuchte Klepper insgesamt vier Veranstaltungen: Im Sommersemester  Dogmatik I, im darauffolgenden Wintersemester Dogmatik II, im Sommersemester  das Seminar „Die Christusfrage der Gegenwart“ sowie im Wintersemester / ein Seminar mit dem Thema „Das Problem der Versöhnung, geschichtlich und systematisch“.  begann Klepper darüber hinaus mit der Sammlung von Materialien für eine Lizentiatenarbeit, die von Erich Seeberg betreut werden sollte und – der genaue Titel ist unbekannt – Gottfried Arnold sowie August Hermann Francke zum Gegenstand hatte. Aber schon nach Ablauf des Sommer-Semesters  ließ er sich exmatrikulieren, um zu Hause weiter an der Lizentiatenarbeit schreiben zu können. Das Frühjahr  brachte dann den Abbruch der Promotionspläne und den Entschluss, sich ausschließlich auf die journalistische und schriftstellerische Arbeit zu konzentrieren. Am . Mai , noch bevor er seinen Entschluss gefasst hatte, seine Lizentiatenarbeit und damit sein Studium ohne Examen zu beenden, nahm er das Angebot der Mitarbeit beim „Evangelischen Preßverband für Schlesien“ an. Auch während seiner Zeit beim

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4 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Breslau

4.2 Lehrveranstaltungen und kleinere Veröffentlichungen Die von Schaeder während seiner Breslauer Wirksamkeit angebotenen Veranstaltungen deckten sich thematisch weitgehend mit den in Kiel abgehaltenen. Neben seinen regelmäßig wiederkehrenden Vorlesungen Dogmatik I/II und Ethik las er über Themen wie „Die neuzeitliche Philosophie in ihrer Bedeutung für die Theologie“, „Die Theologie der Gegenwart“ oder „Die Leidensgeschichte Jesu Christi in ihrer Bedeutung für die Dogmatik“. Den Hörern aller Fakultäten widmete er Vorlesungen z. B. über die religiösen Strömungen der Gegenwart, den Kampf um die christliche Ethik oder über religiöse Typen des 19. und 20. Jahrhunderts. Auf „Konversatorien“, die in Kiel einen breiten Raum eingenommen hatten, verzichtete er in Breslau weitgehend. Die Seminarveranstaltungen behandelten Themen wie „Kirche und Staat“, „Das Problem der Kirche“, „Theologie und Theosophie“ oder „Mystik und Glaube“. Ehemaligen Breslauer Dozenten wandte Schaeder sich mit den Seminaren über Rudolf Ottos Buch „Das Heilige“³⁰⁸ oder über die Religionsphilosophie von Heinrich Scholz zu. Die theologische Auseinandersetzung mit der sogenannten „dialektischen Theologie“ eröffneten dann ab dem Wintersemester 1923/24 die Seminare über Karl

„Evangelischen Preßverband“ dürfte er Schaeder gelegentlich begegnet sein, da dieser den Vorsitz der Schulabteilung, des „Provinzialverbandes evangelischer Eltern- und Volksbünde“, innehatte. Besondere Bedeutung im Blick auf seine Studienjahre erlangte v. a. die Begegnung mit Rudolf Hermann und seiner Theologie, deren Inhalte Klepper tief verinnerlichte und von denen er bis zu seinem tragischen Lebensende zehrte. Grundlegend dürfte aber auch, wie Johannes Wecht in seiner Dissertation zu zeigen versucht hat, die theologische Prägung gewesen sein, die er durch Schaeder und den Neutestamentler Lohmeyer empfing. Nach Wecht war es in der Theologie Schaeder hauptsächlich der Theozentrismus-Gedanke, in der Theologie Lohmeyers vorwiegend der Martyriums-Gedanke, welcher Jochen Kleppers theologisches Denken prägte und ausschlaggebend für seine Entwicklung als Schriftsteller wurde. Auch wenn sich der Majestätscharakter Gottes wie ein roter Faden durch Kleppers Tagebuch zieht, so erweist sich die genaue Bestimmung von Schaeders Einfluss auf Klepper angesichts dessen, dass der Name Schaeder im Tagebuch Kleppers oder sonstigen Nachlassdokumenten keine Erwähnung findet, doch als schwierig. Als gesichert dürfte jedoch gelten, dass die Verwurzelung in einer „bibeltheologischen“ Überlieferung, die über Rudolf Hermann auf die Erweckungstheologie des . Jahrhunderts sowie das Herrnhutertum der Brüdergemeine zurückweist, Kleppers personale protestantische Identität bestimmt hat. Zu dieser Verwurzelung in einer „bibeltheologischen“ Überlieferung trug sicher auch die Begegnung mit Schaeder bei. Vgl. Wecht, „Wohl dem, der auf die Seite der Leidenden gehört“,  – .  – . ; Mehlhausen, Jochen Klepper,  f und ders., „Auch wer zur Nacht geweinet…“,  f.  Das vollständige Thema des Seminars lautete: „Lektüre und Besprechung von R. Otto, Das Heilige, und K. Heim, Glaubensgewißheit“. Auch später befasste sich Schaeder mit Ottos Werk, z. B. Schaeder, Rezension Otto.

4.2 Lehrveranstaltungen und kleinere Veröffentlichungen

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Barths Römerbrief, über Gogartens Offenbarungs- und Religionsverständnis oder über das Problem des Wortes Gottes.³⁰⁹ Auch in seinen Veröffentlichungen sollte die intensive Beschäftigung mit der dialektischen Theologie zunehmend ihren Niederschlag finden. Auf drei kürzere Arbeiten, die in den ersten Jahren seiner Breslauer Tätigkeit gesondert publiziert wurden, dürfte dies allerdings weniger zutreffen. Bot Schaeder in der 1919 erschienenen Schrift „Der Weg zu Gott“ eine stärker an die Heilige Schrift angelehnte Variation der in der Theozentrischen Theologie vorgetragenen Gedanken,³¹⁰ so behandelten die beiden anderen Arbeiten³¹¹ „das Problem der Sündlosigkeit Jesu in ihrer Bedeutung für die Heiligung des natürlichen Menschen im Glauben oder für das Heilswerk Christi im weiteren Sinne“ bzw. die Trinitätsfrage. Im Blick auf die Trinitätsfrage betonte Schaeder dabei: „Gegenüber eigenartigen Versuchen, den trinitarischen Gottesgedanken zu begründen, […] nahm ich den Ausgangspunkt bei der Offenbarungsgeschichte, d. h. bei der Christustatsache als Volloffenbarung der Liebe Gottes. Vom Wesen dieser Liebe als Selbstmitteilung Gottes aus gewann ich die Zugehörigkeit Christi zu Gott und damit den entscheidenden Ansatz für die Bildung der trinitarischen Glaubensüberzeugung. Für die Christusauffassung aber, die sich hier ergab, war das paradoxe Ineinander von Subordination und Koordination, wie es Christus als dem Sohne Gottes eignet und wie es keiner ratio zugänglich ist, charakteristisch. Mit der Erledigung der Christusfrage verband sich dann die der Geistfrage, aber dieser nur im Rahmen des trinitarischen Problems.“³¹²

 Vgl. Vorlesungsverzeichnis Breslau (SS  – WS /) und Vorlesungs- und Personalverzeichnis Breslau (SS  – SS ). Auch im Rahmen eines „von Pastoren, Religionslehrern und sonstigen kirchlich interessierten Kreisen“ reich besuchten theologischen Ferienkursus der Breslauer Fakultät (.-. . ) setzte sich Schaeder in seinem Vortrag „Die neueste Wendung in der Theologie“ mit „den Religiös-Sozialen, insbesondere mit Karl Barth (Heidelberg) auseinander“. Siehe: Breslauer Hochschul-Rundschau  (), .  Weg,  ff. Vgl. auch Jelke, Rezension ThLBl  ().  Bei den beiden Arbeiten handelte es sich um Vorlesungen, welche  unter dem Titel „Die Sündlosigkeit Jesu und ihre Bedeutung für unsere Heiligung“ bzw.  unter dem Titel „Zur Trinitätsfrage“ veröffentlicht wurden. Die Abhandlung zur Trinitätsfrage war dabei bereits schon  in einer ersten Auflage erschienen.  Selbstdarstellung,  f.

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4 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Breslau

4.3 „Das Geistproblem der Theologie“ Der Geistfrage – sie ist nach Schaeder „die theologische Kernfrage“³¹³ – galt dann eine größere, 1924 erschienene Monographie mit dem Titel „Das Geistproblem der Theologie“.³¹⁴ In diesem Werk, das Schaeder als Bindeglied zwischen den beiden Bänden seiner Theozentrischen Theologie verstanden wissen wollte,³¹⁵ nahm er auch deutlich zur aufkommenden dialektischen Theologie Stellung. Gegen den Protest von Karl Barth versuchte Schaeder, der „seit Schleiermacher gebräuchlichen Rede von dem Erleben Gottes seitens des einzelnen Glaubenden und der Glaubensgemeinde ihr unbestreitbares sachliches Recht und ihren faßbaren charakteristischen Inhalt“ einzuräumen. Dabei diente ihm der Geistbegriff als Ansatzpunkt: „Redet man vom Geiste Gottes in seiner Beziehung zum Glauben, dann faßt man die machtvoll bindende, gestaltende Gegenwart Gottes, die im Glauben persönlich oder bewußt erlebt wird, ins Auge.“³¹⁶ In diesem Zusammenhang konnte Schaeder – kritisch gegen Barth gewendet – von einer „eigenartigen Glaubensmystik“ reden: „Glaube ist geistgewirkte, persönlich bewußte Gottesmystik, Christusmystik. Oder geistgewirkte, im Glauben besessene gnädige Gegenwart Gottes in Christus. Diese Mystik mit allem, was sie einschließt, dieses Ausgegossensein (Nahegekommensein) der Liebe Gottes in unser Herz, dieses Neutestamentliche oder Christliche, diesen Innenbesitz der Heilsgewißheit streicht Barth von der vereinseitigten Transzendenz Gottes, von der tunlichst durchgeführten, aber nicht durchzuführenden Scheidung von Ewigkeit und Zeit, von Jenseits und Diesseits aus.“³¹⁷ Für Schaeder gehörte demnach zur vollen Gotteswirklichkeit nicht nur ihre Überweltlichkeit: „Will man das Theozentrische in seinem ganzen Umfange, will man die machtvollheilige und liebende Willensbetätigung Gottes im Glauben des Einzelnen und der Gemeinde, will man die Herrschaft Christi im Glauben, dann hat man das recht-

 Geistproblem, ; Theozentrische Theologie  (),  bzw. (),  bzw. (), .  Auch wenn Schaeder wiederholt von Cremer und Kähler nahestehenden Kreisen aufgefordert worden war, eine Untersuchung zur Christologie, insbesondere aber über das Kreuz Christi oder die Versöhnungsfrage zu veröffentlichen, so schob sich für ihn doch ein anderes Interesse in den Vordergrund: „Das Ineinander von Objektivem und Subjektivem, das Glaubensproblem in Rücksicht auf dies Ineinander bewegte mich stärker. Über die Lehre von der Person des Herrn lagen bereits eingehendere Äußerungen in der theozentrischen Theologie und in der Abhandlung zur Trinitätsfrage vor.“ Im Blick auf das Verständnis des Versöhnungsvorganges und des Kreuzes Christi verwies Schaeder darüber hinaus auf einschlägige Arbeiten von Kähler, Althaus und Weber. Siehe: Selbstdarstellung,  f.  Theozentrische Theologie  (), VI.  Selbstdarstellung, .  Ebd.

4.4 Die Neuauflagen der Theozentrischen Theologie

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verstanden Mystische im Glauben, dann hat man das Erleben Gottes und Christi in der Form des Glaubens.“³¹⁸ Darüber hinaus wandte sich Schaeder in seinem Werk auch erkenntnistheoretischen Problemstellungen zu. Eine gesicherte, gewisse Erkenntnis des Transzendenten hielt Schaeder dabei nur im Bereich des eigenen endlichen Geisteslebens, der eigenen Subjektivität für möglich: „Nichts ist abgesehen von und außerhalb der Subjektivität zu erkennen, auch das Transzendente nicht; alles nur mit ihr und in ihr. Sagt man dies, dann steht man methodisch grundsätzlich auf dem Boden des Idealismus, wie Kant ihn schöpferisch angebahnt hat. Von dieser Einstellung bin ich in der Arbeit über das Geistproblem ausgegangen. Es ist der idealistische, transzendentale Gesichtspunkt der Erfahrung, der hier in Bewegung gesetzt wird.“³¹⁹ Auf der anderen Seite betonte Schaeder die tiefe Distanz zwischen dem Idealismus und der Theologie überall da, wo jener von einer souveränen Geisteswirkung des Gottes der Offenbarung auf den endlichen Geist absah bzw. auch nicht mit der Möglichkeit dieses Glaubensgedankens rechnete oder wo „mystisch-pantheisierend“ eine naturhaft-wesensmäßige Einheit von Gottesgeist und endlichem Geist vertreten wurde. Außer theologischen Prinzipienfragen – er wandte sich neben den soeben erwähnten Fragestellungen z. B. auch der Verhältnisbestimmung von Theologie und Wissenschaft oder der Unterscheidung von Theologie und Religionswissenschaft zu – erörterte Schaeder desweiteren das Wesen des Heiligen Geistes sowie das Verhältnis des Geistes zu Gott, zu Christus, zum Wort, zur Heiligen Schrift und zu den Sakramenten. Nach einer Betrachtung der Wirkungen des Heiligen Geistes schloss Schaeder seine Monographie mit einer Darlegung des Verhältnisses von Geist und Natur, Geist und Seele sowie Geist und Geschichte.³²⁰

4.4 Die Neuauflagen der Theozentrischen Theologie Auch in den beiden Bänden seiner Theozentrischen Theologie, welche 1925 und 1928 in einer dritten bzw. zweiten Auflage publiziert wurden, fand die Beschäftigung mit der dialektischen Theologie ihren deutlichen Niederschlag. Hatte Schaeder bereits die 1916 erschienene zweite Auflage des ersten Bandes um Abschnitte über Wilhelm Dilthey und Karl Heim erweitert, so traten nun in der 1925 veröffentlichten dritten Auflage längere Ausführungen über die Theologie Karl

 AaO., .  Selbstdarstellung, .  AaO.,  ff.

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4 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Breslau

Barths hinzu. Abgesehen von kleineren Umarbeitungen erfuhr damit der erste Band in seinen Neuauflagen v. a. eine mehrere Abschnitte zählende Erweiterung, welche den Charakter des Buches aber nicht veränderte.³²¹ Anders verhielt es sich mit dem zweiten, Wilhelm Lütgert erneut gewidmeten Band seiner Theozentrischen Theologie: Der ersten Auflage von 1914 gegenüber bezeichnete Schaeder die 1928 erschienene Neuauflage als eine „völlig neue Arbeit“, welche nur einen kürzeren Abschnitt und selbst diesen nicht unverändert übernommen habe. „Alles andere“, so Schaeder im Vorwort zur zweiten Auflage, „ist ein neuer Entwurf“.³²² Schaeder reagierte damit u. a. auf die inzwischen veränderte theologische Situation³²³ sowie auf Beanstandungen, welche die erste Auflage z. B. im Blick auf die Rechtfertigungslehre erfahren hatte. Das „Moment der Rechtfertigung“ war dabei nach Schaeders Begründung deshalb zurückgetreten, weil er gegenüber einem soteriologisch bzw. christozentrisch verengten Gottesbild, wie er es in der lutherischen Theologie des 19. Jahrhunderts zu erkennen glaubte, den Gott der Offenbarung hatte zur Geltung bringen wollen: „So behielten nicht die Begriffe Heil, Rechtfertigung, Für uns Gottes die Führung in meinem Entwurfe; sie traten diese an die Begriffe Majestät, Herrenmacht, Recht, Gericht Gottes und unser Für Gott ab. Der Gedanke der Selbstbehauptung Gottes der Welt, der Geschichte, der Sünde gegenüber, des Gottes, der doch selbstverständlich auch der Gott des Heils und der Vergebung und Rechtfertigung ist, hob sich mir in die Höhe. Es handelt sich eben um ein theologisches Korrektiv.“³²⁴ Der darin zum Ausdruck kommende Bezug zur theologischen Lage der Gegenwart machte dann aufgrund der veränderten Situation in der Neuauflage eine Korrektur des Korrektivs nötig, welche Schaeder wie folgt beschreiben konnte: „Ich halte an dem Theozentrismus fest, aber ich verändere in unterscheidbarer Hinsicht seine Struktur. Der erste Entwurf hatte aus dem berechtigten Gegensatz gegen die reine oder entschlossene Heils- bzw. Rechtfertigungstheologie heraus zur Überordnung der Herrenmajestät Gottes und ihrer lebendigen Äußerungen über die Gnade Gottes geführt. Das ‚Für Gott‘ hatte in diesem Entwurf die Leitung. Es handelt sich aber darum, das Miteinander des ‚Für Gott‘ und des ‚Gott für uns‘ in allen Elementen der Theologie des Glaubens durchzuführen. Der Glaube ist Heilsglaube. Doch indem er das ist, steht der Glaubende, nicht nur in bezug auf

 Theozentrische Theologie  (), IV ff. Vgl. auch Weber, Rezension, .  Theozentrische Theologie  (), VI.  Religionswissenschaftliche Betrachtungen bildeten im Jahre  nach Schaeders Angaben nicht mehr „wie bis zum Ausbruch des Weltkrieges, einen Brennpunkt des theologischen Interesses. Wir wissen längst“, so Schaeder weiter, „daß dieses heute den Problemen: Glaube, Geist Gottes und Wort zugewendet ist“. Siehe: Theozentrische Theologie  (), .  Theozentrische Theologie  (),  f.

4.4 Die Neuauflagen der Theozentrischen Theologie

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sein Heilsverhältnis zu Gott, seine Rechtfertigungsgemeinschaft mit Gott, sondern in allen seinen Lebenstrieben und in seinem Zusammenhang mit seiner Welt unter der absoluten Herrschaft Gottes. Und der Nichtglaubende steht ebenso unter ihr. Hiervon ein durchgeführtes und begründetes objektiv-subjektives Bild zu geben, ist Aufgabe der Theologie.“³²⁵ In diesem Zusammenhang wies Schaeder auch darauf hin, dass die hier geforderte Gleichordnung von göttlicher Majestät und Liebe bereits in seiner Arbeit über das Geistproblem vollzogen worden sei.³²⁶ Hatte Schaeders Entwurf einer Theozentrischen Theologie inhaltlich also v. a. durch die Wendung gegen eine reine Heilstheologie oder Gnadentheologie Bedenken hervorgerufen, so erregte der erste Entwurf darüber hinaus auch methodisch Anstoß, weil in ihm nicht der wortgebundene christliche Heilsglaube zum alleinigen Erkenntnisprinzip der Theologie erhoben worden war.³²⁷ Der Glaube wurde – so Schaeders späteres Urteil über die Erstauflage – „prinzipiell als das durch Gottes Machtgeist vermittelte Erfaßtsein der Seele von Gottes unentrinnbarer Machtmajestät und als das trauende persönliche Haften an ihr oder Bejahen derselben aufgefaßt. Andere Elemente des Glaubens schieden vorerst aus. Dieser Gottesglaube wurde dann in Beziehung gesetzt zur Welt, d. h. zur Natur und Geschichte. Dabei bildete den krönenden Schluß sein Zusammentreten mit dem Christus der Geschichte. Und nun wurde entwickelt, […] wie der Gott der Majestät im Glauben und für den Glauben zum Schöpfer, zum Gott der Ordnung, zum Gütigen und Weisen, zum Herrlichen, zum Heiligen, zum Gott der Liebe oder der Gnade wird. In der Form dieser Verknüpfung der innersten oder elementaren Glaubensgewißheit mit den wechselnden und reichen Elementen der Welterfahrung bis zum Christus der Geschichte hin […] sollte schrittweise der Vollbegriff des Gottesglaubens, der abschließend als Christusglaube erschien, gewonnen oder gesichert werden.“³²⁸ Auch wenn diesem Gesamtbegriff des Glaubens inhaltlich nichts fehlte, so hatte der konstruktive Zug – Schaeder konnte auch von einer „Philosophie des Glaubens“ reden – doch zu Kritik Anlass gegeben.³²⁹ Bedenken erhoben sich so z. B. gegen die methodische Isolierung des Moments der Machtmajestät Gottes und dessen unhaltbare Überordnung über alle anderen Elemente des Glaubens. „Außerdem wird“, so Schaeders eigenes Urteil über das methodische Verfahren der ersten Auflage, „bei aller grundsätzlichen Anlehnung des Glaubens an das Wort doch die durchgehende Geltung für den Glauben durch die Auffassung lä-

    

AaO.,  f. AaO., . AaO., . AaO., . AaO., .

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4 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Breslau

diert, daß dem Glauben sein voller und allseitiger Inhalt erst aus der Beobachtung der Welt und ihrer Verknüpfung mit einem isolierten Grundelement des Glaubens oder des Wortes erwächst. So muß demnach das konstruktive Schema der ersten Auflage […] aufgegeben werden. M. a. W., der Offenbarungsbegriff muß eine andere Haltung gewinnen. Im Interesse einer rechtverstanden restlosen Durchführung einer Theologie des Wortes (und des Geistes) gebe ich dem, was ich theozentrische Theologie nenne, eine andere Struktur.“³³⁰ An das Evangelium hat sich demnach die Theologie zu halten; es ist für den Theologen der Boden seiner Wissenschaft. Das damit angesprochene Evangelium wollte Schaeder allerdings als das theozentrische verstanden wissen, denn „[d]as Evangelium ist das Zeugnis von dem Gott, der sich in Christus der Welt der Sünder restlos, absolut in versöhnender Liebe oder rechtfertigender Gnade mitteilt, der aber zugleich an Christus und in Christus der Welt gegenüber die unbedingte majestätische Selbstbehauptung vollzieht. […] Indem die Theologie in diesem Evangelium das Mittel der Selbstoffenbarung Gottes vor sich sieht, hat sie es allerdings, wie ich jetzt der ersten Auflage gegenüber ändernd bemerke, immer irgendwie mit Christus zu tun. Aber an Christus erscheint ihr nicht bloß der Gott des Heils, der in der Form des Heilsvertrauens, der fiducia, faßliche Gnadengott; an Christus erscheint ihr auch der Gott der Majestät, der schöpferischen und heiligen Machtwirkung, der Gott des Geheimnisses und der Ferne. Das Theozentrische in bezug auf den Offenbarungsbegriff rückt jetzt also die Christustatsache oder das Wort von Christus nicht mehr an das Ende oder auf die letzte Höhe der Betrachtung. Diese Tatsache gehört nunmehr von Anfang an in die Fassung des Offenbarungsbegriffs hinein.“³³¹ Zusammenfassend kann deshalb festgehalten werden: Eine Gotteserkenntnis des Glaubens, wie Schaeder sie in der ersten Auflage vorgetragen hatte und „die sich bis zu einem bestimmten Punkte abseits von Christus, d. h. abseits von der Offenbarung der göttlichen Gnade“ gehalten hatte, sah Schaeder im Blick auf die zurückliegende Zeit zwar als ein notwendiges Korrektiv an, erkannte aber auch,  AaO., . Bereits in der  erschienenen Schrift „Das Geistproblem der Theologie“ war dieser Wandel in methodischer Hinsicht vollzogen worden. Auch im Aufbau der zweiten Auflage des zweiten Bandes sollte sich dann die neue Struktur niederschlagen: Nach einer Einführung behandelte Schaeder zunächst im Kapitel „Die Offenbarung Gottes“ den Glauben als Ausgangspunkt der Theologie, die Mystik des Glaubens, die natürliche Anlage für den Glauben, die Verhältnisbestimmung von Theologie und Religionsgeschichte sowie den Wahrheitscharakter der Theologie. Unter der Überschrift „Gott und der Glaube“ wendete er sich dann im dritten und letzten Kapitel dem lebendigen Gott (mit den Unterpunkten „Der Gott der Geschichte“, „Der Christus Gottes“ und „Der Gott der Natur“) sowie dem theozentrischen Glaubensbegriff zu.  AaO.,  f. Die inhaltliche und die methodische Seite des Entwurfes stehen damit, wie Schaeder aufzeigte, in einem Verhältnis wechselseitiger Harmonie.

4.5 „Das Wort Gottes“ und die „Glaubenslehre für Gebildete“

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dass die Anwendung dieses Korrektivs zu einer Verschiebung des Offenbarungsbegriffes geführt hatte.³³² Als das entscheidende Moment im Offenbarungsbegriff stellte Schaeder deshalb in der 14 Jahre später erschienenen zweiten Auflage das Wort, d. h. „das Evangelium von Gott und seinem Christus“, heraus.³³³ Trotz der erwähnten Korrekturen an dem in der Erstauflage gebotenen Entwurf einer theozentrischen Theologie wollte Schaeder aber von einem Rückzug in inhaltlicher und methodischer Hinsicht nicht reden: „Es bleibt dabei, daß diese Theologie nichts von einem gegenständlichen Gott menschlicher Denkoperationen weiß. Es bleibt dabei, daß ihr im Glauben Gott das schlechterdings beherrschende Prinzip ist, der Mensch dagegen das beherrschte. Es bleibt dabei, daß der Heils- oder Gnadencharakter Gottes oder die Christustatsache den unbedingten Herren- oder Machtcharakter Gottes nicht aufhebt, daß mit dem ‚Gott für uns‘ uneingeschränkt ‚unser für Gott gilt‘. Es bleibt bei der Glaubensspannung zwischen dem in Christus bekannten und dem unbekannten Gott, zwischen der Nähe und Ferne Gottes. Das alles wird nur – im Unterschied zur ersten Auflage – durchgeführt an einem Wort, das immer Evangelium ist und immer von Christus handelt. Aber dies Evangelium wirkt den Glauben durch die majestätisch freie Macht des göttlichen Geistes, und es sichert Gott im Glauben seine von aller menschlichen Bedingtheit freie Herrenstellung. Das ist das Theozentrische in der Theologie.“³³⁴

4.5 „Das Wort Gottes“ und die „Glaubenslehre für Gebildete“ In noch stärkerem Maße als z. B. in der Neuauflage des zweiten Bandes seiner Theozentrischen Theologie, in der er sich besonders mit Karl Barth³³⁵ und Emil Brunner auseinandergesetzt und u. a. deren Geistverständnis kritisiert hatte,³³⁶ befasste Schaeder sich dann 1930 in einer systematischen Untersuchung über das

 AaO., .  Ebd.  AaO., .  Mit Karl Barths Dogmatik I hatte sich Schaeder allerdings nicht mehr auseinandersetzen können. Vgl. Theozentrische Theologie  (), VII.  Nach Schaeder ließ Barth z. B. den Faktor des Geistes Gottes deutlich zurücktreten: „D. h. davon, daß der Geist durchs Wort den Gott und Christus der Bibel uns im Glauben zu einer beherrschenden und seelisch gestaltenden Potenz unseres Innenlebens macht, und daß wir nur von […] diesem sog. ‚Haben‘ Gottes oder Christi aus das Bibelwort in seinem Wahrheitsgehalt und Wahrheitsumfang zu erfassen bzw. sichten vermögen“, zeigte Barth sich wenig berührt. Siehe: Theozentrische Theologie  (), . Vgl. unten z. B.  ff;  ff. Auch bei Brunner stellte Schaeder einen Vollbegriff des Heiligen Geistes und einen Vollbegriff der Gnade Gottes in Abrede, weil dieser eine „Glaubensmystik“ abgelehnt hatte. Vgl. Theozentrische Theologie  (), .

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4 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Breslau

„Wort Gottes“³³⁷ mit der von der dialektischen Theologie aufgeworfenen Problematik des Wort- und Offenbarungsverständnisses. In dieser Untersuchung, welche als größere Arbeit den drei Bänden seines Hauptwerkes³³⁸ nachfolgte, zog er die Linien seiner „pneumatischen Theologie“ aus,³³⁹ vermied aber durch eine abgeklärte Gedankenführung Missverständnisse, die v. a. sein Buch „Das Geistproblem der Theologie“ immer wieder hatte hervorrufen können. Ohne sich noch mit den theologischen Traditionen des 19. Jahrhunderts auseinandersetzen zu müssen, konnte er sich nun ganz auf Karl Barth, insbesondere aber auf Friedrich Gogartens Schriften „Ich glaube an den dreieinigen Gott“ (1926) und „Glaube und Wirklichkeit“ (1928) einlassen.³⁴⁰ Blieb Gogarten nach Schaeder bei aller Betonung der Inkarnation zu stark bei einem „rein innergeschichtlichen Verständnis des Wortes Gottes und der Kirche dieses Wortes“ stehen, so wies Barth nach Schaeder das Wort Gottes „mit einem übersteigerten Objektivitätsstreben“ möglichst ganz aus der Geschichte hinaus und klammerte das menschliche Element ganz aus.³⁴¹ Gegenüber beiden Einseitigkeiten betonte Schaeder deshalb „die wortvermittelte Synthese des Geistes Gottes mit unserem Geiste im Glauben, bei welcher der Geist Gottes wahrlich uns gegenüber der Andere, der zutiefst Unterschiedene bleibt, aber nicht […] der von uns Geschiedene“.³⁴² In einem Nachwort faßte Schaeder dann den inhaltlichen Ertrag der Untersuchung wie folgt zusammen: „[D]as Entscheidende am Worte Gottes, das, was ihm seine Wirklichkeit und Wahrheit verleiht, das ist nicht das Geschichtliche an ihm, nicht das den Sinnen und der Vernunft Zugängliche, jenes Diesseitig-Objektive, so unbedingt dies zum Worte gehört. Das Entscheidende ist der mit dem Menschlich-Geschichtlichen unlöslich geeinte machtvoll-heilige Liebesgeist Gottes,welcher der Geist Jesu Christi ist. Er ist es, der den Wortglauben wirkt; er schafft die Kirche des Wortes; er macht sie, sofern dieser Gottesgeist in ihr wirkt, in der Form des Glaubens und der Liebe zur Stätte der Herrschaft Gottes. Er scheidet die Kirche des Wortes von der Welt. Und er gibt ihr in und mit dem Worte den Auftrag für die Welt, durch dessen Ausrichtung in der Form des Stückwerks sie immer wieder hinweist auf das Vollendete, welches kommt, das Vollendete, welches  Das Wort Gottes. Eine systematische Untersuchung, Gütersloh .  Theozentrische Theologie , Theozentrische Theologie , Geistproblem.  Die theozentrische Theologie umschließt nach Schaeder das Geistproblem als seine Hauptfrage. Man verlässt deshalb, so Schaeder, „die klare Linie nicht […], wenn man die theozentrische Theologie, die nichts anderes will, als den lebendigen Gott der Offenbarung als die schlechthin beherrschende Größe im Glauben zur Geltung zu bringen, Geisttheologie, pneumatische Theologie, nennt“. Siehe: Wort Gottes, .  Goertz, Geist, .  Koepp, Rezension,  f.  Wort Gottes, .

4.6 Vortragstätigkeit und Engagement im kirchlichen Bereich

75

Gericht über alles Sündige in der Welt, zugleich aber die erneuernde Vollendung der Welt ist. So haben Kirche und Welt nichts Größeres, nichts Wichtigeres als dies geistgeeinte Wort. Und die Kernfrage der Theologie ist die Frage nach dem Geist, aber nach dem Geist, der beim Wort ist.“³⁴³ Eine Monographie zur Ethik, entwickelt unter dem Gesichtspunkt des Theozentrischen sowie unter Führung des Geistgedankens, hätte Schaeder noch gerne geschrieben.³⁴⁴ Doch die 1933 erschienene „Glaubenslehre für Gebildete“ sollte Schaeders letztes größeres Werk sein. In diesem nicht für das theologische Fachpublikum verfassten dogmatischen Entwurf ³⁴⁵ wollte Schaeder von der Einsicht aus, dass der Glaube als Gottes Wille an alle Menschen und damit inhaltlich als die entscheidende Wahrheit zu beurteilen ist, den Gebildeten³⁴⁶ aufzeigen, was den Glauben ausmacht. Zu dieser Sachlage trat als weiterer Beweggrund für die Entstehung dieser Arbeit noch „die besondere Situation“, in der sich nach Schaeders Dafürhalten damals zahlreiche Gebildete befanden: Im Blick auf den christlichen Glauben meinte Schaeder zum einen eine weitreichende Unkenntnis³⁴⁷ sowie zum anderen veraltete Betrachtungsweisen³⁴⁸ unter den Gebildeten seiner Zeit ausmachen zu können.³⁴⁹ Mit der inhaltlich seine Hauptwerke aufgreifenden Monographie wollte er den Missständen der damaligen Zeit begegnen. Schaeders Bemühen um die Gebildeten fand damit am Ende seines Schaffens einen klar verständlichen und zusammenfassenden Abschluss.

4.6 Vortragstätigkeit und Engagement im kirchlichen Bereich Wie zuvor in Kiel, so wandte sich Schaeder auch während seiner gesamten Breslauer Wirksamkeit immer wieder durch Vorträge und kleinere Veröffentlichungen an die „verschiedensten religiös und theologisch interessierten Krei-

 AaO., .  Selbstdarstellung,  f.  Nach Schaeder „ist jede wirkliche Dogmatik nichts anderes als eine Glaubenslehre“. Siehe: Glaubenslehre, . Vgl. auch Ruf, Rezension, .  Welche Menschengruppe mit den Gebildeten gemeint war, erörterte Schaeder nicht, sondern ließ den Begriff bewusst in seiner Unbestimmtheit: „Ein Buch schafft sich seinen Leserkreis, auch ein theologisches. Man kann ihm den nicht von vornherein fixieren“. Siehe: Glaubenslehre, .  Die Unkenntnis im Blick auf den Glauben versuchte Schaeder auch mit dem Hinweis auf den Einfluss des Rationalismus und des Idealismus einsichtig zu machen.  Dazu zählte Schaeder z. B. die Verbalinspiration, ein „äußerlich autoritatives“ Kirchenverständnis oder veraltete Auffassungen über den Sühnetod Jesu.  Vgl. Glaubenslehre,  ff.

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4 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Breslau

se“.³⁵⁰ Waren z. B. 1920/21 kleinere Arbeiten über die religiösen Strömungen der Gegenwart, über den Weltanschauungskampf der Gegenwart oder – unter dem Titel „Wege in unsichtbare Welt“ – ein auf der 29. Allgemeinen Deutschen Christlichen Studentenkonferenz gehaltenes Referat erschienen,³⁵¹ so vereinigte der 1922 publizierte Sammelband „Öffentliches Leben und Glaube“ fünf Reden bzw. Vorträge aus den Jahren 1917– 1921.³⁵² Eher fachwissenschaftlichen Charakter³⁵³ trugen wohl die Beiträge in der Zeitschrift für Systematische Theologie,³⁵⁴ in der Monatsschrift für Pastoraltheologie,³⁵⁵ in der Neuen Kirchlichen Zeitung,³⁵⁶ im Handbuch der Religionswissenschaft³⁵⁷ sowie in einer Festschrift für Adolf Schlatter.³⁵⁸ Die Reihe seiner kleineren Publikationen schloss Schaeder mit einer im Druck erschienenen Universitätsrede,³⁵⁹ einem an die deutsche akademische Jugend gerichteten Beitrag mit dem Titel „Der lebendige Gott als majestätische Wirklichkeit“,³⁶⁰ einer kleinen Würdigung Martin Kählers³⁶¹ sowie v. a. mit vier  Selbstdarstellung,  f.   veröffentlichte Schaeder den Aufsatz „Das Evangelium und die religiösen Strömungen der Gegenwart“ und  in der Allgemeinen Evangelisch-Lutherischen Kirchenzeitung das Referat „Das Christentum im Weltanschauungskampf der Gegenwart“. Der auf der Teilversammlung der . Allgemeinen Deutschen Christlichen Studentenkonferenz am . .  in Saarow gehaltene Vortrag erschien mit zwei weiteren Vorträgen von Karl Müller und Carl Stange  unter dem Titel „Der Herr ist Geist“.  Öffentliches Leben,  ff. Vgl. Schröder, Rezension.  Die Unterscheidung zwischen fachwissenschaftlicher und nicht fachwissenschaftlicher Literatur ist nur schwer zu treffen, da Schaeder auch den Inhalt der Arbeiten mit „nicht ausgesprochen fachwissenschaftlichem Charakter“ „strikt und streng“ von seinen theologischen Studien herleitete. Siehe: Selbstdarstellung, . Aufschluss darüber, wie Schaeder selbst die jeweiligen Arbeiten bewertete, dürfte eher das entsprechende Publikationsorgan geben.  Die Titel lauten: „Theologische Erinnerungen an den jüngeren Blumhardt“, in: ZSTh  (),  –  und „Die Geistfrage in der neueren Theologie“, in: ZSTh  (),  – .  Das in MSPTh  (),  –  veröffentlichte Referat mit dem Titel „Die Mystik des Glaubens“ hatte Schaeder vor der theologischen Fachschaft der Universität Göttingen gehalten.  In NKZ  (),  –  wurde ein im Oktober  auf der Westfälischen Weltanschauungswoche in Gelsenkirchen gehaltenes Referat mit dem Titel „Der Herzpunkt der neutestamentlichen Kirchenauffassung“ abgedruckt.  In dem von Johannes Leipoldt herausgegebenen Handbuch der Religionswissenschaft befasste sich Schaeder im . Abschnitt mit der theologischen Lage der Gegenwart.  Für die Adolf Schlatter zum . Geburtstag gewidmete Festschrift „Aus Schrift und Geschichte“ verfasste Schaeder einen Beitrag mit dem Titel „Der Hauptpunkt der Theologie“.  Das Thema der aus Anlass der Verfassungsfeier der Universität und der Technischen Hochschule Breslau am . Juli  gehaltenen Rede lautete: „Universität und Reichsverfassung“.  Der lebendige Gott,  ff. Dieser Beitrag wurde in dem von Georg Muntschick  herausgegebenen Werk „Der Student vor Gott“ veröffentlicht.  Martin Kähler,  – . Darin würdigte Schaeder Martin Kähler als Erzieher fürs geistliche Amt.

4.6 Vortragstätigkeit und Engagement im kirchlichen Bereich

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Aufsätzen, welche zwischen 1928 und 1931 in den „Beiträgen zur Förderung christlicher Theologie“³⁶² veröffentlicht wurden. Als Indiz für Schaeders Engagement im kirchlichen Bereich können seine im Evangelischen Kirchenblatt für Schlesien erschienenen Beiträge gelten.³⁶³ Sie zeigen seinen hohen Anspruch, den er an die kirchlich interessierte Öffentlichkeit stellte und weisen zugleich darauf hin, wie schnell Schaeder in der Schlesischen Kirche Fuß zu fassen vermochte. Hatte er bereits schon zu Beginn seiner Breslauer Wirksamkeit einen außerordentlichen großen Einfluss auf das universitäre Leben und auf die eng mit der Kirche verbundenen theologischen Fakultät gewonnen – dies zeigte sich z. B. an seiner mehrjährigen Mitgliedschaft im akademischen Senat und an der Übernahme des Rektoren- und Prorektorenamtes der Universität³⁶⁴ – so sollte er dann auch in kirchlichen Leitungsgremien eine rege Tätigkeit entfalten: Er gehörte der Kommission für die evangelisch-theologischen Prüfungen an³⁶⁵ und wirkte darüber hinaus mehrere Jahre als nebenamtliches Mitglied im Evangelischen Konsistorium der Provinzen Nieder- und Oberschlesien mit.³⁶⁶ Schaeder war es dann auch, der sich nach dem Fortfall des obrigkeitlichen Summepiskopats rege an der notwendigen Neuorganisation der preußischen

 Die Titel lauten: „Der Pfarrer und die gegenwärtige Lage der Theologie“, in: BFChTh / (),  – ; „Gedächtnisrede auf Hermann Cremer“, in: BFChTh / (),  – ; „Der Gott des Wortes und die Mission“, in: BFChTh / (),  –  sowie „Für und wider die Geschichte“, in: BFChTh / (),  – . Zu letzterem vgl. auch Pröhle, Rezension, .  Die genauen Titel der erschienenen Beiträge lauten: „Abendmahlsdogma und Abendmahlsfeier“, in: EKBSchl  (),  – ; „Das Bekenntnis zum heiligen Geist und die kirchliche Lage der Gegenwart“, in: EKBSchl  (),  – .  – .  – ; „Vergessene Lehren der evangelischen Kirche“, in: EKBSchl  (),  – .  – ; „Schleiermacher“, in: EKBSchl  (),  – .  –  und „Kant“, in: EKBSchl  (),  – . Darüber hinaus konnten noch zwei weitere Beiträge mit den Titeln „Glaube und Bibel“, in: EKBSchl  (),  – .  –  und „Wie denken wir uns den Kandidaten der Theologie?“, in: EKBSchl  (),  –  im „Archiv der Gemeinschaft evangelischer Schlesier“ durch Herrn Dietmar Neß ausfindig gemacht werden.  Vgl. Personalverzeichnis Breslau (WS / – WS /) und Vorlesungs- und Personalverzeichnis Breslau (SS  – WS /).  Als einer der beiden Vertreter der theologischen Fakultät gehörte Schaeder neben Prof. Steinbeck ab dem Sommersemester  der Kommission an. So zumindest die Angaben im Personalverzeichnis.Vgl. z. B. Personalverzeichnis Breslau (SS ). Über die Mitarbeit Schaeders in der Prüfungskommission schrieb Martin Schian, ab . Juli  Generalsuperintendent des Sprengels Liegnitz: „Auch bei den Prüfungen hemmte sein schlechtes Gehör nicht wenig; die Kandidaten hatten aber keinen Nachteil davon, da seine Herzensgüte die Antwort oft zum Besten kehrte.“ Siehe: Schian, Kirchliche Erinnerungen, .  Schaeder war nebenamtliches Mitglied vom . September  bis zum . April . Vgl. Schwarz, Die Ev. Theol. Fakultät,  f; Kirchliches Amts-Blatt  (),  und Kirchliches AmtsBlatt  (), .

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Landeskirche beteiligte. Die grundlegende Neuordnung der aus acht Provinzialkirchen bestehenden preußischen Unionskirche sollte dabei durch eine aus Wahlen hervorgegangene „Verfassungsgebende Kirchenversammlung“, oft kurz auch „Konstituante“ genannt, erfolgen.³⁶⁷ Für die Wahl der schlesischen Vertreter zur Verfassungsgebenden Kirchenversammlung mussten dabei Vorschlagslisten aufgestellt werden. Die vier kirchenpolitischen Gruppen Schlesiens hatten sich dabei diesbezüglich schon im Oktober 1920 auf eine Einheitsliste verständig, welche – benannt nach dem ersten auf ihr genannten Namen – als „Wahlvorschlag Kraeusel“ veröffentlicht wurde.³⁶⁸ „[U]nmittelbar vor Torschluß, am 27. Mai“,³⁶⁹ fand diese Einheitsliste dann in einem zweiten Wahlvorschlag „D. Schaeder“, im Evangelischen Kirchenblatt auch als die „unparteiische Liste des Liegnitzer Ausschusses“ bezeichnet, ihre Konkurrenz.³⁷⁰ Als Motiv für die Aufstellung dieser zweiten Liste wurde dabei angeführt: „Wir wollen verhüten, daß die Bestimmung über die weitere Stellung der Kirche im öffentlichen Leben unseres Volkes in die Hände einiger weniger Parteiführer gerät.“³⁷¹ In einer kurzen Stellungnahme im Evangelischen Kirchenblatt für Schlesien führte Schaeder darüber hinaus an, dass man nichts anderes wolle, „als den Eindruck wehren, als ob die kirchenpolitischen Parteien die Vertretung der Kirche und ihrer Interessen bilden“. Dabei betonte Schaeder allerdings: „Derartige Parteien oder Gruppen müssen sein und werden sein. Aber die Kirche in der Fülle und Vielseitigkeit ihres Lebens ist noch etwas sehr anderes als sie. Wir wollen dazu beitragen, daß auf der Versammlung, welche den Verfassungsbau der Kirche herstellen soll, diese Kirche deutlicher, umfassender zu Worte kommt, als es der Fall sein würde, wenn nur die Wahlliste der Parteien vorläge. Wir wollen, daß die Wahl eine wirkliche Wahl wird.“³⁷² Schaeder sprach sich damit gegen die Alleinherrschaft kirchenpolitischer Gruppen, für eine wirkliche Wahl, gegen eine Bevormundung der Wähler und für eine freie, mündige Gemeinde aus.³⁷³ Die Wahlen selbst ergaben schließlich für den

 Neß, Die kirchenpolitischen Gruppen Schlesiens,   AaO.,  ff und Neß, Die kirchenpolitischen Gruppen der Kirchenprovinz Schlesien,  ff.  LuL  (), .  EKBSchl  (), . Vgl. auch Neß, Die kirchenpolitischen Gruppen Schlesiens,  u. ders., Die kirchenpolitischen Gruppen der Kirchenprovinz Schlesien,  ff. Nach den Angaben im evangelischen Wochenblatt „Licht und Leben“ vereinigte die „Mischliste“ Schaeder „ganz verschiedene Namen: Positive, Mittelparteiler, Liberale“. Siehe: LuL  (), .  EKBSchl  (),  f sowie LuL  (),  f u. .Vgl. Neß, Die kirchenpolitischen Gruppen Schlesiens, .  EKBSchl  (), .  Auch Schaeders enger Freund und Schwager Wilhelm Lütgert konnte sich in der Mitteldeutschen Zeitung im gleichen Sinne äußern: „Indem die Einheitsliste von Mitgliedern der bisherigen Synode privatim und vertraulich verabredet ist, und als einzige Liste der Provinz vorge-

4.6 Vortragstätigkeit und Engagement im kirchlichen Bereich

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Wahlvorschlag D. Schaeder 13694 und für den Wahlvorschlag Kraeusel 23168 gültige Stimmen sowie acht bzw. dreizehn in die Verfassungsgebende Kirchenversammlung nach Berlin entsandte Mitglieder. Zu denen, welche dann an der Konstituante teilnahmen, gehörte auch Schaeder, der – die Platzverteilung der schlesischen Mitglieder erfolgte gemäß der kirchenpolitischen Zugehörigkeit – bei der Positiven Union saß.³⁷⁴ Bezüglich zweier umstrittener Grundsatzfragen lässt sich Schaeders Mitarbeit auch inhaltlich greifen: Im Konflikt um den Bekenntnisstand in der Verfassungspräambel konnte Schaeder zwar dem Vorschlag der „Vereinigten Rechten“, welcher einen inhaltlichen Bezug auf Jesus Christus, den Sohn Gottes, den Gekreuzigten und Auferstandenen, sowie eine genaue Benennung der reformatorischen Bekenntnisschriften forderte, zustimmen, wollte dies aber nicht als eine „juristische Bindung“ verstanden wissen.³⁷⁵ Neben diesem Streit über die Verfassungspräambel, welcher über die Kirche hinaus an die allgemeine Öffentlichkeit drang und sogar die Politik beschäftigte, kam es auch über die Bischofsfrage zu langwierigen Verhandlungen. So wünschten Positive und Lutheraner den Bischofstitel für die preußischen Generalsuperintendenten, um deren Autorität im Sinne geistlicher Führung zu betonen.³⁷⁶ Auch Schaeder, der in den Ausschuss zur „Prüfung der sogenannten Bischofsfrage“ gewählt worden war, setzte sich z. B. in der Aussprache vom 22. September 1922 auf der Generalsynode nachdrücklich für die Durchführung des Bischofsgedankens in der Kirchenverfassung ein.³⁷⁷ Die Vertreter der Mitte, der Liberalen und der Reformierten aber

schlagen wird, werden die Wähler bevormundet. Es gibt in den verschiedensten Kreisen der Gemeinden viele, die sich gegen jede Bevormundung durch die Regierung der Kirche oder die Leitung der Synode auflehnen. Mögen sie auch gegen die Namen, die ihnen vorgelegt werden, an sich nichts einzuwenden haben, sie fühlen sich als Unmündige behandelt, die gegängelt werden sollen und verlieren deswegen jedes Interesse an einer Wahl, auf die sie keinerlei Einfluß haben. […] Die Freiheit der Gemeinden muß gewährt werden, selbst auf die Gefahr hin, daß daraus Streitigkeiten entstehen, die unbequem sind.“ Zitiert nach LuL (),  f (Hervorhebungen gestrichen).  Neß, Die kirchenpolitischen Gruppen Schlesiens,  f u. ders., Die kirchenpolitischen Gruppen der Kirchenprovinz Schlesien,  ff. Eine Übersicht über die Wahlergebnisse ist auch abgedruckt in LuL  (), . Zum kirchlichen Parteiwesen in Preußen vgl. auch Besier, Kirchenverfassung,  – .  Schwarz, D. Erich Schaeder, . Vgl. zu den unterschiedlichen Positionen im Streit um die Präambel Lessing, Bekenntnis,  ff.  Die Fronten gingen nach Lessing quer durch die Parteien. Doch saß die Mehrheit der Befürworter bei den Rechten, die Gegner bei den Linken. Vgl. Lessing, Bekenntnis, .  Vgl. Göbell, Kirche, Recht und Theologie,  u.  f.

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4 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Breslau

lehnten dieses Ansinnen – obwohl damit keine Vergrößerung der Amtsbefugnisse verbunden war – v. a. aus historischen Gründen ab.³⁷⁸ Eng mit dem Ende des Landesherrlichen Kirchenregiments und mit dem daraus resultierenden Konflikt um die Stellung der Kirche im demokratischen Staat hing auch Schaeders Engagement im schulpolitischen Bereich zusammen. Mehr als zehn Jahre übernahm er deshalb den Vorsitz des neugegründeten „Schlesischen Provinzialverbandes evangelischer Eltern- und Volksbünde“³⁷⁹, welcher den evangelischen Volksteil zu mobilisieren und auf die Wahrnehmung öffentlicher Verantwortung im Ringen um das Reichsschulgesetz vorzubereiten suchte.³⁸⁰ Auch wenn diese Aufgabe ein großes Maß an Zeit und Kraft in Anspruch nahm, so betätigte Schaeder sich darüber hinaus auch im Christlichen Verein Junger Männer und im Vorstand des Schlesischen Jungmännerbundes, in der Vereinigung evangelischer Akademiker, in der Kirchlich-sozialen Frauengruppe und im Deutsch-Evangelischen Frauenbund, in den Bibelkreisen höherer Schüler und Schülerinnen und in der Breslauer Stadtmission.³⁸¹ Solange Schaeder im Süden Breslaus wohnte – erst 1929 zog er in das im Osten Breslaus gelegene Neubaugebiet Zimpel um – zählte er auch zum Leitungsgremium der Johannesgemeinde.³⁸² Im Blick auf Schaeders Wirksamkeit in Schlesien konnte der Breslauer Generalsuperintendent Otto Zänker deshalb pointiert formulieren: „Ein Theologieprofessor als Mann der Kirche“.³⁸³

 Vgl. Hauschild, Lehrbuch ,  ff; Lessing, Bekenntnis,  ff u. Besier, Kirchenverfassung,  f.  EPS-Broschüre,  u. . Neben seiner Tätigkeit als Vorsitzender des Provinzialverbandes übernahm Schaeder auch den Vorsitz des Evangelischen Elternbundes an Lyzeen. Immer wieder meldete sich Schaeder deshalb bei Schulfragen öffentlich zu Wort. So z. B. in einem kurzen Artikel im Evangelischen Kirchenblatt, in dem Schaeder sich kritisch mit den „Richtlinien zur Aufstellung von Lehrplänen für die oberen vier Jahrgänge der Volkschule in Preußen“ auseinandersetzte. Diese Richtlinien, welche „die Persönlichkeit Jesu als Halt und Führer für ein Leben in Gott und für Gott“ in den Mittelpunkt des gesamten Religionsunterrichts zu stellen beabsichtigten, wollte Schaeder durch den exakteren Hinweis auf die Mittlerstellung Jesu und seine weltversöhnende Bedeutung ergänzt wissen. Siehe: EKBSchl  (), .  Vgl. Schwarz, Pro Ecclesia,  bzw. Schwarz, Geschichte, .  Zänker, Theologieprofessor, .  Schwarz, D. Erich Schaeder, .  Zu Zänker vgl. Rahe, Otto Zänker,  ff. Zum guten Verhältnis zwischen Zänker und Schaeder dürfte u. a. auch beigetragen haben, dass Zänker wie Schaeder in Greifswald bzw. Halle studiert hatte und nach dem zweiten Examen drei Jahre lang Inspektor am Tholuck-Konvikt gewesen war.  und damit drei Jahre nach Schaeders Tod verfasste Zänker einen Artikel mit dem Titel „Ein Theologieprofessor als Mann der Kirche. Erich Schaeder und seine Wirksamkeit in Schlesien“, welcher im Jahrbuch des Vereins für Schlesische Kirchengeschichte erschien.

4.6 Vortragstätigkeit und Engagement im kirchlichen Bereich

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Als eine besondere, ihm persönlich zugewiesene Aufgabe betrachtete Schaeder dabei die Arbeit der Kirche an den Akademikern.³⁸⁴ Dazu dürften seine Mitarbeit bei den Salzbrunner Freizeiten, bei den religiös-wissenschaftlichen Freizeiten auf der Schwedenschanze,³⁸⁵ beim Breslauer Wingolf,³⁸⁶ bei Studentenkonferenzen und -freizeiten³⁸⁷ sowie v. a. auch sein Engagement in der Breslauer Deutschen Christlichen Studentenvereinigung (DCSV) zu zählen sein.³⁸⁸ Den prägenden Einfluss, welcher von Schaeder auf die Breslauer DCSV ausging, konnte Wilfried Hilbrig³⁸⁹ aus eigener Erfahrung dann wie folgt beschreiben: „Der größte DCSV-Kreis in Tübingen hatte in Adolf Schlatter und Karl Heim bedeutende Theologen jener Zeit, die er in besonderer Weise als ‚seine‘ Väter des Glaubens und Lehrmeister nennen durfte. […] Nun darf man wohl behaupten: Was Schlatter und Heim für Tübingen waren, das war Erich Schaeder für Breslau. Er gab dem Leben des Breslauer Kreises seine Tiefe und Wärme.“³⁹⁰ Trotz des weiten Spektrums seines kirchlichen Engagements und seines besonderen Einsatzes für den Provinzialverband und für die Arbeit der Kirche an den Gebildeten, blieb Schaeder doch stets im Tiefsten – erkennbar wurde dies auch an seinem Engagement in der DCSV – „Universitätslehrer und Studentenfreund“.³⁹¹ Was ihn dabei für Studenten so anziehend machte, war laut Schian seine „überaus freundliche Persönlichkeit“ und seine innere Teilnahme am Leben der Studenten. Außerdem sicherte ihm „die lebendige Wärme wie die lichtvolle Klarheit seines

 Zänker, Theologieprofessor, .  AaO.,  f. Unter den Referenten bei den „religiös-wissenschaftlichen Freizeiten“ im Hospiz „Schwedenschanze“ bei Oppeln war es nach Zänkers Aufzeichnungen „vor allem Schaeder, der unermüdlich zur Mitarbeit bereit war“. Siehe: Bunzel, Generalsuperintendent,  f.  Z. B. Wingolfsarchiv Hannover, Großer Semesterbericht des Breslauer Wingolf (SS ).  So hielt er z. B. auf der Konferenz christlicher Studentinnen in Marburg am . .  ein Referat über „Glaube und Bibel“ (abgedruckt in: EKBSchl  (),  – .  – ), auf der Teilversammlung der . Allgemeinen Deutschen Christlichen Studentenkonferenz in Saarow am . .  einen Vortrag mit dem Titel „Wege in unsichtbare Welt“ und auf der . Allgemeinen Christlichen Studententagung in Bad Saarow am . .  einen Vortrag über „Romantik, Realismus, Glaube“. Zusammen mit Generalsuperintendent Zänker leitete Schaeder in den Jahren  –  auch vier Studentenfreizeiten des lutherischen Vereins. Vgl. Neß, Die kirchenpolitischen Gruppen der Kirchenprovinz Schlesien,  f.  Vgl. Hilbrig,  Jahre Geschichte, .  ff.  Pfarrer i.R. Wilfried Hilbrig stellte mir freundlicherweise auch eine Abschrift der Erich Schaeder betreffenden Abschnitte seines Tagebuchs zur Verfügung. Sie bieten einen Einblick in Schaeders Wirksamkeit in der Breslauer DCSV. Zu Hilbrig und seinen Erfahrungen im „Kirchenkampf“ vgl. Hilbrig, Erfahrungen,  ff.  Hilbrig,  Jahre Geschichte,  f. Zu Schaeders Engagement im DCSV vgl. auch: Maluche, Festschrift Schaeder ().  Zänker, Theologieprofessor,  ff.

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Vortrags […] nicht bloß eine sehr zahlreiche, sondern auch eine zum inneren Folgen bereite Hörerschaft“.³⁹² Was die Vorlesungen dabei vorbereiteten, führte dann oft die „seelsorgerliche Erziehung unter vier Augen“ weiter,³⁹³ denn für Schaeder war die Sache der Theologie laut Lohmeyer „nicht nur eine Sache des unbeteiligten Denkens, sondern mehr als jede andere eine Sache des innig beteiligten Herzens“.³⁹⁴ Schaeder „lebte, was er lehrte, lebte es in der Verbindung von Mensch zu Mensch; und er konnte es leben, weil er sich mit den anderen verbunden wußte als einer, der unter dem gleichen Urteil und der gleichen überströmenden Gnade Gottes steht“.³⁹⁵ Der Unterschied der Lebensalter versank dabei; „noch der alte Schaeder war dem jungen Studenten vertrauter und näher als ein gleichaltriger es hätte sein können, weil auch der Alte ein jugendliches Herz, gesättigt von Erfahrung und reich in Verstehen sich bewahrte“.³⁹⁶ Von daher ist es zu erklären, dass sich in den Lebensläufen der Prüfungskandidaten, die der Meldung zum ersten Examen beigegeben werden mussten, sehr oft Wendungen fanden, die davon Zeugnis gaben, wie stark der Betreffende von Schaeder beeindruckt worden war.³⁹⁷ So konnte Schaeder laut Zänker „durch seine theologische und Glaubenserziehung“ eine ganze Pfarrergeneration in Schlesien nachhaltig prägen.³⁹⁸ Als Hinweis dafür, wie stark Schaeder auch über kirchliche Kreise hinauswirkte, dürften dann seine aktive Beteiligung³⁹⁹ an den Reisen und Vorträgen des Universitätsbundes zu werten sein, die ihn in die Städte ganz Schlesiens, aber auch weit darüber hinaus führten. Auf diese Weise bot sich ihm die Gelegenheit, „gerufen von bürgerlichen Vereinigungen der gebildeten Öffentlichkeit, von der Kraft des Evangeliums und der Wahrheit Gottes zu zeugen“.⁴⁰⁰ Gesellschaftspolitische Verantwortung übernahm Schaeder schließlich durch seine Betätigung im „Christlich-Sozialen Volksdienst“, der sich durch den Zusammenschluss des „Christlichen Volksdienstes“ mit der aus der DNVP ausgeschiedenen „Christlich-Sozialen-Reichsvereinigung“ im Dezember 1929 gebildet

 Schian, Kirchliche Erinnerungen, .  Zänker, Theologieprofessor, .  Lohmeyer, Zum Gedächtnis (Dt. Pfarrerblatt), .  Ebd.  Ebd.  Schian, Kirchliche Erinnerungen, .  Zänker, Theologieprofessor, .  Während der Zeit seines Rektorats (Amtsjahr /) hatte Schaeder auch den Vorsitz des Universitätsbundes inne. Vgl. Aubin, Gedenkrede, .  Zänker, Theologieprofessor, . Zum Universitätsbund vgl. auch Aubin, Gedenkrede,  u. Petry, Breslauer Universitätsgeschichte, .

4.7 Auseinandersetzung mit Karl Bornhausen und dem Nationalsozialismus

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hatte.⁴⁰¹ Für diese dem Zentrum vergleichbare evangelische Partei, welche die Weimarer Reichsverfassung ohne Vorbehalte anerkannte und sich bereits von Anfang an durch klaren Widerspruch gegen das Programm der NSDAP auszeichnete, setzte sich Schaeder zusammen mit anderen Gesinnungsgenossen – darunter sein Kollege von der Rechts- und staatswissenschaftlichen Fakultät Professor Eugen Rosenstock-Huessey⁴⁰² – in Vorträgen öffentlich ein.⁴⁰³

4.7 Auseinandersetzung mit Karl Bornhausen und dem Nationalsozialismus In die direkte Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus⁴⁰⁴ geriet Schaeder dann aber vor allem durch die Spannungen mit Professor Bornhausen⁴⁰⁵ innerhalb der theologischen Fakultät. Bornhausen, der Schwierigkeiten im Verhältnis zu seinen Kollegen hatte und den Fakultätssitzungen meist fernblieb, glaubte, dass seine Schüler von der Fakultät benachteiligt würden. Den damit verbundenen Spannungen folgten – neben Auseinandersetzungen mit dem Kirchengeschichtler

 Huber/Huber, Staat und Kirche,  ff u. Opitz, Volksdienst,  ff.  Kliesch, Pastor Georg Kliesch,  f. Neben Rosenstock-Huessy und Schaeder setzten sich v. a. Pastor Kliesch, Pastor Schulte, Hans Schlange-Schöningen und Gustav Hülser bei der Werbung für die neue Bewegung ein. Auch Schaeders Lehrer und Freund Adolf Schlatter engagierte sich in Württemberg für den Volksdienst. Vgl. Neuer, Adolf Schlatter,  ff.  Huber/Huber, Staat und Kirche,  ff u. Kliesch, Pastor Georg Kliesch  f. In der Hochschulgruppe des „Christlich-Sozialen Volksdienstes“ sprach Schaeder z. B. am . .  über das Thema „Christlich-Sozial im . und . Jahrhundert“. Vgl. dazu Hilbrig, In den Jahren des Grollens, . Die neue Partei war dann von  –  eine wichtige Stütze des Kabinetts Brüning, musste aber bereits von den preußischen Landtagswahlen im April  an schwere Verluste hinnehmen. Vgl. Huber/Huber, Staat und Kirche,  und Opitz, Volksdienst,  ff.  Nach Goertz ist über Schaeders Haltung zum Nationalsozialismus kaum etwas herauszufinden. Auch wenn Karl Fezer, der Tübinger praktische Theologe, zu den Schülern Schaeders zu zählen sei, so dürfe nicht vom Schüler auf den Lehrer geschlossen werden (Goertz, Geist,  f). Inwieweit Fezer aber überhaupt als „Schüler“ Schaeders bezeichnet werden kann, ist fraglich. Fezer hat Schaeder als Universitätslehrer nicht erlebt. Die „Schülerschaft“ dürfte sich daher eher allgemein auf die Rezeption der Werke Schaeders z. B. in Fezers 1925 erschienenen Doktorarbeit „Das Wort Gottes und die Predigt“ beziehen. Fasst man allerdings die „Schülerschaft“ so weit, dann müsste konsequenterweise Fezer z. B. auch als Schüler Barths bezeichnet werden. Zu Fezer vgl. Siegele-Wenschkewitz, Fakultät Tübingen, 34 ff u. Thierfelder, Karl Fezer, 126 ff.Vgl. auch Müller, Homiletik, 136 ff.  Bornhausen war Professor für Religionsphilosophie und Systematische Theologie und damit unmittelbarer Fachkollege Schaeders. Zwischen beiden herrschte ein sehr angespanntes Verhältnis. Vgl. hierzu z. B. den Brief Thurneysens an Barth vom . September , in: Thurneysen, Briefwechsel,  f.

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Ernst Kohlmeyer, der daraufhin vom Ministerium versetzt wurde – Querelen mit Schaeder und dem Alttestamentler Jirku. Grund hierfür war, dass beide ihre Vorlesungen bzw. Übungen auf Bornhausens Zeit legten und dass anlässlich der öffentlichen Promotion eines Bornhausen-Schülers unter Dekan Jirku Bornhausen bewusst übergangen und nach einer Wortmeldung gemaßregelt worden war. Bornhausen bat deshalb im Januar 1931 den Minister, für die Dauer von Jirkus Amtszeit von den Faktultätsgeschäften fernbleiben zu dürfen, während die Fakultät ihrerseits – da sie den amtlichen Verkehr mit Bornhausen nicht mehr aufrechterhalten konnte – den Minister darum ersuchte, Bornhausen von der Teilnahme an den Fakultätsgeschäften zu entbinden.⁴⁰⁶ Vor allem in Gogarten, für dessen Berufung sich Schaeder und Steinbeck trotz der zunächst ablehnenden Haltung der Fakultät in privaten Schreiben beim Minister eingesetzt hatten und der zum Sommersemester 1931 als Nachfolger Schaeders den Lehrstuhl für systematische Theologie übernahm, erkannte Bornhausen sehr bald seinen wichtigsten Kontrahenten.⁴⁰⁷ Bornhausen und Schaeder, der auch nach seiner Emeritierung⁴⁰⁸ un-

 Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät,  f.  Die Besetzung des Lehrstuhls für Systematische Theologie war umstritten. Zunächst sollte Prof. Mulert aus Kiel als Nachfolger Schaeder berufen werden. Diesen Vertreter der „freieren Richtung“ lehnte sowohl die Fakultät in einem Schreiben vom . .  als auch Schian in einem persönlich gehaltenen Brief vom . .  mit Rücksicht auf die ausgewogene Zusammensetzung der Fakultät wie auch auf das Verhältnis der Fakultät zur Provinzkirche ab. Wenige Monate später beschloss die Fakultät – wie das Protokoll der Fakultätssitzung vom . .  erkennen lässt – dann einstimmig: „) die Kandidatur Gogarten abzulehnen, ) noch einmal Stolzenburg – Berlin vorzuschlagen, ) sollte dies dem Herrn Minister nicht genehm sein, so ist die Fakultät für die Berufung von D. Lohmeyer in die systematische Professur, mit lehrauftraglicher Bindung an die von Geheimrat Schaeder gehaltenen Hauptvorlesungen, und von Leube – Leipzig in die kirchengeschichtliche Professur.“ Schaeder, der bei dieser Fakultätssitzung nicht anwesend war, wandte sich daraufhin am . .  in einem vertraulichen Brief an den Minister und sprach sich gegen Lohmeyer und für Gogarten aus. Lohmeyer habe sich als Neutestamentler durchaus bewährt, doch als Dogmatiker sei er „ein Neuling, der sich erst einarbeiten müßte“. Gegen Gogarten spreche, „daß er keine bequeme Persönlichkeit“ sei; auch werde er zu „Prof. Bornhausen kein harmonisches Verhältnis gewinnen“. Aber er sei „eine Kapazität“ und „viele unter seinen Gedanken“ bestünden die Probe. Weil er zu Lohmeyer ein „freundschaftliches Verhältnis“ habe und ihm viel daran liege, dass dieses bestehen bleibe, bat Schaeder den Minister abschließend um strengste Vertraulichkeit. Nach einem weiteren Privatbrief von Steinbeck, der am . .  beim Ministerium einging, sah sich die Fakultät ihrerseits am . .  veranlasst die ablehnende Haltung gegenüber der Berufung Gogartens zu bekräftigen.Trotz dieser Ablehnung seitens der Fakultät kam es dann zu Beginn des Jahres  zur Berufung Gogartens nach Breslau. Die genannten Schreiben befinden sich im GSTA Berlin (I. HA Rep. 76 Va Sekt. 4 Tit. IV Nr. 32 Bd. 8 Bl. 432– 449).  Am . April  wurde Schaeder „infolge Erreichung der Altersgrenze“ seiner Lehrverpflichtung enthoben. Siehe: Breslauer Hochschul-Rundschau  (), .

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vermindert lehrend tätig blieb, kamen dabei in der Einschätzung von Gogarten zu grundlegend unterschiedlichen Urteilen. Während Schaeder seinen Nachfolger als eine – allerdings unbequeme – „Kapazität“ bezeichnen konnte,⁴⁰⁹ beurteilte Bornhausen die Theologie Gogartens als unwissenschaftlich, absurd, „staatsfeindlich und gegen die nationalsozialistische Weltanschauung gerichtet“⁴¹⁰. Demnach spielten bei den Auseinandersetzungen nicht nur persönliche Spannungen, sondern auch weitreichende theologische und kirchenpolitische Gegensätze eine Rolle.⁴¹¹ Zusätzlich belastend und den Konflikt vertiefend wirkte dabei der politische Umschwung im Jahre 1933.⁴¹² Angesichts des schwierigen Charakters von Bornhausen, der wohl infolge von Verwundung und Gefangenschaft nach dem Ersten Weltkrieg an einer besonderen Empfindlichkeit und Geltungssucht litt,⁴¹³ ist es wohl auch zu erklären, dass die Fakultät – etwa bei der Vergabe von Festreden bei Jubiläen – dem fünf Jahre jüngeren Systematiker Gogarten eindeutig den Vorrang gab. Dies hinderte allerdings Bornhausen nicht daran, ebenfalls seine entsprechenden Festreden zu publizieren und zu verbreiten.⁴¹⁴ Nicht nur als Fakultätsmitglied, sondern auch als Mitglied der theologischen Prüfungskommission des Konsistoriums war Schaeder in noch weitere Ausein-

 GSTA Berlin, Brief Schaeders an das Ministerium, . .  (I. HA Rep.  Va Sekt.  Tit. IV Nr.  Bd.  Bl  f).  GSTA Berlin, Brief Bornhausens an Achelis, . .  (I. HA Rep.  Va Sekt.  Tit. IV Nr.  Bl. ).  Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät,  f. Als indirekter Hinweis für das Verhältnis unter den Systematikern und die Außenseiterrolle Bornhausens dürfte es auch zu werten sein, dass nur Gogarten, nicht aber Bornhausen, welcher  Jahre neben Schaeder lehrte, sich am Festheft zum . Geburtstag Schaeders mit einem Artikel beteiligte. Vgl. Festheft Schaeder,  – .  Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät, .  Dies äußerte sich auch darin, dass Bornhausen seine Breslauer Kollegen beim Ministerium diffamierte. Wie heftig diese Diffamierungen ausfallen konnten, zeigt etwa ein nach der Wahl Jirkus zum Dekan im Mai  verfasster Brief Bornhausens: „Jirku, ein geborener Tscheche, der bis zu seinem . Lebensjahr nur tschechisch gesprochen hat, vom katholischen Glauben zum evangelischen hinüberwechselte und während des Kriegs aus der österreichischen Armee ausschied, in Deutschland sich naturalisieren liess und in Kiel, weit vom Schuss seine professorale Carriere präparierte durch Heirat mit einer deutschen Professorentochter, verfolgt seit  Jahren mich, den deutschen Offizier, der im Schützengraben gegen Frankreich focht, bis eine schwere Verwundung, Herzstreifschuss, ihn in jahrlange französische Kriegsgefangenschaft brachte. Und der als unverträglicher Mensch in der Jenaer Fakultät verrufene Pazifist Gogarten hat sich während des Kriegs in Bremen als Hülfspfarrer herumgedrückt und wurde mir von dem sozialdemokratischen Minister Grimme als Fachkollege aufgezwungen, um meine nationalsozialistischen Schüler zu verfolgen.“ Siehe: GSTA Berlin, Brief Bornhausens an Rust, . .  (I. HA Rep.  Va Sekt.  Tit. IV Nr.  Bd.  Bl.  f).  Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät,  f u. . Vgl. auch Göckeritz, Gogarten,  f.

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andersetzungen mit Bornhausen verwickelt. Diese Auseinandersetzungen, welche sich an der Ausweitung der Prüfungskommission entzündeten,⁴¹⁵ führten letztendlich 1933 zur endgültigen Entfernung Bornhausens aus der Kommission durch den Evangelischen Oberkirchenrat.⁴¹⁶ Bornhausen wandte sich daraufhin an Kultusminister Rust und deutete u. a. auch an, dass mit neuen Unruhen des nationalsozialistischen Studentenbundes zu rechnen sei, wenn durch seine „Entfernung aus dem Prüfungsamt […] sämtliche nationalsozialistische Examenskandidaten beim Konsistorium in Breslau schutzlos“ würden.⁴¹⁷ Bornhausen, der seine Entfernung aus dem Prüfungsamt des Konsistoriums als schwere Niederlage und Kränkung empfand, führte auch beim Landesbischof Ludwig Müller Beschwerde, wobei er seinen Einsatz für die Deutschen Christen auflistete und auf die ihn unterstützende Studentenschaft verwies: „Ich habe die Bewegung ‚Deutsche Christen‘ im Jahre 1931 nach Schlesien gebracht, bin ihr erster Programmredner hier gewesen, habe im Winter 1932 die Deutschen Christen in Breslau zum Sieg geführt.“ […] Ferner bin ich der Landesleiter für Gesamtschlesien des Kampfbundes für Deutsche Kultur und habe in allen kulturellen Ostgrenzfragen lange Erfahrung und Einfluss.“⁴¹⁸ Auch wenn solche Eingaben an die Spitzen von Kirche und Regierung Wirkung zeigten und der preußische Kultusminister auf eine Rückkehr Bornhausens in das Prüfungsamt Wert legte, so sprachen sich sowohl die theologische Fakultät als auch die theologische Prüfungskommission gegen Bornhausen aus. Dieser Widerstand gegen den Kultusminister dürfte aber wohl kaum als Widerstand der Fakultät gegen den Nationalsozialismus zu deuten sein. Die mehrjährigen internen Auseinandersetzungen mit Bornhausen im Professorenkollegium waren älter und bestanden unabhängig von den kirchen- und kulturpolitischen Vorstellungen des Dritten Reiches. Sie hatten in erster Linie „in der überaus reizbaren Natur und in dem schwierigen Charakter Bornhausens ihren Grund“.⁴¹⁹ Außerdem wird man sich davor hüten müssen, in Bornhausen, den einzigen oder eigentlichen Vertreter des Nationalsozialismus zu sehen. Denn neben Bornhausen dürfte gerade „sein persönlicher Feind Professor Jirku“⁴²⁰, der

 Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät,  f. und Schott, Die Neuordnung,  f  Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät,  ff. Vgl. auch EZA Berlin, Brief des EOK an Jaeger, . .  (/).  EZA Berlin, Brief Bornhausens an Rust, . .  (/).  EZA Berlin, Brief Bornhausens an Müller, . .  (/).  EZA Berlin, Brief des EOK an Jaeger, . .  (/).  EZA Berlin, Vermerk Gerullis zum Brief Bornhausens an Müller, . .  (/).

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Dekan in den Jahren 1933/34, der bewussteste Nationalsozialist im Kollegium gewesen sein.⁴²¹ Anders als im Kollegium besaß Bornhausen aber unter den Studenten eine große Anhängerschaft und einen bedeutenden Einfluss auf die theologische Fachschaft. Innerhalb des Nationalsozialistischen Studentenbundes wurde dann auch ein Schüler Bornhausens Fachschaftsführer der evangelisch-theologischen Fakultät.⁴²² Diese Fachschaft organisierte in den ersten Maitagen 1933 auf dem Breslauer Schlossplatz eine öffentliche Bücherverbrennung, wobei Bornhausen – er hatte die nationalsozialistische Studentenschaft bereits 1932 bei ihrem Kampf gegen den jüdischen Ordinarius für bürgerliches Recht Ernst Cohn unterstützt⁴²³ – die „Feuerrede“ hielt.⁴²⁴. Immer wieder kam es dann in den folgenden Monaten – inzwischen hatte sich auch der Pfarrernotbund gebildet – zu Auseinanderset-

 Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät,  f. Der Evangelische Oberkirchenrat konnte deshalb gegenüber Jaeger betonen, dass die „Interessen der nationalsozialistischen Studenten […] auch ohne die Mitwirkung von Professor D. Bornhausen in dem Prüfungsamt durch Professor D. Dr. Jirku hinreichend gewahrt“ seien. Siehe: EZA Berlin, Brief des EOK an Jaeger, . .  (/).  Ehrenforth, Schlesische Kirche,  u. Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät,  f u. ders., Zur Geschichte, . Zu Fachschaften und Studentengruppen im Dritten Reich vgl. Meier, Die Theologischen Fakultäten,  ff.  Kurz nach der Ernennung von Ernst Cohn als Nachfolger von Prof. Rosenstock-Huessy setzte von Seiten der nationalsozialistischen Studentenschaft die Hetze gegen den neuen Lehrer ein. Schon in der ersten Vorlesung waren die Störungen so massiv, dass der Rektor der Universität das „polizeiliche Ueberfallkommando“ rufen ließ. In den weiteren Vorlesungen kam es z.T. zu Handgreiflichkeiten. Auch Tränengasgranaten wurden in den Hörsaal geworfen, um das Ende der Vorlesung zu erzwingen. Die Central-Verein-Zeitung sah die Unruhen z.T. auch in direktem Zusammenhang mit Bornhausen. So habe er in seinem Kolleg über Ethik sein volles Verständnis für die Studenten, die in ihrem nationalen Empfinden über die Stränge schlügen, ausgesprochen und sich bereit erklärt, jeden Studenten, der deswegen vor den Senat käme, zu verteidigen. In dem Disziplinarverfahren vom . Dezember  zählte Bornhausen dann auch tatsächlich zu den Verteidigern der „nationalen“ Studenten. Vgl. Central-Verein-Zeitung  (),  f;  f; ;  f. Die nationalsozialistische Studentenschaft würdigte dieses Eintreten Bornhausens u. a. in einem Brief an Ministerialdirektor Jaeger: „Bornhausen war in den Cohn-Kämpfen der einzige nat.soz. Dozent, der unter Hintansetzung seiner eigenen Interessen die deutschen Studenten verteidigte. Er ist Front-Offizier und weiß sein Fronterlebnis und sein nationalsozialistisches Gefühl in bester Weise in seinen theologischen Kollegs mit zum Ausdruck zu bringen.“ Siehe: EZA Berlin, Denkschrift „Die Notlage der Ev.-theol. Fakultät an der Universität Breslau“, . .  (/C/).  Unter den verbrannten Werken befanden sich auch Bücher seiner Kollegen. Vgl. auch Auerbach, Bücherverbrennung,  f.

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zungen der verschiedenen studentischen Gruppen, aber auch der Professoren untereinander und der Professoren mit den Studenten.⁴²⁵ Als Hinweis dafür, wie Schaeder die Auseinandersetzungen beurteilte, dürfte eine Rede über das Thema „Universität und Reichsverfassung“ zu werten sein, die er bereits am 13. Juli 1929 und damit dreieinhalb Jahre vor der „Machtergreifung“ Hitlers zur Verfassungsfeier der Universität und der Technischen Hochschule Breslau gehalten hatte. Im Blick auf das Verhältnis von Universität und Politik hatte er damals betont: „Man treibt auf der Universität als solcher, als dem Institut für Forschung und Lehre, keine aktive Politik. Universität, Hochschule und aktive Politik, das sind Größen, die neben einander stehen, aber nicht ineinander geraten oder verschoben werden sollen. Selbstverständlich haben wir Dozenten und unsere Studenten das uneingeschränkte Recht der politischen Meinung und Entscheidung, wie jeder andere Staatsbürger auch.“⁴²⁶ Es sei aber wünschenswert, so Schaeder weiter, „daß unsere Kommilitonen im Interesse ihrer vorbereitenden Studienarbeit, zu der, wie ich ausdrücklich bemerke, auch die Beschäftigung mit den Fragen der inneren und äußeren Politik gehört, mit Allem, was aktive Politik heißt, nur soweit in persönlichen Kontakt kämen oder gerückt würden, als es ihre Wahlpflicht, sofern sie diese besitzen, erforderlich macht.Wer sich zu früh auf die großen Fragen des staatlich-nationalen Lebens handelnd einläßt, steht in der Gefahr, sich auf Tendenzen festzulegen, die er bei soliderer Überlegung vielleicht von sich fernhielte. […] Der Student sei auf dem Wege zu politischer Wirksamkeit! Aber wir müssen wünschen, dass er, so lange er Glied der Hochschule ist, die aktive Politik habe, als hätte er sie nicht.“⁴²⁷ Vom christlichen Standpunkt aus wandte sich Schaeder auch gegen eine nivellierende Massen- oder Klassenbildung: „Masse, Massenbildung und Christentum sind deutliche Kontraste, was man auch an Konstruktionen unternommen hat, um Beides auf die gleiche Stufe zu rücken. Zum Willen des Christentums gehört es, daß die Masse […] aus der

 Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät,  f u. Ehrenforth, Schlesische Kirche, . Welche Macht von den Studenten dabei ausgehen konnte, wurde durch einen Zusammenstoß von Vertretern der Fachschaft mit Professor Ernst Lohmeyer Ende Januar  deutlich. Vgl. Hutter, Theologie als Wissenschaft,  f u. Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät, . Der entsprechende Briefwechsel zwischen Lohmeyer und dem Rektor der Universität über diesen Vorfall befindet sich im Universitätsarchiv Wrocław S  (neuerdings abgedruckt in: Hutter, Theologie als Wissenschaft,  – ). Auch bei Professor Schian kam es wenige Monate später in den Vorlesungen zu Auseinandersetzungen mit der nationalsozialistischen Studentenschaft. Vgl. Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät,  f bzw. ders., Zur Geschichte, . Der von der Fachschaft verfasste Bericht über den Vorgang befindet sich in: EZA Berlin, Anlage zur Denkschrift vom . .  (/C/; neuerdings abgedruckt in: Meyer, Zur Geschichte,  f).  Universität und Reichsverfassung, .  AaO.,  f.

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Wirklichkeit verschwindet, gehört die Erlösung des Volkes und der Völker auch von der monotonen Masse. Das Christentum ist freilich universal. Es rückt die Menschheit im Ganzen unter das Gesetz und unter die wirksame Gnade des Einen Gottes. […] Aber es gibt in der Welt nichts, was in demselben Atem so individualistisch, so auf das eigenste, persönliche Eigenleben bedacht wäre, wie der christliche Glaube. Und das hat in der Religionsgeschichte des Alten Bundes seine deutliche Vorbereitung.“⁴²⁸ Schon diese kurzen Äußerungen aus dem Jahr 1929 legen es nahe, dass Schaeders Sympathie den angegriffenen Kollegen Lohmeyer und Schian, aber auch anderen bedrängten Fakultätsmitglieder, etwa den seit Frühherbst 1933 dem Pfarrernotbund angehörenden Privatdozenten Fitzer und Haack,⁴²⁹ gegolten haben dürfte. Schaeder selbst gehörte – wie z. B. einem Bericht des Breslauer Kreisobmanns der Deutschen Christen über eine Kanzelabkündigung des schlesischen Pfarrernotbundes zu entnehmen ist – wohl spätestens seit Januar 1934 dem Pfarrernotbund bzw. der bald danach sich formierenden Bekennenden Kirche an.⁴³⁰ Zusammen mit Fitzer ließ Schaeder sich auch von Lohmeyer Anfang Mai 1934 dazu gewinnen, eine weitgehend von dem Marburger Kollegen Hans von Soden initiierte Erklärung zu „Bekenntnis und Verfassung in den evangelischen Kirchen“ zu unterzeichnen.⁴³¹ Diese öffentliche Erklärung, welche insgesamt 35 Hochschullehrer als Unterzeichner zählte, wandte sich gegen die deutsch-christliche Kirchenregierung und deren Behauptung, bei der Neuordnung der Deutschen Evangelischen Kirche nur Fragen der äußeren Ordnung regeln zu wollen. Mit Nachdruck richteten sich die Unterzeichner v. a. auch gegen das der Evangelischen Kirche aufgezwungene Führerprinzip: „In der evangelischen Kirche ist […] das Führerprinzip ein schrift- und bekenntniswidriges Prinzip, das bisher noch nie in ihr anerkannt worden ist; es ist untragbar, daß kraft dieses Prinzips die Kirche nach dem absoluten, nur sich selber verantwortlichen, jeden Einspruch, selbst wenn er auf Grund der klaren Worte der Hl. Schrift und des Bekenntnisses erhoben wird, niederschlagenden Willen des Reichsbischofs re-

 AaO., .  Vgl. Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät, .  EZA Berlin, Bericht des Kreisobmanns der Deutschen Christen Breslau, Detel, . .  (EOK Schlesien VI,. Bd. ; neuerdings abgedruckt in: Hutter, Die evangelische Kirche Schlesiens,  ff). In diesem „Bericht über die Aktion des Pfarrernotbundes am Sonntag den . Januar  in Breslau“ werden die Mitglieder des Pfarrernotbundes aufgelistet. Schaeder ist – hellere Schreibmaschinenfarbe – nachträglich in der Liste aufgeführt. Vgl. auch Goertz, Geist, .  UB Marburg, Brief Lohmeyers an von Soden, . .  (NL v. Soden I, Erklärung Mai ; neuerdings abgedruckt in: Dinkler, Theologie und Kirche, ). Vgl. auch Hutter, Theologie als Wissenschaft, .

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giert werden soll.“⁴³² Die verhängnisvollen Folgen eines solchen ungeistlichen Führerprinzips würden bereits dadurch sichtbar, dass man vielen Gemeinden ihre Prediger ohne geordnetes Verfahren durch das Gutdünken des Reichsbischofs genommen habe. Desweiteren werde Gemeinden und Pfarrern die freie öffentliche Ansprache in Presse und Versammlung als Unbotmäßigkeit verboten und z.T. mithilfe weltlicher Gewalt zu unterbinden versucht. Man könne nicht von unangetasteter Freiheit des Glaubens und Bekennens reden, wenn Gemeinden und Pfarrer unter die ungeistliche Diktatur einer säkularisierten Hierarchie gestellt und wenn notgedrungene Beschwerden über Irrlehre und Gewalt als „Auflehnung gegen die notwendige äußere Ordnung“ der Kirche geahndet würden. Es werde sogar das in der Kirchenordnung gesetzte Recht als solches von den Trägern des Kirchenregimentes nicht gehalten, sondern gebrochen.⁴³³ Dass aber nicht nur Hochschullehrer, sondern durchaus auch Studenten wirkungsvoll an die Öffentlichkeit treten konnten, zeigte dann das von dem Breslauer Theologiestudenten Georg Walter verfaßte Flugblatt „An die evangelischen Theologen!“, mit dem die Auseinandersetzungen zwischen Kollegium und Fachschaft ihren Höhepunkt erreichten. In diesem gedruckten Aufruf vom 7. Mai 1934 nahm Walter als Bornhausen-Schüler u. a. den Kampf gegen Gogarten auf, indem er etwa an den Luthergedenktag von 1933 erinnerte, welcher die „katastrophale Lage der ganzen evangelischen Christenheit“ offenbart habe.⁴³⁴ Auf Gogarten, der sich bis zur Sportpalastkundgebung im November 1933 zu den Deutschen Christen zählte,⁴³⁵ bezog sich auch der Satz: „Einige waren sogar kühn und priesen ihn [sc. Luther] als deutschen Christen, bereuten es dann aber gleich wieder“. Walter führte dann die Bücherverbrennung auf dem Breslauer Schlossplatz ins Feld und zitierte aus Gogartens „Politischer Ethik“, die dort mit weiteren deutschfeindlichen Büchern verbrannt worden sei. Darüber hinaus bemängelte das Flugblatt den fehlenden Aktualitätsbezug der Universitätstheologie und kritisierte die „Lebensferne“ der Theologieprofessoren. Was derzeit auf der Univer-

 UB Marburg, Bekenntnis und Verfassung in den evangelischen Kirchen, . .  (NL v. Soden I, Erklärung Mai ; abgedruckt in: Dinkler, Theologie und Kirche,  – ).  Ebd. Am . Mai und damit unmittelbar vor der ersten Synode der Bekennenden Kirche in Barmen erfolgte schließlich die Veröffentlichung der Erklärung.  Gogarten war der Festredner bei der Lutherfeier der Fakultät am . November  gewesen. Vgl. Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät, .  Göckeritz, Gogarten,  ff und Ehrenforth, Schlesische Kirche,  f.Vgl. auch: Erklärung der Jungreformatorischen Bewegung Schlesiens, . .  (abgedruckt in: Hornig, Bekennende Kirche,  ff) und Erklärung Breslauer Geistlicher, . .  (abgedruckt in: Hornig, Bekennende Kirche,  f).

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sität geboten werde, sei „eine wirkungslose Scheinwissenschaft“.⁴³⁶ V. a. auf Schaeder und Gogarten und wohl kaum auf Bornhausen und Lic. Konrad, die beide als „gute und verdiente Nationalsozialisten“ galten,⁴³⁷ dürften die ausführlichen Aussagen über die Systematische Theologie im zweiten Teil des Flugblatts zu beziehen sein: „Es ist vor allem die systematische Theologie, die gänzlich falsche Wege geht. Was uns da als Offenbarung und Sünde erzählt wird, ist weder christlich noch deutsch. Ein Volk, das wie das unsere einen Krieg hinter sich hat, den es nicht wollte, den es verlor und für den es schuldig gesprochen wurde, kann es nicht aushalten, wenn ihm in übertriebener Weise dauernd seine Sündhaftigkeit vorgehalten wird. In unserem Volk sind noch so gute Instinkte vorhanden, daß es dieses aufdringliche Reden von der Sünde nicht verträgt. […] Wir lehnen es ab, Gott Gesetze geben zu wollen,wie die dialektische Theologie und ihre neuerlichen Ableger es tun.Wir haben eine lebensnähere Auffassung von dem lebendigen Gott, der da alles schafft, gestern, heute und immerdar. So treten wir dafür ein, daß die Theologie ihre enge Auffassung von der Bibel fallen läßt und neben der Offenbarung Gottes in der Bibel anerkennt, daß Gott sich überall und stets offenbart, so er nur will. Wenn diese Erkenntnis sich erst in der Theologie wird durchgesetzt haben, dann braucht uns nicht mehr zu bangen vor den Feinden des Christentums; denn dann haben wir einen lebendigen Gott und nicht mehr den dogmatisch gebundenen. Wenn ein Theologe noch im letzten Semester in seinem Kolleg einen Paragraphen über die Eigenschaften Gottes lesen konnte und in Unterteilen dann seine Gerechtigkeit, Güte usw. behandelte, so sind das Dinge, die wir jungen Theologen nicht mehr ernst nehmen können.“⁴³⁸ Von der Dogmatik her, so Walter weiter, seien auch alle anderen Disziplinen der Theologie falsch abgezweckt. So werde das Neue Testament nur „entweder als paulinische Sündengnadenlehre oder als ein Konglomerat palästinensischer Religionsanschauungen traktiert“, während die Kirchengeschichte „zu einer bloßen Chronologie von Tatsachen und Gedanken herabgesunken“ sei. Neben Systematik, Neues Testament und Kirchengeschichte seien die Disziplinen Altes Testament und Praktische Theologie bedeutungslos. Das Alte Testament solle von den Semitologen der Philosophischen Fakultät gelesen und die Praktische Theologie im Predigerseminar behandelt werden. Mit einem Aufruf „zur Reform der theologischen Er-

 EZA Berlin, Flugblatt der Fachschaft verfaßt von Georg Walter, . .  (/C/; abgedruckt in: Meyer, Zur Geschichte,  – ).Vgl. Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät,  und Meier, Die Theologischen Fakultäten,  ff.  EZA Berlin, Denkschrift „Die Notlage der Ev.-theol. Fakultät an der Universität Breslau“, . .  (/C/).  EZA Berlin, Flugblatt der Fachschaft verfaßt von Georg Walter, . .  (/C/; abgedruckt in: Meyer, Zur Geschichte,  – ).

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ziehung und des Pfarrerstandes“ endete die Kampfansage an die herrschende Theologie und ihre Vertreter.⁴³⁹ Dieses stark von Bornhausen beeinflusste Flugblatt,⁴⁴⁰ für das sich die Fachschaft der evangelisch-theologischen Fakultät verantwortlich zu zeichnen schien, welches aber eher als Alleingang eines radikalen einzelnen Studenten oder einer kleinen Gruppe zu charakterisieren sein dürfte, sorgte zu Beginn des Sommersemesters 1934 für erhebliches Aufsehen. Der Dekan ließ den Aufruf sofort verbieten. Die Fakultät entzog außerdem allen an dem Aufruf beteiligten Studenten Gebührenerlaß und Stipendien, bewilligte aber bald beides bedürftigen Studenten auf Antragstellung wieder.⁴⁴¹ Da der Aufruf „an in- und ausländische evang.theol. Fakultäten, ja sogar an Kollegen philosophischer und katholischtheologischer Fakultäten und an sämtliche Geistlichen Breslaus verschickt worden“⁴⁴² war, sah sich die Fakultät zur Aufklärung des peinlichen Sachverhalts gezwungen. In der Fakultätssitzung vom 2. Juni 1934 wurde die Antwort der Ordinarien auf das Schreiben der Fachschaft, welche für die auswärtigen Fakultäten bestimmt war, beschlossen. Unter Bezugnahme auf das Flugblatt von Georg Walter betonte das Rundschreiben der Fakultät dann u. a.: „Es handelt sich also bei dem erwähnten Pamphlet der evang.theol. Fachschaft in Breslau nicht um einen jugendlichen, um Kirche und Theologie besorgten Idealismus, sondern um einen der leider häufig aufgetretenen Versuche an der Breslauer evang.theolog. Fakultät, Unruhe zu stiften. Wir bitten Sie daher, künftighin alle derartigen Zuschriften von diesem Gesichtspunkt aus zu betrachten. Die Mitglieder der theolog. Fachschaft sind über das Schreiben nicht befragt noch sonst irgendwie von ihm in Kenntnis gesetzt worden. Fast allen lehnen dieses Pamphlet rundweg ab. Wir bitten Sie, dieses unser Schreiben auch der evang.theol. Fachschaft Ihrer Universität zur

 Ebd.  Vgl. Meier, Die Theologischen Fakultäten, . Bornhausens Reformvorschläge waren z.T. schärfer. So forderte er z. B., daß „an stelle des Predigerseminars alten Stils ein halbjähriger Aufenthalt in einer nationalsozialistischen Führerschule für evangelische Theologen“ zu treten habe. Denn Staat und Reichskirche hätten, so Bornhausen, das Recht und die Pflicht zu verlangen, „dass jeder junge Pfarrer, wie jeder junge Staatsbeamte, auch der zukünftige Theologieprofessor einmal mit dem Lebensgefühl bekannt wird, das das Volk und den Staat neu durchpulst. Dort wäre auch die Stelle, ihn mit der Volks- und Rassengeschichte, der Vererbungslehre bekannt zu machen“. Siehe: Deutsche Bücherei Leipzig, Denkschrift über Theologie, Staat und Kirche von Karl Bornhausen,  ( B ).  Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät,  ff u. Meier, Die Theologischen Fakultäten,  ff.  GSTA Berlin, Antwort der Ordinarien, . .  (I. HA Rep.  Va Sekt.  Tit. IV Nr.  Bd.  Bl. ).

4.7 Auseinandersetzung mit Karl Bornhausen und dem Nationalsozialismus

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Kenntnis zu bringen.“⁴⁴³ Neben den Professoren Gogarten, Jirku, Leube, Lohmeyer, Steinbeck, Steuernagel und Hoennicke zählte auch Schaeder zu den Unterzeichnern dieses Schreibens der Breslauer Fakultät. Im Zusammenhang eines Disziplinarverfahrens, das die Fakultät gegen den Studenten Georg Walter anstrengte, musste dieser Breslau dann verlassen.⁴⁴⁴ Dass die evangelisch-theologische Fachschaft unterdessen durchaus gewillt war, die Spannungen mit der Fakultät auf die Spitze zu treiben, wurde schließlich durch eine am 30. Mai 1934⁴⁴⁵ an Ministerialdirektor August Jäger im preußischen Kultusministerium gerichtete Eingabe mit dem Titel „Die Notlage der Evangelischtheologischen Fakultät an der Universität Breslau“⁴⁴⁶ deutlich. Aus dieser „Denkschrift“ ging klar hervor, welche Professoren man beseitigt sehen wollte. Sie setzte geschickt mit dem zwangsbeurlaubten Generalsuperintendenten Schian ein, dem man vor allem ungerechte Behandlung der nationalsozialistischen Studenten vorwarf und dessen Einfluss an der Universität man selbst nach dem Verlust seines kirchenleitenden Amtes immer noch fürchtete. An zweiter Stelle folgte dann Professor Lohmeyer und sein Assistent Lic. Fitzer. Als der dritte und „schwierigste Fall“ galt Professor Gogarten. Im Blick auf seine kirchenpolitische Position stellte man fest: „Heute pendelt er zwischen Pfarrernotbund und D.C., jedoch stößt er bei beiden auf heftige Ablehnung“⁴⁴⁷. Die Eingabe charakterisierte dann auch die anderen Fakultätsmitglieder, denen – Schaeder fand keine Erwähnung – Loyalität bescheinigt wurde. Wegen einer langjährigen persönlichen heftigen Feindschaft zwischen den beiden Nationalsozialisten Bornhausen und Jirku sei es aber „völlig unmöglich, eine nat.soz. Professorenfront zustande zu bringen“.⁴⁴⁸ Diese Streitschrift, deren Tendenz und Einzelheiten Sympathie für Bornhausen erkennen ließen, sollte bald Wirkung zeigen.⁴⁴⁹

 Ebd.  Walter gab die Zeitschrift „Auf der Wacht. Blätter für deutsches Christentum“ heraus. Das Heft  vom Juli  beschäftigte sich ausführlich mit den Vorgängen an der Fakultät. Es wurde eröffnet durch einen Aufsatz des mit Bornhausen befreundeten Joseph Wittig, der den Titel „Pfingststurm oder Rebellion?“ trug und für die Studenten Partei ergriff. Siehe: EZA Berlin, Pfingststurm oder Rebellion? In: Auf der Wacht , Juli  (/C/; abgedruckt in: Meyer, Zur Geschichte,  – ). Auch Bornhausen versuchte in einer Stellungnahme für die im Fachschaftsaufruf vertretene neue Auffassung von Theologie Verständnis zu wecken.  Während die Bekenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche in Barmen tagte.  EZA Berlin, Denkschrift „Die Notlage der Ev.-theol. Fakultät an der Universität Breslau“, . .  (/C/). Vgl. auch Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät,  f.  EZA Berlin, Denkschrift „Die Notlage der Ev.-theol. Fakultät an der Universität Breslau“, . .  (/C/).  Ebd.

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4 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Breslau

Aufgrund der unhaltbaren Zustände an der evangelisch-theologischen Fakultät nahm der Rektor der Universität, welcher seine nationalsozialistische Führerrolle ernstnahm, die Personalfragen selbst in die Hand und drängte beim Kultusministerium auf personelle Veränderungen. Die Versetzung der missliebigen Professoren erfolgte dann sehr bald. Als Erster verließ Karl Bornhausen Breslau, um zum 1. November 1934 die Nachfolge von Paul Tillich an der Philosophischen Fakultät der Universität Frankfurt anzutreten. Gogarten, der im Sommersemester 1935 zunächst Karl Barth wegen dessen Redeverbot in Bonn zu vertreten hatte,⁴⁵⁰ wurde nach Göttingen, Jirku zunächst nach Greifswald und dann nach Bonn und Lohmeyer schließlich 1936 nach Greifswald zwangsversetzt.⁴⁵¹ Den Privatdozenten Hans Georg Haack, Gottfried Fitzer sowie auch Joachim Konrad wurde die venia legendi entzogen.⁴⁵² Die nationalsozialistische Gleichschaltung der Fakultät war dann auch – neben seinem hohen Alter – wohl die Ursache für das Ende von Schaeders Lehrtätigkeit.⁴⁵³ Schaeder, der noch am 6. November 1934 mit 126 weiteren Hochschullehrern den sofortigen Rücktritt des Reichsbischofs gefordert hatte,⁴⁵⁴ verließ damit nach einer Wirksamkeit von 88 akademischen Semestern die Universität mit Ablauf des Sommersemesters 1935 endgültig.

4.8 Umzug nach Berlin, Ruhestand und Tod Noch im Juli 1935 erfolgte dann der Umzug nach Berlin, wo Schaeders ältester Sohn Hans-Heinrich inzwischen als Professor für orientalische Philologie und Religionsgeschichte tätig war. Zusammen mit der Familie dieses Sohnes sowie mit seiner  Vgl. Meier, Die Theologischen Fakultäten, . Bornhausen bestätigte in einem Schreiben die Ansicht der Studentenschaft als durchaus zutreffend. Siehe: GSTA Berlin, Brief Bornhausens an Vahlen, . .  (I. HA Rep.  Va Sekt.  Tit. IV Nr.  Bd.  Bl. ).  Hutter, Theologie als Wissenschaft,  f u. Göckeritz, Gogarten, . Hutter bezieht sich bei der Datierung (Sommersemester ) auf einen undatierten Brief Lohmeyers an Bultmann sowie auf die Nebenakte der Personalakte Gogartens im Archiv der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn. Vgl. auch Busch, Lebenslauf,  ff. Die Angaben bei Meyer dagegen widersprechen sich (Sommer  u. Wintersemester /). Vgl. Meyer, Zur Geschichte,  u. ders., Die evangelisch-theologische Fakultät, .  Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät,  ff. Vgl. auch Hutter, Theologie als Wissenschaft,  ff.  Ehrenforth, Schlesische Kirche,  f und Meyer, Die evangelisch-theologische Fakultät, .  Hornig, Bekennende Kirche,  f (Anm. ).  Ehrenforth, Schlesische Kirche, . Eine Reaktion darauf war der Erlass des Reichs- und preußischen Ministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung an die theologischen Fakultäten vom . Februar . Dieser Erlass ist abgedruckt in: Nicolaisen, Dokumente ,  f. Vgl. auch Wolgast, Nationalsozialistische Hochschulpolitik,  f.

4.8 Umzug nach Berlin, Ruhestand und Tod

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Tochter Milla und deren beiden Kindern bezogen Erich Schaeder und seine Frau ein geräumiges Haus in der Wangenheimstr. 36 im Berliner Stadtteil Grunewald, ganz in der Nähe von Dietrich Bonhoeffers Eltern, welche damals noch in der Wangenheimstr. 14 wohnten.⁴⁵⁵ Doch Schaeders Zeit im endgültigen Ruhestand sollte nur noch von kurzer Dauer sein. Bereits am 18. Februar 1936, knapp sieben Monate nachdem er sich von der akademischen Tätigkeit völlig zurückgezogen hatte, starb Schaeder an den Folgen eines Schlaganfalls. Auch wenn er somit seinen Plan, noch eine Ethik zu verfassen,⁴⁵⁶ nicht mehr verwirklichen konnte, so musste er den Zweiten Weltkrieg und die Deportation seiner Tochter Hildegard in das Frauenkonzentrationslager Ravensbrück nicht mehr miterleben.⁴⁵⁷ Die Beerdigungspredigt hielt dann Franz Hildebrandt, ein enger Freund Dietrich Bonhoeffers und promovierter Pfarrer jüdischer Herkunft.⁴⁵⁸ Seine letzte Ruhestätte fand Schaeder schließlich auf dem Familienfriedhof im mecklenburgischen GroßStove, der Heimat seiner Frau Anna. In Schlesien, wo Schaeder fast 18 Jahre gewirkt hatte, gedachte man im Rahmen einer Gedenkstunde, welche am 4. März 1936 in der Christophorikirche in Breslau stattfand, des Verstorbenen. In diesem Zusammenhang schrieb Professor Ernst Lohmeyer, der seinen verstorbenen Kollegen bereits im Deutschen Pfarrerblatt gewürdigt hatte,⁴⁵⁹ auch einen Nachruf für die Schlesische Zeitung.⁴⁶⁰ Darin beschrieb er den am Todestag Luthers verstorbenen Kollegen als einen für die Schlesische Kirche bedeutsamen Lehrer, der vor allem auch durch seine Persönlichkeit einen tiefen Eindruck hinterlassen habe: „Schaeder gehörte zu den Menschen, deren Leben reicher und fruchtbarer war als ihre Arbeit; es wirkte unmittelbar auf Menschen und sprach wärmer zu ihnen, als alles, was er in Wort und Schrift niedergelegt hat.“⁴⁶¹ Im Blick auf die während der Breslauer Wirksamkeit verfassten Schriften Schaeders unterstrich Lohmeyer dann die Korre-

 Bethge, Dietrich Bonhoeffer,  ff u. . Die Eltern Dietrich Bonhoeffers zogen allerdings schon im Oktober  in die Marienburger Allee um.  Selbstdarstellung,  f u. Steinbeck, Prinzipienlehre,  (Anm. ).  Zu Hildegard Schaeder, die später im Außenamt der EKD tätig war, vgl. Schwöbel, Leben gegen den Tod und dieselbe, Hildegard Schaeder,  ff. Hildegard Schaeder wurde posthum als „Gerechte unter den Völkern“ geehrt. Vgl. Dt. Pfarrerblatt /, .  Hildebrandt war in dieser Zeit neben Martin Niemöller und Eberhard Röhricht Pastor der großen Dahlemer Kirchengemeinde.  emigrierte Hildebrandt nach England. Vgl. Roggelin, Franz Hildebrandt,  ff u.  ff. In der Dahlemer Gemeinde arbeitete auch Schaeders Tochter Hildegard engagiert mit. Vgl. Schäberle-Koenigs, Und sie waren täglich einmütig beieinander, . . .  ff.  ff und Schaeder, Berlin-Dahlem,  ff.  Lohmeyer, Zum Gedächtnis (Dt. Pfarrerblatt),  f.  Lohmeyer, Zum Gedächtnis (Schlesische Zeitung . . ).  Ebd.

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4 Lehrtätigkeit als Professor für Systematische Theologie in Breslau

spondenz von Fragen, welche sich aus der zeitgenössischen Lage ergaben und Fragen fundamentaltheologischen Denkens: Schaeders späte Schriften – so Lohmeyers Würdigung – „wachsen aus dem früher durchpflügten Acker wie Korn aus der Erde empor, fassen das Ganze seiner Theologie noch einmal unter wechselnden Gesichtspunkten zusammen, wie dem des Geistproblemes oder des Wortes Gottes, das heißt unter Gesichtspunkten, die die jeweilig besondere kirchliche und theologische Lage gab, und die zugleich aus seiner eigenen früheren Arbeit derart hervorwuchsen, daß sie verdeutlichten, was früher nur angedeutet war. Es waltete in seiner Theologie eine glückliche Koinzidenz zwischen den eigenen Fragen des Forschers und den Fragen der Kirche, zwischen der Entfaltung des eigenen Denkens und der Entwicklung der inneren kirchlichen Lage. Diese Koinzidenz, die ebenso sehr seine Leistung wie seine Gnade war, hat ihm wohl nicht Kampf und Fehde erspart, aber wohl das Gefühl, […] im Alter unverstanden und einsam geworden zu sein; ja sie hat ihm noch Größeres und Positives gegeben, daß er im Wandel der Jahre und theologischen Strömungen allem Wandelnden verwandt und offen und dennoch sich gleich blieb. So reich geworden im Verstehen von jung und alt, war er in seinem Alter selber jung.“⁴⁶² Im Deutschen Pfarrerblatt fügte Lohmeyer dann noch hinzu: „Und dem Reichtum des Verstehens, das er jedem entgegenbrachte, entsprach der Reichtum des Vertrauens, das ihm entgegengebracht wurde. So hat er wohl keine Schule begründet, wohl aber einen reichen Kreis älterer und jüngerer Freunde um sich gesammelt, die aus den gleichen Gründen lebten und ihn zum verehrten Vorbilde hatten.“⁴⁶³ Für den kirchlichen Widerstand gegen den Totalitätsanspruch des nationalsozialistischen Regimes sollten diese Schüler Schaeders in Schlesien dann große Bedeutung erlangen.⁴⁶⁴

 Ebd.  Lohmeyer, Zum Gedächtnis (Dt. Pfarrerblatt), .  Die Mehrheit jener schlesischen Pfarrer, die die „kirchliche Widerstandsfront“ bildeten, sahen sich – befragt nach ihren theologischen Lehrern im schlesischen Raum – v. a. von Erich Schaeder, einige auch von Lohmeyer und Gogarten beeinflußt (Ehrenforth, Schlesische Kirche,  f).

Teil II: Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung „Theologie treiben heißt“, so Schaeder in der Einführung des zweiten Bandes seiner Theozentrischen Theologie, „das Erkenntnisinteresse, an welchem Punkte unserer Wirklichkeit es auch einsetzen möge, bewußt und absichtlich auf Gott zurückzuführen“.¹ Besondere Bedeutung für jedes theologische Arbeiten, insbesondere auch für Schaeders Entwurf einer theozentrisch orientierten Theologie kommt deshalb der Frage „nach der Möglichkeit einer gesicherten, gewissen Erkenntnis des Transzendenten“ zu.² In engem Zusammenhang damit steht Schaeders Beschäftigung mit Kant und Schleiermacher, deren grundlegende Bedeutung für diese Fragestellung sich bereits im ersten Band der Theozentrischen Theologie deutlich abzeichnet.

1.1 „Mit Kant und gegen Kant“ 1.1.1 Die Inversion der Subjekt-Objekt-Relation Es war vor allem der Schleswiger Generalsuperintendent Theodor Kaftan gewesen, dem Schaeder den Hinweis verdankt, dass eine grundsätzliche Auseinandersetzung der Theologie des Glaubens, nicht des Glaubens selber, mit der Philosophie Kants zu den ernsthaftesten theologischen Anliegen gehören müsse.³ Wie Veröffentlichungen aus seiner Breslauer Wirksamkeit – etwa seine Schrift über das Geistproblem, seine Selbstdarstellung oder ein Artikel über Kant im Evangelischen Kirchenblatt für Schlesien – zeigen, hat Schaeder bis zum Ende seiner akademischen Tätigkeit an dieser Notwendigkeit festgehalten.⁴

 Theozentrische Theologie  (),  u. Theozentrische Theologie  (), .  Selbstdarstellung, . Schaeder kann den zweiten Band seiner Theozentrischen Theologie mit Ausnahme der einführenden und abschließenden Abschnitte geradezu als eine in deutlichen, direkten Gedankenreihen verlaufende Erkenntnistheorie bezeichnen (Selbstdarstellung, ; vgl. auch oben S. ).  AaO., .  Die ausführlichste Stellungnahme zu Kant findet sich in der ersten Auflage des zweiten Bandes der Theozentrischen Theologie – hier widmete Schaeder u. a. einen längeren Nachtrag dem Thema „Kant und die Theologie“ – sowie in dem  erschienenen Artikel über Kant im Evangelischen Kirchenblatt für Schlesien. DOI 10.1515/9783110490916-006

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

Von Kant, so Schaeders Würdigung des Königsberger Philosophen, habe er gelernt, dass jeder Versuch des endlichen Geistes sein Ziel verfehle, von irgendetwas Innerweltlichem – sei es Natur, Seele, Geist, Gewissen oder Geschichte – in der Form gewisser Erkenntnis zu Gott aufzusteigen.⁵ „Wäre es wahr, daß unsere Vernunft sich von irgend etwas in der uns gegenüberstehenden Erfahrungswelt oder von irgendeiner Seite unserer eigenen Wirklichkeit aus zu Gott erheben könnte, wäre so der Mensch in irgendeiner Weise der Produzent der Religion, dann würde die Theologie ihrem innersten Wesen nach anthropozentrisch sein. Sie hätte nur dem endlichen Geist bei seinem Aufstiege zu Gott, ob der sich nun via causalitatis oder sonstwie vollzöge, zu folgen. Aber indem es Kant gelang, die Erkenntnistätigkeit unseres Geistes, die sich kausal verknüpfend oder kausal begreifend unserer Welt zuwendet, bei dieser Welt festzuhalten, indem er ihr jeden Sprung in das Jenseits verwehrte, hat er, ohne es zu wollen, der Einsicht Raum verschafft, daß die Gewißheit oder die gewisse Erkenntnis Gottes etwas jenseits alles unseres eigenen Wollens oder Laufens Gelegenes sei.“⁶ „Erkenntnis Gottes, der Erwerb und Besitz jedweder göttlichen Wahrheit“, kann deshalb nach Schaeder nur Sache des von jedem Menschenwerk restlos geschiedenen und die absolute Herrenstellung Gottes wahrenden Glaubens sein.⁷ Insoweit müsse die Theologie der Erkenntniskritik Kants für immer folgen: „Jede Theologie, die, an den Glauben gebunden, die Majestät Gottes im Glauben und den freien königlichen Charakter der göttlichen Offenbarung, an welcher der Glaube hängt, zur Geltung bringen will, kommt in der eben bezeichneten Richtung niemals von Kant los.“⁸ Im methodischen Sinne kann Schaeder deshalb Kant als den „Bahnbrecher für eine rechtverstanden theozentrische Theologie“⁹ bezeichnen. Theologisches Arbeiten ist unter erkenntnistheoretischem Aspekt aber nur dann theozentrisch, wenn „das Erkenntnisinteresse, an welchem Punkte unserer Wirklichkeit es auch einsetzen möge“, bewusst und absichtlich auf Gott als „das immer beherrschende Zentrum“ des theologischen Wahrheitsstrebens zurückgeführt wird.¹⁰ Die damit aufgewiesene Relevanz einer gesicherten Gotteserkenntnis für jedes theologische Arbeiten steht mit der Anerkennung der von Kant aufgezeigten Erkenntnisgrenzen des Menschen in Spannung. Gott kann deshalb nach Schaeder nicht in dem Sinne Gegenstand der Theologie sein, dass er dem Menschen im Allgemeinen oder dem Glaubenden in besonderer Weise als Objekt zu-

 Selbstdarstellung, . Vgl. auch: Weg,  ff.  Theozentrische Theologie  (), .  AaO.,  f. Siehe dazu unten S.  ff.  AaO., .  AaO., .  Theozentrische Theologie  (),  u. Theozentrische Theologie  (), .

1.1 „Mit Kant und gegen Kant“

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gänglich oder verfügbar wäre:¹¹ „Der lebendige Gott ist kein Gegenstand forschender, suchender Erkenntnis. Er ist überhaupt grundsätzlich niemals für den Menschen Gegenstand. Jeder Realismus, der diese Schranke übersteigt, ist Verkehrung und Verkehrtheit. Grundsätzlich ist Gott uns gegenüber Subjekt und nicht irgendwie gegebenes Objekt, keine gegebene Substanz oder Wirklichkeit bzw. Persönlichkeit. Wir sind die Objekte Gottes, nicht er ist für uns Objekt. Jede andere Auffassung ist wirklichkeitswidrige, ehrfurchtslose Überhebung über Gott.“¹² Gotteserkenntnis kann es demnach nur geben, wenn die für den menschlichen Erkenntnisakt grundlegende Subjekt-Objekt-Relation im Sinne einer Umkehrung oder Inversion grundlegend neu konstituiert wird.¹³ Gott ist – weil dem menschlichen Erkennen entzogen – nicht Objekt, sondern Subjekt, der Mensch dagegen nicht Subjekt, sondern Objekt. Nicht wir erkennen Gott, sondern Gott gibt sich uns zu erkennen. Nur durch Gott selbst, durch seine „Herablassung“ oder Kondeszendenz,¹⁴ ist also Erkenntnis Gottes für den Menschen möglich: „Die Wirklichkeit Gottes wird, weil es sich um Gott und nicht um eine Größe unserer Welt handelt, nur so von uns erfaßt, daß sie sich uns freitätig, in einem Akte schlechthin souveränen Wollens, zu erfassen oder zu erkennen gibt.“¹⁵ Dabei ist nach Schaeder Gott bei aller theozentrischen Orientierung nicht als eine beziehungslose oder in sich ruhende Größe gedacht, sondern als einer, der eine Beziehung zum Menschen geradezu wirkt:¹⁶„Gewiß, indem uns Gott in der schöpferischen Bewirkung des auf ihn bezogenen trauenden Glaubens als Objekte behandelt, indem er uns majestätisch erfaßt, richtet er uns – eben in der Form des persönlichen, aktiven Glaubens – zu einer bewußten, wollenden Subjekthaltung ihm gegenüber auf. Wir beziehen uns auf ihn, er wird für uns Objekt einer eigentümlichen, einzigartigen Beziehung, Glaube genannt. Aber immer bleibt Gott, eben als Gott, in dieser Gestaltung des Objekt-Subjekt-Verhältnisses das bewirkende Subjekt. Wir glauben so an ihn, daß er uns zum Glauben und im Glauben bewegt oder bestimmt.“¹⁷ Die Konstitution des Menschen als Subjekt in der Gottesrelation, auch als Gott erkennendes Subjekt, ist somit stets gebunden an den Glauben und umfangen von dem majestätischen Wirken Gottes. Nur durch Gott als Subjekt wird der Mensch im Glauben vom Objekt zum Subjekt. Der Subjektcharakter Gottes eliminiert also nicht den Subjektcharakter des Menschen, sondern

      

Goertz, Geist, . Theozentrische Theologie  (),  f (Hervorhebung hinzugefügt). Vgl. aaO.,  (Anm. ) und Geistproblem,  ff. Der lebendige Gott,  f. ; Geistfrage, . Theozentrische Theologie  (), . Vgl. aaO., . AaO., .

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

richtet diesen im Glauben vielmehr auf.¹⁸ Das Erkennen Gottes hat demnach eine den Menschen selbst verändernde Relevanz. Im Blick auf den wirklichkeitsmächtigen, sein Gegenüber im Akt der Erkenntnis verändernden Gott hat dabei zu gelten: Das Subjekt macht sich im Glauben zum Objekt und bleibt gerade darin Subjekt.¹⁹ Die Unmöglichkeit menschlicher Gotteserkenntnis kann also nur durch die göttlich gewirkte Möglichkeit einer menschlichen Gotteserkenntnis überwunden werden. Diese erkenntnistheoretischen Überlegungen haben auch Auswirkungen auf die wissenschaftstheoretische Näherbestimmung der Theologie.

1.1.2 Theologie als Wissenschaft „[G]anz umfassend oder im allgemeinen Rahmen genommen“ versteht Schaeder die Wissenschaft zunächst als den „Versuch des endlichen Geistes, an bestimmte Größen, die ihrer Wesensbeschaffenheit nach für ihn, den Geist, gegebene Objekte sind, erkennend heranzukommen bzw. sie unter seine Herrschaft zu bringen“.²⁰ Bezieht sich Wissenschaft also auf Größen, die für den endlichen Geist Objekte, Gegebenheiten sind, so müssen nach Schaeder alle Versuche fehlschlagen, die Theologie, „welche von Gott […] und vom Glauben als dem Gemächte dieses Gottes handelt, zur Wissenschaft im Sinne des neuzeitlichen, einwandfreien common sense zu stempeln“.²¹ Denn anders als die Wissenschaft habe es der Glaube mit der Größe zu tun, die als solche nicht und niemals Objekt sei, die es vielmehr nur durch die Willensentscheidung ihrer Selbstvergegenwärtigung für uns werde.²² Im Blick auf die Theologie gilt nach Schaeder deshalb, dass ihre Methode grundsätzlich eine andere als die der Wissenschaft und der einzelnen Wissenschaften sein muss:²³ „Mag es im wissenschaftlichen Verfahren mit dem Verhältnis zwischen Objekt und Methode eine Bewandtnis haben, welche es will – in der Theologie gestaltet jedenfalls das ‚Objekt‘ durchgreifend die Methode, und zwar so, daß es diese von allen Methoden der Wissenschaft abtrennt. Das deshalb, weil das Objekt der

 Vgl. Goertz, Geist, .  Theozentrische Theologie  (),  sowie Wort Gottes, . Hier besteht eine große Nähe zu Karl Barths Darlegungen. Vgl. Jüngel, Gottes Sein,  f.  Hauptpunkt, .  Ebd.  Selbstdarstellung, . Der Glaube ist nach Schaeder „als das direkte Erlebnis Gottes selbst“ zu verstehen. Er hängt an der freien „Selbstvergegenwärtigung Gottes durch den Geist“. Siehe: Theozentrische Theologie  (),  sowie Theozentrische Theologie  (), .  Selbstdarstellung, .

1.1 „Mit Kant und gegen Kant“

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Theologie für unsern persönlichen Geist und für alles,was er seine Welt nennt, immer bedingendes, gestaltendes Subjekt ist und nur als solches Subjekt, in der Form freien, schöpferischen Wirkens, sich uns als Objekt darbietet. Die Theologie hat ganz und gar ihre eigene Methode. Das macht ihr Gott.“²⁴ Grundlegende methodische Bedeutung kommt demnach der Betonung des Momentes der Majestät an oder in Gott zu.²⁵ Nimmt aber die Theologie ihren Ausgangspunkt in Gott oder im πνεῦμα²⁶– hierin weiß er sich mit Karl Barth und Emil Brunner verbunden – dann kann dies nach Schaeder nur bedeuten, vom Glauben auszugehen: „Bei Gott einsetzen, heißt beim Glauben einsetzen; denn dieser ist die Form unseres persönlichen Lebens, wie Gott uns zugänglich ist.“²⁷ Urteile der Theologie sind demnach Glaubensurteile: „Über den Bereich des Glaubens, der Glaubenserkenntnis oder Glaubensurteile kommt die Theologie nicht heraus.“²⁸ Der Glaube, mit dem es die Theologie zu tun hat, darf dabei aber nicht im Sinne eines Fürwahrhaltens oder einer Bejahung aus natürlicher Willensbewegung heraus verstanden werden, sondern wird von Schaeder als „Erfahrung, aber eben Glaubenserfahrung“, näher bestimmt.²⁹ So sehr Schaeder dabei betont, dass diese Erfahrung von Gott selbst – durch Gottes Geist – gewirkt sein muss, wenn sie wirkliche Gotteserkenntnis enthalten soll, so sehr bleibt ihm dieses Erlebnis doch menschliches Erlebnis.³⁰ Denn nur die „Berufung auf das eigene innere Erleben Gottes, das uns zum trauenden Glauben an ihn brachte“, kann, wie Schaeder betont, als „Beleg für die Wahrheit und Wirklichkeit Gottes“ gelten.³¹ Theologie ist deshalb, wird sie recht gefaßt, „Glaubenstheologie, Erfahrungstheologie, Geistestheologie“.³² Anders ist nach Schaeder Theologie als Wissenschaft nicht möglich: „Theologie, die nicht gebunden an den Menschen und seinen Glauben, nicht umhegt oder durchdrungen von der gläubigen Subjektivität, bei Gott dem Herrn Posto fassen und seine Wahrheit aussprechen wollte, würde den Ikarusflug des endlichen, diesseitigen Menschen zu der Höhe des Göttlichen bedeuten.“³³ In diesem Sinne kann Schaeder auch von der Theologie sagen, dass sie – allerdings unter Beachtung der von Gott

 Hauptpunkt, . In diesem Zusammenhang verweist Schaeder auf Galater ,.  AaO., .  Die Verwendung des Geistbegriffs kennzeichnet nach Schaeder „die unbedingte, schöpferische Machtfunktion und Machtstellung Gottes unserer Wirklichkeit, sowohl der Natur wie der Geschichte, gegenüber“. Siehe: Ebd.  AaO., .  Selbstdarstellung, .  Hauptpunkt .  Zu Schaeders Verwendung der Begriffe „Erfahrung“ und „Erlebnis“ vgl. u. S. .  Theozentrische Theologie  (), .  Hauptpunkt, .  Theozentrische Theologie  (), .

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

gewirkten Inkraftsetzung der Subjekt-Objekt-Relation – „methodisch anthropozentrisch“ sei.³⁴ Bewegt sich Theologie nun im Bereich des Glaubens, der Glaubenserkenntnis oder des Gotteserlebens des Glaubens, dann ist sie damit von jeder Wissenschaft grundlegend unterschieden. Denn beim Glauben einzusetzen, bedeutet gerade nicht, „daß wir psychologisierend oder historisierend oder irgendwie erkenntniskritisch den Menschen fassen“, sondern heißt, bei dem einzusetzen, der „dem Glauben in schöpferischer Machtwirkung das Leben, die Bewegung, das Wesen und den Inhalt gibt“.³⁵ Wird aber Gott nicht von uns erkannt und ist er uns nicht – wie die Natur, die Seele und die Geschichte – ausgeliefert, dann kann auch die Frage nach Gottes Wirklichkeit und nach dem Verhältnis zwischen Gott und Mensch nicht erkenntnistheoretisch bzw. erkenntniskritisch geklärt werden. Denn das,was „im technischen Sinne des Wortes“ Erkenntnistheorie und Erkenntniskritik genannt wird, bezeichnet nach Schaeder das „Erkenntnisverfahren unseres Geistes gegenüber dem, was für diesen rundweg rein Objekt, ob Natur oder Seele, ist“.³⁶ Will man aber eine Scheidung von Theologie und Erkenntnistheorie vermeiden und stattdessen von einer theologischen Erkenntnistheorie reden, dann muss – um Gottes und des gottgebundenen Glaubens willen – deren Einzigartigkeit und deren Unterschiedenheit von allem, was im wissenschaftlichen Betrieb so bezeichnet wird, betont werden: „Theologische Erkenntnistheorie und Erkenntniskritik hat ihre einzige Aufgabe darin, den Sonderweg, der sich für unsern Geist zu Gott hin auftut, den pneumatisch bedingten, den Weg, der durch die schöpferisch-freie Glaubensbildung vorgezeichnet ist, rein herauszuarbeiten und ihn vor jeder, auch der geringsten verwirrenden Vermischung mit anderen Erkenntnisformen zu bewahren.“³⁷ Diese Akzentuierung ist auch deshalb von Bedeutung, weil Schaeder hinter allen Kombinationsversuchen von Theologie und wissenschaftlicher Erkenntnistheorie den naheliegenden, aber abzulehnenden Wunsch erblickt, der Theologie einen Ort im Gesamtgefüge der Wissenschaft zu sichern.³⁸ Die Wissenschaftlichkeit der Theologie kann nach Schaeder somit nur als die sachgemäße Erfassung und Darstellung des Glaubens ³⁹ gefasst werden: „[D]ie  Ebd. Trotzdem hat nach Schaeder auch „das Wort theozentrisch […] methodisch seinen vollen Sinn und seine notwendige Absicht. Es will die durchaus dominierende Stellung Gottes resp. des Geistes Gottes und der diesseitigen Offenbarungsmedien Gottes im Glauben zur Geltung bringen.“ Siehe: Theozentrische Theologie  (),  (Anm.). Vgl. auch Selbstdarstellung,  f.  Hauptpunkt, .  AaO., .  AaO.,  f (Hervorhebung hinzugefügt).  AaO., .  Glaubensinhalt (fides quae creditur) und Vollzug des Glaubens (fides qua creditur) sind dabei als miteinander verschränkt zu denken. Vgl. u. S. .

1.1 „Mit Kant und gegen Kant“

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Theologie ist alles in allem die Aussage des Glaubens über sich, die ganz strenge, exakte.Weiter ist sie nichts, weil wir den schöpferischen Geist-Gott nur im Glauben haben.Und das ist in unserem Sinne des Wortes eben das Wissenschaftliche an der Theologie, daß sie das Glaubensbild absolut sachlich fixiert. Will sie das aber, dann muß sie zeigen, daß Glaube das Stehen des Menschen bei Gott und nicht bei sich selber ist, ein Stehen, das er, immer in der Form des Glaubens, als Gottes freie schöpferische Wirkung erfährt. Selbstaussage des Glaubens über sich ist Aussage über Gott, durch den er ist, was er ist.“⁴⁰ Das Wissenschaftliche an der Theologie – so Schaeders prägnante Formulierung in seiner Selbstdarstellung – besteht somit in dem wissenschaftlichen Nachweis, dass sie keine Wissenschaft ist.⁴¹ Dadurch steht dann aber die Zu- bzw. Einordnung der Theologie bzw. Dogmatik in den Organismus des universitären Wissenschaftsbetriebes zur Disposition. Als Problem erweist sich dies weniger im Blick auf die historische Seite der Theologie – sie ist nach Schaeder „nicht Theologie im deutlichen Sinne des Wortes, sondern eben Historie der Religion bzw. des Glaubens“ – als vielmehr im Blick auf „das Theologische an der Theologie“.⁴² Die Traktierung „der Theologie in der Theologie oder der Dogmatik“ im Rahmen des universitären Wissenschaftsbetriebes gründet dann auch nicht im wissenschaftlichen Charakter der Theologie, sondern darin, „daß das Streben der Universitäten nach der sachgemäßen exakten Erfassung aller Wirklichkeit ein schlechthin unvollständiges, der beherrschenden Spitze entbehrendes wäre, wenn nicht auf ihr gezeigt würde, wie man in einer der Wirklichkeit und dem Wirken Gottes entsprechenden Weise eben an Gott, die letzte, alles bedingende und gestaltende Realität, herankommt“.⁴³ Die Frage nach der Totalität der Wirklichkeitserfassung ist es also, die nach Schaeder die Theologie bzw. Dogmatik im Gefüge des universitären Wissenschaftsbetriebes unverzichtbar macht.⁴⁴

 Hauptpunkt,  f.  Selbstdarstellung, .  AaO.,  f.  Ebd.  Dies dürfte auch damit zusammenhängen, dass nach Schaeder der menschliche Geist „in der Totalität seiner Äußerungen nicht lebendig tätig werden kann, ohne die Wendung zum Absoluten“. Der Mensch denkt, wenn er verstandesmäßig erkennend tätig ist, in Richtung auf ein Absolutes (Religion und Vernunft, ). Nur diese „Größe“ vermag der Vernunft Ruhe zu verschaffen, „und zwar so, daß sie sich als der letzte, schlechthin unüberbietbare Grund aller Wirklichkeit darstellt“. Siehe: Theozentrische Theologie  (), . Für Schaeder ist die Betrachtung der „Gesamtnatur“ oder der „Gesamtgeschichte“ ohne die Reflexion auf die Wirklichkeit Gottes niemals vollendet. Siehe: AaO., . Kritisch bleibt hier allerdings anzufragen, ob das Ganze geschichtlicher und natürlicher Wirklichkeit vom Menschen überhaupt erfasst werden kann. Vgl. Jüngel, Nihil divinatis, .

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

1.1.3 Die Aufgabe der Religionsphilosophie Grundlegend anders als mit der Theologie verhält es sich mit der Religionsphilosophie, deren Aufgabe Schaeder in „der Feststellung des Wesens und der Wahrheit der Religion“ erblickt.⁴⁵ Dabei ist es nicht die Frage nach dem Wesen der Religion, sondern die nach deren Wahrheit, welche Schaeders Interesse weckt und ihn hinsichtlich der Anwendbarkeit religionsphilosophischer Erwägungen zunächst ein ablehnendes Urteil fällen lässt: „Handelt es sich bei dem religiösen Wahrheitsproblem um die Feststellung der Wirklichkeit Gottes, genauer um die Frage, ob das religiöse Bewußtsein oder der Glaube es mit Gott als einer objektiven Wirklichkeit zu tun hat, dann scheidet die Religionsphilosophie rundweg aus.“⁴⁶ Als Begründung führt Schaeder auch hier die für jede Gotteserkenntnis konstitutive Inversion der SubjektObjekt-Relation an: „Die Wirklichkeit Gottes wird, weil es sich um Gott und nicht um eine Größe unserer Welt handelt, nur so von uns erfaßt, daß sie sich uns freitätig, in einem Akte schlechthin souveränen Wollens, zu erfassen und zu erkennen gibt. Die Philosophie aber, auch die Religionsphilosophie, hat es schlechterdings nicht mit einer Größe selbsteigener, freier Offenbarung zu tun, zu welcher der endliche Geist in der Form eines durch diese Offenbarung gewirkten Erkenntnis- und Willensaktes, Glaube genannt, in Beziehung tritt. Die Philosophie wendet sich Größen zu, die für das natürliche Vernunft- oder Geistesvermögen schlechtweg Objekte sind, an die sie also von sich aus heranreicht.“⁴⁷ Nur das „religiöse Bewußtsein“, nicht aber „Gott in seiner Wirklichkeit“ kann deshalb das Objekt der Religionsphilosophie sein. Von daher erklärt sich auch die Charakterisierung der Philosophie bzw. Religionsphilosophie als „Bestandteil der Wissenschaft“, denn von einem „Offenbarungs- und Glaubenswege, um an bestimmte Objekte heranzukommen“,weiß die Wissenschaft – auch die Religionsphilosophie als Wissenschaft – nichts. Allein die Theologie ist es deshalb, die nach Schaeder Metaphysik zu treiben vermag und „eingestellt auf die freie Selbstoffenbarung Gottes und den durch diese bewirkten Glauben“ vom religiösen Bewusstsein aus „an die objektive Wirklichkeit Gottes heranwill“.⁴⁸ Der Pneumatologie kommt dabei eine Schlüsselrolle zu: „Indem die Theologie im Unterschied von der Religionsphilosophie die Gesichtspunkte von Offenbarung und Glaube in Bewegung setzt, dreht sie sich um die Frage des göttlichen Geistes. Denn in der Offenbarung Gottes wirkt sich sein Geist aus. Und wenn die Offenbarung den Glauben bewirkt, der an die Wirklichkeit Gottes herankommt und Gott erfaßt, dann ist dieser Glaube mit seinem inneren Besitz Wirkung des göttlichen Geistes. So zeigt sich:    

Geistproblem, . Theozentrische Theologie  (), . Ebd. Ebd.

1.1 „Mit Kant und gegen Kant“

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die Theologie ist durchaus auf das Geistproblem eingestellt. Die Philosophie ist es aber gar nicht. Sie hält sich im Rahmen des endlichen und diesseitigen Bewußtseins und läßt die Wirklichkeit Gottes oder das Wesen und Wirken des göttlichen Geistes aus dem Spiel.“⁴⁹ Kann die Religionsphilosophie somit zum religiösen Wahrheitsproblem, sofern darunter die Feststellung der objektiven Wirklichkeit Gottes verstanden wird, keinen Beitrag leisten, so bleibt sie dennoch – allerdings mit anderer Aufgabenstellung – für die religiöse Wahrheitsfrage zuständig. Sie hat sich nach Schaeder der Erfassung des religiösen Apriori zuzuwenden⁵⁰ bzw. das „reine Vernunftgesetz der subjektiven religiösen Haltung oder Betäti-

 Ebd.  Schaeders Ausführungen über die religiöse Anlage des Menschen oder das religiöse Apriori sind nicht einheitlich, sondern lassen im Laufe der Jahre inhaltliche Verschiebungen erkennen. So erschien z. B.  als Ergänzung zum zweiten Band seiner Theozentrischen Theologie in den „Beiträgen zur Förderung christlicher Theologie“ eine längere Abhandlung mit dem Titel „Religion und Vernunft. Die religions-philosophische Hauptfrage der Gegenwart“, in der Schaeder sich ausführlich mit dem religiösen Apriori beschäftigte (siehe oben S.  f). Dabei versuchte er „psychologisierend“ aufzuzeigen, dass die endliche Seele oder der natürliche Geist unabwendbar auf ein Absolutes angelegt ist. In seinem Werk „Das Geistproblem der Theologie“ nahm er  dann auf diese Abhandlung Bezug und schrieb der Religionsphilosophie die Aufgabe der Beobachtung dieser Anlage zu, wobei er psychologische Überlegungen nicht ausschloss. Anders als namhafte Religionsphilosophen seiner Gegenwart, die „[i]m Zusammenhang mit Kant oder als Anhänger des Neukantianismus“ nur „eine erkenntniskritische Untersuchung des religiösen Bewußtseins, aber keine psychologisierende Durchdringung oder Durchleuchtung desselben“ wollten, konnte Schaeder sich deshalb auch anerkennend über Rudolf Otto äußern: „Wie sehr aber das Unternehmen, auf psychologischem Wege die religiöse Anlage oder den unabtrennbaren religiösen Besitz der endlichen Vernunft festzustellen, in der Luft liegt und wie es das philosophische Verständnis der Religion fördern kann, zeigt nichts so deutlich wie R. Ottos Arbeit über das Heilige mit ihrem bohrenden Versuche, eine derartige ‚Kategorie‘ unseres Vernunftlebens nachzuweisen und in ihrem Reichtum an Intentionen oder Beziehungen zur Darstellung zu bringen. Es kann auch niemand verkennen, daß eine solche Form von Religionsphilosophie eine Bedeutung für die Erledigung der Wahrheitsfrage hat, sofern oder soweit diese der Religionsphilosophie zufällt. Denn auf dem Wege jener psychologisierenden Durchleuchtung der Vernunft wird auf alle Fälle eine in der Vernunft angelegte oder ihr keimhaft eignende religiöse Zentralidee bzw. ein solches Ideal entdeckt – dort etwa das Absolute, hier das Heilige –, welches für das religiöse Leben gestaltende Bedeutung hat. Mit ihm aber oder mit jener Idee hat sich dann die philosophische Erörterung der religiösen Wahrheitsfrage entscheidend auseinanderzusetzen.“ Die Religionsphilosophie hat dabei zu zeigen, dass es zum Charakter der Gottesidee gehört, „das SubjektObjekt-Schema des regulären Bewußtseinsvorgangs auf den Kopf zu stellen, also eine Bewußtseinslage von deutlich unterscheidbarer Struktur zu schaffen“. Zuletzt kann die Philosophie, auch wenn sie das Problem der Wirklichkeit Gottes nicht zu lösen vermag, aufdecken,wie Gott im religiösen Bewusstsein auftritt: „Sie hat […] die prinzipielle Charakterbestimmtheit, welche das Verhältnis der Gottesidee zu ihrem Träger aufweist, klarzustellen. Denn einen anderen Gott als den des religiösen Bewußtseins (oder der religiösen Erfahrung) hat sie nicht.“ Im Blick auf die Verhältnisbestimmung von Theologie und Religionsphilosophie ergibt sich dann: „Die Religionsphilosophie steckt der Theologie

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gung“ herauszuarbeiten, während die Aktualisierung jener Anlage für das Absolute – sie erfolgt „durch die Berührung mit der Wirklichkeit des absoluten Gottes im Glauben“ – in den Bereich der Theologie fällt.⁵¹ Die ganze Fragestellung der Religionsphilosophie ist allerdings nur möglich, wenn es, wie Schaeder in Aufnahme der 1927 neu erschienenen Religionsphilosophie Jelkes darlegt, über die einzelnen Religionen hinaus ein unabhängiges

also die Route ab, auf der sie marschiert. Aber auf dieser Route bewegt sich die Theologie mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln. Dort das endliche, religiöse Bewußtsein, hier aber der göttliche Geist als der Erreger, Beweger und Gestalter dieses Bewußtseins.“ Die Religionsphilosophie kann deshalb von Schaeder als „Komplement“ bzw. als „Voraussetzung“ oder „Ergänzung“ der Theologie bezeichnet werden. Vgl. auch zum Vorherigen: Geistproblem,  – ; Zitate ebd. In der Neuauflage des zweiten Bandes seiner Theozentrischen Theologie nahm Schaeder dann unter dem Eindruck von Jelkes neu erschienener Religionsphilosophie Korrekturen an den in seiner Monographie „Das Geistproblem der Theologie“ und in seiner Abhandlung „Religion und Vernunft“ geäußerten Gedanken vor. Vor allem der von Schaeder zur Erfassung der Vernunftanlage eingeschlagene psychologische Weg war es dabei, der Jelkes Kritik hervorgerufen hatte. Dieses dem Verfahren Rudolf Ottos ähnelnde „Unternehmen“ erreicht nach Jelkes Urteil sein Ziel nicht. Es lasse sich, so Jelke, zwar psychologisch nachweisen, „daß die Vernunft oder ihre einzelnen seelischen Vermögen auf eine absolute Hingabe an die Ziele eingestellt sind, denen sie sich ‚letztlich‘ zuwenden“, aber eine inhaltliche Bestimmung der Ziele bzw. des Absoluten sei nicht möglich. Allein mit der „Herausarbeitung eines formalen Vernunftgesetzes, einer formalen Anlage […], die in aller Religion in Wirksamkeit trete“, nicht aber mit „psychologischen Untersuchungen“ hat es die Religionsphilosophie zu tun. Auch wenn Schaeder diese Ansicht als „neukantische[r] Protest gegen jede Vermischung von Religionspsychologie und –philosophie“ wertete, so schloss auch er eine „auf dem psychologischen Wege“ zu gewinnende inhaltliche Bestimmung der Idee des Absoluten oder gar der Gottesidee aus. Den dahin zielenden missbräuchlichen Ausdruck in seiner Monographie über das Geistproblem nahm er deshalb zurück, hielt aber weiterhin daran fest, dass der endlichen Vernunft – ohne dass es ihr zum Bewusstsein kommen muss – in ihrem Willens-, Gefühls- und Erkenntnisleben absolute Tendenzen eignen. Auch wenn man solche psychologischen Erwägungen, wie Jelkes es tut, von der Religionsphilosophie abtrennen will, so behalten sie nach Schaeder dennoch – wenn auch nicht mehr unter dem Begriff der Religionsphilosophie – ihre Bedeutung im Gesamtorganismus theologischer Arbeit. Für die Religionsphilosophie allerdings bleibt eine solche Einschränkung nicht ohne Auswirkungen. Hat sie sich nämlich allein mit dem formalen Vernunftgesetz nicht aber mir der Gottesidee als solche zu beschäftigen, so rücken – da die Theologie „an der Gottesfrage im Glauben […] und nicht an der Frage der Vernunft und der Vernunftgeltung“ interessiert ist – Religionsphilosophie und Theologie nach Schaeder beträchtlich auseinander. Von der Religionsphilosophie als „Komplement“, „Voraussetzung“ oder „Ergänzung“ kann dann nicht mehr die Rede sein.Vielmehr wird die Beschäftigung mit der Religionsphilosophie für die Theologie zu einer zwar nicht völlig bedeutungslosen, aber doch entbehrlichen Bemühung. Vgl. auch zum Vorherigen Theozentrische Theologie 2 (1928), 152– 158; Zitate ebd.  Geistproblem,  u. Theozentrische Theologie  (), .

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„Gemeinreligiöses“ gibt.⁵² Religionsphilosophie und Theologie stehen damit aber einander gegenüber: „Zwischen der theologischen Wahrheitsfrage, die den Glauben daraufhin prüft, ob er die Wirkung der objektiven Wirklichkeit des transzendenten Gottes und so die persönliche Berührung des endlichen Geistes mit ihm ist, und der religionsphilosophischen Frage, ob das Gemeinbewußtsein die Auswirkung eines eigenen, aprioristischen Gesetzes unseres Geistes ist, liegt eine Welt. Die eine Frage bedeutet in bestimmter methodischer Haltung das Problem der Erkenntnis des Gottes, der Majestät und Liebe ist; die andere bedeutet die Geltung des allgemein-religiösen Bewußtseins oder der religiösen Haltung schlechthin vor dem Forum oder im Gesamtbereich der Vernunft.“⁵³ Trotz dieser Unterschiedenheit verliert nach Schaeder die Religionsphilosophie für die Theologie „nicht jede Bedeutung, da ja doch der Glaube eine Lebensform des endlichen Geistes ist“.⁵⁴ Im Vergleich zu früheren Werken, in denen Schaeder unter Einbeziehung psychologischer Erwägungen⁵⁵ die Religionsphilosophie geradezu als „Komplement“⁵⁶ bzw. als „Voraussetzung“ oder „Ergänzung“ der Theologie bezeichnen konnte, ist die Relevanz der Religionsphilosophie aber – aufgrund der von Jelke geforderten Beschränkung der Religionsphilosophie auf die Herausarbeitung eines formalen Vernunftgesetzes bzw. einer formalen Anlage – deutlich reduziert. Man kann nun nicht mehr behaupten, dass die Religionsphilosophie für die Theologie „unerläßlich“ wäre.⁵⁷ Eng im Zusammenhang mit dieser Unterscheidung zwischen psychologischem und „aprioristisch-erkenntniskritischem“ Verfahren steht auch das Zurücktreten des Begriffs „religiöses Apriori“.⁵⁸ Im Anschluss v. a. an Nygren, der diesen Terminus nur für eine auf dem erkenntniskritischen, nicht aber auf dem psychologischen Weg erfassten „Größe“ gelten lässt, verzichtet Schaeder in dem 1928 erschienenen Band seiner Theozentrischen Theologie ebenfalls auf die Bezeichnung „religiöses Apriori“.⁵⁹ Dieser Verzicht liegt nach Schaeder v. a. in der Spannung begründet, dass einerseits „Apriorismus“ und Religionspsychologie „zwei unterschiedenen Ar-

 Das Gemeinreligiöse hat „nicht nur unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer geschichtlichempirischen Religion, sondern ebenso unabhängig von besonderen Verhältnissen“ zu sein. Siehe: Theozentrische Theologie  (), .  Ebd.  AaO., .  Vgl. Theozentrische Theologie  (),  ff.  Geistproblem, . Der Begriff „Komplement“ bedeutet im Blick auf die Verhältnisbestimmung von Religionsphilosophie und Theologie: „Sie gehören zusammen und sind doch ganz grundsätzlich unterschieden“ (siehe ebd.).  Theozentrische Theologie  (),  f.  AaO.,  ff.  AaO., .

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

beitssphären“ angehören, dass aber andererseits bei der Untersuchung der natürlichen Anlage für den Glauben aprioristisch-erkenntniskritische und psychologische „Behandlungsweisen“ nicht – wie bei „den theologischen Neukantianern“ oder bei den „theologischen Antipsychologen“ – getrennt werden können.⁶⁰ Die durch die Begriffsdefinition geforderte Einschränkung auf den erkenntnistheoretischen Bereich ist es also, welche die Bezeichnung „religiöses Apriori“ bei der Untersuchung der natürlichen Anlage für den Glauben unbrauchbar macht. Denn nach Schaeder, der im Blick auf die theologische Wahrheitsfrage das religiöse Vernunftapriori nicht von seiner Aktualisierung durch die Erfahrung des Absoluten abtrennen kann, steht fest: „Mag sie [die Theologie] die erkenntniskritisch-aprioristische Betrachtungsweise mit noch so großem Nachdruck treiben, in dem Augenblick, in welchem sie die theologische Wahrheitsfrage hinsichtlich Gottes stellt und nicht nur die auf den Vernunftzusammenhang bezogene Frage nach der Geltung der religiösen Erfahrung, muß sie mit dem Gesichtspunkt des Erlebens Gottes im Glauben rechnen. In der Handhabung dieses Gesichtspunktes aber liegt ein zweifelloses psychologisches Element, weshalb er denn auch von den entschlossensten theologischen Antipsychologen von heute, wie Brunner und Barth, so nachdrücklich aber auch so aussichtslos bekämpft wird.“⁶¹ Dass Schaeder den Begriff „religiöses Apriori“ in seinem Spätwerk aufgibt, kann demnach nicht als eine sachliche Verschiebung, sondern lediglich als ein Entgegenkommen in der „Namenfrage“ gewertet werden.⁶² Sein Verzicht steht damit aber letzten Endes im Dienste der wissenschaftlichen Verständigung.⁶³

1.1.4 Kants Erkenntnistheorie Nach diesen – um der hohen Bedeutung, aber auch um des besseren Verständnisses willen – ausführlich widergegebenen Äußerungen lässt sich die Bedeutung Kants für Schaeders Erkenntnistheorie leicht ermessen. V. a. der „Grundgedanke Kants, daß kein Weg verstandesmäßiger Deduktion oder Spekulation von der Welt oder von irgend etwas Inweltlichem aus zu Gott, zur Gewißheit Gottes führe“,⁶⁴ ist

 AaO., . .  AaO., .  AaO., . Schaeder selbst hält die Verwendung des Begriffs auf dem „psychologisierenden Felde“ für „nicht so erschreckend“, „wenn man nur deutlich sagt, was man unter einem solchen Apriori versteht.“  Ebd.  Theozentrische Theologie  (), .

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es, der es der Theologie nach Schaeder unmöglich macht, sich dem kritischen Einfluss Kants zu entziehen. Anders als etwa sein Greifswalder Lehrer Cremer, der nach Schaeder zeitlebens die bewusste Fühlungsnahme mit der Philosophie in allen ihren Formen unterlassen und auch nie eine wirksame Auseinandersetzung mit ihr geführt hatte,⁶⁵ widmet sich Schaeder deshalb intensiv den von Kant aufgewiesenen philosophischen bzw. religionsphilosophischen Fragestellungen. Auch wenn dabei die Beschäftigung mit Kant weitgehend auf allgemeinem Niveau erfolgt und eine direkte Auseinandersetzung mit einzelnen Werken des Königsberger Philosophen nicht stattfindet, so lassen die allgemeinen Äußerungen Schaeders dennoch eine tiefere Kenntnis der Philosophie Kants erkennen.⁶⁶ Im Blick auf erkenntnistheoretische Fragen ist dabei v. a. Kants „Kritik der reinen Vernunft“ von großer Bedeutung. In seinem Bemühen die Metaphysik auf „den sicheren Gang einer Wissenschaft“ zu führen,⁶⁷ schlägt Kant darin – wie im Fall der Mathematik und der Naturwissenschaft – eine „Revolution der Denkart“ vor, die das erkennende Subjekt in eine schöpferische Beziehung zum Objekt bringt.⁶⁸ Die Erkenntnis soll sich nicht länger nach dem Gegenstand, sondern der Gegenstand sich nach der menschlichen Erkenntnis richten.⁶⁹ Nach Kants Überzeugung bringt die erkennende Vernunft die Prinzipien für die Erfassung der Wirklichkeit bereits mit und bestimmt durch ihre eigene Form, was überhaupt Gegenstand der Erkenntnis sein kann.⁷⁰ Erkenntnisgegenstände sind damit keine subjektunabhängigen Dinge, die an sich bestehen, sondern werden erst durch die apriorischen Bedingungen des erkennenden Subjekts konstituiert.⁷¹ Bei der Untersuchung dieser apriorischen, der Vernunft selbst zugehörigen Erkenntnisprinzipien stößt Kant auf zwei grundlegende Tätigkeiten, die gleichberechtigt und wechselseitig aufeinander angewiesen sind: die Sinnlichkeit (Rezeptivität) und den Verstand (Spontanität).⁷² Ist es einerseits die Sinnlichkeit bzw. die Fähigkeit, von Gegenständen affiziert zu werden, vermittels derer uns Gegenstände gegeben werden und die uns allein Anschauungen liefert, so ist es andererseits der Verstand, durch den sie gedacht  Gedächtnisrede,  f. . Diese Selbstbeschränkung Cremers empfanden manche der Hörer und Mitarbeiter als einen Mangel. Zu ihnen zählte auch Schaeder. Vgl. Gedächtnisrede, ; Selbstdarstellung,  sowie oben S. .  Schaeder dürfte sich insbesondere mit der „Kritik der reinen Vernunft“, der „Kritik der praktischen Vernunft“ sowie mit Kants Religionsschrift befasst haben.  Kant, KrV B VII u. B XIV.  Ders., KrV B XI u. B XV ff.  Ders., KrV B XVI ff. Vgl. auch Höffe, Kant,  ff.  Scholtz, Kant, .  Höffe, Kant, .  Kant, KrV B  ff.

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

werden und von dem Begriffe entspringen.⁷³ Beide Erkenntnisformen verfahren dabei nach notwendiger Regel und geben dem Gegenstand seine Struktur. Fügt die Anschauung die Gegenstände oder besser die Sinnesdaten in die Form des Raumes und in die Form der Zeit und strukturiert das gegebene Erfahrungsmaterial, so formt der Verstand dies räumlich und zeitlich geordnete Material, indem er durch seine Kategorien Einheit in die Mannigfaltigkeit der Vorstellungen bringt.⁷⁴ Nach Kant ist dabei keiner dieser „Eigenschaften“ der anderen vorzuziehen: „Ohne Sinnlichkeit würde uns kein Gegenstand gegeben, und ohne Verstand keiner gedacht werden. Gedanken ohne Inhalt sind leer, Anschauungen ohne Begriffe sind blind.“⁷⁵ Unsere Erfahrungswelt erweist sich demzufolge nach Kant als durchgängig durch unsere Anschauungs- und Verstandesformen bestimmt. Die Gegenstände sind uns dann aber nur als Erscheinungen, nicht in ihrem subjektunabhängigen An-sich, d. h. losgelöst von unseren Erkenntnisformen, gegeben. Von dem, was hinter der Erscheinung steht, vom Ding an sich, ist menschliches Wissen nicht möglich. Damit ist aber eine unübersteigbare Grenze der Erkenntnis aufgewiesen, denn Gegenstand der Erkenntnis vermag nur zu werden, was in der Anschauung gegeben ist, d. h. was aus der Erfahrung stammt. Aufgrund dieser Beschränkung der menschlichen Erkenntnis auf das Gebiet der Erfahrung kann es Metaphysik, welche sich – gemäß der Seinsbereiche Gott, Seele, Welt – in die Spezialdisziplinen Theologie, Psychologie und Kosmologie gliedert, als Wissenschaft nicht geben.⁷⁶ Da alle Gegenstände der Metaphysik weder Bedingungen der Erfahrung noch in der Erfahrung gegeben sind, überschreitet hier die Vernunft die ihr gezogenen Grenzen.⁷⁷ Dies hat Konsequenzen im Blick auf die Gotteserkenntnis: Bestimmen Raum und Zeit als die subjektiven⁷⁸ Bedingungsformen der Sinnlichkeit die Grenzen aller menschlichen Erkenntnis,⁷⁹ „nämlich daß sie bloß auf Gegenstände gehen, sofern

 Ders., KrV B  f.  Scholtz, Kant, . In der „Kritik der reinen Vernunft“ handelt die „transzendentale Ästhetik“ von dem apriorischen Gehalt der Sinnlichkeit, während die „transzendentale Analytik“ als erster Abschnitt der „transzendentalen“ Logik sich mit dem apriorischen Gehalt des Verstandes beschäftigt.  Kant, KrV B   Auf die „transzendentale Analytik“ folgt als weiterer Abschnitt der „transzendentalen Logik“ die „transzendentale Dialektik“, welche die Unhaltbarkeit der drei oben genannten Spezialdisziplinen als Wissenschaft nachweist.  Scholtz, Kant,  f.  Raum und Zeit sind nach Kant nur Bedingungen der menschlichen Wahrnehmung, so dass erst die sinnliche Anschauung den Dingen raumzeitliche Formen verleiht, die ihnen an sich nicht zukommen. Vgl. Kant, KrV B  f.  Kant, KrV B . . .

1.1 „Mit Kant und gegen Kant“

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sie als Erscheinung betrachtet werden, nicht aber Dinge an sich darstellen“,⁸⁰ dann kann Gott, „der nicht allein für uns […], sondern der ihm selber durchaus kein Gegenstand der sinnlichen Anschauung sein kann“, sich nur jenseits dieser Grenze von Erkenntnis und Wissen befinden.⁸¹ Weil Gott also nach Kant nicht raum-zeitlichen Bestimmungen unterliegt, ist er auf dem Weg sinnlicher Anschauung völlig unerreichbar. Von daher kann die rationale Theologie nicht anders verfahren, als dass sie sich ihren Gegenstand denkt, denn nach Kant gilt: „Denken kann ich, was ich will.“⁸² Aussagen über Gott sind damit rein gedanklicher Art und ohne die Möglichkeit einer empirischen Verifizierung. Dass für Kant Gott nicht nur denkmöglich, sondern in gewisser Hinsicht auch denknotwendig ist, zeigt v. a. die „Transzendentale Dialektik“: Gott ist für Kant unentbehrlich als intelligibler Grund der Erscheinungswelt,⁸³ als höchste Intelligenz hinter der Ordnung und Zweckmäßigkeit der Natur⁸⁴ sowie v. a. als Idee des Unbedingten zur systematischen Zusammenfassung aller Erfahrung.⁸⁵ Doch auch hier steht Gott für den Verstandesgebrauch jenseits der Grenze von Erkenntnis und Wissen: „Der Begriff eines höchsten Wesens ist eine in mancher Absicht sehr nützliche Idee, sie ist es aber eben darum, weil sie bloß Idee ist, ganz unfähig, um vermittelst ihrer allein unsere Erkenntnis in Ansehung dessen, was existiert, zu erweitern.“⁸⁶ Aussagen über Gott sind deshalb nur im – allerdings eingeschränkten und kritischen – Analogieverfahren möglich,⁸⁷ wobei im Blick auf inhaltliche Aussagen zu Gott und Gottes Sein nach Kant gilt: Auf „die Frage, ob dieses Wesen Substanz,von der größten Realität, notwendig usw. sei; […] antworte ich: daß diese Frage gar keine Bedeutung habe“.⁸⁸ Das „Resultat der ganzen transzendentalen Dialektik“ kann Kant – indem er auf die systematische Einheit und Totalität aller Erfahrung zu sprechen kommt – dann wie folgt zusammenfassen: „Die Vernunft kann […] diese systematische Einheit nicht anders denken, als daß sie ihrer Idee zugleich einen Gegenstand gibt, der aber durch keine Erfahrung gegeben werden kann […]. Dieses Vernunftwesen (ens rationis ratiocinatae) ist nun zwar eine bloße Idee, und wird also nicht  Ders., KrV B .  Ders., KrV B . Vgl. Michel, Kant,  f.  Kant, KrV B XXVI (Anm.).  Ders., KrV B  – .  Ders., KrV B  – .  Ders., KrV B .  – . Vgl. auch zum Vorherigen: Michel, Kant,  ff.  Kant, KrV B  f.  Kant betont nachdrücklich, dass es sich beim Analogieverfahren um ein Denken nach Analogie handelt. Bei diesem Analogiedenken darf das „von der Welt unterschiedene Wesen“ nach Kant „nur als Gegenstand in der Idee und nicht in der Realität“ gedacht werden (KrV B  f).  Kant, KrV B . Vgl. Michel, Kant, .

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schlechthin und an sich selbst als etwas Wirkliches angenommen, sondern nur problematisch zum Grunde gelegt […], um alle Verknüpfung der Dinge der Sinnenwelt so anzusehen, als ob sie in diesem Vernunftwesen ihren Grund hätten, lediglich aber in der Absicht, um darauf die systematische Einheit zu gründen, die der Vernunft unentbehrlich, der empirischen Verstandeserkenntnis aber auf alle Weise beförderlich und ihr gleichwohl niemals hinderlich sein kann.“⁸⁹ Für Kant bleibt damit der Gottesbegriff insgesamt nur eine intellektuelle Vorstellung der Vernunft, „nur eine Idee, die gar nicht direkt auf ein von der Welt unterschiedenes Wesen, sondern auf das regulative Prinzip⁹⁰ der systematischen Einheit der Welt […] bezogen wird.“⁹¹ Auch wenn Kant in seiner kritischen Untersuchung des menschlichen Erkenntnisvermögens also letztlich zu dem Schluss kommt, dass Gott nicht erkannt und seine Existenz nicht bewiesen werden kann, so vermag er dem Gottesbegriff in seiner Fassung als regulative Idee und damit als Leitbegriff der innerweltlichen Forschung doch auch positive Bedeutung zuzuschreiben. Auch die gewonnene Einsicht, dass Gottes Dasein bzw. seine „objektive Realität“ weder bewiesen noch widerlegt werden kann,⁹² erfährt von Kant eine positive Bewertung, da dem dogmatischen Atheismus, der das Nichtsein Gottes zu demonstrieren vorgibt, dadurch „die Wurzel abgeschnitten“ werde.⁹³ Die positive und praktische Bedeutung seiner Untersuchung zeigt sich dann aber v. a. darin, dass nach Kant die Grenzen, welche der theoretischen Vernunft gezogen werden, die reine praktische Vernunft freigeben. Die Destruktion der spekulativen Metaphysik bereitet also das Gelände für eine praktische Metaphysik, nach der die Ideen Gott, Freiheit und Unsterblichkeit nicht als Erkenntnisse der theoretischen, sondern als Postulate der praktischen Vernunft zu werten sind.⁹⁴ Von daher wird auch verständlich, wenn Kant in seiner Vorrede zur Kritik der reinen Vernunft betont: „Ich mußte also

 Kant, KrV B . Vgl. Michel, Kant,  f.  Die Ideen der Vernunft – Welt, Seele, Gott – sind nach Kant nicht konstitutive, sondern regulative Prinzipien, sie lassen also keinen Schluss auf die Existenz der den Ideen entsprechenden Gegenständen zu, sondern regeln die Verstandestätigkeit und lenken diese auf die Totalität der Erfahrungswelt hin. Vgl. Kant, KrV B  ff. .  – .  Ders., KrV B  (Hervorhebung hinzugefügt).  Ders., KrV B .  Ders., KrV B XXXIV. Kants „Kritik der reinen Vernunft“ wird man demnach nicht nur als eine Kritik der metaphysischen, sondern zugleich auch als eine Kritik der wissenschaftlichen Vernunft werten dürfen. Denn Wissenschaft ist und bleibt nach Kant unaufhebbar eine Sache der Erscheinungswelt und vermag über andere Dimensionen menschlichen Daseins nichts auszusagen. Letzterklärungen, wie immer sie geartet sein mögen, ist ihre Sache nicht. Vgl. Hinske, Kritik,  ff.  Kant, KpV  ff.

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das Wissen aufheben, um zum Glauben Platz zu bekommen“.⁹⁵ Unter Glauben versteht Kant dabei die Anerkennung der reinen praktischen Vernunft, welche aber nichts anderes ist als die – in Begriffen von Freiheit gedachte – Moralität.⁹⁶ Gott, dessen Realität durch die praktische Vernunft gefordert wird, kann und darf also nicht als theoretische Erkenntnis, sondern nur als eine moralische Überzeugung bzw. als ein praktisches Postulat von absoluter Gewissheit aufgefasst werden.⁹⁷ Gott ist nur für den evident, der sich zur moralischen Existenz entschlossen hat,⁹⁸ so dass Kant im Blick auf den Gottesbegriff formulieren kann: Er ist „ein ursprünglich […] zur Moral gehöriger Begriff“.⁹⁹ Die praktische Vernunft reicht damit weiter als die theoretische. Hinsichtlich der Verhältnisbestimmung gilt deshalb nach Kant: „In der Verbindung […] der reinen spekulativen mit der reinen praktischen Vernunft zu einer Erkenntnis führt die letztere das Primat“.¹⁰⁰

1.1.5 Aufnahme und Ablehnung Kants Diese in den Werken Kants zum Ausdruck gebrachte Absage an jede vom Menschen zu leistende Gotteserkenntnis findet – allerdings ohne das Primat der praktischen Vernunft – in Schaeders Konzeption als Außerkraftsetzung der für den menschlichen Erkenntnisakt grundlegenden Subjekt-Objekt-Relation ihren Niederschlag. Bezeichnungen wie „Grundpunkt der idealistischen Einstellung Kants“,¹⁰¹ „Grundposition“¹⁰² oder „Grundgedanke Kants“¹⁰³ weisen dabei darauf

 Ders., KrV B XXX.  Höffe, Kant,  f. Neben Meinen und Wissen wird auch der Glaube nach Kant dem Bereich des Fürwahrhaltens zugeordnet. Der Glaube nimmt dabei als subjektiv zureichendes und objektiv unzureichendes Fürwahrhalten eine Mittelstellung zwischen Meinen und Wissen ein. Beim Glauben im Bereich der Sittlichkeit bzw. beim moralischen Glauben ist der Zweck notwendig bzw. „unumgänglich festgestellt“, nämlich „dem sittlichen Gesetze in allen Stücken Folge“ zu leisten (Kant, KrV B ). Da jedes Handeln einen Zweck hat und jeder Zweck auf das sittliche Gesetz als letzten Zweck hin auszurichten ist, bedarf es der Verbindlichkeit dieses letzten Zweckes für jedes Handeln. Eine solche Verbindlichkeit postuliert die Vernunft apriorisch mit der Annahme der Existenz Gottes und einer zukünftigen Welt. Die Existenz Gottes und der zukünftigen Welt ist also kein Wissen, sondern „moralische Gewißheit“ für jedes handelnde Subjekt (Ders., KrV B ).Vgl. auch Sala, Kant,  ff.  Sala, Kant,  ff u.  ff.  Weischedel, Gott, .  Kant, KpV .  Ders., KpV  f.  Geistproblem, .  AaO., .  Theozentrische Theologie  (), .

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hin, dass Schaeder die Erkenntnistheorie Kants nicht in ihren Einzelheiten, sondern eher allgemein in ihren Hauptaussagen rezipiert. Zu diesen erkenntnistheoretischen Hauptaussagen zählt Schaeder – wie seine Kritik an einem von Lütgert angestrebten „Realismus“ deutlich macht¹⁰⁴ – v. a. „den kritischen Gedanken Kants, daß die Sinnenwelt für uns ‚Erscheinung‘, d. h. also daß sie für uns Inhalt unseres Bewußtseins sei“.¹⁰⁵ Im Anschluss an Dilthey kann Schaeder deshalb kritisch gegen seinen Freund und Schwager einwenden, „daß das realistische Verfahren, die Welt nicht als Erscheinung, nicht wie sie Inhalt unseres Bewußtseins ist, sondern als Ding an sich anzusehen, gar nichts anderes ist als ‚vorstellen wollen ohne Vorstellung‘. Es ist ein Zerreißen des Bannkreises der Subjektivität.“¹⁰⁶ Das geistige Bewusstsein bzw. die Subjektivität hat demnach für jeden Erkenntnisprozess des Menschen grundlegende Bedeutung. „Das bedeutet: der Ansatzpunkt für jede sachgemäße Untersuchung irgendeines Wirklichkeitsgebietes liegt in unserem eigenen, endlichen Geist oder in unserem Bewußtsein. […] Die Größen, die wir erkennend behandeln, sind sämtlich Bewußtseinsgrößen oder sie sind für uns und unsere Behandlung nicht da.“¹⁰⁷ Weil die Erkenntnisgegenstände also nur als Erscheinungen bzw. als Bewusstseinsgrößen, nicht aber in ihrem subjektunabhängigen An-sich gegeben sind, muss Schaeder einen Realismus, der mithilfe eines Kausalschlusses „vom Boden der Natur aus eine Naturtheologie“ zu gewinnen sucht oder der vom Menschen aus einen Gottesbeweis zu führen beabsichtigt, ablehnen.¹⁰⁸ Die Rezeption von Kants Grenzbestimmung hat also im Blick auf die vom Menschen zu leistende Gotteserkenntnis v. a. einschränkenden Charakter und geht als Außerkraftsetzung der erkenntnistheoretischen Subjekt-Objekt-Relation in Schaeders Konzeption ein. Metaphysik bzw. Theologie als Wissenschaft im eigentlichen Sinne kann es deshalb, so Schaeder in Übereinstimmung mit Kant, nicht geben.¹⁰⁹ Allein die „freie Selbstvergegenwärtigung Gottes durch den Geist“ bzw. „der Glauben als […] das direkte Erlebnis Gottes selbst“ ¹¹⁰ macht Gotteserkenntnis und damit die Inkraftsetzung der Subjekt-Objekt-

 Lütgert, Religion  (),  ff und  ff. Vgl. Neuer, Wilhelm Lütgert,  ff.  Geistproblem,  (Anm.).  AaO.,  (Anm.).Vgl. Dilthey, Leben Schleiermachers  (),  bzw. Leben Schleiermachers , .  Geistproblem,  f. Dies gilt nach Schaeder nicht nur für die Erkenntnis im Bereich von Natur und Geschichte, sondern auch für die von Kant abgelehnte Erkenntnis Gottes (AaO.,  (Anm.)).  AaO.,  f (Anm.).  In diesem Zusammenhang kann Schaeder anmerken: „Redet man davon, daß er [Kant] der Philosoph des Protestantismus ist, dann sollte man hervorheben, daß er indirekt, durch seine Negation des Zusammenhangs von Wissenschaft und Theologie, auch der Theologe des Protestantismus ist“ (Kant, ).  Theozentrische Theologie  (), .

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Relation möglich. Im grundlegenden Unterschied zu Kant, dessen Ablehnung einer vom Menschen zu leistenden Erkenntnis Gottes zwar geteilt, dessen Nichtbeachtung der „Offenbarungsfrage“ aber kritisiert wird,¹¹¹ kann man bei Schaeder deshalb von einem spezifisch theologischen bzw. pneumatischen Erkenntnissystem ¹¹² reden. Auch wenn Schaeder deshalb die Bezeichnung „Wissenschaft“ für die Theologie nur dann für angemessen hält, wenn darunter die sachgemäße Erfassung und Darstellung des Glaubens verstanden wird, so vermag er der Dogmatik im Organismus des universitären Wissenschaftsbetriebes doch auch eine unverzichtbare Rolle zuzuschreiben. Sie allein ist es, die die Totalität der Wirklichkeitserfassung gewährleisten kann. Damit ist eine gewisse Nähe zu Kant aufgewiesen, der in der transzendentalen Dialektik ebenfalls von der systematischen Einheit und Totalität aller Erfahrung sprechen kann. Gründet aber diese systematische Einheit der Welt bei Kant auf einer als „Gott“ bezeichneten regulativen Idee mit fragwürdigem Wirklichkeitsgehalt,¹¹³ so ist es im Gegensatz dazu bei Schaeder Gott selbst, der als die alles bedingende und gestaltende Realität den letzten schlechthin unüberbietbaren Grund aller Wirklichkeit darstellt.¹¹⁴ Den eigentlichen Unterschied zwischen Theologie und Philosophie erkennt Schaeder insbesondere in der Pneumatologie, denn anders als die Theologie, die dem Geistproblem große Beachtung schenkt bzw. zu schenken hat, lässt die Philosophie die Wirklichkeit Gottes bzw. das Wesen und Wirken des göttlichen Geistes aus dem Spiel. Zur Klärung des Wahrheitsproblems, sofern darunter die Feststellung der Wirklichkeit Gottes gefasst wird, kann die Philosophie deshalb keinen Beitrag zu leisten. Es zeigt sich also, dass Schaeder v. a. die von Kant vertretene Außerkraftsetzung einer vom Menschen zu leistenden Gotteserkenntnis sowie die damit zusammenhängende Subjektabhängigkeit aller Erkenntnis positiv zu würdigen

 Glaubenslehre, . Nach Schaeder „ist die Frage nach dem Erkenntnisgrunde der Theologie die nach der Offenbarung, durch welche der Glaube bedingt ist oder an welcher er hängt“. Siehe: Theozentrische Theologie  (),  f.  Vgl. Theozentrische Theologie  (), ; Pfarrer, .  Vgl. Schultz, Kant, : „Der praktische Vernunftglaube stößt nicht durch zu der eigentlichen Wirklichkeit des göttlichen Gesetzgebers und Regierers. […] Kant ist der Meinung, daß der Vernunftglaube seine Kompetenz überschreiten würde, wollte er die Wirklichkeit des von ihm Geforderten annehmen. Darum beschränkt er oft den Glauben auf das Fürwahrhalten von Sätzen […]. Im Glaubensvorgang des protestantischen Menschen aber geht es gerade um die letzte und höchste Wirklichkeit selbst. Und das Erlebnis dieser Wirklichkeit ist es, das die Wahrheit des Glaubens begründet und ihn unmittelbar in Aktivität übergehen läßt.“  Nach Schaeder ist der Gottesgedanke Kants, „sei es nun die Gottesidee unserer theoretischen oder das Gottespostulat unserer praktischen Vernunft, das dünnste, resp. auch das religiös verbogenste und unzureichendste Gebilde“. Siehe: Theozentrische Theologie  (),  f.

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vermag. Ist es demnach im Blick auf die Gotteserkenntnis ein weitgehend formal gefasster einschränkender Zug, den Schaeder anerkennt, so kann er doch auch zugleich an den inhaltlichen Ausführungen Kants scharfe Kritik üben. Dies betrifft, wie der Nachtrag im 1914 erschienenen zweiten Band der Theozentrischen Theologie deutlich macht, v. a. zwei grundlegende Aussagen Kants und deren Auswirkung auf die Theologie: Es sei unmöglich – so Schaeders erster Hauptkritikpunkt – „das theologische Erkenntnisverfahren im Anschluß an Kant oder mit dem Neukantianismus grundsätzlich oder gar reinweg zu einer Sache der praktischen Vernunft zu machen“.¹¹⁵ Mit dieser Ablehnung des Primats der praktischen Vernunft¹¹⁶ bei der Gestaltung der theologischen Methode wendet sich Schaeder aber nicht nur gegen den Neukantianismus, sondern auch gegen eine Gewissenstheologie, wie sie z. B. sein Greifswalder Lehrer Hermann Cremer vertreten hatte.¹¹⁷ Denn nach Schaeder gilt: „Überall, wo man die religiöse und mit ihr die theologische Erkenntnis grundsätzlich als praktische beurteilt, z. B. auch in der Gewissenstheologie des 19. und 20. Jahrhunderts, steht man tatsächlich im Banne Kants. Und dieser Bann, zu welchem besonderen theologischen Ausführungen er nun auch veranlaßt, muß gesprengt werden.“¹¹⁸ Eine an Kant orientierte Theologie, welche Gott oder Jesus Christus zu einer auf praktisch-sittlichem Wege erfahrbaren oder erfassbaren Wertgröße stempelt, kann Schaeder deshalb nur eine Absage erteilen. Auch wenn damit v. a. die in Werturteilen sich vollziehende religiöse Erkenntnismethode Albrecht Ritschls ins Blickfeld der Kritik rückt,¹¹⁹ so darf dabei dennoch nicht

 Theozentrische Theologie  (), .  Kant habe, so kann Schaeder an anderer Stelle betonen, die Religion von der Sittlichkeit abhängig und sie damit zu einem sehr dünnen „Anhängsel“ der Moral gemacht. Die Gottheit werde auf diese Weise „ein Postulat von der Moral aus“, ohne dass ihre Wirklichkeit jemals von uns erkannt werden könne. Schaeder tritt demgegenüber „für die Selbständigkeit und den Primat der Religion ein“ (Kant, ).  Nach Schaeders Urteil wird bei Cremer „der Mensch in bestimmter Weise vom Gewissen aus zum Produzenten seiner sittlich gearteten Gottesgewißheit oder Gotteserkenntnis“. Schaeder, der dies als „eine anthropozentrische Verschiebung des Sachverhaltes“ bewertet, kann deshalb von einer – allerdings nicht totalen – „Abhängigkeit Cremers von Kant“ reden. Siehe: Theozentrische Theologie  (), .  Theozentrische Theologie  (), .  Zur Erkenntnis Gottes gelangt man nach Ritschl weder durch Gottesbeweise noch durch Gotteserfahrung in der „natürlichen“ Wirklichkeit, sondern nur „indem man ihn durch Christus erkennt“ und „indem man sich in die Gemeinde der Gläubigen einschließt“ (Ritschl, Lehre , ). In seinem Bemühen, eine Erkenntnismethode zu entwickeln, die der Eigenart der Objekte der Glaubenserkenntnis entspricht, unterscheidet Ritschl dann im Anschluss an Rudolf Hermann Lotze zwischen dem theoretischen Erkennen, das mit Seinsurteilen arbeitet, und dem religiösen Erkennen, das sich in Werturteilen vollzieht. An metaphysischen Aussagen z. B. über die Naturen

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übersehen werden, dass Schaeder z. B. auch bei seinem Hallenser Lehrer Martin Kähler von einer „Wertbeobachtung, bei der es sich zentral um uns, um unser Bedürfnis handelt“,¹²⁰ reden kann. Eine Theologie, die wie bei Ritschl den Wert Gottes in der Bewirkung unserer Seligkeit erblickt¹²¹ oder wie bei Kähler „Gott in Christus unter dem Gesichtspunkt seines Wertes für uns, eben seines Gnadenwertes,“ betrachtet,¹²² muss Schaeder zurückweisen, weil sich in ihr eine anthropozentrische Verengung oder Verschiebung des Glaubens Ausdruck verschafft.¹²³ Gott wird dann – wie Schaeder gegenüber dem Entwurf Ritschls einwenden kann – „klar und unmißverständlich zum Mittel für unsere menschlichen Zwecke“ bzw. „zur Basis für die Vollendung und Sicherung unserer Existenz.Wir haben ihn unter uns; wir stehen über ihm.“¹²⁴ Nach Schaeder ist es dabei nicht die Wertbetrachtung an sich, sondern vielmehr ihre Ausschließlichkeit, die ihn zum Widerspruch veranlaßt. Gott ist, so Schaeder, „selbstverständlich auch der durchdringende Wert für uns“, „auch der Gott unserer praktischen Vernunft oder unserer Sittlichkeit“, aber „die reine Wertbetrachtung Gottes und seines Christus, die durchgeführte praktische Auffassung der Gotteserkenntnis oder der gläubigen Gottesgewißheit muß schwinden“.¹²⁵ Mit dem Hinweis auf die aus der reinen Wertbetrachtung resultierenden negativen Folgen versucht Schaeder seine Ablehnung zu untermauern. So habe die reine Wertbetrachtung bzw. die „rein persönlich-sittlich orientierte Behandlung des Gottes- und des Religionsproblems“ doch auch „die egozentrische, einseitig oder schlecht egoistische Haltung des Glaubens im kirchlichen Gesamtleben nachhaltig gestärkt“.¹²⁶ Außerdem

Christi ist ihm deshalb gar nichts gelegen. Den Gedanken der „Gottheit“ Christi will er vielmehr immer nur als „Ausdruck der eigenthümlichen Anerkennung und Werthschätzung, welche die Gemeinde ihrem Stifter widmet“, verstanden wissen (Ritschl, Lehre , ; vgl. auch zum Vorherigen: Hornig, Lehre,  f und Theozentrische Theologie  (),  ff).  Theozentrische Theologie  (), . Cremer wie Kähler waren nach Schaeder zwar beharrliche Gegner Ritschls, berührten sich aber in der durchdringenden Betonung des Soteriologischen doch mit ihm. Man hatte, wie Schaeder hervorhebt, bei allem sachlichen Abstand da und dort praktische Werttheologie (Anforderungen, ). Zum sachlichen Abstand zwischen Cremer und Ritschl in der Hamartiologie und Soteriologie vgl. Cremer und Ritschl,  ff. Zum Wertbegriff bei Kähler vgl. Mencke, Erfahrung,  ff.  Theozentrische Theologie  (),  ff.  AaO., .  AaO.,  ff u.  ff.  AaO.,  f.  Theozentrische Theologie  (),  f.  (Hervorhebung hinzugefügt).  Abgesehen von dieser egoistischen Tendenz kann Schaeder der „rein persönlich-sittlich orientierte[n] Behandlung des Gottes- und Religionsproblems“ auch eine große, positive Bedeutung für die Verinnerlichung und Kräftigung des kirchlichen Glaubenslebens zuschreiben (AaO., ).

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mache die reine Wertbetrachtung die Wirklichkeit Gottes und die gläubige Gewissheit um ihre geschichtliche Offenbarung unsicher und habe damit „dem Verdacht des Illusionismus […] Tür und Tor geöffnet.“¹²⁷ Neben dieser Ablehnung des Primats der praktischen Vernunft und einer an Kant orientierten „Werturteilstheologie“¹²⁸ richtet sich Schaeders zweiter Hauptkritikpunkt dann gegen einen durch die Rezeption Kants bedingten Welt- und Wirklichkeitsverlust der Theologie. Nach Schaeder muss die Theologie zwar „Kants Kritik teilen, soweit es sich um den Vernunftschluss von der Welt auf Gott handelt. Aber sie kann sie unmöglich teilen, sofern diese jede gesicherte, objektive Welterfahrung in das Reich der Schatten verweist. Denn dann hängt der Glaube bei all seinem innerweltlichen Überführtsein von Gott doch der Welt gegenüber, dieser Wirklichkeit gegenüber, in die wir versenkt sind und zu der wir selber gehören, in der Luft“.¹²⁹ Für Schaeder, der die Welterfahrung – genauer die Natur- und Geschichtserfahrung – als sekundäre „Stützen“ des Glaubens bezeichnen kann,¹³⁰ stellt sich also „angesichts der Vernunftkritik Kants“ die Frage, „ob wir überhaupt an die Wirklichkeit der Weltdinge, so etwa an die wirkliche Beschaffenheit der Natur, herankommen können“.¹³¹ Denn nur wenn dies gelingt, vermag die äußere Welterfahrung Stütze der – „prinzipiell dem Gebiete der inneren, persönlichen Erfahrung“ zugewiesenen – Gottesgewissheit des Glaubens zu sein.¹³² Ist aber, folgt man Kant, vom Ding an sich, also von dem, was hinter der Erscheinung steht, keine Erkenntnis bzw. kein menschliches Wissen möglich, dann bedroht diese Beschränkung nach Schaeder die Gottesgewißheit des Glaubens selbst, weil sie ihn der Gefahr der Illusion aussetzt: „Fallen nun die Stützen, welche jene Gewißheit in äußerer Erfahrung finden soll, fort, weil solche äußere Erfahrung uns nicht an die Wirklichkeit der Dinge, sondern nur irgendwie an eine subjektive

 AaO., .  Anforderungen, .  Theozentrische Theologie  (),  (Hervorhebung hinzugefügt).  Nach Schaeder gilt, „daß Natur und Geschichte für sich, ohne den Glauben an Gottes Majestät, in bezug auf die Wirklichkeit Gottes stumm sind. Nur oder erst der vorhandene Glaube macht aus ihnen Mittel der Gotteserkenntnis. […] Diesen Sachverhalt sollte die Bezeichnung Stützen des Glaubens zum Ausdruck bringen“ (Streiflichter, ). In diesem Zusammenhang weist Schaeder aber immer wieder darauf hin, dass die Weltbeobachtung den Glauben nicht nur stützen, sondern ihm durchaus auch widersprechen kann. Bei Schaeder ist im Hinblick auf die Bedeutung der sekundären„Stützen“ ein Wandel festzustellen. Konnte er anfangs noch von einer Notwendigkeit dieser Stützen sprechen, so nimmt er z. B. in der zweiten Auflage des zweiten Bandes seiner Theozentrischen Theologie davon Abstand. Vgl. z. B. Theozentrische Theologie 2 (1928), 163 (Anm.).  Theozentrische Theologie  (),  f.  AaO., .

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Auffassung von ihnen heranbringt, dann ist jene Gewißheit zur reinen Angelegenheit unserer persönlichen Innerlichkeit geworden, und dann können ihr gegenüber ohne jedes Hemmnis die Einreden aufbrechen, daß sie Sache der Illusion, der fromm-malenden Phantasie sei.“¹³³ Denn trotz der pneumatischen Wirksamkeit gilt nach Schaeder: „Über solche zerstörenden Einreden ist die Gottesgewißheit des Glaubens bei aller überführenden Energie der Geisteswirksamkeit, aus der sie im letzten Grunde stammt, nur dann hinausgehoben, wenn sie mit guten Gründen von Weltwirklichkeit zu sagen weiß, durch welche sie selber unterbaut wird.“¹³⁴ Von daher wird verständlich, wenn Schaeder bei Kant von „einem für uns dunklen und unzugänglichen ‚An sich‘“ reden kann, das es zu überwinden gilt.¹³⁵ Im Unterschied zu Kant, bei dem die Wirklichkeit der Dinge an sich zum Phantom zu werden droht, obwohl sie als eigentlich reale Wirklichkeit die Realität der Erkenntnis und ihrer Gegenstände zu verbürgen hat, fordert Schaeder deshalb einen größeren Bezug zur realen, empirisch erfahrbaren Wirklichkeit: „Es kommt nun für die Auseinandersetzung mit Kant auf die Betonung der Tatsache an […], daß die Welt, genauer die Natur und Geschichte, im Verhältnis zu uns selber ja doch nicht schlechtweg ein Anderes ist. Es handelt sich um eine neue Beleuchtung der Objekt-Beziehung, in welcher die Welt zu uns, und der Subjekt-Beziehung, in welcher wir zu ihr stehen. Natur ist, so gewiß sie in der richtigen Abmessung genommen, uns als ein Anderes, als Objekt, gegenübersteht, doch immer zugleich etwas von unseren eigenem [sic!] Selbst, von unserem eigenen Lebensbestande. Das gleiche gilt von der menschlichen Geschichte. Wir sind nicht ohne sie, gar nicht ohne sie denkbar und faßbar. Weil dies Beides gilt, deshalb ist der Verzicht auf objektiv-wahrhafte Welterkenntnis, Natur- wie Geschichtserkenntnis, letzten Endes nichts anderes als der Verzicht auf Selbsterkenntnis oder auf erkennende Selbstgewißheit. Wir verlieren nicht nur die Welt, wenn wir mit Kants Erkenntniskritik gehen; wir verlieren gerade auch uns selber, die wir unablösbare, organisch verwachsene Bestandteile dieser Welt sind. Die Theorie Kants verstößt in der Tat gegen das ‚Existentialverhältnis‘, welche [sic!] zwischen Welt und uns besteht. Unter dem leitenden Gesichtspunkt der Betrachtung der ‚reinen‘ Vernunft richtet sie eine Scheidewand zwischen dem erkennenden Ich und der Weltwirklichkeit auf, die so gar nicht haltbar ist.“¹³⁶ Anlass der Kritik an Kant ist demnach v. a. die

 Ebd.  Ebd.  Streiflichter, .  Theozentrische Theologie  (),  f. Der „Neukantianismus“ liegt ebenso wie der „Kantianismus“ nach Schaeder, „im Banne des durchdringenden Dualismus von Natur und Geist oder Natur und persönlicher Vernunft“. Insofern sind beide „griechisch, d. h. platonisch“ (AaO.,  (Anm.)).

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nicht gelungene Vermittlung des eigenständigen Bereichs der Wirklichkeit mit dem der menschlichen Wahrnehmung und Erkenntnis. Denn wenn sich sinnliche Wahrnehmung nur auf Erscheinungen bezieht, wenn – so Schaeders Urteil über Kant – die Erscheinungswirklichkeit eben nur eine Vorstellung von Wirklichem ist ohne einen echten Bezug dazu, der die bloße Vorstellung durchbrechen könnte, dann geht damit ein Welt- und Selbstverlust einher.¹³⁷ Diesem reduzierten Wirklichkeitsverständnis begegnet Schaeder mit der Vorstellung von einem Existentialverhältnis zwischen Weltwirklichkeit und erkennendem Ich. Der Mensch ist demnach selbst ein Teil der Natur bzw. der Geschichte und damit nach Schaeder in den größeren Zusammenhang der Schöpfung Gottes eingeordnet. Diese Relationalität aller Schöpfung, ihre vielfältige Bezogenheit und Verflochtenheit, an der der Mensch partizipiert, weil er selbst ganz und gar Geschöpf ist, gerät – so zumindest Schaeders Urteil – bei Kant aus dem Blick.¹³⁸ Ein Subjekt-ObjektVerhältnis, das hinsichtlich der Welterkenntnis eine „Scheidewand“ zwischen dem erkennenden Ich und der Weltwirklichkeit aufrichtet, muss Schaeder deshalb zurückweisen. Durch diese inhaltliche Kritik, welche sich nicht nur gegen das am sittlichen Handeln orientierte Primat der praktischen Vernunft, sondern auch gegen einen Welt- und Wirklichkeitsverlust richtet, schränkt Schaeder also – so kann zusammenfassend festgehalten werden – den Einfluss Kants deutlich ein. Die Rezeption Kants bezieht sich demnach in erster Linie auf die Subjektabhängigkeit aller Erkenntnis und die damit zusammenhängende Negation einer vom Menschen zu leistenden Gotteserkenntnis. Dieser weitgehend formal gefasste einschränkende Zug darf aber nicht für gering erachtet werden, da ihm für das „Hauptproblem der Dogmatik“, nämlich für die Bestimmung des Weges „unseres Inwendigen zur Wirklichkeit Gottes“,¹³⁹ eine grundlegende Bedeutung zukommt: Er schafft Raum für eine „rechtverstanden theozentrische Theologie, d. h. für eine, die sich methodisch an den Glauben, dabei aber an die restlos beherrschende Stellung des offenbar gewordenen Gottes im Glauben bindet“.¹⁴⁰ Damit hat die nach Schaeder „für die Theologie geltende Devise: mit Kant und gegen Kant […] für uns ihr deutliches Profil gewonnen“.¹⁴¹ Die Aufnahme und die Zurückweisung kantscher Gedanken lässt sich in Anlehnung an ein Zitat Kants dann wie folgt zusammenfassen: Ich musste also das Wissen und damit die für den menschlichen Erkenntnisakt grundlegende Subjekt-Objekt-Relation aufheben, um zum Glauben

    

Vgl. Michel, Kant, . Vgl. aaO., . Weg,  ff. Theozentrische Theologie  (), . AaO., .

1.2 Mit Schleiermacher und gegen Schleiermacher

123

als freie Selbstvergegenwärtigung Gottes durch den Geist Platz zu bekommen.¹⁴² Kurz: Gotteserkenntnis ist ohne die durch den Geist gewirkte Inversion der Subjekt-Objekt-Relation nicht möglich. Anders als bei Kant kommt es bei Schaeder somit im Blick auf die Gotteserkenntnis zu einer Durchbrechung der Negation durch die Inversion.

1.2 Mit Schleiermacher und gegen Schleiermacher 1.2.1 Schleiermacher als Vertreter des deutschen Idealismus Wendet sich die erkenntnistheoretische Arbeit dem religiösen Phänomen zu und fragt nach der Möglichkeit einer gesicherten Erkenntnis des Transzendenten, dann kann ihr dies Transzendente – wie die Ausführungen Schaeders zu Kant zeigten – lediglich im Bereich des eigenen, endlichen Geisteslebens, der eigenen Subjektivität entgegentreten: „Nichts ist abgesehen von und außerhalb der Subjektivität zu erkennen, auch das Transzendente nicht; alles nur mit ihr und in ihr. Sagt man dies, dann steht man methodisch grundsätzlich auf dem Boden des Idealismus, wie Kant ihn schöpferisch angebahnt hat.“¹⁴³ Es ist also vor allem die von Kant betonte Subjektabhängigkeit bzw. Bindung aller Erkenntnis an die apriorischen Bedingungen des erkennenden Subjekts, die diesen – so Schaeders Würdigung – geradezu zum „Vater und Anfänger“¹⁴⁴ des klassischen deutschen Idealismus werden ließ. Bestimmt Schaeder dabei den Begriff „Idealismus“ zunächst recht allgemein als Versuch, „vom Geiste aus mit der gesamten Wirklichkeit fertig [zu] werden“,¹⁴⁵ so weisen die Bezeichnungen kritischer bzw. metaphysischer Idealismus¹⁴⁶ doch auch auf Differenzierungen innerhalb dieser für das deutsche Geistesleben bedeutsamen Epoche hin.¹⁴⁷ Schaeder kann deshalb im „Unterschied vom kritischen Idealismus Kants den sogenannten metaphysischen, der seine Krönung in Hegel findet, […] ins Auge fassen“¹⁴⁸. Die Differenz zwischen den  Vgl. Kant, KrV B XXX.  Selbstdarstellung, .  Kant, .  Geistproblem, .  Glaubenslehre, .  Nach Schaeder hat Deutschland „geistig genommen, zwei wahrhaft große Epochen durchlebt. Die eine von unbestrittener Bedeutung für die ganze Welt. Das ist die Epoche der Reformation. […] Die andere geistige Heldenzeit unserer Geschichte aber ist die Epoche unseres klassischen Idealismus von vor gut hundert Jahren“ (Religiöser Wegweiser, ).Vgl. auch: Evangelium,  ff.  Glaubenslehre, .

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beiden Ausprägungen des Idealismus präzisiert er dann wie folgt: „Die Vernunft, der endliche Geist stieg durch ihn [den klassischen Idealismus] strahlend in die Höhe. Er ist das Triumphlied auf die Vernunft, und zwar ist er das gerade bei Kant. In Gedankengängen, die wir hier nicht wiederholen können, führt Kant aus, daß unser subjektives Weltbild, unser Weltbewußtsein zu einem wesentlichen Teile Produkt unserer Vernunft ist. […] Dieselbe Vernunft, derselbe endliche Geist gibt sich weiterhin auch das Sittengesetz, die absolut verbindliche Norm für das Handeln des Willens. […] Es kann auch nach Kant lediglich davon die Rede sein, daß das autonome Ich von sich aus das Sittengesetz erfüllt oder das Gute verrichtet, wenn auch nur in unablässiger Annäherung. Das gleiche Ich formt endlich die Normen des Schönen. So hebt sich bei Kant der natürliche Geist sozusagen ungehemmt in die Höhe. […] Der weitere Idealismus, von Fichte an, hat die eben bezeichneten Positionen Kants sämtlich übersteigert oder in Schelling und Hegel metaphysisch verbogen. Aber was diese Männer auch über die weltschöpferische Tätigkeit des endlich-unendlichen Geistes gesagt, was sie an Diskussion und Streit über ihre Ausgangspunkte angehäuft haben, es hat alles in Kant seinen Ansatz. Seine Leistung ist die idealistische Erhöhung des Geistes über seinen schöpferischen Stand hinaus.“¹⁴⁹ Diese Differenzierung zwischen dem kritischen Idealismus Kants und dem metaphysischen von Fichte bis Hegel hat dann nach Schaeder v. a. auch Auswirkungen auf die Stellung des Idealismus zur Gottesfrage: „Entweder hat er [der Idealismus] dahin geneigt, Gott von unserer Wirklichkeit entschlossen abzurücken, dann also den Menschen Gott gegenüber nachdrücklich auf sich zu stellen. Hierfür ist doch besonders Kant typisch. Oder er hat der Neigung nachgegeben, Gott und das Endliche, Gott und den endlichen Geist tunlichst ineinanderzuziehen. Man denke nur an die Haltung unserer großen Idealisten von Fichte bis Hegel, um den Sachverhalt deutlich vor Augen zu haben. Gott wird entweder aus dem Prozeß des Lebens ausgeschaltet, oder er wird tunlichst in ihn verstrickt. Jedenfalls erleidet das weltüberlegene und dabei weltdurchwaltende Herrschertum Gottes, seine Majestät, hier deutliche Einschränkungen oder Verdrehungen.“¹⁵⁰ Das „Hauptproblem der Dogmatik“, nämlich die Bestimmung des Weges unseres Inwendigen zur Wirklichkeit Gottes,¹⁵¹ lässt sich dann aber nicht mehr theozentrisch lösen. Denn ist „Geist der tiefste und umfassende Inbegriff aller Wirklichkeit, wie sich der Idealismus das denkt, drückt der Identitätsgedanke des Idealismus das wesenhafte Ineinander und Miteinander von absolutem und

 Kant, .  Christentum im Weltanschauungskampf, .  Weg,  f.

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endlichem Geist aus, dann läßt sich jede Hervorbringung des Geistes, jede religiöse, sittliche oder kulturelle Äußerung des Genies oder untergeordneter Geister, auch jedes Element der Natur in seinem Beharren oder in seiner Bewegung als Offenbarung des Göttlichen denken“.¹⁵² Von daher erklärt es sich, dass Schaeder – auch wenn mit seinen Äußerungen eher die Wirkungsgeschichte ins Blickfeld rückt¹⁵³ – von einer „idealistischen Vereinerleihung von Gott und Menschengeist“ und von einer „Religion des mystischen Pantheismus“ reden kann.¹⁵⁴ Nichts sei deshalb heute nötiger, als sich „nachdrücklich auf das zu besinnen, was eigentlich Heiliger Geist ist. Heiliger Geist nicht einfach als eine lehrhafte Größe, über die man diskutiert, sondern als eine Lebensmacht, von der man zehrt.“¹⁵⁵ Die Überwindung der Subjekt-Objekt-Spannung durch den idealistischen Identitätsgedanken¹⁵⁶ und damit die fehlende Unterscheidung zwischen menschlichem und göttlichem Geist hat nach Schaeder dabei schwerwiegende Folgen für die Hamartiologie und Soteriologie: „Ist der endliche Geist eins und einig mit Gott, dann kann von Sünde in ihm und von einer Trennung gegenüber Gott, die sich für ihn aus seiner Sünde ergäbe, keine Rede mehr sein. Entweder streitet man für den gottgeeinten Geist den Tatbestand der Sünde überhaupt ab. Der Mensch erscheint jetzt als gut, im Kerne seines Wesens ist er gut, entwicklungsfähig, jeder sittlich-religiösen Steigerung fähig. Oder es breitet sich die Vorstellung aus, daß das, was wir das Böse nennen, gar nicht im unbedingten Gegensatz und Abstand von Gott steht. Als Wille oder Gesinnung des gottgeeinten Menschengeistes ist es nun auch Gottes Wille. Es gehört zu unserer Wirklichkeit, wie auch das Unschöne, Karikierte oder Sinnlich-Gemeine zu ihr gehört.“¹⁵⁷ Von daher ist es nach Schaeder dann auch zu erklären, dass „diese idealistische Mystik nichts mit dem Gedanken der freien versöhnenden Gnade anfangen kann, daß sie

 Theozentrische Theologie  (),  f.  Zur Wirkungsgeschichte des klassischen Idealismus zählt Schaeder z. B. den Neuprotestantismus (Evangelium,  f) oder die Anthroposophie Rudolf Steiners. Letztere ist nach Schaeders Worten eine „besondere Abart des Idealismus“ (Christentum im Weltanschauungskampf, ). Vgl. zur Anthroposophie v. a. auch: Evangelium,  ff.  Christentum im Weltanschauungskampf, .  AaO., .  Pfarrer, .  Christentum im Weltanschauungskampf, . Als eine Ausnahme sind die Gedanken Kants – etwa in seiner Schrift „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ – zu bewerten. Denn „aus der Reihe der Idealisten“ hat nur er „unsere tiefpersönliche Gebundenheit an das (gottwidrige) Böse gesehen“, auch wenn er „dann doch seiner Erkenntnis nicht die letzte religiöse oder praktisch-sittliche Folge gibt“. Siehe: Theozentrische Theologie  (), .

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verurteilt ist, an der Christustatsache vorüberzufahren, wenn sie das auch gar nicht immer deutlich sieht“.¹⁵⁸ Der Abstand zwischen dem klassischen Idealismus von Kant bis Hegel und den reformatorischen Grundwahrheiten Luthers ist damit aber offensichtlich und kann nach Schaeder nicht mehr überbrückt werden.¹⁵⁹ Es sollte deshalb – so Schaeders Zusammenfassung der inhaltlichen Kritik am Idealismus – „kein Zweifel bestehen, daß das, was wir im technischen Sinne des Wortes Idealismus nennen, in allen seinen geschichtlich vorliegenden Formen mit den Grundgesichtspunkten der Reformation von Sünde und Gnade, Schuld vor Gott und Christus, belastetem Gewissen und Rechtfertigung, nicht fertig geworden ist oder nicht fertig werden kann. Und das liegt letzten Endes an seiner Stellung zur Gottesfrage, daran, daß er Gott entweder mit dem endlichen Geist mystisch in eins rückt oder ihn deistisch von dem Leben des Geistes, auch und gerade von seinem sittlichen Leben, fernhält. Für die Söhne und Töchter Luthers wird es sich immer wieder an dieser Stelle um die Abgrenzung gegen den Idealismus, den heutigen erst recht, handeln.“¹⁶⁰ Trotz dieser inhaltlichen Kritik, welche sich v. a. gegen Defizite in der Gotteslehre, der Pneumatologie, der Hamartiologie und der Soteriologie richtet, darf allerdings nicht übersehen werden, dass nach Schaeder „der deutsche Idealismus erkenntniskritisch, eben durch die Anknüpfung seiner gesamten Erkenntnisarbeit an das endliche Bewußtsein, dauernde Verdienste hat“.¹⁶¹ Es ist also gerade die methodische Funktion des Bewusstseins bzw. des menschlichen Geistes,¹⁶² die Schaeder zu würdigen weiß. Das Bewusstsein – so betont Schaeder immer wieder – hat für jeden Erkenntnisprozeß, auch für den theologischen, grundlegende Bedeutung: „Das bedeutet: der Ansatzpunkt für jede sachgemäße Untersuchung irgendeines Wirklichkeitsgebietes liegt in unserem eigenen, endlichen Geist oder unserem Bewußtsein. Diese Auffassung gilt,wenn es sich um die Natur in der Fülle ihres Seins und ihrer Bewegungen, um die Geschichte mit dem Reichtum ihrer Taten und Tatbestände, um das Ich und das, was wir sein Leben nennen, es gilt auch, wenn es sich um den Geist Gottes oder um Gott und den Inbegriff seiner  Christentum im Weltanschauungskampf,  f.  Nach Schaeder gilt aber auch, „daß diese beiden großen Regungen deutschen Geistes durch einen allertiefsten Charakterzug von Freiheit oder von persönlicher Selbstbehauptung allem geistlich-geistigen Zwang gegenüber miteinander verwandt sind, ja, daß unser klassischer Idealismus von Kant bis Hegel und über diesen hinaus ohne den befreienden Vorgang der Reformation schlechterdings nicht erklärlich ist“ (Evangelium, ).  Christentum im Weltanschauungskampf., . Vgl. auch: Evangelium,  ff.  Geistproblem,  f (Hervorhebung hinzugefügt).  Schaeders Begrifflichkeit variiert leicht. So kann er z. B. vom menschlichen, endlichen Geist, vom endlichen Bewusstsein, vom geistigen Bewusstsein oder vom persönlichen Bewusstsein reden. Vgl. Geistproblem,  ff.

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lebendigen Wirkungen handelt. Die Größen, die wir erkennend behandeln, sind sämtlich Bewußtseinsgrößen oder sie sind für uns und unsere Behandlung nicht da. Der Gott, mit dem es die Theologie zu tun hat, ist der Gott unseres Bewußtseins und kein anderer. Oder er ist der Geistgehalt unseres Bewußtseins.“¹⁶³ Diesen soeben beschriebenen Sachverhalt, dass die Theologie, gerade auch die theozentrisch orientierte Theologie, „beim Menschen oder beim geistigen Bewußtsein des Menschen einzusetzen hat“, kann Schaeder auch als „idealistische Grundeinstellung“ der Theologie bezeichnen.¹⁶⁴ Damit würdigt Schaeder einerseits die methodische Funktion des Bewusstseins, macht aber andererseits zugleich auch deutlich, dass er zwischen Grundeinstellung¹⁶⁵ und weiterer Methode zu differenzieren weiß. Denn nach Schaeder „bewirkt die Verschiedenheit der Objekte der Wissenschaft eine verschiedenartige Inanspruchnahme unserer Erkenntnisfunktion; mit Größen der Natur wird unser Geist anders fertig als mit Größen der Geschichte, geschweige denn als mit dem gottgebundenen Glauben. Man kann deshalb unmöglich von einer schlechtweg einheitlichen wissenschaftlichen Methode reden“.¹⁶⁶ Von dieser Objektabhängigkeit der wissenschaftlichen Methode erklärt es sich, dass in Schaeders eigenem Entwurf nie von einer idealistischen, wohl aber von einer „theozentrisch oder pneumatisch bestimmten“ Methode die Rede ist.¹⁶⁷ Wahre theologische Erkenntnis, die ebenso wie jede sachgemäße wissenschaftliche Erkenntnis durch die gelungene „Synthese zwischen Objekt und erkennender Subjektivität“ gekennzeichnet ist,¹⁶⁸ kann es nur aufgrund dieser spezifisch theologischen Methode geben. Mit dem Hinweis auf die „idealistische Grundeinstellung“ will Schaeder demnach nicht Grundinhalte der idealistischen Philosophie übernehmen, sondern nur ein allgemein wissenschaftliches Verfahren angeben, das für jede geistige Erkenntnis- und Denktätigkeit maßgebend und selbstverständlich sein müsste. Beachtet man diese Differenzierung zwischen allgemeinem Verfahren und

 AaO.,  f. Schaeder wehrt sich in diesem Zusammenhang dagegen „diesen Tatbestand, soweit er eben die Theologie angeht, […] gleich mit dem vielumstrittenen, geschichtlich belasteten Titel ‚Bewußtseinstheologie‘“ abzutun, denn „Bewußtseinstheologie kann in sich etwas sehr Verschiedenartiges sein“ (AaO., ).  AaO.,  (Hervorhebung hinzugefügt).  Die Grundeinstellung kann Schaeder auch als „methodische Grundposition“ bezeichnen (Geistproblem, ).  AaO., .  Im Unterschied z. B. zur Religionsphilosophie geht nach Schaeder die Theologie vom gleichen Ausgangspunkt, nämlich vom religiösen Bewusstsein her, „ihren theozentrisch oder pneumatisch bestimmten, anderen Weg“ (AaO., ). Zum Begriff „Theozentrische Methode“ vgl. z. B. Theozentrische Theologie  (), VIII.  Geistproblem, .

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spezieller, am Gegenstand orientierter wissenschaftlicher Methode, dann lässt sich die „unaufgebbare Synthese zwischen dem erkenntnistheoretischen Idealismus und der Theologie“¹⁶⁹ deutlicher fassen und eingrenzen. Die Funktion der idealistischen Grundeinstellung erschöpft sich dann nämlich darin, den Ansatz im Sinne eines Einstiegs theologischer wie jeder anderen Erkenntnisarbeit anzugeben.¹⁷⁰ Damit aber bestätigt sich das bereits bei Kant Gesagte.¹⁷¹ Mit diesen allgemeinen und pauschalen Aussagen Schaeders zum Idealismus¹⁷² ist der speziellen Auseinandersetzung mit Schleiermacher schon die Richtung gewiesen. Denn nach Schaeders Urteil war auch Schleiermacher selbst, dessen kirchliche und akademische Wirksamkeit in die Periode des deutschen Idealismus fiel, ein „Idealist und Mystiker“.¹⁷³ Er sei, wie Schaeder ergänzend hinzufügen kann, „die Abhängigkeit vom Idealismus, die in seinen Reden über die Religion theologisch zutage tritt, niemals losgeworden, auch nicht in seiner Glaubenslehre“.¹⁷⁴

1.2.2 Schaeders Schleiermacher-Interpretation Schaeders Urteil über Schleiermacher stützt sich – abgesehen von wenigen Hinweisen auf die Reden „Über die Religion“ – vor allem auf dessen Glaubenslehre, hat also weniger den jungen als vielmehr den reifen Schleiermacher im Blick. Auch wenn sich diese Auseinandersetzung mit dem theologischen System Schleiermachers durch das gesamte akademische Schaffen Schaeders zieht und somit als grundlegend gelten kann, so darf dabei nicht übersehen werden, dass Schaeders Schleiermacher-Interpretation vor allem aufgrund deutlicher Kritik in den ersten Jahren auch Veränderungen erfahren hat.¹⁷⁵ Diese Veränderungen werden in den ersten beiden Auflagen des ersten und in der ersten Auflage des zweiten Bandes

 AaO., .  Goertz, Geist, .  Vgl. oben S.  ff.  Dass Schaeder den Idealismus recht allgemein und pauschal abhandeln konnte, dürfte auch damit zusammenhängen, dass sich sein Schwager und Freund Wilhelm Lütgert in seinem Werk „Die Religion des deutschen Idealismus und ihr Ende“ ausführlich mit dieser Epoche und deren Auswirkungen beschäftigt hatte. Auf dieses dreibändige Werk verweist Schaeder immer wieder. So z. B. Glaubenslehre, ; Geistproblem,  f. . Vgl. Lütgert, Religion  –  ( – ).  Pfarrer, .  Ebd. Zu Schleiermachers Defiziten z. B. in der Christologie, Hamartiologie und Soteriologie vgl. Geburtstagsrede,  ff.  Schaeders Schleiermacher-Interpretation kritisierten z. B. Leese, Prinzipienlehre,  ff; ders., Weltbild,  ff; Pachali, Schaeder wider Schleiermacher,  ff u. Heinsius, Streit  ff.

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der Theozentrischen Theologie literarisch greifbar und betreffen insbesondere das Verständnis von Schleiermachers Glaubensbegriff sowie die Deutung des § 30 der schleiermacherschen Glaubenslehre.¹⁷⁶ Eine Sonderstellung nimmt die 1918 an der Universität Breslau gehaltene Rede zum 150. Geburtstag Schleiermachers ein.¹⁷⁷ Diese als auffallend moderat¹⁷⁸ zu wertende Äußerung Schaeders erklärt sich dabei v. a. von ihrem Situationsbezug her. Denn Schaeder – damals erst wenige Monate dem Lehrkörper der Universität Breslau zugehörig – dürfte bei seiner wohl ersten öffentlichen Rede sowohl dem Anlass als auch den noch neuen Verhältnissen entsprechend eher vorsichtig aufgetreten sein. Die dort getroffenen Äußerungen bedürfen deshalb einer Ergänzung und Korrektur durch die Ausführungen in den Hauptwerken Schaeders.

1.2.2.1 Schleiermacher als Reformator der Theologie Wendet man sich Schaeders Schleiermacher-Interpretation im Einzelnen zu, so fällt auf, dass insbesondere in Schaeders Hauptwerk die kritischen Töne das Feld beherrschen. Diese Prävalenz des Kritischen erklärt sich dadurch, dass Schaeder – wie bereits der Untertitel des ersten, geschichtlichen Teils seiner Theozentrischen Theologie zu erkennen gibt – den „anthropozentrische[n] Zug in der Theologie seit Schleiermacher“ über Ritschl, die religionswissenschaftliche Theologie, die Erlanger Bewusstseinstheologie bis hin zu Hermann Cremer und Martin Kähler aufzuspüren beabsichtigt. Auch wenn damit die Defizienz der theologischen Entwürfe in den Vordergrund rückt, so weiß Schaeder – wie bei der Auseinandersetzung mit der Position Schleiermachers deutlich wird – die unterschiedlichen Konzeptionen durchaus auch zu würdigen. Man könne, so Schaeder übereinstimmend in allen drei Auflagen des ersten Bandes, Schleiermacher zumindest von einer Seite her als den „Reformator der Theologie“ bezeichnen. Er habe nämlich die dogmatische Theologie an ein eigenstes, d. h. persönliches Erlebnis des Menschen gebunden. Das deshalb, weil der Mensch nur in einem solchen sich wahrhaftig mit Gott berühre oder Gott erreiche. Dabei gelte: „Dies Erlebnis ist

 Vgl. z. B. Bachmann, Rezension ThLBl  (), .  Diese Rede wurde abgedruckt in: BFChTh / (),  –  u. EKBSchl  (),  – .  – .  Schaeder reißt darin die Kritik an Schleiermacher nur an, während er den unvergänglichen Einfluss und die bleibende Bedeutung des großen Theologen in den Vordergrund rückt. Dabei ist auch die Tendenz Schaeders erkennbar, die Hauptgedanken Schleiermachers in engem Zusammenhang mit der eigenen Grundkonzeption darzustellen. Schaeder dürfte demnach seine Rede auch zur Vorstellung seiner eigenen Position genutzt haben. Vgl. auch Heinzelmann, Rezension,  f.

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unser persönlicher Glaube, unsere Religion. In ihr gibt Gott sich uns zu erfassen und erfassen wir Gott. Unser Glaube ist unser Erlebnis Gottes, auch Gottes in Christo; das einzige, welches wir machen. Daher hat es die Theologie mit dem Glauben zu tun; sie ist Glaubenslehre.“¹⁷⁹ Nach Schaeder darf dieses „prinzipielle Programm Schleiermachers“ der Theologie und der Kirche, für die sie arbeitet, nicht wieder verloren gehen. Schleiermachers „reformatorische Tat“ kann dabei geschichtlich nicht ohne Kants „Zertrümmerung des wissenschaftlichen Intellektualismus auf dem Felde der Gotteserkenntnis“ verstanden werden: „Nur weil ihm Kants Kritik das Auge geschärft hat, sieht Schleiermacher die große Tatsache, daß Gott für uns immer nur so Objekt unserer Erkenntnis ist, daß er zuvor als beherrschende Größe zu uns Beziehung hat. Wir müssen Gott durch ihn selbst erleben; dann erreichen wir ihn.“¹⁸⁰ Mit dieser Entdeckung des Gotteserlebnisses im Glauben hat Schleiermacher dann nach Schaeder allerdings auch „den katholischen Wahn“ zerbrochen, dass der Glaube die Bejahung überkommener kirchlicher Lehren von Gott sei, zu welcher man sich mit natürlicher Willensanstrengung erheben könne. Dadurch erlangte, wie Schaeder ergänzend hinzufügen kann, die Theologie bzw. die Glaubenslehre prinzipiell ihre Freiheit von katholischer Orientierung und katholischen Bestandteilen.¹⁸¹ Überblickt man diese Würdigung Schleiermachers und stellt sie in den Zusammenhang mit Schaeders Kant-Rezeption so ergibt sich folgendes Bild: Bestimmen nach Kant Raum und Zeit als die subjektiven Bedingungsformen der Sinnlichkeit die Grenzen aller menschlichen Erkenntnis, vermag also Gegenstand der Erkenntnis nur zu werden, was in der Anschauung gegeben ist, so kann es – weil Gott nicht raum-zeitlichen Bestimmungen unterliegt – eine vom Menschen zu leistende Gotteserkenntnis nicht geben. Diesen erkenntnistheoretischen Restriktionen der Theologie trägt Schleiermacher Rechnung: Von einem Sein Gottes an sich oder außer der Welt vermag der Mensch schlechterdings nichts zu wissen.Wie Kant so verwirft auch Schleiermacher jede metaphysische Erkenntnis, die Gottes Wesen enthüllen zu können wähnt.¹⁸² Wenn Gott weder in den äußeren Sinnen noch im inneren Sinn gegeben ist, so kann es von ihm keine Erkenntnis geben. Nur – so fügt nun Schleiermacher hinzu – sofern wir Gott in uns haben, sofern Gott in unserem Gefühl gegenwärtig ist, kann er für uns da sein.¹⁸³

 Theozentrische Theologie  (), .  AaO.,  f. Vgl. Geburtstagsrede, .  Theozentrische Theologie  (), .  Dilthey, Leben Schleiermachers , . Vgl. Schleiermacher, Dialektik,  ff (§ ).  Dilthey, Leben Schleiermachers ,  f. Dilthey kann deshalb Schleiermacher als den „Kant der Theologie“ bezeichnen: „Er erfaßt nämlich den transzendentalen Standpunkt, auf dem die

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Schleiermacher bejaht also methodisch die Voraussetzungen Kants, unterzieht sie aber einer immanenten Kritik. Neben das theoretische und praktische Vermögen apriori stellt er noch ein Drittes, das Vermögen des – als unmittelbares Selbstbewusstsein explizierten¹⁸⁴ – Gefühls.¹⁸⁵ Schleiermacher akzeptiert damit einerseits die Erkenntniskritik Kants, verweigert sich aber andererseits der Platzanweisung der Religion auf den Bereich des bloßen Sittlichen und behauptet einen – neben dem Bereich des theoretischen und praktischen Vermögens menschlicher Vernunft liegenden – dritten ureigensten Bereich der im Menschen angelegten Religion:¹⁸⁶ „Die Frömmigkeit […] ist rein für sich betrachtet weder ein Wissen, noch ein Tun, sondern eine Bestimmtheit des Gefühls oder des unmittelbaren Selbstbewußtseins.“¹⁸⁷ Die so gefasste Frömmigkeit unterscheidet sich dann – so führt Schleiermacher aus – von allen anderen Gefühlen dadurch, dass wir uns in diesem Gefühl unserer selbst als schlechthin abhängig bewusst sind.¹⁸⁸ Dabei gilt: Das Gefühl der schlechthinnigen Abhängigkeit kann es nicht im Verhältnis zur Welt, sondern nur zu einer die Welt transzendierenden Macht, dem „Woher“ der Welt, geben. Dieses in unserem unmittelbaren Selbstbewusstsein „mitgesetzte Woher“ unseres – empfänglichen und selbsttätigen – Daseins, lässt sich dann mit dem Ausdruck „Gott“ bezeichnen.¹⁸⁹ In diesem Zusammenhang weist Schleiermacher auch die Auffassung zurück, als ob dem Menschen eine – aus welchen Quellen auch immer gespeiste und in das religiöse Bewusstsein

Unmöglichkeit einer Erkenntnis der großen Gegenstände der Religiosität begriffen und so an der Stelle dieser äußeren Gegenstände der Religiosität deren Prozeß selbst als einziges Erkenntnisobjekt auf dem religiösen Gebiete zurückbleibt. Eine objektive Erkenntnis der Eigenschaften Gottes oder der Art unseres Fortlebens überschreitet die Grenzen unserer Vernunft. So kann Religionswissenschaft und Theologie nur den Prozeß, in dem Gottheit und Unsterblichkeit der Seele aufgehen, die Stufen und Formen, in denen das unter verschiedenen Rassen und wechselnder Sonne sich vollzieht, zur Erkenntnis bringen“ (AaO., ). Nach Redeker ist der in Diltheys Formulierung ausgesprochene Vergleich mit Kant nur dann richtig, wenn man ihn so versteht, dass Schleiermacher einen ähnlichen Umbruch in der Zerstörung überholter Metaphysik im theologischen Denken hervorgerufen hat wie Kant auf dem Gebiete der Philosophie, nicht aber, wenn man die Grundkonzeption Schleiermachers als durch Kant hervorgerufen betrachtet (Redeker, Schleiermacher, ).  In §  seiner Glaubenslehre bezeichnet Schleiermacher die Frömmigkeit als „eine Bestimmtheit des Gefühls oder des unmittelbaren Selbstbewußtseins“. Dieses „oder“ ist nach Cramer als ein explikatives „oder“ zu lesen. Siehe: Cramer, Schleiermachers Bestimmung, . Vgl. auch Redeker, Schleiermacher, .  Barth, Protestantische Theologie, .  Hempelmann, Wie wir denken können,  f.  Schleiermacher, Glaubenslehre ,  (§).  AaO.,  (§). Vgl. auch Cramer, Schleiermachers Bestimmung,  ff.  Schleiermacher, Glaubenslehre ,  ff (§).

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importierbare – Vorstellung oder Kenntnis von Gott zur Verfügung stünde. Vielmehr muss umgekehrt die Bedeutung des Namens „Gott“ vom Bewusstsein der schlechthinnigen Abhängigkeit her expliziert werden.¹⁹⁰ Religion bzw. Frömmigkeit ist nach Schleiermacher also unmittelbares Erleben des Absoluten, Ewigen und Göttlichen. Im Gefühl dieses unmittelbaren Erlebens und damit im unmittelbaren, existentiellen Bestimmtwerden des Selbstbewusstseins ist die für den menschlichen Erkenntnisakt grundlegende Subjekt-Objekt-Relation überwunden.¹⁹¹ Schleiermacher kann deshalb auch das fromme Gefühl als „ursprüngliche Aussage […] über ein unmittelbares Existentialverhältniß“ kennzeichnen.¹⁹² Im Zentrum seines Verständnisses von Religion bzw. Frömmigkeit steht demnach das Beziehungsverhältnis des Menschen zur transzendentalen Wirklichkeit und dessen absolute Abhängigkeit von ihr.¹⁹³ Mit dieser formalen Bestimmung der Frömmigkeit als Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit im unmittelbaren Selbstbewusstsein ist der Ort der Religion anthropologisch-transzendental angegeben.¹⁹⁴ Jede Reflexion über sie hat von der Erfahrung des Göttlichen und dessen Selbstauslegung im religiösen Bewusstsein auszugehen. Religion wird also nicht wie etwa bei Kant begriffslogisch rekonstruiert, sondern vielmehr methodisch rezipiert. Alle Gestaltungen und Objektivationen des religiösen Lebens beruhen somit letztendlich auf Reflexion, dem bewussten Innewerden und der Auslegung der religiösen Erfahrung durch das religiöse Bewusstsein selbst und der praktischen Auswertung solcher Erfahrung.¹⁹⁵ Die Möglichkeit eines reflektierten Zugriffs auf die transzendentalen Voraussetzungen selbst verneint Schleiermacher allerdings. Die Aussagen der Theologie können daher nicht aus einer Analyse des transzendentalen Grundes bzw. des unmittelbaren Selbstbewusstseins resultieren. Ausgangspunkt der Theologie bleibt vielmehr der Glaube als expressive Bestimmtheit des unmittelbaren Selbstbewusstseins. Insofern setzt Schleiermachers Verständnis der Theologie grundsätzlich den Glauben voraus.¹⁹⁶

 Cramer, Schleiermachers Bestimmung,  f.  Redeker, Schleiermacher, .  Schleiermacher, . Sendschreiben, .  Homann, Argument, .  AaO., . Nach Homann gilt dabei: „Wie bei Fichte und Hegel ist auch der Schleiermachersche Bewußtseinsbegriff ein transzendentaler, kein psychologischer; allerdings eignet ihm eine gewisse Nähe und Parallelität zum psychologischen Begriff des Bewußtseins, was einerseits seine spezifische Erklärungsleistung des Religiösen ausmacht, andererseits aber auch Quelle mancher Mißverständnisse und wichtiger Punkt der Kritik an Schleiermachers Konzeption ist“ (Ebd.). Vgl. Trillhaas, Religionsphilosophie,  f.  Homann, Argument,  ff.  Hübner, Wissenschaftsbegriff, .

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Dieser subjektivitätstheologische Umbruch ist es, den Schaeder zu würdigen und – allerdings mit Abweichungen – für seinen eigenen Entwurf anzuerkennen vermag. Schaeders große Wertschätzung für Schleiermacher drückt sich dabei auch darin aus, dass er die durch Schleiermacher vollzogene Wendung zum Rezipienten geradezu in den Rang einer „reformatorischen Tat“¹⁹⁷ erheben kann.¹⁹⁸ Damit ist aber zugleich die erkenntniskritisch bedeutsame „idealistische Grundeinstellung“¹⁹⁹ näher expliziert: Liegt der Ansatzpunkt für jede sachgemäße Untersuchung irgendeines Wirklichkeitsgebietes in unserem eigenen, endlichen Geist oder unserem Bewusstsein, so kann das – wie an Schaeders Ausführungen zu Schleiermacher erkennbar wird – im Blick auf die Theologie nur bedeuten, von dem als persönliches Gotteserlebnis gefassten Glauben auszugehen.²⁰⁰ Theologie im Allgemeinen und Dogmatik im Besonderen ist Glaubenslehre oder – so Schaeder an anderer Stelle – „Glaubenstheologie, Erfahrungstheologie, Geistestheologie“.²⁰¹ Dogmatik kann also nur als produktive Explikation eines vorausgesetzten Glaubens ausgeführt werden.²⁰² An diesem „von Schleiermacher ins Auge gefaßten Ausgangspunkt“²⁰³ darf und kann die Theologie – so Schaeders Zurückweisung der Kritik Emil Brunners²⁰⁴ – nicht vorübergehen: „Der grundsätzliche Subjektivismus dieses Reformators der Theologie ist auf jede Weise unüberwindbar. […] Läßt sich denn eine Wort- oder eine Gnaden- oder eine Rechtfertigungstheologie abseits vom subjektiven Glauben treiben? Kann man über seinen Schatten springen und beim Wort oder beim lebendigen Gott Posto fassen? Wer weiß denn, was Wort Gottes, geistatmendes Wort, oder wer Gott ist, anders als der Glaube, der […] auf alle Fälle eine Art von subjektiver Erfahrung ist? Was jede normale Theologie von Schleiermacher trennt, ist nicht der Subjektivismus dieses Theologen überhaupt, ist nicht der Umstand, daß seine Theologie

 Theozentrische Theologie  (), .  Mit dem Verständnis von Dogmatik als Darstellung des frommen Bewusstseins in wissenschaftlicher Form führt Schleiermacher in die Geschichte der christlichen Dogmatik den anthropologischen Ansatz, den Ansatz bei der religiösen Erfahrung ein. Dies kommt einer „methodischen Revolution“ gleich, ist doch die herkömmliche, bei der Gotteslehre beginnende und über Schöpfung, Sünde, Erlösung zu den letzten Dingen führende dogmatische Ordnung aufgegeben. Vgl. Wallmann, Kirchengeschichte, .  Siehe oben S.  f.  Zu den Unterschieden zwischen Schleiermacher und Schaeder im Glaubensverständnis siehe unten S.  ff;  ff;  ff.  Hauptpunkt, .  Vgl. Hübner, Wissenschaftsbegriff,  (hier auf Schleiermacher bezogen).  Theozentrische Theologie  (), .  Brunner hatte Schaeder zuvor vorgeworfen, in seinen Arbeiten nicht entschlossen genug von Schleiermacher abgerückt zu sein. Vgl. Theozentrische Theologie  (), .

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Glaubenstheologie – und als solche Theologie eigenartigen Erlebens, eigenartiger Erfahrung ist. In der Aufdeckung dieses Tatbestandes ist Schleiermacher gerade theologischer Führer. […] Kein Pochen aufs Wort oder die Rechtfertigung oder auf Gottes Gnadenverheißung wird daran auf Dauer etwas ändern. Wort, Geist und gläubige Subjektivität bzw. gläubige Gemeinde gehören überhaupt und so auch in der Theologie zusammen.“²⁰⁵ Zusammenfassend kann demnach festgehalten werden: Unerlässliche Voraussetzung und Bedingung für alle theologische Arbeit ist die religiöse Erfahrung bzw. das Gotteserlebnis des Glaubens. Theologie kann es deshalb nur als „Glaubenstheologie, Erfahrungstheologie, Geistestheologie“ und Dogmatik nur als produktive Explikation des Glaubens geben. Beides, sowohl die grundsätzliche und unüberwindliche Subjektivität ²⁰⁶ des Glaubens als auch die Bestimmung der Dogmatik als Funktion des Glaubens übernimmt Schaeder dabei von Schleiermacher. Insofern kann er Schleiermacher als „Reformator der protestantischen Theologie“ würdigen. Dass Schaeder aber Schleiermacher nicht nur zu rezipieren, sondern durchaus auch scharf zu kritisieren vermag, soll im Folgenden deutlich werden. Die an Schleiermacher geübte Kritik kann dabei der Profilierung von Schaeders eigener Konzeption dienen.

1.2.2.2 Schleiermachers anthropozentrisches Glaubensverständnis Die Schwäche von Schleiermachers prinzipieller Position tritt nach Schaeder v. a. an zwei Punkten deutlich zutage: Zum einen bei der inhaltlichen Bestimmung des Glaubens, zum anderen beim Versuch, mithilfe dieses defizitären Glaubensbegriffes einen Beweis für die Wahrheit Gottes zu erbringen.²⁰⁷ Wendet man sich zunächst der inhaltlichen Bestimmung des Glaubens zu, so kann dies angemessen nur unter der Berücksichtigung der Veränderungen geschehen, welche Schaeders Schleiermacher-Interpretation in den ersten Jahren erfahren hat. Denn unter den von Schaeder skizzierten theologiegeschichtlichen Positionen hat keine so viel Kritik hervorgerufen wie die Darstellung des theologischen Entwurfs Schleiermachers im ersten Band der Theozentrischen Theologie.²⁰⁸ Die dadurch notwendig gewordenen Modifikationen lassen sich in den ersten beiden Auflagen des ersten Bandes und in der ersten Auflage des zweiten

 Theozentrische Theologie  (),  f.  Goertz, Geist,  ff.  Theozentrische Theologie  (), . Zum Beweisverfahren vgl. unten S.  ff.  Kritik an Schaeders Schleiermacher-Interpretation übten z. B.: Leese, Prinzipienlehre,  ff; ders., Weltbild,  ff; Pachali, Schaeder wider Schleiermacher,  ff u. Heinsius, Streit,  ff.

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Bandes literarisch greifen und betreffen v. a. die Deutung von Schleiermachers Glaubensverständnis. Als „anthropozentrische[n] Irrtum“²⁰⁹ und damit als entscheidenden und folgenschweren Fehler bewertet Schaeder zunächst in der Erstauflage des ersten Bandes die Tatsache, dass Schleiermacher das Glaubenserlebnis oder die Glaubenserfahrung nicht als „direktes Erlebnis Gottes“, nicht als „unmittelbar auf Gott bezogene Erfahrung“ verstanden habe. Der Mensch erlebe nach Schleiermacher im Glauben vielmehr direkt und grundlegend sich selbst. Der Mensch, das Ich, trete bei ihm in das Zentrum der Erfahrung,während Gott aus ihr hinausgeschoben werde.²¹⁰ Mit dem Hinweis auf Schleiermachers Bestimmung des Glaubens als Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit versucht Schaeder diese Einschätzung zu begründen: „Dies Gefühl ist ein Selbstgefühl. Wer es hat, ist in ihm beherrschend bei sich selbst. Deshalb kann Schleiermacher in der Glaubenslehre (§ 4,1) für dies Gefühl auch den sehr bezeichnenden Ausdruck ‚unmittelbares Selbstbewußtsein‘ gebrauchen.“²¹¹ Nach Schaeder lässt sich daher Schleiermachers Glaubensverständnis wie folgt zusammenfassen: „Glaube ist gefühlsmäßiges Selbsterlebnis oder, wenn wir von dem für unsere Zwecke nebensächlichen Beiwort des Gefühlsmäßigen²¹² absehen: Glaube ist Selbsterlebnis.“²¹³ Bereits in seinem fünf Jahre später erschienenen zweiten Band der Theozentrischen Theologie räumt Schaeder dann unter dem Eindruck einer inzwischen veröffentlichten Arbeit von Kurt Leese²¹⁴ ein, dass sich der Vorwurf der verkehrt anthropozentrischen Methode zumindest in seiner Ausschließlichkeit bei Schleiermacher nicht aufrechterhalten lässt.²¹⁵ Im Glauben und damit im Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit seien vielmehr, wie Schaeder nun von Leese  Theozentrische Theologie  (), .  AaO., .  AaO., .  Nach Schaeder existiert wirklicher Gottesglaube „nicht ohne die Begleiterscheinung des Gefühls eigener Abhängigkeit, ohne die der persönlichen Furcht, der Demut, der Seligkeit oder Erhebung, der Selbsthingabe an Gott und seine Zwecke oder des guten Willens. […] Aber alle diese Erfahrungen, die der Glaubende an sich selbst macht, sind doch eben erst Konsequenzen, Wirkungen eines Grunderlebnisses, in welchem es sich nicht um die eigene Persönlichkeit, sondern um den lebendigen Gott, resp. um seinen Christus handelt. […] Das durchaus grundlegende und beherrschende im Glauben ist eben das Erlebnis Gottes selber; die Erfahrungen, in denen es sich um uns handelt, sind von durchaus sekundärer Art.“ Siehe: Theozentrische Theologie  (),  f (Hervorhebung hinzugefügt).  Theozentrische Theologie  (),  (Hervorhebung hinzugefügt).  Kurt Leese veröffentlichte  unter dem Titel „Die Prinzipienlehre der neueren systematischen Theologie im Lichte der Kritik Ludwig Feuerbachs“ eine – wie das Vorwort angibt – weitgehend durch das literarische Schaffen von Karl Heim und Erich Schaeder angeregte Arbeit.  Theozentrische Theologie  (),  f.

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übernehmen kann, „das Selbstbewußtsein und das Gottesbewußtsein ohne weiteres geeint, und nicht das erste ohne das zweite vorhanden“.²¹⁶ Allerdings, so fügt nun Schaeder hinzu, stehe dieser Gesichtspunkt in der Glaubenslehre Schleiermachers durchaus nicht in alleiniger Geltung, was – wie auch die Wirkungsgeschichte zeige – Anlass für Missverständnisse gewesen sei.²¹⁷ Diese im Vergleich zur Erstauflage des ersten Bandes inhaltlich differenziertere Einschätzung teilt Schaeder dann auch in der zweiten und dritten Auflage seines ersten Bandes der Theozentrischen Theologie. Im Blick auf die von Schleiermacher für den Glauben verwandte Begrifflichkeit kann Schaeder dort zunächst festhalten: „Der Glaube erscheint als das schlechthinige Abhängigkeitsgefühl des Menschen, und Gott ist nach der vielerörterten Angabe des § 4 der Glaubenslehre das in diesem ‚Selbstbewußtsein mit gesetzte Woher unseres empfänglichen und selbsttätigen‘, also unseres gesamten ‚Daseins‘. Der Glaube hat demnach im Sinne Schleiermachers, indem er das Selbstbewußtsein oder Selbstgefühl absoluter Abhängigkeit ist, immer zugleich das Gottesbewußtsein in sich.“²¹⁸ Dass aber Schleiermachers Glaubensauffassung deshalb eine wahrhaft theozentrische sei und der Majestätscharakter Gottes im Glauben voll zum Tragen komme, wie dies Leese in seinem Werk behauptet hatte, vermag Schaeder nur als „trügerische[n] Schein“ zu bezeichnen:²¹⁹ „Mag Schleiermacher immerhin die Gottesgewißheit zum unmittelbaren Bestandteil des Glaubens erheben, mag er in Gott den Grund unseres unbedingten Abhängigkeitsgefühls sehen – die Wahrheit Gottes bringt er in der Auffassung des Glaubens doch nicht klar zu Geltung. Und damit sind naturgemäß die tiefsten Mängel seiner Theologie gegeben.“²²⁰ Diese Mängel in Schleiermachers theologischem Entwurf lassen sich dabei nach Schaeders Überzeugung v. a. als fehlende Transzendenz und Externität Gottes sowie als damit zusammenhängende Nivellierung der Differenz von Gott und Welt, Schöpfer und Geschöpf näher bestimmen: „Ein wirklicher Supranaturalismus, die Behauptung einer durchdringenden Überweltlichkeit Gottes, die sich ja mit der seiner Weltimmanenz durchaus vereinigen läßt,²²¹ liegt Schleiermacher fern. […]. Das, worauf es hier ankommt, ist schließlich eben dies, daß Schleiermacher das  AaO., . Vgl. Leese, Prinzipienlehre,  f.  Theozentrische Theologie  (), .  Theozentrische Theologie  (),  (Hervorhebung hinzugefügt).  AaO.,  f. Vgl. Leese, Prinzpienlehre, ;  f. Nach Schaeder ist das Bild des Glaubens bei Schleiermacher nur „grundsätzlich“, nicht aber „wahrhaft“ theozentrisch gezeichnet. Vgl. Theozentrische Theologie  (),  f.  Theozentrische Theologie  (), .  Die Weltimmanenz Gottes betont Schaeder dann v. a. in der Auseinandersetzung mit der sogenannten „dialektischen Theologie“ stärker. Vgl. z. B. Theozentrische Theologie  (),  ff.

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Verhältnis Gottes zur Welt, zum Universum nicht grundsätzlich im Sinne eines durchdringenden Andersseins, eines reinlichen Wesensunterschiedes geklärt hat.“²²² Damit ist nach Schaeder eine pantheisierende Tendenz ²²³ gegeben, welche Schleiermachers Protest gegen ein Verständnis Gottes als Persönlichkeit und sein Eintreten für einen „überpersönlichen Gott“ entscheidend begründet.²²⁴ Wird aber dabei wie in Schaeders zweitem Band der Ausdruck „Persönlichkeit“ als Fähigkeit der bewussten Selbstverfügung, als Besitz von Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung definiert und ihm somit eine schlechthin notwendige Rolle für jeden vollkommenen Machtbesitz zugeschrieben,²²⁵ dann fällt mit der Bestreitung der Persönlichkeit Gottes konsequenterweise auch der Geistgedanke für Gott. ²²⁶ Denn nach Schaeder gilt: „Der Geistescharakter Gottes besagt, daß Gott unbedingte Macht oder Majestät ist. Aber diese kann […] nur persönlich gedacht werden.“²²⁷ Der damit angesprochene enge Zusammenhang von Geistcharakter und Persönlichkeit Gottes kann Schaeder dann an anderer Stelle wie folgt erläutern: „Wäre nun etwa Gott durch das Medium von Wort und Geist uns nicht nur als Geist bekannt, wäre er etwa für unsere Erkenntnis zugleich irgendwie Natur, d. h. gesetztes, bedingtes, gewirktes oder geschobenes Wesen […], dann würde diese soeben vollzogene Deutung seiner Persönlichkeit hinfallen. Er verlöre dann seine inwendige absolute Macht über sich selbst. Und mit ihr verlöre er seine Herrschermacht über die Welt, wie der Glaube sie kennt.“²²⁸ Insofern kann nach Schaeder allein gelten: „Gott ist Geist, und als […] schlechthin machtvoller Geist ist

 Theozentrische Theologie  (),  f.  Nach Schaeder lässt sich ein „durchgebildete[r] Pantheismus“ bei Schleiermacher nicht aufweisen: „Eher mag man von einer eigentümlichen Form des Panentheismus reden und hervorheben, daß Schleiermacher in der Glaubenslehre diese seine Grundanschauung dem Inhalt der christlichen Glaubensüberzeugung möglichst angenähert hat.“ Siehe: AaO.,  (Hervorhebung hinzugefügt). Vgl. auch: Geburtstagsrede, .  Theozentrische Theologie  (), .  Theozentrische Theologie  (), .  Theozentrische Theologie  (),  f.  AaO., . Auf das alte Problem der Trinitätslehre, dass der Begriff des Geistes einerseits das allen drei Personen gemeinsame Wesen der Gottheit, andererseits aber die dritte trinitarische Person neben Vater und Sohn bezeichnet, geht Schaeder im Zusammenhang der Auseinandersetzung mit Schleiermacher nicht ein. Vgl. Pannenberg, Systematische Theologie , . Wie Schaeder diese Verhältnisbestimmung zwischen Gottes Geistcharakter und dem Geist als dritter Person der Trinität dann zu klären versucht, wird Gegenstand des Abschnittes über Schaeders Trinitätslehre sein. Vgl. unten S.  ff.  Theozentrische Theologie  (), . Schaeder lehnt deshalb „jede mythologische Annahme“ einer Natur in Gott ab: „Sie zerstört die Majestät Gottes der Welt gegenüber, indem sie die inwendige Majestät Gottes zerstört. Mit dieser aber zerstört sie die Persönlichkeit Gottes.“ Siehe: AaO., .

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er der persönliche.“²²⁹ Auf dem Hintergrund dieses Sachverhaltes ist es dann auch zu erklären, dass Schleiermachers Eintreten für einen „‚überpersönlichen‘, pantheisierenden Gott“ ein „eigentümliches Schwanken zwischen der Anschauung Gottes als Geist und als Kraft“ zur Folge hat. Die wahrhaft geistige Betrachtung Gottes ringe mit einer „untergeistig-dynamischen“, wobei der zweiten ersichtlich das Übergewicht zufalle.²³⁰ Zusammenfassend kann Schaeder deshalb festhalten: „Löst sich die persönliche Falte im Angesichte Gottes auf, ringt der Geistcharakter Gottes bei aller Betonung der unbedingten Macht Gottes über den Menschen mit dem Charakter naturhaft gedachter Kraft, dann tritt Gott für den Glauben in das Gebiet des Unfaßlichen, Undeutlichen zurück. Trotz der Hervorhebung der Tatsache, daß der Glaube als unbedingtes Abhängigkeitsgefühl oder unbedingte Abhängigkeitsgewißheit zugleich Gewißheit des absoluten Gottes sei, verliert Gott doch für das Bewußtsein des Glaubenden die maßgebende, beherrschende Stellung.“²³¹ Unwillkürlich wird dann aber „der Mensch mit seiner völligen Abhängigkeit oder Gebundenheit das Vorherrschende sowohl im Glauben wie in der denkenden Auffassung des Glaubens.“²³² Diese anthropozentrische Betrachtung des Glaubens wird nun nach Schaeder grundlegend anders und erfährt eine theozentrische Wendung, sofern man der Tatsache Beachtung schenkt, „daß derjenige Glaube, der ein wirkliches Erleben Gottes in seiner Wahrheit ist, am biblischen Wort von Gott hängt, an dieser geschichtlichen, menschlichen Kunde von Gott, die uns erreicht“.²³³ Denn Glaube bildet sich nach Schaeders Überzeugung nur dadurch, dass – vermittelt durch das Wort – Gott bzw. Christus für uns in unverkennbarer, unentrinnbarer, innerer Bezeugung oder Geistesmacht eine schlechthin gegenwärtige, auf uns in unserer konkreten Gegenwart bezogene, lebendige Größe wird: „Glaube ist das notorische Erlebnis der Selbstvergegenwärtigung Gottes, resp. auch seines Christus, durch

 AaO., .  Theozentrische Theologie  (), .  Ebd. Schaeder müsste demnach auch den Vorschlag Pannenbergs ablehnen, das Geistsein Gottes in Anlehnung an moderne physikalische Feldtheorien nach Art eines Kraftfeldes zu präferieren. Denn Gott als Geist und damit die Wesenheit der einen Gottheit wäre als dynamisches Feld aufgefasst unpersönlich.Vgl. Pannenberg, Systematische Theologie ,  ff sowie Ringleben, Rezension Pannenberg, . Nach Körtner besteht bei Pannenberg theologisch die Gefahr, Gott und sein Handeln in unbiblischer Weise einseitig dynamistisch zu denken. Gott erscheine dann aber als eine in Wahrheit unpersönliche Kraft, die lediglich anthropomorph gedeutet werde. Vgl. Körtner, Theologie,  sowie ders., Gemeinschaft, .  Theozentrische Theologie  (), .  AaO.,  f.

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das menschliche Wort von Gott.“²³⁴ Als wirkliches Gotteserlebnis, auch als wirkliches Erlebnis Gottes in Christus, aber vermag man dabei nach Schaeder den Glauben nur zu würdigen, sofern man „den rechtverstandenen Faktor des Geistes Gottes, der beim Wort ist, voll in Rechnung“ stellt. Von daher erklärt sich, dass Schaeder die Pneumatologie als „das größte Anliegen der Theologie“ bezeichnen kann.²³⁵ Denn wird die Theologie als Funktion des Glaubens gefasst, dann hat das Pneuma Gottes als conditio sine qua non des Glaubens auch höchste theologische Relevanz. Schaeder kann deshalb pointiert formulieren: „Die Geistfrage ist die theologische Kernfrage. Sie sollte es zu allen Zeiten sein; heute ist sie es evident, weil sich heute Theologie klar um die Glaubensfrage dreht.“²³⁶ An dieser Stelle aber tritt nach Schaeders Überzeugung die Ursache für Schleiermachers defizitäres Glaubensverständnis deutlich zutage. Weil Schleiermacher neben dem biblischen Wort von Gott nach Schaeders Urteil v. a. auch den Geist mit seinen zentralen, charakteristischen Wirkungen verkannte, kam es bei der Würdigung des Glaubens und des Glaubenserlebnisses zu einer anthropozentrischen Verschiebung weg von Gott hin auf das menschliche Selbst mit seinen erfahrbaren religiösen Niederschlägen im Inneren.²³⁷ Damit aber näherte sich Schleiermacher „der Haltung des bloßen Religionspsychologen“. Denn Theologe ist man – wie Schaeder mit Hinweis auf I Kor 2, 9 – 13 betonen kann – „gerade so viel, als man im Glauben von Gott selbst, von lebendiger Gegenwartsberührung mit der Majestät Gottes selbst, resp. mit Christus, zu sagen weiß. Dazu aber gehört eine Lehre vom ‚Geist‘ oder ein Bekenntnis zum Geist.“²³⁸

1.2.2.3 Der speziell anthropozentrische Zug in der Theologie Schleiermachers Ist es v. a. die nicht angemessene Beachtung der Pneumatologie, die bei der inhaltlichen Bestimmung des Glaubens eine anthropozentrische Verschiebung zur Folge hat, so lässt sich nach Schaeder die Schwäche von Schleiermachers prinzipieller Position noch an einem zweiten Punkt deutlich aufzeigen: Schleiermacher habe nämlich – so Schaeders Ausführungen – mithilfe des defizitären Glaubensbegriffes einen Beweis für die Wahrheit des im Glauben erlebten und erfahrenen Gottes zu erbringen versucht.Weil sich dadurch aber der Mensch direkt in das Zentrum des Glaubensverhältnisses schiebe und es vom Menschen aus zu – im

 AaO., . Die große Fülle von Fragen, die damit verbunden sind, versucht Schaeder dann im zweiten Band seiner Arbeit zu lösen.  Ebd.  Ebd.  AaO.,  f.  AaO., .

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Grunde unmöglichen und irreführenden – Schlüssen in Bezug auf die Wirklichkeit Gottes komme, kann Schaeder im Blick auf dieses Beweisverfahren auch vom „speziell anthropozentrischen Zug in der Theologie Schleiermachers“ sprechen.²³⁹ Dieser innerhalb der theologischen Konzeption Schleiermachers „zu den minderwichtigen Punkten“ zählende anthropozentrische Zug hat dabei durch seinen „Einfluß auf eine große, kraftvolle Erscheinung theologischen Denkens […], nämlich auf die Theologie der Erlanger Schule“ v. a. wirkungsgeschichtliche Relevanz.²⁴⁰ Schaeders Kritik an Schleiermacher wird sich von daher nicht losgelöst von den Nachwirkungen „jenes verkehrte[n] anthropozentrische[n] Verfahren[s] Schleiermachers“ in der Erlanger Schule interpretieren lassen.²⁴¹ Darüber hinaus wird auch zu beachten sein, dass das Urteil über Schleiermachers Beweisverfahren in der Zeit zwischen der Erst- und Zweitauflage des ersten Bandes der Theozentrischen Theologie von Schaeder modifiziert worden ist. Die Differenz zwischen den verschiedenen Auflagen der Theozentrischen Theologie ist dabei aber geringer als etwa bei der Deutung von Schleiermachers Glaubensverständnis und betrifft v. a. die Interpretation des § 30 in der Glaubenslehre Schleiermachers. Wendet man sich nach diesen ersten Andeutungen dem Nachweis des speziell anthropozentrischen Zuges in der Theologie Schleiermachers zu, so erweist sich – auch aufgrund der Analogie zu Schaeders eigenem Vorgehen – der Einsatz bei den unterschiedlichen Deutungen des § 30 als hilfreich.²⁴² Ausgehend von der Erstauflage des ersten Bandes der Theozentrischen Theologie kann dabei der Versuch unternommen werden, diese Veränderungen nachzuzeichnen: Nach Schaeders Einschätzung in der Erstauflage des ersten Bandes ist es vor allem die „anthropozentrische Schranke“ der Theologie Schleiermachers, die sich an diesem Paragraphen aufzeigen lässt.²⁴³ Denn gilt nach Schleiermacher, dass „[a]lle Sätze, welche die christliche Glaubenslehre aufzustellen hat, […] entweder als Beschaffenheiten menschlicher Lebenszustände, oder als Begriffe von göttlichen Eigenschaften und Handlungsweisen“²⁴⁴ gefasst werden können, dann er-

 AaO.,  (Hervorhebung hinzugefügt).  Ebd.  Ebd.  AaO., .  Theozentrische Theologie  (), .  Ebd.Vgl. Schleiermacher, Glaubenslehre ,  (§ ). Schaeders Zitat weicht von der Vorlage darin ab, dass Schaeder von „Beschaffenheiten“, Schleiermacher aber von „Beschreibungen“ menschlicher Lebenszustände spricht. Diese Differenz dürfte aber auf die Interpretation kaum Auswirkungen haben, da Schaeder bereits wenige Sätze später „Beschaffenheiten“ im Sinne von „Beschreibungen“ deutet. Darüber hinaus kann nach Schaeder die weitere, dritte Angabe, welche Schleiermacher in diesem Paragraphen macht („oder als Aussagen über Beschaffenheiten der Welt“), beiseite bleiben, „weil sie für die Zwecke dieser Untersuchung belanglos ist“.

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hebt man nach Schaeder die „Beschreibungen frommer Lebenszustände oder religionspsychologische Erörterungen“ zur „Grundform der Sätze, welche in der Glaubenslehre vorgetragen werden müssen“.²⁴⁵ „Wirkliche theologische Sätze“ lassen sich demnach nur als „Folgerungen“ aus jenen Beschreibungen menschlicher Lebenszustände gewinnen. Fragwürdig wird dieses Verfahren nun aber insbesondere dadurch, dass sich nach Schaeders Überzeugung bei Schleiermacher im dritten Abschnitt des § 30 die deutliche Tendenz abzeichnet, „auf die Rolle des Theologen, der die Wirklichkeit und Wahrheit Gottes mit guten Gründen ausdrückt, zu verzichten.“ Denn Schleiermacher hebe ja ausdrücklich hervor, dass allein die Rücksicht auf den kirchlichen Gebrauch der Glaubenslehre dazu veranlassen müsse, nicht bei Aussagen über unseren Glauben oder unserer Frömmigkeit stehen zu bleiben, sondern die „Reduktion der Glaubenslehre auf die Beschreibung der christlichen Frömmigkeit“ zu durchbrechen und zu wahrhaft theologischen Aussagen fortzuschreiten.²⁴⁶ Zusammenfassend kann Schaeder deshalb betonen: „Nirgends in Schleiermachers epochemachender Arbeit spricht sich die ganze Kraft seiner anthropozentrischen Betrachtung des Glaubens, die ganze Macht, welche der anthropozentrische Gesichtspunkt über seine Theologie ausübt, deutlicher aus als hier. Er könnte darauf verzichten, in seiner Theologie von Gott zu reden. Er könnte sich auf Beschreibungen menschlicher Frömmigkeit, auf religionspsychologische Beobachtungen beschränken. Er könnte eine Theologie treiben, die nicht […] nichts von Gott weiß, wohl aber: die von Gott nichts sagt. Er könnte in seiner Theologie am Menschen, an der Religion haften bleiben.“²⁴⁷ Schleiermacher sei demnach seiner innersten Tendenz nach nicht Theologe, sondern Religionspsychologe,²⁴⁸ der Glaube bei ihm beherrschend Selbsterlebnis des Menschen und nicht Erlebnis Gottes, der Mensch im Glauben entscheidend bei sich und nicht bei Gott.²⁴⁹ Schleiermachers anthropozentrischer Standpunkt wirkt nun nach Schaeder weiter in der religionswissenschaftlichen Theologie seiner Gegenwart, die sich zu Recht auf ihn berufen dürfe. Denn „[d]er große Mann hat in der Tat zuerst die Nadel der Theologie, die auf Gott weisen muß, aus ihrer sachgemäßen Richtung gebracht. Er hat sie auf die Religion und zwar auf den Menschen in der Religion gelenkt.“²⁵⁰ Nach Schaeder ist es deshalb nicht verwunderlich, wenn jene Theo-

 Theozentrische Theologie  (), . Schaeder verweist dabei auf den zweiten Abschnitt des Paragraphen.  Ebd.  AaO., .  Theozentrische Theologie  (),  f (Anm.).  Theozentrische Theologie  (), .  AaO., .

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

logen unter Berufung auf Schleiermacher ihre Arbeit ganz auf „die Erkenntnis der subjektiven positiven Religionen […] und ihres historischen Zusammenhangs“ beschränken und „die Beantwortung der Frage nach Gott oder nach der Wahrheit der Religionen von den Grenzen der Theologie entfernen“ wollen. Denn obwohl Schleiermacher auch wirklicher Theologe und nicht – wie jene modernen Religionswissenschaftler – bloß Anthropologe gewesen sei, so habe er doch diese „vermeintliche“ Theologie inauguriert. Ihn selber habe nur die praktisch-kirchliche Rücksicht von deren Durchführung abgehalten.²⁵¹ Ebenso hat nach Schaeder auch die Religionspsychologie in Schleiermacher „einen Vorläufer großen Stils“: „Dazu macht ihn seine eindringende Analyse der Religion, dazu aber auch seine Anschauung, daß das psychologische Grundwesen der Religion, eben das unmittelbare Gefühl unbedingter Abhängigkeit, überall die Form eines individuell gearteten Erlebnisses habe und in ungezählten individuellen Bildungen auftrete.“²⁵² Auch wenn Schleiermacher dabei sich selbst und die nachfolgende deutsche Theologie um die Wirkung seiner religionspsychologischen Entdeckungen gebracht habe und es beim bloßen Ansatz zu einer empirischen Religionspsychologie geblieben sei, so wirke – zur Freude der gegenwärtigen Theologie²⁵³ – die v. a. in Schleiermachers Reden enthaltene Anregung zu religionspsychologischen Studien auf die heutige Forschung kräftig ein. Aber diese Ausdehnung der religionspsychologischen Arbeit bringe auch die Gefahr mit sich, das theologische Interesse immer noch mehr auf das menschlich Religiöse, auf die Mannigfaltigkeit der religiösen Erfahrung, zu lenken und dadurch den Sinn für die Gottes- und die Wahrheitsfrage noch mehr zu schwächen.²⁵⁴ Weil dieser „anthropozentrische Schaden […] aus Schleiermacher Nahrung ziehen“ könnte, sei es dringend zu wünschen, „daß nicht bloß der Psychologe Schleiermacher, sondern der Schleiermacher, den doch das tiefe Streben, wirklicher Theologe zu sein, […] nie verließ,“ auf die gegenwärtige Arbeit regulierenden Einfluss gewönne.²⁵⁵ Eine grundlegend veränderte Interpretation von Schleiermachers § 30 bietet dann die sieben Jahre später erschienene Zweitauflage des ersten Bandes. Darin räumt Schaeder ein, dass man Schleiermacher – trotz der von ihm ausgehenden

 AaO.,  f.  AaO., .  Schaeder selbst kann z. B. das Werk des Missionars Spieth über die Ewe-Stämme, das des Missionars Warneck über Missionserfahrungen innerhalb des animistischen Heidentums sowie die „zusammenfassende Arbeit“ des Amerikaners William James über die religiöse Erfahrung in ihrer Mannigfaltigkeit als hervorragende Arbeiten würdigen (Ebd.).  AaO.,  f. Vgl. auch Heinsius, Streit,  f.  Theozentrische Theologie  (), .

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Anregung zu religionspsychologischen Studien – nicht einfach zum Religionspsychologen oder zum Anthropologen stempeln könne: „Er hat in Wirklichkeit Theologe sein wollen. D. h. er ist auf eine Beantwortung der Wahrheitsfrage in Sachen Gottes und damit des Glaubens gerichtet gewesen.“²⁵⁶ Vor einem irrtümlichen Verständnis des vielerörterten § 30 der Glaubenslehre sei man dabei – wie Schaeder kritisch gegen seine Erstauflage einwenden kann – geschützt, wenn man sich vergegenwärtige, dass es sich beim frommen Abhängigkeitsgefühl und bei dem mit diesem gesetzten Gottesgefühl um eigenste, mit dem menschlichen Selbstbewusstsein verwachsene Gewissheiten handle.²⁵⁷ Ist aber nun „der Glaube eigentümliche Erfahrungsgewißheit des Menschen um sich und zugleich um Gott in seiner Beziehung zu sich“, dann lässt sich nach Schaeder der Paragraph dahingehend interpretieren, dass in ihm „der gewisse Wahrheitscharakter des Glaubens selbst oder, was dasselbe ist, die prinzipielle Unbeweisbarkeit des Glaubens von irgendwelchen äußeren Instanzen oder Autoritäten her“ zum Ausdruck gebracht werden soll.²⁵⁸ Damit aber ist nach Schaeder eine grundsätzliche Übereinstimmung zwischen dem erörterten Paragraphen und der eigenen Ausführung über den Wahrheitscharakter der Theologie in der Erstauflage des zweiten Bandes gegeben.²⁵⁹ Zu welch großen Zugeständnissen Schaeder bei der Interpretation bereit ist, zeigt sich dann abschließend noch an einem weiteren Punkt. Hatte der nach Schleiermacher mögliche Verzicht auf die Rede von Gott in der Erstauflage der Theozentrischen Theologie noch scharfe Kritik hervorgerufen, so gilt nach Schaeder nun, dass Schleiermacher auch dann als wirklicher Theologe gelten müßte, wenn er auf „Aussagen über göttliche Eigenschaften und Handlungsweisen“ verzichtete. Denn die Beschreibung frommer Lebenszustände schließe die Beschreibung Gottes mit ein.²⁶⁰ Kritisch zu Schleiermachers § 30 anzumerken bleibt nach Schaeder demnach allein: „[I]ndem er es für statthaft hält, auf eine besondere, ausdrückliche Lehre von Gott zu verzichten, zeigt er, […]

 Theozentrische Theologie  (),  (Hervorhebung hinzugefügt).  Ebd.  AaO.,  (Schaeders Hervorhebung gestrichen; neue Hervorhebung hinzugefügt).  Ebd.Vgl. Theozentrische Theologie  (),  – : Darin lehnt Schaeder „in Sachen der Religion auch den allerleisesten Schein eines wirklichen Beweises“ mit allem Nachdruck ab. Als Beleg für die Wahrheit oder Wirklichkeit Gottes gebe es durchschlagend nur die Berufung auf das eigene, innere Erleben Gottes, das uns zum trauenden Glauben an ihn brachte. Jeder Versuch, die Gewißheit Gottes der Sphäre des subjektiven Erlebens zu entnehmen und sie mit mehr oder weniger entschlossener Umgehung der Subjektivität an irgendeine Objektivität zu binden, sei deshalb zurückzuweisen. Schaeder verweist dabei auch auf die Übereinstimmung mit Karl Heim, der wie kein anderer so nachdrücklich die Selbständigkeit des Glaubens gegenüber Beweisen aus der Empirie herausstelle (AaO.,  ff).  Theozentrische Theologie  (), .

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wie sehr in seinem Glaubensbilde das Gottesbewußtsein oder die Gottesgewißheit dem menschlichen Selbstbewußtsein oder der Abhängigkeitsgewißheit nicht nur ein-, sondern untergeordnet ist.“²⁶¹ Im Blick auf den § 30 in Schleiermachers Glaubenslehre kann damit als Ergebnis festgehalten werden: Hatte Schaeder den Vorwurf an Schleiermacher, Religionspsychologe und nicht Theologe zu sein, in der Erstauflage noch mit dem Hinweis auf den § 30 der Glaubenslehre begründet und auf die weitreichenden Folgen in Religionswissenschaft und -psychologie verwiesen, so dient der vielerörterte Paragraph in der Zweitauflage – da Schleiermachers Rolle als Theologe auch aufgrund des modifizierten Glaubensverständnisses nicht mehr grundsätzlich in Frage steht – v. a. als Nachweis für die prinzipielle Unbeweisbarkeit des Glaubens von äußeren Instanzen oder Autoritäten her. Bei dieser Erkenntnis, dass der Glaube prinzipiell die Gewissheit um seine Wahrheit in königlicher Freiheit in sich trägt, ist Schleiermacher aber – wie Schaeder nun in allen Auflagen übereinstimmend hervorheben kann – nicht stehen geblieben, sondern hat sich „auf eine verfängliche Apologetik des Glaubens“ eingelassen.²⁶² Diese Beanstandung des weiteren Verfahrens Schleiermachers betrifft dabei zwei Punkte, von denen der zweite aber nach Schaeders Überzeugung der maßgebende ist. Deutliche Kritik übt Schaeder zunächst an Schleiermachers Versuch, die Religion als einen notwendigen Bestandteil der menschlichen Natur zu erweisen. Schaeder kann dabei auch von einer „Naturalisierung der Religion oder des Glaubens“ sprechen²⁶³ und erläuternd hinzufügen: „Die Glaubensgewißheit macht eine Anleihe bei der Anthropologie und meint, auf diesem Wege einen Stützpunkt in wissenschaftlich beobachtbaren Tatbeständen menschlicher Natur zu gewinnen.“²⁶⁴ Diese „Naturalisierung oder Vernotwendigung der Religion“ sieht Schaeder dabei v. a. in Schleiermachers Neigung zu einer anthropozentrischen Glaubensauffassung begründet: „Nur wer dahin gravitiert, den Glauben zentral, beherrschend ein Erlebnis sein zu lassen, das der Mensch von sich selbst macht, eben das Gefühl von der eigenen, absoluten Abhängigkeit, nur der kann von vornherein das Urteil ausbilden, daß der Glaube ein menschlicher Natur- oder Wesensbestandteil ist.“²⁶⁵ Schutz vor diesem Irrtum bietet nach Schaeder deshalb die Bestimmung des Glaubens als direktes Gotteserlebnis sowie das Festhalten am Geistcharakter Gottes: „Hat man diesen Gott, m.a.W., hat man eine Lehre vom

    

Ebd. AaO.,  (Hervorhebung hinzugefügt). Ebd. (Hervorhebung hinzugefügt). Ebd. AaO., .

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‚Geist‘, dann wird selbstredend das Erlebnis Gottes, das im Glauben gemacht wird, eine freie Tat des lebendigen Gottes, eine freie Selbstvergegenwärtigung Gottes durch den Geist in dem, welcher glaubt. Dann sieht man: im Glauben ‚erkennt‘ uns Gott, und im Verfolg davon haben oder erkennen wir ihn (Gal. 4,8 u. 9).“²⁶⁶ Von diesem Zitat erklärt sich dann auch, dass man nach Schaeder von einem „Haben“ Gottes nur sprechen kann, sofern die im Zusammenhang mit Kant aufgezeigte Inversion der Subjekt-Objekt-Relation Beachtung findet.²⁶⁷ Denn im Blick auf den Glauben an Gott gilt nach Schaeder: „Wir glauben so an ihn, daß er uns zum Glauben und im Glauben bewegt und bestimmt.Wir glauben so an ihn und seinen Christus, daß er uns im Glauben beherrscht.“²⁶⁸ Der Unterschied zu einer Bestimmung des Glaubens als Natur- oder Wesensbestandteil des Menschen ist damit evident. Schleiermachers apologetische Bemühung und damit die anthropozentrische Verschiebung des Glaubensverständnisses erreicht dann aber nach Schaeder ihren Höhepunkt in dem Versuch, „von dem menschlichen Lebensdatum des Glaubens via causalitatis zu der bewirkenden Ursache des Glaubens, eben zu Gott aufzusteigen oder zurückzugehen“.²⁶⁹ Dieser anthropozentrischen Rückschlussmethode, mit deren Hilfe Schleiermacher einen Beweis für die Wirklichkeit Gottes zu führen versucht, gilt – auch aufgrund der weitreichenden Folgen in der Wirkungsgeschichte – Schaeders schärfste Kritik.²⁷⁰ Denn auch hier zeige sich die Neigung Schleiermachers zur anthropozentrischen Verschiebung oder Entstellung der religiösen Wirklichkeit: „Er läßt nämlich nun den entscheidenden Ton auf das menschliche Selbstgefühl oder Selbstbewußtsein im Glauben fallen, genauer auf das der schlechthinnigen Abhängigkeit. Der Mensch, das Ich mit dieser Gewißheit restloser Gebundenheit tritt ihm in das Zentrum der Betrachtung des Glaubens. Und von diesem seelischen Tatbestande aus […] will er rückschließend mit objektiver Sicherheit Gott als bewirkende Ursache dieses Tatbestandes fassen. Gott nämlich als den, der fundamental der Unbedingte, uneigentlich geredet: der Herr ist. Wir verfügen also im Sinne dieser Bemühungen Schleiermachers über den eigentümlichen religiösen Niederschlag in unserem Inneren, über das unbedingte  AaO.,  f.  Siehe oben S.  ff.  Theozentrische Theologie  (), .  Theozentrische Theologie  (), .  Schaeder betont dabei jedoch nachdrücklich, dass diese Bemühung Schleiermachers innerhalb der Gesamtkonzeption zu den minderwichtigen Punkten zu zählen ist und dass darüber hinaus – wie aus der Interpretation des §  ersichtlich – Schleiermacher einer derartigen „Apologetik des Glaubens“ eigentlich nicht bedarf (Ebd.). Anlass für Schaeders Auseinandersetzung mit der anthropozentrischen Rückschlussmethode dürfte deshalb v. a. deren wirkungsgeschichtliche Relevanz gewesen sein.

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Gefühl unserer Abhängigkeit. Wir verfügen über dies konkrete, handgreifliche Stück Selbsterfahrung. Aber in und mit diesem Produkt können wir unter Anwendung des Kausalgesichtspunktes in ungebrochener Sicherheit seinen zureichenden Grund erreichen: Gott den Allmächtigen.“²⁷¹ Nach Schaeders Urteil hat der „volle methodische Anthropozentrismus“ dann in der Erlanger Theologie eine mächtige Wirkung entfaltet.²⁷² Diese bedeutsame Wirkungsgeschichte von Schleiermachers Rückschlussmethode sieht Schaeder dabei in engem Zusammenhang mit dem Versuch, den Auswirkungen Kants auf die Theologie zu entgehen. Denn gegen die Negation einer vom Menschen zu leistenden Gotteserkenntnis lässt sich nun mit Schleiermacher eine handgreiflich, evidente und im Glauben vorliegende Erfahrung Gottes behaupten, von deren Wirkung aus Gott für den Menschen fassbar wird.²⁷³ Nach Schaeders Überzeugung führt jedoch – wie nun v. a. an zwei Einwänden deutlich wird – diese von Schleiermacher eingeschlagene „Erfahrungsmethode via causalitatis“²⁷⁴ in die Irre: Könnte man nämlich von einer religiösen Icherfahrung aus – heiße sie Abhängigkeitsgefühl, Friede, Seligkeit,Weltüberlegenheit oder guter Wille – zwingend, mit dem Recht objektiver Wahrheit, zu Gott gelangen, bestünde zwischen den menschlichen Erfahrungen und dem majestätischen Gott das Verhältnis der Notwendigkeit, der naturhaft kausalen Verkettung. Gott hörte dann aber auf der freie Herr zu sein, der dem Menschen Erfahrungen von sich in souveräner Selbstbestimmung zuteilwerden lässt. Der Erfahrungsweg Schleiermachers führt demnach nach Schaeder allenfalls zu einer Naturgröße, deren Wirkungen auf uns starr und notwendig sind, nicht aber zu dem lebendigen Gott,

 AaO.,  f.  AaO., .Vgl. auch aaO.,  ff. Nach Schaeder hat die Rückschlussmethode Schleiermachers in Hofmann und Frank „die geradlinigen Fortsetzer seiner Methode“ (Ebd.). Die Kritik Schaeders an der Erlanger Theologie richtet sich also gegen „die auf Schleiermacher zurückgehende verkehrt-anthropozentrische Methode der Erlanger“. Sachlich, was den Inhalt des Glaubensbewusstseins betrifft, betont Schaeder dagegen in entscheidenden Punkten die Übereinstimmung mit der Erlanger Theologie (AaO.,  f (Anm.)). Vgl. auch Theozentrische Theologie  (),  (Anm.).  Nach Schaeder bildet der Glaube bei Schleiermacher eine eigentümliche, nicht abzustreitende, wirklichkeitsstarke Beschaffenheit des persönlichen Innenlebens, die als Gefühl schlechthinniger Abhängigkeit und damit als eine notwendige Regung unserer mit dem Universum verbundenen menschlichen Natur aufgefasst werden kann. Nach Schaeders SchleiermacherInterpretation gilt dabei: „In diesem Stück unserer inneren Wirklichkeit, das so real, so erfassbar ist, wie wir selber, haben wir den Niederschlag Gottes in uns. Gott begegnet uns hier in seiner kundbaren Wirkung. In dieser seiner Wirkung, von dieser seiner Wirkung aus erfassen wir ihn.“ Siehe: AaO., .  AaO., .

1.2 Mit Schleiermacher und gegen Schleiermacher

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der Majestät und freie Liebe bzw. Gnade ist.²⁷⁵ Denn für Schaeder steht fest: „[W]ill man bestimmte seelische Selbsterlebnisse als Äußerungen Gottes bewerten und von ihnen aus Gott erfassen, dann muß man Gott zuvor kennen. Man muß mit der Erkenntnis, mit der Gewißheit Gottes an solche Erfahrungen […] herantreten, dann kann man in ihnen Gott wirksam sehen, und dann werfen sie ihr Licht zurück auf Gott.“²⁷⁶ Erreichen lässt sich Gott dabei nicht durch eine auf die anthropozentrische Verschiebung der Glaubenswirklichkeit zurückzuführende Rückschlussmethode, sondern nur mittels seiner direkten Selbstoffenbarung im Menschen: „Der theozentrisch bestimmte Glaube ist das Erlebnis Gottes und an ihm hängt alle Erkenntnis Gottes.“²⁷⁷ Der zweite Einwand betrifft dann eine weitere, v. a. auch wirkungsgeschichtlich bedeutsame Seite von Schleiermachers anthropozentrischem Irrtum. Sobald man nämlich – so die Kritik sowohl an Schleiermacher als auch an der Erlanger Theologie – in gewissen religiösen Icherfahrungen²⁷⁸ die Wirkung Gottes sehe, die uns Gott erkennbar macht, werde die Art und Größe dieser Selbsterfahrungen das Maß für Gott: „Wir können dann von Gott, von dem, was er vermag, von dem, was er will, gerade so viel aussagen, als wir in der Form jener Erfahrungen an uns selbst beobachten.“²⁷⁹ Gegenüber dieser anthropozentrischen Beschränkung Gottes betont Schaeder deshalb mit Nachdruck die vom Menschen nicht einholbare Größe Gottes: „Aber weiß nicht der Glaubende, daß Gott sehr viel größer ist als unser erfahrbares religiös-sittliches Innenleben? Größer, als unsere halbe Furcht vor ihm, unser schwankendes Seligkeitsgefühl, unser kleines Vertrauen, unser unfester guter Wille es erraten läßt? […] Gott geht nicht auf in den engen Umfang und in den mehr oder weniger gebrochenen Charakter unseres persönlichen religiösen oder geistlichen Besitzes.“²⁸⁰ Selbst dann also, wenn – im grundlegenden Unterschied zum anthropozentrisch verschobenen Glaubensverständnis – sich Gott im Glauben zu erkennen gibt und der Mensch deshalb an sich selbst die Wirkung Gottes zu erkennen vermag, deckt dieser im Menschen selbst beobacht- und erfahrbare religiöse oder geistliche Besitz die Wirklichkeit Gottes in ihrer Größe nicht auf. Die „Gefahr einer energischen Verkleinerung Gottes“ liegt

 AaO.,  f.  AaO., .  AaO., .  Nach Schaeders Überzeugung steht bei den Erlangern die Wiedergeburtserfahrung im Zentrum. Deshalb gilt auch hier: „Der Mensch, der Christ ist hier bei sich, bei einem erfahrbaren Tatbestande seines Ichlebens. Gott und Christus, das Wort und der Geist werden hier unwillkürlich zurückgeschoben.“ Siehe: AaO., .  Ebd.  AaO.,  f.

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

deshalb nach Schaeder nicht nur bei einem anthropozentrisch verschobenen Glaubensverständnis, sondern immer auch dann vor, wenn der Mensch den Stand seines eigenen geistlichen Besitzes zum Maßstab für Gottes Wirklichkeit und Größe erhebt.²⁸¹ Damit hat Schaeder aber – so kann nun abschließend festgehalten werden – den „speziell anthropozentrischen Zug“ Schleiermachers deutlich entfaltet: Anlass der Kritik ist demnach v. a. die bei Schleiermacher konstatierte Rückschlussmethode vom Selbstbewusstsein des Menschen auf die Wirklichkeit Gottes. Dies aber v. a. deshalb, weil bei einer kausalen Verkettung oder bei einer durch die menschliche Selbsterfahrung beschränkten göttlichen Wirklichkeit die Souveränität und Freiheit Gottes aufs äußerste gefährdet wäre. Gegenüber einem substanzontologischen Glaubensverständnis, wie es bei Schleiermacher vorliegen soll, betont Schaeder deshalb mit allem Nachdruck den relationalen Charakter des Glaubens: Glaube ist demnach nicht Natur- und Wesensbestandteil des Menschen, sondern freie Selbstvergegenwärtigung Gottes durch den Geist, nicht ein unumstößlicher Niederschlag im Inneren oder eine handgreiflich evidente Selbsterfahrung, sondern „das aus der persönlichen Verarbeitung des Erlebens Gottes gewordene und gewonnene direkte Verhältnis zu seiner Wirklichkeit“.²⁸² Vom Glauben als einem „Haben“ oder „Besitz“ Gottes²⁸³ kann deshalb nicht im Sinne einer ontologischen oder anthropologischen Konstante die Rede sein,²⁸⁴ von der aus Gott einholbar wäre. Denn Gott hat man – beachtet man die Inversion der Subjekt-Objekt-Relation – nur so, dass er sich uns durch Wort und Geist zu erfassen gibt.²⁸⁵ Im Unterschied zum Glauben als einem wesensmäßigen Besitz bleibt der relationsontologisch bestimmte Glaube dabei aber stets auch der angefochtene. Denn nach Schaeder gilt im Blick auf den Glauben: „Er kann vergehen und mit ihm sein Besitz.“²⁸⁶

 AaO., .  Weg, .  Vgl. unten S.  ff.  Nach Schaeder gilt: „Das neue Ich ist eine überaus unsichere, schwankende Größe. Es ist schlechterdings kein Objekt ‚konstanter‘ Erfahrung.“ Siehe: Theozentrische Theologie  (), .  Religiöser Wegweiser, .  Theozentrische Theologie  (), . Zu dieser Einsicht dürften Schaeder auch die eigenen Anfechtungserfahrungen geführt haben.

1.2 Mit Schleiermacher und gegen Schleiermacher

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1.2.2.4 Mit und gegen Schleiermacher Überblickt man sowohl die Würdigung als auch die Kritik an Schleiermacher, so kann mit Schaeder abschließend festgehalten werden: „Er [Schleiermacher] hat recht: Glauben und Theologie gehören zusammen. Was sich nicht als zum persönlichen Glauben gehörig, als mit ihm lebendig verwachsen nachweisen läßt, das hat ein für allemal keinen Platz in der Theologie. Mit diesem Grundgesichtspunkt ist die Theologie allerdings an den Menschen, an das gläubige Ich gebunden. Wir Theologen kommen […] ‚überall über den Bannkreis der Subjektivität schlechterdings nicht hinaus‘.“²⁸⁷ Ist es also v. a. die grundsätzliche und unüberwindliche Subjektivität des Glaubens sowie die Bestimmung der Dogmatik als Funktion des Glaubens, die Schaeder an Schleiermacher zu würdigen weiß, so ist Gegenstand der Kritik das von Schleiermacher anthropozentrisch verschobene Glaubensverständnis. Denn die fehlende Transzendenz und Externität Gottes sowie die damit zusammenhängende Nivellierung der Differenz von Gott und Welt, Schöpfer und Geschöpf, hat nach Schaeder bei Schleiermacher eine pantheisierenden Tendenz zur Folge, die ihrerseits den Protest gegen ein Verständnis Gottes als Persönlichkeit und Geist entscheidend begründet. Gott tritt dann aber in das Gebiet des Unfasslichen, Undeutlichen zurück und verliert für das Bewusstsein des Glaubenden die beherrschende Stellung, während der Mensch mit seiner völligen Abhängigkeit das Beherrschende sowohl im Glauben wie in der denkenden Auffassung des Glaubens wird. Diese anthropozentrische Betrachtung des Glaubens erhält nun nach Schaeders Überzeugung ihre spezielle und deutliche Ausprägung durch Schleiermachers Versuch, ausgehend „vom Glauben mit seinem integrierenden Gottesbewußtsein“²⁸⁸ die Realität Gottes zu fassen oder zu beweisen. Anlass zur Kritik an dieser apologetischen Verwendung des Glaubens ist dabei v. a. die auf der „Naturalisierung“²⁸⁹ des Glaubens beruhende anthropozentrische Rückschlussmethode. Denn nach Schaeder hat ihr Ausgang von einem substanzontologischen Glaubensverständnis ebenso wie die Annahme einer kausalen Verkettung letztlich die äußerste Gefährdung der Souveränität und Freiheit Gottes zur Konsequenz. Seine Kritik an Schleiermacher kann Schaeder deshalb wie folgt zusammenfassen: „[A]lles kommt darauf an, daß man sich von Schleiermacher in dem Verständnis des Glaubens nach Art und Entstehung, dann aber […] von seiner apologetischen Verwertung des Glaubens für die Erkenntnis Gottes, für die Auffassung der Herrlichkeit Gottes und seines Christus, entfernt. Aus dem Zentrum des Glaubens muß der Mensch, muß das Ich heraus. Jeder

 Theozentrische Theologie  (), .  Theozentrische Theologie  (), .  Theozentrische Theologie  (),  ff.

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

Gedanke daran, daß der Glauben zentral Selbsterlebnis, Selbsterfahrung sei, […] muß schwinden. Der Glaube ist zentral Gotteserlebnis, Gotteserlebnis aber durch das Wort von Gott und durch Gottes lebendigen Geist.“²⁹⁰ Das volle Erlebnis Gottes im Glauben schließt dabei das Erlebnis Christi mit ein. Denn das Wort von Gott ist – wie Schaeder nachdrücklich betonen kann – auch das Wort von Christus und der Geist Gottes lässt Gott durch das Wort in direkter Gegenwart so erleben, dass er zugleich das Erlebnis Christi, die direkte Vergegenwärtigung Christi schenkt. Insofern ist jede wahrhaft theozentrische Theologie rechtverstanden zugleich auch christozentrisch.²⁹¹ Man wird also – so Schaeders pointierte Formulierung – bei Schleiermacher „einen charakteristischen Mischungszustand des theologischen Verfahrens“²⁹² zu konstatieren haben, der sich wie folgt beschreiben lässt: „Auf der einen Seite ist das Bild des Glaubens, welches für ihn den Ausgangs- und Rotationspunkt seiner Theologie abgibt, von ihm grundsätzlich theozentrisch, d. h. unter dem leitenden Gesichtspunkt der Herrenstellung Gottes über dem glaubenden Ich und seiner Welt gezeichnet. […] Vorschlagend ist der Glaube für Schleiermacher in der Tat nicht Selbst-, sondern Gotteserlebnis. Dieser hat es also auch nicht nötig, sich zur Gewißheit Gottes und zu dem, was für unsere Erkenntnis das Wesentliche des göttlichen Lebens ist, erst rückschließend einen Weg zu bahnen. Er hat das in sich.“²⁹³ Auf der anderen Seite aber treibt nach Schaeders Überzeugung der Versuch, die Glaubensgewissheit Gottes zu begründen oder dem Glaubenden die Wirklichkeit Gottes zu belegen, Schleiermacher in die Unmöglichkeit der anthropozentrischen Rückschlussmethode. Die Auswirkungen dieses methodischen Fehlgriffes erkennt Schaeder dann in der Erlanger Schule, insbesondere aber bei Hofmann und Frank.²⁹⁴ Inwieweit Schaeder nun mit dieser Interpretation Schleiermacher wirklich gerecht geworden ist oder ihn aber verzeichnet hat, bleibt damit indes noch ungeklärt. Denn die Frage der angemessenen Schleiermacher-Interpretation konnte bisher bewusst zurückgestellt werden, galt es doch das Profil von Schaeders eigener Konzeption – eben im Gegenüber zu seiner eigenen Schleiermacher-Interpretation – herauszuarbeiten und somit Schaeder in dem ihm eigenen Horizont verständlich zu machen. Unternimmt man nun dagegen abschließend den Versuch, Schaeders Schleiermacher-Interpretation zu bewerten, so dürfte ein diffe-

    

AaO., . Ebd. Theozentrische Theologie  (),  (Hervorhebung hinzugefügt). Ebd. AaO.,  f.

1.2 Mit Schleiermacher und gegen Schleiermacher

151

renziertes Urteil zu erwarten sein. Denn beides, sowohl Ablehnung als auch bleibende Berechtigung, wird bei der Bewertung der Interpretation Beachtung finden müssen. Dabei kann es sich allerdings nur um erste Hinweise, nicht aber um eine umfassende Erörterung über die Angemessenheit von Schaeders Schleiermacher-Interpretation handeln.²⁹⁵ Kritische Anfragen wird man aus heutiger Sicht v. a. gegen die bei Schleiermacher konstatierte anthropozentrische Rückschlussmethode und damit gegen den Einwand zu richten haben, Schleiermacher setze mit seiner Bestimmung des Wesens der Religion nicht bei Gott ein, sondern beim Menschen, und gelange durch einen Rückschluss vom Selbstbewusstsein zu Gott als der Ursache des Abhängigkeitsgefühls. Diese Annahme eines reflektierenden Rückschlusses entsprechend dem Verfahren der klassischen Gottesbeweise muss dabei v. a. schon deshalb als fragwürdig gelten, weil nach Schleiermacher die Möglichkeit eines reflektierenden Zugriffs auf die transzendentale Wirklichkeit selbst abzulehnen ist.²⁹⁶ Ausgangspunkt der Theologie bleibt vielmehr der Glaube als expressive Bestimmtheit des unmittelbaren Selbstbewusstseins. Insofern hat jede Reflexion über Frömmigkeit oder Religion von der Erfahrung des Göttlichen und dessen Selbstauslegung im religiösen Bewusstsein auszugehen.²⁹⁷ Eine Vorstellung oder Kenntnis von Gott ist dabei dem Bewusstsein der schlechthinnigen Abhängigkeit nicht vorgegeben, wird aber aus diesem auch nicht erst durch einen Schluss abgeleitet. Der Gottesgedanke ist vielmehr „nichts anderes als nur das Aussprechen des schlechthinnigen Abhängigkeitsgefühls“, durch das dieses erst „ein klares Selbstbewußtsein“ wird.²⁹⁸ Schleiermachers Schritt von der schlechthinnigen Abhängigkeit hin zu Gott als der schlechthinnigen Ursächlichkeit steht damit – im Unterschied zu Schaeders Annahme eines Beweisverfahrens – im Zeichen der semantischen Frage, was der Ausdruck „Gott“ bedeute.²⁹⁹ Insofern kann die Be-

 Die hierzu notwendige Darstellung und Interpretation der Glaubenslehre Schleiermachers kann im Rahmen unserer Untersuchung nicht geleistet werden und muss einer separaten Arbeit vorbehalten bleiben.  Eine Aussage über Gott, „wie er an und für sich ist“, überschreitet den Rahmen christlicher Erkenntnisfähigkeit und ist letztlich Ausdruck menschlicher Hybris, die sich über die Begrenztheit ihres Erkenntnisvermögens nicht aufgeklärt hat. Siehe: Schleiermacher, Glaubenslehre ,  (§ ) und Diederich, Geistverständnis, . Gott als transzendentaler Grund wird deshalb nach Schleiermacher vom Wissen niemals erreicht, obwohl er dessen Grund ist; er kann nicht gedacht werden. Damit ist aber z. B. „ein ontologischer Gottesbeweis unmöglich, da dieser ja von einem bestimmten Gottesbegriff ausgeht, während Schleiermacher leugnet, daß es von Gott einen adäquaten Begriff geben könne.“ Siehe: Rohls, Theologie, .  Vgl. oben S. .  Schleiermacher, Glaubenslehre ,  f (§).  Ebeling, Abhängigkeitsgefühl, .

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

wegung des schlechthinnigen Abhängigkeitsgefühls zum Gottesbewusstsein als Vorgang der Sprachwerdung näher bestimmt werden.³⁰⁰ Gott selbst aber liegt – da er im Bewusstsein der Abhängigkeit selber bei dem Menschen und für ihn da ist³⁰¹ – bereits jeder Reflexion und damit jeder theologischen Vorstellung von Gott zugrunde.³⁰² Gottes Wirklichkeit kann demnach im Sinne Schleiermachers nicht durch einen Kausalschluss aus dem Abhängigkeitsgefühl erschlossen oder bewiesen, sondern nur in der Konkretion einer existentiellen Bestimmtheit, wie sie in der Glaubensaussage gegeben ist, expliziert werden.³⁰³ Diese Differenz zwischen einem Beweisverfahren und der Explikation des Ausdruckes „Gott“ vom Bewusstsein der schlechthinnigen Abhängigkeit her scheint Schaeder zwar nicht prinzipiell, doch aber im Blick auf die „apologetische Verwertung des Glaubens“ bei Schleiermacher nicht deutlich genug gesehen zu haben.³⁰⁴ Zu diesem Missverständnis dürften ihn allerdings – so wird zu vermuten sein – nicht nur die weitreichenden Folgen dieses methodischen Fehlgriffs in der Erlanger Theologie, sondern auch Schleiermacher selbst mit seinem § 33 der Glaubenslehre veranlasst haben.³⁰⁵

 AaO., .  Nach Schleiermacher ist das Abhängigkeitsgefühl „an und für sich ein Mitgesetztsein Gottes im Selbstbewußtsein“ bzw. „die einzige Weise, wie Gott und ich im Selbstbewußtsein zusammen sein kann“. Siehe: Schleiermacher, Glaubenslehre ,  (§ ) u.  (§ ).  Nach Schleiermacher ist uns Gott „gegeben im Gefühl auf eine ursprüngliche Weise“. Siehe: Schleiermacher, Glaubenslehre ,  (§ ). Vgl. auch Althaus, Christliche Wahrheit ,  und Redeker, Schleiermacher, . Dass Schleiermacher keinen Beweis bieten will, wird auch an anderer Stelle deutlich: „Auf jeden Beweis für die Wahrheit oder Notwendigkeit des Christentums verzichten wir vielmehr gänzlich, und setzen dagegen voraus, daß jeder Christ, ehe er sich irgend mit Untersuchungen dieser Art einläßt, schon die Gewißheit in sich selbst habe, daß seine Frömmigkeit keine andere Gestalt annehmen könne als diese.“ Siehe: Schleiermacher, Glaubenslehre ,  (§ ).  Vgl. Hübner, Wissenschaftsbegriff, .  Von einem Rückschluss bei Schleiermacher sprechen neben Schaeder z. B. auch Rudolf Otto und Emil Brunner. Vgl. Otto, Heilige,  f u.  sowie Brunner, Mystik, .  Heinsius, Streit,  ff. Nach Heinsius, einer energischen Gegnerin von Schaeders Schleiermacher-Interpretation, gilt: „Im Ganzen der Schleiermacherschen Theologie ist dieser §  […] eine Inkonsequenz, die sich durch Beachtung der entscheidenden Grundposition Schleiermachers leicht als solche erkennen und ausschalten läßt. Doch hat gerade der §  vielfach zu einer falschen Auffassung der Schleiermacherschen Methode, als wäre sie durchaus ein solches Rückschlußverfahren, Anlaß gegeben. Dieses Mißverständnis liegt unzweifelhaft bei den Erlangern vor und verursacht, daß sie sich bei aller formalen Anlehnung an Schleiermacher, doch methodisch in ganz anderen Bahnen bewegen als er. Dieses Mißverständnis teilt auch Schaeder. Aber es ist und bleibt ein Mißverständnis, auch wenn Schleiermacher selbst es mit verschuldet hat.“ Siehe: AaO., . Vgl. auch Wobbermin, Wesen,  ff; Brunner, Mystik,  f. u. Rohls, Theologie,  ff.

1.2 Mit Schleiermacher und gegen Schleiermacher

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Außer dieser – auch von Zeitgenossen deutlich kritisierten³⁰⁶ – Annahme einer Rückschlussmethode wird man Schaeders Schleiermacher-Interpretation auch noch an anderen, weniger stark umstrittenen Stellen zu hinterfragen haben; so etwa im Blick auf die Naturalisierung bzw. Ontologisierung des Glaubens³⁰⁷ oder die Infragestellung des Geistcharakters Gottes.³⁰⁸ Bleibende Bedeutung dagegen dürfte Schaeders Einschätzung der Pneumatologie Schleiermachers zukommen. Damit aber verschafft sich bei aller Kritik, die man aus heutiger Sicht an Schaeders Deutung zu üben haben wird, ein wesentlicher Punkt seiner Schleiermacher-Interpretation dauerhaft Geltung. Denn fasst man – so Schaeder in Übereinstimmung mit Schleiermacher – die Theologie als Funktion des Glaubens, dann hat auch das Pneuma als conditio sine qua non des Glaubens höchste theologische Relevanz. Schaeder vermag deshalb die Pneumatologie als „das größte Anliegen der Theologie“ bzw. die Geistfrage als „die theologische Kernfrage“ zu bezeichnen.³⁰⁹ Diese Kernfrage kann dabei ihrerseits als Frage nach der Verhältnisbestimmung von göttlichem und endlich-natürlichem Geist näher bestimmt werden.³¹⁰ Nach Schaeder ist es nun gerade die damit ausgedrückte Unterscheidung und In-Beziehung-Setzung von göttlichem und menschlichem Geist, die Schleiermacher durch die Nivellierung der Differenz von Gott und Welt,

 Vgl. z. B. Heinsius, Streit,  ff u. Wobbermin, Wesen,  f.  So wird man sich z. B. mit der Schleiermacher-Interpretation von Jørgensen auseinanderzusetzen haben, der trotz des „Eingeschlossenseins“ des Gottesbewusstseins im Selbstbewusstsein die Differenz zwischen Gott und Mensch bei Schleiermacher gewahrt sieht. Verfehlt sei es deshalb, den Glauben bei Schleiermacher als im Menschen begründete Frömmigkeit zu verstehen. Dem widerspreche nämlich, dass Schleiermacher „das zum Gottesbewußtsein werdende unmittelbare Selbstbewußtsein“ als „eine ursprüngliche Offenbarung Gottes an den Menschen oder in dem Menschen“ bezeichnen könne. Siehe: Schleiermacher, Glaubenslehre ,  (§ ) und Jørgensen, Offenbarungsverständnis,  ff. Das Woher der schlechthinnigen Abhängigkeit dränge dabei – so Jørgensen weiter – selbst darauf, als Gottesbewusstsein zu Sprache zu kommen: „Das heißt aber, daß letztlich nicht der Mensch Subjekt dieser Sprachwerdung des Gottesbewußtseins ist. Sie hat ihren Ursprung in dem Woher des schlechthinnigen Abhängigkeitsgefühls. Sie hat Gott als ihr Subjekt.“ Siehe: Jørgensen, Offenbarungsverständnis, . Die „Dimension“ bzw. „Relation“ der Externität bei Schleiermacher betont v. a. Ebeling nachdrücklich (Ebeling, Frömmigkeit,  u. ders.,Wirklichkeitsverständnis, . .  f). Zur Verwendung des Offenbarungsbegriffs bei Schleiermacher vgl. auch Birkner, Offenbarung,  ff.  Heinsius verweist z. B. auf §  der Glaubenslehre, welcher die Geistigkeit Gottes deutlich hervorhebe. Heinsius gesteht aber zugleich ein, dass der Gottesgedanke Schleiermachers durch die starke Betonung des Immanenzgedankens einen pantheistischen Schein bekomme (Heinsius, Streit, ). Zum Verständnis Gottes als Geist bei Schleiermacher vergleiche v. a. die neuere und instruktive Dissertation von Diederich (Diederich, Geistverständnis,  ff).  Theozentrische Theologie  (), .  Geistproblem, .

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

Schöpfer und Geschöpf gefährdet und in die Nähe des idealistischen Identitätsgedankens gerückt hat. Gegenüber dieser Tendenz zur Identität, welche die Verkennung des Heiligen Geistes mit seinen zentralen, charakteristischen Wirkungen zur Folge hat und insofern als Ursache für die anthropozentrische Verschiebung des Glaubens gelten kann,³¹¹ betont Schaeder nachdrücklich die durch den Heiligen Geist gewirkte Inversion der Subjekt-Objekt-Relation: „Grundsätzlich ist Gott niemals Objekt für die Vernunft, sondern immer an ihr handelndes Subjekt, Subjekt durch seinen Geist. Man sieht sofort, daß dieser Geist charakterisiert ist durch das Moment der souveränen, majestätischen Macht.“³¹² Diese souveräne, majestätische Macht des Geistes Gottes ist es dann aber, welche in der Beziehung der Nähe die bleibende Unterschiedenheit von Gott und Mensch, göttlichem und menschlichem Geist garantiert: „Frei rückt der Geist den überweltlichen Gott in unsere Nähe. Frei wirkt er das, was wir die innerste Bewusstseins-Immanenz Gottes bei uns nennen. Aber gerade indem der Geist Gottes dies machtvoll-frei tut, […] bringt er uns die Tatsache zum Bewußtsein, […] daß zwischen dem Gott der Majestät bei aller seiner Gegenwart und uns selber die tiefe Distanz besteht. Man mache sich das eigentümliche Paradoxie-Verhältnis klar! Vom Geiste Gottes reden heißt von Gottes glaubenweckender Nähe reden. Es heißt aber in einem und demselben Atem davon reden, daß dieser Gott der nie von uns zu erreichende, der für uns ferne, der ganz andere uns gegenüber ist. Vom Geiste Gottes reden heißt gerade auch, bildlich genommen, Gott im Himmel sehen: so bei uns, daß er im Himmel ist. […] Jede Annäherung an Gott, welche die kreatürliche Schranke hinter sich ließe […], jedes Hineinziehen Gottes in das endliche Seelenleben, das die tiefste Geschiedenheit und Unterschiedenheit bei Seite schöbe, ist hier ausgeschlossen. Und es ist die theologische Reflexion auf den Geist Gottes, welche das ausgeschlossen sein läßt.“³¹³ Die Geistlehre ist demzufolge nach Schaeders Überzeugung der Faktor, mit dessen Hilfe die unerlässliche Verbindung von objektiver Gotteswirklichkeit und persönlicher Subjektivität im Erleben des Glaubens so zur Geltung gebracht werden kann,³¹⁴ dass die präzise³¹⁵ Unterscheidung von Gott und Mensch, göttlichem und menschlichem Geist gewahrt bleibt. Dass Schleiermacher diese Unterscheidung nun nicht deutlich genug entfaltet, sondern sie durch seine Tendenz zur Identität vielmehr nivelliert hat, dürfte Schaeder zu Recht beanstandet haben.

    

Vgl. oben S.  ff. Geistfrage, . AaO., . Streiflichter, . Vgl. unten S.  (Anm. ).

1.2 Mit Schleiermacher und gegen Schleiermacher

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Denn anders als Schaeder, dem die Inversion der Subjekt-Objekt-Relation die Souveränität und Externität des Geistes auszusagen hilft, identifiziert Schleiermacher das Gottesbewusstsein mit der Gegenwart des – durch Jesus Christus gegebenen – Heiligen Geistes.³¹⁶ Das Sein Gottes im Bewusstsein ist für Schleiermacher ein Sein des Geistes Gottes in ihm.³¹⁷ Unabweislich kommt damit aber bei Schleiermacher der Geist Gottes nur als sein Dasein, als sein Dasein im Bewusstsein in den Blick.³¹⁸ Wird aber der Geist Gottes einseitig und ausschließlich mit seiner Gegenwart als Bewusstsein identifiziert, dann ist zugleich ausgeschlossen, dass der Heilige Geist im Vollsinne des Begriffs Gegenwart ist; nämlich Außen im Innen, unterschiedene Andersheit in der Einheit des Subjekts.³¹⁹ Schleiermacher versagt damit letztendlich an der wesentlichen Aufgabe, die Lehre vom Heiligen Geist auch im Blick auf die Gottheit des Geistes zureichend zu entfalten.³²⁰ Dies hat dann aber zur Folge, dass der Geistgedanke keine die Anfechtung des Glaubens überwindende Selbstunterscheidung des Menschen auf Gott hin zu eröffnen vermag.³²¹ Schleiermacher ist es also – so kann abschließend festgehalten werden – nicht gelungen, den Geist als einen solchen aufzuweisen, der in seiner Gegenwart im menschlichen Geist „etwas anderes ist als meine Vernunft“.³²² Diese Tendenz zur Anthropologisierung der Pneumatologie und den dadurch bedingten anthropozentrischen Zug in der Theologie Schleiermachers erkannt zu haben, dürfte zu den bleibenden Verdiensten Schaeders zu zählen sein. Auf dem Hintergrund dieser pneumatologischen Defizienz Schleiermachers aber ergibt sich für Schaeders eigene Konzeption: Der methodische Ansatz beim Glauben und damit die Subjektivität des Zugangs entscheidet für sich noch nicht darüber, ob eine theologische Konzeption als anthropozentrisch zu gelten hat. ³²³ Die Differenz zwischen Theozentrismus und Anthropozentrismus besteht vielmehr – fasst man die Theologie

 Diederich, Geistverständnis, .  AaO., .  AaO., .  AaO.,  f.  AaO., .  AaO., .  Brief Schleiermachers an Jacobi, . .  (abgedruckt in: Dilthey, Briefe , ) u. Diederich, Geistverständnis, .  Diesen Sachverhalt betont auch Heinsius in ihrer kritisch gegen Schaeder gerichteten Arbeit: „Die theozentrische Theologie unterscheidet sich also von der anthropozentrischen nicht dadurch, dass diese die menschliche Erfahrung von Gott zum Ausgangspunkt nimmt, jene aber Gott selbst. Nein, auch die theozentrische Theologie ist im Sinne Schaeders an den Glauben als das persönliche Erlebnis Gottes gebunden. Der Unterschied liegt erst in der verschiedenen Auffassung dieses Glaubenserlebnisses.“ Siehe: Heinsius, Streit, .

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

als Funktion des Glaubens – in der Pneumatologie. Denn der methodische Ansatz beim Glauben und die theozentrische Orientierung der Theologie lassen sich – wie an Schaeders Entwurf deutlich wird – dann verbinden, ³²⁴ wenn in der Beziehung der Nähe zugleich die Souveränität und Externität des Geistes sowie damit die präzise Unterscheidung von Gott und Mensch, Schöpfer und Geschöpf gewahrt bleibt. Mit anderen Worten heißt dies: „Hat die Theologie den Glauben zum Gegenstande, dann ist an und in diesem Objekt der Geist Gottes das Entscheidende. Denn der Glaube ist, was er ist, durch den Geist, und durch das Wort nur, weil Geist und Wort zusammengehören“.³²⁵ Insofern kann Schaeders Theozentrismus als pneumatischer Theozentrismus näher expliziert werden.

1.3 Der Begriff „Wirklichkeit“ 1.3.1 Gott als die alles bedingende Wirklichkeit Wendet man sich nach diesen Erörterungen über Schaeders Kant- und Schleiermacher-Rezeption abschließend der Bestimmung des Begriffs „Wirklichkeit“ zu, so ist dabei zunächst dem Umstand Rechnung zu tragen, dass Schaeders Ausführungen eine Definition des Ausdruckes vermissen lassen. Die Bestimmung des Begriffs kann deshalb – auch sensibilisiert durch neuere Untersuchungen zum Realismusproblem³²⁶ – nur indirekt erfolgen.³²⁷ Einen ersten Hinweis bietet dabei die Begriffsverwendung, welche – wie zahlreiche Textstellen aufzeigen – v. a. die enge Verbindung von Wirklichkeits- und Gottesbegriff nahelegt. Wirklichkeit im eigentlichen Sinne wird demnach bei Schaeder primär als „göttliche Wirklich-

 Diese Verbindung von anthropologischem Ansatzpunkt und theozentrischer Orientierung bereitete Zeitgenossen Verständnisschwierigkeiten: „[I]ch verstehe wirklich nicht ganz, wie Schaeder es vereinigen will, die Theologie beim Menschen, d. h. beim Glauben, Posto fassen zu lassen und dann doch den Menschen sowohl aus dem Mittel- wie aus dem Ausgangspunkt der Dogmatik zu entfernen.“ Siehe: Pachali, Schaeder wider Schleiermacher, . Vgl. auch Selbstdarstellung,  f.  Geistfrage, .  Vgl. z. B. Großhans, Realismus; Walldorf, Philosophie.  Einen anderen Weg bei der Untersuchung von Schaeders Geist- und Wirklichkeitsverständnis schlägt Goertz ein, indem er folgende Definition voranstellt: „Unter ‚Wirklichkeit‘ wird die kulturelle, politische und soziale Welt, Natur und Geschichte, verstanden, eine Welt, die vom Menschen erfaßt und gestaltet werden muß, die ihm aber stets auch entgleitet und Geheimnis bleibt“ (Goertz, Geist und Wirklichkeit, ). Diese Definition erweist sich aufgrund ihrer Undifferenziertheit und ihres allgemeinen Charakters bei der Erfassung von Schaeders Wirklichkeitsverständnis als wenig geeignet.

1.3 Der Begriff „Wirklichkeit“

157

keit“³²⁸ zu verstehen sein. Diese „Gotteswirklichkeit“³²⁹ – oder was dasselbe bedeutet – „Gott […] als Wirklichkeit“³³⁰ ist dabei von aller endlichen, gegebenen Weltwirklichkeit grundlegend zu unterscheiden. Schaeder betont deshalb nachdrücklich: Gott ist „nicht nur Wirklichkeit, sondern aller Wirklichkeiten Wirklichkeit“.³³¹ Die damit zum Ausdruck gebrachte schlechthinnige Überlegenheit Gottes über alle endliche, gegebene Weltwirklichkeit konkretisiert sich in der daseinskonstitutiven Beziehung Gottes zur Welt.³³² Schaeder kann deshalb Gott auch als „letzte[n], schlechthin unüberbietbare[n], wirksame[n] Grund aller Wirklichkeit“³³³ bzw. als „letzte, alles bedingende und gestaltende Realität“³³⁴ bezeichnen. Dass damit aber letztendlich das Schöpfersein Gottes angesprochen ist, zeigt sich an anderer Stelle auch in der Wortwahl: Gott ist – so kann Schaeder in der Festschrift zum 70. Geburtstag Schlatters formulieren – „der, der uns und unsere gesamte Wirklichkeit, unsere Welt, in jedem Augenblick unseres und ihres Daseins in freier, schöpferischer Tätigkeit bedingt“.³³⁵ Gott als die alles bedingende Wirklichkeit³³⁶ oder als „das große Regulativ aller Wirklichkeit“³³⁷ hat damit auch existentielle Relevanz für den Menschen. Denn ist Gott „die Majestät, die schlechthinnige, unentrinnbare, absolut wirksame, geistig-persönliche Macht über und in aller Wirklichkeit“,³³⁸ dann ist er zugleich auch der unbedingte Hingabe an sich fordernde Herr „über uns und aller unserer Wirklichkeit“.³³⁹ Alle drei Aspekte – die schlechthinnige Überlegenheit Gottes, die daseinskonstitutive Beziehung Gottes zur Welt sowie die existentielle Relevanz – weisen dabei darauf hin, dass und warum Gott nach Schaeders Überzeugung nicht als ein Element innerhalb der welthaften Wirklichkeit gedacht, gesucht und erkannt werden kann. „Welt“ ist und umschließt nicht „Gott“, sondern bleibt als bedingte stets von Gott  Theozentrische Theologie  (),  u. ö.  AaO.,  u. ö.  AaO.,  u. ö.  Geistproblem, .  Vgl. auch zum Folgenden: Härle, Dogmatik,  f.  Theozentrische Theologie  (), .  Selbstdarstellung, .  Hauptpunkt, .  Im Unterschied zu Schaeder spricht Bultmann und dann v. a. auch Pannenberg von Gott als der alles bestimmenden Wirklichkeit (Vgl. Bultmann, GuV , ; Pannenberg, Wissenschaftstheorie,  f; ders., Christologie, .  u. ders., Systematische Theologie , ). Der sachliche Unterschied dürfte dabei jedoch nur sehr gering zu veranschlagen sein, da aufgrund der semantischen Unschärfe die Bedeutung der Wörter „bestimmend“ und „bedingend“ ineinander übergehen kann. Vgl. auch Härle, Dogmatik,  f sowie Zeindler, Gotteserfahrung,  f.  Gott des Christentums, .  Selbstdarstellung, .  Theozentrische Theologie  (),  (Hervorhebung hinzugefügt).

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

abhängige und umschlossene Wirklichkeit. Insofern aber – nämlich als abhängige und umschlossene – kann es Weltwirklichkeit ohne göttliche Wirklichkeit nicht geben.³⁴⁰ Im Blick auf das Gottesverständnis ergibt sich somit: Die Rede von Gott als der alles bedingenden Wirklichkeit hält nachdrücklich fest, dass der von der Weltwirklichkeit grundlegend unterschiedene Gott nicht bloß als menschlicher Gedanke, Begriff oder gar Wunsch, sondern als Wirklichkeit begriffen werden muss. Die grundlegende Unterscheidung von der irdischen Wirklichkeit wäre dabei aber missverstanden, wollte man Gott als eine zweite Wirklichkeit neben der Weltwirklichkeit verstehen. Gott ist vielmehr der allein und wahrhaft Wirkliche, der alles, was wirklich genannt werden kann, schafft, zusammenhält und lenkt. Alles Wirkliche ist nur aus ihm und durch ihn wirklich, besitzt also lediglich einen abgeleiteten, sekundären Wirklichkeitscharakter.³⁴¹ Gott als „die höhere, die entscheidende Sphäre der Wirklichkeit“³⁴² lässt sich dann aber nicht bestreiten, ohne dass zugleich die endliche Welt als die „niedere[] Sphäre der Wirklichkeit“³⁴³ zur Debatte stünde.³⁴⁴ Diese ontologische und – wie die Ausführungen zur Erkenntnistheorie Kants zeigten – noetische Vorordnung der göttlichen vor der irdischen Wirklichkeit erklärt dann auch, weshalb es nach Schaeder – wie übrigens auch nach Schlatter – eine prinzipielle Pluralisierung des Wirklichkeitsverständnisses im Sinne eines Zerfalls der Weltwirklichkeit in zahlreiche, in unversöhnlichem Widerspruch zueinanderstehende Wirklichkeiten nicht geben kann.³⁴⁵ Die irdische Wirklichkeit bleibt vielmehr – weil Schöpfung und Werk Gottes – in all ihrer Vielgestaltigkeit und Diversität letztendlich einheitlich strukturiert und bildet die eine von Gott abhängige und bedingte Wirklichkeit.³⁴⁶

1.3.2 Wirklichkeit, Realität, Wahrheit Berücksichtigt man nun diese ontologische und noetische Vorordnung der göttlichen vor der irdischen Wirklichkeit sowie die damit verbundene Bedingtheit aller Weltwirklichkeit, so ergibt sich im Blick auf Schaeders Wirklichkeitsverständnis:  Vgl. Härle, Dogmatik, .  Vgl. Knevels, Wirklichkeit, .  Weg, .  Ebd.  Vgl. Dalferth, Wirklichkeit, .  Vgl. Walldorf, Philosophie,  ff.  Insofern müßte sich Schaeder auch gegen die Auffassung aussprechen, „Wirklichkeit“ sei nur ein „Titel für eine Vielzahl subjektiver und intersubjektiver Entwürfe und Konstrukte […], die sich zueinander fremd und inkommensurabel verhalten“ (Herms, Gottes Wirklichkeit, ). Vgl. Walldorf, Philosophie, .

1.3 Der Begriff „Wirklichkeit“

159

Konstituierendes Subjekt der Wirklichkeit ist nicht der Mensch, sondern allein Gott als die alles bedingende Wirklichkeit. Menschliche Erkenntnis kann deshalb nicht als ein Erschaffen, Erzeugen oder Hervorbringen des Seienden, sondern nur als ein Erfassen³⁴⁷ von etwas, das auch vor aller Erkenntnis und unabhängig von ihr vorhanden ist, gewertet werden.³⁴⁸ „Wirklichkeit“ meint somit dasjenige, dessen Existenz sich nicht dem verdankt, dass es wahrgenommen wird.³⁴⁹ Insofern wird man allgemein formulieren dürfen: Wirklich ist das, was transsubjektive Existenz hat, d. h. auch außerhalb und unabhängig vom Bewusstseinsakt existiert.³⁵⁰ Auf dem Hintergrund der Ausführungen über Kant lässt sich Schaeders erkenntnistheoretische Position somit als die eines zwischen Kritizismus und Realismus vermittelnden kritischen Realismus bestimmen. Denn Schaeder grenzt sich einerseits gegenüber einem naiven Realismus ab,³⁵¹ der ein vom Erkenntnissubjekt unbeeinflusstes Abbilden der an sich seienden Realität postuliert.³⁵² Andererseits aber wendet er sich zugleich gegen einen durch die Rezeption Kants bedingten Welt- bzw. Wirklichkeitsverlust der Theologie³⁵³ und fordert die Überwindung des bei Kant „dunklen und unzugänglichen ‚An sich‘“.³⁵⁴ Die von Schaeder betonte Subjektabhängigkeit und -bedingtheit aller menschlichen Erkenntnis wäre demnach missverstanden, wollte man mit ihrer Hilfe – gleichsam von einer erkenntnistheoretischen Feststellung zu einer negativ-ontologischen These fortschreitend – die bewusstseinstranszendente Wirklichkeit in Abrede stellen.³⁵⁵ Zu beachten bleibt vielmehr: Der Mensch weiß, was er über das Sein weiß, nur aus der Erkenntnis, und dieses Wissen ist nicht unabhängig vom erkennenden Subjekt; für die erkenntnistheoretische Untersuchung, die nach dem Status der Gegenstände für uns fragt, ordnet sich daher das Erkenntnisproblem dem Seinsproblem über. Für den Seinscharakter des Seienden aber ist es gleichgültig, wie weit es erkennbar ist oder nicht. Es gibt ein wirklich Seiendes außerhalb des Bewusstseins, außerhalb der logischen Sphäre und der Grenzen der

 Im Blick auf die Erkenntnis Gottes gilt freilich: „Die Wirklichkeit Gottes wird […] nur so von uns erfaßt, daß sie sich uns freitätig, in einem Akte schlechthin souveränen Wollens, zu erfassen oder zu erkennen gibt“. Siehe: Theozentrische Theologie  (), . Vgl. auch oben S.  ff.  Hartmann, Grundzüge, .  Dalferth, Kombinatorische Theologie, .  Cullberg, Glaube, .  Vgl. Kant,  f. Darin weist Schaeder einen „harmlosen Realismus in der Erfassung der Dinge“ als „Ungedanken“ zurück. Vgl. auch: Wege, .  Walldorf, Philosophie,  f sowie: ders., Aspekte, . Vgl. auch Neuer, Einführung, .  Vgl. oben S.  ff.  Streiflichter, .  Auch wenn Kant diese negativ-ontologische These nicht vertreten haben dürfte, so hat er nach Schaeder dafür aber Tür und Tor geöffnet. Vgl. oben S.  ff.

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

Ratio.³⁵⁶ Mit Bezug auf den zweiten Band der Theozentrischen Theologie bringt Heinsius diesen Sachverhalt in ihrer kritisch gegen Schaeder gerichteten Schrift wie folgt zum Ausdruck: „Unter Wirklichkeit Gottes versteht Schaeder immer das Ansichsein Gottes, wie er auch unter der Wirklichkeit der Dinge ihr Sein abgesehen von unserer subjektiven Auffassung versteht.“³⁵⁷ Auch wenn Heinsius damit den bewusstseinstranszendenten Gehalt von Schaeders Wirklichkeitsverständnis richtig gesehen haben dürfte, so bleibt ihre Begriffsbestimmung doch zugleich auch entscheidend hinter derjenigen Schaeders zurück. Denn göttliche Wirklichkeit³⁵⁸ meint nach Schaeders Überzeugung nie allein – wie es die Äußerung von Heinsius nahelegt – das isolierte Ansichsein Gottes, sondern umfasst immer auch die Beziehung Gottes zur Welt. Diese Verbindung von Weltrelation und Ansichsein Gottes ergibt sich dabei bereits aus der Rede von Gott als der alles bedingenden Wirklichkeit. Schaeder will mit ihr – so konnte gezeigt werden – Gott als eine von der Welt kategorial unterschiedene, zugleich aber auch als eine mit der Welt untrennbar verbundene Wirklichkeit zum Ausdruck bringen.³⁵⁹ Insofern gilt: Gott als alles bedingende Wirklichkeit ist immer auch Gott in Beziehung zur Welt. Angemessener als vom Ansichsein Gottes dürfte sich deshalb die göttliche Wirklichkeit von der souveränen Herrenmajestät und vom Schöpfersein Gottes her explizieren lassen,³⁶⁰ umfassen diese Begriffe doch stets beide Aspekte: sowohl die Unabhängigkeit, Unerreichbarkeit und Überlegenheit Gottes als auch dessen wirksame, dynamisch-schöpferische Beziehung zur Welt. Im Blick auf die Erkenntnistheorie ergibt sich somit: Jede Bemühung³⁶¹ um Gotteserkenntnis kann sich nur auf Gott in seiner Beziehung zur Welt richten, während Gottes Ansichsein unerreichbar bleiben muss.³⁶² Für die Bestimmung der Theologie aber bedeutet

 Sandkühler, Realismus,  u. Hartmann, Grundzüge,  f u.  f.  Heinsius, Streit,  (Anm. ).  Zu Schaeders Bestimmung der dinglichen Wirklichkeit und dem Problem der Vermittlung von Weltwirklichkeit und menschlicher Erkenntnis vgl. oben S.  ff. Kants reduziertem Wirklichkeitsverständnis begegnet Schaeder dabei mit der Vorstellung von einem Existentialverhältnis zwischen Weltwirklichkeit und erkennendem Ich. Dieses Existentialverhältnis scheint Heinsius nicht hinreichend beachtet zu haben.  Vgl. oben S.  ff und Härle, Dogmatik, .  An der Stelle, die Heinsius zur Begründung ihrer Auffassung von Schaeders Wirklichkeitsverständnis heranzieht, spricht Schaeder nicht von einem Ansichsein Gottes, sondern vielmehr vom majestätischen Herrn bzw. von Gott als dem Herrn der Welt.Vgl. Heinsius, Streit,  (Anm. ) und Theozentrische Theologie  (), .  Das menschliche Bemühen um Gotteserkenntnis ist entscheidend auf ihre Ermöglichung durch Gott selbst angewiesen. Vgl. hierzu die Ausführungen zur Inversion der Subjekt-ObjektRelation auf S.  ff.  Vgl. auch Härle, Dogmatik, .

1.3 Der Begriff „Wirklichkeit“

161

dies: „Was wir […] theozentrische Theologie nennen, ist die exakte Erfassung lebendiger, wirksamer Beziehungen, in denen der Träger des Glaubens und […] die Gemeinde der Glaubenden steht. […] Mit Beziehungen hat es die Theologie zu tun, nicht und in keiner Weise mit an sich oder für sich seienden, sozusagen ruhenden Größen.“³⁶³ Gott lässt sich von daher nicht als eine beziehungslose statische Größe, sondern nur als eine die Beziehung zum Menschen geradezu wirkende und ihn in Anspruch nehmende „machtvoll-geistige Wirklichkeit“ denken.³⁶⁴ Insofern kann es eine angemessene Beschreibung der göttlichen Wirklichkeit aus der Distanz nicht geben. Diese Tatsache, dass Gott nur in seiner Weltrelation und einer ihr korrespondierenden Glaubensbeziehung erkannt werden kann, darf nun aber nach Schaeder nicht dahingehend missverstanden werden, als ob Gott nur in dieser Weltrelation wirklich wäre.Vielmehr bleibt Gott als majestätischer Herr und Schöpfer bei aller Beziehung zur Welt stets auch eine dem Menschen entzogene Wirklichkeit. Man wird also immer beides festhalten müssen: Göttliche Wirklichkeit betrifft den Menschen allezeit und ist ihm doch zugleich auch fremd. Diese Fremdheit der göttlichen Wirklichkeit bringt Schaeder zum Ausdruck, indem er auf den trotz seiner Offenbarung verborgenen Gott verweist: „Der unbekannte Gott gehört zum Glauben. Kennte der Glaube den lebendigen Gott ohne Abstrich und Grenze, dann wäre der Glaubende intellektuell Gottes Herr. Indem der Glaube Gott im Verfolg seiner offenbarenden Liebe, also in Christus […] kennt, bleibt Gott ihm doch zugleich entzogen und darin Herr. Alle Lehren des Glaubens sind Lehren, die, indem sie Gott angehen, irgendwie das Geheimnis angehen. Man kann sich auch der Einsicht nicht verschließen, […] daß diese Verborgenheit des Offenbarungsgottes zu den ‚Reizmitteln‘, den das menschliche Gemüt fesselnden Elementen in der Wirklichkeit Gottes gehört, welche in der Bewegung des Glaubens eine Rolle spielen. […] Fesselt Gott den Menschen durch die ihm zugewandte rettende Gnade, in welcher er den Menschen bejaht, so fesselt er ihn zugleich durch die mit der Gnadenbeziehung verbundene Ferne, in welcher Gott sich ihm gegenüber selbst behauptet.“³⁶⁵ Diese Selbstbehauptung sieht Schaeder dabei aufs engste mit Gottes Schöpfersein verknüpft: „Es gehört dazu das dauernde schöpferische Machtwirken an der Welt, welches alles endlich-Persönliche in den Abstand der Kreatur von Gott rückt. Geheimnisvoll ist dies unablässige Schöpfertum Gottes, aber von der Wirklichkeit Gottes ganz unabtrennbar. Es sichert Gott die Rolle des unbedingten Machtwillens allem Endlichen, auch dem endlich-

 Theozentrische Theologie  (), .  AaO., .  Theozentrische Theologie  (),  f. Zur Spannung zwischen der zu fürchtenden Majestät Gottes und seiner göttlichen Liebesnähe sowie zu den daraus erwachsenen Anfechtungen und deren Überwindung im Kreuzesgeschehen vgl. unten S.  ff.

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

Persönlichen gegenüber, eines Machtwillens, vor dem es kein Entrinnen und keine Freiheit in der Form eines von Gottes schaffendem Willen sich lösenden Eigenwillens gibt. Darum ist der Gott des Glaubens als der Gott der Gnade immer doch zugleich der Herr, den man in der Form des Abhängigkeitsgefühls fürchtet.“³⁶⁶ Auf dem Hintergrund dieser Ausführungen muss der Einschätzung von Heinsius nachdrücklich widersprochen werden, Schaeder halte „Gottes volle Wirklichkeit“ für im Glauben erfassbar und lehne deshalb eine Wissensbeschränkung auf den – im Glauben sich zu erleben gebenden – Gott-in-Beziehung-zu-uns ab.³⁶⁷ Schaeder lässt vielmehr – so wird man Heinsius entgegnen dürfen – keinen Zweifel daran, dass göttliche Wirklichkeit stets mehr ist als das Subjektive, im Bewusstsein Fassbare. Umfasst aber „Gottes volle Wirklichkeit“ immer auch die vom Menschen nicht mehr fassbare Verborgenheit des Offenbarungsgottes, dann wird jedem menschlichen Trieb zur Herrschaft über die Wirklichkeit³⁶⁸ und einem aus dieser Herrschaft resultierenden Verzicht auf Wirklichkeit wirkungsvoll Einhalt geboten. Denn nach Schaeder gilt: „Was man restlos erfaßt hat, kann man beiseite lassen. Die intellektuelle Herrschaft über eine Wirklichkeit macht diese zu einer Größe, die erledigt ist und deren man sich zu entledigen die innere Freiheit hat.“³⁶⁹ Die ontologische und noetische Prävalenz Gottes aber, welche in der Verborgenheit des Offenbarungsgottes, in der Rede von Gott als der alles bedingenden Wirklichkeit oder in der Inversion der Subjekt-Objekt-Relation ihren Ausdruck findet, verhindert dies. Nach dieser ersten Begriffsumschreibung kann eine größere Klarheit sodann durch die Hinzuziehung der von Schaeder weitgehend synonym zum Ausdruck „Wirklichkeit“ gebrauchten Begriffe „Realität“ und „Wahrheit“ erreicht werden. Wendet man sich zunächst dem Ausdruck „Realität“ zu, so fällt auf, dass Schaeder – anders als etwa Kant mit seiner Zuordnung der Realität zur Kategorie der Qualität und der Wirklichkeit zur Kategorie der Modalität³⁷⁰ – auf eine Unter-

 Theozentrische Theologie  (), .  Heinsius, Streit,  f (Hervorhebung hinzugefügt). Schaeders Glaubensverständnis umschreibt Heinsius wie folgt: „[W]ir haben Gottes volle Wirklichkeit frei von aller subjektivistischen Färbung persönlicher Erfahrung, nur können wir sie nicht von uns aus auf dem Wege rationalen Denkens erfassen, wir besitzen sie vielmehr als Produkt einer übernatürlichen Machtwirkung des heiligen Geistes, die wir vertrauensvoll aufnehmen müssen“ (AaO.,  – Hervorhebung hinzugefügt). Dass Heinsius hierbei die – von Schaeder nachdrücklich betonte – grundsätzliche und unüberwindliche Subjektivität des Glaubens übersehen hat, dürfte zur obigen Fehleinschätzung mit beigetragen haben.  Vgl. Theozentrische Theologie  (),  f.  AaO., .  Kant, KrV B  ff. bzw. Prolegomena,  f (§ ). Während „Wirklichkeit“ bei Kant das Dasein bezeichnet, meint „Realität“ die Sachhaltigkeit, das Wassein der Sache. Als Kategorien

1.3 Der Begriff „Wirklichkeit“

163

scheidung der Begriffe „Realität“ und „Wirklichkeit“ verzichtet. Analog zum Begriff „Wirklichkeit“ kann Schaeder deshalb sowohl von Gott als der „letzte[n], alles bedingende[n] und gestaltende[n] Realität“,³⁷¹ von „objektiven Glaubensrealitäten“,³⁷² der Realität Jesu Christi,³⁷³ der Realität der rechtfertigenden göttlichen Gnade und der Sünde³⁷⁴ als auch von der Realität der Natur bzw. des Naturlaufs³⁷⁵ sprechen. Findet demnach der Ausdruck „Realität“ sowohl in Bezug auf die göttliche als auch in Bezug auf die irdische Wirklichkeit Anwendung, so lässt sich beim Begriff „Wahrheit“ eine deutliche Verschiebung zugunsten der göttlichen Wirklichkeit erkennen. Denn es ist „die Wahrheitsfrage in bezug auf Religion und Glauben“³⁷⁶ und damit die „göttliche“³⁷⁷ oder „theologische Wahrheitsfrage“,³⁷⁸ der Schaeders eigentliches Interesse gilt und die sich – wie im Zusammenhang der Unterscheidung von Theologie und Religionsphilosophie deutlich wird – als „Feststellung der Wirklichkeit Gottes“ bzw. als „Frage, ob das religiöse Bewußtsein oder der Glaube es mit Gott als einer objektiven Wirklichkeit zu tun hat“,³⁷⁹ näher explizieren lässt. Somit aber ergibt sich: „[D]ie Wahrheitsfrage auf religiösem Gebiet ist die Gottesfrage. Mit der Entscheidung über die Wirklichkeit Gottes und den inneren Charakter dieser Wirklichkeit ist über den Wahrheitsbestand des religiösen Lebens prinzipiell das Urteil gesprochen.“³⁸⁰ Dieser von Schaeder betonte enge Zusammenhang von Wahrheits- und Gottesfrage bleibt dann aber nicht ohne Folgen für das Verhältnis von Wahrheit und Weltwirklichkeit. Denn wird Wahrheit im eigentlichen Sinne als göttliche Wahrheit oder Wahrheit Gottes näher bestimmt, dann kann es keine Wahrheit – weder eine Natur-, Geschichts- oder psychologische Wahrheit – geben, „die reinweg mit Umgehung der Gotteswahrheit gewonnen ist oder ohne sie abgeschlossen zu sein sind „Wirklichkeit“ und „Realität“ aber eingeschränkt auf die Erscheinungsgegenstände, denen nur „empirische Realität“ zukommt. Vgl. Vries, Wirklichkeit,  f u. Höffe, Kant, .  Selbstdarstellung, .  Theozentrische Theologie  (), . Auch wenn Schaeder wie Kant von „objektiver Realität“ reden kann, so liegt Schaeders Wortwahl nicht das differenzierte Begriffsverständnis Kants zugrunde. Denn lässt sich „objektive Realität“ im Sinne Kants als „Ausführbarkeit“ näher bestimmen, so ist bei Schaeder „objektive Realität“ durch den deutlichen Gegensatz zu reinen „menschlichen Geistes- und Bewußtseinsvorgängen“ gekennzeichnet. Vgl. Kant, Zum ewigen Frieden, B  u. B ; Barth, U., Kants Begriff,  f u. Theozentrische Theologie  (),  f.  Theozentrische Theologie  (), .  Theozentrische Theologie  (), ; Glaube und Bibel, .  Theozentrische Theologie  (), .  Geistproblem, .  Theozentrische Theologie  (), .  Theozentrische Theologie  (), .  Geistproblem,  u. Theozentrische Theologie  (), .  Theozentrische Theologie  (), .

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

beansprucht“.³⁸¹ Damit aber bestätigt sich die bereits erwähnte Prävalenz der göttlichen vor der irdischen Wirklichkeit auch im Blick auf Schaeders Wahrheitsbegriff.Wahrheit im eigentlichen Sinne ist göttliche Wahrheit, während alles, was sonst wahr zu sein beansprucht, einen abgeleiteten, sekundären Wahrheitscharakter besitzt. Diese Vorordnung der göttlichen vor jeder irdischen Wahrheit erklärt dann auch, weshalb Schaeder eine „zersetzende Willkür“, welche das religiöse bzw. das christliche Leben des Menschen in lauter Individualismen zerfasert,³⁸² ablehnen muss. Denn „[d]aß jeder sein Gotteserlebnis hat und haben muß, wenn er religiös überhaupt lebendig sein will, das wird hier dahin verdreht, daß die eine und gemeinsame Gotteswahrheit, welche jedes wahrheitsgemäße religiöse Leben bedingt und trägt, in ungezählte Formen zersetzt wird. […] Nichts wird so undeutlich, weil so individuell vielgestaltig, wie Gott“.³⁸³ Aufgabe der Theologie muss es deshalb sein, „die notwendige Betonung des subjektiv-persönlichen Erlebens Gottes“ mit der für das religiöse Leben „maßgebenden Bedeutung Einer Gotteswirklichkeit oder –wahrheit“ in Einklang zu bringen.³⁸⁴ Denn nur dann, wenn die überindividuelle Wahrheit Gottes Beachtung findet, lässt sich dem „Heer der individualistisch zurechtgemachten Gottesbilder“ wirkungsvoll Einhalt gebieten.³⁸⁵ Ebenso wie beim Wirklichkeitsbegriff lehnt Schaeder demnach auch im Blick auf den Wahrheitsbegriff eine prinzipielle Pluralisierung ab und hält an der einen umfassenden Wahrheit fest. Versucht man nun auf dem Hintergrund dieser Ausführungen Schaeders Theorie der Wahrheit genauer zu fassen, so erweist sich der aufgezeigte enge Zusammenhang von Wirklichkeit und Wahrheit für die Definition des Wahrheitsbegriffs als hilfreich. Denn die nahezu sinngleiche Verwendung der Ausdrücke Wahrheit und Wirklichkeit kann – so wird man Schaeders Begriffsverwendung interpretieren dürfen – als Hinweis für die klassische Korrespondenz- bzw. Adäquationstheorie der Wahrheit gewertet werden.³⁸⁶ „Wahr“ heißt demnach „mit der Wirklichkeit übereinstimmend“;³⁸⁷ bzw. klassisch formuliert: veritas est adaequatio rei et intellectus. ³⁸⁸ Diese Wahrheits-

 AaO.,  f.  AaO., .  Ebd.  Ebd.  Ebd.  Vgl. Walldorf, Philosophie, .  Härle, Philosophie, .  So z. B. bei Thomas von Aquin unter Berufung auf den jüdischen Arzt und Philosophen Isaak ben Salomon Israeli (Thomas von Aquin, De veritate, q., a. c bzw. ders., Summa theologiae , q., a., ad ). Vgl. Härle, Philosophie,  u. Kreiser/Stekeler-Weithofer, Wahrheit,  f. Es ist dabei nicht von Bedeutung, dass Thomas die Formulierung dem Neuplatoniker Israeli zuschreibt,

1.3 Der Begriff „Wirklichkeit“

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definition der Tradition, welche die Adäquanz von Aussage und Wirklichkeit als (ontisches) Merkmal von Wahrheit verstanden wissen will,³⁸⁹ findet bei Schaeder v. a. in der Explikation des „religiösen Wahrheitsproblem[s]“ als „Feststellung der Wirklichkeit Gottes“³⁹⁰ ihren deutlichen Niederschlag.³⁹¹ Darüber hinaus lässt sie sich auch in der unmittelbaren Kombination der Begriff Wirklichkeit und Wahrheit ausmachen: So kann Schaeder z. B. an zahlreichen Stellen von „der Erkenntnis der Wahrheit oder der Wirklichkeit Gottes“³⁹², von der „Wirklichkeits- oder Wahrheitsmacht“ des Wortes³⁹³ oder vom „Wirklichkeits- und Wahrheitsgehalt“ der Geschichte Jesu Christi³⁹⁴ sprechen. Nichts anderes dürfte auch gemeint sein, wenn Schaeder im Blick auf den „Geist der Wahrheit“ betont: „Unter dieser Wahrheit, welche zu ihm gehört und zu der er gehört, ist die mit der Wirklichkeit des liebenden und machtvoll-heiligen Gottes unlöslich geeinte Erkenntnis Gottes vorgestellt.“³⁹⁵ Ist damit die Konstitutivität des Wirklichkeitsbegriffs für den Wahrheitsbegriff, bzw. der konstitutive Charakter des Wirklichen für das Wahre deutlich zum Ausdruck gebracht, so muss abschließend noch der Frage der Erkennbarkeit der Wahrheit Rechnung getragen werden. Denn lässt sich – so wird man fragen müssen – die plausible, aber erkenntnistheoretisch „naive“ Korrespondenztheorie mit ihrer These,Wahrheit sei Übereinstimmung von Aussage und Wirklichkeit, auch nach der „kopernikanischen Wende“ Kants aufrechterhalten?³⁹⁶ Zur Beantwortung dieser Frage kann dabei auf die Ausführungen zu Schaeders Kant- und Schleiermacher-Rezeption verwiesen werden. Denn nach Schaeder ist es die erkenntniskonstitutive Inversion der Subjekt-Objekt-Relation und das damit zusammenhängende Verständnis des Glaubens als „das direkte Erlebnis Gottes selbst“,³⁹⁷ welche den noetischen Zugang zur göttlichen Wirk-

während sie nach Zimmermann eher auf Avicenna zurückzuführen sein dürfte. Vgl. Thomas von Aquin, Von der Wahrheit, .  und Muck, Strukturen, .  Vgl. Walldorf, Philosophie,  u. Härle, Philosophie,  ff.  Theozentrische Theologie  (),  u. Geistproblem, .  Den Wahrheitsgehalt des Glaubens festzustellen bedeutet nach Schaeder deshalb: „Die Theologie hat zu zeigen, ob resp. inwiefern die Beziehungsverhältnisse des Glaubens auf Wirklichkeiten gerichtet, durch Wirklichkeiten bestimmt sind oder nicht.“ Siehe: Theozentrische Theologie  (), .  Theozentrische Theologie  (), . Vgl. auch aaO.,  f.  sowie Theozentrische Theologie  (), .  u. .  Theozentrische Theologie  (), . .  Theozentrische Theologie  (), .  Geistproblem, .  Härle, Philosophie, . Zur „kopernikanischen Wende“ Kants vgl.: Kant, KrV B XVI.  Theozentrische Theologie  (),  (Hervorhebung hinzugefügt).

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

lichkeit, besser: den Wirklichkeitsbezug der religiösen Erkenntnis,³⁹⁸ gewährleisten: „Gott muß zu uns kommen, wenn er von uns erreicht werden soll. Er muß sich uns offenbaren. Deshalb ist alle echte Theologie Offenbarungstheologie, oder sie ist nicht da. […] Dem eigenkräftigen natürlichen Erkennen in bezug auf Gott, welches es nicht gibt, tritt in deutlicher, reinlicher Antithese das Erleben Gottes durch uns im Verfolg seiner Selbstoffenbarung an uns entgegen. In unserem Gottesverhältnis sind wir im tiefsten Grund passiv. Es entfaltet sich von da aus zu höchster, freier Lebendigkeit, aber im Grunde ist es passiv. Es ist uns auch in keiner Weise mit einer Offenbarung Gottes geholfen, die uns sozusagen nur mit ihm konfrontierte. […] Nein, das erst ist wirkliche Offenbarung Gottes an uns und für uns, daß Gott in der Form persönlichen Erlebens in unsere eigene Wirklichkeit eingreift oder eine Größe unserer eigensten Wirklichkeit wird. […] Denn der Glaube ist immer das aus der persönlichen Verarbeitung des Erlebens Gottes gewordene und gewonnene direkte Verhältnis zu seiner Wirklichkeit. Sonst ist er nicht Glaube.“³⁹⁹ Verbürgt demnach Gottes Selbstoffenbarung und der ihr korrespondierende Glaube den direkten Bezug⁴⁰⁰ der Erkenntnis zur göttlichen Wirklichkeit, so ist es im Blick auf die irdische Wirklichkeit das von Schaeder betonte Existentialverhältnis, welches die „Scheidewand“ zwischen dem erkennenden Ich und der Weltwirklichkeit durchbrechen und die Wahrhaftigkeit der Welt-, Natur- wie Geschichtserkenntnis garantieren soll.⁴⁰¹ Die klassische Konzeption der Wahrheit als adaequatio rei et intellectus ließe sich damit aber – so wird man abschließend festhalten dürfen – auch nach der philosophiegeschichtlich bedeutsamen Zäsur durch Kants „kopernikanische Wende“ aufrechterhalten.

 Die Erkennbarkeit der Wirklichkeit entscheidet – zumindest in der Korrespondenztheorie – über die Erkennbarkeit der Wahrheit.  Weg,  (Hervorhebungen hinzugefügt).  Das erkenntnistheoretische Modell der Korrespondenztheorie wurde im Laufe der Philosophiegeschichte zunehmend als inakzeptabel empfunden, weil mit dieser Theorie nicht gelingt, was mit ihr erreicht werden soll: der direkte Zugang zur Wirklichkeit (Großhans, Realismus, ). Diesem Problem begegnet Schaeder, indem er – die Möglichkeit einer vom Menschen zu leistenden Gotteserkenntnis ausschließend – auf die „Selbstvergegenwärtigung“ der göttlichen Wirklichkeit verweist. Pointiert formuliert bedeutet dies: Nicht der Mensch verschafft sich Zugang zur Wirklichkeit, sondern die Wirklichkeit verschafft sich Zugang zum Menschen. Im Blick auf die irdische Wirklichkeit, der sich Schaeder in seinen Werken nur am Rande zuwendet, ist es dagegen nicht die „Selbstvergegenwärtigung“, sondern das „Existentialverhältnis“ zwischen Weltwirklichkeit und erkennendem Ich, welches den Wirklichkeitsbezug der Erkenntnis gewährleistet und den erkenntnistheoretischen Ansatz beim Bewusstsein nicht zur Illusion werden lässt.  Vgl. oben S.  ff.

1.3 Der Begriff „Wirklichkeit“

167

1.3.3 Wirklichkeit und Wirksamkeit Mit dem soeben beschriebenen Wahrheitsbegriff ist bereits einem weiteren Aspekt von Schaeders Wirklichkeitsverständnis die Richtung gewiesen. Denn kann die Frage nach der Wahrheit nicht von einem neutralen Standpunkt aus gestellt und beantwortet werden, sondern nur sofern die göttliche Wirklichkeit „in der Form persönlichen Erlebens in unsere eigene Wirklichkeit eingreift oder eine Größe unserer eigensten Wirklichkeit wird“,⁴⁰² dann ergibt sich für das Wirklichkeitsverständnis: Gottes Wirklichkeit ist nicht ein ontologisch zu Beschreibendes, in sich Ruhendes,⁴⁰³ sondern ist schaffende Macht, dynamis, welche den Menschen ergreift und im Innersten packt.⁴⁰⁴ Im grundlegenden Unterschied zu einer willkürlichen Setzung menschlichen Wunschdenkens wird man deshalb von einer Selbstbekanntmachung oder Offenbarung der Wirklichkeit, besser jedoch von einer „Selbstoffenbarung“⁴⁰⁵ der göttlichen Wirklichkeit, reden müssen. Pointiert formuliert aber bedeutet dies: Göttliche Wirklichkeit ist recht verstanden zugleich göttliche Wirksamkeit. Denn Gott ist – davon zeigt sich Schaeder überzeugt – stets „handelndes Subjekt, Subjekt durch seinen Geist“.⁴⁰⁶ Lässt sich demnach der dynamische Charakter der göttlichen Wirklichkeit als pneumatische Wirksamkeit, als Wirksamkeit durch Gottes Geist, näher bestimmen, so folgt daraus: „Geist Gottes ist die Bedingung dafür, daß uns der Gott des Evangeliums in lebendiger Wirkung erreicht. Geist Gottes ist die Bedingung dafür, daß dieser Gott uns nicht eine Gedankengröße ist, über die wir wie über etwas Gegenständliches ein Lehrstück ausarbeiten und diskutieren können, sondern eine Größe, die lebendig wirksame Beziehungen zu uns unterhält und uns in irgend einer Form zur Reaktion auf diese ihre Wirkungen nötigt. Geist Gottes ist, so verstanden, die Bedingung dafür, daß wir Gott als Wirklichkeit ansprechen können. Kein bloßes Bibelbuch, kein Dogma, keine Theologie, keine Erkenntnistheorie, auch nicht eine solche des Glaubens, kein bloßes Apriori macht uns Gott zur Wirklichkeit. Das tut allein der Geist.“⁴⁰⁷ Diese grundlegende Bedeutung der Geistfrage für die Wirklichkeitsfrage ist es, die Schaeder immer wieder nachdrücklich betonen und bei der Beurteilung theologischer Konzeptionen als Kriterium heranziehen kann.

 Weg, .  Nach Schaeder gilt: „Mit Beziehungen hat es die Theologie zu tun, nicht und in keiner Weise mit an sich oder für sich seienden, sozusagen ruhenden Größen“. Siehe: Theozentrische Theologie  (), .  Vgl. Knevels, Wirklichkeit,  ff bzw. ders., Schleiermacher,  f.  Geistproblem, .  u. ö. (Hervorhebung hinzugefügt).  Geistfrage, .  AaO.,  (Hervorhebung hinzugefügt)

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

Gegenüber Ritschls „Theologie der reinen Werturteile“⁴⁰⁸ lässt sich nach Schaeder deshalb z. B. einwenden: „Hätte er [Ritschl] den Gott und den Christus, der uns in der Kraft des Geistes zur geistigen Wirklichkeitsmacht, zur Gegenwartsmacht wird, dann hätte er nicht mehr die Alleinherrschaft des Werturteils. Dann hätte er Gott gegenüber entscheidend das Seinsurteil oder Wirklichkeitsurteil des inneren Erlebnisses. […] Nur das Bekenntnis zum ‚Geist‘ macht es möglich, den Ritschlschen Gesichtspunkt von der Alleinherrschaft des Werturteils abzuweisen. Das Bekenntnis zum Geiste Gottes ist prinzipiell das Bekenntnis zu der Macht Gottes, in welcher Gott imstande ist, sich selbst, seinen geschichtlichen Wirkungen, seinem Christus, der zu ihm gehört, vollkommene, innerlich erlebbare, überführende Wirklichkeit für uns zu verleihen. […] Wer […] das Bekenntnis zu diesem Geist vertritt, der glaubt an Gott prinzipiell nicht um des Wertes willen, den er und sein Christus für uns haben; der glaubt, erfaßt von der erlebten Wirklichkeitskraft Gottes und Christi, welcher zu Gott gehört. […] Wer also den ‚Geist‘ oder die Macht des Geistes voll zur Anerkennung bringt, der hat auch die Ausschließlichkeit des egozentrischen Werturteils im Glauben und in der Theologie hinter sich. Dies Bekenntnis zum Geist schafft eine theozentrische Theologie.“⁴⁰⁹ Der damit angesprochene Zusammenhang von Geistfrage und theozentrischer Orientierung der Theologie erklärt dann auch, weshalb die Geistfrage für Schaeders theologische Konzeption als „die theologische Kernfrage“⁴¹⁰ gelten muss. Denn gibt man – so kann Schaeder die konstitutive Bedeutung der Geistfrage erläutern – „dem Geist Gottes im theologischen Gesamtaufriß die ihm zukommende, prinzipiell-führende Stelle“, so „wird damit betont, daß es durchaus eine lebendige Selbstvergegenwärtigung Gottes im Glauben, soverstanden ein Erleben Gottes ist, welches uns den Weg zu ihm frei macht. Die lebendig-freie Bezogenheit Gottes auf uns, diese Wirkung seiner souverän schaltenden Majestät, soll damit zur eigentlichen Angel aller Theologie gemacht werden.Was wir von Gott haben, haben wir soverstanden immer nur durch Gottes Geist.“⁴¹¹ Nach Schaeder dient die Pneumatologie also als Explikationsmodell des Zusammenhangs von Gotteswirklichkeit und Glaubenswirklichkeit: Der Geist Gottes wahrt die theozentrische Konstitution des Glaubens und erlaubt die Inversion im Wirklichkeitsverständnis. Denn „Gott nicht als ruhende Größe, sondern

 Theozentrische Theologie  (),  u.  (Hervorhebung hinzugefügt). Vgl. auch Theozentrische Theologie  (),  ff u. Theozentrische Theologie  (),  ff.  Theozentrische Theologie  (),  f.  Theozentrische Theologie  (), ; Theozentrische Theologie  (), ; Theozentrische Theologie  (),  u. ; Geistproblem, .  Theozentrische Theologie  (), .

1.3 Der Begriff „Wirklichkeit“

169

in lebendiger, auf uns, auf mich gerichteter Wirksamkeit“⁴¹² ist es, der in der Kraft des Heiligen Geistes in unser Innerstes eingreift und sich selbst „innerlich erlebbare, überführende Wirklichkeit“ verleiht,⁴¹³ dabei aber zugleich „die unbedingte, schöpferische Machtfunktion und Machtstellung […] unserer Wirklichkeit, sowohl der Natur wie der Geschichte, gegenüber“⁴¹⁴ behält. Dieses pneumatischdynamische Wirklichkeitsverständnis, wonach das Wirkliche als das – kraft des Heiligen Geistes – Wirksame, Tätige, Mächtige, Schöpferische näher bestimmt und geradezu als „Wirklichkeitsmacht“⁴¹⁵ oder „Wirklichkeitskraft“⁴¹⁶ bezeichnet werden kann, dürfte zu den zentralen Punkten von Schaeders pneumatischem Theozentrismus zu zählen sein. Dies zeigt sich auch darin, dass der dynamische Charakter der Wirklichkeit Gottes direkt und indirekt an zahlreichen Stellen und mit unterschiedlichen Formulierungen Erwähnung findet. So kann Schaeder z. B. von „einer wirksamen direkten Gottesoffenbarung“, in welcher Gott oder Gottes Geist real, tatsächlich dem Menschen entgegentritt und an ihm bzw. mit ihm handelt,⁴¹⁷ „von der wirksamen Gottesgegenwart“⁴¹⁸ oder von „der wirklichen und wirksamen Gottesnähe und Geistesnähe“⁴¹⁹ reden. Gottes Wirklichkeit wird man demnach nicht nur als eine durch den „wirklichkeitsstarke[n], überführende[n] Gottesgeist“⁴²⁰ bedingte und somit pneumatisch-dynamische, sondern auch als eine beziehungswirkende Wirklichkeit explizieren dürfen. Damit aber tritt der Glaube „als persönliche Beziehung zur Wirklichkeit Gottes, als Beziehung, welche die Beziehung Gottes zum Glaubenden als ihr begründendes Komplement bei sich hat“⁴²¹ ins Blickfeld. Abschließend kann somit festgehalten werden: „Man sieht, wie wenig es sich hier, wenn wir von Gottes Majestät reden, um einen bloßen Lehrsatz handelt. Eine Wirklichkeit steht vor uns, die sich in lebendigen Wirkungen dokumentiert. Und der Inbegriff dieser Wirkungen ist der Glaube“.⁴²² Damit besteht bei Schaeder – so wird man urteilen düfen – eine große Nähe zur paulinischen Wirklichkeitsauffassung. Denn im Rahmen der von Paulus vertretenen „Ontologie ist es völlig klar, daß die Schlüsselfrage nicht die Frage nach der Wirklichkeit, sondern die Frage nach dem Geist ist. Denn es ist der Geist,           

Christenstand, . Theozentrische Theologie  (), . Hauptpunkt, . Theozentrische Theologie  (),  f u. ö. (Hervorhebung hinzugefügt). Ebd. (Hervorhebung hinzugefügt). AaO., . Geistfrage, . AaO., . Theozentrische Theologie  (), . Theozentrische Theologie  (), . Der lebendige Gott,  (Hervorhebungen hinzugefügt).

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1 Erkenntnistheoretische Grundlegung und Begriffsklärung

der an der in Christus angebrochenen neuen Wirklichkeit teilgibt. Ohne Gottes Geist bleibt diese Wirklichkeit im Verborgenen.“⁴²³ Der Geist aber gibt an dieser Wirklichkeit teil, indem er zur Erkenntnis dieser Wirklichkeit, d. h. zum Glauben bestimmt.⁴²⁴ Das glaubende Erkennen hat somit auch den Status einer praktischen Erkenntnis, welche den Erkennenden in der zu erkennenden Wirklichkeit lokalisiert bzw. an ihr teilhaben lässt und ihn fundamental verändert.⁴²⁵

 Fischer, Leben,   AaO., .  Rieger, Theologie als Funktion, .

2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes 2.1 Der Glaube als direktes Wirklichkeitsverhältnis Legt man die bisherigen Ausführungen zugrunde und wendet sich der Bestimmung des Glaubensbegriffes zu, so kann dieser unter Verwendung von Schaeders eigener Wortwahl zunächst als „das aus der persönlichen Verarbeitung des Erlebens Gottes gewordene und gewonnene direkte Verhältnis“⁴²⁶ zur Wirklichkeit Gottes näher expliziert werden. Diese Explikation des Glaubens als direktes, weil geistgewirktes Wirklichkeitsverhältnis gilt es im Folgenden vor allem auch deshalb zu entfalten, weil nur ein rechtes – der pneumatisch-dynamischen Wirklichkeit Gottes angemessenes – Verständnis des Glaubens das „Hauptproblem der Dogmatik“ zu lösen und damit die Frage nach dem „Weg unseres Inwendigen zur Wirklichkeit Gottes“⁴²⁷ zu beantworten vermag. Dabei wird man entsprechend Schaeders eigener Vorgabe den Reichtum der im Glaubensbegriff vereinigten Aspekte zu berücksichtigen haben: „Es ist ganz unmöglich, die lebendige Haltung des Glaubens mit einer einzigen Bezeichnung auszudrücken. Man muß nur etwa einen Blick in Schlatters Buch: ‚Der Glaube im Neuen Testament‘, tun, um von der inneren Mannigfaltigkeit dieser auf den Gott der Offenbarung oder des Wortes gerichteten persönlichen Beziehung einen Eindruck zu haben. Als die Theologie Ritschls […] ihren weitreichenden Einfluß ausübte, redete man mit einer Art von Ausschließlichkeit davon, daß der Glaube Vertrauen auf den Gott der Offenbarung sei. […] Heute wird ein starker Ton auf das Urteil gelegt, der Glaube sei Gehorsam gegen den Gott des Wortes, und dieser Gehorsam präge sich in der Anerkenntnis des Evangeliums aus, das uns mit dem einzigartigen Anspruch entgegentrete,Wort Gottes zu sein. Beide Bestimmungen, die, welche das Vertrauensmoment des Glaubens hervorhebt, und die andere, welche den Ton auf das Element des Gehorsams legt, treffen etwas Richtiges, das unbedingt zur persönlichen Haltung des Glaubens gehört. Aber der Glaube ist in sich etwas viel Differenzierteres, als jene Doppelangabe ausdrückt.“⁴²⁸

 Weg, .  AaO.,  f.  Glaubenslehre, . DOI 10.1515/9783110490916-007

172

2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

2.1.1 Der Glaube als ein Erleben Gottes im Geiste 2.1.1.1 Rückgriff auf Schaeders Schleiermacher-Interpretation Unternimmt man nun den Versuch, das Glaubensverständnis in seiner Differenziertheit genauer zu erfassen, so erweisen sich die Ausführungen zu Schaeders Schleiermacher-Interpretation – auch aufgrund der konzedierten Übereinstimmung mit dem „prinzipielle[n] Programm Schleiermachers“⁴²⁹ – als hilfreich.⁴³⁰ Ebenso wie Schleiermacher, der im ersten Band der Theozentrischen Theologie wegen der „Entdeckung des Erlebnisses Gottes im Glauben“⁴³¹ als „Reformator der Theologie“⁴³² gewürdigt werden kann, betont auch Schaeder nachdrücklich den Erlebnischarakter des Glaubens: „Unser Glaube ist unser Erlebnis Gottes, auch Gottes in Christo“.⁴³³ Dieses unmittelbare persönliche Erleben Gottes im Glauben, welches die unerlässliche Voraussetzung und Bedingung für alle theologische Arbeit bildet und somit nicht nur als Grundzug des Glaubens-, sondern auch des Theologieverständnisses zu werten ist, gilt es im Folgenden zu entfalten. Dabei können – berücksichtigt man Schaeders Kritik an Schleiermacher – bereits im Vorfeld Missverständnisse vermieden werden. Der Glaube, der nach Schaeders Überzeugung „auf alle Fälle eine Art von subjektiver Erfahrung ist“,⁴³⁴ wäre demnach – so kann aus der Kritik an Schleiermacher geschlossen werden – anthropozentrisch und damit folgenschwer verkehrt, wollte man diese von Schaeder betonte grundsätzliche und unüberwindliche Subjektivität des Glaubens als ein „Selbsterlebnis“⁴³⁵ des Menschen missverstehen.⁴³⁶ Denn im Glauben erlebt der Mensch nach Schaeder nicht direkt und grundlegend sich selbst und tritt damit selbst in das Zentrum der Erfahrung, während Gott aus ihr hinausgeschoben wird, sondern Glaubenserlebnis oder Glaubenserfahrung ist zentral „direktes Erlebnis Gottes“, „unmittelbar auf Gott bezogene Erfahrung“.⁴³⁷ Im grundlegenden Unterschied zum anthropozentrischen Glaubensverständnis lässt sich der als „ein wirkliches Erleben Gottes“ verstandene und damit theozentrisch orientierte Glaube dann auch dadurch kennzeichnen, dass er „am biblischen Wort von Gott hängt, an dieser geschichtlichen, menschlichen Kunde von Gott, die uns er-

        

Theozentrische Theologie  (),  Vgl. oben S.  ff. Theozentrische Theologie  (), . AaO.,  u. ö. Ebd. Theozentrische Theologie  (), . Theozentrische Theologie  (), . Vgl. oben S.  ff u.  ff. Theozentrische Theologie  (), .

2.1 Der Glaube als direktes Wirklichkeitsverhältnis

173

reicht“.⁴³⁸ Denn Glaube bildet sich – wie Schaeder gegenüber Schleiermacher betont – nur dadurch, dass Gott mittels des Wortes für uns „in unverkennbarer, unentrinnbarer, innerer Bezeugung oder Geistesmacht eine schlechthin gegenwärtige, auf uns in unserer konkreten Gegenwart bezogene, lebendige Größe wird“.⁴³⁹ Insofern lässt sich nach Schaeder der Glaube als „das notorische Erlebnis der Selbstvergegenwärtigung Gottes, resp. auch seines Christus, durch das menschliche Wort von Gott“⁴⁴⁰ näher fassen. Im Blick auf das menschliche Wort von Gott gilt nach Schaeder dabei: „Redet man davon, daß der Glaube am Worte hängt, daß dies Wort Menschenwort, aber als solches zugleich Selbstbekundung des lebendigen Gottes an uns ist, […] dann faßt man damit das Walten des Heiligen Geistes ins Auge. Der Heilige Geist Gottes ist es, der das Menschenwort des Evangeliums zum Worte Gottes an uns macht. Und der Glaube ist so durch das Wort bedingt, daß er mittelst des Wortes die Wirkung des göttlichen Geistes ist“.⁴⁴¹ Als wirkliches Gotteserlebnis, auch als wirkliches Erlebnis Gottes in Christus, wird man deshalb den Glauben nur dann würdigen können, sofern man „den rechtverstandenen Faktor des Geistes Gottes, der beim Wort ist, voll in Rechnung“ stellt.⁴⁴² Von daher erklärt sich dann auch, weshalb nach Schaeders Überzeugung die Pneumatologie als das „größte Anliegen der Theologie“⁴⁴³ zu gelten hat. Denn besitzt der Heilige Geist für den Glauben höchste Relevanz, so ergibt sich auch für die Theologie als Funktion des Glaubens: „Die Geistfrage ist die theologische Kernfrage […], weil sich heute die Theologie klar um die Glaubensfrage dreht“.⁴⁴⁴ Schaeders eigenes – im Rahmen seiner Schleiermacher-Interpretation zum Ausdruck gebrachtes – Glaubensverständnis wird man deshalb pointiert wie folgt zusammenfassen dürfen: Glaube ist wortvermittelte Selbstvergegenwärtigung Gottes durch den Heiligen Geist bzw. – anders formuliert – Glaube ist Gotteserlebnis durch Wort und Geist. Damit stellt sich die Frage, wie dieses Glaubenserlebnis weiter präzisiert und sein Verhältnis zum Wort näher bestimmt werden kann.⁴⁴⁵

 Theozentrische Theologie  (),  f.  AaO., .  Ebd.  Glaubenslehre, .  Theozentrische Theologie  (), .  Ebd.  Ebd.  Zur ausführlichen Bestimmung des Verhältnisses von Heiligem Geist und Wort Gottes vgl. unten S.  ff.

174

2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

2.1.1.2 Psychologisch-analytische Differenzierungen Das an das Wort und den Geist gebundene Erlebnis der Selbstvergegenwärtigung Gottes kann Schaeder in seinem Werk „Das Geistproblem der Theologie“ unter psychologisch-analytischem Blickwinkel näher präzisieren. Schaeder verweist dabei zunächst auf die maßgebende Bedeutung, die dem Evangelium in der „persönlichen Bewegung“ des Glaubens zukommt – nämlich dadurch dass es das Bewusstsein, den Willen und das Gefühl entscheidend gestaltet.⁴⁴⁶ Unter bewusstem Verzicht auf eine eingehende Untersuchung⁴⁴⁷ definiert Schaeder „in der Form einiger kurzen Thesen“ dieses Evangelium dann wie folgt: „Es handelt sich im Evangelium um das Glaubenszeugnis von Gott und dem geschichtlichen, gekreuzigten und auferstandenen Jesus, dem Lebensretter der Welt und des Einzelnen in ihr, der als solcher der Christus Gottes ist.“⁴⁴⁸ Auf diesem Hintergrund kann Schaeder dann in der psychologischen Analyse des Glaubens „das vom menschlichen Bewußtsein umfaßte Wort des Evangeliums“ als das Objektive und Primäre im Glauben würdigen und von den subjektiven Bewegungen oder „funktionellen Äußerungen“ der Seele als dem Sekundären unterscheiden: „Die subjektiv-psychologischen Bestimmtheiten des Glaubens treten, so wichtig sie sind, hinter dem Vorstellungskomplex der Seele, der sich am Evangelium von Gott und Christus nährt, zurück. Denn dies Vorstellungsganze bedingt jene subjektiven Bestimmtheiten und erhält sie lebendig.“⁴⁴⁹ Als Beleg für die Richtigkeit dieses ausgesprochenen Sachverhaltes verweist Schaeder dabei auf das vergebliche Bemühen, durch die Erinnerung an die subjektiven Qualitäten des Glaubens – das Friedensgefühl, das Vertrauen, die Ehrfurcht, den guten Willen – den gehemmten, vergehenden oder vergangenen Glauben wiederherzustellen oder durch den Anblick dieser subjektiv-psychologischen Bestimmtheiten den Willen zum Glauben anzuregen.⁴⁵⁰ Von entscheidender Bedeutung im Bemühen um die Wiederherstellung des Glaubens muss vielmehr – versagen die subjektiven Bewusstseins- und Seelenregungen – „die Wiedereinführung des evangelischen Wortinhaltes in das Bewußtsein der Individuen, das ‚vor die Augen Malen Christi als des (unter uns) Gekreuzigten‘ sein“.⁴⁵¹ Denn Glaube ist, wie Schaeder zu-

 Geistproblem, .  Als Begründung für diesen Verzicht führt Schaeder an: „Nicht jede theologische Monographie kann sich über das Einzelne der theologischen Grundpositionen in eingehender Untersuchung auslassen. Sie muß ihre Spezialfragen anfassen und im übrigen mit Voraussetzungen umgehen, oder, Schleiermacherisch ausgedrückt, Lehnsätze einführen.“ Siehe: Geistproblem, .  Ebd.  AaO., .  Ebd.  Ebd.

2.1 Der Glaube als direktes Wirklichkeitsverhältnis

175

sammenfassend hervorheben kann, „schlechthinniges Bedingtsein der endlichen Persönlichkeit durch das evangelische Glaubenszeugnis bzw. durch den Vorstellungsgehalt, in dem sich dies Zeugnis in der individuellen Seele unwillkürlich umbildet.“⁴⁵² Neben dieses Objektive im oder am Glauben tritt nun nach Schaeder im Rahmen der psychologischen Analyse des Glaubens ein weiterer Gesichtspunkt: „Im Glauben haben wir ein völliges, dem verstandesmäßigen Begreifen durchaus unzugängliches, also paradoxes Ineinander von Passivität und Aktivität des bewußten Seelenlebens vor uns.“⁴⁵³ Diese Verknüpfung von Passivität und Aktivität im Glauben erläutert Schaeder dann wie folgt: „Auf der einen Seite handelt es sich in dem glaubenwirkenden Wort prinzipiell um Gott. Diesem Zentralgehalt des Wortes ordnet sich alles, was es sonst noch umfaßt, schlechtweg unter. Daher nimmt dies Wort, indem es Inhalt des menschlichen Bewußtseins wird, den Menschen restlos, bis in die letzten Tiefen seines persönlichen Lebens in Anspruch, und zwar für den Gott,von dem es redet. Eine schlechthin fordernde Größe wirkt hier in der Form des Wortes auf den Menschen ein. Das aber so, daß sie mit ihrer Forderung sich in der bewußten Seele als unabweisbar kundgibt, oder durchsetzt. Hier haben wir die erfahrungsmäßige Wirkung des Wortes, an welcher der Passivitätscharakter des Glaubens hängt.“⁴⁵⁴ Ist also der Glaube, der seinen Namen verdient, niemals freitätige Willkür, niemals beliebiges Meinen, niemals bloßes Führwahrhalten aus eigenem natürlichen Willensvermögen, sondern immer Ergriffensein, schlechthinniges persönliches Festgelegtsein, in subjektiver Wendung also Gehorsam aus innerer Gebundenheit,⁴⁵⁵ so darf dieses passive Moment trotz seiner nachdrücklichen Gewichtung nicht alleinige Gültigkeit beanspruchen. Nach Schaeders Überzeugung tritt diesem Passivitäts- vielmehr der „Aktivitätscharakter des Glaubens“ zur Seite: „Der Gott, von dem das glaubenwirkende Wort handelt, ist unlöslich mit Jesus Christus, dem Retter geeint und einig. Daher geht von diesem Wort, gerade indem es den Menschen fordert und bindet, eine die Seele schlechthin befreiende Wirkung aus. Der Mensch erfährt in und mit jener Bindung eine völlige, restlose Bejahung seines persönlichen Seins. Er wird sich selbst zu freiem, persönlichem Leben wiedergegeben. Und dies so, daß er durch Gott in Christus – in der Form des Glaubens – von allen Hemmungen seines persönlichen Lebens, die sein Gottesverhältnis betreffen, frei gemacht wird, so daß es nun ungebunden in der Richtung auf Gott pulsiert. Er wird frei vom Zwang der Gottwidrigkeit oder Sünde, frei von der gottwidrigen Welt und    

AaO., . Ebd. AaO.,  f. AaO., .

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

Selbstgebundenheit.“⁴⁵⁶ Im Blick auf die „Doppelseitigkeit“ von Passivität und Aktivität, wie sie in der psychologischen Analyse des Glaubens zutage tritt, wird man also mit Schaeder festhalten dürfen: „Glaube ist die Lebensform für gottgebundenes und durch Gott in Christus zur vollen Eigenlebendigkeit für Gott befreites oder aufgerichtetes, persönliches Sein.“⁴⁵⁷

2.1.1.3 Die „absolute Doppelwirkung“ der Inanspruchnahme und Befreiung Unternimmt man nun den Versuch, die in der psychologischen Analyse herausgearbeitete Differenzierung zu vertiefen, so wird man sowohl die zuerst erwähnte Unterscheidung zwischen objektivem „Bewußtseinsinhalt“ und subjektiven „Seelenregungen“ als auch die zuletzt beschriebene Duplizität von Aktivität und Passivität im Hinblick auf die Genese des Glaubens näher untersuchen müssen. Dabei können Schaeders spärliche – nur in seinen späteren Werken anzutreffende – Äußerungen als Hilfe dienen: Von dem als objektiv bewerteten „Inhalt des Wortes, wie es von der Seele perzipiert ist“, gehen demnach, so Schaeder im zweiten Band seiner Theozentrischen Theologie, „absolute, souveräne Wirkungen auf sie aus, Wirkungen, welche sie in die völlige Passivität versetzen. Es sind die Wirkungen absoluter, fordernder und richterlich-reagierender Inanspruchnahme des Menschen durch den Gott des Wortes und absoluter Befreiung oder Versöhnung durch ihn.“⁴⁵⁸ Schaeder erläutert diese vom Wort des Evangeliums ausgehenden Wirkungen an anderer Stelle dann wie folgt: „Der Vorgang vollzieht sich genauer so, daß wir bei dieser Wirkung die Majestät Gottes und seine uns in Christus zugewandte Gnade in der Form einer subjektiven Vorstellung bzw. Anschauung, die sich an dem uns verkündigten Evangelium gebildet hat, im Bewußtsein tragen. Diese Gottes- und Christusanschauung ist unserer Erfahrung nach der Träger jener Wirkung, welche uns in völlige Abhängigkeit Gott gegenüber und in Verbindung damit in die volle Aktivität der Gott und dem Nächsten zugewandten Freiheit rückt.“⁴⁵⁹ Auch wenn diese Wirkungen nach Schaeder offensichtlich nicht Wirkungen unserer subjektiven Persönlichkeit sein können,⁴⁶⁰ weil sie Wirkungen „von schlechthin anderer Art als die des endlichen Geistes selber“⁴⁶¹ sind, so betont Schaeder doch auch zugleich: „Sie spielen sich in uns ab, sie tragen das Gepräge unserer seelischen Art, sie sind unser wirkliches seelisches

     

Ebd. Ebd. Theozentrische Theologie  (),  (Hervorhebung hinzugefügt). Geistproblem, . Ebd. Theozentrische Theologie  (), .

2.1 Der Glaube als direktes Wirklichkeitsverhältnis

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Eigentum. Sie sind etwas in uns und an uns. Und doch sind sie uns fremd; ein Geistiges macht sich hier geltend, das nicht zu unserem natürlichen Wesenbestande gehört, das durchgreifend anders ist als wir.“⁴⁶² Dies erklärt dann auch, weshalb Schaeder einen als Selbsterlebnis verstandenen Glauben mit Vehemenz ablehnen muss. Denn findet sich der Mensch immer als gesetzt vor und geht ihm jede schöpferische Qualität in Bezug auf seinen eigenen Lebensstand ab, dann kann die vom Evangelium ausgehende absolut bindende und befreiende Wirkung nicht als Selbstfestlegung oder Selbstbefreiung gedeutet werden: „Jede subjektive Erklärung dieser subjektiven Bewußtseinsphänomene versagt.“⁴⁶³ Die „absolute Doppelwirkung“ der Inanspruchnahme und Befreiung kann aber nach Schaeder auch unmöglich im bloßen Wort ihre zureichende Erklärung finden.⁴⁶⁴ Eine „andere Macht“ als dieses Menschenwort bzw. dieses Glaubenszeugnis endlicher Menschen muss hinter den Bewusstseinsvorgängen stehen.⁴⁶⁵ Denn erfährt der Mensch den Inhalt seiner am Wort gebildeten Gottes- und Christusanschauung gerade in den charakteristischen Wirkungen absoluter Bindung an Gott und Befreiung für Gott an sich selbst, dann hört damit das Wort auf nur Menschenwort zu sein.⁴⁶⁶ Zugleich hört aber auch die Gottes- und Christusanschauung auf, nur einen Bestandteil des subjektiven Bewusstseins zu bilden. Vielmehr wird dem Menschen jenes Wort bzw. diese Anschauung bei all ihrer Menschlichkeit zum Träger oder Mittler des Gottes und Christus, von dem es redet bzw. den sie enthält. Pointiert formuliert aber bedeutet dies: Indem der Mensch die Wirkungen des Wortes erlebt, erlebt er den Gott, der den Inhalt des Wortes bildet. Erlebt der Mensch aber Gott durch das Wort oder durch seine persönliche Auffassung vom Inhalt des Wortes, dann erlebt er ihn geistig, d. h. er erlebt in charakteristischen Wirkungen Gottes Geist. Nicht nur der Inhalt, sondern auch der Vollzug des Glaubens wird also nach Schaeder auf Gott zurückgeführt. Inhalts- und Vollzugsdimension des Glaubens sind pneumatisch miteinander verschränkt. Und auch Objektives und Subjektives sind aufs engste miteinander verbunden: „Alles ist hier menschlich, rechtverstanden subjektiv. Ein persönliches Christus- und Gottesbild. Dazu persönliche Bewußtseinsvorgänge, die sich psychologisch fassen lassen. Aber alles ist hier zugleich objektiv. Objektiv ist das Menschenwort des Evangeliums, das jenes Bild in uns hervorruft. Und objektiv ist vor allem der Gottesgeist, der jenem Bilde schöpferisch-frei die Fähigkeit schlechthin seelenbindender und seelenbefreiender Macht gibt. Psychisches und Pneumatisches liegen hier ganz inein-

    

Geistproblem, . AaO.,  f. AaO., . Ebd. Auch zum Folgenden: AaO.,  f.

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ander. Und doch läßt sich das Pneumatische von dem Psychischen begrifflich sondern oder unterscheiden. Wo das Wort des Evangeliums jene oft genug beschriebenen Wirkungen innerhalb der Seele vollzieht, da wird der Geist Gottes für uns faßbar; da erfassen wir das Göttliche in seiner letzten, bewegenden Tiefe; da wird für uns das Menschenwort des Evangeliums Gotteswort, das Bild der Seele von Gott und Christus, das sicher wie alles Seelische anthropomorph ist, Gottesbild; da haben sich endliche Menschenseele und ewiger Gottesgeist getroffen. Man erkennt den Geist Gottes so, daß man ihn hat. Erkenntnis des Geistes Gottes oder Gottes ist Gottes eigene geistige Gabe. […] Subjektivität und Objektivität liegen hier ineinander.“⁴⁶⁷ Diese Erklärung jener bindenden und befreienden Erfahrungsvorgänge als Wirkungen des Heiligen Geistes darf dabei nach Schaeder nicht im Sinne eines rationalen Schlusses von unten nach oben oder im Sinne eines Postulates missverstanden werden. Denn erfährt die Seele, dass ihr am Bibelwort entstandenes Gottesbild sie in den absoluten Wirkungen der Bindung und Befreiung erfasst, dann schließt sie nicht, dass sie es in diesem Vorgang mit dem Geist Gottes zu tun hat, sondern dann fühlt sich die Seele – wie Schaeder gegen jedes Schließen und Postulieren betonen kann – in und mit jenem Vorgang von Gott selber in der Form bewusster Gewissheit berührt und wird sich der geistigen Nähe Gottes als des lebendig-wirkenden, des unentrinnbar festhaltenden und souverän befreienden bewusst. Die Seele „hat“ dann – so Schaeder – Gott oder Gottes Geist, weil er sie hat.⁴⁶⁸ Indem die Seele also in „völliger Passivität“ die unmittelbare (aber dennoch wortvermittelte!) ⁴⁶⁹ pneumatische Inanspruchnahme und Befreiung erleidet oder erfährt, wird sie zugleich in eine – von Schaeder dem Wesen nach als Glauben bezeichnete – spontane, aktive Reaktion versetzt. ⁴⁷⁰ Im Blick auf die unmittelbaren pneumatischen Wirkungen der Inanspruchnahme und Befreiung kann Schaeder somit formulieren: „Dies im Glauben liegende, in und mit dem Glauben gegebene, dies, was den Glauben nicht ersetzt, sondern sein eigenes, inneres Gewißheitsleben ausmacht, dies nie vom Wort zu lösende, dies immer in der Form des Glaubens mit dem Wort verknüpfte, dies nenne ich die Erfahrung des Glaubens.“⁴⁷¹ Die Verwendung des Begriffs „Erfahrung“ birgt dabei

 AaO., .  AaO., .  Vgl. Theozentrische Theologie  (), . Dieser Sachverhalt der vermittelten Unmittelbarkeit findet sich auch bei Schaeders Lehrer Martin Kähler. Vgl. Mencke, Erfahrung,  ff.  Theozentrische Theologie  (), .  AaO.,  (Hervorhebung hinzugefügt).

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jedoch die Möglichkeit zu Fehldeutungen in sich,⁴⁷² die Schaeder dadurch, dass er den „verdächtigen Titel ‚Erfahrung‘“ auf den inneren – zum Glauben an Gott veranlassenden – Vorgang der wortvermittelten Selbstvergegenwärtigung Gottes beschränkt, zu umgehen sucht.⁴⁷³ Erfahrung als solche darf demnach im Sinne Schaeders nicht „mit sinnenfälliger Erfahrung […] noch […] mit der sog. Erfahrung, die wir als bereits Glaubende von der seelenbewegenden, willenantreibenden und willenerneuernden Kraft des Gottes machen“, verwechselt werden.⁴⁷⁴ Nur so verstanden, nämlich im Sinne der wortvermittelten Selbstvergegenwärtigung Gottes, lässt sich die in und mit dem Glauben gegebene absolute Inanspruchnahme und Befreiung dann als „Erfahrung des Glaubens“ oder „Glaubenserfahrung“⁴⁷⁵ näher bestimmen. Häufiger als von der „Erfahrung des Glaubens“ spricht Schaeder jedoch von einem direkten oder unmittelbaren „Erleben Gottes“ im Glauben. Dass damit derselbe Sachverhalt zum Ausdruck gebracht werden soll, lässt sich nicht nur indirekt über die sinngleiche Verwendung der beiden Ausdrücke erschließen, sondern kann auch Schaeders Äußerungen direkt entnommen werden. So vermag Schaeder z. B. im zweiten Band seiner Theozentrischen Theologie zu formulieren: „Wechselbegriff von Erfahrung ist […] der des Erlebens in der Form des Glaubens.“⁴⁷⁶ Die Rede vom Glaubenserlebnis oder vom direkten Erlebnis Gottes meint dann aber nach Schaeder nichts anderes als jene – vom Wort ausgehende – unmittelbare pneumatische Inanspruchnahme und Befreiung des Menschen durch Gott selbst. Indem die Seele nun in diesen Wirkungen Gott selbst erlebt, wird sie in eine – ihrem Wesen nach als Glauben zu bezeichnende – spontane, aktive Reaktion versetzt.⁴⁷⁷ Glaube lässt sich deshalb nach Schaeder auch als „das aus der persönlichen Verarbeitung des Erlebens Gottes gewordene und gewonnene direkte Verhältnis zu seiner Wirklichkeit“ näher explizieren.⁴⁷⁸

 So etwa die Fehldeutung im Sinne eines Rückschlusses vom christlichen Erfahrungsstand hin zur Wirklichkeit Gottes. Nach Schaeder würde damit das trauende Glauben als Weg zur Wirklichkeit Gottes überflüssig gemacht. Vgl. Theozentrische Theologie  (),  ff.  AaO., .  Ebd.  Hauptpunkt, . Auch hier betont Schaeder: „Man darf diese Erfahrung um des Gottesfaktors willen, der in ihr das absolut Gestaltende ist, nicht behandeln wie eine andere Erfahrung, wie die sonstiger, diesseitiger oder endlicher Größen. […] Die Erfahrung des Glaubens muß Glaube und ihr Gott Gott bleiben.“  Theozentrische Theologie  (), .  AaO., .  Weg, .

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2.1.1.4 Präzisierungen Nach dieser Klärung sind es zwei Präzisierungen, die abschließend noch Beachtung finden sollen: So verweist Schaeder zum einen darauf, dass die bindenden und befreienden Erfahrungsvorgänge grundlegend missverstanden wären, wollte man sie nur auf die Entstehung, nicht aber zugleich auch auf den Bestand des Glaubens selbst beziehen. Die Duplizität von Inanspruchnahme und Befreiung bildet nach Schaeder unter psychologisch-analytischem Blickwinkel vielmehr das entscheidende Charakteristikum des Glaubens. Zum anderen bedarf nach Schaeder die Verschränkung von Objektivem und Subjektiven⁴⁷⁹ noch einer näheren Erläuterung. Wie oben erwähnt sind mit dem objektiven Wort des Evangeliums, von dem die unmittelbare pneumatische Inanspruchnahme und Befreiung ihren Ausgang nimmt, zugleich auch innere, persönliche Erfahrungen verknüpft: „Wirklicher Gottesglaube existiert nicht ohne die Begleiterscheinung des Gefühls eigener Abhängigkeit, ohne die der persönlichen Furcht, der Demut, der Seligkeit oder Erhebung, der Selbsthingabe an Gott und seine Zwecke oder des guten Willens“.⁴⁸⁰ Nach Schaeder sind aber alle diese Erfahrungen, die der Glaubende an sich macht, „doch eben erst Konsequenzen, Wirkungen eines Grunderlebnisses, in welchem es sich nicht um die eigene Persönlichkeit, sondern um den lebendigen Gott, resp. um seinen Christus handelt. […] Das durchaus grundlegende und beherrschende im Glaube ist eben das Erlebnis Gottes selber; die Erfahrungen, in denen es sich um uns handelt, sind von durchaus sekundärer Art.“⁴⁸¹ Damit aber ergibt sich: Als das den Glauben bedingende und in der Form des Glaubens erfahrbare Grunderlebnis würdigt Schaeder die vom Wort ausgehende unmittelbare pneumatische Inanspruchnahme und Befreiung des Menschen durch Gott selbst, während er den damit verbundenen subjektiv-psychologischen Bestimmtheiten des Glaubens – verstanden als Konsequenzen bzw. Wirkungen dieses Grunderlebnisses – nur die Bedeutung von Sekundär-Erfahrungen zubilligt. Anders formuliert aber besagt dies: Deutungs- und Interpretationsrahmen der zuletzt genannten Sekundärerfahrungen bildet das eindeutige – weil wortgebundene und geistvermittelte – Kernerlebnis⁴⁸² der unbedingten Inanspruchnahme und Befreiung.⁴⁸³

 Vgl. oben S.  f.  Theozentrische Theologie  (),  f.  AaO.,  (Hervorhebung hinzugefügt).  Anstatt vom „Grunderlebnis“ kann Schaeder auch vom „Kernerlebnis“ oder von der „Kernerfahrung Gottes“ reden. Vgl. z. B.: AaO., .  In diesem Sinne ist auch die Äußerung Schaeders zu verstehen, „dass religiöse Seelenregungen oder Seelenzustände, wie Seligkeit, neues Leben, Furcht, Bewunderung, Wiedergeburt, nur dann als wahrhaft religiöse aufzufassen sind, wenn der, welcher sie durchlebt, dabei das Bild

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Das im Zusammenhang der Ausführungen zu Schaeders Schleiermacher-Interpretation skizzierte Verständnis des Glaubens als eines an das Wort und den Geist gebundenen Erlebnisses der Selbstvergegenwärtigung Gottes ist damit – so wird man zusammenfassend festhalten dürfen – als Grunderlebnis der wortvermittelten und geistgewirkten Inanspruchnahme und Befreiung des Menschen auch unter psychologisch-analytischem Blickwinkel entfaltet.

2.1.2 Der Glaube als ein „Haben“ Gottes im Geiste 2.1.2.1 Rückgriff auf Schaeders Schleiermacher-Interpretation Stärker als die Rede vom „Grunderlebnis“ des Glaubens, welche besonders den Widerfahrnis- bzw. Geschenkcharakter unterstreicht, hebt Schaeders Explikation des Glaubens als „Besitz“ oder „Haben Gottes“ nun v. a. die seinsbestimmende, ontologische Dimension des Glaubens hervor. Dabei wird man vorab schon konstatieren dürfen, dass sowohl der bereits beschriebene konkrete Erlebnischarakter der freien Selbstvergegenwärtigung Gottes als auch die noch näher zu explizierende Kategorie der Partizipation am Göttlichen v. a. von Karl Barth vehemente Ablehnung erfahren haben. Diese kritische Einschätzung, welche um einer angemessenen Beurteilung von Schaeders Glaubensverständnis willen nicht übergangen werden darf, soll jedoch zunächst bewusst zurückgestellt und erst nach der positiven Entfaltung von Schaeders Glaubens- und Wirklichkeitsverständnis zum Zwecke der Profilierung herangezogen werden.⁴⁸⁴ Versucht man nach dieser Vorentscheidung die ontologische Dimension des Glaubens genauer zu fassen, so können sich – ebenso wie bei der Beschreibung des Erlebnischarakters des Glaubens – zunächst die Ausführungen zu Schaeders Schleiermacher-Interpretation als hilfreich erweisen, war in ihnen doch sowohl Schaeders Ablehnung eines substanzontologischen Denkens als auch sein nachdrückliches Eintreten für den relationalen Charakter des Glaubens deutlich zutage getreten.⁴⁸⁵ Glaube im Sinne Schaeders wird man deshalb nicht als Naturund Wesenbestandteil des Menschen, sondern als freie Selbstvergegenwärtigung Gottes durch den Geist, nicht als einen unumstößlichen Niederschlag im Inneren

des lebendigen Gottes ‚schon‘ hat und es nicht erst von dort aus rückschließend gewinnt“ (Rez. Heinsius, ). Als grundlegend verkehrt ist dagegen die Einschätzung von Heinsius zu bewerten, dass bei Schaeder „der Besitz der Gotteserkenntnis dem religiösen Erleben vorangehen müsse, und zwar so, daß er auf dem Wege eines Autoritätsglaubens aus der Heiligen Schrift entnommen wird“ (ebd.). Vgl. Heinsius, Streit, .  ff.  Vgl. unten S.  ff;  ff u.  ff.  Vgl. auch zum Folgenden oben S. .

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oder eine handgreiflich evidente Selbsterfahrung, sondern als „das aus der persönlichen Verarbeitung des Erlebens Gottes gewordene und gewonnene direkte Verhältnis zu seiner Wirklichkeit“⁴⁸⁶ bestimmen dürfen. Vom Glauben als einem „Haben“ oder „Besitz“⁴⁸⁷ Gottes kann von daher nicht im Sinne einer ontologischen oder anthropologischen Konstante die Rede sein,von der aus Gott einholbar wäre. Denn Gott hat man nach Schaeder – beachtet man die Inversion der SubjektObjekt-Relation – nur so, dass er sich uns durch Wort und Geist zu erfassen gibt. Im Unterschied zum Glauben als einem wesensmäßigen Besitz bleibt der relationsontologisch bestimmte Glaube damit stets auch der angefochtene, denn er kann vergehen und mit ihm sein Besitz. Dieser relationale Charakter des Glaubens hat – fasst man die Theologie als Funktion des Glaubens – für die theozentrische Orientierung der Theologie grundlegende Relevanz. Denn der methodische Ansatz beim Glauben und die theozentrische Orientierung einer theologischen Konzeption lassen sich nur dann miteinander verbinden, wenn – so Schaeder kritisch gegen Schleiermachers Tendenz zur Anthropologisierung der Pneumatologie – im Glauben als der Beziehung der Nähe zugleich die Souveränität und Externität des Heiligen Geistes bzw. die präzise Unterscheidung von Gott und Mensch, Schöpfer und Geschöpf gewahrt bleibt.

2.1.2.2 Gottes freie Selbstvergegenwärtigung Grenzt Schaeder also – wie aus dem Rückgriff auf seine Schleiermacher-Interpretation ersichtlich wurde – sein Glaubensverständnis gegenüber einem substanzontologischen Denken bzw. einer intimen, die Differenz zwischen Gott und Mensch auflösenden Unschärferelation ab, so wird man andererseits nicht übersehen dürfen, dass gerade die Verwendung der Begriffe „Besitz“, „Haben“ oder „Mystik“ für das Verhältnis zwischen Gott und Mensch dem relationalen Charakter des Glaubens zu widersprechen scheint. Zur Lösung dieser Schwierigkeit wird man sich deshalb – wie später gezeigt werden soll – um eine Explikation sowohl der genannten Begriffe als auch weiterer, mit ihnen in engem Zusammenhang stehender Ausdrücke wie „Nähe Gottes“, „Gegenwart Gottes“ oder „Gottesgemeinschaft“ bemühen müssen.⁴⁸⁸ Unabhängig von der begrifflichen Differenzierung steht aber bereits fest, dass jegliche Nähe Gottes beim Menschen, sei sie nun als Gegenwart, Gemeinschaft, mystische Einheit oder Besitz verstanden, allein in der freien Selbstvergegen-

 Weg, .  Z. B. Theozentrische Theologie  (), .  u. ö.  Siehe insbesondere unten S.  ff sowie  ff.

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wärtigung Gottes ihren Grund haben kann. Denn nach Schaeder gilt: „[D]er Glaube lebt von einem wirksamen, wortvermittelten Gegenwärtigwerden oder von einem Gegenwartswirken Gottes und Christi, bzw. Gottes in Christo oder Christi selbst. Er lebt davon: er ist immer, indem er da ist, seine Wirkung“.⁴⁸⁹ Fußt der Glaube also, solange er existiert, auf einem wortvermittelten „Seinserlebnis Gottes und Christi, auf einem Wirklichkeitserlebnis […], auf einer unfaßlichen aber tatsächlichen Selbstvergegenwärtigung Gottes“,⁴⁹⁰ so impliziert dies nach Schaeders Überzeugung zugleich ein Festhalten am Geistcharakter Gottes. Denn „hat man eine Lehre vom ‚Geist‘, dann wird selbstredend das Erlebnis Gottes, das im Glauben gemacht wird, eine freie Tat des lebendigen Gottes, eine freie Selbstvergegenwärtigung Gottes durch den Geist in dem, welcher glaubt.“⁴⁹¹ Die für den Glauben grundlegende Selbstvergegenwärtigung Gottes wird man deshalb als freie, aber dennoch wortvermittelte Selbstvergegenwärtigung Gottes durch den Geist, ihre Wirkung auf den Menschen aber als „Erlebnis“⁴⁹² bzw. „Erfahrung“⁴⁹³ Gottes explizieren dürfen. Unter Berücksichtigung der Ausführungen über den Erlebnischarakter des Glaubens ergibt sich somit: Kraft seiner wortvermittelten Selbstvergegenwärtigung durch den Geist wird Gott uns innerlich so gegenwärtig, ⁴⁹⁴ dass er uns schlechthin in Anspruch nimmt und befreit. Die grundlegende Bedeutung, welche Schaeder diesem – als Selbstvergegenwärtigung verstandenen – relevatorischen Handeln Gottes für die theozentrische Orientierung seiner Theologie zumisst, zeigt sich dabei nicht nur am inhaltlichen Gewicht der jeweiligen Aussagen, sondern auch an der zahlreichen Erwähnung, die dieser Sachverhalt in seinen Werken findet. So kann Schaeder nicht nur von der Selbstvergegenwärtigung Gottes und Christi, sondern z. B. auch von der „Selbstoffenbarung oder Selbsterschließung“,⁴⁹⁵ der „Selbsthingabe“,⁴⁹⁶ der „Selbstbekundung Gottes“,⁴⁹⁷ der „Selbstmitteilung Gottes“⁴⁹⁸ oder der „Selbstversetzung des heiligen, liebenden Gottes in die Glaubensgemeinschaft mit dem Sünder“⁴⁹⁹ reden.

 Theozentrische Theologie  (), .  Theozentrische Theologie  (), . Diese Äußerung trifft Schaeder im Rahmen seiner Kritik an der in Werturteilen sich vollziehenden religiösen Erkenntnismethode Ritschls.  Theozentrische Theologie  (),  f.  Schaeder kann deshalb z. B. den Glauben als „das notorische Erlebnis der Selbstvergegenwärtigung Gottes“ bezeichnen. Siehe: Theozentrische Theologie  (), .  Theozentrische Theologie  (),  ff.  Vgl. Theozentrische Theologie  (), .  Religion und Vernunft,   Glaubenslehre, .  Theozentrische Theologie  (), .  Pfarrer, ; Geistfrage, ; Glaubenslehre, .  Pfarrer, .

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Überall verschafft sich dabei der Gedanke einer personalen Selbstmitteilung Gottes und damit im Blick auf den Offenbarungsinhalt eine – von einem „instruktionstheoretischen“ Modell deutlich unterschiedene – „personalistische“ bzw. „kommunikationstheoretische“ Konzeption Ausdruck.⁵⁰⁰ Denn Offenbarung wäre im Sinne Schaeders missverstanden, wollte man sie „instruktionstheoretisch“ als Mitteilung gewisser Aussagen bzw. Sachverhalte begreifen, die zu glauben sind und berechtigter Weise geglaubt werden können, weil Gott weder irrt noch betrügt.⁵⁰¹ Vielmehr teilt Gott sich nach Schaeders Überzeugung selbst mit, wobei jene Aussagen, die im „instruktionstheoretischen“ Modell als geoffenbarte Inhalte gelten, nun als pneumatisch-produktive Explikation des Erlebnisses der Selbstvergegenwärtigung Gottes verstanden werden können. Insofern wird man beide Begriffe, sowohl den der Offenbarung als auch den des Erlebnisses, nicht als Alternativen, sondern als komplementäre Aspekte eines einheitlichen Zusammenhangs begreifen dürfen. Lässt sich Gottes relevatorisches Handeln aber innerlich als Inanspruchnahme und Befreiung erleben, so birgt diese Verinnerlichung die Gefahr einer „Spiritualisierung“ der Theologie in sich,⁵⁰² die Schaeder dadurch, dass er auf die Welterfahrung als sekundäre „Stütze“ des Glaubens verweist,⁵⁰³ zu umgehen sucht: „Hinge der Glaube lediglich an der innerlich unsichtbaren Selbstvergegenwärtigung Gottes, und die ganze uns umgebende Natur oder Geschichte, welche unsere sinnenfällig erfahrbare Wirklichkeit bildet, schwiege von Gott oder verdeckte ihn, dann würde der Glaube an ihn sich nicht halten können“.⁵⁰⁴

2.1.2.3 Gottes liebende Selbstmitteilung Die „Selbstvergegenwärtigung der Majestät Gottes durchs Wort im Geiste Gottes“⁵⁰⁵ kann Schaeder an zahlreichen Stellen auch mit dem Ausdruck „Liebe

 Vgl. Schmidt-Leukel, Demonstratio,  f.  Vgl. ebd.  Theozentrische Theologie  (), . Schaeder betont dort: „Sie [die Theologie] kann rein spiritualistisch werden, d. h. sie kann verkennen, daß der Glaube, der grundsätzlich an der inneren Vergegenwärtigung Gottes – auch Christi – hängt, zugleich sein Fundament in Welterfahrung sucht und hat.“  Vgl. oben S.  ff.  Theozentrische Theologie  (), . Schaeder kann sowohl das Wort als auch die „Tatsachen der Natur und Geschichte“ an anderer Stelle auch als „Offenbarungsmedien Gottes“ bezeichnen. Aber diese kommen – so fügt Schaeder sogleich einschränkend hinzu – „für den Glauben mit seiner Gotteserkenntnis eben nicht als äußerliche Daten oder Instanzen in Betracht. Vielmehr vom Geiste Gottes durchwirkt, in seine Sphäre aufgenommen, spielen sie im Glauben ihre Rolle.“ Siehe: AaO., .  AaO., .

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Gottes“ bezeichnen und dadurch die Bedeutung von Gottes relevatorischem Handeln nochmals unter neuem, stärker materialdogmatischem Blickwinkel entfalten: „Sie [die Offenbarung] ist Äußerung der majestätischen, souveränen Liebe Gottes, und diese Liebe ist Selbsthingabe, Selbstmitteilung an die geschichtliche Menschheit im Interesse der Herrschaft Gottes über die sündig bestimmten Menschen und ihre Welt.“⁵⁰⁶ Gegen die „Abschwächung“ der Liebe Gottes, oder anders formuliert: gegen ihre „ethische Rationalisierung“, wie sie durch die Theologie Ritschls nach Meinung Schaeders veranlasst wurde und u. a. in Harnacks Schrift über das Wesen des Christentums einen weithinwirkenden Niederschlag fand, betont er deshalb: „Die Liebe Gottes, an welcher der Glaube als an seinem entscheidenden, gestaltenden Elemente hängt, ist uns nicht nur die zum Wesen Gottes gehörige Bestimmtheit, daß Gott unserer Schuld gegenüber verzeihend urteilt und über unserem Leben in der Fülle seiner Verzweigungen vorsehend waltet. Die Liebe Gottes ist uns, um etwa mit Hamann zu reden, die persönliche, tätige Herablassung Gottes zur geschichtlichen Welt, in welcher Sünde, Irrtum und Tod herrschen, zu unserer Welt, die im Verfolg davon vom Reiche Gottes ausgeschlossen ist. Oder deutlicher noch: die Liebe Gottes ist uns die wirkliche, tätige, neuschöpferische Selbstmitteilung Gottes an diese Welt, an diesen Menschheitsorganismus.“⁵⁰⁷ Ist aber Gottes Liebe seine Selbstmitteilung an die sündige Menschheit, der „Zweck“ dieser Selbstmitteilung „die Herstellung der persönlichen Gemeinschaft mit Gott im Vollzuge des Glaubens“, die Voraussetzung dieser Gemeinschaft aber die Versöhnung mit Gott und die Rechtfertigung durch Gott, dann tritt damit die Person und das Wirken⁵⁰⁸ des „einstig-geschichtliche[n]“ und „gegenwärtig-wirksame[n]“ Jesus Christus ins Blickfeld.⁵⁰⁹ Die gegenwärtige Wirksamkeit Jesu Christi aber – so fährt Schaeder fort – „vollzieht sich durch den Geist Gottes, den Heiligen Geist. Doch indem er wirkt, einst und jetzt,wirkt durch ihn Gott, eben der Gott der Liebe.“⁵¹⁰ Die als Selbstmitteilung verstandene Liebe Gottes wird man demnach trinitarisch verstehen müssen: „Der machtvoll-heilige Gott wirkt als liebender in oder durch Jesus Christus, und Jesus Christus in seiner Gottverbundenheit wirkt durch den Heiligen Geist.“⁵¹¹ Oder

 Glaubenslehre, .  Geistfrage,  (Hervorhebung hinzugefügt). Vgl. auch Theozentrische Theologie  (),  f. Ein umfassenderes Urteil über Ritschls Theologie bietet Schaeder in: Theozentrische Theologie  (),  ff.  Die Rede vom „Wirken“ Jesu Christi hält Schaeder für geeigneter als die vom „Werk“ Jesu Christi.  Glaubenslehre,  f.  AaO., .  Ebd.

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anders formuliert: Die „Liebe Gottes gegen die von ihm geschaffene und ihm in Sünde widerstrebende Welt“ ist nichts anderes als „Selbstmitteilung des ewigen Gottes an sie in der Menschwerdung seines Sohnes und in allem, was diese an geschichtlichen Wirkungen zur Folge hat“.⁵¹² Dazu aber zählt das Sterben und die Auferstehung Jesu Christi sowie als „folgerichtige Konsequenz“ der Auferstehung⁵¹³ die Sendung des Geistes Christi in die Welt, der durch das Wort von Christus an Menschen wirkt und in ihnen den vertrauenden Glauben schafft.⁵¹⁴ Handelt es sich also bei der Liebe Gottes um „die von den Folgen der Gottesfeindschaft befreiende Herstellung der Gemeinschaft mit Gott“,⁵¹⁵ so wird man diese als Selbstmitteilung Gottes verstandene Liebe als ein relationsstiftendes Geschehen explizieren dürfen. Göttlicher und endlicher Geist schließen sich dabei so zusammen, dass die präzise Unterscheidung von Gott und Mensch gewahrt bleibt.⁵¹⁶ Zusammenfassend kann Schaeder deshalb von einer Liebesoffenbarung Gottes sprechen und mit Bezug auf Hamann betonen: „Wir haben es in der Liebesoffenbarung Gottes […] mit einer freien Herablassung Gottes zu tun, die auf Vereinigung mit dem Menschen aus ist. Aber Gott bleibt in ihr Gott.“⁵¹⁷

2.1.2.4 Die Neuschöpfung des Sünders Nach Schaeder erschließt⁵¹⁸ sich Gott in seinem relevatorischen Liebeshandeln als ein relationsstiftender, die persönliche Gemeinschaft mit sich herstellender und dennoch seine Souveränität wahrender Gott-in-Beziehung.⁵¹⁹ Die durch dieses dynamische Beziehungsgeschehen konstituierte Relation kann nach Schaeder noch präzisiert und im Blick auf den Menschen als Beziehungsglied genauer gefasst werden: „Die Liebe Gottes […] vollzieht sich an Menschen, welche die Forderung der Schöpfermajestät Gottes nicht erfüllen, deshalb unter dem Gericht stehen oder, was dasselbe ist, sich selbst, d. h. der Schuld und Macht ihrer Sünde, überlassen sind. Sie ergeht an die Gottlosen, die ἀσεβεῖς. Sie besteht – das ist ihre

 AaO.,  f.  Den Sinn der Auferstehung Jesu erkennt Schaeder nicht nur in der „Erhöhung des Herrn zu Gott“, „sondern im Zusammenhang mit ihr gerade darin, daß Jesus Christus der geschichtlichen Menschheit aus dem Tode zur machtvollen Herstellung der Gemeinschaft mit ihm oder der Herrschaft über sie wiedergegeben wird“ (AaO., ).  Ebd.  AaO., .  AaO.,  f.  AaO., .  Von einer „Selbsterschließung“ Gottes spricht Schaeder z. B. in: Religion und Vernunft,  und Glaubenslehre, .  Vgl. oben S.  ff.

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immer gleiche Wirkung – in der Herstellung der persönlich-geistigen, erkennenden und willentlichen Gemeinschaft zwischen den Sündern und Gott. Diese Gemeinschaft ist Vergebungs-, Versöhnungs-, Rechtfertigungs-, Erlösungs-, Friedensgemeinschaft. Ihre seelisch-geistige Form ist der Glaube, in welchem sich der sündige Mensch von der vergebenden oder rechtfertigenden Liebe des majestätischen Gottes durchs Wort unmittelbar ergriffen, erkannt, und in aktiver Hingabe auf Gott gerichtet weiß.“⁵²⁰ Als Beziehungsglied für Gottes relationsstiftendes Liebeshandeln und damit als Empfänger der Selbstmitteilung Gottes wird man demnach nicht einfach undifferenziert den Menschen, sondern näherhin den unter dem Gericht stehenden, sich selbst überlassenen gottlosen Menschen anzusehen haben, mit dem allein Gottes Liebeshandeln eine – auch soteriologisch näher bestimmbare – Gemeinschaft herzustellen und den Glauben als deren seelisch-geistige Form zu wecken vermag. Insofern lässt sich das als Selbstmitteilung Gottes verstandene Beziehungsgeschehen als ein gerichtetes, asymmetrisches und nicht-umkehrbares Verhältnis näher bestimmen.⁵²¹ Diese Ausrichtung findet ihre Bestätigung auch darin, dass Schaeder die Konstitution des Glaubens und damit das Resultat der relationsstiftenden Selbstmitteilung Gottes in seiner „Glaubenslehre für Gebildete“ unter Hinweis auf die absolute Passivität des Menschen als „schöpferische[s] Wirken“⁵²² Gottes bezeichnen kann: „Das Aktivitätsmoment des Glaubens: die vertrauende Hingabe an Gott in Christus, ist nichts als die aus dieser Passivität hervorgehende persönliche Haltung. Darin zeigt sich das Schöpfertum des glaubenden Gottes in aller Deutlichkeit. Auf den Menschen und dessen inwendige, religiöse Situation gesehen, bildet Gott hier neues, einzigartiges Leben wahrhaft aus dem Nichts.“⁵²³ Pointiert kann Schaeder an anderer Stelle deshalb formulieren: „Der Glaube lässt sich […] auch als die Neuschöpfung des Sünders bezeichnen. Im Glauben ist und wird er eine neue Kreatur […]. Der Glaube ist ja auf dem Wege der Rechtfertigung der Eintritt des Sünders in die Gemeinschaft mit Gott oder […] das Gelangen unter die Wirkung des Geistes.“⁵²⁴ Gottes relationsstiftendes Liebeshandeln wird man demnach im Sinne Schaeders genauer als ein „neuschöpferisches Tun Gottes“⁵²⁵ durch den Heiligen Geist, als eine geistgewirkte creatio ex nihilo ⁵²⁶ explizieren dürfen. Oder mit an-

 Theozentrische Theologie  (), .  Vgl. Schwöbel, Offenbarung, .  Glaubenslehre,  f.  AaO., .  AaO.,  (Hervorhebung hinzugefügt).  AaO., .  Schaeder betont dabei: „Zwar liegt das Eigenartige dieser schaffenden Tätigkeit Gottes darin, daß der Geist Gottes dabei an das Wort oder das Evangelium anknüpft und daß dieses Wort mit den

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deren Worten: Wirkt der Geist so, dass er endliche Persönlichkeiten durch seine Gegenwart „zu einer neuen, geistlich gearteten Schöpfung gestaltet“,⁵²⁷ dann lässt sich die Stiftung der Relation zwischen Gott und dem Menschen genauer als ein pneumatisch-kreatives, den Sünder durch den geistgewirkten Eintritt in die Gemeinschaft mit Gott radikal veränderndes und neu konstituierendes Relationsgeschehen bestimmen.

2.1.2.5 Gottes unüberbietbare Nähe Die den sündigen Menschen radikal verändernde und neuschaffende Gemeinschaft mit Gott will Schaeder dabei – trägt man seinen zahlreichen Äußerungen Rechnung – im Sinne der Nähe, der Gegenwart Gottes verstanden wissen. Im Blick auf Gottes relationsstiftendes Liebeshandeln kann deshalb festgehalten werden: „[W]enn die Theologie des Glaubens von der Liebe Gottes redet, dann ist unter ihr die mit dem Evangelium verbundene göttliche Geistesmacht verbunden, in der sich Gott dem endlichen, ihm widerstrebenden Geiste souverän naht, erschließt, hingibt und, indem er dadurch den Glauben wirkt, zwischen sich und dem unter seinem Gericht stehenden Menschen die Rechtfertigungs- oder Versöhnungsgemeinschaft herstellt. Weil dies der Sachverhalt der Glaubenserfahrung, weil es der eigentümliche Erlebnisinhalt des Glaubens ist, deshalb ist die Liebe Gottes für den Glaubensmenschen, obwohl sie die Liebe des überweltlichen Gottes ist, etwas ihm absolut Wirksam-Nahes. Sie ist unmittelbarer, durchs Wort und im Wort vom Glauben erfaßter Inhalt des eigenen, bewußten Lebens. Die Liebe Gottes ist, so verstanden, ausgegossen in die Herzen. Weil sie aber die Selbstmitteilung Gottes an die Sünder ist, so ist mit ihr auch die Majestät Gottes den Sündern nahe. Dies gibt die […] Gnadengegenwart des majestätischen Gottes, die in und mit dem Glauben da ist.“⁵²⁸ Zusammenfassend lassen sich deshalb nach Schaeder zwei Gesichtspunkte geltend machen: „Einmal […]: die Liebe oder Gnade Gottes schafft jetzt durch Wort und Geist Gemeinschaft, Nähe Gottes. Aber im Glauben, nicht in der Form wesenhafter Vereinigung mit Gott. Sodann: indem die Liebe Gottes im Glauben Nähe schafft, bleibt sie, ist sie die Liebe Gottes. Sie ist die Liebe dessen,

Sprachmitteln des natürlichen Geistes arbeitet. Aber wir sind ja genötigt, sowohl den Inhalt des Wortes, die Christustatsache, wie auch letzten Endes seine natürlich-geistigen Anknüpfungen auf das schaffende Wirken Gottes zurückzuführen. Der Glaube ist somit neuschöpferisches Tun Gottes; doch das Neue ist nicht ohne ein begründendes, schöpferisches Vorher. Und zusammen mit ihm ist es ein wirkliches Schaffen aus nichts.“ Siehe: Ebd.  Geistproblem, .  Theozentrische Theologie  (),  f (Hervorhebung hinzugefügt).

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der Majestät ist. Das gibt im Leben des Glaubens bei aller Gemeinschaft wiederum tiefe Distanz“.⁵²⁹ Im Blick auf den Glauben als Wirkung der streng pneumatisch gefassten „Nähe Gottes durchs Wort“⁵³⁰ vermag Schaeder deshalb zu formulieren: „Der Glaube lebt von der Synthese zwischen Gott und dem glaubenden Subjekt oder von der strikten Nähe Gottes. Diese räumlich, lokal geartete Wendung besagt das rein und durchaus geistige, daß die Liebe oder Gnade Gottes in Christus vom Glaubenden als eine seine Subjektivität unmittelbar (wenn auch durchs Wort vermittelt) bewegende und bestimmende Macht erlebt wird. Sie wird als die Größe erlebt, die den Glauben wirkt oder die den endlichen, mit der subjektiven Gesinnung verflochtenen Willen zum trauenden Glauben und durch diesen zur hingebenden Liebe bestimmt. Eben das Unmittelbare dieser göttlichen Geistwirkung drückt man mit der Wendung: Nähe Gottes im Glauben aus, oder will man mit der Wendung Mystik des Glaubens bezeichnen. Es ist eine charakteristische Anschauung vom Wirken des Geistes Gottes, die hiermit vertreten wird: das πνεῦμα ἅγιον erscheint – natürlich in der Form raumorientierter Rede […] – als die dem endlichen Geiste nicht irgendwie deistisch gegenüberstehende, sondern auf ihn, in ihm, in seiner Selbstbewegung majestätisch wirkende, Leben, und zwar neues Leben, schöpferisch bildende Größe. Und darin erscheint eben das, was man den Vollbegriff der Gnade oder der Liebe Gottes nennt. Sie ist Selbstmitteilung Gottes im Geiste an den Menschen – nicht das lokale Zusammentreten zweier Gegebenheiten, sondern das glaubenweckende, schlechthin nahe Innewirken von Geist auf Geist, von Gesinnung auf Gesinnung, von Willen auf Willen. Hier ist nichts von mystischer Verschmelzung oder Vereinigung. Alles ist hier das geistig-persönliche Wirken und Erleiden, resp. im Erleiden das zur Aktivität des Glaubens und der Liebe Befreitwerden, des göttlichen Ichs auf der einen und des menschlichen Ichs auf der anderen Seite. So verstanden ist Glaube tiefste, durch Gottes versöhnende Liebe hergestellte Gemeinschaft zwischen göttlichem Ich und endlichem Ich.“⁵³¹ Überblickt man diese wegen ihrer Bedeutsamkeit ausführlich wiedergegebenen Äußerungen Schaeders, so wird man die in ihnen enthaltene Vielfalt wie folgt zusammenfassen dürfen: Gottes Selbstmitteilung, verstanden als Gemeinschaft herstellendes pneumatisch-kreatives Beziehungsgeschehen, meint nach Schaeder nichts anderes als das zwischen Gott und dem sündigen Menschen heilsame Nähe schaffende Liebeshandeln Gottes. Diese in und mit dem Glauben unmittelbar erfahrbare Nähe Gottes kann Schaeder auch als „Gnadengegenwart des majes-

 AaO., .  Wort Gottes, .  Theozentrische Theologie  (),  (Hervorhebungen hinzugefügt).

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tätischen Gottes“ bezeichnen und somit in der Beziehung der Nähe die bleibende Souveränität Gottes zum Ausdruck bringen.⁵³² Die von Schaeder nachdrücklich betonte Synthese⁵³³ zwischen Gott und dem glaubenden Subjekt wird man demnach nicht im Sinne einer Nivellierung der Differenz zwischen Gott und Mensch, sondern allein im Sinne einer – die Unmittelbarkeit der göttlichen Geistwirkung ausdrückenden – räumlich, lokal bestimmten Aussage zu verstehen haben. So verstanden meint Synthese nichts anderes als engste Gemeinschaft, strikteste, nicht zu überbietende Nähe des präzise vom Menschen unterschiedenen Gottes im Inneren des Menschen. Insofern wird man bei der Interpretation des Begriffs „Synthese“ nicht auf ein lokales Zusammentreten zweier Gegebenheiten verweisen dürfen, sondern wird vielmehr – weil gerichtetes, asymmetrisches und nichtumkehrbares Verhältnis – von einem Be-wirken und schlechthin nahen Innewirken des Geistes Gottes auf menschlichen Geist ausgehen müssen. Legt man diese lokal bestimmte Anschauung vom Wirken des Heiligen Geistes als einer im menschlichen Geiste wirkenden und neues Leben bildenden Größe zugrunde, dann lässt sich die relationsstiftende Selbstmitteilung des majestätischen Gottes als das Ereignis begreifen, in dem der deus superior summo meo mir näher kommt als ich mir selber nahe zu sein vermag und so zum deus interior intimo meo wird.⁵³⁴ Kommt aber der majestätische Gott im Heiligen Geist dem Menschen näher als dieser sich selber nahe zu sein vermag, dann lässt sich diese unüberbietbare Nähe auch als die Aufhebung der Dislokation der Sünde verstehen, in welcher sich der Mensch dadurch vorfindet, dass er sich den Platz Gottes anmaßt, sich selbst zur entscheidenden Instanz über sein Leben erhebt und somit seine Bezogenheit auf Gott den Schöpfer als Grund seiner Beziehung zu Gott, zur Welt und zu sich selbst negiert. Die Selbstmitteilung oder „Selbstversetzung […] Gottes in die Glaubensgemeinschaft mit dem Sünder“⁵³⁵ wird man darum als die den Menschen von sich selbst befreiende, ihn aus dem Personzentrum heraussetzende und dadurch neu konstituierende Nähe Gottes explizieren dürfen. Gottes heilsame, das Personzentrum ausfüllende und regierende Nähe erweist sich somit als definitive Platzanweisung an den Menschen, dem ein Ort im Relationsgefüge der Schöpfung

 Ausführlicher unten auf S.  ff.  Zum Begriff der Synthese vgl. auch die Ausführungen unten auf S.  f. .  f u.ö.  Jüngel, Thesen, . Vgl. ders., Theologie, . Jüngel formuliert hier in Anlehnung an Augustinus, Confessiones III, , . Im Ereignis dieser pneumatologischen Verschränkung von Externität und Internität des Heiligen Geistes kommt es „zu einer den hamartiologischen Gegensatz von Gott und Mensch überwindenden soteriologischen Differenz, in der sich die neue Beziehung der Nähe als heilsame und präzise Unterscheidung von Gott und Mensch ereignet“ (Jüngel, Thesen, ).  Pfarrer, .

2.1 Der Glaube als direktes Wirklichkeitsverhältnis

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zugewiesen wird: als von sich selbst, seiner Selbstfixierung und seiner relationsnegierenden Platzanmaßung befreites, zur persönlich-geistigen, erkennenden und willentlichen Gemeinschaft mit Gott bestimmtes und zur aktiven, vertrauenden Hingabe an Gott berufenes und befähigtes Geschöpf.⁵³⁶

2.1.2.6 Gottes zu fürchtende Ferne Die als Aufhebung der Dislokation der Sünde sowie als definitive Platzanweisung verstandene „innerste Bewußtseins-Immanenz Gottes bei uns“⁵³⁷ wäre nach Schaeders Auffassung nun aber grundlegend missverstanden, wollte man sie im Sinne einer Anthropologisierung des Heiligen Geistes begreifen. Um dieser Gefahr zu wehren und um Vorwürfen vorzubeugen, verweist Schaeder deshalb immer wieder auf die Souveränität und Majestät Gottes sowie auf die daraus resultierende präzise Unterscheidung von Gott und Mensch, Schöpfer und Geschöpf. Der an zahlreichen Stellen anzutreffende Hinweis auf eine der Nähe korrespondierende Ferne oder Distanz Gottes dürfte dabei – nunmehr als räumliche Aussage gefasst – eben diesen für die theozentrische Orientierung der Theologie bedeutsamen Sachverhalt der Unverfügbarkeit Gottes zum Ausdruck bringen. Immer wieder vermag Schaeder deshalb sinngemäß zu formulieren: „Gnade oder Liebe Gottes ist Überwindung der Distanz zwischen Gott und den Gliedern der Geschichte. Sie ist geistig-persönliche Selbsthingabe, Selbstmitteilung an diese. […] Aber die Gnade Gottes, obwohl sie Nähe im Glauben herstellt, hält doch Distanz. Das ist das tiefe Paradox des Christenglaubens. Hier liegen die weiteren Wurzeln seiner Dialektik. Und es sei ausdrücklich betont, daß es zu den entscheidenden Aufgaben der Theologie, eben wenn sie Gott im Glauben zu seinem Rechte kommen lassen will, gehört, jenes Miteinander von Nähe und Distanz zum entsprechenden Ausdruck zu bringen. Es bedeutet das eine Korrektur des gang und gäben Glaubenslebens, die dringend nötig ist und war.“⁵³⁸ Dass dieses paradoxe Miteinander von liebender Nähe und majestätischer Distanz dabei als ein Verhältnis der Balance verstanden sein will, hebt Schaeder in diesem Zusammenhang unmissverständlich hervor: „[D]ie beiden Momente der Nähe und Ferne Gottes stehen nicht im Verhältnis des Übergewichts des einen über das andere. Sie halten sich im Gleichgewicht. Der Glaubende hat den lebendigen, persönlichen Gott wirksam nahe. Doch unverlierbar nahe hat er ihn nicht. Alle Eschatologie, wie sie

 Vgl. Schwöbel, Offenbarung, . Nach Schaeder tritt Christus durch den Geist in unmittelbare Nähe zu Menschen, entnimmt ihn der verlorenen Welt, befreit ihn und verbindet ihn mit sich. So z. B. Theozentrische Theologie  (),  u. Geistproblem,  (Anm.).  Geistfrage, .  Theozentrische Theologie  (),  f.

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auch genauer gestaltet wird, hat ihr Tiefstes in der Begründung des Gedankens, daß Gottes Nähe einst unverlierbar wird. Und weiter: der Glaubende hat den lebendigen Gott wirksam nahe. Aber als Majestät ist ihm dieser Gott trotz aller Geistesnähe und allen Besitzes fern und entzogen.“⁵³⁹ Ist demnach der nahe Gott zugleich der majestätisch-herrschende, der als solcher Distanz hält,⁵⁴⁰ so kann von einer „wesenhafte[n] Vereinigung mit Gott“⁵⁴¹ und von einer unverlierbaren Nähe Gottes nicht die Rede sein. Gottes Nähe wird man vielmehr als eine durch Wort und Geist geschaffene Nähe im Glauben ⁵⁴² oder – wie Schaeder auch formulieren kann – als eine Gegenwart aufgrund des Glaubens ⁵⁴³ zu verstehen haben, welche erst im Eschaton ihre Vollendung im Sinne einer unverlierbaren Vereinigung mit Gott findet.⁵⁴⁴ Für die irdische Existenz des Glaubende bleibt somit aber die paradoxe Verschränkung von Ferne und Nähe Gottes bzw. „das Ineinander von majestätischer Selbstbehauptung uns selbst und unser Welt gegenüber und von majestätischer, unbedingter Selbsthingabe an uns“⁵⁴⁵ daseinsbestimmend. Theologiegeschichtlich betrachtet handelt es sich hierbei letztlich um „Züge in der Auffassung des Gottesbegriffs“, welche bereits der Theologie Luthers etwa durch die Unterscheidung zwischen dem deus relevatus und dem deus absconditus in charakteristischer Fassung eigentümlich waren und nach Schaeder nun – veranlasst sowohl durch die Luther-Renaissance als auch im begrenztem Maße durch das Buch Ottos über das Heilige – auf eine Übertragung in das neuzeitliche Glaubensbewusstsein drängen.⁵⁴⁶ Auf diesem Hintergrund lässt sich die paradoxe Verschränkung von Nähe und Ferne Gottes dann wie folgt erläutern: „Indem Gott der majestätische Herr ist, ist er dem Glaubenden bei aller Gnadennähe fern. Das bedeutet: der Gott, der dem Glaubenden in der Selbstmitteilung seiner versöhnenden Liebe offenbar ist, ist ihm zugleich unbekannt. Er ist für die Glieder der Glaubensgemeinde zugleich das Geheimnis. Dies Mysterium hebt die Offenbarung Gottes nicht auf; Gnade bleibt Gnade, und der Christus Gottes bleibt der Christus.

 AaO., .  AaO., .  AaO., .  Ebd  Vgl. aaO., .  Auch wenn demnach erst das Eschaton die unverlierbare Vereinigung mit Gott zu bringen vermag, so steht für Schaeder dennoch außer Zweifel, dass der Glauben sich „stets von der Gegenwart mit ihrer rein im Glauben gehabten Nähe Gottes und Christi der Zukunft mit ihrer unverlierbaren Vereinigung mit Gott zuwendet, um dann, in vollendeter Gotteskraft aufgerichtet, wieder der Gegenwart zu leben“. Siehe: Geistproblem, .  Der lebendige Gott, .  Theozentrische Theologie  (), .

2.1 Der Glaube als direktes Wirklichkeitsverhältnis

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Aber die Offenbarung hat das Geheimnis Gottes bei sich.“⁵⁴⁷ Nach Schaeder ergibt dies den tiefen Abstand „der normalen christlichen Gotteslehre“ sowohl von allem Rationalismus, der Gott seiner Majestät entkleidet, indem er ihn auf die Stufe des für die endliche Vernunft restlos Zugänglichen und Gegenständlichen herunterdrückt, als auch von dem in Hegel vollendeten klassisch-deutschen Idealismus, der die Gottesidee oder den Gottesbegriff als das treibende Element des Werdens der Welt und in diesem Werden als das selbstlos zu Begreifende oder zu Erfassende kennt. Eine tiefe Distanz konstatiert Schaeder schließlich auch gegenüber „jeder verkürzten Offenbarungstheologie“, welche – so etwa die Kritik an Ritschl – neben der im Glauben fasslichen, auf das Reich Gottes gerichteten Liebe Gottes kein Geheimnis in Gott kennt und insofern „sittlich energisch und religiös flach“ zu werden droht.⁵⁴⁸ Mit Nachdruck verweist Schaeder deshalb auf die unverzichtbare Bedeutung, welche der Ferne Gottes für den Glauben und dessen Gleichgewicht von Nähe und Ferne zukommt: „Der unbekannte Gott gehört zum Glauben. Kennte der Glaube den lebendigen Gott ohne Abstrich und Grenze, dann wäre der Glaubende intellektuell Gottes Herr. Indem der Glaube Gott im Verfolg seiner offenbarenden Liebe, also in Christus […] kennt, bleibt Gott ihm doch zugleich entzogen und darin Herr“.⁵⁴⁹ Diese geheimnisvolle Ferne Gottes betrifft dabei – so Schaeders nähere Erläuterungen – insbesondere den Kern der Persönlichkeit Gottes, seinen Willen: „Wir wissen, daß dieser Wille durch Christus vermittelter Gnadenwille ist. Wüßten wir dies nicht, dann zerränne uns der vertrauende Glaube und mit ihm die Heilsgewißheit. Aber wir wissen schon nicht bis in die letzte Tiefe des Hergangs, wie Gott seinen Gnadenwillen im Leben, Sterben und Auferstehen Christi Wirklichkeit werden läßt. Was wir aber gar nicht wissen, das ist die Bewegung dieses an und durch Christus vollendeten Gnadenwillens in der Völkerwelt und an den einzelnen Gliedern der Geschichte. Hier sind Gottes Wege und Gerichte, sein Wann und sein Wo, unerforschlich. […] Hier behauptet sich Gott als Herr; hier ist er der Unbekannte. Nur der, der zum Glauben im Verfolg des göttlichen Gnadenwirkens kam, kennt vom Effekt aus die ihm geltenden individuellen Wege des göttlichen Gnadenwillens, ohne sie völlig zu kennen. Niemand kennt sie in bezug auf den Anderen oder die Anderen.“⁵⁵⁰ Lässt sich demnach bereits im Blick auf den göttlichen Gnadenwillen von einer geheimnisvollen Ferne Gottes reden, weil selbst dem glaubenden Menschen das Gnadenwirken Gottes in der Völkerwelt und an den einzelnen Gliedern der Geschichte entzogen bleibt, so wird man – trägt man Schaeders Ausführungen Rechnung –    

AaO., . Ebd. Ebd. Vgl. auch oben S.  ff. Theozentrische Theologie  (),  f.

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zur distanzwahrenden Selbstbehauptung Gottes v. a. auch „das dauernde schöpferische Machtwirken an der Welt“ zählen müssen, welches alles EndlichPersönliche in den Abstand der Kreatur vor Gott rückt. Nach Schaeder sichert dieses geheimnisvolle, unablässige Schöpfertum Gott „die Rolle des unbedingten Machtwillens“ allem Endlichen, auch dem Endlich-Persönlichen gegenüber; eines Machtwillens, von dem es kein Entrinnen und keine Freiheit etwa in Form eines sich von Gottes schaffendem Willen sich lösenden Eigenwillens gibt.⁵⁵¹ Insofern aber gilt auch für den Glaubenden: „[D]er Gott des Glaubens [ist] als der Gott der Gnade immer doch zugleich der Herr, den man in der Form des Abhängigkeitsgefühls fürchtet. Wo der Mensch im Glauben die ihm geltende, versöhnende, rechtfertigende Gnade ergreift, da fürchtet er nicht mehr das ihn von Gott her treffende Schuldgericht. Aber um Gottes schöpferischer, bildender und bindender Machtmajestät willen, die ihm und allem gilt, was Welt heißt, fürchtet der heilsgewisse Mensch, das Kind Gottes, Gott immer. Dort steht der Schöpfer, verborgen wirkend, und hier steht die Kreatur, die das Gemächte seiner Hand ist.“⁵⁵² Gott zu ehren heißt dann aber – so Schaeder weiter – nicht nur dessen Güte, sondern durchaus auch dessen furchterweckende Majestät zu bejahen. Denn so gewiss der Glaubende Befreiung von der Furcht erfährt, „daß dieser Herr der Richter sei, der ihn verwirft“, so gewiss bleibt dem Glauben die Furcht vor dem schöpferischen, schlechthin wirkenden, gestaltenden und bindenden Machtwille Gottes wesentlich.⁵⁵³ Auch „in der höchsten Gnadenäußerung, auch im Kreuze Christi, auch in der Mitteilung seines versöhnenden und rechtfertigenden Liebesgeistes“⁵⁵⁴ erweist sich der „Heilsgott“ als der zwar nicht Verwerfende aber doch immer Fordernde und – wo seine rettende Gnade im Glauben nicht erfasst wird – als der richterlich Reagierende.⁵⁵⁵ Nach Schaeder tritt hier so deutlich wie an keiner anderen Stelle sonst die Erfahrung der Gottesferne und die Hoffnung auf deren Überwindung ins Blickfeld: „In jedem Augenblick, in welchem der Glaubende nicht aus der wirksamen Gottesgemeinschaft des Glaubens heraus denkt und will und handelt, steht er unter diesen zuletzt bezeichneten Machtwirkungen Gottes und erlebt das gemüt-beschwerende Gewicht dieser Gottesferne. Er erlebt aber auch das Letzte, niemals zu Vergessende, daß sein Glaube, sofern er kein wesenhaftes Gestaltetsein durch Gott, kein wesenhaftes Hineingezogensein in die Wirklichkeit Christi ist, immer, wenn er normal ist, über sich, über die jetzige geschichtliche Epoche des hl. Geistes und des Glaubens, hinwegsieht auf die

    

AaO.,  (Hervorhebung hinzugefügt). Ebd. AaO.,  f. AaO.,  f. AaO., .

2.1 Der Glaube als direktes Wirklichkeitsverhältnis

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kommende unablösbare Wesenseinigung mit Gott in Christus. Die eschatologische Seite am Glauben drückt das Moment der Gottesferne im Glauben in seiner abschließenden vollen Deutlichkeit aus.“⁵⁵⁶ Zusammenfassend lässt sich somit festhalten: Gott ist Liebe und nach Schaeder damit derjenige, der die ganze rückhaltlose Selbsthingabe an die kreatürliche Welt der Sünder zur versöhnenden und lebenerneuernden Gemeinschaft will, einer Gemeinschaft, die sich jetzt in der Gabe des Heiligen Geistes verwirklicht und im Eschaton ihre Vollendung im Sinne einer unverlierbaren Wesenseinigung mit Gott findet. Im Horizont der irdischzeitlichen Existenz des Glaubenden wäre dieser Liebes- und Gnadenwillen Gottes nun aber grundlegend missverstanden, wollte man ihn als Alternative zu dessen Machtwillen begreifen. Indem Gott Liebe ist, bleibt er nach Schaeders tiefer Überzeugung vielmehr Herr, indem er sich zur innigsten, innerlichen Gemeinschaft hingibt, „hält er in ergreifender Paradoxie gegenüber der persönlichen Kreatur und gegenüber ihrer sündhaften Bestimmtheit Distanz“.⁵⁵⁷ Das „doppelte Motiv“ der Furcht ist demnach in der Macht-Majestät Gottes über seine Schöpfung und in Gottes unbedingter Reaktion gegen die Übertretung seiner Forderung begründet.⁵⁵⁸ Der Glaubenden durchlebt somit nicht nur „die Liebe Gottes in Christus in der ganzen Tiefe ihrer versöhnenden Wirkung in heilsgewissem Kindesvertrauen“, sondern auch „den absoluten Herrencharakter Gottes und den ganzen Ernst seiner Forderung wie seiner Reaktion gegen ihre Nichterfüllung“.⁵⁵⁹ Die Größe der Liebe Gottes und ihre tiefe Geschiedenheit von aller Selbstverständlichkeit tritt dadurch erst deutlich zutage.⁵⁶⁰

2.1.2.7 Furcht und Ehrfurcht Die für die Reinheit des Glaubens notwendige Furcht Gottes wäre nun aber – so Schaeders nähere Erläuterung – überbewertet, wollte man sie als etwas Konstantes im Glauben fassen. Im Blick auf die Liebe, Nähe oder Gnade Gottes in Christus muss sie vielmehr zur Ehrfurcht, zu „dem vielgenannten timor filialis“ werden.⁵⁶¹ Dabei gilt nach Schaeder jedoch: So gewiss die Furcht durch die Erfahrung der Liebe Gottes zur Ehrfurcht umgewandelt wird, so gewiss bleibt der, welcher von Gottes Liebe getroffen wird, mit der absoluten – den Affekt der Furcht in ihm begründenden – „Herrenmajestät“ in Verbindung. Wenn aber nur Gott als

     

Ebd. AaO., . Geistproblem,  f. AaO., . Ebd. Ebd.

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der „Gegenstand“ der Furcht durch seine Güte oder Liebe die Furcht zur Ehrfurcht umzubilden vermag, dann lässt sich pointiert formulieren: „Ehrfurcht entsteht nur aus Furcht“, „[l]ebendige Ehrfurcht […] vor Gott erwächst nur dort, wo man die Furcht vor ihm kennt“. ⁵⁶² Gegen den „lutherischen Typus der Frömmigkeit“, welcher die Haltung der Furcht vor Gott als „unterchristlich“ und damit als unvereinbar mit dem christlichen Glauben bewertet, wird man deshalb mit Schaeder betonen dürfen:⁵⁶³ „Nun ist zweifellos, daß überall da, wo die Gnade Gottes in Christus das gewisse Kindesvertrauen auf Gott bewirkt, die Furcht vor Gott zur Ehrfurcht wird. Insofern mag man sagen, daß die christliche Frömmigkeit als solche, in ihrem tatsächlichen Bestande genommen, ohne das Moment der Furcht vor Gott ist. Aber eben so gewiß ist das andere: zum christlichen Gotteserlebnis gehört in voller Deutlichkeit und Gewißheit das Erlebnis der Macht oder Majestät Gottes. Dies ist nun einmal das Fundamentale im Erleben Gottes. An der Majestät Gottes aber erhebt sich, wie an seiner Heiligkeit für die sündige, so für die ohnmächtige Kreatur die Empfindung der Furcht. Überall, wo man diesen Gott als Vater in Christus faßt, wird sie zur Ehrfurcht. Aber überall, wo man darauf reflektiert, daß dieser Vater Gott, absoluter Herr ist, regt sich die Furcht. Viele konkrete Lebensmomente im christlichen Glauben sind Furchtmomente, geboren wie aus dem Gedanken an die Heiligkeit, so auch aus dem an die Majestät Gottes. Selbstverständlich müssen sie weichen und der mit dem Kindesvertrauen gepaarten Empfindung der Ehrfurcht vor Gott Platz machen. Aber es bleibt dabei, daß unser Vater Gott, Majestät, und der Heilige ist. Und sobald die Seele auf diese Qualitäten Gottes gerichtet ist, ist die Regung der Furcht da.“⁵⁶⁴ Furcht und Ehrfurcht wird man demnach im Sinne Schaeders als zwei die Unverfügbarkeit und Ferne Gottes zwar artikulierende, durch ihre Ausrichtung auf bestimmte „Qualitäten“ ⁵⁶⁵ oder „Momente“ ⁵⁶⁶ Gottes sich aber unterscheidende Empfindungen des Menschen bestimmen dürfen: Verwandelt sich Furcht durch die Relation des Menschen zu dem in seinem Sohn sich hingebenden, liebenden Gott in Ehrfurcht, so führt die Reflexion über den majestätischen, heiligen Gott den Menschen zur Einsicht über die eigene Kreatürlichkeit und Sünde und lässt ihn in der Haltung der Furcht vor Gott verharren. Bei „aller Energie seiner versöhnenden, gemeinschaftstiftenden Gnade“, welche die Furcht in Ehrfurcht wandelt, bleibt Gott somit gegenüber dem Glaubenden der allmächtige, schöpferische Herr, welcher das

    

Theozentrische Theologie  (),  f (Hervorhebung hinzugefügt). AaO., . Ebd. Ebd. Theozentrische Theologie  (), .

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Herrenrecht hat und insofern zu fürchten ist.⁵⁶⁷ Auf diesem Hintergrund wird man dann auch Schaeders deutliche Ablehnung verstehen müssen, die Macht, Majestät oder Heiligkeit Gottes zu einem ein- oder untergeordneten Bestandteil seiner Liebe zu machen: „Man muß […], um die Wirklichkeit Gottes, wie sie sich in seinem Erleben ausprägt, gerecht zu werden, betonen, daß Gott Alles, was er ist, ganz ist. Ganz Liebe, aber auch ganz Majestät und Heiligkeit. Wo man seine Liebe in Christus faßt, ist er ganz Liebe, d. h. er, der Majestätische und Heilige, ist dies ganz. Die Furcht vor ihm wird zur Ehrfurcht. Wo man seine Liebe nicht faßt, hat man es ganz mit seiner Majestät und Heiligkeit zu tun. Denn jede dieser Seiten ist er ganz.“⁵⁶⁸ Obwohl nun durch diese unüberbrückbare Spannung zwischen der – Furcht in Ehrfurcht wandelnden – Liebesnähe und dem zu fürchtenden Majestätscharakter Gottes eine Spaltung des Gottesbegriffes droht, lehnt Schaeder mit Nachdruck jeden Versuch ab, die Ganzheit jener soeben beschriebenen „Seiten“ Gottes um eines rationalen Ausgleiches willen aufzuheben. Die Gefährdung des Glaubens wird man demnach weniger in der drohenden Spaltung des Gottesbegriffes als vielmehr in einer Auflösung der – für den Gottesund Glaubensbegriff konstitutiven – Paradoxie zwischen göttlicher Nähe und Ferne sehen müssen. Glaube „in seiner Beherrschtheit durch den Gott der Offenbarung“ heißt dann aber nichts anderes als „kämpferischer“, „bestimmte Spannungen“ überwindender Glaube.⁵⁶⁹ Im Blick auf „die der endlichen ratio eindrückliche[n] Spannung zwischen dem schlechthin richtenden, heiligen Gott, der sich am Gewissen des natürlichen Menschen bewährt, und der Absolutheit der göttlichen Gnade“⁵⁷⁰ lässt sich somit festhalten: „Überwunden wird diese Spannung durch den Blick des Glaubens auf Christus, d. h. auf das Kreuz Christi.“ Dort hat „die absolute, versöhnende Gnade, wie sie in Gott und in dem Sohne Gottes lebt, das absolute Gericht über die Sünde bei sich und in sich. Eine Lösung der Spannung für die ratio ist dies nicht; aber der Glaube steht hier vor einer Vereinigung, einer Unlösbarkeit zweier Willenrichtungen in Gott, an der die Reflexion des Verstandes nicht rütteln kann. Daß aber gerade an dieser Vereinigung der Reaktion Gottes gegen die Sünde, für welche das Zeugnis des Gewissens eintritt, und der restlosen Gnadenäußerung Gottes gegen die Sünder die Heilsgewißheit des Glaubens hängt, das bedarf keiner weiteren Ausführung.“⁵⁷¹ Ähnlich wie Luther in seiner Schrift „De servo arbitrio“ sieht Schaeder also deutlich die

    

Vgl. Theozentrische Theologie  (), . Theozentrische Theologie  (), . Theozentrische Theologie  (), . AaO.,  f. AaO., .

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Spannung der beiden Willensrichtungen in Gott, hütet sich aber sie rational zu vermitteln. Er erteilt vielmehr angesichts dieser Spannung den – wohl auch aus seinen eigenen Anfechtungserfahrungen erwachsenen – Rat, den Blick auf die Vereinigung von absoluter Gnade und absolutem Gericht im Kreuzesgeschehen zu richten und so des Heils im Glauben gewiss zu werden.⁵⁷² Schaeders seelsorgerliche Ausrichtung seiner theozentrischen Theologie wird man also gerade darin erkennen dürfen, dass er einerseits mit dem Hinweis auf die rational nicht aufzuhebende Spannung zwischen absoluter Gnade und absolutem Gericht bzw. zwischen göttlicher Liebesnähe und richterlicher Ferne der menschlichen Verfügbarkeit über Gott ein Ende bereitet, andererseits aber zugleich um die aus dieser Spannung erwachsenen Anfechtungen weiß und sie durch den Hinweis auf das Kreuzesgeschehen zu überwinden trachtet.

2.1.2.8 Gottes universale und individuelle Gegenwart Versucht man nun den Grad der Ferne Gottes noch genauer zu fassen, so wird man auf die Ausführungen über die Allgegenwart Gottes im zweiten Band der Theozentrischen Theologie sowie in der Glaubenslehre verweisen dürfen.⁵⁷³ Schaeder differenziert dort zwischen einer durch die göttliche Selbstmitteilung gewirkten „besonderen“ und einer als wirksame Machtnähe verstandenen, „schlechthin weltumfassenden“ Gegenwart Gottes.⁵⁷⁴ Neben die bereits ausführlich beschriebene individuelle Nähe Gottes, deren Ursprung in der göttlichen Selbstmitteilung durch Wort und Geist zu suchen ist, wird also der Aspekt der universalen Gegenwart in der Welt treten müssen, nach der Gott machtvoll bindend und regierend allem Endlichen auch ohne Glauben wirksam nahe ist.⁵⁷⁵ Diese nur dem Glaubenden einsichtige Unterscheidung kann Schaeder dabei – indem er zunächst auf die aus der Synthese von Wort und göttlichen Geist hervorgehende „singuläre“⁵⁷⁶ Nähe Gottes verweist – wie folgt zum Ausdruck bringen: „Mit der Erfahrung der besonderen Nähe Gottes im Wort verbindet sich […] unmittelbar die

 Auch Luther fordert dazu auf, „sich von dem unterschiedslos Leben und Tod […] wirkenden Gott über uns wegzuwenden hin zu dem im fleischgewordenen, gekreuzigten und gepredigten Wort Gottes den Tod des Todes wirkenden deus revelatus“ (Jüngel, Quae supra nos, ).  Die Ausführungen sowohl im zweiten Band der Theozentrischen Theologie als auch in der „Glaubenslehre für Gebildete“ stimmen wörtlich weitgehend überein. Vgl. Theozentrische Theologie  (),  ff u. Glaubenslehre,  ff.  Theozentrische Theologie  (),  u. Glaubenslehre,  (Hervorhebung hinzugefügt).  Theozentrische Theologie  (),  u. Geistproblem, . Schaeder verweist dabei auf die Areopagrede des Paulus in Apostelgeschichte , ff. Vgl. auch: Der lebendige Gott,  f.  Theozentrische Theologie  (), .

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Überzeugung von seiner schlechthin weltumfassenden Nähe. Dabei besteht indes selbstredend ein Unterschied zwischen der besonderen und der allgemeinen Gegenwart Gottes. […] Die allgemeine Weltgegenwart ist seine unentrinnbare, wirksame Machtnähe. […] Indes dabei bleibt es: die Gegenwart Gottes im Wort selber ist eigenartige Gegenwart. Sie ist, wo doch das Wort maßgebend Evangelium von Christus ist, Liebesgegenwart, Gnadengegenwart, Gegenwart Gottes in Christus und durch Christus. Dieser Nähe entbehrt die Welt, obwohl Gott ihr unbedingt nahe ist. Man kann unmöglich von der allgemeinen Überlegung aus, daß Gott als Gott allgegenwärtig und daß er zugleich Liebe ist, schwärmerisch von einer allgemeinen Liebesgegenwart Gottes reden, kraft deren er jedermann unter der Sonne in der Form kindlichen Vertrauens erreichbar wäre.“⁵⁷⁷ Tritt somit also auch die von der neuschöpferischen Liebesnähe in Christus zwar unterschiedene, für den Glauben aber mit ihr vereinte weltschöpferische Nähe Gottes ins Blickfeld,⁵⁷⁸ so wird man zu beachten haben, dass Schaeder zu ihr nicht nur die soeben erwähnte schöpferische Machtmajestät Gottes über die Welt, sondern auch die richterlich gegen die Sünde gerichtete Heiligkeit Gottes zu zählen weiß. Unter dieser zuletzt genannten „richtende[n] Tätigkeit“⁵⁷⁹ Gottes, welche sich als „seine Selbstversagung gegenüber den Sündern“⁵⁸⁰ explizieren lässt, versteht Schaeder dabei „nichts anderes als dies, daß der Sünder und die sündige Menschheit sich in ihrem persönlichen Leben selber überlassen, preisgegeben sind“⁵⁸¹. Denn: „Mit der Sünde, in welcher individuellen Form und in welchem Ausmaß ihrer jeweiligen Wirkungen sie auch auftrete, paktiert Gott nicht. Den einzelnen Sündern und den Menschengruppen, die durch gemeinsame Gottwidrigkeit zusammengehalten werden, versagt sich Gott. Da nun die Sünde wesensmäßig zum Lebensbestande der gesamten natürlichen Menschheit gehört, so muß man von ihr und von ihren einzelnen Gliedern allerdings, sofern sie sündigen, ohne Abstrich und ohne jede weichliche Sentimentalität von Gottes wegen sagen, daß sie unter Gottes immer wirksamem Gericht stehen, und daß das Gericht die Selbstversagung Gottes ihnen gegenüber ist, welche sich immer neu herstellt. […] Die Wirklichkeit des absolut fordernden entspricht die des sich unbedingt behauptenden und somit gegenüber die Übertreter persönliche Distanz haltenden Gottes.“⁵⁸² An dieser Stelle kann Schaeder nun – indem er zugleich von „dem dialektisch begründeten Distanzgedanken Barths“ abrückt – seine differenzierte Einschätzung von der Distanz

     

Glaubenslehre,  f. Vgl. Theozentrische Theologie  (), . AaO., . Ebd. (Hervorhebung hinzugefügt). AaO., . AaO.,  f.

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bzw. Ferne Gottes entfalten: „Alle Selbstversagung Gottes nämlich, die es um des sündhaften Widerstrebens willen in der Geschichte gibt, […] hebt die Weltgegenwart Gottes, […] seine schöpferische Nähe nicht auf. Immer wirksam, lebendbildend, ganz nahe und dabei doch persönlich fern, schaffend und doch von den Sündern nicht zu erfassen, das ist die Haltung Gottes, von der man hier reden muß. Es ist eine Situation voll tiefster, spannungsvoller Beziehungen, die alle folgenreiche geschichtliche Wirklichkeit sind.“⁵⁸³ Legt man diese Ausführungen zugrunde, dann wird man festhalten dürfen: Sowohl Gottes schöpferische Machtmajestät über die Welt als auch seine richtende Selbstversagung wären im Sinne Schaeders grundsätzlich missverstanden, wollte man sie mit der radikalen Ferne bzw. der absoluten Distanz Gottes in Verbindung bringen.Vielmehr hat nach Schaeder zu gelten: „Nicht schlechtweg fern ist Gott den Sündern, gegenwärtig ist er ihnen; aber seine Gegenwart ist nicht Liebesgegenwart, die Gemeinschaft zwischen Gott und den endlichen Geistern herstellt. Geist Gottes ist allem Lebendigen, auch indem es sündigt, nahe; aber Liebesgeist Gottes ist ihm nicht nahe. Dies ist die Distanz Gottes um der Sünde willen. Doch von Distanz schlechtweg kann gar nicht die Rede sein.“⁵⁸⁴ Im Blick auf die Verschränkung von göttlicher Nähe und Ferne lässt sich somit festhalten: Besondere, individuelle Nähe meint nach Schaeder nichts anderes als die unüberbietbare Liebesnähe, mit der Gott dem Menschen näher kommt als dieser sich selbst nahe zu sein vermag, die Aufhebung der Dislokation der Sünde bewirkt und im Menschen ein Kindschaftsverhältnis begründet. Zugleich aber weiß sich der im Kindschaftsverhältnis stehende Mensch – richtet er seinen Blick auf die Majestät und Heiligkeit Gottes – als Kreatur und Sünder von Gott geschieden:⁵⁸⁵ Der „Gott der Nähe, mit dem wir wie Kinder mit dem Vater reden“ ist zugleich der „Gott des Jenseits und der Ferne“, der Gott, vor dem wir Kreatur und Sünder sind.⁵⁸⁶ Die damit zum Ausdruck gebrachte Distanz Gottes ist im Sinne Schaeders dabei aber nicht als Ferne „schlechtweg“, sondern lediglich als „persönliche“ Ferne,⁵⁸⁷ besser jedoch als schöpferisch-majestätische und sich selbstversagende richtende Nähe Gottes zu verstehen. Damit ergibt sich: Ferne Gottes meint nichts anderes als die distanzwahrende universale Nähe, mit welcher

 AaO.,  (Hervorhebung hinzugefügt).  Ebd. (Hervorhebung hinzugefügt).  Nach Schaeder gilt: Obwohl der Glaubende „die Sünde als wirksame Macht in sich trägt, ist er überzeugt, daß er ihr nicht mehr ausgeliefert ist. Der willenbewegende Geist der Nähe Gottes und Christi ist stärker als der Reiz der Sünde“ (Geistproblem, ). Der Glaubende weiß sich also vom Zwang befreit, sündigen zu müssen (Vgl. ebd.).  Der lebendige Gott, .  Theozentrische Theologie  (), .

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Gott in seiner schöpferischen Machtmajestät und richtenden Heiligkeit den Menschen auch dann nahe ist, wenn er ihnen persönlich fern bleibt.⁵⁸⁸ Die Spannung zwischen göttlicher Liebesnähe und richterlicher Ferne, wie sie allein „kämpfender Glaube“ mit dem Blick auf das Kreuzesgeschehen zu überwinden vermag,⁵⁸⁹ wird man deshalb auch als rational nicht aufzuhebende Spannung zwischen individueller und universaler Nähe Gottes bestimmen dürfen.⁵⁹⁰ Insofern gilt: Ohne den Kontrapunkt der – als universale Nähe explizierbaren – Ferne Gottes fiele dessen individuelle Nähe der Gefahr einer Anthropologisierung, ohne den Kontrapunkt der Liebesnähe Gottes dessen universale Nähe aber der Gefahr einer deistischen Distanzierung Gottes von der Welt anheim. Im Hintergrund dieser Erörterung steht dabei letztlich die Frage nach der Zuordnung von „Wesen“ und „Eigenschaften“ in der Gotteslehre. Schaeder vertritt hier eine Duplizität im Wesen Gottes: „Keines der beiden Momente, das der Liebe oder Gnade und das der absoluten Majestät, ist irgendwie in das andere aufzulösen.“⁵⁹¹ Kritisch gegen seinen Lehrer Cremer gerichtet, betont Schaeder, „daß man auch keins der beiden Momente: Majestät und Liebe Gottes, dem anderen überordnet. Sie sind im Gleichgewicht zu halten.“⁵⁹² Selbstkritisch gesteht Schaeder dabei ein, dass er erst in seinem Werk über das Geistproblem und dann in der zweiten Auflage des zweiten Bandes der Theozentrischen Theologie die Überordnung der Majestät Gottes über die Gnade Gottes korrigiert und eine Gleichordnung von göttlicher Majestät und Liebe vollzogen habe.⁵⁹³

 Eine deistische Ferne Gottes lehnt Schaeder deshalb mit Nachdruck ab.Vielmehr muss nach Schaeders Überzeugung die „sog. Erhaltung der Welt […] als ihre dauernde Bewirkung gedacht werden. Die Welt ist, indem sie immer wird. […] Hörte Gott an irgendeinem Punkte der zeitlich bestimmten Welt auf, der unbedingt, d. h. ja doch schaffend wirksame Gott zu sein, dann wäre er der Gott nicht mehr, den der Glaube kennt.“ Siehe: AaO., .  AaO.,  f.  Nach Schaeder darf man „unter keinen Umständen die Schärfe dieser Spannungen dadurch verwischen, daß man die Heiligkeit und die Liebe Gottes, von denen hier geredet wird, einfach ineinander zieht und ohne weiteres von der heiligen Liebe Gottes redet. Die Heiligkeit, die fordernde, richtende, distanzschaffende ist insofern für sich eine wirksame Beziehung Gottes zur Welt, als sie sich in voller Realität innerhalb der Geschichte immer aufs neue dem handelnden und widergöttlich handelnden Menschenleben gegenüber auswirkt“. Siehe: AaO.,  f.  AaO., . Auch Barth vertritt eine Duplizität in der Wesensbestimmung Gottes. Dem Begriff der „Liebe Gottes“ stellt er den Begriff der „Freiheit Gottes“ (KD II/,  ff) zur Seite.Vgl. Grell, Der ewig reiche Gott,  f.  Theozentrische Theologie  (), . Vgl. Grell, Der ewig reiche Gott,  ff.  Theozentrische Theologie  (), .

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2.1.2.9 „Haben“ Gottes als permanente Rezeption Auf dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen lässt sich nun im Blick auf Schaeders Glaubensverständnis die höchst umstrittene Rede von einem „Haben“ oder „Besitz“ Gottes näher erläutern. Dieses Verständnis des Glaubens als eines Habens Gottes dürfte dabei – wie sowohl die heftige Kritik durch Gogarten, Brunner und Barth als auch das nachdrückliche Festhalten Schaeders an diesem Gedanken zeigt – nicht nur als ein Nebenaspekt, sondern als ein konstitutiver und unverzichtbarer Bestandteil seiner theozentrisch orientierten Theologie zu werten sein. V. a. im letzten Jahrzehnt⁵⁹⁴ seiner Wirksamkeit sieht Schaeder sich deshalb verstärkt dazu veranlasst, etwa wie folgt zu formulieren: „Es bleibt dabei: im Glauben hat man Gott als erlebte Wirklichkeit. Im Geiste hat man ihn. Sonst hat man ihn nicht oder höchstens den Gedanken Gottes wie andere Gedanken auch.“⁵⁹⁵ Der Rahmen, innerhalb dessen sich dieser Sachverhalt argumentativ entfalten lässt, dürfte dabei mit dem Hinweis auf Gottes weltschöpferisches – allerdings keineswegs nur auf den Anfang der Welt zu beziehendes – Handeln gegeben sein: „Unsere Vorstellung kann nicht die sein, daß die Welt, nachdem sie durch Gott gewirkt ist, nun etwa aus den ihr von Gott verliehenen Bedingungen ihres Seins und Werdens in relativer Selbständigkeit gegenüber Gott lebte. Aber auch das andere ist nicht die sachgemäße Annahme, daß die Welt nach ihrem Anfang insofern in Verbindung mit dem Gott der absoluten Macht steht, als dieser sie dauernd will und im Verfolg seines Wollens erhält. Die weithin verbreitete Kombination von Schöpfung und Erhaltung der Welt trifft nicht das Richtige. Was man Erhaltung der Welt nennt, muß als Fortsetzung des schöpferischen Handelns (als sogenannte creatio continua) vorgestellt werden. Nur so bleibt der unbedingte Machtcharakter Gottes, kraft dessen alles Endliche immer und in jedem Augenblick durch Gottes Wirken wird und ist, gewahrt.“⁵⁹⁶ Dabei hat nach Schaeder zu gelten, „daß Gott nicht nur nicht seinen schaffenden, lebengebenden Lebensodem oder Geist der Welt entzieht und sie so erhält“, sondern dass er diesen Lebensstrom der Welt fortwährend zuführt, wodurch aus ihrem Anfang ihr immer

 Die Rede vom „Haben“ oder „Besitz“ Gottes ist allerdings bedeutend älter als die Kritik durch Gogarten, Brunner und Barth. Denn schon  und damit noch vor Veröffentlichung des ersten Bandes der Theozentrischen Theologie, kann Schaeder bereits von einer Offenbarung sprechen, „in der uns Gott […] die Fülle seines Wesens und Lebens nahebringt, schließlich so nahe, daß er mit dieser ganzen Fülle ganz der unsere wird“. Pointiert gipfelt dies dann in der Aussage: „Das ist der wunderbare Besitz des Glaubens.“ Siehe: Christenstand, . Zum Wandel Brunners in dieser Fragestellung vgl. z. B. Brunner, Lehre, .  Geistfrage, .  Glaubenslehre, .

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neues Werden entsteht.⁵⁹⁷ Dieser Gedanke einer creatio continua, welcher auf Seiten des Menschen ein immer neues Werden, eine fortdauernde Genese entspricht, findet nach Schaeder nicht nur in Bezug auf die geschaffene, bestehende Welt und ihre Erhaltung Anwendung, sondern kann auch – weil Gott in einer doppelten schöpferischen Beziehung zur Welt steht⁵⁹⁸ – als Schlüssel für ein angemessenes Verständnis der Neuschöpfung des Menschen in und durch Christus dienen:⁵⁹⁹ „Wird der natürliche Mensch durch Christus zum Glauben gebracht, dann steht er im Glauben unter der Wirkung des Geistes Christi und dann hat er, so verstanden, heiligen Geist. Diese Situation darf aber nicht so gedacht werden, als ob der Glaubende nun mit dem ihm eignenden heiligen Geist in relativer Selbständigkeit gegenüber Christus und Gott lebte. Vielmehr hat er den Geist Gottes so, daß dieser immer von neuem zu ihm kommt und das neue Leben im Glauben bewirkt. Die Neuschöpfung, die sich durch den Empfang des Heiligen Geistes vollzieht, ist, so gewiß sie einen Anfang in und mit der Zeit hat, creatio continua, dauernde Schöpfung.“⁶⁰⁰ In Analogie zu Gottes weltschöpferischem Handeln lässt sich also auch dessen neuschöpferisches Handeln als fortdauernde Schöpfung, als anhaltendes Kommen des Geistes Gottes zum Menschen, als permanente Selbstmitteilung Gottes, kurz: als creatio continua näher explizieren. Im Blick auf den Glauben bedeutet dies: „Glaube existiert im einzelnen und in der Glaubensgemeinde nur so, daß er durch Gottes Geist immer wird. So ist er da, und so hat man ihn. Anders gewandt: wenn der Mensch […] im Glauben den Geist Gottes hat und aus dem Geiste Gottes persönlich lebt, dann hat er ihn so, daß er ihn immer empfängt. Vorhandener Glaube ist immer eine seiende und eine immer werdende, durchs Wort vermittelte Beziehung zu Gott und seinem Christus.“⁶⁰¹ Gott bzw. Gottes Geist im Glauben zu haben, wird man dann aber – jedes substanzontologische Denken ausschließend – im Sinne einer im fortdauernd applizierenden Verhalten Gottes gründenden⁶⁰² permanenten Rezeption und einer damit zusammenhängenden fortdauernden Genese des Menschen verstehen müssen. Denn Gottes liebender Selbstmitteilung durch seinen Geist korrespon-

 Ebd.  Theozentrische Theologie  (), .  Erkenntnistheoretisch gilt allerdings umgekehrt, „daß der Glaube die Erkenntnis der weltschöpferischen Funktion Gottes nur im Zusammenhang mit der neuschöpferischen gewinnt, deren Ergebnis er, der Glaube, selber ist“. Siehe: Ebd.  Glaubenslehre,  (Hervorhebung teilweise gestrichen und neue Hervorhebung hinzugefügt).  Theozentrische Theologie  (),  (Hervorhebung hinzugefügt).  Der Mensch wird von Gott in Rezeptivität versetzt.

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diert auf Seiten des Menschen ein im Werden begriffener, beständig empfangender und den Menschen dadurch neuschaffender Glaube. Hängt nun aber die Existenz des Glaubens am beständigen Empfang des durch seinen Geist sich selbst mitteilenden Gottes, dann lässt sich – insofern ununterbrochenes Empfangen als eine Form des Habens und Besitzes gefasst werden kann – diese permanente Rezeption auch als Partizipation näher explizieren. Im Hintergrund steht dabei die Erkenntnis, dass jeglicher Besitz des Menschen theologisch recht verstanden als Leihgabe Gottes zu interpretieren ist. Der „Besitz“ des Heiligen Geist lässt sich also im Sinne einer dauerhaft zugeeigneten Gabe bzw. einer Dauerleihgabe verstehen. Dabei wird man jedoch zu beachten haben, dass die als permanente Rezeption verstandene Partizipation am Göttlichen der menschlichen Verfügbarkeit entzogen und wegen ihrer Unabgeschlossenheit auf Gottes neuschöpferische Geistmitteilung angewiesen bleibt: „Nennen wir die Glaubenden, weil sie ihr besonderes Leben aus Gottes heiligem Geist haben, mit der Schrift Kinder oder Söhne Gottes, dann sind sie das so, daß sie es immer werden. Bildet nun der Glaube das Produkt des neuschaffenden göttlichen Tuns, dann zeigt sich, daß dieses keineswegs als ein in einem zeitlichen Akte abgeschlossenes vorgestellt werden kann. Wo bliebe auch die dauernde Gebundenheit des Glaubenden an den wirksamen absoluten Gottesgeist? Man lebt nicht so aus diesem Geist, daß sein direktes, augenblickliches Wirken aufhört. Nein, die Glauben schaffende Aktion Gottes ist als eine creatio continua aufzufassen“.⁶⁰³ Auf dem Hintergrund dieser den Glauben schaffenden creatio continua wird dann verständlich, weshalb Schaeder der Ansicht, dass der Glaubende den Heiligen Geist wie ein verfügbares „Fixum“ ⁶⁰⁴ habe, auch unter Hinweis auf die Inversion der Subjekt-Objekt-Relation nachdrücklich widersprechen muss: „Die Majestät Gottes, an welcher Gottes Geist teilhat, die Tatsache, daß der Glaubende Sünder ist, schließt es aus, daß dieser Herr über Gottes Geist wird. Nein: der Heilige Geist hat im Glauben den Menschen. Und zwar hat er ihn so, daß er immer zu ihm kommt. Indem er aber mit dem Evangelium von Gottes heiliger Liebe oder rechtfertigender Gnade kommt, wirkt er im Menschen in und mit dem Glauben den Willen der Liebe zu Gott und mit Gott zu den Nächsten.“⁶⁰⁵ Damit rückt letztlich jener Sachverhalt ins Blickfeld, welchen Schaeder bereits im Zusammenhang seiner Ausführungen über Gottes Selbstmitteilung bzw. über Gottes die Dislokation der Sünde aufhebendes Liebeshandeln darzulegen unternommen hat. Denn heißt – berücksichtigt man die Inversion der Subjekt-Objekt-

 Theozentrische Theologie  (),  f (Hervorhebung hinzugefügt).  Glaubenslehre,  (Hervorhebung hinzugefügt).  Ebd.

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Relation – Gott bzw. Gottes Geist im Glauben zu haben nichts anderes, als dass der Heilige Geist den Menschen hat und immer zu ihm kommt, dann wird man dieses permanente Kommen bzw. diese Selbstmitteilung unter lokalem Aspekt als die den Menschen von sich selbst befreiende, ihn aus seinem Personzentrum heraussetzende sowie sein Innerstes ausfüllende Nähe Gottes bestimmen dürfen. Gottes Geist als die dem Menschen immanente Nähe Gottes erweist sich somit nicht als verfügbares Objekt, sondern als Subjekt, welches den Menschen im Innersten beherrscht und ihm seinen Platz im Relationsgefüge zuweist: als von sich selbst, seiner Selbstfixierung und seiner egozentrisch-relationsnegierenden Platzanmaßung befreites, zur persönlich-geistigen, erkennenden und willentlichen Gemeinschaft mit Gott bestimmtes und zur aktiven,vertrauenden Hingabe an Gott berufenes und befähigtes Geschöpf. So verstanden verfügt der Mensch nie über den Geist, vielmehr verfügt der Geist über ihn⁶⁰⁶. Die Rede vom „Haben“ oder „Besitz“ des Geistes Gottes besagt dann aber nichts anderes, als von dem im Personzentrum immanenten Geist Gottes beherrscht und dadurch im eigentlichen Sinne erst zum – der Gottes- und Nächstenliebe fähigen – Subjekt zu werden. In seiner Glaubenslehre kann Schaeder diesen Sachverhalt deshalb wie folgt zusammenfassen: „Wird das ‚Haben‘ des Geistes auf seiten des Glaubenden oder der Glaubensgemeinde so verstanden, daß der Mensch im Glauben unter die Direktion des Geistes tritt, die ihn zur Gottes- und Nächstenliebe lebendig macht, dann bedeutet dies Wort keinerlei menschliche Selbstüberhebung über Gottes Majestät, auch keinen Verstoß gegen die Heiligkeit Gottes, die ihn von der Sünde scheidet. Es bedeutet vielmehr die im Kommen und Wirken des Heiligen Geistes sich vollziehende und erneuernde Selbstmitteilung des Gottes der Liebe an die mit Gott versöhnten Glieder der sündigen Welt (Röm. 5,5: denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unser Herz durch den Heiligen Geist, welcher uns gegeben ist).“⁶⁰⁷

2.1.2.10 gratia infusa oder donatio spiritus sancti? – Versuch einer Explikation Der immer wieder gegen Schaeder vorgebrachte Vorwurf, er vertrete – sowohl aufgrund seiner Rede vom „Haben“ oder „Besitzen“ Gottes als auch wegen des wiederholten Bezugs auf Röm 5,5 – die katholische Lehre von der gratia infusa,⁶⁰⁸ wird man deshalb ebenso als Fehleinschätzung zurückweisen müssen wie die substanzontologische Vorstellungsweise, der zufolge das „Haben“ Gottes im Sinne einer bleibenden menschlichen Beschaffenheit, einer immanenten Qualität bzw.

 AaO.,  (Anm.).  Glaubenslehre,  f (Hervorhebung hinzugefügt).  Pfarrer, . Vgl. Brunner, Rezension, .

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eines eingegossenen Zustandes (habitus infusus) zu verstehen ist.⁶⁰⁹ Nach Schaeder, der unter Berufung auf Äußerungen Schleiermachers die unverfügbare und distanzwahrende Selbstmitteilung Gottes nochmals nachdrücklich unterstreichen kann, muss vielmehr gelten: „Liebe ist Seele werden im Anderen; Liebe Gottes, Gnade ist ‚Geist‘ werden im Anderen, im ganz Anderen, in den endlichen Kreaturen, in den Sündern, die Gottes Feinde sind.“⁶¹⁰ Die Beziehung der Liebe und damit die Gnade Gottes wird man demnach relationsontologisch als diejenige Wirklichkeit zu denken haben, welche den Menschen durch permanente pneumatische Partizipation – allein also durch die freie, den Menschen von sich selbst befreiende Immanenz des Heiligen Geistes – als Beziehungspartner so konstituiert, dass dieser ohne den beständigen Empfang des göttlichen Geistes sogleich wieder seiner egozentrisch-relationsnegierenden Platzanmaßung verfallen muss.⁶¹¹ Dass der Geist, die Liebe, die Gnade Gottes im Innersten des Glaubenden ist und sein Personzentrum ausfüllt, bedeutet also bezeichnenderweise zugleich, dass der Glaubende außerhalb desselben ist, lebt und wandelt. Der Geist, die Liebe Gottes und seine Gnade sind folglich ganz und gar nicht als ein eingegossener und einwohnender Zustand (habitus infusus und inhaerens) zu begreifen, sondern vielmehr als eine dynamische göttliche Wirklichkeit, welche beständig im Glaubenden so wirkt, dass sie ihn von sich selbst befreit und aus seinem Personzentrum heraussetzt.⁶¹² Den ekstatischen Charakter der Wirkungsweise des Geistes Gottes wird man dabei weniger im Sinne einer Versetzung in den in Jesus Christus offenbaren Gott extra nos ⁶¹³ als vielmehr im Sinne der von außen das Innerste erreichende, Befreiung von der Selbstfixierung bewirkende und auf das Christusgeschehen extra nos beziehende Gottesgegenwart in nobis bestimmen dürfen. Die „innerste Bewußtseins-Immanenz Gottes bei uns“⁶¹⁴ besagt nach Schaeder – so lässt sich pointiert festhalten – niemals die Herrschaft über Gott, sondern vielmehr das Beherrschtwerden durch Gott, niemals die substantiale Einheit von Gott und Mensch, sondern vielmehr die wirkende Gegenwart Gottes im Innersten des  Vgl. Jüngel, Rechtfertigung,  ff.  Pfarrer, .  Vgl. Härle, Dogmatik, .  Jüngel, Rechtfertigung, .  So kann Pannenberg z. B. darauf verweisen, dass die „Erhebung des Menschen zu Gott durch den Geist des Glaubens und der Hoffnung […] ein ‚neues Sein‘ des Glaubenden außerhalb seiner selbst in Christus und (durch ihn) in Gott begründet“, bzw. dass Glaube und Hoffnung „den Menschen in den in Jesus Christus offenbaren Gott hineinversetzen“. Dabei gilt: „[G]erade dadurch, daß uns der Glaube in den Christus extra nos versetzt, ist Christus nun auch in uns.“ Siehe: Pannenberg, Systematische Theologie ,  f u. . Vgl. aaO., . .  Geistfrage, .

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Menschen,⁶¹⁵ niemals eine Anthropologisierung des Geistes Gottes, sondern vielmehr die beherrschende Neuzentrierung des Menschen. Damit verschafft sich die bereits im Rahmen der Erkenntnistheorie behandelte Inversion der SubjektObjekt-Relation auch bei der relationsontologischen Bestimmung des Menschen deutlich Ausdruck.⁶¹⁶ Denn lässt sich – trägt man Schaeders theozentrischer Orientierung Rechnung – Gott allein als Subjekt, nicht aber als irgendwie gegebenes Objekt bzw. irgendwie gegebene Substanz, Wirklichkeit oder Persönlichkeit bestimmen,⁶¹⁷ dann bedeutet dies zugleich, dass es eine heilsame Beziehung des Menschen zu Gott nur dann geben kann, wenn Gott als Subjekt durch seine liebende Selbstmitteilung diese Relation zum Menschen als Objekt bewirkt und durch sein permanentes Schöpfungshandeln aufrechterhält. Relationsontologisch gesehen ist damit einer eigenwilligen Verfügbarkeit des Menschen über sein Leben gewehrt. Denn allein durch Gottes freie und unverfügbare Anwesenheit im Menschen erfährt der Mensch als Objekt Befreiung von sich selbst und wird damit als Subjekt erst konstituiert. Der Subjektcharakter des Objekts gründet somit in nichts anderem als in der innigsten, von Gott als Subjekt ausgehenden Relation, welche in ihrer permanenten schöpferischen Kraft das in der Beziehungslosigkeit verharrende Objekt zu einem beziehungsfähigen Subjekt umgestaltet. Das neue Leben des Menschen wird man deshalb nicht als sein eigenes, verfügbares Leben, sondern nur als ein Leben, das Christus in ihm führt, bestimmen dürfen.⁶¹⁸ Findet aber das „ich selbst“, als das der Mensch sich im Nein zu seinem Schöpfer konstituierte und als das er wähnte, frei zu sein, durch das In-sein Gottes sein Ende und nimmt zugleich ein neues Leben für Gott seinen Anfang, dann wird man festhalten dürfen: Der Heilige Geist als das In-Sein Gottes überkommt den Menschen nicht als eine vergewaltigende Kraft, er schaltet das menschliche Ich nicht aus, sondern er befreit den Menschen zu der ihm vom Schöpfer gegebenen Bestimmung.⁶¹⁹ Eben diese Erlösung des Menschen von seinem eigenmächtigen, durch Beziehungslosigkeit geprägten Leben findet in dem paulinischen Satz „Ich lebe, – aber nicht mehr als ich selbst, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20)⁶²⁰ ihren charakteristischen Niederschlag und dürfte Schaeders Verständnis der „innersten Bewußtseins-Immanenz Gottes“ beim Menschen treffend beschreiben.

     

Vgl. Pannenberg, Systematische Theologie , . Vgl. oben S.  ff. Theozentrische Theologie  (),  f. Vgl. Rohde, Galater, . Vgl. Schlink, Dogmatik, . AaO., .

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Die Einsicht in die Inversion der Subjekt-Objekt-Relation erlaubt es also, die Teilhabe des Geschöpfes an Gott ohne Beeinträchtigung der göttlichen Souveränität und Majestät Gottes zu denken und zugleich den Begriff eines der Seele verliehenen, dem kreatürlichen Seinszustand des Menschen zurechenbaren Gnadenhabitus zurückzuweisen.⁶²¹ Denn im Unterschied zum habitus als einer dauerhaften Haltung oder Einstellung, welche nach Aristoteles normalerweise durch häufige Wiederholung gleichartiger Handlungen erworben (habitus acquisitus), nach Auffassung der scholastischen Theologie in diesem Fall aber von Gott eingegossen wird (habitus infusus),⁶²² meint Liebe oder Gnade Gottes nach Schaeder nicht eine tugendhafte Grundhaltung der menschlichen Seele oder des Willens, sondern – weil als Selbstmitteilung Gottes verstanden – die mit Gott selbst identische Gabe, nämlich der Heilige Geist, der dem Menschen gegeben ist.⁶²³ Gehört Gnade demnach nicht nur dem personalen Gegenüber Gottes zum Menschen an, sondern ergreift diesen auch selbst und wird ihm als Gabe zugeeignet, dann wird man – um dem Missverständnis einer geschaffenen Gnade zu wehren – dieses donum pneumatologisch als donatio spiritus sancti näher explizieren müssen. Mit anderen Worten aber heißt dies: Gerade auch als Gabe ist die Gnade mit Gott selbst identisch, doch nicht so, dass sie sich in eine menschliche qualitas auflöst, sondern so, dass sie – verstanden als unüberbietbare Nähe Gottes durch seinen Heiligen Geist – gerade relational bestimmt bleibt.⁶²⁴

2.1.2.11 Gegen ein rein forensisches Rechtfertigungsverständnis Findet nun die soeben beschriebene relationale Bestimmtheit der Gnade Beachtung, dann lässt sich die Rechtfertigung des Sünders nicht – wie etwa nach Auffassung der scholastischen Theologie – als teleologisch-ontologischer Prozess beschreiben, bei dem die als Gerechtmachung sich ereignende Gnadeneingießung (gratia infusa) und die am Ende des Lebens als Gerechtsprechung erfolgende Vergebung der Sünden (remissio peccatorum) sachlich-logisch auseinanderfal-

 So fasste z. B. die Hochscholastik die in die Herzen der Menschen ausgegossene Liebe zwar als übernatürliche Gnadengabe (gratia creata) auf, rechnete sie aber doch bei aller Berücksichtigung ihrer Verbundenheit mit dem Wirken des Heiligen Geistes selbst dem kreatürlichen Seinsbestand des Menschen zu. Vgl. Pannenberg, Systematische Theologie , . .  Pannenberg, Systematische Theologie ,  f.  Vgl. aaO., . Nach Schaeder lässt sich also die Gabe nicht als unpersönliche Kraft vom Geber ablösen, sondern gibt diesen selbst. Vgl. Käsemann, Geist, .  Vgl. Pannenberg, Systematische Theologie , .

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len.⁶²⁵ Denn Gnade und damit die Selbstmitteilung des gnädigen Gottes meint nach Schaeder nicht die Umwandlung des Sünders durch einen eingegossenen übernatürlichen Gnadenhabitus, nicht eine Gerechtmachung, welche sich in moralischen Tugenden entfaltet und als notwendige Voraussetzung für die letztgültige Gerechtsprechung des Menschen im jüngsten Gericht zu gelten hat,⁶²⁶ sondern die – von Gott selbst ausgehende – Eröffnung einer neuen, innigsten Beziehung zwischen Gott und Mensch. Der Glaube als ein „Haben“ Gottes lässt sich dann – tritt doch an die Stelle der qualitativ-moralischen Betrachtungsweise die Denkweise der Relation – nicht als Seelenqualität, Tugend oder Werk der Handlungs- u. Leistungsdimension des Menschen zuordnen, sondern muss als der Modus des reinen und permanenten Empfangens näher bestimmt werden.⁶²⁷ In Übereinstimmung mit reformatorischer Auffassung wird man also auch im Sinne Schaeders die Grenze überall dort als überschritten sehen müssen, wo die Qualität und Moralität des natürlichen oder geistlichen Menschen in irgendeiner Weise wieder zum Wirklichkeits- oder Möglichkeitsgrund für die Rechtfertigung des Sünders und sein Bestehen im Gericht wird.⁶²⁸ Schaeders Rede vom „Haben“ oder „Besitz“ Gottes wäre deshalb grundsätzlich missverstanden, wollte man sie als Bezeichnung für etwas Geschaffenes im Menschen verstehen und mit einem effektiv-prozesshaften Rechtfertigungsverständnis in Verbindung bringen. Mit seiner Explikation des Glaubens als Haben Gottes wendet sich Schaeder vielmehr dagegen, die Rechtfertigung „bloß ein transzendentes, streng objektiv bleibendes oder von der lebendigen Bewegung unseres inwendigen Menschen abgeschiedenes Urteil Gottes über uns“ sein zu lassen.⁶²⁹ Diese Kritik an seinem Greifswalder Lehrer Hermann Cremer kann Schaeder dann wie folgt ausführen: „Nein, sie [die Rechtfertigung] ist zugleich eine auf uns selbst, an uns selbst, an unserem konkreten Lebensbestand, an unserem Schuldbewußtsein und unserem bösen Willen wirkende Handlung Gottes. Gott urteilt nie bloß, ohne daß er zugleich dem Urteil entsprechend handelt. Jede andere Auffassung ist eine künstliche, begriffliche Abstraktion, welche die Tatsache des ‚lebendigen‘ Gottes, bei dem Urteilen und Tun eins ist, beiseite

 Vgl. Hamm, Rechtfertigungslehre,  f. Nach Hamm gilt im Blick auf die mittelalterlichkatholische Theologie: „Die Sündenvergebung des rechtfertigenden Gottes hat in der Gnadenausstattung des Menschen, in den nachfolgenden guten Werken und im Freisein von Akten der Todsünde genau jenen ermöglichenden Seinsgrund, der dann auch zur Bedingung für die Beseligung des Menschen nach dem Tode wird“ (aaO.,  f).Vgl. auch Jüngel, Rechtfertigung,  ff.  Vgl. Hamm, Rechtfertigungslehre, .  AaO., .  AaO., .  Theozentrische Theologie  (), .

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schiebt.“⁶³⁰ Gegen einen rein forensisch, rein imputativ, rein deklaratorischextrinsezistisch verstandenen Rechtfertigungsbegriff ⁶³¹ betont Schaeder also die unauflösliche Verbindung des göttlichen Urteils mit dem das Sein des Menschen effektiv verändernden Handeln Gottes. Für ein sachgemäßes, dem Worte Gottes entsprechendes Verständnis des Rechtfertigungsvorganges muss deshalb – so kann Schaeder in seinem Werk „Das Wort Gottes“ formulieren – die bekannte, immer wiederholte Unterscheidung zwischen einer Gerechterklärung und einer Gerechtmachung der Sünder aus Glauben ihren Sinn verlieren: „Die Gerechterklärung ist Gerechtmachung, und umgekehrt. Gott ist überhaupt nie und in keinem Falle nur der über den Menschen Urteilende. Wie er ihn beurteilt, so handelt er an ihm oder wirkt er auf ihn.“⁶³² Rechtfertigung besteht somit nach Schaeder darin, „daß Gott dem Sünder, der in Schuld und Gericht von ihm geschieden ist, im Heiligen Geist den Glauben schenkt. Hierin wirkt sich das rechtfertigende Urteil Gottes aus, und in demselben Zuge ist dies die rechtfertigende Tat Gottes. Hinter dem Doppelten aber, dem Urteil und dem Handeln, das in der schöpferischen Wirkung des Glaubens zustande kommt, steht als sein zureichender Grund die Gnade Gottes, die in Christus Versöhnung vollzog und nun die Versöhnung zueignet. Was ist das Ganze anders als tiefstes, charakteristisches Herrschertum Gottes? Anders als wirksame Bekundung der souveränen Majestät und Liebe Gottes?“⁶³³ Zusammenfassend wird man somit festhalten dürfen: Rechtfertigung meint nach Schaeder – trägt man dessen pneumatischem Theozentrismus Rechnung – nichts anderes als die Herstellung einer in der göttlichen Selbstmitteilung begründeten innigsten Glaubensgemeinschaft zwischen Gott und Mensch.⁶³⁴ Schenkt sich Gott demnach selbst dem Menschen und ist Christus durch den Heiligen Geist im Glauben anwesend, dann wird man – beachtet man Schaeders theozentrische Orientierung und die Inversion der Subjekt-Objekt-Relation – die Gerechtigkeit des Menschen zwar als eine „fremde“, zugleich aber auch als eine

 Theozentrische Theologie  (), . Nach Schaeders Überzeugung erwuchs Cremer diese Erkenntnis insbesondere „in der Auseinandersetzung mit der katholisierenden Rechtfertigungslehre“ seines Lehrers Johann Tobias Beck. Siehe: Cremer und Ritschl,  f.Vgl. Rieger, Schlatters Rechtfertigungslehre,  ff.  Cremers Verständnis der rechtfertigenden Gnade Gottes kann Schaeder als einen „bloß […] objektiv über dem Menschen stehenden oder ihm geltenden richterlichen Spruch“ charakterisieren und deshalb von einer „reine[n], forensische[n] Objektivität des Rechtfertigungsvorgangs“ reden. Siehe: Theozentrische Theologie  (), .  Wort Gottes, .  Wort Gottes,  f.  Vgl. z. B. Pfarrer, : Unter Rechtfertigung versteht Schaeder hier „eine wirkliche Selbstversetzung des heiligen, liebenden Gottes in die Glaubensgemeinschaft mit dem Sünder“.

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das Sein des Menschen beherrschende Wirklichkeit bestimmen dürfen. Denn das eigentliche Subjekt und die handelnde Person bleibt der in der ganzen Fülle seines göttlichen Wesens im Glauben gegenwärtige Christus, der durch sein unaufhörliches Kommen den Menschen an seiner Person und Werk partizipieren lässt und somit als alleiniger Grund für die Gerechterklärung und Gerechtmachung des Menschen zu gelten hat⁶³⁵. Pointiert formuliert aber heißt dies: Der Mensch empfängt seine Gerechtigkeit nicht von Christus, sondern nur mit Christus.⁶³⁶ Insofern wird man den Vorwurf, Schaeder vertrete die katholische Lehre von der gratia infusa und ein daraus resultierendes ontologisch-teleologisches Rechtfertigungsverständnis nachdrücklich zurückweisen und v. a. im Motiv des im Glauben gegenwärtigen Christus sowie in der Ablehnung eines einseitig forensischen Rechtfertigungsverständnisses eine deutliche Übereinstimmung mit Luther feststellen dürfen.⁶³⁷ In Analogie zu Luther lässt sich deshalb auch für Schaeder formulieren: „Glaubst du, so hast du, glaubst du nicht, so hast du nicht“.⁶³⁸ Entgegen jeder Annahme einer substantiellen Vereinigung des Menschen mit Gott ist damit die das menschliche Sein zutiefst bestimmende und nach Schaeder nur als permanente Rezeption zu explizierende Partizipation des Glaubenden an der göttlichen Wirklichkeit deutlich zum Ausdruck gebracht. „Besitz“ oder „Haben“ Gottes meint nicht – dies sei nochmals hervorgehoben – einen in die menschliche Verfügbarkeit gestellten habitus, sondern – weil relationsontologisch gefasst – nichts anderes als die geistgewirkte inhabitatio Dei bzw. die permanente, den Menschen neu lozierende donatio spiritus sancti. Die Geistfrage erweist sich somit auch bei der ontologischen Bestimmung des Glaubenden als Kernfrage der Theologie. Denn allein Gottes wirkende Gegenwart durch seinen Heiligen Geist,  So kann Schaeder z. B. formulieren: „Er [Jesus Christus], der uns in der Form eines Erinnerungsbildes berührt, er, von dem uns gesagt wird, daß er für uns starb und auferstand, er überwindet Zeiten und Räume. In voller Gegenwart wird er der unsere. Und mit ihm wird unser Besitz, was er für uns ist und für uns hat: die Aufhebung der Schuld, der freie Zugang zu Gott, das erneuerte, erlöste Leben.“ Siehe: Weg, .  Vgl. Wolf, Peregrinatio, .  Auch wenn die Lutherinterpretation der finnischen Lutherforschung als umstritten gelten muss, wird man es dennoch als deren Verdienst werten dürfen, sowohl auf ein ausschließlich imputativ gefasstes und Luthers Position damit unzulässig verengendes Rechtfertigungsverständnis aufmerksam gemacht als auch das für den Reformator bedeutsame Motiv des im Glauben gegenwärtigen Christus mit Nachdruck hervorgehoben zu haben. Vgl. Flogaus, Theosis, ; Mannermaa, Glauben,  ff.; Saarinen, Teilhabe,  ff.  WA , , f. Diese Formulierung erweist sich nur dann als theologisch sinnvoll, wenn ihr Kontext und damit Luthers Gedanke eines durch den Glauben rezipierten und ratifizierten „fröhlichen Wechsels“ Beachtung findet.Vgl. Jüngel, Freiheit, . Die von Schaeder immer wieder betonte und nicht nur erkenntnistheoretisch bedeutsame Inversion der Subjekt-Objekt-Relation trägt dieser Forderung Rechnung.

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allein die auf Gottes Selbstmitteilung begründete Teilhabe des Menschen an der göttlichen Wirklichkeit ist es, die den Menschen in ihrer permanenten schöpferischen Kraft als Beziehungspartner so konstituiert, dass dieser ohne den beständigen Empfang des göttlichen Geistes bzw. ohne die Gegenwart Gottes durch seinen Heiligen Geist sogleich wieder seiner egozentrisch-relationsnegierenden Platzanmaßung und damit der Beziehungslosigkeit verfallen muss. Diese das Sein des Menschen effektiv verändernde Neukonstituierung bildet auch den entscheidenden Deutungs- und Interpretationsrahmen jeder Selbst- und Welterfahrung: „Wer ihn [Gott] hat, sieht sich anders an, als wer ihn nicht hat. Er sieht auch seine Welt anders an. Sie ist ihm nicht mehr nur ein Ganzes natürlicher Kräfte oder Energien, die gesetzmäßig aufeinander wirken. Sie ist ihm nicht mehr nur ein Forschungsgebiet der endlichen Vernunft, […] auch nicht mehr nur die Stätte einer endlichen Geschichte […]. Dies alles ist sie ihm auch und bleibt es, solange er in diesem zeitlich-sinnlichen Leben steht. Aber zugleich ist sie ihm der Bereich, den Gottes majestätischer, heiliger Liebesgeist immer schafft und will, immer durchwaltet und im Inwendigen der Menschen, welche zum Glauben kommen, auf die Stufe neuen, gottgeeinten, befreiten Lebens hebt. Sieht der Glaube die Welt so von Gott aus an […], dann wird in seiner Seele die gewisse Hoffnung lebendig, daß ihre Unvollkommenheiten, ihre Endlichkeiten, ihre Sünde und ihre Schuld, ihre Gerichte und ihre Erschütterungen nicht das letzte Wort für sie sind. Dies Wort kann nur die vollkommene Herrschaft Gottes in ihr und an ihr sein, die jeden Mangel an ihr tilgt und die sie zu einer sichtbaren Stätte der Offenbarung Gottes macht. Tritt dies ein, dann wird der Gott der Majestät, den der Glaube erkennt und hat, alles in allem sein.“⁶³⁹ Glaube bleibt insofern mitten in seinem Besitzen Sehnsucht, aber Sehnsucht, welche in der Form glaubensgewisser Hoffnung einer vollkommenen Vereinigung mit Gott durch Christus entgegenstrebt. Schaeder kann deshalb formulieren: „Gewiß nimmt der Glaube, indem Gottes Geist in ihm wirkt, den ganzen Menschen mit dem Innersten seines Gemütes und seiner Gesinnung in Anspruch. Aber er faßt Gott nur so, daß er ihm von Herzen vertraut. Nur so hat er Gemeinschaft mit dem nahen Gott. Davon, daß unser Leben hier in der Zeit in eine wesenhafte Verbindung mit Gott träte, davon also, daß die Gemeinschaft mit ihm eine unverlierbare wäre, ist nicht die Rede (2. Kor. 5,7). Glaube kann vergehen, wie alles Endliche vergehen kann.“⁶⁴⁰ Der den Menschen effektiv verändernde und neu konstituierende Glaube, welcher Gott, Welt und Mensch auf eine neue Weise zu verstehen

 Der lebendige Gott, .  Herzpunkt, .

2.1 Der Glaube als direktes Wirklichkeitsverhältnis

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und zu erleben gibt, bleibt somit – weil relational bestimmt – stets auch der angefochtene.

2.1.3 Die Mystik des Glaubens 2.1.3.1 Vermittelte Unmittelbarkeit In direktem Zusammenhang mit der Rede von der unüberbietbaren, aber dennoch relational bestimmten Nähe oder Gegenwart Gottes im Menschen steht bei Schaeder die von seinen Gegnern heftig umstrittene Verwendung des Begriffs „Mystik“. Für Schaeder gilt es dabei – wie er bereits zu Beginn seiner Ausführungen betont – als ausgemacht, dass es durchaus „eine reich differenzierte Mystik gibt, die von dem, was geistgewirkter Glaube an den Gott und Christus des Wortes heißt, durch elementare religiöse Kontraste getrennt ist“.⁶⁴¹ Den oft zitierten, generalisierenden Satz Rudolf Ottos: „wer Geist sagt, sagt Mystik“⁶⁴² vermag Schaeder – wohl auch aufgrund neuster Untersuchungen seiner Zeit – deshalb nicht nachzusprechen. Vielmehr habe zu gelten: „Geist und Geist ist zweierlei, es gibt göttlichen Geist, der in seinen Wirkungen mit einem umfassend weiten Bereich von Mystik nichts zu tun hat. […] Daß Glaube und bestimmt geartete Mystik heute in einer Art von Entscheidungskampf miteinander stehen, kann niemand abstreiten.“⁶⁴³ Um Missverständnisse zu vermeiden, legt Schaeder deshalb mit Nachdruck diejenige Auffassung dar, die seiner Meinung nach allein eine Verwendung der Begriffskombination „Mystik des Glaubens“ zu rechtfertigen vermag: Man will damit – so kann er seine leitende Intention beschreiben – „den Glauben als das, wenn auch wortvermittelte, so doch unmittelbare, wirksame, d. h. im heiligen Geiste wirksame Näheverhältnis Gottes zum endlichen Geiste hinstellen […]. Das wirksame Näheverhältnis oder Näheverhalten Gottes aber ist, weil es sich in dem dazugehörigen Wort um das Evangelium von Christus handelt, immer auch wirksame Nähe Christi.“⁶⁴⁴ Als konstitutiv für die Mystik erweist sich somit – wie Schaeder unter Aneignung einer Äußerung von Adolf Deißmann

 Theozentrische Theologie  (), .  Vgl. ebd. und Selbstdarstellung, . In seiner Selbstdarstellung aus dem Jahr  bezieht sich Schaeder noch positiv auf Ottos Äußerung. Maßgeblich für die veränderte Einschätzung Schaeders in der zweiten Auflage des zweiten Bandes der Theozentrischen Theologie dürfte v. a. Gerhard Heinzelmanns Untersuchung „Glaube und Mystik“ aus dem Jahre  gewesen sein.  Theozentrische Theologie  (), .  AaO.,  f.

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formulieren kann – die durch das Wort vermittelte und durch den Heiligen Geist gewirkte „Unmittelbarkeit der Verbindung mit der Gottheit“.⁶⁴⁵ Das Wort „Glaubensmystik“ bzw. „Mystik des Glaubens“ leistet dann aber nach Schaeder ein Doppeltes: „Einmal führt es einen Stoß in jedes deistische Verständnis des Glaubens, das ihn zersetzt. Es stellt den Glauben als die Gegenwartsbeziehung zu Gott hin, die nichts mehr zu tun hat mit rationalen Schlüssen über ihn oder mit irgendwelchen eigenkräftigen Erkenntnisversuchen in bezug auf ihn, die vielmehr ein persönliches Erfaßtwerden durch ihn, unseren Herrn, bildet.“⁶⁴⁶ Darüber hinaus aber hebt dieser Begriff „den geschichtlichen Christus des Evangeliums über die geschichtliche Distanz vom Glaubenden hinaus in dessen unmittelbare, wirksam erfahrbare Nähe.“⁶⁴⁷ Auch wenn sich somit sowohl ein deistisch verzerrtes als auch ein geschichtlich distanziertes Glaubensverhältnis abwehren lässt, so weiß Schaeder doch zugleich auch um die mit der Begriffsverwendung verbundene Gefahr einer „Verwechslung von Glaube und aller dem Glauben fremdartig gegenüberstehenden Mystik“⁶⁴⁸. Einen Verzicht auf die Verwendung des Ausdrucks „Mystik“ hält Schaeder deshalb – da es ihm primär um die „Sachfrage“ geht⁶⁴⁹ – prinzipiell für möglich: „Das Wort tut es selbstverständlich nicht. Es könnte fallen.“⁶⁵⁰

2.1.3.2 Festhalten am Begriff „Mystik“ Vor allem aus drei Gründen spricht sich Schaeder dann doch mit Nachdruck für die Beibehaltung des umstrittenen Begriffs aus: „Erstlich […] hat sich die Bezeichnung des Mystischen für den […] Gesichtspunkt der Christus- und Gottesnähe im Glauben innerhalb des theologischen Sprachgebrauchs eingebürgert. Es besteht die Gefahr, daß mit dem Ausdruck auch die Rücksicht auf die Sache oder ihr Verständnis schwindet.“ Zweitens werde eben – so Schaeder weiter – mit dem Gesichtspunkt der unmittelbaren, erfahrbaren Gegenwart Gottes ein tiefstes Interesse aller lebendigen Religiosität bezeichnet. In diesem Interesse fänden sich die religiöse Mystik und der Glaube zusammen, auch wenn bei beiden die Verwirklichung sehr ver-

 Deissmann, Paulus,  (Hervorhebung hinzugefügt)  Theozentrische Theologie  (),  (Hervorhebungen hinzugefügt).  Ebd. (Hervorhebung hinzugefügt).  Ebd.  Vgl. z. B. Geistfrage,  ff: Alles komme darauf an – so betont Schaeder dort im Blick auf den „Begriff des Mystischen“, „daß wir uns über die Sachfrage einigen. Die Namenfrage rückt dann an die ihr zukommende sekundäre Stelle.“  Theozentrische Theologie  (), .

2.1 Der Glaube als direktes Wirklichkeitsverhältnis

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schieden gedacht werde. So bilde z. B. der persönliche Gott, die persönliche Ichbeziehung zu diesem Gott, das vermittelnde Wort, der wortgebundene Geist und seine Wirkungen das streng festgehaltene Reservatum des Glaubens. Nur beim Glaube sei deshalb jene oben genannte mystische „Grundtendenz“ rein durchgeführt. Bei der übrigen religiösen Mystik sei dies nicht der Fall.⁶⁵¹ Nach Schaeder tritt dazu ein Drittes: „Paulus hat in jenen Sätzen, die jedermann kennt, z. B. Gal. 2,20: es lebt in mir Christus, oder Röm. 5,5: die Liebe Gottes ist ausgegossen in unseren Herzen, zweifellos Vorstellungen verwandt und christlich umgebildet, die der außerchristlichen Mystik eigentümlich waren. Er hat dem glaubenswidrigen Mißbrauch dieser Vorstellungen, wie man aus Gal. 2,20 sieht, sofort dadurch gewehrt, daß er sie mit dem Glauben an das evangelische Wort in den unbedingten Zusammenhang gebracht hat.“⁶⁵² Mystik und Glaube dürften sich bei Paulus demnach – so Schaeder weiter – in einer tiefsten religiösen Lebenstendenz getroffen haben, allerdings mit dem Unterschied, dass sie im Glauben normal, d. h. der Offenbarung Gottes in Christus entsprechend, gelebt wurde, in der außerchristlichen Mystik aber nicht. Pointiert formuliert er: „[D]er Glaube hat das Mystische sozusagen in, der Wirklichkeit Gottes entsprechender, Reinkultur; außerhalb des Glaubens tritt es lädiert auf“.⁶⁵³ Auch wenn diese Aussage eine bestimmte Definition des Begriffs Mystik voraussetzt⁶⁵⁴ und insofern letztlich der „Namenfrage“ zuzurechnen ist, so betont Schaeder nochmals – v. a. kritisch gegen Emil Brunners rein promissionales Wortverständnis gerichtet – mit Nachdruck die Sachfrage: „Worauf es ankommt, ist das andere, daß gegenüber der Beurteilung des Offenbarungswortes als promissio die geistgewirkte Gottes- und Christusnähe, deren Wirkung oder Ausdruck der Glaube ist, intakt bleibt.“⁶⁵⁵ Demnach ist es letztlich nichts anderes als Gottes unüberbietbare Nähe, genauer: die geistgewirkte und damit unmittelbare Gottes- und Christusnähe, welche

 AaO., .  Ebd.  AaO., . Schaeder formuliert diese Aussage dort als rhetorische Frage.  Wenn man wie der damalige Tübinger Privatdozent F. K. Schuhmann der Mystik jeglichen „religiösen“ Charakter abspricht und somit letztlich eine „Säkularisierung“ der Mystik vollzieht, dann wird man – so Schaeder – auch den Begriff Glaubens- oder Christusmystik ablehnen müssen. Vgl. Mystik,  f; Theozentrische Theologie  (),  und Geistfrage, . Schaeder dagegen hält es für ein aussichtsloses Unternehmen, der Mystik grundsätzlich den religiösen Charakter abzusprechen: „[S]elbstredend ist Mystik nichts spezifisch Religiöses; selbstredend gibt es jene schwebenden, mehr oder weniger in die Weite des bloßen Diesseits gehenden Einsempfindungen. Doch es gibt sie eben auch einem Alles durchdringenden, in Allem wirkenden Einen gegenüber, das so gefaßt ganz gewiß nicht der Gott der Offenbarung ist, aber etwas von ihm enthält, nämlich Weltimmanenz, allertiefstes, wirksames Nahesein.“ Siehe: Mystik, .  Theozentrische Theologie  (), .

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

Schaeder durch den Begriff „Mystik“ des Glaubens inhaltlich zum Ausdruck gebracht wissen will und auf die er – ob nun mit dem Begriff „Mystik“ versehen oder nicht – nachdrücklich verweist. Ins Blickfeld rückt damit auch hier wieder die Kernfrage der Theologie: die Pneumatologie. Denn der Glaube lebt – wie Schaeder den „Gehalt“ der Glaubensmystik an anderer Stelle ausführlich wiederzugeben vermag – „von der Synthese zwischen Gott und dem glaubenden Subjekt oder von der strikten Nähe Gottes“⁶⁵⁶. Mit anderen Worten aber heißt dies: Die Liebe oder Gnade Gottes in Christus wird „vom Glaubenden als eine seine Subjektivität unmittelbar (wenn auch durchs Wort vermittelt) bewegende und bestimmende Kraft erlebt […]. Sie wird als die Größe erlebt, die den Glauben wirkt oder die den endlichen, mit der subjektiven Gesinnung verflochtenen Willen zum trauenden Glauben und durch diesen zur hingebenden Liebe bestimmt. Eben das Unmittelbare dieser göttlichen Geisteswirkung drückt man mit der Wendung: Nähe Gottes im Glauben aus, oder will man mit der Wendung Mystik des Glaubens bezeichnen.“⁶⁵⁷

2.1.3.3 Präzise Unterscheidung von Gott und Mensch Immer wieder gibt Schaeder auch die andere Seite zu bedenken, welche es bei der vermittelten Unmittelbarkeit zwischen Gott und dem glaubenden Subjekt zu beachten gilt: den Gesichtspunkt der striktesten, unbedingten Unterscheidung von Gott und Seele oder von Gott und endlich-persönlicher Kreatur. Denn allein diese Unterscheidung erlaubt es nach Schaeder, von einer durch die vergebende Gnade in Christus hergestellten persönlichen Gemeinschaft der Seele mit Gott oder einem so bedingten Verkehr mit Gott zu reden.⁶⁵⁸ Zum Christentum gehört deshalb – so kann Schaeder gegen „den Strudel der idealistischen Vereinerleiung von Gott und Menschengeist“ betonen – ein bewusst unterscheidendes Denken.⁶⁵⁹ Mystik als Vereinigung des Menschen mit Gott wird man demnach gerade nicht im Sinne einer die Unterschiedenheit nivellierenden Identität, sondern im Sinne der innigsten, die Verschiedenheit wahrenden Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch zu verstehen haben.⁶⁶⁰ Das heißt aber: Das Einswerden, die unio mystica,⁶⁶¹ die

 AaO., .  Ebd.  AaO.,  f.  Christentum im Weltanschauungskampf, . Ohne dieses unterscheidende Denken verlöre der Glaube als Relationsbegriff seinen Bezugspunkt und würde haltlos.  Vgl. Winkler, Mystik, . Vgl. auch Theozentrische Theologie  (), .  Auch Schaeders Lehrer Martin Kähler konnte von einer unio mystica sprechen. Vgl. Mencke, Erfahrung, .

2.1 Der Glaube als direktes Wirklichkeitsverhältnis

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Synthese zwischen Gott und Mensch bringt nicht die Relationalität, mithin die Differenz von Subjekt und Objekt in einer intimen Unschärferelation zum Verschwinden, sondern ist Ausdruck der engsten Relation, der striktesten, nicht zu überbietenden Nähe des im Heiligen Geist präzise vom Menschen unterschiedenen Gottes im Inneren des Menschen.⁶⁶² Glaube oder Glaubensbewusstsein und Mystik lassen sich also nur dann miteinander verbinden, wenn die Geistfrage als Kernfrage der Theologie Beachtung findet. Denn gerade der Heilige Geist ist es, in dem der majestätische Gott dem Menschen näher kommt als dieser sich selber nahe zu sein vermag und dabei doch zugleich der in seiner Souveränität und Externität präzise vom Geschöpf Unterschiedene bleibt. Pointiert kann Schaeder deshalb von einer wortvermittelten Synthese des Geistes Gottes mit unserem Geiste im Glauben reden, „bei welcher der Geist Gottes wahrlich uns gegenüber der Andere, der zutiefst Unterschiedene bleibt, aber nicht […] der von uns Geschiedene, sondern bei welcher er die […] tätige Macht unseres Innenlebens wird und ist“.⁶⁶³ Auch die mystische Beziehung zu Gott lässt sich demnach – weil pneumatisch und damit zugleich dynamisch-kreativ verstanden – als unmittelbare Inanspruchnahme und Befreiung durch Gott selbst oder als Aufhebung der Dislokation der Sünde und definitive Platzanweisung des Menschen durch Gottes unüberbietbares Nahekommen explizieren.

2.1.3.4 Die Mystik des Kreaturverhältnisses Mit der Platzanweisung des Menschen durch Gottes unüberbietbares Nahekommen ist allerdings nur eine Seite der mystischen Beziehung zu Gott angesprochen. Denn der Glaube ist – so kann Schaeder weiter ausführen – nicht nur „Heilsgewißheit oder Gnadengewißheit“, sondern immer auch „Gewißheit unserer Kreaturhaftigkeit Gott gegenüber“. Zum Glauben gehört deshalb eine doppelt geartete mystische Beziehung zu Gott, von denen keine ohne die andere ist: „Eine Mystik des Kreaturverhältnisses ⁶⁶⁴ und eine Mystik des Gnadenverhältnisses. Eine Mystik

 Vgl. oben S.  ff.  Wort Gottes,  (Hervorhebung hinzugefügt).  „Kreatürlichkeit“ meint nach Schaeder nichts anderes als die schlechthinnige Bedingtheit des Menschen durch Gott. Gegen eine deistische Schöpfungsauffassung gerichtet, welche die Kreatürlichkeit des Menschen letztlich zu einem Akt der Vergangenheit macht, unterstreicht Schaeder deshalb mit Nachdruck das fortwährende Schöpfungswirken Gottes (creatio contiua): „Geschöpf Gottes sein und sich im Glauben alle Tage als solches wissen, das besagt, daß wir in jedem Moment unseres Lebens, mit jeder naturhaften Regung, jeder Wendung unseres Blutstromes, mit jedem Aufsteigen eines Triebmotives, mit jedem Gedanken, der uns kommt oder den wir bilden, mit jedem Willensansatz das Gemächte, die Wirkung Gottes sind“. Siehe: Mystik, .

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

natürlicher Lebensverbundenheit mit Gott, an der alle Menschen teil haben, mit ihnen der Glaubende auch, nur mit dem Unterschiede, daß der Glaubende sie kennt und sich bewußt in ihr bewegt. Und eine Mystik der Heilsverbundenheit mit Gott, an der man nur durch Christus im Glauben teil hat. […] [D]ort handelt es sich um einen Anteil am Geiste Gottes, den alle Kreatur hat, hier um den, den nur der Christ oder die Christengemeinde hat.“⁶⁶⁵ Damit verschafft sich auch bei der Verwendung des Begriffs „Mystik“ ein bekannter Sachverhalt Ausdruck: die Differenzierung zwischen Gottes universaler und individueller Gegenwart. Man wird deshalb formulieren dürfen: Meint eine Mystik des Kreaturverhältnisses letztlich nichts anderes als Gottes distanzwahrende universale Nähe, mit der Gott in seiner schöpferischen Machtmajestät und richtenden Heiligkeit den Menschen auch dann nahe ist, wenn er ihnen persönlich fern ist, so lässt sich die Mystik des Gnadenverhältnisses als besondere oder individuelle Nähe explizieren, mit der Gott dem Menschen näher kommt als dieser sich selbst nahe zu sein vermag, die Aufhebung der Dislokation der Sünde bewirkt und im Menschen ein Kindschaftsverhältnis begründet.⁶⁶⁶ Die Verwendung der Begriffe „Mystik“ und „Nähe“ für die Unmittelbarkeit zwischen Gott und dem Menschen erweist sich somit bis in die Differenzierungen hinein als weitgehend kongruent. Den Unterschied wird man deshalb weniger in der inhaltlichen Divergenz als vielmehr – wie v. a. die heftige Kritik an der Verwendung des Begriffes „Mystik“ zeigt⁶⁶⁷ – im unterschiedlichen Provokationspotential der beiden Begriffe bestimmen dürfen.

2.1.3.5 Die Vergegenwärtigung der vergangenen Geschichte Jesu Neben der Explikation des Glaubens als einer doppelt gearteten mystischen Beziehung des Menschen zu Gott tritt nach Schaeder noch ein weiterer, für die Glaubensmystik unumgänglicher Gesichtspunkt: das „Problemgefüge“ Glaube und Geschichte. Indem Schaeder nun auf diese Frage zu sprechen kommt, wendet er seinen Blick wieder auf das Gnaden- oder Erlösungsverhältnis und damit zugleich auf die „Christustatsache“: „Wäre Jesus Christus, in welchem Gottes heilige Liebe an uns versöhnend oder erlösend handelt, nur eine Größe der Geschichte,

 Mystik,  (Hervorhebung hinzugefügt).  Vgl. oben S.  ff. Vgl. auch: Geistfrage,  f. Dort unterscheidet Schaeder im Blick auf die unbedingte Nähe Gottes bzw. im Blick auf „das Mystische im christlichen Glauben“ zwischen einem schlechtweg christlichen und einem allgemein menschlichen Element.  So kann z. B. Brunner die Mystik als „die Tochter der Magie“ bezeichnen und ihr Ehrfurchtslosigkeit gegenüber Gott vorwerfen, weil sie die qualitative Differenz, die absolute Distanz zwischen Gott und Mensch übersehe. Christliche Mystik sei darum ein Gemisch aus Glaube und Mystik, aus Heidentum und Christentum (Brunner, Mystik,  f).

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dann wäre er uns geschichtlichen Menschen von heute schlechtweg fern. Er wäre es, weil er ein Mann einer längst vergangenen Geschichte und weil er der Gekreuzigte oder Gestorbene ist. Keine Kunst der historischen Feststellung vergangenen, geschichtlichen Lebens, keine Kunst der nachsinnenden, kombinierenden oder intuitiven Einfühlung macht aus gewesenem, verstorbenen Leben gegenwärtiges Leben.“⁶⁶⁸ Selbst die Berufung auf einen Jenseits- und Unsterblichkeitsglauben, demzufolge Jesus – wie alle Glaubenden – nach dem Tode mit und in Gott lebe, vermag hier nicht weiterzuhelfen. Denn ebenso wie wir „keinen mit Gott verbundenen Abgeschiedenen“ wirksam nahe haben, bliebe uns auch Jesus Christus als Handelnder fern. Dass dieses unmittelbare Handeln Jesu sich aber nun durch nichts, auch nicht durch seine Worte, die uns Gottes Willen aufdecken, oder durch seine Werke – und sei es sein Versöhnungswerk – ersetzen lässt, macht Schaeder dann mit Nachdruck deutlich: „[E]s ist ein tiefes Mißverständnis des Christentums, wenn man meint, es böte uns irgendwie Werte oder Gaben Gottes, die man […] abgesehen von seiner an uns wirkenden Nähe, haben kann. Die Gabe Gottes an uns ist der Sohn, ist Christus. Er ist uns von Gott gemacht zur Weisheit, zur Gerechtigkeit, zur Heiligung und zur Erlösung. […] Was sind göttliche Gaben: Rechtfertigung, Friede, erneuertes Wollen, ohne Gott selbst? […] Wir haben in Christus den Träger des Geistes Gottes, der uns erlöst. Und diesen Geist Gottes, dies πνεῦμα ἅγιον, diese Gnadengegenwart Gottes haben wir nur, wenn wir Christus haben.“⁶⁶⁹ Ist aber göttliche Liebe oder Gnade, die uns versöhnt und erlöst, in Zeit und Ewigkeit nur da, wenn Christus, der geschichtliche, da ist, dann erklärt dies auch, weshalb der Glaube fest mit der Auferstehung Jesu Christi rechnet. Denn Auferstehung meint nicht nur, dass Jesus Christus den Tod überwindet und nun irgendwie lebt oder weiterlebt, sondern dass er den Tod für uns überwindet, dass er nun wieder zu uns, zur geschichtlichen Menschheit, als der an uns Wirkende und Gegenwärtige, gehört. Infolge der Auferstehung hat also – so kann Schaeder unter pneumatologischem Blickwinkel formulieren – der Geist Christi, welcher Gottes Geist ist, eine Gegenwart in der geschichtlichen Menschheit; eine durch das Wort von diesem Christus zwar vermittelte, aber doch zugleich auch unmittelbar wirkende und erfahrbare Gegenwart. Gottes Liebeshandeln am Menschen findet damit aber nach Schaeder seine Vollendung. Denn Liebe Gottes meint nicht eine ruhende Gesinnung und prägt sich auch nicht nur in einem verzeihenden Urteil über die Menschen aus: „Nein, Liebe Gottes ist Selbstmitteilung Gottes, der Geist ist, an uns, Selbstmitteilung, durch die unser widerstrebender Geist umgedreht wird. Und diese Selbstmitteilung vollzieht sich ein für alle Mal in Christus. Im Geist

 Mystik, .  AaO., . Vgl. auch zum Folgenden: Ebd.

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Christi, der unser wird, liegt sie vor.“⁶⁷⁰ Der Heilige Geist lässt sich demnach als Geist der Vergegenwärtigung des Auferstandenen explizieren, als Geist, durch den die vergangene Geschichte Jesu mit allen ihren Erträgen für uns gegenwärtig wird.⁶⁷¹ Als Geist der Vergegenwärtigung des Auferstandenen ist der Heilige Geist somit zugleich der Geist der Aktualisierung und persönlichen Zueignung des durch Jesus Christus ein für alle Mal erwirkten Heils. Mit Mitteln der historischen Forschung lässt sich deshalb – so Schaeders erneuter Hinweis auf die Verhältnisbestimmung von Glaube und Geschichte – die Christusfrage nicht lösen. Denn die Geschichtswissenschaft, welche sich im Bereich von Wahrscheinlichkeitsaussagen bewege, wisse als Wissenschaft letztlich nichts vom lebendigen Gott und seinen Wirkungen, auch nichts von seinem Verhältnis zu Jesus und seinen etwaigen Wirkungen durch Christus: „Ob Jesus, der Christus ist, der Gesalbte, der Träger des πνεῦμα, der Sohn, der sein eigenartiges Leben vom Vater, von Gott hat, das kann niemals in der Welt die Historie entscheiden. Das weiß man nur, wenn man in der lebensvollen Wirkung des Glaubens das unfaßliche Wunder aller Wunder erfahren hat, daß dieser Jesus in machtvoller Geistäußerung uns erfaßt oder nahegekommen ist. Wir müssen seinen Geist haben, sein πνεῦμα haben, um darüber entscheiden zu können, ob er Geist von Gott hat, ob er der Christus ist, oder ob sein Innenleben wurzelhaft wie in seinen Leistungen dem unseren gleich ist.“⁶⁷² Pointiert formuliert gilt deshalb: „Der Geist Christi, der bei uns ist, zeigt uns, was es um Jesus ist. Gleiches wird ja nur von Gleichem erkannt.“⁶⁷³ Erkenntnistheoretisch tritt damit ein Sachverhalt in den Vordergrund, der sich von der Antike bis in die Moderne hinein immer wieder ausmachen lässt: Gleiches kann nur durch Gleiches erkannt werden; simile simili cognosci. ⁶⁷⁴ Diese auch als Homoion-Satz bezeichenbare gnoseologische Position erklärt einerseits, weshalb die göttliche Wirklichkeit – die Wirklichkeit Gottes und seines Sohnes Jesu Christi dazu das Wirken des Heiligen Geistes – dem natürlichen Menschenverstand unzugänglich bleiben muss. Andererseits aber besagt dieser Homoion-Satz auch, dass der verstehende und erkennende Glaube allein in jener göttlichen Wirklichkeit sein vollziehendes Subjekt haben kann.⁶⁷⁵ Lässt sich Gott demnach nur

 Ebd.  Ebd.; vgl. auch Geistproblem, .  Mystik, . Vgl. auch: Glaubenslehre, . .  Mystik, .  Vgl. Dilschneider, Gnoseologie,  f.Vgl. auch: Ders., Ich glaube,  ff. Ebert spricht in diesem Zusammenhang auch vom „Erkenntnisprinzip der Mystik“ bzw. von einem „mystischen Grundsatz“. Vgl. Ebert, Mystik, . .  Dilschneider, Gnoseologie, . Vgl. auch: Ders., Ich glaube, .

2.1 Der Glaube als direktes Wirklichkeitsverhältnis

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erkennen, sofern Gott als Subjekt sich selbst zum Objekt macht und den Menschen als erkennendes Subjekt konstituiert, dann kann auch die „Christusfrage“ nur gelöst werden, sofern der Geist Christi und damit der geschichtliche Jesus als „übergeschichtliche Gegenwartsmacht“ dem menschlichen Geist nahekommt und ihm durch das Wort die Entscheidung über ihn und für ihn abgewinnt.⁶⁷⁶ Die im Homoion-Satz ausgedrückte gnoseologische Position meint somit letztlich nichts anderes als das, was bereits aus der erkenntnistheoretischen Grundlegung von Schaeders Konzeption bekannt ist: die Inversion der Subjekt-Objekt-Relation. Allein in einer durch diese Inversion der Subjekt-Objekt-Relation zu explizierenden Christus- oder Glaubensmystik liegt nach Schaeder „die letzte Antwort auf die Frage: Glaube und Geschichte“.⁶⁷⁷

2.1.3.6 Charakteristika der Glaubensmystik Auf dem Hintergrund der bisherigen Ausführungen kann Schaeder nun abschließend das charakteristische Wesen der Geist-Gottes-Mystik in vier Punkten zusammenfassen. Schaeder verweist dabei zunächst auf den Geschichtsbezug, welcher der Glaubensmystik im Unterschied zu anderen Formen der Mystik eigen ist: „Das erste, worauf wir zu achten haben, ist die […] Tatsache, daß die Glaubensmystik an Geschichte hängt. Sie denkt in keinem Betracht daran, das Individuum aus dem Zusammenhang der Geschichte zu lösen, sie senkt es tief in ihn hinein.“⁶⁷⁸ Von grundlegender Bedeutung für diesen Geschichtsbezug der Glaubensmystik wertet Schaeder dabei das geschichtliche Auftreten Jesu Christi. Denn Christi Auftreten in der Geschichte offenbart, was Gottes Liebe ihrem Wesen und ihrer Tiefe nach ist: Selbsthingabe Gottes an die Sünder zur Versöhnung mit Gott. Diese relationsstiftende Liebe Gottes lebt in der geschichtlichen Christusperson, die im Glauben eine bewegende und gestaltende Macht unseres Inwendigen wird bzw. ist. Weil aber der Gott der Liebe immer auch der Gott der Majestät und Heiligkeit ist, werden nach Schaeder auch diejenigen Vorgänge der Geschichte, in denen sich diese Seiten Gottes offenbaren – ob sie nun der Geschichte Jesu angehören oder nicht – in das Gegenwartsverhältnis zu Gott hineingezogen.⁶⁷⁹ Bindet die Mystik des Geistes Gottes den Glaubenden an die Geschichte, dann bindet sie ihn – wie Schaeder nun weiter ausführen kann – auch an die Welt und die Natur. Denn „[d]er Gott, dessen wirksame Nähe der Glaubende erlebt, ist ja der dem Ich samt seiner Welt […] gegenüber unbedingt Machtvolle. Und dieser    

Mystik, . Schaeder verweist in diesem Zusammenhang u. a. auf Gal ,. Ebd. Geistproblem, . Ebd.

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Machtbesitz Gottes findet seinen fundamentalen Ausdruck darin, daß Gott die Welt schöpferisch wirkt, und zwar immer, in jedem Augenblick ihres Seins und Werdens. Er will die Welt, und so wirkt er sie. Daher gehört denn zur Mystik des Geistes Gottes dies, daß man nur so mit Gott verbunden ist, daß man die Natur wie die Geschichte will. Der Geist Gottes erweist sich an dieser Stelle als der Bejaher der Natur“.⁶⁸⁰ Neben den Geschichtsbezug tritt als zweites charakteristisches Merkmal der Geist Gottes-Mystik somit der Weltbezug. Diese Bindung an die Welt unterscheidet sich aber nach Schaeder grundlegend von der Bejahung der Natur und Geschichte, wie sie etwa der Mystik des Pantheismus eigen ist. Denn entgegen einer mystisch-pantheistischen Nivellierung der Differenz zwischen Gott und Welt vermag Gott nur auf solche Weise der Natur, der Geschichte und der einzelnen Seele gegenwärtig zu sein, dass er diese Gegenwart in souveräner Freiheit setzt und dabei zugleich von der endlichen Welt grundsätzlich unterschieden bleibt.⁶⁸¹ Hier ist also – so kann Schaeder das Spezifikum der Geistes- oder Glaubensmystik zum Ausdruck bringen – „tiefste Nähe Gottes zugleich tiefste Ferne, unmittelbare, wenn auch durch das Evangelium vermittelte Gegenwart Jesu Christi zugleich vollendete Jenseitigkeit des zu Gott Erhöhten. Diese Mystik ist im vollen Sinne des Wortes paradox. Das ist ihr unausdenkbarer innerer Lebensreichtum.“⁶⁸² Behält nun der Mensch in der Glaubensmystik seine Stellung in der Welt, dann empfängt er zugleich seine sittliche Aufgabe innerhalb der Welt. Damit ist ein weiteres Charakteristikum der Glaubensmystik genannt: die Vereinigung von Mystik und Ethos. Mit Nachdruck spricht sich Schaeder deshalb gegen jeden Versuch aus, gleichsam einem „mystischen Urtrieb“ folgend das Band zwischen Frömmigkeit und sittlichem Handeln zu lösen.⁶⁸³ Vielmehr habe zu gelten: „Der Gott […], der uns in seiner Verbundenheit mit Christus ein gegenwärtiger wird, ist der uns unbedingt bindende, und dies so, daß er uns an seinen fordernden Willen

 AaO., .  AaO.,  f.  AaO., . Überall dort, wo die Paradoxie des Glaubens etwa durch das Urteil des Historismus, Rationalismus oder Ethizismus infrage gestellt und der Geist sowie die rechtverstandene Mystik bekämpft wird, trennen sich nach Schaeder die Wege zwischen einer kirchlichen und einer nichtkirchlichen Theologie. Denn nur dort, wo die Theologie wieder kraftvoll mit dem Geist Gottes rechnet, wird sie nach Schaeder sein, was sie sein muss: kirchliche Glaubenstheologie (AaO.,  f). Kritisch gegen Ritschl gewandt kann Schaeder deshalb formulieren: „Indem Ritschl den Faktor des Geistes Gottes und deshalb das Moment der Mystik historisierend und ethizistisch beiseite schob oder verkannte, hat er diesen Charakter der Theologie, alle sonstige Größe seiner Leistung voll gewürdigt, mit starkem Erfolge angetastet. Es ist ein Streich, von dem wir uns erst langsam wieder erholen.“ Siehe: AaO., .  Ebd.

2.1 Der Glaube als direktes Wirklichkeitsverhältnis

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bindet. Dieser Wille aber weist uns im Dienste Gottes in die Welt hinein.“⁶⁸⁴ In unauflöslicher Korrespondenz zu dieser unmittelbaren Inanspruchnahme steht dabei nach Schaeder die durch Gottes Liebeshandeln bewirkte Befreiung, welche den Menschen zur Gottes- und Nächstenliebe erst befähigt: „Indem er uns durch seinen Geist erfaßt, macht er uns zur Liebe frei. Sie aber ist in ihrer Richtung auf Gott wie auf den Nächsten der Inbegriff der Sittlichkeit oder des Dienstes Gottes.“⁶⁸⁵ Von jeder äußerlichen Gesetzlichkeit oder Legalität ist die Glaubensmystik damit durch eine tiefe Kluft geschieden. Denn nichts Geringeres als die bindende und befreiende Wirkung des göttlichen Geistes wird hier der „Quellort der Sittlichkeit“; einer Sittlichkeit, welche in der Gottes- und Nächstenliebe ihre Vollendung findet.⁶⁸⁶ Als ein letztes Charakteristikum, welches den Unterschied zu anderen Formen der Mystik markiert, nennt Schaeder dann die sozialisierende Funktion der Glaubensmystik oder, negativ formuliert, ihre Abwehr eines jeglichen Triebs nach prinzipieller religiöser Vereinzelung bzw. Individualisierung. Denn der Heilige Geist, der durch das Evangelium den Glauben bewirkt und an einen Gott und einen Jesus bindet, schließt letztlich diejenigen, welche er zum Glauben bringt, zum Organismus der Gemeinde zusammen. Auch wenn ein übersteigerter religiöser Individualismus oder ein religiöses „Eremitentum“ somit abgelehnt werden muss, so verweist Schaeder dennoch darauf, dass es nichts in der Welt des endlichen Geistes gibt, was das individuelle Geistesleben so in Anspruch nimmt, wie die mystische Verbindung mit Gott und Christus.⁶⁸⁷ Ein allertiefstes Einsein des Einzelnen mit Gott komme hier zustande, das unweigerlich zur Pflege eines „streng individuellen Verkehrs“ mit Gott und Christus auffordere.⁶⁸⁸ Schaeder kann deshalb von einer Paradoxie reden, die – ebenso wie Immanenz und Transzendenz – auch „Individualismus“ und „Sozialismus“ miteinander verbinde und durch Gottes Geist in der Mystik des Glaubens bewirkt werde.⁶⁸⁹ Das Dasein des Glaubenden ist also – so wird man formulieren dürfen – ein Sein als Zusammensein mit Jesus Christus selbst, aber ebenso auch ein Zusammensein mit allen, die an ihn glauben, also der Gemeinschaft der Glaubenden bzw. der Kirche.⁶⁹⁰

 AaO.,  f.  AaO., .  Ebd.  AaO.,  ff.  AaO.,  f.  AaO., . Unter Sozialismus versteht Schaeder hier den „Sozialismus des christlichen Gemeinde- und Gemeinschaftslebens“.  Vgl. Jüngel, Eucharistiegemeinschaft, .

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Zusammenfassend kann somit festhalten werden: Überall dort, wo mit der Mystik ein Geschichts- und Weltverlust einhergeht, wo sich sittliche Indifferenz breitmacht und wo die Mystik zu einer Separation von der Gemeinschaft führt, muss die Differenz zwischen der Mystik und der Erfahrung der Gottes- und Christusgegenwart unüberbrückbar bleiben. Denn im Unterschied zu allen anderen Formen der Mystik erweist sich als charakteristisches Kennzeichen der Glaubens- oder Geistesmystik gerade die geistgewirkte Vereinigung⁶⁹¹ von Kontrastmomenten: die Vereinigung von Geschichte und Ewigkeit, von Weltbezug und Fremdheit in der Welt, von Isolation und Sozialisation, von sittlicher Inanspruchnahme und sittlicher Befähigung. Schaeder vermag deshalb zu formulieren: „Ja, der gottgeeinte Glaubende wird in der Welt festgehalten. Doch nur so, daß er in seiner Verbindung mit Gott hoch über sie hinausgehoben wird. […] Ja, er findet in der endlichen Geschichte das Ewige. Aber das Ewige ist dem Endlichen gegenüber das ganz andere. Ja, er lebt nur als Glied der Gemeinde. Aber indem er so lebt, steht er in tiefer Isolierung und Einsamkeit vor Gott und Christus. Ja, er ist sittlich in Anspruch genommen und sittlich in Bewegung gesetzt. Aber dieser Unruhe entspricht die Ruhe innerster Glaubensgemeinschaft mit Gott und Christus, in der ihm das Ewige der den inwendigen Menschen ausfüllende Inbegriff aller Güter ist. Das alles macht Gottes Geist.“⁶⁹² Auf dem Hintergrund dieser inhaltlichen Bestimmung erklärt sich dann von selbst, weshalb Schaeder zahlreiche konkrete Ausformungen der Mystik, sei es nun eine germanische Rassenmystik oder eine theosophische, eine anthroposophische oder gar eine buddhistische Mystik, mit Nachdruck ablehnen muss.⁶⁹³

2.1.4 Die natürliche Anlage für den Glauben Auch wenn Schaeder – wie die Ausführungen zeigten – den Glauben streng relational bestimmen und ihn als wortvermittelte, neuschöpferische Geisteswirkung explizieren kann, dann besagt dies keineswegs, dass damit dem natürlichen Menschen jegliche Disposition für den Glauben⁶⁹⁴ genommen wäre. Man wird deshalb durchaus danach fragen dürfen, „ob dem gottgewirkten Glauben […] in

 Die Kontraste werden also nicht nivelliert oder harmonisiert, sondern „in der Erfahrung einer Gottes- und Christusgegenwart, die wir christliche Mystik nennen“, vereinigt (Geistproblem, ).  AaO., .  Evangelium,  ff.  Zur „natürlichen Anlage für den Glauben“ vgl. auch oben S.  f (Anm.). Auch sein Lehrer Martin Kähler konnte den Begriff der menschlichen „Anlage“ verwenden. Vgl. Wimmer, Geistestheologie,  ff bzw. Mencke, Erfahrung,  ff.

2.1 Der Glaube als direktes Wirklichkeitsverhältnis

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dem geistigen oder persönlichen Wesensbestande des Menschen etwas, eine charakteristische Bestimmtheit entgegenkommt, die als Anlage für den Glauben angesehen werden kann. Anlage selbstredend nicht in dem Sinne, daß der Glaube irgendwie auf dem Wege einer Entfaltung oder Durchbildung aus ihr selber würde […] aber Anlage in dem anderen Sinne, daß das natürliche Personleben eine Bestimmtheit aufweist, an welche Gottes Geist bei der Bewirkung des christlichen Wortglaubens anknüpft.“⁶⁹⁵ Die Frage nach der natürlichen Anlage für den Glauben lässt sich demnach als Frage nach der Verankerung des Glaubens im endlich-natürlichen Vernunft- und Glaubensleben⁶⁹⁶ bzw. – anders formuliert – als Frage nach dem Anknüpfungspunkt des Geistes Gottes näher bestimmen. Damit aber ist zugleich die Frage nach dem Verhältnis von Gottes natürlicher Schöpfungstätigkeit und seinem glaubensbildenden Heilswirken⁶⁹⁷ bzw. von endlichem Geist und göttlichem Geist gestellt.⁶⁹⁸ Als Antwort auf die Frage nach dem Anknüpfungspunkt verweist Schaeder auf das natürliche Triebleben, welches – wie sich in dreierlei Hinsicht zeigen lässt – durch den glaubensschaffenden Gottesgeist eine grundlegende Transformation bzw. Neuorientierung erfährt:

2.1.4.1 Die Transformation der Selbstbejahung Konstitutiv für den endlichen Geist erweist sich nach Schaeder zunächst der Willenstrieb der Selbstbejahung, der Ichbejahung, welcher „von der erfahrbaren oder erlebbaren und deshalb erkennbaren Wesenheit unseres Geistes schlechthin unabtrennbar“ ist.⁶⁹⁹ Steht nun dieser Wille zum Selbst in unbewusstem oder bewusstem Gegensatz zu Gott, dann ist er nach Schaeder sündig bzw. „der Wurzelpunkt der tätigen Sünde“. Ohne diesen Gegensatz zu Gott aber ist er – eben weil er zur Seelennatur des Menschen gehört – „normal“.⁷⁰⁰ Die Selbstbejahung geht nach Schaeder in der Weise vor sich, dass der Mensch andere Größen, zu denen er in natürlicher Beziehung steht, Naturgrößen oder Größen seines sozialen Verkehrs, irgendwie in den Dienst seiner Zwecke stellt, sei es nun so, dass er sie zu diesem Dienst selbsttätig bewegt, sei es so, dass er sich ihren Dienst, wenn sie ihn darbieten, widerfahren lässt. Aus diesen Aktionen seines Selbstwillens schöpft der natürliche Geist die ihm homogene Empfindung der Lust oder Befriedigung. In der Seele meldet sich dann der Trieb, den Lust-

     

Theozentrische Theologie  (), . AaO.,  (Anm.). AaO., . AaO.,  f. AaO., . Ebd.

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zustand festzuhalten und zu vollenden.⁷⁰¹ Es drängt – so kann Schaeder formulieren – „den Menschen nach konstanter, ihrer Qualität nach ganzer und absoluter Lust“.⁷⁰² Nun sichert aber keine dieser endlichen oder relativen Größen, die in den Dienst der Zwecke des Ich gestellt oder aufgenommen werden, dem Ich konstante oder ganze Lust: kein Besitz, kein Reichtum, nicht gesellschaftliche Anerkennung, nicht künstlerischer Genuss oder Wissen, nicht Macht oder sozialer Einfluss. Sobald dieser Sachverhalt in das Bewusstsein des Menschen tritt, gerät er in Ruhelosigkeit, die darin besteht, dass der egoistische Lusttrieb sich nach anderen Größen umsieht, die ihm Dauer und vollkommene Tiefe sichern. Im Gefüge des Endlichen, der Relativitäten aber findet er sie nicht, das Herz bleibt unruhig.⁷⁰³ In dem unveräußerlich-wesenhaften Trieb des Menschen nach dauernder und ganzer, also nach absoluter Lust, tritt für den reflektierenden Beobachter, der sich die Einfügung des Menschen in die Welt der Relativitäten vergegenwärtigt, ein unbewusster, aber tatsächlicher Willens- und Wesenszug des natürlichen Geistes nach einem Absoluten zutage, nach einer absoluten, nicht dieser Welt des Endlichen angehörigen Größe, die dem endlichen Geist gewährt, wonach er verlangt.⁷⁰⁴ Nach Schaeder kann nun ein Blick auf den Glauben fallen, denn „hier, im Glauben, offenbart sich der ewige, allem Wechsel überlegene Gott“ auf solche Weise, dass er „sich gnädig dem Heils-, dem ewigen Lebenszwecke des Menschen zu Diensten stellt. Dies ist der Sinn der göttlichen Selbsthingabe bis in den Tod und bis zur Auferweckung Jesu Christi. Hier handelt es sich um die intensivste Bejahung des Menschen, die sich denken läßt. Um die Ermöglichung seines tiefsten Lust- oder Seligkeitsaffektes.“⁷⁰⁵ Indem der Heilige Geist nun den natürlichen Menschen zum Glauben bringt, knüpft er also an dem beschriebenen Trieb nach konstanter Lust an, transformiert und vollendet ihn dadurch, dass Gott für den Menschen die Größe wird, die ihn in absoluter, hingebender Liebe will und bejaht. Das unruhige Herz kommt so zur Ruhe. Jetzt, rückblickend vom Glauben aus, vermag der Mensch dann zu erkennen, was er zuvor nicht erkannte: dass ein unaufgebbarer Trieb seines natürlichen Wesens bei aller Gottwidrigkeit tatsächlich zum wahrhaft-wirklichen Gott hindrängt. Den supranatural bedingten Glauben, in welchem sich Gott oder Gottes Geist an der endlichen Persönlichkeit neuschöpferisch durchsetzt, erlebt der Glaubende somit in keiner Weise als Fremdkörper, sondern – weil sich im Glauben eine geistgewirkte Transformation

    

AaO.,  f. AaO., . AaO.,  f. AaO., . Ebd.

2.1 Der Glaube als direktes Wirklichkeitsverhältnis

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bzw. Neuorientierung seiner natürlichen Triebe ereignet – als tiefste Erfüllung seines Menschseins.⁷⁰⁶ Diese Einsicht in die natürliche Anlage des Menschen erweist sich dann aber auch unter praktisch-theologischem Gesichtspunkt als bedeutsam: Die Verkündigung des glaubenweckenden Wortes wird – trotz des aus der Sünde stammenden Widerstrebens – mit einem unausrottbaren menschlichen Wesenzug zu rechnen haben, der ohne den Gott der Verkündigung zu kennen, doch zu diesem hindrängt. Nach Schaeder lässt sich deshalb dem Glaubenden zeigen, „daß sein Menschentum auf die Erfahrung Gottes im Glauben in ganz bestimmter, präziser Richtung wartet. Und dem Nichtglaubenden läßt sich ein Drängen seines Geistes aufdecken, das als der Zug nach einem Absoluten bezeichnet werden kann. Dabei kann ihm gezeigt werden, daß und wie Gott diesem menschlichen Wesentriebe entgegenkommt, ihn aufnimmt und in der Form des heilsgewissen Glaubens vollendet.“⁷⁰⁷ Zum kirchlichen Dienst an den Nichtglaubenden wird man demnach nicht nur das „Wortzeugnis“ zählen dürfen, sondern auch den „Versuch der psychologischen Überführung“, dass dieses Zeugnis etwas im tiefsten Sinne Homogenes und somit nichts Wesensfremdes an den natürlichen Geist heranträgt.⁷⁰⁸

2.1.4.2 Die Transformation der Selbsthingabe Nach Schaeder wäre es nun eine unerlaubte Einseitigkeit, wollte man nur den Trieb des endlichen Geistes zum Selbst herausstellen. Der Mensch trägt vielmehr auch den Trieb zur Selbsthingabe, den altruistischen Trieb, in sich. Oder anders formuliert: Der Trieb der Selbstbejahung hindert zwar in ungezählten Fällen den Trieb zur Selbsthingabe in seiner Verwirklichung, löst ihn aber nicht auf. Eben deshalb kann nach Schaeder auch dieser altruistische Trieb als eine weitere Bestimmtheit der natürlichen Anlage für den Glauben verstanden werden. Geleitet von diesem Trieb sieht sich der Mensch nach Zielpunkten seiner Hingabe um, findet aber nur endlich-relative Größen, so dass sein Triebwille unruhig hin und her „oszilliert“.⁷⁰⁹ Auch beim altruistischen Trieb des Menschen ist damit der natürliche Geist unbewusst auf ein Absolutes gerichtet.

 AaO., . Nachdrücklich betont Schaeder nochmals den theozentrischen Charakter dieses Erlebens: „Es ist das in sich einheitliche Erlebnis des machtvoll-schöpferischen Gottes, der den Menschen auf sich hin bildet, und des gnädigen Gottes, der ihn mit sich verbindet.“ (Ebd.)  AaO.,.  Ebd.  AaO., .

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Nach Schaeder kann deshalb wieder der Glaube in den Blick genommen werden. Denn vom majestätischen und liebenden Gott im Glauben persönlich erfasst zu werden, heißt letztlich nichts anderes als sich seinem Dienste und so seiner Herrschaft hinzugeben.⁷¹⁰ Das Verlangen nach einer unüberbietbaren Größe für die persönliche Hingabe findet damit seine Erfüllung: „Wie die Liebe Gottes den schöpfungsmäßigen Trieb der Seele zur Selbstbejahung bejaht, aber so, daß Gottes Majestät die Seele dabei in den Dienst rückt, so bejaht diese Majestät den schöpfungsmäßigen Diensttrieb des Menschen, aber so, daß es der liebende Gott ist, auf den der Dienst sich richtet oder dem die Hingabe der Persönlichkeit gilt.“⁷¹¹ Das „Gott für uns“ und unser „Für Gott“, auf das wir schöpfungsmäßig angelegt sind, findet somit seine Verwirklichung.⁷¹² Abschließend wird man deshalb festhalten dürfen: Indem der Heilige Geist den Menschen zum Glauben bringt, knüpft er nicht nur am Trieb der Selbstbejahung, sondern auch am Trieb der Selbsthingabe an, transformiert und vollendet ihn dadurch, dass nicht mehr Endlich-Relatives, sondern Gott selbst für den Menschen die Größe seiner Hingabe wird. Das unruhige Herz findet so seine Ruhe.

2.1.4.3 Die Transformation der Selbstbestimmung Vom menschlichen Geist unabtrennbar ist nach Schaeder auch der Trieb, sich über die Weltwirklichkeit in Form der Selbstbestimmung zu erheben oder in dieser Form die Wirklichkeit zu beherrschen. Mit dem direkten Willen zum Selbst und dem Willen zur Hingabe einigt sich also im menschlichen Geist der Wille, der Welt gegenüber Subjekt, nicht von ihr bedingtes Objekt zu sein. Zu diesem Willen zählt nach Schaeder auch der Erkenntniswille. Die Welt zu erkennen, heißt sie zu erklären, heißt sie als Wirkung einer nicht diesem Gefüge des Bedingten angehörenden causa zu begreifen.⁷¹³ Indem nun der Glaube entsteht, kommt – wie auch bei den anderen Bestimmtheiten der natürlichen Anlage – der Trieb nach einem einheitlichen Verständnis der Welt zur Erfüllung. Die causa der Welt, die alles bedingende Wirklichkeit, wird nun der überweltlich-mächtige Gott. Weil aber dieser Gott zugleich der Gott der Liebe ist, bekommt Gottes majestätische Wirksamkeit an seiner Welt den Charakter der Liebe. Der Gott des Glaubens weist somit den endlichen Geist, der sich erkennend über seine Welt erhebt, als Gott der der Welt zugewandten Liebe in diese Welt hinein. Indem der Heilige Geist den Menschen zum Glauben bringt, knüpft er also auch am Trieb der Selbstbestimmung    

AaO.,  f. AaO., . Ebd. AaO., .

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an, transformiert und vollendet ihn dadurch, dass er den Menschen ethisch in Verantwortung nimmt und ihn zu einer tätigen, kulturell wirksamen Herrschaft über seine Welt beauftragt.⁷¹⁴ Im Blick auf den Trieb der Selbstbejahung, der Selbsthingabe sowie der Selbstbestimmung wird man somit zusammenfassend festhalten dürfen: Die drei unterschiedlichen Bestimmtheiten der natürlichen Anlage, welche in Wirklichkeit eine geschlossene organische Einheit bilden,⁷¹⁵ setzen in keiner Weise den Glauben aus sich heraus.⁷¹⁶ Der Glaube hängt vielmehr – wie Schaeder immer wieder mit Nachdruck betonen kann – an Wort und Geist. Dennoch aber verneint der Geist Gottes, wenn er den Glauben und mit dem Glauben den „neuen“ Menschen schafft, „niemals […] die schöpfungsmäßige Naturbestimmtheit des endlichen Geistes“.⁷¹⁷ Was der Heilige Geist bei der Bewirkung des Glaubens verneint, ist allein die widergöttliche Verkehrung des natürlichen Geistes. Insofern vermag der Geist Gottes also durchaus eine wesenhafte Anlage des natürlichen Geistes heranzuziehen, um sie zu transformieren bzw. neu auszurichten und so den Menschen zu vollenden.⁷¹⁸ Für Schaeder bedeutet dies: Der Heilige Geist und damit der dritte Artikel nötigt geradezu zur Bejahung des ersten Artikels von der Schöpfung.⁷¹⁹ Den supranatural bedingten Glauben, in welchem sich der Heilige Geist an der endlichen Persönlichkeit neuschöpferisch durchsetzt, erlebt der Glaubende somit also in keiner Weise als Fremdkörper, sondern – weil sich im Glauben eine geistgewirkte Transformation bzw. Neuorientierung seiner natürlichen Triebe ereignet – als tiefste Erfüllung seines Menschseins.⁷²⁰ Schaeders Ausführungen über die natürliche Anlage des Menschen wird man deshalb vor allem auch als Aussage über Art und Umfang der pneumatischen Wirksamkeit verstehen dürfen.⁷²¹

 AaO.,  f.  AaO.,  f.  AaO., .  Ebd.  Ebd. Auch wenn das „triebmäßige Verlangen“ des natürlichen Menschen nach Gott von Gott selbst bestimmt ist, so bleibt das persönliche, bewusste, willensmäßige Haben oder Erfassen allein der lebendigen Bewegung des Glaubens vorbehalten. Oder anders formuliert: Das Verlangen des natürlichen Geistes über die Welt hinauszugehen ist nach Schaeder keine Offenbarung Gottes: „Gott wirkt hier, aber in seiner Verhüllung für den menschlichen Geist. Jenes Verlangen ist nur die Voraussetzung für den glaubenschaffenden Effekt der göttlichen Offenbarung“ (AaO., ).  AaO., .  AaO., .  AaO., . Überblickt man Schaeders Äußerungen, so lassen sie den Gedanken an das bekannte Diktum gratia non tollit naturam, sed perficit aufkommen. Vgl. Thomas von Aquin, Summa theologiae , q., a., ad  sowie Sauter, Theologisch miteinander streiten, . Während im

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Damit aber bestätigt sich das bereits oben Aufgewiesene.⁷²² Denn kommt der majestätische Gott im Heiligen Geist dem Menschen näher als dieser sich selber nahe zu sein vermag, dann lässt sich Gottes Geist nicht als eine dem menschlichen Geist fremd gegenüberstehende Größe bestimmen. Vielmehr erweist sich der Heilige Geist und damit Gottes liebende Selbstmitteilung als eine heilsame, das Personzentrum ausfüllende und den Menschen im Innersten regierende Macht. Gottes Hineingehen in den Menschen hebt dabei das natürliche Triebleben des Menschen nicht auf, sondern verändert, transformiert und vollendet es durch die Ausrichtung auf den majestätischen Gott. Pneumatologisch gewendet heißt dies: Gottes Geist wirkt auf menschlichen Geist so, dass Gottes Geist uns gegenüber zwar der Andere, der zutiefst Unterschiedene bleibt, nicht aber – weil tätige Macht unseres Innenlebens – der von uns Geschiedene.⁷²³

2.1.5 Der Glaube als der große Wahrheitsfaktor unseres Seins Legt man die bisherigen Ausführungen zugrunde, dann steht nach Schaeders Überzeugung der Lösung der Wahrheitsfrage nichts mehr im Wege. Denn über die Wahrheit des Glaubens entscheidet entgegen jeglichem rationalen Lösungsversuch allein der geistgewirkte Glaube selber. Vermag aber nur Gottes Geist den wortvermittelten Glauben in souveräner Weise zu bewirken, dann lässt sich die Wahrheitsfrage nur lösen, wenn man in Rechnung stellt, „daß Gott im Glauben grundsätzlich Subjekt ist und nur so Objekt, daß er Subjekt bleibt“.⁷²⁴ Nach Schaeder, welcher aufgrund früherer Darlegungen auf weitere Ausführungen zur Inversion der Subjekt-Objekt-Relation verzichtet, verdienen dabei zwei Punkte besonders herausgehoben zu werden: die enge Verbindung von Geistbegriff und Wahrheitsfrage sowie der Zusammenhang von Welterfahrung und Wahrheitsgewissheit des Glaubens. Mit Nachdruck verweist Schaeder deshalb im Blick auf die Lösung der Wahrheitsfrage zunächst auf seinen in den verschiedenen Arbeiten vertretenen Geistbegriff, ohne den sich seiner Meinung nach eine Entscheidung über die Wahrheit des Glaubens nicht treffen lässt. Denn keinerlei induktive oder deduktive

Bereich der Soteriologie dieser Satz synergistisch interpretierbar und insofern abzulehnen ist, so hat er – wie man Schaeder wird interpretieren dürfen – im Bereich der Pneumatologie und theologischen Anthropologie sein Recht. Barth hat diesem Satz im Streit mit Brunner nicht nur im Bereich der Soteriologie deutlich widersprochen (Ders., aaO.,  ff).  Vgl. z. B. oben S.  ff.  Wort Gottes, .  Theozentrische Theologie  (), .

2.1 Der Glaube als direktes Wirklichkeitsverhältnis

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Operation der Vernunft vermag zu dem Gott des Glaubens zu führen:⁷²⁵ „Nur wenn der Geist Gottes durch das Glaubenswort den Gott der Geschichte, der zugleich der Gott der Natur ist, dem endlichen Geiste wirksam, d. h. erfahrbar nahebringt, nur wenn im Verfolg davon oder als Ergebnis dieser Geistwirkung persönlicher Glaube entsteht, nur wenn der Mensch in dieser Weise von Gott erkannt ist, erkennt er Gott, auch Gott in Christus, weiß er von Gott und besitzt er Gotteswahrheit.“⁷²⁶ Barth und Brunner hält Schaeder ein rein promissionales Wortverständnis vor, Barth darüberhinaus die „Unterminierung des Geistbegriffs“ bzw. einen „verdünnte[n] Geistbegriff“. Bei der Erörterung der Wahrheitsfrage betont Schaeder deshalb nachdrücklich die „Mystik“ des Glaubens:⁷²⁷ „Nur weil man im rechtverstandenen Sinne des Wortes von einer solchen Mystik reden kann, nur deshalb gibt es im Glauben oder vom Glauben aus die Lösung der theologischen Wahrheitsfrage.“⁷²⁸ Wie erwähnt erweist sich die Verwendung des Begriffs „Mystik“ dabei aber keineswegs als konstitutiv. Schaeder geht es vielmehr um die Sache, die dieser Begriff ausdrückt. Denn „[k]ann man nicht von einer den Glauben bedingenden und in der Form des Glaubens erfahrbaren, bindenden und befreienden Gegenwart Gottes in Christus reden, nicht von dieser Geistwirkung, in welcher der Geist (Gottes) sich selbst mitteilt, dann bleibt das Wahrheitsproblem offen.“⁷²⁹ Die mit dem Begriff „Wahrheit“ bezeichnete Entsprechung oder Konvergenz zwischen Aussage und (göttlicher) Wirklichkeit kann demnach nicht anders als durch das Erleben und damit geisthaft erfasst und zur Geltung gebracht werden.⁷³⁰ Mit anderen Worten aber heißt dies: Dass Wahrheit erfahrbar ist, gehört zu ihrem Wesen.⁷³¹ Wahrheit ist somit nicht nur irgendeine richtige Erkenntnis, nicht bloß ein formaler Begriff im Rahmen einer erkenntnistheoretischen Fragestellung, sondern v. a. die Begegnung mit dem allein wahren Gott.⁷³² Wahrheit ist ganzheitlich ausgerichtet, indem sie den Menschen befreit und zugleich in Anspruch nimmt. Schaeder kennt demnach Wahrheit nicht nur als einen erkenntnistheoretischen

 Handelt es sich um die Verbindung oder die Gewissheit der wirksamen Beziehung des majestätischen und liebenden Gottes zum Menschen, dann weicht nach Schaeder die ganze diesseitige Welt zurück, in und mit der Welt aber auch unsere Vernunft mit ihren Fertigkeiten (aaO., ).  AaO., .  AaO.,  ff.  AaO., .  Ebd.  Härle, Dogmatik, .  Pannenberg, Wahrheit, .  Vgl. Haacker, Wahrheit, . . Die sachliche Richtigkeit von Aussagen ist nur ein Aspekt von Schaeders Wahrheitsbegriff. Wichtiger ist ihm die lebenspraktische Relevanz, denn Wahrheit ist das, worauf sich Glaube bezieht.

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und sprachlogischen Sachverhalt, sondern v. a. als einen das Zentrum des christlichen Glaubens und der Existenz der Glaubenden zur Sprache bringenden Begriff.⁷³³ Nach diesen Ausführungen über die enge Verbindung von Geistbegriff und Wahrheitsfrage widmet sich Schaeder dem Zusammenhang von Welterfahrung und Wahrheitsgewissheit des Glaubens. Für Schaeder, der selbstkritisch auf frühere Darlegungen verweisen kann, steht dabei fest, dass der wort- und geistgebundene Glauben keiner Stützen durch die natürliche Welterfahrung oder -beobachtung bedarf, sondern in tiefer und prinzipieller „Diastase“ gegenüber allem steht, was Welt heißt.⁷³⁴ Eine Verbürgung der Selbständigkeit und des Eigenwertes der Theologie durch die Auseinandersetzung mit der Philosophie hat die Theologie somit strenggenommen nicht nötig.⁷³⁵ Schaeder vermag deshalb – allerdings rein hypothetisch – zu formulieren: „[G]esetzt den Fall, die ganze Weltwirklichkeit, wie die menschliche Vernunft, gipfelnd in der Arbeit der Philosophie, sie auffaßt, widerspräche dem Glauben, […] dann würde und müßte der Glaube, wortvermittelt und geistgeboren, wie er ist, sich doch selbst halten können. Dann würde diese Unerschütterlichkeit des Glaubens ein Beleg für die Tatsache sein, daß er die Welt überwindet und überwunden hat.“⁷³⁶ Eine ganz andere Frage ist es nach Schaeders Überzeugung nun aber, ob nicht die Welterfahrung dem Glauben bei aller seiner grundsätzlichen Selbständigkeit ein Erkenntnismaterial bietet, das mit seinem eigenen Überzeugungsgehalt organisch verwächst. Denn obwohl der Glaube nicht nach diesem „weltlichen“ Erkenntnismaterial fragen muss, weil er selbst Wahrheitsgewissheit ist, so wird der Glaube doch auch von Menschen gelebt, „die in der Welt stehen, die selbst ein Teil ihrer sind, und auf welche die Erträge der Weltbeobachtung sowie der rationalwissenschaftliche Welt-, Natur-, Seelen- und Geschichtsbegriff von den verschiedensten Seiten her eindringen“.⁷³⁷ Nach Schaeder ist dadurch für den Glauben der Anreiz gegeben, sich bei aller Distanz zur Welt doch um die Welterfahrung bzw. um den in sich reich gegliederten Weltbegriff zu kümmern. Gilt das für den Glauben, so gilt es erst recht für die Theologie, die – weil Glaubenslehre bzw. produktive Explikation des Glaubens – den Glauben in seiner Eigenart, auch

 Vgl. Jüngel, Wahrheit, .  Theozentrische Theologie  (), .  AaO., . Diese Verbürgung hat die Theologie nach Schaeder vielmehr deshalb,weil sie eine Theologie des pneumatisch bedingten, mit innerer, unbedingter Wahrheitsgewissheit ausgestatteten Glaubens ist.  Ebd.  Ebd.

2.1 Der Glaube als direktes Wirklichkeitsverhältnis

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in seiner Eigenart den natürlich-menschlichen Lebenszusammenhängen und Lebensformen gegenüber, zu erfassen und zu begründen hat.⁷³⁸ Die Glaubenstheologie wird deshalb diejenigen Elemente der Welterfahrung, welche sich organisch, homogen mit dem Glaubensinhalt verbinden, als Aufweis der Wahrheitsgründe für den Glauben mit aufnehmen; allerdings aufgrund der grundsätzlichen Selbstständigkeit des Glaubens an sekundärer Stelle. Nach Schaeder ergibt dies den „apologetischen Zug der Theologie“ unbeschadet dessen, dass der Glaube als solcher keine Apologetik nötig hat.⁷³⁹ Denn fasst man den Glauben als souveräne Geisteswirkung Gottes,⁷⁴⁰ als jeweils individuell abschließendes Element seiner freien Liebesoffenbarung, dann vermag keine Apologetik seiner Gewissheit oder der Begründung seiner Wahrheit ein entscheidendes Moment hinzufügen.⁷⁴¹ Diese Geschiedenheit des Glaubens von jedem rationalen Beweisverfahren lässt sich nach Schaeder mit einer klassischen Formulierung pointiert zum Ausdruck bringen: credo, quia absurdum est. Irrational ist dabei nicht nur der Gott des Glaubens sowie dessen lebendiges Verhältnis zur Welt, sondern ebenso auch umgekehrt das Verhältnis der Welt zu Gott. Keine rationale Behandlung des Glaubenszeugnisses der Evangelien vermag deshalb zur Gewissheit über die eigenartige „Gottverbundenheit Jesu“, keine rationale Naturerkenntnis vermag zu Gott als dem Schöpfer der Natur zu führen. Denn Gott und der Christus Gottes sind keine der menschlichen Vernunft ausgesetzten Objekte. Insofern gilt zu Recht: credo, quia absurdum est. Diese irrationale „Absurdität“ des Glaubens zieht sich dabei durch alle Bestandteile und Urteile der Theologie hindurch und erfährt darüber hinaus durch jede Welterfahrung, die sich nicht mit den Positionen des Glaubens in Einklang bringen lässt, ihre Bekräftigung.⁷⁴² Aber dennoch hat auch – das hebt Schaeder nachdrücklich hervor – das credo, quia non absurdum est, rechtverstanden seinen brauchbaren Sinn. Denn die Wirklichkeit der Welt sagt zu den Positionen des Glaubens nicht schlechthin Nein. Der Glaube hat vielmehr in den Weltbeobachtungen und in den Ergebnissen exakter Weltwissenschaft ein Material zur Verfügung, mit dem er verwachsen und  Ebd.  AaO., .  Schaeder kann den Glauben auch als eine „axiomatische Tat“ bezeichnen. Vgl. z. B. Streiflichter, .  Theozentrische Theologie  (), . „Keine Theologie, die den einzig richtigen Weg geht, die Gottesgewißheit des Glaubens zur Darstellung zu bringen, kann irgendwelche oder auch nur die allergeringsten Gründe für die Wahrheit des Glaubens, resp. für ihre eigene Wahrheit anführen, die nicht der Sphäre des Glaubens angehören. Irgendwelche glaubenslose Beweistümer für den Inhalt des Glaubens gibt es nicht. Alle glaubenslose Apologetik ist vom Übel, alle. Sonst wäre der Glaube nicht Glauben.“ Siehe: Anforderungen, .  Theozentrische Theologie  (),  f.

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

das er in den Raum seiner Wahrheitsgewissheit hineinziehen kann.⁷⁴³ Denn „wenn man bedenkt, daß der Gott, an dem der Glaube hängt, wohl der ganz Andere, der majestätische Geist, aber als solcher zugleich der Schöpfer der Welt ist, wenn man noch einmal bedenkt, daß die gottbezogenen Glaubenden Glieder dieser Welt sind, mit ihrem naturhaft-geistigen Leben ihr eingesenkt, aus ihr emportauchend und dauernd durch sie befruchtet, dann ermißt man, was es bedeutet, daß der Glaube nicht nur geistgewirkt und geisterfüllt, über dieser unserer Welt steht, sondern daß er, gerade in seiner pneumatischen, selbständigen Eigenart, doch auch in ihr Elemente findet, die ihm homogen sind, und die er deshalb an sich heranzieht.“⁷⁴⁴ Allein in diesem Sinne – die grundsätzliche Selbständigkeit des Glaubens voll in Rechnung gestellt – gilt nach Schaeder das andere Wort: credo, quia non absurdum est. ⁷⁴⁵ Der christliche Glaube schließt demnach – so wird man abschließend festhalten dürfen – zwar empirische Fakten in den Aufweis seiner Wahrheitsgründe ein, seine innere Wahrheitsgewissheit lässt sich dadurch aber letztlich weder verifizieren noch falsifizieren. Denn nur vom göttlichen Geist und damit eben vom Glauben aus geht der Blick in die Tiefe der endlichen Wirklichkeit. Mit anderen Worten heißt dies: Die Funktion der Lebenswelt als Kontext des christlichen Glaubens erstreckt sich weder auf die Verifikation noch auf die Falsifikation der Wahrheit des Glaubens. Der Glaube hat sich demnach nicht an der Lebenswelt zu bewähren und als wahr zu erweisen, sondern der Glaube bringt erst die Lebenswelt zu ihrer Wahrheit im Sinne ihrer eigentlichen Bestimmung. Der Glaube gibt die Welt und mit ihr den Menschen auf eine neue Weise zu verstehen und zu erleben, er deckt eine Tiefendimension auf, die der „normalen“ Wahrnehmung verborgen bleibt.⁷⁴⁶ Dem Glauben kommt somit eine eminente, unerlässliche Bedeutung für die Erfassung der Weltwirklichkeit zu. Diese Prävalenz der göttlichen vor der irdisch-endlichen Wahrheit und Wirklichkeit erklärt dann auch, weshalb Schaeder den Glauben als den durchschlagenden und den das letzte Licht gebenden Wahrheitsfaktor unseres Seins bezeichnen kann;⁷⁴⁷ ein Wahrheitsfaktor, der sich – unter der Voraussetzung, dass man sich auf ihn einlässt⁷⁴⁸ – in der Lebenswelt als gültiger und tragfähiger Grund des Daseins erweist.⁷⁴⁹

 AaO.,  f.  AaO., .  Ebd.  Härle, Dogmatik,  f.  Geistproblem, .  Ob der Glaube als eigentlicher Wahrheitsfaktor unseres Seins sich als tragfähiger Grund unseres Daseins erweist, lässt sich nicht von außerhalb erkennen. Auf eine gewissmachende Weise ist das nur erfahrbar, indem Menschen sich darauf einlassen.Vgl. Härle, Dogmatik, . Für

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

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2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes 2.2.1 Wie der Glaube, so der Geist Wer das „Wesen“ des Heiligen Geistes bestimmen und damit aussprechen will, was Gottes Geist ist, der hat – wie Schaeder nachdrücklich betonen kann – den Weg zu respektieren, auf dem er sich uns zu erfassen gibt.⁷⁵⁰ Im Blick auf die Wesenbestimmung des Heiligen Geistes lehnt Schaeder deshalb ein biblizistisches Verfahren ab, welches die Neigung hat, „das gesamte, einschlägige Material der heiligen Schrift zusammenzustellen, tunlichst in einen organischen Zusammenhang zu rücken und dann […] als eine dogmatische Geistlehre vorzutragen“.⁷⁵¹ Auch das Verfahren, die Pneumatologie in Anlehnung an die persönlich-christliche Erfahrung zu bilden und sie dann – gleichsam beweisend – mit einer Fülle von biblischen Aussagen zu belegen, weist Schaeder zurück. Und dennoch: Schaeder wäre missverstanden, wollte man ihn dahingehend verstehen, als wollte er die Bibel und ihre Fülle an maßgebenden Lehrgedanken in der kirchlichen Lehrbildung zurückdrängen. Schaeder lehnt vielmehr nur die Vorstellung ab, als ob die Sammlung oder Häufung biblischen Materials für irgendeinen Wahrheitspunkt des christlichen Glaubens etwas grundsätzlich Verbürgendes hätte.⁷⁵² Denn „[b]ei aller Hoheit und Unentbehrlichkeit der Bibel hat die systematische Theologie in jeder Richtung andere Aufgaben, als die, den Kanon auszuschreiben“.⁷⁵³ In Schaeders Absicht liegt es deshalb nicht, eine umfassend biblische Geistlehre bieten, sondern lediglich aufzeigen, „was es grundsätzlich um den Geist Gottes, den heiligen Geist ist, und wie man ihn erfaßt.“⁷⁵⁴ Dazu aber genügt es, die „Grundgesichtspunkte“ der Bibel zu kennen und sie mit den geistigen Strömungen der Gegenwart in Zusammenhang zu bringen.⁷⁵⁵ Diese Begrenzung, aber v. a. auch seine erkenntnistheoretische Grundlegung erklärt dann auch, dass nach Schaeder der Ausgangspunkt für seine pneumato-

Schaeder heißt dies, dass der Streit um die Wahrheit sich nicht von einem glaubensunabhängigen oder glaubensübergeordneten Standpunkt entscheiden lässt.  Erst so verstanden wird die Lebenswelt zu dem Ort, an dem sich der daseinsbestimmende Wahrheitsanspruch des Glaubens – wenn auch immer nur punktuell – zu bewähren hat. Vgl. Härle, Dogmatik,  f und  f.  Geistproblem, .  AaO., .  Schaeder wendet sich damit auch kritisch gegen seine von ihm geschätzten Lehrer Cremer und Kähler. Vgl. Geistproblem, .  AaO., .  Ebd.  Ebd.

236

2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

logische Abhandlung nicht in einer umfassenden Zusammenstellung biblischer Aussagen liegen kann, sondern vielmehr in der christlich-religiösen Erfahrung.⁷⁵⁶ Ergänzend und präzisierend stellt Schaeder dabei fest: „Die Erfahrung, von der wir hier reden bzw. ausgehen, machen wir in der Form des (christlichen) Glaubens und auf keine andere Weise.“⁷⁵⁷ Schaeder möchte demnach seine Aussagen über den Heiligen Geist nicht aus einem biblisch-dogmatischen Lehrsystem deduzieren, sondern das „Wesen“ des Heiligen Geistes von der Glaubenserfahrung und damit von der Wirksamkeit des Heiligen Geistes selbst her explizieren. Auf eine Fülle von Bibelstellen, die nachträglich als Beleg dienen sollen, verzichtet Schaeder dabei. Genauer gesagt heißt dies: Wird Glaube als wortvermittelte Selbstvergegenwärtigung Gottes durch den Heiligen Geist verstanden, so lässt der Glaube – trotz seines beim Menschen stets fragmentarischen Charakters – Schlüsse⁷⁵⁸ über das „Wesen“ des Heiligen Geistes zu. Die Erörterung dessen, was der Heilige Geist „tut“ und „wirkt“, gibt also Antwort darauf, wer oder was der Heilige Geist „ist“.⁷⁵⁹ Kurz und prägnant – und im Sinne der Explikation verstanden – könnte man somit formulieren: wie der Glaube, so der Geist.⁷⁶⁰ Man wird deshalb – legt man das im letzten Abschnitt dargestellte Glaubensverständnis in seiner Differenziertheit zugrunde – den Heiligen Geist näher explizieren dürfen: – als Geist, der Gott – mittels des Wortes – direkt und persönlich zu erleben gibt; – als Geist, der den Menschen vom Zwang der Sünde, von seiner gottwidrigen Selbst- und Weltgebundenheit befreit und für Gott in Anspruch nimmt; – als Geist der relationsstiftenden Liebe zwischen Gott und Mensch; – als Geist, der Vergebungs-, Versöhnungs-, Rechtfertigungs-, Erlösungs- und Friedensgemeinschaft herstellt; – als neuschöpferischer Geist, der im Menschen wirkt, ihn von sich selbst, seiner Selbstfixierung und seiner relationsnegierenden Platzanmaßung befreit und zur persönlich-geistigen, erkennenden und willentlichen Gemeinschaft mit Gott bestimmt; – als majestätisch-heiliger und damit vom Menschen präzis unterschiedener Geist;

 AaO., .  Ebd.  Nicht im Sinne einer Beweisführung oder eines Kausalschlusses, sondern im Sinne der Explikation verstanden.  Jüngel, Thesen, .  Schaeder kann diese Aussage auf Gott allgemein beziehen: „[U]nser Glaube ist, wie sein Gott ist. Die Art seines Gottes gibt ihm selber Art, Charakter, Gehalt und Farbe“. Siehe: Heiliger Geist und Glaube, in: Ders., Theologie und Leben, .

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes





– –

– – – – –



237

als Geist, der dem Glaubenden unüberbietbar nahe kommt, zugleich aber durch seine universale, weltschöpferische Gegenwart die Distanz zum Menschen wahrt; als Geist, der fortwährend zur Welt kommt und schöpferisch an ihr wirkt, der sich aber auch anhaltend dem Menschen schenkt und ihn dadurch beständig neu schafft; als Geist, über den nicht der Mensch verfügt, sondern der über den Menschen verfügt; als Geist, der das menschliche Ich nicht ausschaltet, sondern den Menschen zu der ihm vom Schöpfer gegebenen Bestimmung befreit und ihn zur aktiven, vertrauenden Hingabe an Gott befähigt; als Geist, der die Liebes- und Gnadengabe an den Menschen ist; als Geist, durch den der Glaubende Jesus Christus und dessen Gerechtigkeit empfängt; als Geist, durch den die vergangene Geschichte Jesus über die geschichtliche Distanz hinaus wirksam und unmittelbar gegenwärtig wird; als Geist, der einem Geschichts- und Weltverlust ebenso wehrt wie einer sittlichen Indifferenz oder einer Separation von der Gemeinschaft; als Geist, der das natürliche Triebleben des Menschen nicht aufhebt, sondern es durch die Ausrichtung auf den majestätischen Gott verändert, transformiert und vollendet; als Geist, der als der Geist der Wahrheit die Welt und mit ihr den Menschen auf eine neue Weise zu verstehen und zu erleben gibt.⁷⁶¹

Nach dieser auf der Grundlage des Glaubensverständnisses zusammengefassten Näherbestimmung des Heiligen Geistes lohnt es sich, das Verhältnis von Wort und Geist noch näher zu erörtern. Denn wird der Heilige Geist an der Wirkung erkannt, welche das mit dem Geist verbundene Wort „in Form des Glaubens hervorruft, dann erhebt sich die Frage,wie man sich das Verhältnis des Geistes zu diesem Wort genauer vorzustellen hat. Es gehört zur Orientierung über das Wesen des Geistes, daß man an diesem Punkte klar sieht.“⁷⁶² Diese Klarheit ist v. a. auch deshalb hilfreich, weil Schaeder immer wieder und nachdrücklich von der grundlegenden Bedeutung des Wortes Gottes für sein Geistverständnis spricht: „Zum Geist gehört das rechtverstandene Wort.“⁷⁶³

 Vgl. auch: Geistproblem,  f.  AaO., .  Wort Gottes, .

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

2.2.2 Heiliger Geist und Wort Gottes Auch wenn Schaeder den göttlichen Geist nicht mit dem menschlichen identifiziert und deutlich einer Anthropologisierung des Heiligen Geistes widerspricht, so fällt doch ein hohes Maß an Unmittelbarkeit auf, das dem Verhältnis zwischen Gott und Mensch eignet. Dies brachte Schaeder auch massivste Kritik von Seiten der sogenannten „dialektischen Theologie“ ein. Man wird deshalb mit Recht fragen dürfen, inwieweit bei Schaeder das Verhältnis zwischen göttlichem und menschlichem Geist so kurzgeschlossen ist, dass trotz gegenteiliger Beteuerungen das Wort Gottes bzw. die Heilige Schrift die vermittelnde Funktion verliert bzw. zu verlieren droht.⁷⁶⁴ Zur Beantwortung dieser Frage kann dabei auf die späteren Werke – insbesondere auf seine systematische Untersuchung über das Wort Gottes aus dem Jahr 1930 – zurückgegriffen werden. In dieser Untersuchung beleuchtet Schaeder unter dem Eindruck der dialektischen Theologie sein Wort- und Offenbarungsverständnis. Dadurch wird auch Licht auf das Verhältnis von Heiligem Geist und Wort Gottes geworfen.

2.2.2.1 Erste Bestimmung des Begriffs „Wort Gottes“ Schon auf den ersten Seiten seines Werkes „Das Wort Gottes“ nennt Schaeder wesentliche Aspekte seines Wortverständnisses: Demnach lässt sich – da die einstige Deckungsgleichheit von Wort Gottes und Heiliger Schrift nicht mehr gegeben ist – heute nicht mehr in klarer Umrissenheit bestimmen, was Wort Gottes ist: „[D]ie Sehnsucht weiter kirchlicher Kreise geht dahin und wird immer dahin gehen, daß wir Theologen ihnen in plastischer, greifbarer Umrissenheit zeigen, was Gottes Wort ist. Solange, von einem unhaltbaren Inspirationsgedanken getragen und unbekümmert um wahrheitsoffene Beobachtung, die Vorstellung bestand, daß der Kanon der Heiligen Schrift schlechtweg das Offenbarungswort Gottes bilde, solange Wort und Buch sich zu decken schienen, sah es aus, als ob jenem Verlangen entsprochen würde. Aber dieser falsche Schein ist […] für immer dahin.“⁷⁶⁵ Das Wort hat aber nicht nur seine klare Umrissenheit, sondern – so Schaeder weiter – auch seine Dignität verloren: Das Wort – gemeint ist die viva vox evangelii, dasselbe gilt aber auch von der Heiligen Schrift – ist menschliches Zeugnis vom göttlichen Beziehungswirken, ist „tatsächlich für uns immer Menschenwort und

 Vgl. Goertz, Geist, .  Wort Gottes, .

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

239

nie etwas anderes“.⁷⁶⁶ Das Wort hat deshalb zunächst keine sakrale Dignität, kann auch keine besondere Autorität beanspruchen. Ausgehend von dieser Problematik stellt sich für Schaeder die Frage, wie Menschenwort Gotteswort sein kann, „wo man sich doch mit aller Bestimmtheit für das allertiefste Andersein von Gott und Mensch,von Schöpfer und Geschöpf,von dem, der heilig ist, und denen, die in Sünde und Irrtum leben, aussprechen muß“.⁷⁶⁷ Da – kritisch gegen das Geistverständnis des deutschen Idealismus gewandt – eine Identität von endlichem und göttlichem Geist ausscheidet,⁷⁶⁸ lässt sich die Frage „nur unter einer Grundvoraussetzung“ lösen. Diese Grundvoraussetzung findet Schaeder in dem von Gogarten herausgearbeiteten „Fundamentaldatum“ des Glaubens, der Inkarnation⁷⁶⁹: „An Stelle also der idealistischen, sozusagen zwangsmäßigen, wesenhaften Einheit und Verbindung des göttlichen und endlichen Geistes die freie göttliche Liebestat, der freie Akt der Herablassung, daß das göttliche πνεῦμα und in ihm Gott selber der gestaltende Träger eines sinnlich-seelischen Menschenwesens, Jesus Christus, wurde. Ein Datum von vollendeter Paradoxie. […] Ein Zentralwunder im Bereiche persönlichen Glaubenslebens.“⁷⁷⁰ Wie also durch freie göttliche Herablassung ein Mensch, der seinen Ausdruck im menschlichen Wort findet, zum lebendigen Träger göttlichen Geistes bzw. zum Wort Gottes wird, so vermag auch – durch freie göttliche Herablassung bzw. durch die Kondeszendenz des Geistes – aus Menschenwort Gotteswort werden. Man kann deshalb nach Schaeder unmöglich die Auffassung vertreten, „daß der Geist durch eine Art von wesenhaftem oder naturhaftem Zwang mit dem Wort verbunden ist. Er sitzt nicht sozusagen im Wort, so daß, wo das Wort des Evangeliums von Gott und seinem Christus vorhanden ist oder verkündigt wird, mit sachlicher Selbstverständlichkeit die glaubenschaffende, bzw. die eine Ablehnung des Glaubensimpulses ermöglichende Wirkung des Wortes einträte.“⁷⁷¹ Durch das Wort wird demnach der majestätische, frei schaffende Wille Gottes in keiner Weise gebunden. Gott bleibt vielmehr gegenüber dem Wort der Freie und Souveräne, gerade auch wenn er seinen Geist mit dem Wort vereinigt. Diese Souveränität und Spontanaeität Gottes ist dabei in keiner Weise verfüg- und berechenbar. Kritisch wendet sich Schaeder hier auch gegen „die alten Dogmatiker

 AaO., . Vgl. Goertz, Geist, .  Wort Gottes, .  Schaeder verweist dabei auf eine „ausgedehnte theologische Literatur, die weithin bekannt ist“ (AaO., ).  Nach Prenter betont bereits schon Luther, dass das äußere Wort Inkarnation des Geistes ist. Siehe: Prenter, Spiritus Creator,  f.  Wort Gottes,  f.  Geistproblem,  f.

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

des Luthertums“, die einen vorsichtig begrenzten „Kultus des Worts“ getrieben haben⁷⁷²: Denn wollte man behaupten, dass – wenn auch durch majestätisch freie Entscheidung Gottes – mit dem Wort immer der Heilige Geist verbunden ist, „dann wäre der Mensch, der das Wort verkündigt oder auch nur des Wortes sich erinnert, des Geistes Gottes Herr geworden“.⁷⁷³ Das aber widerspricht der von Schaeder herausgearbeiteten theozentrischen Orientierung seiner Pneumatologie. In Übereinstimmung mit Luther und den lutherischen Bekenntnisschriften bekennt sich Schaeder deshalb zwar einerseits nachdrücklich zur Vereinigung von Wort und Geist und weist jeglichen Enthusiasmus ab, betont aber andererseits: „[W]ir sehen jene Vereinigung als eine schlechthinnige, jedesmalige oder jeweilige Äußerung des Majestätsrechtes Gottes an“.⁷⁷⁴ Schaeder möchte also die Freiheit Gottes und die Souveränität des göttlichen Geistes wahren, gleichzeitig aber die Wortgebundenheit des Geistes nicht desavouieren. Dies versucht Schaeder dadurch zu lösen, dass er die Souveränität des Heiligen Geistes der Wortgebundenheit des Geistes überordnet: In Freiheit bindet sich der Heilige Geist selbst an das menschliche Wort und wahrt doch dadurch, dass er selbst immer wieder die Verbindung mit dem menschlichen Wort herstellt, seine göttliche Souveränität. Pointiert formuliert heißt dies: Die Wortgebundenheit des Heiligen Geistes ist nichts anderes als dessen – immer wieder sich souverän ereignende – Selbstbindung und Selbstbegrenzung. Zugleich aber gilt: Wo Glaube entsteht, dort ist dieser Glauben vom göttlichen Geist immer durch das Wort gewirkt, dort hat sich immer der göttliche Geist in seiner souveränen Freiheit mit dem Wort verbunden. Das Hören des verkündigten bzw. das Lesen des geschriebenen Wortes⁷⁷⁵ des Evangeliums stellt demnach eine conditio sine qua non, eine Bedingung der Möglichkeit für die Bewirkung des Glaubens dar. Schaeder kann deshalb auch das Wort als „Vehikel“⁷⁷⁶, „Mittel“⁷⁷⁷, „Instrument“⁷⁷⁸ oder „Mittlerin des Geistes Gottes“ bezeichnen.⁷⁷⁹ Das verkündigte

 AaO., . Gerichtet sind diese Aussagen gegen Vertreter der altprotestantischen Orthodoxie.  AaO., . Auf seine Nähe zu Rathmann und dem reformierten Schriftverständnis weist Schaeder dabei selbst hin. Siehe: Ebd. (Anm. ).  AaO.,  (Hervorhebung hinzugefügt).  Als Werkzeug des Heiligen Geistes ist das Wort immer verkündigtes bzw. mündliches Wort. Wenn nun ein schriftliches Wort, etwa das Wort der Bibel, Evangelium werden soll, dann ist dies nur so möglich, dass dieses Wort sozusagen die Form des lebendigen Wortes leiht und von dem, der es liest, als ein Wort vernommen wird, das Gott selbst durch den Heiligen Geist – ausgehend von den Blättern der Bibel – zu ihm persönlich spricht. Vgl. Prenter, Spiritus creator, .  Theozentrische Theologie  (), .  Geistproblem, ; Wort Gottes,  u. ö.  Vgl. z. B. Wort Gottes,  u. ö.  AaO., .

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

241

bzw. geschriebene Wort ist es also, welches – so wird man im Sinne Schaeders schließen dürfen – den Geist sinnlich macht.⁷⁸⁰ Es macht Gott „zu dem Nahen, Gegenwärtigen, der uns geistig bindet, in Anspruch nimmt und aus der schuldhaften Willensabwendung von ihm befreit“.⁷⁸¹ Der Schluss ist deshalb berechtigt: Immer dann, wenn es geistbedingt beim Menschen zur „absoluten Doppelwirkung“ der Inanspruchnahme und Befreiung kommt, hört das Wort auf, nur Menschenwort zu sein.⁷⁸² Einen Automatismus weist Schaeder allerdings – darauf wurde schon hingewiesen – mit Nachdruck ab. Die für die Begründung und für die Erfahrung des Glaubens notwendige Vereinigung von Menschenwort und göttlichem Geist ist eine jeweils und immer wieder sich ereignende Vereinigung. Es ist eine Vereinigung oder Synthese, die niemals zustandhaft ist, sondern die immer wieder – durch Gottes Souveränität und Spontaneität – wird. Erst aus der Perspektive der Glaubenserfahrung und damit nachgängig, nicht aber als autoritärer Anspruch und damit vorgängig, wird die Vereinigung von Menschenwort und Gottes Geist evident. Das heißt aber: Allein der Glaube, der sich selbst dem göttlichen Geist verdankt, kann sagen, wo ihm Gottes Wort – als Vereinigung von göttlichem Geist mit menschlichem Wort – entgegenkommt. Der Glaube kann es sagen, wo ihm Gottes Geist entgegenkommt, weil der Glaube Geist „hat“.⁷⁸³ Schaeder bekennt sich also durchaus zur Wortgebundenheit des Heiligen Geistes, weist aber – auch in Anlehnung an CA 5: ubi et quando visum est deo ⁷⁸⁴ – jede Berechenbarkeit und menschliche Verfügungsgewalt zurück. Die „Wortwerdung“⁷⁸⁵ oder Inverbation des Heiligen Geistes lässt sich deshalb niemals zustandhaft, sondern allein dynamisch – immer wieder sich aktualisierend – verstehen. Auch hier dürfte der für Schaeders theologische Konzeption grundlegende Gedanke der creatio continua, der fortwährenden Schöpfung Gottes, im Hintergrund stehen.⁷⁸⁶ Man wird deshalb auch bei der Näherbestimmung der Vereinigung von göttlichem Geist mit menschlichem Wort jedes substanzontologische Denken ausschließen müssen. Nach diesen vom Gedanken der Inkarnation getragenen Ausführungen weist Schaeder noch auf einen weiteren grundlegenden Aspekt bei der Bestimmung des

 Vgl. Jüngel, Rechtfertigung,  f. Vgl. auch: Vollrath, Problem, .  Wort Gottes, .  Geistproblem,  f. Auch oben S.  ff.  Vgl. Geistproblem, . Der Glaube trägt also nicht „die pneumatische Qualität an das Wort“ heran, sondern erkennt es nur als Gottes Wort (Winkler, Rezension,  f).  Geistproblem,  (Anm. ).  Wort Gottes, .  Vgl. oben S.  ff.

242

2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

Wortes Gottes hin: „Das Wort Gottes kann unmöglich irgendein bloßes Wort der Vergangenheit sein, etwa irgendein bloßes Wort des geschichtlichen Menschen Jesus, der als solcher dahin ist, oder ein Wort des Paulus oder des Jeremias noch sonst jemandes. Wort Gottes, wenn es wirklich ist, was der Titel besagt, ist für den gottesgewissen Glauben ein Wort, das Gott heute, aus der Ewigkeit spricht. Es ist ein Wort, in welchem sich Gott heute, in unmittelbarer, geistesmächtiger Gegenwart bekundet.“⁷⁸⁷ Schaeder wirft also die Frage auf, wie die Gegenwartsbedeutung des Wortes Gottes und seine Verknüpfung mit der geschichtlichen Vergangenheit zu deuten ist.⁷⁸⁸ Auch hier erweist sich der Hinweis auf den Gedanken der „Inkarnation“ des Logos in Christus als hilfreich. Denn diese „Fleischwerdung“ ist es, welche Jesus Christus so zum Träger des Heiligen Geistes macht, dass dieser Geist – entgegen jeglichem statischen Verständnis – sich ihm in immer erneuter Bewegung zuwendet.⁷⁸⁹ Die Worte, die Jesus spricht, werden deshalb „nie nur aus einer ruhenden Verbindung des Herrn mit Gott im Geiste, sondern aus einem immer erneuten Empfangen des Geistes Gottes geredet […]. Gerade dies gibt ihnen im Lauf der Geschichte Jesu den absolut präsentischen Charakter des Gotteswortes.“⁷⁹⁰ In Analogie hierzu besagt nun die als „Wort Gottes“ bezeichnete Verbindung von Menschenwort mit dem Heiligen Geist nicht nur, dass dieses Wort aus dem göttlichen Geist stammt und deshalb den Geist in und bei sich hat.Vielmehr besagt diese Verbindung auch, dass sich der Heilige Geist mit diesem Wort in immer erneuter, lebendiger Bewegung zusammenschließt und so wahrhaft präsentisches Gotteswort wird.⁷⁹¹ Bedingung für diese pneumatische Aktualisierung bzw. für diese Vereinigung des Heiligen Geistes mit dem menschlichen Wort bleibt nach Schaeder dabei, „daß es nicht willkürliches Wort, nicht allgemeines religiöses Gerede, nicht irgendein Phantasieprodukt ist, daß es vielmehr im Gehorsam gegen die Wirklichkeit Jesu Christi, der Urform des Wortes Gottes, im bewußten Anschluß an sie gesprochenes Wort ist. Zu diesem Wort, das also in den Geistestiefen Jesu Christi seinen letzten Grund hat, bekennt sich der Geist Gottes in immer erneutem Zusammenschluß mit ihm.“⁷⁹² So verstanden hat aber das Wort Gottes bei aller seiner Verknüpfung mit vergangener Geschichte den „ausgesprochenen Charakter strikter Gegenwart und Gegenwartsbedeutung“.⁷⁹³ Es ist also auch hier der Heilige

      

Wort Gottes,  f (Hervorhebung hinzugefügt). AaO.,  f. AaO., . AaO.  Ebd. Ebd. Ebd.

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

243

Geist, der als Geist der Vergegenwärtigung⁷⁹⁴ Vergangenheit und Gegenwart, Ewigkeit und Zeit miteinander verschränkt und sich dabei zugleich als überzeitlich-gegenwärtiger Geist zu erkennen gibt. Ist nun aber das Wort Gottes an Christus als seine Urform gebunden, dann hat es in Christus und damit zugleich in Gott seinen maßgebenden Inhalt. Sofern mit dem Wort der Heilige Geist geeint ist oder sich eint, vergegenwärtigt sich Gott für diejenigen, zu denen es geredet wird oder die es hören. Gott wird der Nahe, doch so, dass dabei sein Sprechen in der Vergangenheit, im geschichtlichen Jesus Christus, stetig mitwirkt und fortdauert. Schaeder weist deshalb nachdrücklich auf das Moment der Glaubensmystik hin, dem gegenüber bei der Betrachtung des Wortes Gottes alles andere als sekundär zurücktreten muss: „Glaube ist die Wirkung der Nähe Gottes durchs Wort, aber der streng […] pneumatisch gefaßten. Sagt man dies, dann redet man wahrlich keiner naturhaft gedachten gratia infusa oder anderen Vorstellungen einer tieferen Religionsstufe das Wort. Die Nähe Gottes durch Wort und Geist aber ist Christusnähe. Dies deshalb, weil Christus der Träger des Geistes Gottes und der Geist der Geist Christi ist.“⁷⁹⁵ Von der Betrachtung des Wortes Gottes ist deshalb nach Schaeder das Moment der Glaubensmystik nicht abzutrennen. Vielmehr bildet gerade diese Glaubensmystik „das, woran deutlich wird, daß das Wort wirklich die Selbstbekundung des überzeitlich-gegenwärtigen Gottes an die Menschen des streng gefaßten Diesseits ist, die Selbstbekundung, die in der Selbstmitteilung des majestätischen Gottes besteht, welcher Liebe oder Gnade ist.“⁷⁹⁶ Das Provokationspotential, welches die Verwendung des Begriffs „Mystik“ bei der Behandlung des Wortes Gottes bietet, wird man dabei v. a. in der Wirkung auf die Vertreter der dialektischen Theologie nicht übersehen dürfen.

2.2.2.2 Schaeders Kritik am theologischen Entwurf Gogartens Zu weiteren Differenzierungen im Blick auf das „Wort Gottes“ gelangt Schaeder dadurch, dass er sich der aktuellen theologischen Diskussion zuwendet.V. a. zwei Vertreter der sogenannten „dialektischen Theologie“ nimmt er dabei in den Blick: Friedrich Gogarten, der wenige Monate nach Schaeders Veröffentlichung über das Wort Gottes dessen Nachfolger in Breslau werden sollte,⁷⁹⁷ und Karl Barth.

   

Vgl. oben S.  ff. Wort Gottes, . Vgl. zum Vorherigen: ebd. AaO., . Vgl. oben S. .

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

An Gogartens Entwurf, wie er sich in dessen Werken „Ich glaube an den dreieinigen Gott“ und „Glaube und Wirklichkeit“ Ausdruck verschafft,⁷⁹⁸ ist es v. a. das Geschichtsverständnis, das Schaeders Bedenken hervorruft: Gogarten spreche sich deutlich gegen jeglichen Versuch des endlichen Ich aus, die Geschichte zu deuten.⁷⁹⁹ Geschichtsdeutung – v. a. in Form der modernen Geschichtsphilosophie von Troeltsch⁸⁰⁰ – sei eine Äußerung der Überheblichkeit des Ich und seines Gelöstseins von dem Anspruch, der tatsächlich aus der Geschichte an das menschliche Ich ergehe.⁸⁰¹ Den Menschen könne man nicht deuten. Denn der Mensch habe keine Wirklichkeit außer in seinem Angesprochensein durch den Anderen. Jede Deutung aber hebe diesen Anspruch und die Verantwortung ihm gegenüber auf.⁸⁰² Geschichte sei deshalb bei Gogarten, der sich hier von Ebner abhängig zeige, grundsätzlich ein Angesprochenwerden des konkreten, in der Zeitlichkeit und Vergänglichkeit lebenden Ich von einem Du; einem Du, das durch den Nächsten repräsentiert werde.⁸⁰³ Die Geschichte habe also ihr „elementares Wesen oder ihre Wirklichkeit“ darin, dass das Ich seine Verantwortung gegenüber dem Du wahrnehme und erlebe.⁸⁰⁴ Dieser Anspruch, der vom Du ausgehe, sei dabei nichts anderes als die Forderung der Nächstenliebe, der Hingabe an das Du und seine Zwecke.⁸⁰⁵ Das Geschichtsverständnis Gogartens – wonach Geschichte dort sei, wo die Forderung der Nächstenliebe das Ich gestalte – umfasst nach Schaeder durchaus auch die Vergangenheit: Wenn nämlich auf das Ich ein Anspruch aus der Vergangenheit zukomme, der fordernd das Ich zur Entscheidung rufe, zähle diese Vergangenheit nach Gogarten auch für das Ich zu seiner Geschichte.⁸⁰⁶ Der Anspruch des Nächsten, ob nun als Anspruch aus der Vergangenheit oder Gegenwart, habe bei Gogarten – wie Schaeder weiter betonen kann – unbedingten bzw. absoluten Charakter. Denn weil Gott das Ich und das Du schöpferisch zusam-

 Schaeder zitiert intensiv aus diesen beiden Werken. Inwieweit dabei die Kritik Schaeders an Gogarten berechtigt ist, kann hier nicht geklärt werden. Die Auseinandersetzung mit Gogarten soll an dieser Stelle vielmehr nur der noch differenzierteren Erfassung von Schaeders Wortverständnis dienen.  Wort Gottes, .  Vgl. z. B. Gogarten, Dreieinigen Gott,  ff.  Wort Gottes,  f.  AaO., .  Ebd.  AaO., .  AaO., .  Ebd.

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

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menbinde, deshalb sei die Forderung des Du an das Ich, eben indem sie unmittelbar auf den Schöpfer zurückweise, unbedingt.⁸⁰⁷ Dieses skizzierte Geschichtsverständnis Gogarten hat nun nach Schaeder weitreichende Folgen: So sei z. B. das Wort Gottes nach Gogarten zunächst menschliches Wort und konfrontiere den Menschen gar nicht ohne Weiteres mit Gott selbst. Vielmehr konfrontiere es das Ich mit dem Nächsten, mit dem Du.⁸⁰⁸ Oder mit anderen Worten: Das Wort Gottes meine bei Gogarten den „Menschen in seiner unbedingten Verantwortlichkeit dem Anderen gegenüber“.⁸⁰⁹ Damit aber habe es das Wort Gottes mit dem jeweiligen Menschen in seinem innergeschichtlichen Verhältnis zum Nächsten zu tun,⁸¹⁰ nicht aber mit dem Gott, der bei all seiner weltimmanenten, innergeschichtlichen Geisteswirksamkeit doch zugleich immer auch der Transzendente und Überweltliche bleibe. Seine Bedenken gegenüber Gogarten kann Schaeder deshalb an dieser Stelle deutlich zum Ausdruck bringen: „Das innergeschichtliche, geschichtlich konkrete Verhältnis von Mensch zu Mensch soll es sein, in welchem wir Gott begegnen oder durch welches Gott sich uns bekundet. […] Wo bleibt da das Nächste, das Erste, wo bleibt der überweltliche Gott, der weltüberlegene Herr der Welt? Wo bleibt der ganz Andere, der Gott der Majestät? […] [D]en Gott, der über der Geschichte und ihrer Weltverflechtung steht […], diesen Gott trifft man bei Gogarten nicht. Er ist dort, er offenbart sich dort, wo Mensch mit Mensch verbunden ist, wo Mensch vom Menschen in Anspruch genommen wird. Die Freiheit Gottes von der Welt kommt dabei nicht bestimmt heraus.“⁸¹¹ Nach Schaeder steht deshalb in Frage, ob Gogarten – auch wenn er weit davon entfernt sei, den idealistischen Identitätsgedanken zu vertreten – sich wirklich von der Grundeinstellung des Idealismus bzw. von der „eigenartige[n] Immanenzbetrachtung der idealistischen Philosophie“ völlig gelöst habe.⁸¹² In der Auseinandersetzung mit Gogartens Entwurf liegt Schaeder also alles daran, die durch das Wort vermittelte und durch den Heiligen Geist gewirkte Unmittelbarkeit Gottes herauszustellen und festzuhalten. Diese vermittelte Unmittelbarkeit Gottes kann nach Schaeder dabei als konstitutives Merkmal einer „Mystik des Glaubens“ gelten.⁸¹³

      

AaO.,  f. AaO.,  f. Gogarten, Glaube, . Vgl. Wort Gottes, . Ebd. AaO.,  f. AaO.,  ff. Vgl. oben S.  f.

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

Gogartens Geschichtsverständnis erweist sich aber nach Schaeder nicht nur für das Verständnis vom Wort Gottes, sondern auch für die Christologie und Pneumatologie als folgenschwer: Jesus Christus trete als der hervor, der sich der Verantwortung vor Gott und damit des Anspruchs, den die Menschen seiner Umgebung an ihn stellen, voll bewusst sei. Als Einziger in der Geschichte habe er bis in seinen stellvertretenden Fluchtod hinein jenen gottgewollten Anspruch in der Liebe zu den Menschen erfüllt und sei – weil er den Anspruch voll erfasst und erfüllt habe – derjenige, auf den sich unser Glaube richte.⁸¹⁴ Schaeders formuliert auch hier seine Bedenken in aller Deutlichkeit: „[W]arum wird nicht gesagt, daß Gott in Jesus Christus von oben her in die Geschichte tritt, daß Gott oder der Geist Gottes selbst im Menschen Jesus den Gliedern der Geschichte nahe kommt, so wirksam nahe, daß durch seine Nähe Glaube an ihn entsteht? Warum legt sich auf die ganze Konzeption […] fortwährend jener maßgebende Geschichtsbegriff, daß die Geschichte immer das Angesprochenwerden des endlichen Ich vom endlichen Du ist? Ist sie denn nicht in erster Linie […] das direkte Handeln Gottes ins Diesseits hinein und im Diesseits Gottes Selbstdarstellung und die Verwirklichung des Heiles […]? Ist es denn wirklich so verkehrt, […] wenn man von dem ‚Übergeschichtlichen‘ redet, das in Jesus Christus in der Geschichte wirkt“?⁸¹⁵ Auch die Tatsache der Inkarnation, die Gogarten fundamental betone, dürfe man nicht in den verschränkten Geschichtsbegriff pressen, sondern müsse sie als vermitteltes und doch zugleich unmittelbares, direktes Hervortreten des übergeschichtlichen, majestätischen Gottes der Gnade zur Geltung bringen.⁸¹⁶ Darüber hinaus wirkt sich nach Schaeder das Geschichtsverständnis Gogartens auch bei der Pneumatologie und beim Erfahrungsbegriff aus: Der Heilige Geist sei dort, wo das Ich seiner Selbstzentrierung entzogen werde und ganz und nur auf den Anderen, das Du, gerichtet sei. Auch im Blick auf den Heiligen Geist stehe man wieder beim Nächsten und dem Dienst am Nächsten.⁸¹⁷ Die Einheit von Wort Gottes und Geist Gottes präge sich bei Gogarten dadurch aus, dass vom Wort eine verpflichtende Wirkung ausgehe, welche dem Menschen die Augen für den Anderen und für Gott öffne. Der Geist Gottes überführe also Menschen in Form verbindlicher Erfahrung davon, dass das Wort, welches Christus bezeuge und repräsentiere, Wort Gottes sei.⁸¹⁸ Zugleich wende sich aber Gogarten mit großer Vehemenz dagegen, dass man eine innere Erfahrung von Jesus Christus mache und von einer Christusmystik rede.

    

Wort Gottes,  f. AaO., . AaO.,  f. AaO., . AaO., .

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

247

Schaeders Antwort auf Gogartens Ablehnung einer Christusmystik ist dabei differenziert: Sofern an eine Mystik gedacht wird, welche die geschichtliche Überlieferung von Jesus Christus umgeht, ihn also außer und neben der Überlieferung sucht, muss auch Schaeder sie ablehnen. Denn was Schaeder als „Glaubensmystik“ verstanden wissen will, ist Erfahrung bzw. ein „Erleben“ Christi und Gottes durchs Wort. Sie ist dabei – wie Schaeder nachdrücklich betonen kann – Erfahrung am geschichtlichen Wort und durchs Wort am Christus der Geschichte. Dennoch hält Schaeder – nun gegen Gogarten gewendet – daran fest, dass diese Erfahrung recht verstanden zugleich innere, eigenste, persönliche Erfahrung bleibt: „Die Erfahrung, welche der Glaube bildet, besteht darin, daß der geschichtliche Jesus Christus, von welchem das Wort redet, in diesem Wort und dieses Wort für den, welcher das Wort hört, eine wirksame Gegenwartsmacht wird. Er wird es im Geiste Gottes, welcher der Geist des geschichtlichen Jesus Christus selber ist. Dies gibt die Nähe Gottes in Christus oder die Nähe Christi im Glauben […]. Und diese meinen wir, wenn wir von Christusmystik oder Glaubensmystik reden. Sie ist wirksame Nähe Gottes. Das heißt: der Mensch weiß sich im Glauben von dem nahen Gott, der für ihn zur pneumatischen Wirklichkeit geworden ist, unbedingt in Anspruch genommen, und zwar für Gott resp. Christus, und er weiß sich von diesem Gott trotz Sünden und Schuld unbedingt angenommen oder gerechtfertigt. So ist der Glaube innerste Gott- und Christusverbundenheit. Das ist das Mystische an ihm.“⁸¹⁹ Nach Schaeder ist es also gerade die Pneumatologie, näherhin die Explikation des Heiligen Geistes als Geist der Vergegenwärtigung Jesu Christi und seiner Geschichte, welche ihn von Gogartens Entwurf unterscheidet. Die damit zusammenhängende bindende und befreiende Wirkung der Nähe Gottes im Geist wirkt dann zwar – so kann Schaeder Gogartens Forderung der Nächstenliebe aufnehmen – sekundär „zwangsläufig auch auf das Willensverhalten des Glaubenden zu den Menschen ein“.⁸²⁰ Das schlechthin Primäre bleibt aber die Überwindung der relationsnegierenden Sünde und die Herstellung der persönlichen Glaubensverbindung mit dem lebendig, überweltlichen Gott durch das relationsstiftende Wirken des Heiligen Geistes. Gogarten hat also – so Schaeders abschließende Kritik – aufgrund einer eigentümlichen Scheu vor dem überweltlichen Gott nicht genügend den Blick dafür, dass es sich beim Wort Gottes um noch etwas anderes handelt als um das Verhältnis von Mensch zu Mensch.⁸²¹ Das heißt: Gogarten betont – zumindest aus Schaeders Sicht – die Diastase von Gott und Mensch so sehr, dass jegliche direkte

 AaO.,  f (Hervorhebung hinzugefügt).  AaO., .  AaO.,  f.

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

Beziehung und Unmittelbarkeit von Gott und Mensch verloren gehen muss.⁸²² Oder anders formuliert: Gogarten insistiert so sehr auf die Transzendenz Gottes, dass dabei die – als geistgewirkte inhabitatio Dei verstandene – Kondeszendenz Gottes verloren geht und die Transzendenz in der – als konkretes Ich-Du-Verhältnis bestimmten – Immanenz aufzugehen droht. Die Relation zwischen Gott und Mensch lässt sich deshalb bei Gogarten zunächst nicht christologisch oder pneumatologisch beschreiben, sondern kann allein in dem – aller Deutung entnommenen – Anspruch des konkreten menschlichen Du gefunden werden. Christologie bzw. Pneumatologie demonstrieren dann aber nur noch die Autorisierung des Menschen, wie sie sich auch in Gogartens Geschichtsverständnis Ausdruck verschafft: In jeder Beziehung von Ich und Du, d. h. dort,wo ein Ich den Anspruch des Du vernimmt, ist Gott präsent.⁸²³ In Konsequenz bedeutet dies aber letztlich eine Anthropologisierung der von Gogarten behaupteten absoluten Wesensverschiedenheit von Gott und Mensch.⁸²⁴ Infolgedessen bleibt auch für das Verständnis des Wortes Gottes bei Gogarten das innergeschichtliche und konkrete Ich-Du-Verhältnis von Mensch und Mensch das Maßgebende.⁸²⁵ Auf diesem Hintergrund erklärt sich, weshalb Schaeder gegenüber Gogarten mit Nachdruck die vermittelte Unmittelbarkeit Gottes und beim Glauben den Charakter des „mystischen Näheverhältnisses Gottes in Christus zum Menschen und umgekehrt“ zu betonen bemüht ist.⁸²⁶ Denn gerade darin, dass das Wort von Gott diesen Glauben wirkt, liegt für Schaeder die Einheit von Wort und göttlichem Geist begründet, bzw. verbürgt sich der Charakter des Wortes als des Wortes Gottes.⁸²⁷

 Gottes Anspruch trifft nach Gogarten den Menschen niemals direkt, sondern immer nur indirekt in der Begegnung von Du und Ich und damit in der Relation des Menschen zum Menschen. Vgl. Thyssen, Begegnung, . An Gott glauben kann man dann aber nach Gogarten nur, indem man an den Nächsten „glaubt“, der in der gegenwärtigen Situation als Du begegnet. Vgl. ders., aaO.,  und Gogarten, Dreieinigen Gott, .  Die Begegnung des Menschen mit dem Menschen bleibt deshalb der Ort der Gottesbegegnung.  Vgl. Weinrich, Wirklichkeit,  f. Barth kann auch von einer „anthropologische[n] Unterbauung“ der Theologie sprechen. Vgl. Barth, Abschied, .  Wort Gottes, .  AaO., .  Ebd.

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

249

2.2.2.3 Schaeders Kritik an Barths „Christlicher Dogmatik im Entwurf“ Neben Friedrich Gogartens theologischem Entwurf nimmt Schaeder auch Karl Barths Konzeption in den Blick. Dabei weiß Schaeder durchaus um die deutliche Unterschiedenheit der beiden Vertreter der sogenannten „dialektischen Theologie“⁸²⁸: „Dialektische Theologie und dialektische Theologie sind eben bei all ihrer Vergleichbarkeit zweierlei.“⁸²⁹ Das Leitmotiv im Entwurf Barths bilde deshalb – anders als bei Gogarten – die Tendenz der Trennung von Gott und Geschichte bzw. von Übergeschichtlichem, Ewig-Überzeitlichem auf der einen und Geschichtlichem, Zeit und endlicher Welt auf der anderen Seite.⁸³⁰ Und doch komme Barth – so zunächst Schaeders Würdigung – das Verdienst zu, der Dogmatik und damit der „Theologie in der Theologie“, grundlegend die Orientierung über das Wort Gottes als Aufgabe zugewiesen zu haben: „Die fördernde Wirkung dieses konzentrierten Vorstoßes werden Theologie und Kirche lange spüren. Schon die Fragestellung für sich nimmt sich wie ein reinigendes Gewitter aus. Man muß auch das Weitere hervorheben, daß Barth durchdrungen ist von dem Bemühen, das Wort Gottes wirklich Gottes-Wort sein zu lassen, d. h. Wort, welches die Wahrheit Gottes, des absoluten Herrn, ausdrückt und durch welches eben dieser alleinwahre Gott und niemand sonst zu den kommenden und gehenden Geschlechtern der Menschen redet.“⁸³¹ Barth protestiere – so Schaeder weiter – mit Nachdruck gegen einen eigenartigen „Ichkultus“,welcher sich in der neueren Theologie bemerkbar mache und die Majestät Gottes antaste. Barth bemühe sich deshalb um die Entthronung des Ichs bzw. um die Beseitigung des Ichsubjektivismus im ganzen Bereich der Theologie. Ein „theozentrischer Zug von deutlicher, bewußter Stärke“ gehe somit durch seine Theologie.⁸³² Für Schaeder stellt sich aber hierbei die Frage, ob nicht Barth in Gefahr steht bzw. der Gefahr erlegen ist, den Protest gegen das Ich im Glauben in unhaltbarer Weise übersteigert und in seiner Gegnerschaft gegen das Anthropozentrische in der Theologie das Recht des Subjektivismus angetastet zu haben.⁸³³ Oder mit anderen Worten: Es stellt sich die Frage, ob sich – bedingt durch Barths Objektivitätsstreben – der notwendige Kampf gegen den Idealismus nicht überschlägt: Im Idealismus sei – so Schaeders Definition desselben – Religion wie alle Kul-

 Die Bezeichnung „dialektische Theologie“ war keine Selbstbezeichnung jener Gruppe junger Theologen, sondern wurde dieser Gruppe von „irgend einem Zuschauer angehängt“. Siehe: Barth, Abschied, . Vgl. auch Körtner, Theologie, .  Wort Gottes, .  Vgl. aaO.,  f.  AaO., .  AaO., .  Ebd.

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

turphänomene eine Äußerung des mit dem Geiste Gottes geeinigten Ich, sei schöpferische Produktion des Ich in seiner Verbindung mit dem Absoluten. Das sei die idealistische Übersteigerung des Subjektivismus, wodurch Theologie letztlich zu einer „Bewußtseinstheologie“, zu einem Produkt des schöpferischen religiösen Ich werde. Das sei Kulturprotestantismus, wie er sich auch in den Arbeiten von Troeltsch Ausdruck verschaffe. Dieser hochgesteigerte Anthropozentrismus aber könne nur noch dadurch überboten werden, dass man mit Feuerbach den absoluten oder göttlichen Geist streiche und das allgemeine bzw. das individuelle Ich zum phantasiebegabten Produzenten der Religion erhebe.⁸³⁴ Dem Protest Barths gegen diese Form von Bewusstseinstheologie kann Schaeder uneingeschränkt zustimmen: „[S]oweit Barth bei seinem Bemühen um die Erfassung des Wortes Gottes sich gegen jede Form jener idealistischen Bewusstseinstheologie des sog. schöpferischen religiösen Ich wendet, muß er jeden Theologen des Wortes auf seiner Seite haben. Daß das erst recht gilt, wenn sich Barth gegen das religionschaffende Verhalten des gottlosen Ich, wie wir es bei Feuerbach und anderen vertreten finden, wenden würde, braucht nicht erst betont zu werden.“⁸³⁵ Nach Schaeder ist Barth allerdings in seinem Kampf gegen die anthropozentrische Bewusstseinstheologie in der beschriebenen Form nicht stehen geblieben, sondern hat auch gegen Vertreter anderer theologischer Richtungen den Vorwurf eines Ichsubjektivismus erhoben. Für Schaeder zeigt sich nun bei der Beschäftigung mit diesem Vorstoß Barths, warum er dessen Konzeption nicht folgen kann: Barth stelle nämlich das Wort Gottes in einer abgeschlossenen Objektivität dem menschlichen Ich gegenüber und rede doch von einem Glauben an das Wort und durch das Wort. Er stelle den Glauben an das Wort als eine Wirkung des Geistes Gottes hin, suche dabei aber – in Anwendung des finitum non capax infiniti – die Distanz zwischen Wort und Geist auf der einen, dem glaubenden Ich auf der anderen Seite so tief wie möglich zu statuieren.⁸³⁶ Auch Barths Rede vom Glauben als einem Hohlraum, welcher allein durch das dem menschlichen Ich objektiv gegenüberstehenden Wort Gottes und dem zutiefst vom menschlichen Ich unterschiedenen Geist Gottes gefüllt werde, kann Schaeder nicht teilen. Denn lehne man die Auffassung ab, dass durch Wort und Geist nicht nur eine Inanspruchnahme des Ich, sondern auch eine innere Umgestaltung des Ich erfolge, dann drohe damit letztlich ein formal-äußerlicher Autoritätsglauben bzw. ein unhaltbarer Biblizismus.⁸³⁷    

AaO.,  f. AaO., . AaO., . AaO.,  f.

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

251

Schaeder fordert deshalb – gerade weil er Barths Vorstoß gegen psychologisierende Subjektivismen in der Theologie auch teilen kann – im Blick auf das Glaubensverständnis eine sorgfältige Unterscheidung zwischen der Auffassung, wonach das Ich schöpferisch, d. h. phantasiemäßig bestimmte Glaubensvorstellungen von sich aus produziert und sie dann als Wort Gottes ausgibt und der davon grundlegend verschiedenen Auffassung, nach welcher Gottes objektives Wort durch den Heiligen Geist das Ich erfasst, bereichert, umbildet und neu konstituiert. Eine Theologie, die letztere Auffassung vertritt, aber habe – so kann Schaeder nachdrücklich betonen – nichts mit einer gratia infusa zu tun und taste in keiner Weise weder den objektiven Bestand des Wortes Gottes noch das sachgemäße Verständnis des Geistes Gottes an.⁸³⁸ Dass Barth, Brunner und Gogarten mit dem Begriff der gratia infusa operierten, sei letztlich nichts anderes, als ein Schreckgespenst gegen diejenigen in Bewegung zu setzen, welche gar nichts anderes vertreten als ein reformatorisches, lutherisches Verständnis von Wort, Geist und Glaube.⁸³⁹ Schaeder kann deshalb zwar Barths Widerstand gegen eine anthropozentrische Bewusstseinstheologie teilen, kritisiert aber zugleich das undifferenzierte, pauschale und polemische Agieren Barths. In diesem Zusammenhang kommt Schaeder nun deutlich auch auf die Kritik zu sprechen, die seinem eigenen theologischen Gesamtentwurf von Seiten Barths widerfahren ist: Barth wende sich gegen den „Kartesianismus“ in der Theologie und damit letztlich auch zugleich dagegen, dass man bei der Frage nach dem Wort Gottes beim glaubenden Ich einsetze. Mit Nachdruck betont nun Schaeder, dass sein Ausgangspunkt beim Glauben grundlegend falsch verstanden sei, wenn man dabei an das Ich als einem schöpferischen, den Glauben selbst produzierenden Ich denke. Wenn er seinen Ausgangspunkt vom glaubenden Ich nehme, gehe es vielmehr stets um dieses Ich „nicht und nie ohne das Wort, sondern durchaus in seiner Berührung mit dem Wort, dem Evangelium, oder in seiner Beeinflussung durch das Wort“.⁸⁴⁰ Die Kritik, wie sie sich im „schulmeisterlichen Mentorton“ in Barths „Christlicher Dogmatik im Entwurf“ Ausdruck verschaffe, treffe ihn deshalb nicht, da er immer das Bewusstsein in Verbindung mit dem objektiven Wort im Auge gehabt habe.⁸⁴¹ Bei dieser Zurückweisung der Kritik Barths bleibt Schaeder aber nicht stehen, sondern formuliert seinerseits Anfragen an Barths Konzeption: „Barths Flucht vor

 Zu Schaeders Auseinandersetzung mit dem gegen ihn vorgebrachten Vorwurf, die Lehre von der gratia infusa zu vertreten, vgl. oben S.  ff.  Wort Gottes, .  AaO., . Nach Schaeder hätte Barth dies z. B. aus seiner Arbeit über das Geistproblem herauslesen können.  AaO., .

252

2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

dem Faktor des subjektiven Bewusstseins wirkt sehr sonderbar. Niemand kann […] von dem objektiven Gotteswort reden, ohne daß er ein Bewußtsein um dasselbe hat.Vollends kann niemand mit zureichendem Grunde dies Wort als das wirkliche Wort Gottes hinstellen, wenn er nicht dabei das glaubende Ich und den Inhalt seines glaubenden, wortgebundenen Bewusstseins ins Auge fasst.“⁸⁴² Bei Barth könne man deshalb – so Schaeder weiter – von einem „übersteigerten Objektivitätsstreben“ bzw. von dem Versuch sprechen, „über den Schatten des eigenen Ichs zu springen“.⁸⁴³ Pointiert aber heißt dies: Für Schaeder kann nur der Glaube als direktes Erlebnis Gottes den noetischen Zugang zur göttlichen Wirklichkeit und damit auch zur Wirklichkeit des Wortes Gottes gewährleisten.⁸⁴⁴ Das Wort erweist sich demnach nur dem Glauben als Gottes Wort.⁸⁴⁵ Dabei ist für Schaeder – um einen Anthropozentrismus zu vermeiden – allerdings stets die Inversion der Subjekt-Objekt-Relation vorausgesetzt.⁸⁴⁶ Konkret bezogen auf das Wort Gottes heißt dies: Das Wort oder das Evangelium wirkt, weil es Zeugnis von dem in Christus wirksam handelnden Gott ist, als eine absolut verbindliche Größe auf das hörende Ich. Der Gott des Wortes steht als gegenwärtige, unmittelbare, nahe Größe vom dem hörenden Ich, dem Subjekt. Das Ich seinerseits aber ist sich dessen bewusst, vor Gott zu stehen. „Und indem dies der Fall ist, wird das hörende Ich in einem inwendigen, seelisch-geistigen Vorgang von absolutem Charakter dem nahen Gott gegenüber zum Objekt. Das heißt: es hört nicht nur von dem Gott, der es unbedingt in Anspruch nimmt oder fordert. Dann wäre Gott immer noch Objekt für das Ich. Es weiß sich vielmehr in bestimmter Überführung von Gott absolut gefordert. Es weiß sich vor Gott in seinem ganzen Lebensbestande: in seiner Gesinnung, seinem Affektleben, seinem Wollen, schlechthin verantwortlich. So wird Gott […] zum lebendig-persönlich erfahrenen oder erlebten Herrn. Zu gleicher Zeit aber geht von diesem Gott […] eine schlechthin befreiende Wirkung aus.“⁸⁴⁷ Sie befreit den Menschen von seiner Selbstfixierung und seiner egozentrisch-relationsnegierenden Platzanmaßung. Ist der Glaube aber die Folge dieser vom Wort ausgehenden unmittelbaren pneumatischen Inanspruchnahme und Befreiung,⁸⁴⁸  AaO., .  Ebd.  Vgl. auch oben S.  f.  Gegenüber Barth kann Schaeder dabei festhalten: „Daß man das Wort vorher hat, ehe man seine Gottes-Qualität, seine pneumatische, feststellt, habe ich ohne Barth auch gewusst.“ Siehe: Wort Gottes, .  So darf man nach Schaeder z. B. sagen, „daß der Gott, der uns im Evangelium als das Objekt menschlichen Zeugnisses entgegenkommt, für uns in der Macht seines Geistes Subjekt wird, welches uns an sich bindet und von sich überführt“. Siehe: Der lebendige Gott, .  Wort Gottes,  f (Hervorhebung hinzugefügt).  Vgl. z. B. auch oben S.  ff. .

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

253

dann erklärt sich, weshalb Schaeder mit allem Nachdruck gegenüber Barth betonen kann: „Glauben heißt nicht zum Wort als objektiver, dem Ich gegenüber distanzierter Größe Ja sagen. […] Glauben heißt: vom Inhalt des Wortes, von Gott in Christus, als einer unsichtbaren Gegenwartsmacht gefasst, bestimmt werden und so das Wort bejahen.“⁸⁴⁹ Die Erfahrung der absolut verpflichtenden und vergebenden Nähe Gottes führt dabei nach Schaeder in der Form der Autopistie⁸⁵⁰ die Gewissheit mit sich, dass Gottes Geist durch das Wort wirkt und der wortgebundene Glauben sich nicht dem eigenen Geist des Glaubenden verdankt, sondern dem absoluten, überzeitlich gegenwärtigen Gott. Der Glaube vermag somit dieses Wort als das Wort Gottes zu erfassen:⁸⁵¹„Es ist für ihn die handelnde Selbstbekundung Gottes“.⁸⁵² Das Wort Gottes gehört also, obwohl es Jesus Christus als Mann der Geschichte zum „Zentralgehalt“ hat, zur strikten Gegenwart dessen, der es vernimmt.⁸⁵³ Dies liegt in der Wirksamkeit des Heiligen Geistes als des Geistes der Vergegenwärtigung Jesu Christi und dessen Geschichte begründet.⁸⁵⁴ Das Wort Gottes ist dabei zwar – wie Schaeder weiter betonen kann – ganz menschlich, jedoch gilt zugleich: „[I]ndem es in menschlichen Vorstellungsformen, in lauter Anthropomorphismen, von übermenschlichen Größen reden, von der Majestät Gottes und von dem Menschen Jesus, sofern er an ihr teilhat, wird es zur Vermittlerin einer unbedingten geistigen Macht […] und zwar so, daß Gott in Christus glaubenschaffend an den Hörenden wirkt.“⁸⁵⁵ Schaeder ist also bemüht, die von Barth vertretene Tendenz der Trennung von Gott und Geschichte, von Überzeitlichem und zeitlich-endlicher Welt, von objektivem Wort Gottes und subjektivem Bewusstsein zu überwinden, indem er mit Nachdruck betont: „[W]ir haben die innigste Synthese von Wort, Geschichte, menschlichem Ich, Geist Gottes und Glauben. Finitum capax infiniti. Aber das weiß und sieht nur der Glaube, der geistgewirkte Erfahrung ist.“⁸⁵⁶ Diese von Schaeder

 Wort Gottes, .  Nach Schaeder gibt es keinerlei Mittel, den Wortinhalt der endlichen Vernunft auf dem Vernunftwege plausibel zu machen: „Keine geschichtliche Beobachtung und rationale Verknüpfung des Beobachteten, keine reine Psychologie, keine an das Wort herangebrachte Spekulation“. Allen diesen Unternehmungen entziehe sich Gott. Das Wort Gottes bezeuge sich vielmehr selbst. Man könne deshalb von einer Autopistie des Wortes Gottes reden. Vgl. aaO., .  AaO.,  f.  AaO., .  Ebd.  Vgl. auch oben S.  ff.  AaO., .  Ebd.

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

vertretene und nur dem Glauben evidente „paradoxe Synthese“⁸⁵⁷ von Göttlichem und Menschlichem, von Gottesgeist und Menschengeist, von Gottes objektivem Wort und menschlichem Bewusstsein aber hat letztlich ihren tiefen Grund im göttlichen Geist, der dem Menschen unüberbietbar nahe kommt und doch zugleich vom Menschen präzise unterschieden bleibt. Die von Schaeder nachdrücklich betonte Synthese wird man deshalb nicht im Sinne einer Nivellierung der Differenz zwischen Gott und Mensch, sondern allein im Sinne einer nicht zu überbietenden Nähe des präzise vom Menschen unterschiedenen Gottes im Inneren des Menschen zu verstehen haben.⁸⁵⁸ Wie die Synthese zwischen Göttlichem und Menschlichem, zwischen göttlichem Geist und menschlichem Geist, zwischen Heiligem Geist und Geschichte, so lässt sich auch die Synthese zwischen objektivem Wort und menschlichem Bewusstsein niemals als eine natur- bzw. substanzhafte und damit ontologische, sondern allein als eine geistgewirkte und damit pneumatische Synthese explizieren. Nichts anderes aber dürfte gemeint sein, wenn Schaeder immer wieder – gerade auch im Gegenüber zu Brunner, Gogarten und Barth – von einer wortvermittelten Glaubensmystik oder Christusmystik spricht.

2.2.2.4 Der Inhalt des Wortes Gottes Nach Schaeder lautet der Inhalt des Wortes Gottes: „Gott, genauer: Gott in Christus Jesus. Aber dieser Gott als der Herr. Und Jesus Christus als der, durch den Gott der Herr ist.Weil aber die durch Christus vermittelte Herrschaft Gottes die Wirkung des Geistes ist, so kann man in einer vorläufigen Formel […] urteilen: Der Inhalt des Wortes Gottes ist der dreieinige Gott in Gott dem Herrn, in seinem Christus und im Geiste Gottes. Das Wort, der Ausdruck dieses Inhalts, ist das Wort Gottes“.⁸⁵⁹ Es ist also v. a. der Gedanke der Herrschaft des dreieinigen Gottes, welcher Schaeder bei der Inhaltsbestimmung des Wortes Gottes zu unterstreichen und dann auch zu entfalten bemüht ist. Gott als der Herr stehe in wirksamen und handelnden Beziehungen zum Diesseits, unter denen die für uns entscheidende die sei, dass Gott den Glauben wirke. Dieser gottgebundene, auf Gott bezogene Glaube sei – so Schaeder weiter – jetzt der zusammenfassende Inbegriff der Herrschaft Gottes über das Diesseits. Im Glauben sei Gott jetzt, während dieser von uns gelebten Geschichte der Welt, im Vollsinne der Herr der Welt.⁸⁶⁰ „Deshalb: indem das Wort Gottes von Gott als dem Herrn redet, redet es auch vom Glauben, in welchem er    

Vgl. Theozentrische Theologie  (),  f. Vgl. auch oben S. . Wort Gottes, . AaO.,  f.

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

255

seine Herrschaft realisiert. Ebenso vom Unglauben, der die Verleugnung seiner Herrschaft oder der Angriff auf sie ist.“⁸⁶¹ Der Inhalt des Wortes lässt sich deshalb so präzisieren: Gott, Christus, Heiliger Geist und Glaube.

2.2.2.4.1 Gott als Schöpfer Um nun Gottes „wirksames Herrschertum“, wie es das Wort Gottes ausdrückt, inhaltlich näher zu charakterisieren, könnte man nach Schaeder zwar mit der Rechtfertigungslehre und damit mit dem articulus stantis et cadentis ecclesiae einsetzen. Denn die Rechtfertigung des Sünders allein aus Glauben sei ja deutlicher Ausdruck der majestätischen Herrschaft Gottes.⁸⁶² Aber – so kann nun Schaeder zugleich einwenden – „der Glaube, der durch das Wort entsteht, enthält Elemente des Wortes, welche diesem Schluß- und Hauptstück seines Inhaltes logisch und sachlich vorangehen“.⁸⁶³ V. a. das fundamentale Zeugnis von Gott als dem Schöpfer stellt Schaeder deshalb bei der inhaltlichen Entfaltung der majestätischen Herrschaft Gottes voran. Das Wort von der Schöpfung rücke die Welt und den Menschen in die unbedingte Abhängigkeit von Gott.⁸⁶⁴ Diese Abhängigkeit mache die Welt zum Gebilde Gottes und die Natur zum Ausdruck der dauernden Betätigung Gottes. Da Gott immer am Menschen schöpferisch wirke, bleibe er bei aller „Glaubenskindschaft“ Knecht Gottes.⁸⁶⁵ Das Schöpfertum Gottes sei somit der tiefste Grund für die unbedingte Verantwortlichkeit des Menschen vor Gott, ohne die man weder das Gesetz als den fordernden Willen Gottes an den Menschen, noch die Sünde als Auflehnung oder persönliche Trennung von Gott begreifen könne. Ebenso wenig lasse sich weder das Gericht Gottes, dessen souveräne Gnade noch eine kommende machtvolle Erneuerung der Welt verstehen.⁸⁶⁶ Schaeder kann deshalb formulieren: „So senkt sich der Schöpfungsgedanke in alle Elemente der Glaubensüberzeugung hinein und […] in alle Elemente des Wortes,von dem der Glaube an Gott den Herrn lebt. […] Es zeigt sich hier, was alte [sic!] wahrhaft theozentrische Theologie […] herausstellt, daß die Fragen einer wirklichen Worttheologie gar nicht nur die von Sünde und Gnade sind, gar nicht nur die im engeren Sinne christologischen. Es zeigt sich vielmehr, daß diese letzteren, indem sie aufgeworfen und beantwortet werden, ohne die allseitige und eindringende Behand-

     

AaO., . Vgl. ebd. AaO., . Ebd. AaO., . Vgl. auch zum Vorherigen: AaO., .

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

lung der Schöpfungsfrage der letzten, tragenden Sicherung entbehren“.⁸⁶⁷ Auch Jesus Christus gehört dabei nach Schaeder in das Zeugnis von Gottes schöpferischem Wirken hinein: Der Christus Gottes sei der Träger und Geber des absolut machtvollen Geistes Gottes und als solcher „Geistesinhaber“ habe er Teil nicht nur an Gottes neuschöpferischem und glaubenschaffendem Wirken, sondern auch an Gottes schöpferischem Wirken überhaupt. Alle Tätigkeit Gottes, auch die schöpferische und neuschöpferische, erfolge im Geiste und durch den Geist Gottes.⁸⁶⁸ Insofern gilt der von Schaeder beschriebene Inhalt des Wortes Gottes – der dreieinige Gott – auch dann, wenn es sich um das Zeugnis von Gottes kreatorischem Wirken handelt. Grundlegend bleibt auch hier die Erfahrung des Glaubens. Denn der Glaube an den Schöpfergott hat nach Schaeder nicht in der rein äußerlichen Mitteilung durch das Wort sein Fundament; auch nicht darin, dass die sinnliche Beobachtung unserer Welt diese Angabe des äußeren Wortes bestätigt.Vielmehr gilt: „Wenn Gott sich uns durch das Wort als Schöpfer bekundet, dann tut er das eben mittels seines Geistes selbst; er selbst tut es jetzt. Nur so ist das Menschenwort von Gottes schöpferischem Wirken Gottes Wort an uns.“⁸⁶⁹ Diese Selbstbekundung Gottes durch den Geist meint dabei nichts anderes als die Erfahrung der absolut verpflichtenden und vergebenden Nähe Gottes bzw. der pneumatischen Inanspruchnahme und Befreiung. Damit rückt zwar schon die Soteriologie ins Blickfeld, dennoch ist Schaeder bemüht, Gott als die alles bedingende und damit schöpferische Wirklichkeit zu unterstreichen. Denn dazu, dass Gott im Glauben seine Herrschaft über den Menschen aufrichtet, gehört – wie Schaeder immer wieder gegen eine soteriologische Verengung betonen kann – „nicht bloß dies, daß Gott unter uns seine fordernde und vergebende Herrschaft bringt. Dazu gehört vielmehr auch das Elementare, immer Mitgesetzte und ganz Notwendige, daß der Gott des Wortes uns wirksam als der gegenübertritt, ohne den wir in keinem

 AaO.,  f. Schaeder geht in Zusammenhang der Schöpfungsfrage auch auf die Frage der Bejahung oder Nichtbejahung der Kultur bzw. der Kulturarbeit ein: Einerseits erlebe der Mensch im Glauben – weil dieser ihn in die Gemeinschaft mit Gott versetze – eine tiefe Lösung von der Kultur, von der Arbeit in ihr und vom Genuss der Kulturgüter. Das gebe den Widerspruch gegen den Kulturprotestantismus. Auf der anderen Seite aber stelle der Schöpfungsglaube auch die Verbindung des Menschen mit der Kultur her. Pointiert kann Schaeder deshalb formulieren: „Schöpfungsglaube ist somit Kulturbejahung, und zwar ganz grundsätzliche, unbeirrbare.“ Zuletzt trete derselbe Glaube dann dafür ein, dass die Loslösung „der Kultur von dem Glaubensgrunde, daß die Verselbständigung aller Kulturarbeit in Wissenschaft, Erziehung, Kunst, Wirtschaft und Recht gegen den Schöpfergott, den Herrn, eine der spezifischen Formen der Sünde ist.“ (AaO., ).  AaO.,  f.  AaO., .

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

257

Zeitmoment […] sind, und unsere Welt auch nicht. Dazu gehört es, daß wir uns im Glauben als Geschöpfe, als Knechte Gottes wissen und als solche mit ihm verkehren.“⁸⁷⁰ Pointiert formuliert heißt dies: Die daseinskonstitutive Beziehung Gottes zur Welt begründet zugleich die soteriologische Relevanz Gottes für die Welt. ⁸⁷¹ Die Welt bleibt als geschaffene und damit von Gott abhängige Wirklichkeit angewiesen auf Gottes befreiendes und glaubenschaffendes Wirken durch den Heiligen Geist. Diese pneumatische Befreiung des Menschen lässt sich deshalb auch als schöpferisches, oder besser: neuschöpferisches Wirken Gottes begreifen. Kritisch gegen Barth gewendet kann Schaeder deshalb betonen: Im Gedanken der Schöpfung wird der besondere Reichtum der Beziehungen Gottes zur Welt und zum Menschen ins Auge gefasst. Obwohl Barth zwar Gott selbstverständlich als Schöpfer unserer Wirklichkeit sehe,verdunkle er doch – davon zeigt sich Schaeder überzeugt – diesen Grundinhalt des Glaubens durch die prinzipielle Betonung des Gedankens der Distanz zwischen Gott und Welt.⁸⁷²

2.2.2.4.2 Gesetz und Sünde Auch wenn der Glaube vom Evangelium lebt, so bleibt – wie Schaeder auch unter Berufung auf Luther betonen kann – das Wort als Evangelium ein Torso ohne das rechtverstandene, d. h. im Sinne des Evangeliums gedeutete, Gesetz.⁸⁷³ Schaeder wendet sich deshalb zunächst dem Wort von Gottes Gesetz zu und verweist dabei darauf, dass das Macht- bzw. Absolutheitsmoment konstitutives Moment in Gott sei. Gott sei der unbedingt Mächtige, genauer der Weltmächtige und Selbstmächtige.⁸⁷⁴ Dieser absolute Gott des Wortes stehe vor uns als Geist, bzw. – da es die Selbstmächtigkeit sei, die man unter Gottes „Persönlichkeit“ zu verstehen habe⁸⁷⁵ – als ihrer selbst bewusste, sich selbst bestimmende, somit ihrer selbst mächtige Persönlichkeit.⁸⁷⁶ Dieser persönlich-geistige Gott fordere den Menschen für sich, und zwar unbedingt. Er fordere die ganze, ungeteilte persönliche Hingabe des geistig-sinnlichen Menschen an ihn. Diese unbedingte Forderung der per-

 AaO., .  Erkenntnistheoretisch aber verhält es sich gerade anders herum: Der Glaube gewinnt die Erkenntnis der weltschöpferischen Funktion Gottes nur im Zusammenhang mit der neuschöpferischen, deren Ergebnis er, der Glaube, selber ist. Vgl. Theozentrische Theologie  (), .  Wort Gottes, .  AaO., .  Vgl. Theozentrische Theologie  (), .  Ebd. Schaeder lehnt es ab, von einer „Natur in Gott“ zu reden (AaO.,  ff).  Wort Gottes, .

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

sönlichen Hingabe des Menschen an Gott sei der charakteristische Grundinhalt des Gesetzes. Der majestätische Gott erweist sich nun aber – behandelt man das Gesetz nicht losgelöst vom Evangelium – nach Schaeder zugleich in Christus als Liebe, bzw. als absolute, sich opfernde Hingabe an die Menschen.⁸⁷⁷ In dieser liebenden Selbsthingabe lässt sich Gott nach Schaeder auch als Inbegriff des Guten explizieren. Damit ergibt sich: Gottes Gesetz fordert „die unbedingte Hingabe an ihn den Guten, der unser Herr ist. Oder an das Gute, das er, der Herr repräsentiert. […] Das Gute im Sinne des Wortes ist für den endlichen Geist die Hingabe an Gott, der selber der erste und letzte Ausdruck des Guten ist. Und das Motiv dieser Hingabe liegt in Gott, eben weil er der Gute ist.“⁸⁷⁸ Schaeder setzt dabei voraus, dass diese Hingabe an Gott zugleich auch Hingabe an Christus ist und umgekehrt.⁸⁷⁹ Das Gesetz hat also – wie Schaeder z. B. gegenüber Gogarten betonen kann⁸⁸⁰ – seinen grundlegenden und direkten Relationspunkt in dem innergeschichtlich wirksamen und doch zugleich übergeschichtlichen Gott. Selbstverständlich ist nach Schaeder mit dieser Hingabe an Gott dann auch die Liebe zu den Menschen untrennbar verbunden. Das Gesetz sehe deshalb die innerweltlichen Beziehungspunkte unseres Gottesdienstes in denen, die uns Nächste sind oder werden.⁸⁸¹ Überblickt man diesen Gedankengang Schaeders, so wird man darauf verweisen dürfen, dass mit dem Gesetz bzw. der absoluten Forderung der Hingabe, nichts anderes gemeint sein dürfte, als was Schaeder an anderer Stelle auch als pneumatische Inanspruchnahme bezeichnen kann. Das Gesetz – und entsprechend das Evangelium – wird man deshalb nach Schaeder nicht als statische Größen, sondern als dynamische Begriffe zu verstehen haben, die ein Geschehen beschreiben, welches sich situationsbezogen am Einzelnen ereignet.⁸⁸² Ein und derselbe Text bzw. ein und dieselbe Verkündigung kann dann aber – so wird man schließen dürfen – je nach Situation bald die Funktion des Gesetzes, bald diejenige des Evangeliums annehmen. Insofern wird man der Unterscheidung von

 Ebd.  AaO., . Die Hingabe an Gott tritt – wie aus einer Wurzel – aus dem als unbedingtes Vertrauen verstandenen Glaube heraus. Schaeder kann deshalb betonen: „Das Gute ist wurzelhaft und immer der Glaube an den Gott des Wortes.“ Siehe: AaO., . Vgl. auch aaO.,  f.  AaO.,  f.  Nach Schaeder herrscht in der Bestimmung des Gesetzes bei Gogarten das innergeschichtliche Ich-Du-Verhältnis – die Hingabe an den Nächsten – vor (AaO., ).  AaO., .  Theozentrische Theologie  (), : Das Gesetz ist nicht etwas „starr Objektives“.

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

259

Gesetz und Evangelium letztlich ihren theoretischen Ort innerhalb der Pneumatologie zuweisen müssen.⁸⁸³ Wendet man sich nach dieser Bestimmung von Gottes Gesetz dem Zeugnis des Wortes Gottes von der Sünde zu, dann lässt sich – da für Schaeder Gesetz und Evangelium miteinander verbunden sind – im Blick auf deren Näherbestimmung zunächst methodisch und damit auch erkenntnisleitend festhalten: „[D]ie Sünde oder das Böse wird begriffen und bestimmt nicht nur durch den Blick auf den fordernden Gott und den […] Inhalt seiner Forderung. Sie wird auch bestimmt durch den Blick auf die sich selbst hingebende und mitteilende Liebe Gottes. Somit wird sie durch die Vergegenwärtigung Jesu Christi […] bestimmt.“⁸⁸⁴ Nach Schaeder wäre es deshalb methodisch verfehlt, das Böse oder die Sünde durch ein – vom Evangelium und von der Vergegenwärtigung Jesu Christi – unabhängiges Gesetz erkennbar machen zu wollen.⁸⁸⁵ Denn Sünde ließe sich dann – so wird man im Sinne Schaeders schließen dürfen – nur zu leicht als Widerspruch und Widerstand gegen das Gesetz bzw. als Gesetzesübertretung definieren. Die aggressive Verletzung und Beraubung des dem Menschen sich mitteilenden gnädigen Gottes aber könnte ohne das im Sinne des Evangeliums gedeutete Gesetz leicht aus dem Blick geraten. Schaeder, der jede verkürzte oder vereinseitigende Beurteilung meiden möchte, kann deshalb die Sünde wie folgt definieren: „Sünde ist grundsätzlich die Auflehnung des endlichen Ich gegen das göttliche Du, auch gegen Christus, in welchem dies Du uns begegnet. […] Sie ist Zersetzung der Herrschaft Gottes an ihrer zentralen, innerweltlichen Stelle, eben im menschlichen Willen. Das ist sie aber in der Versagung des Glaubens an Gott, der uns fordert und begnadigt. Weiterhin […] ist sie es in der Versagung der Gottes- und […] mit ihr der Nächstenliebe.“⁸⁸⁶ Dieser so verstandenen aggressiven Auflehnung gegen Gott korrespondiert nach Schaeder die Hinwendung zum Ich, die Bejahung des Ichs. Der Mensch erhebt sich selbst zur entscheidenden Instanz über sein Leben und negiert somit seine Bezogenheit auf Gott den Schöpfer als Grund seiner Beziehung zu Gott, zur Welt, zu den Mitmenschen und zu sich selbst.⁸⁸⁷ Sünde kann somit auch als „gottwidriger Egoismus“ expliziert werden, demzufolge der Mensch die Welt, in welcher er lebt, – „die Natur, die einzelnen Glieder und die natürlichen Ordnungen der Geschichte“ – in den Dienst seiner eigenen, von Gott gelösten Zwecke

    

Vgl. auch zum Vorherigen: Körtner, Theologie,  f bzw. Ebeling, Dogmatik ,  ff. Wort Gottes,  f. Vgl. auch zum Folgenden: Jüngel, Rechtfertigung,  ff. Wort Gottes, . Vgl. oben S.  f.

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

stellt.⁸⁸⁸ Mit anderen Worten aber heißt dies: Der Mensch streitet nicht nur gegen die Herrschaft Gottes in seinem Willen, sondern auch gegen die göttliche Herrschaft in der ihn umgebenden Welt. In diesem Zusammenhang würdigt Schaeder sowohl die sogenannte Lutherrenaissance als auch die sogenannte „dialektische Theologie“⁸⁸⁹, da es durch diese – im Gegenüber zum religionswissenschaftlich orientierten Kulturprotestantismus – zu einem vertieften Sündenbegriff, genauer: zur Betonung des „tiefen, radikalen Ichsinn[s] der Sünde“ und zur Explikation der „Sünde als der Naturbestimmtheit des Menschen“ gekommen sei.⁸⁹⁰ Vorsichtig kann Schaeder auch zugleich von einer Übersteigerung des Sündenbegriffs warnen: „Ist es richtig, daß alle Äußerungen des natürlichen Willens reinweg verwerflicher Ichsinn sind? Sind sie alle schlechter Egoismus? Ist dies die Auffassung des Wortes Gottes?“⁸⁹¹ Zur Beantwortung dieser Frage beruft sich Schaeder vor allem auf Röm 2,14 f und Gal 5,14. Paulus wisse nämlich – auch wenn er den natürlichen Menschen im Zusammenhang der Rechtfertigung als Gottlosen bezeichne – von Taten dieses Menschen, die vor dem Gesetz Gottes, damit aber vor Gott selbst bestehen und deshalb keine Resonanz in einem verklagenden Gewissen finden könnten. Paulus denke dabei an „Taten eines natürlichen Altruismus, an Taten der Hingabe an die Zwecke des Nächsten“.⁸⁹² Schaeder kann deshalb formulieren: „Es bedarf keines Wortes darüber, daß jene altruistische Tendenz durch den Ichwillen in immer neuen Ansätzen überwunden wird. Aber sie ist vorhanden, und in bestimmten Momenten führt sie zur Tat. Es gibt ein Element natürlicher Güte, bei dessen jeweiliger Äußerung der Sinn für das Ich zurücktritt oder ausgeschaltet wird.“⁸⁹³ Da die Sünde grundsätzlich die Relation des Menschen zu Gott betrifft, wäre es nach Schaeder also verfehlt, das natürliche Leben und damit jede Tat des Menschen pauschal und abstrakt als Sünde zu diskreditieren.⁸⁹⁴ Dennoch kann Schaeder zugleich im Blick auf die zwischenmenschliche altruistische Tat einschränkend formulieren: „Daher, obwohl sie nicht Sünde sind, sind sie Taten des sündigen Menschen und ändern nichts an seiner Verwerflichkeit vor Gott, auch daran nichts, daß er in seiner Sünde von  Wort Gottes,  f.  Vgl. oben S.  ff.  Wort Gottes, .  AaO.,  (Hervorhebung hinzugefügt).  Ebd.  AaO.,  f.  Die Äußerung Luthers, wonach gilt: persona facit opera, wird man im Sinne Schaeders auf den Menschen coram Deo, also auf die Gottesrelation und näherhin auf die Soteriologie, zu beziehen haben. Dies dürfte sich auch – nimmt man die Aussage umfassender in den Blick – mit Luthers Intention decken: fides facit personam, persona facit opera, non opera fidem nec personam (WA /, , – ). Vgl. Jüngel, Rechtfertigung,  f.

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

261

Gottes wegen und durch Gottes Urteil verloren geht.“⁸⁹⁵ Schaeders Position dürfte demnach so zu deuten sein, dass er die für die Rechtfertigungslehre bedeutsame Formel Luthers opus non facit personam auch in der Hamartiologie zur Anwendung bringt. Das heißt: Schaeder differenziert zwischen Tat und Person und vermeidet es, die Tat mit der Person zu identifizieren. So ist es möglich, sowohl die Sündhaftigkeit des Menschen festzuhalten als auch dessen – vom Glauben gelösten – natürlichen Altruismus zu würdigen, ohne zugleich dem Verdienstgedanken anheimzufallen. Denn ausschlaggebend für die Relation zwischen Gott und Mensch bleibt das durch Unglaube oder Glaube konstituierte Personsein des Menschen.⁸⁹⁶ Sünde als Selbstfixierung und egozentrisch-relationsnegierende Platzanmaßung⁸⁹⁷ schließt also nach Schaeder nicht aus, dass der Mensch – da sich die Relationsnegation primär auf Gott bezieht⁸⁹⁸ – in der inner- bzw. zwischenmenschlichen Relation fragmentarisch zu altruistischen Taten fähig ist. Dies ist für Schaeder deshalb wichtig, weil er an der Geschöpflichkeit des Menschen festhalten will, die trotz der zerstörerischen Macht der Sünde nicht aufgelöst ist. Insofern wird man behaupten dürfen, dass nach Schaeder die Grundverfassung⁸⁹⁹ bzw. Gottesebenbildlichkeit des Menschenseins und damit dessen ontologischen Strukturen durch die Sünde auch dann nicht zerstört werden können, wenn die ontisch-existentielle Verwirklichung dieser ontologischen Strukturen ganz und gar von der Sünde bestimmt ist.⁹⁰⁰ Der „Schöpfungsbestand“ des Menschen kann deshalb als Anknüpfungspunkt für das heilschaffende Wirken Gottes durch Wort und Geist gelten.⁹⁰¹ Dass sich der Heilige Geist im Glauben an der endlichen Persönlichkeit neuschöpferisch durchsetzt, erlebt der Glaubende dann aber in keiner Weise als Fremdkörper, sondern – da sich im Glauben eine geistgewirkte Transformation bzw. Neuorientierung seiner natürlichen Triebe ereignet – als tiefste Erfüllung des Menschseins.⁹⁰² Verbindet man nun die menschliche Sünde und das göttliche Gesetz miteinander, dann behält das göttliche Gesetz zwar seinen einwandfreien Charakter  Wort Gottes, .  Person im eigentlichen Sinne ist der durch den wortgebundenen Glauben neu konstituierte Mensch, weil dieser Glaube – indem er dem Wort Gottes folgt – Gott Gott sein und Gottes Wirken zur Geltung kommen lässt. Vgl. Jüngel, Rechtfertigung,  ff.  Vgl. oben S.  f.  u. ö.  Vgl. Wort Gottes, .  Dazu zählt Schaeder den Trieb der Selbstbejahung, der Selbsthingabe und der Selbstbestimmung. Vgl. oben S.  ff.  Vgl. Jüngel, Rechtfertigung, .  Wort Gottes,  f.  Vgl. oben S.  f. .

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

und dient der Aufrichtung der Herrschaft Gottes in der Welt.⁹⁰³ Dennoch wird das Gesetz aber dadurch, dass der Mensch im Bann der Sünde steht, dem Menschen zum Fluch: Durch das Gesetz kommt es nicht nur zur Erkenntnis der Sünde, sondern es geht nach Schaeder vom Gesetz auch – da Sünde willentliche Auflehnung gegen den Willen Gottes ist – eine belebende und vertiefende Wirkung auf die Sünde aus.⁹⁰⁴ Das Gericht Gottes als entscheidende Wirkung der Kombination von Sünde und göttlichem Gesetz expliziert Schaeder dann näherhin als Gottes Selbstbehauptung gegenüber der Sünde bzw. – wird es auf das „Innenleben“ des Menschen bezogen – als Gottes Selbstversagung: Gott entzieht sich oder versagt sich dem Sünder und überlässt ihn sich selbst, seiner Welt und letztlich der fortwuchernden Macht seiner Sünde.⁹⁰⁵ Gericht als Selbstversagung Gottes wird man damit letztlich als Gegenteil seiner als Selbsthingabe explizierten Liebe und Gnade bestimmen dürfen. Für Schaeder ist dabei evident, dass die Sünde und das Gericht letztlich nur als bereits überwundene angemessen zu erkennen sind.⁹⁰⁶ Denn erst durch die Aufhebung des Gerichts in Form der Rechtfertigung aus Gnaden erfährt der Mensch e contrario, was das Gericht selber ist.⁹⁰⁷ Anders gesagt: Die Sünde des Menschen wird erst im Modus des Vergebensseins in ihrer ganzen Verwerflichkeit offenbar. Nur der wortgebundene Glaube und damit die Erfahrung der Vergebung der Sünden kann – wie Schaeder zu betonen vermag – „mit dem vollen Gehalt persönlicher Überzeugung von dem Verlorensein im Verfolg der Sünde reden. Der Nichtglaube kann das […] immer nur annähernd oder gebrochen.“⁹⁰⁸ Die Befreiung des Sünders von seiner Sünde identifiziert somit letztlich im tiefsten und umfassenden Sinne den Sünder als Sünder.

 Wort Gottes, .  AaO., . Zugleich aber weist Schaeder nachdrücklich darauf hin, dass das Wort Gottes auch befreiendes Evangelium ist: „Als Evangelium verkündet es die Befreiung vom Fluch des Gesetzes und insofern vom Gesetz selber. Indes […]: das Evangelium hat das Gesetz dauernd bei sich. […] Dies Ineinander von Gesetz und Evangelium und die Freiheit des Evangeliums vom Gesetz, diese Überzeugung, […] daß der Mensch ohne des Gesetzes Werke aus Glauben an Gott in Christus gerecht wird und daß er doch von Gott mittels des Gesetzes gerichtet wird nach den Werken, dies ist es, was das römische Lehrsystem schlechterdings nicht begreift, aber aller bloße Moralismus erst recht nicht.“ (Ebd.).  AaO.,  f.  Vgl. auch zum Folgenden: Jüngel, Rechtfertigung, .  Wort Gottes, .  AaO.,  f.

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

263

2.2.2.4.3 Evangelium und Gerechtigkeit des Glaubens Nach Schaeder hat das Evangelium als Inhalt des Wortes Gottes all das, was bisher über den Gott der Schöpfung, des Gesetzes und Gerichts bemerkt wurde, bei sich und – rechtverstanden – in sich. Angeregt v. a. durch die Kritik Brunners wendet sich Schaeder aber nun insbesondere der Rechtfertigung aus Glauben und damit dem articulus stantis et cadentis ecclesiae zu.⁹⁰⁹ Leitend bleibt bei dieser Erörterung die Perspektive der Herrschaft Gottes.⁹¹⁰ Der tragende Sinn der Rechtfertigungslehre und damit des Evangeliums im Evangelium ist deshalb nach Schaeder gar nicht der, dass dem Sünder die Entlastung von der Schuld oder die Seligkeit des versöhnten Gewissens zuteil wird. Der tragende Sinn liegt vielmehr darin, dass der sündige und von Gott ferne Mensch unter die Leitung des Heiligen Geistes tritt bzw. den Heiligen Geist empfängt und so in die Gemeinschaft mit Gott versetzt wird. Aufhebung der Schuld kann deshalb nur als Voraussetzung nicht jedoch als Hauptgesichtspunkt der Rechtfertigungslehre gelten.⁹¹¹ Rechtfertigung lässt sich also als diejenige Wirkung Gottes näher bestimmen, „durch welche er den Sünder mit sich in Gemeinschaft versetzt. Das Wesen dieser durch den Empfang des Geistes hergestellten Gemeinschaft ist aber darin belegen, daß der Wille Gottes oder die Herrschaft Gottes sich im Menschen durchsetzt“.⁹¹² Anders formuliert heißt dies: Rechtfertigung ist pneumatisch-kreatives Beziehungsgeschehen, näherhin geistgewirkte Aufhebung der relationsnegierenden Selbstfixierung des Menschen und Aufrichtung der freimachenden Herrschaft Gottes im Menschen durch den Heiligen Geist. Die objektive Voraussetzung der so verstandenen Rechtfertigung liegt nach Schaeder dabei in der „Christustatsache“, bzw. darin, „daß der Mensch Jesus Christus der Träger des Geistes Gottes ist, weiter, daß er im Geiste Gottes der Mittler der Versöhnung ist, endlich, daß er unter der Voraussetzung der Versöhnung, auf dem Wege der Rechtfertigung, im Geiste Gottes die Herrschaft im sündigen Menschen […] gewinnt.“⁹¹³ Die subjektive Form aber, wie Rechtfertigung sich am Menschen vollzieht, heißt – so Schaeder – Glaube oder ist der Glaube.⁹¹⁴

 Wort Gottes, .  AaO., . Das „Evangelium im Evangelium“ und damit die Botschaft von der Gerechtigkeit aus dem geistgewirkten Glauben an Gottes Gnade in Christus steht zwar „im Verhältnis tiefer irrationaler Paradoxie zu dem, was über die Bekundung des göttlichen Herrscherwillens im Gericht über die sündige Menschheit gesagt werden mußte“. Dennoch aber sind nach Schaeder beide durch die Direktion des einen Herrschaftsgedankens „verkoppelt“ (AaO., ).  Ebd.  AaO.,  f.  AaO., .  Ebd.

264

2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

Im Evangelium dominiert – wie Schaeder nun die „Christustatsache“ näher präzisieren kann – schlechthin das Zeugnis von Jesus als dem Träger des Geistes Gottes und damit von Gott in Christus. Denn wäre dieser Mensch Jesus nicht Träger des Geistes Gottes, dann repräsentierte er nicht das Wort Gottes an uns. Der Geistbesitz Jesu setzt dabei die Inkarnation Gottes, d. h. genauer des Geistes Gottes, in Jesus Christus voraus: „Nur weil Jesus die schöpferische Wirkung des Geistes Gottes ist, […] nur weil das göttliche Geistleben in ihm in die menschliche Seinsweise eingetreten und zum Personleben eines Menschen geworden ist, nur deshalb hat er den Geist Gottes, wirkt er im Geist, kann er […] in der schöpferischen Bewirkung des Glaubens Gottes Herrschaft in der Geschichte aufrichten.“⁹¹⁵ Diese Teilhabe Jesu Christi an der „Herrscherqualität Gottes“ aber lässt nach Schaeder – in Unterschied zu Barth – etwa die Frage nach der jungfräulichen Geburt Jesu als untergeordneten und sekundären Nebenaspekt erscheinen:⁹¹⁶ „Beschäftigt sich die Theologie des Glaubens überhaupt mit dem geschichtlichen Entstehen Jesu, dann wird sie sich mit der Vorstellung, daß dieser Mensch aus dem Geiste Gottes stammt, daß er Gottes Geisteswirkung in der Geschichte sei, zusammenschließen müssen. Das entscheidend deshalb, weil der heute wirksame Mensch Jesus πνεῦμα ist oder mit Gottes Geist eins und einig ist. Geist aber wie Gott es ist, kann nur sein, wer, indem er wird, aus Gott wird. – Demgegenüber ist die Frage der Geburt aus der Jungfrau eine sekundäre.“⁹¹⁷ Auch nicht auf das geschichtliche Reden und Handeln Jesu Christi fällt – so Schaeder weiter – das Gewicht des Wortes Gottes, sondern vielmehr auf den Ausgang seiner Geschichte: seinen Tod im Zusammenhang mit seiner Auferstehung. Auch wenn für Schaeder dabei evident ist, dass das Sterben Jesu nicht ohne die Verbindung mit seinem Leben in der Geschichte gesehen werden kann, so drückt doch die im Sterben Jesu vollzogene Versöhnung den entscheidenden Sinn der Geschichte Jesu aus.⁹¹⁸ Nicht in unserer Entschuldung, nicht in unserer Beseligung, sondern in der Verwirklichung der Herrschaft Gottes liegt dann aber der maßgebende Zweck der Versöhnung: „Denn von Versöhnung zwischen Gott und den Sündern weiß das Wort Gottes nur so, daß Jesus Christus […] zugunsten der Sünder […] das Gericht Gottes über die Sünde getragen hat. So bleibt Gott im Gnadenvollzuge der Versöhnung Gott; so behauptet er sich selbst der Sünde ge-

 Schaeder wendet sich auch deutlich gegen die „Grundauffassung“ der liberalen bzw. der religionswissenschaftlichen Theologie, dass der Geist Gottes dem Menschen Jesus „an einem Punkte seiner menschlichen Entwicklung von Gott aus zugefallen“ sei. Siehe: AaO.,  f.  AaO., .  Theozentrische Theologie  (),  f (Anm. ). Vgl. auch: Glaubenslehre, .  Wort Gottes, . Die Lebensgeschichte Jesus versteht Schaeder als Gehorsamsübung Jesu Christi, die im geistgewirkten Gehorsam des sterbenden Christus ihren entscheidenden Sinn hat.

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

265

genüber; so wird sein Gesetz durch Jesus Christus im geistgewirkten Gehorsam geheiligt.“⁹¹⁹ Versöhnung bzw. Gnade als Gottes Selbstbehauptung gegenüber der Sünde richtet also nach Schaeder das Gesetz so auf, dass es mit seiner Fluchwirkung den Sündern abgenommen wird.⁹²⁰ Mit anderen Worten heißt dies: „Die Bejahung des Gesetzes durch Christus im Tode des Sündengerichtes macht dem Gesetz, sofern es das Gericht der Sünde bedingt, ein Ende.“⁹²¹ Dem Sterben und Tod Jesu tritt die Auferstehung als das andere „Hauptdatum des Evangeliums“ zur Seite. Für Schaeder liegt der entscheidende Sinn der Auferstehung nun darin, dass Jesus Christus der Menschheit, für die er starb und von der er durch sein Sterben getrennt war, wiedergegeben wird und Gegenwart in der Geschichte gewinnt, bzw. dass Gottes Geist, welcher der Geist Christi ist, zum „wirksamen Faktor“ menschlicher Geschichte wird.⁹²² Diese Wirksamkeit des Geistes in der Geschichte bleibt dabei daran gebunden, dass Jesus Christus verkündigt und Jesu Christus als der Träger des Geistes Gottes und Mittler der Versöhnung herausgestellt wird. Mit diesem Evangelium, das sich selbst dem Wirken des Heiligen Geistes verdankt und in den Worten Jesu seinen Ausgangspunkt hat, tritt, indem es verkündigt wird, der Heilige Geist immer wieder neu wirksam zusammen. Die wortvermittelte Wirkung des Geistes Gottes aber heißt Glaube.⁹²³ Bei der Deutung des Glaubens bzw. der Gerechtigkeit des Glaubens wendet sich Schaeder dann – wie bereits gezeigt⁹²⁴ – gegen einen rein forensisch, rein imputativ verstandenen Rechtfertigungsbegriff und betont die unauflösliche Verbindung des göttlichen Urteils mit dem das Sein des Menschen effektiv verändernden Handeln Gottes. Die Unterscheidung zwischen einer Gerechterklärung und einer Gerechtmachung der Sünder aus Glauben hat deshalb ihren Sinn verloren, weil Rechtfertigung nichts anderes meint, als die Herstellung einer in der göttlichen Selbstmitteilung begründeten innigsten Glaubensgemeinschaft zwischen Gott und Mensch.⁹²⁵ Das eigentliche Subjekt und die handelnde Person bleibt der im Glauben und durch den Heiligen Geist gegenwärtige Christus, der durch sein unaufhörliches Kommen den Menschen an seiner Person und seinem Werk partizipieren lässt und somit als alleiniger Grund für die Gerechterklärung und Gerechtmachung zu gelten hat. Die Glaubensgerechtigkeit, die der Mensch hat, wird man deshalb nicht als eigene, aus seinen Taten resultierende, sondern

      

AaO.,  f. AaO., . Ebd. Ebd. AaO, . Vgl. auch zum Folgenden oben S.  ff. Vgl. Wort Gottes,  f.

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

als fremde, persönlich verliehene und doch das Sein des Menschen effektiv neukonstituierende und beherrschende Wirklichkeit bestimmen dürfen.⁹²⁶ Schaeder spricht sich dabei auch nachdrücklich gegen das Bemühen Barths aus, die Gottesgerechtigkeit bzw. die Rechtfertigung als eine transzendente, d. h. als eine über dem Sünder und über der Geschichte stehende Größe eindrücklich machen zu wollen⁹²⁷: „Es ist nicht richtig, daß die Gerechtigkeit Gottes erst am Ende der Geschichte in der Form göttlicher Einwirkung auf den Menschen der Besitz des Menschen würde. Diese Einwirkung findet jetzt statt. Und zwar besteht sie darin, daß Gott schöpferisch, neuschöpferisch, ‚Wiedergeburt‘ wirkend den Glauben wirkt. Im Glauben aber, rein und ausschließlich in der Form des Glaubens, stellt er jetzt seine Herrschaft in der Geschichte her.“⁹²⁸ Schaeders Urteil über den „frühen“ Barth ist deshalb deutlich und scharf: „Die Ansicht Barths ist eine Reduktion des Evangeliums, welches dem Jetzt, dem Heute gilt. Sie ist eine Verkennung dessen, was Gott jetzt im Heiligen Geiste mittels des Wortes wirkt. Sie drückt das Christentum und mit ihm die glaubende Kirche auf eine nicht neutestamentliche Stufe der Erwartung oder der Hoffnung herunter. Anders gewandt: sie verkennt, was es um den heute wirksamen Gottesgeist ist. Das πνεῦμα ist Bewirker der Gerechtigkeit, indem es Glauben wirkt, und es ist nicht nur die Macht, welche dem Menschen die Möglichkeit bietet, eine über ihn stehende Gnadengerechtigkeit, die am Ende der Geschichte an ihm zur Wirklichkeit werden wird, zu erfassen und zu glauben.“⁹²⁹ Diese ausführlich wiedergegebene Äußerung Schaeders zeigt nicht nur dessen grundlegende Kritik am Rechtfertigungsverständnis, sondern auch an der damit verbundenen Pneumatologie Barths. Denn gewinnt der Mensch die Gnadengerechtigkeit und damit die engste Gemeinschaft mit Gott erst jenseits der Geschichte und somit auch jenseits des Todes, dann wird das Ende der Geschichte und insbesondere der Tod zur Grenze, welche den irdisch-konkreten Menschen vom Bereich der göttlichen Wirklichkeit trennt: Erst die eschatologische Existenz, nicht aber der irdisch-konkrete Mensch erfährt Gnadengerechtigkeit und somit innigste Gemeinschaft mit Gott.⁹³⁰ Damit wird letztlich das Ende der Geschichte und der Tod zur Grenze des göttlichen Geistes, so dass die Pneumatologie ihre „Erdung“ verliert. Das Pneuma bleibt unbestimmte und transzendente Macht und ist nicht Gottes unüberbietbare Nähe und Gegenwart Jesu Christi im Leben eines Menschen. Dem Sünder muss deshalb – so wird man im Sinne Schaeders schließen dürfen – die göttliche Wirklichkeit seiner

    

Vgl. aaO.,  u. . AaO., . Ebd. (Hervorhebungen hinzugefügt). AaO.,  f. Vgl. auch zum Folgenden: Henning, Lehre vom Heiligen Geist,  ff.

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

267

neuen Existenz als unzugängliche, geheimnisvolle und unanschauliche Wirklichkeit bzw. als virtuelle Wirklichkeit erscheinen; eine virtuelle Wirklichkeit, die es allein zu erhoffen und zu erwarten gilt. Der Sünder bleibt Sünder, da sich – obwohl er einen göttlichen, gnädigen Willen über sich hat – an seinem inwendigen Lebensbestande jetzt nichts ändert.⁹³¹ Aus Furcht vor einer Identifizierung des Geistes Gottes mit Endlichem, Vergänglichem, Sündigen, kommt es also – so Schaeders Urteil – bei Barth infolge „der Versetzung des Rechtfertigungsvorgangs in die Transzendenz resp. in den Überzeugungskreis der Eschatologie“⁹³² zu Defiziten in der Pneumatologie und Soteriologie. Diese Defizite sind v. a. darin zu erkennen, dass nach Barth der irdisch konkrete Mensch und Sünder unversöhnt bleibt und zugleich der Heilige Geist seine konkrete Wirkung auf die Lebenswirklichkeit verliert. Der Glaube als unbedingtes Vertrauen auf Gott, welches das Bewusstsein der Abhängigkeit von Gott, die Furcht Gottes und die Anerkennung seines Gerichts einschließt, lässt sich nun – so Schaeder weiter – nicht ohne den „Willenstrieb“ und die „Willensrichtung“ der Liebe zu Gott und den Nächsten denken.⁹³³ Der Sünder gewinnt rein und ausschließlich im Glauben – ansonsten ganz und gar nicht – den mit dem Glauben verbundenen Willen der Liebe:⁹³⁴ „Gewiß, der Glaubende ist und bleibt der Sünder. Und als Sünder hat er einen anderen Willen. Aber indem er glaubt und immer, wenn er wirklich glaubt, tritt aus der Heilgewissheit des Glaubens der von uns inhaltlich bezeichnete gute Wille hervor und äußert sich in guten Werken. Dieser Tatbestand gibt den Stoff ab für die christliche Ethik in individueller und sozialer Form.“⁹³⁵ Nach Schaeder ist der Glaube also konstitutiv mit gutem Willen verbunden, aber so, dass die Gewissheit des Glaubens nicht am guten Willen, sondern an der Gnade Gottes hängt. Jeden „Osiandrismus“ weist Schaeder dabei nachdrücklich zurück:⁹³⁶ „Glaubt der Mensch an seinen Glauben, vertraut er Gott im Blick darauf, daß er in seinem Glauben ein Gerechter ist, dann setzt er sich […] mit dem Wesen des Glaubens in Widerspruch. Denn glauben heißt grundsätzlich: von sich und seinen Qualitäten weg und auf die Gnade Gottes in Christus sehen. Glaube ist Abwendung von sich selbst und Hinwendung zu Gott“.⁹³⁷ Diese Hinwendung bedeutet – wie Schaeder noch präzisieren kann – zugleich größte Freiheit. Denn der Glaubende ist wahrhaft vom

      

Wort Gottes, . AaO., . AaO., . AaO.,  f. AaO., . AaO., . AaO., .

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

Gesetz, genauer: vom Fluch des Gesetzes frei. Er ist so vom Gesetz frei, dass dieses in der Form des geistgewirkten Glaubens das selbstgesetzte, selbstgewollte Ziel, der eigene Trieb des persönlichen Willens wird.⁹³⁸ Befreiung und – in der Kraft dieser Befreiung erlebte – Inanspruchnahme, die ihrerseits wahre Freiheit ist, gehören also aufs engste zusammen. Oder wie Schaeder formulieren kann: Theonomie durch Wort und Geist ist Autonomie.⁹³⁹

2.2.2.4.4 Ekklesiologische und eschatologische Aspekte Mit Hinweisen auf die Ekklesiologie und Eschatologie schließt Schaeder dann seine Explikation des Wortinhalts ab. Konstitutives Element der Kirche ist – so betont Schaeder zunächst – das Wort bzw. das Evangelium: „Wo das Wort, das Evangelium ist, da ist Kirche; sonst ist sie nicht da.“⁹⁴⁰ Anlass dafür, dass man nicht vom Inhalt des Wortes Gottes reden kann, ohne von der Kirche zu reden, bietet für Schaeder dabei der Glaube als das „entscheidende soziologische Element“ in unserer geschichtlichen Wirklichkeit. Denn so gewiss der Glaube eine zutiefst individuelle Lebensform ist, so ist er doch niemals Sache des isolierten Einzelnen.⁹⁴¹ Diese sozialisierende Funktion des Glaubens hat nach Schaeder ihren Grund darin, dass das Wort, welches den Glauben wirkt, durch den Heiligen Geist in einer „Glaubensgemeinde“ entstanden ist.⁹⁴² Ohne die Gemeinde – genauer: ohne den einen Geist Gottes oder Christi, der auf ihre Glieder wirkt und ihnen die Offenbarung Gottes in Christus erschließt – ist das Wort nicht da. Umgekehrt ist aber auch die Gemeinde ohne das mit dem Geist verbundene Wort als ihrem dauernden Lebensgrund nicht da. Gemeinde und Wort sind also nach Schaeder einander wechselseitig ohne temporäre Priorität zugewiesen: „Das Wort ist somit einerseits das Erste und die Glaubensgemeinde das Zweite. Aber die Gemeinde ist andererseits auch das Erste, und das Wort, welches immer ihr Wort ist, das Zweite.“⁹⁴³ Gegen Gogartens Behauptung, dass das Wort zwar der Kirche anvertraut sei, sie es aber nicht besitze, kann nun Schaeder betonen: „Ja, es ist ihr anvertraut, damit es in seiner souveränen Geisteswirkung ihr dauernder Lebensgrund sei. Aber es ist ihr so anvertraut, daß sie es besitzt. Denn es ist […] das Menschenwort der Kirche, in welchem sich ihr Glaube ausspricht. Indem sich ihr Glaube darin

     

AaO., . Ebd. AaO., . Ebd. Ebd. Vgl. auch: Geistproblem,  ff bzw. oben S.  f. Wort Gottes, .

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

269

äußert, reguliert es dauernd ihren Glauben.“⁹⁴⁴ Analog zur Rede Schaeders von einem „Haben“ oder „Besitz“ Gottes im Glauben wird man jedes statische Verständnis und auch jegliche menschliche Verfügungsgewalt über das göttliche Wort in Abrede stellen müssen.Wort Gottes hat die Glaubensgemeinde vielmehr nur so, dass sie dieses Wort als Wort des Glaubens – oder was dasselbe bedeutet – als menschliches „Glaubensbekenntnis“ hat, nicht aber als eine streng oder rein objektive Größe.⁹⁴⁵ Als Wort des Glaubens aber bleibt dieses Wort gebunden an die permanente Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Denn allein der Heilige Geist macht – indem er selbst durch das Wort zur gestaltenden Größe des inwendigen Lebens wird – das verkündigte Menschenwort dem Hörer zum wirksamen Lebensinhalt bzw. zum Inhalt seines persönlich-lebendigen Glaubens.⁹⁴⁶ Anders formuliert: Die Kirche hat das Wort Gottes nur so, dass sich Gottes Geist immer wieder mit dem verkündigten menschlichen Wort – dem Wort des Glaubens – verbindet und es dadurch zur Anrede Gottes an den Menschen macht. Nach Schaeder bedeutet deshalb das Wort Gottes zu verkündigen nichts anderes, als dem Heiligen Geist das von ihm gewollte Mittel zur schöpferischen Erweckung des Glaubens und der damit verbundenen Gottes- und Nächstenliebe zur Verfügung zu stellen. Als Mittlerin für die immer neue Entstehung des Glaubens und der mit dem Glauben verbundenen christlichen Sittlichkeit trägt die Kirche somit nach Schaeder auch die Bedingung dafür in sich, dass es gottzugewandte dienende Liebe in der von Gott entfremdeten Welt geben kann.⁹⁴⁷ Die wortgebundene Glaubensgemeinde ist dabei auch selbst Trägerin des neuen Lebens bzw. Trägerin der Gottes- und Nächstenliebe.⁹⁴⁸ Somit kommt in der Gemeinde – nicht aber „im Glaubensleben von so und soviel isolierten Indivi AaO., .  AaO.,  f. Vgl. auch zum Folgenden: Theozentrische Theologie  (),  sowie Wimmer, Geistestheologie,  ff. Schaeder kann dabei den Ausdruck seines Lehrers Martin Kähler aufgreifen und davon sprechen, dass das Wort den Charakter des „Glaubensbekenntnisses“ hat. Denn „[w]enn es uns […] heute erreicht und von uns theologisch verarbeitet werden kann, dann erreicht es uns in der Kapsel ursprünglichen menschlichen Glaubens, ob nun des der Synoptiker oder des Paulus usw., oder in der Kapsel menschlich-gläubiger Subjektivität von einst. […] Kein Objektivitätsdrang führt über diesen Tatbestand hinaus.“ Denn als Glaubenswort ist – wie Schaeder betonen kann – das Wort Gottes entstanden aus der Synthese von göttlicher Selbstdarbietung oder Offenbarung und menschlichem, durch Offenbarung bewirkten Glaubensverhalten: „Es ist, kurz gesagt, der objektiv-subjektive Niederschlag menschlichen Erlebens.“ Siehe:Wort Gottes, . Der göttlich-objektive „Offenbarungsbestandteil“ im Glaubenswort bleibt dabei unfassbar. Barths Rede von einem hinter oder im Wort Gottes liegenden Urwort muss Schaeder – da dieses Urwort eine hypothetische und nicht fassbare Größe darstellt – zurückweisen (AaO., ).  AaO.,  f.  AaO., .  AaO., .

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

duen“⁹⁴⁹ – der Wille Gottes in der Geschichte zu seinem vorläufigen, auf das Eschaton hinweisenden Ziel. Denn trotz ihrer menschlich-endlichen und damit auch immer sündig-fragmentarischen Existenz bleibt die Gemeinde, solange sie das Evangelium hat und sofern der Heilige Geist durch das Evangelium ihre Glieder in der Form des Glaubens und der Liebe zusammenbindet, „Behausung Gottes im Heiligen Geist“.⁹⁵⁰ Einschränkend gilt dabei aber zugleich: „Der Glaube selber […] ist verlierbar. Und überall im Bereich der Gemeinde, wo er verlorengeht, wird aus der Gemeinde wiederum Welt.“⁹⁵¹ Ziel der Geschichte muss es nach Schaeder deshalb sein, dass aus dem Glauben unverlierbares,von der Sünde freies Wesen wird: „Vollendung der Gemeinde aus einer Gemeinschaft des Glaubens zu einer Gemeinschaft vollendet gestalteten, gottgemäßen Wesens ist im Ende aller Dinge das Ende.“⁹⁵² Da die Gemeinde aber zur Geschichte dieser Welt gehört, hat sie teil an der Sünde, welche die Geschichte durchzieht. Vollendung hin zu einer ganz mit Gott geeinten, von Sünde, Schuld und Tod freien Gemeinde kann es deshalb nur im Zusammenhang mit der eschatologischen Verwandlung der Welt geben. Diese Verwandlung der Welt setzt dabei – so Schaeder weiter – mit dem Gericht nach den Werken ein, welches für „alle Glieder der Welt, die in der Verachtung von Gott und Geist in der Sünde beharren“, das Gericht des Verderbens ist.⁹⁵³ Für die Glieder der Kirche dagegen bedeutet das Gericht nach den Werken nichts anderes, als dass Gott in diesem Gericht sein eigenes Werk – den bußfertigen Glauben – an ihnen bejaht und vollendet.⁹⁵⁴ Das Gericht nach den Werken führt somit – da Gott sein eigenes Werk bejaht und vollendet – auch alle Rechtfertigung des Sünders aus den eigenen Werken ad absurdum. ⁹⁵⁵

2.2.2.5 Wort Gottes und Heilige Schrift In seinen Ausführungen über die Verhältnisbestimmung von Wort Gottes und Heiliger Schrift wendet sich Schaeder zunächst mit Nachdruck gegen den Gedanken der Verbalinspiration, da dieser dazu geführt habe, die „quantitative und  Ebd.  Ebd.  AaO., .  Ebd.  Ebd.  AaO.,  f. Geschichtliche Vorgänge, welche das Ende vorbereiten und ihm vorangehen, wie z. B. das Kommen des Antichristen, bezeichnet Schaeder als nichtnotwendiges „Nebenwerk“ und betont dabei: „Handelt man vom Inhalt des Wortes Gottes, noch dazu heute, in unserer religiös zerrissenen Gegenwart, dann lasse man die unlösbaren, die schwankenden oder schwebenden Fragen beiseite.“ Siehe: AaO., .  Ebeling, Dogmatik , .

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

271

qualitative Identität des Wortes Gottes und der Heiligen Schrift“ zu behaupten.⁹⁵⁶ Das aber stehe sowohl mit dem Wesen des Glaubens als auch mit dem der Bibel in einem deutlichen Konflikt.⁹⁵⁷ Nach Schaeder, der sich hier in Übereinstimmung mit seinem Lehrer Martin Kähler weiß,⁹⁵⁸ ist es vielmehr der geistgewirkte und wortgebundene Glaube, welcher über das Verhältnis zwischen Wort Gottes und biblischem Kanon entscheidet.⁹⁵⁹ Insofern spricht sich Schaeder bei aller Bindung des Glaubens an das Wort Gottes zugleich für eine deutliche Freiheit des Glaubens gegenüber dem Schriftkanon aus. Die Bibel sei nicht der „Meister des Glaubens“ und auch nicht ein papierener Papst.⁹⁶⁰ Der christliche Glaube lasse sich deshalb auch nicht ohne weiteres als eine „Buchreligion“ charakterisieren.⁹⁶¹ Dennoch kann Schaeder über den Weg der Wortgebundenheit auch von einer Schriftgebundenheit des Glaubens reden: „[I]ndem der Glaube an dem Worte Gottes hängt, hängt er tatsächlich an der Schrift. Denn das Wort hat er nur durch sie und durch ihren Dienst.“⁹⁶² Die Schriftgebundenheit lässt sich also nur als eine der Wortgebundenheit ein- bzw. zugeordnete Bindung näher explizieren. Bedenkt man, dass das Wort Gottes den Geist immer in und bei sich trägt,⁹⁶³ dann ist diese Wortbindung auch pneumatisch-dynamische Bindung. Als Implikat der Wortgebundenheit und als pneumatisch-dynamische Bindung aber vermag die Schriftgebundenheit keine statisch-äußerliche Sicherstellung der Offenbarungsautorität der Schrift mehr zu bieten.⁹⁶⁴ Das Urteil über das Verhältnis des Wortes Gottes zur Schrift bleibt

 Wort Gottes, .  Ebd. Schaeder verzichtet dabei unter Hinweis auf bereits geführte theologische Erörterungen darauf, die Gründe, welche gegen die Lehre von der Verbalinspiration streiten, noch einmal zu entwickeln.  Vgl. Mencke, Erfahrung,  ff.  Wort Gottes, .  Ebd. Vgl. auch: Martin Kähler, .  Wort Gottes, .  Ebd.  Nur in der pneumatischen Aktualisierung kann menschliches Wort Gottes Wort sein. Die als „Wort Gottes“ bezeichnete Verbindung von Menschenwort mit dem Heiligen Geist besagt, dass dieses Wort den Geist in und bei sich hat. Vgl. oben S.  ff.  Vgl. Glaube und Bibel, : „Christlicher Glaube ist Schriftgebundenheit. […] Aber diese Gebundenheit ist keine lehrgesetzliche, keine katholische, rein äußerlich autoritative. Es ist die Gebundenheit des innerlich Empfangenden, des zum Leben Erneuerten, eben des Glaubenden. Der so Gebundene aber geht dann im Bereich der Schrift frei wie das Kind im Vaterhause umher. Wie das Kind, nicht wie der Knecht einer gesetzlichen Doktrin. Frei zieht er aus dem Neuen und Alten Testament heran, was seinen an Christus gebundenen Glauben nährt, befestigt, vertieft, klärt oder reinigt. Frei läßt er auch da oder dort in der Schrift, zumal im Alten Testament, liegen,

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

deshalb dem einzelnen Glaubenden und damit einer zutiefst individuellen Haltung überlassen.⁹⁶⁵ Das Verhältnis von Wort und Schrift wird daher – so Schaeder weiter – immer wieder neu zu bestimmen sein: „Jeder einzelne Glaubensmensch, welcher Epoche er auch angehöre, der über diese Frage nachdenkt, hat es von sich aus zu bestimmen. Indem man dies sagt, spricht man nur aus, was auch tatsächlich […] fort und fort geschieht und […] legitimerweise geschieht.“⁹⁶⁶ Da der Einzelne aber immer auch Glied der Gemeinde ist und er ohne die Gemeinde den Glauben nicht zu leben vermag, fällt das Urteil über das Verhältnis von Wort Gottes und Schriftkanon stets zugleich der Gemeinde jeder neuen Epoche – allerdings unter Einbeziehung ihrer Vergangenheit und damit der Kirchengeschichte – zu.⁹⁶⁷ Bei Schaeder tritt somit – wie auch bei Martin Kähler – neben das testimonium spiritus sancti internum in singulis ein gleiches testimonium in ecclesia. ⁹⁶⁸ Das in der Erfahrung des Heiligen Geistes gründende Urteil des Einzelnen über das Verhältnis von Wort Gottes und Heiliger Schrift erfährt also seine Bestätigung, Ergänzung oder Korrektur durch die Gleich- oder Verschiedenartigkeit der Erfahrung in der Gemeinde und deren Geschichte.⁹⁶⁹ Überblickt man nun Schaeders Äußerungen, dann lässt sich festhalten: Auch wenn das Wort Gottes nur in, mit und durch die Heilige Schrift⁹⁷⁰ dem Menschen zuteil wird, so lehnt Schaeder die Deckungsgleichheit von Schriftkanon und Wort Gottes nachdrücklich ab.⁹⁷¹ Nur in seiner pneumatischen Aktualisierung, nicht aber in einer äußeren Identität von Wort Gottes und Heiliger Schrift erweist sich die Autorität des biblischen Kanons für den Glauben. Schaeders Ausführungen verlaufen dabei in Gestalt eines Zirkels: In der Gebundenheit an das Wort, welche die Gebundenheit an die Heilige Schrift impliziert, urteilt der Glaube über die Heilige Schrift.⁹⁷² Der Glaube, der sich dem Wort und – als dessen Implikat – der Schrift verdankt, urteilt darüber, ob und inwiefern ihm das Wort Gottes in der Bibel entgegentritt.⁹⁷³ Bei diesem Urteil des Glaubens

was ihm mit seinem Christus- und Gottesglauben nicht zusammentreten oder noch nicht zusammentreten will, was ihm Schlacke und nicht Gold ist.“  Auch zu Folgenden: Wort Gottes, .  Ebd.  Ebd.  Kähler, Geschichte, . Vgl. Mencke, Erfahrung,  f sowie Wimmer, Geistestheologie,  f.  Vgl. Glaubenslehre,  sowie Mencke, Erfahrung,  f.  Glaubenslehre, .  Wort Gottes, .  AaO. . Die Urteilsfähigkeit über den Wortgehalt der Heiligen Schrift hat der Glaube also „nicht in sich“, sondern nur in seiner Bindung an das Wort. Siehe: Glaubenslehre, .  AaO., . Auch über die Tatsache und den Umfang der Inspiration des biblischen Kanons entscheidet somit der Glaube mit seiner Erfahrung: „Denn der Glaube hat den Geist. Weil das der

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

273

über den Wortgehalt der Heiligen Schrift gilt es nun – so Schaeder weiter – zwischen alttestamentlichem und neutestamentlichem Kanon zu differenzieren. Die gewichtigere Bedeutung kommt dabei der Schriftensammlung des Neuen Testaments zu. Denn nur „vom Neuen Testamente aus und nur unter seiner Direktion hat es der Glaube mit dem Alten Testament zu tun“.⁹⁷⁴ Zum Wortgehalt des Neuen Testaments rechnet der Glaube nun all das, was ihn inhaltlich wirksam bedingt. Schaeder kann deshalb formulieren: „Wort Gottes ist uns das in den neutestamentlichen Schriften, was uns die uneingeschränkte Majestät und den Vollgehalt der heiligen Liebe Gottes verkündigt.“⁹⁷⁵ Kurz: Das Wort Gottes ist Evangelium.⁹⁷⁶ Das Evangelium des Neuen Testaments, das Wort Gottes, zieht dann aber – darauf weist Schaeder nachdrücklich hin – Bestandteile des Alten Testaments als unverzichtbare, die Verheißung begründende und die Verheißung tragende Elemente an sich heran.⁹⁷⁷ Mit anderen Worten heißt dies: Die geschichtliche Erfüllung der Verheißung ist ohne den schaffenden, fordernden, richtenden Gott des Alten Testaments ebenso wenig verständlich wie die – in der Verheißung gegebene – Vorbereitung der Erfüllung: „Dieser Gott trägt die Vorbereitung des Evangeliums und das Evangelium selber.“⁹⁷⁸ Der „Worttheologe“, der nach Schaeder „im Glauben seinen Standort beim Neuen Testament“ nehmen müsse, komme also gerade von hier aus dazu, „den Inhalt des Alten Testaments in großen, beherrschenden Linien: Schöpfung, Gesetz, Gericht, Verheißung, für die Feststellung des Wortes Gottes in Anspruch zu nehmen“.⁹⁷⁹ Der an das Wort gebundene Glaube kann dabei – so Schaeder weiter – einerseits Elemente des alttestamentlichen Zeugnisses ausscheiden, andererseits aber auch Elemente, die in Christus ihrer Erfüllung gefunden haben, als zum Wortglauben

Fall ist, kann er sagen,wo der Geist ihm in der Schrift entgegenkommt, und kann sagen,weshalb er ihm dort entgegenkommt.“ Siehe: Geistproblem, . Es ist also nicht eine in der ursprunghaften Inspiriertheit des biblischen Kanons gründende äußerlich-formale Autorität, sondern eine – durch alle Zeiten sich ereignende – dynamisch-pneumatische verstandene Autorität des biblischen Kanons,welche Schaeder zu unterstreichen bemüht ist. Schaeder kann deshalb im Blick auf die Entstehung der Heiligen Schrift zwar nicht den Gedanken der Verbal-, doch aber den der Personalinspiration vertreten und zugleich nachdrücklich betonen, dass der Inspirationsgedanke nicht einfach das Schriftganze betreffe. Denn niemals sei durch äußere Festsetzung auszumachen, was oder wie viel aus der Schrift unter den Inspirationsgedanken falle. Die Glaubenserfahrung der verschiedenen Epochen werde hier die Grenzen verschieden abstecken (AaO., ).  Wort Gottes, .  Ebd.  AaO., .  AaO.,  f.  AaO., .  AaO.,  f.

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

dazugehörig hervorheben.⁹⁸⁰ Zusammenfassend kann Schaeder deshalb formulieren: „So stellt sich das Verhältnis des Glaubens zum alttestamentlichen Kanon als eine durch das Hangen am neutestamentlichen Gotteswort vermittelte und bedingte, bejahende und ausscheidende Wortgebundenheit dar. Niemand kann in bezug auf ihre Grenzen ein Letztes sagen.“⁹⁸¹ Schaeder bestreitet nicht nur die Deckungsgleichheit von Schriftkanon und Wort Gottes und damit den Gedanken der Verbalinspiration, sondern wendet sich auch gegen jegliche Versuche, das Verhältnis von Wort Gottes und biblischem Kanon durch die Herausarbeitung von Irdisch-Diesseitigem und Ewigem in der Heiligen Schrift näher bestimmen zu wollen. Ebenso wie bei Kähler bildet auch bei Schaeder die Heilige Schrift „ein Ganzes von Glaubenszeugnissen“ und ein Buch der – in Natur und Geschichte sich vollziehenden – Taten Gottes.⁹⁸² Auch wenn diese Taten Gottes in Raum und Zeit geschehen und ihre Mitteilung mit geologischem, ethnologischem, archäologischem, außerbiblisch-religionsgeschichtlichem Material verknüpft ist, so hält es Schaeder dennoch für ein „völlig unmögliches Unternehmen“, im Interesse einer Verhältnisklärung von Schrift und Wort Gottes zwischen Ewigem und Irdisch-Diesseitigem bzw. zwischen Göttlichem und Menschlichem trennen zu wollen.⁹⁸³ Denn beides liegt untrennbar ineinander: „Die Taten Gottes schweben nicht wie Ideen über der Erde; sie sind tief und unmittelbar in die konkrete Geschichte verwoben.“⁹⁸⁴ Und doch – so betont Schaeder z. B. im Blick auf den geschichtlichen Jesus Christus – sehe der Glaube durch alle geschichtlichen Einzelheiten des Auferstehungsvorgangs hindurch den Auferstandenen. Nach Schaeder gilt deshalb: „Der Geist Gottes führt […], indem er an den lebendigen Gott des Wortes und an seinen Christus bindet, einmal in das Diesseits, in die Natur und Geschichte, kurz gesagt: in Gottes lebendige Schöpfung, mit der Fülle ihrer Einzelheiten und Konkretheiten, hinein. Und er macht doch zugleich im Blick auf Gott und den zu Gott erhöhten geschichtlichen Christus von ihnen allen frei.“⁹⁸⁵ Letztlich ist es damit der von Kähler vertretene Gedanke des „Übergeschichtlichen“, welcher sich hier Ausdruck verschafft.⁹⁸⁶ Denn das Übergeschichtliche ist – so wird man im Sinne Kählers näher explizieren dürfen – „Geschichtliches, das nicht darin aufgeht, Geschichtliches zu sein, sondern

      

AaO.,  f. AaO.,  (Hervorhebungen hinzugefügt). AaO., . AaO., f. AaO., . AaO.,  f. Vgl. Theozentrische Theologie  (),  ff; Theozentrische Theologie  (),  ff.

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

275

bleibend gültig ist“.⁹⁸⁷ Insofern geht es letztlich um die ewige Gültigkeit und Gegenwart eines Vergangenen.⁹⁸⁸ Oder mit anderen Worten: Die Überzeugungskraft des Vergangenen besteht nicht in der Vergangenheit, sondern in seiner Gegenwärtigkeit.⁹⁸⁹ Diese Vergegenwärtigung des Vergangenen wird man dabei nach Schaeder im Sinne einer – durch den Geist der Vergegenwärtigung gewirkten – pneumatischen Aktualisierung verstehen müssen. Schaeder fordert deshalb eine „pneumatische Exegese“, welche im Menschenwort der Bibel bzw. in allen Diesseitigkeiten und Endlichkeiten der Bibel den an der Welt handelnden Gott findet und herausstellt, und zwar so, dass der Glaube sich zu Gott und seinem Christus erhebt und zugleich Welt, geschichtliche Einzelheiten, Entlehnungen und Umbildungen bestimmter religiöser Gedankenformen hinter sich lassen kann.⁹⁹⁰ Oder wie Schaeder auch formulieren kann: „Pneumatische Exegese, die etwas taugt, ist eine grammatisch-historisch höchst sorgfältige, streng beobachtende Exegese. Aber gerade als solche bringt sie zur Anschauung, daß bestimmten Gedankengebilden unserer Bibel […] ein überzeitlicher Anspruch an jede geschichtliche Epoche, auch an unsere, innewohnt“.⁹⁹¹ Überblickt man Schaeders Äußerungen zum alttestamentlichen und neutestamentlichen Kanon, dann ist es nicht verwunderlich, dass Schaeder das Schriftwort für kritisches Erforschen freigeben und die historisch-kritische Arbeit an der Bibel durchaus würdigen kann. Denn nach Schaeder gilt: „Der Glaube hat […] grundsätzlich gar keine Veranlassung, vor den Erträgen der wissenschaftlichen Schriftbehandlung zu zittern. Er ist ja eigenbegründete, geistbegründete, persönlich-lebensvolle Gewißheit einer übergeschichtlichen Wirklichkeit, die ihm in dem Jesus der Bibel und in dem, was mit ihm zusammenhängt, entgegenkommt.“⁹⁹² Nachdrücklich fordert Schaeder aber, dass die historisch-kritische Erforschung der Schrift nicht von Vorentscheidungen – etwa der Korrelation und Analogie – geleitet werden dürfe:⁹⁹³ „Hier ist der Punkt, wo wir aus geschichtlichen Wahrheitsgründen, […] gar nicht ohne weiteres aus Glaubensgründen, protestieren. Nein, die Historie soll ohne grundsätzliche Wunderscheu und ohne eine weltgebundene Immanenzschauung, ohne weltgebundenen Antisupranaturalismus, die biblische Geschichte, vorab den biblischen Jesus Christus, zu er-

 Mencke, Erfahrung, . Vgl. auch Wimmer, Geistestheologie,  ff.  Mencke, Erfahrung, .  AaO., .  Wort Gottes, ; Pfarrer,  f.  Herzpunkt, .  Glaube und Bibel, .  Schaeder stimmt hier auch mit Kähler überein. Vgl. Mencke, Erfahrung,  ff und Wimmer, Geistestheologie,  ff.

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

fassen suchen.“⁹⁹⁴ Auch wenn Schaeder den Forschungsergebnissen dabei jegliche glaubensweckende und -begründende Kraft und Funktion versagt, so bleiben die Ergebnisse der historischen Arbeit an der Bibel doch keineswegs ohne Bedeutung für den Glauben: „Stützend oder erschütternd wirkt die Forschung auf den Bibelglauben, zumal auf den biblischen Christusglauben ein.“⁹⁹⁵ Schaeder fordert deshalb bei der historisch-kritischen Arbeit an der Bibel ein verantwortungsvolles Vorgehen im Blick auf das eigene sowie erst recht auf das Glaubensleben der anderen. Dennoch ist Schaeder davon überzeugt, dass durch die Verknüpfung des Bibelglaubens mit der Bibelforschung letztlich keine grundsätzliche Unsicherheit in den Glauben hineinkommt. Denn Gott wirkt den Glauben durch seinen Geist und sein Wort bzw. durch Wahrheit und geschichtliche Wirklichkeit, nicht aber durch „frommgemalte Phantasien oder trübe, religiöse Mischprodukte“.⁹⁹⁶ Mit anderen Worten heißt dies: Weil im Glauben der lebendige Christus durch den Heiligen Geist unmittelbar gegenwärtig wird, kann es eine Abhängigkeit von historischer Wissenschaft oder dogmatischer Theologie für das glaubende Verhältnis zu Jesus Christus nicht geben. Die durch Wort und Geist vermittelte Unmittelbarkeit Gottes beschränkt demnach die Leistungsfähigkeit der historischen Forschung bzw. der dogmatischen Theologie im Zusammenhang des Glaubens auf eine sekundäre, allerdings den Glauben durchaus stützende oder irritierende Funktion.

2.2.2.6 Wort Gottes und Sakrament Im Rahmen seiner Ausführungen über das Wort Gottes weist Schaeder es als gefährlichen Irrtum zurück, dem Sakrament gegenüber dem Wort den höheren Rang einzuräumen bzw. die „Geisteswirkung“ des Sakraments höher einzuschätzen als die des Wortes. Vielmehr vermittelten beide die Gnade des majestätischen Gottes bzw. die Sündenvergebung oder Rechtfertigung, welche im Glauben für den Glaubenden persönlich Wirklichkeit werden.⁹⁹⁷ Unter pneumatologischer Perspektive kann Schaeder deshalb auch formulieren: „[B]eide, Wort wie Sakrament, vermitteln den Empfang des Geistes Gottes, der neutestamentlichen Heilsgabe, über die hinaus es in dieser Weltzeit schlechterdings nichts gibt. Denn Gott rechtfertigt den Sünder so, daß er ihn im Glauben durch den Geist in Gemeinschaft mit sich versetzt. […] Es gibt im Neuen Bunde keine Abstufungen von Gnade und keine abgestuften Gaben vergebender Gnade. Gnade ist Gnade.    

Glaube und Bibel, . AaO., . Ebd. Wort Gottes, .

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

277

Geist ist Geist. Indem das Wort Gottes und das Sakrament Gnade vermitteln, stehen sie grundsätzlich auf durchaus der gleichen Stufe.“⁹⁹⁸ Eine „Potenzierung“ der Wirkung des Sakraments gegenüber der des Worts kommt deshalb für Schaeder einer Verkennung der Gnade Gottes gleich.⁹⁹⁹ Lässt sich nun das Sakrament nur als eine Form des Wortes Gottes angemessen explizieren,¹⁰⁰⁰ dann erklärt dies auch, weshalb Schaeder sich kritisch gegen die römisch-katholische Lehre von der – durch die Sakramente vermittelten – gratia infusa wenden muss: „Diese naturhaft gedachte Gnadenkraft, diese Art geistlichen Fluidums, drängt die geistig-persönliche Wirkung des Wortes Gottes und mit ihr das Wort selber in den Hintergrund.“¹⁰⁰¹ Die Verwendung der sinnlichen Medien kann deshalb – so Schaeder weiter – nur darin ihre Bedeutung haben, „daß durch sie die Gnadenzuwendung Gottes in Christus zur Unterstützung des Glaubens […] in besonderer Weise veranschaulicht wird“.¹⁰⁰² Pointiert wird man deshalb im Sinne Schaeders formulieren dürfen: Wie das Wort den Geist sinnlich macht,¹⁰⁰³ so macht das Sakrament das Wort anschaulich.¹⁰⁰⁴ Jedes Sakrament ist deshalb in seiner besonderen Weise Wort und letzten Endes nichts als Wort.¹⁰⁰⁵ Es ist veranschaulichtes und damit sichtbares Wort, verbum visibile. ¹⁰⁰⁶ Taufe und Abendmahl können deshalb nicht als Konkurrenzhandlungen zum wirksamen göttlichen Wort verstanden werden. Sie sind vielmehr Sakramente überhaupt nur, insofern das wirksame göttliche Wort zu einer weltlichen Handlung hinzutritt, um an dieser weltlichen Handlung anschaulich zu werden.¹⁰⁰⁷ Korrespondiert nun aber dem Evangelium auf Seiten des Menschen der Glaube, so kommen auch die Sakramente erst dann als Sakramente

 Ebd.  AaO.,  f.  AaO.,  f.  AaO., .  AaO.,  (Hervorhebung hinzugefügt). Die Taufe veranschaulicht dabei die Reinigung von der Schuld, das Abendmahl die Versetzung in die Gemeinschaft mit dem gekreuzigten Christus, wobei diese Versetzung die Befreiung von der Schuld als integrierenden Bestandteil einschließt.  Vgl. oben S.  f.  Dass die sinnlichen Elemente nur als Anschauungsmittel dienen, hätten – so Schaeders Kritik – die Männer der Reformation zunächst zwar so aufgefasst, aber nicht dauernd zur Geltung gebracht: „Was wäre dem Protestantismus erspart geblieben, wenn die Kombination Sakrament, Geist Gottes, Glaube ebenso deutlich vor seinen Vätern gestanden hätte wie die andere Evangelium, Geist Gottes, Glaube! Geist ist jetzt im Christenglauben alles. Deshalb ist das geistmitteilende Wort für ihn alles, auch am Sakrament. Und die sinnlichen Elemente sind lediglich Akzidentien.“ Siehe: Geistproblem, . Vgl. auch: Glaubenslehre, .  Wort Gottes, .  AaO., .  Jüngel, Rechtfertigung, .

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

zur Wirkung, wenn das Wort göttlicher Selbstzusage im Sakrament vom Glauben ergriffen wird.¹⁰⁰⁸ Es käme deshalb – im Blick auf das Abendmahl – einer Überschätzung des Sakramentes gleich, wollte man den sinnlichen Elementen über das Wort hinweg eine vermittelnde Wirkung für die Versetzung in die persönliche Gemeinschaft mit dem gekreuzigten Christus zuschreiben.¹⁰⁰⁹ Vielmehr versetzt nach Schaeder die – durch die Wortverkündigung verbürgte – Nähe des Heiligen Geistes denjenigen in die Christusgemeinschaft, welcher durch diese Nähe zum Glauben bewegt wird. Das „sinnlich-sakramentale Verfahren“ gibt dann dieser sich im Glauben vollziehenden Wirkung den „Charakter sinnenfälliger Anschaulichkeit“.¹⁰¹⁰ Nach Schaeder erübrigt sich somit jeder Versuch, den Empfang des Leibes und Blutes Christi in einer Weise zu deuten, dass er etwas anderes als der Empfang des Heiligen Geistes sei.¹⁰¹¹ Die sakramentalen Handlungen wird man also im Sinne Schaeders nicht als menschliches Werk, sondern als darstellendes Handeln, genauer: als vergegenwärtigende Darstellung dessen, was im Evangelium zugesagt ist, interpretieren dürfen.¹⁰¹² Letztlich repräsentieren die Sakramente somit die Gegenwart Jesu Christi durch den Heiligen Geist. Unter Beachtung der von Schaeder immer wieder betonten Inversion von Subjekt und Objekt lässt sich dann festhalten: im vom Menschen dem Menschen gespendeten Sakrament repräsentiert und vergegenwärtigt sich Jesus Christus selber durch den Heiligen Geist in souveräner Weise so, dass er der eigentlich Handelnde in der sakramentalen Handlung ist und uns zu Empfangenden macht.¹⁰¹³ Das Handeln Jesu Christi ist dabei aber nichts anderes als ein wirkmächtiges Handeln im Geist durch das Wort, nämlich durch das mit dem Geist geeinte Tat-Wort des Evangeliums. Auch wenn Schaeder die Sakramentsfrage nur in einem sehr schmalen Ausschnitt behandeln will, nämlich insofern das Verhältnis von Wort und Sakrament und damit letztlich das Geistproblem im Blick ist,¹⁰¹⁴ so finden sich doch in seinen eher an die kirchliche Öffentlichkeit gerichteten Schriften auch einzelne Hinweise auf die praktische Konsequenz seiner Überlegungen. So weist Schaeder z. B. die Auffassung seines Lehrers Cremer zurück, als ob die Kindertaufe die Wiedergeburt

      

Ebd. Wort Gottes,  f. AaO., . Zum Vorherigen: Ebd. Geistproblem, . Vgl. Jüngel, Rechtfertigung, . Vgl. auch: Ders., Sakrament,  f. Vgl. ders., Rechtfertigung, . Vgl. auch: Ders., Eucharistiegemeinschaft,  ff. Geistproblem, .

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

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im Sinne einer objektiven Gnadenzueignung sei. Nur wenn – so Schaeder – Taufe und Glaube zusammenträten, dann sei Wiedergeburt da, sonst nicht.¹⁰¹⁵ Den bedeutenden Sinn der Kindertaufe erkennt Schaeder deshalb in der Bedingungslosigkeit des göttlichen Heils und in der Selbstverpflichtung der Gemeinde zur christlichen Erziehung: „Auf keiner Lebensstufe, auch nicht auf der des Erwachsenen, schafft eigener, natürlicher Menschenwille den Glauben. Das bringt die Kindertaufe, die über den Täufling das Gotteswort der Gnade ausspricht, zum Ausdruck. Sodann aber ist die Kindertaufe in einem Atem mit dem eben Bemerkten die Selbstverpflichtung der Glaubensgemeinde, der Kirche, den Täufling durch die fortgesetzte Darbietung des Wortes zum Glauben zu erziehen, damit der Taufvollzug das Ziel erreiche, in dem er wirksam wird, nämlich die Wiedergeburt, die mit dem Glauben in eins fällt.“¹⁰¹⁶ Wo jegliche Aussicht auf eine solche bezeugende Erziehung fehlt, da sollte – so betont Schaeder – die Kirche den Taufakt unterlassen.¹⁰¹⁷ Kirche ist für Schaeder nie nur Gemeinschaft der Getauften. Kirche ist vielmehr die Gemeinschaft der Glaubenden, deren Glaube am Wort und an der Taufe oder an der Taufe und am Wort hängt.¹⁰¹⁸

2.2.2.7 Wort Gottes und Kirche Die Kirche hat nach Schaeder – wie oben bereits erwähnt – das Wort Gottes nur so, dass sich Gottes Geist immer wieder mit dem verkündigten menschlichen Wort verbindet und es dadurch zur Anrede Gottes an den Menschen macht.¹⁰¹⁹ Das Verkündigen und Hören des Wortes Gottes sei wesentliches Charakteristikum der Kirche.¹⁰²⁰ Präzisierend kann Schaeder dabei zugleich auf den Glauben verweisen: „Nur […] wenn aus dem Hören das Glauben wird, ist das Hören des Wortes für den Bestand der Kirche konstitutiv, und nur […] wenn die Verkündigung aus dem Glauben hervorgeht, ist sie Äußerung, Merkmal der Kirche.“¹⁰²¹ Wort Gottes, Heiliger Geist und Glaube bilden demnach für Schaeder die Einheit und auch die absolute Einzigartigkeit der Kirche.¹⁰²² Allein durch das Wort und den geistgewirkten Glauben ist die Kirche deshalb auch von der Welt geschieden. Denn die Welt hört – so Schaeder – das Wort und damit die Einheit von Gesetz und

       

Herzpunkt, . Vgl. auch: Geistproblem,  u. . Herzpunkt,  f. Glaubenslehre, . Herzpunkt, . Vgl. oben S. . Wort Gottes, . Ebd. Auch zum Folgenden: AaO.,  f.

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

Evangelium nicht so, dass sie es verbindlich hört und glaubt. Die Welt hat nach Schaeder deshalb zwar Religion in mannigfaltigen Formen, aber Glauben hat sie nicht, sie hat Geist, aber heiligen, wirksamen, machtvollen Liebesgeist, Christusgeist, hat sie nicht. Die Einzigartigkeit der Kirche z. B. gegenüber dem Islam, dem Judentum und dem Buddhismus ist für Schaeder deshalb evident: Jenen Religionen fehle – auch wenn es Berührungen in Lehren und kultischen Sitten gebe – doch das Ganze des rettenden, rechtfertigenden, befreienden Wortes. Es fehle als Wirkung des wortgebundenen Geistes der bußfertige Glaube, welcher Gnadengewissheit oder Gerechtigkeit Gottes sei. Die Einzigartigkeit der Wort- und Geistkirche gegenüber der Welt wird nach Schaeder auch dadurch nicht geschmälert, dass die Glieder der Kirche von sich aus Sünder sind und der Welt angehören.¹⁰²³ Denn auch wenn – wie Schaeder betont – an dieser Tatsache sämtliche Heiligungstheorien und aller Perfektionismus scheitern müssen, so hebt dieser Sachverhalt dennoch nicht auf, dass die Glieder der Kirche von Gott aus, nämlich durch Christus im Heiligen Geist bzw. durch den geistgewirkten und wortvermittelten Glauben, absolut etwas anderes sind als Welt: Der Glaube ist die Herrschaft Gottes durch den Heiligen Geist im Menscheninnern, er ist absolutes Vertrauen auf den Gott der unbedingten Gnade und trotz aller sündhaften Bestimmtheit seines Trägers gewisse Hoffnung auf die – ihn von Sünde befreiende – Vollendung. Nach Schaeder gilt deshalb: „Wo immer der Glaube aufhört, da wird aus der Kirche Welt. Und immer und überall, wo er ist und bleibt, da ist trotz aller sündigen Weltzugehörigkeit Kirche in der Welt, Kirche, die etwas absolut anderes ist als Welt.“¹⁰²⁴ Auch wenn die Kirche also grundlegend von der Welt unterschieden ist, so fällt sie doch – wie Schaeder betonen kann – unter Gottes Gericht; allerdings nicht aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Welt und auch nicht aufgrund ihrer Verflochtenheit in den Naturprozess bzw. in den Gang der Menschheitsgeschichte,¹⁰²⁵ sondern weil die Glieder der Kirche von sich aus Sünder sind und in diesem Sinne der Welt angehören.¹⁰²⁶ Da Gott sich nicht selber richtet, kann aber dabei das Wort Gottes – verstanden als Menschenwort mit dem das göttliche Pneuma verbunden ist – nicht unter Gottes Gericht fallen. Ebenso steht nach Schaeders Überzeugung der geistgewirkte Glaube, obwohl er von sündigen Menschen gelebt werde, nicht

 Auch zum Folgenden: AaO.,  f.  AaO., . Die Kirche bleibt nach Schaeder durch die Verflochtenheit ihrer Glieder in den „schöpfungsmäßigen Natur- und Geschichtsbestand“ naturhaft und geschichtlich bestimmt. Dies schafft individuelle, begrenzte, auch geschichtlich vergängliche kirchliche Gebilde bzw. Einzelkirchen (AaO., ).  Nach Schaeder betonen dies z. B. die Vertreter der sogenannten „dialektischen Theologie“.  Auch zum Folgenden: AaO.,  f.

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

281

unter Gottes Gericht. Denn dem geistgewirkten Glauben als das Gute in der menschlichen Geschichte, als die Gerechtigkeit des Menschen bzw. als die Vorauserscheinung des kommenden Reiches Gottes kann nicht der verurteilende Richterspruch Gottes gelten. Dann aber fällt – davon ist Schaeder überzeugt – auch die Kirche, eben verstanden als „geistgeschaffene Einheit der Glaubenden“, nicht unter Gottes Gericht.¹⁰²⁷ Schaeder überträgt dabei die aus der Rechtfertigungslehre bekannte Unterscheidung coram seipso und coram deo, welche zunächst dem einzelnen Glaubenden gilt, auf die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden: „Die Kirche ist die Kirche der Sünder, und rein von uns aus gesehen, ist sie weiter nichts. Und sie ist doch von Gott aus in Geist und Glauben die Kirche der Gerechten.“¹⁰²⁸ Von daher erklärt sich dann auch, weshalb Schaeder die Verhältnisbestimmung von Wort Gottes, Geist Gottes und Glaube als konstitutiv für die Ekklesiologie erachten muss.¹⁰²⁹ Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden lässt sich also nur als „Wort- und Geistkirche“ angemessen explizieren.¹⁰³⁰ So verstanden ist Kirche schlechterdings nicht ohne Liebe zu denken: „Man leugnet den Geist Gottes, den wirksamen, versöhnenden und erneuernden Liebesgeist Jesu Christi als die schöpferische Macht der Kirche, wenn man nicht um des Glaubens willen die Liebe unter die konstitutiven Momente der Kirche rechnet.“¹⁰³¹ Liebe meint dabei nach Schaeder zunächst Überwindung der Ichsucht, genauer: des Selbstwillens in seiner aggressiven Abwendung von Gott und seiner Hinwendung zum Ich bzw. zu den Gütern dieser Welt.¹⁰³² Liebe als konstitutives Element der Wortund Geistkirche wird man deshalb – so kritisch gegen Gogarten gewendet – zunächst nicht als Liebe zu den Nächsten zu verstehen haben, sondern als Liebe und gemeinschaftsbildende Hingabe an den Gott des Wortes und an seinen Christus; und zwar auch dann, wenn sich diese Liebe – sekundär – den Menschen zuwendet. Nach Schaeder hat hier die Kirche ihr Charakteristikum, welches die Welt ohne Wort und Glaube nicht hat. Auch als Tat bleibt diese Liebe dann – so Schaeder weiter – zunächst nichts anderes als die Verkündigung oder Predigt des Wortes Gottes in ihren vielfältigen Formen dem Nächsten gegenüber.¹⁰³³ Alles andere, was von der Kirche sonst noch als Nächstenliebe geübt wird, hat nach Schaeder – gleichsam als Deutungsho-

      

AaO., . AaO.,  (Hervorhebung hinzugefügt). Ebd. Ebd. AaO., . Auch zum Folgenden: AaO.,  ff. Auch zum Folgenden: AaO.,  f.

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

rizont – immer in irgendeiner Form die Verkündigung des Wortes Gottes bei sich. Denn dass Werke gute Werke sind, d. h. dass ihr Motiv in der auf Gott gerichteten Liebe zu den Nächsten liegt, das ist ihnen selber nicht anzusehen, sondern lässt sich nur feststellen, wenn die Verrichtung dieser Werke auf irgendeine Art mit dem Bekenntnis zu jenem Gott der Offenbarung verbunden ist.¹⁰³⁴ Entgegen einer damals vorwiegend als Individualethik ausgebildeten protestantischen Ethik macht die so verstandene Liebestätigkeit der Kirche dann nach Schaeder auch eine kirchliche Sozialethik erforderlich.¹⁰³⁵ Denn nach Schaeder ist es der Heilige Geist, welcher sich in der tatkräftigen Liebesgesinnung so schöpferisch betätigt, dass aus Glauben eine konstante persönliche Seelenhaltung wird und somit bei aller Gefährdung durch die Sünde auch die gute Disposition des Willens vorhanden sein kann. Unter dieser Grundvoraussetzung vermag sich die kirchliche Liebestätigkeit dann nach zwei Seiten zu äußern: „Sie sucht das natürlich-geschichtliche Leben im Einzelnen und in seinen zusammenfassenden Ordnungen oder Gebilden positiv dem Willen Gottes konform zu gestalten. Alsdann: sie bekämpft die Sünde und das Übel in der Welt, sowohl das Natur- wie das gesellschaftliche Übel. Beides, Sünde und Übel, bekämpft sie in seiner individuellen Vereinzelung wie in seinen Gesamtwirkungen.“¹⁰³⁶ Auch wenn die Resultate dieser sittlichen Tätigkeit dabei nach Schaeder letztlich Ansätze bleiben und mit den Gegenwirkungen der Sünde und des Übels zu ringen haben, so können sie doch nicht vom Worte Gottes aus verworfen werden.¹⁰³⁷ Entgegen den von Gogarten geäußerten Bedenken betont Schaeder deshalb die Berechtigung eines „kirchlichen Kulturwillens“ und dessen bestimmte Resultate in Ehe, Familie, Erziehung, Bildung, Schule, Wissenschaft, Kunst, Wirtschaft und Politik.¹⁰³⁸ Denn die Kirche gehorcht hier – so Schaeder – dem wortvermittelten Antrieb des Heiligen Geistes und bringt es auch in den verschiedensten Richtungen des sozial-kulturellen Lebens zu Formen oder Einrichtungen, zu denen der Geist Gottes sich bekennt.¹⁰³⁹ Weil diese kirchlich-christliche Kultur aber stets Fragment bleibt, sind im Liebeswirken der Kirche nicht die objektiven Ergebnisse das Entscheidende, sondern vielmehr die Glieder der Kirche, welche durch die Wirkung des Heiligen Geistes

 Darin aber, dass „Gottesliebe in der Nächstenliebe“ ist und sie sich als Wirkung des Wortes Gottes im Glauben ausspricht, besteht nach Schaeder auch die tiefe Differenz zu jeder Form rein humanitärer Liebe (AaO. ).  Auch zum Folgenden:  ff. Zur besonderen Innenwirkung des Heiligen Geistes an der Gemeinde und der Frage der Charismen: Geistproblem,  ff.  Wort Gottes,  f.  AaO., .  AaO., .  Auch zum Folgenden:  f.

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

283

den Willen zur Tat in sich haben und ihn in immer erneuten Aktionen zu verwirklichen trachten. So wendet sich nach Schaeder der Blick von den vereinzelten und begrenzten guten Werken der Kirche zurück zur Kirche selbst, d. h. zu ihren lebendigen Vertretern, zu ihrem Glauben und zu ihrer Liebe. Glaube und Liebe als die charakteristischen Lebensformen der Kirche¹⁰⁴⁰ aber entstehen aus der Gebundenheit an den Heiligen Geist.¹⁰⁴¹ Letztlich erweist sich somit der Geist Gottes und sein Wirken als Mittelpunkt der Kirche.¹⁰⁴² Lässt sich aber der Heilige Geist – wie oben gezeigt wurde – angemessen nur vom wortgebundenen und geistgewirkten Glauben her bestimmen,¹⁰⁴³ dann erklärt dies, dass auch die Ekklesiologie vom Glauben her zu explizieren ist. Kurz: Ausgehend vom wortgebundenen und geistgewirkten Glauben des Einzelnen lassen sich Schlüsse auf die in der Wirksamkeit des göttlichen Geistes begründete Gemeinschaft der Glaubenden ziehen. Schaeder kann deshalb im Blick auf die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden auch von einem „Haben“ oder „Besitzen“ Gottes sprechen: Denkt das glaubende Individuum „an seinen Gottes- und Christusbesitz und alles, was an Wirkungen aus ihm hervortritt, dann denkt es, wenn es sachgemäß denkt, sofort an die Gemeinde, in der dieser Besitz lebendig ist, mit“.¹⁰⁴⁴ Den Gottes-, Christus-, Geist- oder Wortbesitz der Kirche wird man somit ebenso wie beim einzelnen Glaubenden im Sinne einer im fortdauernd applizierenden Verhalten Gottes gründenden permanenten Rezeption bzw. einer auf die Geistmitteilung angewiesenen und der menschlichen Verfügbarkeit entzogenen pneumatischen Partizipation verstehen müssen.¹⁰⁴⁵ „Besitz“ oder „Haben“ Gottes meint also auch im Blick auf die Kirche nichts anderes als die geistgewirkte inhabitatio Dei bzw. die permanente, die Gemeinschaft neu lozierende donatio spiritus sancti. ¹⁰⁴⁶

 Theologie und Leben, .  Geistproblem, .  Herzpunkt,   Vgl. oben S.  ff.  Geistproblem, .  Vgl. z. B. oben S.  ff;  f. Die Kirche hat also in der Form des Glaubens und der Glaubensgemeinschaft Gott und dessen gnädige Nähe. Und zugleich hat sie ihn auch nicht. Denn Gott und sein Christus ist jenseits von Welt und Geschichte. Der Glaube ist deshalb nach Schaeder mitten in seinem seligen Besitzen Sehnsucht, aber Sehnsucht in der Form glaubensgewisser Hoffnung, welche nach der vollkommenen Vereinigung mit Gott entgegenstrebt. Von einer unverlierbaren Gemeinschaft mit Gott kann deshalb nach Schaeder in der Zeit noch nicht die Rede sein (Herzpunkt, ).  Vgl. oben S.  f.

284

2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

2.2.2.8 Fazit Der Glaube lässt Schlüsse über das „Wesen“ des Heiligen Geistes zu, weil die Erörterung dessen, was der Heilige Geist „tut“ und „wirkt“, Antwort darauf gibt, wer oder was der Heilige Geist „ist“.¹⁰⁴⁷ Vorausgesetzt ist nach Schaeder dabei, dass dieser Glaube vom göttlichen Geist immer durch das göttliche Wort gewirkt ist. Nicht nur der Glaube, sondern auch die Verhältnisbestimmung von Geist und Wort, von Geist und Heiliger Schrift sowie von Geist und Sakrament hat somit für die Wesensbestimmung des Heiligen Geist höchste Relevanz. Bei der näheren Explikation des Wortes Gottes als Vereinigung von göttlichem Geist mit menschlichem Wort zeigt sich dann, dass diese Synthese niemals zustandhaft ist, sondern immer wieder – durch Gottes Souveränität und Spontaneität – wird. ¹⁰⁴⁸ Diese nur dem Glauben evidente „paradoxe Synthese“¹⁰⁴⁹ von Göttlichem und Menschlichem,von göttlichem Geist und menschlichem Wort aber hat letztlich ihren tiefen Grund im göttlichen Geist, der dem Menschen unüberbietbar nahe kommt und doch zugleich vom Menschen präzise unterschieden bleibt. Insofern lässt sich die Synthese zwischen göttlichem Geist und menschlichem Wort niemals als eine natur- bzw. substanzhafte und damit ontologische, sondern allein als eine geistgewirkte und damit pneumatische Synthese explizieren. Nichts anderes aber dürfte gemeint sein, wenn Schaeder immer wieder – gerade auch im Gegenüber zu Brunner, Gogarten und Barth – von einer wortvermittelten Glaubensmystik oder Christusmystik spricht.¹⁰⁵⁰ Bei der inhaltlichen Bestimmung des Wortes Gottes tritt dann neben die schöpferisch-daseinskonstitutive Beziehung Gottes zur Welt die soteriologische Relevanz Gottes für die Welt. Die Welt bleibt als geschaffene und damit von Gott abhängige Wirklichkeit angewiesen auf Gottes befreiendes und glaubenschaffendes Wirken durch den Heiligen Geist.¹⁰⁵¹ Gesetz und Evangelium wird man deshalb nicht als statische Größen, sondern als dynamische Begriffe zu verstehen haben, die ein Geschehen beschreiben, welches sich situationsbezogen am Einzelnen ereignet.¹⁰⁵² Auch wenn Sünde als Selbstfixierung und aggressive egozentrisch-relationsnegierende Platzanmaßung expliziert wird, so können die Gottesebenbildlichkeit des Menschseins und damit dessen ontologische Strukturen auch dann nicht zerstört werden, wenn die ontisch-existentielle Verwirklichung dieser ontologischen Strukturen ganz und gar von der Sünde bestimmt ist.

     

Vgl. oben S.  sowie Jüngel, Thesen, . Vgl. oben S. . Theozentrische Theologie  (),  f. Vgl. auch zum Vorherigen oben S. . Vgl. auch zum Vorherigen oben S. . Vgl. oben S.  f.

2.2 Das „Wesen“ des Heiligen Geistes

285

Der Schöpfungsbestand des Menschen kann deshalb als Anknüpfungspunkt für das heilschaffende Wirken durch Wort und Geist gelten.¹⁰⁵³ Evident ist für Schaeder dabei, dass Sünde und Gericht nur als bereits überwundene – also im Modus des Vergeben- und Befreitseins – sich angemessen erkennen lassen.¹⁰⁵⁴ Bei der Verhältnisbestimmung von Heiliger Schrift und Wort Gottes lehnt Schaeder dann jegliche Deckungsgleichheit nachdrücklich ab. Denn nur in seiner pneumatischen Aktualisierung, nicht aber in einer äußeren Identität von Wort Gottes und Heiliger Schrift erweist sich die Autorität des biblischen Kanons für den Glauben. Letztlich vermag dann aber nur der Glaube, der sich seinerseits dem Wort – und als dessen Implikat – der Schrift verdankt, darüber zu urteilen, ob und inwiefern ihm das Wort Gottes in der Bibel entgegentritt.¹⁰⁵⁵ Auch im Sakrament als veranschaulichtes und damit sichtbares Wort repräsentiert und vergegenwärtigt sich Jesus Christus durch den Heiligen Geist so, dass er der eigentlich Handelnde in der sakramentalen Handlung ist und die Menschen zu Empfangenden macht.¹⁰⁵⁶ Dass diese Geistwirkung eintritt, welche Christus selber durch das gesprochene bzw. sichtbare Wort zur absolut bewegenden Potenz des inwendigen Menschen macht, muss deshalb auch als konstitutiv für die Zugehörigkeit zur Kirche und für den pneumatischen Organismus der Kirche gelten.¹⁰⁵⁷ Von daher erklärt sich dann auch, weshalb die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden sich nur als Wort- und Geistkirche angemessen explizieren lässt. Denn der Heilige Geist ist es, der den Wortglauben wirkt; er schafft die Kirche des Worts und er macht sie, sofern er in ihr wirkt, in der Form des Glaubens und der Liebe zur Stätte der Herrschaft Gottes. Er scheidet die Kirche des Wortes von der Welt und gibt ihr doch zugleich in und mit dem Worte den Auftrag für die Welt. Kirche und Welt haben so nichts Größeres als dieses geistgeeinte Wort. Die Kernfrage der Theologie bleibt die Frage nach dem Heiligen Geist – und zwar nach dem Heiligen Geist, der beim Wort ist.¹⁰⁵⁸ Die Wortgebundenheit des göttlichen Geistes wird also – so lässt sich abschließend festhalten – durch dessen Souveränität nicht desavouiert, sondern expliziert. Denn die Wortgebundenheit des Heiligen Geistes meint nichts anderes als dessen immer wieder souverän sich ereignende Selbstbindung und Selbstbegrenzung. So verstanden aber erweist sich das Wort zugleich als unverzichtbarer

     

Vgl. oben S. . Vgl. oben S. . Vgl. auch zum Vorherigen oben S. . Vgl. oben S. . Wort Gottes, . Auch zum Vorherigen: AaO., .

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

Wesensbestandteil des Heiligen Geistes. Mit anderen Worten heißt dies: Der Heilige Geist kann sehr wohl ohne das Wort sein. Aber als offenbarender Geist und damit als Geist, welcher zum Menschen kommt, vermag er nicht ohne das Wort zu sein.¹⁰⁵⁹ Dass der Heilige Geist sich dem Menschen mitteilt, ist angewiesen auf die Mitteilung des Wortes. Wo deshalb Glaube entsteht, dort ist dieser Glaube vom göttlichen Geist immer durch das Hören des verkündigten oder das Lesen des geschriebenen Wortes des Evangeliums gewirkt, dort hat sich immer der göttliche Geist in seiner souveränen Freiheit mit dem äußeren und damit menschlichen Wort verbunden.¹⁰⁶⁰ Heiliger Geist ist von daher immer auch demütiger, sich erniedrigender, sich in aller Souveränität selbst bindender Geist. So verstanden, nämlich in seiner selbstgewählten Kenosis,¹⁰⁶¹ wird man den göttlichen Geist als einen das Wort ergreifenden, kommunikativen bzw. durch die Kommunikation die Relation zum Menschen suchenden Geist explizieren dürfen.

2.3 Heiliger Geist, Jesus Christus und Gott – Trinitätstheologische Überlegungen 2.3.1 Erste Selbstcharakterisierung von Schaeders Entwurf Die intensive Beschäftigung mit der Geistfrage und der Majestät Gottes bringt es mit sich, dass Schaeder immer wieder auch die Frage der Trinität reflektiert. Seine drei Vorlesungen über die Trinitätsfrage, welche er auf dem theologischen Ferienkursus in Dresden hielt und die 1912 in einer ersten und dann 1925 in einer zweiten überarbeiteten Auflage unter dem Titel „Zur Trinitätsfrage“ erschienen,¹⁰⁶² dürften dabei Schaeders trinitätstheologische Position wiedergeben. Schaeder ist sich durchaus dessen bewusst, dass diese Frage zwar nicht zu den aktuell bewegenden theologischen Fragen seiner Zeit, wohl aber zu den „unveräußerlichen, unterscheidenden Inhalten des christlichen Glaubens“ zählt.¹⁰⁶³ Das Charakteristische seines Entwurfes erkennt Schaeder nun zum einen darin, dass die trinitätstheologischen Aussagen strikt aus dem Glauben bzw. aus der mit der

 Prenter, Spiritus creator, .  Vgl. auch zum Vorherigen oben S. .  Auch Bohren kann die Wortbedürftigkeit des Heiligen Geistes als Kenosis des Geistes bezeichnen (Bohren, Predigtlehre, ).  Vgl. oben S. . Für das richtige Verständnis von Schaeders theologischem Denken ist dieses Werk nach Jelke von großer Bedeutung. Vgl. Jelke, Rezension ThLBl  (), .  Trinitätsfrage (), .

2.3 Heiliger Geist, Jesus Christus und Gott – Trinitätstheologische Überlegungen

287

Offenbarung verwachsenen Glaubenserfahrung hergeleitet werden.¹⁰⁶⁴ Zum anderen aber soll in seinem Entwurf auch gezeigt werden, wie sehr die Liebe Gottes die Wirklichkeit und den Lebensreichtum Gottes bestimmt.¹⁰⁶⁵ „Jeder Stoß gegen den Glauben an den dreieinigen oder dreifaltigen Gott“ kommt deshalb nach Schaeder einem „Stoß gegen den unergründlichen Lebens- und Wahrheitsreichtum der vorhandenen Gottesoffenbarung“ gleich.¹⁰⁶⁶ Von daher erklärt sich dann auch, dass Ritschl und seine Schüler ebenso wie Harnack als Vertreter einer „Bewegung der Reduktionen, der Einschnürung oder Verengerung des Christlichen“ bezeichnet werden können.¹⁰⁶⁷ Nach Schaeder hat eine „Minimaltheologie“ lediglich dann ihr Recht, wenn sie Bestandteile beseitigen will, welche sich von der „festen Basis der Offenbarung Gottes“ entfernen.¹⁰⁶⁸ Auch das Streben, überflüssige Hindernisse für den glaubensuchenden neuzeitlichen Menschen zu beseitigen, kann zwar berechtigterweise als Motiv hinter einer Minimaltheologie stehen.¹⁰⁶⁹ Aber diese seelsorgerliche Rücksicht oder Reflexion darf nach Schaeder nicht dazu führen, „der offenbaren Gotteswahrheit etwas abzubrechen.“¹⁰⁷⁰ Da nun nach Schaeder Gott „nie und in keiner Beziehung für uns ein einfach Gegebenes“ ist, sondern wir ihn nur so erkennen, dass er sich offenbarend zu uns in persönlich-geistige Beziehung setzt, bleiben letztlich Gottes Selbstmitteilung sowie der Glaube die beiden Brennpunkte in der Ellipse unserer – durchaus auch trinitarischen – Gotteserkenntnis.¹⁰⁷¹ Die Ergebnisse „rein rationaler Spekulation in bezug auf Gott“, welche die Kirchengeschichte insbesondere im Bereich der immanenten Trinität aufweist, muss Schaeder deshalb als unsicher, konstruiert und dem Glaubensleben fern zurückweisen.¹⁰⁷² Nach Schaeder ist es vielmehr der Offenbarungsglaube, welcher im Glaubenden einen Erkenntnistrieb anregt, die Tiefen oder den Reichtum der Offenbarung Gottes aufzudecken.¹⁰⁷³ Auch wenn Gott dabei letztlich Geheimnis, alles menschliche Denken und Erkennen aber Stückwerk bleiben muss, so kann die Gemeinde als Gemeinschaft der Glaubenden niemals diese Erkenntnisarbeit des Glaubens entbehren: „Die Maximaltheologie, freilich nur als Offenbarungstheologie, ist für die Kirche ein unentbehrliches Gut,

         

Ebd. AaO., . AaO., . AaO., . AaO.,  Ebd. AaO., . AaO., . Ebd. Auch zum Folgenden: AaO.,  f.

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

gerade auch in der Trinitätsfrage. Je tiefer sie hier sieht, desto mehr besitzt sie, was sie hat, und desto sicherer dient sie allen ihren Gliedern.“¹⁰⁷⁴ In diesem Sinne wird wohl Schaeder seine eigenen Ausführungen zur Trinitätsfrage verstanden haben.

2.3.2 Die Gottheit Jesu Christi Den Anstoß zur Trinitätsreflexion bildet für Schaeder die Frage nach der Gottheit Jesu Christi bzw. die Frage nach der wesenhaften persönlichen Zugehörigkeit des Menschen Jesus Christus zu Gott.¹⁰⁷⁵ Schaeder kann deshalb formulieren: „[D]ie Trinitätsfrage ist im positiven Sinne erledigt, wenn die Wahrheit der Gottheit Christi im Glauben und für den Glauben festgestellt ist“.¹⁰⁷⁶ Der Anlass, Jesus Christus die Gottheit zuzuerkennen, liegt für Schaeder nun in der geoffenbarten Geschichte Jesu Christi, genauer in einem letzten, diese Geschichte tragenden Prinzip: der Liebe Gottes zur Welt und zum Menschen.¹⁰⁷⁷ Diese „Sünderliebe Gottes, welche die Welt und uns mit Gott versöhnt, sie steht und fällt für uns mit der Gottheit Christi“.¹⁰⁷⁸ Für Schaeder ist deshalb evident: „Der christliche Gott der Liebe ist der trinitarische; sonst ist er nicht da. Und nur, sofern er der trinitarische ist, ist seine Liebe, was sie wirklich ist. Alle, welche den trinitarischen Gott bestreiten, lädieren die Liebe Gottes oder lösen sie auf.“¹⁰⁷⁹ Die Liebe Gottes meint dabei – so Schaeders nähere Explikation – nichts anderes als die volle uneingeschränkte Selbsthingabe bzw. die neuschöpferische Selbstmitteilung des überweltlichen und weltdurchwaltenden Gottes an die geschichtliche Menschheit.¹⁰⁸⁰ Gott als Liebe begreifen heißt also nach Schaeder Gott als Selbstmitteilung denken.¹⁰⁸¹ Ist der „Zweck“ dieser Selbstmitteilung nun die Herstellung der persönlichen Gemeinschaft mit Gott, die Voraussetzung dieser Gemeinschaft aber die Versöhnung mit Gott und die Rechtfertigung durch Gott, dann tritt damit die Person und das Wirken des einstig-geschichtlichen und durch

 AaO., . Das Nachdenken über die Trinitätsfrage hat nach Schaeder auch deshalb etwas „Notwendiges“, weil man den kennen muss, für den man sich im Glauben entscheidet (AaO., ).  AaO., . Vgl. auch: Ebeling, Dogmatik ,  f.  Trinitätsfrage (), . Die trinitarische Erörterung der Geistfrage – etwa die Verhältnisbestimmung des Geistes zum erhöhten Christus – hat demgegenüber sekundäre Bedeutung.  AaO., .  Ebd.  AaO., .  Ebd. sowie oben S.  ff.  Vgl. Jüngel, Geheimnis, . Hier kommunikativ als Widerspruch gegen die These der Unsagbarkeit Gottes verstanden.

2.3 Heiliger Geist, Jesus Christus und Gott – Trinitätstheologische Überlegungen

289

den Heiligen Geist gegenwärtig-wirksamen Jesus Christus ins Blickfeld.¹⁰⁸² Das relationsstiftende, die persönliche Gemeinschaft mit sich herstellende und doch seine Souveränität wahrende Liebeshandeln Gottes wird man demnach trinitarisch verstehen müssen: „Der machtvoll-heilige Gott wirkt als liebender in oder durch Jesus Christus, und Jesus Christus in seiner Gottverbundenheit wirkt durch den Heiligen Geist.“¹⁰⁸³ Es geht also bei der Frage der Gottheit Jesu Christi letztlich um „die Behauptung des Vollgehaltes göttlicher Liebe“ und damit um die tragende Stütze für einen zuversichtlichen Heilsglauben.¹⁰⁸⁴ Auch wenn nach Schaeder das Bekenntnis zur Gottzugehörigkeit Jesu eine „wunderbare innere Logik“ aufweist, so scheut er sich dennoch nicht, auch die Schwierigkeiten zu diskutieren, welche dieses Bekenntnis dem nachdenkenden Geist bereitet.¹⁰⁸⁵ Neben der Demut Jesu gegenüber Gott¹⁰⁸⁶ ist es vor allem der „Gebetsumgang“ Jesu mit Gott, welcher Fragen aufwirft.¹⁰⁸⁷ Dabei fällt das Gewicht dieser letzten Fragestellung nicht nur darauf, dass Jesus zu Gott betet, sondern dass er „in der Form des Gebetes bzw. auf sein Gebet hin das von Gott her empfängt oder hat, worin wir Spuren des Göttlichen an ihm sehen: Wundermacht und Macht Sünden zu vergeben“.¹⁰⁸⁸ Der Versuch, das Beten Jesu im Rahmen der Zweinaturenlehre der menschlichen Natur zuzuweisen, kann dabei nach Schaeder keine Lösung bieten, da an den „persönlichen Akten Jesu“ konsequenterweise beide Naturen teilhaben müssen.¹⁰⁸⁹ Schaeder kann deshalb formulieren: „Man darf vielleicht die zugespitzte These wagen, daß eine Erörterung über die Trinitätsfrage […] heute speziell mit diesem Problem des betenden Jesus, des Trägers betender Religiosität, fertig werden muß.“¹⁰⁹⁰ Durch die nähere Explikation der in den Evangelien¹⁰⁹¹ bezeugten Gottessohnschaft Jesu unternimmt nun Schaeder den Versuch, dieses Problem zu lösen:

 Trinitätsfrage (),  sowie Glaubenslehre, .  Glaubenslehre, .  Trinitätsfrage (), .  AaO., .  Schaeder verweist z. B. darauf, dass Jesus Gott als den allein Guten hinstellt (Mk , f).  AaO.,  (Hervorhebung hinzugefügt).  Ebd.  AaO.,  f. Außerdem treten nach Schaeder beim Gebetsleben Jesu gerade diejenigen Elemente seiner Existenz und seines Wirkens in den Vordergrund, „in denen man, wenn überhaupt, Gottheitliches an ihm zu erkennen hat“ (AaO., ).  Ebd.  Da für Schaeder die Gottessohnschaft Jesu ihren entscheidenden Inhalt von dem her bekommt, was an Jesus hinsichtlich seines Gottesverhältnisses „offenbarungsmäßig und sozusagen handgreiflich zutage tritt“, misst er den Beobachtungen dieses Sachverhaltes anhand der Evan-

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

Gottessohnschaft bedeute, dass Jesus sein Leben – speziell sein Wollen, seine schöpferische Macht, sein Selbstbewusstsein, aber auch seine Sündlosigkeit, seine Liebe und Vollkommenheit – nicht aus menschlicher Natur habe, nicht von unten aus der Welt, sondern von oben, von Gott, aus dem Geiste und durch den Geist.¹⁰⁹² Jesus erweist sich also – wie Schaeder ausführen kann – anhand der Evangelien als Träger des Geistes Gottes und damit letztlich als Teilhaber an bestimmten „Einzelzügen“ göttlichen Lebens.¹⁰⁹³ Die Evangelien lassen dabei keinen Zweifel daran, dass dieser Geist die Gabe Gottes an Jesus ist.¹⁰⁹⁴ Als Beleg dient Schaeder sowohl die Taufgeschichte, welche die Geistbegabung Jesu durch Gott „in einem symbolischen Akte offenbar werden läßt“, als auch die Geburtsgeschichte, „nach welcher die geschichtliche Existenz Jesus überhaupt im Geiste Gottes begründet ist“.¹⁰⁹⁵ Die Gottessohnschaft gibt also Jesus einerseits Anteil am Leben Gottes und macht es ihm möglich, sich „die göttlichen Majestätsrechte des Retters und des Richters, überhaupt die Stellung des königlichen Herrn beizulegen“.¹⁰⁹⁶ Andererseits aber bleibt dieser gottheitliche Lebensbesitz die Gabe oder Wirkung Gottes.¹⁰⁹⁷ Insofern steht – wie Schaeder pointiert formulieren kann – Jesus Gott gegenüber sowohl im Verhältnis der Koordination als auch der Subordination.¹⁰⁹⁸ Mit anderen Worten heißt dies: Als Teilhaber am Leben Gottes steht dieser Mensch Gott gleich, aber als der, welcher diesen Lebensbesitz durch Gott hat, als der Sohn, steht er zugleich unter Gott.¹⁰⁹⁹ Nach Schaeder sind die Evangelien, insbesondere aber das Johannesevangelium, von dieser Doppelseitigkeit des Sachverhaltes auf Schritt und Tritt durchzogen.¹¹⁰⁰ Im Unterschied zu zahlreichen theologischen Entwürfen seiner Zeit¹¹⁰¹ gilt es nach Schaeder deshalb bei der Gottessohnschaft Jesu beides, die Koordination und

gelien einen höheren Stellenwert zu als etwa sprachgeschichtlichen Untersuchungen über das Prädikat der Gottessohnschaft (AaO., ).  AaO.,  f.  AaO., .  Ebd.  Ebd. Die Taufgeschichte als auch die Geburtsgeschichte erschließen also nur, was Gottes Sohn immer schon in sich selber ist.  AaO., .  AaO., .  AaO., .  Ebd.  AaO., .  Die Trinitätslehre in der abendländischen Theologie wurde nach Schaeder weitgehend unter dem Gesichtspunkt der Koordination entworfen. Auch bei zahlreichen Theologen seiner Zeit spiegelt sich dies nach Schaeder wider. Eine Ausnahme hierzu bildet allerdings Adolf Schlatter. Vgl. ebd.

2.3 Heiliger Geist, Jesus Christus und Gott – Trinitätstheologische Überlegungen

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die Subordination, oder besser: die charakteristische Synthese von Gottgleichheit und Gottabhängigkeit, in Rechnung zu stellen.¹¹⁰² Aus diesem Sachverhalt aber ergeben sich – so Schaeder – eine Reihe von bedeutungsvollen Konsequenzen: Ist nämlich der Besitz göttlichen, kreaturüberlegenen Lebens die Gabe und Wirkung seines Vaters, dann wird verständlich, dass Jesus diesen Besitz nie für sich, d. h. für irgendwelche vom Willen seines Vaters losgelösten Zwecke hat, sondern immer für den Dienst und Gehorsam des Vaters.¹¹⁰³ Dieser Gehorsam ist dabei nach Schaeder aber nichts Naturhaftes, Selbstverständliches, sondern Ausdruck freier Selbstentscheidung Jesu.¹¹⁰⁴ Jesus ist also – obwohl mit göttlich-vollkommenem Leben ausgestattet – nur so gut und vollkommen, dass er es immer in freien Entscheidungen wird. Die Gottessohnschaft Jesu impliziert somit zugleich eine ethische Entwicklung seines Lebens. In Anspielung auf Hebr 5,8 kann Schaeder deshalb formulieren: „Wer Gehorsam lernt, der ist eben insofern nicht gut, sondern der wird es, oder der ist so gut, daß er es immer wird.“¹¹⁰⁵ Vom diesem Gedanken her, wonach der irdische Jesus immer auch wird, was er ist, erhält letztlich die Demut Jesu, welche Gott allein als den Guten hinstellt, ihren tiefen Sinn. Nach Schaeder erscheint aber auch die Frage des Betens Jesu dadurch in einem neuen Licht: Denn hat Jesus „das Gottheitliche immer nur so, daß er es durch den Vater bekommt […], dann versteht es sich, daß er den Vater um sein Geben bittet. Bittend zieht er den Strom göttlichen Gebens in sich hinein, um dann […] in wunderbarer Einigung von Majestät und Gottesgehorsam an den Sündern und Elenden den Willen Gottes zu tun.“¹¹⁰⁶ Die Gottheit des irdisch-geschichtlichen Jesus wird man deshalb im Sinne einer – im fortdauernd applizierenden Liebeshandeln Gottes gründenden – permanenten Rezeption des göttlichen Geistes verstehen müssen.¹¹⁰⁷ Eine „Zweinaturenlehre“ bzw. eine Substanzmetaphysik

 Ebd.  AaO.,  f.  Auch zum Folgenden: AaO., . Der Tod Jesu am Kreuz ist dabei die Vollendung seines Gehorsams. Vgl. Theozentrische Theologie  (), .  Trinitätsfrage (), . (Hervorhebung hinzugefügt).  AaO., .  Auch: Theologie und Leben,  und . Bei aller Analogie zur Gotteskindschaft von Menschen ist die Gottessohnschaft Jesu nach Schaeder etwas schlechthin Einzigartiges. Denn bei Jesus ist die Gottessohnschaft „etwas zu seinem Wesen Gehöriges, Wesensmäßiges.“ Bei allen anderen dagegen ist sie „Gnadensache“: Sie sind Söhne oder Kinder Gottes nur durch Jesus Christus bzw. insofern sie als Versöhnte oder Erlöste durch den Sohn Gottes Teil am Geiste Gottes haben. Mit anderen Worten heißt dies: Jesus empfängt alles von seinem Gott. „Aber bei ihm gehört es zu seinem Wesen, es zu empfangen.Verliehen wird ihm nur, was ihm gehört. Er gehört zu Gott, und deshalb wird es ihm zuteil. Das ist seine Gottessohnschaft. Mit ihr ist wirkliche, schlechth-

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unter dem Leitbegriff der „Natur“ erweist sich somit nach Schaeder letztlich als unhaltbar:¹¹⁰⁸ Jesus Christus ist nicht Gott, weil er eine göttliche „Natur“ besitzt, sondern weil der Vater sich durch den Geist auf ihn als Sohn bezieht und weil umgekehrt Jesus Christus sich durch den Geist auf seinen Vater bezieht und ihm gehorsam ist. ¹¹⁰⁹ Die Gottheit des irdisch-geschichtlichen Jesus wird man also im Sinne einer durch den Geist vermittelten filialen Beziehung zwischen Vater und Sohn und nicht im Sinne einer göttlichen „Natur“ zu explizieren haben. Auch wenn nun die Gottheit Jesu Christi im Sinne einer permanenten Rezeption des göttlichen Geistes zu verstehen ist, so verweist Schaeder doch zugleich auch darauf, dass der Vater seinem Sohn in seinen Erdentagen nur begrenzten – mit seinem geschichtlich-menschlichen Dasein und mit seinem „Versöhnerberuf“ verträglichen – Anteil an dem göttlichen Leben und Wirken gibt.¹¹¹⁰ Allgegenwart, Allwissenheit, Allmacht eignet deshalb dem irdisch-geschichtlichen Jesus nicht, wohl aber „das Wissen des Herzenskündigers, das weissagende Wissen des Propheten und die Macht, welche mit der Not der Seelen wie mit der Not der Leiber und überhaupt mit Hemmungen des Naturlaufes fertig wird“.¹¹¹¹ Den vollendeten „Anteil am Göttlichen“ bzw. den ganzen „Besitz des machtvoll-majestätischen Liebesgeistes Gottes“ – wird man dagegen dem geschichtlichen Jesus erst nach vollbrachtem Erdenwirken zuschreiben dürfen.¹¹¹² Diese trinitarischen Aussagen, welche „von unten, von der Offenbarungsgeschichte und ihrer gläubigen Vergewisserung aus“ gewonnen sind und sich auf

innige Gottheit des Menschen Jesus ausgesagt“. Siehe: Christologie der Bekenntnisse,  ff. Vgl. Geistproblem,  f. Dies deckt sich mit dem exegetischen Befund etwa im Johannesevangelium. Vgl. Kammler, Geistparaklet,  f.  Z. B. Christologie der Bekenntnisse, .  Auch zum Folgenden: Schwöbel, Christologie,  f.  Trinitätsfrage (), .  Ebd.  Ebd. sowie Theozentrische Theologie  (), . Die göttliche Antwort auf die innergeschichtliche Gehorsamstat Jesu bringt nach Schaeder eine durchgreifende Veränderung der Seinsweise Jesu Christi mit sich: „Jesus kehrt in der Kraft des Geistes Gottes ins Leben zurück. Er wird auferweckt. Zugleich wird an ihm, dem wieder lebendig gewordenen Menschen, alles abgetan, was menschlich ohnmächtig ist. Er empfängt jetzt den Geist Gottes so, daß er im ganzen Umfange seines Wesens in die Sphäre des göttlichen Geistes hineingehoben wird. Hatte er bis zu seinem Sterben den Geist Gottes in menschlich-gebundener, ohnmächtiger Daseinsform, so hat er ihn von nun an so, daß alles Menschlich-Schwache, Gebundene, Leidensfähige von ihm genommen ist. Er, dieser geschichtliche Mensch Jesus Christus, der in seiner Gottverbundenheit handelnd und leidend zum Versöhner der Welt geworden ist, wird nun für alle Ewigkeit das, was Gott ist. Er wird Geist. Und indem er dies wird, vollendet sich eben an ihm, dem Menschen, die Sohnesstellung zu Gott.“ Siehe: AaO., . Nach Schaeder bildet dies die Erhöhung Jesu (AaO., ).

2.3 Heiliger Geist, Jesus Christus und Gott – Trinitätstheologische Überlegungen

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den in der Geschichte stehenden und wirkenden Jesus beziehen, beschreiben die Gottessohnschaft Jesu aber nicht im umfassenden Sinne.¹¹¹³ Denn das Verhältnis zwischen Jesus und Gott kann unmöglich nur der Geschichte angehören oder erst in der Geschichte Wirklichkeit geworden sein:¹¹¹⁴ „Dies gäbe die Apotheose, wäre strikteste Mythologie, würde auch zu einem Selbstbewußtsein Jesu führen, das an dem schlechthin unvereinbaren Widerspruch des Kreatürlichen und Gottheitlichen zerbräche“.¹¹¹⁵ Nach Schaeder muss deshalb gelten: „[I]st Jesus wirklich in der Form der Sohnschaft, des lebendigen Bedingtseins durch den Vater, gottheitlich, dann drückt das ein ewiges Verhältnis zwischen Gott und ihm aus, also, von dem geschichtlichen Zeitverlaufe aus angesehen, ein präexistentes.“¹¹¹⁶ Mit anderen Worten: Wenn die Beziehung zur geschichtlichen Person Jesus von Nazareth konstitutiv sein soll für die ewige Identität Gottes als des Vaters, dann muss das Korrelat dieser Beziehung selbst ewig und folglich präexistent sein.¹¹¹⁷ Seine Aussagen über die Präexistenz des Sohnes Gottes will Schaeder dabei nicht als Produkt einer selbstherrlichen Spekulation verstanden wissen, sondern vielmehr als die der Glaubenserkenntnis sich unmittelbar aufdrängende Konsequenz aus den gottheitlichen Zügen der Erscheinung Jesu.¹¹¹⁸ Da nun aber unter der Annahme der Präexistenz die geschichtliche Existenz Jesu nur eine Abwandlung seiner ewig-gottheitlichen Existenz sein kann, so muss nach Schaeder das geschichtliche Verhältnis Jesu zu Gott dem ewigen Vater-SohnVerhältnis der innersten Struktur nach analog sein und umgekehrt. Auch als der ewige Sohn Gottes tritt demnach Jesus aus dem Leben des Vaters hervor. Mit anderen Worten heißt dies: Die Relation zwischen Vater und Sohn ist eine ewige Relation des Gebens und Empfangens:¹¹¹⁹ „Jesus gehört immer, in der Ewigkeit und in seinem geschichtlichen Dasein, zu Gott; er ist Gott koordiniert. Aber er gehört, in der Ewigkeit und in der Geschichte, so zu Gott, daß er aus Gott lebt. Daher ist er Gott subordiniert.“¹¹²⁰ Das Miteinander von Koordination und Subordination bleibt deshalb auch für den präexistenten Sohn kennzeichnend.¹¹²¹ Den Begriff „Subordination“ wird man dabei – nicht nur im Blick auf den präexistenten Sohn, sondern grundsätzlich – sehr präzise fassen müssen. Denn

        

Trinitätsfrage (),  f. AaO., . Ebd. Ebd. (Hervorhebung hinzugefügt). Vgl. Pannenberg, Systematische Theologie , . Auch zum Folgenden: Trinitätsfrage (),  f. Theologie und Leben, . Glaubenslehre, ; auch: Theozentrische Theologie  (), . Auch zum Folgenden: Trinitätsfrage (),  f.

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

sollte damit ein wesensmäßiger bzw. ontologischer Unterschied gemeint sein, wie er zwischen Schöpfer und Geschöpf besteht, so wiederspricht dies der Koordination bzw. der Gottgleichheit des Sohnes und ist von daher abzulehnen. Ist dagegen gemeint, dass es zwischen dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist unter der Voraussetzung ihrer wesenhaften Einheit ein unumkehrbares Relationsgefüge gibt, demzufolge z. B. der Sohn dem Vater gehorsam ist (und eben nicht umgekehrt der Vater dem Sohn) oder der Vater und der Sohn den Geist senden (und eben nicht umgekehrt der Geist den Sohn und den Vater), dann, aber auch nur dann ist der Begriff Subordination angemessen.¹¹²² Nach Schaeder hat somit letztlich der Blick auf den geschichtlichen Jesus zum maßgebenden Ansatzpunkt einer immanenten Trinität geführt, welche sich in der offenbarungsgeschichtlichen kundmacht und auswirkt. Dass der Sohn durch den Vater ist – ihm gleich und doch von ihm abhängig – bleibt dabei aber alles, was hinsichtlich der Person Jesu Christi über das immanente trinitarische Verhältnis ausgesagt werden kann. Alles Weitere würde nach Schaeder „wildwachsende, phantasievolle Spekulation“ sein.¹¹²³ Unter Beachtung dieser Begrenzung kann Schaeder deshalb formulieren: Die Gottheit Jesu will „als eine stete, bis in die Ewigkeit zurückreichende Selbsthingabe Gottes, des Vaters, an ihn gedacht werden. Als ein stetes Sein und Werden Jesu aus Gottes Geist und durch Gottes Geist. Als ein stetes Empfangen von Gott.“¹¹²⁴ Konstitutiv für die Gottgleichheit Jesu und dessen – als Werden expliziertes – Sein, erweist sich somit die pneumatisch bestimmte Relation der Liebe,¹¹²⁵ in welcher „der Vater der Gebende, der Sohn der Empfangende und für Gott lebende oder Gott dienende ist“.¹¹²⁶ Mit anderen Worten heißt dies: Die Subordination des Sohnes unter den Vater ist Antwort auf die präveniente Liebe ¹¹²⁷ des

 Kammler, Geistparaklet,  f. Vgl. auch Jüngel, Gottes Sein, . Jüngel verweist darauf, dass Unterordnung – etwa der Gehorsam des Gottessohnes gegenüber dem Vater – für das Sein Gottes keine Inferiorität, kein Mangel und kein Entbehren bedeutet.  Trinitätsfrage, .  Anforderungen, ; auch: Theologie und Leben, .  Theologie und Leben, .  Trinitätsfrage (), .  Da es sich bei der Vater-Sohn-Beziehung um eine ewige Liebesrelation handelt, wird man die Prävenienz der Liebe nicht im Sinne eines zeitlichen Anfangs, sondern nur im Sinne des sachlichen Ursprungs interpretieren dürfen. Der Vater ermöglicht als Liebender die gleichewige Liebe des Geliebten zum Liebenden. Nur insofern – nämlich im Sinne eines Ermöglichungsgeschehens – wird man von einer Prävenienz der Liebe des Vaters reden dürfen. Vgl. auch Härle, Dogmatik,  f.

2.3 Heiliger Geist, Jesus Christus und Gott – Trinitätstheologische Überlegungen

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Vaters zum Sohn. Von daher werden dann auch die Seiten des geschichtlichen Bildes Jesu – seine Demut, sein Gehorsam, sein Gebet mit Gott – verständlich.¹¹²⁸ Damit ist letztlich Gottes Wesen näher bestimmt:¹¹²⁹ „Gott ist […] bei allem, was er sonst ist, Liebe. Liebe ist Selbstmitteilung. Gott teilt sich in seinem Geiste der Macht und der heiligen Liebe dem Sohne mit. In diesem Geiste vollbringt der Sohn Jesus Christus sein rettendes geschichtliches Werk. Nachdem es im Tode und der Auferstehung Jesu vollbracht ist, teilen der Vater und der Sohn sich der sündigen Menschenwelt im Heiligen Geist mit.“¹¹³⁰ Der Geist Gottes als Geist der machtvollen Liebe verbindet demnach Vater und Sohn derart miteinander, dass der Mensch in diese Liebesbeziehung einbezogen wird.¹¹³¹ Der „gottheitliche Christus“ ist damit – so wird man abschließend festhalten dürfen – als „Äußerung der Liebe Gottes“ verstanden; nicht nur als eine bis in die Ewigkeit zurückreichende Äußerung der Liebe des Vaters zum Sohn bzw. der Liebe Gottes zum Menschen Jesus Christus, sondern auch als Äußerung der Liebe Gottes zu allen Menschen und zur Welt.¹¹³² Immanente und ökonomische Trinität, innergöttliche Liebe und Gottes Liebe zum Menschen entsprechen sich damit.

2.3.3 Der Heilige Geist und Jesus Christus Die rettende Liebe Gottes, welche sich – über die Menschwerdung und den Tod Jesu hinaus – in dessen Auferstehung fortsetzt, ist es nach Schaeder dann auch, die den Geist Gottes trinitarisch verständlich macht.¹¹³³ Denn Jesus Christus werde zwar durch seine Auferstehung der Menschheit „zu dauernder, unauflöslicher Versöhnungs- und Lebensgemeinschaft“ wiedergeben, doch gehöre er als der Erhöhte „einer anderen Daseinssphäre als der natürlich-geschichtlichen an“.¹¹³⁴

 Anforderungen, .  Nach Schaeder ist Gott die Vereinigung von Majestät und Liebe. Unter diesem Gesichtspunkt will er auch sein Hauptwerk „Theozentrische Theologie“ verstanden wissen. Dabei ist für Schaeder evident: Von der Liebe Gottes reden, heißt von Jesus Christus und seiner heute wirksamen Gegenwart im Geiste zu reden. Vgl. Theozentrische Theologie  (),  u.  f.  Glaubenslehre, .  Jüngel, Geheimnis, .  Anforderungen, .  Trinitätsfrage (), .  AaO., . Im Blick auf die Auferstehung kann Schaeder formulieren: „Der Gestorbene, der hier erweckt wird, ist eine geschichtliche Größe. Sein Sterben ist ein geschichtliches Ereignis. Daher greift die Gottesmacht, indem sie Jesus neu belebt, in die Geschichte ein und streift sie nicht nur. Sie hebt geschichtliche Wirkungen auf“ (Glaubenslehre,  f.). Auch wenn der Erhöhte „als zu Gott erhobenes Geistwesen“ dann der irdisch-geschichtlichen Daseinsphäre nicht mehr an-

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Auch der Parusiegedanke bzw. die Rückerinnerung an den geschichtlichen Jesus könne – da in die Zukunft bzw. in die Vergangenheit gewandt – das Problem der Gegenwart Jesu Christi bzw. seine lebendige Gemeinschaft mit den in der Geschichte lebenden Menschen nicht lösen.¹¹³⁵ Die offenbarungsgeschichtliche Spannung, in welche hinein der Geist Gottes auftritt, ist deshalb nach Schaeder durch drei Koeffizienten charakterisiert: „Auf der einen Seite die Erhöhung Jesu Christi, sein wirkliches Entnommensein aus der naturhaft-geschichtlichen Gliedschaft der Menschheit, in die er doch zur Herstellung der versöhnenden Gemeinschaft zwischen Gott und ihr gehört. Auf der anderen Seite die Erinnerung an diesen Jesus Christus, an seine innere Art und an entscheidende Tatsachen seines Lebens, eine Erinnerung, welche doch ihn selber und die in ihm verwirklichte Liebe Gottes niemals ersetzen kann. Endlich, von einer dritten Seite her, das absolute Bedürfnis der Sünder nach dieser Liebe und nach ihrer von Schuld und Willensverknechtung befreienden Wirkung.“¹¹³⁶ Falle eines dieser drei Momente, dann verwirre sich die Erkenntnis des Geistes und dann bestünde keine Veranlassung, neben und mit dem Vater und dem Sohn vom Geist zu reden.¹¹³⁷ Auf diesem Hintergrund kann Schaeder den Heiligen Geist als Größe explizieren, welche dem erhöhten Christus zur Gegenwart bei uns verhilft.¹¹³⁸ Der Heilige Geist sichert Jesus, dem Träger des göttlichen Geistes, durch den Tod und die Auferstehung hindurch eine Gegenwart in der Geschichte.¹¹³⁹ Als Geist der Vergegenwärtigung ist der Heilige Geist Christus gegenüber somit auch „der organische Fortsetzer“ des Liebeswerkes und Liebeswirkens Gottes an der Welt und an den Menschen: „Er hilft uns über den durch die Erhöhung Christi bewirkten Mangel an liebender Nähe des lebendigen Gottes hinweg. Und zwar so, daß er uns den geistig-göttlichen Lebensinhalt des Sohnes, in welchem wir jene Nähe haben und an welchem ihre versöhnenden Wirkungen hängen, in unsere strikteste

gehört, so kann Schaeder neben dieser Nichtzugehörigkeit dennoch – allerdings unter eschatologischer Perspektive – zugleich auch von einer Zugehörigkeit zur Geschichte sprechen. Denn es sei damit zu rechnen, dass „der Herr am Ende dieses Weltlaufs seine Zugehörigkeit zur Geschichte […] in der Form einer geschichtlichen, machtvoll-geistigen Selbstvergegenwärtigung zur Geltung bringt. Die andere Seite seiner Wirklichkeit aber, seine Distanz von der Geschichte, wird darin zur Geltung kommen, daß sein geschichtliches Gegenwärtigwerden das Ende der Geschichte bringt.“ Siehe: Theozentrische Theologie  (),  f.  Trinitätsfrage (), .  AaO.,  f.  AaO., .  Ebd.  Geistproblem, . Der Heilige Geist ist deshalb – so Schaeder an anderer Stelle – letztlich nichts anderes als „der Christusträger in unserer Gegenwart, der wirkliche, echte Christophorus“ (Aus Theologie und Leben, ).

2.3 Heiliger Geist, Jesus Christus und Gott – Trinitätstheologische Überlegungen

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Weltgegenwart rückt.“¹¹⁴⁰ Das Verhältnis des Heiligen Geistes zum erhöhten Christus wird man deshalb – auch wenn Schaeder umständlich formuliert und diesen Sachverhalt nicht explizit erwähnt – als ein Sendungs- oder Repräsentationsverhältnis bestimmen dürfen.¹¹⁴¹ Der Heilige Geist repräsentiert als Gesandter den abwesend Sendenden. Als Abwesender ist Jesus Christus durch den Heiligen Geist anwesend.¹¹⁴² In diesem Sinne wird man auch zu verstehen haben, wenn Schaeder formuliert: „Der Geist ist so in unserem inwendigen Menschen gegenwärtig und wirksam, daß Jesus Christus in ihm gegenwärtig und wirksam ist.“¹¹⁴³ Der Erhöhte wird also nicht mit dem Geist gleichgesetzt, sondern das Wirken des Geistes christologisch interpretiert. Die Bindung des Glaubens an den Christus der Geschichte erweist sich somit keineswegs als überflüssig, sondern bleibt vielmehr Grundlage der Wirksamkeit des Heiligen Geistes im Menschen.¹¹⁴⁴ Denn Gottes Liebe bzw. vollkommene Selbsthingabe ist lediglich im menschgewordenen Sohn und in der Form geschichtlicher Taten da.¹¹⁴⁵ Anders gesagt: Ohne den geschichtlichen Jesus Christus und ohne das Wort von ihm wäre der Heilige Geist und sein die Liebe Gottes vergegenwärtigendes Wirken nichts anderes als „eine Sache der Phantasie“ bzw. „ein reiner, wesenloser Schatten“.¹¹⁴⁶ Neben dieses Problem tritt nach Schaeder das der wesensmäßigen Identität zwischen Jesus Christus und dem Heiligen Geist: „Wenn Christus und der Geist so zusammengehören, ist dann der Geist überhaupt eine andere Wesenheit neben Christus? Ist er vielleicht nur ein Ausdruck für die Zeit und Raum überwindende Nähe Christi selber bei uns?“¹¹⁴⁷ Auch hier erweist sich die Bestimmung der Relation zwischen Jesus Christus und dem Heiligen Geist als Sendungs- und Repräsentationsverhältnis als hilfreich. Denn denkt man – so Schaeders nähere Explikation – neutestamentlich-realistisch, dann ist Jesus Christus der Menschheit jetzt genommen.¹¹⁴⁸ Alles andere käme einem unbefugten Spiritualisieren gleich, „welches den vollen echten Menschheitscharakter Jesu und seine wahrhaftige Erhöhung oder Entfernung aus der Geschichte verkennt“.¹¹⁴⁹ Die Brücke  Trinitätsfrage (), . Diese Vergegenwärtigung geschieht durch das Wort als „Instrument“ des Heiligen Geistes. Vgl. oben S.  f.  Dalferth, Kombinatorische Theologie, .  Jüngel, Geheimnis,  f.  Geistproblem, .  Trinitätsfrage (), .  AaO.,  f.  AaO., .  AaO., .  Ebd.  Ebd.

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zwischen uns und „diesem unbedingt zu uns gehörigen, aber von uns entfernten Mittler Gottes“ schlägt nun der Heilige Geist.¹¹⁵⁰ Denn als Gesandter und Repräsentant ist er des „geschichtlich-konkreten Lebensgehaltes“ Jesu Christi, seiner heiligen, machtvollen Liebe, mächtig und bleibt doch zugleich ein anderer als er.¹¹⁵¹ Insofern aber kann dem Heiligen Geist sowohl „eigener Anteil am göttlichen Wesen“ als auch – bei aller damit verbundenen Schwierigkeit¹¹⁵² – „persönliche Qualität“ bzw. „Persönlichkeit“ zugesprochen werden.¹¹⁵³

2.3.4 Der trinitarische Gott Überblickt man Schaeders Äußerungen zur Gottheit Jesu Christi und zur Verhältnisbestimmung von Heiligem Geist und Jesus Christus, so fallen die Schwerfälligkeit und die eingeschränkte Systematisierung auf, mit der Schaeder dieses Problemfeld behandelt. Auch die quantitativ eher verhaltenen Äußerungen Schaeders lassen den Schluss zu, dass insbesondere die Frage der immanenten Trinität – wohl auch bedingt durch seine erkenntnistheoretische Position – weniger sein Interesse geweckt haben dürfte. Dennoch wird man – um ein klareres Bild zu bekommen – Schaeders Ausführungen zur Trinitätsproblematik noch vertiefen und interpretieren dürfen. Zunächst soll deshalb erneut das Verhältnis des Heiligen Geistes zum Vater und zum Sohn, danach die Frage der Personalität des Heiligen Geistes sowie das dynamische Geistverständnis in den Blick kommen.

2.3.4.1 Das Verhältnis des Geistes zum Sohn und zum Vater Wie soeben gezeigt erweist sich nach Schaeder der irdisch-geschichtliche Jesus als Träger des Geistes Gottes. Seine Gottheit wird man deshalb im Sinne einer permanenten – im fortdauernd applizierenden Liebeshandeln Gottes gründenden – Rezeption des göttlichen Geistes verstehen müssen. Das heißt: Der Heilige Geist macht Jesus zum Sohn Gottes und hat somit konstitutive Bedeutung für die Gottheitlichkeit Jesu.¹¹⁵⁴ Das Verhältnis des Geistes zum irdisch-geschichtlichen Jesus lässt sich deshalb als ein Konstitutionsverhältnis explizieren. Denn der irdische Jesus verdankt seine geschichtliche Existenz von der Geburt bis zur Auf-

    

AaO., . Ebd. Siehe unten S.  ff. Trinitätsfrage (), . Theozentrische Theologie  (), .

2.3 Heiliger Geist, Jesus Christus und Gott – Trinitätstheologische Überlegungen

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erstehung dem Wirken des Heiligen Geistes:¹¹⁵⁵ Als geistbestimmter und geistgetriebener Sohn Gottes trägt Jesus den Geist Gottes, der auch sein Geist ist, in sich. Aus diesem Geist heraus redet, handelt, leidet, stirbt, aufersteht er.¹¹⁵⁶ Das Wirken des Heiligen Geistes umfasst somit nicht nur die Menschwerdung und Wirksamkeit Jesu, sondern auch dessen Hingabe und Auferstehung: Der Geist Gottes führt Jesus Christus zum Kreuz und kraft des Geistes gibt sich Jesus dem Tode am Kreuz hin.¹¹⁵⁷ Der Geist Gottes bleibt auch bei ihm in der Stunde der Einsamkeit und erweist sich somit als Anwesenheit Gottes in der Abwesenheit des Vaters.¹¹⁵⁸ Da die Auferweckung ebenso das Werk des Heiligen Geistes ist,¹¹⁵⁹ wird man ihn nicht nur als Geist der Hingabe, sondern auch als Geist der Auferweckung Jesu Christi näher explizieren dürfen. Letztlich erweist sich damit der Heilige Geist auch als derjenige, welcher in der Diskontinuität des Todes die fortdauernde Kontinuität der Identität Jesu wahrt.¹¹⁶⁰ Zugleich ist der Heilige Geist nach Schaeder aber auch derjenige, welcher Christus in unsere Weltgegenwart rückt: Er ist „der Christusträger in unsere Gegenwart, der wirkliche, echte Christophorus“.¹¹⁶¹ Als der „organische Fortsetzer“¹¹⁶² des Liebeswerkes und Liebeswirkens Gottes tritt der Heilige Geist in seiner freien Selbstlosigkeit¹¹⁶³ dabei soweit zurück und repräsentiert den erhöhten Christus in einem solch hohen Maße, dass Schaeder geradezu von der Nähe Jesu Christi oder sogar vom „πνεῦμα -Christus“¹¹⁶⁴ und damit von der pneumatischen Präsenz Christi sprechen kann. Der Heilige Geist tritt uns als der Geist Jesu Christi entgegen.¹¹⁶⁵ Mit anderen Worten heißt dies: Im Kommen des Heiligen Geistes ereignet sich das Kommen des erhöhten Christus, ja das Kommen von Vater und Sohn. Nachösterliche Gegenwart Christi kann es deshalb nur – abgesehen von  Geistproblem,  f.  Auch zum Vorherigen: AaO., .  Schaeder verweist auf Hebr , (AaO., ). Vgl. auch Dabney, Kenosis, .  ff.  Nach Schaeder trägt Jesus den Geist Gottes in sich und lebt, stirbt und aufersteht aus diesem Geiste heraus. Auch die Aussage, wonach der Heilige Geist durch Tod und Auferstehung hindurch Jesus eine Gegenwart in der Geschichte sichert, dürfte ein Hinweis darauf sein, dass der Heilige Geist Jesus nicht verlässt (Geistproblem, ).  Theozentrische Theologie  (),  und z. B. Schweizer, Heiliger Geist,  f.  Dabney, Kenosis,  ff. Auch beim Tod des glaubenden Menschen ist es dann der Heilige Geist, welcher die fortdauernde Kontinuität der menschlichen Identität durch die Diskontinuität des Todes bewahrt (Ders., aaO.,  bzw. Henning, Lehre vom Heiligen Geist,  f. ).Vgl. auch Jüngel, Geist der Hoffnung, .  Theologie und Leben, .  Trinitätsfrage (), .  Vgl. Jüngel, Thesen, .  Theozentrische Theologie  (), .  Vergessene Lehren, .

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seinem eschatologischen Kommen – als reale Präsenz im Heiligen Geist geben.¹¹⁶⁶ In diesem Sinne ist es auch zu interpretieren,wenn Schaeder formuliert: „Der Geist ist so in unserem inwendigen Menschen gegenwärtig und wirksam, daß Jesus Christus in ihm gegenwärtig und wirksam ist.“¹¹⁶⁷ Das Verhältnis zwischen dem erhöhten Christus und dem Heiligen Geist wird man deshalb als Repräsentationsverhältnis und näherhin als Sendungsverhältnis bestimmen dürfen. Denn v. a. das Johannesevangelium, welchem auch nach Schaeder in der Trinitätsfrage eine wichtige Rolle zukommt, zeugt von der Sendung des Geistes durch den erhöhten Christus, und zwar so, dass dabei der Heilige Geist als Gesandter des „geschichtlich-konkreten Lebensgehaltes“ Jesu Christi mächtig ist, aber doch zugleich ein anderer bleibt als er.¹¹⁶⁸ Das Sendungsverhältnis expliziert somit letztlich das Repräsentationsverhältnis. Oder mit anderen Worten: Der Heilige Geist repräsentiert den erhöhten Jesus Christus, indem er als dessen Gesandter die Botschaft des Sendenden – in diesem Fall den Lebensgehalt Jesu Christi¹¹⁶⁹ – in solch hohem Maße vergegenwärtigt, dass dies – bedingt durch die freie¹¹⁷⁰ Selbstlosigkeit des Gesandten – die Differenz zwischen Gesandtem und Sendendem aufzuheben scheint: Der Gesandte ist wie der Sendende und doch sind beide voneinander unterschieden.¹¹⁷¹ In diesem Sinne wird man verstehen dürfen, wenn  Kammler, Geistparaklet,  ff.  Geistproblem, .  Trinitätsfrage (), ; auch: Geistproblem,  f.  Der gottheitliche Lebensgehalt Christi ist nach Schaeder zugleich der des Vaters (Trinitätsfrage, ).  Der Heilige Geist bleibt dabei Subjekt des eigenen Handelns und verliert nicht seine Eigenständigkeit.  Die Sendungsvorstellung im Johannesevangelium wurde im Blick auf die Christologie in der Forschung bereits ausführlich diskutiert. Vgl. z. B. Bühner, der Gesandte; Miranda, Der Vater, der mich gesandt hat; Ders., Die Sendung Jesu; Schnackenburg, Der Vater, der mich gesandt,  ff. Die unterschiedliche Traditionslinien beinhaltende Gesandten-Vorstellung wird im Johannes-Evangelium mit der Vater-Sohn-Relation gekoppelt und findet in der Aussage: „Der Vater, der mich gesandt hat“ seine Endgestalt. Nach Schnackenburg bedeutet dies „einerseits die Unterstellung des Sohnes unter die Autorität und Wirksamkeit des Vaters und auf der anderen Seite die wesenhafte Gleichheit und Einheit des Sohnes mit dem Vater“ (Ders., aaO., ). Nichts anderes dürfte gemeint sein, wenn Schaeder von Subordination und Koordination spricht. Auch pneumatologisch dürfte die Sendungsvorstellung, wonach der Geist vom Vater und vom Sohn gesandt wird (Joh ,; ,; ,), sowohl die Subordination bzw. die Unterstellung des Geistes unter die Autorität des Vaters und des Sohnes als auch – unter Heranziehung weiterer Traditionslinien, etwa Joh ,, – die Koordination bzw. die wesenhafte Gleichheit und Einheit des Geistes mit dem Vater und dem Sohn (z. B. Joh ,: Jesus bezeichnet sich indirekt selbst als Paraklet) zum Ausdruck bringen. Aktions- und Wesenseinheit sind deshalb letztlich keine Alternativen, sondern aufs engste miteinander verbunden. Von einer Unselbständigkeit des Gesandten gegenüber dem Sendenden wird man deshalb im Blick auf den Parakleten nicht reden dürfen, auch wenn dieser

2.3 Heiliger Geist, Jesus Christus und Gott – Trinitätstheologische Überlegungen

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Schaeder formuliert. „Es ist ein Ineinander zwischen Christus und dem Geist, das zur Identifikation beider führen kann. Es ist ein Unterschied zwischen beiden, so daß man […] den erhöhten Menschen Jesus Christus und den Geist nebeneinander stellt“.¹¹⁷² Überblickt man diese Äußerungen Schaeders, dann lässt sich festhalten: Zwischen dem Heiligen Geist und Jesus Christus besteht eine reziproke Beziehung, wonach der Geist einerseits Jesus Christus bestimmt, andererseits von Jesus Christus bestimmt wird.¹¹⁷³ Oder anders formuliert: Die Relation zwischen dem Heiligen Geist und Jesus Christus lässt sich als wechselseitiges Verhältnis bestimmen, in dem einerseits Jesus Christus dem Heiligen Geist¹¹⁷⁴ und andererseits der Heilige Geist Jesus Christus¹¹⁷⁵ subordiniert wird.¹¹⁷⁶ Beide Auffassungen widersprechen sich dabei nicht, sondern sind im Sinne einer Komplementarität zu verstehen. Denn unter ökonomisch-trinitarischer Betrachtungsweise kann der erhöhte Christus den Geist nur aussenden, weil er selbst zuerst – sowohl als irdischer als auch auferstandener¹¹⁷⁷ Jesus Christus – Empfänger und Träger des Geistes Gottes ist.¹¹⁷⁸ Mit dieser Auffassung bewegt sich Schaeder auf einem schmalen Grad am Abgrund des Arianismus und Adoptianismus. Er versucht aber zugleich, durch die Differenzierung zwischen immanent- und ökonomisch-trinitarischen Aussagen dieser Gefahr zu entgehen. Denn nach Schaeder ist evident, dass die – „von unten, von der Offenbarungsgeschichte und ihrer gläubigen Vergewisserung aus“¹¹⁷⁹

aufgrund seiner Selbstlosigkeit gleichsam „eine Person ohne eigenes Gesicht“ bleibt (Dietzfelbinger, Abschied,  f).  Geistproblem, .  Vgl. Berkhof, Theologie,  ff. sowie Dabney, Kenosis, .  Dies lässt sich v. a. in den synoptischen Evangelien erkennen. Nach deren Zeugnis wurde Jesus vom Heiligen Geist empfangen (Mt ,; Lk ,), getauft (Mk , f par) und geführt (Mk , par; Lk ,; Lk ,). In der Kraft des Heiligen Geistes wirkte er auch (Mt ,).Vgl. Berkhof, Theologie,  ff.  Johannes und Paulus haben Jesus Christus weniger als Träger denn als Entsender des Geistes im Blick. So z. B. in Joh ,; ,; ,. Vgl. Berkhof, aaO.,  ff.  Z. B. Trinitätsfrage (),  f.  Dass der Sohn Teil an Gottes Leben hat, ist nach Schaeder nicht etwas, was irgendwann in seiner Geschichte erst geworden ist, denn dies würde zur Vergottung des Kreatürlichen führen. Nach Schaeder ist vielmehr das „Lebensverhältnis Jesu mit Gott, dieser tiefste Sohneszusammenhang des Gebens und Empfangens […] ein ewiger.“ Siehe: Theologie und Leben, . Insofern wird man nicht nur im Blick auf den präexistenten, sondern auch im Blick auf den auferstandenen und dann erhöhten Sohn Gottes von einer Relation des Gebens und Empfangens zwischen Vater und Sohn reden dürfen.  Berkhof, Theologie, .  Trinitätsfrage (),  f.

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gewonnenen – ökonomisch-trinitarischen Aussagen die Trinität Gottes nicht im umfassenden Sinne beschreiben können. Präexistenz und ewige Gottheit Jesu müssen vielmehr als die sich unmittelbar aufdrängenden Konsequenzen aus den gottheitlichen Zügen Jesu ergänzt werden.¹¹⁸⁰ Das oben im Rahmen von Schaeders ökonomisch-trinitarischen Aussagen erwähnte Konstitutionsverhältnis wäre deshalb falsch verstanden, wollte man es im Sinne eines in der Geschichte erst gewordenen Verhältnisses verstehen.¹¹⁸¹ Man wird deshalb bei Schaeder – auch wenn sich dies letztlich der menschlichen Erkenntnis entzieht – von einem ewigen und wesensmäßigen Konstitutionsverhältnis reden müssen. Dem Sohn, der in ewiger personaler Gemeinschaft mit seinem Vater lebt, kommt der Geist Gottes wesenhaft und damit ursprunghaft zu, den Glaubenden aber – welche der Sohn durch seine Heilstat allererst zu Kindern macht – gnadenhaft. ¹¹⁸² Damit ist sowohl ein ontologischer als auch ein soteriologischer Unterschied zwischen Jesus Christus und den Menschen markiert.¹¹⁸³ Neben dieser immanent-trinitarischen Annahme einer Präexistenz Jesu bleibt – so Schaeders Analogieschluss – auch für den präexistenten Sohn das Miteinander von Koordination und Subordination bzw. von Gottgleichheit und Gottabhängigkeit kennzeichnend.¹¹⁸⁴ Damit ist nach Schaeder aber zugleich die Grenze dessen erreicht, was über das immanente trinitarische Vater-SohnVerhältnis ausgesagt werden kann. Im Blick auf die innertrinitarische Verhältnisbestimmung des Geistes zum Vater und zum Sohn verhält es sich dabei nicht anders. Denn die sehr spärlichen Äußerungen lassen lediglich den Schluss zu, dass es nach Schaeder der von Vater und Sohn (filioque) „ausgehende“ Geist¹¹⁸⁵ ist, welcher das Band der Liebe zwischen Vater und Sohn knüpft und somit die Einheit des göttlichen Seins – bei gleichzeitiger Wahrung der Unterschiedenheit – konstituiert¹¹⁸⁶: „Ewigerweise

 Vgl. oben S.  ff.  Theologie und Leben,  f.  Christologie der Bekenntnisse,  ff; Theologie und Leben, . Vgl. auch Kammler, Geistparaklet,  f sowie . Auch wenn dabei der Geist dem Sohne ursprunghaft zukommt, so wird man dennoch daran festhalten dürfen, dass die ewige Zeugung des Sohnes allein vom Vater her geschieht.  AaO., .  Vgl. oben S.  f.  Glaubenslehre, : Schaeder kann zwar das Eigentümliche der innergöttlichen Relationen entsprechend der „nachreformatorisch-protestantische[n] Lehre von der Dreieinigkeit“ dadurch zum Ausdruck bringen, dass der Vater ewig den Sohn „wirkt“ und der Vater und der Sohn den Heiligen Geist ewigerweise „ausgehen“ lassen. Eine wesentlich neue Erkenntnis ist damit aber nach Schaeder noch nicht vorgetragen (ebd.).  Jüngel, Geheimnis, .

2.3 Heiliger Geist, Jesus Christus und Gott – Trinitätstheologische Überlegungen

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gibt Gott dem Sohne Anteil an seinem Geiste. Und ewigerweise ist der Geist der Geist des Sohnes, der diesen mit Gott verbindet und zum machtvoll-heiligen Liebeswirken befähigt.“¹¹⁸⁷ Unter immanent-trinitarischer Perspektive wird man von daher den Heiligen Geist wie seit alters als das vinculum caritatis, als das „Band der Liebe“, zu verstehen haben.¹¹⁸⁸ Bei genauer Betrachtung lässt sich dabei auch hier ein reziprokes Verhältnis ausmachen. Denn einerseits konstituiert bzw. bestimmt der Heilige Geist die Einheit von Vater und Sohn, andererseits aber wird er selbst zugleich durch die Einheit von Vater und Sohn konstituiert bzw. bestimmt. Im zuletzt genannten Sinne kann Schaeder deshalb den Heiligen Geist bei aller Koordination bzw. „Teilhaberschaft am Leben Gottes“ doch „dem Vater und dem Sohne subordinieren“.¹¹⁸⁹ Mit anderen Worten heißt dies: Der Heilige Geist lässt sich immanent-trinitarisch als eine die Einheit von Vater und Sohn konstituierende und doch zugleich auch als eine von der Vater-Sohn-Einheit konstituierte Wirklichkeit näher explizieren. Zusammenfassend wird man somit festhalten dürfen: Schaeder sieht die Gefahr, dass die Trinitätslehre durch die traditionelle Unterscheidung zwischen immanenter und ökonomischer Trinität in eine gefährliche Abstraktion von der Geschichte gerät.¹¹⁹⁰ Dies liegt insbesondere darin begründet, dass die immanente Trinitätslehre Gott selbst unter Absehung seines Verhältnisses zum Menschen begreift und damit der Gefahr der Spekulation unterliegt. Da es aber nach Schaeder legitime Gotteserkenntnis nur dort geben kann,wo sich Gott offenbarend zu uns in persönliche Beziehung setzt,¹¹⁹¹ gilt sein eigentliches Interesse der ökonomischen Trinitätslehre. Immanent-trinitarische Aussagen dagegen können nur indirekt – gleichsam in vorsichtigem Rückschluss – über die ökonomischtrinitarischen Offenbarungsaussagen und damit im Rahmen der auf Weltversöhnung und Welterneuerung abzielenden Liebe Gottes¹¹⁹² gewonnen werden.¹¹⁹³ Auch wenn Schaeder somit unter immanent-trinitarischer Perspektive an der ewigen Gottgleichheit und Gottabhängigkeit Jesu festhalten und neben der Ko-

 Glaubenslehre, .  Jüngel, Geheimnis, .  Trinitätsfrage,  f.  Vgl. auch zum Folgenden: Jüngel, aaO., .  Trinitätsfrage, .  AaO., .  Gegenüber Schlatters Versuch, „für immanente trinitarische Beziehungen einzutreten, deren Erkenntnis sich aus natürlich-spekulativer Reflexion über die uns gewiß gewordene Tatsache des Einen Gottes ergeben soll“, kann Schaeder deshalb z. B. betonen: „Gesichertes Erkenntnisgut […] sind und bleiben die trinitarischen Überzeugungen doch eben nur dann, wenn der Offenbarungsglaube sie aus dem Offenbarungsbestande abliest, an dem er selber in lebendiger Gebundenheit hängt.“ Siehe: Ders., aaO.,  f (Hervorhebung hinzugefügt).

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

ordination und Subordination des Heiligen Geistes dessen einheitsstiftende Funktion vertreten kann, so ist er sich doch dessen bewusst, dass die immanente Trinitätslehre sehr unscharf bleiben muss und letztlich die Grenze der Erkenntnis markiert.¹¹⁹⁴ Im Blick auf die Verhältnisbestimmung von ökonomischer und immanenter Trinität bedeutet dies: Ökonomische Trinität und immanente Trinität stehen in Entsprechung zueinander. Die ökonomische Trinität bleibt dabei die allein dem Menschen durch den Heiligen Geist erkennbare Selbstmanifestation der immanenten Trinität. In den Grenzen geistgewirkter menschlicher Erkenntnis wird man deshalb im Sinne Schaeders pointiert formulieren dürfen: Die ökonomische ist die immanente Trinität.

2.3.4.2 Der Heilige Geistes als „Persönlichkeit“ Auch wenn Gott sich als Liebe bzw. Liebeswille offenbart und insofern als „Persönlichkeit“ beurteilt werden kann, so muss doch die Begründung für diese Begriffsverwendung nach Schaeder tiefer ansetzen: Sie muss fundamental an das anknüpfen, was die „Liebe Gottes erst zur Liebe Gottes macht, nämlich an das unbedingte Macht-, an das absolute Majestätsmoment, mit welchem diese Liebe verbunden ist“.¹¹⁹⁵ Gerade diese an der Weltbezogenheit Gottes zutage tretende Absolutheit bzw. Weltmächtigkeit Gottes ist es dann, die „uns zwingend auf die Erkenntnis seiner Persönlichkeit führt“.¹¹⁹⁶ Denn für Schaeder ist evident: „Absoluter Herr über andere ist nur, wer seiner selbst absolut Herr ist.“¹¹⁹⁷ Unter „Persönlichkeit“ in Bezug auf Gott will Schaeder deshalb die schlechthinnige „Selbstmächtigkeit Gottes“ bzw. das absolute „Ineinander […] von […] Selbstbewusstsein […] und Selbstbestimmung“ verstanden wissen.¹¹⁹⁸ Da „Persönlichkeit“

 Dass Schaeder die Subordination nicht nur für die ökonomische Trinität, sondern auch für das ewige trinitarische Leben Gottes behauptet, hat schon zu seinen Lebzeiten Kritik hervorgerufen. Vgl. Grützmacher, Rezension ThLBl  (),  sowie: Ohne Vf., Rezension AELKZ  (), .  Theozentrische Theologie  (), .  AaO., .  Ebd.  AaO.,  f (Hervorhebung hinzugefügt). An dieser Stelle ist Gott v. a. in seiner Einheit bzw. in seinem „Wesen“ im Blick: „Gott ist Geist, und als seiner wie der Welt schlechthin machtvoller Geist ist er der persönliche“. Da diese Wesenbestimmung auch die trinitarische Differenzierung Gottes umfasst und Schaeder auch keine weitere Begriffsbestimmung vornimmt, wird man im Blick auf den Heiligen Geist „Persönlichkeit“ ebenfalls im Sinne der absoluten Selbstmächtigkeit des Geistes verstehen dürfen.

2.3 Heiliger Geist, Jesus Christus und Gott – Trinitätstheologische Überlegungen

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also letztlich nichts anderes meint als selbstbewusstes und selbstbestimmtes Personsein, erklärt dies auch, weshalb Schaeder auf die Verwendung des allgemeineren Begriffs „Person“ in seinen trinitätstheologischen Reflexionen weitgehend verzichtet.¹¹⁹⁹ Nur als „Persönlichkeit“ und damit in jenem absoluten Ineinander von Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung¹²⁰⁰ erweist sich dann auch der Heilige Geist als die Größe, „die des persönlichen Lebensgehaltes Jesu Christi, seiner heiligen, machtvollen Liebe, mächtig ist und so das Mittlertum Christi“ fortzusetzen vermag.¹²⁰¹ Anders formuliert heißt dies zugleich: Vergegenwärtigt der Heilige Geist „das persönliche, gottheitliche Liebesleben Jesu Christi mit seiner erlösenden Wirkung bei uns“, dann muss er „selber persönlich sein wie dies Leben“,¹²⁰² vergegenwärtigt er die „persönliche Liebe Christi und Gottes“, dann muss ihm „persönliche Qualität“ eignen.¹²⁰³ Als Geist der Liebe lässt sich der Heilige Geist also nur persönlich denken. Nach Schaeder deckt sich dies mit Beobachtungen aus der Schrift, wonach der Geist z. B. als Fortsetzer des Liebeswerkes und Liebeswirkens Gottes erscheint oder als Geber der in der Glaubensgemeinde auftretenden Gnadengaben.¹²⁰⁴

Der Begriff „Persönlichkeit“ bleibt dabei letztlich ein Anthropomorphismus. Er erhält aber doch durch die erwähnte Glaubenserkenntnis von der Absolutheit und Majestät Gottes sein sachliches Recht und seine gedankliche Notwendigkeit. Nach Schaeder gilt deshalb: Die „absolute, weltmächtige Herrenstellung Gottes“ aber auch „der Gebetsumgang des endlichen Ich mit dem absoluten Du“ sind „nicht ohne das zu halten, was wir unter dem Titel der Persönlichkeit Gottes begreifen“ (AaO., 183).  Nach Schaeder ist eine Person auf Persönlichkeit hin angelegt und entwicklungsfähig. So kann er z. B. davon reden, dass der Logos durch Gottes Allmachtstat „ein ohnmächtiges auf Persönlichkeit angelegtes, entwicklungsfähiges Kind“ wurde. Indem Gott nun „liebend oder fürsorglich über die Entwicklung dieses Menschenkindes waltet“ und „die Entwicklung seiner Persönlichkeit […] gestaltet“, wird es „eine gottmenschliche Persönlichkeit“ (Christologie der Bekenntnisse,  f).  So kann Schaeder z. B. das „Persönliche“ des Menschen „nicht als etwas dem Geiste Gottes Entgegengesetztes, sondern als etwas bei aller seiner Bedingtheit und Endlichkeit doch jenem wesenhaft Verwandtes“ beschreiben, „eben als persönlicher Geist, als Ineinander von Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung, als geistiger Machtbesitz, der nur kein absoluter ist“. Siehe: Geistproblem  (Hervorhebung hinzugefügt).  Trinitätsfrage, .  Theologie und Leben, .  Trinitätsfrage, .  Glaubenslehre, . Unter Gnadengaben versteht Schaeder dabei – z. B. unter Hinweis auf I Kor ,– – „Charismen, welche sich auf die intellektuelle Kraft beziehen“ (Weisheit und Erkenntnis), „Charismen, welche auf besonderer Glaubensenergie beruhen“ (Heilungen, Wunder, Prophetie) und endlich Charismen, welche sich auf „das Zungenreden und das Auslegen derselben“ beziehen. Diese von Paulus bezeichneten Charismen müssen dabei nicht stets auftreten.

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Zugleich ist sich Schaeder aber auch der Schwierigkeiten bewusst, welche die Anwendung des Begriffs „Persönlichkeit“ mit sich bringt: „Gott ist Geist. Und an diesem Geiste hat Jesus ewig und geschichtlich Anteil. Da ist der Geist der des Vaters und des Sohnes. Und da ist es schwer, ihn persönlich zu denken“.¹²⁰⁵ Schaeder kann deshalb auch die Erwägung, ob der Geist persönlich ist, als etwas – gegenüber der Christusfrage – Sekundäres für den Glauben bezeichnen.¹²⁰⁶ Auch wenn Schaeder auf weitere Ausführungen verzichtet und es für das Angemessenste hält, beide Auffassungen trotz der bezeichneten Schwierigkeiten nebeneinanderstehen zu lassen,¹²⁰⁷ so wird man dennoch festhalten dürfen: Raum für das personale Gegenüber von Vater, Sohn und Geist bleibt im trinitarischen Denken v. a. unter heilsökonomischer Perspektive. Unter immanent-trinitarischem Blickwinkel dagegen tritt das personale Moment im innergöttlichen Gegenüber zurück. Insbesondere das Personsein des Heiligen Geist lässt sich dabei nur noch schwer ausdrücken und markiert letztlich die Grenze des Aussagbaren. Das liegt v. a. darin begründet, dass immanent-trinitarisch der Vater als der Liebende, der Sohn als der Geliebte (und wieder Liebende), der Geist aber als die beiden gemeinsame Liebe verstanden wird. Der Heilige Geist kommt unter diesem Blickwinkel also weniger als personales Gegenüber zum Vater und zum Sohn zur Sprache, sondern vielmehr als die Gemeinsamkeit in ihrem Gegenüber. Dies entspricht zwar der Eigentümlichkeit seines heilsgeschichtlichen Wirkens in freier und selbstloser Zuordnung zum Vater und zum Sohn.¹²⁰⁸ Letztlich bleibt es aber „ein völliges Geheimnis“, wie einerseits das „Einssein von Gott und Christus“ durch den eher unpersönlich gefassten Geist und andererseits „das persönliche Unterschiedensein von Gott, Christus und Geist“ miteinander verbunden sein können.¹²⁰⁹ Überblickt man abschließend Schaeders Äußerungen zum Personsein des Heiligen Geistes, so wird man also formulieren dürfen: Der Heilige Geist erweist

Denn „was jeweils die Gemeinde neben den immer vorhandenen Elementarbestandteilen ihres Lebens: Glaube, Hoffnung, Liebe erbaut, das ist eine Sache beträchtlichen Wechsels.“ Siehe: Geistproblem,  u. .  Glaubenslehre, .  Vergessene Lehren, .  Glaubenslehre,  f. Diese Undeutlichkeit und Ungeklärtheit des „Geistproblems“ führt – anders als bei der Christologie – nicht zu einem nachhaltigen Schaden: „Das Christusproblem darf und kann nicht ungeklärt bleiben; beim Geistproblem ist das etwas anderes. Natürlich ist das ein Mangel an Vollendung der Glaubenserkenntnis, wenn hier der letzte, bestimmende Gedanke nicht erreicht wird. Aber mehr als ein letzter, bestimmender Gedanke ist das auch nicht“ (Vergessene Lehren, ).  Schlink, Dogmatik,  f.  Geistproblem,  (Hervorhebung hinzugefügt).

2.3 Heiliger Geist, Jesus Christus und Gott – Trinitätstheologische Überlegungen

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sich als Person bzw. „Persönlichkeit“ in Beziehung zu uns. ¹²¹⁰ Ob der Begriff „Person“ bzw. „Persönlichkeit“ dagegen auch in der innertrinitarischen Beziehung verwendet werden kann, muss – da menschlicher Erkenntnis entzogen – letztlich offen bleiben.

2.3.4.3 Der Heilige Geist als Macht Wie sehr die personale Struktur dann die dynamische Struktur der Pneumatologie bestimmt und gestaltet, wird v. a. dadurch deutlich, dass Schaeder vom Heiligen Geist in der Regel nicht als „Kraft“, sondern als „Macht“ redet: Er ist machtvoll majestätischer Liebesgeist Gottes,¹²¹¹ „Geistesmacht“¹²¹² und „schöpferischmachtvoller Geist“.¹²¹³ Der Heilige Geist ist auch – wie Schaeder an anderer Stelle formulieren kann – „der Träger absoluter Macht, restloser Geschiedenheit vom Bösen und restloser, selbstaufopfernder Liebe“¹²¹⁴ und wirkt als „eine innerlich bindende, absolute Macht“.¹²¹⁵ Den Grund für diese Begriffsverwendung wird man dabei darin sehen dürfen, dass im Unterschied zum durchaus auch unpersönlich und anonym auffassbaren Begriff „Kraft“ die Bezeichnung „Macht“ im eigentlichen Sinne dem personalen und sozialen Bereich zuzurechnen ist.¹²¹⁶ Mit anderen Worten heißt dies: Die Wirkungen des Heiligen Geistes lassen sich nach Schaeder nicht unpersönlich denken. Sie müssen vielmehr eng an die „Persönlichkeit“ des Heiligen Geistes rückgebunden werden. Aus dieser Sicht scheint der Begriff „Macht“ dann der geeignetere zu sein. Es lässt sich somit formulieren: Der Heilige Geist ist gebietende göttliche Person, von der göttliche Machtwirkungen ausgehen. Kurz: Der Heilige Geist ist Gott in machtvoller Aktion.¹²¹⁷ In seiner machtvollen Dynamik bringt er zur Wirkung, was Gott als Schöpfer und Gott als Erlöser und Versöhner tun. Er schafft Leben, schenkt Liebe und Wahrheit, stiftet Beziehung,

 Vgl. Kähler, Bekenntnis, . Nach Kähler kommt es nicht darauf an, „zu betonen und zu begreifen, daß und wie etwa der Geist Gottes Gotte selbst gegenüber eine Person sei. […] Dagegen, […] daß in seinem Geist uns Gott persönlich, mit seinem selbständigen Wollen und mit seiner erbarmenden Liebe begegne, das ist für uns und unser Glaubensleben von entscheidender Bedeutung – daß Gottes Geist uns gegenüber Person ist, und dergestalt uns in ihm Gott selbst in Person begegnet.“ Vgl. auch Berkhof, Theologie, .  Theozentrische Theologie  (), .  AaO., .  Geistproblem, .  AaO., .  AaO., .  Zwiefelhofer, Macht, .  Beintker, Was glaubst Du, .

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2 Heiliger Geist und Wirklichkeit Gottes

eröffnet Kommunikation, überwindet den Zwang der Sünde,¹²¹⁸ befreit von Selbstfixierung sowie von relationsnegierender Patzanmaßung und tröstet in der Verzweiflung. Die pneumatische Wirklichkeit erweist sich also – weil göttliche Macht – nicht als etwas Statisches, in sich Ruhendes, sondern als pneumatische Wirksamkeit, welche den Menschen machtvoll ergreift und befreit.¹²¹⁹

 Als dynamische Wirklichkeit steht der Heilige Geist gegen die zwingende und versklavende Macht der Sünde (Geistproblem, ). Schaeder kann deshalb im Zusammenhang der Heilsgewissheit formulieren: Obwohl der Glaubende „die Sünde als eine wirksame Macht in sich trägt, ist er überzeugt, daß er ihr nicht ausgeliefert ist. Der willenbewegende Geist der Nähe Gottes und Christi ist stärker als der Reiz der Sünde“ (Ebd.).  Vgl. oben S.  ff.

Teil III: Karl Barths Kritik an Schaeders Entwurf

1 Schaeder als Vertreter des Neuprotestantismus

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Zu den heftigsten Kritikern Schaeders während seines letzten Lebensjahrzehntes zählte auf dem Gebiet der theologischen Auseinandersetzung¹ v. a. der damalige Göttinger, Münsteraner und dann Bonner Theologieprofessor Karl Barth. Eine Darstellung und Würdigung der Pneumatologie Schaeders kann deshalb nicht an der ausführlichen Kritik vorübergehen, die Karl Barth insbesondere in seiner 1927 erschienen „Christlichen Dogmatik im Entwurf“ und dann im ersten Band seiner „Kirchlichen Dogmatik“ an Schaeder geübt hat.² Dies ist auch deshalb von Bedeutung, weil Barths Urteil über Schaeder in nicht zu unterschätzendem Maße mit dazu beigetragen haben dürfte, dass Schaeder weithin in Vergessenheit geriet. Eine Auseinandersetzung mit der Kritik des „frühen“ Barth könnte deshalb – sollte sich dessen Kritik entkräftigen lassen – auch einen Beitrag zur theologischen Rehabilitierung Schaeders leisten. Zugleich lässt sich durch die Auseinandersetzung mit der Kritik Barths der bisherige Gedankengang zusammenfassen und vertiefen. Überblickt man andererseits Schaeders Beschäftigung mit den Veröffentlichungen Barths, so lässt sich erkennen, dass Schaeder bereits ab dem Sommersemester 1923/24 in seinen Seminaren Karl Barth – beginnend mit dessen Römerbrief – zu traktieren begann. Einen literarischen Niederschlag fand diese Beschäftigung mit der dialektischen Theologie zunächst in Schaeders „Das Geistproblem der Theologie“, dann in der dritten Auflage des ersten bzw. in der zweiten Auflage des zweiten Bandes seiner „Theozentrischen Theologie“ sowie schließlich 1930 in der systematischen Untersuchung „Das Wort Gottes“. Bei der folgenden Auseinandersetzung mit der Kritik Barths wird man neben vereinzelten Aufsätzen insbesondere diesen Werken Beachtung schenken müssen.

 Die Auseinandersetzung mit Karl Bornhausen war an Heftigkeit zwar nicht zu übertreffen, hatte aber in erster Linie im schwierigen Charakter Bornhausens ihren Grund. Hinzu kamen neben theologischen Grundverschiedenheiten dann v. a. fakultäts- und kirchenpolitische Gründe.Vgl. oben  u.  ff.  Goertz, Geist, . Barth hat seine „Christliche Dogmatik im Entwurf“ bald als „Fehlstart“ eingeschätzt und durch die „Kirchliche Dogmatik“ ersetzt (Barth, KD III/,VIII; vgl. Jüngel, BarthStudien, ). Das scharfe Urteil über Schaeder aber blieb weitgehend unverändert erhalten.

1 Schaeder als Vertreter des Neuprotestantismus 1.1 Biographische bzw. theologiegeschichtliche Verortung Zu der durch Karl Barths „Römerbrief“ angestoßenen neuen theologischen Richtung gehörte neben diesem selbst und dessen Schweizer Freund Eduard Thurneysen auch u. a. Rudolf Bultmann, Friedrich Gogarten, Emil Brunner und Georg Merz.³ Durch ihre Zeitschrift „Zwischen den Zeiten“ konnte sich dieser Kreis weithin Gehör verschaffen. Einig wussten sie sich dabei in ihrer Gegnerschaft gegenüber dem sogenannten „Neuprotestantismus“. Ihre Kritik entzündete sich daran, dass ihrer Meinung nach der Neuprotestantismus gerade in seinem Reden von Gott letztlich „nicht von Gott, sondern von Menschen gehandelt“ habe.⁴ Die gesamte Theologie des Neuprotestantismus wird somit – in besonderer Schroffheit von Karl Barth – unter das Verdikt „Anthropologismus“ gerückt.⁵ Auch wenn nun Barth in seinen Veröffentlichungen durchaus innerhalb des Neuprotestantismus zu differenzieren vermag,⁶ so stellt er doch Schaeder grundsätzlich in eine Reihe mit den „Modernen“⁷ wie Georg Wobbermin, Ludwig Ihmels, Ernst Troeltsch, Reinhold Seeberg, Heinrich Scholz oder Karl Heim.⁸ Auch Schaeders kritische Interpretationsgänge im ersten Band seiner „Theozentrischen Theologie“, welche deutlich ein gebrochenes Verhältnis zum Neuprotestantismus aufzeigen,⁹ hindern Barth keineswegs daran, Schaeder als einen typischen Neuprotestanten zu bezeichnen¹⁰ und ihn entlang der Leitbegriffe des Neuprotestantismus zu deuten.¹¹ Als erste Anfrage an das von Barth verwendete neuprotestantische Interpretationsmuster erweist sich zunächst die Biographie bzw. die äußere Lebenswirklichkeit Schaeders. Wie oben bereits gezeigt,¹² verstand sich Schaeder zeitlebens v. a. als Schüler Cremers, Kählers und Schlatters. Cremer, der sich um eine wissenschaftliche Überwindung des theologischen Liberalismus mühte, wird man aber ebenso wenig wie Kähler oder gar Schlatter als Neuprotestanten bezeichnen können. Auch die Tätigkeit als Inspektor am Tholuck-Konvikt in Halle, seine

 Auch zum Folgenden: Busch, Leidenschaft,  f.  Bultmann, GuV , ; auch: Barth, Römerbrief,  u. Busch, Leidenschaft, .  Loewenich, Luther, .  Barth, Christliche Dogmatik, .  AaO., .  AaO.,  ff.  Goertz, Geist, .  Barth, Christliche Dogmatik, .  Goertz, Geist, .  Vgl. oben S.  ff. DOI 10.1515/9783110490916-008

1.1 Biographische bzw. theologiegeschichtliche Verortung

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Aufenthalte in Bad Boll, die Initiation einer Tagung „positiver“ Theologen oder die Anregung zur Gründung der „Beiträge zur Förderung christlicher Theologie“ positionieren Schaeder bereits schon in seinen Anfangsjahren im Bereich der biblisch ausgerichteten „positiven“ Theologie. Als wegweisend im Blick auf seine theologische Vorortung dürften dann aber insbesondere Schaeders Selbstaussagen über die Herausbildung seiner theologischen Position während seiner Kieler Wirksamkeit gelten. Demnach war es insbesondere die Auseinandersetzung mit der religionswissenschaftlichen Theologie etwa seines Kollegen Otto Baumgarten, welche ihn bei der Ausformung seiner eigenen theologischen Position leitete und ihn jahrelang beschäftigte.¹³ Tief geschieden von dieser Form eines „aufklärerische[n], evolutionistische[n] Neuprotestantismus“ wusste Schaeder sich dabei insbesondere im Gottes- und Christusbegriff, im Sünden- und Offenbarungsverständnis sowie in der Pneumatologie.¹⁴ In seinem Hauptwerk „Theozentrische Theologie verschaffte sich dieses gebrochene Verhältnis zum Neuprotestantismus dann literarisch Ausdruck: Gegenüber der religionswissenschaftlichen Theologie, bei der sich der Mensch und die Menschheitsgeschichte mit ihrer Religionsbildung vor Gott schob, und gegen einen „vulgarisierten Ritschlianismus“,welcher in einer unfassbaren „Leichtherzigkeit“, „Harmlosigkeit“ und „Flachheit“ mit Gott umging, betonte und akzentuierte Schaeder nachdrücklich die „Machtmajestät“ und „Herrenstellung“ Gottes.¹⁵ Während seiner Breslauer Wirksamkeit führte Schaeder die direkte Auseinandersetzung mit dem liberalen Neuprotestantismus dann in Form der heftigen Auseinandersetzung mit seinem links-liberalen Kollegen Karl Bornhausen.¹⁶ Neben weitreichenden theologischen und kirchenpolitischen Gegensätzen kamen dabei auch tiefgreifende persönliche Spannungen zum Tragen. Überblickt man also in groben Zügen die äußere Lebenswirklichkeit Schaeders, so muss seine theologische Verortung im Bereich des liberalen Neuprotestantismus mehr als fragwürdig erscheinen. Letztlich vermag aber erst eine inhaltliche Explikation des Neuprotestantismus zu klären, ob Schaeder dieser theologiegeschichtlichen Richtung zugerechnet und eine Deutung Schaeders entlang der Leitbegriffe des Neuprotestantismus gerechtfertigt sein kann.

   

Vgl. oben S.  ff; auch: Graf, Kulturprotestantismus,  ff. Selbstdarstellung, ; auch oben S.  f. Selbstdarstellung,  f; auch oben S.  f. Auch zum Folgenden: Oben S.  u.  ff.

314

1 Schaeder als Vertreter des Neuprotestantismus

1.2 Inhaltliche Näherbestimmung des Neuprotestantismus Die historische Differenzierung zwischen Alt- und Neuprotestantismus geht auf Ernst Troeltsch zurück.¹⁷ Der „Neuprotestantismus“ wird dabei als eine epochale Gestalt der Christentumsgeschichte verstanden,welche mit Beginn der Aufklärung und der ihr folgenden geistes-, mentalitäts- und sozialgeschichtlichen Umwälzungen entsteht.¹⁸ Die zunächst historisch gemeinte Unterscheidung zwischen Altprotestantismus und Neuprotestantismus dient dann bereits im frühen 20. Jahrhundert in erster Linie zur Profilierung des Gegensatzes zweier konkurrierender bzw. einander ausschließender Typen protestantischer Frömmigkeit.¹⁹ Die Begriffe werden somit letztlich zu Kategorien theologischer Legitimität bzw. Illegitimität.²⁰ Die aufkommende dialektische Theologie verstärkt diesen positionellen Begriffsgebrauch. Durch sie wird der in sich sehr vielschichtige und mitunter divergente Neuprotestantismus zum Inbegriff der prinzipiellen Fehlorientierung der Theologie. Neuprotestantismus, liberale Theologie und Kulturprotestantismus werden dabei meist vergröbernd gleichgesetzt.²¹ Auch wenn sich innerhalb des Neuprotestantismus einheitliche Faktoren eruieren lassen – etwa die Betonung der Vernunft als Erkenntnisgrund und kritischer Maßstab theologischer Aussagen, die Offenheit für Gedanken und Werte der modernen Kultur oder die Ablehnung eines modernitätskritischen religiösen Traditionalismus²² – so lässt sich der Begriff nur schwer mit einem konturierten Phänomenbereich verbinden. Man wird deshalb danach zu fragen haben, wie letztlich Barth den Begriff „Neuprotestantismus“ inhaltlich expliziert. Dies ist v. a. deshalb von Interesse, weil er dem Neuprotestantismus auch Vertreter gegensätzlicher Richtungen zuordnet, obwohl diese Richtungen – etwa der Biblizismus oder die sogenannte „positive“ Theologie – eher als Gegenkräfte und Gegenströmungen zum Neuprotestantismus zu verstehen sind.²³ Es müssen sich also –

 Raiser, Protestantismus,  f.  Auch zum Folgenden: Claussen, Jesus-Deutung, .  Graf, Kulturprotestantismus,  ff.  Ders., aaO., .  Ringleben, Kulturprotestantismus, . Im Unterschied und zugleich in Beziehung zum Begriff „Neuprotestantismus“ bezeichnet der Begriff „liberale Theologie“ die spezifische, nicht nur auf den akademischen Bereich beschränkte Reflexionskultur dieser neuen Gestalt von Christentum. Der Begriff „Kulturprotestantismus“ steht als Oberbegriff über den vielfältigen Versuchen, diesen neuzeitlichen Frömmigkeitstypus in ein konstruktives Verhältnis zu der ihn umgebenden modernen Gesellschaft und Kultur zu setzen (Claussen, Jesus-Deutung, ).  Hohlwein, Neuprotestantismus,  f.  Ebd.

1.2 Inhaltliche Näherbestimmung des Neuprotestantismus

315

teilt man Barths Einschätzung – bei aller Heterogenität der theologischen Positionen gewichtige Übereinstimmungen ausmachen lassen, die es rechtfertigen, auch Gegenentwürfe dem Begriff „Neuprotestantismus“ zuzuordnen. Solche Übereinstimmungen mit dem Neuprotestantismus erkennt Barth nun bei Schaeder vor allem in der Aufhebung der „Subjektivität Gottes“²⁴ sowie insbesondere im „Gottesbeweis des Cartesius“²⁵. Diese eng miteinander verbundenen Aspekte erlauben es dabei nicht nur, ein exakteres Bild von Barths Neuprotestantismus-Verständnis zu entwerfen, sondern zeigen zugleich, wie Barth Schaeders Entwurf wahrgenommen und gedeutet hat.

 Barth versteht darunter das Subjekt-Sein Gottes.Vgl. z. B. Murrmann-Kahl, Mysterium trinitatis, .  Barth, Christliche Dogmatik,  f (Hervorhebung gestrichen).

2 Aufgehobene „Subjektivität“ Gottes 2.1 Gott als Gott des Bewusstseins Nach Barth gilt Schaeder v. a. deshalb als einer der letzten Exponenten des Neuprotestantismus, weil er Gott als „Objektgehalt“ des Glaubens oder des menschlichen Bewusstseins zu erfassen versucht hat.²⁶ Barths Urteil über Schaeders stützt sich dabei auf eine sehr begrenzte Textgrundlage: auf Schaeders „Das Wort Gottes“²⁷ als auch auf einige Seiten aus dem Werk über das Geistproblem der Theologie. Insbesondere die ersten fünf Seiten von Schaeders „Geistproblem der Theologie“ versorgen Barth dabei mit zahlreichen Belegen, welche Gott als eine Bewusstseinsgröße oder als Besitz des endlichen Geistes aufweisen.²⁸ Dadurch, dass Barth nun diese Aussagen weitgehend isoliert und nur sehr grob unter dem Blickwinkel von Schlagworten in Augenschein nimmt, fällt es ihm nicht schwer, Schaeder als einen Gegner anzunehmen, welchem es – trotz seiner propagierten theozentrischen Orientierung – nicht gelingt, die Wirklichkeit Gottes in ihrer Unverfügbarkeit auszusagen. Das Unvermögen des Neuprotestantismus zeigt sich dadurch aber nach Barths Überzeugung umso deutlicher.²⁹ Gegen diese „neuprotestantische“ Bewusstseinstheologie protestiert Barth nun in seinem Werk „Die christliche Dogmatik im Entwurf“ mit aller Schärfe und lehnt es nachdrücklich ab, dass Gott jemals Gegenstand menschlichen Wissens oder Erlebens werden könne. Denn „wenn Gott jemandem wirklich zum ‚Inhalt‘ seines Bewußtseins geworden wäre, was sollte aus diesem Jemand werden? ‚Wer Jahve sieht, der stirbt!‘ (Ex. 33,20)“.³⁰ Nach Barth hat diese Einsicht weitreichende Folgen für das Verständnis der göttlichen Offenbarungswirklichkeit: Sie kann zwar geglaubt werden, doch sie bleibt – wie Barth gegenüber Schaeder nachdrücklich betont – auch als Geglaubte „das dem Menschen Nicht-Gegebene, […] das Gott Eigene und zu eigen Bleibende.“³¹ Das Wort Gottes „geschieht […] also als ein Geben, nicht als ein Gegebensein“ und kann als Geben nicht Inhalt des menschlichen Bewusstseins werden.³² Das Wort Gottes bzw. die göttliche Wirk-

      

AaO., . Dieses Werk scheint Barth als Ganzes gelesen zu haben. Auch zum Vorherigen: Goertz, Geist,  f. Ders., aaO., . Barth, Christliche Dogmatik, . AaO.,  Ebd. (Hervorhebung hinzugefügt).

DOI 10.1515/9783110490916-009

2.1 Gott als Gott des Bewusstseins

317

lichkeit lässt sich von daher angemessen nur als „ein Akt, dessen Subjekt Gott und allein Gott ist“ näher explizieren.³³ Barth kann deshalb insbesondere gegen Schaeder gewendet formulieren: „Sagen sie uns kopfschüttelnd, daß ein Objekt, das nicht Wirklichkeit in unserem Bewußtsein wäre, als solches kein wißbares Objekt wäre, so antworten wir ebenso kopfschüttelnd, daß wir gar nicht von einem ‚Objekt‘ reden, wenn wir von ‚Gottes Wort‘ reden, sondern von dem Subjekt, das, in ein Objekt verwandelt, nicht ist, was es ist, von einem Gegenstand, der uns nur in strenger ‚Nicht-Gegenständlichkeit‘ […] Gegenstand werden kann.“³⁴ Die Erkenntnisfrage ist deshalb nach Barth neu zu stellen, „ohne sich durch die Schlagbäume der Kantischen Erkenntnistheorie, bei der dieser Erkenntnisgegenstand ja vielleicht gar nicht in Betracht gezogen ist, sofort verblüffen zu lassen!“³⁵ Mit dem Hinweis auf das erste Kapitel von Anselm von Canterburys „Proslogion“ unternimmt Barth nun den Versuch, den eigenen Erkenntnisweg zur göttlichen Wirklichkeit näher zu explizieren.³⁶ Am Anfang der Erkenntnis Gottes stehe demnach ein Belehren des Menschen durch Gott selbst.³⁷ Denn auch wenn der Mensch glaube und Gott liebe, so sei die Erkenntnis der göttlichen Wahrheit – trotz dieser Bewusstseinswirklichkeit des Glaubens und Liebens – nicht eine Möglichkeit, sondern eine Unmöglichkeit des Menschen. Um die Gegenwart des Angesichtes Gottes müsse deshalb schlechterdings gebetet werden: „Sie ist nicht da in und mit dem, was im Bewußtsein des Menschen ist und geschieht, auch nicht in und mit dem ‚credere‘ und ‚amare‘ seines Herzens. Sie ist da in Gottes Tat, um die gebetet wird: ‚ostende te ipsum!‘“.³⁸ Aus diesen Äußerungen Anselms zieht Barth dann Folgerungen für seine eigene Erkenntnistheorie: „Erkenne ich Gott, […] dann muß dieses ‚ich erkenne‘ von allem anderen ‚ich erkenne‘ auf das Bestimmteste unterschieden werden. […] Dann kann der Inhalt meines Bewußtseins wohl, wie wir bei Anselm hörten, ein Glauben und Lieben, ein Beten und Erhörtwerden sein […] – aber wahrlich gibt es hier keine Umkehrung, gibt es hier nicht die Konsequenz, daß ich mein Bewußtsein ‚auf seinen Gottes- oder göttlichen Geistbesitz untersuchen‘ könnte, gibt es hier mit einem Wort keinen Weg von unten nach oben, vom Menschen zu Gott.“³⁹ Mit Vehemenz tritt also Barth dafür ein, dass Gott das handelnde Subjekt, der Mensch dagegen das erfasste Objekt

      

Ebd. AaO., . AaO., . AaO.,  ff. AaO., . AaO., . AaO., .

318

2 Aufgehobene „Subjektivität“ Gottes

bleibt: „Man wird dann sein Wissen um Gott […] nicht zurückführen auf eine ursprüngliche oder erworbene Eignung des menschlichen Subjekts zu solchem Wissen […], sondern verstehen als eine Qualifizierung seiner Ungeeignetheit, als […] sein Objekt erfassendes, weil von ihm erfaßtes […] Nicht-Wissen.“⁴⁰ Erkenntnis heißt deshalb – so Barth weiter – „prinzipiell An-erkenntnis. Denken heißt Nachdenken“.⁴¹ Das theologische Erkennen besteht also darin, dass der Mensch in freiem Gehorsam das seinem Erkennen zuvorkommende Vorangehen Gottes anerkennt und ihm nachfolgt, nachgeht, nachdenkt, das ihm im Worte Gottes Vorgesagte nachspricht.⁴² Oder mit anderen Worten: Es handelt sich darum, „daß der menschliche Geist dem sich als Subjekt zeigenden göttlichen Geist gehorche und gelassen sei“.⁴³ Gott ist und bleibt somit handelndes Subjekt und als solches teilt er sich dem Menschen mit. Objekt dagegen ist und wird Gott nicht anders als sich selbst gegenüber.⁴⁴ Mit Vehemenz insistiert Barth also darauf, dass Gott letztlich auch im Akt des Offenbarwerdens das freie Subjekt der Offenbarung sein muss und dadurch bis in die Spitze des Offenbarungsgeschehens Herr über das Geschehen und seinen Konditionen bleibt.⁴⁵ Dieser Gedanken „von der unaufhebbaren Subjektivität Gottes“⁴⁶ ist es dann, den Barth unter Hinweis auf I Kor 8,2 f und Gal 4,8 f auch wie folgt zum Ausdruck bringen kann: „Wir erkennen das Wort Gottes nicht durch uns selbst und in uns selbst, sondern wir erkennen es durch Gott und in Gott. Oder anders gewendet: wir erkennen es nicht, sondern wir werden in ihm erkannt. Gegenstand unseres Erkennens ist unser In-ihm-Erkanntsein.“⁴⁷ Erkenntnis Gottes ist also möglich, nicht weil wir ihn erkennen können, sondern weil Gott sich uns – als Akt gänzlicher Gnade! – in seinem Reden zu erkennen gibt. ⁴⁸ Das direkte Erkennen Gottes von Angesicht zu Angesicht aber bleibt nach Barths Überzeugung eine schlechthin eschatologische Möglichkeit.⁴⁹ Die Warnung vor einer kurzschlüssigen Identifizierung der göttlichen Wirklichkeit mit weltlichen Sachverhalten hat Barth somit wirkungsvoll zur Geltung gebracht.⁵⁰

          

AaO., . AaO., ; auch: Ders., Fides, . Busch, Leidenschaft, . Barth, Christliche Dogmatik, . Ders., aaO.,  u. . Henning, Lehre vom Heiligen Geist, . Barth, Christliche Dogmatik,  (Hervorhebung hinzugefügt). AaO.,  f. Busch, Leidenschaft, . Barth, Christliche Dogmatik, . Henning, Lehre vom Heiligen Geist, .

2.2 Indirekter „Cartesianismus“

319

2.2 Indirekter „Cartesianismus“ Als Begründung für die Einordnung Schaeders in die Reihe der „Modernen“ wie Georg Wobbermin, Ludwig Ihmels, Ernst Troeltsch, Reinhold Seeberg, Heinrich Scholz oder Karl Heim⁵¹ führt Barth an: „Man kann offenbar alle diese Formeln, methodisch betrachtet, reduzieren auf den Gottesbeweis des Cartesius […]: weil Dasein der Gottesidee in uns, darum Dasein Gottes an sich, nur daß die Modernen statt von einer angeborenen Idee lieber von einem erworbenen Erlebnis oder Glauben reden.“⁵² Wie immer dabei die Argumentationen im Einzelnen verlaufen, nach Barth sind sie letztlich als Versuch zu werten, vom Erleben bzw. vom Bewusstsein des erkennenden Subjekts auf die Wirklichkeit des zu erkennenden Gottes zu schließen. Gott wird aber auf diese Weise in die Enge des Bewusstseins eingefangen, so dass nicht er das Bewusstsein, sondern das Bewusstsein ihn beherrscht.⁵³ Auch Schaeders Rekurs auf den Heiligen Geist bietet dabei nach Barth keine Lösung. Denn wird von einem pneumatischen Erleben der Inanspruchnahme und Befreiung ausgegangen, so müsste eine solche „Ausstattung“ des Erlebens wohl „die Sprengung und Aufhebung jedes möglichen menschlichen Subjektes“ bedeuten und wäre deshalb – entgegen Schaeders Behauptung – nicht wirklich ein Ausgang von „meinem Erleben“ bzw. von „subjektiven Bewusstseinsphänomenen“.⁵⁴ Es ist letztlich also auch hier die unaufhebbare Subjektivität Gottes, welche jede menschliche Möglichkeit zur Gotteserkenntnis destruiert und Barth dazu veranlasst, einen „aus der menschlichen Selbstgewissheit“ heraus geführten Gottesbeweis mit aller Vehemenz abzulehnen.⁵⁵ Denn neben Gottes Subjekt-Sein stünde nach Barth auch die Gewissheitsfrage auf dem Spiel: „Es wäre schlimm um uns bestellt, wenn wir hier – gerade hier, wo es um die Gewißheit hinsichtlich unserer ganzen Existenz geht – auf Tatsachen angewiesen wären, deren wir selbst uns rühmen, an denen wir selbst aber offenbar auch verzweifeln können. Es wäre ganz schlimm um uns bestellt, wenn auch nur der Verdacht bestehen könnte, daß die Tatsache, um die es hier geht, vielleicht auch von uns selbst geschaffene, vielleicht auch nur von uns selbst geträumte Tatsachen sein könnten.“⁵⁶ Wird aber der Mensch – so Barths Skizzierung des Neuprotestantismus – zur „Letztwirklichkeit“ erhoben, so bleibt dies auch nicht ohne Folgen für die menschliche Freiheit. Denn „gibt es eine schlimmere Bedrohung gerade der Freiheit als jene

     

Barth, Christliche Dogmatik,  ff. AaO.,  f (Hervorhebung hinzugefügt). Goertz, Geist,  und Barth, Christliche Dogmatik, . AaO.,  u.  (Hervorhebung teilweise gestrichen) Karl Barth, KD I/, . Zur Destruktion menschlicher Gotteserkenntnis vgl. z. B.: AaO.,  ff. Ders., KD I/, .

320

2 Aufgehobene „Subjektivität“ Gottes

Einsetzung des Menschen zu seinem eigenen Herrn und Gesetzgeber? Wer kann uns etwa schlimmer tyrannisieren als der Gott in unserer eigenen Brust?“⁵⁷ Auf diesem Hintergrund von gefährdeter göttlicher Subjektivität und Auflösung menschlicher Gewissheit und Freiheit wird dann auch verständlich, dass Barth den „Cartesianismus“ geradezu als Gottlosigkeit und „Fallstrick“ der neueren Theologie bezeichnen muss.⁵⁸ Auch die scharfe Auseinandersetzung mit Schaeder und dessen Einordnung in den Neuprotestantismus ist auf diesem Hintergrund zu verstehen. Dabei wird man allerdings beachten müssen, dass Barths Urteil über Schaeder auch einer Entwicklung unterliegt. Denn den Vorwurf des Cartesianismus, wie er in der „Christlichen Dogmatik“ zum Ausdruck kommt, mildert Barth in der „Kirchlichen Dogmatik“ ab zum Vorwurf eines indirekten Cartesianismus.⁵⁹ Demnach handelt es sich bei dem die göttliche Wirklichkeit erkennenden und erfahrenden Menschen nicht einfachen um den ursprünglichen, sondern um den begnadigten Menschen oder – so Schaeders Formulierung – um das glaubende Ich.⁶⁰ Indirekter Cartesianismus lässt sich somit als „Cartesianimus des gläubigen Christen“ näher explizieren:⁶¹ Dem Menschen werde dabei von Gott in der Erfahrung der göttlichen Wirklichkeit „etwas in der Weise übergeben, daß es nun tatsächlich aus der Hand Gottes in die Hand des Menschen übergehe oder von der Seite des Menschen aus gesehen: daß er von Gott etwas in der Weise empfange, daß es nun tatsächlich in seine Hand gelegt sei.“⁶² Es finde sozusagen eine „göttliche Emanation“ auf den Menschen bzw. – vom Menschen her gesehen – ein „göttlicher influxus“ statt, so dass es letztlich zu einer „Konjunktion“, bzw. einer „Synthese“ komme.⁶³ Das menschliche Bewusstsein könne dann aber auf seinen „göttlichen Geistgehalt“ bzw. auf seinen „immanenten Bestand“ hin untersucht werden.⁶⁴ Letztendlich bedeutet also das moderater gefasste Urteil über Schaeder zwar eine gewisse Präzisierung, aber keineswegs eine Rücknahme des Cartesianismusvorwurfes. Man fange – so nun die differenziertere Einschätzung von Schaeders Entwurf – scheinbar gar nicht cartesianisch an, aber man fahre dann doch offenkundig cartesianisch weiter.⁶⁵ Dass Barth aufgrund seiner Betonung der  AaO.,  f.  Ders., Christliche Dogmatik, .  Ders., KD I/,  ff.  Ders., aaO.,  u. .  Ders., aaO.,  (Hervorhebung hinzugefügt).  Ders., aaO., .  Ders., aaO.,  u. . In diesem Zusammenhang weist Barth auch darauf hin, dass für ihn nicht die Einführung des Begriffs „Mystik“ bei Schaeder das entscheidende Problem darstelle, sondern vielmehr die Definition derselben als Konjunktion bzw. Synthese (Ders., aaO., ).  Ders., aaO.,  f.  Ders., aaO., .

2.2 Indirekter „Cartesianismus“

321

unaufhebbaren Subjektivität Gottes auch diese Form von Cartesianismus ablehnen muss, ist dabei evident. Auch jegliche Rückschlussmethode und ein damit verbundenes Verständnis der Theologie bzw. der Dogmatik als „Glaubenslehre“ weist er nachdrücklich ab.⁶⁶ Im Blick auf die Pneumatologie aber bedeutet dies: „Die Sätze über den heiligen Geist und seine Wirkung dürfen unter keinen Umständen umgedeutet werden in Sätze über den Menschen an und für sich.“⁶⁷ Auch wenn sich – so Barth weiter – Gott im Heiligen Geist dem Menschen schenkt, so folgt daraus nicht eine neue Anthropologie.⁶⁸ Der Heilige Geist bleibt vielmehr ganz und gar der Geist der Verheißung dessen, was der Mensch werden soll – nicht was er seinerseits schon ist oder gar als seinen Besitz zu rühmen in der Lage ist.⁶⁹ Gerade auch der Mensch, welcher in wirklicher Gemeinschaft mit Gott steht, beharrt deshalb nach Barths Überzeugung im Bitten und Flehen um den Heiligen Geist: „Veni creator spiritus!“⁷⁰ Mit anderen Worten aber heißt dies: Wirkliche Gemeinschaft mit Gott bleibt ebenso wie die Erkenntnis der göttlichen Wirklichkeit ein Geschenk Gottes bzw. ein Wunder des Heiligen Geistes⁷¹ und findet erst im Eschaton ihre Vollendung. Auch wenn es zur Selbstmitteilung Gottes durch den Heiligen Geist kommt, hört Gott also niemals auf, Subjekt zu sein.⁷² Ja mehr noch: Indem Gott als Objekt auf den Plan tritt, schafft er selber allererst das Subjekt seiner Erkenntnis.⁷³ Mit Nachdruck weist Barth somit jegliche Emanzipation, Willkür und Eigenmächtigkeit des Menschen Gott gegenüber zurück. Zu keinem Zeitpunkt – auch nicht in der Selbstmitteilung – darf Gottes Subjektivität als aufhebbar gedacht werden.

       

Z. B. ders., KD I/, . Ders., Christliche Dogmatik,  sowie ders., KD I/, . Ders., Christliche Dogmatik, . Ders., aaO.,  sowie z. B. ders., KD I/,  u. ders., Heilige Geist, .  ff. Ders., Christliche Dogmatik,  f. Ders., aaO., . Ders., aaO.,  u. . Ders., KD II/,  sowie z. B. I/, ; auch: Busch, Leidenschaft,  f.

3 Bewertung der Kritik Barths 3.1 Empfangene Möglichkeit oder Wirklichkeit des Empfangs? Karl Barth fällt – so wurde deutlich – über Schaeders Entwurf alles andere als ein mildes Urteil. Stichworte wie Neuprotestantismus, aufgehobene Subjektivität Gottes und indirekter Cartesianismus stehen dabei für die Vehemenz und Schärfe mit der Barth die Position Schaeders ablehnt. Versucht man nun die Kritik Barths zusammenzufassen, so besteht sie in dem Vorwurf an Schaeder, die Möglichkeit zur Erkenntnis bzw. Erfahrung der göttlichen Wirklichkeit im Sinne einer empfangenen, eigen gewordenen und damit letztlich menschlichen Möglichkeit interpretiert zu haben.⁷⁴ Demgegenüber betont Barth, dass es sich bei der Erfahrung der göttlichen Wirklichkeit zwar um echte menschenmögliche, aber immer nur im Sinne einer von Gott ermöglichten Erfahrung handeln kann.⁷⁵ Der Mensch, gerade auch der fromme Mensch, hat also keine Möglichkeit zur Erfahrung der göttlichen Wirklichkeit – auch nicht als empfangene –, sondern kann diese Möglichkeit nur immer wieder empfangen und als geliehene in der Wirklichkeit des Empfangs gebrauchen.⁷⁶ Die Möglichkeit ist und bleibt Gottes Möglichkeit⁷⁷ oder – wie Barth später auch formulieren kann – der ganze Raum unserer Möglichkeiten ist noch einmal umschlossen von der göttlichen Möglichkeit.⁷⁸ Bestimmt die Erfahrung der göttlichen Wirklichkeit immer zugleich auch die Existenz des erkennenden Menschen, dann erklärt dies auch die von Barth verfochtene Destruierung aller eigenen oder zugewachsenen menschlichen Möglichkeit zur Gotteserkenntnis. Denn ebenso wie bei der Erfahrung, so gilt auch bei der Erkenntnis der göttlichen Wirklichkeit, dass Gott nur durch Gott bzw. durch die Ausgießung des Heiligen Geistes erkannt zu werden vermag.⁷⁹ Eine qualitative Veränderung der Stellung des Menschen im Verhältnis zu Gott und damit ein statisches Verhältnis schließt Barth dabei nachdrücklich aus.⁸⁰ Vielmehr muss dieses Verhältnis und damit auch die Gotteserkenntnis als ein immer wieder von vorn anfangendes und von Gott her bzw. durch Gottes Geist sich erneuerndes Verhältnis verstanden werden.⁸¹ Die „Konstanz“ dieser Relation kann deshalb        

Barth, KD I/, . Ders., ebd. Barth, aaO., . Ders., ebd. Ders., KD I/,  f; auch: Ders., KD I/, . Ders., Christliche Dogmatik,  ff. Ders., aaO.,  f. Ders., aaO.,  f; auch: Ders., Kirchliche Dogmatik, II/, .

DOI 10.1515/9783110490916-010

3.1 Empfangene Möglichkeit oder Wirklichkeit des Empfangs?

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niemals im Menschen, sondern allein in der permanenten „Tat des heiligen Geistes“ ihren Grund haben.⁸² Mit Nachdruck tritt Barth demnach sowohl bei der Erkenntnis als auch bei der Erfahrung der Wirklichkeit Gottes für den unbedingten Vorrang der Wirklichkeit vor der Möglichkeit ein.⁸³ Mit anderen Worten heißt dies: Der Möglichkeitsgrund für die Erkenntnis bzw. Erfahrung der göttlichen Wirklichkeit liegt in der SelbstVoraussetzung des göttlichen Subjekts, das sich dem um Erkenntnis und Glauben bemühten Menschen selbst erschließt, indem es diesen in Beziehung zu sich setzt und deshalb auch als Objekt der Glaubenserkenntnis bzw. -erfahrung noch Subjekt bleibt.⁸⁴ Dies erklärt dann auch, dass jegliche Analyse einer gegenwärtigen Wirklichkeit – und sei es die des menschlichen Glaubensbewusstseins – ausscheiden muss.⁸⁵ Die Wirklichkeit Gottes entzieht sich dem menschlichen Zugriff und bleibt streng – so Barths Formulierung – „Erinnerung an die Verheißung“ und „Hoffnung auf deren kommende Erfüllung“⁸⁶. Überblickt man nun Schaeders Entwurf und hält ihn neben die soeben skizzierten Äußerungen, dann lässt sich – entgegen der heftigen Kritik Barths – durchaus eine weitgehende Übereinstimmung zwischen beiden Kontrahenten ausmachen. Denn die Explikation Gottes als der alles bedingenden Wirklichkeit,⁸⁷ die Betonung der absoluten Majestät und schlechthinnigen Überlegenheit Gottes über alle endliche, gegebene Wirklichkeit,⁸⁸ die Beschreibung Gottes als einer schaffenden Macht, welchen den Menschen ergreift und im Innersten packt⁸⁹ sowie das Festhalten an der die präzise Unterscheidung von Gott und Mensch wahrenden Souveränität und Heiligkeit Gottes⁹⁰ zeugen von der Bedeutung, die Schaeder der unaufhebbaren Subjektivität Gottes beizumessen vermag. Auch die Inversion der Subjekt-Objekt-Relation, wonach sich Gott im Glauben zum Objekt macht, wäre grundlegend missverstanden, bliebe Gott darin nicht gerade Subjekt. Letztlich ist es also Schaeders theozentrische Orientierung der Theologie, welche den Vorrang der Wirklichkeit vor der Möglichkeit nachdrücklich zum Ausdruck bringen soll. Der Möglichkeitsgrund für die Erkenntnis bzw. Erfahrung Gottes liegt demnach auch für Schaeder klar in der Selbst-Voraussetzung und Selbster-

        

Ders. Christliche Dogmatik,  (Hervorhebung hinzugefügt) u. . Vgl. z. B. Busch, Leidenschaft, . Vgl. Hempelmann, Subjektivität,  f. Barth, KD I/, . Ders., ebd. Vgl. oben S.  ff. Vgl. oben S. . Vgl. oben S. . Vgl. oben S.  ff.

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3 Bewertung der Kritik Barths

schließung des göttlichen Subjekts begründet. Insofern kann sich Schaeder der Kritik Barths gegen jede Form von anthropozentrischer Bewusstseinstheologie anschließen.⁹¹ Darüberhinaus wird man auch bei Schaeders Rede vom „Haben“ oder „Besitz“ Gottes eine Übereinstimmung mit Barths Gedanken von der „Konstanz“ der GottMensch-Relation ausmachen können. Denn nach Schaeder lässt sich der „Besitz“ Gottes nur im Sinne einer im fortdauernd applizierenden Verhalten Gottes gründenden permanenten Rezeption und einer damit zusammenhängenden fortdauernden Genese des Menschen verstehen.⁹² Die als permanente Rezeption verstandene Partizipation am Göttlichen bleibt dabei nach Schaeders Überzeugung der menschlichen Verfügbarkeit entzogen und wegen ihrer Unabgeschlossenheit auf Gottes permanente Geistmitteilung angewiesen.⁹³ Ohne den beständigen Empfang des Heiligen Geistes muss also der Mensch sofort wieder seiner egozentrisch-relationsnegierenden Platzanmaßung und damit der Beziehungslosigkeit verfallen.⁹⁴ „Besitz“ und „Haben“ Gottes bezeichnet somit auch bei Schaeder keineswegs eine empfangene menschliche Möglichkeit, sondern eine Möglichkeit, welche sich nur als geliehene in der Wirklichkeit des Empfangs gebrauchen lässt. Gott bzw. Gottes Geist zu haben, heißt demnach nichts anderes, als dass der Heilige Geist den Menschen hat und immer zu ihm kommt.⁹⁵ Im Unterschied zu Barth betont Schaeder dabei jedoch nachdrücklich die durch den beständigen Empfang des göttlichen Geistes sich jetzt ereignende radikale Veränderung und effektive Neukonstituierung des menschlichen Seins:⁹⁶ Christus ist durch den Heiligen Geist im Glauben anwesend und lässt durch sein unaufhörliches Kommen den Menschen an seiner Person und Werk partizipieren. Diese geistgewirkte inhabitatio dei bzw. permanente, den Menschen neu lozierende donatio spiritus sancti erweist sich dabei als eine den Menschen von sich selbst befreiende bzw. inanspruchnehmende und damit im Glauben erfahrbare Wirklichkeit.⁹⁷ Es kommt zur engsten Gemeinschaft, zur striktesten, nicht zu überbietenden Nähe des präzise vom Menschen unterschiedenen Gottes im Inneren des Menschen.⁹⁸ Das natürliche Triebleben des Menschen wird durch dieses  Vgl. oben S. .  Vgl. oben S.  f.  Vgl. ebd.  Vgl. oben S. .  Vgl. oben S.  ff.  Vgl. oben S.  f u. .  Vgl. oben S.  f. Die Einwohnung Gottes ist also auch nach Schaeder keine dem Menschen eigene Möglichkeit und niemals ein natürliches Vermögen des Menschen. Sie bleibt vielmehr ein Wunder Gottes. Dies deckt sich mit Barth. Vgl. z. B. Barth, KD I/,  f  Vgl. oben S. .

3.1 Empfangene Möglichkeit oder Wirklichkeit des Empfangs?

325

Hineingehen Gottes nach Schaeders Überzeugung dabei nicht aufgehoben, sondern verändert, transformiert und vollendet durch die Ausrichtung auf den majestätischen Gott.⁹⁹ In diesem Zusammenhang ist für Schaeder evident: Das eigentliche Subjekt bleibt der im Glauben und durch den Heiligen Geist gegenwärtige Christus, welcher unaufhörlich zum Menschen kommt, ihn an seiner Person und seinem Werk partizipieren lässt und deshalb auch als alleiniger Grund für die Gerechterklärung und Gerechtmachung des Menschen vor Gott zu gelten hat.¹⁰⁰ Pointiert formuliert bedeutet dies: Der Mensch empfängt seine Gerechtigkeit nicht von Christus, sondern nur mit Christus.¹⁰¹ Das heißt aber zugleich: Der Glaubende gewinnt nicht erst in seiner eschatologischen Existenz – also jenseits der Geschichte und auch jenseits des Todes – die engste, unüberbietbare Gemeinschaft mit Gott, sondern bereits in seinem irdisch-konkreten Leben. Die göttliche Wirklichkeit ist somit niemals eine virtuelle Wirklichkeit, die es allein zu erhoffen und zu erwarten gilt, sondern eine bereits für den irdisch-konkreten Menschen erfahrbare.¹⁰² Für Schaeder ist das der Grund dafür, dass sich die religiöse Erfahrung bzw. das Gotteserlebnis des Glaubens als unerlässliche Voraussetzung und Bedingung für alle theologische Arbeit erweist. Im Unterschied zu Barth kann es deshalb Theologie nur als Glaubenstheologie, Erfahrungstheologie, Geistestheologie und Dogmatik nur als produktive Explikation des Glaubens geben.¹⁰³ Eine auf der „Naturalisierung“¹⁰⁴ des Glaubens beruhende anthropozentrische Rückschlussmethode findet dabei zugleich Schaeders schärfste Kritik. Dies v. a. deshalb, weil bei einer naturhaft kausalen Verkettung oder bei einer durch die menschliche Selbsterfahrung beschränkten göttlichen Wirklichkeit die Souveränität und Freiheit Gottes aufs äußerste gefährdet wäre. Glaube ist deshalb niemals Natur- und Wesensbestandteil des Menschen, sondern freie Selbstvergegenwärtigung Gottes durch den Geist, nicht ein unumstößlicher Niederschlag im Inneren, sondern „das aus der persönlichen Verarbeitung des Erlebens Gottes gewordene und gewonnene direkte Verhältnis zu seiner Wirklichkeit“.¹⁰⁵ Davon also, dass es zu einer wesenhaften Verbindung und zu einer unverlierbaren Gemeinschaft mit Gott käme, kann auch bei Schaeder nicht die Rede sein. Denn der den Menschen effektiv verändernde und neukonstituierende Glaube, welcher Gott, Welt und

 Vgl. oben S. .  Vgl. oben S. .  Vgl. oben S. .  Vgl. auch zum Vorherigen: Oben S.  f.  Vgl. oben S. .  Vgl. oben S.  u. .  Vgl. oben S.  bzw. siehe: Weg, .

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3 Bewertung der Kritik Barths

Mensch auf eine neue Weise zu verstehen und zu erleben gibt, lässt sich niemals als eine ontologische oder anthropologische Konstante begreifen,von der aus Gott einholbar wäre, sondern bleibt – weil relational bestimmt – stets auch der angefochtene.¹⁰⁶ Glaube bleibt insofern mitten in seinem Besitzen Sehnsucht, aber Sehnsucht, welche in der Form glaubensgewisser Hoffnung einer vollkommenen Vereinigung mit Gott durch Christus entgegenstrebt.¹⁰⁷ Entgegen der scharfen Kritik Barths wird man also festhalten dürfen: Der methodische Ansatz beim Glauben und damit die Subjektivität des Zugangs entscheidet für sich noch nicht darüber, ob eine theologische Konzeption als anthropozentrisch zu gelten hat. Die Differenz zwischen Theozentrismus und Anthropozentrismus besteht vielmehr – fasst man die Theologie als Funktion des Glaubens – in der Pneumatologie. Denn der methodische Ansatz beim Glauben und die theozentrische Orientierung der Theologie lassen sich dann verbinden, wenn – wie bei Schaeder – in der Beziehung der Nähe zugleich die Souveränität und Externität des Geistes sowie damit die präzise Unterscheidung von Gott und Mensch, Schöpfer und Geschöpf gewahrt bleibt. Oder mit Schaeders eigenen Worten: „Hat die Theologie den Glauben zum Gegenstande, dann ist an und in diesem Objekt der Geist Gottes das Entscheidende. Denn der Glaube ist, was er ist, durch den Geist, und durch das Wort nur, weil Geist und Wort zusammengehören“.¹⁰⁸ Schaeders Theozentrismus wird man deshalb als pneumatischen Theozentrismus näher explizieren und Barths Urteil als Fehleinschätzung zurückweisen müssen.¹⁰⁹ Letztendlich dürfte es sich bei den Entwürfen von Schaeder und Barth um zwei unterschiedliche Modelle handeln, den „Gegenstand“ der Theologie bzw. das Kriterium der Dogmatik näher zu bestimmen. Unter der gemeinsamen Voraussetzung, dass in der Frage der Gotteserkenntnis die Wirklichkeit der Möglichkeit vorgeordnet ist, hat Theologie bei Schaeder und bei Barth nicht zu begründen, dass es so ist, wie Glaubende glauben, sondern zu explizieren und zu präzisieren, inwiefern es so ist.¹¹⁰ Kurz: Theologie ist produktive Explikation ihres vorgegebenen theologischen Gegenstandes. Nach Barths Auffassung bezieht sich die Theologie als Wissenschaft auf die Offenbarungswirklichkeit, das Faktum des „Deus dixit“, in welchem Gott seine Wahrheit für uns gegenständlich macht:¹¹¹ Das Wort Gottes begegnet dem Men-

     

Vgl. oben S.  f. Vgl. oben S. . Geistfrage, . Vgl. oben S.  f. Rieger, Theologie als Funktion, . Ebd.

3.1 Empfangene Möglichkeit oder Wirklichkeit des Empfangs?

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schen dabei allerdings nur indirekt, hat es doch eine dreifache Gestalt.¹¹² Jesus Christus ist das fleischgewordene, das offenbarte Wort Gottes. Dieses ist aber nur durch die Vermittlung der Heiligen Schrift und der auf ihr beruhenden kirchlichen Verkündigung zugänglich.¹¹³ An diese welthaften Gestalten des Wortes Gottes bleibt die Dogmatik gewiesen und muss ihnen entnehmen, wie das Wort Gottes ist.¹¹⁴ Vorausgesetzt ist dabei, dass das Wort erkenntnistheoretisch nicht durch Bewusstseinsakte konstituiert wird, sondern als Anderes außerhalb seiner selbst eingegentritt: als „Felsblock eines Du, aus dem kein Ich wird“.¹¹⁵ Nach Schaeders Einschätzung kann – wie oben gezeigt – nur durch die freie, göttliche Herablassung bzw. durch die Kondeszendenz des Geistes aus bezeugendem Wort präsentisches Wort Gottes werden.¹¹⁶ Bedingung für diese pneumatische Aktualisierung bleibt dabei, dass das bezeugende Wort an Christus als seiner Urform gebunden ist und in Christus und damit in Gott seinen maßgebenden Inhalt hat. Sofern nun mit dem Wort der Heilige Geist geeint ist oder sich eint, vergegenwärtigt sich Gott für diejenigen, zu denen es geredet wird oder die es hören.¹¹⁷ Gott wird der wirksam Nahe, doch so, dass dabei sein Sprechen in der Vergangenheit, im geschichtlichen Jesus Christus, stetig mitwirkt und fortdauert.¹¹⁸ Insofern ist die Dogmatik als produktive Explikation des Glaubens immer auch an die welthaften Gestalten des Wortes Gottes – das Hören des verkündigten

 Körtner, Theologie, .  Ebd.  Rieger, Theologie als Funktion,  f. Dass das Wort Gottes gleichbedeutend mit der Verkündigung, der Schrift und der Offenbarung Gottes ist, ist nach Barth nur in einer „doppelten Indirektheit“ (Barth, KD I/, ) wahr:Weil das Wort Gottes in seiner keineswegs nur äußerlichen Welthaftigkeit als Geheimnis begegnet, erscheint der göttliche Gehalt nicht nur in seiner menschlichen Gestalt, sondern ist in dieser darüber hinaus verhüllt. Nur in dieser doppelten Indirektheit sind die welthaften Gestalten von Verkündigung, Schrift und Offenbarung Gottes Wort nach seinem göttlichen Gehalt (Rieger, Theologie als Funktion, ). Die Dogmatik bekommt somit nach Barth ihren Gegenstand nur im Medium zweier Gestalt-Gehalt-Relationen, d. h. in Schrift und Verkündigung, zu Gesicht (Ders., aaO., )  Ders., aaO.,  sowie Barth, KD I/, .  Vgl. oben S. . Es besteht eine Nähe zur Auffassung Emil Brunners.Vgl. Körtner, Theologie, .  Vgl. oben S. .  Vgl. ebd. Eine Deckungsgleichheit von bezeugendem Wort und präsentischem Gotteswort lehnt Schaeder dabei ab. Erst aus der Perspektive der Glaubenserfahrung und damit nachgängig wird die Vereinigung von Menschwort und Gottes Wort evident. Das heißt: Allein der Glaube kann sagen, wo ihm Gottes Wort als Vereinigung von göttlichem Geist mit menschlichem Wort entgegenkommt. Der Glaube kann es sagen, wo ihm Gottes Geist entgegenkommt, weil der Glaube Geist „hat“. Nach Schaeder ist die Dogmatik deshalb an den Glauben gewiesen, welcher durch den göttlichen Geist immer durch das Wort gewirkt ist. Vgl. oben S. .

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3 Bewertung der Kritik Barths

bzw. das Lesen des geschriebenen Wortes des Evangeliums – gewiesen. Als Kriterium der Dogmatik wird man im Sinne Schaeders aber den durch den Heiligen Geist anwesenden Christus zu verstehen haben, welcher den Menschen durch das Wort unmittelbar in Anspruch nimmt und befreit. Diese wortvermittelte Selbstvergegenwärtigung Gottes darf dabei nicht verwechselt werden „mit sinnenfälliger Erfahrung […] noch […] mit der sog. Erfahrung, die wir als bereits Glaubende von der seelenbewegenden, willenantreibenden und willenerneuernden Kraft des Gottes machen“.¹¹⁹ Zusammenfassend kann somit festgehalten werden: Für Barth bleibt das Kriterium der Dogmatik streng jenseits des Menschen, außerhalb seiner selbst. Es liegt allein extrinsisch im Wort Gottes. Für Schaeder reicht das nicht aus. Ihm zufolge erweist sich Gott bzw. der Auferstandene selbst als Kriterium der Dogmatik und zwar so, wie er sich durch Wort und Geist dem Menschen unmittelbar zu erfahren gibt. Konkret wird dies im – zum Glauben an Gott veranlassenden – Grunderlebnis der unmittelbaren (und dennoch wortvermittelten!) pneumatischen Inanspruchnahme und Befreiung. Dieses veranlassende Grunderlebnis ist dabei von den inneren, persönlichen Erfahrungen des Glaubenden zu unterscheiden: Beim Grunderlebnis handelt es sich nach Schaeder um „das Erlebnis Gottes selber“, während es sich bei den Erfahrungen, die der Glaubende an sich macht, um Konsequenzen und Wirkungen des Grunderlebnisses handelt.¹²⁰ Mit anderen Worten: Das Kriterium der Dogmatik bildet für Schaeder die allein in Gottes Wirksamkeit gründende Berührung mit der objektiven¹²¹ göttlichen Wirklichkeit, die dem Menschen in völliger Passivität als Inanspruchnahme und Befreiung widerfährt.¹²² Fragt man abschließend nach den Ursachen für die scharfe Kritik Barths an Schaeder, dann lässt sich die Antwort insbesondere im soeben skizzierten Widerstreit zweier unterschiedlicher Modelle ausmachen. Oder mit anderen Worten: Barths Kritik dürfte gerade darum eine solche Schärfe haben, weil Schaeder sich

 Theozentrische Theologie  (), . Vgl. auch oben S. .  Vgl. oben S.  f.  Vgl. oben S.  f.  Hier besteht eine Nähe zu dem, was Barth als „Akt der Anerkennung des Wortes Gottes“ bezeichnet. Diese Anerkennung ist zwar als menschlicher Lebensvorgang feststellbar, erlebbar und beschreibbar, sie wird aber als wirkliche, „rechte“ Anerkennung nicht vom Menschen vollzogen, sondern sie widerfährt ihm aus Gnade. (Barth, KD I/, .  u. ). Nach Barth ist es nicht der (als menschlicher Lebensvorgang verstandene) Akt der Anerkennung als solcher, sondern „es ist das Wort, es ist Christus, […] der den Glauben zum Glauben, zur wirklichen Erfahrung macht.Wohlverstanden: weil er sich ihm zum Gegenstande gibt!“ (Barth, KD I/, ). Der Glaube als wirkliche Erfahrung setzt dann die Anerkennung des Wortes Gottes als die konkrete Gestalt der menschlichen Erfahrung in Kraft (AaO., ).Vgl. hierzu Schaeders Rede vom Grunderlebnis und von den Sekundärerfahrungen oben S.  f.

3.2 Heilsame Verunsicherung und seelsorgerlicher Trost

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mit demselben Problem beschäftigt, das Barth zu lösen versucht, nämlich das Gegebenwerden der „Gegenstände“ der Dogmatik. Der Dissens ergibt sich also an einer gemeinsamen Fragestellung – ein Eindruck, den Barth immer wieder verwischt, wenn er Schaeder einem anderen positionellen Lager zuordnet. Die von Schaeder bei Barth festgestellten Defizite in der Pneumatologie und Soteriologie dürften dann zusätzlich ihren Beitrag geleistet haben.¹²³ Auch wenn man also das scharfe Urteil Barths¹²⁴ wird entkräftigen dürfen, so geht vom ihm doch zugleich auch ein kritischer Impuls aus. Denn von Barth herkommend lässt sich die Frage stellen, ob es nicht hilfreich gewesen wäre, die als permanente Rezeption verstandene Partizipation am Göttlichen deutlicher mit der Bitte um den Heiligen Geist zu verbinden: Veni creator spiritus!¹²⁵ Die Wirklichkeit des Heiligen Geistes kann nämlich – wie Barth nachdrücklich betont hat – nicht vom Gebet um den Heiligen Geist abstrahiert werden.¹²⁶ Deutlicher wäre dann wohl im Entwurf Schaeders geworden, dass der Mensch fortdauernd mit leeren Händen vor Gott steht und zwar gerade auch dann, wenn er Gott „hat“ oder „besitzt“.

3.2 Heilsame Verunsicherung und seelsorgerlicher Trost Blickt man zurück auf die Darstellung von Schaeders Lebenswirklichkeit im ersten Teil dieser Arbeit, dann wird man behaupten können, dass die Ausformung der eigenen theologischen Position v. a. auf die Auseinandersetzung mit theologiegeschichtlichen und kirchenpolitischen Entwürfen zurückzuführen ist. Aber auch seine eigene Glaubenserfahrung hat wohl – wenn auch deutlich untergeordnet – die Ausformung der eigenen Position mit beeinflusst. Insbesondere seine Anfechtungserfahrungen, bei denen – aufgrund der Wahrnehmung des eigenen Ungenügens – die Gnade und Barmherzigkeit Gottes auf dem Spiel stand, wird man hierbei nicht übergehen dürfen. Sie haben Schaeder dafür sensibilisiert, beim Gottesverständnis die heilige und zu fürchtende Majestät Gottes aufs engste mit dessen unüberbietbarer Nähe beim und im Menschen zu verbinden. Nach

 Vgl. oben S. .  Der neuprotestantische Grundirrtum besteht nach Barth darin, nicht Gott, sondern den Menschen zum Thema der Theologie und damit Theologie in Anthropologie verkehrt zu haben (Jüngel, Karl Barth, ). Bei Schaeder wird dies nach Barths Überzeugung konkret feststellbar vor allem in der Aufhebung der „Subjektivität Gottes“ sowie im „Gottesbeweis des Cartesius“. Vgl. oben S.  ff.  Barth, Christliche Dogmatik,  f.  Barth, KD I/,  f. Vgl. auch: Obst, Veni Creator Spiritus!, : Das Gebet bringt die bleibende Angewiesenheit auf Gottes selbstgesetzte Präsenz zum Ausdruck.

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3 Bewertung der Kritik Barths

Schaeder gilt: Gott ist Liebe und damit derjenige, der die ganze rückhaltlose Selbsthingabe an die Welt der Sünder zur versöhnenden und lebenerneuernden Gemeinschaft will. Diese Gemeinschaft verwirklicht sich jetzt in der Gabe des Heiligen Geistes und findet im Eschaton ihre Vollendung im Sinne einer unverlierbaren Wesenseinigung mit Gott. Im Horizont der irdisch-zeitlichen Existenz des Glaubenden wäre dieser relationsstiftende Liebes- und Gnadenwillen Gottes missverstanden, wollte man ihn als Alternative zu dessen Machtwillen begreifen. Indem Gott Liebe ist, bleibt er nach Schaeders Überzeugung vielmehr Herr, indem er sich zur innigsten, innerlichen Gemeinschaft hingibt, „hält er in ergreifender Paradoxie gegenüber der persönlichen Kreatur und gegenüber ihrer sündhaften Bestimmtheit Distanz“.¹²⁷ Angesichts dieser Spannung zwischen göttlicher Nähe und Ferne erteilt Schaeder dann den – wohl auch aus seinen eigenen Anfechtungserfahrungen erwachsenen – Rat, den Blick auf die Vereinigung von absoluter Gnade und absolutem Gericht im Kreuzesgeschehen zu richten und so des Heils im Glauben gewiss zu werden. Schaeders seelsorgerliche Ausrichtung seiner pneumatisch-theozentrischen Theologie dürfte also gerade darin zu erkennen sein, dass er einerseits mit dem Hinweis auf die rational nicht aufzuhebende Spannung zwischen unüberbietbarer Liebesnähe und richterlicher Ferne der menschlichen Verfügbarkeit über Gott entgegentritt, andererseits aber zugleich um die aus dieser Spannung erwachsenen Anfechtungen weiß und sie durch den Hinweis auf das Kreuzesgeschehen zu überwinden trachtet.¹²⁸ Der Einfluss von Schaeders Anfechtungserfahrungen ist dann darüberhinaus auch bei seinen Ausführungen über den Glauben erkennbar: Das eigene Unvermögen und die eigene Schwachheit haben ihn z. B. dafür sensibel werden lassen, den Glauben weniger als Aufgabe des Menschen denn vielmehr als Gabe Gottes zu begreifen.¹²⁹ Für Schaeder hängt deshalb die Existenz des Glaubens am beständigen Empfang des durch seinen Geist sich selbst mitteilenden Gottes.¹³⁰ Mit der v. a. aus den theologiegeschichtlichen Auseinandersetzungen erwachsenen Explikation des Glaubens als Haben Gottes wendet sich Schaeder dann auch gegen einen rein forensisch, rein deklaratorisch-extrinsezistisch verstandenen Rechtfertigungsbegriff und betont die unauflösliche Verbindung des göttlichen Urteils mit dem das Sein des Menschen effektiv verändernden Handeln Gottes:¹³¹ Glaube ist innigste, durch Gottes versöhnende Liebe hergestellte Gemeinschaft zwischen göttlichem Ich und endli-

    

Theozentrische Theologie  (), . Vgl. auch zum Vorherigen: Oben S. . Vgl. auch zum Vorherigen: Oben S.  f. Vgl. oben S.  ff u.  ff.. Vgl. oben S. . Vgl. oben S.  u. .

3.2 Heilsame Verunsicherung und seelsorgerlicher Trost

331

chem Ich.¹³² Der Geist bzw. die Liebe Gottes darf dabei nicht als ein eingegossener und einwohnender Zustand begriffen werden, sondern als eine von außen das Innerste erreichende dynamische Wirklichkeit, welche beständig im Glaubenden so wirkt, dass sie ihn von sich selbst und seiner Selbstfixierung befreit und auf Gott bezieht.¹³³ Die Liebe und damit auch der Geist Gottes wird somit durchaus vom Glaubenden als eine seine Subjektivität unmittelbar bewegende und bestimmende Kraft erlebt.¹³⁴ Mit anderen Worten heißt dies: Das eigentliche Subjekt und die handelnde Person bleibt der in der ganzen Fülle seines Wesens durch den Heiligen Geist gegenwärtige Christus. Durch sein unaufhörliches Kommen lässt er den Menschen an seiner Person und seinem Werk partizipieren und hat somit als alleiniger Grund für die Gerechterklärung und Gerechtmachung des Menschen zu gelten.¹³⁵ Pointiert formuliert: Der Mensch empfängt seine Gerechtigkeit nicht von Christus, sondern mit Christus.¹³⁶ Das neue Leben des Menschen wird man demnach nicht als sein eigenes, verfügbares, sondern nur als Leben, das Christus durch den Heiligen Geist in ihm führt, bestimmen dürfen.¹³⁷ Nach Schaeder schaltet der Heilige Geist das menschliche Ich dabei nicht aus, sondern befreit den Menschen zu der ihm vom Schöpfer gegebenen Bestimmung.¹³⁸ Es kommt letztlich durch Gottes Geist zu einer beherrschenden Neuzentrierung des Menschen und zur Herstellung einer in der göttlichen Selbstmitteilung begründeten innigsten Glaubensgemeinschaft zwischen Gott und Mensch.¹³⁹ Vor allem die theologiegeschichtlichen Auseinandersetzungen, aber wohl auch – allerdings deutlich nachgeordnet – das Ringen mit der eigenen Sündhaftigkeit und Schwachheit dürften Schaeder also die Augen für den tragenden Sinn der Rechtfertigungslehre geöffnet haben. Demnach kann es in der Rechtfertigung nicht allein darum gehen, dass dem Sünder die Entlastung von der Schuld zuteil wird. Der tragende Sinn der Rechtfertigungslehre besteht vielmehr darin, dass der sündige Mensch den Heiligen Geist empfängt und so in die innigste Gemeinschaft mit Gott versetzt wird.¹⁴⁰ Rechtfertigung ist somit als pneumatisch-kreatives Beziehungsgeschehen zu verstehen, näherhin als geistgewirkte Aufhebung der relationsnegierenden Selbstfixierung des Menschen und als Aufrichtung der freimachenden Regentschaft Gottes im Menschen durch den Heiligen Geist.¹⁴¹ In Schaeders theologischem Entwurf lässt          

Vgl. oben S. . Vgl. oben S.  ff. Vgl. oben S. . Vgl. oben S. . Vgl. oben S. . Vgl. oben S. . Vgl. oben S. . Vgl. oben S.  f u. . Vgl. oben S. . Vgl. oben S. .

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3 Bewertung der Kritik Barths

sich also – so wird man festhalten können – auch ein Einfluss seiner Biographie bzw. seiner eigenen Glaubenserfahrung ausmachen. Insbesondere die Absicht, dem angefochtenen Gewissen seelsorglich Trost zu spenden, kann dabei als eine Art impliziter – wenn auch nicht überzubewertender – Leitgedanke seines theologischen Schaffens begriffen werden. Wesentlich komplexer als bei Schaeder stellt sich die Sachlage bei Barth dar. Im Hinblick auf seine theologischen Anfänge herrscht ein wissenschaftlicher Streit. Deshalb sollen nur einige Aspekte benannt werden, die wohl auf die Ausformung von Barths Theologie Einfluss genommen haben.¹⁴² Neben der kirchlichen Praxis („Predigtnot“)¹⁴³ lässt sich insbesondere Barths Auseinandersetzung mit theologiegeschichtlichen Positionen ausmachen.¹⁴⁴ Hinzu kommt, dass Barths Theologie von seiner Person und ihren historischen Bedingtheiten nicht zu isolieren ist.¹⁴⁵ So wird in der Forschung etwa die theologische Wende Barths, welche ihn den Gedanken der absoluten Souveränität Gottes in den Mittelpunkt stellen ließ, mit sehr unterschiedlichen biographischen Erlebnissen in Zusammenhang gebracht.¹⁴⁶ In der Auseinandersetzung mit Schaeder dürfte dabei vor allem das „schreckliche Manifest der 93 deutschen Intellektuellen“ und damit zusammenhängend die Erschütterung Barths über die Unterstützung der aggressiven deutschen Kriegszielpolitik seitens seiner Lehrer von Bedeutung sein.¹⁴⁷ Denn dieses Manifest bestärkte Barth darin, jegliche kurzschlüssige Identifizierung der göttlichen Wirklichkeit mit weltlichen Sachverhalten nachdrücklich zurückzuweisen. Obwohl Schaeder das Manifest nicht unterschrieben¹⁴⁸ und durchaus eine differenzierte Stellung zur Kriegsproblematik eingenommen hat, wird das Misstrauen Barths dabei auch ihm als einem Vertreter der Lehrergeneration gegolten haben. Denn Barths Erschütterung war – wie er im Rückblick formulieren kann – von grundsätzlicher Art: „Eine ganze Welt von theologischer

 Jüngel, Barth-Studien, .  Barth, Not,  ff.  Etwa Jüngel, Barth, Studien,  ff.  Ders., aaO., .  Henning, Lehre vom Heiligen Geist,  f. Einen nicht unbedeutenden Auslöser sah man z. B. im Aufruf der  Intellektuellen zum Krieg. Auch Barths Enttäuschung über den Sozialismus und die Haltung der SPD zur Kriegspolitik wurde als Auslöser angeführt. Eine weitere Erklärung für den theologischen Umbruch liegt nach Ansicht der Forscher in Barths Verärgerung auf Rade und seine Zeitung „Die christliche Welt“, dem er vorwarf, eine Rechtfertigung des Krieges zu betreiben, anstatt dagegen zu protestieren. Ein weiteres auslösendes Moment für die theologische Kehrwende sah man dann in der von Barth empfundenen Ohnmacht, Gott in der Predigt so zur Sprache zu bringen, dass es zur Gegenwart des Geistes Gottes kommt.  Barth, Nachwort, .  Vgl. oben S.  ff (insbesondere Anm. ).

3.2 Heilsame Verunsicherung und seelsorgerlicher Trost

333

Exegese, Ethik, Dogmatik und Predigt, die ich bis dahin für grundsätzlich glaubwürdig gehalten hatte, kam damit und mit dem, was man damals von den deutschen Theologen sonst zu lesen bekam, bis auf die Grundlagen ins Schwanken“.¹⁴⁹ Die von Barth namhaft gemachte Grundlagenkrise der Theologie dürfte sich dabei näherhin auf die – etwa im Kontext einer Kriegstheologie erkennbare – leichte Ideologisierbarkeit des „Erlebnis“-Begriffes bezogen haben.¹⁵⁰ Mit anderen Worten heißt dies: Im Erlebnis aktualisiert sich für Barth die sündige, von Gott abgekehrte Haltung. Das Geschöpf versucht, Gott eigenmächtig in den Griff zu bekommen. Das Erleben erweist sich demnach in den Händen des Menschen als Mittel, selbst zur absoluten Höhe hinaufzusteigen und an der tieferliegenden, göttlichen Wirklichkeit vorbeizugehen.¹⁵¹ Anstelle des Erlebnisses muss deshalb für Barth die Offenbarung Gottes als überindividuelle und universale Wirklichkeit Gottes treten.¹⁵² Damit soll verhindert werden, dass Gott als das Produkt oder gar die Projektion des menschlichen Bewusstseins erscheint.¹⁵³ Denn Gott bleibt Subjekt auch dann, wenn er vom Menschen erkannt wird, weil Gott selbst es ist, der sich dem Menschen zu erkennen gibt.¹⁵⁴ Barths These von der „unaufhebbaren Subjektivität Gottes“ als Leitthema seiner Theologie und eine damit verbundene, durchaus heilsam zu verstehende Verunsicherung des Menschen verschafft sich somit Ausdruck.¹⁵⁵ Pointiert formuliert bedeutet dies: Gott wird nie anders offenbartes Objekt denn als offenbarendes Subjekt ¹⁵⁶, der Mensch nie anders erfassendes Subjekt denn als von Gott erfasstes Objekt. Nun würde auch Schaeder einer solchen pointiert formulierten Position zustimmen können, allerdings mit dem Unterschied, dass Gott nach Schaeders Auffassung durch den Heiligen Geist „wirkliches Objekt unserer Erkenntnis“ und „Inhalt unserer Bewußtseins“¹⁵⁷ wird, während er nach Barths frühem Verständnis auch in seiner Offenbarung eine dem Bewusstsein transzendente Größe bleibt.¹⁵⁸ Denn Gott kann – so Barth etwa in seiner „Christlichen Dogmatik“ – nie Objekt im Bewusstsein des Menschen sein, sondern er bleibt unaufhebbares Subjekt und entzieht sich somit dem Zugriff des Menschen.¹⁵⁹ Man gibt deshalb nach Barth           

Barth, Nachwort, . Murrmann-Kahl, Mysterium trinitatis, . Kooi, Anfängliche Theologie, . Ders., aaO.,  ff sowie Murrmann-Kahl, Mysterium trinitatis, . Ders., aaO., . Ders., aaO., . Ders., aaO.,  f u. . Barth, Unterricht,  sowie Murrmann-Kahl, Mysterium trinitatis,  f. Wort Gottes,  f (Hervorhebung hinzugefügt). Z. B. Murrmann-Kahl, Mysterium trinitatis, . Barth, Christliche Dogmatik, .

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3 Bewertung der Kritik Barths

„nicht weniger als Gott selbst preis“, wenn man „nach dem Prachtgewand eines menschlichen Erlebnisses greift, als käme es darauf an, Gott in uns und nicht vielmehr uns in Gott zu begreifen“.¹⁶⁰ Kurz: Das Im-Menschen-Sein Gottes streitet gegen das „In-Gott-Sein des Menschen“¹⁶¹. Es muss deshalb darum gehen, sich in Gott anstatt Gott in sich zu entdecken.¹⁶² Dieser Erkenntnis wird der Mensch nach Barths Überzeugung nur im Glauben und im Gehorsam und damit letztlich durch das Wunder des Heiligen Geistes teilhaftig:¹⁶³ „Immer denkt unser Denken […] ein Objekt und insofern gerade nicht Gott. Im Glauben und Gehorsam nur ist es wahr, daß es gerade so Gott denkt. Immer steht unser Denken draußen, vor der Tür; im Geiste, im heiligen Geiste nur ist es wahr, daß es drinnen ist.“¹⁶⁴ Der Streit zwischen dem frühen Barth und Schaeder ist damit letztlich auch ein Streit um den Ort der Begegnung mit der göttlichen Wirklichkeit: Kann es bei Barth nur eine transzendente Begegnung außerhalb des Menschen geben, so betont Schaeder das pneumatisch-unmittelbare und heilsame Nähe schaffende Liebeshandeln Gottes im Menschen.¹⁶⁵ Eine transzendente streitet somit gegen eine immanente Verortung der Begegnung mit der göttlichen Wirklichkeit. Eine grundlegende Wandlung scheint sich dann aber im ersten Band der 1932 erschienenen „Kirchlichen Dogmatik“ vollzogen zu haben. Im Glauben – so kann Barth dort formulieren – „haben Menschen wirkliche Erfahrung vom Worte Gottes und kein finitum non capax infiniti, auch kein peccator non capax verbi divini darf uns jetzt hindern, diesen Satz mit allen seinen Konsequenzen ernst zu nehmen.“¹⁶⁶ Dieses Ereignis lässt sich deshalb auch als „religiöses Erlebnis“ und damit als höchst reales und bestimmendes Eintreten des Wortes Gottes in die Wirklichkeit des Menschen näher explizieren.¹⁶⁷ Oder anders formuliert: Im Glauben findet eine „Einwohnung Christi“ statt, die man aber – so fügt Barth sogleich hinzu – nicht in einen anthropologischen Satz wird übersetzen dürfen.¹⁶⁸ Denn auch wenn der Geist Gottes im Menschen wohnt, so bleibt er doch dem Menschen gegenüber der schlechthin Andere, Überlegene.¹⁶⁹ Gott bleibt Gott, der Sünder aber auch im Empfang des Heiligen Geistes Sünder.¹⁷⁰ Den Heiligen Geist zu haben heißt des          

Ders., aaO., . Ders., aaO., . Ders., aaO., . Ders., aaO.,  f. Ders., aaO., . Vgl. oben S.  ff. Barth, KD I/,  (Hervorhebung teilweise hinzugefügt). Ders., aaO., . Ders., aaO., . Ders., aaO.,  f. Ders., aaO., .

3.2 Heilsame Verunsicherung und seelsorgerlicher Trost

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halb, „Gott und gerade nicht sein eigenes Haben Gottes seine Zuversicht sein zu lassen“.¹⁷¹ Gott hört folglich auch in seiner Selbstmitteilung niemals auf, Subjekt zu sein.¹⁷² Kurz: Das Deus in nobis kann nur vom unaufhebbaren Subjekt Gottes her verstanden werden.¹⁷³ Überblickt man diese Äußerungen, so wird deutlich, dass Barth zwar weiterhin und nachdrücklich an der unaufhebbaren Subjektivität Gottes festhält, dass aber die Begegnung mit der göttlichen Wirklichkeit nun auch durchaus im Menschen stattfinden kann: „Es ist Gottes Wirklichkeit, indem Gott selbst den Menschen nicht nur von außen, nicht nur von oben, sondern auch von innen, von unten her, subjektiv gegenwärtig wird.“¹⁷⁴ Zusammenfassend wird man somit festhalten können: Beeinflusst durch die theologischen Auseinandersetzungen seiner Zeit – hier dürfte auch Schaeder einen entscheidenden Beitrag geleistet haben¹⁷⁵ – lässt sich in Barths „Kirchlicher Dogmatik“ zwar eine Entwicklung hin zur immanenten Verortung der Begegnung mit der göttlichen Wirklichkeit ausmachen, zu einer inneren Umgestaltung und präsentisch-fassbaren Neukonstitution des Menschen kommt es dadurch aber nicht. Auch im Empfang des Heiligen Geistes bleibt der Sünder vielmehr Sünder, an seinem inwendigen Lebensbestande ändert sich nichts.¹⁷⁶ Für Barth ist deshalb evident: „[W]ir können die Erlösung, […] sofern damit unser eigenes Sein behauptet sein soll, nur als zukünftige, d. h. als von Gott her auf uns zukommende verstehen. Wir haben sie im Glauben. Aber daß wir sie im Glauben haben, das heißt, daß wir sie als Verheißung haben. […] Wir glauben unser künftiges Sein, wir glauben an ein ewiges Leben mitten im Tal des Todes. So, in dieser Künftigkeit, haben und besitzen wir es.“¹⁷⁷ Nach Barth ist deshalb alles, was vom Heiligen Geist empfangenden, getriebenen und erfüllten Menschen zu sagen ist, eine eschatologische Aussage;¹⁷⁸ eschatologisch aber nicht – so fügt er zugleich hinzu – „uneigentlich, unwirklich gemeint, sondern: bezogen auf das […] für unser Erfahren und Denken noch Ausstehende, auf die ewige Wirklichkeit der göttlichen Erfüllung und Vollstreckung“.¹⁷⁹

 Ebd.  Vgl. oben S.  bzw. Barth, Christliche Dogmatik,  u. .  Ders., KD I/, .  Ders., aaO.,  (Hervorhebung hinzugefügt).  Auch wenn Barth unverändert an seinem scharfen Urteil über Schaeder festhält, so ist doch zu vermuten, dass die Diskussion von einigen Formulierungen Schaeders ihre Spuren hinterlassen haben; Spuren insofern, als dass Barth in der KD nun durchaus eine immanente Verortung der Begegnung des Menschen mit Gott annehmen kann.  Barth, KDI/, .  Ders., aaO., .  Vgl. ebd.  Ders., aaO.,  f. Vgl. ders., Heilige Geist,  ff.

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3 Bewertung der Kritik Barths

Gegen eine solche Eschatologisierung bezog Schaeder bereits schon vor Erscheinen von Barths „Kirchlicher Dogmatik“ eindeutig und betont Stellung: „Es ist nicht richtig, daß die Gerechtigkeit Gottes erst am Ende der Geschichte in der Form göttlicher Einwirkung auf den Menschen der Besitz des Menschen würde. Diese Einwirkung findet jetzt statt. Und zwar besteht sie darin, daß Gott schöpferisch, neuschöpferisch, ‚Wiedergeburt‘ wirkend den Glauben wirkt. […] Die Ansicht Barths […] verkennt, was es um den heute wirksamen Gottesgeist ist. Das πνεῦμα ist Bewirker der Gerechtigkeit, indem es Glauben wirkt, und es ist nicht nur die Macht, welche dem Menschen die Möglichkeit bietet, eine über ihn stehende Gnadengerechtigkeit, die am Ende der Geschichte an ihm zur Wirklichkeit werden wird, zu erfassen und zu glauben.“¹⁸⁰ Dem Sünder muss deshalb – folgt man Schaeders Urteil über Barth – die göttliche Wirklichkeit seiner neuen Existenz als unzugängliche, geheimnisvolle und unanschauliche, positiv ausgedrückt als eschatologische Wirklichkeit erscheinen; eine eschatologische Wirklichkeit, die es allein zu erhoffen und zu erwarten gilt.¹⁸¹ Der Sünder bleibt Sünder, da sich – obwohl er einen göttlichen, gnädigen Willen über sich hat – an seinem inwendigen Lebensbestande jetzt nichts ändert.¹⁸² Bei Barth kommt es also nach Schaeder infolge „der Versetzung des Rechtfertigungsvorgangs in die Transzendenz resp. in den Überzeugungskreis der Eschatologie“¹⁸³ zu Defiziten in der Pneumatologie und Soteriologie. Diese Defizite sind v. a. darin zu erkennen, dass der irdisch konkrete Mensch und Sünder unversöhnt bleibt und zugleich der Heilige Geist seine konkrete Wirkung auf die Lebenswirklichkeit verliert.¹⁸⁴ Bei aller Entwicklung hin zur größeren Nähe Gottes dominiert damit bei Barth die Furcht vor einer fatalen Identifizierung des Geistes Gottes mit Endlichem, Vergänglichem, Sündigem¹⁸⁵ und führt letztlich zu einer bleibenden Distanz zwischen Gott und Mensch. Anders verhält sich dies bei Schaeder: Er versucht zwar einerseits die präzise Unterschiedenheit zwischen Gott und Mensch zu wahren, andererseits aber zugleich die Distanz zwischen Gott und Mensch zu minimieren.¹⁸⁶ Der Heilige Geist bleibt nach Schaeder der dem Menschen gegenüber zutiefst Unterschiedene, nicht aber der vom  Wort Gottes,  f (Hervorhebung hinzugefügt).  Vgl. oben S.  f.  Wort Gottes, .  AaO., .  Vgl. oben S. .  Vgl. oben S. .  Vgl. oben S.  f. Die Ferne Gottes meint z. B. nach Schaeder nichts anderes als die distanzwahrende universale Nähe, mit welcher Gott in seiner schöpferischen Machtmajestät und richtenden Heiligkeit den Menschen auch dann nahe ist, wenn er ihnen persönlich fern bleibt.Vgl. hierzu z. B. oben S.  f.

3.2 Heilsame Verunsicherung und seelsorgerlicher Trost

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Menschen Geschiedene.¹⁸⁷ Mit anderen Worten heißt dies: Es ist der Heilige Geist, in welchem Gott dem Menschen näher kommt als dieser sich nahe zu sein vermag, die Aufhebung der Dislokation der Sünde bewirkt und im Menschen ein Kindschaftsverhältnis begründet. Der Heilige Geist erweist sich dabei als eine das Sein des Menschen effektiv verändernde, dynamische Wirklichkeit,welche sich beständig dem Glaubenden schenkt und so in ihm wirkt, dass sie ihn von sich selbst und seiner Selbstfixierung befreit und auf Gott bezieht.¹⁸⁸ Als sich beständig schenkender Geist lässt sich der Heilige Geist dann auch als demütiger, sich selbst erniedrigender und dadurch für den Menschen erfahrbarer Geist näher explizieren. Letztendlich dürfte es sich bei den Entwürfen von Barth und Schaeder um zwei unterschiedliche Modelle handeln, die Wirklichkeit Gottes in ihrem Verhältnis zur präsentisch-fassbaren Lebenswirklichkeit des Menschen näher zu bestimmen. Gemeinsame Voraussetzung sowohl von Schaeder als auch von Barth bildet die Betonung der Andersheit bzw. Majestät Gottes.Während nun Barth diese Andersheit über eine Eschatologisierung zu sichern versucht und einen Ansatz der Theologie beim Menschen nachdrücklich wehrt, verbindet Schaeder die Majestät Gottes mit der Pneumatologie und erreicht somit eine Zuwendung zur menschlichen Lebenswirklichkeit unter gleichzeitiger Wahrung der Andersheit Gottes. Oder anders formuliert: Beim frühen Barth macht die Diastase von Gott und Mensch die Pneumatologie zur Lehre von der wahren Wirklichkeit Gottes, welche dem irdischen Menschen transzendent ist.¹⁸⁹ In dieser wahren, transzendeten Wirklichkeit vollzieht sich durch den Heiligen Geist die Konstitution des Gläubigen als Menschen für Gott in Jesus Christus.¹⁹⁰ Die Beziehung des Heiligen Geistes zur welthaften Wirklichkeit bzw. zum als Sünder qualifizierten irdisch-konkreten Menschen droht dabei verloren zu gehen. In der „Kirchlichen Dogmatik“ formuliert Barth später differenzierter. Doch auch hier votiert er dagegen, das neue verliehene Sein mit dem irdisch-konkreten Sündersein in Verbindung zu setzen.¹⁹¹ Das neue Sein bleibt ein künftiges Sein, zu einer inneren Umgestaltung kommt es hier nicht.¹⁹² Schaeder seinerseits bewertet die von Barth vertretene Eschatologisierung als eine nicht zu rechtfertigende Übertreibung, „welche das Christentum auf die alttestamentliche Stufe zu drücken droht“.¹⁹³ Das „Hoffnungsmoment oder das

 Vgl. oben S.  bzw. Wort Gottes, .  Vgl. z. B. oben S.  ff.  Henning, Lehre vom Heiligen Geist, .  Ebd.  Vgl. ders., aaO., .  Vgl. oben S. . Damit ergibt sich auch die Schwierigkeit, wie ethisch sinnvoll im Rahmen der Pneumatologie argumentiert werden kann (Hennig, Lehre vom Heiligen Geist, ).  Geistproblem, .

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3 Bewertung der Kritik Barths

der wartenden Treue“ werde zum entscheidenden Merkmal des Glaubens erhoben, während „das der unbedingten Gemeinschaft mit dem nahen Gott der Versöhnung“ in den Hintergrund gerate.¹⁹⁴ Schaeder tritt deshalb dafür ein, präsentische Lebenswirklichkeit und Eschatologie stärker miteinander zu vermitteln: Dass der Glaube sich „stets von der Gegenwart mit ihrer rein im Glauben gehabten Nähe Gottes […] der Zukunft mit ihrer unverlierbaren Vereinigung mit Gott zuwendet, um dann […] wieder der Gegenwart zu leben, das steht für den, der das Wirken des Geistes Gottes im Glauben kennt, außer Zweifel.“¹⁹⁵ Dennoch sei es Barth hoch anzurechnen, dass er die Warnung vor der Gefahr einer kurzschlüssigen Identifikation des Geistwirkens Gottes mit weltlichen Sachverhalten tief ins theologische Bewusstsein eingebrannt habe.¹⁹⁶ Ein „theozentrischer Zug von deutlicher, bewußter Stärke“ gehe durch seine Theologie.¹⁹⁷

3.3 Relecture der Dogmatik aus pneumatologischer Perspektive Auch wenn die Biographien von Barth und Schaeder jeweils sehr unterschiedlich sind, so ist doch nicht zu übersehen, dass beide Theologen in ihrer Lebensgeschichte auch zahlreiche Parallelen aufzuweisen haben. Diese äußere Parallelität lässt sich dabei nicht nur auf die nähere Begegnung mit Persönlichkeiten wie Bornhausen¹⁹⁸, Rosenstock-Huessy¹⁹⁹, Bultmann ²⁰⁰, Iwand²⁰¹ oder Klepper²⁰² beziehen, sondern auch auf Aufenthalte in Bad Boll²⁰³ oder die Versehung einer Professur in Göttingen.²⁰⁴ Auch wenn sich noch weitere frappierende Ähnlichkeiten in der Lebenswirklichkeit aufzählen ließen,²⁰⁵ so haben diese Parallelitä-

 Ebd.  Ebd. Die Wirksamkeit des Heiligen Geistes in und beim Menschen hat nach Schaeder also einen irreduziblen präsentischen und erlebnisbezogenen Kern.  Wort Gottes,  sowie Henning, Lehre vom Heiligen Geist, .  Wort Gottes, .  Vgl. oben S.  u.  ff sowie Busch, Lebenslauf, .  Vgl. oben S.  sowie Busch, Lebenslauf, .  Vgl. oben S.  ff sowie Jaspert, Briefwechsel.  Vgl. oben S.  Busch, Lebenslauf, .  u. ö.  Vgl. oben S.  sowie Busch, Lebenslauf, .  Vgl. oben S.  ff sowie Busch, Lebenslauf,  ff.  Vgl. oben S.  ff sowie Busch, Lebenslauf,  ff.  Die äußere Parallelität in der Lebenswirklichkeit reicht sogar bis ins familiäre Umfeld hinein: Sowohl Schaeder als auch Barth mussten nach einem Unglücksfall jeweils einen Sohn zu Grabe tragen. Vgl. oben S.  sowie Busch, Lebenslauf, .

3.3 Relecture der Dogmatik aus pneumatologischer Perspektive

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ten – da sich Barth und Schaeder wohl nie direkt persönlich begegnet sind – für das gegenseitige Verständnis kaum einen Beitrag geleistet. Unverzichtbar bleibt die Erfassung der Lebenswirklichkeit von Schaeder bzw. Barth aber dort, wo das Verständnis der jeweils eigenen theologischen Position im Mittelpunkt steht. Kurz: Als Kontext der jeweiligen Lehre muss die entsprechende theologische Biographie stets mitbedacht werden. ²⁰⁶ In Barths Lebenslauf lassen sich dabei v. a. zwei deutliche Knotenpunkte markieren: zunächst die im Zusammenhang mit dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges stehende Abwendung von der liberalen Theologie des Neuprotestantismus und der Beginn von Barths dialektischer Phase. Im Verlauf dieser dialektischen Phase vollzieht sich dann mit der Hinwendung zur Denkfigur der Analogie die zweite große Kurskorrektur, an deren Ende Barths „Fides quaerens intellectum“ aus dem Jahre 1931 steht.²⁰⁷ Dieses Anselm-Buch erweist sich v. a. deshalb als höchst bedeutungsvoll, weil es die Erkenntnisgrundlage für Barths „Kirchliche Dogmatik“ bietet.²⁰⁸ Im Blick auf sein Hauptwerk war Barth sich dabei durchaus bewusst, dass es – den „Dombauten des Mittelalters“ gleich – ein „opus imperfectum“ bleiben musste.²⁰⁹ Und es konnte mit seinen insgesamt zwölf Bänden auch unvollendet bleiben.²¹⁰ Denn nach Barths Überzeugung ist die Aufgabe der Dogmatik nicht „Darbietung von allerlei Stoff“, sondern die „Bewegung dieses Stoffs“.²¹¹ Die Dogmatik hat nicht viele „Gegenstände“, sondern immer nur einen und denselben: Die von der Bibel bezeugte und von der Kirche zu bezeugende Offenbarung Gottes.²¹² Deshalb hat die Dogmatik an jedem Punkt so zu verfahren, dass sie unter je einem bestimmten Gesichtspunkt immer das Ganze und Eine des christlichen Credo ins Auge fasst.²¹³ Sie will immer wieder anders dasselbe sagen. ²¹⁴ Diesen Gedankengang greift das 1968 erschienene Nachwort zur Schleiermacher-Ausgabe auf:²¹⁵ Barth äußert darin die Erwartung, dass dasselbe, worum er sich jahrzehntelang gemüht hat, noch einmal ganz anders, nämlich pneuma-

 Jüngel, Barth-Studien,  sowie Becker, Erkenntnis, .  Becker, Erkenntnis,  f.  f. Dies ist in der Barth-Forschung inzwischen auch umstritten. Vgl. etwa: McCormack, Theologiegeschichtliche Ort,  ff sowie ders., Theologische Dialektik,  ff.  Busch, Leidenschaft, .  Barth, KD IV/, VII.  Busch, Leidenschaft, .  Barth, KD I/,  f. Vgl. auch Busch, Leidenschaft, .  Ders., ebd.  Ders., ebd.  Ders., aaO., .  Barth, Nachwort,  ff.

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3 Bewertung der Kritik Barths

tologisch, gesagt werden müsse.²¹⁶ Barth hat also am Ende seines Weges für die Zukunft „die Möglichkeit einer Theologie des 3. Artikels, beherrschend und entscheidend also des Heiligen Geistes“ ins Auge gefasst.²¹⁷ Anders als zu Beginn seines Schaffens²¹⁸ scheint die Zeit nach Barth Einschätzung dafür reif gewesen zu sein. Es drängt sich also die Vermutung auf, dass Barth am Ende seines Lebens vor einem dritten Wendepunkt stand: vor einer Relecture der gesamten Dogmatik aus pneumatologischer Perspektive. ²¹⁹ Damit ist die Möglichkeit eines Dialogs eröffnet, welcher damals zwischen Barth und Schaeder nicht möglich war.²²⁰ Denn eine Relecture aus pneumatologischer Perspektive deckt sich mit der Grundintention Schaeders, wonach die Pneumatologie als Kernfrage der Theologie zu werten und die Dogmatik unter diesem Blickwinkel zu reformulieren ist. Auch wenn es nicht in Schaeders Absicht lag, diese Relecture bzw. Reformulierung im Einzelnen materialiter durchzuführen, so konnte er sie doch insbesondere im Bereich der Erkenntnistheorie, in der Explikation des Glaubens sowie ansatzweise z. B. in der Rechtfertigungslehre, der Lehre vom Worte Gottes oder in seinen trinitätstheologischen Überlegungen aufzeigen. Man wird deshalb festhalten dürfen: Wenn Barth als „Wegbereiter“ eines pneumatologischen Denkens gelten kann,²²¹ so trifft diese Näherbestimmung auch auf Schaeder zu. Zu Recht lässt sich Schaeder deshalb „unter die Erneuerer der Theologie nach dem Ersten Weltkrieg“ einreihen.²²² Denn Schaeder war es, der auf beachtliche Weise die oft beklagte Geistvergessenheit durchbrochen und die

 Busch, Leidenschaft, .  Barth, Nachwort,  f.  Barth erwog zwar – wie Busch betont – schon viel früher „die Möglichkeit einer Theologie des . Artikels“, entschied sich dann aber doch in seinem Denken die christologische Ausrichtung seiner Theologie zu bevorzugen, weil eine pneumatologische Orientierung aufgrund der Fehlentwicklung im Neuprotestantismus schweren Missverständnissen ausgesetzt gewesen wäre. Aber auch Barths christologisch gefasste Theologie schloss eine bestimmte Lehre vom Heiligen Geist in sich und darf nicht einfach als Geistvergessenheit gebrandmarkt werden (Busch, Leidenschaft,  ff).  Hilberath, Pneumatologie, .  Ob eine Relecture der gesamten Dogmatik aus pneumatologischer Perspektive Barth zu einer Neubewertung von Schaeders Konzeption geführt hätte, bleibt allerdings sehr fraglich. Denn Barth hat Schaeders Entwurf schon von Beginn an nicht in seiner Differenziertheit erfasst, sondern stets nur sehr grob und unter dem Blickwinkel von Schlagworten in Augenschein genommen. Es hätte von Seiten Barths einer erneuten Auseinandersetzung und Lektüre bedurft, um Schaeders Konzeption in ihrer Tiefe zu verstehen. Das dazu notwendige Interesse Barths dürfte damals aber aufgrund des zeitlichen Abstands (mehr als drei Jahrzehnte nach Schaeders Tod) wohl kaum mehr verhanden gewesen sein.  Hilberath, aaO., .  Goertz, Geist, .

3.3 Relecture der Dogmatik aus pneumatologischer Perspektive

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Pneumatologie als Antwort auf eine Grundlagenkrise der Theologie mit Umsicht und Konsequenz ins Gespräch gebracht hat.²²³ Darin aber ist er wohl von Barth verkannt und mit einem bis heute wirksamen Urteil überzogen worden. Die Auseinandersetzung zwischen Barth und Schaeder gibt somit auch – so lässt sich abschließend festhalten – einen Einblick in die Anfangsjahre der sogenannten „dialektischen Theologie“.²²⁴ Sie zeigt die Kompromisslosigkeit der Theologie Barths insbesondere in Form der „Donnerschläge“ gegen den sogenannten Neuprotestantismus²²⁵. Barth verschont dabei auch Vertreter gegensätzlicher Richtungen nicht, obwohl diese Richtungen eher als Gegenkräfte und Gegenströmungen zum Neuprotestantismus zu verstehen sind.²²⁶ Für Barth unterliegen sie alle demselben neuprotestantischen Grundirrtum, wonach nicht Gott, sondern der Menschen zum Thema der Theologie erhoben und damit Theologie in Anthropologie verkehrt wurde.²²⁷ In dieser Kompromisslosigkeit ist Barth dem Werk Schaeders in seiner Tiefe nicht gerecht geworden.²²⁸ Schaeders Urteil über Barth fällt dagegen wesentlich differenzierter aus: So weiß sich Schaeder einerseits mit Barth durch die theozentrische Orientierung der Theologie sowie durch „eine nachhaltige Betonung des Majestätsmomentes in Gott“ verbunden.²²⁹ Andererseits aber kritisiert Schaeder bei Barth einen überzogenen „Distanzbegriff“ in Bezug auf Gott²³⁰: Wirksame „Gottesnähe und Geistesnähe“ im Glauben könne Barth in positivem Sinne nicht anerkennen.²³¹ Der an sich berechtigte Theozentrismus drohe sich deshalb zu übersteigern und zu

 Ders., aaO.,  f.  Ders., aaO.,  f.  Jüngel, Barth-Studien, .  Vgl. oben S.  f.  Jüngel, Karl Barth, . Seine Opposition gegen die damals herrschende Theologie rechtfertigt Barth auch noch Jahrzehnte später: „Hatten wir recht oder unrecht? Wir hatten schon recht: Man lese die ‚Glaubenslehren‘ von Troeltsch und Stephan! Man lese auch eine in ihrer Art so gediegene Dogmatik wie die von Lüdemann oder auch die von Seeberg! Wenn das keine Sackgassen waren! Nicht irgendeine Verschiebung innerhalb der überkommenen Fragestellung, wie sie zuletzt etwa von Wobbermin, von Schaeder, von Otto versucht wurde, sondern genau diese radikale Wendung war damals zweifellos fällig. Das Schiff drohte auf Sand zu fahren; der Moment war da, das Steuer eben in diesem Winkel von  Graden herumzuwerfen“ (Barth, Die Menschlichkeit Gottes,  f).  Schaeder wirft wohl zu Recht Barth eine oberflächliche Wahrnehmung seiner Werke vor. So etwa: Pfarrer, .  Geistfrage, . In diesem Sinne kann Schaeder auch der Äußerung Kattenbuschs zustimmen, dass er den eigentlichen Grundgedanken Barths in seiner Weise schon vorweggenommen habe (Ebd.) bzw. an der dialektischen Theologie „nicht unbeteiligt“ sei (Pfarrer, ).  Geistfrage, .  AaO., .

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3 Bewertung der Kritik Barths

überschlagen.²³² Insofern liegen nach Schaeders Urteil bei Barth Wahrheit und Verkehrung ineinander.²³³ Mit seiner Einschätzung übersieht Schaeder dabei auch nicht, dass Barths Gedankengang einer Entwicklung unterliegt. So gesteht er zu, dass Barth in der „Christlichen Dogmatik“ durchaus vorsichtiger und sachlicher geworden sei als in seinen früheren Schriften.²³⁴ Dass Barths Gedankengang immer mehr fortschreiten,²³⁵ sich ihm immer mehr annähern²³⁶ und gegen Ende sogar vor einem pneumatologischen Wendepunkt stehen würde, konnte Schaeder aber damals – über drei Jahrzehnte vorher – nicht erahnen.

 Pfarrer, .  Theozentrische Theologie  (), .  Pfarrer . Mit der materialen Ausarbeitung der „Christlichen Dogmatik“ verabschiedet sich Barth implizit von seiner „dialektischen“ Phase und vor allem von seinen Weggefährten. Vgl. Murrmann-Kahl, Mysterium trinitatis,  u. . Nach Schaeders Überzeugung bleibt es aber auch in diesem Werk bei der „Tendenz, Diesseits und Jenseits, Gott und Welt tunlichst auseinanderzuhalten“. Siehe: Pfarrer, . Als Folge ergibt sich eine Schmälerung der Liebe und Gnade Gottes sowie der Rechtfertigung des Gottlosen. Denn Liebe und Gnade ist – so Schaeders Auffassung – Selbstmitteilung, ist „Geist“ werden im Anderen, die Rechtfertigung ist „eine wirkliche Selbstversetzung des heiligen, liebenden Gottes in die Glaubensgemeinschaft mit dem Sünder“ (AaO.,  u. ).  Nach Obst ist schon in Barths früheren Werken, angefangen vom „Unterricht in der christlichen Religion“ bis zu den Prolegomena der „Kirchlichen Dogmatik“, eine zunehmende Betonung der Wirklichkeit des Heiligen Geistes auffallend (Obst, Veni Creator Spiritus!, ).  So kann Barth etwa vom „Einssein mit Christus“ (Barth, KD I/, ), von der im Wort Gottes und im Heiligen Geist vollzogenen „Synthese“ (Ders., aaO., ) oder von der – allerdings transeunt zu verstehenden – Gegenständlichkeit Gottes reden (Busch, Leidenschaft,  ff). Braun weist darauf hin, dass nach Barths „Kirchlicher Dogmatik“ die Glaubenden – in subjektiver Wirklichkeit – als Empfangende so in den Akt der Offenbarung Gottes einbezogen werden, dass sie nun – durch den Heiligen Geist – „selber in ihrer Existenz Offenbarung nicht nur haben, sondern […] selber sind.“ (KD I/,  bzw. Braun, Arbeiten, ).

Teil IV: Die Bedeutung der Pneumatologie Erich Schaeders

Thesen Auch wenn Schaeders Werk weitgehend in Vergessenheit geraten ist, so darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass seine Ausführungen heute noch von hoher Aktualität und Relevanz sind. In Form von Thesen soll deshalb abschließend die Bedeutung von Schaeders Pneumatologie herausgestellt und gewürdigt werden¹: 1. Allein die freie Selbstvergegenwärtigung Gottes durch den Geist ermöglicht Gotteserkenntnis und gewährleistet zugleich den Wirklichkeitsbezug der religiösen Erkenntnis. Grundsätzlich ist Gott niemals Objekt, sondern Subjekt, Subjekt durch seinen Geist; der Mensch dagegen nicht Subjekt, sondern Objekt. Nicht der Mensch erkennt Gott, sondern Gott gibt sich durch den Heiligen Geist dem Menschen zu erkennen. Gott schafft sich also durch seinen Geist allererst das Subjekt seiner Erkenntnis. Insofern ist der Mensch nur so Subjekt, dass er dieses Subjekt durch den Heiligen Geist immer wird. Nur der Heilige Geist vermag deshalb den Bezug des Menschen zur göttlichen Wirklichkeit zu gewährleisten, weil dieser Geist selbst die souveräne und majestätische Wirklichkeit Gottes in ihrer Wirksamkeit beim und im Menschen ist. 2. Das Verständnis der Dogmatik als produktive Explikation des Glaubens misst dem Geist Gottes als conditio sine qua non des Glaubens höchste Relevanz zu. Insofern stellt die Pneumatologie selbst ein Explikationsmodell ersten Ranges für die Theologie dar. Bestimmen Raum und Zeit als die subjektiven Bedingungsformen der Sinnlichkeit die Grenzen aller menschlichen Erkenntnis, dann kann die göttliche Wirklichkeit – da sie sich jenseits dieser Grenze von Erkenntnis und Wissen befindet – nur erkannt werden, wenn sie sich durch den Heiligen Geist im Glauben zu erkennen gibt. Daher hat es die Dogmatik mit dem Glauben zu tun, sie ist Glaubenslehre bzw. pneumatisch-produktive Explikation des Glaubens. Höchste Bedeutsamkeit kommt dabei dem Geiste Gottes zu. Denn er erlaubt es, den Zusammenhang von Gott und Glaube so zu explizieren, dass einerseits die Souveränität und Macht Gottes als auch andererseits Gottes unüberbietbare Nähe beim und im Menschen gewahrt bleibt. Insofern lassen sich der methodische Ansatz beim Glauben und die theozentrische Orientierung der Theologie miteinander verbinden.

 Die entsprechenden Belege werden hier nicht nochmals wiederholt. Sie sind leicht den vorangehenden Abschnitten zu entnehmen. DOI 10.1515/9783110490916-011

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IV Die Bedeutung der Pneumatologie Schaeders

3. Die göttliche Wirklichkeit ist die alles bedingende Wirklichkeit. Sie ist nichts Statisches, sondern schaffende Macht bzw. göttliche Wirksamkeit durch den Geist. Dem Menschen gegenüber erweist sich die pneumatisch-dynamische Wirklichkeit Gottes als beziehungswirkende Wirklichkeit. Gott ist nicht nur Wirklichkeit, sondern aller Wirklichkeiten Wirklichkeit. Alles Wirkliche ist nur aus ihm und durch ihn wirklich, besitzt also lediglich einen abgeleiteten, sekundären Wirklichkeitscharakter. Trotz ihrer Vielgestaltigkeit und Diversität bleibt die irdische Wirklichkeit damit letztlich einheitlich strukturiert und bildet die eine von Gott abhängige und bedingte Wirklichkeit. Die schlechthinnige Überlegenheit Gottes über alle endliche Weltwirklichkeit konkretisiert sich dabei in der daseinskonstitutiven Beziehung Gottes zur Welt und zugleich in der beziehungswirkenden Relation zum Menschen: Gott greift in der Kraft des Heiligen Geistes in das Innerste des Menschen ein und verleiht sich selbst innerlich erlebbare, überführende Wirklichkeit. Nur in seiner Weltrelation und einer ihr korrespondierenden Glaubensbeziehung kann Gott also erkannt werden, während Gottes Ansichsein unerreichbar bleiben muss. Dem Glauben als persönliche Beziehung zur Wirklichkeit Gottes, als Beziehung, welche die Beziehung Gottes zum Glaubenden als ihr begründendes Komplement bei sich hat, kommt somit für die Erkenntnis der göttlichen Wirklichkeit höchste Relevanz zu. Dieses pneumatisch-dynamische Wirklichkeitsverständnis, wonach das Wirkliche als das Wirksame, Mächtige, Schöpferische näher bestimmt und geradezu als Wirklichkeitsmacht bezeichnet werden kann, zählt zu den zentralen Punkten eines pneumatischen Theozentrismus. 4. Im Glauben gibt sich Gott dem Menschen durch Wort und Geist unmittelbar zu erleben. Infolge dieser wortvermittelten und doch zugleich unmittelbaren Selbstvergegenwärtigung Gottes durch den Heiligen Geist erlebt der Glaubende unmittelbare pneumatische Inanspruchnahme und Befreiung. Der Glaube lässt sich deshalb auch als direktes, weil geistgewirktes Verhältnis zur göttlichen Wirklichkeit näher explizieren. Im Glauben erlebt der Mensch nicht direkt und grundlegend sich selbst und tritt damit selbst in das Zentrum der Erfahrung, während Gott aus ihr hinausgeschoben wird. Glaubenserlebnis ist vielmehr in der göttlichen Selbstvergegenwärtigung gründendes direktes Erlebnis Gottes. Dieses den Glauben bedingende und in der Form des Glaubens erfahrbare Grunderlebnis meint dabei nichts anderes als die vom Wort ausgehende und durch den Heiligen Geist gewirkte unmittelbare Inanspruchnahme und Befreiung des Menschen durch Gott selbst: In völliger Passivität erleidet oder erfährt der Mensch diese vermittelte Unmittelbarkeit und wird dadurch zugleich in eine spontane,

IV Die Bedeutung der Pneumatologie Schaeders

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aktive Reaktion versetzt. Den damit verbundenen subjektiv-psychologischen Bestimmtheiten des Glaubens – etwa persönliche Furcht, Demut, Erhebung oder Selbsthingabe – kommen als Konsequenzen bzw. Wirkungen dieses Grunderlebnisses nur die Bedeutung von Sekundär-Erfahrungen zu: Ihr Deutungs- und Interpretationsrahmen bleibt das wortgebundene und geistgewirkte Kernerlebnis der unbedingten Inanspruchnahme und Befreiung. 5. Die Explikation des Glaubens als „Besitz“ oder „Haben Gottes“ hebt die seinsbestimmende, ontologische Dimension des Glaubens hervor. Dies darf aber nicht im Sinne einer ontologischen oder anthropologischen Konstante verstanden werden, von der aus Gott einholbar wäre. Man hat Gott vielmehr nur so, dass er sich durch Wort und Geist zu erfassen gibt. Der relationale Charakter des Glaubens hat – fasst man die Theologie als Funktion des Glaubens – für die theozentrische Orientierung der Theologie grundlegende Relevanz. Denn der methodische Ansatz beim Glauben und die theozentrische Orientierung einer theologischen Konzeption lassen sich nur dann miteinander verbinden, wenn – kritisch gegen jegliche Anthropologisierung der Pneumatologie – im Glauben als der Beziehung der Nähe zugleich die Souveränität und Externität des Heiligen Geistes bzw. die präzise Unterscheidung von Gott und Mensch, Schöpfer und Geschöpf gewahrt bleibt. Das Verständnis des Glaubens ist demnach einerseits gegenüber einem substanzontologischen Denken bzw. einer intimen, die Differenz zwischen Gott und Mensch auflösenden Unschärferelation abzugrenzen. Zugleich darf aber andererseits die seinsbestimmende, ontologische Dimension des Glaubens nicht geschmälert werden. Die Explikation des Glaubens als „Besitz“ oder „Haben Gottes“ kann deshalb nur pneumatologisch recht verstanden werden. Mit anderen Worten: Die Stiftung der Relation zwischen Gott und dem Menschen lässt sich als ein pneumatisch-kreatives, den Sünder durch den geistgewirkten Eintritt in die Gemeinschaft mit Gott radikal veränderndes und neu konstituierendes Relationsgeschehen bestimmen. Der letztlich im relationsstiftenden Liebeshandeln Gottes gründende Glaube bleibt dabei stets auch der angefochtene: er kann vergehen und mit ihm auch sein Besitz. 6. Der Glaube lebt vom schlechthin nahen Innenwirken des Geistes Gottes auf menschlichen Geist. Diese auch als „Synthese“ bezeichenbare Unmittelbarkeit der göttlichen Geistwirkung ist lokal zu verstehen: Gott kommt dem Menschen näher als dieser sich selbst nahe zu sein vermag, bewirkt die Aufhebung der Dislokation der Sünde und begründet im Menschen ein Kindschaftsverhältnis. Der im geistgewirkten Näheverhältnis stehende Mensch weiß sich aber zugleich – richtet er seinen Blick

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auf die Majestät und Heiligkeit Gottes – als Kreatur und Sünder von Gott geschieden. Sowohl Gottes schöpferische Machtmajestät über die Welt als auch seine richtende Selbstversagung wären missverstanden, wollte man sie mit der radikalen Ferne bzw. der absoluten Distanz Gottes in Verbindung bringen: Gott ist vielmehr auch den Sündern nahe – allerdings nicht in seiner unüberbietbaren Liebesnähe, mit der er dem Menschen näher kommt als dieser sich selbst nahe zu sein vermag. „Ferne Gottes“ meint so verstanden dann aber nichts anderes als die distanzwahrende universale Nähe Gottes, mit welcher er in seiner schöpferischen Machtmajestät und richtenden Heiligkeit den Menschen auch dann nahe ist, wenn er ihnen persönlich fern bleibt. Die daraus sich ergebende und rational nicht aufzuhebende Spannung zwischen göttlicher Liebesnähe und richterlicher Ferne bzw. zwischen individueller und universaler Nähe Gottes hat pneumatologisch hohe Relevanz: Ohne den Kontrapunkt der Ferne Gottes fiele dessen individuelle Geistesnähe der Gefahr einer Anthropologisierung, ohne den Kontrapunkt der Liebesnähe Gottes dessen universale Geistesnähe der Gefahr einer deistischen Distanzierung Gottes von der Welt anheim. 7. Der Glaubende hat den Geist Gottes nur so, dass er ihn immer empfängt. Hängt nun die Existenz des Glaubens am beständigen Empfang des durch seinen Geist sich selbst mitteilenden Gottes, dann lässt sich – da ununterbrochenes Empfangen als eine Form des „Habens“ und „Besitzes“ gefasst werden kann – diese permanente Rezeption auch als Partizipation näher explizieren. Dabei wird man jedoch zu beachten haben, dass die als permanente Rezeption verstandene Partizipation am Göttlichen der menschlichen Verfügbarkeit entzogen und wegen ihrer Unabgeschlossenheit auf Gottes neuschöpferische Geistmitteilung angewiesen bleibt. Der Mensch hat Gottes Geist nur so, dass dieser immer von neuem zu ihm kommt und das neue Leben im Glauben bewirkt. In Analogie zu Gottes weltschöpferischem lässt sich also auch dessen neuschöpferisches Handeln als fortdauernde Genese, als anhaltendes Kommen des Geistes Gottes zum Menschen, als permanente Selbstmitteilung Gottes, kurz: als creatio continua, näher explizieren. Vorhandener Glaube bleibt so verstanden immer eine seiende und eine immer werdende Beziehung zu Gott. Unter lokalem Aspekte besagt die Rede vom „Haben“ oder „Besitz“ des Geistes Gottes dann aber nichts anderes, als dass der Heilige Geist dem Menschen unüberbietbar nahe kommt, ihn von sich selbst befreit, ihn aus dem Personzentrum heraussetzt sowie sein Innerstes ausfüllt und beherrscht. Diese Herrschaft des im Personzentrum immanenten Geistes macht den Menschen dann im eigentlichen Sinne erst zum – der Gottes- und Nächstenliebe fähigen – Subjekt.

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8. Dass der Geist Gottes im Innersten des Glaubenden ist und sein Personzentrum ausfüllt, bedeutet zugleich, dass der Glaubende außerhalb desselben ist, lebt und wandelt. Der Geist Gottes – damit auch seine Liebe und Gnade – sind folglich ganz und gar nicht als ein eingegossener und einwohnender Zustand zu begreifen, sondern vielmehr als eine dynamische göttliche Wirklichkeit, welche beständig im Glaubenden so wirkt, dass sie ihn von sich selbst befreit und aus seinem Personzentrum heraussetzt. Das neue Leben des Menschen ist deshalb nicht als sein eigenes, verfügbares Leben, sondern nur als ein Leben, das Gott durch den Heiligen Geist in ihm führt, näher zu bestimmen. Der Heilige Geist als das InSein Gottes überkommt den Menschen dabei nicht als eine vergewaltigende Kraft, er schaltet das menschliche Ich nicht aus, sondern er befreit den Menschen vielmehr zu der ihm vom Schöpfer gegebenen Bestimmung. Die ekstatische Wirkungsweise des Geistes Gottes ist weniger im Sinne einer Versetzung in den in Jesus Christus offenbaren Gott extra nos als vielmehr im Sinne der – von außen das Innerste erreichenden, Befreiung von der Selbstfixierung bewirkenden und auf das Christusgeschehen extra nos beziehenden – Gottesgegenwart in nobis zu bestimmen. So verstanden meint die innerste BewusstseinsImmanenz Gottes niemals die Herrschaft über Gott, sondern vielmehr das Beherrschtwerden durch Gott, niemals die substantiale Einheit von Gott und Mensch, sondern vielmehr die wirkende Gegenwart Gottes im Innersten des Menschen, niemals eine Anthropologisierung des Geistes Gottes, sondern vielmehr die beherrschende Neuzentrierung des Menschen. Damit verschafft sich die Inversion der Subjekt-Objekt-Relation auch bei der relationsontologischen Bestimmung des Menschen Ausdruck. Der Vorwurf einer gratia infusa würde den skizzierten Sachverhalt verkennen. Denn auch wenn dem Menschen die Gnade Gottes als Gabe zugeeignet wird, so ist dieses donum nur pneumatologisch als donatio spiritus sancti recht zu verstehen. 9. Die „Rechtfertigung“ des Sünders meint nichts anderes, als dass Gott selbst sich durch den Heiligen Geist dem Menschen schenkt und im Glauben anwesend ist. Die Gerechtigkeit des Menschen lässt sich so verstanden als eine „fremde“, zugleich aber auch als eine das Sein des Menschen effektiv-verändernde und neu konstituierende Wirklichkeit näher bestimmen. Das eigentliche Subjekt bleibt dabei der durch den Heiligen Geist gegenwärtige Christus, welcher durch sein unaufhörliches Kommen den Menschen an seiner Person und seinem Werk partizipieren lässt und somit als alleiniger Grund für die Gerechterklärung und Ge-

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rechtmachung des Menschen zu gelten hat. Kurz: Der Mensch empfängt seine Gerechtigkeit nicht von Christus, sondern nur mit Christus. Die Rede vom „Haben“ oder „Besitz“ Gottes wäre grundsätzlich missverstanden, wollte man sie als Bezeichnung für etwas Geschaffenes im Menschen verstehen und damit die Qualität und Moralität des natürlichen oder geistlichen Menschen in irgendeiner Weise wieder zum Wirklichkeits- oder Möglichkeitsgrund für die Rechtfertigung des Sünders und sein Bestehen im Gericht werden zu lassen. Recht verstanden wendet sich die Explikation des Glaubens als „Haben Gottes“ vielmehr gegen einen rein imputativ, rein deklaratorisch-extrinsezistisch verstandenen Rechtfertigungsbegriff. Als alleiniger Grund für die Rechtfertigung des Menschen erweist sich der durch den Heiligen Geist im Glauben gegenwärtige Christus, welcher den Menschen an seiner Person und seinem Werk teilhaben lässt. Diese in Gottes Selbstmitteilung begründete Teilhabe an der göttlichen Wirklichkeit konstituiert den Menschen als Beziehungspartner so, dass dieser ohne den beständigen Empfang des göttlichen Geistes bzw. ohne den im Glauben gegenwärtigen Christus sogleich wieder seiner egozentrisch-relationsnegierenden Platzanmaßung und damit der Beziehungslosigkeit verfallen muss. Der den Menschen effektiv verändernde und neukonstituierende Glaube lässt sich deshalb nicht als eine ontologische oder anthropologische Konstante begreifen, sondern bleibt stets auch der angefochtene. Insofern bleibt der Glaube mitten in seinem Besitzen Sehnsucht, aber Sehnsucht, welche in der Form glaubensgewisser Hoffnung einer vollkommenen Vereinigung mit Gott durch Christus entgegenstrebt. 10. Der Begriff „Mystik des Glaubens“ steht für Gottes unüberbietbare Nähe, genauer: für die geistgewirkte und damit unmittelbare Gottes- und Christusnähe. Die unio mystica bzw. die „Synthese“ zwischen Gott und Mensch bringt pneumatologisch verstanden also nicht die Relationalität, mithin die Differenz von Subjekt und Objekt in einer intimen Unschärferelation zum Verschwinden, sondern ist Ausdruck der engsten Relation, der striktesten, nicht zu überbietenden Nähe des präzise vom Menschen unterschiedenen Geistes Gottes im Inneren des Menschen. Gottes Hineingehen in den Menschen hebt dabei das natürliche Triebleben des Menschen nicht auf, sondern verändert, transformiert und vollendet es durch die Ausrichtung auf den majestätischen Gott. Mystik als Vereinigung des Menschen mit Gott ist nicht im Sinne einer die Unterschiedenheit nivellierenden Identität, sondern im Sinne der innigsten, die Verschiedenheit wahrenden Gemeinschaft zwischen Gott und Mensch zu verstehen. Diese Definition des Begriffs Mystik richtet sich kritisch gegen ein rein promissionales Wortverständnis und rückt die Pneumatologie als Kernfrage der

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Theologie ins Blickfeld. Als charakteristisches Kennzeichen der Glaubens- oder Geistesmystik erweist sich dabei im Unterschied zu allen anderen Formen der Mystik gerade die geistgewirkte Vereinigung von Kontrastmomenten: die Vereinigung von Geschichte und Ewigkeit, von Weltbezug und Fremdheit in der Welt, von Isolation und Sozialisation, von sittlicher Inanspruchnahme und sittlicher Befähigung. Das bedeutet: Überall dort, wo mit der Mystik ein Geschichts- und Weltverlust einhergeht, wo sich sittliche Indifferenz breitmacht und wo die Mystik zu einer Separation von der Gemeinschaft führt, muss die Differenz zwischen der Mystik und der Erfahrung der Gottes- und Christusgegenwart unüberbrückbar bleiben. 11. Nur vom göttlichen Geist und damit vom Glauben aus geht der Blick in die Tiefe der endlichen Wirklichkeit. Der Glaube als souveräne Geistwirkung gibt die Welt und mit ihr den Menschen auf eine neue Weise zu verstehen und zu erleben, er deckt eine Tiefendimension auf, die der „normalen“ Wahrnehmung verborgen bleibt. Der geistgewirkte Glaube kann deshalb als der entscheidende Wahrheitsfaktor unseres Seins bezeichnet werden; ein Wahrheitsfaktor, der sich – unter der Voraussetzung, dass man sich auf ihn einlässt – in der Lebenswelt als gültiger und tragfähiger Grund des Daseins erweist. Die mit dem Begriff „Wahrheit“ bezeichnete Entsprechung oder Konvergenz zwischen Aussage und (göttlicher) Wirklichkeit kann nicht anders als durch das Erleben und damit geisthaft erfasst und zur Geltung gebracht werden.Wahrheit ist nicht nur irgendeine richtige Erkenntnis, nicht bloß ein formaler Begriff im Rahmen einer erkenntnistheoretischen Fragestellung, sondern v. a. die Begegnung mit dem allein wahren Gott. Wahrheit ist ganzheitlich ausgerichtet, indem sie den Menschen befreit und zugleich in Anspruch nimmt. Wahrheit erweist sich somit nicht nur als eine erkenntnistheoretische und sprachlogische Instanz, sondern v. a. als einen das Zentrum des christlichen Glaubens und der Existenz des Glaubenden zur Sprache bringender Begriff. Der christliche Glaube schließt dabei empirische Fakten in den Aufweis seiner Wahrheitsgründe ein, seine innere Wahrheitsgewissheit lässt sich dadurch aber letztlich weder verifizieren noch falsifizieren. Mit anderen Worten heißt dies: Die Funktion der Lebenswelt als Kontext des christlichen Glaubens erstreckt sich weder auf die Verifikation noch auf die Falsifikation der Wahrheit des Glaubens. Der Glaube hat sich nicht an der Lebenswelt zu bewähren und als wahr zu erweisen, sondern der Glaube bringt erst die Lebenswelt zu ihrer Wahrheit im Sinne ihrer eigentlichen Bestimmung.

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12. Der Glaube als wortvermittelte Selbstvergegenwärtigung Gottes durch den Heiligen Geist lässt – trotz seines beim Menschen stets fragmentarischen Charakters – Schlüsse über das „Wesen“ des Heiligen Geistes zu. Die Erörterung dessen, was der Heilige Geist „tut“ und „wirkt“, gibt Antwort darauf, wer oder was der Heilige Geist „ist“. Prägnant formuliert und im Sinne der Explikation verstanden heißt dies: wie der Glaube, so der Geist. Die Aussagen über den Heiligen Geist werden nicht aus einem biblisch-dogmatischen Lehrsystem deduziert, sondern von der eigenen, allerdings streng pneumatisch bestimmten Glaubenserfahrung und damit von der Wirksamkeit des Heiligen Geistes selbst her expliziert. Glaubenserfahrung darf dabei nicht mit sinnenfälliger Erfahrung verwechselt werden noch mit Erfahrung, welche der bereits Glaubende mit der Kraft Gottes macht. Die Rede von der Glaubenserfahrung bzw. vom Glaubenserlebnis meint vielmehr nichts anderes als den Vorgang der wortvermittelten Selbstvergegenwärtigung Gottes bzw. die vom Wort ausgehende unmittelbare pneumatische Inanspruchnahme und Befreiung des Menschen durch Gott selbst. 13. Die Wortgebundenheit bzw. Schriftgebundenheit des Heiligen Geistes ist nichts anderes als dessen – immer wieder sich souverän ereignende – Selbstbindung und Selbstbegrenzung: Wo Glaube entsteht, dort ist dieser Glaube vom göttlichen Geist immer durch das äußere Wort gewirkt, dort hat sich immer der göttliche Geist in seiner souveränen Freiheit mit dem verkündigten bzw. geschriebenen menschlichen Wort verbunden. Das heißt zugleich: Immer dann, wenn es geistbedingt beim Menschen zur „absoluten Doppelwirkung“ der Inanspruchnahme und Befreiung kommt, hört das Wort auf, nur Menschenwort zu sein. Insofern erweist sich das Wort nur dem Glauben als Gottes Wort. In Freiheit bindet sich der Heilige Geist selbst an das menschliche Wort und wahrt doch dadurch, dass er selbst immer wieder die Verbindung mit dem menschlichen Wort herstellt, seine göttliche Souveränität. Es ist also eine Vereinigung, die niemals zustandhaft ist, sondern die immer wieder – durch Gottes Souveränität und Spontaneität – wird. Insofern ist die Souveränität des Heiligen Geistes der Wortgebundenheit des Geistes übergeordnet. Kurz: Der Heilige Geist kann sehr wohl ohne das Wort sein. Aber als offenbarender Geist und damit als Geist,welcher zum Menschen kommt, will er nicht ohne das Wort zu sein. Aufgrund dieser Selbstbindung des göttlichen Geistes lässt sich das Wort als „Instrument“ oder „Mittlerin des Geistes Gottes“ bezeichnen. Es ist also das verkündigte bzw. geschriebene Wort, welches den Geist sinnlich macht. Es macht Gott zum Nahen und

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Gegenwärtigen, welcher den Menschen in Anspruch nimmt und aus der schuldhaften Willensabwendung von ihm befreit. Erst aus der Perspektive der Glaubenserfahrung und damit nachgängig, nicht aber als autoritärer Anspruch und damit vorgängig, wird diese Vereinigung von Menschenwort und Gottes Geist evident. Nur in seiner pneumatischen Aktualisierung, nicht aber in einer äußeren Identität von Wort Gottes und Heiliger Schrift erweist sich dann auch die Autorität des biblischen Kanons für den Glauben. 14. Die Kirche hat das Wort Gottes nur so, dass sich Gottes Geist immer wieder mit dem verkündigten menschlichen Wort – dem Wort des Glaubens – verbindet und es dadurch zur Anrede Gottes an den Menschen macht. Wortverkündigung bedeutet deshalb nichts anderes, als dem Heiligen Geist das von ihm gewollte Mittel zur schöpferischen Erweckung des Glaubens und der damit verbundenen Gottes- und Nächstenliebe zur Verfügung zu stellen. Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden lässt sich so verstanden nur als Wort- und Geistkirche angemessen explizieren. Der Heilige Geist scheidet die Kirche des Wortes von der Welt und gibt ihr doch zugleich in und mit dem Worte den Auftrag für die Welt. Dass die Glieder der Kirche von sich aus Sünder sind und der Welt angehören, schmälert nicht die Einzigartigkeit der Wort- und Geistkirche gegenüber der Welt. Durch den geistgewirkten und wortvermittelten Glauben und damit von Gott aus bleiben die Glieder der Kirche vielmehr grundlegend etwas anderes als Welt. Denn der Glaube ist die Herrschaft Gottes durch den Heiligen Geist im Menscheninnern, ist Vertrauen auf den Gott der unbedingten Gnade, ist trotz aller sündhaften Bestimmtheit seines Trägers gewisse Hoffnung auf die – ihn von Sünde befreiende – Vollendung. Pointiert gilt deshalb: Wo immer der Glaube aufhört, da wird aus der Kirche Welt. Und immer und überall, wo er ist und bleibt, da ist – trotz aller sündigen Weltzugehörigkeit – Kirche in der Welt; Kirche, die etwas grundlegend anderes ist als Welt. Die Verhältnisbestimmung von Wort Gottes, Geist Gottes und Glaube muss deshalb als konstitutiv für die Ekklesiologie gelten. 15. Als differentia specifica des Christentums gegenüber anderen Religionsformen erweist sich der Glauben an den dreieinigen Gott.² Die Aussagen über die Trinität Gottes sind dabei strikt aus dem Glauben bzw. aus der wortvermittelten Selbstvergegenwärtigung Gottes durch den Heiligen Geist herzuleiten.

 Trinitätsfrage (), 

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Da Gott für den Menschen nie und in keiner Beziehung etwas Gegebenes ist, sondern der Mensch Gott nur so erkennt, dass Gott sich offenbarend zu ihm in persönlich-geistige Beziehung setzt, bleiben letztlich Gottes Selbstmitteilung sowie der Glaube die beiden Brennpunkte in der Ellipse der trinitarischen Gotteserkenntnis. Immanent-trinitarische Aussagen können dabei nur indirekt – gleichsam in vorsichtigem Rückschluss – über die ökonomisch-trinitarischen Offenbarungsaussagen und damit im Rahmen der auf Weltversöhnung und Welterneuerung abzielenden Liebe Gottes gewonnen werden. 16. Der Heilige Geist macht den irdisch-geschichtlichen Jesus zum Sohn Gottes und hat somit konstitutive Bedeutung für die Gottheitlichkeit Jesu. Da die geschichtliche Existenz Jesu nur eine Abwandlung seiner ewig-gottheitlichen Existenz sein kann, muss die Gottheit Jesu als ein stetes, bis in die Ewigkeit zurückreichendes Sein und Werden Jesu aus Gottes Geist und durch Gottes Geist gedacht werden. Der irdisch-geschichtliche Jesus erweist sich anhand der Evangelien als Träger des Geistes Gottes. Die Gottheit des irdisch-geschichtlichen Jesus ist daher im Sinne einer permanenten Rezeption des göttlichen Geistes und nicht als Besitz einer göttlichen „Natur“ zu verstehen. Die Relation zwischen dem Heiligen Geist und Jesus Christus lässt sich näherhin als wechselseitiges Verhältnis explizieren, in dem einerseits Jesus Christus dem Heiligen Geist und andererseits der Heilige Geist Jesus Christus subordiniert wird. Beide Auffassungen widersprechen sich dabei nicht, sondern sind im Sinne einer Komplementarität zu verstehen: Unter ökonomisch-trinitarischer Betrachtungsweise kann der erhöhte Christus den Geist nur aussenden, weil er selbst zuerst Empfänger und Träger des Geistes Gottes ist. Da unter der Annahme der Präexistenz das geschichtliche Verhältnis Jesu zu Gott dem ewigen Vater-Sohn-Verhältnis der innersten Struktur nach analog sein muss, ist die Gottheit Jesu als eine stete, bis in die Ewigkeit zurückreichende Selbsthingabe des Vaters an den Sohn bzw. als ein stetes Sein und Werden Jesu aus Gottes Geist und durch Gottes Geist zu denken. Das Miteinander von Gottgleichheit und Gottabhängigkeit, von Koordination und Subordination – letztere verstanden als unumkehrbares Relationsgefüge – bleibt somit auch für den präexistenten Sohn kennzeichnend. Der Blick auf den geschichtlichen Jesus führt somit zum maßgebenden Ansatzpunkt einer immanenten Trinität, welche sich in der offenbarungsgeschichtlichen kundmacht und auswirkt. Dass der Sohn durch den Vater ist – ihm gleich und doch von ihm abhängig – bleibt dabei aber alles, was hinsichtlich der Person Jesu Christi über das immanente trinitarische Verhältnis ausgesagt werden kann.

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17. Der Heilige Geist ist derjenige, welcher den erhöhten Christus in die Weltgegenwart rückt: Er ist der Christusträger in die Gegenwart, der echte Christophorus. Im Kommen des Heiligen Geistes ereignet sich das Kommen des erhöhten Christus, ja das Kommen von Vater und Sohn. Nachösterliche Gegenwart Christi kann es deshalb nur – abgesehen von seinem eschatologischen Kommen – als reale Präsenz im Heiligen Geist geben. Das Verhältnis zwischen dem erhöhten Christus und dem Heiligen Geist wird man deshalb als Repräsentationsverhältnis und näherhin als Sendungsverhältnis bestimmen dürfen: Der Heilige Geist repräsentiert den erhöhten Jesus Christus, indem er als dessen Gesandter die Botschaft des Sendenden – in diesem Fall den Lebensgehalt Jesu Christi – in solch hohem Maße vergegenwärtigt, dass dies – bedingt durch die freie Selbstlosigkeit des Gesandten – die Differenz zwischen Gesandtem und Sendendem aufzuheben scheint: Der Gesandte ist wie der Sendende und doch sind beide voneinander unterschieden. 18. Der von Vater und Sohn (filioque) ausgehende Geist ist es, welcher das Band der Liebe zwischen Vater und Sohn knüpft und somit die Einheit des göttlichen Seins – bei gleichzeitiger Wahrung der Unterschiedenheit – konstituiert. Der Heilige Geist lässt sich immanent-trinitarisch somit als eine die Einheit von Vater und Sohn konstituierende und doch zugleich auch als eine von der Vater-Sohn-Einheit konstituierte Wirklichkeit näher explizieren. Unter immanent-trinitarischer Perspektive wird man den Heiligen Geist wie seit alters als das vinculum caritatis, als das „Band der Liebe“, zu verstehen haben. Bei genauer Betrachtung ist dabei ein reziprokes Verhältnis auszumachen: Einerseits konstituiert bzw. bestimmt der Heilige Geist die Einheit von Vater und Sohn, andererseits aber wird er selbst zugleich durch die Einheit von Vater und Sohn konstituiert bzw. bestimmt. Auch wenn unter immanent-trinitarischer Perspektive an der ewigen Gottgleichheit und Gottabhängigkeit Jesu festgehalten und neben der Koordination und Subordination des Heiligen Geistes dessen einheitsstiftende Funktion vertreten werden kann, so muss die immanente Trinitätslehre doch auch unscharf bleiben und markiert letztlich die Grenze der Erkenntnis. Im Blick auf die Verhältnisbestimmung von ökonomischer und immanenter Trinität aber heißt dies: Die ökonomische Trinität bleibt die allein dem Menschen durch den Heiligen Geist erkennbare Selbstmanifestation der immanenten Trinität. In den Grenzen geistgewirkter menschlicher Erkenntnis wird man deshalb pointiert formulieren dürfen: Die ökonomische ist die immanente Trinität.

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19. Der Heilige Geist erweist sich als Person bzw. „Persönlichkeit“ in Beziehung zum Menschen. Er ist gebietende göttliche Person, von der göttliche Machtwirkungen ausgehen. Kurz: Der Heilige Geist ist Gott in machtvoller Aktion in und am Menschen. Unter immanent-trinitarischem Blickwinkel dagegen tritt das personale Moment im innergöttlichen Gegenüber zurück. Insbesondere das Personsein des Heiligen Geist lässt sich dabei nur noch schwer ausdrücken und markiert letztlich die Grenze des Aussagbaren. Raum für das personale Gegenüber von Vater, Sohn und Geist bleibt im trinitarischen Denken v. a. unter heilsökonomischer Perspektive. Die personale Struktur bestimmt und gestaltet dabei die dynamische Struktur der Pneumatologie. Kurz: Die Wirkungen des Heiligen Geistes lassen sich nicht unpersönlich denken. Sie müssen vielmehr eng an die „Persönlichkeit“ des Heiligen Geistes rückgebunden werden. Aus dieser Sicht aber ist – im Unterschied zum durchaus auch unpersönlich zu verstehenden Begriff „Kraft“ – der Begriff „Macht“ der geeignetere. Die pneumatische Wirklichkeit erweist sich somit nicht als etwas Statisches, in sich Ruhendes, sondern als pneumatische Wirksamkeit, welche den Menschen machtvoll ergreift, ihn von sich selbst und seiner Selbstfixierung befreit und auf Gott bezieht. Als sich beständig schenkender Geist erweist sich der Heilige Geist dann auch als demütiger, sich selbst erniedrigender und dadurch für den Menschen erfahrbarer Geist. Nur weil Gott sich auf diese Weise dem Menschen zu erkennen und zu erfahren gibt, kann er von diesem erkannt und erfahren werden. Dies erklärt dann auch, weshalb die Pneumatologie als Kernfrage der Theologie zu werten und die Dogmatik unter diesem Blickwinkel zu reformulieren ist.

Quellen- und Literaturverzeichnis Die Zitierung der Literatur beschränkt sich in der vorliegenden Arbeit in der Regel auf den Verfassernamen, einen Kurztitel und die Seitenzahl. Bei den Werken Schaeders wird auf den Verfassernamen verzichtet und nur der Kurztitel angeführt. Um von den Kurztiteln in der Untersuchung her das Auffinden der vollständigen Literaturangabe zu erleichtern, richtet sich die Ordnung der Angaben im Literaturverzeichnis nach der alphabetischen Reihenfolge der entsprechenden Kurztitel. Die jeweiligen Kurztitel werden im Literaturverzeichnis in Klammer und kursiv gedruckt widergegeben. Die Abkürzungen erfolgen, soweit nicht anders angegeben, nach Siegfried M. Schwertner, Abkürzungsverzeichnis der TRE, Berlin 21994.

Abkürzungsverzeichnis AEvSM AELKZ AFSt BFChTh EKBSchl EZA GSTA JSKG LKA LuL SHLbg. K.‐ u. Schulbl. SS SUB UA UB WS

Archiv der Evangelischen Stadtmission Allgemeine Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung Archiv der Franckeschen Stiftungen Beiträge zur Förderung christlicher Theologie Evangelisches Kirchenblatt für Schlesien Evangelisches Zentralarchiv Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Jahrbuch für Schlesische Kirchengeschichte Landeskirchliches Archiv Ev. Wochenblatt Licht und Leben Schleswig-Holstein-Lauenburgisches Kirchen- und Schulblatt Sommersemester Staats- und Universitätsbibliothek Universitätsarchiv Universitätsbibliothek Wintersemester

Unveröffentlichte Quellen Archivalische Quellen Archiv der Herrnhuter Brüdergemeine Bad Boll Gästebuch „Haus-Album Bad Boll“ Archiv des Evangelischen Konvikts Halle Hausbuch des Tholuck-Konviktes

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Archiv der Evangelischen Stadtmission Kiel Protokoll der Gründungsversammlung, 22. 09. 1904 (Im Archiv finden sich auch gedruckte Festschriften, Zeitungsausschnitte etc.) Archiv der Franckeschen Stiftungen Halle Tholuckarchiv, Nachlass Kähler, AFSt/Kähler 2017 – 2019 Deutsche Bücherei Leipzig Bornhausen, Karl, Denkschrift über Theologie, Staat und Kirche, 1935 Signatur: 1935 B 1847 Evangelisches Zentralarchiv Berlin Brief Bornhausens an Kulturminister Rust, 21. 04. 1933 (7/14189) Brief Bornhausens an Landesbischof Müller, 6. 08. 1933 (7/14189) Vermerk Gerullis zum Brief Bornhausens an Müller, 10. 08. 1933 (7/14189) Brief des Evangelischen Oberkirchenrats an Ministerialdirektor Jaeger, 6. 11. 1933 (7/14189) Denkschrift „Die Notlage der Ev.-theol. Fakultät an der Universität Breslau“, 30. 05. 1934 (1/C3/157) Anlage zur Denkschrift vom 30. 05. 1934 (1/C3/157) Flugblatt der Fachschaft verfaßt von Georg Walter, 7. 05. 1934 (1/C3/158) Bericht des Kreisobmanns der Deutschen Christen Breslau, Detel, 15. 01. 1934 (EOK Schlesien VI,1. Bd. 4) Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin I. HA Rep. 76 Va Sekt. 4 Tit. IV Nr. 32 Bd. 8 Bl. 432 – 449 I. HA Rep. 76 Va Sekt. 4 Tit. IV Nr. 32 Bd. 9 Bl. 130 f. 167. 205 I. HA Rep. 76 Va Sekt. 4 Tit. IV Nr. 37 Bl. 246 Landeskirchliches Archiv Stuttgart Bestand D 40 (Adolf-Schlatter-Archiv), Inventar-Nummer 427: Briefe Erich Schaeders und ein Brief Anna Schaeders an Adolf Schlatter. Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Brief Schaeders an Meyer, 24. 07. 1918 (Cod. Ms. A.O. Meyer 420) Universitätsarchiv Greifswald Lehreralbum I PA 2749 Theol. Fak. Nr. 75, Nr. 76 u. Nr. 78 Universitätsbibliothek Marburg Ms. 839 (Nachlass Martin Rade) Universitätsbibliothek Tübingen Soden, Hans von, an Bultmann, Rudolf, 2. 05. 1922 (Mn 2 – 1832) Wingolfsarchiv Hannover Großer Semesterbericht des Breslauer Wingolf (Sommersemester 1925)

Sonstiges Erinnerungsbuch, verfasst von Anna Schaeder, 131 Seiten (in Familienbesitz, in Kopie zur persönlichen Nutzung dem Verfasser zugänglich gemacht) (=Erinnerungsbuch)

Veröffentlichungen Erich Schaeders

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Veröffentlichungen Erich Schaeders Abendmahlsdogma und Abendmahlsfeier, in: EKBSchl 21 (1918), 305 – 307. (=Abendmahlsdogma) An die Wingolfsbrüder im Felde, in: Wingolfsblätter 44 (1915), 195 – 198. (=An die Wingolfsbrüder) Die Anforderungen der Gegenwart an die Theologie. Vortrag gehalten auf der Tagung der Bayerischen theologischen Arbeitsgemeinschaft am 3. Januar 1917 zu Nürnberg, in: NKZ 28 (1917), 229 – 258. (= Anforderungen) Die Bedeutung des lebendigen Christus für die Rechtfertigung nach Paulus, Gütersloh 1893. (=Bedeutung) Das Bekenntnis zum heiligen Geist und die kirchliche Lage der Gegenwart. Vortrag auf der Schlesischen Pastoralkonferenz zu Liegnitz am 11. Juni 1919, in: EKBSchl 22, 227 – 229. 235 – 238. 243 – 245. (=Bekenntnis) Christenstand und kirchliche Lehre. Vortrag auf der Pastoralen Gemeinschaftskonferenz im Johannesstift zu Plötzensee bei Berlin, Berlin 1906. (=Christenstand) Das Christentum im Weltanschauungskampf der Gegenwart, in: AELKZ 54 (1921), 626 – 632. 642 – 47. (Christentum im Weltanschauungskampf) Christentum und Weltfriede, Vortrag gehalten in Berlin 1917, in: Schaeder, Erich, Öffentliches Leben und Glaube. Reden und Aufsätze, Leipzig, Erlangen 1922, 42 – 64. (=Christentum und Weltfriede) Die Christologie der Bekenntnisse und die moderne Theologie. Zwei Vorträge, in: BFChTh 9/5 (1905), 154 – 226. (=Christologie der Bekenntnisse) Cremer und Ritschl, in: August Hermann Cremer heimgegangen am 4. Oktober bestattet am 8. Oktober 1903. Gedenkblätter, Gütersloh 1904, 104 – 114. (=Cremer und Ritschl) Der lebendige Gott als majestätische Wirklichkeit, in: Der Student vor Gott. Motive zur Neugestaltung des inneren Lebens in der deutschen akademischen Jugend, hg. v. Georg Muntschick, Berlin 1929, 23 – 33. (=Der lebendige Gott) Der moderne Mensch und die Kirche. Vorlesungen, in: BFChTh 11/6 (1907), 2 – 70. (=Der moderne Mensch) Deutscher Geist und heiliger Geist?, in: Das Evangelium Jesu Christi und unser Volk. Vorträge gehalten auf der 14. Tagung des Eisenacher Bundes am 17. und 18. Oktober 1916 in Wiesbaden, Bethel 1916, 40 – 58. (=Deutscher Geist) Die theologische Fakultät während des Weltkrieges. In der Heimat, in: Gruß der Universität Kiel an ihre Kommilitonen im Felde, Kiel 1916, 39 – 44. (=Die theologische Fakultät) Das Evangelium und die religiösen Strömungen der Gegenwart, Hamburg 1920. (=Evangelium)

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Das Evangelium Jesu und das Evangelium von Jesus (nach den Synoptikern). Ein Beitrag zur Lösung der Frage in drei Vorlesungen, in: BFChTh 10/6 (1906), 2 – 64. (=Evangelium Jesu) Für und wider die Geschichte. Ein theologisches Urteil, in: BFChTh 35/1, 2 – 84. (=Für und wider die Geschichte) Schleiermacher. Rede gehalten zur 150. Jahresfeier seines Geburtstages an der Universität Breslau, in: EKBSchl 21 (1918), 393 – 396. 403 – 406 bzw. in: BFChTh 23/5 (1919), 2 – 30 (die Seitenangaben im Text beziehen sich auf den Abdruck in den BFChTh). (=Geburtstagsrede) Gedächtnisrede auf Hermann Cremer, in: BFChTh 32/3, 2 – 31. (=Gedächtnisrede) Die Geistfrage in der neueren Theologie. Referat gehalten auf der Thüringer Kirchlichen Konferenz Neudietendorf September 1925, in: ZSTh 3 (1926), 424 – 460. (=Geistfrage) Das Geistproblem der Theologie. Eine systematische Untersuchung. Leipzig 1924. (=Geistproblem) Glaubenslehre für Gebildete, Gütersloh 1933. (=Glaubenslehre) Glaube und Bibel. Referat, gehalten auf einer Konferenz christlicher Studentinnen in Marburg, 5. August 1918, in: EKBSchl 22 (1919), 187 – 192. 197 – 199. (=Glaube und Bibel) Der Gott des Christentums und der Staat. Rede zu Kaisergeburtstagsfeier 1918 in der Aula der Universität Kiel gehalten, in: BFChTh 22/2, 2 – 30. (=Gott des Christentums) Der Gott des Wortes und die Mission. Referat gehalten auf der Missionskonferenz der Provinz Sachsen Februar 1929, in: BFChTh 32/4, 2 – 36. (=Gott des Wortes) Der Hauptpunkt der Theologie, in: Aus Schrift und Geschichte, Theologische Abhandlungen Adolf Schlatter zu seinem 70. Geburtstag dargebracht von Freunden und Schülern, Stuttgart 1922, 177 – 191. (=Hauptpunkt) Der Herzpunkt der neutestamentlichen Kirchenauffassung, in: NKZ 38 (1927), 75 – 110. (=Herzpunkt) Der Jünger Christi und der moderne Mensch, in: AELKZ 40 (1907), 554 – 560. 578 – 583. (=Jünger Christi) Wie denken wir uns den Kandidaten der Theologie. Vortrag gehalten beim 60. Stiftungsfest des Neuen Ev.-Theol. Vereins zu Breslau, in: EKBSchl 24 (1921), 261 – 264. (=Kandidaten der Theologie) Kant, in: EKBSchl 27 (1924), 95 – 98. (=Kant) Kirche und Gegenwart. Vorlesungen, in: BFChTh 13/1 (1909), 2 – 105. (=Kirche und Gegenwart) Martin Kähler als Erzieher fürs geistliche Amt, in: Pastoralblätter für Predigt, Seelsorge und kirchliche Unterweisung 77 (1934/35), 456 – 461. (=Martin Kähler)

Veröffentlichungen Erich Schaeders

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Modernes Studententum. Ansprache zur Feier der Grundsteinlegung für das Studentenhaus Seeburg am 14. Mai 1909 in der Aula der Königlichen Christian-Albrechts-Universität, Kiel 1909. (=Modernes Studententum) Die Mystik des Glaubens, in: MSPTh 22 (1926), 161 – 176. (=Mystik) Öffentliches Leben und Glaube. Reden und Aufsätze, Leipzig, Erlangen 1922. (=Öffentliches Leben) Der Pfarrer und die gegenwärtige Lage der Theologie, in: BFChTh 32/1 (1928), 2 – 59. (=Pfarrer) Schleiermacher als religiöser Wegweiser für die Gegenwart, in: Schaeder, Erich, Öffentliches Leben und Glaube. Reden und Aufsätze, Leipzig, Erlangen 1922, 65 – 88. (=Religiöser Wegweiser) Religiös-sittliche Gegenwartsfragen. Vorträge, Leipzig 1911. (=Religiös-sittliche Gegenwartsfragen) Religion und Vernunft. Die religions-philosophische Hauptfrage der Gegenwart, in: BFChTh 21/1 (1917), 2 – 78. (=Religion und Vernunft) Rezension: Heinsius, Maria, Der Streit über theozentrische und anthropozentrische Theologie im Hinblick auf die theologische Grundposition Schleiermachers. Tübingen 1918, in: ThLBl 40 (1919), 121 – 123. (=Rezension Heinsius) Rezension: Rudolf, Otto, Das Gefühl des Überweltlichen, München 1932, in: DLZ 54 (1933), 1733 – 1737. (=Rezension Otto) Geheimrat D. Schaeder erzählt …, in: D. Erich Schaeder zum 70. Geburtstage, im Auftrag des Altfreundeverbandes der D.C.S.V., Bezirk Schlesien, hg. v. Konrad Maluche, Diesdorf bei Gäbersdorf 1931, 7 – 10. (=Rückblick) Erich Schaeder, in: Die Religionswissenschaft der Gegenwart in Selbstdarstellungen, hg. v. Erich Stange, Bd. 2, Leipzig 1926, 195 – 238. (=Selbstdarstellung) Zu D. Kaftans Theologie, in: SHLbg. K.– u. Schulbl. 64 (1908), 264 – 271. (=SHLbg. K.– u. Schulbl. 64 (1908), 264 – 271) Noch einmal zu D. Kaftans Christologie, in: SHLbg. K.– u. Schulbl. 64 (1908), 317 – 322 [gegen Kaftan, Theodor, Zur Abwehr, aaO., 305 – 309]. (=SHLbg. K.– u. Schulbl. 64 (1908), 317 – 322) Ein letztes Wort, in: SHLbg. K.– u. Schulbl. 64 (1908), 353 – 356 [gegen Kaftan, Theodor, Zur Abwehr II., aaO., 341 – 344]. (=SHLbg. K.– u. Schulbl. 64 (1908), 353 – 356) Streiflichter zum Entwurf einer Theozentrischen Theologie, BFChTh 20/1 (1916), 2 – 65. (=Streiflichter) Die Sündlosigkeit Jesu und ihre Bedeutung für unsere Heiligung. Zwei Vorlesungen, Erlangen, Leipzig 1921. (=Sündlosigkeit Jesu) Theocentric Theology. In Peace and War, in: The Constructive Quarterly 3 (1915), 39 – 53. (=Theocentric Theology)

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Theologie und Geschichte. Rede beim Antritt des Rektorats der Königlichen Christian-Albrechts-Universität am 5. März 1909, Kiel 1909. (=Theologie und Geschichte) Aus Theologie und Leben. Vorträge, Leipzig 1913. (=Theologie und Leben) Theologische Erinnerungen an den jüngeren Blumhardt, in: ZSTh 1 (1923), 650 – 678. (=Theologische Erinnerungen) Die theologische Lage der Gegenwart, in: Sammlung wissenschaftlicher Handbücher für Studierende und den praktischen Gebrauch, Bd. 3: Handbuch der Religionswissenschaft, hg. v. Johannes Leipoldt, Abschnitt 28 – 31, Berlin 1922, 15 – 26 (=29. Abschnitt). (=Theologische Lage) Theozentrische Theologie. Eine Untersuchung zur dogmatischen Prinzipienlehre. Erster, geschichtlicher Teil, Leipzig 1909. (=Theozentrische Theologie 1 (1909)) Theozentrische Theologie. Eine Untersuchung zur dogmatischen Prinzipienlehre. Erster, geschichtlicher Teil, 2., umgearb. und verm. Aufl., Leipzig 1916. (=Theozentrische Theologie 1 (1916)) Theozentrische Theolgie. Eine Untersuchung zur dogmatischen Prinzipienlehre. Erster, geschichtlicher Teil, 3., umgearb. und verm. Aufl., Leipzig, Erlangen 1925. (=Theozentrische Theologie 1 (1925)) Theozentrische Theologie. Eine Untersuchung zur dogmatischen Prinzipienlehre. Zweiter, systematischer Teil, Leipzig 1914. (=Theozentrische Theologie 2 (1914)) Theozentrische Theologie. Eine Untersuchung zur dogmatischen Prinzipienlehre. Zweiter, systematischer Teil, 2., völlig neugestaltete Aufl., Leipzig 1928. (=Theozentrische Theologie 2 (1928)) Tod und Ewigkeit, Berlin 1916. (=Tod und Ewigkeit) Zur Trinitätsfrage. Drei Vorlesungen, Leipzig 1912; 2. überarb. Aufl., Leipzig, Erlangen 1925. (=Trinitätsfrage) Universität und Reichsverfassung. Rede gehalten zur Verfassungsfeier der Universität und der Technischen Hochschule Breslau am 13. Juli 1929 (=Breslauer Universitätsreden, Heft 4), Breslau 1929. (=Universität und Reichsverfassung) Unser Glaube und der Krieg. Kriegsrede, Kiel 1914. (=Unser Glaube und der Krieg) Vergessene Lehren der evangelischen Kirchen, in: EKBSchl 24 (1921), 156 – 158. 163 – 166. (=Vergessene Lehren) Der Weg zu Gott (Das Hauptproblem der Dogmatik), in: Zeit- und Streitfragen des Glaubens, der Weltanschauung und Bibelforschung, 12. Reihe, Heft 9/10, Berlin-Lichterfelde 1919, 145 – 174. (=Weg) Wege in unsichtbare Welt, in: Müller, Karl/Schaeder, Erich/Stange, Carl, Der Herr ist Geist. Drei Vorträge gehalten in den Teilversammlungen der 29. Allgemeinen Deutschen Christlichen Studentenkonferenz, Berlin 1921, 22 – 45. (=Wege)

Veröffentlichungen Erich Schaeders

Über das Wesen des Christentums und seine modernen Darstellungen. Zwei Vorlesungen gehalten auf der 6. Lehrerkonferenz in Mölln i.L., Gütersloh 1904. (=Wesen des Christentums) Das Wort Gottes. Eine systematische Untersuchung, Gütersloh 1930. (=Wort Gottes)

Festschriften für Erich Schaeder Festheft für Erich Scheader, in: ZSTh 9 (1932), 359 – 636. (=Festheft Schaeder) D. Erich Schaeder zum 70. Geburtstage, im Auftrag des Altfreundeverbandes der D.C.S.V, Bezirk Schlesien, hg. v. Konrad Maluche, Diesdorf bei Gäbersdorf 1931. (=Festschrift Schaeder)

Stellungnahmen zu Veröffentlichungen Erich Schaeders Die Bedeutung des lebendigen Christus für die Rechtfertigung nach Paulus (1893) Lütgert, Wilhelm, Rezension in: ThLBl 15 (1894), 290 – 296. (=Rezension) Christenstand und kirchliche Lehre (1906) Cremer, Ernst, Rezension in: ThLbl 28 (1907), 284. (=Rezension) Das Evangelium Jesu und das Evangelium von Jesus (1906) Jordan, Hermann, Rezension in: ThLBl 28 (1907), 486 f. (=Rezension) Kirche und Gegenwart (1909) Amelung, Karl, Rezension in: ThLBl 31 (1910), 13 – 15. (=Rezension) Theozentrische Theologie, Bd. 1 (1909) Bachmann, Philipp, Rezension in: ThLBl 31 (1910), 133 – 135. (=Rezension ThLBl 31 (1910)) Lobstein, Paul, Rezension in: ThLZ 34 (1909), 664 – 667. (=Rezension)

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Religiös-sittliche Gegenwartsfragen (1911) Grützmacher, Richard Heinrich, Rezension in: ThLBl 32 (1911), 498 f. (=Rezension ThLBl 32 (1911)) Zur Trinitätslehre (1912) Ohne Vf., Drei Vorlesungen über den dreieinigen Gott (o. Vf.), in: AELKZ 44 (1911), 1156 – 1159 (=Rezension AELKZ 44 (1911)) Grützmacher, Richard Heinrich, Rezension in: ThLBl 33 (1912), 256 f. (=Rezension ThLBl 33 (1912)) Aus Theologie und Leben (1913) Grützmacher, Richard Heinrich, Rezension in: ThLBl 34 (1913), 541 f. (=Rezension ThLBl 34 (1913) Theozentrische Theologie, Bd. 2 (1914) Bachmann, Philipp, Rezension in: ThLBl 36 (1915), 370 – 372. (=Rezension ThLBl 36 (1915)) Theozentrische Theologie, Bd. 1 (1916) Bachmann, Philipp, Rezension in: ThLBl 38 (1917), 9 f (=Rezension ThLBl 38 (1917)) Tod und Ewigkeit (1916) Ohne Vf., Von Tod und Ewigkeit, in: AELKZ 49 (1916), 817 – 819 (=Rezension AELKZ 49 (1916)) Religion und Vernunft (1917) Lauerer, Hans, Rezension in: ThLBl 38 (1917), 378. (=Rezension) Der Gott des Christentums und der Staat (1918) Jelke, Robert, Rezension in: ThLBl 39 (1918), 324. (=Rezension ThLBl 39 (1918)) Schleiermacher (1919) Heinzelmann, Gerhard, Rezension in: ThLBl 40 (1919), 328 f. (=Rezension)

Veröffentlichungen Erich Schaeders

Der Weg zu Gott (1919) Jelke, Robert, Rezension in: ThLBl 41 (1920), 91 f. (=Rezension ThLBl 41 (1920)) Öffentliches Leben und Glaube (1922) Schröder, Arthur Edmund Georg, Rezension in: ThLBl 43 (1922), 174 f. (=Rezension) Das Geistproblem der Theologie (1924) Brunner, Emil, Theozentrische Theologie? (Eine Bemerkung zu Schäders „Geistproblem der Theologie“), in: ZZ 4 (1926), 182 – 184. (=Rezension) Zur Trinitätsfrage (1925) Jelke, Robert, Rezension in: ThLBl 47 (1926), 232 f. (=Rezension ThLBl 47 (1926)) Theozentrische Theologie, Bd. 1 u. 2 (1925 u. 1928) Weber, Hans Emil, Rezension in: ThLBl 49 (1928), 298 – 300. (=Rezension) Das Wort Gottes (1930) Koepp, Wilhelm, Rezension in: ThLBl 54 (1933), 89 – 92. (=Rezension) Winkler, Robert, Rezension in: ThLZ 56 (1931), 549 – 551. (=Rezension) Für und wider die Geschichte (1931) Pröhle, Karl, Rezension in: ThLBl 54 (1933), 264. (=Rezension) Glaubenslehre für Gebildete (1933) Ruf, W., Rezension in: ThLBl 55 (1934), 396. (=Rezension)

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Chroniken, Statistiken, Personal- und Vorlesungsverzeichnisse Das Akademische Deutschland. Biographisch-bibliographisches Handbuch für die Universitäten des Deutschen Reiches als Ergänzung zum Deutschen Universitäts-Kalender hg. v. Gustav Zieler u. Th. Scheffer, Bd. 1: Die theologischen Fakultäten, Leipzig 1905. (=Akademisches Deutschland) Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studierenden der Königlichen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin, SS 1881 – SS 1883, Berlin 1881 ff. (=Amtl. Verzeichnis Berlin) Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studierenden der Königlichen Universität zu Greifswald, WS 1883/84 – WS 1894/95, Greifswald 1883 ff. (=Amtl. Verzeichnis Greifswald) Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studierenden der Königlichen Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, WS 1899/1900 – WS 1919/20, Kiel 1899 ff. (=Amtl. Verzeichnis Kiel) Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studierenden der Königlichen Albertus-Universität zu Königsberg in Pr., WS 1894/95, Königsberg 1894. (=Amtl. Verzeichnis Königsberg) Amtliches Verzeichnis des Personals und der Studierenden der Königlichen Georg-Augusts-Universität zu Göttingen, WS 1895/96 – WS 1898/99, Göttingen 1895 ff. (=Amtl. Verzeichnis Göttingen) Catalogus Professorum Gottingensium 1734 – 1962, bearb. u. hg. v. Wilhelm Ebel, Göttingen 1962. (=Catalogus) Chronik der Königlichen Universität Greifswald, 1890/91 – 1892/93, Greifswald 1891 ff. (=Chronik Greifswald) Chronik der Universität Kiel, 1902/1903 – 1917/18, Kiel 1903 ff. (=Chronik Kiel) Corpus Academicum Gottingense (1737 – 1928) nebst Verzeichnis der Preisträger der Georgia Augusta (1753 – 1928) bearb. v. Max Arnim, Göttingen 1930. (=Corpus Academicum) Historiographie des Berliner Wingolf, in: Wingolfs-Blätter 12 (1883), Beil. zu Nr. 11 u. 12. (=Historiographie des Berliner Wingolf) Personalverzeichnis der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, WS 1918/19 – WS 1922/23, Breslau 1918 ff. (=Personalverzeichnis Breslau) Professoren und Dozenten der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel. 1665 bis 1933. Nebst Angaben über die Lektoren, Sprachkursusleiter, Lehrer der Künste und UniversitätsBibliothekare, sowie über die Rektoren 1665 – 1933, begonnen v. Friedrich Volbehr, dritte neubearb. Aufl. v. Richard Weyl, Kiel 1934. (=Professoren und Dozenten) Semesterbericht des Göttinger Wingolf, in: Wingolfs-Blätter 25 (1896). (=Semesterbericht des Göttinger Wingolf) 250 Jahre Georg-August-Universität Göttingen. Studentenzahlen: 1734/37 – 1987, Göttingen 1987. (=Studentenzahlen Göttingen)

Zeitungen und Zeitschriften

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Verzeichniss der Vorlesungen, welche auf der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Berlin gehalten werden, WS 1881/82 – SS 1882, Berlin 1881 f. (=Vorlesungsverzeichnis Berlin) Verzeichnis der Vorlesungen an der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, SS 1918 – WS 1922/23, Breslau 1918 ff. (=Vorlesungsverzeichnis Breslau) Verzeichnis der Vorlesungen auf der Georg-Augusts-Universität zu Göttingen, SS 1895 – WS 1898/99, Göttingen 1895 ff. (=Vorlesungsverzeichnis Göttingen) Verzeichnis der Vorlesungen, welche an der Königlichen Universität Greifswald gehalten werden sollen, WS 1891/92 – WS 1895/96, Greifswald 1891 ff. (=Vorlesungsverzeichnis Greifswald) Verzeichnis der Vorlesungen an der Königlichen Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, SS 1902 – WS 1917/18, Kiel 1902 ff. (=Vorlesungsverzeichnis Kiel) Verzeichnis der auf der Königlichen Albertus-Universität zu Königsberg zu haltenden Vorlesungen und der öffentlichen akademischen Anstalten, WS 1894/95 – SS 1895, Königsberg 1894 f. (=Vorlesungsverzeichnis Königsberg) Vorlesungs- und Personalverzeichnis der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, SS 1923 – SS 1935, Breslau 1923 ff. (=Vorlesungs- und Personalverzeichnis Breslau)

Zeitungen und Zeitschriften Allgemeine Evangelisch-Lutherische Kirchenzeitung 40 (1907) ff. (=AELKZ) Breslauer Hochschul-Rundschau. Zeitschrift zur Pflege der akademischen Interessen in Schlesien u. Posen und des korporativen Lebens an den Breslauer Hochschulen. Verkündigungsblatt der studentischen Verbindungen und Vereinigungen, 8. Jg. (1917) ff. (=Breslauer Hochschul-Rundschau) Central-Verein-Zeitung. Blätter für Deutschtum und Judentum. Organ des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens e.V., 11. Jg. (1932). (=Central-Verein-Zeitung) Deutsches Pfarrerblatt 40 (1936) ff. (=Dt. Pfarrerblatt) Evangelisches Kirchenblatt für Schlesien 21 (1918) ff. (=EKBSchl) Kirchliches Amts-Blatt für den Geschäftsbereich des Evangelischen Konsistoriums der Provinzen Nieder- und Oberschlesien, 67. Jg. (1920) ff. (=Kirchliches Amts-Blatt) Licht und Leben. Evangelisches Wochenblatt 33 (1921) f. (=LUL) Schleswig-Holstein-Lauenburgisches Kirchen- und Schulblatt 64 (1908). (=SHLbg. K.– u. Schulbl.)

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Theologisches Literaturblatt 16 (1895) ff. (=ThLBl) Zwischen den Zeiten 1 – 11 (1923 – 1933) (=ZZ)

Veröffentlichte Quellen und Darstellungen Abmeier, Hans-Ludwig, Abstimmung in Oberschlesien, in: Ostdeutsche Gedenktage 1996. Persönlichkeiten und historische Ereignisse, Bonn 1995, 323 – 328. (=Abstimmung) Althaus, Paul, Die christliche Wahrheit. Lehrbuch der Dogmatik, Bd. 1, Gütersloh 1947. (=Christliche Wahrheit 1) Assel, Heinrich (Hg.), Der du die Zeit in Händen hast. Briefwechsel zwischen Rudolf Hermann und Jochen Klepper 1925 – 1942, München 1992. (=Der du die Zeit in Händen hast) Aubin, Hermann, Gedenkrede auf die Universität Breslau, in: Jahrbuch der Schlesischen Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau 8 (1963), 289 – 305. (=Gedenkrede) Auerbach, Hellmuth, Art. „Bücherverbrennung, 10. Mai 1933“, in: Enzyklopädie des Nationalsozialismus, hg. v. Wolfgang Benz, Hermann Graml u. Hermann Weiß, 3., korr. Aufl., Stuttgart 1998, 406 f. (=Bücherverbrennung) Augustinus, Confessiones – Bekenntnisse. Lateinisch und deutsch, eingeleitet, übersetzt u. erläutert von Joseph Bernhart, 3. Aufl., München 1966. (=Confessiones) Barth, Karl, Abschied, in: ZZ 11 (1933), 536 – 544. (=Abschied) Barth, Karl, Die christliche Dogmatik im Entwurf. Die Lehre vom Worte Gottes. Prolegomena zur christlichen Dogmatik 1927, hg. v. Gerhard Sauter, Zürich 1982. (=Christliche Dogmatik) Barth, Karl, Fides quaerens intellectum. Anselms Beweis der Existenz Gottes im Zusammenhang seines theologischen Programms 1931, hg. v. Eberhard Jüngel u. Ingolf U. Dalferth, Zürich 1981. (=Fides) Barth, Karl, Der Heilige Geist und das christliche Leben, in: Ders., Vorträge und kleinere Arbeiten 1925 – 1930, hg. v. Hermann Schmidt, Zürich 1994, 458 – 520. (=Heilige Geist) Barth, Karl, Die Kirchliche Dogmatik, Bd. I/1 bis IV/4, Zürich 1932 ff. (=KD) Barth, Karl, Nachwort, in: Schleiermacher-Auswahl, hg. v. Heinz Bolli, München, Hamburg 1968, 290 – 312. (=Nachwort) Barth, Karl, Not und Verheißung der christlichen Verkündigung, in: Ders., Vorträge und kleinere Arbeiten 1922 – 1925, hg. v. Holger Finze, Zürich 1990, 65 – 97. (=Not)

Veröffentlichte Quellen und Darstellungen

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Barth, Karl, Die protestantische Theologie im 19. Jahrhundert. Ihre Vorgeschichte und ihre Geschichte, 2. verb. Aufl., Zürich 1952. (=Protestantische Theologie) Barth, Karl, Der Römerbrief, 2. Aufl. in neuer Bearbeitung, Zollikon-Zürich 1947 [=8. Abdruck der neuen Bearbeitung]. (=Römerbrief) Barth, Karl, „Unterricht in der christlichen Religion“. Bd. I: Prolegomena 1924, hg. v. Hannelotte Reiffen, Zürich 1985. (=Unterricht) Barth, Ulrich, Kants Begriff eines Gegenstands der praktischen Vernunft und der systematische Ansatz der Religionsphilosophie, in: Reformation und Neuzeit. 300 Jahre Theologie in Halle, hg. v. Udo Schnelle, Berlin, New York 1994, 267 – 302. (=Kants Begriff) Bassi, Hasko von, Otto Baumgarten. Ein „moderner Theologe“ im Kaiserreich und in der Weimarer Republik, Frankfurt a.M., Bern, New York, Paris 1988. (=Baumgarten) Baumgarten, Otto, Meine Lebensgeschichte, Tübingen 1929. (=Lebensgeschichte) Becker, Stefan Peter, Erkenntnis und Gebet. Die pneumatologische Grundstruktur von Karl Barths dogmatischer Arbeit, Bern, Berlin, Frankfurt a.M., New York, Paris, Wien 1995. (=Erkenntnis) Beintker, Horst, Art. „Anfechtung; III. Reformations- und Neuzeit; IV. Dogmatisch“, in: TRE 2, 695 – 708. (=Anfechtung) Beintker, Michael, „Was glaubst Du vom Heiligen Geist?“. Zur Wirklichkeit und Wirksamkeit von Gottes Geist, Wuppertal 1998. (=Was glaubst Du) Berkhof, Hendrikus, Theologie des Heiligen Geistes, 2. Aufl. (mit einem Nachwort von Uwe Gerber), Neukirchen-Vluyn 1988. (=Theologie) Besier, Gerhard, Die protestantischen Kirchen Europas im Ersten Weltkrieg. Ein Quellen- und Arbeitsbuch, Göttingen 1984. (=Kirchen) Besier, Gerhard, Die neue preußische Kirchenverfassung und die Bildung des Deutschen Evangelischen Kirchenbundes, in: Die Geschichte der Evangelischen Kirche der Union, Bd. 3: Trennung von Staat und Kirche – Kirchlich-politische Krisen – Erneuerung kirchlicher Gemeinschaft: (1918 – 1992), hg. v. Gerhard Besier u. Eckhard Lessing, Leipzig 1999, 76 – 117. (=Kirchenverfassung) Bethge, Eberhard, Dietrich Bonhoeffer. Eine Biographie, 7., neu durchg. Taschenbuchausgabe der 6. Aufl., München 1989. (=Dietrich Bonhoeffer) Beyschlag, Karlmann, Die Erlanger Theologie, Erlangen 1993. (=Erlanger Theologie) Bindig, Rudolf, Erlebtes Leben, Frankfurt am Main 1928. (=Erlebtes Leben)

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Quellen- und Literaturverzeichnis

Birkner, Hans-Joachim, „Offenbarung“ in Schleiermachers Glaubenslehre, in: ders., Schleiermacher-Studien (=SchlA 16), Berlin, New-York 1996, 81 – 98. (=Offenbarung) Blumhardt, Johann Christoph, Der Kampf in Möttlingen. Texte. Unter Mitarbeit v. Paul Ernst hg. v. Gerhard Schäfer (Gesammelte Werke. Schriften, Verkündigung, Briefe, hg. v. Gerhard Schäfer, Reihe I: Schriften, Bd. 1: Der Kampf in Möttlingen, Texte), Göttingen 1979. (=Gesammelte Werke I,1) Bodelschwingh, Gustav von, Friedrich von Bodelschwingh. Leben und Lebenswerk, 2. Aufl., Berlin 1923. (=Friedrich von Bodelschwingh) Bohren, Rudolf, Predigtlehre, 6. Aufl., Gütersloh 1993. (=Predigtlehre) Boor, Friedrich de / Lehmann, Michael (Hgg.), Studien- und Lebensgemeinschaft unter dem Evangelium. Beiträge zur Geschichte und zu den Perspektiven des Evangelischen Konviktes in den Franckeschen Stiftungen zu Halle (Saale), Halle 1999. (=Studien- und Lebensgemeinschaft) Braun, Dietrich, Arbeiten zu Karl Barth: Die Lehre vom Heiligen Geist; Ortsbestimmung der Theologie, Rheinfelden u. Berlin 1993. (=Arbeiten) Brunner, Emil, Die Lehre vom Heiligen Geiste (Kirchliche Zeitfragen, Heft 15), Zürich 1945. (=Lehre) Brunner, Emil, Die Mystik und das Wort. Der Gegensatz zwischen moderner Religionsauffassung und christlichem Glauben dargestellt an der Theologie Schleiermachers, Tübingen 1924. (=Mystik) Bühner, Jan-Adolf, Der Gesandte und sein Weg im vierten Evangelium, Tübingen 1977. (=Der Gesandte) Bultmann, Rudolf, Welchen Sinn hat es, von Gott zu reden? In: Glauben und Verstehen. Gesammelte Aufsätze, Bd. 1, 9. Aufl., Tübingen 1993, 26 – 37. (=GuV 1) Bultmann, Rudolf, Die liberale Theologie und die jüngste theologische Bewegung, in: Glauben und Verstehen, Gesammelte Aufsätze, Bd. 1, 9. Aufl., Tübingen 1993,1 – 25. (=GuV 1) Bunzel, Gottfried, „… auf daß die überschwengliche Kraft sei Gottes und nicht von uns“. Zum 100. Geburtstag von D. Ernst Hornig, in: JSKG 73 (1994), 33 – 49. (=Zum 100. Geburtstag) Bunzel, Hellmuth, Generalsuperintendent und Bischof in Breslau (seit 1925), in: Bischof Otto Zänker (1876 – 1960). Ein Beitrag zur jüngsten Kirchengeschichte Schlesiens und Rheinland-Westfalens, hg. v. Wilhelm Rahe, Ulm 1967, 45 – 59. (=Generalsuperintendent) Burdach, Ernst, Hans Joachim Iwand. Theologe zwischen den Zeiten. Ein Fragment 1899 – 1937, Beienrode 1982. (=Iwand) Busch, Eberhard, Karl Barths Lebenslauf. Nach seinen Briefen und autobiographischen Texten, 2., durchg. Aufl., München 1976. (=Lebenslauf)

Veröffentlichte Quellen und Darstellungen

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Busch, Eberhard, Die große Leidenschaft. Einführung in die Theologie Karl Barths, 2., korrigierte Aufl., Darmstadt 2001. (=Leidenschaft) Claussen Johann Hinrich, Die Jesus-Deutung von Ernst Troeltsch im Kontext der liberalen Theologie, Tübingen 1997. (=Jesus-Deutung) Cramer, Konrad, Die subjektivitätstheoretischen Prämissen von Schleiermachers Bestimmung des religiösen Bewußtseins, in: Friedrich Schleiermacher 1768 – 1834. Theologe – Philosoph – Pädagoge, hg. v. Dietz Lange, Göttingen 1985, 129 – 162. (=Schleiermachers Bestimmung) Cremer, Ernst, Hermann Cremer. Ein Lebens- und Charakterbild, Gütersloh 1912. (=Hermann Cremer) Cullberg, John, Glaube und Wirklichkeit. Eine Studie zum existentiellen Glaubensverständnis, Berlin 1958. (=Glaube) Dabney, Lyle, Die Kenosis des Geistes. Kontinuität zwischen Schöpfung und Erlösung im Werk des Heiligen Geistes, Neukirchen-Vluyn 1997. (=Kenosis) Dalferth, Ingolf Ulrich, Kombinatorische Theologie. Probleme theologischer Rationalität, Freiburg, Basel, Wien, 1991. (=Kombinatorische Theologie) Dalferth, Ingolf Ulrich, Wirklichkeit Gottes und christlicher Glaube, in: Gedeutete Gegenwart. Zur Wahrnehmung Gottes in den Erfahrungen der Zeit, Tübingen 1997, 99 – 132. (=Wirklichkeit) Deissmann, Adolf, Paulus. Eine kultur- und religionsgeschichtliche Skizze, 2., völlig neu bearb. u. vermehrte Aufl., Tübingen 1925. (=Paulus) Diederich, Martin, Schleiermachers Geistverständnis. Eine systematisch-theologische Untersuchung seiner philosophischen und theologischen Rede vom Geist, Göttingen 1999. (=Geistverständnis) Dietzfelbinger, Christian, Der Abschied des Kommenden. Eine Auslegung der johanneischen Abschiedsreden, Tübingen 1997. (=Abschied) Dilschneider, Otto, Gnoseologie oder vom Verstehen im Geiste, in: Theologie des Geistes, hg. v. Otto A. Dilschneider, Gütersloh 1980, 59 – 68. (=Gnoseologie) Dilschneider, Otto, Ich glaube an den Heiligen Geist. Versuch einer Kritik und Antwort zur Existenztheologie, Wuppertal 1969. (=Ich glaube) Dilthey, Wilhelm (Hg.), Aus Schleiermacher′s Leben. In Briefen, Band 2, 2. Aufl., Berlin 1860 (Nachdruck Berlin 1974). (=Briefe 2) Dilthey, Wilhelm, Leben Schleiermachers, Band 1, 2. Aufl. vermehrt um Stücke der Fortsetzung aus dem Nachlasse des Verfassers hg. v. Hermann Mulert, Berlin, Leipzig 1922. (=Leben Schleiermachers 1 (1922))

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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382

Quellen- und Literaturverzeichnis

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Veröffentlichte Quellen und Darstellungen

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Veröffentlichte Quellen und Darstellungen

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Veröffentlichte Quellen und Darstellungen

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Walldorf, Jochen, Aspekte einer realistischen Philosophie. Einführung in das philosophische Denken Adolf Schlatters, in: ThB 33 (2002), 62 – 85. (=Aspekte) Walldorf, Jochen, Realistische Philosophie. Der philosophische Entwurf Adolf Schlatters, Göttingen 1999. (=Philosophie) Wallmann, Johannes, Kirchengeschichte Deutschlands seit der Reformation, 5., verbesserte u. erweiterte Aufl., Tübingen 2000. (=Kirchengeschichte) Wecht, Martin Johannes, „Wohl dem, der auf die Seite der Leidenden gehört.“ Jochen Klepper – ein christlicher Schriftsteller im jüdischen Schicksal, dargestellt anhand seines Tagebuchs (Diss. masch.), Heidelberg 1995. (=„Wohl dem, der auf die Seite der Leidenden gehört“) Weinrich, Michael, Der Wirklichkeit begegnen. Studien zu Buber, Grisebach, Gogarten, Bonhoeffer und Hirsch, Neukirchen-Vluyn 1980. (=Wirklichkeit) Weischedel, Wilhelm, Der Gott der Philosophen. Grundlegung einer Philosophischen Theologie im Zeitalter der Nihilismus, Bd. 1: Wesen, Aufstieg und Verfall der Philosophischen Theologie, 2. Aufl., München 1985. (=Gott) Welker, Michael, Gottes Geist. Theologie des Heiligen Geistes, Neukirchen-Vluyn 1992. (=Gottes Geist) Wimmer, Ullrich, Geistestheologie. Eine Untersuchung zur Grundlegung der Theologie und zur Pneumatologie Martin Kählers, Neuss 1978. (=Geistestheologie) Winkler, Robert, Die Mystik der Deutschen Glaubensbewegung und die Mystik des christlichen Glaubens, in: Kirche in Bewegung und Entscheidung, Heft 27, Bonn 1936, 1 – 34. (=Mystik) Witte, Leopold, Das Leben D. Friedrich August Gotttreu Tholuck’s, Bd. 2: 1826 – 1877, Bielefeld und Leipzig 1886. (=Leben Tholucks) Wobbermin, Georg, Systematische Theologie nach religionspsychologischer Methode. Band 2: Das Wesen der Religion, Teil 1, Leipzig 1921; Teil 2, Leipzig 1922. (=Wesen) Wolf, Ernst, Peregrinatio. Studien zur reformatorischen Theologie und zum Kirchenproblem, 2., durchg. und m. Registern ausgestattete Aufl., München 1962. (=Peregrinatio) Wolgast, Eike, Nationalsozialistische Hochschulpolitik und die evangelisch-theologischen Fakultäten, in: Theologische Fakultäten im Nationalsozialismus, hg. v. Leonore Siegele-Wenschkewitz u. Carsten Nicolaisen, Göttingen 1993, 45 – 79. (=Nationalsozialistische Hochschulpolitik) Zänker, Otto, Ein Theologieprofessor als Mann der Kirche. Erich Schaeder und seine Wirksamkeit in Schlesien, in: Jahrbuch des Vereins für Schlesische Kirchengeschichte (JVSKG) 29 (1939), 234 – 248. (=Theologieprofessor)

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Quellen- und Literaturverzeichnis

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Autorenregister Abicht, Rudolf 61 Abmeier, Hans-Ludwig 61 Adam, Alfred 33 Althaus, Paul 34, 68, 152 Althoff, Friedrich 12, 19, 23 – 25, 28, 33, 36 Amelung, Karl 44 Aquin, Thomas von 164 f., 229 Arnold, Franklin 62 Assel, Heinrich 65 Aubin, Hermann 61, 82 Auerbach, Hellmuth 87 Augustinus 190 Bachmann, Philipp 51, 129 Baethgen, Friedrich 16 Barth, Karl 1 – 4, 19, 67 f., 70, 73 f., 83, 94, 102 f., 110, 131, 181, 199, 201 f., 230 f., 243, 248 – 254, 257, 264, 266 f., 269, 284, 311 f., 314 – 329, 332 – 342 Barth, Ulrich 163 Bassi, Hasko von 16, 37, 41, 45 Baumgarten, Otto 16, 37, 41, 44 f., 57, 313 Beck, Johann Tobias 210 Becker, Stefan Peter 339. Becker, Wilhelm 54 f. Beintker, Horst 40 Beintker, Michael 307 Berkhof, Hendrikus 1, 301, 307 Besier, Gerhard 58, 79 f. Bethge, Eberhard 95 Beyschlag, Karlmann 10 Beyschlag, Willibald 11 Bindig, Rudolf 43 Birkner, Hans-Joachim 153 Blumhardt, Christoph Friedrich 18 – 22, 76 Blumhardt, Johann Christoph 18 f. Bodelschwingh, Friedrich von 33, 53 Bodelschwingh, Gustav von 33, 53 Bohren, Rudolf 286 Bonhoeffer, Dietrich 95 Bonwentsch, Nathanael 30 f. Bornhausen, Karl 63 f., 83 – 87, 90 – 94, 311, 313, 338 Bosse, Friedrich 31

Bosse, Robert (Kultusminister) 36 Bousset, Wilhelm 30, 41 Braun, Dietrich 342 Bredenkamp, Konrad Justus 12 Brunner, Emil 73, 103, 110, 133, 152, 202, 205, 215, 218, 230 f., 251, 254, 263, 284, 312, 327 Bühner, Jan-Adolf 300 Bultmann, Rudolf 3, 62 – 65, 94, 157, 312, 338 Bunzel, Gottfried 65 Bunzel, Hellmuth 81 Burdach, Ernst 65 Busch, Eberhard 94, 312, 318, 321, 323, 338 – 340, 342 Calvin, Johannes 47, 49 Canterbury, Anselm von 317, 339 Caspari, Wilhelm 62 Claussen, Johann Hinrich 314 Cohn, Ernst 87 Cramer, Konrad 131 f. Cremer, Ernst 12 f., 31, 44, 56 Cremer, Hermann 12 – 19, 22 – 25, 28 f., 31 – 33, 36, 38, 43, 45 – 47, 49, 53, 56, 68, 77, 111, 118 f., 129, 201, 209 f., 235, 278, 312 Cullberg, John 159 Dabney, Lyle 299, 301 Dalferth, Ingolf Ulrich 158 f., 297 Deißmann, Adolf 213 f. Descartes, René 26, 251, 315, 319 – 322, 329 Diederich, Martin 151, 153, 155 Dietzfelbinger, Christian 301 Dillmann, August 9 Dilschneider, Otto 220 Dilthey, Wilhelm 69, 116, 130 f., 155 Dorner, August Johannes 28 Ebeling, Gerhard 151, 153, 259, 270, 288 Eber, Jochen 23 Ebner, Ferdinand 244

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Autorenregister

Ehrenforth, Gerhard 63 f., 87 f., 90, 94, 96 Eichhorn, Albert 16 Elster, Ludwig 33 Eugsters, Howard 20 Evang, Martin 62 f., 65 Feuerbach, Ludwig 135, 250 Fezer, Karl 83 Fichte, Johann Gottlieb 124, 132 Fischer, Johannes 170 Fitzer, Gottfried 62, 89, 93 f. Fleischmann, Wilhelm 28 Flogaus, Reinhard 211 Frank, Franz Hermann Reinhold 30, 45, 146, 150 Führer, Werner 7 Gerhardt, Martin 33 Gloёl, Johannes 16 Göckeritz, Hermann Götz 85, 90, 94 Goertz, Hans-Jürgen 1, 3, 63, 74, 83, 89, 101 f., 128, 134, 156, 238 f., 311 f., 316, 319, 340 Gogarten, Friedrich 3, 64, 67, 74, 84 f., 90 f., 93 f., 96, 202, 239, 243 – 249, 251, 254, 258, 268, 281 f., 284, 312 Goltz, Hermann von 11 Graf, Friedrich Wilhelm 65, 313 f. Grell, Mitchell 201 Gremmels, Christian 18 f. Greschat, Martin 11 Großhans, Hans-Peter 156, 166 Grützmacher, Richard Heinrich 52, 304 Gutzke, P. 47 Haack, Hans Georg 62, 89, 94 Haacker, Klaus 231 Hamann, Johann Georg 185 f. Hamm, Berndt 209 Härle, Wilfried 157 f., 160, 164 f., 206, 231, 234 f., 294 Harnack, Adolf 43, 185, 287 Hartmann, Nicolai 159 f. Hauschild, Wolf-Dieter 80 Haußleiter, Johannes 31 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 123 f., 126, 132, 193

Heim, Karl 66, 69, 81, 135, 143, 312, 319 Heinsius, Maria 51, 128, 134, 142, 152 f., 155, 160, 162, 181 Heinzelmann, Gerhard 129, 213 Hempelmann, Heinzpeter 131, 323 Henning, Christian 1, 266, 299, 318, 332, 337 f. Hermann, Rudolf 64 – 66 Herms, Eilert 158 Herrmann, Wilhelm 42 Hilberath, Bernd Jochen 2, 340 Hilbrig, Wilfried 81, 83 Hildebrandt, Franz 95 Hinske, Nobert 114 Hirsch, Emanuel 49 Höffe, Otfried 111, 115, 163 Hoennicke, Gustav 62, 93 Hoffmann, Georg 62 Hofmann, Johann von 10, 25, 146, 150 Hohlwein, Hans 63, 314 Holl, Karl 49, 63 Holsten, Karl(?) 25 Homann, Heinz-Theo 132 Hornig, Ernst 65, 90, 94 Hornig, Gottfried 65, 119 Huber, Ernst Rudolf 83 Huber, Wolfgang 83 Hübner, Ingolf 132 f., 152 Hülser, Gustav 83 Hutter, Ulrich 64, 88 f., 94 Ihmels, Ludwig 312, 319 Ising, Dieter 19 Israeli, Isaak ben Salomon 164 Iwand, Hans Joachim 65, 338 Jäckh, Eugen 19 f. Jäckh, Werner 19 f. Jacobi, Hermann 28, 155 Jaeger, August 86 f., 93 Jäger, Samuel 53 James, William 142 Jelke, Robert 57, 67, 108 f., 286 Jirku, Anton 62, 84 – 87, 93 f. Johannes, Evangelist 22, 29, 62, 290, 292, 300 f. Jonca, Karol 61

Autorenregister

Jordan, Hermann 44 Jørgensen, Theodor Holzdeppe 153 Jüngel, Eberhard 2, 102, 105, 190, 198, 206, 209, 211, 223, 232, 236, 241, 259 – 262, 277 f., 284, 288, 294 f., 297, 299, 303, 311, 329, 332, 339, 341 Kaftan, Julius 36, 45 f., 51, 53, 57 Kaftan, Theodor 36, 44 – 46, 51, 53, 99 Kähler, Martin 15 – 17, 25, 31, 44 – 47, 49, 53 f., 56, 60, 68, 76, 119, 129, 178, 216, 224, 235, 269, 271 f., 274 f., 307, 312 Kammler, Hans-Christian 292, 294, 300, 302 Kant, Immanuel 26 f., 45, 50, 64, 69, 77, 99 f., 107 f., 110 – 118, 120 – 126, 128, 130 – 132, 145 f., 156, 158 – 160, 162 f., 165 f., 317 Käsemann, Ernst 208 Kattenbusch, Ferdinand 47, 341 Klepper, Jochen 63, 65 f., 338 Kliesch, Georg 83 Kliesch, Gottfried 83 Klostermann, August 36, 42, 56 Knevels, Wilhelm 158, 167 Knoke, Karl 30 Kocher, Hermann 20 Koepp, Wilhelm 74 Kögel, Rudolf 32 Kohlmeyer, Ernst 62, 84 Konrad, Joachim 91, 94 Kooi, Cornelius van der 333 Körtner, Ulrich H.J. 138, 249, 259, 327 Kraus, Hans-Joachim 1 Kreiser, Lother 164 Kropatschek, Friedrich 60 Krüger, Ralf-Dieter 64 Kutter, Hermann 20 Lauerer, Hans 52 Leese, Kurt 128, 134 – 136 Leipoldt, Johannes 41 f., 76 Lessing, Eckhard 1, 79 f. Leube, Hans 62, 84, 93 Lobstein, Paul 51 Loewenich, Walther von 312

391

Lohmeyer, Ernst 40, 64 – 66, 82, 84, 88 f., 93 – 96 Lohse, Bernhard 40 Lother, Helmut 62 Lotze, Rudolf Hermann 118 Lüdemann, Hermann 341 Lütgert, Wilhelm 17, 23 f., 30 – 35, 38, 47, 70, 78, 116, 128 Luther, Martin 12, 40 f., 44 f., 48 f., 51 f., 63 f., 70, 76, 79, 81, 90, 95, 126, 192, 196 – 198, 211, 239 f., 251, 257, 260 f., 312 Mannermaa, Tuomo 211 Martius, Götz 43, 57 McCormack, Bruce Lindley 339 Mehlhausen, Joachim 66 Meier, Klaus-Jürgen 20 Meier, Kurt 87, 91 f., 94 Mencke, Martin 119, 178, 216, 224, 271 f., 275 Merz, Georg 312 Meyer, Dietrich 62 – 65, 84 – 94 Michel, Karl-Heinz 113 f., 122 Mildenberger, Friedrich 31 Miranda, Juan Peter 300 Moltmann, Jürgen 1 Mordhorst, Adolf 46, 55 Muck, Otto 165 Mühlau, Heinrich 36 f., 42, 56 Mulert, Hermann 84 Müller, Hans Martin 83 Müller, Karl 16, 76 Müller, Ludwig 86 Müller, Martin 40 Muntschick, Georg 76 Murrmann-Kahl, Michael 315, 333, 342 Nathusius, Martin von 16, 33 Neß, Dietmar 77 – 79, 81 Neubach, Helmut 61 Neuer, Werner 12, 23 – 25, 30 – 32, 35, 38, 53, 64, 83, 116, 159 Nicolaisen, Carsten 94 Niebergall, Alfred 10 Niemöller, Martin 95

392

Autorenregister

Nitzsch, Friedrich 37 Nygren, Anders 109 Obst, Gabriele 1, 4, 329, 342 Oettli, Samuel 31 Opitz, Günter 83 Otto, Rudolf 34, 60, 63, 66, 107 f., 152, 192, 213, 341 Pachali, Heinrich 51, 128, 134, 156 Pannenberg, Wolfhart 137 f., 157, 206 – 208, 231, 293 Paulus 16 – 18, 23 f., 41, 91, 169, 198, 207, 214 f., 242, 260, 269, 301, 306 Petry, Ludwig 61 f., 82 Preisker, Herbert 62 Prenter, Regin 239 f., 286 Pröhle, Karl 77 Rade, Martin 63 – 65, 332 Rahe, Wilhelm 80 Rahlfs, Alfred 30 Raiser, Konrad 314 Ranke, Ferdinand 8 Ranke, Leopold von 8 Rathmann, Hermann 240 Ratschow, Carl Heinz 34, 40, 60 Redeker, Martin 131 f., 152 Rieger, Hans-Martin 170, 210, 326 f. Ringleben, Joachim 138, 314 Ritschl, Albrecht 12, 29 f., 45 – 49, 57, 118 f., 129, 168, 171, 183, 185, 193, 210, 222, 287, 313 Ritschl, Otto 16 Roggelin, Holger 95 Rohde, Joachim 207 Rohls, Jan 151 f. Röhricht, Eberhard 95 Rosenstock-Huessey, Eugen 83 Rothstein, Wilhelm 16 Ruf, W. 75 Ruhbach, Gerhard 19 Rust, Bernhard 85 f. Saarinen, Risto 211 Sala, Giovanni B. 115 Sandkühler, Hans Jörg 160

Sauer, Bruno 56 Sauter, Gerhard 20 f., 229 Schäberle-Koenigs, Gerhard 95 Schaeder, Agnes 7 f., 56 Schaeder, Albert 7, 13 Schaeder, Anna 2, 7, 25, 28 f., 35, 39, 95 Schaeder, Hans-Heinrich 55, 94 Schaeder, Hildegard 55, 95 Schaeder, Johann Albrecht 55 Schaeder, Milla 55, 95 Schaeder, Paul 19, 55 f. Schaeder, Reinhard 55 Schaeder, Willy 8 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 124 Schian, Martin 77, 81 f., 84, 88 f., 93 Schlange-Schöningen, Hans 83 Schlatter, Adolf 2, 12, 16, 18 – 20, 22 – 40, 42, 47, 53, 56, 58, 60, 76, 81, 83, 157 f., 171, 210, 290, 303, 312 Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst 10, 30, 42, 46 f., 51, 68, 77, 99, 116, 123, 128 – 156, 165, 167, 172 f., 181 f., 206, 339 Schlink, Edmund 207, 306 Schmidt-Leukel, Perry 184 Schmökel, Hartmut 62 Schnackenburg, Rudolf 300 Scholtz, Gunter 111 f. Scholz, Heinrich 64, 66, 312, 319 Schott, Christian-Erdmann 65, 86 Schröder, Arthur Edmund Georg 76 Schubert, Hans von 37, 41 Schuhmann, Friedrich Karl 215 Schulte, (?) Pastor 83 Schultz, Werner 117 Schultze, Viktor 16, 24, 31 Schürer, Emil 30 Schwarz, Eberhard 80 Schwarz, Walter 40, 62, 77, 79 f. Schweizer, Eduard 25, 299, 312 Schwöbel, Christoph 187, 191, 292 Schwöbel, Gerlind 54 f., 95 Seeberg, Alfred 41 Seeberg, Erich 31, 63, 65 Seeberg, Reinhold 31, 43, 312, 319, 341 Seim, Jürgen 65 Sellschopp, Adolf 28

Autorenregister

Sellschopp, Martha 35 Siegele-Wenschkewitz, Leonore 83 Smend, Rudolf 30 Soden, Hans von 63, 65, 89 f. Specker, Louis 20 Spieth, Jakob 142 Stahlberg, Thomas 45 Stange, Carl 7, 76 Steinbeck, Johannes 34, 60, 62, 64, 77, 84, 93, 95 Steiner, Rudolf 125 Steinmeyer, Franz Karl Ludwig 10 Stekeler-Weithofer, Pirmin 164 Stephan, Horst 51, 341 Steuernagel, Carl 62, 65, 93 Stober, Martin 19, 21 Stoecker, Adolf 10 f., 55 Stolzenburg, Arnold 84 Stupperich, Robert 12 – 14, 19, 23 – 25, 28 f., 31, 33, 36, 38, 53 Thalmann, Rita 63, 65 Thierfelder, Jörg 83 Tholuck, August 13 – 15, 35, 80, 312 Thümmel, Hans Georg 12 Thurneysen, Eduard 19, 83, 312 Thyssen, Karl-Wilhelm 248 Tillich, Paul 19, 94 Titius, Arthur 36 f., 39, 41 Traub, Friedrich 51 Trillhaas, Wolfgang 40, 132 Troebst, Christian 19

393

Troeltsch, Ernst 42, 44, 244, 250, 312, 314, 319, 341 Tschackert, Paul 30 Voigt, Otto 31 Vollrath, Wilhelm 241 Vries, Joseph de 163 Walldorf, Jochen 156, 158 f., 164 f. Wallmann, Johannes 133 Walter, Georg 90 – 93 Warneck, Johannes 142 Weber, Hans Emil 68, 70 Wecht, Martin Johannes 66 Weinrich, Michael 248 Weiß, Bernhard 9 f., 25 Weischedel, Wilhelm 115 Welker, Michael 1 Wellhausen, Julius 12, 30 Wiesinger, August 30 Wimmer, Ullrich 224, 269, 272, 275 Winkler, Robert 216, 241 Witte, Leopold 14 Wittig, Joseph 93 Wobbermin, Georg 3, 51, 152 f., 312, 319, 341 Wolf, Ernst 211 Wolgast, Eike 94 Zänker, Otto 40, 80 – 82 Zeindler, Matthias 157 Zöckler, Otto 12, 16 Zscharnack, Leopold 62 Zwiefelhofer, Hans 307

Sachregister Abendmahl 77, 277 f. Abhängigkeitsgefühl 131 f., 135 f., 138, 142 – 146, 149, 151 – 153, 162, 176, 180, 194, 255, 267 Anfechtung 23, 38 – 40, 148, 155, 161, 182, 198, 213, 326, 329 f., 332, 347, 350 Anknüpfungspunkt 225, 261, 285 Anthropologisierung 155, 182, 191, 201, 207, 238, 248, 347 – 349 Anthropozentrisch/Anthropozentrismus 46 f., 51, 100, 104, 118 f., 129, 134 f., 138 – 142, 144 – 151, 154 f., 172, 249 – 252, 324 – 326 Apologetik 144 f., 149, 152, 233 Beweis/Beweisverfahren 18, 116, 118, 134, 139 f., 143 – 145, 149, 151 f., 233, 235 f., 315, 319, 329 Bewusstsein 106 – 108, 116, 126 f., 131 – 133, 146, 149, 151 f., 154 f., 159, 162, 166, 174, 177, 226, 251 – 254, 267, 316, 319 f., 327, 333, 338, 349 – Bewusstseinsgrößen 116 – Bewusstseinstheologie 46, 129, 250 f., 316, 324 Beziehungsverhältnis 26 f., 49, 68, 71, 101, 106, 130, 132, 143, 153 f., 156 f., 160 – 162, 165, 167, 169, 171, 182, 186 f., 189 f., 200 f., 203, 206 f., 209, 212, 214 f., 217 f., 225, 231, 238, 248, 254, 257 f., 259, 263, 284, 287, 292 – 295, 301, 303, 307 f., 323 f., 326, 331, 337, 346 – 348, 350, 354, 356 Biblizismus 15, 46, 250, 314 Cartesianismus 251, 319 – 322 Christophorus 196, 299, 355 Deutsche Christen 63, 86, 89 f., 93 Dialektische Theologie 3, 66 f., 68 f., 74, 91, 136, 199, 238, 243, 249, 260, 280, 311, 314, 339, 341 f.

Ekklesiologie 268 – 270, 281, 283, 353 Erfahrung 26, 38, 40, 52, 57, 69, 71, 81 f., 86, 100, 103, 107, 110, 112 – 114, 117 – 120, 132 – 135, 142 f., 146 – 148, 150 f., 155, 157, 162, 172, 175 f., 178 – 180, 182 – 184, 188, 194 f., 198, 212, 216, 224, 227, 230, 232 f., 235 f., 241, 246 f., 253, 256, 262, 271 – 273, 275, 287, 320, 322 f., 325, 327 – 330, 332, 334, 346 f., 351 – 353 Erkenntnis 4, 13, 15, 17, 26 f., 38, 49 – 51, 69, 71 f., 91, 99 – 104, 106 – 128, 130 – 133, 137, 142, 144, 146 f., 149 – 151, 158 – 160, 165 – 167, 170, 178, 181 f., 183 f., 203 f., 207, 210 f., 214, 220 – 221, 228, 231 – 233, 235, 257, 259, 262, 287, 293, 296, 298, 302 – 307, 314, 317 – 319, 321 – 323, 326 f., 333 f., 339 f., 345 – 346, 351, 354 – 356 – Erkenntniskritik 15, 26 f., 100, 104, 107, 109 f., 121, 126, 131, 133 – Erkenntnistheorie 38, 49 f., 69, 99 – 102, 104, 110 – 116, 123, 128, 130, 158 – 160, 165 – 167, 203, 207, 211, 220 f., 231, 235, 257, 298, 317, 327, 340, 351 – Glaubenserkenntnis 51, 103 f., 118, 293, 305 f., 323 – Gotteserkenntnis 27, 50 f., 72, 100 – 103, 106, 112, 115 – 120, 122 f., 130, 146, 160, 166, 181, 184, 287, 303, 319, 322, 326, 345, 354 – Welterkenntnis 121 f. Erlebnis 46, 87, 102 f., 116 f., 129 f., 133 – 135, 138 f., 141 f., 144 f., 147, 150, 155, 164 f., 168, 172 – 174, 177, 179 – 181, 183 f., 188, 196, 227, 252, 319, 325, 328, 332 – 334, 338, 346 f., 352 Eschatologie/eschatologisch 191, 195, 266 – 268, 270, 296, 300, 318, 325, 335 – 338, 355 Eschatologisierung 336 f. Ethik 7, 10 f., 15, 30, 41, 52, 58, 66, 75, 87, 90, 95, 185, 222, 229, 267, 282, 291, 333, 337

396

Sachregister

Evangelium 10 f., 21, 29, 37, 44, 53, 57, 62, 72 f., 76, 82, 123, 125 f., 167, 171, 173 f., 176 – 178, 180, 187 f., 199, 204, 213 f., 222 – 224, 239 f., 251 f., 257 – 259, 262 – 266, 268, 270, 273, 277 f., 280, 284, 286, 290, 292, 300, 328 Exegese 9 f., 18, 25 f., 62, 64, 275, 292, 333 Gemeinde (s. auch Ekklesiologie) 26, 44, 46 f., 61, 68, 78 – 80, 90, 95, 118 f., 134, 161, 192, 203, 205, 218, 223 f., 268 – 270, 272, 279, 282 f., 287, 305 f. Genese 176, 203, 324, 348 Gericht 52, 70, 75, 186 – 188, 193 f., 197 – 199, 209 f., 212, 255, 262 – 265, 267, 270, 273, 280 f., 285, 330, 350 Gesetz (s. auch Evangelium) 89, 223, 255, 257 – 263, 265, 268, 273, 279, 284, 320 Gewissheit 44, 115 120, 143 f., 150, 178, 230 – 234, 253, 267, 280, 308, 319 f., 351 Glaubenslehre 73, 75, 117, 123, 128 f., 130 f., 133, 135 – 137, 140 f., 143 f., 151 – 153, 171, 173, 183, 185 – 187, 198 f., 202 – 205, 220, 232, 264, 272, 277, 279, 289, 293, 295, 302 f., 305 f., 321, 341, 345 Gott – Besitz/Haben Gottes 9, 68, 73, 100, 106 f., 147 f., 162, 164, 168, 178, 181 – 183, 192, 202 – 205, 209, 211 f., 219 f., 229, 231, 266, 268 f., 283, 291 f., 316 f., 321, 324, 326, 329 f., 334 – 336, 342, 347 – 350, 354 – Distanz/Ferne Gottes 40, 72 f., 154, 161, 189, 191 – 201, 206, 214, 218, 222, 237, 250, 253, 257, 263, 287, 296, 330, 336, 341, 348 – Ehrfurcht 101, 174, 195 – 197, 218 – Externität 136, 149, 153, 155 f., 182, 190, 217, 326, 347 – Furcht 4, 49, 135, 147, 161 f., 180, 191, 194 – 197, 267, 329, 347 – Gegenwart 68, 102, 116, 123, 130, 138 f., 145, 148, 150, 154 f., 166, 168 f., 173 f., 179, 181 – 185, 188 f., 192, 198 – 200, 206, 211 – 214, 218 – 222, 224, 231, 236 f., 241 – 243, 247, 252 f., 259, 265 f., 275 f., 278, 285, 289, 292, 295 – 297, 299 f., 305, 317, 325, 327 f., 331 f., 335, 345 f., 349 – 353, 355

– Geistcharakter 137 f., 144, 153, 183 – Heiligkeit 49, 196 f., 199 – 201, 205, 218, 221, 323, 336, 348 – Herablassung/Kondeszendenz 101, 185 f., 239, 248, 327 – Idee 41, 107 f., 113 f., 117, 193, 274, 319 – Liebe 47 f., 49, 58, 67 f., 71 f., 74, 109, 147, 161, 165, 183 – 189, 191 – 201, 203 – 208, 210, 212, 215 f., 218 f., 221, 223, 226, 228, 230 f., 233, 236 f., 239, 243 f., 246, 258 f., 262, 267, 269, 273, 280 f., 282, 285, 287 – 292, 294 – 299, 302 – 308, 330 f., 334, 342, 347 – 349, 353 – 355 – Majestät/Herrenstellung 4, 47 – 50, 66, 70 – 73, 76, 100 f., 103, 109, 120, 124, 136 f., 139, 146 f., 150, 154, 157, 160 f., 168 f., 176, 184 – 197, 199 – 201, 204 f., 208, 210, 212, 217 f., 221, 228, 230 f., 234, 236 f., 239 f., 243, 245 f., 249, 253, 255, 258, 273, 276, 286, 290 – 292, 295, 304 f., 307, 313, 323, 325, 329, 336 f., 341, 345, 348, 350 – Nähe Gottes 3 f., 17, 68, 73, 154, 156, 161, 169, 178, 182, 188 – 193, 195, 197 – 202, 205, 208, 212 f, 222, 230 f., 237, 241, 243, 246 – 248, 252 – 254, 256, 266, 278, 283 f., 296 f., 299, 308, 324, 326 f., 329 f., 334, 336 – 338, 341, 345, 347 f., 350, 352 – Persönlichkeit 52, 80, 101, 137, 149, 193, 207, 257, 298, 304 – 307, 356 – Schöpfer 71 f., 101, 103 – 105, 136, 149, 154, 156 f., 160 f., 169, 177, 182, 185 – 191, 194, 196, 199 – 204, 207, 210, 212, 218, 222, 224, 226 f, 229, 233 f., 236 f., 239, 244 f., 255 – 257, 259, 261, 264, 266, 269, 281 f., 284, 288, 290, 294, 307, 326, 331, 336, 346 – 349, 353 – Selbstversagung 199 f., 262, 348 – Souveränität 2, 148 f., 155 f., 182, 186, 190 f., 208, 217, 239 – 241, 284 – 286, 289, 323, 325 f., 332, 345, 347, 352 – Subjektivität 315 f., 318 – 323, 329, 333, 335 – Transzendenz 68, 136, 149, 223, 248, 267, 336 – Überlegenheit Gottes 4, 157, 160, 323, 346 Gottesebenbildlichkeit 261, 284

Sachregister

gratia infusa 205, 208, 211, 243, 251, 277, 349 Grunderlebnis 135, 180 f., 328, 346 f. Grundlagenkrise der Theologie 333, 341 habitus 206, 208 f., 211 Hamartiologie 119, 125 f., 128, 261 Heiliger Geist – Band der Liebe (vinculum caritatis) 302 f., 355 – Empfangen/Rezeption/empfängt 4, 131, 202 – 204, 206, 209, 211 f., 237, 242, 263, 276, 278, 283, 285, 289, 291 f., 298, 301, 320, 322, 324 f., 329 – 331, 334 f., 342, 348, 350, 354 – filioque 302, 355 – Gnadengaben/Charismen 282, 305 f. – Kraft 138, 168 f., 179, 207 f., 212, 216, 222, 277, 282, 292, 301, 307, 331, 346, 349, 352, 356 – Macht 71, 73 f., 103, 125, 137 f., 154, 161, 167 – 169, 173, 177, 185, 188 f., 194 – 202, 217 f., 220 f., 230, 242, 247, 252 f., 256 f., 266, 281, 289 f., 292, 295, 298, 300, 303 – 305, 307 f., 336, 345 f., 348, 356 – Permanente Rezeption 202 – 204, 211, 283, 291 f., 324, 329, 348, 354 – Persönlichkeit (s. auch Gott – Persönlichkeit) 304 – 307, 356 – Repräsentation 278, 285, 297 – 300, 355 – Sendung/Gesandter 186, 297 f., 300 f., 355 – „Wesen“ 3, 69, 107, 117, 137 f., 201, 235 – 237, 284, 286, 294 f., 297 f., 300, 302, 304 f., 352 Heilige Schrift/Bibel 67, 73, 77, 81, 91, 163, 167, 178, 235 f., 238, 240, 270 – 272, 274 – 276, 285, 339 Icherfahrung 146 f. Idealismus 15, 27, 69, 75, 92, 123 – 126, 128, 193, 239, 245, 249 Inanspruchnahme und Befreiung 176 – 181, 184, 217, 223 f., 241, 250, 252, 256, 258, 268, 319, 328, 346 f., 351 f. Inkarnation 74, 239, 241 f., 246, 264 Inspiration 44, 52, 75, 238, 270 – 274

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Jesus Christus – Auferstehung 17, 37, 53, 186, 219, 264 f., 274, 295 f., 299 – Christologie 1, 26, 32, 43 f., 53, 68, 128, 157, 246, 248, 292, 300, 302, 305 f. – Christus der Geschichte/geschichtlicher Jesus 17, 71, 221, 243, 247, 274, 291 f., 294, 296 – 298, 327, 354 – Erhöhung 186, 292, 296, 298 – Gottessohnschaft Jesu 46, 289 – 291, 293 – Gottheit Jesu Christi 37, 46, 119, 288 – 295, 298, 300, 302, 305, 354 – Hingabe 221, 226, 258, 262, 288, 294, 297, 299, 330 – Präexistenz 293, 301 f., 354 – Träger des Heiligen Geistes 219, 243, 263 – 265, 290, 298, 301, 354 Kausalschluss/via causalitatis 32, 100 f., 116, 145 f., 148 f., 152, 236, 325 Kenosis 286, 299, 301 Kirchenpolitik 11, 41, 44, 46 f., 63 f., 78 f., 81, 85, 93, 311, 313, 329 Konsistorium 64, 77, 85 f. Kriterium der Dogmatik 326, 328 Kulturprotestantismus 250, 256, 260, 313 f. Liberale Theologie 12 f., 41, 46, 53, 60, 63, 78 f., 264, 312 – 314, 339 Mensch – Neukonstituierung 4, 101, 188, 190, 212, 251, 261, 266, 324 f., 335, 347, 349 f. – Veränderung 4, 102, 170, 188, 210, 212, 230, 237, 265, 322, 324 f., 330, 337, 347, 349 f. Mystik 17, 50, 66, 68 f., 72 f., 76, 125 f., 128, 152, 182, 189, 213 – 224, 231, 243, 245 – 248, 254, 284, 320, 349 f. Nationalsozialismus 2, 63, 65, 83, 85 – 88, 91 – 94, 96 Neuprotestantismus 44, 125, 311 – 316, 319 f., 322, 329, 339 – 341

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Sachregister

Neuschöpfung 185 – 188, 199, 203 f., 224, 226, 229, 236, 256 f., 261, 266, 288, 336, 348 Neuzentrierung 207, 331, 349 Offenbarung – Selbsterschließung Gottes 52, 183, 186 – Selbstmitteilung 67, 183 – 192, 198, 203 – 210, 212, 219, 230, 243, 265, 287 f., 295, 321, 331, 335, 342, 348, 350, 354 – Selbstoffenbarung Gottes 52, 72, 106, 147, 166 f., 183 – Selbstvergegenwärtigung Gottes 102, 116, 123, 138, 145, 166, 168, 173 f., 179, 181 – 184, 236, 296, 325, 328, 345 f., 352 f. Orthodoxie 37, 41, 44, 47, 240 Pantheismus 69, 125, 137 f., 149, 153, 222 Partizipation 181, 204, 206, 211, 265, 283, 324 f., 329, 331, 348 f. Pfarrernotbund 65, 87, 89, 93 Positive Theologie 12, 30 f., 36, 41, 45, 52 f., 60, 78 f., 313 f. Realismus 81, 101, 116, 156, 159 f., 166 Realität 105, 113 – 115, 117, 121, 149, 157 – 159, 162 f., 201 Rechtfertigung 16 – 18, 23 f., 48 f., 70 f., 126, 133 f., 185, 187 f., 206, 208 – 211, 219, 236, 241, 255, 259 – 263, 265 – 267, 270, 276 – 278, 281, 288, 330 – 332, 336, 340, 342, 349 f. Relation/relational 3, 17, 99, 101, 104, 106, 115 – 117, 122 f., 132, 145, 148, 153 – 155, 160 – 162, 165, 181 f., 186 – 188, 190 f., 196, 204 – 213, 216 f., 221, 224, 230, 236, 247 f., 252, 258, 260 f., 263, 275, 284, 286, 289, 293 f., 297, 300 – 302, 308, 322 – 324, 326 f., 330 f., 346 f., 349 f., 354 Relecture 338, 340 Religiöse Anlage (s. auch Religiöses Apriori) 50, 72, 107 – 110, 224 f., 227 – 229 Religiöses Apriori 51 f., 107, 109 – 112, 115, 167 Religiöses Bewusstsein (s. auch Bewusstsein) 106 – 109, 127, 131 f., 151, 163

Religionsphilosophie 42, 60, 63 f., 66, 83, 106 – 109, 111, 127, 132, 163 Religionspsychologie 21, 26, 41, 47, 50, 104, 107 – 110, 112, 132, 141 – 144, 163, 174 – 177, 180 f., 227, 251, 253, 347 Religionswissenschaft 32, 44 – 46, 48, 69 f., 76, 129, 131, 141 f., 144, 260, 264, 313 Rückschlussmethode 145 – 153, 179, 321, 325 Sakrament 69, 276 – 278, 284 f. Schlesien 2, 60 f., 65, 77 – 82, 86, 89 f., 95 f., 99 Schöpfung (s. auch Gott – Schöpfer) 59, 122, 133, 158, 186 f., 190, 195, 202 f., 207, 217, 225, 228 f., 241, 255 – 257, 261, 263, 273 f., 280, 285 Seelsorge 2, 14, 19 – 21, 25, 45, 65, 82, 198, 287, 329 f., 332 Selbsterfahrung (s. auch Erfahrung) 146 – 148, 150, 182, 325 Selbsterlebnis 135, 141, 147, 150, 172, 177 Soteriologie 7, 70, 119, 125 f., 128, 187, 190, 230, 256 f., 266 f., 284, 302, 329, 336 Stadtmission 54 f., 80 Subjekt-Objekt-Relation 99, 101, 104, 106 f., 115 f., 122 f., 125, 132, 145, 148, 154 f., 160, 162, 165, 182, 204, 207 f., 210 f., 221, 230, 252, 278, 323, 349 Subjektivismus 133, 249 f. Subjektivität 69, 103, 116, 123, 127, 133 f., 143, 149, 154 f., 162, 172, 178, 189, 216, 269, 326, 331 Substanzontologie 148 f., 181 f., 203, 205, 241, 347 Sünde 17, 21 f., 39 f., 44 f., 48 f., 58 f., 70, 72, 91, 125 f., 133, 163, 175, 183, 185, 186 – 188, 190 f., 195 – 197, 199 f., 204 – 206, 208 – 210, 212, 217 f., 221, 225, 227, 236, 239, 247, 255 – 257, 259 – 267, 270, 276, 280 f., 282, 284 f., 288 f., 291, 296, 308, 313, 330 f., 334 – 337, 342, 347 – 350, 353 Synthese 74, 127 f., 189 f., 198, 216 f., 241, 253 f., 269, 284, 291, 320, 342, 347, 350

Sachregister

Taufe 277 – 279 Theologie – Funktion des Glaubens 134, 139, 149, 153, 156, 173, 182, 326, 347 – Glaubenslehre 75, 130, 133, 140, 232, 321, 345 – Methode 50, 102 f., 118, 127 f., 135, 145 – 153, 183, 321, 325 Transformation 225 – 229, 261 Trinität 3, 53, 67 f., 137, 286 – 307, 340, 342, 353 – 355 – Immanente 287, 294 f., 298, 301 – 304, 306, 354 – 356 – Koordination 67, 290, 293 f., 300, 302 – 304, 354 f. – Ökonomische 295, 301 – 304, 306, 354 – 356 – Subordination 67, 290 f., 293 f., 300, 302, 304, 354 f. Trost 308, 329, 332 Unmittelbarkeit 3, 178, 190, 213 f., 216, 218, 238, 245, 248, 276, 346 f. Unmittelbares Selbstbewusstsein 131 f., 135 f., 142 – 145, 151 – 153, 172

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Verheißung 134, 273, 321, 323, 335 Versöhnung 22, 38, 41, 65, 68, 176, 185, 187 f., 210, 219, 221, 236, 263 – 265, 288, 295, 303, 338, 354 Weltkrieg – Erster 2, 7, 42, 53, 56, 63, 70, 85, 339 f., – Zweiter 95 Werturteil 57, 118, 120, 168, 183 Wirklichkeit Gottes (s. auch Gott) – Alles bedingende Wirklichkeit 105, 117, 156 – 160, 162 f., 228, 256, 323, 346 – Virtuelle Wirklichkeit 4, 267, 325 – Wirksamkeit 4, 48, 89, 121, 147, 157, 160 f., 167 – 169, 183, 185, 188, 191 f., 194, 198 – 202, 204, 210, 213 – 215, 219, 221, 228 f., 231, 236 f., 245 – 247, 252 – 256, 258, 264 – 266, 269, 273, 277, 280 f., 283, 289, 295, 297, 299 f., 308, 327 f., 336, 338, 341 Wort Gottes 3, 23, 39, 73 f., 83, 133, 171, 178, 198, 210, 238 f., 242 – 247, 249 – 255, 264, 269 – 277, 279 – 281, 285, 311, 316, 318, 326 – 328, 342, 353 Zweinaturenlehre 118, 257, 289 – 292, 354