Hegels Ästhetik des Komischen 9783787328567, 9783787328550

Seit jeher hat Hegels Philosophie der Kunst ihr Publikum fasziniert. Beeindruckt hat sie vor allem durch die überzeugend

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Hegels Ästhetik des Komischen
 9783787328567, 9783787328550

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HEGEL-STUDIEN BEIHEFT 63

HEGEL-STUDIEN In Verbindung mit Walter Jaeschke und Ludwig Siep herausgegeben von Michael Quante und Birgit Sandkaulen Beiheft 63

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

HEGELS ÄSTHETIK DES KOMISCHEN

von NIKLAS HEBING

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über abrufbar. ISBN 978-3-7873-2855-0 ISBN eBook 978-3-7873-2856-7

ISSN 0440-5927 © Felix Meiner Verlag Hamburg 2015. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspei­cherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§  53 und 54 URG ausdrücklich gestatten.Satz: Type & Buch Kusel, Hamburg. Druck und Bindung: Druckhaus Nomos, Sinzheim. Werkdruckpapier: alterungsbeständig nach ANSINorm resp. DIN-ISO 9706, hergestellt aus 100% chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany.

INHALT

Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

11

I.

29

Von der Groteske zur Ironie – Feldbegrenzungen des Komischen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1. Erste Annäherung: Komik als Selbstverhältnis des Geistes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Verzerrte Natur – Die Disqualifikation der Übertreibung und Vermischung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Verkehrte Welt – Die Disqualifikation der abstrakten Negativität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40

II.

45

Komödie im Sittlichen – Ästhetik und Politik beim jungen Hegel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29 35

1. Die Entdeckung einer literarischen Tradition in den Jugendschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Die Geburt der Schönheit aus dem Geist des Absoluten: Die Differenzschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 3. Denken des Schicksals im Tübinger Stift – Der Austausch mit Hölderlin und Schelling . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 4. Der Naturrechtsaufsatz, befragt nach seinen dramentheoretischen Momenten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 5. Das Prinzip Sokrates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 6. Von der Naturrechtskritik zum philosophischen Systementwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 III. Maskenspiel der freien Bürger – Die Komödie in der Phänomenologie des Geistes . . . . . . . . . . . . . . . .

77

1. Der Weg des Bewusstseins . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 2. Poetische Zeiten, geschlossene Welt – Das Epos . . . . . . . . . . . . . . 82 3. Der Olymp beginnt sich zu entvölkern – Die Tragödie . . . . . . . . 86 4. Heimkehr der Götter ins menschliche Selbstbewusstsein – Gipfelpunkt Komödie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 5. Antike Revolutionen – Der Demos erstürmt die Bühne . . . . . . . 101 6. Wesentlichkeit und Unwesentlichkeit der freien Subjektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110

6

Inhalt

IV. Der »höhere Zustand«. Exkurs zu Schiller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121

1. Was kann eine gute Komödie eigentlich wirken? . . . . . . . . . . . . . 123 2. Die Gemütsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Schillers Entwurf und Hegels Einwand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132

V.

Negationen der heiteren Seele – Das Lachen in Hegels Anthropologie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141

1. Die Verleiblichung der Empfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 2. Komik als Widerspruch. Zur Geschichte der Theorie des Lachens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 3. Ästhetik und Anthropologie bei Hegel und Kant . . . . . . . . . . . . . 153 4. Katharsis und Bewusstsein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 5. Entlastung von Fremdbestimmung als Befreiung zum Geist . . . . 169 VI. Aristophanes in Berlin – Bekehrungen des Nichtigen in der großen Ästhetik . . . . . . . . . . . . . 177 1. Die Ausarbeitung einer Philosophie der Kunst in Vorlesungen 2. Der spekulative Fächer: Drei Perspektiven der Komödientheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Kernmoment der Komödie ist die Selbstvernichtung des Nichtigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Affirmation des Substantiellen durch subjektive Selbstvernichtung ist die Selbstaffirmation des Subjekts . . . . . c) Die siegreiche Subjektivität überwindet den Verlust des Substantiellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die menschliche Komödie – Hegels Abschaffung der Ständeklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Vermessung einer Problematik: Wie wird Kunst wieder substantiell? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

177 182 188 201 206 216 224

VII. Bruchlinien der Subjektivität – Die römische Satire . . . . . . . . . . . . . 227

1. Hegel und Schiller. Variation und Reprise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Schritt in die Entzweiung: Rom und sein Recht . . . . . . . . . . . 3. Satirische Dichtung in ihrer adäquaten Form . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Überlegungen zu einer Verteidigung des Satire-Begriffs . . . . . . .

228 231 237 245

VIII. Zur Aufführung gebrachte Partikularität – Optionen des komischen Theaters in Hegels Gegenwart . . . . . . . . . . 251



1. Der Held, der nicht lachen kann – Bestimmungen des Lustspiels 255

Inhalt

2. Geiz, Betrug, Intrige und die klugen Hausmädchen – Über das Theater Molières . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Mit Hegel im Schauspielhaus. Zur antikritischen Kritik einer Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Erörterungen zum Naturrechtsaufsatz. Zweiter Teil . . . . . . . . . . . 5. Drama oder Schauspiel als mittlere Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Der Mensch in Raum und Zeit verinnerlicht – Übergang zur nächsten Gestalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

7

263 266 275 286 297

IX. Die Heiterkeit: Humor als höchste Gestalt der modernen Kunst . . . 299 1. »Brasilianische Pflanzen und das alte Reichskammergericht«. An Jean Paul den Witz studieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Gegenwart der Willkür – Hegel über romantische Ironie . . . 3. Luftschiffreisen des Ich im Ich oder Humor ist keine Ironie . . . . 4. Die objektive Option als Überwindung: Theodor Gottlieb Hippel 5. Goethes Divan und die neue Substantialität der Dichtung . . . . . 6. Letzte Vertiefung der letzten geschichtlichen Erscheinung . . . . . X.

304 320 330 347 366 378

Darüber hinaus sein – Das allgemeine Wesen des Komischen . . . . . 387

1. Die Kunst scheidet heiter von ihrer Vergangenheit – Endgestalten der Ästhetik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Abenteuer des komischen Ritters. Hegels Don Quixote-Rezeption . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das zerrissene Hohngelächter des Absolutismus. Anspielungen auf Diderots Rameaus Neffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Tochter Thalia: Das Komische als Ende und Vollendung der Geschichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

387 402 407 412

Abschließende Betrachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 421

1. Ausgaben der Werke und Briefe Hegels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Vorlesungsnachschriften der Studenten Hegels . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gesamtausgaben anderer Autoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Sonstige Quellen und Forschungsliteratur . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

421 423 424 430

Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455

Meinen Eltern •

 D

as vorliegende Buch ist die geringfügig überarbeitete Fassung meiner im Juni 2013 von der Fakultät für Philosophie und Erziehungswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum angenommenen und im November desselben Jahres verteidigten Dissertationsschrift. An dieser Stelle möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, denen durch ihre Unterstützung ein wesentlicher Beitrag zu ihrer Entstehung zukommt, auch wenn ich hier nur einige von ihnen nennen kann. Im Besonderen gilt ein herzlicher Dank meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Walter Jaeschke, der von Anfang an Vertrauen in mich und meine Arbeit gesetzt, mir durch die Anstellung als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hegel-Archiv eine Promotion auch materiell ermöglicht sowie den Schreibprozess in persönlichem Dialog und Korrespondenzen interessiert, durch ernsthafte Auseinandersetzung, motivierend und mit großem Sachverstand begleitet hat. Verpflichtet fühle ich mich zudem Frau Prof. Dr. Birgit Sandkaulen, die mich vielfach freundlich unterstützt und das Zweitgutachten der Dissertation übernommen hat. Ihr und Herrn Prof. Dr. Michael Quante danke ich für die Aufnahme meiner Arbeit in die Reihe Hegel-Studien Beihefte. Die hier niedergeschriebenen Gedanken sind nicht zuletzt Früchte meiner täglichen Arbeit am Hegel-Archiv; danken möchte ich daher meinen Kolleginnen und Kollegen, die nicht unwesentlich zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben, vor allem Catia Goretzki, Hannes Schülein und Annette Sell, denen ich mich freundschaftlich verbunden fühle und die mir wichtige Anstöße und Ermutigungen gaben. Danken möchte ich aber auch Lucia Eskes, Anke Fehring, Kirsten Kerkling und Frauke Peters, die jede Zeile meiner Arbeit gelesen und mir unzählige wertvolle Verbesserungsvorschläge gemacht haben. Darüber hinaus gebührt ein ganz herzlicher Dank meiner Familie, die mich in einem wichtigen Lebensabschnitt liebend begleitet hat: meinen Großeltern und meinem Bruder, vor allem meinen Eltern, denen dieses Buch gewidmet ist. Eine Arbeit wie die vorliegende hätte aber nicht verwirklicht werden können, wenn ich nicht die Unterstützung vieler Freunde und allen voran eines Menschen gehabt hätte, der die Beschwernis, die ein langer Prozess des Lesens, Durchdenkens, Entwerfens und Schreibens bedeutet, in ernsten wie komischen Zeiten geduldig und unermüdlich mitgetragen hat. So gilt mein innigster Dank Björn, dass er mir dieser Mensch gewesen ist. São Paulo, im September 2015

Niklas Hebing

EINLEITUNG EINLEITUNG Friedrich Engels und Ernst Bloch geben sich gleichermaßen überrascht, wie ein und derselbe Philosoph eine begrifflich hochkonzentrierte Wissenschaft der Logik verfassen und zugleich ästhetische Vorlesungen von unverwechselbar konkreter künstlerischer Erfahrung und Sachkenntnis halten könne.1 Was hätten beide wohl dazu gesagt, dass die Leidenschaft dieses Philosophen zudem in besonderem Maße für die komischen Sujets der Kunst brennt? Würde es sie wundernehmen, in ihm einen glühenden Verehrer der Komödie zu entdecken, der seine Hausbibliothek mit den Werkausgaben des Aristophanes, Terenz, Molière, Beaumarchais sowie den Lustspielen Shake­speares bestückt, der im Hörsaal seinen Studenten Don Quixote-Apotheosen vorträgt, im Studierzimmer seine kostbare Zeit tausenden von Seiten humoristischer Romane von Swift über Jean Paul bis Theodor von Hippel schenkt sowie öffentlich das komische Theater Ernst Raupachs mit einem Bekenntnis zum Geist heiterer Unterhaltung gegen dessen Kritiker verteidigt, der die Opera buffa, die Commedia dell’arte und das Wiener Kasperletheater gerade wegen der Verbreitung ausgelassen sprühender Laune als regelmäßiger Zuschauer liebt? Wem Hegel als der blutleere Begriffsevangelist vorkommt, der mit eiserner Schreibfeder kalte Sätze der Vernunft produziert, wem unmöglich erscheint, dass Witz beweisen und sich als ein treuer Liebhaber der Muse Thalia zu erkennen geben kann, der andernorts die Philosophie in die Sphäre der »reinen Gedanken« und »Abstractionen« ohne alle »Anschauung«2 führt, wer seine Auffassung zugleich aber nicht solch stereotypen Zuschreibungen zum Opfer fallen lassen will, wer immer alle Facetten, niemals nur eine zu Gesicht bekommen möchte und sich bereit zeigt, seine Erwartungen zum bloßen Vorurteil abwerten zu lassen, der möge lesen, wie sich Hegel selber als Humorist zu erkennen gibt: Etwa im Jenaer Notizenbuch Hegels begegnet ein bissiges Urteil über die plumpe Denkform des Syllogismus: Alle »Menschen sind sterblich: Cajus ist ein Mensch; also ist er sterblich. Ich wenigstens habe nie so plattes Zeug gedacht. Es soll im Innern vorgehen, ohne daß wir Bewußtsein darüber haben. Freilich, im Innern geht viel vor, z. B. Harnbereitung und ein noch 1 

Vgl. den Brief Engels vom 1. November 1891 an Conrad Schmidt in: Marx / Engels: MEW 38, S. 203 f.; vgl. Bloch: GA 8, S. 279. 2  GW 20, S. 61.

12

Einleitung

Schlimmeres, aber wenn es äußerlich wird, halten wir die Nase zu. Eben so bei solchem Schließen.«3 Ironisch rät Hegel daher an einer anderen Stelle Anfängern des formalistischen Urteilens: »abstrakt lernt man denken durch abstraktes Denken.«4 – Aber nicht allein verständige Gedankenoperationen ziehen den Spott auf sich, sondern gleichfalls sinnenfrohe Gegenstände wie die bukolische Idyllendichtung: Lustig macht sich Hegel über das Ideal naiv-dümmlicher Unschuld, den Lebensinhalt bloß darin zu erblicken, »von nichts [zu] wissen als von Essen und Trinken«, auf das »liebe[] Vieh mit dem treuen Hund den ganzen lieben Tag lang aufzupassen« und »nebenher mit so vieler Sentimentalität als möglich […] Empfindungen zu hegen und zu pflegen«; darüber, immerzu »fromm und zahm zu sein, auf der Schalmei, der Rohrpfeife usf. zu blasen oder sich etwas vorzusingen und vornehmlich einander in größter Zartheit und Unschuld liebzuhaben«, über die Ernährung ausschließlich »von Ziegenmilch, Schafmilch und zur Not höchstens von Kuhmilch«, die Frage, ob Brot eigentlich noch »recht idyllisch« sei, und die Feststellung, »Fleisch [müsse] schon eher erlaubt sein, denn ganz werden die idyllischen Schäfer und Schäferinnen ihr Vieh doch nicht den Göttern haben opfern wollen«5. – Doch damit nicht genug. Insbesondere in der Phänomenologie des Geistes, aber nicht nur dort, amüsiert sich Hegel über Lavaters Physiognomik und Galls Schädellehre; mit den Waffen der Satire und einer Fülle von »ironisch-sarkastischen Bemerkungen«6 bezieht er Stellung gegen den systematischen Versuch, Charakterzüge und innerpsychische Vorgänge am körperlichen Erscheinungsbild ablesen zu wollen. Über einen unzulässig und vorschnell gezogenen Kausalzusammenhang scherzt Hegel: »Krämer und Hausfrau konnten auch die Beobachtung machen, daß es immer regnet, wenn dieser Nachbar vorbeygeht, oder wenn Schweinsbraten gegessen wird.«7 So wie vom Mittagstisch nicht auf das Wetter zu schließen ist, müssen nicht alle Köpfe ab Hutgröße 60 in Sicherheitsverwahrung genommen werden, sobald sich mehr als ein Mörder mit beachtlichem Schädelumfang auffinden lässt. – Als verbindendes Element scheint an all diesen Passagen auf, dass das Komische Hegel zum Mittel der Polemik dient. Dieser generelle Punkt wird nicht zuletzt am angewiderten Spott deutlich, den er über den germanisierenden Nationalismus vieler seiner Zeitgenossen ausschüttet, über das »gelobte[] Land des Deutschdumms«8. 3 

GW 5, S. 489. GW 10,2, S. 830. 5  TWA 15, S. 391. 6  Siep (2000), S. 142. 7  GW 9, S. 186. 8  Brief Hegels vom 9. Oktober 1814 an Heinrich Paulus in: Br 2, S. 43. – Am 12. De­ 4 

Einleitung

13

Dies sind nur wenige der zahlreichen humoristischen oder satirischen Beispiele, die Hegels Sinn für Komik belegen.9 An ihnen wird sichtbar, dass er in seinen Schriften und Vorträgen das Komische nach dessen rhetorischen Qualitäten für argumentative Zwecke gezielt einzusetzen weiß, nicht selten mit dem Anspruch verbunden, durch Scherz, Satire, Ironie und deren tiefere Bedeutung seinen Sätzen Nachdruck zu verleihen. Doch ferner zu bezweifeln wäre, ob in den angeführten Abschnitten Näheres über das Komische an sich erfahren werden kann. Dass in ihnen allen Komik ein hervortretendes Moment ist, wird evident; reflektiert sich darin aber das Komische auch als Komisches? Anders als verneint werden kann diese Frage nicht. Demgegenüber ist es nicht das Ziel der vorliegenden Studie, den Komiker Hegel zu präsentieren, sondern vielmehr das Komische aus der Perspektive seiner Philosophie auf den Begriff zu bringen. Folglich ist es nicht dieser Pfad, der verspricht, zielführend zu sein. Der Untersuchungsgegenstand ist zunächst nicht deutlicher konturiert, als dass er das Siegel des ›Komischen bei Hegel‹ trägt; es muss näher thematisiert werden, was es bedeutet zu fragen, auf welch unverwechselbare Weise Hegel als spekulativer Philosoph Wesen und Wirkung des Komischen im systemischen Zusammenhang geistphilosophischer Bestimmungen ins Licht setzt. Was ist also dieses Komische, das Hegel nicht bloß zum äußerlichen Instrument der Polemik macht, sondern welches er bestrebt ist, auf den geistigen Kern freizulegen? Mit dieser Frage ist sogleich eine erste Bestimmung gegeben, die genauso schlicht wie fundamental ist: Das Komische ist eine wesentliche Gestalt des Geistes. Im Hauptteil der Arbeit wird die These wieder aufgegriffen werden, damit sie sich vollends als zem­ber 1815 schreibt dessen Ehefrau Caroline Paulus an Hegel: »Es ist wahrlich kein Heil mehr von dem erzdummen Menschenvolk zu erwarten, besonders seit es den salto mortale in das Deutschdumm gemacht hat«. Br 2, S. 63. 9  An einer anderen Stelle der Vorlesungen über die Ästhetik lässt Hotho Hegel über Karl August »Böttigers Herumtatscheln an den weichen Marmorpartien der weiblichen Göttinnen« scherzen und bemerken, dies gehöre ja wohl »nicht zur Kunstbeschauung und zum Kunstgenuß«. TWA 14, S. 255. – An den zwölf heroischen Taten des Herkules wird kontrastierend hervorgehoben: »Und dabei ist er nicht eben ein moralischer Held, wie seine Geschichte mit den fünfzig Töchtern des Thespios zeigt, die in einer Nacht von ihm empfangen haben, und auch nicht vornehm, wenn wir des Augiasstalles gedenken«. TWA 13, S. 244. – Weitergehend hält Hegel in den Jenaer Notizen fest: »In Schwaben sagt man von etwas längst Geschehenem: es ist schon so lange, daß es bald nicht mehr wahr ist. So ist Christus schon so lange für unsere Sünden gestorben, daß es bald nicht mehr wahr ist.« GW 5, S. 491. – In der Phänomenologie des Geistes merkt er zudem an, die absolute Idee sei keineswegs so trocken und sinnenfeindlich wie man annehmen könnte: »Das Wahre ist so der bachantische Taumel, an dem kein Glied nicht trunken ist«. GW 9, S. 35. – Und zum notwendigen Moment der Entfremdung und Verwirrung bei der Selbstverwirklichung des Bewusstseins wird betont: »Ein geflickter Strumpf [ist] besser als ein zerrissener; nicht so das Selbstbewußtsein.« GW 5, S. 501.

14

Einleitung

gültige bewähren kann. Zugleich ist mit diesem Geistigen aber noch mehr gesetzt: Hegel fasst die Theorie des Komischen so weit, dass Brücken zu allen Teilen seiner Philosophie des Geistes gebaut werden. Das Lachen hat in der Anthropologie als Bestandteil der Philosophie des subjektiven Geistes seinen angemessenen Platz, im absoluten Geist der Kunst wird es zu einer Gestalt ästhetischen Selbstbewusstseins entwickelt und ist demgemäß nicht minder Ausdruck des geschichtlichen Weltzustands des objektiven Geistes. – Die Ästhetik des Komischen ist folglich keine Randerscheinung der Philosophie Hegels. Ihre Bestimmungen müssen nicht vorrangig zur äußerlichen Kontextualisierung in einen größeren Zusammenhang eingeordnet werden, sondern können durch diesen überhaupt erst konsequent in tiefer erschlossenen Dimensionen begriffen werden. Dieser Zusammenhang ist die Philosophie des Geistes. Wie eine systemphilosophisch entworfene Ästhetik immer auch als Widerspiegelung des allgemeinen Ansatzes, deren Teil sie ist, verstanden zu werden vermag, geht eine Ästhetik des Komischen in der übergeordneten Kunstphilosophie auf und gewinnt ihre breite Bedeutung erst vor dem allgemeinen geistphilosophischen Hintergrund. – Vittorio Hösle schreibt in seiner Studie zu Woody Allen, das Komische sei unter anderem aus dem Grunde »einer der kontroversesten und faszinierendsten Gegenstände der Philosophie«, weil »bei dessen Analyse verschiedene philosophische Disziplinen zusammenarbeiten müssen – die philosophische Anthropologie, die philosophische Soziologie und die eigentliche Ästhetik«10. Von den im 20. Jahrhundert klassisch gewordenen Theorien des Komischen ist dies durchaus berücksichtigt worden: So verfasst beispielsweise Henri Bergson seine Schrift Le rire von 1900 als eine Verbindung aus Sozialphilosophie und Ästhetik, Sigmund Freud seine Psychoanalytik des Witzes als Verbindung aus Psychologie und Sozialtheorie sowie Helmuth Plessner seinen langen Essay Lachen und Weinen von 1941 als Verbindung aus Anthropologie und Soziologie. Hegel allerdings begreift bereits lange zuvor das Komische nicht bloß interdisziplinär, sondern transdisziplinär im umfassendsten Sinne, und zwar indem er die einzelnen Perspektiven in seinen Ansatz integriert und sie zugleich einer vereinzelten Disziplinarität entzieht. Er begreift das Phänomen philosophisch und handelt es auf allen drei Stufen seiner Geistphilosophie ab. Auf der anderen Seite grenzt er das Komische wiederum strengstens auf das Gebiet des Geistes ein. Weder in der Logik noch in der Naturphilosophie soll es ihm zum Gegenstand werden. Die Gründe liegen auf der Hand: Die Logik vermag es nicht, das Komische zu einem Moment des reinen Denkens zu machen, denn ein solches ist es nicht. Um es philosophisch fassen zu 10 

Hösle (2001), S. 8.

Einleitung

15

können, fehlen ihr die dazu notwendigen Voraussetzungen des Begriffs des Geistes: Endlichkeit und Geschichtlichkeit.11 Welche Bedeutung diese beiden Charakteristika für das Komische besitzen, wird sich in den einzelnen Kapiteln der Untersuchung auf das Deutlichste herauszukristallisieren haben. – Ebenso findet das Komische in der Philosophie der Natur keinen geeigneten Ort: Natur als bloße »Aeußerlichkeit« und »Zufälligkeit«, die »keine Freiheit« besitzt, ist nicht an sich komisch, denn Komik als ein freies Verhältnis kann in dieser »Unvernunft der Aeußerlichkeit«12 nirgendwo erscheinen. 11 

In den Nürnberger Schriften Hegels ist bis zur Veröffentlichung des ersten Buches der Wissenschaft der Logik noch ein gewisses Schwanken festzustellen, was im Einzelnen in einer Logik thematisiert zu werden hat. Das bezieht sich in besonderem Maße auf die 1816 publizierte Lehre vom Begriff: Noch in seinen Gymnasialdiktaten hatte Hegel in seiner Ideenlehre auch die ›Idee des Schönen‹ als Bestandteil der klassischen Trias, zusammen mit den Ideen des Wahren und Guten, abgehandelt. Im Drucktext von 1816 versammelt er unter der ›Idee des Erkennens‹ jedoch nur noch die beiden anderen Ideen; das Schöne ist gestrichen worden. Es ist plausibel, das Wahre auf einer Stufe abzuhandeln, auf welcher sich die Idee als der aus seiner Unmittelbarkeit und zu seiner Subjektivität befreite Begriff darstellt, der sich von seiner Objektivität unterscheidet und sich in diesem Unterschied zugleich als die Wahrheit im Sinne der Einheit von Begriff und Realität erweist; auch dass daher das Schöne, als sinnliches Scheinen und damit stets mit dem einen Bein im Endlichen stehend, aus dieser Sphäre ausscheiden muss. Denn das vollkommene Ideal als Identität von Begriff und Realität füllt nur einen winzigen Ausschnitt einer sich weit erstreckenden Geschichte der Kunst. Die mit Abstand längste Zeit ist dieses Schöne nur ein Suchen nach seinem adäquaten Ausdruck in der Endlichkeit. Hätte Hegel zudem das Schöne in der Idee festgeschrieben, hätte sich seine Philosophie der Kunst auf die Kategorie des Schönen festgelegt, die damit normativ für alles andere geworden wäre. Seine Philosophie der Kunst wäre damit verengt worden und hätte sich dem – allerdings nur in dieser Weise berechtigten – Klassizismusvorwurf stellen müssen; doch das will Hegel nachweislich nicht: Das Hässliche, Komische usw. sind ebenso vollgültige ästhetische Manifestationen des absoluten Geistes. Damit ist sodann verbunden, dass weder das Schöne noch das Hässliche noch das Komische zur sinnlichen Idee taugt, also kein Thema der Logik werden können. Wie hier zunächst nur angerissen werden kann, ist das Komische Resultat einer Verendlichung des Unendlichen, einer Vergegenständlichung des Absoluten in Gestalt eines endlichen Selbstbewusstseins. Nicht dass Hegel diese Endlichkeit als der reinen Idee nicht angemessen erachten würde, vielmehr lässt sie sich auf dieser Ebene der Logik noch gar nicht bestimmen. Nicht plausibel erscheint hingegen, dass die Idee des Guten in den Kontext der Ideenlehre aber sehr wohl integriert wird: Im Verbund mit weiteren Gestalten der Geistphilosophie – ›Selbstbewusstsein‹ und eben der ›Geist‹ selber – gerät Hegel in Schwierigkeiten, das Terrain der Logik gegen diesen Systemteil abzugrenzen. Beim Guten steht nämlich der »subjective Begriff […] als Wirkliches, dem Wirklichen gegenüber«, und zwar sogar als »das Nichtige«. Die »praktische Idee« hat damit die nichtige »Endlichkeit« zu ihrem »Inhalt«. Nur vor diesem Hintergrund erscheint es keineswegs als selbstverständlich, dass das Schöne und das Komische in die Logik keinen Eingang finden. Die hiermit aufgeworfene Problematik der Begriffslehre kann jedoch im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter diskutiert werden. Vgl. GW 12, S. 173 ff., 192 ff., 231 f.; vgl. Jaeschke (2003), S. 206 f., 247 ff. 12  GW 20, S. 237 f.

16

Einleitung

Auch bringt die Natur sich nicht auf die Stufe des Bewusstseins, dem das eigene Lachen über komische Verhältnisse zum endlichen Ausdruck innerseelischer Prozesse wird. Wenn die Subjektivität der Idee sich in der Natur verliert13, fehlt ihr diese Voraussetzung des Komischen. Weder Gesteinsformationen oder Knollengewächse noch Meerestiergehäuse können objektiv Witz oder Humor verraten. Die unförmige Languste mit dem viel zu kleinen Kopf erscheint dem Menschen vielleicht lächerlich, allerdings weder der Oktopus noch sie selber können herzhaft darüber lachen; auch nicht über den Phänotyp anderer Naturgestalten. Schließlich die Hyäne oder das Pferd zeigen Verhaltensweisen, die dem Lachen sehr nahe kommen, doch handelt es sich dabei keineswegs um eine freie, selbstbewusste und spielerisch-amüsierte Haltung zum verlachten Gegenstand, sondern im Gegenteil um ihren bewusstlosen Instinkt, an den sie gebunden bleiben.14 Wohl aber innerhalb der ›zweiten Natur‹, in der zivilisierten Lebenswelt des Menschen, lässt sich wahres Lachen über Komik antreffen, über eine Komik als menschlich-geistige Objektivation. Der Philosoph Nicolai Hartmann spricht sich bereits hinreichend klar über die Unmöglichkeit, Komisches wahrzunehmen, aus, sollte man sich nicht an Gegenständen der Kunst zu einer besonderen subjektiven Auffassungsweise kulturell herangebildet haben. Er fragt daher und gibt die Antwort indirekt gleich mit: Zwar ist »auch das Leben – ohne alle Kunst – voller Komik. Nur eben: würden wir sie dort sehen ohne das Auge des Dichters?«15 Es ließe sich fragen, ob Hegels überzeugende These, das Kunstschöne sei die Voraussetzung für die Wahrnehmung des Schönen in der Natur, auch auf das Komische zuträfe. Diese Übertragung hat einiges für sich, auch wenn Hegel sie nicht explizit vornimmt: Erst das Kunstkomische – wenn diese Rede erlaubt ist – bildet das menschliche Rezeptionsvermögen und den Geist dazu heran, unmittelbare Begebenheiten in Natur und Lebenswelt als komisch wahrnehmen zu können. Kurzum könnte ein Mensch ohne eine durch Komödie, Karikatur oder Scherz vermittelte Sensibilisierung für das Komische spontan nicht über Ereignisse, Gesten oder Mimik lachen. Das Mitglied eines kulturellen Raumes, in welchem Witz und Humor keine Werte darstellen – sollte es überhaupt sinnvoll sein, ein solches Gedankenexperiment anzustellen –, in welchem es keine komischen Vgl. hierzu die Schlusspartien der Lehre vom Begriff der Wissenschaft der Logik: GW 12, S. 253. 14  Vgl. zum animalischen Instinkt im Zusammenhang der Naturphilosophie Hegels die §§ 359 bis 361 der Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften von 1830 in: GW 20, S. 358 ff.; vgl. hierzu auch Robert Musils ironisch-geistreichen Essay Kann ein Pferd lachen? In: Musil (1978), S. 482 f. 15  Hartmann (1953), S. 413. 13 

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Artefakte gibt und in welchem sich die Menschen bedingungslos dem Ernst und der Betretenheit verschrieben haben, würde über die Grimassen eines Clowns nicht lachen können; vielleicht müsste es im Gegenteil der Verwunderung, dem Schrecken oder gar der Furcht verfallen. Der nähere Gegenstand und das Argument liegen somit bereits offen zu Tage: Wenn bei Hegel vom Komischen die Rede ist, ist das vom Menschen hervorgebrachte, das geistige resp. das künstlerische Komische gemeint. Kontext einer Theorie des Komischen ist bei Hegel mithin stets die Kunst. Damit soll natürlich nicht gesagt sein, es manifestiere sich allein als ein solches Phänomen, wohl aber dass es als künstlerischer Ausdruck seine höchste Erscheinungsweise erreicht. Daher findet die mit Abstand umfangreichste Auseinandersetzung mit dem Komischen innerhalb der Ästhetik statt; alle weiteren, systemphilosophisch vorhergehenden Bestimmungen deuten auf diesen absoluten Ausdruck voraus, gehen verhältnishaft in ihm zusammen und zeigen zugleich an, dass sie sich in dieser ihrer Wahrheit eingehender bestimmen lassen. Als ein menschlich Gemachtes und für den menschlichen Geist Gemachtes kann auch seine außerästhetische Verwirklichung wahrlich philosophisch in Beziehung auf diese höchste Weise expliziert werden. Sein voller Begriff liegt in der ästhetischen Erörterung vorgezeichnet. Eine solche einleitende Fokussierung auf die besondere Bedeutung des Komischen der Kunst für den allgemeinen Komik-Begriff ist somit nur scheinbar eine Einengung – in Wahrheit ist sie eine Erweiterung: In engster Interdependenz mit der Lebenswelt stehend gehen in der Kunst sämtliche Formen, Ausdrucksmittel, Modi und Bewusstseinsinhalte zusammen. Carl Friedrich Flögel schreibt zu Beginn seiner einflussreichen Geschichte der komischen Litteratur von 1784: »Das Gebiete des Komischen ist so weitläufig […]: die dahin gehörigen Wörter und Begriffe durchkreuzen sich auf eine verwirrte Art, die Bedeutungen, die man damit verbindet, sind oft gar widersprechend und der Analogie der Sprache nicht angemessen.«16 Was Flögel hier anspricht, stellt allgemein genommen zunächst ein Problem dar: Wer es versucht, wird scheitern, das Gebiet des Komischen in der Kunst seiner ganzen Vielseitigkeit nach zu überblicken. Nahezu unendlich ist es in seinem vollen Variationsreichtum, seinen Stoffen, Gehalten, Gestaltungsformen und Strategien, seiner beeindruckenden Anpassungsfähigkeit, und zwar vor allem dank der Eigenschaft, zum scherzenden und zugleich tiefgründigen Abbild politisch-sozialen Lebens zu erstarren, um als gedankenanregendes Faszinosum in der breiten Aufnahme wieder zu verflüssigen, sich unendlich aufzufächern in alle Facetten menschlichen Daseins und sogleich im allge16 

Flögel (1784), S. 3 f., zit. n. Schwind (2001), S. 332.

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mein nachvollziehbaren Ausdruck zur Prägnanz zusammenzuziehen, fürderhin in Interdependenz stehend zwischen eigenem Spieltrieb und allgemeinen Prozessen des Gesellschaftslebens, des Staatstreibens und den nur vermeintlich kleinlichen Privatzwecken des Einzelmenschen, was sich insgesamt – komisch aufgefasst und heiter gewendet – im geistigen Auge der Kunst konzentriert.17 Als vereinzelte, aber stark verdichtete Künstlererfahrung gelingt es dem komischen Werk in der Wahrnehmung anderer, sich zur verständigen Selbstanschauung des gesellschaftlichen Zusammenhangs der Menschen zu erheben und das Lachen zu einer subjektiv-geistigen Reaktion auf absolut-geistige Ausdrucksformen objektiv-geistiger Bewegungen, Ereignisse, Krisen und Widersprüche zu machen, zu einem individuellen Bild also für eine allgemeine Anschauung zu werden. Dieses Komische, so vielfältig auszugestalten, so vielfältig aufzufassen, ist und bleibt keine einheitlich zu bestimmende Gestaltungsweise, es ist ein heterogenes Spektrum von Einzelwerken, das mit Zuversicht wenigstens in Gattungen und ihre jeweiligen Arten und Unterarten eingeteilt werden kann. Daher meint Herbert Mainusch zum Komischen, zu diesem Januskopf, diesem Segen und zugleich Fluch für die theoretische Durchdringung, es berge alles andere als leicht zu bewältigende Schwierigkeiten; denn wer die Tradition kunstphilosophisch erarbeiten möchte, »erstickt sehr bald in einer riesigen Woge des Geschriebenen, die sich seit der Antike immer höher auftürmt«18. Im Angesicht dieser hereinbrechenden Woge, sobald man sich auf das offene Meer begibt, fragt sich, wie zu verhindern ist, in ihrem Sog unterzugehen. Die Antwort liegt im Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Studie verborgen: Es ist insbesondere der eigentümliche ästhetische Ansatz Hegels und seine Positionierung innerhalb der Theoriegeschichte, die helfen können, über die Woge hinweg einigermaßen sicher zu navigieren. Der Grund dafür ist ein zweifacher: Zum einen ist das Komische bei Hegel keine abstrakte überzeitliche Kategorie der Kunstphilosophie. Er widmet sich ihm gerade nicht im ersten Hauptteil seiner Vorlesungen über die Philosophie der Kunst, so wie er es bezogen auf den allgemeinen Begriff des Schönen bzw. Kunstschönen tut. Nicht als einheitlicher Begriff wird es abgehandelt, sondern immer ganz konkret in seinen Verwirklichungen besonderer Gattungen und ihrer jeweiligen Einzelwerke. Bezogen auf diese Gestalten der Kunstphilosophie gibt Hegel präzise an, was für ihn komisch ist. Zum anderen hegt er dabei aber nicht den uneinholbaren Anspruch, die gesamte europäische Kunstgeschichte auf ihre konkreten komischen Gestalten zu durchfors17  18 

Vgl. hierzu auch Heise (1966), S. 8. Mainusch (1990), S. VII.

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ten und in den Blick zu nehmen; er greift stattdessen immerhin eine ganze Reihe repräsentativer Werke, Dichter und Gattungstraditionen heraus, um an ihnen, auf das Wesentliche verdichtet und Bezugspunkte untereinander zur Sichtung bringend, einen philosophischen Begriff des Komischen aufscheinen zu lassen, der sich erst in der Abhandlung aller einzelner Genera und ihrer besonderen Manifestationen sukzessive entwickeln lässt. Zu fragen wäre sodann, welche Genera es bei Hegel sind, denen das Komische als gemeinsames Moment eignet. Bedeutsam hinsichtlich dieser Frage ist indes der Befund, dass Hegels Ästhetik des Komischen eine in ihr nicht explizit genannte, aber in den Ausführungen stets präsente Beobachtung zu Grunde liegt: nämlich dass Komik dominant und nach ihrer höchsten geistigen Bestimmung realisiert allein in der Dichtung vorkommt. Wird erneut Nicolai Hartmann zu Rate gezogen, dürfte sie sich bestätigen lassen: »Wohl kennt auch die Zeichen- und Malkunst es – man denke an die Karikatur –, aber eine größere Rolle spielt es dort nicht. Der Musik und der Architektur ist es ganz wesensfremd; nur in die Programmusik stiehlt es sich manchmal ein – durch Vermittelung des Wortes, dessen Begleitung die Musik ist.«19 Zwar begegnen in der neuzeitlichen Malerei Motive des Komischen – etwa Caspar Netschers Ein Maskenscherz oder Der Kampf zwischen Karneval und Fasten Pieter Bruegels des Älteren –, doch diese Bilder zielen weit weniger darauf ab, selber Lachen zu verbreiten, als vielmehr heitere Szenen fröhlicher oder ausgelassen scherzender Menschen abzubilden. In Festen, Umzügen, Karneval- und Jahrmarktszenen stellen die Maler Stimmungen als auf dem Tableau anschaulich werdende Wirkungen dar, ohne den Betrachter notwendig in dieselben versetzen zu können oder zu wollen. Angesichts dieses Umstands ist es plausibel, dass sich Hegel zur näheren Erörterung des Komischen in erster Reihe auf einzelne Formen und exemplarische Werke der Poesie beschränkt; nur ganz am Rande nimmt er es in der nachchristlichen Malerei wahr. Tiefere Relevanz besitzt diese Kunst für den Begriff des Komischen aber nicht. Für die Dichtung als Königsdisziplin des Komischen gilt daher zu untersuchen, wie es sich in ihr geschichtlich entfaltet und sein Wesen zur Erscheinung bringt. Wenn Hegel innerhalb der Geschichte des Geistes den Einsatzpunkt mit der antiken attischen Komödie identifiziert, soll damit nicht 19 

Hartmann (1953), S. 412. – William Hogarth arbeitet darüber hinaus immerhin am Tanz Formen eines komischen Ausdrucks heraus. Die Lächerlichkeit dieser Bewegungen führt er zurück auf die Entfernung des künstlerischen Ausdrucks vom Ideal der Schönheitslinie, d. h. auf die geradlinige Steifheit oder übermäßige Krümmung. Die Schönheitslinie ist ihm schlechthin das Grundprinzip schöner Darstellung und somit der Haupt­ aspekt seiner kunsttheoretischen Erörterungen. Vgl. Hogarth (2008), S. 185 ff. 200 ff.

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gesagt sein, vorher habe es in der Kunst noch keine komischen Manifestationen gegeben; z. B. die Epen Homers oder die noch früheren Epigramme, mit denen er sich ebenfalls auseinandersetzt, dürfen dahingehend nicht verschwiegen werden. Sehr wohl drückt sich mit dieser Sonderrolle der Komödie aber aus, dass mit ihr erstmals Spott, Scherz, ausgelassene Heiterkeit und Selbstironie zu den vorzüglichen Ausdrucksmitteln des dichterischen Kunstwerks werden. Ihr prototypischer Rang und ihre Stellung als substantielles Komisches liefern Hegel den Bezugspunkt für jede weitere Auseinandersetzung mit den geschichtlich vorherigen, noch nicht voll entfalteten komischen Formen sowie vor allem mit den späteren, modernen Gattungen, die ebenfalls komödiantische Facetten besitzen.20 Auf diese Weise ist der Begriff der alten Komödie ein konkretes Substitut für eine offen gelassene abstrakte Definition des Komischen. ›Komisch‹ und ›Komödie‹ fallen damit begrifflich keineswegs zusammen, wesentliche Bestimmungen für das Weitere lassen sich Hegel zufolge jedoch aus der antiken Gattung ableiten. Zugleich verweist er mit dieser Vorgehensweise indirekt auf den Wortursprung des Adjektivs ›komisch‹ in der griechischen Komödie.21 Das hat näher erläutert zu werden. Der österreichische Schriftsteller Ignaz Jeitteles führt in seinem Aesthetischen Lexikon von 1839 an, weil »die Darstellung der Lust und Fröhlichkeit wegen des Lächerlichen […] in dieser dramatischen Form am lebendigsten versinnlicht werden konnte«22, sei die Komödie quasi Inbegriff, Sinnbild und Wiege des komischen Modus der Kunst überhaupt. Denn die Komödie kann als die erste ausgemacht lächerliche, scherzende, eben komische Gattung bezeichnet werden, die im alten Athen mit dem Selbstbewusstsein auftrat, zu einem festen Programmpunkt im Anschluss an eine zur Aufführung gebrachte Tragödientrilogie zu werden und vor Publikum sämtliche Angelegenheiten der öffentlichen Sache zu verspotten.23 Wer sich einen Eindruck 20 

Die Komödie nicht als irgendeine dichterische Gattung des Komischen zu begreifen, sondern als dessen »paradigmatische Struktur«, deckt sich durchaus mit Ergebnissen der modernen Literaturwissenschaft des 20. Jahrhunderts. Vgl. Ekmann (1981), S. 19. 21  Vgl. Adelung (1796), Sp. 1695 f.; Schwind (2001), S. 332 f. 22  Jeitteles (1839), S. 402. 23  Vgl. die Verse 220–224 aus der Schrift des Horaz De arte poetica, wo er in seine Dichtungslehre auch eine Erzählung einfügt, wie die alte Komödie aus den Satyrspielen der Tragödie entstanden sei: Der Tragödiendichter integrierte den abschließenden ko­mischen Gesang in seinen Tragödien-Zyklus, um mit den ›Lockmitteln‹ des Lachens und der Neuigkeit das Publikum für sein Stück einnehmen zu können, das sich trunken vom Gottesdienst in einem ausgelassenen und gesetzlosen Zustand befand: »Carmine qui tragico vilem certavit ob hircum, mox etiam agrestis satyros nudavit et asper incolumni gravitate iocum temptavit eo quod inlecebris erat et grata novitate morandus spectator functusque sacris et potus et exlex.« In den Versen 281–284 führt Horaz schließlich aus, wie aus diesem Tragödiennachspiel schließlich die Komödie entstand. Als Gattung der oftmals scho-

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von den Problemen verschaffen will, für andere Gattungen dieser Zeit des Aristophanes eine klar umrissene Definition zu geben, der lese das vierte Buch der aristotelischen Poetik, wo zwar vom ›iambeíon‹ als dem angemessenen Spottvers die Rede ist, der jedoch, was kein Geheimnis ist, schon damals nicht ausschließlich für die scherzende Poesie verwendet wurde; genauso wie Aristoteles zur Tragödie zwar das komische Gegenstück terminologisch zu benennen vermag, nicht aber zum Epos.24 Die Komödie ist ihm das eindeutig bestimmbare Genre: eine dramatische Dichtung, die schlechtere und gewöhnliche Menschen nachahmt und dabei Lachen hervorruft. Auch dass Aristoteles bereits darauf verweist, andere komische Gattungen als die Komödie seien schlecht überliefert, lässt Rückschlüsse auf den Stellenwert zu, der ihnen in seiner Gegenwart zukam. – Dass ›komisch‹ eine Ableitung aus der antiken Gattungsbezeichnung ist, beweist sich auch durch das erste Auftreten dieses Wortes im deutschen Sprachraum: Als Übersetzung der lateinischen Wendung ›comicus poeta‹ taucht es erstmals in »der Comisch poet« einer Terenz-Übersetzung aus dem Jahre 1499 auf, so dass sich der Begriff rasch allgemein ausweiten kann zur Bedeutung ›der Komödie angehörig‹.25 Erst allmählich überträgt er sich zuerst auf andere literarische und überhaupt künstlerische Gattungen und schließlich von der Kunst auf alltagssprachliche Zusammenhänge. Weil ›das Komische‹ dabei allerdings immer mehr zu einem Allgemeinbegriff erweitert wird, verlangt es im Deutschen danach, unterteilt und klassifiziert zu werden, in das Lächerliche, Satirische, Scherzhafte, Groteske, Witzige usw., aber auch in teilweise diesen Unterarten zugeordnete Gattungsbezeichnungen: Komödie, Schwank, Posse, Satire, groteske oder humoristische Dichtung. Vor diesem begriffsgeschichtlichen Hintergrund vermag als schlüssig erwiesen zu werden, warum es Hegel nicht darauf ankommt, das Komische als von den einzelnen Formen losgelöste und überzeitliche Kategorie zu bestimmen. Der Pluralität und Heterogenität der komischen Phänomene dürfte dieses Unternehmen unmöglich gerecht werden können. Er behannungslosen Kritik an den öffentlichen Angelegenheiten, insbesondere vom Chor in der Parabase als einem festen Bestandteil aller Stücke vorgebracht, wurde ihr mehrmals das Recht freier Meinungsäußerung entzogen, von 439 bis 437 im Samischen Aufstand sowie um 415 im Peloponnesischen Krieg: »Successit vetus his comoedia, non sine multa laude; sed in vitium libertas excidit et vim dignam lege regi: lex est accepta chorusque turpiter obticuit sublato iure nocendi.« 24  Aristoteles gibt lediglich an, wie sich die Ilias und Odyssee zur Tragödie verhalte, so verhalte sich Homers komisches Epos Margites, das nicht überliefert ist, zur Komödie. Im Unterschied zu dieser lassen sich weder eine Bezeichnung noch näher umrissene Definitionen zur lyrischen oder epischen Dichtung angeben. Vgl. Aristoteles (1982), S. 9 ff. 25  Vgl. hierzu und zum Folgenden Schwind (2001), S. 337 ff.

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delt es in seiner Ästhetik stets konkret und wirklich, immerzu verwirklicht zur Gestalt, zunächst als antike Komödie und von dieser sodann fortgehend zur Satire, die ihren Ursprung im Römischen Reich hat, weiter zum modernen bürgerlichen Lustspiel Molières, Shakespeares und anderer, zur humoristischen Literatur Jean Pauls, Hippels und Goethes sowie nicht zuletzt zu einer für Hegel vorklassischen und dennoch ebenso auf die alte Komödie verwiesenen Tradition, nämlich derjenigen des Epigramms. – Zunächst mag es scheinen, als würde Hegel diese verstreuten Phänomene aus der Kunstgeschichte aufgreifen und nacheinander abhandeln. Trotz aller Verschiedenartigkeit der einzelnen Gestaltungen gleitet seine Deutung nicht in Beliebigkeit ab; seine Reflexionen zerfasern nicht zu losen Einzelbeobachtungen. Nicht zuletzt finden sich alle Differenzierungen untereinander in der wesentlichen Bestimmung zusammengefasst, die von der besagten alten Komödie mit Orientierungsfunktion vorgegeben wird: nämlich dass das Komische stets Lachen erregt. An diesem Lachen beweist sich in Hegels Ästhetik der tiefere philosophische Kontext. Für die vorliegende Untersuchung ist daher in den Kapiteln zu den verschiedenen Formen des Komischen nachzuweisen, dass Hegel eine Verbindung zum Lachen der alten Komödie herstellt, welche weiteren Bestimmungen es sind, die einen solchen Zusammenhang aufweisen, und auf welche Art und Weise die modernere Gestalt in diesem Rückbezug jeweils individuell ausgedeutet wird. Weil das Lachen das Komische als Komisches auszeichnet, ist ebenfalls zu beleuchten, wie dieses als menschlicher Ausdruck, als eine äußerliche Mitteilung des subjektiven Geistes in Hegels Anthropologie aufgefasst wird. In der vorliegenden Studie wird dem Lachen in den Vorlesungen über den subjektiven Geist somit ein eigenes Kapitel gewidmet werden. Doch bevor in den einzelnen Kapiteln des sich anschließenden Hauptteils die verschiedenen Gestalten des Komischen und ihre geistphilosophischen Kontexte abgeschritten und Hegels Auseinandersetzungen mit ihnen ab ovo aufgearbeitet werden, wäre zu fragen, in welchen zeitgenössischen Diskurs sich dieses Unternehmen einschreibt. Eingedenk der mannigfachen und komplexen Aspekte, in Abhängigkeit von zentralen Themen des Ansatzes insgesamt, demonstriert sich in der Überschau ein Paradoxon der bisherigen Forschung: Grosso modo wird in der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Hegels Ästhetik nicht bestritten, dass er sich mit dem Komischen in sämtlichen seiner Formen geistphilosophisch auseinandersetzt – systematisch untersucht hat diesen aber offenbar für nicht diskussionswürdig erachteten Gegenstand bisher niemand. Es ist nicht zulässig, diese bedauerliche Vernachlässigung – wie es bezüglich sämtlicher Unzufriedenheit bereitender Aspekte der Kunstphilosophie Hegels und ihrer Erforschung mittlerweile

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üblich ist – auf das Konto des Ästhetik-Herausgebers Heinrich Gustav Hotho zu buchen, denn die Edition der Vorlesungen im Rahmen der Freundesvereinsausgabe räumt dem Komischen fraglos einen breiten, wenn nicht gar breiteren Raum als die Nachschriften ein. Lässt sich das Komische aber wie bereits festgestellt nur als Manifestation in sämtlichen kunstgeschichtlichen Abschnitten nehmen, kann es nicht jenseits der gängigen Forschungsfelder erschlossen werden. Umso erstaunlicher ist daher die fehlende Notiznahme, wenn berücksichtigt wird, dass etwa schwerpunktmäßig verfolgte Problemstellungen wie die sogenannte ›These vom Ende der Kunst‹ ein enges Verhältnis mit ihm eingehen: Es ist ausgerechnet die Komödie, mit welcher die klassische Kunst ihr ›Happy End‹ einläutet und postfinal zu ihrer ursprünglichen Bedeutung nicht wieder zurückkehren wird. Ebenso Hegels Begriff des Tragischen – hier wäre als prominentes Beispiel die inflationäre Forschung zur Antigone zu nennen – ist ein Theoriestück, das die Komödie nicht bloß als erwähnenswerte Randerscheinung, sondern als mindestens gleichrangige Schwester der Tragödie an die Seite gestellt bekommt. Keinesfalls zu unterschätzen ist außerdem die Bedeutung komischer Formen innerhalb der Hegelschen Wesensbestimmung der zeitgenössischen Dichtung, die als Thematisierung der Frage nach der künstlerischen Modernität seit dem frühen Hegelianismus ein Schwergewicht des Interesses ist. – In den bisherigen Untersuchungen wird dieses mit populären Fragestellungen eng verbundene Komische aber weithin verschwiegen oder in selteneren Fällen der Vollständigkeit halber zwar in ein oder zwei Sätzen erwähnt, um es daraufhin aber sofort wieder fallen zu lassen. Generell gilt zu konstatieren, dass das Komische bei Hegel noch nicht zum systematischen Leitbegriff einer wissenschaftlichen Untersuchung gemacht worden ist. Höchst verwunderlich ist auch das Versäumnis, seiner Realisierung als einzelne dichterische Formen im Ganzen die gebührende Aufmerksamkeit zu schenken. Damit ist die Frage nach vorhergehenden Studien, die sich bereits mit dem Thema dieser Arbeit beschäftigt haben, sogleich erschöpfend beantwortet; denn mehr als eine Leerstelle lässt sich diesbezüglich nicht notieren. Daneben sind wohl einigen Teilaspekten der Fragestellung Aufsätze oder kleinere Kapitel in Monographien zu benachbarten Themen zugedacht; doch selbst punktuell reiht sich hier Desiderat an Desiderat: Zur Komödientheorie im Naturrechtsaufsatz Hegels ist die Forschung ausgesprochen schmal26 – das Gleiche gilt für diejenige zur Komödie in der Phänomenologie des Geistes27 bzw. zu Hegels Humor-Be26  27 

Vgl. Rosenzweig (1920); Schulte (1992); Schulte (1993); Kraft (2011). Vgl. Schulte (1993); Hamacher (2000); Kraft (2011).

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griff28. Ein nahezu unbestelltes Feld ist Hegels Lehre von der Satire29; und von den Reflexionen zur Komödie in der Raupach-Rezension ist erst vor kurzem Notiz genommen worden.30 Darüber hinaus ist die Auseinandersetzung mit dem Lachen im Rahmen der Anthropologie nach Kenntnis des Verfassers bisher noch gar nicht Gegenstand einer eigenen Abhandlung geworden. Die wohl gründlichste Bearbeitung hingegen dürfte die Rolle der antiken Komödie innerhalb der Vorlesungen über die Philosophie der Kunst erlebt haben, nicht allein in Verbindung mit anderen, größtenteils schwerpunkt­ mäßig behandelten Fragen oder Themen31, sondern in drei Aufsätzen auch im Zentrum des Interesses stehend.32 Diese Ausführungen sind jedoch insofern problematisch, als dass sie sich zu nah an der spekulativen Kunstphilosophie orientieren oder aber sich zu weit von ihr weg aufhalten; will sagen: dass sie entweder Fragestellungen verfolgen, die abseits der eigentlichen Ästhetik Hegels ihren Schwerpunkt finden, oder aber letztlich in der oberflächlichen Betrachtung verweilen, da sie in ihrer engen Verhaftung am sekundär überlieferten gesprochenen Worte Hegels eher selten über eine bloße Zusammenfassung des Inhalts hinausgelangen.33 Etwa Mark W. Roche geht in Tragedy and Comedy. A Systematic Study and a Critique of Hegel von 1998 zwar von Hegels Ansatz, wie er sich in Hothos Edition präsentiert, aus, ist in seinem Buch aber weniger an der systematischen Bedeutung des Komischen im Allgemeinen oder der Komödie im Besonderen für eine spekulative Kunstphilosophie und auch nicht am philosophischen Ansatz Hegels 28 

Vgl. Hartmann (1963); Preisendanz (1963); Henrich (2003b); im Speziellen zu Hegel und Jean Pauls Dichtung vgl. Menges (2002); Vieweg (2005). 29  Vgl. Baum (1959); Lukács (1971). 30  Vgl. Kraft (2010); Kraft (2011). 31  Vgl. Pöggeler (1956); Grimm (1982); Schulte (1992); Gamm (1994); Roche (1998); Roche (2002/03); Gethmann-Siefert (2005b). 32  Vgl. Heise (1966); Paolucci (1978); Schneider (1998a). 33  Ein Sonderfall stellt diesbezüglich Heise (1966) dar, der Hegels Berliner Ko­ mö­ dientheorie vor dem Hintergrund marxistischer Ästhetik aspektreich diskutiert und dabei zum unbefriedigenden Ergebnis gelangt, »Hegels Klassizismus« (S. 27) erkenne die alte Komödie des Aristophanes als Höhepunkt des Komischen überhaupt und könne demgemäß moderne Formen des Komischen nur noch grämlich abwerten. In seiner Beschränkung auf eine Analyse des antiken Genres zeichnet Heise den Ästhetiker Hegel dann vor allem als versessenen Versöhnungsdenker, der die Dialektik des Widerspruchs verfehle und somit nicht zu den wahren sozialen Antagonismen vordringe. Der weitaus größere Teil seines Aufsatzes ist daher der Demonstration gewidmet, wie erst von Marx, Brecht und Lukács ausgehend eine brauchbare Theorie des Komischen zu entwickeln sei, die alle Fehler Hegels zu vermeiden trachte. Dass Hegel von einer solchen politischen Ästhetik, die Heise zu belegen trachtet, gar nicht so weit entfernt ist, wird sich im Darstellungs- und Argumentationszusammenhang der vorliegenden Arbeit zusätzlich zu zeigen haben. Vgl. hierzu auch Hebing (2015), passim.

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überhaupt interessiert, als vielmehr im Anschluss an eine textnahe Vergegenwärtigung der Gattungsklassifikation an der Möglichkeit einer eigenen Ausarbeitung unter der Frage nach der Anschlussfähigkeit Hegels für die zeitgenössische Deutung von Einzelwerken aus Bühnenliteratur und Film. Das allgemeine Urteil über eine für die Zwecke dieser Arbeit eher unergie­ bigen Forschung trifft allerdings keineswegs auf die Monographie von Michael Schulte Die »Tragödie im Sittlichen«. Zur Dramentheorie Hegels von 1992 zu, welche mit Abstand die gründlichste und brauchbarste Auseinandersetzung mit Hegels Komödientheorie darstellt, wenngleich ihr Hauptaugenmerk auf die Tragödie gerichtet ist.34 An entsprechenden Stellen in den Kapiteln über die alte Komödie wird auf die wertvollen Erkenntnisse Schultes hingewiesen werden. – Bedauerlicherweise nimmt dagegen kein einziger der bisherigen Texte eine allgemeine und synoptische Perspektive ein; sie widmen sich jeweils nur einem Ausschnitt: der Komödie oder der Satire oder dem Lustspiel oder dem Humor. Zumindest partiell stellt hier der aufschlussreiche Aufsatz Dieter Henrichs Zerfall und Zukunft. Hegels Theoreme über das Ende der Kunst aus dem Jahre 2003 eine Ausnahme dar, der zwar sein Erkenntnisinteresse in der Problemstellung ästhetischer Modernität ausmacht, in der Erarbeitung des Humorbegriffs Hegels aber wenigstens eine Parallele zur Theorie der Komödie herstellt und relevante Thesen zu diesem Verhältnis entwickelt. So muss insgesamt als Status Quo eine breite Lücke festgestellt werden, in welche die vorliegende Studie stößt. Hegels Ästhetik des Komischen auf die Spur zu kommen, sie aus dem Schatten zu ziehen und in den Fokus zu rücken, bedeutet, an das Unterfangen den Appell zu richten, alle geschichtlichen Gestalten zum Behufe der vollständigen, systematischen Erörterung und Diskussion in den Blick zu nehmen und ihr Wesen durch ihre Abgrenzung gegeneinander zu erschließen. Weil sie allesamt stets »die adäquatesten Ausdrücke« der »konkreten gesellschaftlichen, historischen Situationen«35 sind, 34  Bis

auf Schulte entzieht sich die Forschung zur Dramentheorie Hegels der Aus­ einandersetzung mit der Komödie. In nahezu modellhafter Deutlichkeit artikuliert sich in Schlunk (1936) die verbreitete Haltung, diesen Teil der Ästhetik getrost überspringen zu können, da Hegel angeblich »diese Form der Zufälligkeit und Verkehrtheit nicht in dem gleichen Maße nahe stehen kann, wie die strenge und paradoxe Form des Tragischen«; ihre Rolle als »Uebergang der Kunst in ein anderes Gebiet« und überhaupt »Ende der Kunst« (S. 66) wird für ihn überraschenderweise gerade nicht zum Signal, sich notwendig damit auseinandersetzen zu müssen, sondern im Gegenteil zum Argument für ihre Vernachlässigung. Die fehlende Notiznahme geht bei anderen Interpreten Hegels sogar soweit, dass das Hervorbrechen der Individualität aus dem Tragischen ohne Nennung der komischen Gattung behandelt wird. Vgl. dazu bespielhaft Foster (1929), S. 55 f. 35 Georg Lukács arbeitet in seinem Aufsatz Hegels Ästhetik insbesondere dieses Verhältnis der Kunst zu ihrem soziopolitischen Hintergrund heraus. Vgl. Lukács: W 10, S. 127.

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ist diese Unterscheidbarkeit eng auf die Sphäre der Geschichte des objektiven Geistes bezogen. Zum Aufbau von Darstellung und Argumentation im sich anschließenden Hauptteil wird sodann einsichtig, dass er der Architektur des geschichtsphilosophischen Teils der Hegelschen Ästhetik zu folgen hat, wie sie in den Berliner Vorlesungen vorgegeben ist, wenngleich einige größere Anbauten und kleinere Umbauten von Nöten sein werden. Weil das Bauwerk sich jedoch im Fortgang der näheren Ausbestimmung sukzessive im Prozess der Errichtung befindet, kann es erst am Schluss und in Form seiner Betrachtungen als ein vollständig verwirklichtes Gebäude betrachtet werden. Die Architektur aber, wie Hegel sie in seiner Ästhetik auseinandersetzt, ist zunächst »die einfachste Weise des Seins«36; als ein Bauplan kann sie einführend einer ersten Orientierung dienen, ohne unzulässig vorzugreifen. Ob sich tatsächlich vom Ende her die Architektur der geschichtlichen Entfaltung des Komischen nicht als ein Setzkasten herausstellt, dem sich als äußerlich Gesetztes alle Inhalte gewaltsam einzupassen haben, sondern notwendig und organisch aus den Inhalten erwächst, wird erst am Ende zu beurteilen sein. Wanderungen an einem vergessenen Ort in Hegels Philosophie beginnen zunächst mit dieser ersten Orientierung; sie finden ihren Anfangspunkt in der Abgrenzung gegen verwandte Kategorien der Ästhetik, so vor allem gegen das Groteske und die Ironie, um die Beschränkung auf die benannten Gestalten alte Komödie, Satire, modernes Lustspiel und Humor in gebotener Kürze zu rechtfertigen. Daraufhin wird diese Reihe mit der Komödie als ihre wesentliche Form begonnen werden: Das komische Theater der Griechen ist allerdings nicht bloß der geschichtsphilosophische Anfangs- und Bezugspunkt, sondern ebenso auf Hegels Denkweg die erste Gestalt des Komischen in der Kunst, mit welcher er sich schon in jungen Jahren beschäftigt. Ein entwicklungsgeschichtlicher Teil zur Deutung der alten Komödie im Rahmen der fortschreitenden Ausarbeitung einer eigenen Position der Ästhetik wird somit folgen. Nach Auseinandersetzung der rechtsphilosophisch begründeten Komödientheorie im Naturrechtsaufsatz sowie ihrer reiferen Entfaltung in der Phänomenologie des Geistes wird darauf einzugehen sein, welcher Ansatz in der zeitgenössischen Debatte hinter Hegels Überlegungen steht, ohne dass er ihn selber kenntlich macht oder dies von der Forschung bisher wahrgenommen wurde: An einem Exkurs zu Schillers Ästhetik bezeugt sich Hegels Hochachtung vor der Gattung Komödie in enger Verbindung mit der Position des philosophierenden Dichters. Da bereits für dieses wesentliche Theoriestück die Lehre vom Lachen in den Vorlesungen über die Philosophie des subjektiven Geistes von weitreichender Bedeutung ist, schließen sich hier 36 

Hotho (1823), S. 445.

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sogleich längere Erörterungen an. Ausgestattet mit diesem Rüstzeug aspekt­ reicher Einzelbestimmungen wird es in den Berliner Vorlesungen über die Philosophie der Kunst möglich, einen weiten Bogen zu schlagen. Hierfür wird die Theorie der alten Komödie aus früheren Schriften aufgegriffen und zur ersten Gestalt einer Entwicklung gemacht, die von Satire, modernem Lustspiel und Humordichtung fortgesetzt werden muss: als die benannte philosophisch durchdrungene Geschichte der komischen Formen. Die Darstellung ist dann mit der letzten Gestalt, dem Humor, abgeschlossen. Als letzter Schritt terminiert dieser Aufriss im Zusammennehmen einiger seiner Teilergebnisse zur vertieften Reflexion über die Frage nach der Geschichtlichkeit des Komischen. Dies ist das letzte Kapitel der Untersuchung. Die Schlussbetrachtungen beanspruchen, ein endgültiges Fazit zu ziehen, und kommen dabei wieder auf den Anfang zurück. Doch zwischen diesem Anfang und diesem Ende verläuft ein langer Pfad. Sich auf Hegels Gedanken zum Komischen im systemischen Kontext einzulassen, sie herauszuarbeiten, zu deuten, zu diskutieren sowie vor allem in der philosophischen und poetologischen Debatte der Gegenwart Hegels zu verorten, sind die Bedingungen, um zum profunden Zusammenhang aller Einzelbestimmungen vordringen zu können. Nicht allein der Nachweis ist das Entscheidende, dass und in welcher Weise Hegel sich auf das tiefere Wesen der Komödie eingelassen hat, auch nicht allein darum, dass er von diesem Ertrag fortgeht, weitere komische Gestalten nach ihrem geistigen Kern zu befragen – auf diesen Operationen aufbauend hat eine systematische Arbeit über das Komische bei Hegel vor allem aufzuzeigen, welche Bedeutung ihm in einer spekulativen Ästhetik für die Selbstbewusstwerdung des Geistes als geschichtlicher Prozess zukommt. – Die fundamentale Voraussetzung zu alledem ist jedoch die Recherche: Die Fülle an auffindbaren relevanten Stellen in Hegels Gesamtwerk – sowohl kleinere Abschnitte als auch große Kapitel in Gänze – bezeugt eine Rolle des Komischen für dieses philosophische Nachdenken über Kunst, das nicht bloß ein nebensächliches und getrost zu ignorierendes ist.37 Daher könnte dieselbe Aufforderung auch an das Unternehmen des sich anschließenden Hauptteils der Untersuchung ergehen, welche Scarpia im ersten Akt von Giacomo Puccinis Oper Tosca an seinen Vertrauten richtet: »E tu va, fruga ogni angolo, raccogli ogni traccia!« Im Weiteren wird jeder Winkel durchsucht, jede Spur verfolgt werden, um ans Ziel zu kommen, das Komische ausgehend von Hegels Philosophie zu bestimmen. 37 

Anne Paolucci bemerkt daher etwas über die Komödie, das durchaus auf den Vollbegriff des Komischen schlechthin übertragen werden kann: »An initial difficulty in studying Hegel’s view on comedy lies in the fact that he traces, defines, and circles back to his subject in many different passages of many works.« Paolucci (1978), S. 91.

I.  VON DER GROTESKE ZUR IRONIE – FELDBEGRENZUNGEN DES KOMISCHEN

1.  Erste Annäherung: Komik als Selbstverhältnis des Geistes Jean Paul beginnt seine Reflexionen über Komik und Humor in der Vorschule der Ästhetik sogleich mit der entmutigenden Einschränkung: »Das Lächerliche wollte von jeher nicht in die Definitionen der Philosophen gehen – ausgenommen unwillkürlich«1. Angesichts einer solchen Behauptung ließe sich argwöhnen, die Hoffnung auf das Gelingen einer philosophischen Ästhetik des Komischen müsse auch weiterhin als illusorisch vorausgesetzt werden. Um zu verhindern, selber ›unwillkürlich lächerlich‹ zu werden, wäre man zudem gehalten, das Vorhaben niederzulegen, Hegels Philosophie nach dieser Facette zu befragen. Bevor dies allerdings getan werden würde, hätte das Unternehmen wenigstens die Chance verdient, noch einmal die Frage nach seiner Eignung gestellt zu bekommen. So wie Hegel zu Beginn seiner Ästhetik-Vorlesungen im Sommersemester 1823 thematisiert, ob die philosophische Behandlungsweise dem Gegenstand des Kunstschönen überhaupt angemessen sei, lässt sich im Rahmen einer wissenschaftlichen Erörterung des Komischen nachhaken, ob Kunstwerke, die das Publikum zum Lachen bringen sollen, die unterhalten, indem sie Lächerlichkeiten, Belanglosigkeiten oder ein Nichtiges vorführen, eigentlich ein geeigneter Gegenstand der begrifflichen Erschließung sein können. Gesetzt den Fall, es wäre unbezweifelbar, nichts als lächerliche Nichtigkeit in ihm erblicken zu können, die darauf drängt, sich im erfolgten Lachen zu erschöpfen und den Lachenden in seinem Taumel zu betäuben, dann ließe es sich wohl schwerlich als ein philosophischer Gegenstand rechtfertigen. Denn wie Hegel selber angibt: »die Wissenschaft […] hat es mit dem Zufälligen nicht, sondern dem Nothwendigen zu thun.«2 Das Urteil über diese grundsätzliche Frage hängt insofern von der Vorentscheidung ab, ob das Komische denn wirklich allein »ein freundlicher Genius« sei, welcher uns »den Ernst der Lebensverhältniße mildert, uns unterhält, überall gefällige Formen anbringt aber verschieden sei von den wahren Endzwecken des Lebens«3. Muss das Komische also für eine zufällige

1 

Jean Paul: SW I, 5, S. 102. Hotho (1823), S. 219. 3 Ebd. 2 

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Von der Groteske zur Ironie – Feldbegrenzungen des Komischen

und belanglose Zerstreuung gelten, dessen Wesen und Wirken keinen Deut über diese Funktion hinausragen? Wer in dieser Weise fragt, hat nicht im Sinn, bejahend zu antworten. Eine solche Antwort ließe sich auch gar nicht legitimieren. Wenn Hegel nämlich allgemein zur Kunst feststellt, in ihr werde nicht bloß gespielt; in ihr werde »wie im Gedanken die Wahrheit« gesucht, was bedeutet, dass sie »durch sich selbst auf ein Höheres, auf den Gedanken«4 hindeute, als philosophische Form des Erkennens, die sich selber Inhalt ist, dann darf das ›Kunstkomische‹ von dieser Leistung der Kunst keinesfalls ausgenommen werden. Aus dieser Bestimmung geht somit hervor, dass der Möglichkeit nach nicht allein eine besondere, sondern überhaupt jede Kunst, auch die komische, zu ihrem wahren Inhalt den Gedanken hat, der in ihr, statt im philosophischen Modus begrifflichen Denkens, durch künstlerische Mittel sinnlich angeschaut oder vorgestellt wird. Hinsichtlich dieser näheren Angabe, was denn das Künstlerische und was das künstlerische Komische substantiell und gehaltvoll seien, konnte in der Einleitung zunächst angerissen werden, dass es ein Werk des Geistes ist; und dieser Geist ist nicht ein besonderer oder ein bestimmter Geist – die Annahme würde hinsichtlich des Verständnisses Hegels von ›Geist‹ keinen Sinn machen –, er ist derselbe Geist, den etwa die Tragödie schicksalhaft auf die Bühne bringt und den die Philosophie als Gedanke weiß. So soll ebenso für die komische Kunst geltend gemacht werden, was Hegel in seiner Ästhetik-Vorlesung fortsetzt: dass sie nämlich als Kunst »die höchste Bestimung […] gemein mit der Religion und Philosophie« habe, und zwar die höchste »Art und Weise das Göttliche, die höchsten Forderungen des Geistes auszusprechen und zum Bewusstsein zu bringen«5. Umgekehrt bedeutet das sodann für dieses Komische, dass es ebenso eine höchste Weise seiner Verwirklichung besitzt. Einen solchen vollkommenen Begriff und dessen vollkommene Realität findet es darin, Geistigkeit zu sein – und eine solche Geistigkeit erlaubt es nicht nur, sie verlangt sogar danach, von der Philosophie der Kunst auf diesen ihren Begriff und damit zu sich selbst gebracht zu werden. Es kann in einer spekulativen Ästhetik des Komischen demnach ausschließlich darum zu tun sein, ihren Gegenstand im Prozess der Verwirklichung des Ideals des Kunstschönen in seiner Geschichte aufzuzeigen und dabei hervorzuheben, dass jede wahre Vergegenständlichung gemäß des allgemeinen Kunstbegriffs ein Phänomen des geistigen Selbstverhältnisses ist. Fasst Hegel den »Endzwek […] des Kunstwerks« dahingehend, »die Wahr-

4  5 

Ebd., S. 221. Ebd., S. 222.

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heit zu enthüllen, vorzustellen, was sich in der Menschenbrust bewegt«6, und zwar als absoluter Selbstzweck, kann dieser auch für das Komische nur darin gefunden werden, als Geist die Leistung geistiger Selbsterkenntnis zu vollziehen. Weit davon entfernt also, das Komische der für den Geist ausdruckslosen Seichtigkeit zu überlassen, wird es in der Ästhetik Hegels zu einem vollgültigen Element, das sich in seinen verschiedenen Objektivationen veräußert. Das Komische als Geist zu begreifen, bedeutet nicht, dieses Geistige immer schon zu besitzen, immer schon vor sich zu wissen. Hegel verleiht in seiner Kunstphilosophie dem Anliegen Ausdruck, in philosophischer Deutung ästhetischer Praxis die Phänomene auf ihre geistige Wahrheit freizulegen. Dass das Komische der Kunst ästhetisch verwirklichte Geistigkeit ist, erhellt bereits aus einer unverkennbaren Tatsache: Hegel hat es der Mühe wert erachtet, ihm in seiner philosophischen Darstellung des Kunstbegriffs – wie den ernsten Gestaltungen – die höchste Aufgabe nachzuweisen, Geist selber zur Erkenntnis zu bringen und darin absolut zu sein. Es kommt in diesem Nachweis aber darauf an, das Geistige in ihm allererst zur Durchsicht und in philosophische Begriffsbestimmungen zu bringen. – In seiner Neuen Vorschule der Aesthetik von 1837 wiederholt der Hegelianer Arnold Ruge Hegels allgemeine Eingangsfrage nach der Eignung der Kunst für die wissenschaftliche Behandlungsart, jedoch enger fokussiert auf die Kategorie des Komischen: »Das Komische in […] seiner Wahrheit wie ist es zu schätzen und zu erfassen?«7 Im Fortgang erörtert er dann ganz im Geiste seines Lehrers: »So ist denn nun auch das Komische in der Idee begriffen, und um es in diesem seinem Begriffe zu fassen, ist nur aufzuzeigen, inwiefern das Komische Idee ist, wie sich die Idee im Komischen verwirklicht«, so dass dieses Verhältnis im Kern den Zusammenhang verrät, »das Gleiche für Gleiches«, »Geist für den Geist«8 erkennbar werden zu lassen. Im Wiedererkennen des Geistes im Geiste des Komischen, in der ›anagnōrisis‹ dieser an und für sich Identischen, liegt somit wesentlich ein geistiges Selbstverhältnis beschlossen, in welchem sich das eine im anderen seiner selbst tiefer erfasst. Im Komischen erkennt der Geist sich selbst: unterstreicht man aber in dieser Weise nicht nur die Geistigkeit, sondern zudem – und davon nicht zu lösen – die Selbstbezüglichkeit der Geistigkeit des Komischen, erhebt sich sogleich die Frage, wie das Verhältnis der beiden Seiten ein und desselben Geistes im komischen Modus

6 

Ebd., S. 243. Ruge (1837), S. 1. 8  Ebd., S. 4 f. 7 

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konkret begriffen werden muss: Wie lässt sich das manifeste Komische als Selbstbezüglichkeit denken? In der Einleitung konnten vier grundlegende Aspekte der Hegelschen Ästhetik des Komischen für die Fortbestimmung festgeschrieben werden: Die Auseinandersetzung Hegels mit dem Komischen ist näher diejenige mit dem Komischen in der Kunst, und zwar in erster Linie innerhalb der Dichtung – dieses Komische aber wird nicht als abstrakte ästhetische Kategorie verstanden, sondern immer als verwirklicht in besonderen Gattungen und Einzelwerken, die wesentliche Momente der Erkenntnis des allgemeinen geschichtlichen Prozesses sind – solche engeren kunstphilosophischen Bestimmungen stehen bei Hegel nicht isoliert für sich, sondern finden ihre Wahrheit im Zusammenhang mit Kriterien und Inhalten der Philosophie des subjektiven, objektiven und den beiden anderen Formen des absoluten Geistes. Der vierte Aspekt, der alle Einzelgestalten wiederum miteinander verbindet, ist das Lachen als nach außen treibende Wirkung, die stets durch das Komische erzielt wird. Dieses Lachen ist die allgemeine Bestimmung, an welcher sich die einzelnen Konkretionen als komische noch zu bewähren haben. So speist sich die lachende Wirkung aus dem Witz, dem Scherz, dem Humor, dem Spott, dem Satirischen. Was ihnen allen eigen ist, ist ein Lachen, welches die Reaktion auf eine näher zu untersuchende komische Struktur ist. Doch stehen etwa Komik, Witz und Humor auf ein und derselben Stufe? Mitnichten dürfen sie ununterschieden bleiben, denn komisch ›ist‹ etwas, wohingegen jemand Humor ›hat‹. Es lässt sich feststellen, dass das Komische Attribut eines Gegenstandes ist und eine qualitative Bestimmbarkeit hat; derjenige, der diesen Gegenstand als komisch bestimmt, muss notwendigerweise Humor besitzen.9 Das Komische liegt objektiv in einer Sache begründet, etwa in der künstlerischen Vergegenständlichung eines dramatisierten Lustspiels, doch muss es darin von einem humoristisch vermögenden Menschen, und damit subjektiv, aufgefasst und gegebenenfalls anderen weitervermittelt werden. Auf die anderen Kategorien des Komischen lässt sich diese grundsätzliche Subjekt-Objekt-Differenzierung übertragen: ›Spöttisch‹ ist die Haltung, die man gegenüber einem äußerlichen Zustand oder Gegenstand einnimmt. Auch ›scherzhaft‹ aufgelegt kann nur der in die Welt schauende Mensch sein, denn ein bewusstloses Ding scherzt nicht; allerdings ist dieser Mensch wieVgl. hierzu Hartmann (1953), S. 415; er schreibt in dieser seiner Ästhetik: »Das Komische ist Sache des Gegenstandes, seine Qualität, – wenn auch nur ›für‹ ein Subjekt, was ja für alle ästhetischen Gegenstände gilt, – der Humor dagegen ist Sache des Betrachters oder des Schaffenden (des Dichters, des Schauspielers). Denn er betrifft die Art, wie der Mensch das Komische ansieht, aufgreift, wiederzugeben oder dichterisch zu verwerten weiß.« 9 

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derum nicht selber der ›Scherz‹ oder der Spott, die Bezeichnungen also keine auf subjektive Qualitäten festgelegten, sondern sie sind das gegenständliche Produkt, das er scherzend oder spottend hervorbringt. Wieder anders verhält es sich mit dem ›Witz‹: ›Witzig‹ kann wie ›komisch‹ die Eigenschaft eines Subjekts und eines Objekts sein: Beim Mittagstisch Kants kann der Gastgeber sich von seiner witzigen Seite zeigen, genauso wie es vielleicht von der kleinen Blaumeise witzig ist, so lange mit dem Stibitzen des Sonnenblumenkerns aus den Krallen der großen einfältigen Kohlmeise zu warten, bis diese mit dem mühsamen Knacken der dicken Schale fertig ist. Doch wie beim Humor kann wahrlich Witz ›haben‹ nur der Königsberger Philosoph als Gesellschafter beim Essen und nicht die Blaumeise, denn ihr Diebesakt hat diesen Witz nicht an sich, sondern erhält ihn erst im Tischgespräch vom subjektiven Witz als gebildetes Vermögen zugewiesen.10 Dass die Differenzierung in eine Subjekt- und eine Objektseite somit notwendig ist, ist evident: Komisch in der Kunst ist eine dargestellte Begebenheit, eine Figur, eine sprachliche Wendung, ein ganzes Theaterstück; der Lachende allerdings, der nicht nur lacht, sondern im Lachen anzeigt, die Komik zu erkennen, ist selber nicht komisch. Im Kunstkomischen lacht der Betrachter, Leser oder das Publikum nicht über sich selber, sondern über ein Werk, über eine Komik, die der Erzähler oder vermittelt die Figur als komisch herausstellt und worüber diese womöglich selber lacht. Gelacht wird mit ihr über den Gegenstand, den sie komisch findet. – Es ist jedoch nicht allein diese Verhältnisart, die in der näheren Auseinandersetzung mit den einzelnen Formen des Komischen, wie Hegel sie auf den Begriff bringt, begegnen wird. Was er darüber hinaus unterstreicht, ist ein Konzept von Komik, das in den bisherigen Reflexionen noch gar nicht berücksichtigt worden ist. Wird nämlich festgehalten, dass das Publikum mit dem Lachenden über dasjenige lacht, was er als einen komischen Gegenstand vorführt, erhebt sich schließlich die Frage: Was würde es bedeuten, wenn der Lachende in diesem Vorgang nur scheinbar über anderes, tatsächlich aber über sich selber lacht, wenn er selber Gegenstand seines Lachens ist und damit strukturell das Komische sich selber komisch nimmt, wenn Subjekt- und Objektseite also an und für sich identisch sind? Im ersten Fall stellt das Subjekt einen Bezug auf einen Gegenstand her, den es in seiner ganzen Komik erkennt und der ihn wiederum rückbezüglich in einen Zustand der Heiterkeit versetzt. Würde es der künstlerischen Gestaltung im zweiten Fall allerdings möglich sein, eine Komik hervorzubringen, in welcher eine Subjekt-Objekt-Identität 10 

Vgl. zu Kants Tischgesellschaft sowie ihren Regeln und Gepflogenheiten de Quincey (1991), S. 22 ff.

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vorliegt, hätte sie auf diesem Wege die zur Option gestellte Selbstbezüglichkeit des Lachens in einer substantielleren Weise verwirklicht. Das Komische wäre um die entscheidende Dimension immanenter Selbstreflexivität bereichert worden. – Es sind diese beiden Konzepte von Komik, auf welche die Erörterungen zu Hegels philosophischer Behandlung des Komischen immer wieder einzugehen haben werden, denn es ist Hegels Anliegen in verschiedenen seiner Schriften, eine solche Differenz immerzu zu unterstreichen und zur Grundlage einer vertieften philosophischen Deutung des Komischen in der Kunst zu machen. So zeigt sich an diesen näheren Reflexionen, dass das Komische eine Abhängigkeit von Subjektivität aufweist: nicht unmittelbar vorhanden ist es, sondern es muss schöpferisch zum subjektiven Selbstzweck hervorgebracht werden. Transparent wird am Sachverhalt sogleich, dass das veräußerte Komische als eine Vergegenständlichung des Humor beweisenden Subjekts demselben ein Objekt zur Anschauung oder Vorstellung stiftet, gegen das es sich reaktiv verhalten kann. Zwar ist das Komische als ein Gegenstand ohne verursachendes Subjekt nicht denkbar, doch ohne diese Vergegenständlichung könnte das Subjekt hinwiederum nicht in den Zustand des Lachens versetzt werden. Zwischen diesen vom Modell der selbstbezüglichen Subjektivität eingefassten Polen spielt sich strukturell der Prozess ab, dessen Wirkung das Lachen ist und dessen Triebfeder Formen des Komischen sind. – Doch das Komische bei Hegel ist nicht einfach ein Prozess, der analysiert, segmentiert und technisch in seinen Bestandteilen und verschiedenen Funktionsweisen beschrieben wird: dies ist sogar keineswegs das wesentliche Darstellungsinteresse der Hegelschen Kunstphilosophie. Zu seinem Verständnis gehört es vor allem, es als einen künstlerischen Ausdruck zu begreifen, in welchem sich Geistigkeit verdichtet; und weil sich Geistigkeit verdichtet, kann es auch geistphilosophisch auf diesen Gehalt freigelegt werden. Soviel muss daher an dieser Stelle bereits festgehalten werden: Wenn Geist bei Hegel vornehmlich darin bestimmt wird, sich auf sich selbst zu richten, um sich selber umfassend erkennen zu können, dann beweist sich das Komische als ein vorzüg­licher Modus des Ästhetischen, denn es ist ihm die Bewegung wesentlich, sich in der Dialektik von komischem Gegenstand und lachendem Subjekt selbstbezüglich zu werden, sich lachend auf sich selber zu beziehen. Das ist eine entscheidende Facette, die Hegel bestrebt ist, in seinen ästhetischen Überlegungen herauszustellen. Wenn sich jedoch das Komische in der Kunst für eine philosophische Betrachtungsweise eignet, indem es als ein geistiges Selbstverhältnis gefasst wird, das ein Lachen hervorbringt, bedeutet diese beachtliche Aufwertung der einzelnen Phänomene zu vollwertigen Gestalten ästhetischen Selbstbe-

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wusstseins zugleich, aus ihrem Kreis diejenigen Manifestationen als unangemessene auszuschließen, welche dieser Bedingungen ermangeln: Zufällige und beliebige Formen gehen eine Philosophie der Kunst nichts an. Da auf dieser noch recht unbestimmten Stufe der vorliegenden Untersuchung sich der Vollbegriff des Komischen lediglich in Andeutungen vorausschicken lässt und noch nicht befriedigend expliziert werden kann, worin Hegel den Geist der wahrhaft komischen Gestaltungen erblickt, kann auf der Basis der festgehaltenen Unterscheidungen zumindest negativ und in knapper Explikation angegeben werden, was das Komische gerade nicht ist.

2. Verzerrte Natur – Die Disqualifikation der Übertreibung und Vermischung Wenn Hegel das Komische in der antiken Komödie, der Satire, dem modernen Lustspiel sowie dem Humor verwirklicht sieht, lässt sich fragen, ob er weitere Formen, die für komisch befunden werden können, ganz bewusst aus dieser Reihe ausschließt: etwa Darstellungen, in denen der Aspekt der Übertreibung oder der Vermischung verschiedenartiger Gegenstände vorherrschend ist und in denen auf diese Weise ein komisches Moment entsteht. In bildender Kunst und Literatur wäre es vorstellbar, dass ein markantes Charakteristikum einer Person oder einer Sache stark überzeichnet oder von fremdartigen Elementen durchkreuzt durchaus lustig wirkt. – Hegel ignoriert dieses Phänomen keineswegs, sondern handelt es unter dem Begriff des ›Grotesken‹ ab.11 Grundsätzlich ist es ihm eine künstlerische Darstellungsweise, in welcher das Sinnliche »verzerrt, aufgespreizt, ins Ungestalte hinübergetrieben« wird, so dass es bis ins »Ungeheure«12 gehen kann. Entweder einzelne Teile dieser Gebilde werden bis zur Maßlosigkeit übertrieben oder natürliche und phantastische Elemente unverhältnismäßig vermischt, in beiden Fällen ist das Ergebnis eine Gestalt, die den vorfindlichen Stoff scheinbar willkürlich verfremdet. Besonders beliebt sind dabei Hegel zufolge 11 

Ursprünglich waren die ›Grotten‹ die Bezeichnung für die unterirdischen Trümmer der römischen Titus-Thermen sowie die ›Grottenbilder‹ der Name für deren antike Wandmalereien. Das ›Groteske‹ als das Stilprinzip dieser Bilder verfestigte sich erst später zu einem Begriff der kunstwissenschaftlichen und philologischen bzw. archäologischen Forschung, der sich auf Darstellungen arabeskenhafter Tier-Pflanzen-Verbindungen und ähnliche, vor allem ins Dämonische und Monströse gehende, Verzerrungen organischer Gestalten bezieht. Zu einem im engeren Sinne ästhetischen bzw. kunstphilosophischen Begriff wird es durch Justus Mösers Aufsatz Harlequin, oder Vertheidigung des GroteskeKomischen von 1761. Vgl. hierzu Kayser (1948), S. 383 f.; Fraengers (1992), S. 18 f. 12  Kehler (1826), S. 78.

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Grenzüberschreitungen der einzelnen Naturreiche: Dem Menschenkörper werden Tierköpfe aufgesetzt, die Tierkörper mit Pflanzenteilen verquickt.13 Doch solch groteske Formen werden nach Hegels Ausführungen nicht um des bloßen Spiels willen erschaffen, vielmehr folgen sie einem speziellen Zweck: Indem er derlei Bestimmungen geschichtlich verankert an der symbolischen Kunst der Inder entwickelt, verdeutlicht er, dass es ein frühes und allgemeines Bedürfnis des Menschen sei, die unmittelbare Sinnlichkeit in einer Weise zu bearbeiten, dass er sich in ihr als sein eigenes Werk anschauen könne. Diese Vor-Phase der eigentlichen Kunst ist allerdings in erster Linie ein Prozess, in welchem sich die Kunstgestaltung von einem Inhalt befreit, der noch stark der Natürlichkeit verbunden ist. Was der Mensch im Wesentlichen ist und als was er sich in der Kunst bildlich adäquat darzustellen hätte, weiß er daher auf dieser frühen Stufe seiner Geschichte noch nicht. Hier »ahnet« er lediglich, dass es etwas Höheres geben muss als ein unmittelbares »äusserliches […] der endlichen Natur«, und daher »ahnet [er] sich die Vernunft das Allgemeine den Gedanken in den Naturgegenständen«14, die durch tätige Gestaltung ihrer Endlichkeit enthoben werden. Das führt in eine grundsätzliche Problematik: Weil die Gegenstände an sich die Vernunft nicht ausdrücken können, müssen sie vom Geist nach seinen Zwecken geformt werden; weil aber der Inhalt dieses Geistes noch nicht frei gewordener Gedanke ist, sondern stark an die Natürlichkeit und Sinnlichkeit gebunden bleibt, schlägt die Formung in wildeste Phantasie des Kolossalen oder Grotesken aus.15 Die Naturkörper werden deformiert. Durch die groteske Verzerrung dieser Natürlichkeit soll dem Kunstgegenstand eine hintergründige Bedeutung verliehen werden; ohne fertigen Inhalt, der eine notwendige Erscheinungsweise hervorbringen würde, muss die Darstellung jedoch in Beliebigkeit ausufern. Die Kunst als Groteske ist hier noch ein »undurchsichtiges Chaos durcheinanderwirkender Kräfte«16. Relevant ist Hegels Auseinandersetzung mit dem Grotesken jedoch nicht allein im Zusammenhang der alten indischen Kunst der Symbolik, auch auf die moderne Kunst seiner Zeit überträgt er die Bestimmungen. Bei der Verwendung des Begriffs lässt sich dementsprechend eine engere von einer weiteren Bedeutung abgrenzen: Im engeren Sinne bezeichnet ›grotesk‹ bei Hegel das Stilprinzip des angedeuteten geschichtlichen Abschnitts der Vor-Klassik, der streng gefasst eine Phase der Vor-Kunst ist – im weiteren Sinne ist ›gro13 

Vgl. ebd., S. 77 ff. Hotho (1823), S. 336. 15  Vgl. Kehler (1826), S. 78. 16  Kayser (1960), S. 80. 14 

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tesk‹ aber eine pejorative Bezeichnung für sämtliche Phänomene, in denen eine natürliche Form in maßlose Verzerrung als Produkt wilder Phantasie ausschlägt. Zum allgemeinen Gestaltungsprinzip erhoben führt eine solche Kunst die Welt als verfremdete, gar degenerierte vor, die den Geist verwirrt, ohne ihm substantielle Erfahrungen zu vermitteln und die Objektivität seinem Bewusstsein aufzuschließen.17 In seiner Zeit entdeckt Hegel diesen Stil insbesondere bei den Romantikern, etwa bei E.T.A. Hoffmann, dessen Dichtungen er mit dem Fratzenhaften und Abscheulichen als Produkte entfesselter Phantasie in Verbindung bringt.18 Denn diese modernen Gestaltungen können ganz wie die alte symbolische Kunst bis »zum grotesque bizarren und geschmacklosen«19 fortgehen. Wird das Groteske als Akt der Verzerrung des Natürlichen aber nicht in den Bereich des Schauderhaften oder grob Deformierten gedrängt, sondern abgemildert, taugt es immerhin noch zur »Caricatur«: Hegel stellt sie in den Zusammenhang des Grotesken, wenn er sie nach einzelnen ihrer Teile ebenfalls als »bis zum Uebermaaße getrieben«20 definiert. Die Karikatur ist etwas »Caracteristische[s]«, das wie die Groteske »denaturirt« ist und einen »Ueberfluß« zeigt, der eigentlich »nicht erforderlich«21 ist; würde man diesen Überfluss aber beiseitelassen, bliebe gleichwohl ein charakteristisch verdichteter Ausdruck zu erkennen. Spätestens mit dem Aspekt der Karikatur müsste Hegel an den Punkt gelangen, das Stilprinzip des Grotesken mit dem Komischen in Verbindung zu bringen, wenn er denn tatsächlich ein wahrhaft komisches Moment in ihm erblicken würde. Doch selbst hier macht er nicht einmal eine Andeutung, die Karikatur in die Reihe komischer Formen aufzunehmen. Im Gegenteil identifiziert er sie vielmehr als ein Phänomen des Übergangs von der charakteristischen Schönheit in groteske Hässlichkeit: Als nicht erforderlicher Überfluss sei das karikierende Element lästig und störend, denn es bringe eine »Charakteristik des Häßlichen« in die Darstellung, die dem Ausdruck inhaltlich

17 

Vgl. Kayser (1980), S. 44 f. Vgl. TWA 13, S. 289, S. 315. – Dass das Groteske auch im Selbstverständnis der Romantiker eine angemessene Darstellungsweise für die Dichtung ist, drückt sich sehr deutlich im 1800 publizierten Brief über den Roman Friedrich Schlegels aus den AthenäumsFragmenten aus. 19  Libelt (1828/29), Ms. S. 17v. – Hier und im Folgenden wird direkt aus dem Manuskript des Hegel-Studenten Karol Libelt zitiert, der als Mitschreiber der Hegelschen Vorlesungen im Kolleg des Wintersemesters 1828/29 dazu neigt, die Wörter durch das Weglassen von Vokalen abzukürzen. In den angeführten Zitaten sind diese vom Verfasser der vorliegenden Studie stillschweigend ergänzt worden. 20  Libelt (1828/29), Ms. S. 7r. 21 Ebd. 18 

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nichts hinzufüge.22 – Insofern lässt sich festhalten, dass Hegel dem Grotesken lediglich eine nicht unerhebliche Bedeutung innerhalb der kunstgeschichtlichen Suche nach dem idealen Ausdruck des Geistigen beimisst, wenn er als groteske Manifestation die Arabeske23 in der orientalischen Ornamentik hervorhebt, in deren ineinander verschlungenen Pflanzen-, Tier- und Menschenformen sich der Drang des Geistes kundgibt, die Natur anzueignen, zu verformen und damit zu überwinden – hingegen komisch sind ihm diese Vermischungen und Übertreibungen nicht. Für die neuzeitliche Kunst wiederum eignet sich dieses Darstellungsprinzip in keiner Hinsicht: Spätestens mit der angemessenen Darstellung des Geistigen in der schönen Menschengestalt des griechischen Gottes ist die Durchmischung des künstlerischen Ausdrucks mit unüberwundener Naturhaftigkeit ein Nichtiges geworden. Über die griechische Klassik hinaus kann dies für Hegel nur noch als moderne Überspannung der künstlerischen Einbildungskraft aufgefasst werden, die keinen tieferen Geist besitzt, und ebenso wenig einen komischen. Da Hegel es schlechthin vermeidet, das Groteske mit dem Komischen in Verbindung zu bringen, sich über diesen Punkt jedoch an keiner Stelle erklärt, können seine Gründe nicht mit letzter Sicherheit angegeben werden. Zu vermuten wäre aber, dass das Groteske ausscheidet, weil es nur in vereinzelten Gestaltungen mit einem Lachen verknüpft sein kann: Es lassen sich viele Manifestationen vorstellen, die widerlich, schaurig, bizarr und befremdlich wirken, ohne auch nur nach einem ihrer Momente lächerlich zu sein. Otto Best und Robert Petsch unterstreichen, solche Gestaltungen lassen sich nicht problemlos der Komik subsumieren, da sie eigentlich »in den Bereich des Häßlichen«24 gehören, »von dem bloß ›Unstimmigen‹ oder ›Peinlich-Auffallenden‹ an bis zum Derbsten, ja zum Schmutzigen herunter«25. Hegel zieht diese Analogie ebenfalls, wie gezeigt wurde. Dennoch findet das Groteske seinen Ort seit jeher in komischen Formen wie beispielsweise den Satyrspie22 

Vgl. TWA 13, S. 35. – Vgl. hierzu auch Collenberg-Plotnikov (1998), S. 54 ff., 218 f. Die ›Arabeske‹ ist Hegel das Groteske innerhalb der Grenzen des idealen Ausdrucks, in denen es dem wahren geistigen Zweck der Kunst entspricht. Es sind »Naturbildungen, welche die Architectur für ihre Zwecke so benutzt, daß sie sie in einen Verständigen den Gebilden als solchen nicht angehörigen Zusammenhang bringt«. Hegel betont, obwohl die »natürliche Gestalt überhaupt […] verzogen« sei, »vermischt mit Fremden« und »verwandelt«, haben »diese Verzerrungen als Kunstgebilde […] ihre vollkommene Rechtfertigung, denn die Kunst soll nicht die Natur in ihrer Unmittelbarkeit lassen«. Hotho (1823), S. 454; vgl. Kehler (1826), S. 165. – Vgl. auch Kayser (1960), S. 79 f.; Best (1980), S. 11 f. – Bereits Goethe beschäftigt sich mit der Arabeske, indem er sie mit dem Grotesken identifiziert und vergisst darüber, im zweiten Schritt, eine notwendige Abgrenzung vorzunehmen. Vgl. Goethe: SW 3,2, S. 191 ff. 24  Best (1980), S. 6. 25  Petsch (1980), S. 26. 23 

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len oder der Komödie, wenn auch oftmals als marginales Element. – Ein entscheidenderer, nicht bloß empirisch aufzusuchender, sondern philosophischer Grund, im Grotesken nichts wahrhaft Komisches zu sehen, lässt sich allerdings gerade dort auffinden, wo das Groteske sehr wohl ein Lachen provoziert. Derb-groteske Dichtungen wie etwa François Rabelais’ Roman­zyklus über Gargantua und Pantagruel von 1532 bis 1564 oder die etwas später entstandenen Werke Johann Fischarts mögen zwar Phänomene vorführen, anlässlich derer gelacht werden kann, doch etwas Komisches im eigentlichen Sinne des befreiten, heiteren Lachens liegt darin nicht vor.26 Stattdessen reiht diese Kunst abstoßende und brutale Begebenheiten aneinander, in denen sich beizeiten Tragik und Hässlichkeit zu einem Maße steigern, das sie in ein verzerrtes und zwanghaft gebundenes Gelächter ausschlagen lassen, oftmals schwankend zwischen Lachen, Weinen und Entsetzen. Das groteske Lachen reagiert unwillkürlich auf eine Situation, »die gleichsam keine andere Möglichkeit der Befreiung mehr übrig läßt«27. Insofern ist das Lachen hier erstarrt zu einer Grimasse des Schreckens. – Ein prägnantes Bild für das groteske und in den Schmerz hineingerissene Lachen zeigt sich in Grimmelshausens Roman Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch von 1668, worin er unter anderem beschreibt, wie im Dreißigjährigen Krieg das Kitzeln, wenn es länger anhaltend als übergroße Reizmenge auf der Haut bis zur unerträglichen Qual getrieben wird, als ein Folterinstrument eingesetzt werden konnte.28 An diesem Punkt kann somit präzisiert werden, dass das Komische bei Hegel nicht irgendein Lachen erzeugt, sondern vielmehr in einen befreiten Gemütszustand führt, dessen Ausdruck dann das heitere als das freie Lachen 26  Robert

Petsch versteht dieses Werk als einen besonderen literaturgeschichtlichen Punkt, »wo eine fast schon zurückgedrängte Urkraft diesseits und jenseits des Rheines noch einmal die neuen Schranken humanistischer Bändigung durchbrach, um nachher von den neuen Formen des Barock aufgesogen und in andere Bahnen geleitet zu werden«. Petsch (1980), S. 25. Dass Hegel von Rabelais keinerlei Notiz nimmt, muss wohl darin begründet sein, dass diese Dichtung um 1800 nahezu vergessen war. 27  Kayser (1980), S. 47. 28  »In Summa / es hatte jeder sein eigene invention, die Bauren zu peinigen / und also auch jeder Bauer seine sonderbare Marter: Allein mein Knan war meinem damaligen Beduncken nach der glückseeligste / weil er mit lachendem Mund bekennete / was andere mit Schmertzen und jämmerlicher Weheklag sagen mussten / und solche Ehre widerfuhr ihm ohne Zweiffel darumb / weil er der Haußvatter war / dann sie setzten ihn zu einem Feuer / banden ihn / daß er weder Händ noch Füß regen konnte / und rieben seine Fußsolen mit angefeuchtem Saltz / welches ihm unser alte Geiß wieder ablecken / und dardurch also kützeln muste / daß er vor lachen hätte zerbersten mögen; das kam so artlich / daß ich Gesellschafft halber / oder weil ichs nicht besser verstunde / von Hertzen mit lachen muste: In solchem Gelächter bekante er seine Schuldigkeit / und öffnet den verborgenen Schatz / welcher von Gold / Perlen und Cleinodien viel reicher war / als man hinder Bauren hätte suchen mögen.« Grimmelshausen (1967), S. 19.

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ist. Im Lachen über den unerträglichen Zwang, das Verzerrte, Degenerierte oder Ekelerregende ist der Mensch allerdings gerade nicht frei; die groteske Wirkung führt dazu, dass sich der Lachende befremden lässt und sich selber fremd wird. Diesem Phänomen entstammen die Redensarten vom ›Lachen, das im Halse stecken bleibt‹ und vom Zustand der Unentschiedenheit, ›ob man lachen oder weinen soll‹. Ein solches Groteskes ist die schauderhafte Vermählung von Lachen und Grauen, der verzweifelte Versuch einer Distanzierung von der quälenden Übermacht zwecks Selbstschutz.29 Man könnte geneigt sein anzunehmen, dass auch für Hegel dieses Lachen weltentrückend ist, dass es ihm kein freies, sondern im Gegenteil ein gebundenes Lachen ist, das dem Menschen kein heiteres Selbstverhältnis, keinen selbstbewussten Begriff von sich verschafft. Das wahrhaft Komische müsste daher im Verhältnis zum Grotesken eher regulierend, vermindernd und vor allem befreiend wirken, indem beispielsweise das Angsteinflößende oder Bedrohliche in seiner Gefährlichkeit abgeschwächt wird und der Lachende wieder zu sich selber findet, in einen Zustand gelöster Anspannung.

3. Verkehrte Welt – Die Disqualifikation der abstrakten Negativität Einen ebensolchen Ausschluss aus dem Kreis des Komischen erfährt bei Hegel auch die Ironie; die Ursache dafür liegt in einem anderen Kriterium verborgen. Grundsätzlich verwendet Hegel den Begriff bezogen auf zwei geschichtlich weit auseinanderliegende philosophische Positionen, betont aber zugleich ihre Bezugspunkte untereinander: Die Sokratische Ironie, wie sie durch Platon und Xenophon überliefert ist, sowie die romantische Ironie der Brüder Schlegel, Karl Ferdinand Solgers und anderer. – Eine der klassischen Definitionen von ›εἰρωνεια‹, ›Verstellung‹, gibt an, es handele sich dabei um »eine Redeweise, die einen Sachverhalt durch ihr Gegenteil ausdrückt in Verbindung mit einer ausdrucksvollen Betonung oder Haltung«30. In der Verstellung zu einem wissbegierigen Nicht-Wissenden ermöglicht es sich Sokrates, sein von der eigenen Allwissenheit überzeugtes Gegenüber durch unablässiges Fragen als einen tatsächlich Unwissenden zu entlarven.31 Wie die Rede im Gespräch sich verstellt, haben sich die Rollen an seinem Ende verkehrt: Sokrates ist der selbstbewusste Wissende und sein Dialogpartner ein Tölpel, 29 

Vgl. Thomson (1980), S. 104; Pietzcker (1980), S. 97 f. Tryphon von Alexandrien, zit. n. Weinrich (1976), Sp. 577. 31  Vgl. Weinrich (1976), Sp. 578. 30 

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der nicht einmal weiß, dass er nichts weiß. Das Fragen muss sich zu diesem Zwecke auf die Position des anderen einlassen, vorgeben, ihm zuzustimmen, um sie sogleich mit der gegenteiligen Auffassung zutiefst anzuzweifeln und zu widerlegen.32 An dieser beweglichen Position des Fragenden, ohne festen Haltepunkt ein Prinzip der skeptischen Negativität, gibt sich sodann der Grundzug der modernen Deutung des Ironischen zu erkennen: Ironie ist in dieser Hinsicht, wie Christoph Menke herausstellt, eine »Trope selbstbewußter Subjektivität«, in deren Sprechmodus der Stoff gebrochen wird, und zwar indem sich das Ich ausspricht, ohne sich dabei auf eine Beschreibung oder Wertung festzulegen, so dass es immerzu »sein Meinen im Sagen des Gegenteils verbirgt«33. Die Frühromantik entwickelt aus dieser rhetorischen Figur des Sprechens im Gegenteil des Gemeinten ein komplexes philosophisch-poetologisches Programm, in welchem die Dialogform zum Selbstgespräch des Dichter-Ich wird und dessen Unendlichkeit sich im konsequenten Skeptizismus markiert.34 Die romantische Ironie gewinnt damit das Konzept einer absoluten Subjektivität mittels einer »versatilen Beweglichkeit«35, wie sich Karl Rosenkranz ausdrückt: Grundsätzlich als eine Bewusstseinshaltung, die sich nicht definitiv festlegen will, die alles in der Schwebe hält, die etwas aufgreift, um es sofort wieder loszulassen, alles Gegebene zum Selbstgesetzten negiert und dieses notwendig in Zweifel zieht, ist sie von der Überzeugung getrieben, nur in Form dieses unendlichen Prozesses sich der ewigen Wahrheit des Absoluten annähern zu können. August Wilhelm Schlegel exemplifiziert daher in seinen Vorlesungen über dramatische Kunst und Litteratur, die künstlerisch sich äußernde Ironie bestehe darin anzuzeigen, dass das Ich »nicht selbst in dem dargestellten Gegenstande befangen sei, sondern frei über ihm schwebe« und den schönen Schein als eigene Schöpfung jederzeit »unerbittlich vernichten könnte«36. Solger bringt diesen Gedanken auf den Punkt, wenn er schreibt: »Damit hängt die Forderung zusammen, daß der Künstler immer über seinem Werk stehen muß, indem er das Bewußtsein hat, sein Kunstwerk sei etwas Göttliches, aber zugleich etwas Nichtiges«37; wer etwas Göttliches produziert, muss selber ein Gott sein, und dieser Gott erhebt sich als das 32 

Vgl. zu Hegels Auseinandersetzung mit diesen Aspekten der Sokratischen Ironie V 7, S. 133 ff. 33  Menke (1996), S. 97. 34  Vgl. Ribbeck (1876), passim. 35  Rosenkranz (1844), S. 327. 36  Schlegel: SW 6, S. 198. – Vgl. hierzu ebenfalls Friedrich Schlegels Lyceums-Fragmente 42 und 108, die Athenäums-Fragmente 51 und 121 sowie sein Ideen-Fragment 69 in: Schlegel: KA I, 2, S. 152, 160, 172 f., 184 f., 263. 37  Solger (1829), S. 244.

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Von der Groteske zur Ironie – Feldbegrenzungen des Komischen

wahre Absolute noch über sein endliches Werk. Die Ironie wird somit zum notwendigen Bestandteil einer ästhetischen Philosophie des Absoluten ausgebaut, mit welcher aber ebensowohl ausgedrückt ist, dass dieses Absolute niemals vollendet zur Präsenz kommen könne. Hegels entschiedene Verurteilung dieser einflussreichen philosophischen Gedanken, von welcher er lediglich Solger partiell ausnimmt, soll an dieser Stelle nicht eigens demonstriert werden; im Weiteren wird es – vor allem im Zusammenhang des vorletzten Kapitels dieser Studie – notwendig sein, zur Abgrenzung des wahren Begriffs des Komischen bzw. im engeren Sinne des Humor-Begriffs auf die romantische Ironie zurückzukommen; dabei müssen dann die scharfsichtigen kritischen Argumente Hegels eine größere Rolle spielen. Es dürfte allerdings an dieser Stelle von Interesse sein, dass Hegel weder hinsichtlich des gebrochenen Sprechakts der Sokratischen Ironie noch hinsichtlich des allgemeinen Prinzips der Romantiker von einem Komischen spricht. Zum ersten Aspekt betont er sogar in seinen Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte, dass erst Aristophanes in seinen Wolken die Lehre des Sokrates ins Komische gezogen habe, auch wenn darin ein berechtigter Schritt gesehen werden müsse, da dieses Denken schon im alten Athen allseits eine unfreiwillige Lächerlichkeit offenbart habe.38 Zum anderen Aspekt sollte darauf hingewiesen werden, dass Hegel in Jena, wo er seine Romantik-Kritik ausarbeitet, die Sokratische Methode immer schärfer von der modernen Form der Ironie abgrenzt, bis er schließlich beides sauber voneinander scheidet. Otto Pöggeler versucht nachzuweisen, Hegel gehe in dieser Phase dazu über, sich konsequent gegen die Behauptungen Friedrich Schlegels und seines Schülers Friedrich Ast zu wenden, bereits in der griechischen Dichtung und Philosophie sei Ironie zu finden; daher spreche er in der Phänomenologie des Geistes, und überhaupt in seiner Jenaer Zeit, noch von der ›Ironie der griechischen Tragödie‹, womit er die schöne und substan­ tielle Selbstironie meine, sich nicht unangemessen zu ernst zu nehmen; späterhin gebrauche Hegel den Begriff jedoch ausschließlich für die romantische Ironie.39 In seiner Raupach-Rezension meint Hegel daher in dieser eingeschränkten Verwendung des Begriffs, das Wesen der Ironie liege nicht im Komischen, sondern in einem viel allgemeineren Prinzip: nämlich »daß alles, was sich als schön, edel, interessant anläßt, hintennach sich zerstöre und auf ’s Gegentheil ausgehe, der echte Genuß in der Entdeckung gefunden werde, daß an den Zwecken, Interessen, Charakteren nichts sei«40. Diese Auffassung 38 

Vgl. V 7, S. 148 f. Vgl. Pöggeler (1956), S. 81 ff. 40  GW 16, S. 11 f. 39 

Verkehrte Welt – Die Disqualifikation der abstrakten Negativität

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deckt sich umstandslos mit dem Verständnis Solgers in diesem Punkt: Auch er versteht Ironie generell als die fundamentale Kategorie der Ästhetik, mit welcher die Verendlichung des Absoluten, die Darstellung der Idee in der Wirklichkeit bezeichnet sei, so dass er in seinen Vorlesungen über Ästhetik sagt: »ohne Ironie giebt es überhaupt keine Kunst«; sie »macht das Wesen der Kunst, die innere Bedeutung derselben aus; denn sie ist die Verfassung des Gemüthes, worin wir erkennen, daß unsere Wirklichkeit nicht sein würde, wenn sie nicht Offenbarung der Idee wäre«41. Daher verlangt diese ästhetische Grundbestimmung danach, in sich wiederum nach besonderen künstlerischen Darstellungsweisen bzw. ästhetischen Kategorien unterschieden zu werden, bei Solger unter anderem als das Tragische und das Komische.42 Die Notwendigkeit einer solchen Unterscheidung unterstreicht auch Hegel in seiner Solger-Rezension und spricht dabei ebenfalls von einer ›komischen‹ und einer ›tragischen Ironie‹43. So verdeutlicht sich insgesamt, dass Hegel in Übereinstimmung mit Solgers Begriff die moderne Ironie als ein allgemeines ästhetisches Konzept versteht, das sämtliche Gestaltungsformen in sich schließt; eine Verengung auf das Komische ist von dieser Interpretation ausgehend nicht möglich. In seinen Berliner Vorlesungen über die Philosophie der Kunst meint Hegel sogar mit Nachdruck, dieses allgemeine Ironiekonzept, dem er nicht anhängt, und sein eigener Begriff von Komik müssen deutlich voneinander abgegrenzt werden: So sei die Komödie wesentlich dadurch von ironischen Formen und Stoffen der Poesie verschieden, als dass sie keineswegs willkürlich die beliebigsten Gehalte setzt und wieder zerstört. Hieran entscheidet sich dann für die weitere Argumentation eine gewichtige Differenzierung: »Das Komische 41 

Solger (1829), S. 199, 241 f. In seiner Rezension der Werke August Wilhelm Schlegels unterscheidet Solger eine ›tragische‹ von einer ›komischen Ironie‹. Dass aber nicht nur von Solger, sondern auch von anderen Ästhetikern in den Debatten um 1800 eine ›tragische Ironie‹ zur Abgrenzung von anderen ihrer Formen vorgeschlagen wurde, beispielsweise von Adam Müller, der gerade die Unverzichtbarkeit eines ironischen Kontrastes zu einer wahrhaften und eben nicht bloß weinerlichen Tragik betont, wird näher behandelt in Behler (1981) S. 134 ff.; Japp (1983), S. 63 ff.; Menke (1996), S. 98 f. Insbesondere Japp betont, dass eine Identifikation der Ironie mit dem Komischen nicht bloß zu begrifflichen Verwirrungen, sondern zu grundsätzlichen Abgrenzungsproblemen der literarischen Gattungen führe. Die Ironie sei ausdrücklich keine Unterform des Komischen; vgl. insb. S. 68 ff. 43  Vgl. GW 16, S. 116 f. – In den Grundlinien der Philosophie der Rechts geht Hegel ebenfalls auf Solgers Begriff ›Ironie‹ ein und hebt im Moralitätskapitel die Problematik dieses Verständnisses hervor, erst im Verschwinden der endlichen Wirklichkeit offenbare sich das Göttliche. In dieser Kritik bezieht sich Hegel aber ausschließlich und explizit auf Solgers Rede von der »tragische[n] Ironie« und die Fortbestimmung dieses Gedankens zu einer Theorie der Tragödie. Vgl. GW 14,1, S. 132 f. 42 

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Von der Groteske zur Ironie – Feldbegrenzungen des Komischen

ist ironisch über sich selbst zu sein. Das was im Komischen vernichtet ist, muß aber eine Grille sein, was als Inhalt ein Nichtiges ist. In der Ironie ist aber alles, was als vortrefflich gilt, das sich vernichtet.«44 Somit weist Hegel nicht bloß auf einen signifikanten Unterschied hin; wie die beiden Gestalten nach der Frage, ob ihnen ein Nichtiges vorliege bzw. vorausgehe, voneinander differenziert werden, erscheint das ›Komische‹ bei Hegel als ein bedeutsamerer und substantieller Gegenentwurf zur abstrakt-subjektiven Ironie. Von der Willkürfreiheit ihrer Negativität hebt er es begrifflich ab. Doch dieses für das Darstellungsziel des vorliegenden Kapitels mit wenigen Pinselstrichen gemalte Argument Hegels, das viel zu bedeutsam ist, als dass es nur en passant Erwähnung finden darf, soll hiermit nicht als abgehandelt oder gar als erledigt deklariert werden. Im Gegenteil: die folgenden Ausführungen zur Erörterung der konkreten komischen Gestaltungen haben sich unter anderem an diesem Aspekt abzuarbeiten und zum Ende hin immer deutlicher herauszustellen, inwiefern hinsichtlich des Komischen überhaupt sinnvoll von einem Akt der Negation oder Vernichtung gesprochen werden kann und worin die begriffliche Differenz zur Ironie auszumachen ist. Die eingangs entwickelte Figur der selbstbezüglichen Geistigkeit wird dabei eine zentrale Rolle spielen – und sie wird auch die vom Grotesken abgesetzte Bestimmung der freien Komik als Erregung des heiteren Lachens vertiefen.

KOMÖDIE IM SITTLICHEN – ÄSTHETIK UND POLITIK BEIM JUNGEN HEGEL

44  Libelt

(1828/29), Ms. S. 25r. – Oder bei Kehler (1826), S. 22 f.: »aber das Ironische muß vom Komischen sehr unterschieden werden. Im Komischen hat der Mensch diese Zwecke, führt sie aus, zerstört selber durch seine Ungeschicklichkeit das, was er will; im Komischen muß also das, was zerstört ist, ein für sich Nichtiges sein, ein besonderer Wille, Geiz, Lasterhaftigkeit. Ein anderes ist es, wenn ein Wahrhaftiges an einem Individuum als Nichtiges dargestellt wird, so wird der Charakter selbst etwas Nichtiges, Schwaches. Es kommt also so auf den Gehalt dessen an, was zerstört ist«.

II. KOMÖDIE IM SITTLICHEN – ÄSTHETIK UND POLITIK BEIM JUNGEN HEGEL »versibus exponi tragicis res comica non volt«. (Horaz: De arte poetica, Vers 89.)

Walter Hinck konnte 1977 immerhin feststellen: »Schon seit einiger Zeit steht die Komödie nicht mehr im Schatten der Tragödie«1. Bezogen ist dieser Befund auf die literaturwissenschaftliche Debatte in Deutschland – innerhalb der Hegel-Forschung allerdings gilt dieser Satz bis heute nicht. Wie in der Einleitung bereits angeführt, wird das Komische auf diesem Felde seit je sträflich vernachlässigt.2 Trotz Hegels gleichwertiger Auseinandersetzung ist es 1 

Hinck (1977a), S. 5. Bei Seidl (1953) bleibt es bei wenigen, sehr kurzen und oberflächlichen Be­merkungen zur Komödie. Dietrich (1961) ist insofern wenig aufschlussreich, als dass sie Hegels Hauptbestimmungen der Tragödie, und nur am Rande diejenigen der Komödie, knapp zusammenfasst. Heise (1966) schreibt zwar den ersten Aufsatz über Hegels Komödientheorie, beschränkt sich aber auf die Berliner Ästhetik, berührt die Phänomenologie des Geistes nur ganz beiläufig und ist bemüht nachzuweisen, Hegel dränge mit Humor und Komödie auf eine Versöhnung der Widersprüche und verschleiere die gesellschaftlichen Missstände. Zu einer tieferen Bedeutung dieser Kunstgestalt für Hegels Ästhetik insgesamt gelangt er bei der Aufzählung, was Hegel alles versäumt und missachtet habe, leider nicht. Sehr allgemeine Äußerungen über die Komödie im Zusammenhang der Geistphilosophie Hegels lassen sich hingegen bei Paolucci (1978) finden. Gamm (1994) streift die Komödie nur als nebensächliche Randerscheinung, und selbst in Schulte (1993), wo immerhin das erste Mal auch die Komödientheorie des Naturrechtsaufsatzes Beachtung findet, gilt das Hauptaugenmerk der Tragödie, obwohl hier einige sehr scharfsichtige Ausführungen zur Komödie zu finden sind. Schneider (1998a) hingegen ignoriert die Komödientheorie in der Phänomenologie des Geistes und im Naturrechtsaufsatz und bezieht sich ausschließlich auf die Vorlesungen. Roche (1998) bzw. Roche (2002/03) handelt in einer größeren Studie bzw. einer kürzeren Abhandlung zu Hegels Tragödientheorie auch die Komödie ab, ist dabei aber vor allem an der Anschlussfähigkeit Hegels für die moderne Film- und Theaterwissenschaft interessiert. Eine jüngst erschienene Arbeit von Kraft (2011) behandelt die Geschichte der neuzeitlichen und modernen Komödientheorie und geht dabei auch auf Hegels Philosophie ein, besonders an der schwer verständlichen Jenaer Naturrechtsphilosophie, die hier zum zweiten Mal nur angerissen wird, zeigt sich aber, dass Kraft überwiegend paraphrasiert, bis hin zur losen Verknüpfung zehnzeiliger Direktzitate, die nicht einmal mehr kommentiert werden. – In all diesen Untersuchungen ist zudem nicht ansatzweise danach gefragt worden, auf welchem Denkwege Hegel überhaupt auf den Gedanken kommt, sich philosophisch mit der Komödie auseinanderzusetzen. Als erster zentraler Aspekt des vorliegenden Kapitels soll daher die Entwicklungsgeschichte der Philosophie Hegels bezogen auf die Erarbeitung der Komödientheorie rekonstruiert werden. – Vereinzelte Aspekte der Kapitel der vorliegenden Arbeit, die sich auf die Komödie im Naturrechtsaufsatz, in der Phänomenologie des Geistes sowie den Berliner Vorlesungen über die 2 

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Komödie im Sittlichen – Ästhetik und Politik beim jungen Hegel

nicht die Komödie, sondern ihr tragisches Gegenstück, das im Fokus des philosophischen – ästhetischen wie rechtsphilosophischen – Interesses stand und steht, und in den letzten zwanzig Jahren geradezu eine konjunkturelle Begeisterung von Seiten der Hegel-Deutung erleben durfte. Wie allerdings schon Platon am Ende seines Symposions Sokrates nahelegen lässt, durchdringe man das Wesen von Tragödie und Komödie in einheitlicher Schau, weshalb ein Dichter in der Lage sein müsse, in beiden Formen dichten zu können.3 Darin übereinstimmend handelt auch Hegel die beiden antiken dramatischen Gattungen an den entsprechenden Kulminationspunkten seines Werkes, d. h. sowohl im Naturrechtsaufsatz als auch in der Phänomenologie des Geistes als auch in den Berliner Ästhetik-Vorlesungen, in enger und für die Bestimmung jeder der beiden Formen nicht zu lösender Interdependenz ab. Walther Rathenau hat einmal geschrieben: »Wer die See kennt, begreift das Binnenland, wer die Fremde kennt, begreift die Heimat, wer seinen Nächsten kennt, begreift sich selbst, soweit denn ein Begreifen uns beschieden ist.«4 In ebendieser Weise setzen sich auch Tragödie und Komödie gegenseitig voraus: Die herauszuarbeitenden Bezüge zur Tragödie sind für die Behandlung der Komödientheorie genauso entscheidend wie vice versa die Bezugspunkte zur Komödie für die Behandlung der Tragödientheorie. Die Beschränkung auf die Tragödie ist somit allein schon um einer vertieften Bestimmung der Tragödie willen ein problematisches Projekt. Darüber hinaus gibt die Vernachlässigung weiter reichende Dimensionen zu erkennen, berücksichtigt man, dass ihr in allen genannten Schriften Hegels für die jeweiligen kunstphilosophischen Anteile und ihre zumeist geistphilosophischen, religionsphilosophischen oder politischen Kontexte eine ebenso gewichtige, ja in bestimmter und noch herauszuarbeitender Hinsicht sogar größere Bedeutung zukommt. Immerhin schließt die Komödie als Höhepunkt und Vollendung in der Phänomenologie wie auch in der Berliner Ästhetik nicht bloß die antike Kunst, sondern die Kunst überhaupt als ihr Endpunkt ab. Werner Hamacher spricht in diesem Zusammenhang von einem Ende, das nicht bloß das Ende einer Gestalt des Bewusstseins, sondern überhaupt das Ende des Bewusstseins als Gestalt ist.5 Der tragische Heros kann noch ungebrochen Manifestation der Substanz sein, das komische Subjekt schon nicht mehr. Aus den angeführten Gründen Philosophie der Kunst beziehen, sind vom Verfasser in stark ver­knappter Form bisher in zwei Aufsätzen veröffentlicht worden, die einen abweichenden Darstellungsanspruch haben: vgl. Hebing (2013); Hebing (2015). 3  Vgl. Platon: Symposion, 223d; vgl. zu diesem Aspekt auch Fischer (1891), S. 114 f.; Kraft (2011), S. 29 f. 4  Rathenau (1912), S. 27. 5  Vgl. Hamacher (2000), S. 142.

Komödie im Sittlichen – Ästhetik und Politik beim jungen Hegel

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ist es somit geboten, die Komödientheorie im Folgenden innerhalb des Zusammenhangs, den sie mit den Tragödien-, und in untergeordneter Relevanz mit den Eposbestimmungen, eingeht, abzuhandeln und in den Horizont der stets in Entwicklung befindlichen Ästhetik Hegels insgesamt zu stellen. Wegen dieses Prozesscharakters der zunehmend komplexer ausgearbeiteten und schließlich geistphilosophisch fundierten Ästhetik ist es für eine umfassende Erarbeitung der Komödientheorie unabdingbar, ihre entwicklungsgeschichtliche Achse zu beleuchten und nachzuzeichnen. Die Komödie ist nicht bloß kunsthistorisch gesehen die früheste eigenständige Gattung des Komischen in der Dichtung, sondern auch in der Auseinandersetzung Hegels mit der Ästhetik und Kunstphilosophie eine paradigmatische Form, mit welcher er sich – selbstredend mit einem anderen Interessenanspruch als in späteren Jahren – bereits in seiner Stuttgarter Schulzeit beschäftigt. Wolfgang Schlunk ist sogar bemüht, die These zu belegen, dass Hegels frühe »Neigung zum Drama die Wurzel der ganzen Aesthetik ausmacht«, da er, »bevor ihn überhaupt andere ästhetische Fragen erfaßt haben« – d. h. bis er die Phänomenologie des Geistes verfasst, deren Kunsttheorie bereits die Frucht ausführlicher Studien zum Epos, zur Plastik und Architektur ist –, er »schon längst eine fertige Theorie des Dramas hatte«6. Im Zuge der Ausarbeitung seiner Philosophie und der darin sich wandelnden Rolle, die ästhetische Formen und Kategorien ausfüllen, erhält auch die Komödie eine immerzu in Veränderung begriffene Bedeutsamkeit. Zunächst in rechts- und religionsphilosophische Fragestellungen eingegliedert, in denen sie eine eher beiläufige Thematisierung erfährt, lädt sie sich späterhin als eigenständige Kategorie eines dezidiert kunstphilosophischen Systemteils mit Sinn auf, ohne dabei ihren Bezug zu früheren Kontexten zu verlieren. Im Zuge der Fortentwicklung zu 6  Schlunk

(1936), S. 9. Es ist allerdings geboten, die Ausführungen Schlunks, eines Schülers der aus vollster Überzeugung nationalsozialistisch und antisemitisch orientierten Tübinger Philosophen und NSDAP-Mitglieder Max Wundt und Oswald Kroh, mit allergrößter Vorsicht zu rezipieren. Seine 1936 abgeschlossene und veröffentlichte Dissertation über Hegels Dramentheorie atmet besonders in ihren politästhetischen und kunstgeschichtlichen Anteilen durch und durch den Geist des akademischen Umfelds im Tübingen der 1930er Jahre. Ihr Verfasser scheut sich nicht, im Anschluss an die für ihn ideologisch vorbildliche Lehre Alfred Rosenbergs im Mythus des 20. Jahrhunderts auch Hegel einen zwar prä-rassischen, aber zumindest völkischen Nationalismus in Fragen der Ästhetik zu unterstellen. Unter verehrendem Rückgriff auf die Thesen Alfred Baeumlers zu Hegels Philosophie deutet er die ›romantische Kunstform‹ in die ›gotische‹ um und spielt dieselbe – als eine angeblich schon bei Hegel »arteigene« Schönheit der »nordischen Rasse«, »völkisch substantiell« und den »ästhetischen Willen« anerkennend – gegen eine bloß »graezisierende Aesthetik« des ›Artfremden‹ aus. Dass innerhalb dieser nationalsozialistischen Ästhetik die ironisch-spöttische Form der Komödie keinen geeigneten Platz finden will, verwundert freilich nicht. Vgl. dazu insb. die S. 51 ff.

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Komödie im Sittlichen – Ästhetik und Politik beim jungen Hegel

einer konturierten Gestalt der reiferen Geistphilosophie Hegels wird sie im Rahmen des ästhetischen Gesamtaufbaus näher ausbestimmt. Ein erster großer Sinnzusammenhang innerhalb dieser Erarbeitung des Komödienbegriffs lässt sich von seiner Schulzeit zum frühen rechtsphilosophisch orientierten Ansatz einer Komödientheorie in Jena schlagen, konkret: zum Naturrechtsaufsatz, der im Folgenden nach einem Überblick über die Entwicklungen im Jugendwerk schwerpunktmäßig behandelt werden wird.

1.  Die Entdeckung einer literarischen Tradition in den Jugendschriften Hegels Beschäftigung mit dem Komischen setzt in etwa zeitgleich mit dem Erwachen seines Interesses an der abendländischen Geistesgeschichte ein. Bereits in seinem Tagebuch von 1785 notiert der Gymnasiast am 5. Juli, er habe sich aus der Bibliothek seines verstorbenen Lehrers und Praeceptors Johann Jakob Löffler unter anderem eine Plautus-Ausgabe gekauft.7 Derselbe Löffler hatte ihm zu Lebzeiten eine Gesamtausgabe des Dramenwerks William Shakespeares geschenkt, die Tragödien genauso wie Komödien beinhaltet.8 Es kann davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um die damals soeben erschienene, verbesserte Auflage der von Christoph Martin Wieland begonnenen und von Johann Joachim Eschenburg überarbeiteten und fortgeführten Übersetzung in 18 Bänden handelt, deren noch nicht veröffentlichte letzte Nummern von Hegel später angeschafft werden.9 Die Schwester Christiane erinnert sich in einem Brief an Hegels Frau Marie Tucher an den in einer Widmung Löfflers niedergeschriebenen Umstand, Hegel habe sich in frühen Jahren vor allem von den Lustigen Weibern von Windsor ansprechen lassen.10 – In der Jugendzeit – gemäß des Curriculums an Gymnasium und Stift – bildet sich das Interesse aus, das für den frühen Hegel das bestimmende werden wird, nämlich das geistige Wesen der antiken und christlichen Religion zu durchdringen und sich dadurch den Sinn von Humanität und Aufklärung zu erschließen.11 Karl Rosenkranz weist darauf hin, dass es sich bei diesen Schriften ebenso um die »erste umfassendere Aeußerung Hegel’s über einen ästhetischen Gegenstand«12 handele. Deshalb soll ihnen in die 7 

Vgl. GW 1, S. 7; vgl. hierzu auch Kraft (2011), S. 262 f. Vgl. GW 1, S. 8; Rosenkranz (1844), S. 7.  9  Vgl. Nicolin (1996b), passim. 10  Vgl. Rosenkranz (1844), S. 7; Nicolin (1970b), S. 3. 11  Vgl. Rosenkranz (1844), S. 10 ff.; Haym (1857), S. 30 ff. 12  Rosenkranz (1844), S. 458; vgl. Waszek (1994), S. 37 f.  8 

Die Entdeckung einer literarischen Tradition in den Jugendschriften

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sem Rahmen Aufmerksamkeit geschenkt werden. Um nämlich den tieferen Gehalt der Religion zu ergründen, beschäftigt sich Hegel in dieser Zeit eingehend mit der griechischen und römischen Welt, nicht nur mit ihrer geistigen Bildung in Geschichte, Sittlichkeit und Mythologie, sondern auch mit der Kunst, die allesamt nicht voneinander zu lösende Bestandteile dieser im allgemeinsten Sinne antiken Religion als geistig verfasste Lebendigkeit sind.13 Im Rahmen der Beschäftigung erarbeitet er sich in Stuttgart auch poetologische Grundlagen der Komödientheorie von Aristoteles und Horaz; insbesondere aus der Poetik fertigt er sich ein größeres Exzerpt an.14 In seinem kleinen Aufsatz Ueber einige charakteristische Unterschiede der alten Dichter von 1788 bemerkt er zur Komödie, ihr gemeiner und niederer Ursprung liege in den griechischen Phallika, den ausgelassenen dionysischen Umzügen der Landbevölkerung in grotesken Masken, sowie den römischen Fescenninen, den derb-lustigen Wechselgesängen, gegen deren weintrunkene Zügellosigkeit später sogar staatliche Gesetze erlassen wurden, und führt zur Unterscheidung dieser beiden Traditionen an, dass anders als bei den Athenern »die ernsten Römer für das feine Komische kein Gefühl haben konnten«15. Es wird in der vorliegenden Untersuchung noch eigens thematisiert werden, wie sich die Differenzierung der komischen Dichtung in ›griechisch‹ und ›römisch‹ bis ins Spätwerk Hegels durchhält und zu einem wichtigen Kriterium für die Abgrenzung von Komödie und Satire ausgebaut werden wird. Die entschiedene Abwertung der lateinischen Satire ergibt sich für Hegel jedoch nicht aus mangelnder Würde, Anständigkeit und Subtilität ihrer Komik – moralische Gesichtspunkte sind für Hegel irrelevant –, sondern daraus, dass der satirische Witz, von zornigem Hohn durchtränkt, keine selbstvergnügte, freie Heiterkeit, sondern die Erscheinung eines weitaus ernsthafteren Wesens sei. Während seiner Studienzeit an der Tübinger Universität begonnen und in seinem letzten Berner Jahr wieder aufgenommen führt Hegel in den Schriften, die Herman Nohl 1907 unter dem Titel Die Positivität der christlichen Religion zusammenfasst, einige Gedanken zum Untergang der antiken Welt aus. Im Fragment Jedes Volk … wird die Komödie als adäquater ästhetischer Ausdruck gedeutet, den allgemeingeistigen Prozess eines Bedeutungsverlustes der griechischen und römischen Göttervorstellungen zugespitzt dem Bewusstsein zu erkennen zu geben.16 Bei Aristophanes, und später bei Plau13 

Vgl. GW 1, S. 42 ff. Vgl. Nicolin (1970b), S. 79, 148 ff. 15  GW 1, S. 48. 16  Vgl. GW 1, S. 359–378, insb. S. 370 f.; vgl. auch Nohl (1907), S. 223 f. 14 

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Komödie im Sittlichen – Ästhetik und Politik beim jungen Hegel

tus, zeige sich, dass der Mensch die Wahrheit der Idee nicht länger in der allgemeinen, noch unvollkommenen Vorstellung der Göttlichkeit erkennen konnte, sondern sie fortan in der Form der Einzelheit suchte. Diese Ausführungen zu Blüte, Niedergang und Depravation des antiken Geistes, dem schon hier eine gewisse bewusstseinsgeschichtliche Notwendigkeit zugesprochen wird, stehen ganz im Zeichen der Religionskritik Roms und der christlichen Welt. Als Differenz zum komik- und spottfreien, geradezu jede Ernstlosigkeit verurteilenden Christentum macht Hegel deutlich, dass die heitere antike Komödie eine Verspottung der Götter zulassen konnte, die jedem Christen als Blasphemie hätte vorkommen müssen. Im früheren Entwurf Aber die Hauptmasse… meint Hegel demnach, der Beigeschmack der »Atheisterei« erwecke sich dem religiösen Bewusstsein nur dann, wenn an die Göttervorstellung »alle Gefühle der Demuth, der Dankbarkeit« sowie »alle Hofnungen« geknüpft werden – bei den Griechen zur Zeit der Komödie hingegen sei ein solches »Gewebe von Empfindungen« gegenüber dem Göttlichen bereits »abgerissen«17. Im Zusammenhang dieser frühen religionsphilosophischen Kritik des Christentums deutet sich somit bereits die Zwiespältigkeit an, welche sich für Hegel an der Komödie herauskristallisiert: einerseits Ausdruck substantieller Stärke einer sittlichen Welt zu sein, die bis zum Verlachen ihrer selbst ausgereizt werden kann, andererseits in diesem Verlachen ein Anzeichen für den sich in ihr bereits vollziehenden Verfall zu sehen. In allen verstreuten, unsystematischen Bemerkungen über die Komödie, vor allem derjenigen des Aristophanes, aber auch des Plautus, verfolgt Hegel nicht das Ziel, den Geist der antiken Komödie an sich zu studieren, auch nicht einen allgemeinen Begriff des Komischen auszubilden; sein Anliegen ist es vielmehr, die Komödie als eine wesentliche Gestalt der antiken griechischen Welt resp. ihres Untergangs zu deuten, um an diesem Phänomen emblematisch generelle Einsichten in weithin religionshistorische Prozesse zu gewinnen. Willi Oelmüller hebt diesbezüglich am jungen Hegel das Lei17 

GW 1, S. 78; vgl. auch Nohl (1907), S. 357. Für die Komödienthematik ist auch das Notizenblatt Unsre Tradition… von Interesse. Hegel ist hier weniger mit dem Studium der griechischen Welt als vielmehr mit der Skizze eines Komödienbegriffs der Alten beschäftigt, mit welcher er seinen Zeitgenossen einen zuträglicheren Umgang mit ihrer eigenen Geschichte anempfiehlt. Das gegenwärtige Zeitalter mit seinem historischen Klassizismus sei nicht mit der eigenen unmittelbaren Nationalgeschichte befasst, sondern mehr mit der »Urgeschichte der Menschheit« in der griechischen Antike, mit der Ergründung eines alten »fremden Volkes«, und demnach mit Menschen, von denen Hegel an dieser Stelle interessanterweise sagt, dass sie »uns nichts angehen«. Um sich einen Selbstbegriff zu erarbeiten, komme es zunächst darauf an, mit den »Lächerlichkeiten« einer untergegangenen Welt umzugehen wie »der Wiz eines Aristophanes an seinen Göttern«. Vgl. dazu GW 1, S. 80.

Die Geburt der Schönheit aus dem Geist des Absoluten: Die Differenzschrift

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den an der »Entzweiung der Zeit« hervor sowie die damit verbundene Sehnsucht »nach der antiken Polis« und ihrer »schönen Religion«; aus dieser leidvollen Sehnsucht speise sich die Religionskritik, das Christentum habe »die Kunst und die schönen menschlichen Formen zerstört«18. Ästhetisch zeigt sich hier zum einen, dass das Drama generell das anschauliche Bild eines organischen, geistigen Zusammenhangs an der Schnittstelle von Sittlichkeit, Kunst und Religion abgibt, aus welchem sich allgemeine religionsphilosophische Bestimmungen gewinnen lassen, zum anderen aber auch, dass Hegel noch nicht das Rüstzeug gesammelt hat, seine verstreuten Einsichten in einen breiten geschichtsphilosophischen Horizont ästhetischer Ausdrucksformen zu stellen, auch wenn sich Versatzstücke dazu bereits andeuten. Vor allem aber bleibt eine Auseinandersetzung mit ästhetischen Fragestellungen vor dem Hintergrund eines stärker konturierten Kunstbegriffs aus: Beispielsweise der antike Komödiendichter Aristophanes dient dem jungen Hegel bereits als Anschauungsgegenstand und geschichtlicher Indikator für eine fortschreitend Selbstbewusstsein erlangende Subjektivität. Auf den ästhetischen Modus dieser Vermittlung bezieht er seine Interpretation allerdings noch nicht, weil sich ihm ohne einen dafür notwendigen, ausgearbeiteten Geistbegriff der geist- oder bewusstseinsphilosophische Kontext der Ästhetik gar nicht erschließen lässt. Bis 1800 kann von einer Ästhetik oder Philosophie der Kunst Hegels noch nicht gesprochen werden.19

2.  Die Geburt der Schönheit aus dem Geist des Absoluten: Die Differenzschrift Erst um 1800 entdeckt Hegel das für seine weiteren philosophischen Bemühungen bestimmende Absolutheitsprinzip des Denkens, das gerade keinen Gegensatz von Denken und Objektwelt bzw. Natur für die letzte Bedingung nimmt, sondern die Einheit des Denkens noch über alle Gegensatzverhältnisse erhebt. Damit ist die Grundlage der Philosophie genuin Hegelscher Provenienz vorhanden, ausgehend von einer absoluten Methode die Selbstbewegung und Selbstbezüglichkeit des Denkens zum Darstellungsziel zu wählen, in dessen Durchführung die spekulativen Inhalte neu geordnet und von ihrem Bezugspunkt her entfaltet werden können und müssen.20 Im Gleichzug wird ihm in dieser Phase der Ausarbeitung aber auch gewahr, dass neben 18 

Oelmüller (1979), S. 242. Vgl. Düsing (1981), S. 320 ff. 20  Vgl. Goretzki (2011), S. 45 ff. 19 

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Komödie im Sittlichen – Ästhetik und Politik beim jungen Hegel

der nach Maßgabe ihres Bedeutungsverlustes auseinandergesetzten Religion nun ebenso die Kunst nicht mehr zur ursprünglichen Einheit zurückfinden, ja dass sie die Welt nicht mehr anschaulich und adäquat darstellbar machen kann. Erst der Hegel der Phänomenologie des Geistes bzw. in letzter Vertiefung der Hegel der Berliner Ästhetik baut diesen Gedanken, dass die Kunst nicht mehr die höchste Weise ist, die Wahrheit auszudrücken bzw. Selbstbewusstwerdung des Geistes zu sein, systematisch aus. Die Deutung, dass die Komödie dieses Ende als Schwellengestalt abschließt und anzeigt, übernimmt er dabei als rudimentären Gedanken seines Frühwerks. Noch in der Schrift über die Differenz des Fichte’schen und Schelling’schen Systems der Philosophie von 1801 wird das Schöne der Kunst weitgehend abgewertet, indem Hegel es als eine lediglich bewusstseinsgeschichtlich erwähnenswerte, aber zugleich geistig überholte Entwicklungsstufe am Rande seiner Ausführungen streift. Für eine solche Deutung kann er sodann auf Texte aus seiner Frankfurter Zeit zurückgreifen.21 Dennoch keimt damit erstmals in Hegels Philosophie, und gerade wegen seiner Obsoleszenz, der hier noch nicht weiter ausgeführte Gedanke der prinzipiellen Bedeutsamkeit und Notwendigkeit des Schönen für eine auf die Totalität des Wissens gehende Philosophie des Absoluten auf. Das hängt mit der Einführung dieses Begriffs des Absoluten in sein Denken zusammen: Wenn Hegel es nämlich zur Generalbestimmung der Philosophie macht, »das Absolute im Bewußtseyn zu konstruiren«22, gewährt er und schreibt er zugleich der philosophie21  »Je

weiter die Bildung gedeyht, je mannichfaltiger die Entwicklung der Äußerungen des Lebens wird, in welche die Entzweyung sich verschlingen kan, desto grösser wird die Macht der Entzweyung, desto fester ihre klimatische Heiligkeit, desto fremder dem Ganzen der Bildung und bedeutungsloser die Bestrebungen des Lebens, sich zur Harmonie wieder zu gebähren. Solche in Beziehung aufs Ganze wenige Versuche, die gegen die neuere Bildung statt gefunden haben, und die bedeutendern schöne Gestaltungen der Vergangenheit oder der Fremde haben nur diejenige Aufmerksamkeit erwekken können, deren Möglichkeit übrig bleibt, wenn die tiefere ernste Beziehung lebendiger Kunst nicht verstanden werden kan; mit der Entfernung des ganzen Systems der Lebens-Verhältnisse von ihr ist der Begriff ihres allumfassenden Zusammenhangs verlohren, und in den Begriff entweder des Aberglaubens oder eines unterhaltenden Spiels übergegangen. Die höchste ästhetische Vollkommenheit, wie sie sich in einer bestimmten Religion formt, in welcher der Mensch sich über alle Entzweiung erhebt, und im Reich der Gnade die Freyheit des Subjekts und die Nothwendigkeit des Objekts verschwinden sieht, hat nur bis auf eine gewisse Stuffe der Bildung und in allgemeiner oder in Pöbel-Barbarei energisch seyn können. Die fortschreitende Kultur hat sich mit ihr entzweyt, und sie neben sich, oder sich neben sie gestellt, und weil der Verstand seiner sicher geworden ist, sind beyde zu einer gewissen Ruhe nebeneinander gediehen, dadurch daß sie sich in ganz abgesonderte Gebiete trennen, für deren jedes dasjenige keine Bedeutung hat, was auf dem andern vorgeht.« GW 4, S. 14 f. 22  GW 4, S. 11; vgl. auch Jaeschke (1982), S. 164 f.

Die Geburt der Schönheit aus dem Geist des Absoluten: Die Differenzschrift

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renden Vernunft vor, sich zu diesem Absoluten zu erheben und sich in ihm zu erkennen, denn mit diesem Gegenstand hat die Vernunft es tatsächlich immer nur mit sich selbst zu tun.23 Das Absolute wird somit nicht – wie bei Kant – zu einem Objekt der Vernunft in der dualistischen Erkenntnisrelation, sondern zu einem spekulativ zu entwickelnden Begriff des sich selbst bewegenden Denkens, und zwar als eine Subjekt wie Objekt übergreifende Identität. Dieses müsse gedacht werden als eine »objektive Totalität, die ein Ganzes, in sich selbst getragen und vollendet, ist, keinen Grund außer sich hat, sondern durch sich selbst« in ihrem »Anfang, Mittel und Ende begründet ist«24. Im Rahmen eines solchen in sich bewegten Monismus absoluter Selbstbezüglichkeit muss Hegel in der Durchführung bemüht sein zu zeigen, wie das durch Selbstnegation sich setzende Denken der Vernunft »durch die Differenz hindurch sich selbst erfaßt, sich selbst gleich wird, alles als seine Tat durchschaut und sich selber begegnet«25. In diesem Selbsterfassungsgang wird sich die Vernunft als Absolutes zum Gegenstand ihres Wissens, indem sie sich in die Endlichkeit von Natur und Intelligenz gestaltet, darin als ein Abbild ihrer selbst durchschaut und aus der Beschränkung in die Unendlichkeit »sich zu sich selbst erhebt, und allein sich selbst, und dem Absoluten, das zugleich ihr Gegenstand wird, sich anvertraut«26. Mit dem für den Vollzug notwendigen Entwicklungsmoment der sinnlichen Endlichkeit als dem selbstbedingten Gegenstand der Vernunft hat es sich Hegel sogleich ermöglicht, die Schönheit, die prinzipiell als ebendiese zur Sinnlichkeit gewordene Absolutheit aufgefasst werden muss, im Sinne eines Abbilds der Einheit und Harmonie des Absoluten denken zu können.27 Begrifflich erschöpft sich dieses Schöne jedoch nicht im Moment des Endlichen, sondern die Vernunft zeigt sich bestrebt, es vollständig in die Unendlichkeit eingehen, es dem Unendlichen gleich werden zu lassen, so dass ein dynamisches Moment in die Überlegungen integriert wird.28 Das Schöne kann als Adäquatheitsstreben des Endlichen, das sich auf das Unendliche richtet, verstanden werden, in dem abgestufte Grade des Erreichten unterschieden werden können: angefangen von einem Überhang des Unendlichen, entwickelt in eine vollkommene Harmonie beider Seiten, bis hin zum Überhang des Endlichen. Hierin eine Vorwegnahme der drei Kunstformen in der später ausformulierten Ästhetik zu sehen, liegt nahe, ist aber angesichts der 23 

Vgl. im Folgenden Baum (1989), S. 77 ff. GW 4, S. 30 f. 25  Patocka (1964), S. 52. 26  GW 4, S. 11. 27  Vgl. ebd., S. 75 f. 28  Vgl. Patocka (1964), S. 53. 24 

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Komödie im Sittlichen – Ästhetik und Politik beim jungen Hegel

randläufigen Formulierung dieses Gedankens sowie der gänzlich anders orientierten Darstellung und Argumentation der Differenzschrift hingegen eine eher vage Analogie. Gleichwohl lässt sich feststellen, dass das Ästhetische bereits zu einem Moment der Bewusstwerdung des Absoluten wird, der – wie Hegel hier formuliert – ›Konstruktion des Absoluten im Bewusstsein‹, wie sie erst von der Philosophie als Zu-sich-selbst-Kommen der Vernunft abgeschlossen wird. Von diesem ausgebildeten Standpunkt aber erscheint das in der Kunst entzweite Absolute nicht in seiner ihm gemäßen Form, die es allein im Gedanken hat. Die Betonung, dass sich mit diesem philosophischen Modell um 1800 neue, sich im Fortgang Bedeutung verschaffende Bestimmungen und Gegenstandsbereiche des Denkens Hegels auftun, ist von Relevanz, um die Beschäftigung mit der Komödie im Naturrechtsaufsatz, der zwei Jahre nach der Differenzschrift veröffentlicht wird, ausführlicher in den Blick nehmen zu können. Mit dem Unendlichkeitsprinzip des Absoluten, das an den Anfang der spekulativen Philosophie gestellt wird, kann Hegel im genuin dialektischen Modus absolutes Werden und begriffliche Bewegung denken, so dass im Prozess – das wird im Verlauf der vorliegenden Auseinandersetzung mit der Komödie noch zu zeigen sein  – auch die ästhetische Vergegenständlichung als Verendlichung des Absoluten und damit als notwendig zu integrierender und darzustellender Teil der Durchführung in ihre extremen Formen entwickelt werden kann, ohne dass dabei der Rahmen des Philosophischen als Entfaltung dieses Begriffs des Unendlichen verlassen wird.29 Ein solches Extrem des Endlichen, in das das Absolute getrieben wird, ist nämlich die Komödie, die als Entgegensetzung immerzu auf den vollen Begriff bezogen bleibt. In diesem Sinne kann die Differenzschrift als zur begrifflich-methodischen Vorbereitung dienender Hintergrund interpretiert werden, vor welchem die Dramentheorie des Naturrechtsaufsatzes deutlicher konturiert erscheint. Die darin ausformulierte Theorie absoluter Sittlichkeit, die sich in die Entzweiung endlicher Verhältnisse vereinzelt, um daraus politisch ausbestimmt in die substantielle Form zurückzukehren, steht in Analogie zur Selbstauslegung dieses Prinzips des Absoluten. – Gegenüber allen im engeren Sinne komödientheoretisch orientierten Textstücken Hegels leistet der Naturrechtsaufsatz gleich in mehrerlei Hinsicht der reiferen philosophischen Ausdeutung des Komischen Vorschub: Zum einen findet sich hier die erste zusammenhängende, komplex und systematisch entwickelte Komödientheorie, die alle vorhergehenden Bemerkungen wegen ihrer Tiefe der Reflexion in den Schatten stellt. Zweitens wird darin nicht mehr bloß die antike, sondern auch die 29 

Vgl. Baum (1989), S. 89 f., 226.

Denken des Schicksals im Tübinger Stift

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moderne Form der Gattung behandelt, was ein größeres Interesse Hegels an der spezifisch ästhetisch-dramentheoretischen sowie bereits geschichtsphilosophischen Dimension verrät. Zuletzt – und das ist der entscheidende dritte Punkt – zeigt sich das Kunstwerk Komödie, wie seine ebenfalls behandelte tragische Entsprechung, erstmals als eine geistige Selbstverständigung über sittliche Verhältnisse und Probleme, die zuerst objektiv nur vorgefunden und schließlich in der bildhaften Anschaulichkeit der Kunst erkannt werden. Die Komödie erhält im Naturrechtsaufsatz somit die Funktion, erkenntnisstiftend zu sein und gleichzeitig zu einem Erscheinungsmoment desjenigen Übergangs zu werden, der sich in der Differenzschrift von der Identität der unendlichen Allgemeinheit des Absoluten und der von ihm abfallenden, endlichen Einzelheit hinein in die Verselbständigung dieser Einzelheit vollzog – nun allerdings konsequent auf den realphilosophischen Gegenstandsbereich von Staat und Politik übertragen. In der Zeit um 1800, in deren Debatte um die noch ganz junge philosophische Ästhetik verschiedenartigste Positionen in kürzesten Abständen einander abwechseln und allgemeine Unklarheit herrscht, worum es in dieser Disziplin eigentlich gehen soll: um eine allgemeine Wahrnehmungslehre im Verständnis Baumgartens, eine Kantische Theorie des Geschmacksurteils über Naturschönheit, um deren Umdeutung bei Schiller zu einem objektiven Begriff des Schönen der Kunst und deren Beziehung auf politische und soziale Zusammenhänge, um die Genielehren der Romantiker oder gar Schellings Überforderung der Kunst zum »einzige[n] wahre[n] und ewige[n] Organon […] der Philosophie«30 – in dieser Zeit heterogener Denkbewegungen innerhalb der Ästhetik dringt Hegel mit seiner neuen Deutung des Schönen vom Standpunkt des Absoluten und im Anschluss daran einzelner künstlerischer Formen im Kontext praktisch-philosophischer Theoriestücke erstmals zu seinem eigenen charakteristischen Ansatz vor.

3.  Denken des Schicksals im Tübinger Stift – Der Austausch mit Hölderlin und Schelling Hegels frühe, im engeren Sinne philosophische – vor allem geschichtsphilosophische – Ausarbeitung des Komödienbegriffs steht im Zeichen des lebendigen Austauschs mit seinen Tübinger Stiftsfreunden Hölderlin und Schelling. Wenn Hegel im Naturrechtsaufsatz schreibt, es müsse »die Komödie Dies ist eine zentrale Bestimmung aus dem System des transscendentalen Idealismus von 1800 in: Schelling: HKA I, 9,1, S. 328. 30 

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Komödie im Sittlichen – Ästhetik und Politik beim jungen Hegel

überhaupt auf die Seite der Schicksallosigkeit fallen«31, bezeugt die ins Deutsche übertragene Wendung des griechischen ›dysmoron‹ einen Diskussionszusammenhang mit den beiden ehemaligen Zimmergenossen. Hölderlin, mit dem Hegel über Tübingen hinaus eine gemeinsame Zeit in Frankfurt und Homburg teilt, in die auch eine Konversation über dramentheoretische Fragen fällt32, stellt vor allem in den Anmerkungen zu seinen Sophokles-Übersetzungen Oedipus der Tyrann und Antigonä die Dichotomie ›Schicksal / Schicksallosigkeit‹ in den Mittelpunkt seiner Deutung.33 Antigone sei der ›antí-theos‹, die gottgleiche und darin gotteslästernde Gesetzlose, die kein höheres Schicksal achte – ihr gegenüber der schicksalsfürchtige und -hörige Herrscher Kreon.34 An der Tragödie wird die Problematik einer Unterscheidung der göttlichen Einheit, des menschlichen Loslösens vom Göttlichen resp. die Notwendigkeit einer Versöhnung dieses Unterscheidens demonstriert. Doch Übersetzung, Anmerkung und Deutung verfasst Hölderlin nicht im Namen eines selbstzweckhaften Klassizismus, sondern einer Konstatierung und Überwindung der zeitgenössischen Problematik des Politischen: Wie es von Sophokles an der Antigone vorgeführt werde, meint Hölderlin, müsse es auch seine Gegenwart und müssen es auch die Menschen dieser Gegenwart, die sich allzu weit von der griechischen Antike entfernt haben, wieder lernen, »etwas treffen zu können, Geschik zu haben«35, d. h. ein Schicksal zurückzugewinnen. Denn das Schicksal ist ihm einerseits die »Naturmacht«, die den Menschen »in die exzentrische Sphäre der Todten reißt«, ihm andererseits aber auch den »Mittelpunkte seines innern Lebens«36 bedeutet. Hölderlin meint in seiner Gegenwart – als »Dichter in dürftiger Zeit«37, wie es in der kurz nach Vollendung der Sophokles-Übersetzungen gedichteten Elegie Brod und Wein heißt, einer Zeit, in welcher die Götter die Menschen verlassen haben –, es komme darauf an, dass »der Gott und Mensch sich paart und gränzenlos die Naturmacht und des Menschen Innerstes im Zorn Eins wird, dadurch sich begreift«38. Das Sein des Menschen soll im Schicksal seine Wahrheit finden, als ein Prozess, in welchem er 31 

GW 4, S. 459; vgl. zu diesem Abschnitt auch Rosenzweig (1920), S. 174. Vgl. Düsing (1988), S. 70 ff.; vgl. zum Rückgriff möglicherweise auf Fichtes Wissen­ schaftslehre und Schillers Briefe Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen innerhalb der gemeinsamen Ausarbeitung einer Theorie des Tragischen und der Tragödie Kurz (1988), S. 86 f. 33  Vgl. hierzu und im Folgenden Pöggeler (2004), S. 98 ff. 34  Vgl. Hölderlin: Anmerkungen zur Antigonae. In: SW 5, S. 268. 35  Ebd., S. 270. 36 Hölderlin: Anmerkungen zum Oedipus. In: SW 5, S. 197. 37 Hölderlin: Brod und Wein. In: SW 2,1, S. 94. 38 Hölderlin: Anmerkungen zum Oedipus. In: SW 5, S. 201. 32 

Denken des Schicksals im Tübinger Stift

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sich, ewig in Gegensätzen, mit dem Unendlichen vereint und diese Einheit wieder auseinanderreißt. Mit der Komödie hingegen beschäftigt sich Hölderlin nicht. Sie taucht ausschließlich in den Reflexionen Schellings und Hegels auf und wird darin ausgehend von der mit Hölderlins Ansatz beträchtliche Gemeinsamkeiten aufweisenden Tragödiendeutung entwickelt. Mit Schelling wirkt Hegel noch über die Tübinger Zeit hinaus zusammen, vor allem in Jena, wo sie in den Jahren 1802/03 eine Phase eng aufeinander bezogener Produktivität während ihrer gemeinsamen Herausgabe der Zeitschrift Kritisches Journal der Philosophie durchleben, in dessen zweitem und drittem Stück auch der Naturrechtsaufsatz erscheint.39 Schellings Vorlesungen über Philosophie der Kunst entstehen in etwa zeitgleich mit dieser Abhandlung Hegels, so dass es nicht verwundern dürfte, in beiden Komödientheorien die antike Form vor allem unter Abgrenzung zu ihrem Gegenstück Tragödie und durch die dafür herangezogene Bestimmung des fehlenden Schicksals definiert zu finden.40 Die Schrift, mit welcher sich Hegels konturierte Komödientheorie zur Welt bringt, ist der Naturrechtsaufsatz. Unter einem grundsätzlichen konzeptionellen Gesichtspunkt verdankt Hegels Aufsatz mit dem vollständigen Titel Ueber die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts, seine Stelle in der praktischen Philosophie und sein Verhältniß zu den positiven Rechtswissenschaften sowohl Hölderlin als auch Schelling in den erwähnten Anteilen ihrer Philosophie nicht unerhebliche Anregungen. Was Schelling grundsätzlich fehlt, Hegel aber mit Hölderlins Verschränkung von politischer Philosophie und Ästhetik teilt, ist der dezidiert rechtsphilosophische Kontext des Jenaer Aufsatzes, in den das dramentheoretische Modell eingebettet ist und das mit dieser Gewichtung einer Theorie des Sittlichen einzigartig ist in der Genese der Komödientheorie Hegels. Gleichwohl teilt er wiederum mit Schelling einige Bestimmungen der Komödie, zu der sich Hölderlin an keiner Stelle äußert. Hegel führt zumindest unter dieser speziellen Fragestellung des Komischen beide Ansätze zusammen. Angesichts dieses Charakteristikums sollte allerdings nicht der Eindruck entstehen, als ginge es dem Verfasser mit dem Naturrechtsaufsatz vorrangig um eine Ästhetik des Dramas. Da diesem Aspekt bei einem Gesamtumfang von etwa einhundert weit weniger als zehn Buchseiten gewidmet werden, muss man ihn als randläufig bezeichnen. Allein der besagte rechtsphilosophische Themenkomplex gibt das Darstellungsziel vor. Ausgangspunkt dafür ist der Generalvorwurf gegen das neuzeitliche Naturrecht – sowohl in seiner 39  40 

Vgl. hierzu auch Kraft (2011), S. 264. Vgl. hierzu die Philosophie der Kunst in: Schelling: SW I, 5, S. 711 f.

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Komödie im Sittlichen – Ästhetik und Politik beim jungen Hegel

›empirischen‹ als auch ›formalen Behandlungsart‹ –, das Sein des Individuums werde zum Höchsten erklärt und somit der Subjektbegriff ganz formalistisch zur Letztbegründung erhoben, um dieser Konzeption unter engem Bezug auf die politische Philosophie Platons und Aristoteles’ die substantielle Einheit des Gemeinwesens gegenüberzustellen, in welcher das vereinzelte Subjekt seine tiefere Wahrheit und Allgemeinheit findet.41 Diese Substanz des Allgemeinen ist es, die es vollbringt, die Einzelheit des Subjekts aufzuheben, ohne dabei ihr Privatrecht aufzulösen. Aus diesem Grunde spricht Ludwig Siep vom Naturrechtsaufsatz als von einer »Rehabilitierung der klassischen praktischen Philosophie«42, die gegen das neuzeitliche Vernunftrecht Kants und Fichtes mit ihrem Formalismus und bloß negativen Absoluten als reine, ununterschiedene Identität ausgespielt wird. Hegel kommt es darauf an, entgegen der unterschiedslosen Einheit im Naturrechtsdenken die »absolute Sittlichkeit« antiker politischer Philosophie nicht als starren, ahistorischen Zustand sozialer Ordnung, sondern ganz im Gegenteil als einen von der grundsätzlichen Differenz zwischen Allgemeinem und Einzelnem geprägten zu entwerfen, so dass diese Spannung die sittliche Wirklichkeit überhaupt erst lebendig werden lässt. Aus der Konfrontation beider Modelle speist sich Hegels Kritik an der objektiv-geistigen Totalität der eigenen Gegenwart. In der Gegenüberstellung von antikem und modernem Rechtszustand – ›Recht‹ hier im weitgefassten Sinne auch der politischen und sozialen Objektivationen verstanden und nicht allein im juristischen Sinne – verortet Hegel seinen eigenen Lösungsansatz der in der Staatsphilosophie topisch gewordenen Problematik der Legitimierbarkeit eines Staatskörpers, der gegenüber seinen (Mit-)Gliedern Unabhängigkeit und Souveränität gewinnt und hinsichtlich der Machtverhältnisse sich gegen und über seine Glieder und ihre Zwecke stellt, ohne dass dabei ihr Recht der individuellen Entfaltung gleichsam übergangen wird. Es wird also thematisch, wie rechtsphilosophisch die beiden sittlichen Sphären, einerseits die der Privatperson mit ihrem Recht auf Selbsterhaltung sowie andererseits die des Staatskörpers mit seinem Recht des Gehorsams gegen ihn, wechselseitig zur Anerkennung gebracht werden, ohne das abstrakt-rechtliche Moment dabei vorherrschen zu lassen.43 Bei der Lösung dieser Frage spricht sich Hegel weder für eine natur- bzw. privatrechtliche Konzeption, beispielsweise im Geiste Hobbes’, noch für eine Reanimation des griechisch-antiken Staatsmodells aus, sondern für eine spekulative Synthese beider Ansätze, quasi als eine Theorie der modernen Polis der 41 

Vgl. Schulte (1992), S. 33 f. Siep (1979), S. 159. 43  Vgl. Schulte (1993), S. 207. 42 

Der Naturrechtsaufsatz, befragt nach seinen dramentheoretischen Momenten

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verwirklichten, konkreten Freiheit, die den formalen neuzeitlichen Rechtsgedanken mit sittlicher Substantialität fundiert und darin ›wahres System der Sittlichkeit‹ ist. Der Gedanke antiker Staatlichkeit wird dadurch im Verbund mit dem neuzeitlichen Naturrecht in einer höheren Einheit zusammengefasst, aus welcher Hegel methodisch die Kategorie der Besonderheit und Individualität sowie damit verbunden ihre Sphären Ökonomie, Gesellschaft und abstrakte Rechtlichkeit deduziert.44 In diesem Entwicklungsgang, in Anschluss an eine recht komplex entfaltete Ständelehre – und dadurch bedingt in einer überraschenden argumentativen Wende –, reflektiert Hegel die Problematik von Entzweiung und Versöhnung der sittlichen Hauptmomente Allgemeinheit und Einzelheit in einer knapp skizzierten und dennoch vielschichtigen Ästhetik der Tragödie und Komödie. Versteht man die beiden dramatischen Modi als »Allegorie[n]«45 oder poetologische »Deutung[en] der gesellschaftlichen Verhältnisse«46, könnte es scheinen, als führe die Komödie als eine der beiden Gattungen des antiken Dramas zugleich eine von zwei differenten Weisen der Bewältigung des sittlichen Grundkonflikts vor, der zwischen dem Allgemeinen und Einzelnen entsteht. Ob diese Lesart zutrifft, soll in einer knapp gehaltenen Vertiefung überprüft werden.

4. Der Naturrechtsaufsatz, befragt nach seinen dramentheoretischen Momenten »Es muß […] eine Grenze geben, welche die komische Gattung von der tragischen scheidet.«47 (Diderot: Der natürliche Sohn. Übers. v. G. E. Lessing.)

Der Naturrechtsaufsatz markiert im berühmt gewordenen Schlagwort »Tragödie im sittlichen«48 das Wesen der antiken Gesellschaftsordnung mit Hilfe eines ästhetischen Modells, das als konkret ausbestimmte Form dem in der Differenz-Schrift entwickelten Absolutheitsprinzip seine abstrakt allgemeine Grundlage verdankt: Die Tragödie sei die »Aufführung«, die »das Absolute ewig mit sich selbst spielt«, und zwar in der Weise, »daß es sich ewig in die Objectivität gebiert, in dieser seiner Gestalt hiemit sich dem Leiden und dem 44 

Vgl. Schnädelbach (2000), S. 43 ff., 54 f. Kraft (2011), S. 265. 46  Jaeschke (2003), S. 148. 47  Diderot (1781), S. 210. 48  GW 4, S. 458. 45 

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Komödie im Sittlichen – Ästhetik und Politik beim jungen Hegel

Tode übergibt, und sich aus seiner Asche in die Herrlichkeit erhebt«49. Hegel demonstriert, dass die absolute Sittlichkeit als ein tragischer Prozess begriffen werden müsse, in welchem sich das Göttliche qua Selbstnegation in die Sterblichkeit des Heros objektiviere und in dieser Menschwerdung sich dem Untergang preisgebe. Noch abstrakt gefasst vollzieht sich der Untergang im Tode des Helden, welcher der verendlichte Gott und damit die Verkörperung der göttlichen Allgemeinheit ist, als Negation der Negation. In der Zerstörung seiner Individualität dagegen kehrt das Göttliche wieder in sich zurück. Mensch und Gott verwickeln sich also in der ›Tragödie im Sittlichen‹, um sich schließlich wieder voneinander zu befreien und den Menschen als göttlich erhöhten Menschen daraus hervorgehen zu lassen, der in und wegen dieser Erhöhung sogleich untergehen muss. Dieser Aspekt muss in Engführung mit der Argumentation des Naturrechtsaufsatzes näher erläutert und auf den Übergang zur Komödie bezogen werden; beide dramatischen Gattungen beanspruchen dabei, ästhetische Verbildlichungen eines objektiv-geistigen Vollzugs zu sein: Die Tragödie als eine künstlerische Form, als eine mit künstlerischen Mitteln anschaulich gemachte Handlung, die als Handlung immer politische und kultisch-religiöse Praxis zugleich ist, ist ein ›Bild‹ allgemein geistiger Zusammenhänge. In ihr als Kunstwerk spricht sich das Geistige aus. Sie ist die handelnde Veranschaulichung des göttlichen Verlaufs, die Widerspiegelung des religiösen Hintergrunds der griechischen Welt; doch dieses Göttliche ist immer schon verwirklicht in der absoluten Sittlichkeit einer harmonisch geordneten Polis. Das ist Hegels frühe Einheit von Kunst, Religion und Politik, eine Art politische Kunstreligion, die er hier nach ihren inneren geistigen Gesetzen beschreibt. Als ästhetisches Bild des Göttlichen ist die Tragödie zugleich – das macht Michael Schulte in seiner Studie zur Dramentheorie Hegels deutlich – »Bild der Sittlichkeit, in die Anschauung erhobene Praxis«, die artikuliert, »was gesellschaftliche Praxis und Übereinkunft, Verpflichtung und ihre Begründung sind«50. Sie ist die Präsenz der ewigen göttlichen Bewegung, des lebendigen Kreislaufs einer sich in ewigem Widerstreit mit sich selbst befindlichen sittlichen Einheit. An diesem Punkt deutet sich demnach bereits an, was Hegel später ›ästhetisches Selbstbewusstsein‹ des sittlichen Geistes nennt. Vorzüglich verwirklicht sieht Hegel das Modell einer sittlichen Tragödie in den Eumeniden des Aischylos.51 49 

Ebd., S. 458 f. Schulte (1993), S. 210. 51  Vgl. GW 4, S. 459; vgl. auch Bremer (1986), passim; Düsing (1988), S. 71; Schulte (1993), S. 210 ff.; Geisenhanslüke (2012), S. 33 ff. 50 

Der Naturrechtsaufsatz, befragt nach seinen dramentheoretischen Momenten

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Konkret festgemacht in der Übertragung auf die Ebene des Gemeinwesens erscheint die ›Tragödie im Sittlichen‹ als Widerstreit der doppelten sittlichen Natur als eine Tragödie des Staates, in welcher dieser sich immer wieder hervorbringt.52 Er ist sittlich objektiv gewordene Göttlichkeit in einem kontinuierlichen Prozess: Aus der Identität mit sich in die Entzweiung gebracht stehen sich dabei die ›organische Natur‹ der allgemeinen staatlichen Organisation, die ihre Selbsterhaltung bezweckt, und die ›unorganische Natur‹ der privaten Sphäre der Besonderheit gegenüber, die auf die Erhaltung des Individuums geht, auf den einzelnen Bürger, sein Recht der Person, sein Eigentum, seine Familie.53 In einem Kampf des Göttlichen mit dem Menschen wird in der Tragödie aufgeführt, wie der Held als organische Natur, die nur auf die Erhaltung des göttlichen Allgemeinen des Staates zielt, durch seinen Tod die absolute Sittlichkeit restituiert. Diese Gestaltung steht in ungebrochener Ernsthaftigkeit, mit dem Helden und seinem Tod ist es der Tragödie ganz und gar ernst, denn erst im Untergang erkennt das tragische Subjekt das allgemeine Schicksal als die göttliche Macht über es an; und dies muss es auch, um ein Bild des Göttlichen und Sittlichen sein zu können. Wie Franz Rosenzweig treffend bemerkt, versinnbildliche sich in der Tragödie im Sittlichen »das Verhältnis des Staats zur […] Freiheit und Selbständigkeit der Untertanen«54, das bis in den Untergang notwendig bleibt und zwingend wirkt. Die Rückkehr des Absoluten aus seiner Vereinzelung in zwei widerstreitende Momente stellt die staatliche Macht über die bürgerliche Einzelheit und Vereinzelung wieder her und demonstriert sie dabei gleichermaßen. Dies belegt Hegel mit der Kategorie der ›Versöhnung‹, die freilich keine stillstellende ist, indem sie eine anhaltende Anerkennung bereitet, sondern vielmehr Versöhnung unter Integration fortwährender immanenter Negativität, die sich jederzeit wieder in Differenz setzen kann und setzen wird.55 Für die Bestimmung des Komischen bilden diese Ausführungen die Kon­ trast bietende Folie56: Bezogen auf die Komödie kann aus der Perspektive des Naturrechtsaufsatzes nämlich von einer solchen Versöhnung nicht gesprochen werden. Hierbei kommen die Tragödienbestimmungen nur insofern zur Geltung, als dass die Komödie sich von deren Prinzip der Notwendigkeit gerade freigemacht hat. Nicht dass der komische Konflikt am Ende unversöhnt bliebe, vielmehr entsteht überhaupt erst keiner, der aus einem Schicksal notwendig resultieren würde. An ihrer antiken Form hebt Hegel somit die 52 

Vgl. im Folgenden Schulte (1993), S. 207 ff., 216 f., 257 ff. Vgl. GW 4, S. 450 ff. 54  Rosenzweig (1920), S. 171. 55  Vgl. GW 4, S. 459. 56  Vgl. zur Beziehung der Komödie auf die Tragödie auch Paolucci (1978), S. 93. 53 

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Komödie im Sittlichen – Ästhetik und Politik beim jungen Hegel

bereits behandelte, allgemeine ›Schicksallosigkeit‹ hervor; denn die Komödie stelle »nur Schattenbilder von Gegensätzen oder Scherze von Kämpfen mit einem gemachten Schicksal und erdichteten Feinde«57 dar. Anders als in der Tragödie, in der es zu Kollisionen kommt, zu Entzweiungen in die Extreme, aber auch wieder zur Ruhe gewährenden Heimkehr in die gleichbleibende Harmonie, zur Versöhnung, Aussöhnung und zum Ausgleich, die Einseitigkeit abgestreift und die Gegensätze vereint, lebt die Komödie von Verwicklungen, mit denen es nicht ernst ist, daher jedes Schicksal sich nur als ein vermeintliches, ›gemachtes und erdichtetes Schicksal‹ erweist. Die beiden Naturen als zu Prinzipien erhobene sittliche Bereiche stehen in komischer Lebendigkeit, voneinander getrennt, in Freiheit zueinander, so dass die Komödie ohne wahren Konflikt ist, ohne wahre Bedrohung der allgemeinen, sittlichen Macht durch das Prinzip der Einzelheit. In diesem Sinne ist die Handlung der Komödie ein bloßes Spiel des Göttlichen mit sich, ein immer schon versöhnter Zustand ohne Zerrissenheit. Hegel meint, in der Komödie zeige sich »die absolute Zuversicht und Gewißheit der Realität des Absoluten«, die nur einen »ernstlose[n], keine innere Wahrheit habende[n] Gegensatz«58 kenne. Hierin liegt für Hegel der tiefere, geistige Sinn, weshalb die Komödie als Satyrspiel sich an die Tragödie anschließt: Der tragische Kampf der gegensätzlichen Mächte, das wahre, ernste Schicksal, wiederholt sich bloß in komischer Lösung und freier Heiterkeit. Ist das Gleichgewicht in der Tragödie bereits errungen, zumindest am Ende, wenn die allgemeine Gültigkeit der sittlichen Absolutheit triumphiert, kann die Komödie es bestärken und beschwingt feiern. Das satyrische Nachspiel ist somit der Gottesdienst der Sittlichkeit, aber als ausgelassener Umzug, der dem Gott Dionysos huldigt. Den ernst- und schicksallosen Gegensatz des Komischen beleuchtet Hegel vom Standpunkt des Menschlichen genauso wie von dem des Göttlichen: Auf der einen Seite steht das endliche Individuum, vereinzelt selbständig und doch fixiert in seiner bewussten Ohnmacht, gegen die fremde, äußerliche und zugleich absolut sicher gewusste Göttlichkeit  – auf der anderen Seite ist es diese absolute Göttlichkeit, die sich in der Komödie »Gegensätze und Spiele erzeugt, in denen sie mit absolutem Leichtsinn einzelne ihrer Glieder an das Erringen eines bestimmten Preises setzt«59. Wie in der Tragödie gebiert sich das Absolute in die Individualität, doch ganz untragisch tut sie dies aus spielerischem ›Leichtsinn‹, aus Zufall und Willkür. Aus diesem Grunde können die Handlungen und Verwicklungen, die dabei entstehen, als 57 

GW 4, S. 459. GW 4, S. 460; vgl. hierzu auch Schnädelbach (2000), S. 52 f. 59  GW 4, S. 460; vgl. Kraft (2011), S. 269 f. 58 

Der Naturrechtsaufsatz, befragt nach seinen dramentheoretischen Momenten

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Zufallsgeborene keinem besagten Schicksal unterliegen oder diesem zuwiderlaufen. Auch bei Hölderlin, wie angedeutet wurde, ist die Schicksallosigkeit dadurch ausgezeichnet, dass keine notwendige und notwendig den Tod herbeiführende Naturmacht den Menschen ins Göttliche als Wahrheit und Mittelpunkt des Lebens zurückreißt. Es zeigt sich aber, dass Hegel anders als Hölderlin dem Kreis des Schicksallosen kein Telos der Rückkehr zu schicksalsvollen Zeiten vorschreibt oder auch nur anempfiehlt. Zudem versteht er das Göttliche, an dessen unendlichem Ereignis der Mensch seine Existenz findet, nicht als etwas, das dem endlichen Bewusstsein intellektuell nicht anschaubar oder begreiflich ist.60 Die komische Individualität, die sich entgegen ihrer tragischen Schwester der Bindungslosigkeit voll bewusst ist, fasst Hegel als ein Attribut des Göttlichen, das im Absoluten seinen Ursprung und seinen Zweck findet, diesem jedoch nicht geopfert werden muss, sondern heiter erhöht wird und auf diese Weise eine sich ankündigende, noch nicht voll durchgesetzte Selbständigkeit gewinnt. – Man ist in diesem Punkt vielleicht an den frühen Friedrich Nietzsche erinnert, der darüber nachdenkt, das Weltgeschehen als eine Komödie zur Unterhaltung und zum Lachen der Götter zu deuten, die diesen gegenüber unabhängig aufgeführt werde.61 Das menschlich Individuelle tritt dem Göttlichen entgegen; wenn auch zunächst nur als bestätigende Erheiterung, als Überfluss der göttlichen Macht. Wenn Platon im Politikos – auf den Hegel ebenfalls zu sprechen kommt62 – ausführt, die Kraft des Staates zeige sich unter anderem daran, wie unbescholten er alle Krisen und Bedrohungen überstehe63, kann darin ein Schlüssel für Hegels frühe Komödientheorie gesehen werden: Eine sittliche Organisation, wie im erwähnten Zusammenhang der Tragödie eine zur objektiven Geltung gebrachte Verwirklichung des Absoluten, ist sich als unüberwind­ liche Macht ihrer »absoluten Herrschaft über jede Eigenheit und Ausschweifung gewiß« – und zwar ist sie so selbstgewiss, dass auch die Komödien des Aristophanes, von Hegel als »göttliche Monstruositäten« namhaft gemacht, mit ihren sich gegenüber der Göttlichkeit verselbständigenden Individualitäten, »der Schönheit ihrer Gestalt nicht schaden«; denn solche Individuen träumen zunächst nur den »Traum eines Bewußtseyns vereinzelter Selbstständigkeit […] in völliger Ohnmacht und Kraftlosigkeit«64. Gleichwohl ist 60 

Vgl. Düsing (1988), S. 58 f. Vgl. hierzu Die Geburt der Tragödie sowie die erste der Unzeitgemäßen Betrachtungen in: Nietzsche: KSA 1, S. 47; KSA 5, S. 236. 62  »was Plato in anderer Rücksicht sagt, daß eine Polis eine zum bewundern starke Natur hat.« GW 4, S. 460. 63  Vgl. Platon: Politikos, 302a. 64  GW 4, S. 460. 61 

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Komödie im Sittlichen – Ästhetik und Politik beim jungen Hegel

hiermit aber verbunden, dass sich in der Komödie – hier noch ausgelassen die Sittlichkeit feiernd, aber bereits in selbstbewusster Ausbildung – die Verselbständigung des Individuums gegenüber dem Absoluten eingeläutet wird. Die Verselbständigung kann von der machtvoll erhabenen und selbstsicher schönen Sittlichkeit noch ausgehalten werden, ja sie bestärkt sich sogar an diesem ernstlosen Gestus. Zu den Errungenschaften jeder stabilen Sittlichkeit gehört es, ihre wesentlichen Momente auch in die Komödie herüberziehen lassen zu können, sie nicht ernst zu nehmen und dabei »ohne Gefahr und Angst oder Neid« zu bleiben, sondern sie als »komische Züge« zu nehmen, »die einen Moment ihrer Gestalt erheitern«65. Diese antike Form ist für Hegel eine »göttliche Komödie«66, die antike Ausprägung dieser Gattung, die neben der Tragödie ein berechtigter, ästhetischer Ausdruck der schönen Polis-Sittlichkeit ist; und es wäre im Anschluss an diese Ausführungen wohl angemessen, auch die Komödie als eine ›Komödie im Sittlichen‹ zu bezeichnen. Rückblickend auf die oben aufgeworfene Leitfrage nach einem möglichen Verständnis der Komödie als Bewältigungsweise des sittlichen Grundkonflikts kann nun eine differenziertere Antwort gegeben werden: Die Komödie kennt keinen wahren Gegensatz, wie die Tragödie es tut; da sie konfliktund schicksallos ist, kann in ihr keine aus der Göttlichkeit entzweite sittliche Natur mit ihrem Widerpart einen Kampf austragen und im versöhnenden Schicksal bewältigen. Dennoch ist sie aber die in die Anschauung erhobene schöne Sittlichkeit, ein Modell sittlichen Handelns, der adäquate absolutgeistige Ausdruck einer objektiv-geistigen Zeitsituation des fest etablierten und ganz harmonisch in sich ruhenden Gemeinwesens, das in der Lage ist, die komischen Entgrenzungen problemlos zu akzeptieren.67 Zugleich verschafft sich die Individualität ihr Recht gegenüber dem Allgemeinen, das sie sich in der Tragödie keineswegs verschaffen konnte. Denn wo der tragische Held als ein irdischer Stellvertreter des Göttlichen und des absoluten Staatswesens als absolute Sittlichkeit gerade wegen seiner endlichen Verkörperung des göttlichen Verlaufs auch den heldenhaften Tod für den Gott sterben muss – sonst könnte er kein ›Bild‹ dieses Verlaufs sein –, kann das komische Subjekt Mensch sein, ganz und gar freie Einzelperson, die der Macht kein Opfer darbringen muss, weil sie allein sich selbst verpflichtet ist. Ein Opfer wäre in diesem Modell ein Selbstwiderspruch, denn ohne Schicksal besteht zu einem solchen kein Grund, und in seiner vereinzelten Selbständigkeit steht dem komischen Subjekt keine andere Instanz als es selbst gegenüber, 65 

Ebd., S. 460. Ebd., S. 459. 67  Vgl. Kraft (2011), S. 271. 66 

Der Naturrechtsaufsatz, befragt nach seinen dramentheoretischen Momenten

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dem es sich opfern könnte. Insofern ist die Komödie ein ästhetisches Bild für »das Verhältnis des Staats zu dem in seiner persönlichen Eigentümlichkeit ruhenden, im höchsten, innerlichen Sinn über den Staat hinaus gehobenen Menschen«68. Sie zeigt eine allgemeine Individualität, den ›Menschen‹, wie er gerade nicht der Übermacht von Göttlichkeit und Staatlichkeit erliegt, sondern sich in seinem Personsein, in seiner Privatheit heiter bewahrt. So ist die Komödie Hegel zufolge – zumindest bis zu diesem Punkt der argumentativen Entwicklung – nur ein ›heiteres Spiel‹. Doch im Zusammenhang einer spekulativ entwickelten Dramentheorie hat dieses Spiel für Hegel nicht allein spielerische, sondern immer auch ernsthafte Konsequenzen: Mit der spielerischen, noch unerkannten Einlassung kann nämlich sehr wohl eine Erkenntnis verbunden sein, mit der etwas zuvor nicht Bewusstes in der spielerischen Organisation erschlossen wird, wenn auch nicht in ganzer Tragweite. Ein Spiel des Göttlichen mit sich selbst ist nicht bloß eine wirkungslose Selbstbestätigung – in diesem Spiel erfährt die Individualität – als das Andere des Göttlichen – Bewusstsein von sich, entdeckt sich selbst in ihrer Selbständigkeit und Unabhängigkeit von ebendiesem und erfährt sich als eine gleichberechtigte, schließlich sogar als eine höhere Macht, mit einem höheren Recht. Diesem Spiel wohnt somit ein Erkenntnisakt inne, der geistgeschichtlich nicht mehr rückgängig gemacht werden kann. Zudem vollzieht sich im Spiel die Befreiung des Individuums von der tragischen Übermacht des Sittlichen, auch wenn diese Befreiung lediglich ›traumhaft‹ und nicht real ist. Obwohl das Individuum im Traum seiner Selbständigkeit ohnmächtig gegen die und abhängig von der Macht bleibt, und diese ihm fremd gegenüberstehende Göttlichkeit als eine substan­ tielle Gewissheit machtvollen Bestand behaupten kann, ist die heiter-freie Individualität ein geistgeschichtliches Novum, eine Errungenschaft der Subjektivität, die für Hegel fortan einige Beachtung verdient. Zu diesem Ergebnis, in der Komödie bestärke sich die sittliche Totalität bis zum Auseinandertreten in ihre Extreme, so dass Raum auch für die grenzenlose Individualität freigegeben werde, kommt Hegel auf einem langen Entwicklungsgang seiner Schrift zu naturrechtlichen Grundfragen, deren komplexe Argumentation in diesem Rahmen nur angedeutet werden konnte und die sich in manchen Aspekten von den späteren seiner Feder entstammenden Komödientheorien unterscheidet. Insbesondere in Bezug auf die Theo­ rie von der doppelten Natur des Göttlichen, die Rede von der ›göttlichen Komödie‹ oder die Genietheorie ist Hegel von Schellings zeitgleich zur Ausarbeitung des Naturrechtsaufsatzes gehaltenen Vorlesungen über die Philo68 

Rosenzweig (1920), S. 171.

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Komödie im Sittlichen – Ästhetik und Politik beim jungen Hegel

sophie der Kunst beeinflusst.69 Gleichwohl hebt sich Hegel mit der Eigenart seines Ansatzes, die Dramentheorie in den Horizont der Ausdeutung politisch-gesellschaftlicher Verhältnisse zu stellen, signifikant von Schelling ab und weist damit bereits auf kommende philosophische Schwerpunkte voraus, die in der frühen Konzeption lediglich angedeutet sind. Denn in einem Text wie dem Naturrechtsaufsatz, der naturrechtliche Fragen im Verbund mit politischen und ästhetischen diskutiert, bemerkt er bereits in leisen Untertönen, dass von der Komödie und der darin traumhaft befreiten Individualität im Sittlichen eine Bedrohung ausgehen könne. An der Figur Sokrates, dem Prototyp der sich verselbständigenden Einzelheit, stellt er die antike Gattung als Kippfigur dar70: Aus Traum und Ohnmacht kann das heiter selbstbestärkte Individuum erwachen und seinen Siegeszug antreten gegen die sittliche Realität des Staates. Sokrates, von dem Hegel meint, er sei eine »ernsthafter werdende Besonderung«71 und somit kein bloßes Spiel mehr, erscheint in seiner kritisch-verführerischen Ironie als ein subversives Element, das die Polis-Ordnung grundsätzlich in Frage stellt, ja sogar in ihren Grundfesten erschüttert. Er ist sowohl Akteur der noch schlaftrunkenen, aber zunehmend zu sich selbst kommenden Bewusstheit selbstbestimmter Individualität als auch Erscheinung der damit verbundenen allgemein sittlichen Problematik einer politischen Schwächung, in welcher die Polis die erstarkende Individualität nicht mehr in sich aushalten kann und diese schließlich als ihr Schicksal erfahren muss. Auf diese Weise wird aus dem lustigen ›Schattenbild‹ verhängnisvoller Ernst.

5.  Das Prinzip Sokrates Die spärlichen Bemerkungen, die im Naturrechtsaufsatz zum Aspekt einer sich unabhängig machenden Subjektivität angeführt werden, können durch den Ausgriff auf ausführlichere Passagen weiterer Texte Hegels ergänzt und somit verdeutlicht werden: So sollte berücksichtigt werden, dass Hegel in seiner späteren Philosophie, und zwar in den Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte, herausstellt, dass es Sokrates gewesen sei, welcher prometheusgleich das Feuer der Subjektivität den Menschen gebracht habe; dieses habe dann von den Athenern nicht anders wahrgenommen werden können

69 

Vgl. Schelling: SW I, 5, S. 698; vgl. hierzu auch Jaeschke (2003), S. 148. Vgl. Schulte (1992), S. 257 ff.; Schulte (1993), S. 215 f. 71  GW 4, S. 460. 70 

Das Prinzip Sokrates

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als als erhebliche Gefahr für die Polis.72 Auch für die Ausführungen im Naturrechtsaufsatz kann dieser Punkt geltend gemacht werden. So kann Hegel feststellen, ebendieser Sokrates habe den Satz des Protagoras, der Mensch sei das Maß aller Dinge, aufgegriffen, in seiner Bedeutsamkeit erkannt und auf das menschliche Denken bezogen.73 Innerhalb der griechischen Welt kann es als die eruptive Veränderung bezeichnet werden, das Prinzip »eines sich selbst fassenden Denkens«, »des Innerlichen, der Freiheit des subjektiven Selbstbewußtseins«74 entdeckt zu haben. Mit Sokrates hat diese als fortschreitende Entwicklung zu verstehende Erscheinung einen Punkt erreicht, an dem »endlich die Unabhängigkeit des Gedankens sich faßte und das Anundfürsichseiende als das Allgemeine, das Denken als letzter Zweck, [als] das Geltende erkannt wurde«75. Damit wird deutlich, dass Hegel dieses Prinzip nicht als bloßes Belieben einer sich anmaßenden Subjektivität begreift, sondern als Verkörperung einer allgemeinen geistigen Tendenz in individueller Form, die ihre Verbindlichkeit in der Struktur des vernünftigen Denkens findet. Es ist das allgemeine »Rechte und Gute«, das gelten soll, »wovor dieses innere Tribunal des Gedankens sich zu rechtfertigen habe«76. Im Zusammenhang der Auseinandersetzung mit diesem Prinzip in der Phänomenologie des Geistes und den ästhetischen Vorlesungen wird noch eingehend auf die Problematik hinzuweisen sein, die gleichwohl mit der erstarkenden Subjektivität verbunden ist; denn Hegel deutet ebenso darauf hin, dass es die gültige Form der Sittlichkeit in eine tiefe Krise stürzte. Als in sich reflektiertes Bewusstsein schwingt es sich zu einer vermeintlich selbständigen Macht gegenüber der objektiven Sittlichkeit der griechischen Tugendlehre empor. Vom Standpunkt der Grundlinien der Philosophie des Rechts muss hierin die Transition von Sittlichkeit in Moralität gesehen werden, worauf Hegel bezüglich Sokrates explizit verweist.77 Hier kommt das Moralbewusstsein als eine freie Selbstbestimmung des Subjekts auf78; mit diesem Denken als Reflexion der Moralität ist sogleich gesetzt, nichts objektiv Allgemeines mehr für gültig zu nehmen, sondern allein das, was der Prüfung der Vernunft standhält. Insofern erkennt Hegel, dass in Sokrates »das Gesetz des Staates in seinem Ansehen geschwächt« wird und er schließ72 

Vgl. V 12, S. 381 ff. Vgl. hierzu die entsprechenden Ausführungen über die Sophisten und Sokrates in den Nachschriften der Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie Hegels aus dem Wintersemester 1825/26: V 7, S. 123, 140 f.; vgl. Böhme (2002), S. 169. 74  V 12, S. 379. 75  Ebd., S. 381. 76 Ebd. 77 Ebd. 78  Vgl. Nowak-Juchacz (1999), S. 124. 73 

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Komödie im Sittlichen – Ästhetik und Politik beim jungen Hegel

lich sogar »zerstört«79 werden würde. Die Infragestellung und Verletzung der sittlichen Substanz ist für Staat und Volk somit etwas Verderbliches – jedenfalls zunächst.80 So kann Hegel mit vollem Recht die Ambivalenz von juristischem und juridischem Schicksal des Sokrates feststellen, einerseits als Lehrer und Protagonist der »höchste[n] Revolution« vom Gericht und Volkswillen die gerechte Strafe erhalten zu haben, andererseits in seinem Tod aber ein »höchstes Unrecht« sehen zu müssen, »da er seine Pflichten gegen das Vaterland vollkommen erfüllte und seinem Volk eine innere Welt aufschloß« mit all der »Berechtigung des Gedankens«81. Dennoch – die Verurteilung und Hinrichtung des Propheten freier Selbstbestimmung des Subjekts konnte nicht dieses keineswegs ins griechische Gemeinwesen integrierbare und doch bereits in ihm herrschende, weil geistgeschichtlich höhere Prinzip aus der Welt räumen.82 Ganz im Gegenteil: Wie Platon in der Apologie des Sokrates berichtet, habe sein Lehrer trotz der ihm bewilligten Wahl zwischen Geldbuße und Verbannung die von seinen Anklägern geforderte Todesstrafe für sich bestimmt, und zwar mit der Bemerkung, er hätte ebenso gut eine Belohnung verdient.83 Diese Sokratische Ironie, die Verquickung von Ironie und Ernst bis zur Ununterscheidbarkeit, sogar in der Stunde äußerster Tragik, wird zu einem Ausdruck der unbeugsamen Erhabenheit der Subjektivität über jede äußerliche, objektiv gültige Sanktionierung. In der Anerkennung des Urteils und in der Selbstzumessung der höchsten Strafe unterwirft Sokra­ tes sich der alten Ordnung – zugleich zeigt er an, dass sie und ihre Gesetze unberechtigt und unwahr sind. Denn in seinem Schicksal prallen quasi zwei jeweils berechtigte Rechtsordnungen aufeinander, und zwar je nach historischem Standpunkt ihrer Beurteilung: das alte Modell der Polis-Sittlichkeit, das Sokrates verurteilt, und das neue, fortschrittlich-neuzeitliche Modell der Moralität. Aus diesem Grunde kann Hegel auch sagen: »Das Schicksal des Sokrates ist das der höchsten Tragödie.«84 Denn die Kollision sittlicher Machtsphären ist – wie zum Tragischen bei Hegel dargestellt – der Wesenskern der Dramenform. Mit dieser Rückkehr zu Fragen der Ästhetik kann der Exkurs zum Sokra­ tischen Prinzip wieder an die Komödienbestimmungen anknüpfen: Wie sich im Naturrechtsaufsatz herauskristallisierte, ist die Tragödie ja nicht die einzige Gattung, in welcher diese ästhetisch gemachte Sittlichkeit verhandelt 79 

V 12, S. 382. Vgl. Böhme (2002), S. 169 f. 81  V 12, S. 382 f. 82  Vgl. im Folgenden Schulte (1992), S. 12 f., 225 f., 240 ff.; Böhme (2002), S. 172 f. 83  Vgl. Platon: Apologie des Sokrates, 36a ff. 84  V 12, S. 382. 80 

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wird. Die komische Ironie des Sokrates im Zusammenhang des Gerichtsverfahrens anerkennt einerseits das alte Recht der vormaligen Ordnung und erhebt sich andererseits in der ironischen Negation eines distanzierenden Lächelns über sie, um sich als die höhere Wahrheit zu offenbaren. Insofern taugt Sokrates sowohl zur tragischen als auch zur komischen Figur, deren Unterscheidung eine Frage des antiken Darstellungsmodus ist. Demnach ist es von Bedeutung, dass die Komödie ein Genre ist, in welchem sich die Figuren in ihrer ironisch-heiteren Brechung behaupten und durchsetzen können und nicht wie Sokrates den Tod im Namen der allgemeinen Macht des Göttlichen und Sittlichen sterben müssen. Die Komödie wird darum gerade nicht zufällig zum Reflex des Prinzips Sokrates in der Kunst, aus welcher sein Schicksal allerdings getilgt ist. Hegel meint in den Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte: »Aristophanes hat aufs gründlichste gesehen, was im sokratischen Prinzip lag«85. Spricht Hegel nämlich von der antiken Komödie, hat er dabei allem anderen voran das Werk des Aristophanes vor Augen. Dieses Urteil ist zur Zeit Hegels keinesfalls selbstverständlich; vielmehr tun sich zwei Lager auf, bezüglich derer Hegel sich nicht dem schwankenden bis ablehnenden Urteile Schillers sowie des späten Goethe anschließt, sondern demjenigen Wielands und der Romantiker, die ihn für sondergleichen halten, ihm aber auch nicht frei von Kritik und Vorbehalten begegnen wollen.86 Obwohl er ihn in Fragen 85 

V 12, S. 383; vgl. zu Sokrates und Aristophanes auch Lauer (2009), S. 126 ff. – Erich Auerbach (1959), S. 266 ff. weist darauf hin, dass in der Neuzeit, etwa bei Rabelais, Montaigne u. a., Sokrates als schillernder Rhetoriker der vermischten Stile gewürdigt werde, nicht zuletzt um ihn zum Vorbild für ein neues Verhältnis zum Komischen und dem niederen Stile zu nehmen, und zwar als entschiedene Abkehr von der christlichen Auffassung. Denn Sokrates beherrschte das Spiel zwischen Witz und Ernst, Ironie und Wahrheit, hohem Intellekt und niederem Spott und Gelächter wie kein anderer; er war ein Denker, der in besonderem Maße auf die Kraft des volkstümlichen Stils verwies, der hinter Hässlichkeit und Lächerlichkeit göttliche Weisheit und vorbildliche Tugend verbarg. Daher vergleicht ihn Alkibiades im Symposion mit den Silenstatuen, die außen ungeschickt, grob und unscheinbar, ihrem Wesen nach aber kunstvolle Götterskulpturen seien. Vgl. Platon: Symposion, 215b ff. Diese äußerlich einfache, aber geistig tiefe Wesensart schafft den Ausgleich zwischen den Extremen; es ist der Ausgleich zwischen scharfem und kühlem Intellekt, nahezu übermenschlich, und der Simplizität des Volkstümlichen, das der vollendete Ausdruck des Menschlichen ist, die Schattierung zwischen Spaß und Ernst. 86  Schiller meint in Ueber naive und sentimentalische Dichtung trotz seines anerkennenden Lobes der Gattung Komödie, es zeige sich, wie sehr Aristophanes’ und Plautus’ Komödien »der Plattheit ausgesetzt« seien. Goethe, noch in jungen Jahren der Übersetzer der Vögel (1780), bezeichnet ihn späterhin – freilich nicht ohne Doppelbödigkeit – als einen »Hanswurst«. – Friedrich Schlegel hingegen entdeckt in Aristophanes’ Komödien die »göttliche« Ausbildung, und das heißt: die wahrhafte und vollendete Gestalt, der gesamten Gattung. Kein späterer Komödiendichter könne ihm das Wasser reichen. Gleichwohl

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der antiken Dichtung überaus schätzt, schließt sich Hegel in diesem Punkt gerade nicht Aristoteles an, der in der Nikomachischen Ethik gegenüber der ›alten Komödie‹ des Aristophanes die ›neue‹, beispielsweise eines Menander, vorzieht, weil sie weniger zotig und spöttisch, dafür weitaus doppelsinniger sei.87 Auf Menander bezieht sich Hegel wiederum an keiner Stelle.88 So zeigt sich, dass er die alte attische Komödie über die neue hellenistische stellt, gerade weil er am politischen Gehalt der Dichtung interessiert ist. Die deutlich entpolitisierte Komödie eines Menander dreht sich um die Gegenstände Ehe, Familienzwist oder Konflikt zwischen Jung und Alt, insgesamt also um private Themen ohne einen weiteren sittlichen Radius. Was ihn aber für Aristophanes so unvergleichlich einnimmt  – eine Begeisterung, die in diesem Maße weder die Klassiker noch die Romantiker teilen –, wird aus den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie deutlich: Aristoteles’ Auffassung einer spöttischen Komik entgegentretend verschafft er seiner Bewunderung für Aristophanes Ausdruck, der »ein gründlicher, tiefer Patriot, ein rechter athenischer Bürger« und gerade »kein seichter Spaßvogel« gewesen sei; die Komödie trete nicht als spöttisches Verderben sittlicher Ordnung auf, sondern sei »ein wesentliches Ingredienz in Athen«89. Als formvollendeter poetischer Ausdruck freien attischen Geistes spricht aus seinen Figuren die Selbstsicherheit eines Allgemeinen, das es nicht nur verkraften kann, Dichter wie Aischylos, Sophokles und Euripides zu persiflieren, sondern auch Politibemerkt er mit einem gerüttelt Maß an Moralisierung, ebenfalls in seinem Aufsatz Vom ästhetischen Werte der griechischen Komödie, »Rohigkeit« und »Verderbtheit«, die den öffentlichen Geschmack verbilden und entarten lassen, seien seine großen »Fehler«; zudem der Mangel an »dramatische[m] Zusammenhang und Einheit«. Die produktivste Anbindung von allen Komödien-Lesern der Zeit, die er insbesondere in seinem offenen Brief An Herrn H[einrich] V[oß] artikuliert, findet der Dichter Christoph Martin Wieland, der in seinem regen Interesse am politischen Gesicht des Komödienschreibers Aristophanes die Acharner, die Ritter, die Wolken und die Vögel übersetzt sowie in seiner Abhandlung Kurze Darstellung der innerlichen Verfassung und äusserlichen Lage von Athen in dem Zeitraum, worin Aristofanes seine noch vorhandenen Komödien auf die Schaubühne brachte (1794) eine breite und seine Aktualität unterstreichende, überaus aufschlussreiche Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Komödienpraxis und Staatsleben unternimmt. Vgl. hierzu Schiller: NA 20, S. 478 f.; Friedrich Schlegel: KA I, 1, S. 24 ff., 30; Wieland (1793), S. 421 ff.; vgl. hierzu auch Schmid/Stählin (1980), S. 464, 466; Holtermann (2004), S. 74 ff. – Madame de Staël erwähnt in ihrem Buch De l’Allemagne, dass in Fragen der Komödie sich zumindest die »nouvelle école littéraire, en Allemagne« überwiegend auf Aristophanes beziehe; vgl. de Staël (1813), S. 273. 87  Vgl. Aristoteles: Nikomachische Ethik, 1128a. 88  Auch in diesem Punkt folgt Hegel Goethe gerade nicht, welcher ausdrücklich den Komödien Menanders vor denjenigen des Aristophanes den Vorrang gibt und die er aus vollster Überzeugung als vollkommene Dichtung lobt. Vgl. Maaß (1912), S. 354 f. 89  V 7, S. 149.

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ker wie Perikles und Kleon zu verspotten.90 Dieser Gedanke aus der Philosophiegeschichte Hegels wiederholt somit nur, was in der Komödientheorie des Naturrechtsaufsatzes begründet wird, so dass Aristophanes als der vorzüg­ liche Dichter dieser Gattung erscheinen muss. Trotz dieses im Zentrum stehenden Aspekts der schönen und selbsterhaltenden Heiterkeit verleugnet Hegel an der Komödie jedoch nicht, was er mit der ›individualistischen Monstruosität‹ Sokrates und im Weiteren mit Hilfe der Wachstumsmetapher bezeichnet: Selbst in der aristophanischen Idealform der Komödie stecke bereits der Keim für gefährlicher werdende Auswüchse; die hier ästhetisch gemachte Sokratische Ironie sei der Samen der in Zukunft »aufkeimenden Individualisierungen«, mit welchen »die innre Lebendigkeit« des Staates »in ihre Extreme« ausschlage und in denen sie zwar »ihre Kraft«, in denen sie aber auch »die Nähe des Todes dieses Körpers«91 ankündige. Die Unabhängigkeit des in sich reflektierten Denkens von der objektiven Gültigkeit des Sittlichen als verwirklichtes Göttliches, eine Unabhängigkeit, welche sich die Subjektivität in der Komödie zu erringen droht, ist die Abenddämmerung der politischen Ordnung der schönen griechischen Polis.

6.  Von der Naturrechtskritik zum philosophischen Systementwurf Unter Berücksichtigung all dieser Ausführungen und Erläuterungen kann somit als Ergebnis festgehalten werde, dass die Form, die Hegel im Naturrechtsaufsatz als ›alte‹ oder ›göttliche Komödie‹ bezeichnet, mit der alten attischen Komödie identifiziert werden muss, d. h. mit der Komödie in der deutlichsten wird die Verspottung der antiken Tragödiendichter in den Fröschen gestaltet, worin sich Dionysos auf den Weg in den Hades macht, Euripides zurück in die Oberwelt zu bringen, weil in Athen keine passablen Dichter mehr wohnen. Im sich anschließenden Dichterwettstreit zwischen Aischylos und Euripides findet er aber greise Männer vor, die sich als selbstverliebte und überhebliche Gestrige entpuppen. – In den Acharnern wird Perikles als zornesblinder, brutaler und um des eigenen Vorteils willen Kriege führender Feldherr gezeichnet, der »Kriegsmanifeste« im »Trinkliedstyl« verfasst. Vgl. Aristophanes / Droysen (1881), I, S. 38. Die schärfste Kritik im Gewande der satirischen Anspielung trifft allerdings den Politiker und Kriegsherrn Kleon, den Aristophanes in Gestalt einer seiner Komödienfiguren in den Babyloniern als Sklaventreiber und Dema­ gogen verleumdet. Der reale Kleon versucht ihn daraufhin zweimal erfolglos, unter anderem wegen Volksbeleidigung, zu verklagen. Wenige Jahre später verspottet er Kleon erneut in seiner Komödie Die Ritter, in welcher er ihn in der Figur des Sklavenführers Paphlagon als einen vorlauten und listigen Volksverhetzer charakterisiert. Spott entlädt sich zudem an anderen Stellen auf Alkibiades, Demosthenes, Nikias oder die Demagogen. 91  GW 4, S. 460. 90  Am

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Spätphase der antiken Polis bis hin zu ihrem Niedergang. Es ist die Komödie einer Zeit des Zerfalls sowie der Herausbildung eines in die Staatsform der Polis nicht zu integrierenden neuen Verständnisses freier Individualität, das vor allem in Sokrates’ Lehre einen signifikanten Ausdruck findet. Schulte spricht diesbezüglich von einem realpolitisch »untragische[n] Zusammenspiel zwischen der sittlichen Organisation und Allgemeinheit auf der einen und der Entfaltung von Individualität und Subjektivität auf der anderen Seite«92. Untragisch ist dieser Gesellschaftszustand, weil der ehemals als Notwendigkeit erschienene Zusammenhang von Einzelheit und göttlichem Allgemeinen im Wegbrechen begriffen ist und in keinem Schicksalsakt zusammengefügt wird. Aristophanes belegt dabei eine Scharnierstelle. Seine Komödie hatte in der Polis eine öffentliche Funktion, die ihr – in dieser Form keineswegs selbstverständliche – Freiheiten erlaubte: So vor allem der publik gemachte Spott über Persönlichkeiten aus Politik und Kunst, aber auch über öffentliche Institutionen und historische Ereignisse. Ihr wurde die sprichwörtliche ›Narrenfreiheit‹ bewilligt, die – wie Hegel deutlich macht – keine staatszerstörerische Dimension, sondern eine bissig-patriotische hatte: das gemeinsame Verlachen von Missständen eines Gebildes, gerade weil dies aus patriotischer Liebe zu ihm geschieht. – Andererseits zeugt sie Hegel zufolge von einem Geist, der das Ende sowohl der Polis als auch dieser Form der Komödie bedeutet. So betont Hösle, Aristophanes sei ein dichtender Zeuge des Niedergangs der athenischen Religion gewesen, die über Jahrhunderte hinweg Kulminationspunkt der geistigen Bemühungen einer Hochkultur gewesen ist, und bemerkt dazu: »In Zeiten ideologischer Unsicherheit mag die Komödie zusammen mit den Philosophen die Aufgabe teilen, die grundlegenden Überzeugungen des Zeitalters in Frage zu stellen.«93 Im Naturrechtsaufsatz drückt sich damit dieselbe Ambivalenz innerhalb der Komödien-Deutung aus, die schon in den Fragmenten Jedes Volk… und Aber die Hauptmasse… aus der Tübinger und Berner Zeit begegnete – hier nun komplexer fortbestimmt: Im Spiel der machtvoll freigelassenen Individualität artikuliert sich der Ernst eines neuen Prinzips, das in der sittlichen Substanz bereits wirksam ist und in der Komödie bewusst gemacht wird. Zwar weiß auch Hegel, dass am Zusammenbruch Athens der erhebliche Machtverlust durch die Niederlage im Peloponnesischen Krieg und die sich anschließende Herrschaft der Dreißig beteiligt ist, er deutet diese Umstände jedoch eher als Befeuerungen eines weitaus wirksameren, modernen Selbstverhältnisses des Menschen, prototypisch vorgeführt in der Person Sokrates 92  93 

Schulte (1993), S. 214; vgl. ebd. auch im Folgenden. Hösle (2001), S. 118.

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und mit symbolischer Kraft aufgeladen; als Komödienfigur und »Repräsentant eines tieferen Konflikts und des beginnenden Zerfalls der Polis«94 lässt sein Prinzip der Individualität die Komödie selbst zur künstlerischen Erscheinungsform des Umbruchs werden. So hält sich die alte Komödie noch durchaus innerhalb der Grenzen der schönen Sittlichkeit, die von ihrer Gesamtanlage wie von den einzelnen Figuren als unzerstörbare Autorität sowie als Lebenshintergrund anerkannt wird, denn das politische Gemeinwesen wird von Hegel sogar selber als ›göttliche Komödie‹ beschrieben, die sich gegenüber den Behauptungen der Individualität selbstsicher bewahren könne.95 Als Spiel zwischen Göttern und Menschen zeigt sie auf, wie die in zufällige Partikularität ausartende Individualität innerhalb der absoluten Sittlichkeit spielerisch aushalten kann, ohne dass sie zu einer Gefahr wird.96 Daher kann nach dem Untergang dieses sittlichen Gebildes eine solche Komödienform keine Wesentlichkeit mehr erhalten; sie wird überwunden von dem, was Hegel ›neue Komödie‹ nennt; auf diese moderne Gestaltung wird in einem abschließenden Teil dieses Kapitels der vorliegenden Untersuchung, das sich mit Hegels Theorie der Komödie befasst, noch ausführlich zurückzukommen sein. Den verhältnismäßig oberflächlichen Bemerkungen des Naturrechtsaufsatzes zu Fragen übergeordneter geschichtsphilosophischer Entwicklungen, die auch die Gattungsästhetik betreffen würden, lässt sich nichts Näheres als das Angeführte abgewinnen, d. h. es lässt sich vor allem nicht mit Überzeugung angeben, wie Hegel die angedeutete Problematik der Komödie verstanden wissen will, die als Kehrseite der selbstsicheren Heiterkeit das Spiel in den Ernst politischer Labilität umschlagen lässt. Der Bogen zur Naturrechtskritik als Hauptgegenstand des Textes legt zumindest nahe, dass sich mit der Komödie ein moderner Geist der sich selbst bestärkenden Subjektivität ankündigt, den Hegel als Wiege auch des problematischen Subjektverständnisses seiner Gegenwart versteht, ein Ich, das sich in seiner Vereinzelung und Selbstbestimmung abriegelt. Mehr als diese Andeutungen gibt der Aufsatz nicht her, denn sein Demonstrationsanspruch besteht in einer Naturrechtskritik und keiner Kunst- oder allgemeinen Bewusstseins- bzw. Geistphilosophie. Die Komödie stellt lediglich einen anschaulichen Handlungszusammenhang bereit, in welchem sich die Heraufkunft eines zuvor unbekannten Prinzips widerspiegelt: das des in sich reflektierten Einzelmenschen in selbstsicherer Besonderheit. – Derlei Andeutungen sensibilisieren jedoch für Fra94 

Schulte (1993), S. 215. Vgl. GW 4, S. 460. 96  Vgl. Psychopedis (2002), S. 134. 95 

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gestellungen einer Komödientheorie, die in Hegels Werkgeschichte weiterhin ausbuchstabiert und vertieft werden. So verschiebt die Phänomenologie des Geistes den Akzent auf die Rolle, welche die Komödie in einer weit gespannten geschichtlichen Genese des Selbstbewusstseins des Geistes spielt. Zum Behufe dieser Genese, zu deren Partialgeschichten auch diejenige der Kunst gehört, als die Phase der Selbstvergewisserung des Geistes in Formen der schönen Sinnlichkeit bei den Griechen, benötigt Hegel einen stärker konturierten Kunstbegriff als denjenigen des Naturrechtsaufsatzes. Die Jenaer Systementwürfe I geben davon Kunde, dass sich Hegel während der Jahre 1803/04 mit systemphilosophisch motiviertem Interesse diesem Unternehmen eingehender widmet. Dass die Frage nach Grad und Umfang der in Jena sich vollziehenden Ausarbeitung ästhetischer Bestimmungen im Rahmen einer deutlicher Gestalt annehmenden Geistphilosophie nicht mit letzter Gewissheit beantwortet werden kann, demonstrieren beispielsweise die widerstreitenden Thesen Hans-Georg Gadamers und Otto Pöggelers: Während Gadamer reichlich bemüht ist nachzuweisen, Hegel habe erst in Heidelberg die markante und charakteristische Gestalt seiner Ästhetik entwickelt, zeigt Pöggeler, dass bereits in Jena, also etwa zehn Jahre zuvor, die entscheidenden Schritte dahin gegangen werden.97 – Aus den Systemskizzen in Jena ist unter anderem das sogenannte Fragment zum Ende des Systems überliefert, das mit den Worten »ist nur die Form« beginnt und in welchem Hegel nicht bloß auf die spekulationsphilosophische Durchdringung der Kunst allgemein, sondern auch auf die Komödie im Speziellen eingeht. Unter Integration verstreuter Gedanken der Jugendschriften legt er den geistigen Kern des aus der griechischen Antike entwickelten vollen Begriffs des Künstlerischen darauf fest, »allgemeines Werk« eines lebendigen Volkes zu sein, »in welchem [dessen Mitglieder] ihr absolutes Bewußtseyn als Gestalt anschauten, sich selbst eben so darin aufgehoben [wussten], als es ihr Werk ist, oder sie darin lebendig sind«98. Im Zusammenhang der Phänomenologie des Geistes wird zu sehen sein, dass Hegel den Gedanken, die Kunst als allgemeines Werk einer sittlichen Gemeinschaft zu begreifen, vor allem zur Grundbestimmung seiner Epostheorie übernimmt und fortführende Bestimmungen der Tragödie und Komödie darauf bezieht. Im Fragment zum Ende des Systems hingegen stellt Hegel den Mangel der schönen Harmonie dieses ästhetisch vermittelten Sittlichkeitsmodells heraus, wenn er betont, das »absolute Bewußtseyn« in dieser Kunst existiere »nur als Begriff«, habe »keine Gegenwart in dem einzelnen Bewußtseyn als solchen« und bleibe insofern ein »absolutes Jenseits, 97  98 

Vgl. Gadamer (1971), passim; Pöggeler (1986), passim. GW 6, S. 331.

Von der Naturrechtskritik zum philosophischen Systementwurf

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vor welchem das individuelle Bewußtseyn sich nur vernichten«99 könne. In diesem Textstück fällt insofern eine entschieden skeptische Haltung gegenüber den Möglichkeiten der Kunst ins Auge, dem vorgestellten Göttlichen, eben dem ›absoluten Bewußtseyn‹, einen adäquaten Ausdruck verleihen zu können. Walter Jaeschke führt zu diesem Moment des Systemfragments aus, Hegel weise damit, unter Rückgriff auf eine voraussetzungsreiche Eschatologiekritik, auf den notwendigen Abschluss des Systems in der philosophischen Spekulation hin, wenn nämlich die eingelöste Wahrheit einer höheren Einheit von einzelnem und absolutem Bewusstsein erreicht werde.100 Aus den lückenhaften und vielfach eher dunklen, hermetischen Zeilen Hegels kann zumindest mit einiger Sicherheit herausgelesen werden, dass es darauf ankomme, den »absoluten Selbstgenuss[]« des einzelnen Bewusstseins »aus der Realität in die er sich als Begriff versenkt hat«, in »die Form des Begriffes« zu erheben, wodurch er die wahre »Realität seiner Existenz« rekonstruiere und schließlich »absolute Allgemeinheit«101 werde. Interessanterweise vollzieht sich diese Erhebung aus den Beschränkungen des ästhetischen Scheins in die Wahrheit des Begriffs innerhalb der Kunst in der Form der Komödie, denn Hegel schreibt, das »Regen der Individualität vor disem absoluten Selbstgenusse ist daher kein Epos sondern eine Komödie«102. Das Bewusstsein muss einerseits notwendig aus der Form der bewusstlosen epischen Einheit mit dem Absoluten heraustreten und sich zu derjenigen sich selbst wissender Einzelheit erheben, andererseits in diesem Prozess aber erkennen, dass es im Zuge der Verinnerlichung die Verwirklichungsmöglichkeiten des Künstlerischen unhintergehbar übersteigt und überfordert. Zugleich legt Hegel unter Bezug auf eine Terminologie, die bereits im Naturrechtsaufsatz begegnete, fest, diese Komödie sei eine »göttliche Komödie«, d. h. die antike Komödie, die noch keinen romantisch vereinzelten, sich in Abenteurerei verlierenden Helden kennt und in welcher somit der Mensch an das Göttliche rückgebunden bleibt, so dass sein »Thun« sich »selbst unmittelbar zernichtet«103. Indem dieser Gestalt der Kunst, an der Schwelle von Kunst-Religion und Philosophie, auf Anschauung gegründeter Vorstellung und Begriff, bestätigt wird, nur ihr »Nichts« habe »absolute Gewißheit«104, so scheint damit erstmals in Jena eine Bestimmung auf, die für die fortlaufende Ausarbeitung des Komödienbegriffs Hegels eine zentrale  99 Ebd. 100 

Vgl. Jaeschke (1986), S. 190 f. GW 6, S. 331. 102 Ebd. 103 Ebd. 104 Ebd. 101 

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Komödie im Sittlichen – Ästhetik und Politik beim jungen Hegel

Bedeutung gewinnen wird: Gemeint ist die logische Kategorie der ›Negativität‹ als das wesentliche Prinzip der Komödie. Es wird deutlich, dass sich mit der Durchsetzung der sich durch künstlerische Praxis bewusst werdenden Individualität ein grundsätzlich negatives Moment behauptet, in welchem die vormaligen Gestalten des geistigen Selbstverhältnisses untergehen und bewahrt werden. Was Individualität hier konkret kontextuell bedeutet, kann an diesem Punkt der Untersuchung und an diesem besonderen Textfragment Hegels noch nicht befriedigend ausgeleuchtet werden; als entscheidender Fingerzeig auf das, was im Mittelpunkt der Komödientheorie in der Phänomenologie des Geistes als reifere Ausarbeitung der systematischen Überlegungen steht, soll aber quasi angedeutet als Vorstrukturierung der noch eingehender zu thematisierenden diskursiven Problemlage verstanden werden, dass sich in entsprechender Parallelität in dieser mittleren Phase in Jena die für die Ästhetik so bedeutsame spekulative Subjektivitätstheorie ausbildet.105 Hier vollzieht sich der entscheidende Schritt zum Denken einer absoluten Subjektivität, die in den Systementwürfen schon ›Geist‹ genannt und zur Grundlage einer Entwicklung fortschreitender Selbsterkenntnis genommen wird, die sich qua immanenter Negativität vollzieht. Für diesen Prozess einer Selbstverwirklichung absoluter Geistigkeit als negative Subjektivität erhält die Komödie immerhin auf einer qualitativ neuen Stufe dieses Prozesses die Rolle des Indikators für die Überwindung des bis an seine Grenzen getriebenen Bereichs des Ästhetischen. Auch wenn im Jenaer Fragment zum Ende des Systems dieser Gedanke nicht explizit ausgesprochen wird, klingt implizit an, dass die Komödie als letzte Form der im vollen Sinne schönen Kunst Negativität ist, durch welche die Gestaltungsvielfalt des Ästhetischen in der Verinnerlichung aufgehoben und andeutungsweise zur begrifflichen Existenz im philosophischen Gedanken getrieben wird. Dieser Aspekt wird im sich anschließenden Unterkapitel der vorliegenden Studie zur Phänomenologie des Geistes ausführlicher behandelt werden, denn Hegels Jenaer Überlegungen zu Beginn des 19. Jahrhunderts bilden zweifelsohne den Hintergrund der spekulativen Bewusstseinsgeschichte als Schlussakkord der werkgeschicht­ lichen Phase in Jena – auch hinsichtlich des Komödien-Kapitels.

105 

Vgl. Düsing (1981), S. 326 ff.

III.  MASKENSPIEL DER FREIEN BÜRGER – DIE KOMÖDIE IN DER PHÄNOMENOLOGIE DES GEISTES

1.  Der Weg des Bewusstseins In der Phänomenologie des Geistes findet die Komödientheorie ihren Ort im Religionskapitel.1 Legt man diesen Umstand als erste Bestimmung aus, ist auch die Komödie »der sich als Geist wissende Geist«2, genauer: der konkrete Geist als die in der Objektivität selbstverwirklichte Vernunft; der Geist, der sich am Ende des vorhergehenden Moralitätskapitels als Geist gewiss wurde und nun den Prozess beginnt, die Gewissheit seiner selbst als eigentlichen Inhalt zu entfalten. Mit der Religion hat der Geist das erreicht, über das er nicht mehr hinausreichen kann; er hat Wissen von sich erlangt und ist somit Bewusstsein seines Selbstbewusstseins geworden. Nicht dass der Geist als Bewusstsein sich in seinem Bewusstsein nicht schon gehabt hätte; er besaß allerdings auf der vorhergehenden Stufe des Geistkapitels noch kein Wissen von diesem Bewusstsein, hatte noch nicht seine letzte Wahrheit eines zu sich selbst gekommenen und selbst gewussten Reichtums des erscheinenden Wissens erreicht. – Ein weiterer entscheidender Aspekt des qualitativen Fortschreitens liegt darin, dass zuvor der spekulative Gang des Bewusstseins keine lineare Übereinstimmung mit dem Gang der Geschichte besessen hatte, denn diese Entwicklung brachte Momente hervor, die den historischen Verlauf immer wieder durchbrachen.3 Mit der Religion ist eine Stufe erklommen, auf welcher sich dieses ändert: Hier und im absoluten Wissen fasst der Geist, gerade weil er nun sich wissendes Selbstbewusstsein ist, alles bisher aufgeschlossene Wissen seiner einzelnen Gestaltungen des Bewusstseins zusammen und bringt es in die ihm historisch entsprechende Struktur; er vollzieht auf dieser Stufe seine gesamte Genese noch einmal.4 Daher ist die Geschichte des Geistes in der Phänomenologie im Prinzip identisch mit der Geschichte der Religion und des absoluten Wissens als umfassende Geschichte der einzelnen Formen geistiger Weltausdeutung, in welcher die Geschichten der Kunst und Wissenschaft, aber auch des Staates und des Rechts integriert sind. Abgeschlossen wird dieser geschichtsphilosophische 1 

Vgl. hierzu Jaeschke (1982), S. 169 f.; Maza (1998), S. 155 ff. GW 9, S. 363. 3  Vgl. im Folgenden Maza (1998), S. 158 ff.; vgl. auch Hoffmann (2009), S. 310 ff. 4  Vgl. GW 9, S. 366. 2 

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Maskenspiel der freien Bürger

Entwicklungsgang nur noch von der letzten, die volle Wahrheit der Philosophie ins Werk setzenden Bewusstseinsform des absoluten Wissens, die den geistigen Inhalt der Religion in den philosophischen Begriff transferiert und damit über sich aufklärt. Verschiebt man den Bezugspunkt dieses Großkapitels von der Religion auf die Kunst, die lediglich eine Vorstufe zur christlichen und damit vollendeten Religion bei Hegel ist, und versucht, die Entwicklung von dort aus zu betrachten, fällt auf, dass hier zumindest konzeptionell das dreistufige Modell einer spekulativen Genese der Schönheit gemäß der Adäquatheit von Endlichem und Unendlichem, das in der Differenzschrift angelegt ist, bestimmend wird. Daraus bildet Hegel in der Phänomenologie eine geschichtsphilosophische Untermauerung seiner bisherigen Studien zur antiken Kunst, die schließlich in die Systematik der drei Kunstformen führt, wie sie in den Berliner Vorlesungen über die Philosophie der Kunst gezeichnet wird: Der in doppelter Hinsicht Mittelpunkt dieses Aufbaus ist die antike Kunst der griechischen Sittlichkeit. Weil das Göttliche ganz sinnlich in schönen Werken der Architektur, Plastik und Dichtkunst angeschaut bzw. anschaulich vorgestellt wird, nennt Hegel diesen Kreis auch ›Kunst-Religion‹. Das lebendige, absolute Kunstwerk der Griechen, gerade weil es Mittelpunkt der ästhetischen Geschichtsphilosophie ist, besitzt ein geschichtliches Vorher und Nachher im Sinne einer Vorbereitung, in welcher der passende ästhetische Ausdruck für das Geistige noch gesucht wird, sowie im anderen Falle im Sinne eines Nachspiels, in welchem der Geist die Möglichkeiten des Ästhetischen bereits verlassen hat, um sich einen angemesseneren Ausdruck seines komplexer gedachten Begriffsinhalts in der Vorstellung und Innerlichkeit der christlichen Religion zu verschaffen. Am Übergang dieses harmonischen, griechischen Ideals zu seinem Nachspiel in einer nicht mehr notwendig auf die Kunst angewiesenen Epoche steht die Komödie, welche das Ende der Kunst im engeren Sinne markiert und ausspricht. Aus dieser systematischen Stellung ergeht die indirekte Forderung, zur Ausdeutung der Komödie innerhalb der Phänomenologie ihr Wesen nur unter Einbeziehung ihres geschichtsphilosophischen Kontextes bestimmen zu können. Im mittleren Unterkapitel der Religion setzt sich Hegel erneut mit der allgemeinen Geschichte des griechischen Geistes auseinander, dessen absoluter Inhalt noch ganz von Sinnlichkeit durchtränkt ist und der sich daher in Werken der Schönheit anschaulich seiner bewusst wird. ›Kunst-Religion‹ heißt die Gestalt bei Hegel, weil die griechische Religion ihre Inhalte und Vorstellungen in der Form ästhetischer, d. h. sinnlich anschaulicher Bildlichkeit, vermittelt. Doch diese adäquate Gestaltung absoluter Geistigkeit in ästhetischer Form hat die Kunst-Religion nicht einfach, sie ist vielmehr ihr Prozess. Nach

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dem ihm angemessenen künstlerischen Ausdruck sucht der Geist zunächst im abstrakten und lebendigen Kunstwerk über die Gestalten Tempel, Bildsäule, Hymnus und Kultus und vollendet sich in den im Mittel der Sprache veräußerten ›geistigen Kunstwerken‹. In diesem letzten Unterabschnitt tut sich der zu sich selbst kommende und in diesem Prozess sich über sich aufklärende, d. h. sich als Geist erkennende Geist im Epos, in der Tragödie und der Komödie kund. In allen drei Gattungen des geistigen Kunstwerks wird das Verhältnis von Einzelnem und Allgemeinem, Menschen und Göttern dargestellt, wie es mit zunehmender Tendenz an dieser Entzweiung zweifelt und schließlich ihre Versöhnung anstrebt, in welcher das Göttliche nicht mehr als das Andere und Äußerliche bestimmt werden kann. Begriffslogisch betrachtet steht zwischen diesen Polen von Allgemeinheit und Einzelheit der epische, tragische oder komische Held als Besonderheit und Mitte der Handlung. Im Unterschied zum Naturrechtsaufsatz und seiner starren Gegenüberstellung von Tragödie und Komödie kommt es Hegel in der Phänomenologie darauf an, beide Gestalten um eine dritte, das Epos, zu erweitern und die Formen als notwendig auseinander hervorgehende mit einem deutlichen Akzent auf ihren bewusstseinsgeschichtlichen Übergängen zu entwickeln.5 Dabei ist jede der drei Stufen der Kunst-Religion ein Moment der Gestaltung sich bewusst werdender, natürlicher Sittlichkeit und sich in ihr verortender Subjektivität; in seinen Werken bejaht und anerkennt der antike Künstler ihre Wahrheit, bis er schließlich an den Punkt der »absolute[n] Unruhe« und des »Vergehen[s] der Sittlichkeit«6 stößt. Hegel zeichnet anhand der Geschichte der antiken Gattungen einen Weg nach, der mit der unmittelbaren Entsprechung von Individuum und Gemeinschaft, Subjekt und Substanz beginnt, auf dem das freie Selbstbewusstsein aber sein natürliches Vertrauen verliert und zweifelt, weil es sein Selbst nicht frei im Sittlichen weiß, und der an seinem Ende in das Zerbrechen der schönen Sittlichkeit um den Preis einer Durchsetzung der Individualität des einzelnen, freien Menschen führt. Dieser Weg kann auch als der Weg des Geistes »aus der Form der Substanz in die des Subjects«, als Prozess der »Menschwerdung des göttlichen Wesens«7 beschrieben werden. Die Entwicklung einer solchen polytheistischen ›Kunst-Religion‹ über Höhepunkt und Niedergang deutet Hegel als fortschreitende »Entvölkerung des Himmels«8, die mit der Komödie als höchster Form abgeschlossen und 5 

Vgl. hierzu auch Schulte (1993), S. 220; Kraft (2011), S. 276 f. GW 9, S. 377. 7  Ebd., S. 400. 8  GW 9, S. 396. Vgl. zur ›Entvölkerung des Himmels‹ Schulte (1992), S. 254 ff.; Hamacher (2000), S. 132; Kraft (2011), S. 280 ff. 6 

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mit welcher im selben Moment etwas entscheidendes Neues geboren ist. Was Hegel darunter versteht, soll – sich nun anschließend – im Nachvollzug der Genese mit dem benannten, klar umrissenen Zielpunkt Komödie aufgearbeitet werden. Bei diesem Unternehmen einer Darstellung der ›Entvölkerung des Himmels‹ bildet der bereits im Naturrechtsaufsatz zentrale Begriff der ›Substanz‹ den Ausgangspunkt. In der Phänomenologie ist die Substanz ebenfalls die absolute Identität und das Ganze, welches in der griechischen Welt als die allgemeine Sittlichkeit der Polis erscheint. ›Sittlichkeit‹ ist die allgemeine Organisationsform, in welcher menschliches Zusammenleben geregelt ist; in höchster Weise im Staat.9 Dieses Allgemeine der Sittlichkeit erschöpft sich nicht im objektiv verwirklichten Lebenszusammenhang aller in ihr handelnden Mitglieder, diese Bürger schauen darüber hinaus ihre Allgemeinheit als umgreifenden Weltzusammenhang in den Göttern einer mythologisch und ästhetisch verfassten Religion an.10 ›Geist‹ im Verständnis der Phänomenologie ist zwar zunächst die zur sittlichen Welt verwirklichte Vernunft, das selbstentfaltete »Reich der Sittlichkeit«11, in welchem Gestalten eines Bewusstseins zu Gestalten einer Welt werden, zu einer objektiven Ordnung, doch schließlich gewinnt sie Unabhängigkeit von ihren Akteuren. Der Geist ist sich in dieser seiner Welt nicht fremd, sondern erkennt sie in den Formen der Religion und schließlich der Philosophie und Wissenschaft als eigenes Werk, so dass er sich ihre Ordnung und ihr Wesen als selbstgeschaffene Objektivität durchsichtig macht.12 Somit ist der Staat deshalb sittlich, weil seine Bürger ein »Selbstverständnis« von ihm besitzen, »dass er eine solche Gestalt des menschlichen Zusammenlebens ist, die ihren Grund in sich selber hat«13. Diesen allgemeinen Hintergrund seines Werks, zusammengeschlossen zur einen Substanz, stellen sie sich in einem mannigfachen Beziehungsgefüge mit der Götterwelt vor. Für den Bereich des politisch-sozialen Lebens umfasst eine solche Vorstellung des Göttlichen die Ausdifferenzierung des Substantiellen in gesellschaftliche Normen, sowohl festgeschriebene, juristisch verankerte Gesetze als auch deutlich über den Bereich des Rechts hinausweisende Verhaltenskonventionen und Lebensregeln, Pflichten und Tugenden. Diese zur selbstverständlichen Gewohnheit gewordene Lebensweise in einer sittlichen Gemeinschaft, die den Mitgliedern zur ›zweiten Natur‹ gereicht, zu einem Interaktionsverhältnis auf dem Felde des objektiven Geistes, wird in  9 

Vgl. Jaeschke (2010), S. 17. Vgl. Pinkard (2008), S. 545 f. 11  GW 9, S. 194. 12  Ebd., S. 238 f. 13  Jaeschke (2010), S. 17. 10 

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den Bewusstwerdungsformen des absoluten Geistes reflektiert, im Verständnis der umfassenden Kultur und kulturellen Leistung eines ganzen Volkes. Auch die Epen, Tragödien und Komödien sind als selbstreflexive Erscheinungsformen des mythologischen Vorstellungsbereichs der griechischen Götter samt ihrer Attribute und Taten unerlässlicher Bestandteil des Substanzbegriffs. Es ist eine Pointe der Hegelschen Philosophie, dass sich der als Vollkommenheit gedachte Schönheitsbegriff objektiv widerspiegelt in der Ganzheit dieses sittlichen Kontextes der griechischen Polis, die in ihrer Harmonie der aufeinander bezogenen Teile im Vollsinne ›schön‹ ist und daher auch harmonische Werke hervorbringt, die dem Begriff in höchster Weise gerecht werden. Für die sittliche Substanz der griechischen Polis ist es somit signifikant, dass es in ihr keine erkennbare Differenz zwischen Bewusstsein und Geist gibt, d. h. dass das einzelne Individuum in der praktisch tätigen und ästhetisch-religiös bewusst gemachten Veräußerung seines begrenzten Selbst notwendig und implizit die Totalität des objektiven Weltzustandes verwirklicht, es zugleich am Werk teilhat wie es dieses in seiner Artikulation repräsentiert.14 Der Zusammenhang mit der absoluten Sittlichkeit im Naturrechtsaufsatz ist somit nicht zu übersehen, und dennoch zeigt sich erst in der Phänomenologie, insbesondere im Religionskapitel, ein erfolgreiches Bemühen Hegels, dieser sich in sich selbst bewegenden Identität, dieser causa sui, eine dynamischere Ausgestaltung zu schenken, indem er nicht bloß wie im Naturrechtsaufsatz aus dem Absoluten eine verhältnismäßig starre Gegenüberstellung zweier verschiedener Gestaltungen sittlicher Wesentlichkeit entwickelt und wieder in diese zurücknimmt, sondern diesem Bewegungsprinzip des Sittlichen eine Geschichtsphilosophie unterlegt, welche die Tendenz zeigt, dass die Substanz aus sich heraustritt, sich zur Subjektivität entwickelt und in dieser Vereinzelung ihre vormalige objektive Ordnung aufgibt. Das Bewegungsgesetz des Substantiellen wird somit zu einer komplexen Genese ausgebaut, deren Zielpunkt in der antiken Welt die sich auflösenden verwirklichten Ordnungen in Politik, Göttervorstellungen in der Religion und ästhetischen Konzepte der Anschaulichkeit in der Kunst sind. Insofern stellt die Phänomenologie auch hinsichtlich der Dramentheorie eine Umdeutung des zuvor erarbeiteten eigenen Ansatzes dar: Tragödie und Komödie sind nicht mehr Bilder einseitig entweder schicksalhaft-versöhnter oder schicksalloser Sittlichkeit, sondern künstlerische Widerspiegelungen und Bewusstwerdungsformen einer substantiellen Welt im Zerfall, in welchem sich die Substanz geschichtlich erneuert. 14 

Vgl. Pinkard (2008), S. 547.

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2.  Poetische Zeiten, geschlossene Welt – Das Epos Im antiken Epos wird diese allgemeine Substanz als eine Welt der unmittelbaren Sittlichkeit dargestellt, in welcher sich das Gemeinwesen, das »Gesammtvolk« unter einem »Gesammthimmel«15, zwar schon zu einer in der Erinnerung des Sängers Einheit gewordenen Handlung, aber noch nicht zu einer einheitlichen objektiven Ordnung politischer Macht zusammengeschlossen hat.16 Idealtypisch zeigt Hegel dies an Homers Ilias. Aus dem Handeln der epischen Helden, wie demjenigen des Achilles, Agamemnon, Patroklos oder Hektor in ihrem heroischen Kampfesmut und den daraus hervorgehenden Verwicklungen, erwächst kein geordnetes sittliches Gebilde – das ist nicht der Zielpunkt des berichteten Geschehens –, sondern die treibende Unruhe des substantiellen Wesens, »wodurch seine Einfachheit getheilt und in die mannichfaltige Welt der natürlichen und sittlichen Kräffte aufgeschlossen ist«17. Substantiell bezogen ist diese Heterogenität der heroischen Tat nur auf den Kreis der Götter, die freie Allgemeinheit, das Absolute dieser Welt. Die Götterwelt ist es, die dahingehend Einheit stiftet. Allerdings wird diese Instanz von der Einzelheit des Sängers anthropomorph dargestellt, sowohl in Form einer »Beziehung des Göttlichen auf das Menschliche« als auch in derjenigen beider »Vermischung«, so dass auch diese »Einheit des Thuns inconsequent vertheilt«18 ist. Mit einem solchen epischen Grundverhältnis sind in der Konsequenz zwei Probleme verbunden: Erstens hat das Epos durch ein in viele Träger zerrissenes Handlungsmuster und einen Sänger, der sich hinter seiner Erzählung verbirgt und sich nicht als bewusstes Selbst der Handlung darstellt, keine wahre Besonderheit als Mitte der Gestaltung: Der Sänger »ist das in seinem Inhalte verschwindende Organ, nicht sein eignes Selbst gilt, sondern seine Muse, sein allgemeiner Gesang.«19 Die Kraft des substantiellen Tuns kann nicht wie unter einem Brennglas in einem Punkt konzentriert werden. Zwar ist es seine individuelle Vorstellungskraft, die Quelle allen Inhalts ist, doch dieser Quelle des Selbst ist er sich nicht bewusst, weil er als Selbstbewusstsein konsequent hinter sein Werk zurücktritt. So erscheint er als Selbstbe15 

GW 9, S. 389. Vgl. Scheier (1980), S. 566 ff.; Maza (1998), S. 178; vgl. zur Bedeutung des Sängers für die Geschlossenheit der Dichtung in Hegels Theorie des Epos, vor allem bezogen auf die Berliner Ästhetik-Vorlesungen, Clairmont (1994), S. 244 ff. 17  GW 9, S. 390. 18 Ebd. 19  GW 9, S. 390. Vgl. zum Aspekt der ›Mitte‹ des Epos Scheier (1980), S. 567 ff.; Schulte (1993), S. 225; Maza (1998), S. 179. 16 

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wusstsein einer Allgemeinheit, und zwar des ›Gesamtvolks‹, nicht aber seines eigenen Selbst, einer Individualität. – Das zweite, damit zusammenhängende Problem hingegen bezieht sich auf das Moment des Allgemeinen, d. h. auf die Götterwelt: Als absolute Verkörperungen menschlicher Attribute, Handlungen und Einrichtungen weisen die Göttergestalten den Mangel auf, in ihrer Menschenähnlichkeit nicht wahrhaft für das Prinzip des Absoluten gelten zu können, sondern in die Sphäre der endlichen Besonderheit überzutreten. Hegel bezeichnet diesen Rollentausch von Gott und Mensch, wenn er von der ›Vermischung der Extreme‹ schreibt. In ihr schließt sich der Götterkreis nicht zum ewigen Absoluten zusammen, sondern verliert sich in besonderen, endlichen Eigenschaften und Handlungen. Die Götter sind zwar »der Vergänglichkeit und fremder Gewalt enthoben«, jedoch »zugleich bestimmte Elemente, besondre Götter«, weshalb ihrem Handeln im Verhältnis zu den Menschen keine Notwendigkeit zukommen kann und ihr »Ernst« bloß »ein lächerlicher Ueberfluß«20 ist. Dieses Lächerliche ist, wie Stephan Kraft präg­ nant feststellt, ein »Handeln der Götter gegen ihre göttliche Natur«21 und somit ein Lachen aus dem Widerspruch oder dem Kontrast heraus. Wird die Zuschreibung ›lächerlich‹ an diesem Punkt als Stichwort aufgegriffen und in Bezug zu einer Passage aus Hegels Vorlesungen über die Philosophie der Kunst in der Textfassung der Freundesvereinsausgabe gesetzt, zeigt sich, dass im Epos schon auf die Komödie vorausgedeutet wird.22 Dort heißt es, dass »die lachende Seligkeit der olympischen Götter, ihr unbekümmerter Gleichmut«, wie es im Epos geschildert wird, schließlich in der Komödie »in die Menschen heimgekehrt und mit allem fertig ist«23. In der Berliner Ästhetik findet sich zugeschnitten auf solch eine Heimkehr eine Abgrenzung des ›Komischen‹ vom ›Lächerlichen‹, die in diesem Kontext von Interesse ist. Das ›Lächerliche‹, von dem Hegel angesichts der ›besonderen Götter‹ spricht, wird als ein spöttisches Verlachen bestimmt, als ein Lachen über etwas und damit als eine Erhebung des Lachenden über den komischen Gegenstand. Der Ernst der Götter ist partiell ›lächerlich‹, d. h. schon bei Homer wird ein 20 

GW 9, S. 390 f.; vgl. Maza (1998), S. 179. Kraft (2011), S. 279. 22  Vgl. TWA 15, S. 527 f. Dazu ist es von Interesse, dass Hegel bereits in seiner Gymnasialzeit, in seinem Exzerpt zu Christian Garves Versuch über Prüfung der Fähigkeiten von 1769, einige Ausführungen zum ›Lächerlichen‹ notiert und dieses in eine Beziehung zum Spott und zur Satire setzt, also einer Form des Komischen, in welcher Etwas von einem Anderen höhnisch verlacht wird und das Lachen somit kein Selbstverhältnis ist und keine Selbstbezüglichkeit gewinnt: Der wegen einer Lächerlichkeit Lachende ist in diesem Verhältnis »ein genauer Beobachter der Unschicklichkeiten in dem Betragen Anderer«. Vgl. GW 3, S. 142. 23  TWA 15, S. 554. 21 

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Widerspruch in der substantiellen Vorstellung vom Göttlichen geahnt, zwar noch nicht bewusst gemacht und zur Heimkehr bereit, aber immerhin dem höhnischen Verlachen ausgeliefert und somit noch harmonisch gelöst. – In den Vorlesungen über die Philosophie der Kunst wie auch in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie führt Hegel über »das Ironische« bei Homer und die griechische »Heiterkeit« aus: »Vulcan hinkt umher«, »Juno giebt der Aphrodite Backenschläge, Mars fällt um«24; auch Amor sei eine komische Figur, die »der Macht des Zeus, des Mars spottet«25. Dies sind resp. werden klassische Motive innerhalb der abendländischen Tradition künstlerischer Komik, in denen sich Spott über eine ungewollt komische Figur ergießt. Wenn Hegel aber im weiteren Verlauf der Phänomenologie schreibt, an der Darstellung der Götter gebe sich »eine komische Selbstvergessenheit ihrer ewigen Natur«26 zu erkennen, wird deutlich, dass sie selbst es sind, die sich verlachen; und damit wird die Definition des ›Komischen‹ in der besagten Passage der Ästhetik konkret gemacht: Es ist ein wesentliches Begriffsmoment des Komischen, das in der weiteren Erarbeitung dieses Begriffs innerhalb der vorliegenden Studie mehrfach wiederkehren wird, dass seine Wahrheit bei Hegel das selbstdistanzierte Lachen des komischen Individuums über sich ist. Hier zeigt es sich zum ersten Mal in einer konkreten Gestaltung. Denn es ist ja die Göttlichkeit selbst, die über sich lacht; wenn auch verteilt auf verschiedene Individuen des Olymps. Wenn Zeus in der Ilias in ein lautes Lachen ausbricht, weil er sich von seinem Thron herab den Streit der anderen Götter besieht27, dann ist diese Szene die Wiederholung eines Urbilds in der Entstehung des Götterhimmels, und zwar (1823), S. 500. Vgl. hierzu auch Homers Ilias, 1. Gesang, Vers 597 ff.: Der hässliche Schmiedegott Hephaistos, »der ringsberühmte Hinkende« (Vers 607), bei den Römern ›Vulkan‹ genannt, ist es leid, von allen Göttern wegen seiner widerwärtigen Erscheinung verstoßen oder bemitleidet zu werden; er beschließt, von nun an schön wie Ganymed zu werden und versucht, sich dementsprechend umzugestalten. Bei einem großen Mahl der Götter fliegt der Schwindel auf: »Der aber begann, den anderen Göttern rechtshin allen / Den süßen Nektar auszuschenken, aus dem Mischkrug schöpfend. / Und unauslöschliches Gelächter erhob sich unter den seligen Göttern, / Als sie sahen, wie Hephaistos durch das Haus hin keuchte.« Durch den Spott wird er in seine Schranken verwiesen und wiederholt ausgegrenzt. Zit. n. Homer / Schadewaldt (1975), S. 22. 25  TWA 18, S. 460 f. 26  GW 9, S. 391. 27 Homers Ilias, 21. Gesang, Vers 385 ff.: »Doch in die anderen Götter fiel Streit, schwer lastender / Schmerzlicher, und zwiefach wehte ihnen der Mut im Innern. / Und zusammen stießen sie mit großem Lärm, und es krachte die breite Erde, / Und rings trompetete der große Himmel. Und Zeus vernahm es, / Sitzend auf dem Olympos, und es lachte ihm sein Herz / Vor Freude, als er sah, wie die Götter im Streit zusammenkamen.« Zit n. Homer / Schadewaldt (1975), S. 360. 24  Hotho

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des Kampfes der Titanen. Mit diesem lachenden Ausgang, der dem Urbild grundsätzlich fremd ist, erscheint die Wiederholung als Farce, als eine göttliche Komödie. Der Ernst der Göttervorstellung, wohl am deutlichsten verkörpert in den erhabenen Titanen, wird vom Gott, der über andere Götter und damit auch über sich selber lacht, in Heiterkeit verkehrt und damit in der Widersprüchlichkeit seiner Natur bereits als substantiell fraglich und fragil gezeigt, zumindest seinem traditionellen Verständnis nach. Im leiblichen Lachen, einem Zug der Endlichkeit des Menschen, schimmert hindurch, dass in Wahrheit der Mensch der Stifter der Götterwelt ist. Dieses Herabziehen ins Endliche ist nur konsequent, entsteht doch aus der Verfasstheit des griechischen Polytheismus notwendig ein Paradoxon.28 Dieser Widerspruch muss im befreienden Lachen notwendig aufgehoben werden. So nimmt der Streit der Götter, bei Hegel als Resultat ihres besonderen menschlichen Handelns gegen ihre göttliche Natur des Allgemeinen, eine Form an, für die beide in der Berliner Ästhetik nach Hothos Edition voneinander abgegrenzte Termini der Komiktradition entscheidend sind: Die Göttlichkeit spielt hinsichtlich ihres substantiellen Ernstes ins unwesentliche Lächerliche hinüber, wenn sie allzu menschlich-endliche Züge an sich zu erkennen gibt; sie wird jedoch von den widersprüchlich Handelnden selbst für komisch befunden – sie lachen über sich – und dadurch in ein selbstbezügliches Komisches verwandelt, das sich als ein Selbstverlachen der eigenen Widersprüchlichkeit bezeugt. Auf diesem Wege wird der lächerliche Widerspruch auf die Ebene eines komischen ›Spiels‹ verschoben, welche die Ebene die Vollbegriffs des Komischen ist und auf die im Kontext der Komödie noch in ausführlichen Erörterungen zurückzukommen sein wird. Erinnernd soll an diesem späteren Punkt der Argumentation das komische Lachen der Götter weiter ausbestimmt werden. Indem der Sänger also den Selbstwiderspruch des Absoluten im göttlichen Lachen über die eigene Widersprüchlichkeit und damit den Begriff vom Absoluten als bloßen Schein seiner selbst undurchschaut entlarvt, erweist sich das Lachen als eine gleichmütige Selbstaufhebung der Göttlichkeit, ein selbstironisches Lachen über sich. So wenig der Sänger sich als Selbst entbirgt und zur Mitte der Gestaltung macht, i.e. die besagte erste Problematik des Epos, so wenig kann er die zweite Problematik einer menschlich, allzumenschlichen Götterwelt als das individuelle Werk einer Projektion seiner 28  Vgl.

hierzu auch Bachmaier (2005), S. 121 f. – Dass Hegel mit seiner Deutung der Homerischen Ironie tiefer ins geistige Wesen der antiken griechischen Welt vordringt als andere Ansätze, zeigt Voltaires Vorrede zur Nanine: Dass Homer in die Greuel und Schrecken der kriegerischen Haupthandlung auch komische oder tragikomische Szenen einmischt, deutet er als Auflockerung der dargestellten Tragik, die auf diese Weise dem Leser oder Hörer erträglicher werden. Vgl. Voltaire (1768), S. 3 ff.

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eigenen Endlichkeit in die Sphäre des Absoluten bloßlegen. Der Widerspruch sucht sich die distanzierte Selbstironie zur Ausdrucksform, in deren Lachen sich das Absolute errettet und zugleich beginnt aufzulösen. Dieser Schritt wird aber noch nicht konsequent vollzogen. Damit dieses Verlachen noch nicht zu einer Skepsis gegen das Göttliche überhaupt ausartet, muss im Epos ein wahres, ewiges Allgemeines installiert werden, das den lächerlichen Mangel der streitlustigen Vielgötterei aufhebt und Einheit stiftet. Wenn die Götter nicht mehr vom Ernst ihrer Erhabenheit gekrönt sind, sie vielmehr zu Narren einer ›göttlichen Komödie‹ werden, dann können sie nicht mehr das wahre Absolute als oberstes Prinzip der Notwendigkeit und Allmacht sein. Wenn ihnen aber keine Notwendigkeit mehr zukommt und es episch dennoch ein machtvolles Prinzip geben muss, in welchem der Heros seinen substantiellen Handlungsgrund findet, dann muss eine höhere Allgemeinheit eingesetzt werden, die diese Attribute auf sich übertragen lässt: So thront im Epos über den Menschen – und vor allem auch noch über den Göttern – das alles bestimmende, wahrhaft allgemeine Prinzip des absoluten Schicksals, weniger die Moiren als Spinnerinnen des persönlichen Lebensfadens als vielmehr die ›ανάγκη‹ als letzte Macht, gegen die auch die Götter nichts einzuwenden in der Lage sind – sogar Göttervater Zeus erstarrt in Ehrfurcht –, und das der Welt somit Sinn und diejenige Geschlossenheit gibt, die ihr die Götter nicht geben können.29 Mit diesem Prinzip markiert Hegel für die epische Welt, vornehmlich derjenigen der Ilias: ein wahres vereinzeltes Einzelnes gibt es nicht, kann es nicht geben; es erhält seine Wahrheit ausschließlich in der Rückbindung an das allgemeine Schicksal als Einheit des Begriffs in der griechischen Welt, und als ihr letzter Grund.

3.  Der Olymp beginnt sich zu entvölkern – Die Tragödie Die Geschlossenheit der epischen Welt bricht allerdings in der Tragödie auf. Wie im Naturrechtsaufsatz entzweit sich hier die Einheit in Momente; jedoch nicht in zwei Naturen des Göttlichen, von denen eine, die organische, die absolute Sittlichkeit bildet und die andere zur Unterordnung zwingt, sondern in zwei gleichberechtigte sittliche Mächte, die im Fortgang in rechtlichen Konflikt miteinander geraten.30 Im Unterschied setzt die Phänomenologie demnach auf die sittliche Gleichberechtigung von Einzelheit und Allgemeinheit. Dem Moment der Einzelheit nach wird der epische Sänger somit 29  30 

Vgl. Schulte (1993), S. 227; Maza (1998), S. 179. Vgl. im Folgenden zur Tragödientheorie Schulte (1992), S. 63 ff., 247 ff., 368 ff.

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zum tragischen Helden und rückt von der bloß sprachlichen Vermittlung in den Handlungsmittelpunkt des Kunstwerks, wo er im sittlichen Ganzen nach individueller Selbsterkenntnis und Anerkennung sucht. Mit dieser Verschiebung von den Taten eines Volkes zu denen eines Individuums verändert sich auch der Darstellungsmodus: Es findet quasi eine Verlagerung der einen semantischen Facette des doppeldeutigen Wortes ›Vorstellung‹ auf die andere statt – die Vorstellung als bloßes Produkt der epischen Einbildungskraft konkretisiert sich zu einer Vorstellung als Aufführung tatsächlicher Handlungen eines wirklichen und seiner bewussten Selbst auf der Bühne. Die Sprache des Sängers geht somit in den Inhalt ein; er löst sich in seinen Protagonisten auf; seine in Vorstellung vermittelnde Erzählung wird zu einem konkreten Sprechen und Handeln des Helden selbst, wodurch dem Inhalt der Charakter einer bloß ideellen Vorstellung genommen wird und worin sich das Selbstbewusstsein des direkt handelnden Helden manifestiert.31 Sein Handeln ist aus diesem Grunde ein selbstbewusstes Handeln, weil sich in ihm das Vermögen zeigt, das Recht des Handelns zu »wissen und zu sagen [zu] wissen«32. Dennoch – und das ist ein ganz entscheidender Punkt für Hegels Tragödientheo­ rie – ist dieses Handeln aber noch nicht selbständig, sondern abhängig von widerstreitenden absoluten Mächten, die als in die Tragödie verbannter Rest der epischen Götter verstanden werden können. Zugleich geht mit dieser Verbannung und Modifizierung ein Verlust der Heiterkeit und Selbstironie des epischen Götterkreises einher: Das Lachen der ›göttlichen Komödie‹ eines hinkenden Hephaistos wird im Ernst und in der Strenge von Konflikten im Sittlichen erstickt, die mit dem Gestus wesensschwerer Erhabenheit ausgetragen werden. Mit diesem Verhältnis höherer sittlicher Mächte greift Hegel auf das Geistkapitel der Phänomenologie zurück und wiederholt dabei den Darstellungsinhalt des Unterabschnitts Die sittliche Handlung auf der Ebene des Religionsbegriffs. Denn bereits zuvor, im Kapitel Die sittliche Welt. Das menschliche und göttliche Gesetz, der Mann und das Weib, präludierte Hegel unter engem Bezug auf die Antigone seine aus dem Naturrechtsaufsatz vertraute, aber nicht deckungsgleiche Tragödientheorie der widerstreitenden sittlichen Mächte, die sicherlich zu den in der Forschung über Hegels Ästhetik am ausführlichsten entfalteten Themenkreisen gehört.33 Hegel liefert dafür eine scharfsichtige Interpretation des Sophokleischen Werkes, stellt diese aber in den 31 

Vgl. Scheier (1980), S. 571 f. GW 9, S. 392; vgl. Maza (1998), S. 180. 33  Vgl. Schlunk (1936), S. 20 ff.; Marsch (1965), S. 188 ff.; Habermas (1967), passim; Lukács (1973), S. 618 ff.; Galle (1976), S. 16 ff.; Flashar (1983), S. 295 ff.; Düsing (1988); Schulte (1992); Schulte (1993); Menke (1996); Nowak-Juchacz (1999); Pöggeler (2004); 32 

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Horizont der allgemeinen Thematisierung tragischer Kollision, »in welcher sich in der europäischen Kulturtradition der Übergang von dem Modell einer archaischen Clangesellschaft, in der vor allem die Blutsverwandtschaft zählte, zu einem völlig anders strukturierten politischen Modell, in dem sich ein starkes Zentrum der staatlichen Macht herausgebildet hat, vollzogen hat«34. Hegel meint, dass das göttliche Gesetz der Titelfigur, das juristisch nicht einklagbare Recht der Institution Familie, das auf Solidarität des Blutes gegründet ist, notwendig in Kollision mit dem menschlichen Gesetz des Königs Kreon geraten muss, der das Recht des Staates und Gemeinwesens verkörpert, das dem Einzelnen als Bürger oder Privatrechtsperson Schutz gewährt. Hegel meint, die »Natur« beziehe jeweils eines der beiden Gesetze auf die Frau resp. auf den Mann und teile somit »das eine Geschlecht dem einen, das andere dem andern Gesetze«35 zu. In Die sittliche Handlung demonstriert Hegel an der Tragödie, dass auf einer Kulturstufe der Identifikation von Individuum und geistiger Ordnung, d. h. der Sittlichkeit von Familie und Stadtstaat, gerade wegen des unbedingten Gehorsams die beiden Gesetze in Streit miteinander treten müssen. Weil sie beide absolute Rechte sind, die allgemein genommen – in der Sphäre des Göttlichen – gleichberechtigt sind, entsteht ein zunächst unlösbarer Widerspruch, sobald sie ins Endliche sittlicher Verhältnisse der Menschen heruntergezogen werden. Als Handlungsgrundsätze Antigones und Kreons geraten diese absoluten Mächte in einseitige Vereinzelung, in welcher sie sich gegeneinander wenden. Antigone erkennt in Kreon nicht die Verwirklichung des menschlichen Gesetzes, sondern kann in ihm nur den Willkür- und Gewaltherrscher sehen; Kreon hingegen entdeckt in Antigone nicht das göttliche Gesetz, sondern bloß den terroristischen Ungehorsam. Wenn jedoch in der Phänomenologie, anders als zuvor im Naturrechtsaufsatz, die sittlichen Mächte als ›gleichberechtigt‹ angesehen werden, kann Antigone Hegel zufolge nicht bloß als Ungehorsame erscheinen; er sucht die Wurzel des Konflikts tiefer: Bereits Kreon verursacht den sittlichen Konflikt durch das Verhängen des Bestattungsverbots, durch die demonstrierte Härte des Staates verhindert er eine versöhnende Anerkennung der staatlichen Macht mit Antigones göttlichem Prinzip. Anerkennung ist dort unmöglich, wo dem Einzelnen nur die bedingungslose Unterwerfung unter das Gesetz bleibt. So wiederholt sich an diesen beiden Hauptfiguren der Konflikt der Dybel (2008); Rózsa (2008), passim; Olivier (2008), S. 57 ff.; Geisenhanslüke (2012), insb. S. 35 ff. 34  Dybel (2008), S. 177. 35  GW 9, S. 252.

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gegeneinander kämpfenden Brüder Antigones: Hinter Polyneikes steht das Prinzip der Kraft des Einzelnen, hinter Eteokles das menschliche Recht des Gemeinwesens.36 Nach antikem tragischem Bewusstsein offenbart sich diese Grundproblematik somit auf mehreren Ebenen als ein Konflikt von Wissen und Nicht-Wissen und damit als das Problem des mangelnden Selbstbewusstseins undurchschaut einseitiger Wirklichkeiten.37 In Antigone und Kreon sind sie in absoluten Gegensatz getreten, der nicht mehr vermittelbar ist. Da das Handeln in der jeweiligen göttlichen Macht vorgezeichnet ist, in der das Individuum immer weiß, was es zu tun hat, verstricken sich die irdisch Handelnden in Unrecht und unlösbare Schuld. In dieser Unlösbarkeit kann es keine Versöhnung mehr geben, weil für sich einer untergehen muss und an sich keiner untergehen darf. Es erhebt sich die Frage, wie ein Ausweg aus diesem Dilemma gefunden werden kann. Für Hegel wäre die Tragödie keine Tragödie, wenn sich dies nicht im Prozess der Handlung vollzöge.38 Luis Mariano de la Maza führt aus, dass mit der Tat beider Protagonisten der Antigone diese auch zur Erkenntnis des Verbrechens kommen.39 Erst im wechselseitigen Handlungszusammenhang erlangen die Figuren ein Wissen von der Einheit des Sittlichen und damit ein Wissen vom jeweils anderen Gesetz, wodurch sie sich zu dessen Anerkennung durchringen können. Beide müssen dazu ihrem natürlichen Gesetz untreu werden. Damit hat sich aber ebenso entschieden, dass keiner von beiden in seiner zu spät erkannten Schuld und einseitigen Besonderheit bestehen kann. Sie vernichten sich gegenseitig. An diesem Punkt ist es wieder das Schicksal, »die reine Krafft des Negativen«40, »die furchtbare unbekannte Nacht des Schicksals«41, das als wahre Allgemeinheit einschreitet: Als Macht des tragischen Untergangs vertilgt es die widerstreitenden Mächte gerade wegen ihrer Gleichberechtigung. Die Kollision gleichberechtigter Prinzipien findet nur im Tod der in Vereinzelung verrannten Individuen eine Aufhebung und Versöhnung, durch welche am Ende die Sittlichkeit als »die Wiederherstellung des ungeteilten Substantiellen«42 gerettet werden kann. In diesem Sinne ist die Tragödie anschauliche Vermittlung sittlichen Handelns und damit Orien­ tierung gebend. Hermann Schmitz unterstreicht diesen Doppelcharakter des Schicksals, zum einen als Leerheit und Gestaltlosigkeit in den Menschen das 36 

Vgl. Foster (1929), S. 49. Vgl. Scheier (1980), S. 574 f. 38  Vgl. Wiehl (1971), S. 146 f. 39  Vgl. Maza (1998), S. 140. 40  GW 9, S. 391. 41  Ebd., S. 363. 42  Galle (1976), S. 15. 37 

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Grauen vor einer sinnlos waltenden Macht des Weltgeschehens auszulösen, zum anderen in der sittlichen Zerrissenheit die fehlende, aber notwendige, aussöhnende Mitte zu sein.43 Das subjektive Begreifen der Notwendigkeit des Schicksals im letzten Moment des heldenhaften Todes entreißt es seinem feindlichen, blinden Charakter. – Doch in diesem die Sittlichkeit wiederherstellenden Schicksal gehen nicht bloß die widerstreitenden Mächte unter, sondern auch der griechische Polytheismus schreitet fort sich aufzulösen. Hegel schreibt im Religionskapitel: »Das Schicksal vollendet die Entvölkerung des Himmels – der gedankenlosen Vermischung der Individualität und des Wesens, – einer Vermischung, wodurch das Tun des Wesens als ein inkonsequentes, zufälliges, seiner unwürdiges erscheint; denn dem Wesen nur oberflächlich anhängend ist die Individualität die unwesentliche.«44 Der Götterhimmel Olymp als ›gedankenlose Vermischung‹ von individuellem Prinzip und göttlicher Wesentlichkeit war nicht in der Lage, Substanz und Wirklichkeit in Einheit zu bringen. Der zufälligen Vermischung von Gott und Held, die episch noch im Lachen der Götter harmonisch aufgefangen werden konnte, wird hier mit bitterem Ernst die Endlichkeit geopfert. Nur so kann eine Versöhnung im Absoluten hergestellt werden. Der Geist der Tragödie ist somit nicht in der Lage, das Absolute in seiner Wahrheit des wirklichen Selbstbewusstseins hervorgehen zu lassen. Weder Antigone noch Kreon können sich selbstbewusst in der sittlichen Tragödie behaupten, beide gehen sie unter, müssen sich dem Bestand absoluter, aber nunmehr wesenloser Macht des Göttlichen opfern, ohne dass sie einen individuellen Sieg davontragen. In diesem letzten Punkt der argumentativen Entwicklung liegt, angesichts der Bestimmungen des Tragödienbegriffs konkret benennbar, der signifikante Unterschied zur Komödie. Wie lässt er sich vor dem Hintergrund der Ausführungen zum tragischen Kernmoment deuten? Hegel macht es sich nicht so einfach wie etwa Goethe, der in seiner Nachlese zu Aristoteles’s Poetik das Wesen der Komödie in dem Satz »Niemand will sterben, Jedermann heiraten«45 äußerst knapp zusammenfasst. Dass Hegel einen komplexen und voraussetzungsreichen Komödienbegriff entwickelt, erfordert auch eine ausholende Deutung. Als Problematik der Epos- und Tragödientheorie sowie entscheidendes Ergebnis der bisherigen Bestimmungen konnte festgehalten werden, dass der Geist sein wahres Wesen noch nicht als Subjektivität, noch nicht als wirkliches Selbstbewusstsein, begreifen konnte. Diese bisher nur teilverwirklichte, als Vollendung noch ausstehende Leistung wird von 43 

Vgl. Schmitz (1957), S. 42 ff. GW 9, S. 396. 45  Goethe: SW 13,1, S. 341. 44 

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der Komödie eingelöst. Wie dies im Einzelnen vollzogen wird, demonstriert Hegel zunächst sehr anschaulich an der griechischen Maske: Die Tragödie verharrt trotz ihrer Versöhnung durch das Schicksal vom Standpunkt des Helden letztlich in der Entzweiung; der Held »zerfällt in seine Maske und in den Schauspieler, in die Person und in das wirkliche Selbst«46. Die Maske, im antiken Theater die ›persona‹, verkörpert einen der Charaktere der göttlichen Substanz, in der Tragödie fortbestimmt zur sittlichen Macht, die als höheres und daher zu befolgendes Gesetz im Helden wirksam ist. Doch diese Maske ist bewusstlos; ihr ist der Held untergeordnet, ohne dass er sich mit ihr verbunden weiß. Sein Selbst ist Maske und Macht zugeteilt, aber er erkennt im eigenen Handeln nicht das Göttliche, sondern nimmt es als ein Fremdes wahr. Das Selbstbewusstsein ist insofern noch nicht wirklich ›in ihm‹; es tritt bloß ›an ihm‹ in Erscheinung, nämlich an der Maske, hinter welcher er zurücktritt. Wenn das tragische Bewusstsein sich nicht als Selbstbewusstsein weiß und es demnach nicht in Einheit mit sich in Einheit mit dem Absoluten ist, dann erscheint dem Helden dieses Absolute als das ewige göttliche Schicksal, dem sein Selbst unverbunden gegenübersteht und in welchem es untergehen muss. Er ist kein ganzer Mensch, weil sein Selbst hinter der Maske verschwindet. Im weiteren Prozess der Kunst-Religion tritt das Subjekt der Komödie aber hinter dieser Maske hervor und wird zu einem ganzen Selbst und wirklichen Selbstbewusstsein. Hieran schließen sich die zentralen Kategorien der Komödientheorie an.

4.  Heimkehr der Götter ins menschliche Selbstbewusstsein – Gipfelpunkt Komödie Gegenüber dem Naturrechtsaufsatz und dessen eher starrer, weitgehend ahistorischer Bestimmung der Komödie als Ausdruck stabiler Sittlichkeit, die ihren substantiellen Ernst auch heiter wenden kann, entwickelt Hegel in der Phänomenologie eine abweichende und geschichtsphilosophisch verankerte Konzeption: Hier wird die Komödie stärker auf die Tragödie bezogen, indem sie stärker von ihr abgegrenzt wird. Statt einer fröhlichen Bejahung des Sittlichen ist sie in der Phänomenologie Ausdruck des sicheren Selbstbewusstseins der Individualität. Das Selbstbewusstsein hatte in der Phänomenologie ja bereits ein eigenes Großkapitel, wurde darin aber noch nicht wirklich, vielmehr bloß abstrakt und noch nicht geschichtlich behandelt, auch wenn bereits geschichtliche Implikationen angedeutet waren; im Kapitel über die Kunst-Re46 

GW 9, S. 397. Vgl. hierzu auch Schulte (1993), S. 240 f.; Hamacher (2000), S. 134 ff.

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ligion, in der Bewegung von Tragödie zu Komödie, verwirklicht es sich, und zwar in ästhetisch-religiöser Form auf dem Felde des wirklichen Geistes, der selbstentfaltete Sittlichkeit ist. Auf diesem Felde der Wirklichkeit macht er sich seine Wirklichkeit bewusst. In vollendeter Durchsetzung kommt der Geist somit lachend zu sich als Selbstbewusstsein. Es wird im Folgenden herauszuarbeiten sein, dass Hegel mit der Komödie die Subjektivität in der Kunst erstmals in vollem Umfang hervorbrechen sieht – ein Prozess, der sich in Epos und Tragödie lediglich angedeutet hatte. Diese rudimentäre Verwirklichung wird in der Komödie auf ihre Wahrheit gebracht. Im Naturrechtsaufsatz noch verhältnismäßig gleichwertig behandelt, macht die Phänomenologie die Tragödie zu einem Moment, einer bloß vorläufigen Durchsetzung, auf dem Wege der Selbstbewusstwerdung des Subjekts am Ende der griechischen Welt.47 Hegel spricht in der Berliner Ästhetik davon, die Komödie sei »von Haus aus« das, »womit die Tragödie schließt«48. Die Phänomenologie führt denselben Gedanken eher indirekt aus: Der Ausgangspunkt der Komödie ist der selbstbewusste und ohne einen wahren, d. h. todernsten Konflikt durchzogene Zustand am Ende der Tragödie.49 In diesem Punkt der Konfliktlosigkeit stimmen somit alle drei Komödientheorien überein. – Bereits die Tragödie erreichte an ihrem Schluss die Befreiung des Helden aus dem sittlichen Konflikt sowie seine Anerkennung durch das Schicksal; erst die Komödie allerdings kann diesen letzten Moment im Tode zu einem dauerhaften individueller Existenz werden lassen. Der Held wird der Sittlichkeit und dem höchsten göttlichen Schicksal nicht mehr geopfert, sondern kann sich über diese Mächte lachend erheben. Der Augenblick, in dem zuvor tragisch alles gipfelte, wird hier stillgestellt, wird zum Prinzip der gesamten Form gemacht. Den Untergang im Tode gibt es nicht mehr. Hieran zeigt sich, dass die zitierte Kurzdefinition Goethes ›Niemand will sterben, Jedermann heiraten‹ dennoch einen Witz mit tieferer Wahrheit besitzt, der andeutet, was Hegel weiter ausführt: Nämlich dass die Komödie ganz im Zeichen der Rettung des Individuums steht, ja dass sie im Unterschied zum Leiden und Tod der Tragödie vielmehr die leidenschaftliche Bejahung des Lebens ist. – Für den Chor und die Zuschauer bedeutet dies, sich nicht mehr in Furcht und Mitleid bzw. Jammern und Schaudern ergehen, nicht mehr in der Furcht vor den Göttern und der mitleidlosen Notwendigkeit des Schicksals verharren zu müssen. Sie sind in dieser Hinsicht nicht mehr vom heroisch selbstlosen und mutig furchtlosen Helden unterschieden, weil alle heiter befreit in das selbstbewusste 47 

Vgl. Kraft (2011), S. 276 f. Hotho (1823), S. 509. 49  Vgl. GW 9, S. 397. 48 

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Lachen der selbstsicher handelnden Subjektivität einstimmen.  – Dies ist allerdings nur ein singulärer Aspekt der Konfliktlosigkeit der Komödie: Nicht nur dass das komische Bewusstsein keine sittliche Kollision auszutragen hat, daher auch nicht einer Macht subsumiert ist und durch das Schicksal untergehen muss – das freie Selbstbewusstsein wird sich vor allem im Komischen der Komödie durch einen entscheidenden Aufklärungsprozess wirklich. Es verwirklicht sich im komischen Bewusstsein, indem dieses bewusst handelnd die Maske als bloß besondere Bestimmung einer unwesentlich gewordenen Göttlichkeit durchschaut. Sie ist ihm ein einseitiges Attribut, das es herunternimmt und sich dabei zu einem umfassenden Selbst zusammenschließt. Hegel meint, das »Selbstbewußtseyn der Helden muß aus seiner Maske hervor treten, und sich darstellen«50. Weil die Götter die bloße Form der Individualität besitzen, haben sie kein Selbst und sind nicht wirklich. In der Maske drückt sich dieses abstrakte Moment der Substanz aus. Wenn das komische Bewusstsein in seinem Wissen über die Stufe der tragischen Entzweiung hinaus ist und sein Selbst als das wirkliche Selbst ohne diese Abstraktionen erkennt, kann es sich in der Wirklichkeit der Maske nur noch gefangen fühlen und sie fallen lassen wollen. In der Tragödie war die Maske dem Helden noch wesentlich; dies brachte emblematisch zum Ausdruck, dass es noch nicht sein eigentliches Selbst war, das dort sprach, sondern der Schauspieler hinter ihr zurücktrat und durch sie bloß als ein allgemein sittlicher Charakter bestimmt war. Bestimmt, aber noch nicht selbstbestimmt, gesichtslos und daher überindividuell blieb er leblos, einer Bildsäule ähnlich, der ebenfalls die beseelte Mimik fehlt, ausgestattet mit einem Selbst, das der Allgemeinheit untergeordnet ist. Das komische Subjekt hingegen erkennt die Maske als einen Schein und, wie Hegel schreibt, »angethan mit dieser Maske spricht es die Ironie derselben aus«51. Es erhebt sich selbstsicher über die Vereinzelung und »spielt […] mit der Maske«, will sagen: kann sie abnehmen, um Individuum, sie wieder aufsetzen, um Person zu sein. Lachend bricht aus diesem im Spiel offenbar gewordenen Schein eines Ernstes die konkrete Individualität in ihrer »eignen Nacktheit und Gewöhnlichkeit«52 hervor. Mit diesem Gedanken kann die Argumentation wieder an das Epos und das in dessen Kontext behandelte ›Lachen der Götter‹ anknüpfen: Der epische Sänger wählte für die Darstellung des Widerspruchs zwischen ewiger Allgemeinheit des Absoluten und endlicher Besonderheit der Handlungen der Götter die für Hegel zutiefst menschliche Gefühlsregung des heiteren 50 Ebd. 51 Ebd. 52 

Ebd., S. 398.

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Lachens, demnach ein ganz und gar ungöttliches Verhalten. In der Komödie wird dieses Lachen über sich aufgeklärt, als eine Projektion des Menschenattributs in die Götterwelt, das im Lachen des komischen Subjekts zu sich selber kommt. Wenn Hegel – wie bereits zitiert – in der Berliner Ästhetik davon spricht, dass »die lachende Seligkeit der olympischen Götter« in der Komödie »in die Menschen heimgekehrt und mit allem fertig ist«53, erblickt er die wahre Heimat des Lachens in der menschlichen Komödie. An der Formulierung des ›Heim-Kehrens‹ zeigt sich zudem, dass bereits das Lachen der Götter ein Lachen des Menschen in seiner unbefangenen Sicherheit der Subjektivität gewesen ist, allerdings ohne dass es sich als ein solches bereits wusste. Es war noch nicht Bewusstsein seines Selbstbewusstseins. Der epische Sänger hatte seine Menschlichkeit als Form für die Darstellung des Göttlichen genommen, die Götter also nach seinem Abbild geschaffen, weshalb sein Werk in dieser Gestaltung, in dieser Ungöttlichkeit des Göttlichen notwendig über das Lachen hinaus komisch werden musste. In der Komödie klärt es sich über sich auf; hier wird es zu einem Ausdruck des sich zu sich selbst befreienden, bewussten Selbstbewusstseins, zu einem selbstbewussten Lachen der freien Subjektivität des Menschen, der sich als das Göttliche weiß. Gegenüber dem tragischen überwindet das komische Subjekt dabei die Kollision mit der göttlichen Übermacht durch seine selbstzufriedene Heiterkeit. Hegel spricht in diesem Zusammenhang von einer »sich wiederauflösenden Ironie«, worin der Widerspruch des Endlichen erscheint als »der Gegensatz, mit welchem es nicht zu letztlichem Ernste kommt«54. Daher entsteht hier eine interessante und für Hegels Religionskapitel nicht unwesentliche Parallele zu Goethes Faust, in dem Mephistopheles im Prolog im Himmel vor Gott tritt und zu ihm sagt: »Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen / Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt; / Mein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen, / Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.«55 Auf das antike Lachen der Götter, das Hegel als sich aufklärende Spannung zwischen Epos und Komödie interpretiert, spielt Goethe an, wenn er es seinem Untergang im Christentum nach indirekt bezeigt: Der christliche Gott lacht nicht mehr, denn er muss keinen griechischen Widerspruch zwischen der eigenen Endlichkeit und Unendlichkeit verlachen; er ist Transzendenz, die sich wegen ihrer unendlichen Fülle und Allmacht sogar dazu befreien kann, in ihrem Sohn menschlich zu werden. In der Fleischwerdung Gottes und im Kreuzgeschehen wird die Transzendenz in ihr größt53 

TWA 15, S. 554. Ebd., S. 540. 55  Dies sind die Verse 275 ff. aus Faust I in: Goethe: SW 6,1, S. 542. 54 

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mögliches Gegenteil verkehrt, die Endlichkeit Gottes schließlich aber wieder in der Himmelfahrt Christi transzendiert.56 Für diesen Vorgang muss der Gott nicht lachen; ja er verbietet es sich sogar, dies zu tun. – Aus diesen Gründen ist Hegel bemüht, die Komödie nicht nur als das Ende der Kunst, sondern auch als das Ende der Religion in der Gestalt der griechischen Mythologie herauszustellen: Im Lachen des komischen Subjekts gehen die Götter unter. In der Phänomenologie besteht die Wahrheit der Kunst-Religion am Ende darin, um den Tod Gottes zu wissen, und zwar in enger Verbindung mit dem komischen Bewusstsein.57 Im Übergang von der Tragödie zur Komödie wird der Mensch zu Gott – und bleibt dabei dennoch und ebensowohl ganz Mensch. So gibt das Selbst sich in diesem leiblichen Lachen über die Ironie der Maske als konkreter Mensch, als der Schauspieler, zu erkennen. Das Lachen ist ihm Ausdruck eines Wohlseins über die Befreiung vom unwahren Ernst. Im Spiel mit der Maske ist das Selbst ein ganzes Selbst, denn auch das ernstlose Spiel der Götter kehrt hiermit ins Menschliche zurück; in ihm weiß es sich als göttliches Selbst, das Spiel als ›göttliche Komödie‹. Hegel meint später in Berlin im Vorlesungssaal, die einfachen komischen Helden seien »Menschen, die einmal sind, wie sie eben sind, nicht anders sein können und wollen«58 – und diese Redeweise erweist sich als schlüssig; denn im Zustand selbstzufriedenen Wohlbefindens gibt es keinen Grund, anders werden zu wollen. Der gewöhnliche Mensch, der sich von der Maske befreit, wird zum Prinzip der Komödie überhaupt, und mit ihr zum Prinzip einer geschichtlichen Stufe der Bewusstseinsgenese, auf welcher sich das einzelne Subjekt – vormals die Einzelheit des epischen Sängers oder tragischen Helden – zur wahren Allgemeinheit und Wirklichkeit inthronisiert. Denn dass die freie Subjektivität nicht bloß im komischen Subjekt als Rolle und Schauspieler realisiert ist, sondern auch in einer ganzen Gemeinde von Zuschauern, erhellt sich aus den oben angeführten Argumenten. Wenn Hegel nämlich angibt, das »eigentliche[] Selbst« des Schauspielers zeige sich »von dem Zuschauer, nicht unterschieden«59, ist damit gesagt, dass es hinsichtlich des Status freier Subjektivität keine Differenz mehr zwischen den Handelnden auf der Bühne, dem Publikum und überhaupt dem Chor als dem passiven Element des einfachen Volkes gibt. Damit ist dann aber ebenso ausgesagt, dass das eigentliche Selbst der Komödie sowohl das des Schauspielers als auch das des Zuschauers ist, zwischen denen sich nicht mehr unterscheiden lässt. Dieses identische 56 

Vgl. Bachmaier (2005), S. 123. Vgl. GW 9, S. 401; vgl. Schneider (1998a), S. 329. 58  TWA 15, S. 553. 59  GW 9, S. 398. 57 

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Selbst bildet die Mitte des geistigen Kunstwerks; es ist seine Wahrheit, die in Epos und Tragödie vergeblich gesucht wurde. Wenn an diesem Punkt der Auseinandersetzung mit der Komödie als Kunst-Religion eine allgemeinere Perspektive eingenommen wird, lässt sich feststellen, dass es zu den wesentlichen Voraussetzungen der poetischen Formen Epos, Tragödie und Komödie gehört, in denen sich die bewusstseinsgeschichtliche Entwicklung der Hochantike innerhalb der Phänomenologie widerspiegelt, in ihnen den Austrag einer grundsätzlichen Spannung des Kunstreligiösen zu erkennen – nämlich die, wie Terry Pinkard es ausdrückt, »Spannung zwischen der Versunkenheit der Menschen in ihre eigene Lebensform […] und der Forderung, aus dieser Versunkenheit herauszutreten und einen Standpunkt der ›allgemeinen Menschlichkeit‹ einzunehmen«60. Dieses Menschliche ist die neue Göttlichkeit und der neue substantielle Inhalt, welcher sich nach der vollzogenen ›Entvölkerung des Himmels‹ ästhetisch und bewusstseinsgeschichtlich etabliert. Im Zusammenhang des göttlichen Lachens ist gezeigt worden, dass es im Epos der Olymp ist, der als Versammlung eher abstrakter Verkörperungen des allgemein Menschlichen auftritt – seine edlen Bewohner stellen das göttliche und somit für den Erdenbürger nie vollständig einholbare Ideal der absolut freien Menschlichkeit dar, an dem besondere, ebenso edle menschliche Charaktere nie vollbewusst teilhaben. Die menschlichen Helden in den Epen Homers handeln zwar weitgehend in ungeschiedener Übereinstimmung mit den göttlichen Mächten, sie sind die selbstbestimmten Akteure der göttlichen Macht, doch aus ihrer performativen Abhängigkeit, mit welcher auch eine Bewusstseinsohnmacht einhergeht, können sie sich nicht lösen. Das bedeutet im Kontext der von Hegel akzentuierten Identität von Allgemeinem und Einzelnem, die in der antiken griechischen Welt herrsche, dass die allein aus dem Antrieb der Leidenschaften und Interessen motivierte Handlung des Helden mit Notwendigkeit ein allgemeines und notwendig überindividuelles Schicksal verwirklicht. Gerade weil die Notwendigkeit des Schicksals außerhalb des Kreises seiner Selbstbewusstwerdung liegt und er in seine individuellen Handlungsmotive leidenschaftlich versunken ist, kann er das, was Pinkard ›allgemeine Menschlichkeit‹ nennt, selbstagierend und selbstproduzierend umsetzen.61 Was man sich allerdings unter dieser Rede vom ›Menschlichen‹ genauer vorzustellen hat, dazu schweigt er – und es ist angesichts des KunstreligionsKapitels Hegels generell nebulös, wie dieser Gesichtspunkt, der unter dem großen und bedeutungsstarken Begriff der ›Subjektivität‹ firmiert, definito60  61 

Pinkard (2008), S. 554. Vgl. ebd., S. 555.

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risch gefasst werden muss. – Was ist also diese selbstbestimmte Subjektivität und die allgemeine Menschlichkeit, zu denen die Komödie sich als ihre große bewusstseinsgeschichtliche Leistung befreit? Signifikant für die Beantwortung dieser Kernfrage ist der Umstand, dass Hegel mit der Tragödie die im Epos noch verhältnismäßig bruchlose Übereinstimmung von handelndem Willen und göttlichem Schicksal aufgesprengt sieht: Der Held verliert seine handelnde Harmonie mit den Göttern, erfährt eine innere Zerrissenheit, die ihm durch die Kollision mit einer konkurrierenden sittlichen Macht aufscheint, welcher wegen der Gleichberechtigung einseitiger Mächte aber kein Allmachtsstatus mehr zukommen kann, und geht an diesem in sich reflektierten und widersprüchlichen Substantiellen schließlich unter. In der Komödie ist es der konsequente Bezug auf die eigene Menschlichkeit als Kraft der freien, selbstbestimmten Subjektivität, der, ohne dabei auf die Götterwelt angewiesen zu sein, einen Ausweg aus dem tragischen Schicksalszusammenhang bereitstellt. Dies bedeutet zugleich immer ein Befangensein in der Ohnmacht. Das Wesen des menschlichen Selbst in einer objektiven, höheren Macht zu sehen, ist dieser Bewusstseinsgestalt nicht mehr geist- und zeitgemäß. Es kann ihr in abstrakter Allgemeinheit keine metaphysische Autorität mehr gelten, welcher individuelles Schicksal, Handeln und Denkinhalt einbeschrieben sind. Dieses Bewusstsein freier Subjektivität findet sich in sich selbst begründet und erlebt sich erst in seiner Selbstbestimmung vollkommen mit sich versöhnt. Wie Dieter Henrich hervorhebt, ist der Held der Komödie »eine in sich befriedigte Subjektivität, eine ›Wohligkeit des Gemüts‹, die sich nur darin realisiert und ausdrückt, daß sie sich über alles Mißlingen und Verfehlen auch im Leben der komischen Figuren selber erhebt«62. Dieses Gemüt ist eine Subjektivität, die sich selber – darin den Göttern gleich – grenzenlos wird, indem sie sich in vollkommener Heiterkeit und Vergnüglichkeit erlebt und den Niedergang der Göttlichkeit ohne Schaden und ohne Trauer verkraftet. Daher kann Joachim Ritter sagen, wo Hegel »von der ›Subjektivität‹ spricht, da geht es ihm nicht um die äußeren Verhältnisse, um die Umstände und die Welt, darin das Individuum lebt, sondern um sein ›Beisichselbstsein‹ in seiner ›Innerlichkeit‹ und um sein inneres Leben, in dem er in Gefühlen und Gedanken […] in der Welt lebt, die sein Leben ausmacht.«63 Geschichtsphilosophisch belegt die Komödie damit einen neuralgischen Punkt, an dem ein qualitativer Umschlag sich vollzieht: Wenn religiöses Bewusstsein  – und was soll die Komödie in der Phänomenologie anderes sein  – »nach Hegel stets eine Weise konkreten Frei­ 62  63 

Henrich (2003b), S. 84. Ritter (1974a), S. 11.

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heitsbewußtseins«64 ist, die Geschichte der Religion also immer auch Ge­schichte der Freiheit, muss auch die Komödie als eine Form der KunstReligion ihre Funktion innerhalb dieses geschichtlichen Prozesses besitzen. Es muss sich zeigen, dass am Ende der griechischen Welt das Bewusstsein seine vormalige Ohnmacht gegenüber dem äußerlichen, es an ihm teilhabend leitenden Absoluten als einen Irrtum entdeckt und sich zu einem Selbstbewusstsein in Freiheit emporschwingt. In der Komödie streift das Bewusstsein die letzten nur unmittelbaren Gewissheiten ab und vertieft sich in sich selbst, um aus dieser Wesentlichkeit der Subjektivität sich zum eigenen Wissen zu bringen, seine Freiheit nicht in höheren Mächten, einem allem einbeschriebenen Schicksal oder abstrakten Absoluten zu besitzen, sondern in der Selbstbestimmung als zur Sphäre der Wirklichkeit ausgelegt zu finden. Für den politischen Bereich bedeutet dies, dass der Freiheitsbegriff der Polis, dass bloß »Einige frey sind, nicht der Mensch als solcher«, vor allem nicht die »Sclaven«65, wie Hegel in den Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte pointiert herausstellt, hier auf den Vollbegriff des ›Menschen‹, auf – niemanden ausschließend – alle Menschen in ihrer freien Selbstbestimmung ausgeweitet wird. Geschichtlich markiert der Geist, der sich in der Komödie entwickelt, den auf das im Rahmen des Naturrechtsaufsatzes behandelte Prinzip Sokrates und die Polis bezogenen Anfangspunkt einer Herausbildung der Auffassung von Freiheit, die sich über die römische Welt und das Christentum bis zur Französischen Revolution zur Wirklichkeit des Staats- und Rechtsprinzip zunehmend reicher bestimmt herausbildet. Es ist vorrangig die Phänomenologie, in welcher Hegel diesen gewaltigen, kulturgeschichtlichen Bogen schlägt. Dieses sich fortan verwirklichende Bewusstsein, »daß Alle Menschen an sich frey [sind], der Mensch als Mensch frey ist«66 und darin sein unendlicher Wert und sein unendliches Recht ausgesprochen ist, ›keimt‹ – um mit dem Naturrechtsaufsatz zu sprechen – in der Komödie erstmals in dieser unverstellten Deutlichkeit ›auf‹. Es kann somit als ein Hauptmoment der Komödientheorie Hegels und soll als vorläufiges Darstellungsergebnis der vorliegenden Untersuchung festgehalten werden, dass die Komödie die in Wahrheit verkehrte Tragödie ist, in welcher das Selbst nicht mehr dem abstrakten Charakter untergeordnet, sondern zu Wirklichkeit, selbstbewusster Selbständigkeit und siegreicher Subjektivität befreit ist, welche die höhere Macht der Götter für eine ›Täuschung‹ 64 

Hoffmann (2009), S. 318. 18, S. 152. – Vgl. zu diesem Aspekt der Freiheit des Einzelnen in der antiken Polis: Rötscher (1827), S. 109 ff. 66  GW 18, S. 154. 65  GW

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und sich selbst für das wahre Schicksal erklärt.67 Dadurch ist sie nicht mehr – wie die Tragödie  – sittliche Handlungsorientierung qua Identifikation mit einer äußeren göttlichen Macht; sie führt vielmehr ein Individuum vor, das die Maxime in sich und nicht über sich weiß. Im Kontext der Tragödie im Geistkapitel hatte Hegel darauf verwiesen, dass der Held durch das natürliche Gesetz, unter dem er steht und das er verwirklicht, weiß, was seine praktischen Pflichten als Tugenden sind, denn sie werden ihm von einem höheren Gesetz eingegeben68 – in der Komödie hingegen hat sich das Subjekt von diesem Gesetz losgemacht und kann sich viele Pflichten ersinnen. Die Komödie ist auf diese Weise das Erwachen der in sich reflektierten und aus ihrer Innerlichkeit selbst Gesetze gebenden Moralität. Innerhalb der Geschichtsphilosophie der Phänomenologie wird damit eine entscheidende Schwelle überschritten: In Erinnerung an das herausgearbeitete Prinzip Sokrates wird mit der Komödie am Ende der griechischen Kunst-Religion für Hegel die bereits moderne Züge tragende Subjektivität überhaupt erst geboren. Unter dieser ›Subjektivität‹ soll hier vor allem das Prinzip eines Wesens verstanden werden, das im Bezug auf Anderes einen Selbstbezug vollzieht, im Bewusstwerdungsprozess der absoluten Substanz sich selbst bewusst wird.69 Nachdem das Selbstbewusstsein sich das Göttliche in Epos und Tragödie als »das Allgemeine und Positive gegen das einzelne Selbst der Sterblichen«70 vorgestellt hat – die Betonung liege auf ›gegen‹ –, weiß es sich nun als das Schicksal der Götter und damit als Allgemeinheit. Dieses Schicksal ist nicht leer wie die alte ›ανάγκη‹, sondern in sich reflektiert, sich unendlich unterscheidend und damit die moderne Subjektivität. Die Komödie ist in diesem Sinne der Grenzstein zwischen zwei von Hegel geschichtsphilosophisch unterschiedenen Individualitätstypen. Wie Erzsébet Rózsa zur Antigone-Deutung Hegels herausarbeitet, grenze er eine mit der Substanz in Identität stehende Konzeption von Individualität, die ihre Wirklichkeit in der absoluten Sittlichkeit finde, von einer modernen Form von Subjektivität ab, die sich vereinzele, ihre Handlungsbestimmung aus sich selber entwickele und insofern nicht mehr an substantiellen Inhalten orientiert sei.71 Rózsa unterschlägt allerdings, dass über das alte Modell der Tragödie hinaus dieser Übergang zum neuen Selbst als Komödie vollzieht. Die Helden der Tragödie stehen mit einem Fuß noch fest auf dem Terrain des ersten, mit dem anderen tasten sie sich vorsichtig auf dasjenige des zweiten Kon67 

Vgl. Marsch (1965), S. 137. Vgl. GW 9, S. 251 f. 69  Vgl. zu diesem Kernaspekt Menke (2003), S. 734 ff. 70  GW 9, S. 391. 71  Vgl. hierzu auch Rózsa (2008), S. 458 f. 68 

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Maskenspiel der freien Bürger

zepts vor; die Helden der Komödie aber sind mit beiden Beinen auf festem Boden der modernen Welt gegründet. Mit dieser Standfestigkeit gehen sie sogar dazu über, sich zur einzigen festen, konstanten und sicheren Größe und zum Prinzip der Wahrheit allen Inhalts zu machen, in welchem die vormaligen Gestalten aufgelöst und aufgehoben werden. Es wird noch eigens thematisiert werden, dass sie damit aber das Telos ihrer substantiellen Bewusstwerdung noch deutlich übersteigen, über ihre individuellen Möglichkeiten hinausgreifen, sich zu wichtig nehmen und schließlich in undurchschauter Substanzlosigkeit verlieren. In diesem Sinne kann in der Fortführung der Ausbestimmung von Subjektivitätsbegriff und Untersuchungsthese das Selbstbewusstsein als Negativität gedeutet werden: Wie aus dem Jenaer Systementwurf I herausgearbeitet wurde, entdeckt Hegel wenige Jahre vor der Niederschrift der Phänomenologie diese vernichtende Seite an der Komödie und erblickt im aufklaffenden und verschlingenden Nichts des komischen Bewusstseins die einzige, absolute Gewissheit, in welcher alle Gestaltungen vormaliger Substantialität untergehen und aufbewahrt werden. Denn wenn im Komödienkapitel der Phänomenologie die besonderen göttlichen Wesenheiten in ihren zufälligen Bestimmungen als Aristophanische »Wolken, ein verschwindender Dunst«72 erscheinen, bekräftigt Hegel auch hier, dass als einzige Festigkeit und Wirklichkeit dieser Bewusstseinsstufe das Selbst des komischen Bewusstseins verbleibe. In der Tragödie waren die Götter einzelne, substantielle Eigenschaften der Helden, der heroische Charakter die Totalität und Versammlung ab­strakt-allgemeiner und erst in seiner Individualität konkret werdender sittlicher Mächte als seine angeeigneten ›pathê‹; die Götter blieben dabei aber abstrakte Momente, die konkrete Form war allein die Individualität.73 Sie waren noch nicht die Substanz des wirklichen Selbst. – Wirklich, konkret und individuell wird ihre abstrakte Allgemeinheit erst durch die Individualität des Selbst innerhalb der Bewusstseinsbewegung von der Tragödie zur Komödie. Das einzelne Selbst ist nach der Überwindung der tragischen Lösung »die negative Kraft«74, in welcher die Götter samt ihren substantiellen Momenten verschwinden. Mit dieser Negativität der Komödie vollendet sich sodann die kunst-reli­ giöse Entwicklung des Geistes aus der Form der Substanz in diejenige des Subjekts75; das ewig allgemeine, aber in dieser ewigen Allgemeinheit bewusstlose 72 

GW 9, S. 399. Vgl. hierzu auch Scheier (1980), S. 579. 74  GW 9, S. 399. 75  Vgl. hierzu den Anfang des Kapitels Die offenbare Religion: GW 9, S. 400 f. 73 

Antike Revolutionen – Der Demos erstürmt die Bühne

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Schicksal als substantielles Wesen verbindet sich mit dem Bewusstsein als einzelnes Selbst, das dessen innere Leere mit seinen Inhalten füllt. Die »Krafft des Negativen«76, die im Epos dem Schicksal zugeschrieben wurde, geht in dieser Verbindung auf die Subjektivität über. Damit wird deutlich, dass in der Negativität des Selbst das Absolute als Schicksal zu sich selber kommt, keine Leere des bloßen Verschwindens erzeugt, sondern vielmehr als überkommenes Substantielles in der Wirklichkeit des Selbstbewusstseins aufgehoben und verwandelt wird. Was in der Tragödie in zwei Seiten zerfallen ist, in das individuelle, konkrete Selbst und das abstrakt-allgemeine Wesen der Göttlichkeit, ist auf der Stufe der Komödie im freien Subjekt eingefasst. Die absolute Macht des allgemeinen Wesens ist auf das einzelne Selbst als absolute Negativität übergegangen; es »erhält sich in dieser Nichtigkeit selbst, ist bei sich und die einzige Wirklichkeit«77, die nun nichts Wesentliches außer sich mehr kennen und anerkennen kann. Alles schließt sich in ihm zusammen, nichts kann sich ihm gegenüberstellen, jeder Inhalt muss von ihm als der eigene betrachtet werden.

5.  Antike Revolutionen – Der Demos erstürmt die Bühne Bisher ist die Verinnerlichung und Subjektivierung des Göttlichen in der Komödie vornehmlich von der allgemein bewusstseinsgeschichtlichen Seite des Subjekts abgehandelt worden. Herausgestellt wurde dabei das Resultat einer freien Subjektivität, wie sie sich vor der Komödie noch nicht zeigte. Fortbestimmt werden kann dieses Prinzip zur Souveränität des einzelnen Selbstbewusstseins. Die bereits mehrfach erwähnte Herabsetzung der substantiellen Wesentlichkeit in diesem Prozess ihrer Heraufkunft, aus der Perspektive der Komödie das auf Vergegenständlichung gehende Moment des Selbst, soll nun in den Fokus genommen werden. Damit dringt die Auseinandersetzung mit Hegels Thesen stärker als bisher in den Bereich des objektiven Geistes vor. Wenn das Subjekt nämlich das Schicksal der Substanz ist, entsteht innerhalb der Bestimmungslosigkeit des zuvor bewusstlosen Schicksals ein Vakuum, das in der Komödie als Objektseite mit besonderem Inhalt gefüllt wird: Dieser ist zum einen die starke Aufwertung des ›Demos‹, zum anderen das moderne Prinzip des ›vernünftigen Denkens‹, das sich mit der alten Komödie in der Kunst erstmals behauptet.78 In der Behandlung dieser Inhalte stellt Hegel 76 

GW 9, S. 391. Ebd., S. 399. 78  Vgl. ebd., S. 398 f. 77 

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implizit Parallelen zwischen der Gestalt des komischen Selbstbewusstseins und der griechischen Demokratie sowie dem antiken Skeptizismus her. Zur ersten Parallele, derjenigen der Demokratie, fällt in der Phänomenologie zwar lediglich das Stichwort des selbstbewusst tätigen ›Demos‹, doch die damit verbundenen Bestimmungen lassen keinen Zweifel an der politischen Dimension dieses Abschnitts. In der Komödie sind es nämlich die in der alten, abgelegten Sittlichkeit unterdrückten Momente, mit denen das Selbst als neuer Mittelpunkt nach der Auflösung der absoluten Wesenheit nun die entstandene Leere ausfüllt.79 Die im Kontext der Durchsetzung der Subjektivität bereits behandelte Befreiung des allgemeinen Menschen, die durch ihre Parole ›alle sind frei‹ nicht ausgewählte, sondern tatsächlich alle Menschen umfasst, wird von Hegel nun auf den ihr zugewiesenen Platz gesetzt: Die im Gemeinwesen sowie in ihrem ästhetischen Reflex, der Tragödie, ohne öffentliche Geltung gebliebene Kraft des Volkes erlebt ihre Befreiung aus Fesseln, die nicht länger zu dulden sind. Hegel zeigt folglich die Analogien zu bekannten Gestalten aus Epos und Tragödie auf, die durch die Entfesselung in der Komödie in neuer Stärke und Geltung wiederkehren: Die episch wirkungslosen und nach der Tragödie untergegangenen sittlichen Mächte erscheinen in der Komödie als »Demos, die allgemeine Masse«, und »Familien-Einzelnheit«, die sich nun beide über den unwahren Staat der bloß leeren politischen Macht erheben, »sich als Herrn und Regent«80 wissen und somit ein Recht verschaffen, das ihnen zuvor nicht zukam. Mit diesem Demos erstürmen die einfachen Bürger die Bühne, halten Einzug in die Komödie81; das beweist sich insbesondere an den bürgerlichen Rollen, die der Komödienschauspieler – anders als der Tragödienschauspieler – ausfüllt. Unter diesen Bürgern ist auch die zuvor in den Oikos eingeschlossene »Weiblichkeit« sowie die nicht ernst genommene »Krafft der Jugend«82, so dass im Zerbrechen der Legitimation und im Verderben der alten Sittlichkeit sich die gewöhnliche und früher unter Repression stehende Individualität auch als demokratische Masse behaupten kann. Zur Tragödie hatte Hegel festgestellt, dass das Prinzip der tapferen und sich selbst überschätzenden Einzelheit innerhalb der stabilen Sittlichkeit 79 

Vgl. im Folgenden Schulte (1992), S. 254 ff. GW 9, S. 398. 81  Nicht zuletzt mit den Wolken beweist Aristophanes, dass es ihm in seinen Stücken um die Lebensdarstellung derjenigen Bürger Athens geht, die zuvor in der Tragödie sich keinen Raum verschaffen konnten. Theten und Bauern, insbesondere in der Figur des Strepsiades verkörpert, sind die Schichten, die mit ihren ganz alltäglichen, zumeist finanziellen Sorgen gezeichnet werden. Vgl. hierzu Günther (2008), S. 190. 82  Vgl. GW 9, S. 259. 80 

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durch den ›Jüngling‹ verkörpert werde; das »Gemeinwesen kann sich aber nur durch Unterdrückung dieses Geistes der Einzelnheit erhalten«, so dass es sich »durch die unterdrükende Haltung gegen denselben als ein feindseliges Princip«83 stemmen müsse. Würde die Jugend sich vom »allgemeinen Zweck« abtrennen, würde sie »nur böse und in sich nichtig« werden – allein in Zeiten des Krieges, wenn Tapferkeit gefragt ist, könne das Gemeinwesen vorübergehend »die Krafft der Jugend, die Männlichkeit, welche nicht reiff noch innerhalb der Einzelnheit steht«84, anerkennen. Diese Aufopferung der Einzelheit im Kriegszustand kommt dem tragischen Untergang des Helden im schicksalhaften Tode gleich.85 Eine wahrlich beständige siegreiche Befreiung aus der früheren Unterdrückung erlebt der Jüngling erst in der Komödie, in welcher sein Prinzip das Schicksal des Gemeinwesens ist. Dies verkörpert sich zum einen darin, dass der Schauspieler die aristokratische Maske gegen die bürgerliche eintauscht: Er ist nun die Individualität des Bürgers, so dass der »Zuschauer« der Komödie »sich selbst spielen sieht« und »in dem, was ihm vorgestellt wird, vollkommen zu Hause ist«86. Zum anderen ist es aber auch der Chor, dem nunmehr eine veränderte, deutlich aufgewertete Rolle gewährt wird. Hegel hat hier die Parabase im Blick, die längere direkte Ansprache des Chors an das Publikum, die die Handlung unterbricht, als ein fester Bestandteil aller Stücke, der sich bei der Verselbständigung der Komödiengattung aus dem Satyrspiel herausbildete und zumeist eine unverblümte Kritik an öffentlichen Angelegenheiten vorbringt. In der Tragödie verkörperte der Chor bereits die »Weisheit« des »gemeine[n] Volk[es]«  – doch wurden ihm hier von Hegel noch »Krafftlosigkeit«, Passivität sowie Selbstund Bewusstlosigkeit attestiert; er war noch nicht »die negative Macht, die handelnd eingreifft«87. Von den tragischen Individualitäten, den Heroen der Tragödie, in die Handlungsunfähigkeit verbannt, war das gemeine Volk des Chores ein indifferentes Prinzip, das als nicht handelndes keinen Anteil an den sittlichen Mächten besitzen konnte und in deren Konflikt unentschieden befangen war.88 Er war bloß passive Zuschauerschaft, mit dem Tragödienpublikum solidarisiert. Sein versuchter Ausweg aus dem tatenlosen Zusehen bei einem in die Katastrophe steuernden Konflikt war ein folgenloses Beschwichtigen und Besänftigen. Was ihm genauso wie dem Publikum bleibt, ist das Mitleiden mit den auf der Bühne wirklich Handelnden, veräußert in den 83 Ebd. 84 Ebd. 85 

Vgl. Foster (1929), S. 49 ff. GW 9, S. 399. 87  Ebd., S. 393. 88  Vgl. Schulte (1992), S. 245 f., 275 f. 86 

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Reaktionen des Jammerns und Schauderns. Sich nicht selber bewusst und wirklich, fügt er sich bloß in das Bewusstsein des Schicksals ein. Er gibt sich diesem genauso wie der Held hin, weil er sich als allgemeine Menschlichkeit noch nicht als schicksalhaft, ja sich selbst noch nicht als das geschichtliche Schicksal selber, nicht als das weltgeschichtliche Subjekt weiß. In der Komödie dagegen befreit der Chor sich aus seiner Ohnmacht, indem er sich als gemeinschaftliche Individualität, als ein Handlungssubjekt, begreift. Das Volk emanzipiert sich und wird darin geschichtlich wirkungsvoll. Darin zeigt sich, dass die Komödie nicht nur aus der Kraft des einzelnen Selbst auf der Bühne lebt, sondern ebenso durch eine veränderte Rolle des Chores, der in der Bewegung der ›Entvölkerung des Himmels‹ seine Funktion verändert: vom epischen Sprachrohr der göttlichen Substanz zur indifferent bewusst­ losen öffentlichen Verbreitung der Pflichten beider sittlicher Mächte sowie Instanz des Mitleidens mit dem Heros hin zur emanzipierten Stimme der einfachen Volksweisheit, über die sich die Komödie gerade nicht lustig macht. Das Volk des Chores weiß sich erst in der Komödie als individuell schicksalhaft tätiger Demos, in welchem die Sittlichkeit zusammengeschlossen ist, und in den daher auch die vormaligen sittlichen Mächte der Tragödie eingehen. Es wird zum handelnden Subjekt der substantiellen Sittlichkeit. Die Substanz, die in der Tragödie noch in widerstreitende sittliche Mächte zerrissen war, findet hier ihre Einheit in einer demokratischen Gemeinschaft – es käme forthin darauf an, dieser Substanz der Gemeinschaft den verwirklichten Ausdruck des Sittlichen zu geben. Dass diese Stiftung neuer, wahrer Sittlichkeit für Hegel historisch aber scheitert, wird noch aufgearbeitet werden. Im deutschsprachigen Raum war Christoph Martin Wieland einer der ersten, die in der antiken Komödie, vor allem derjenigen des Aristophanes, einen poetischen Vorgriff auf den Aufklärungsgeist sahen, welcher sich in der Französischen Revolution wirklich wird. Er ist der erste, der ihn in einem dezidiert revolutionspolitischen Sinne liest. So meint er zum »unübersetzlichsten aller griechischen Schriftsteller«, er habe wie keiner seiner Zeitgenossen eine »Bekanntschaft mit [der] Geschichte« der Nation, »mit ihrer politischen Verfassung und mit ihrem Privatleben« gehabt und zugleich über seine Zeit hinaus mit seinen Stücken Die Acharner und Die Ritter Sittenbilder schaffen können, welche etwa die »große Tragi-komische SankulottenFarce« in Paris nur bestätige, so dass vor allem das zweite »Stück mit den treffendsten Anspielungen auf die sogenannte französische Republik angefüllt ist«89. – Aus der entsprechenden Stelle der Phänomenologie über die 89 

Wieland (1793), S. 421 f., 429 f. Vgl. hierzu auch den Brief Wielands an Böttiger vom Januar 1793: »die Musen haben mir – ich fürchte in ihrem Zorne – den halsbrecherischen

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Erstürmung der Bühne durch bürgerliche Menschen geht hervor, dass auch Hegel diese moderne Dimension der antiken Revolution in der ›göttlichen Komödie‹ entdeckt. Natürlich meint Hegel nicht, Aristophanes habe mit seinen Stücken eine Art politische Umwälzung in Athen vorangetrieben; seine Schilderung legt nicht nahe, die Komödie habe beispielsweise zur Frauenemanzipation oder in einen Zustand absoluter Gleichberechtigung aller Bürger geführt. Vielmehr umgekehrt ist dieses Verhältnis zu verstehen: Hegel deutet mit der emphatisch beschriebenen Befreiungsszene das Moment einer immanenten revolutionären Erneuerung des griechischen Dramas durch die Integration der – aristotelisch gesprochen – schlechteren bzw. niederen Menschen an, indem sich die Komödie mit dem einfachen Volk solidarisiert und darin umfassend politisch wird. Diese künstlerische Neuorientierung ist selber Wirkung eines veränderten Geistes, erkennbar als politischer Ausdruck eines erstarkenden Selbst- und Freiheitsbewusstseins der attischen Bürger – und Nicht-Bürger. Denn wie schon Aristoteles in seiner Poetik betont, habe die Komödie ihren Namen von den ›kômai‹, den Vororten Athens, deren Bewohner, die Komödianten, aus der Stadt und den Bezirken der Bürger vertriebene Ehrlose seien, die an Festtagen in satyrischen Umzügen durch die Straßen torkelten (das Verb ›kômázein‹ bzw. das Substantiv ›kómos‹ für den ›Festzug‹).90 Diesen Geist eines sich zu sich selbst befreienden und heiter genießenden Volkes verdichtet Aristophanes zum ästhetischen Ausdruck seiner Komödien und integriert ihn in das innerstädtische Leben Athens. Als absolut-geistige Manifestation objektiv-geistiger Verhältnisse ist diese Komödiendichtung anschauliche Verdichtung politischer Verhältnisse und darin deren Selbstbewusstsein. Mit den Bezügen zur Demokratie spielt Hegel nämlich durchaus auf reale polithistorische Entwicklungen in Athen an, die sich in der Kunst-Religion reflektieren. In der Komödie erscheint mit dem Demos ein Element, das auf die aufkommende Demokratisierungsbewegung innerhalb des Stadtstaates verweist. Dieser Prozess ist in Hegels Auffassung keineswegs frei von Problemen. So meint er später in den Berliner Vorlesungen, die alte Komödie lache nicht »über das wahrhaft Sittliche im atheniensischen Volksleben«, sie verlache nicht die im Chor sich aussprechende Weisheit des Volkes, sondern polemisiere gegen »die Auswüchse […] der Demokratie, aus welcher der alte Glaube und die alte Sitte verschwunden sind, die Sophisterei, die Weinerlichkeit und Einfall eingegeben, mich – erschrecken Sie nicht für mich? – an den unübersetzlichen Aristofanes zu wagen«. Wieland: Briefe 11,1, S. 363 f. – Vgl. hierzu auch Cölln (1998), S. 242 ff.; Holtermann (2004), S. 80 ff. 90  Vgl. Aristoteles (1982), S. 10 f.; vgl. hierzu auch Japp (2009), S. 413 f.

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Kläglichkeit der Tragödie, die flatterhafte Geschwätzigkeit, die Streitsucht usf., dies bare Gegenteil einer wahrhaften Wirklichkeit des Staats, der Religion und Kunst«91. Denn so schnell wie die Demokratie in Athen aufgekommen ist, vergeht sie auch wieder, da die Staatsform in Hegels Deutung an der Entzweiung von Allgemeinheit und Einzelheit krankt: Ein wahres Allgemeines, in welchem das Wohl der Gemeinschaft wirklich ist, räumt einer abstrakten Form das Feld. Praktische Vollzüge des vereinzelten Individuums sowie die Sicherung vereinzelner egoistischer Interessen werden zum Zweck der allgemeinen Ordnung ernannt, über die das Individuum – sich in ihr nicht wiedererkennend und sie in dieser Fremdheit hassend – nur noch hohnerfüllt spotten kann. Damit ist dann dasjenige eingetreten, vor dem der Naturrechtsaufsatz insistierend gewarnt hatte: dass das Prinzip der Besonderheit im Sittlichen bestimmend wird. In seiner Volksweisheit tritt der Demos zwar zunächst genauso aufklärerisch parodierend wie sittlich allgemein auf, weil er aber nach der Vernichtung substantieller Bezüge allein auf sein Prinzip der Individualität vertraut, muss er fortan einen »lächerlichen Contrast« zwischen demjenigen hervorscheinen lassen, was er laut »seiner Meynung von sich«92 sein will und demjenigen, was er seinen bescheidenen Möglichkeiten nach wirklich ist. Er stellt in seiner Negativität die antike sittliche Tugendlehre, die ihm als Objektivität untergegangen gilt, als etwas Unwirkliches und Unerreichbares hin. So sieht Hegel die Machtposition der Individualität über dem »Gemeinwesen« als »dessen geheime[n] Schaden«93. Werde in der bürgerlichen Komödie der sittliche Ernst in vollendeter Hybris bloß verlacht, arte die komische Form in blanken Spott aus, und damit schließlich in »die gänzliche Befreyung der Zwecke der unmittelbaren Einzelnheit von der allgemeinen Ordnung«94. In dieser Gestalt wäre die einst heitere Komödie nur noch der blanke Spott des Volkes über wesentliche Zwecke. Doch dieser Aspekt des Demos ist ja – wie entwickelt – nur die eine Seite dessen, womit das zu sich befreite Selbstbewusstsein die in seiner Negativität entstandene Leere durchdringt. Das andere Moment ist dieses Selbstbewusstsein in seiner Tätigkeit als ›vernünftiges Denken‹, durch das es die Zufälligkeit des göttlichen, aber bewusstlosen Wesens aufhebt und als vereinzeltsubjektiv begründete, abstrakte Reflexion verwirklicht.95 Identifiziert sich das Selbstbewusstsein nämlich mit dem Göttlichen und verendlicht damit das Unendliche, setzt diese Leistung voraus, dass es sich zur Reflexion gebracht 91 

TWA 15, S. 530. GW 9, S. 398. 93 Ebd. 94 Ebd. 95  Vgl. ebd., S. 398 f. 92 

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hat. Erst diese Reflexion kann das göttliche Wesen in seiner Scheinhaftigkeit enthüllen. Die Frage, ob Hegel mit der sich behauptenden Subjektivität in der Komödie ihre moderne Form als Kraft des philosophischen Denkens und der kritischen Reflexion meint, lässt sich angesichts dieser Momente bejahen. In erster Linie hat Hegel dabei allerdings eine archetypische Ausprägung des zu sich selbst kommenden philosophischen Begriffs als vernünftiges Denken vor Augen: nämlich die frühe Aufklärungsbewegung der Sophistik und ihres wohl prominentesten Vertreters Sokrates, in welchem diese Strömung quasi ihren Gipfelpunkt und prägnantesten Ausdruck erhält.96 Sokrates und die Sophisten, die in diesem Kontext durchaus anerkennend von Hegel behandelt werden und nicht mit der später hinzutretenden, verleumdenden Bedeutungsabsicht, haben nicht nur das unbeirrbare, vernünftige und selbstbestimmte Denken gelehrt, sondern dieses Denken auch als Negativität begründet. Hegel hebt daran hervor, es sei »der allmächtige Begriff, als die negative Gewalt über alles Bestimmte und Bestehende«97. Denn wie bereits erwähnt, steht im Hintergrund des Aspekts des vernünftigen Denkens Hegels Parallelziehung zum antiken Skeptizismus. Natürlich ist es dem Subjektbegriff dieses Skeptizismus – auch im komödientheoretischen Zusammenhang  – wesentlich, die intellektuelle Freiheit erlangt zu haben, die überlieferten Auffassungen, Autoritäten und Traditionen radikal in Zweifel zu ziehen und sich von ihrer Last zu befreien. Hegel schreibt dazu: »Das einzelne Selbst ist die negative Kraft, durch und in welcher [nicht nur, N.H.] die Götter [sondern auch] deren Momente, die daseyende Natur und die Gedanken ihrer Bestimmungen, verschwinden; zugleich ist es nicht die Leerheit des Verschwindens, sondern erhält sich in dieser Nichtigkeit selbst, ist bey sich und die einzige Wirklichkeit.«98 Doch Hegel hatte schon im Naturrechtsaufsatz den Begriff des philosophischen Skeptizismus weitaus komplexer fortbestimmt, wenn er gegen den ›schlechten Skeptizismus‹ Wilhelm Traugott Krugs und Gottlob Ernst Schulzes gerichtet und zurückgreifend auf Platons Parmenides den Terminus des »ächten Skepticismus« ausspielt, der von ihm gegenüber der Position der Vernunft als »die negative Seite der Erkenntniß des Absoluten«99 bestimmt wird. Diese Aufspreizung des Absoluten in zwei Seiten, in die positive Vernunft und den negativen Zweifel, befriedigt Hegel auf Dauer jedoch nicht; spätestens mit 96 

Vgl. GW 9, S. 398 f.; vgl. zum Aspekt der »Sophisterei« als einer der »Auswüchse […] der Demokratie« auch die entsprechenden ausführlicheren Bemerkungen in der Ästhetik Hegels nach Hothos Edition in: TWA 15, S. 530. 97  TWA 18, S. 441. 98  GW 9, S. 399. 99  GW 4, S. 207; vgl. auch Baum (1989), S. 175 ff.

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der Phänomenologie wird sie von ihm überwunden und nach Maßgabe der ›bestimmten Negation‹ auf einen methodischen Standpunkt gebracht, auf welchem der Skeptizismus ein Moment ist in der Erkenntnis des Absoluten, als Gegenpol der positiv tätigen Vernunft auf dem Wege zur Totalität. Diese gewichtige Bestimmung, die im Rahmen der Phänomenologie auf der Stufe der Religion geschichtlich lokalisiert wird, wird zum ersten Mal als ›vernünftiges Denken‹ des komischen Subjekts ins selbstbewusste Wissen erhoben. Zwar hatte Hegel sich bereits im Selbstbewusstseinskapitel mit dem antiken Skeptizismus auseinandergesetzt, allerdings noch nicht als historische Gestalt des sich selbst wissenden Bewusstseins. Erst mit der in der Komödie ästhetisch reflektierten Vernunft, dass sie bereits seit langem eine in Konflikt mit der sittlichen Objektivität stehende Realität des antiken Geistes ist, gelangt die Kraft dieses freien Denkens ins Bewusstsein. Analog zum Jenaer Systementwurf I markiert das selbstbewusste Denken den Übergang von der schönen Kunst zum begrifflichen Prinzip der Philosophie, und präsent in der Gestalt der Komödie, denn mit dem ›vernünftigen Denken‹ ist ja bereits das entscheidende Fundament der in Hegels Verständnis modernen Philosophie namhaft gemacht. Im Skeptizismus als antreibendes Moment dieses Denkens wird es sich selbstbezüglich: Wie Hegel in der Einleitung methodisch festschreibt, ist die Phänomenologie als »Wissenschaft der Erfahrung des Bewußtseyns«100 von der unmittelbaren zur absoluten Form ihres Weltals Selbstbezuges immerfort dazu angehalten, jede begrifflich erarbeitete Wissensform immanent im erkennenden Bewusstsein anzuzweifeln, zu prüfen und sie als bloßen Schein der Wahrheit zu entlarven. Die Bewusstseinsstufe der Komödie ist insofern geschichtlich etwas qualitativ Neues, weil der »sich vollbringende Skepticismus«101 im Kontext der Religion als Bewusstwerdung des Selbstbewusstseins Wissen von der allgemeinen Struktur des Geistes und der ihr zugrundeliegenden Methode des Zweifelns, Prüfens und Als-Schein-Entlarvens gewinnt. Das ›vernünftige Denken‹, das der Tragödienheld noch nicht als sein Vermögen besitzen konnte, weil er lediglich einer einseitigen, sittlichen Macht zur Wirklichkeit verholfen hatte und somit noch nicht wirklich selbstbestimmt war, wird vom komischen Subjekt zur Grundlage der Aufklärung über das auf der vorhergehenden Stufe noch als Wahrheit gültige Geistige gemacht. Die Struktur seines vernünftigen Denkens zeichnet aus, dass es in seiner Skepsis gegenüber dem Substantiellen und Absoluten, das zuvor, in Epos und Tragödie, noch für die allgemeine und damit auch individuell verbindliche, wahrhafte Sub100  101 

GW 9, S. 61. Ebd., S. 56.

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stanz genommen wurde, diesen seinen substantiellen Inhalt von sich unterscheidet und im skeptischen Unterscheiden sich zugleich auf sich als Anderes negierend bezieht. In diesem seiner reicher bestimmten Form von Subjektivität entsprechenden Selbstbezug befreit es sich durch die Negation eines scheinhaften Wissens der Wahrheit zum reflektierten Denken. Der Komödie kommt auf dem langen Wege der Genese des Bewusstseins zum Wissen von sich somit auch die Rolle zu, die Erkenntnis der eigenen selbstbestimmten und sich in wahrhafter Form auf sich als substantiellen Inhalt beziehenden Subjektivität zu erlangen, sich nicht nur zum Zweifelnden zu machen, sondern sich in diesem Zweifeln als freies, vernünftiges Denken mit den Mitteln der klassischen Kunst selbst zu erfahren und dabei heiter zu heben. Dieses freie vernünftige Denken ist die allgemeine Tätigkeit des Bewusstseins, das die Stufe der skeptischen Selbstprüfung erreicht hat. Die Negativität der Komödie öffnet damit das Tor zu einer Bewusstseinsgestalt, die nicht mehr genuin ästhetisch ist, sondern bereits philosophische Bestimmungen erhält. Damit zeichnet sich das Ende ihres klassischen Wesens ab. Sie wird zum Denken. So schreibt Hegel in seiner Rezension der Kritik der theoretischen Philosophie Schulzes, auch Skeptizismus-Aufsatz genannt, »daß mit jeder wahren Philosophie der Skepticismus selbst aufs innigste Eins ist«102. Wie die Philosophie spricht die Komödie das »Object seinem Schein« nach aus und überwindet es in »das Gegentheil«103, indem sie den Götterhimmel als einen entvölkerten entlarvt und die menschliche Vernunft als die wahre göttliche Macht zeigt. Das mit Bewusstsein erfüllte leere Schicksal, mit dem diese denkende Vernunft vereint und identisch ist, ist das, was am Ende bleibt. Alles wird aufgehoben in dieser tiefen Leere des Bewusstseins, welches das Vakuum des entwesten Schicksals erfüllt: Wie dargestellt zeigt sich dies auf der Ebene des allmählichen Übergangs von Kunst in Philosophie; diese Vernichtung und Aufhebung lässt sich aber auch auf der politischen Ebene als die komödiantische Widerspiegelung einer geschichtlichen Revolution deuten: Der Demos als allgemeine Substanz, in der Form der Subjektivität und mit dem Inhalt des Bewusstseins der Freiheit, setzt sich in einen Widerspruch zu den alten obsoleten Institutionen der Polis und verlacht sie erfüllt mit dem neuen Geist der Zeit in ihren Untergang.104 Diese beiden Seiten der komödiantischen Revolution denkt Hegel zusammen.

102 

GW 4, S. 206. Ebd., S. 205. 104  Joachim Ritter stellt ebenfalls eine Nähe dieser antiken Umwälzungen zum kämpferischen Geist der Französischen Revolution her; vgl. Ritter (1969), S. 195 f. 103 

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6.  Wesentlichkeit und Unwesentlichkeit der freien Subjektivität Nach einem langen Darstellungs- und Problematisierungsgang der phänomenologischen Komödientheorie steht es nun aus zusammenzufassen, zu vergleichen sowie abschließend und überleitend zu diskutieren, was festgehalten werden muss. In ihrer Wesentlichkeit entdeckt sich eine Sache bekanntlich von ihrer Grenze her. An ihr beginnt und endet sie. Die Komödientheorie der Phänomenologie unterscheidet sich von ihrer Präfiguration im Naturrechtsaufsatz vor allem im Moment des qualitativen Umbruchs auf dem Wege einer kontinuierlich fortschreitenden Bewusstseinsgeschichte. Die Komödie wurde zwar schon zuvor als eine ästhetische Form der Individualität von der Tragödie abgegrenzt, doch erst in der Phänomenologie ist sie die Wiege freier und selbstbestimmter Subjektivität, in ihr verdichtet sich die Menschwerdung des Göttlichen und die Apotheose des Menschseins. Wird im Naturrechtsaufsatz die alte Komödie als eine Form ohne Konflikt, somit als schicksallos bestimmt und zugleich festgelegt, dass die ihr immanente Individualität zu keiner Bedrohung des Göttlichen werden kann, erscheint ihre subjektive Seite immer schon als dem Allgemeinen subsumiert und subordiniert. Ganz anders in der Phänomenologie: Hier ist die Subjektivität das Schicksal der obsolet gewordenen Vorstellung vom Substantiellen, des Sittlichen und Göttlichen. In der Kunst wird somit ein Prozess reflektiert, der im Ganzen der Bewusstseinsgenese ein zentrales Moment ist und von Hegel durchaus positiv bewertet wird. In einem weit gespannten Bogen stellt er Göttliches und Menschliches nicht bloß einander gegenüber und lässt das eine sich dem anderen unterordnen, sondern ist vorrangig an den mannigfachen Schattierungen, den Graustufen zwischen den Extremen interessiert. Er nähert beides einander an, lässt es ineinander fließen, so dass die Götter immer am Menschlichen Mangel leiden und die Menschen immerzu auf dem Sprung sind, sich zu divinisieren, sich als die Wahrheit eines scheinverschleierten Objektivierungszusammenhangs zu begreifen. In der Komödie macht der Hegel der Phänomenologie keine ›Komödie im Sittlichen‹ aus, sondern einen heiteren Totentanz ehemals sittlicher Wesentlichkeit. Dabei ist deutlich geworden, dass Hegel die freie, selbstbestimmte Subjektivität als Heldin der Komödie nach logischer Maßgabe des Prinzips der Negativität versteht, in welchem all die angeführten Momente der fremden Substanz verschwinden und aufbewahrt werden; denn was das Bewusstsein zuerst äußeren Mächten zugeschrieben hatte, kehrt nun selbstbewusst in seinen Schöpfer zurück. Das komische Bewusstsein als Selbstbewusstsein »begreift nicht das Schicksal«, wie Schulte betont, »sondern begreift sich als

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Schicksal und beginnt dadurch zugleich sich selbst zu begreifen, sich sein eigenes Schicksal zu machen«105. Die Komödie führt die Götter in der »Naktheit ihres unmittelbaren Daseins« vor, ihre ganz »zufällige Bestimmung und oberflächliche Individualität«106 geht mit ihnen im spöttischen Lachen des Selbst unter. Unter Bezug auf das gleichnamige Stück des Aristophanes verdeutlicht Hegel anschaulich, dass sie in diesem Lachen zu bloßen ›Wolken‹ werden, in welchem sie verflüchtigt und aufgelöst sind, und dass dieses Lachen des wirklichen Selbstbewusstseins das Schicksal der Götter ist. Im Selbst als dem wahren Schicksal gehen ausnahmslos alle vorherigen Gestalten des Bewusstseins unter: das Selbst als vereinzelte Individualität, der passive, bewusstlose, bloß leidende Chor, das ebenso tatenlose Publikum des Bühnengeschehens, der ohnmächtige Demos, aber auch die unvollkommene Götterwelt, die tragisch scheiternden Heroen, die dürftige Vorstellung eines Schicksals, die zerbrechende Polis und überhaupt das Substantielle einer lächerlich gewordenen mythischen und sittlichen Welt. Insofern ist die Subjektivität keine allesverschlingende Leere, kein trauriges Nichts; sie bewahrt das Aufgehobene und genießt diese Aufhebung als das eigene Werk und Wesen mit Heiterkeit. Alles ist zur Maske geworden, die sich dem heiteren Spiel des komischen Selbstbewusstseins feilbietet. Diese spielende Subjektivität ist ein Subjekt der Freiheit, aber auch des reflektierten Denkens, das sich selber sowohl in einem den bloßen Schein aufklärenden Erkennen als auch im selbstbestimmten, nach Vorgabe vernünftiger Moralität sich vollziehenden Handeln verwirklicht; es klärt sich über sich und die Strukturen seiner Subjektivität auf und handelt auf dieser Grundlage praktisch bewusst willentlich. Diese neue Qualität geistiger Selbstverwirklichung weiß es als die eigene Tat. Gegenüber dem Naturrechtsaufsatz kommt der Komödie somit in der Phänomenologie eine in doppelter Hinsicht revolutionäre Bedeutung zu: Generell religionsphilosophisch ist sie keine heitere Bestätigung der sittlichen Macht mehr, welche die Gefahrlosigkeit der Individualität für das sittliche Allgemeine anzeigt, sondern die einzigartige Erscheinungsweise und Bewusstwerdungsform für die ›Entvölkerung des Himmels‹, womit die Transparenz der Götter als menschliche Projektionen verbunden ist. Zum anderen vollzieht sich in ihr politisch und ästhetisch eine Demokratisierung, mit welcher sich das einfache Volk die schöne Kunst erschließt und sich zu seiner Selbstanschauung aneignet. In diesem langen von Hegel philosophisch nachgezeichneten griechisch-antiken Emanzipationsprozess ist die Tragödie, die 105  106 

Schulte (1993), S. 240. GW 9, S. 399.

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ihrer scherzenden Schwester jeden gleichwertigen oder gar höheren Rang immerzu aberkannt hat, bei Näherem betrachtet nur die Negativstufe einer Durchsetzung von Schein zerstörendem Selbstbewusstsein; sie ist bloß ihre Vorform, ernstvoll versunken und eingekeilt zwischen göttlicher Ironie des Epos und heiterer Menschlichkeit der Komödie: Im Epos war dem Bewusstsein naiv im Lachen von Göttern der Widerspruch im Absoluten bewusst, einer Unangemessenheit von Allgemeinem und Einzelnem; erst in der Komödie klärt sich dieses Lachen als menschliches Lachen auf, das sich in der konkret allgemeinen Form der Einzelheit als Selbstbewusstsein weiß. Im Unterschied zum Tragödienhelden, der am Schein von Absolutheit sowie im Verlust seiner Substanz zu Grunde geht, weiß das komische Bewusstsein um die tiefere Wahrheit des eigenen Selbst, kann sich lachend über die Wesen­ losigkeit erheben, sich aus dem Schicksalszusammenhang befreien und selbst zu diesem Wesen ernennen. Die Tragödie war die letzte Einheit dieses im Selbst aufgehobenen Prinzips der alten Vorstellung vom Absoluten. Dabei darf allerdings nicht der Trugschluss gezogen werden, die Komödie zerstöre die Vorstellung vom Olymp oder lasse die Götter aktiv in ihrem Lachen untergehen; denn schon die Tragödie hatte ja die Fragwürdigkeit dieser Vorstellung vom Absoluten ins Wissen gesetzt. Die heitere Vielgötterei des Epos wird in der Tragödie in den einfachen Konflikt entgegengesetzter göttlicher Gesetze zusammengezogen, wodurch die lächerlich gewordenen Selbstwidersprüche sich aufheben und in der Form einer in sich bewegten Substanz zentrieren. Die Tragödie beginnt somit den Prozess einer vernünftigen Aufklärung polytheistischen Aberglaubens. Dies findet seine Analogie in den Vertreibungen der alten Göttergeschichten durch die vorsokratischen Philosophen Heraklit, Anaxagoras und Xenophanes.107 Allerdings wird innerhalb dieser Verschiebung von der äußeren Göttervielfalt in eine innerlich geteilte göttliche Einheit weiterhin an der übermächtigen, äußerlich fremden Göttlichkeit festgehalten, ja diese wird durch die Konzentration in eine zwiespältig bewegte Substantialität sogar noch mächtiger. Gegenüber dieser Macht handelt der tragische Held zwar selbstisch und wirklich, doch letztlich offenbart es sich als der Schein von Selbständigkeit, wenn sein Selbst in der fremden Macht des göttlichen Schicksals verschwindet. Erst in der Komödie wird dieser Knoten zerschlagen, die Göttlichkeit als undurchschautes Menschenwerk aufgeklärt und die im Vollzug begriffene Entvölkerung des Himmels ins Wissen gezogen. Sie erst vermittle die Einsicht, »daß Gott gestorben ist«108, wie Hegel schreibt. Aus diesem Tod heraus begreift sich der 107  108 

Vgl. hierzu auch Schulte (1993), S. 236. GW 9, S. 401.

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Mensch als das wahre geistige Leben. Die Tragödie wird in diesem Sinne zu einer Vorform der Komödie. Bei diesem Übergang von der Tragödie zur Komödie hat sich dreierlei vollzogen: Erstens hat sich im entwesenden Aufheben substantieller Gestalten und Inhalte im Ich das Selbst bestärkt und zur einzigen Wirklichkeit gemacht. Zweitens hat das Absolute dabei die Form des Andersseins gegen das Bewusstsein, bloß als dessen Vorstellung ihm eigen zu sein, verloren, sich mit dem Selbst vereint und darin Bewusstsein erlangt. Drittens – und darin scheint Hegels bisher in dieser Untersuchung noch weitgehend ausgeklammerte, aber nun notwendig herauszustellende, unmissverständliche Kritik an dieser ästhetischen Gestalt auf – markiert das Prinzip der Subjektivität die endgültige Zerstörung der Polis-Sittlichkeit und des griechischen Geistes der unmittelbaren Harmonie und Schönheit, durch welche einerseits ausgemacht zu sein scheint, mit der Unterdrückung des Einzelnen durch das Gemeinwesen sei es nun vorbei, wodurch andererseits aber ein sittlicher Zustand eingeläutet ist, dem es an Festigkeit und Verbindlichkeit fehlt. Obwohl resp. weil die Komödie das höhere Moment darstellt und als Gestalt des Religionskapitels logisch wie geschichtlich über die Tragödie hinausgeht, in ihr sämtliche Widersprüche der griechischen Substanz aufgeklärt werden – so z. B. das bewusstlose Tun des Kultus, das ebenso bewusstlose Schicksal als blinde Negativität, der Anthropomorphismus der Götter usw. –, unterstreicht Hegel Auswüchse ihrer tiefgreifenden Problematik. Dafür findet er deutliche Worte und weiß eine Reihe von kritischen Punkten gegen die Komödie einzuwenden: Folgt der Demos allein dem Prinzip der freien Subjektivität, hat er aus dem »lächerlichen Contrast seiner Meynung von sich und seines unmittelbaren Daseyns« nur »Spott« übrig für die »allgemeine[] Ordnung«109. Und auch die neuen Maximen des vernünftigen Denkens tragen den Makel, als Veräußerungen eines abstrakten allgemeinen Prinzips nach der alten absoluten Gültigkeit keine sittliche Verbindlichkeit mehr stiften zu können. Ist nämlich ihre ehemalige Wesentlichkeit »zu den einfachen Gedanken des Schönen und Guten geworden«, ist sie an die subjektive Willkür verraten, denn diese Gedanken »vertragen« es, »mit jedem beliebigen Inhalt erfüllt zu werden«110. Auch in dieser komödienkritischen Hinsicht setzt Hegel sie von der Tragödie ab: In der Tragödie wusste der Held sehr genau, was er allgemeinverbindlich zu tun hat, weil er ebenfalls sehr genau vor Augen stand, was seine Pflicht ist; das natürliche äußere Gesetz, unter dem er wirkte und das er dadurch ver109  110 

Ebd., S. 398. Ebd., S. 399.

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wirklichte, gab sie ihm ein.111 In der Komödie hingegen hat sich das Subjekt von dieser Verpflichtung befreit, es hat sich von Gesetz und Pflicht losgemacht und kann sich vom moralischen Standpunkt viele individuelle Pflichten ersinnen. In diese Freiheit entlassen, schwebt es aber nun in der Haltlosigkeit, die Verpflichtung aus sich selbst entwickeln zu müssen, welche der vielen Pflichten es sich zu wählen hat. Die subjektive Entscheidung ist dabei der Willkür und dem Zufall ausgeliefert. Weil diese Subjektivität mit keiner sittlich substantiellen Allgemeinheit verbunden ist, unter deren Macht sie steht, läuft sie Gefahr, in »das reine leere Eins der Person«112 umzuschlagen und damit der in unbedingte Geltung gegossenen zufälligen Ordnung des privaten Rechtszustands in die Hände zu fallen.113 Es kommt in der Folge darauf an, dass sie im Fortgang über ihre Selbsterfahrung und Verselbständigung hinaus erst noch lernen muss, dass sie rein in sich noch nichts ist, ja dass der Mensch in seiner Subjektivität von der substantiellen Gemeinschaft des politischen Zusammenhangs den Raum seines Selbstseins und seiner Sphäre des persönlichen Lebens zugewiesen und freigegeben bekommt – dass wahre Subjektivität und ihre Freiheit allererst mit einer allgemeinen Sittlichkeit als objektive Sphäre »für alle Menschen als Menschen Wirklichkeit erhält«114. Dabei muss allerdings betont werden, dass bei Hegel die Unverbindlichkeit des Denkinhalts keine Unzulänglichkeit der Subjektivität, sondern des Untergangs vormaligen geistigen Reichtums ist, denn immerhin ist diese Hinterlassenschaft ein Vakuum und immerhin wird mit dem vernünftigen Denken des Selbst die Leere, die im unwesentlich gewordenen Schicksal entstand, mit Inhalt gefüllt, auch wenn dieser seine Beliebigkeit nicht abstreifen kann; genauso wie das Vakuum einer untergegangenen Götterwelt und eines zerbrochenen Staates bloß einiger freier Bürger durch einen sich Geltung verschaffenden Demos bevölkert wird. Eingedenk solch kritischer Töne, die in der Begleitung der fröhlich beschwingten Melodie einer ebenso politisch wie geistphilosophisch enthusiastischen Komödientheorie erklingen, erscheint die Gattung in Hegels philosophischer Bearbeitung als Vexierbild: Die Komödie stellt sich am Ende des Kunstreligions-Kapitels als das heraus, was Hegel in der Einleitung desselben als die »Nacht der reinen Gewißheit seiner selbst« angekündigt hatte, aus der heraus »der sittliche Geist als die von der Natur und seinem unmittelbaren Daseyn befreyte Gestalt aufersteht«115. Dies ist die Vollendung der 111 

Vgl. ebd., S. 251 f. Ebd., S. 262. 113  Vgl. Rosenzweig (1920), S. 173. 114  Ritter (1974a), S. 32. 115  GW 9, S. 377. 112 

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Kunst und ihres substantiellen Hintergrunds, der antiken Welt des Griechentums. Durch ihre Systemstellung erhält die Komödie bei Hegel eine in der allgemeinen Theoriegeschichte seltene Bedeutsamkeit und innerhalb der Phänomenologie einen besonderen Rang. Sie erscheint als eine glanzvolle, abschließende Pointe  – jedoch: so glanzvoll ungebrochen ist diese Pointe nicht. Denn das ›Happy End‹ wird bei Hegel auch nach dieser seiner ernsthaften Dimension eines Untergangs der vormaligen Bedeutung der Kunst befragt. So heißt es in Parallelführung mit dem soeben zitierten Satz und damit ebenfalls in einer unmissverständlichen Anspielung auf die Evangelien116: Sie ist auch die »Nacht, worin die Substanz verrathen ward, und sich zum Subjecte machte«117. Mit einem erneuten und erst in dieser Dimension abschließenden Kehre demonstriert Hegel damit die ästhetische Grenze des Konzepts Komödie, die zugleich die Grenze der Kunst überhaupt ist. In der Komödie geht die Tragödie gewissermaßen unter. Das bedeutet, der ernsthaft verstandene heroische Anspruch wird komödiantisch ironisiert und als etwas hinfällig Gewordenes vorgeführt. Goethe täuscht sich also darin, dass es in der Komödie keine Toten, nur Hochzeiten gebe – mindestens ein Todesfall liegt vor: derjenige der Tragödie. Sobald die Komödie aber diese Form, auf die sie bezogen ist, als eine abgestorbene Gestalt hingestellt hat, verflüchtigt sich die Bedeutsamkeit, die Kunst in der sittlich-religiösen Welt der edlen Griechen behaupten kann. Ob mit sentimentaler Sehnsucht oder gar Verzweiflung über diesen substantiellen Verlust, im Verschwinden der sittlichen Verbindlichkeit, die in der ernsthaften Tragik einst festgeschrieben war, verabschiedet sich die Kunst unwiederbringlich von ihrer unersetzlichen Bedeutung für den Geist. Dies ist die traurige Innenseite der lachenden Maske der Komödie. Für die Problematik eines der Kunst entgleitenden, immer komplexer werdenden Lebenszusammenhangs des Sittlichen, die sich in der Tragödie andeutet und in der Komödie nur noch bloßgestellt und verlacht wird, kann ebendiese keine entschiedene Option für eine neue ästhetische Lösung sein. In der Komödie geht eine ganze Welt unter – eine Welt, die sich geistig insgesamt überlebt hat. Hoch über diesen Untergang erhebt sich aber das komische Subjekt, das als das einzige siegreich aus dem Szenario hervorgeht. Mit der Aufhebung des substantiellen Ganzen ist dieses Subjekt als die Verkörperung des neuen Prinzips der modernen Subjektivität überhaupt erst geboren worden. 116 

Vgl. vor allem Matthäus 26, 36 ff. Dies sind die Begebenheiten im Garten Gethsemane, in welchem Jesus in der Nacht vor seiner Kreuzigung betete, ehe er von Judas verraten und von den Boten des Hohepriesters verhaftet wurde. Vgl. Maza (1998). S. 175 f. 117  GW 9, S. 377.

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Es sei nur am Rande bemerkt, dass dieser Zusammenhang über die Ästhetik hinausweist und vor allem auf dem Felde der Religions- und Weltgeschichte wirksam wird: Es konnte gesehen werden, dass der Geist sich nicht mehr auf der Stufe der Kunst, sondern auf derjenigen der offenbaren Religion befindet, wenn gilt, »das Selbst ist das absolute Wesen«118. Hegel meint, die »Selbstständigkeit des Denkens«, in der Komödie ästhetisch gemacht und ethisch wirksam in der Stoa, finde »durch die Bewegung des skeptischen Bewußtseyns« seine Wahrheit in einer Gestalt, in welche es an diesem Punkt umzuschlagen droht; es ist die Gestalt des »unglückliche[n] Selbstbewußtseyn[s]«119. Erst in der christlichen Religion wird wieder ein Bewusstseinsphänomen erreicht, in welchem Substanz und Subjekt in eins gesetzt und zur Wahrheit des Subjekts als substantielle Allgemeinheit gemacht werden.120 Zu dieser neuen Form der vertieften Geistigkeit kann es aber die Kunst-Religion mit ihren Mitteln nicht bringen. – Für die Sittlichkeit hingegen bedeutet die nun erkannte Wahrheit einer ›Identität von Selbst und absolutem Wesen‹, dass die objektive Verbindlichkeit der schönen Polis gegen die abstrakte Freiheit des Subjekts bzw. die abstrakte Rechtlichkeit der Person eingetauscht wurde. Die freie, selbstbestimmte Subjektivität gibt sich aber nicht damit zufrieden, ihr Selbst als Wesentlichkeit bloß abstrakt zu wissen, sie will es als Prinzip der Freiheit auch praktisch verwirklichen, sich eine sittliche Ordnung bauen, die ihrem innerlichen Prinzip entspricht und in welcher sie sich verobjektiviert weiß. Die moderne Subjektivität will sich in der Geschichte entfalten, und dafür muss sie die Objektivität nach den Strukturen dieses Selbst transformieren, um auch im Politischen das ›unglückliche Bewusstsein‹ zu überwinden: Es ist für Hegel der große Mensch der Geschichte, der weltgeschichtliche Revolutionär, der die alte, überlebte sittliche Ordnung von ihren Fundamenten sprengt und an ihrer statt ein neues Prinzip stiftet; groß an ihm ist dabei nicht eine willkürliche, vereinzelte Tathandlung, sondern die Verwirklichung eines im Bewusstsein der Allgemeinheit vorbereiteten und nur noch der Durchsetzung harrenden Akts, der zunächst notwendig unsittlich sein muss. Mit dem Naturrechtsaufsatz gesprochen, ist dieser Mensch derjenige, der den eingepflanzten Samen des Neuen zum Keimen bringt. Der allererste revolutionäre Akt ist insofern schon die aus sich selbst heraus geschehene Schwächung der alten Ordnung, auf die – zuerst ganz passiv – das allgemeine Bewusstsein mit Skepsis reagiert. In die Leere, die aus der Selbstauflösung des Sittlichen aufbricht, legt sich der Samen des Neuen, der 118 

Ebd., S. 400. Ebd., S. 401. 120  Vgl. Maza (1998), S. 185 ff. 119 

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fortan in seiner Keimung nicht mehr aufzuhalten ist. Die Aktivität, die tätige Seite innerhalb dieses Vorgangs, verlagert sich in der Folge von den alten auf die neuen Kräfte. Der zweite revolutionäre Akt besteht dann im Aussprechen und Bewusstmachen des Wesensverlustes, wofür die Komödie eine entscheidende Rolle spielt, da sich in ihrer Artikulation lächerlich gewordener Vorstellungen vom Absoluten und Substantiellen bereits ein neues, höheres Prinzip ausspricht. Der dritte revolutionäre Akt ist schließlich die geschichtliche Verwirklichung einer neuen Ordnung durch das weltgeschichtliche Subjekt, das gegen das herrschende Allgemeine in Recht und Sitte unsittlich Sittlichkeit stiftet. Es muss zunächst schuldig werden an einem Allgemeinen, das gegenüber der Individualität Gerechtigkeit und Macht besitzt und das wegen seiner Allgemeinheit mit Recht von dieser Individualität Anerkennung und Unterwerfung verlangen kann. Wird aber die mit Sokrates in die Welt gekommene freie, selbstbestimmte Subjektivität, wie sie in der Komödie ästhetisch reflektiert wird, zur Gültigkeit allgemeiner Sittlichkeit verwirklicht, entsteht ein Gebilde der atomistischen Versammlung abstrakt-rechtlicher Personen. Bereits im Komödienkontext des die Bühne erstürmenden Demos hatte Hegel kritisch angemerkt, dass die demokratische Revolution sich bald von ihrer problematischen Seite zeigt. Dieses Problem liegt für Hegel vor allem im Falle der römischen Welt vor, die sich geschichtlich fürderhin am Problem abarbeitet, das Staatsrecht der Tendenz nach dem übermächtigen Privatrecht aufzuopfern.121 Jürgen Habermas weist darauf hin, dass sich die rechtsphilosophische Deutung des Römischen Reichs vom Naturrechtsaufsatz zur Phänomenologie des Geistes erheblich wandelt122: Gestützt auf die schon in Tübingen studierte Geschichte Roms des englischen Geschichtsschreibers der Aufklärung Edward Gibbon, History of the Decline and Fall of the Roman Empire, versteht der frühe Jenaer Hegel die Zeit nach der griechischen Polis als bedingungslosen Zerfall der schönen, freien Sittlichkeit. Unter Erniedrigung und Entpolitisierung der Bürger habe sich das Privatrecht der Bürger Roms durchgesetzt. Um die Zeit der Niederschrift der Jenaer Geistphilosophie ändert sich bis zur Phänomenologie aber diese Auffassung: Das bürgerliche Privatrecht wird nun als eine langsam sich re-formierende, neu konstituierende Sittlichkeit begriffen, die qualitativ etwas Neuartiges mit neuer Stabilität ist. Habermas meint, erst »der unter Rechtsnormen auf Dauer gestellte Verkehr komplementär handelnder Individuen macht Ich-Identität, nämlich das Selbstbewußtsein, das sich im anderen Selbstbewußtsein erkennt, zur Institution. Handeln auf der Basis 121  122 

Vgl. GW 9, S. 260 ff. Vgl. im Folgenden Habermas (1967), S. 151 f.

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gegenseitiger Anerkennung wird durch das formale Verhältnis zwischen Rechtspersonen erst garantiert.«123 Insofern ersetzt Hegel hier seine abwertende Deutung der römischen Welt der Sittlichkeit durch eine im Sinne des politischen Fortschritts in der Geschichte anerkennende. Das bürgerliche Rechtsverhältnis, das sich nach dem mit der Komödie eingetretenen Untergang der Polis als in dieser angelegtes und sich befreiendes, modernes Prinzip der freien Individualität verwirklicht und objektiv versittlicht, tritt an die Stelle der griechischen Bestimmung fester objektiver Geistigkeit. Gleichwohl – und diesen Punkt betont Hegel an zahlreichen Stellen seiner verschiedenen Ansätze in Jena und danach – bringt es der bürgerliche Zustand nie wieder zur ästhetisch-konsistenten Sittlichkeit Athens; mit dem römischen Rechtszustand und aller sich anschließender objektiver Erneuerungen dieses bürgerlichen Prinzips ist gegenüber den Griechen ein sittliches Gebilde wirklich geworden, das sein problematisches Grundmoment der Zerrissenheit und Atomistik nicht loswerden kann. Das neue Prinzip Subjektivität ist politisch zunächst nicht zur substantiellen Totalität zusammenzuschließen; der Grundwiderspruch bleibt. Auf diesen Chiasmus von Ästhetik und Politik wird im Kapitel über die Satire noch ausführlich und weiter ausholend einzugehen sein; mehr sei an dieser Stelle noch nicht eingebracht. Anders als zu einem welt- und religionsgeschichtlichen schweigt die Phänomenologie zu einem ästhetischen ›Danach‹, weil der Fortgang über die Komödie hinaus nicht mehr aus der Perspektive des Künstlerischen beleuchtet wird. Eine Auseinandersetzung mit der modernen Komödie  – wie sie im Naturrechtsaufsatz zu finden ist – fehlt in der Phänomenologie somit aus verständlichen Gründen. Hegel spricht der attischen Komödie Einzigartigkeit gegenüber allen späteren Ausformungen zu, wenn er meint, das Selbst gefalle sich hier in einem »Wohlseyn und Sich-wohlseyn-lassen […], wie sich ausser dieser Komödie keins mehr findet«124. Alle weiteren Bestimmungen bleiben ausgespart. Mit dem Übergang des komischen Selbstbewusstseins in die ›offenbare Religion‹ geht die Ästhetik in die Religionsphilosophie über; und mit der Komödie erreicht die Kunst-Religion ihren höchsten Punkt – zugleich zerbricht sie an ihm. Unausgesprochen deutet sich hier zumindest eine Vorstufe zur These vom Ende der Kunst an, wie sie in der Enzyklopädie und den Vorlesungen über die Philosophie der Kunst ausgeführt wird: Sobald das allgemeine Wesen zu einem reinen Gedanken des Selbstbewusstseins geworden ist, ist die Kunst(-Religion) an ihr Ende gekommen; sie ist im wirklichen Selbstbewusstsein der Komödie vollendet und zugleich am Ende 123 

124 

Ebd., S. 151. GW 9, S. 399.

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angelangt, weil sie sich in dieser Verinnerlichung als genuin ästhetische resp. äußerlich darstellbare Form geistigen Selbstbezugs selber aufhebt. Gerade weil die schöne Kunst auch in der Phänomenologie an die schöne griechische Sittlichkeit gebunden ist, bedeutet dieses Grab das Ende der Kunst überhaupt. Das Privileg, Selbsterkenntnismedium des Geistes zu sein, überträgt die Kunst an die Religion, die als die christliche insofern eine die klassische Kunst überbietende Form der Wahrheitsvermittlung ist, als dass erst hier die wahre Subjektivität Gottes und des Menschen tatsächlich offenbar wird.125 Die Komödie ist das heitere, spontane und enthusiastische Erwachen dieser Erkenntnis. Die Vorstufe zur ›offenbaren Religion‹, die »Religion der Kunst hat sich in ihm [i.e. dem komischen Selbstbewusstsein, N.H.] vollendet und ist vollkommen in sich zurückgegangen.«126 Somit ist die Komödientheorie im Horizont der religionsphilosophisch durchgearbeiteten Bewusstseinsgeschichte ein unerwarteter Höhepunkt am Ende des Kunstkapitels der Phänomenologie, auf den – ohne dass es in dieser Weise antizipierbar war – die Bewegung des Religionskapitels von Beginn an als Zielpunkt hingearbeitet hatte.127 Für die gesamte Kunsttheorie des frühen Hauptwerks Hegels ist es von großer Bedeutung, dass mit der Komödie die antike Kunst ihre höchste Form findet. Das Bewusstsein suchte zuerst im Lichtwesen, dann in der Pflanze und im Tier nach möglichen Symbolisierungen für das Absolute, es ist aber erst der Künstler als Werkmeister, in dessen bewusster Gestaltung sich der Geist in angemessener Weise weiß. Hegel begreift die Pyramiden, Obelisken, die Bildsäule, die Mysterien- und Opferkulte als noch unvollkommene Stufen, die erst durch das sprachlich verfasste Kunstwerk auf eine qualitative Ebene gesetzt werden, auf welcher sie dem Geist die Möglichkeit umfassender Selbstanschauung bieten können. Selbstbewusst wird die Kunst-Religion durch das Moment der Handlung, das rudimentär im Hymnus, geschichtlich-sittlich vermittelt und auf die griechischen Göttervorstellungen bezogen aber erst im Epos durchgesetzt ist. Voll erkannt und geistig abgeschlossen ist dieser Prozess mit der Komödie.

125 

Vgl. Oelmüller (1979), S. 245. GW 9, S. 399. 127  Vgl. hierzu auch Schulte (1993), S. 224. 126 

IV.  DER »HÖHERE ZUSTAND«. EXKURS ZU SCHILLER

Aus der Phänomenologie des Geistes ist die Komödie als ästhetischer Ausdruck menschlichen Freiheitsbewusstseins entwickelt worden. Diese geistphilosophische Kernbestimmung wertet die komische Gattung innerhalb des Verbundes künstlerischer Formen in besonderer Weise auf und beweist nicht zuletzt die Modernität der Ästhetik Hegels. Weder ihre philosophische Anerkennung noch die Auffassung, Ausdruck der selbstbestimmten Subjektivität und ihrer Freiheit zu sein, war um 1800 allgemeiner Konsens – weit gefehlt. Unter diesem Gesichtspunkt weicht Hegels Ansatz von der Definition der Komödie ab, wie sie Schelling in seinen Vorlesungen über Philosophie der Kunst von 1802 bis 1805 entwickelt hat – freilich ohne dass dies im kritischen Vorsatze Hegels liegen konnte, erschienen die Ausführungen doch erst im Jahre 1859 im Rahmen der Sämmtlichen Werke. Gleichwohl war er – in Jena in regelmäßigem Austausch mit Schelling stehend – mit den Reflexionen vertraut. Schelling hatte in seinen kunstphilosophischen Vorlesungen gelehrt, das Wesen des Komischen liege in einem verkehrten Verhältnis von Freiheit und Notwendigkeit, Ergebnis sei eine ›verkehrte Welt‹: Freiheit erscheine als Notwendigkeit und umgekehrt.1 Bezieht man diesen Begriff auf die Komödie, ergibt sich für Schelling die Grundbestimmung, in ihr zeige sich das komische Subjekt als reine Notwendigkeit und seine Gegenstände als solche der Freiheit, wodurch sich lachendes ›Wohlgefallen‹ rege. Sie ist damit der Zusammenprall eines unfreien, lächerlichen Menschen mit den freiheitlich verfassten Verhältnissen seiner Welt, der gegenüber der Beschränkte ob seines Befangenseins in nichtigen Orientierungen ohnmächtig ist.2 – Die Stoßrichtung dieser schematischen Gattungstheorie, die in ihrem Anliegen viele Fragen offen lässt, wird vielleicht deutlicher, besieht man sich die nähere Ausarbeitung der Gedanken durch den Schelling-Schüler Stephan Schütze. In seiner Schrift Versuch einer Theorie des Komischen von 1817 versteht er das Komische als ein Spiel – und zwar keineswegs als ein freies Spiel, das der Mensch mit den Dingen treibt, sondern umgekehrt »das in und bey der Freyheit des Menschen sichtbar werdende Spiel der Natur mit dem Menschen«3. Es erregt ein bloß dunkles, unbewusst bleibendes Gefühl, hinter dem ver1 

Vgl. Schelling: SW I, 5, S. 711 f. Vgl. ebd., S. 716 f. 3  Schütze (1817), S. 23; vgl. hierzu auch Hebing (2014), S. 120. 2 

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Der »höhere Zustand«. Exkurs zu Schiller

meintlich freien Handeln stecke eine scherzhaft gängelnde Absicht der Natur, wodurch die beschränkte menschliche in Beziehung auf eine höhere Freiheit verspottet werde. Ein solch dunkles Gefühl kitzelt aus dem Unfreien ein Lachen heraus, das der blinden Ahnung geschuldet ist, physisch abhängig und gegenüber höheren Idealen unzulänglich zu sein. Es ist ein Lachen, das über die Tragik des Endlichen hinweglacht, den Kontrast mit dem Unend­ lichen aushalten zu müssen. Zu den Voraussetzungen wie Attributen des Komischen gehören bei Schütze demnach die Bewusstlosigkeit, Unfreiheit und Ohnmacht des Subjekts vor der Natur. Im Zusammenhang des Naturrechtsaufsatzes wurde herausgearbeitet, dass Hegel Momente seiner frühen Komödientheorie mit Schelling teilt: so vor allem in Hinblick auf die zweifache Substanz des Göttlichen, die Bestimmung der antiken Komödie als ›göttliche Komödie‹ und den Begriff der ›Schicksallosigkeit‹. Das geistige Wesen und politische Grundverhältnis des Komischen hingegen wird bei Hegel in anderer Weise bestimmt: Wie gezeigt wurde, ist ihm die Komödie die Darstellung eines freien Subjekts, das seine vorgefundene Objektivität zunehmend als Unfreiheit bzw. als seinem innerlichen Prinzip nicht mehr angemessen wahrnimmt. Statt an Schelling knüpft er mit seiner anerkennenden Bestimmung der Komödie vielmehr an eine Gattungsauffassung an, wie sie in den von ihm intensiv studierten theoretischen Schriften Friedrich Schillers entworfen wird. Zeugnis davon geben insbesondere seine Ausführungen in der Einleitung der Berliner ÄsthetikVorlesungen, aus welchen Hegel hervorgehen zu lassen gewillt ist, Schillers Ansatz in Fragen der Kunst als den seinem eigenen am nächsten verwandten herauszustellen4; gleichsam war Schiller bereits lange vor der Berliner Zeit ein entscheidender philosophischer Orientierungspunkt, von dem aus Hegel sein ästhetisches Denken schärft und auf den Prüfstein stellt.5 Annemarie 4 

Vgl. Hotho (1823), S. 240 ff. Vgl. Kaufmann (1965), S. 46 ff.; Borcherdt (1948), S. 109 f. Hans Heinrich Borcherdt betont, dass Hegel mit Schelling und Hölderlin in der gemeinsamen Tübinger Zeit die Begeisterung für Schillers Dichten und Denken teile, ihm allerdings als einziger von den dreien bis zu seinem Lebensende die philosophische Treue im Geiste halte. Vor allem das Gedicht Die Götter Griechenlands habe Hegel nachhaltig begeistert. Noch das letzte Kolleg im Wintersemester 1828/29 der Berliner Vorlesungen über die Philosophie der Kunst geben Zeugnis davon, wie tief sein geschichtsphilosophischer Antike-Bezug von diesen Gedanken Schillers geprägt ist. Vgl. Libelt (1828/29), Ms. S. 87a f. Neben anderen lyrischen Werken wie Die Freundschaft und Das Ideal und das Leben bleibt vor allem die theoretische Schrift Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen bis in die Spätphilosophie hinein ein entscheidender Bezugspunkt seiner Philosophie der Kunst. Vgl. zum unmittelbaren Enthusiasmus bei der Lektüre der Ästhetischen Erziehung den Brief Hegels an Schelling vom 16. April 1795. In: Br 1, S. 25. Vgl. auch: Oellers (1967), S. 275. 5 

Was kann eine gute Komödie eigentlich wirken?

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Gethmann-Siefert weist nach, wie Hegel insbesondere seine systematische Konzeption einer geschichtsphilosophischen Kunsttheorie aus seinen frühen religionskritischen Überlegungen mit Hilfe der Ästhetik Schillers gewinnt.6 Dies bezieht sich ebenso auf komödientheoretische Fragestellungen, hinsichtlich derer Hegel in erster Linie aus der historisch-kunstphilosophischen Abhandlung zur antiken und modernen Poesie Ueber naive und sentimentalische Dichtung von 1795 eigenständige Grundlagen entwickelt. Jene freie Anbindung an Schillers Position ist nicht ganz unschuldig an der besagten Modernität, die Hegels Komödienverständnis offenbart. Im Verbund mit der Dichtungsschrift sowie Schellings Jenaer Philosophie lässt sich der genuine Charakter der Komödientheorie Hegels, quasi als Schenkel eines diskursiven Dreiecks, signifikant bestimmen.

1.  Was kann eine gute Komödie eigentlich wirken? Neben dem argumentativen Hauptstrang einer Verschränkung von poetologischer und politisch-geschichtsphilosophischer Auseinandersetzung mit der antiken und modernen Welt und ihrer Dichtung setzt sich Schiller auch mit der Frage auseinander, »welche von beyden, die Tragödie oder die Comödie, vor der andern den Rang verdiene«7 und warum sie ihn verdiene. Die Beantwortung hatte bis dato bereits eine längere Geschichte in Schillers Denken durchlaufen, in welcher sie aufgrund von Unentschiedenheiten hinsichtlich der Maßstabsetzung bei der Beurteilung gewissen Wandlungen unterlag. Schiller greift mit dieser Frage eine alte Problemstellung auf, die er bereits in seinem 1784 gehaltenen Vortrag Was kann eine gute stehende Schaubühne eigentlich wirken? aufgeworfen hatte.8 Dort meint er sehr vorsichtig, wenn »wir es unternehmen wollten, Lustspiel und Trauerspiel nach dem Maas der erreichten Wirkung zu schäzen, so würde vielleicht die Erfahrung dem ersten den Vorrang geben«, denn »Spott und Verachtung verwunden den Stolz des Menschen empfindlicher, als Verabscheuung sein Gewissen foltert«9. Die höherstellende Einschätzung erklärt sich dabei sowohl aus ihrer Wirkung erreichter Besserung des Publikums, der er in der Tradition Gottscheds und Lessings stehend hier noch anhängt, als auch aus ihrer Grundcharakteristik, es den Figuren zu erlauben, ganz »Mensch zu seyn«10. In seinem Fragment  6 

Vgl. Gethmann-Siefert (1984), S. 17 ff. Schiller: NA 20, S. 444 f.  8  Vgl. Profitlich (2006), S. 177 ff.  9  Schiller: NA 20, S. 94. 10  Schiller: NA 20, S. 100; vgl. hierzu auch Profitlich (2006), S. 180.  7 

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Der »höhere Zustand«. Exkurs zu Schiller

Tragödie und Comödie von 1792 hingegen entscheidet er sich schon bestimmter für die andere dramatische Gattung, indem er festsetzt, beide im Titel genannten Formen gingen zwar darauf, das »Gemüth in Freiheit zu setzen«11, sie pflegten dies jedoch in recht unterschiedlicher Weise zu tun: Die Komödie sei nämlich nicht vor die Aufgabe der Tragödie gestellt, im dramatischen Handlungsverlauf eine Überlegenheit des Zuschauers über Abhängigkeiten der Handlungsereignisse zu erreichen, sondern habe von vorne herein von einer distanziert-distanzierenden Überlegenheit über die dargestellten Ereignisse auszugehen.12 Damit ist verbunden, dass die ›Gemütsfreiheit‹, die die Tragödie allererst erreichen muss, in der Komödie von Anfang an Bestand hat: »die Comödie sezt uns in einen höheren Zustand, die Tragödie in eine höhere Thätigkeit«13. Das bedeutet dann aber zugleich, dass die TragödienKategorie einer als dramatische Darstellung sich vollziehenden ›Befreiung‹ des Menschen für sie nicht gilt. Gemäß anthropologischer Voreinstellungen muss Schiller notwendig zu einer Bevorzugung der Tragödie gelangen; denn wenn es zum Wesen des Menschen gehört, »unter dem Schicksal« und »unter dem Zwang von Gesetzen« zu stehen, und er sich aus seinem Freiheitsdrang nicht mit diesen Abhängigkeiten abfinden kann, daher »eine höhere rüstigere Kraft […] aufgeweckt und geübt werden« muss, dann ist eine Komödienform unbrauchbar, die ja frei von Konflikt nur »jenes glückliche Gleichgewicht« kennt, in welchem der Mensch »mit nichts zu kämpfen«14 hat. Im Sinne einer ästhetisch verdichteten Darstellung des sich in Not und Fessel regenden subjektiven Drängens auf Befreiung benötigt das Drama einen Ausgangspunkt der Abhängigkeit und Zerrissenheit, von welchem die Liberation ihre geschichtliche Entfaltung nehmen kann. Diesen findet es nicht in einem immer schon komisch versöhnten Plot. Ohne dass sie das zu Lebzeiten unveröffentlicht gebliebene Fragment Schillers kennen konnten, teilen die Tübinger Stiftsgenossen über ihre gemein11 

Schiller: NA 21, S. 91. Kraft (2011), S. 165 ff. – Vgl. auch Berghahn (1972), S. 497 ff. »Die Tragödie ergötzt uns durch Schmerzen, indem das Pathetische als Ausdruck der leidenden Natur auf das Erhabene als das Vermögen zur Freiheit weist. Das Erlebnis des Erhabenen in der Form der Tragödie vergnügt uns, da es uns die Möglichkeit der Freiheit vorstellt; es stärkt uns, da wir in ihm unsere geistige Kraft spüren und vermehren.« (S. 498) Freiheit muss somit als ›Freiheit von Abhängigkeiten‹ verstanden werden: In der Tragödie ist es das Ziel, sich des Mitleidens physischer Beeinträchtigung durch äußerliche Einwirkung zu entledigen, indem sich geistige Erhabenheit darüber einstellt. Freiheit muss hier allererst erreicht werden. Ihre wesentliche Wirkung stellt sich erst am Ende dieses Prozesses ein. Vgl. hierzu auch Endres (1996), S. 29 f. 13  Schiller: NA 21, S. 92. 14  Ebd., S. 93. 12  Vgl.

Was kann eine gute Komödie eigentlich wirken?

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same Zeit hinaus allesamt die Auffassung, in der Komödie einen von keinem Konflikt durchzogenen Zustand vorzufinden. Es ist bereits an Hegel gezeigt worden, wie in der Jenaer Phase die Gattung als friedliche Harmonie von Göttern und Menschen gezeichnet wird, die als eine ›göttliche Komödie‹ die Subjekte frei walten lässt, unter keinem höheren Diktat stehend, selbst in Spott und Überheblichkeit die allgemeine Ordnung bestärkend, weil dieses Lachen gerade den Ernst und die Würde des objektiven Hintergrunds in seiner absoluten Gültigkeit anzeigt. Vergleichbare Attribute, die der Tragödie fremd und allein mit der Wirkung der Komödie verbunden sind, weist auch Schiller diesbezüglich zu, wenn er hervorhebt, »ruhig, klar, frei, heiter« sei der Zustand in der Komödie; »wir fühlen uns weder thätig noch leidend, wir schauen an und alles bleibt außer uns; dieß ist der Zustand der Götter, die sich um nichts menschliches bekümmern, die über allem frei schweben, die kein Schicksal berührt, die kein Gesetz zwingt«15. Wie kann also diese Nähe in der Frage nach einer philosophischen Bestimmbarkeit der komischen Gattung zu Stande kommen? Das Rätsel klärt sich schließlich auf, wenn Hegels und Schellings Lektüre einer anderen, deutlich späteren Schrift Schillers berücksichtigt wird, und zwar derjenigen Ueber naive und sentimentalische Dichtung, die ihnen frühestens ab der Erstveröffentlichung 1795 zugänglich gewesen sein konnte. Darin wird die Problematik, nach deren Lösung Schiller in seinem Fragment suchte, aufgegriffen und in einer genauso durch den Bezug auf weitere ästhetische Kategorien gewinnenden wie grundlegend neuen Komödienauffassung überwunden. Hierin begegnen sowohl die für den Jenaer Hegel des Naturrechtsaufsatzes anschlussfähigen Bestimmungen der Versöhnung und ›Schicksallosigkeit‹, die aus dem Hegel unbekannten Fragment übernommen werden, als auch – und zwar in einer beeindruckenden Erweiterung des theoretischen Zugriffs – die anerkennende, geradezu enthusiastisch feiernde und der Komödie weitreichende politische Relevanz zusprechende Dimension, die Hegel in der Phänomenologie des Geistes in eine theoriegeschichtlich bisher einzigartige Aufwertung der Gattung innerhalb einer geschichtlichen Genese des zu sich selbst kommenden Geistes treibt. Hegel lässt sich damit von einem komödientheoretischen Ansatz inspirieren, der in Fragen der poetologischen Wertung im Kontext der philosophischen Ästhetik genauso neuartig und unverwechselbar wie geistreich ist.16

15 

16 

Ebd., S. 92 f. Vgl. hierzu auch Profitlich (2006), S. 202.

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Der »höhere Zustand«. Exkurs zu Schiller

2.  Die Gemütsfreiheit Für die Beurteilung von Tragödie und Komödie wählt Schiller im Neuansatz seiner Abhandlung über antikes und modernes Dichten nun generell ein anderes Kriterium, das in dieser veränderten Maßstabsetzung auch zu einem veränderten Resultat führen muss: Hier ist es die Komödie, die auf dem höchsten Rang erstrahlt.17 Gehe man nämlich vom Gegenstand des Handlungsgeschehens aus, d. h. von den unter dem Stern des Schicksals sich vollziehenden Taten eines Helden, der sich von dieser Abhängigkeit befreien will, ohne dass er es vollbringt, bleibe weiterhin kein Zweifel daran, die Tragödie als eine bedeutsamere Gattung verstehen zu müssen – »will man aber wissen, welche von beyden das wichtigere Subjekt erfodre«, so müsse »der Ausspruch eher für die letztere«, d. h. für die Komödie, »ausfallen«18. Es wird an dieser Stelle bemerklich, dass schon Schiller die von Hegel herausgearbeitete Subjektivität, die sich in der Komödie neue Bedeutung und Qualität verschaffen kann, als zentrales Unterscheidungsmoment festlegt, indem sich hier nämlich die Loslösung vom Gebundensein an die zuschnürende Verwicklungen herbeiführende Objektivität abzeichnet: »In der Tragödie geschieht schon durch den Gegenstand sehr viel, in der Comödie geschieht durch den Gegenstand nichts und alles durch den Dichter.«19 Wo aber der Dichter – ebenso wie sein Held – nicht mehr der Bindung an die objektive Notwendigkeit des Schicksalszusammenhangs unterliegt, da kann er seine Handlungssubjekte freilassen und in ihnen einen Ausdruck des unter keinem Zwang stehenden Menschen schaffen. Während in der Tragödie also das Objekt handlungsbestimmend ist und hinter diesem das Subjekt zurücktritt, wird in der Komödie das Subjekt befreit, so dass es »sich gleich bleiben« und »schon dort seyn und dort zu Hause seyn«20 kann, wohin das Tragödiensubjekt erst noch gelangen muss und gelangen will und – zumindest in Schillers eigenen Tragödien – praktisch nicht gelangen wird. So zeigt sich für Schiller im komischen Drama die wahre »Größe« des Menschen in ihrer subjektiv verwirklichten Erscheinung als »ein Unendliches in jedem Punkte seiner Bahn«21 – unend17 

Unter dem Gesichtspunkt der Kategorie der ›Gemütsfreiheit‹ ist die Satire, über der Elegie und über der Idylle, die sentimentalisch-moderne Grundkonzeption des Dichterischen, die in Schillers Augen den höchsten Rang verdient. Zu dieser Gattung gehört auch die Komödie, welche die Tragödie noch übersteigt. Vgl. Rhi (2002), S. 103 f. 18  Schiller: NA 20, S. 445. Hier und im Folgenden beziehen sich Angaben jeweils auf Schillers Abhandlung Ueber naive und sentimentalische Dichtung auf der Textgrundlage des Bandes 20 der Nationalausgabe. 19  Schiller: NA 20, S. 445. 20 Ebd. 21 Ebd.

Die Gemütsfreiheit

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lich wird hier der Mensch in seiner Schrankenlosigkeit. Das Subjekt der Komödie wirkt in seiner Freiheit und Heiterkeit, nach welcher als Möglichkeit der Handelnde in der Tragödie lediglich strebt. Doch dieses Verhältnis von Beschränkung und Freiheit als Differenz der beiden dramatischen Modi ist komplexer und in sich beweglicher gedacht, als es im bisher Ausgeführten zu scheinen vermag. Aus den angeführten Gründen steht im Zentrum der Überlegungen Ueber naive und sentimentalische Dichtung die »Freyheit des Gemüths«22, ein Gedanke, welcher das mittlerweile erfolgte intensive Kant-Studium deutlich verrät und innerhalb dieses Konzepts einen Zustand beschreibt, auf den alle Explikationen und Bestimmungen der reifen Ästhetik Schillers hinauslaufen.23 Wie der Gedanke vor allem in den Briefen Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen ausgeführt wird, müsse die Kunst immer im Dienste des freien, ganzen – und in diesem höchsten Ausdruck idealischen – Menschen stehen, indem sie ihn in einen Gemütszustand versetzt, in welchem seine physische Naturseite ohne die Verzerrung einer Diktatur der Vernunft zur Freiheit der zwanglosen Erscheinung veredelt wird, die auch nach politischer Verwirklichung verlangt.24 – Dies gilt gleichfalls für die Schrift über den Unterschied des Naiven und Sentimentalischen: Der Kunst höchstes Ziel liege darin, »wornach der Mensch zu ringen hat«25, und zwar in dieser grundsätzlichen Bestimmung seines Wesens. Aus den mannigfachen Strategien der Kunst, Autonomie des ganzheitlichen Menschen hervorzubringen, hebt Schiller die Dichtung, und in ihr wiederum das Drama, als eine besonders geeignete Form zur Erreichung des höchsten Ziels hervor, womit er zu einer gedanklich vertieften Unterscheidung von Tragödie und Komödie vorstößt: »Diese Freyheit des Gemüths in uns hervorzubringen und zu nähren, ist die schöne Aufgabe der Comödie, sowie die Tragödie bestimmt ist, die Gemüthsfreyheit, wenn sie durch einen Affekt gewaltsam aufgehoben worden, auf ästhetischem Weg wieder herstellen zu helfen.«26 Die eigentliche Differenz, die Schiller hier theoretisch zu fassen versucht, wird erst auf den zweiten Blick deutlich: Vorderhand mag es nämlich scheinen, als bestünde der Unterschied in der Modalität der Zielführung, d. h. in der Weise, wie der gemeinsame Fluchtpunkt der Gemütsfreiheit als im Kern idealische Bestim22 Ebd. 23 

Vgl. Profitlich (2006), S. 181 f. Vgl. hierzu den vierten Brief, der in einer der Ankündigung dienenden Raffung das Programm ausspricht, das die sich anschließenden Briefe näher ausführen werden: Schiller: NA 20, S. 315 ff. 25  Schiller: NA 20, S. 446. 26  Ebd., S. 445. 24 

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Der »höhere Zustand«. Exkurs zu Schiller

mung des Menschen herbeigeführt wird: einmal als Herstellung und Bestärkung, im anderen Fall als Aufhebung und Wiederherstellung. Entscheidender angesichts dieser Formulierung ist aber die Frage, um welche Freiheit es sich in dem einen und in dem anderen Fall überhaupt handelt. Wenn von einem ›Affekt‹ die Rede ist, der die Freiheit ›gewaltsam aufhebt‹ und den Menschen beschränkt, handelt es sich dabei um das tragische Leiden des Helden an einem physischen Extrem. Sein Seelenfrieden wird durch äußere Einwirkung massiv gestört, so dass er sie als ein Schicksal über sich ergehen lässt, sich ins Innere zurückzieht und dort diejenige Freiheit sucht und findet, die ihm in der Objektivität verwehrt wird: Der Körper kann gezwungen werden, der Geist aber nicht. Daher kann Schiller sagen, der »Tragiker« müsse »immer das Herz interessiren«27, denn auch der Zuschauer fühlt bei der Betrachtung die Freiheit als eine solche der Innerlichkeit, obwohl er physisch vom Bühnengeschehen ganz befangen ist. – Wenn die Komödie dagegen frei von Schicksal und ihr Subjekt dementsprechend frei von körperlichen oder stofflichen Bedrängnissen ist, ihre Wirkung im Resultat aber mit derjenigen der Tragödie verglichen werden kann, muss die von ihr hergestellte Gemütsfreiheit eine andere sein. Zu erschließen ist dieser Unterschied durch eine bei Schiller nicht explizit gemachte Anlehnung an die aristotelische ›kátharsis‹-Lehre, die er im Unterschied zum antiken Philosophen hinwiederum auf die Komödie einschränkt: Während der tragisch Leidende in der physischen Unfreiheit gefangen bleibt, die ihm und dem mitfühlenden Zuschauer keine seelische Reinigung erlaubt, befreit sich der Betrachter des Komödiengeschehens durch sein Lachen ganz leiblich von allen ihn gemüthaft fesselnden und vereinnahmenden Leidenschaften und Gefühlsregungen. Dieses Gelächter macht das Gemüt frei von Erregungen und vor allem frei für die sich im Erfolg ungestört entfaltende Verstandesleistung.28 Bereits in der Schaubühnen-Rede bezeichnete Schiller die Komödie als »heilsam«29, da sie kathartisch eine therapeutische Wirkung erziele, die durchaus physiologisch zu verstehen ist.30 Wenn Schiller meint, die Tragödie gehe »von einem wichtigern Punkt aus«, die Komödie strebe jedoch »einem wichtigern Ziel entgegen«, verhandelt die eine zwar den Gegenstand Freiheit auf dem Wege der Erzeugung ihrer kontrastiven Negation und vollzieht darin eine Thematisierung im Kontext des Patheti27 

Ebd., S. 446. »der Comiker muß sich vor dem Pathos hüten und immer den Verstand unterhalten«, er zeigt »durch beständige Abwehrung der Leidenschaft seine Kunst«. Vgl. Schiller: NA 20, S. 446. 29  Schiller: NA 20, S. 94. 30  Vgl. im Folgenden Endres (1996), S. 30 ff.; Immer (2006), S. 257 f. 28 

Die Gemütsfreiheit

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schen und Erhabenen, die durch die prozesshafte Entgegensetzung im auf der Bühne dargestellten Leiden an der Verbannung in Zwang und Abhängigkeit innerlich an dem teilhaben lässt, was äußerlich gerade mangelt; die andere allerdings zeigt eine tatsächliche Befreiung der Subjekte in Kongruenz zwischen der Bühnenfigur und dem Zuschauer, die als zunächst befangene menschliche Gemüter dem ›wichtigeren Ziel‹ entgegengebracht werden, sich von bindenden Empfindungen – ›wirklich‹ in der aristotelischen Bedeutung der ›enérgeia‹ – in die Freiheit des Verständigen versetzen zu lassen. Dadurch wirkt die Komödie – anders als die Tragödie, der Schiller ein solches Resultat abspricht – in einem zunächst ganz physischen Akt, der zur Befreiung von körperlicher Abhängigkeit führt. Gemäß den Grundlagen in den Briefen Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen gewinnt dieser Vorgang weitergehende Relevanz für ein komplex entworfenes Bildungsmodell31: Die 31  Vgl.

auch Koopmann (1969), S. 281 ff.; Heininger (1988), S. 846 ff.; Kraft (2011), S. 177 f. sowie Profitlich (2006), S. 186, der meint, der ›höhere Zustand‹, in den die Komödie führen solle, sei mit dem ›ästhetischen Zustand‹ gleichzusetzen, der im Zentrum der Ausführungen der Briefe Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen steht. – Dieser Aspekt muss näher erläutert werden: Da im Zentrum des Darstellungsinteresses der ästhetischen Briefe die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit steht, wie der moderne Mensch sich zu einem freien Bürger in einer freien zivilisierten Gesellschaft veredeln kann, erhält dieser höhere oder ›ästhetische Zustand‹ eine entscheidende politische Dimension. Wie Birgit Sandkaulen hervorhebt, ist in Schillers Begriff des Schönen im Wesentlichen angelegt, einen geselligen Umgang zu kultivieren, d. h. in ein individuelles Handeln einzuüben, das ohne Preisgabe der eigenen Freiheit den anderen Bürgern die ihre Selbstentfaltung bedingenden Freiräume zu gewähren, indem Rücksicht statt Missachtung zum innerlichen Gebot gemacht werde. Die Frage stellt sich, wie aber in Schillers Ästhetik ein solcher Weg eröffnet werden kann: Gefallen am Zweckfreien zu finden, den Schein in seinem Eigensinn zu nehmen, das entwickelte Gefühl für Schönheit und der gebildete Geschmack, die sich beide vorzüglich an der Kunst schulen, erlauben dem Menschen ein wahrlich freies Spiel in einer Welt der Zwecke und Notwendigkeiten. Es ist eine Haltung, eine ästhetische Erfahrung, in welcher sich der Mensch seines Freiseins versichert, selbst dort, wo er (noch) nicht frei ist, und zwar indem er weder als Wilder seinen elementaren Kräften ungezügelt Wirklichkeit gibt noch als Barbar in der kalten Verstandesrationalität sein Bezug zum Leben verliert. Im ästhetischen Zustand eines ›ästhetischen Staates‹, so Schillers Terminologie, realisiert sich spielerisch sowie in gleichzeitiger Aufhebung und Saturierung der Totalität der Triebe und Vermögen die individuelle Freiheit, die auf gesellschaftliche Bezüge zu anderen Menschen ausstrahlt und von diesem Umgang mitein­ander wiederum ins Politische wirkt: so vor allem im vermittelnden Verständnis von Privatheit und staatlicher Allgemeinheit, weder dieses als Despotismus über jenes noch jenes im Rückzug als Wahrheit und Wesentlichkeit gegenüber diesem zu begreifen. Vgl. Sandkaulen (2005), S. 40 f., 49 ff. – Einen solchen spielerisch eingeübten ästhetischen Zustand als höchstes Ideal des Menschen entdeckt Schiller seinem Leser von Ueber naive und sentimentalische Dichtung, indem er die politische Theorie der ästhetischen Briefe sowohl zur Grundlage nimmt als auch über sie hinausgeht. Der ästhetische Zustand wird in diesem veränderten und auf die Dichtung angewendeten Kontext als eine sozialästhetische Wir-

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Der »höhere Zustand«. Exkurs zu Schiller

Komödie erzieht den Menschen einerseits durch ihren Effekt der schönen ›Abspannung‹ auf eine ästhetische Weise, bildet ihn also zu einem Zustand heran, der ihn empfindlicher macht für die Erfahrung seiner Gemütsfreiheit, was andererseits wiederum die Vorbedingung für einen intellektuellen Akt ist, in welchem sich, frei von Erregungen der ›Gefühlskräfte‹, der Verstand bewusst macht, was die wahre, weil verwirklichte Freiheit ist. In der Tragödie erfährt der Zuschauer somit in der Anschauung des heroischen Leidens bloß, die Unfreiheit schicksalhafter Wirklichkeit zu ertragen – dieses Schicksal der Geschichte, dem sich das Gemüt im Modus der Erhabenheit stellt, ist Schiller der ›große Gegenstand‹. In der Komödie hingegen wird ein wirklicher, zunächst leiblicher, in der Selbsterfahrung als ungebundenes Subjekt sich dann zur verständigen Einsicht heranbildender Zustand erlangt, der allein dem ›wichtigeren Subjekt‹ der Komödie zukommt. Wie er schon in der Schaubühnen-Rede verkündet hatte, komme es in ihr auf die Wirkung an. Die Subjektivität lernt sich in ihrer lachend erreichten, physischen Gemütsfreiheit als wirkliche Autonomie kennen, ohne dafür auf begrifflich-moralische Konzepte angewiesen zu sein.32 Im Ganzen des ästhetischen Erziehungsprogramms verortet, erstaunt es daher nicht, wenn Schiller in Ueber naive und sentimentalische Dichtung hinsichtlich der herausgearbeiteten rezeptionsästhetischen Funktionalisierung der Gattung feststellt, dass sie im Falle einer dauerhaften Einlösung der hergestellten Freiheit sogar »alle Tragödie überflüssig und unmöglich machen« würde, da ihr »Ziel« ja »mit dem höchsten, wornach der Mensch zu ringen hat«, nämlich »frey von Leidenschaft zu seyn, immer klar, immer ruhig um sich und in sich zu schauen«33 und darin sich in wahrer Freiheit zu erfahren, zusammenfällt. Um Situationen herbeizuführen, in denen das Subjekt in Zuschauerraum und Bühnenhaus sich seiner Freiheit durch gereinigten Verstand bewusst werden kann, ist der Komödiendichter auf Darstellungsmittel angewiesen, kungsweise der ›hohen Komödie‹ verstanden, die ihre wahre Bestimmung in der Hervorbringung von ›Gemütsfreiheit‹ erhält. Die Komödie wird in dieser Konfrontation der beiden ästhetischen Modelle Schillers zu einem adäquaten poetischen Ausdruck des ästhetischen Zustands, der nicht bloßer Ausdruck bleibt, sondern in seiner Realisation über sich hinauswirkt und sich in das Projekt einfügt, den Menschen wirklich in Freiheit zu setzen. Denn die Komödie steht immer schon innerhalb der Wirklichkeit und kann von dort aus die Leiter in den Himmel des Ideals aufrichten. – Annemarie Gethmann-Siefert zeigt allerdings, dass Hegel sich Schillers Modell des ›ästhetischen Staates‹ gegenüber äußerst skeptisch verhält, wenn er meint, der Kunst könne es im gegenwärtigen Zeitalter keinesfalls mehr gelingen, eine »Institution der Sittlichkeit aller« zu stiften. Vgl. GethmannSiefert (1984), S. 353. Dieser Aspekt wird an der geeigneten Stelle noch näher ausgeführt werden müssen. 32  Vgl. Koopmann (1969), S. 281 f.; Profitlich (2006), S. 186. 33  Schiller: NA 20, S. 446.

Die Gemütsfreiheit

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die in den ernsten literarischen Formen fehlen. Diese banalen und zuweilen plumpen ›Gegenstände‹ lassen sich jedoch durch den hohen Zweck ihres Einsatzes ästhetisch rechtfertigen, so dass Schiller in seinen Gedanken über den Gebrauch des Gemeinen und Niedrigen in der Kunst schreiben kann, »da […], wo es Lachen erregen soll«, könne »das Niedrige auch in der Kunst gestattet werden«34. Wegen dieser Tendenz aber, in den Niederungen des Komischen sich der Plattheit vollends auszusetzen, kann Schiller die Komödie nicht mehr als eine Ausprägung des schönen Kunstideals griechisch-antiker Herkunft begreifen.35 Als eine verständige, subjektive Form, dementsprechend als eine Form der modernen, der ›sentimentalischen Dichtung‹  – und in ihrer immanenten Unterscheidung als eine Form der ›scherzhaften Satire‹ –, ist sie über die schöne ›Simplicität‹ des Naiven immer schon hinaus. Sie ist bereits eine moderne Gattung, in ihrer Verstandesaffizierung besitzt sie einen modern reflexiven Charakter, in welchem sich der Widerspruch und die Zerrissenheit als Zustandsmomente des Sentimentalischen erfassen. Wie innerhalb dieser Zerrissenheit sich ein höherer Zustand der Wirklichkeit andeuten kann, entdeckt Schiller in zwei besonderen Formen: in der Idylle und in der scherzenden Satire der Komödie; im Falle der letzten, gerade weil sie dem Ideal entgegensteht.36

34 

Ebd., S. 243. Vgl. hierzu Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen in: Schiller: NA 20, S. 332 ff.; ebenso in Ueber naive und sentimentalische Dichtung in: Schiller: NA 20, S. 441 f. 36  Schiller schreibt nach der Publikation seiner Schrift Ueber naive und sentimentalische Dichtung am 29./30. November 1795 an Wilhelm von Humboldt: »Zeigte es sich daß eine solche Behandlung der Idylle unausführbar wäre – daß sich das Ideal nicht individualisieren ließe – so würde die Comödie das höchste poetische Werk seyn, für welches ich sie immer gehalten habe – biß ich anfieng an die Möglichkeit einer solchen Idylle zu glauben.« Schiller: NA 28, S. 119. Beide Formen – Komödie und Idylle – werden von Schiller abwechselnd für diesen höchsten dichterischen Ausdruck gehalten. Die Idylle scheitert an der Individualisierung des Ideals und damit an ihrem utopischen Charakter, an der Absolutheit des Idealischen; die Komödie, deren Inhalt gegenüber der Idylle handlungsimmanent den konkreten gesellschaftlichen Verhältnissen der Wirklichkeit auf das Engste verbunden ist, zeigt hingegen literaturgeschichtlich ebenfalls das Problem, bloße Möglichkeit zu sein: Für Schiller gibt es faktisch in der langen Tradition der abendländischen Dichtung keine einzige Komödie, die seinen dichtungstheoretischen Ansprüchen genügen würde. Vgl. Immer (2006), S. 276 ff. 35 

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Der »höhere Zustand«. Exkurs zu Schiller

3.  Schillers Entwurf und Hegels Einwand Allgemein ist zu Hegels Rezeption des Denkens Schillers immer wieder die begeisterte Aufnahme sowie ihre Bedeutung für die Erneuerung dieses Ansatzes nach Schillers Tod betont worden; so spricht Norbert Oellers diesbezüglich von Hegel gar von einem »Komet[en] der neuen Zeit«, der durch seine breite Wirkung »zum ersten Mal eine intensive wissenschaftliche Behandlung«37 möglich machte. Hegels Auseinandersetzung im Speziellen mit der Komödientheorie Schillers kann hingegen nicht auf eine singuläre Feststellung oder Beurteilung heruntergebrochen werden: weder dass er sie bloß übernimmt noch dass er sie wahrnimmt, kritisiert und schließlich ignoriert, noch dass er sich tatsächlich an ihr abarbeitet. Vielmehr begegnen demjenigen, der mit Hegels Begriff der komischen Gattung vertraut ist, bei Schiller eine Reihe von Einzelbestimmungen, die Hegel offenbar anerkennend aufgegriffen und kritisch durchdacht hat, um sie im Kontext seiner eigenen Ästhetik in einen grundsätzlich anderen theoretischen Zugriff zu überführen. Dennoch ist die Nähe zu Schillers philosophischen Schriften unverkennbar. Beide teilen eine in ihrer Zeit eher unübliche Begeisterung für die Komödienform.38 Ein entscheidendes Grundcharakteristikum beider Positionen ist die Verknüpfung von Ästhetik und Politik, die beispielsweise  – wie zuvor dargestellt – im Komödienentwurf Schellings vollständig fehlt. In der dichterischen Form der Komödie wird immanent der Herausbildungs- und Bewusstwerdungsprozess menschlicher Freiheit verhandelt, und zwar in einer tieferen und verständigeren Weise als in der Tragödie, deren Held noch weitgehend in erkenntnisverstellender Abhängigkeit von höheren Mächten oder äußeren wie inneren Kräften verharrt. Darin sind sich der Dichter und der Philosoph einig. Gemessen an der Kunstphilosophie Schellings, der die Komödie als Seitenstück aus den weitaus stärker gewichteten Tragödienbestimmungen entwickelt und sie innerhalb dieser Konzeption letztlich nicht überzeugend einordnen kann39, wird sie bei Schiller und Hegel in beachtlichem Maße und mit beeindruckenden systematischen Strategien aufgewertet: Im Zuge der ›Entvölkerung des Himmels‹ in der Phänomenologie oder im intellektuellen Prozess des ›wichtigeren Subjekts‹, in welchem es sich nicht allein aus der erdrückenden Notwendigkeit bereits befreit hat, um sich und seinen Zustand in dieser Autonomie heiter zu genießen, sondern in welchem es sich dar37 

Oellers (1967), S. 274. Vgl. hierzu auch Endres (1996), S. 17, 30. 39  Vgl. Kraft (2011), S. 261 f. 38 

Schillers Entwurf und Hegels Einwand

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über hinaus auf sich in seiner Verwirklichung richtet, um mit freiem Verstand diesen Prozess selber in das Bewusstsein zu projizieren, entsteht somit das Moment der Reflexivität des Standpunkts, das zur besonderen Qualität erhoben wird. Hegels Bemerkung in seinen Berliner Vorlesungen über die Philosophie der Kunst, »daß die Comedie von Haus aus das ist, womit die Tragödie schließt, mit dem absolut in sich versöhnten heitern Gemüth«40, greift zwar die Theorie Schillers auf – doch dieser Schiller ist nur der halbe Hegel: Es muss berücksichtigt werden, dass das, was an der Phänomenologie als Aufklärungsbewegung des sich bewusst werdenden Selbst herausgestellt wurde, durchaus bei Schiller angelegt ist, diesem aber ein ästhetisches Modell von Selbstbewusstsein zu unterstellen, das bei Hegel zudem in höchstem Maße geschichtlich gedacht wird, wäre fraglos eine Verzerrung seines Ansatzes. Dennoch entdeckt er in der Komödie die Möglichkeit, von einem wirklich befreiten Standpunkt diesen Zustand der Freiheit zu reflektieren, da das komische Subjekt nicht mehr wie das tragische alle Energien dem Machtgefüge des Schicksals oder dem Politischen opfern muss. Aus diesem Reflexionsmoment ergibt sich für Hegel wie für den Schiller der Dichtungsschrift das Erfordernis, die Komödie geschichtsphilosophisch zu bestimmen. Als selbstreflexive Gattung begreifen sie sie als moderne Form – Hegel an der Schwelle zur Überwindung der griechischen Kunst-Religion, Schiller schon ganz als Konzept des Sentimentalischen. In beiden Fällen sprengt sie das ›Ideal‹ der klassischen Kunst gerade durch die in ihr wesentliche Reflexion: Sie überwindet die edle Einfalt des Naiven bzw. die schöne Einheit des griechischen Zustands, weil für ihre modernen Bedürfnisse die Mittel dieser Kunst keinen geeigneten Ausdruck mehr bereitstellen. Bei Schiller drückt sich der Gedanke vor allem in der Forderung aus, die Zerrissenheit des Weltzustands mit in die Dichtung aufzunehmen, was in der scherzenden Satire der Komödie durch den Widerspruch von Ideal und Wirklichkeit eingelöst wird. Daraus ergibt sich das theoriegeschichtlich Bemerkenswerte an diesen Ansätzen, die Komödie selbstbewusst nicht bloß auf denselben Rang, auf dem ihre Schwester schon seit langem brilliert, sondern in gewissem, und jeweils anders begründetem, Sinne noch eine Etage höher, wo sie als eine Überwindung und Ankunft des in der Tragödie bis zum Scheitern getriebenen Strebens und Kampfes erscheint. Wie gezeigt findet der Leser hinsichtlich der Wirkung oder des geistigen Selbstbezugs nicht nur bei Schiller eine »Höherbewertung der Komödie«41.

40  41 

Hotho (1823), S. 509. Immer (2006), S. 275.

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Der »höhere Zustand«. Exkurs zu Schiller

Obgleich auch Hegel die Komödie ganz oben in einer systematischen Heraufentwicklung der künstlerischen Gestaltungen plaziert, tut er dies jedoch aus einem anderen Grunde als Schiller. Eine entscheidende Differenz scheint vor allem hinsichtlich der geschichtsphilosophischen Modelle unter Berücksichtigung der Rolle auf, welche die Kunst darin spielt. – Zur Verdeutlichung der Hegelschen Position sei bemerkt: Hegel verlangt von der Kunst, ob Tragödie oder Komödie oder jede andere Gattung, in keinem Fall eine unmittelbar wirkende Veränderung der politischen Zustände, er entwirft keinen idealischen Menschen im Zustand idealischer Weltlichkeit, zu dem die Kunst hinführen soll. Hegel ist an der geistphilosophischen Bedeutung der Kunst interessiert, daran, in welcher Weise ihre Praxis als Form der Selbstanschauung gedeutet werden kann. Zu diesem Behufe kommt es darauf an, das Geistige in seiner Geschichte als Moment einer Geschichte des Geistes zu erkennen, und nicht danach zu fragen, in welchen Konzepten das Potential gesehen werden könnte, über die Zerrissenheit des nachantiken Zeitalters hinaus einen ästhetisch-freien Zustand zu erreichen. Die in der Phänomenologie des Geistes begegnende Figur einer Abfolge vom abstrakten Kunstwerk über das geistige Kunstwerk bis hin zur nicht mehr ästhetisch erschlossenen Welt der offenbaren Religion und Philosophie bzw. die spätere Abfolge von symbolischer, klassischer und romantischer Kunstform verschiebt sich somit im Vergleich mit Schiller: In der Dichtungsschrift entsteht vielmehr aus der Konfrontation vom Naiven und Sentimentalischen das utopisch über die Geschichte hinausweisende Zeitalter des Idealischen. Dieser utopische Charakter des komödientheoretischen Nukleus führt bei Schiller in eine Schieflage, die Hegel dagegen zu verhindern weiß: Die Komödie Schillers – vergleicht man ihr Programm mit der implantierten Zeitkritik der ästhetischen Briefe42 – kann keineswegs auf eine Wirklichkeit blicken, die sie gemäß ihres Poten­ tials hätte erzeugt haben können; erst recht nicht im Sinne einer allgemeinen, politischen und sozialen Verwirklichung dieses subjektiv entwickelten, aber auf geschichtliche Durchsetzung drängenden Freiheitsbegriffs. Dass die theoretische Beschäftigung mit der Komödie trotz der Bedeutung, mit welcher sie aufgeladen wird, im eigenen Schaffen des Dichters Schiller ohne Niederschlag blieb – an seinen Freund Körner schreibt er am 13. Mai sehr aufschlussreich zeigen sich die Briefe Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen im Hinblick auf Schillers Kritik an der Moderne, die sich hier in pointierter und schonungsloser Verdichtung artikuliert. Das gegenwärtige Zeitalter ist Schiller der Endpunkt einer langen Zivilisationsgeschichte, von der schönen griechischen Antike bis hin zur Entfremdung und Zerrissenheit des Menschen in einem verrationalisierten und durchökonomisierten Zustand. Vgl. zu dieser Kritik vor allem den sechsten der Briefe in: Schiller: NA 20, S. 321 ff. 42  Als

Schillers Entwurf und Hegels Einwand

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1801: »Außer einigen andern noch mehr embryonischen Stoffen habe ich auch eine Idee zu einer Comödie, fühle aber, wenn ich darüber nachdenke, wie fremd mir dieses Genre ist«43 –, ist symptomatisch, kann und muss in diesem Zusammenhang aber nicht näher erläutert werden.44 Von Interesse ist dabei jedoch, dass Schiller diesen Zusammenhang von Kunst und Geschichte sogar als eine doppelte Utopie begreift: Einerseits soll die Komödie den Menschen in einen ästhetischen wie weiterführend allgemein geschichtlichen Zustand führen, welcher als idealische Realisierung von Freiheit aufgefasst werden muss; andererseits hat die Literaturgeschichte in Schillers Auffassung diese Komödie real noch gar nicht hervorgebracht und somit auch sie in Zukunft erst noch zur Erscheinung zu bringen. In seiner Dichtungsschrift weist er auf die Gefahr hin, wenn sich das »Genie« des »Komödiendichter[s] […] am meisten von dem wirklichen Leben« nähre, sei es durch diese Verwurzelung in der blanken Endlichkeit »auch am meisten der Plattheit ausgesetzt«45. Mit dem Urteil hat er keineswegs misslungene Einzelwerke seiner Gegenwart im Blick, sondern nichts weniger als die gesamte Tradition der Komödiendichtung. Das Problem der Endlichkeit zeigt sich ihm nicht an vereinzelten Werken, sondern an vereinzelten Stellen aller Werke: Neben dem »Beyspiel des Aristophanes und Plautus« stellt er fest: Wie »tief läßt uns nicht der erhabene Shakespeare zuweilen sinken, mit welchen Trivialitäten quälen uns nicht Lope de Vega, Moliere, Regnard, Goldoni, in welchen Schlamm zieht uns nicht Holberg hinab«46. Schiller verlangt der wahren Komödie ein hohes Maß an Idealisierung des Endlichen und Sublimierung des Gemeinen ab, damit sich das Subjekt auf sich in seiner Unabhängigkeit von diesen Beschränkungen beziehen kann, dies alles zudem ohne eine erkennbare moralische oder sittliche Positionierung – so dass angesichts der zu erfüllenden Voraussetzungen ihre Umsetzbarkeit ins Unmögliche tendiert. Es lässt sich fragen, ob aus Gründen dieser Überforderung die Gattung letztlich notwendig aus der Praxis ausge43 

Schiller: NA 31, S. 36. Kaiser meint, Wallensteins Lager als eine Tragödie durchsetzt mit Komödienanteilen lesen zu können; vgl. Kaiser (1978), S. 79 ff. Das entspricht durchaus Schillers Selbstverständnis: In seinem Brief an Körner vom 30. September 1798 bezeichnet er diesen ersten Teil seiner Trilogie als »Lustspiel«, so dass dem Wallenstein insgesamt der Aufbau Lustspiel, Schauspiel, Trauerspiel zukommt. – Schillers komische Versuche Körners Vormittag, die Fragmente Die Polizey und Der Bürgergeneral oder seine Übersetzungen der Lustspiele Louis Benoit Picards müssen wohl insgesamt weniger als gescheitert, sondern eher als randläufiges Erproben betrachtet werden, was dieser Gattung mit den eigenen Mitteln abzugewinnen ist. Schiller gelangte offenbar zu dem Ergebnis, dass der Ertrag eher gering ausfällt. Vgl. Koopmann (1969), S. 272 f.; Springer (2000), S. 17 f.; Immer (2006), S. 254 ff.; Kraft (2011), S. 161 f., 173 ff. 45  Schiller: NA 20, S. 479. 46 Ebd. 44  Gerhard

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Der »höhere Zustand«. Exkurs zu Schiller

klammert werden müsste. Schiller jedenfalls kann seine theoretischen Explikationen an keinem dichterischen Exempel konkretisieren, weil ihm kein Werk als ein idealtypisches Muster gelten kann; denn bisher habe sich diese idealische Komödie noch nicht in Wirklichkeit gesetzt.47 Obwohl er in seiner Dichtungsschrift die Komödie zusammen mit der Idylle als höchste Form der Literatur ansieht, als idealischer Ausdruck der ästhetischen Autonomie jenseits des Ideals, wendet er sich schließlich von diesem Gedanken wieder ab, weil er von der literarischen Wirklichkeit der Gattungsgeschichte enttäuscht wird. – Wer sich diesen Punkt vergegenwärtigt, nimmt nicht Verwunderung daran, dass Schiller unter den dreizehn Einsendungen, welche auf die zusammen mit Goethe ausgeschriebene und mit einem Preisgeld für die vermehrte Dichtung zeitgenössischer Komödien werbende Dramatische Preisaufgabe von 1800 eingegangen sind, keine einzige auszeichnet.48 Obwohl Stücke wie Clemens Brentanos Lustspiel Ponce de Leon darunter waren, haben sie keine Chance, den hohen Anforderungen des Komödienideals zu entsprechen. Hegel überwindet dieses utopische und in unwirkliche Projektionen gehende Verständnis der Komödie, indem er Schillers Bestimmungen auf ihren Kern der theoretischen Implikationen Subjektivität, Reflexivität und Freiheitsbewusstsein bringt, diese aber gerade nicht in einer fernen Zukunft erhofft, sondern ganz diesseitig und konkret in der philosophisch durchsichtig gemachten Geschichte der Kunst nachweist. Hegels Replik auf Schiller lautet daher: Auf die wahre Komödie muss nicht länger gewartet werden, im Rahmen einer geistphilosophischen Kunstbetrachtung kann gezeigt werden, dass es sie bereits gegeben hat. Die keinesfalls niedere, sondern modern verstanden sogar sehr hohe Form der Komödie darf nicht als traumhaftes Ideal ersehnt, sondern muss in der geschichtlichen Wirklichkeit des von Hegel immer konkret gedachten ästhetischen Ideals aufgesucht werden. In der geistphänomenologischen Auseinandersetzung ist es vornehmlich darum zu tun, sie im Zusammenhang verwandter ästhetischer Gestaltungen dem Begriff nach als ein geschichtliches Bewusstsein auszudeuten, das sich in seinem Bezug auf eine zur bloßen Täuschung gewordenen Welt zu sich selbst befreit, die Abhängigkeit von dieser Welt abstreift und in seinem Selbst das 47 

Vgl. Immer (2006), S. 266 f. dritten Band der Propyläen fordert Goethe unter Beratung Schillers mit seiner Dramatischen Preisaufgabe zu einer noch zu gründenden wahren Komödientradition in Deutschland auf. Die weit gediehene tragische Form mache durch das Sittliche und das Pathetische »immer ernsthaft«, doch es sei zu wünschen, dass auch »das schöne Ziel der Komödie« erfüllt werde, eine »geistreiche Heiterkeit und Freiheit des Gemüts« im Menschen hervorzubringen. Goethe: SW 6,2, S. 437. Vgl. auch Immer (2006), S. 259 ff.; Kraft (2011), S. 176 ff. 48  Im

Schillers Entwurf und Hegels Einwand

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neue Prinzip des wesentlichen Selbstbezugs entdeckt. Trotz einer vergleichbaren Charakteristik des komischen Subjekts kann Hegel auf seine Weise der Komödie sogar eine noch größere Anerkennung als diejenige schenken, zu welcher Schiller in der Lage war: Am Ende der klassischen Kunstform stellt er das Theater des Aristophanes als tatsächliche Einlösung der gattungsspezifischen Möglichkeiten heraus, als eine wahre poetische Wirklichkeit – und in den Ausführungen zur modernen Komödie wird zu sehen sein, dass sich Hegel auch zu einem doppelgesichtigen Lob Molières und Shakespeares bekennt. Hegel legt die Komödie geschichtlich vor allem auf die Antike fest, auf den Übergang von der kunstreligiösen Harmonie in die Entzweiung des reflektierten Selbst und seiner Welt, nimmt ihr damit ihre irreale Eigentümlichkeit, mit welcher sie bei Schiller heroisch aufgeladen und überfordert wird, bis er selber nicht mehr an sie glauben kann, und eröffnet sich von diesem Bezugspunkt ausgehend die Möglichkeit, moderne Entwicklungen der Gattung differenziert in den Blick nehmen zu können. Erst in der Zuweisung eines konkreten Orts innerhalb der philosophischen Erschließung der Kunst- als Geistgeschichte gewinnt sie ihren wahren historischen Charakter. Ein weiterer signifikanter Unterschied, der die Eigenheit der Position Hegels deutlich markiert, bezieht sich auf das komische Subjekt, das bei Schiller in so vielen seiner Bestimmungen analog gefasst wird: Rezeptionsästhetisch ist sein Individuum, anders als bei Hegel, ein Subjekt, das als ein ganz vereinzeltes aufgegriffen wird. Kurt Wölfel betont, es sei der vereinzelte Einzelne, dessen »Partizipation am komischen Spiel […] nicht im Zeichen gesellschaftlicher Selbstverständigung über das lebensordnende Gemeinsame« steht, sondern der »aus aller gesellschaftlichen Verbindung und Verbindlichkeit herausgelöst«49 ist. Zwar hinterlegt Schiller seinen Reflexionen in den ästhetischen Briefen ein großes, zu erreichendes, politisch-historisches Telos und selbstverständlich geht das Modell eines ›ästhetischen Staates‹ auf die Erziehung des Menschen in der Gemeinschaft mit anderen, doch das ›wichtigere Subjekt‹ innerhalb der Komödientheorie der Dichtungsschrift wird von Schiller allein nach der physiologischen Wirkung bestimmt, die das Lachen auf diesen Einzelnen ausübt, ohne dass hier eine allgemeine Dimension in den Fokus geraten würde. Die allgemeine politische Dimension spiegelt sich somit nicht in der enger gefassten Komödienpoetik nieder; das Allgemeine wird hier als die bloße Summe unverbundener Einzelunternehmen verstanden, worin jedes Individuum zwar dasselbe Ziel vor Augen hat, sich zu dessen Erreichung aber nicht mit anderen Individuen zusammenschließt.

49 

Wölfel (2001), S. 218.

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Der »höhere Zustand«. Exkurs zu Schiller

Bei Hegel hingegen verhält sich dies – wie gesehen werden konnte – keineswegs so; im Gegenteil steht die Subjektivität, die in ihrer Herausbildung von der Komödie ästhetisch reflektiert wird, gleich in mehrerlei Hinsicht im Horizont des mit ihr vermittelten Allgemeinen: In der Komödie ist es ja die allgemeine Substanz, die sich als Subjekt ästhetisch bewusst wird, und nicht ein vereinzeltes Subjekt; die Komödie ist das im Ideal der Kunst veranschaulichte Erwachen des Bewusstseins ›allgemeiner Menschlichkeit‹, des Prinzips freier Subjektivität und eben nicht einer ganz bestimmten, einzelnen Individualität. Dieses Prinzip des Sokrates war bereits lange vor dessen Anklage im Bewusstsein der athenischen Bevölkerung als eine historische Kraft wirksam. Im komischen Drama ist es daher nicht bloß ein singulärer Held, es ist der ganze bisher unterdrückte Demos, der in seinem entfesselten Freiheitsdrang die Bühne erstürmt. War der Chor der Tragödie noch der »individualitätslose[] Boden«, über dem die aristokratischen »Individualitäten«, die »Fürstlichkeit«, als »das Herrschende«50 standen, behauptet er sich nun als treibende Kraft in der Stärke der Masse und verkörpert in seiner Weisheit des gemeinen Volkes die sittliche Substanz nach der Zerstörung der alten Ordnung. Die sittliche Allgemeinheit aller ist in ihrer Bestimmung, als Masse ein Handlungssubjekt zu sein, zusammengeschlossen zu einem tätigen Willen, für Hegel die demokratische Gemeinschaft; angesichts ihrer Substantialität verbietet es sich der Komödiendichter, Scherze zu treiben. Lediglich unsittliche Auswüchse der Demokratie, wie beispielsweise die Sophistik, geraten ihm zur Zielscheibe. Insofern ist auch in der Komödie das einzelne Subjekt kein vereinzelter Einzelner – es ist eingebunden in eine Gemeinschaft, in welcher sich die Individuen als selbständige Einheiten zu begreifen lernen, ohne dabei den allgemeinen Vermittlungszusammenhang vollends preiszugeben. Aus diesem Grunde hebt Hegel an der Aufführungspraxis der antiken Komödie so eindringlich hervor, was in den Kapiteln über den Naturrechtsaufsatz und die Phänomenologie des Geistes als Hegels entscheidende Bestimmung des Begriffs des Komischen bekräftigt worden ist: dass nämlich das Lachen über das Bühnengeschehen ein gemeinsames Lachen ist, dass es in seiner allgemeinen Selbstbezüglichkeit ein kollektives Geschehen ist, in welchem die Selbstbewusstwerdung zu einem kollektiven Akt wird. In der Solidarität von Schauspieler und Zuschauer gelinge die schöne, göttliche Selbstdistanzierung nur, wenn die Heiterkeit des ›mit anderen über sich Lachens‹ nicht die Fratze des aggressiven Spotts annehme. Allein in dieser Gemeinschaft von harmonisch miteinander Lachenden findet das seinen höchsten

50 

Hotho (1823), S. 294.

Schillers Entwurf und Hegels Einwand

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Ausdruck, was Hegel als die große Leistung der Komödie benennt: Die heitere Freiheit des Subjekts leiblich erfahrbar werden zu lassen. Dass Hegel den Vorgang aber nicht ausschließlich im Rahmen seiner politisch-ästhetischen Vermittlung mit dem Allgemeinen behandelt, lässt sich nicht an seiner Ästhetik demonstrieren. In ihr mag es so scheinen, als interessiere er sich bloß für objektiv- und absolut-geistige Prozesse. Schiller legte in seiner Komödientheorie einen Schwerpunkt gerade auf diese individuelle, durch den einzelnen physiologischen Prozess beleuchtete Dimension, in welcher er das Lachen durch eine verborgene ›kátharsis‹-Lehre als eine plötzliche Abspannung von zuvor Körper und Geist in beeinträchtigender Erregung haltenden Leidenschaften und Gefühlskräften erklärt. An der Anthropologie der Berliner Vorlesungen über den subjektiven Geist beweist sich allerdings, dass in diesem Teil der Philosophie Hegels der rechte Ort ist, die ganz individuelle, subjektive Seite des Lachens zu thematisieren; aus dieser Perspektive werden ebenfalls physiologische Erklärungsmuster herangezogen, um das Phänomen innerhalb einer philosophischen Theorie der Gemütskräfte beschreibbar machen zu können. Hier begegnen dann ebensolche Momente, wie sie aus Schillers Dichtungsschrift herausgearbeitet wurden. Eine für die Deutung der Komödientheorie Hegels notwendige Auseinandersetzung mit seiner Philosophie des subjektiven Geistes soll sich daher im Folgenden anschließen, um mit systematisch erweiterten Bestimmungen die Ästhetik des Komischen in den Berliner kunstphilosophischen Vorlesungen als endgültige Ausarbeitung erörtern und diskutieren zu können.

V.  NEGATIONEN DER HEITEREN SEELE – DAS LACHEN IN HEGELS ANTHROPOLOGIE

Hegels spekulative Seelenlehre, von den Hegelianern als »glänzendes Me­ teor«1 begrüßt, das bald nach seiner Strahlkraft am philosophischen Himmel der Zeit einen Schweif heute längst verloschener Nachahmungen und Umdeutungen durch seine Schüler nach sich zog2, ist zwar in seinem fortgeschrittenen Jahrhundert im geschlagenen Krater verschüttet worden3, aber in einer wesentlichen Hinsicht ist ihm noch immer zu eigen, was einen glühenden Meteoriten auszeichnet: nämlich die Bahn zwischen zwei Punkten zu beschreiben, in seinem Falle vom unbewussten Naturleben des Organischen ins Bewusstsein zu führen, wo der Geist als Selbstbewusstsein sich auf seine Bestimmung bringt. ist ein Bild Goethes in den Gesprächen mit Eckermann, um rückblickend die enorme Strahlkraft zu bezeichnen, die 1767 kurz nach der Uraufführung von Lessings komischem Drama Minna von Barnhelm ausging, das eine ganze Generation junger Dichter nachhaltig prägte. Vgl. Goethe: SW 19, S. 442; vgl. zum Bild des Kometen im Zusammenhang des geistesgeschichtlichen Epigonentums auch Jean Pauls Vorschule der Ästhetik, darin allerdings bezogen auf Laurence Sterne und die humoristischen Schriftsteller in Deutschland: Jean Paul: SW I, 5, S. 127. 2  Vgl. etwa Johann Georg Mußmanns Lehrbuch der Seelenwissenschaft oder rationalen und empirischen Psychologie, als Versuch einer wissenschaftlichen Begründung derselben, zu akademischen Vorlesungen bestimmt aus dem Jahre 1827, Joseph Hillebrands Philosophie des Geistes oder Encyklopädie der gesammten Geisteslehre von 1835, J.U. Wirths Theorie des Somnambulismus oder des thierischen Magnetismus. Ein Versuch, die Mysterien des magnetischen Lebens, den Rapport der Somnambülen mit dem Magnetiseur, ihre Ferngesichte und Ahnungen, und ihren Verkehr mit der Geisterwelt vom Standpunkte vorurtheilsfreier Kritik aus zu erhellen und zu erklären für Gebildete überhaupt, und für Mediciner und Theologen insbesondere von 1836, Karl Rosenkranz’ Psychologie oder Wissenschaft vom subjectiven Geist von 1837, Carl Daubs Vorlesungen über die philosophische Anthropologie von 1838, Johann Eduard Erdmanns Abhandlung über Leib und Seele. Eine Vorschule zu Hegel’s Philosophie des Geistes von 1837, seinen Grundriss der Psychologie. Für Vorlesungen von 1841, seinen Vortrag Lachen und Weinen von 1848 und seine Psychologischen Briefe von 1852, Karl Fortlages System der Psychologie als empirische Wissenschaft aus der Beobachtung des innern Sinnes von 1855 und seine Acht Psychologischen Vorträge von 1869, Gustav Biedermanns Philosophie des Geistes von 1886 und zumindest den Anfang von Carl Ludwig Michelets Philosophie des Geistes von 1878. In gewissem Sinne kann hier auch noch die theologische Anthropologie Carl Friedrich Göschels genannt werden: Der Mensch nach Leib, Seele und Geist diesseits und jenseits von 1856. 3 Zuletzt hat insbesondere Birgit Sandkaulen auf das mangelnde und sich erst allmählich regende gegenwärtige Interesse an der Anthropologie Hegels hingewiesen. Vgl. Sandkaulen (2010), S. 35. 1  Dies

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Negationen der heiteren Seele – Das Lachen in Hegels Anthropologie

1.  Die Verleiblichung der Empfindung An einem singulären Ort innerhalb des Zusammenhangs der systematischen Darstellung des subjektiven Geistes, ja im Gesamt seiner enzyklopädischen Philosophie überhaupt, nimmt Hegel eine Auseinandersetzung mit dem Phänomen des leiblichen Lachens vor. Dieser Ort heißt ›Anthropologie‹; genauer befindet er sich in ihr am Übergang von der natürlichen, empfindenden, und das heißt für die Äußerlichkeit offenen, hin zur fühlenden Seele als ganz innerliche Individualität. So kann in die Problematik einleitend die Frage aufgeworfen werden, was diese Stellung für die Theorie des Lachens im Einzelnen bedeutet. Denn die Beantwortung dieser Frage wird zugleich dazu vorstoßen können, das Lachen im Kontext der Seelenlehre, und damit unter Beziehung auf sein kategoriales Umfeld, sowohl nach allgemeinen Kriterien des Geistbegriffs, der hier grundlegend aus der Natur entwickelt wird4, als auch in seiner ihm eigenen Wesentlichkeit als Leibesausdruck fassen zu können. Es ist eine genauso basale wie wesentliche Entscheidung Hegels, die Seelenlehre systematisch einzuklammern, auf der einen Seite von der Naturphilosophie, auf der anderen Seite von der Phänomenologie.5 Der Geist ist zunächst subjektiv, weil er vor der Durchsetzung seines Prinzips in die objektive und absolute Sphäre hinein im Sinne einer Lehre der inneren Dispositionen des Subjekts, d. h. der Vermögen, allgemeinen Tätigkeitsweisen, Entzweiungs- und Veräußerungsformen, der basalen emotionalen und kognitiven Leistungen des Einzelmenschen, aufgefasst wird, sowohl in der dumpfen Versunkenheit in den Leib als auch im Erwachen seines Bewusstseins und Selbstbewusstseins, bis hin zur individuellen Verwirklichung freier Geistigkeit, die nach außen drängt; und zwar in der vernünftigen, inneren Ordnung dieser Gestalten, die ihnen der freie Wille als höchstes Ziel ihrer Darstellung gibt.6 Der allgemeine freie Wille bildet wiederum die Grundlage für die sich anknüpfende Entfaltung einer praktischen Philosophie der einzelnen Rechtsformen. Am Anfang dieses Prozesses des sich zum freien Willen erhebenden Geistes steht seine fundamentale Vorform, die Hegel im Rahmen der sogenannten ›Anthropologie‹ abhandelt. – Anders als man es allerdings, der griechischen Wortbedeutung entlehnt, von einer ›Anthropologie‹ erwarten würde, stellt Hegel nicht den Begriff des ›Men4  Dirk

Stederoth weist darauf hin, dass es Hegels Ziel innerhalb der Philosophie des subjektiven Geistes sei, den Begriff des Geistes aus der Natur hervorzubringen und somit das naturphilosophisch verankerte Übergangsmoment stark zu machen. Vgl. Stederoth (2001), S. 104 f. 5  Vgl. Siep (1992), S. 112. 6  Vgl. ebd., S. 110 ff.

Die Verleiblichung der Empfindung

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schen‹ in den Mittelpunkt der Behandlung, sondern geht vielmehr von der ›Seele‹ als der vorbewussten Vorform und ständigen Bezugsgestalt des sich durch Bewusstsein auszeichnenden Menschen aus. Dies ist durchaus plausibel, wenn bedacht wird, dass hier Themenkreise abgehandelt werden, die noch gar nicht spezifisch menschliche Eigenheiten betreffen.7 Im Verlaufe der Darstellung einer zunehmenden Befreiung der Seele aus ihrer bewusstlosen Gefangenschaft in der Natur bis hin zum Moment ihrer wirklichen Vergeistigung zeigt sich allerdings, dass auf diesem Wege Bestimmungen einer Seelenlehre aufgenommen werden, die aus der philosophischen Anthropologie der Antike8 vertraut sind und es ermöglichen – von Hegel explizit so ausgesprochen – , den Menschen vom tierischen Organismus, mit dem die vorhergehende Naturphilosophie geschlossen hatte, sinnvoll zu unterscheiden.9 Am Ende dieses Systemteils des subjektiven Geistes, im § 411, bevor Hegel die Seele zum Bewusstsein fortentwickelt, kann er dazu vordringen, die menschliche Seele von der animalischen abzugrenzen: Neben der Sprache, der »aufrechten Gestalt« des Ganges und der »Bildung« des »absoluten Werkzeugs« Hand sind dies das »Lachen« und das »Weinen«10 als genuin menschliche Eigenschaften und Tätigkeitsweisen, mit denen die tierische Versenkung in der Natur zum Erwachen kommt. Äußerungen wie das Lachen sind stets Verhaltensweisen des Menschen, die darin angezeigte Wahrnehmung und geistige Auffassung eines komischen oder lächerlichen Sachverhalts zu Vorgängen werden zu lassen, die Pflanzen oder Tiere nicht vollziehen können. In dieser Perspektive muss das Lachen gegenüber dem Weinen sogleich als höhere geistige Form hervorgehoben werden: Hegel stellt vor Augen, die »Thiere können weinen z. B. Pferde, Kamele, Elephanten pp aber lachen können sie nicht, Grinsen kann wohl der Affe aber nicht lachen.«11 Joachim Rit 7 

Vgl. Hösle (1988), S. 351 f. »Der Mensch ist das klügste aller Wesen, weil er Hände hat.« Diesen Satz von Ana­ xagoras überliefert Aristoteles: De partibus animalium, 687a.  9  Vgl. Hösle (1988), S. 352. 10  GW 20, S. 420. 11  GW 25,1, S. 301. – Henri Bergson erweitert diesen Gedanken in seiner Schrift Le rire von 1900, indem er – sicherlich ohne dass ihm ein Hegel-Bezug vor Augen steht und dennoch ganz im Geiste Hegels – dem Natürlichen jedwede Komik abspricht, und zwar dergestalt wie es als Organisches als ein Gegenstand der Naturphilosophie aufzufassen wäre, also geologisch, vegetabilisch oder animalisch. Wie das Naturschöne bei Hegel im engeren Sinne nicht schön ist und ohne die Voraussetzung des Kunstschönen gar nicht denkbar wäre, ist das Naturkomische bei Bergson nicht komisch, ja sogar keineswegs objektiv vorliegend oder subjektunabhängig existent. Lachen ist gerade deshalb eine ausschließlich menschliche Regung, weil der Anlass des Lachens eine vom Menschen an einem Ding oder einem Lebewesen zu machende Wahrnehmung oder einzunehmende Haltung zu dieser Objektivität ist: »Es gibt keine Komik außer in der menschlichen Sphäre. Eine Land 8 

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Negationen der heiteren Seele – Das Lachen in Hegels Anthropologie

ter meint daher in seinem Essay Über das Lachen ganz analog zu den angeführten Erörterungen zum christlichen Verzicht auf das Lachen sowie zu diesem Aspekt der Anthropologie Hegels: »Eine alte Weisheit sagt, daß der Gott nicht lacht und daß die Tiere nicht lachen; zum menschlichen Dasein aber, das noch in der Tat und im Leiden mit der Welt ist, gehört es wesentlich und ursprünglich.«12 Doch der Zusammenhang wird von Hegel komplexer philosophisch durchdrungen als in einer Unterscheidung des Menschen vom Tier: Gerade weil dieses Erwachen des Geistes für ihn nicht als starr begriffene Versammlung von Vermögen zur anthropologischen Unterscheidung – entweder das animalische oder humane Lebewesen hat sie oder es hat sie nicht –, sondern als flüssiger Prozess gedacht wird, leuchtet es ein, dass Hegel die Seele als Prinzip begreift, durch das sowohl lebendige von unlebendiger Natur unterschieden werden kann, als vor allem auch Natur und Geist in ihrem lebendigen Verhältnis zueinander erscheinen13: Die Seele, von Hegel sehr bezeichnend auch »Naturgeist«14 genannt, ist somit keine eigenständige, geistige Substanz als bloß eine Seite eines Dualismus mit der Natur – jede Form neuzeitlicher Verstandesmetaphysik lehnt Hegel kategorisch ab –, sie ist vielmehr die »allgemeine Immaterialität der Natur«15 selbst, und damit bereits das Andere der Natur, das immerzu auf diese Natur bezogen bleibt. Die Seele als Lebendiges ist Natur und Geist zugleich, und zwar in ihrer aufeinander bezogenen Prozessualität gedacht: als in die Natur versenkter Geist, der »Schlaf des Geistes«, der aber bereits »einfaches, ideelles Leben«16 und daher dazu disponiert ist, zu erwachen, sich seine Natürlichkeit anzuverwandeln und die Seele inhaltlich in ihr aufgehen zu lassen. Die Natur ist das Fundament der Seele – der Geist jedoch ihre Wahrheit. Das Fürsich der Seele ist dann das lebendige Bezogensein auf Natur in immaterieller Überwindung. So macht Hegel explizit deutlich, dass Leib und Seele nicht in der dualistischen Aufschaft kann schön, lieblich, erhaben, langweilig oder häßlich sein; nie wird sie lächerlich erscheinen. Man lacht wohl über ein Tier, aber nur, weil man eine menschliche Gebärde oder einen menschlichen Ausdruck an ihm entdeckt hat.« Bergson (1914), S. 6. – Allerdings vertritt Hegel bekanntermaßen gerade nicht die Auffassung, eine Landschaft sei an sich schön. Der Eindruck des Naturschönen stellt sich für Hegel erst als Konsequenz eines ausgebildeten menschlichen Sinnes für die Schönheit von geistigen Kunstprodukten her. Diese bedingen also jenes. Hier zeigen sich sodann erste massive Differenzen der philosophischen Ansätze von Bergson und Hegel im Bezug auf ästhetische Fragestellungen. 12  Ritter (1974b), S. 67. 13  Vgl. im Folgenden Hösle (1988), S. 353. 14  GW 20, S. 386. 15  Ebd., S. 388. 16 Ebd.

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fassungsweise des Einwohnens des einen im anderen gedacht werden können, sondern monistisch immerzu als »Gemeinschaft«, als »allein wahrhafte Identität«17 beider. Die Seele in ihrem Fortschreiten, Bewusstsein und freier Geist zu werden, ist bestrebt, Leiblichkeit zu überwinden; sie tut dies aber nicht in absoluter Negation. Als ihre Grundlage, auf welche sie stets und eng bezogen bleibt, bedeutete die radikale Verneinung auch ihre Vernichtung, d. h. ihren Tod; vielmehr überwindet sie das Leibliche, indem sie es sich in ihrer Verwurzelung in ihm geistig durchbildend aneignet. Sie erzeugt sich den Körper in der Weise der Vergeistigung zum gefügigen Leib. Als »einzelnes Subject« macht sie sich die Leiblichkeit besitzergreifend zur eigenen »Aeußerlichkeit« und darin zum ihr angehörigen »Prädicat«, zu einem geeigneten Werkzeug ihrer Zwecke. Ist der Leib von der Seele angeeignet worden und wird er dadurch zu ihrem »Zeichen«, kann sich das Subjekt in seinem Prädikat auf sich selbst beziehen, die Seele sich zur »Identität des Innern mit dem Aeußern«18 machen. Die Seele erscheint in dieser Weise nicht neben dem Leib, der Geist nicht bloß als etwas, das über die Natur hinausgeht – vielmehr ist die Seele das Moment der Idealität im Materiellen, ein Moment, in welchem der Geist den Körper durchströmt und ihn in dieser Einheit mit ihm zu seinem Akzidens Leib heruntersetzt. Die Seele, als vom Geist Gesetztes und zugleich selber Geist, ist ein wahrhaftes Allgemeines, das sich dazu entwickelt hat, das Besondere des durch sie beseelten Körpers als ihren Leib zu übergreifen.19 Wenn Hegel also im § 411 unter anderem das Lachen als genuin menschlichen Ausdruck deutet, durch den die Seele anzeigt, aus der Versenkung ins Natürliche erwacht zu sein und in diesem Wachzustand ihre innere Regung äußerlich auszudrücken, ist auch das Lachen ein Indikator für die fortschreitende Besitzergreifung der naturhaften Körperlichkeit. Erstmals begegnet das Lachen in diesem von Hegel nachgezeichneten Prozess der Seele noch nicht in der ersten Heidelberger Auflage von 181720, sondern erst im § 401 der Encyclopädie von 1827 bzw. 1830 im Rahmen einer Aufzählung leiblicher Äußerungsformen: Hier ist es eine der vielen »Particularisationen«, die in einer im Geiste entspringenden Empfindung ihren Ursprung haben und danach streben, sich nach außen an der Leiblichkeit als eine besondere Regung zu zeigen.21 – Wer jedoch an der Anthropologie Hegels interessiert 17 

Ebd., S. 389. Ebd., S. 419. 19  Vgl. Drüe (2000), S. 216; Rometsch (2007), S. 84 f. 20  Der Ort, an welchem Lachen und Weinen hätten behandelt werden müssen, nämlich der § 318 zur ›Empfindung‹, lässt keinen Raum für diesen Gegenstand. Vgl. GW 13, S. 187. 21  Vgl. GW 19, S. 302; GW 20, S. 399 f. 18 

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Negationen der heiteren Seele – Das Lachen in Hegels Anthropologie

ist, bleibt nicht allein an die Encyclopädie verwiesen. Über den Drucktext weit hinausreichende und profunde Reflexionen zu den einzelnen Paragraphen bieten sich zudem in den Berliner Vorlesungen Hegels über diesen Systemteil an, wie sie in den Nachschriften der Studenten festgehalten wurden. Die Bestimmung des § 401 zur Verleiblichung der Empfindung findet sich in sämtlichen dieser Nachschriften als die zentrale wieder und wird darin weitergehend bis hin zu konkreten Vergegenständlichungen wie derjenigen des Lachens ausgedeutet. Es ist bezeichnend, dass Hegel dem Lachen diesen systematischen Ort zwischen der natürlichen und der fühlenden Seele gegeben hat, besitzt doch gerade das Lachen einen körperlich-geistigen Doppelcharakter, der Anschauungswert für die benannte Grundproblematik der gesamten Anthropologie innerhalb der Philosophie des subjektiven Geistes hat.22 Hegel zeigt sich insbesondere an solchen Einzelphänomenen wie Lachen oder Weinen interessiert, weil sie ihm Gelegenheit bieten, die Verknüpfungspunkte und Übergangsformen im Prozess zwischen Natur und Geist zu begreifen. Die Hotho-Mitschrift von 1822 belegt zwar, dass Hegel auf Schwierigkeiten bei der empirischen Erschließung des Zusammenhangs zwischen Seelenbewegungen und ihren körperlichen Erscheinungen verweist, wenn er meint, auch über das Lachen sei man »physiologisch noch wenig aufgeklärt; es ist physiologisch aber dann auch psychisch«23, gerade aus diesem Grunde fordert er aber eine eigenständige wissenschaftliche Disziplin zur gründlichen Erforschung des »System[s] des innern Empfindens in seiner sich verleiblichenden Besonderung«: die »psychische[] Physiologie«24. So muss bis hierhin festgehalten werden: Als Ausdruck einer Empfindung ist das Lachen seinen Bestimmungen nach eingefasst zwischen der natürlichen, dumpf und trüb, noch ganz und gar mit der Natur verwobenen und andererseits der fühlenden Seele, die in ihrem Fürsichsein innerliche Individualität, Ich als Einheit der Vielheit von Empfindungen und Einbildungen ist, auf dem Wege zur wirklichen Seele, in Freiheit von der Naturbeschränkung den Leib zu beherrschen und ihn darin zum Mittel ihrer Zwecksetzungen zu machen. Zu diesen Zwecken gehört es aber nicht allein, wie man nach derlei Bestimmungen annehmen könnte, leibliche Äußerungen zu vergeistigen. Dies ist ein Bildungsmoment, auf das Hegel noch zu sprechen kommen wird. Auf einer basaleren Stufe muss das Lachen, wie auch das Weinen, als eine Form der Verleiblichung des Geistigen als Seelisches verstanden werden, als eine physische Veräußerung von Seelenvorgängen und somit als ein 22 

Vgl. Stollmann (2010), S. 29. GW 25,1, S. 59. 24  GW 20, S. 399. 23 

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empfindsames Anzeigen innerer Vorgänge. Hösle weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Hegel zwei Formen von Empfindungen kenne und unterscheide: »einerseits solche, die das natürliche Unmittelbare idealisieren; andererseits solche, die Inneres objektivieren und d. h. verleiblichen«25. Diese zweiten sind für das Lachen von besonderem Gewicht. Im Unterschied zum Weinen, nach Hothos Mitschrift der Vorlesung von 1822 aufgefasst als »Krise der Natur, Schmerz, Traurigkeit, die sich nicht hineingräbt«, sondern auf »physiologische Weise […] critisch ausschlägt, wie eine Krankheit durch Schweiß«26, ist das Lachen die Verleiblichung eines selbstzufriedenen und heiteren Genusses, der empfindende Genuss seiner selbst als Subjektivität. – Durchaus in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des Lachens innerhalb der Komödientheorie des Naturrechtsaufsatzes und der Phänomenologie des Geistes wird in den Vorlesungen über den subjektiven Geist das Lachen als »die auf Kosten des lächerlichen Gegenstandes empfundene Zusammenstimmung des Subjects mit sich selber« in »ihrer Verleiblichung«27 bestimmt, hier in der pointiert formulierten Zuspitzung für die Zusätze zu den entsprechenden Paragraphen der Freundesvereinsausgabe durch Ludwig Boumann. Dass Lachen in dieser Auffassung Befreiung ist, wird an der begrifflichen Differenzierung Hegels verständlich, es sei nicht bloß »Äußrung«, es sei vor allem »Entäußrung«28, d. h. es vergegenständliche sich nicht bloß im leiblichen Ausdruck der Heiterkeit, es sei insbesondere eine »Wegschaffung der innerlichen Empfindungen«29. Zum Wesen von Empfindungen betont Hegel die zweifache Fortbestimmung, sowohl als Empfundenes etwas ganz Vereinzeltes, eine unmittelbar seiende Besonderheit, als auch wiederum »in die Allgemeinheit der Seele versenkt« zu sein und dabei die »Unmittelbarkeit negiert, somit ideell gesetzt«30 zu haben. Damit ist angezeigt, dass eine innere Empfindung zunächst ganz natürlich an einen Sinnenreiz gebunden ist, konditional auf das Komische orientiert vor allem durch das Sehen und Hören vermittelt, und dadurch unmittelbar in der Seele vorhanden.31 Die Empfindung wird nicht durch die Seele hervorgebracht, sondern als etwas Körperliches vorgefunden, die sinnlich rezeptive Verinnerlichung eines äußerlich Gegebenen. Diese Emp25 

Hösle (1988), S. 357. GW 25,1, S. 59 f. 27  Zit. n. dem Text der sekundären Überlieferung durch die Zusätze Ludwig Bou­ manns im dritten Band der Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften der Freun­ desvereinsausgabe in: GW 25,2, S. 1003. 28  GW 25,1, S. 60. 29  Zit. n. den Zusätzen: GW 25,2, S. 1003. 30  Zit. n. den Zusätzen: Ebd., S. 988. 31  Vgl. Stederoth (2001), S. 182 f. 26 

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findung erstreckt sich jedoch auf nichts weniger als auf die Totalität des empfindenden Subjekts: Von übermäßiger Anspannung, die einem besonderen Reiz entspringt, oder singulärem Schmerz ist der ganze Mensch beeinträchtigt, er als einzelne Einheit mit sich ist nervös, psychisch belastet oder fühlt sich unwohl; was als körperliche Regung seinen Ursprung nahm, wirkt sich in allgemeiner geistiger Einflussnahme aus, etwa in mangelnder Konzentration, die deutlich über die singuläre Empfindung monokausaler Reizreaktion hinausreicht.32 Durch äußere Einwirkungen auf den Körper, nicht durch selbstgesetzte geistige Impulse ist sie vermittelt, so dass im Seelenleben nicht einfach von ihnen abgesehen, abstrahiert werden kann, um sie loszuwerden. In unmittelbarer Identität der Seele mit dem Körper müssen diese Empfindungen leiblich wieder ›weggeschafft‹ werden, wie Hegel sich ausdrückt. Dies erreicht die Seele, indem sie in der spontanen Besitzergreifung des Körpers als ihres Leibes eine physiologisch vollzogene Distanzierung von der Empfindung und schließlich ihre Auflösung erreicht: Als »physiologische Erscheinung« verleiblichen sich nicht bloß Empfindungen des »Heiterseyns« im Ausdruck des Lachens; dabei stößt »die Seele« vielmehr »das Lächerliche von sich«, und zwar im »gewaltsam unterbrochenen Ausstoßen des Athems«33. Von übermäßiger Anspannung befreit sich das Lachen, indem es in der Seele entspringend den Leib in Entspannung und Harmonie versetzt. Die Seele wird darin wieder die Herrin über den Leib. Hotho notiert sich 1822 hierzu, dass »die Empfindung sich explodirt, sich entäussert«34 und in solchem Vollzuge sich aufhebt. Das zuvor unmittelbar Empfundene und womöglich Besetzende des Geistes wird durch die Seelentätigkeit des Lachens in die Allgemeinheit zurückgenommen; und indem dadurch Abstand zur Besonderheit gewonnen wird, dieselbe handhabbar und beherrschbar gemacht.

2.  Komik als Widerspruch. Zur Geschichte der Theorie des Lachens Diesen Vorgang der Lösung und Auflösung fasst Hegel jedoch genauer, wenn er sich fragt, worin die Wurzel der lachenden Tätigkeit eigentlich besteht: Woran entzündet sich die Verleiblichung abstrakt und allgemein besehen, wenn man jede spezifischere Empfindung zunächst bei Seite lässt? Soviel sei bereits an diesem Punkt verraten: Es ist der Widerspruch. Innerhalb der Theo­ 32 

Vgl. Hösle (1988), S. 356. Zit. n. den Zusätzen in: GW 25,2, S. 1002. 34  GW 25,1, S. 299. 33 

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riegeschichte des Komischen und des Lachens lässt sich eine ganze Reihe von Positionen auffinden, die generell den ›Kontrast‹ zum Ursprung des Komischen erklären. Hegel ist kein Einzelfall, er kann an eine längere Tradition anknüpfen, die zudem über seinen Ansatz hinaus – und sich zum Teil auf ihn beziehend – fortgesetzt wird. Neben Charles Batteux und englischen Ästhetikern wie Shaftesbury oder Francis Hutcheson ist für den deutschen Zweig der Theoriebildung Justus Mösers Schrift Harlequin, oder Vertheidigung des GroteskeKomischen von 1761 einschlägig, worin die Kurzdefinition des Komischen als »Größe ohne Stärke« an einem stürzenden Mann exemplifiziert wird, der im Unterschied zum stürzenden Kind Lachen erregt, weil seiner Größe die nötige Stärke zugetraut werden kann, sich vor dem Sturz zu bewahren.35 Der Kontrast liegt für Möser in dieser Inkongruenz von Vermögen und ausbleibender Wirksamkeit. Auch Moses Mendelssohn definiert nicht ohne Einfluss auf spätere ästhetische Positionen im Kontext seiner Theorie von den vermischten Empfindungen das Lächerliche als »Kontrast« zwischen »Mittel und Absicht, Ursache und Wirkung, zwischen dem Charakter eines Menschen, und seinem Betragen, zwischen den Gedanken, und der Art, wie sie ausgedruckt werden«36; 35 

Vgl. Möser (1986), S. 282 f.; vgl. hierzu Hinck (1977b), S. 14 f. Mendelssohn: JA 1, S. 403. Diesen Gedanken aus den Betrachtungen über das Erhabene und das Naive in den schönen Wissenschaften bezieht Mendelssohn ebenso auf die Ebene der künstlerischen Vermittlung, wo der Kontrast beispielsweise in Lustspielen und komischen Schriften als »Contrast des Zeichens mit der bezeichneten Sache« (Mendelssohn: JA 1, S. 217) erscheine. Doch bei Mendelssohn spielt dieser ›Kontrast‹ nicht bloß eine randläufige, hinlänglich der Definition dienende Rolle, sondern geradezu eine kategoriale. Ästhetische Gegenstandsbereiche wie das Hässliche oder Lächerliche halten zunächst über die Hintertreppe Einzug in die Aufklärungsästhetik, weil sie in der Theorie der vermischten Empfindungen Mendelssohns als notwendiges Gegenstück zum Schönen, Angenehmen, Erhabenen usw. ihren legitimen Ort finden. Auch wenn Komik, Hässlichkeit, Grausamkeit oder Ekel dabei selbstverständlich nicht zur Grundempfindung werden dürfen – dies wäre unmoralisch –, kommt ihnen eine untergeordnete, aber dennoch bedeutsame Rolle im Modell der Affektenlehre zu – und zwar im Modus notwendiger Kontrastkategorien. Mendelssohn veröffentlicht im Jahre 1755 eine für die Debatte zentrale Schrift mit dem anzeigenden Titel Ueber die Empfindungen, die sich als Sammlung fingierter Briefe präsentiert: Im Zentrum steht der Begriff ›Mitleid‹ als »die eintzige unangenehme Empfindung, die uns reitzet« (Mendelssohn: JA 1, S. 110). Eine solche ›schmerzhaftangenehme Reizung‹ lässt den Empfindenden Vergnügen und Gefallen an Hässlichkeit und Grausamkeit erleben, ohne dabei moralisch fragwürdig zu werden. Ganz im Gegenteil ist gerade das Mitleid eine zutiefst menschliche Anteilnahme am Leiden anderer, die eine besondere Ausbildung sittlichen Bewusstseins verrät. – In der zweiten Auflage seiner Abhandlung Rhapsodie oder Zusätze zu den Briefen über die Empfindungen von 1771 vertieft Mendelssohn die Theorie der vermischten Empfindungen auch an den Gefühlsregungen Weinen und Lachen. Hier wird der Kontrast zum zentralen Moment der Bestimmungen. Alle menschlichen Empfindungen seien weder reine Lust noch reine Unlust, sondern haben ihren Ursprung immer in beiden, ja entstehen überhaupt erst aus dem 36 

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Lessing meint analog dazu in der Hamburgischen Dramaturgie, jede »Ungereimtheit, jeder Kontrast von Mangel und Realität, ist lächerlich«37. Ebenso in der Analysis of Beauty William Hogarths von 1753, einer Schrift, die Hegel Kontrast zwischen ihnen. Demgemäß sei es falsch, meint Mendelssohn, »daß das Weinen immer ein Kennzeichen des Unglücks, und eben so falsch, daß das Lachen immer ein Kennzeichen des Glückes sey« (Mendelssohn: JA 1, S. 401 f.). Lachen ist eine vermischte Empfindung, d. h. gleichzeitiger Ausdruck von Lust und Unlust, denn es gründet sich »auf einen Kontrast zwischen einer Vollkommenheit und Unvollkommenheit« (Mendelssohn: JA 1, S. 403). Diesen Kontrast versteht Mendelssohn als »Ungereimtheit« oder als »Mangel der Uebereinstimmung zwischen Mittel und Absicht, Ursache und Wirkung, zwischen dem Charakter eines Menschen, und seinem Betragen, zwischen den Gedanken, und der Art, wie sie ausgedruckt werden; überhaupt ein jeder Gegensatz des Großen, Ehrwürdigen, Prächtigen und Vielbedeutenden, neben dem Geringschätzigen, Verächtlichen und Kleinen« – und diese Ungereimtheit ist solange lächerlich, als ihre »Folgen uns in keine Verlegenheit setzen« (Mendelssohn: JA 1, S. 403). Auch hier blickt den Leser demnach wieder Aristoteles’ Poetik an. Das Lachen erfolgt innerhalb der sicheren Grenzen der gefahrlosen Folgeerscheinungen eines komischen Kontrastes. »So bald man aber den Betrüger in seinem völligen Lichte, und den Betrogenen in Gefahr siehet; so verwandelt sich die lachende Laune in Abscheu und Mitleiden.« (Mendelssohn: JA 1, S. 403.) Mit dem Verweis auf den Umstand, dass die Gefühlsregung lediglich von den Konsequenzen, nicht aber vom Kontrast und seinen Voraussetzungen abhängig sind, demonstriert Mendelssohn, was er mit den vermischten Empfindungen meint: Lust kann augenblicklich in Unlust umschlagen – und dennoch bleibt jede der beiden Gefühlsregungen die Manifestation jeweils einer der beiden Seiten der Sinnlichkeit. 37  Lessing: SS 9, S. 302. Unter dem Eindruck der Theorie der vermischten Empfin­ dungen Mendelssohns verfasst Lessing seinen Laokoon-Aufsatz, in welchem es kategorial vorrangig um die Frage nach der Rolle des Hässlichen oder Grässlichen in der Kunst, am Rande aber auch um das Lächerliche, geht. Wie später Hegel geht Lessing nicht generalisierend von ›der Kunst‹ aus, sondern differenziert diese in verschiedene Künste mit jeweils verschiedenen stofflichen und darstellungsspezifischen Voraussetzungen. Das bedeutet für das Hässliche – und dies ist die behandelte Kernproblematik des gesamten Aufsatzes –, dass es der Skulptur verwehrt ist, die abscheuliche Qual und das tiefdringende Leiden realistisch darzustellen. Der Laokoon-Künstler musste den Schmerz zu einem Seufzen abmildern, um nicht den Betrachter zu provozieren, seinen Blick von der Figurengruppe abzuwenden; »weil der Anblick des Schmerzes Unlust erregt, ohne daß die Schönheit des leidenden Gegenstandes diese Unlust in das süsse Gefühl des Mitleids verwandeln kann« (Lessing: SS 9, S. 17). Das Hässliche muss für Lessing von den bildenden Künsten vermieden werden, in der Dichtung hingegen kann es Eingang finden, da es hier durch die sprachliche Vermittlung in seiner Drastik abgeschwächt wird, mit der immer eine Distanzierung einhergeht. Weitergehende Relevanz gewinnt das Hässliche vor allem bei der Hervorbringung des Lächerlichen, das als eine vermischte Empfindung auf den Kontrast durch das Hässliche angewiesen ist. Somit wird das Hässliche den vermischten Empfindungen des Lächerlichen und Schrecklichen ein »Ingrediens« (Lessing: SS 9, S. 145; vgl. insgesamt S. 139 ff.), das als Bestandteil einer größer angelegten ästhetischen Komposition seine Hässlichkeit in den Dienst einer wertvolleren Empfindung stellt und nicht mehr bloß um seiner selbst willen veranschaulicht wird. – Rosenkranz berichtet, bereits in jungen Jahren habe Hegel sich mit den Schriften Lessings und Mendelssohns auseinandergesetzt. Vgl. Rosenkranz (1844), S. 10 f., 15.

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sehr gut gekannt hat, wie vor allem die Ausführungen zur ›Schönheitslinie‹ in seinen Vorlesungen über die Philosophie der Natur belegen38, wird der Kontrast als Grundmoment des Lachens gedeutet: z. B. bei der kontrastierenden Verquickung von tierischen und menschlichen Eigenschaften in der Darstellung von Eulen oder Eseln, die »ernsthaft in Gedanken versunken« sind, oder eines Affen, »der sowohl in Gestalt als auch in seinem ganzen Gebaren die Menschen […] nachahmt«39 – oder aber die Darstellung eines »Mannes mit Kindermütze«, umgekehrt »ein Kind mit der Perücke und Mütze eines Mannes«, denn hier zeige sich der Kontrast darin, dass »die Begriffe von Jugend und Alter […] durcheinandergeworfen«40 werden. Auch Theodor von Hippel schreibt in seinen Lebensläufen nach aufsteigender Linie, die Hegel zu seinen Lieblingsromanen zählt, das Lachen »entsteht aus einem Widerspruch«; man lacht, »wenn Jemand fällt, und sich nicht Schaden thut«41. Zudem begegnete schon bei Schiller die Definition, die Komödie als scherzende Satire aus dem Kontrast zwischen Ideal und Wirklichkeit zu begreifen. Hegel greift diesen grundlegenden Gedanken auf. Er führt nach dem Wortlaut aller überlieferter Nachschriften aus, das Lachen entstehe durch einen »Widerspruch, der sich unmittelbar hervorthut«42 (Hotho 1822), im Sinne der Negation durch »eine Karikatur, ein Dasein das durch die Art des Daseins zerstört wird«43 (Griesheim 1825); »eine Handlung die unmittelbar das Gegentheil von dem hervorbringt das sie beabsichtigt ist lächerlich«44 (Stolzenberg 1827/28). In der Formulierung Griesheims verdeutlicht sich, wie sich dem Subjekt der Widerspruch durch die Verkehrung seines wesentlichen Daseins in einen Zustand der Verzerrung zeigt; das Prinzip dieses Vorgangs ist das der Negation, aus welcher heraus das Subjekt nicht mehr bei sich selber ist. Im Falle der Überlieferung durch Stolzenberg klafft der Widerspruch, analog zur Definition Mendelssohns, zwischen ursprünglicher Absicht und deren negativer Zerstörung im Mittel und seiner Durchführung auf. Hegel bekräftigt dabei zur Abgrenzung von der Möglichkeit ernsthafter, existentieller Bedrohung dieser Vernichtung, was bereits aus der Poetik des Aristoteles herausgearbeitet werden konnte: Über einen vernichtenden Widerspruch als erste Negation lachen wir nur, »wenn wir diesen Zweck und seine ZerstöGW 24,1, S. 90; vgl. auch Hegels Vorlesungen über die Philosophie der Kunst: Hotho (1823), S. 277 f. 39  Hogarth (2008), S. 69. 40  Ebd., S. 68. 41  Hippel: SW 1, S. 283. 42  GW 25,1, S. 59. 43  Ebd., S. 301. 44  GW 25,2, S. 670. 38  Vgl.

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rung als ausser uns haben«45 (Griesheim 1825); »der Widerspruch muß nicht innerlich interessiren, sonst macht er Schmerz«46 (Stolzenberg 1827/28). Aristoteles spricht in seiner Poetik davon, dass »die lächerliche Maske häßlich und verzerrt ist, jedoch ohne den Ausdruck von Schmerz«47. Komisch ist insofern ein Kontrast, der dem Lachenden kein Leid, keinen Schaden oder sonstige unlustvolle Konsequenzen bereitet. Würde er dies tun, wäre er nicht komisch, sondern hässlich. Auch für Hegel kann der Widerspruch den Menschen grundsätzlich zum Lachen oder zum Weinen bringen; es sind lediglich zwei Weisen, den Widerspruch ›wegzuschaffen‹: »der eine weint darüber, über was der andere lacht«48. Hegel belässt es jedoch nicht bei dieser Willkür, sondern bestimmt sie analog zur aristotelischen Definition der komischen Maske als ›Hässlichkeit ohne Schmerz und Verderben‹ fort, wenn er nur diejenigen Widersprüche als dem Lachen geeignete herausstellt, deren konkreter »Inhalt« nicht das Dasein des Subjekts betrifft, »sondern der Verlauf einer äusseren Geschichte ist«49. Lachen lässt sich nur, wenn derjenige, der den Widerspruch erfährt, durch dessen Vernichtung in seiner Existenz nicht bedroht wird, der vernichtete Inhalt nicht als der seinige oder als das Wesentliche betrachtet wird, d. h. es sich nicht selbst verletzt fühlt. Boumann führt in seinen Zusätzen eine stark an Theodors von Hippel bzw. Justus Mösers Fall-Beispiel erinnernde, exemplarische Verdeutlichung dessen an, was hier unter einem Lachen machenden Widerspruch verstanden werde könnte; zutreffen kann sie in erster Linie auf Stolzenbergs Definition, obgleich sie in keiner der überlieferten Nachschriften auftaucht: »Wenn, zum Beispiel, ein stolz Einherschreitender fällt, so kann darüber Lachen entstehen, weil Jener an seiner Person die einfache Dialektik erfährt, daß mit ihm das Entgegengesetzte Dessen geschieht, was er bezweckte.«50 An die Existenz geht dieser Sturz freilich nicht; er kann Lachen machen, weil die Vernichtung auf den Stolz und damit verbundene Zwecke geht und nicht auf substantiellere Aspekte des Handlungsvollzugs, bedrohliche Auswirkungen oder gar die Person als solche. – Die Voraussetzungen des Lachens sind somit erstens der Widerspruch zwischen ideeller Absicht und reellem Resultat bzw. zwischen wesentlichem Dasein und Karikatur, zweitens die Unmittelbarkeit und Plötzlichkeit seiner Entstehung und drittens die Garantie, von dieser Negation nicht ernsthaft beeinträchtigt zu werden. 45 

GW 25,1, S. 301. GW 25,2, S. 670. 47  Aristoteles (1982), S. 17. 48  GW 25,1, S. 301. 49 Ebd. 50  Zit. n. den Zusätzen in: GW 25,2, S. 1002. 46 

Ästhetik und Anthropologie bei Hegel und Kant

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3.  Ästhetik und Anthropologie bei Hegel und Kant Mit diesen Bestimmungen entpuppt sich Hegel hinsichtlich einer Theorie des Lachens jedoch nicht nur als ein Aristoteliker, sondern zudem als ein Kantianer. Von allen Widerspruchstheorien des Komischen ist es in erster Linie diejenige Kants, welcher er sich anschließt, um sie schließlich zu überwinden. In der Anthropologie in pragmatischer Hinsicht von 1798 hatte Kant gelehrt, Lachen entstehe, wenn »mit scheinbarer Einfalt eine gespannte Erwartung (wie eine gespannte Saite) plötzlich losläßt«51. In der Art einer »convulsivische[n] Fröhlichkeit« zeigen sich als Folge »Befreiungen von einem Hinderniß der Lebenskraft durch Ergießungen«52. In Bezug auf die drei festgehaltenen Momente stimmt Hegel zumindest hinsichtlich der ersten beiden mit Kant überein: Die angespannte Erwartung, mit der man einer Sache oder einem Sachverhalt begegnet, bis sie auf dem höchsten Punkt der Anspannung plötzlich umschlägt in ihr Gegenteil, die Widersprüchlichkeit zwischen ihr und der Sache selbst sich enthüllt und nicht mehr ausgehalten werden kann, befreit sich ganz körperlich im Lachen. Kant meint, die »stoßweise […] geschehende Ausathmung der Luft […] stärkt durch die heilsame Bewegung des Zwergfells das Gefühl der Lebenskraft«53. Mit Kant wie mit Hegel – das ist im Wesentlichen ihre Übereinstimmung – könnte man somit nicht bloß sagen, die geistige Anspannung löse sich schließlich ganz körperlich in einem Herausplatzen des plötzlich entdeckten oder plötzlich entstehenden Widerspruchs auf, und zwar indem sie sich in einer physiologischen Reaktion befreit, sondern die Anlehnung ist eine noch engere: Wenn Kant in der Kritik der Ur­theilskraft meint, das Komische enthalte jeweils eine Art »Schein«, etwas, das zunächst täuschen könne, so dass zwischen diesem Schein und dem eigentlichen Begebnis der Widerspruch entstehe, welcher schließlich »in nichts verschwindet«54, dann gibt diese Stelle formal eine Analogie zu Hegels Definition des Widerspruchs zu erkennen. Hegel bestimmt dabei inhaltlich aus, was Kant unter dem ›Schein‹ fasst, nämlich täuschendes oder substanzloses Dasein resp. nichtige Handlungsabsicht zu sein, wie es in den Nachschriften Griesheims und Stolzenbergs überliefert wird. Bei Griesheim heißt es weiterhin sogar, »daß etwas einen Schein hervorbringt und dann

51 

Kant: AA VII, S. 262. Ebd., S. 255. 53  Ebd., S. 262. 54  Kant: AA V, S. 334, B 227. – Zitate aus Kants Kritik der Urtheilskraft werden im Folgenden sowohl nach der Paginierung der Akademie-Ausgabe als auch nach derjenigen der zweiten Auflage von 1793 belegt. 52 

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dieser sogleich durch sich selbst zerstört wird«55. Stärker als Kant hebt Hegel also darauf ab, dass das Negierende seine Negation durch eine zweite Negation wiederum aufhebe. Solange der Widerspruch das Subjekt nicht existentiell bedroht, wählt es unwillkürlich spontan den Weg der lachenden Lösung. Zudem betonen beide, Kant wie Hegel, dass je nach Grad der Anspannung die Intensität des Lachens bis zum Umschlag ins Weinen gesteigert werden könne.56 Spezifisch Kantisch an der Konzeption ist allerdings unter anderem der Formalismus, der in den Ausführungen über das Lachen generell hervorscheint und der ihn von der Hegelschen Herangehensweise trennt. Kant fasst das Lachen nicht wie Hegel als konkreten körperlichen Ausdruck eines geistigen Inhalts auf, nicht als ein – in der Einleitung und im ersten Kapitel der vorliegenden Untersuchung zunächst aufgeworfenes und im Kapitel zur Komödientheorie fortbestimmtes – geistiges Selbstverhältnis, sondern lediglich als einen körperlichen Ausdruck. Es demonstriert sich an ihm keine leiblich gewordene Seelenbewegung in ihrem substantiellen Ausdruck, sondern ein mit den Mitteln der Transzendentalphilosophie beschriebener Prozess, der nach den Bedingungen der Möglichkeit befragt wird. Der Widerspruch als Triebfeder des Komischen ist ein Widerspruch zwischen subjektiven Vorstellungen, zu deren Wechsel der Verstand durch eine unerwartet hereinbrechende Begebenheit genötigt wird. Der vorübergehenden Leere, die aus der enttäuschten und nicht eingetretenen Erwartung entsteht, soll durch das Lachen Abhilfe geschaffen werden; sie soll überwunden werden, als wären die Enttäuschung und die Leere eigentlich gar nicht da. Dies füllt die entstandene Leerstelle aus, indem in sie hineingelacht wird – und zugleich über sie hinweg. Im Sinne eines ästhetisch relevanten und beschreibbaren Vorgangs und nach eigentlicher Maßgabe des transzendentalphilosophischen Programms umrissen wird dieser Gedanke im ersten Hauptteil der dritten Kritik, worin Kant die Thematik des Lachens in der Deduction der reinen ästhetischen Ur­theile offenbar für so gewichtig hält, dass er ihr einen eigenen Paragraphen widmet. – In diesem § 54 problematisiert er zunächst, ob das Lachen eine Reaktion des Verstandes sei oder ob sein Anstoß nicht vielmehr außerhalb des rational Fassbaren liege. Unter Favorisierung der ersten Möglichkeit, das Lachen müsse in jedem Falle verstandesmäßig erklärbar sein, wie auch von Hegel rationalistisch vertreten wird, schreibt er dessen Eignung 55 

GW 25,1, S. 300. Vgl. hierzu die Anthropologie in pragmatischer Hinsicht in: Kant: AA VII, S. 255; vgl. hierzu Hegel: GW 25,2, S. 670. 56 

Ästhetik und Anthropologie bei Hegel und Kant

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fest, im Rahmen einer Kritik der ästhetischen Urtheilskraft abgehandelt werden zu können. Immerhin ist auch das Lachen ein »freie[s] Spiel der Empfindungen«, das – ohne eine »Absicht zum Grunde [zu] haben«, also ohne Interesse zu sein – sich als ein »Wechsel« von »ästhetischen Ideen, oder auch Verstandesvorstellungen«57 zeigt. Ebenso das Lachen ist für Kant uninteres­ siert, weil dem Lachenden an der Existenz des komischen Gegenstandes nicht gelegen ist, das Objekt dabei nicht auf sein Begehrungsvermögen wirkt und der Vorgang vielmehr ein Spiel des Verstandes mit dem Gemüt ist. Dennoch gelangt Kant aber zu einer Einschränkung: Er baut auf der Basisdefinition des Lachens auf und präzisiert, worin der Widerspruch als Kernmoment des Komischen im Einzelnen bestehe. Dabei kommt er auf das, was bereits zur enttäuschten Erwartung angedeutet wurde: Das Lachen sei »ein Affect aus der plötzlichen Verwandlung einer gespannten Erwartung in nichts«, die überraschende Enttäuschung über eine Vorstellung, die sich nicht bestätigen lässt, so dass »in allem, was ein lebhaftes, erschütterndes Lachen erregen soll, etwas Widersinniges sein«58 müsse. Dieses Widersinnige sei zwar nichts, das jenseits des Verstandes liege, doch immerhin meint Kant, müsse an ihm »der Verstand an sich kein Wohlgefallen finden«59 können. Weil die unerfüllte Erwartung, ja das Eintreten des Gegenteils keine Lust, sondern Unlust erzeugt, gewinnt dieses Moment des Lachens strukturell eine gewisse Nähe zum Erhabenen und erscheint nicht so bruchlos wie das Schöne, worin das lustvolle Wohlgefallen am freien Spiel der Erkenntniskräfte dem Urteilenden einen schönen Ausgleich verschafft. Der Verstand wird angesichts des Komischen enttäuscht, Unlust entfacht sich beim Blick in dieses Nichts – und erretten aus der Leere kann sich der Verstand durch keinen anderen Vorgang, als durch die spontane und Wohlgefallen erzeugende Physiologie des Lachens. Wie im Falle des Erhabenheitsurteils hat das Subjekt Wohlgefallen an der Unlust durch die gelungene Überwindung des affizierenden Gegenstandes; hinsichtlich des mathematisch Erhabenen in der geistigen Überlegenheit über bloß naturhafte Überwältigung; hinsichtlich des Komischen im rein körper57 

Kant: AA V, S. 331 f., B 223 f. Kant: AA V, S. 332, B 225. – In den Ästhetiken des Neukantianismus zu Beginn des 20. Jahrhunderts wird diese Definition des Komischen als ›plötzliche Verwandlung der gespannten Erwartung in nichts‹ in orthodoxer Weise wiederholt: Beispielsweise Theodor Lipps führt in seiner Schrift Komik und Humor aus, Lachen entstehe, wenn ein Wert sich plötzlich in ein Wertloses verkehre, etwas Ernsthaftes in etwas Lächerliches, Großes in Kleines usw. Das Lachen komme einer körperlichen Befreiung von derlei Widersprüchen gleich. Vgl. vor allem das 4. Kapitel in Lipps (2006), S. 38 ff. Vgl. hierzu auch Hinck (1977b), S. 15. 59  Kant: AA V, S. 332, B 225. 58 

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lichen Lachen. Gemäß der grundlegenden Bestimmung des Geschmacksurteils als eines Ausdrucks des harmonischen Spiels zwischen Einbildungskraft und Verstand, das Kant als Verneinung von Lust in den Bereich des Erhabenen ausweitet, kann er auch diesen Bezug des Lachens zum Verstand herstellen: Das Lachen spielt über einen Mangel oder eine Niederlage des Verstandes hinweg, denn ehe sich der Verstand seinen Mangel eingesteht, eilt ihm das körperliche Lachen auf die Weise zu Hilfe, es durch ein »Herausplatzen des Atems von der Niederlage des Verstandes« abzulenken und ihn »durch konvulsivisches Zucken der Gesichtsmuskulatur, das auch unsere Tränendrüsen stimuliert, aus seiner Verlegenheit«60 zu lösen. Daher lache man bei Kant, wie Volker Gerhardt erläutert, wenn etwas »nicht so ist, wie man gedacht hat«61, d. h. aus einer unerwarteten Begebenheit oder gar Wende. Kant nannte dies ja den ›Wechsel der Vorstellungen‹. Der unerwartete Umschlag ist »die Ursache« des Lachens, und diese besteht näher »in dem Einflusse der Vorstellung auf den Körper und dessen Wechselwirkung auf das Gemüth«, so dass der Kontrast, der im Verstande sich erzeugt, auf den Körper verlagert und dort behoben wird, und zwar indem ein »bloßes Spiel der Vorstellungen ein Gleichgewicht der Lebenskräfte im Körper hervorbringt«62. Wie dieser innerliche Prozess mit den begrifflichen Mitteln der transzendentalphilosophischen Vermögenslehre beschrieben werden kann, führt Kant im angeführten Abschnitt der Kritik der Urtheilskraft vor. Dabei gilt im Rahmen einer strengen transzendentalen Deduktion ästhetischer Urteile a priori durchaus das, was in den Paragraphen zuvor schon für ein solches reines Urteil festgehalten wurde: dass sich nämlich auch das Lachen – dieser Bereich der Ästhetik stellt insofern keineswegs eine unreine Ausnahme dar – in der ästhetischen Urteilskraft selbst vollziehe. Das Lachen entsteht aus dem Vorstellungswechsel, der zwar ein »Spiel« mit »ästhetischen Ideen, oder auch Verstandesvorstellungen«63 ist, bei welchem aber kein Gedanke bestimmend ist, der irgendein Interesse mit sich führen oder welchem in notwendigem Verhältnis ein Begriff zu Grunde liegen würde; dennoch belebt er das Gemüt, als würde einem Anämischen wieder Farbe ins Gesicht getrieben werden. Insofern geht die Erregung vom Verstande aus, der in seiner Niederlage eine körperliche Belebung erwirkt, deren Ertrag das spielerische Vergnügen ist: eine »Nachlassung«, eine »Schwingung der Organen«64. Dieses Vergnügen, zu dem das Lachen führt, liegt in einem »Gefühl der Beför60 

Gerhardt (2011), S. 10.

61 Ebd. 62 

Kant: AA V, S. 332 f., B 225 f. Kant: AA V, S. 332, B 224. 64  Kant: AA V, S. 332, B 225. 63 

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derung des gesammten Lebens des Menschen, mithin auch des körperlichen Wohlbefindens, d. i. der Gesundheit«65. Kant führt diesen organischen Vorgang genauestens aus: Der Wechsel von Vorstellungen im Verstande übertrage sich auf den körperlichen Wechsel von Anspannung und Abspannung, »wobei die Lunge die Luft mit schnell einander folgenden Absätzen ausstößt«66. Es kann somit beobachtet werden, dass Kant das Komische, wie auch Schiller und Hegel, hinsichtlich der angestoßenen Reaktion des Lachens physiologisch fasst, als eine körperliche Äußerung in Verbindung mit einem – hier nun nicht mehr Kantisch gesprochen – ›geistigen‹ Prozess. Vergegenwärtigt man sich allerdings die Kritik, die der Hegelianer Max Schasler in seiner großen Aesthetik an Kant übt, treten hinwiederum Punkte hervor, in denen Hegels Ansatz deutlich über Kant hinausgeht; sie erstrecken sich nicht zuletzt auf die Art dieser Verbindung.67 Schasler entdeckt in Kants Vorgehen einen argumentativen Widerspruch: Er macht es Kant geradezu zum Vorwurf, sich dem Komischen in Fragen der Ästhetik, die transzendentalphilosophisch die Interesselosigkeit betont, physiologisch zu nähern, weil damit das Lachen an einen körperlichen Nutzen und einen äußeren Zweck gebunden werde.68 Der Einwand muss ernst genommen werden; die Reduktion auf das Physiologische deutete sich bereits an: Zwar betont Kant an mehreren Stellen, am »Gegenstande« des Komischen nähmen wir »selbst kein Interesse«, es sei das »freie Spiel«, das »keine Absicht zum Grunde«69 habe, der »Wechsel der Vorstellungen« erzeuge »in der Urtheilskraft« keinen »Gedanke[n], der irgend ein Interesse bei sich führte«, wenn er »das Gemüth […] belebt«70. Doch quasi durch die Hintertür gelangt in diesen Raum der Zweckfreiheit letztlich doch ein Zweck hinein, denn gerade um einer körperlich erquicklichen Wirkung willen soll dieses freie Spiel hergestellt werden – auf keine andere Weise als auf diejenige der Absichtslosigkeit kann der spontane und gemütsbelebende Lachausstoß erreicht werden. Dass Kant nicht müde wird, 65 

Kant: AA V, S. 331, B 222. Kant: AA V, S. 334, B 228. 67  Auch Schiller ist in diesen Punkten skeptisch. Er bemerkt beiläufig zur Definition des Komischen bei Kant – in einer Fußnote innerhalb seiner Schrift Ueber naive und sentimentalische Dichtung –, dessen Erklärung des Phänomens Lachen sei grundsätzlich nicht befriedigend. Vgl. Schiller: NA 20, S. 417 f. 68  Vgl. Schasler (1872), I, S. 556 f. Insbesondere der Schwerpunkt von Schaslers Aesthetik als Philosophie des Schönen und der Kunst auf der Kritik der Theorien des Komischen ist für Wolfgang Preisendanz die »kapitale Leistung« dieses Werkes und »noch immer unentbehrlich«. Preisendanz (1963), S. 275. 69  Kant: AA V, S. 331, B 223. 70  Kant: AA V, S. 331, B 224. 66 

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die medizinischen Vorteile des Lachens zu unterstreichen, eröffnet das funktionalisierende Motiv dieser Beschäftigung mit dem Komischen: Die Erörterungen drehen sich nicht bloß in der Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, sondern auch im § 54 der dritten Kritik unablässig um das »körperliche[] Wohlbefinden[]«71, die zuträgliche »Bewegung der Eingeweide«72, das bessere »Lebensgeschäft im Körper«73, »die Herstellung [des] Gleichgewichts«74, an sechs Stellen im Text um die Förderung der »Gesundheit«75. Gerade wegen der Interesselosigkeit am Gegenstand mache »das Gefühl der Gesundheit […] das Vergnügen aus, welches man daran findet, daß man dem Körper auch durch die Seele beikommen und diese zum Arzt von jenem brauchen kann«76. Angesichts eines solchen Grundtons der Theorie des Lachens hat Schasler für Kant nur das spöttische Urteil übrig, dies sei »die Philosophie eines Hypochonders«, dem das Komische bloß ein »Mittel zur guten Verdauung«77 sei; zu einem pharmazeutischen Rezept tauge sie, nicht aber zu einer ernstzunehmenden Ästhetik des Komischen. So wird deutlich, dass Schasler einerseits kritisiert, sich zur Erörterung eines komplexen ästhetischen Phänomens, das man in diverse Stimmungen des Gemüts, bildungstheoretisch beschreibbare Abstufungen, vor allem geistige Aneignungen zur Ausprägung ästhetisch subtilen Ausdrucks genauso wie kunst- und kulturgeschichtliche Entwicklungslinien desselben differenzieren kann, allein auf Kant: AA V, S. 331, B 222. Auch in der Anthropologie in pragmatischer Hinsicht unterstreicht Kant immerzu den Charakter der ›Erholung von der Erschöpfung‹, die »convulsivische« Tätigkeit zur Befreiung von störender Empfindung, die durch Lachen erreichte »Schwingung der Muskeln, die zur Verdauung gehören, welche dieses weit besser befördert, als es die Weisheit des Arztes thun würde«, die Rolle des »Harlekin«, welcher »durch seine Einfälle eine wohlthätige Erschütterung [des] Zwergfelles und der Eingeweide [bewirkt]: wodurch der Appetit für die darauf folgende gesellschaftliche Abendmahlzeit geschärft und durch Gesprächigkeit gedeihlich wird«, den angenehmen Nutzen des »Scherzen[s]« an »einer vollen Tafel«, weil »das Vernünfteln immer eine Art von Arbeit und Kraftanstrengung ist«, gelegentlich »das bloße Spiel des Witzes« zu treiben, »zum Theil auch«, um »dem anwesenden Frauenzimmer zu gefallen, auf welches die kleinen muthwilligen, aber nicht beschämenden Angriffe auf ihr Geschlecht die Wirkung thun«, in erster Linie aber um »die Mahlzeit mit Lachen« endigen zu lassen, weil es, »wenn es laut und gutmüthig ist, die Natur durch Bewegung des Zwergfells und der Eingeweide ganz eigentlich für den Magen zur Verdauung als zum körperlichen Wohlbefinden bestimmt hat«. Kant: AA VII, S. 255 f., 262 f., 280 f. 72  Kant: AA V, S. 332, B 224. Vgl. auch AA V, S. 332, 334, B 225, B 228. 73  Kant: AA V, S. 332, B 224. 74  Kant: AA V, S. 332, B 225. 75  Vgl. Kant: AA V, S. 331, 331, 332, 332, 332, 334, B 222, B 223, B 224, B 225, B 225, B 228. 76  Kant: AA V, S. 332, B 225. 77  Schasler (1872), I, S. 556. 71 

Ästhetik und Anthropologie bei Hegel und Kant

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körperliche Prozesse und vermögenstheoretische Verhältnisse beschränkt, und andererseits an ebendiesem vermisst, sich auf das allgemeine und systematische Wesen des Komischen zu beziehen. Fraglos steht Kant mit der durchaus zweckrational orientierten Deutung ganz in der Tradition der Aufklärungsphilosophie, wenn er am Lachen dessen gesundheitsförderliche Wirkung betont – und selbst Schillers kathartische Wirkung der Komödie kann hier in gewisser Hinsicht noch angeschlossen werden.78 – Die Frühaufklärung vermied es zunächst, dem Komischen etwas Ästhetisches abgewinnen zu wollen, vor allem wegen notwendiger Abgrenzungsbemühungen zum dekadent witzelnden Adel. Erst allmählich entwickelte sich eine bürgerliche Lachkultur, die zunächst ausschließlich den verfeinerten Verstandeswitz zuließ, der deutlich moralisierende oder gar Moral verbessernde Funktion besitzen sollte. So versteht beispielsweise Christoph Martin Wieland in seinem komischen Roman Die Geschichte der Abderiten von 1780 den ›Kitzel‹ als symptomatischen Ausdruck der gesamten aristokratisch-dekadenten Klasse und stellt diesem Konzept der seichten Unterhaltung sein eigenes bürgerliches des ernsthaften und belehrenden Lachens gegenüber.79 Auch Johann Georg Sulzer argumentiert in seiner Enzyklopädie Allgemeine Theorie der Schönen Künste von 1771 bis 1774, nicht diejenige, »nach welcher Aristophanes sich allein scheint gerichtet zu haben: Spotte und erweke Verachtung und Gelächter«, sei die »Grundregel, die der comische Dichter beständig vor Augen haben muß«, »sondern diese: Mahle Sitten und zeichne Charaktere, die für denkende und empfindende Menschen interessant sind«, so dass schließlich was er »tadelhaft findet, […] durch seinen

78 

Vgl. hierzu auch Hinck (1977b), S. 11; Schwind (2001), S. 362 f. – Schon Descartes beschäftigt sich mit dem Lachen unter medizinischen Gesichtspunkten, wenn er in seinem Tractat von den Leidenschaften der Seele Folgendes schreibt: »Es zeiget uns auch die Erfahrung, daß bey Gelegenheiten, welche dergleichen freyes Gelächter hervor bringen können, das aus der Lunge kommet, beständig eine Ursache des Hasses, oder auch nur der Verwunderung, anzutreffen seye. Und diejenige die nicht eine gar gesunde Miltze haben, sind nicht allein einer grösseren Traurigkeit als andere unterworffen, sondern auch nachdem es der Wechsel mit sich bringet, einer grössern Freude und Gelächter, weil nehmlich die Miltz zweyerley Blut nach den Hertzen schicket, einmahl ein sehr dickes und zähes Blut, welches die Traurigkeit erwecket, hernach ein sehr flüßiges und subtiles, welches die Freude erreget. Und offt, wenn wir viel gelachet haben, sind wir von Natur zur Traurigkeit geneigt, weil, wenn der flüßigere Theil des Blutes aus der Miltz erschöpffet ist, der andere dickere nach dem Hertzen fortgehet, und dem ersteren folget.« Descartes (1723), S. 147. 79  Wieland schreibt in der Geschichte der Abderiten: »Gleich den Unmündigen und Säuglingen ist euch alles gut und schön, was eure Sinne kitzelt, was euch gefällt.« Wieland: SW 19, S. 87; vgl. zu diesem Kontext Stollmann (2010), S. 11.

160

Negationen der heiteren Seele – Das Lachen in Hegels Anthropologie

Spott zu bessern«80 gesucht werde. Neben dieser Herausbildung des sittlichkeitsfördernden Verstandeswitzes behauptete sich vor allem die körperlich angewendete, arzneikundliche Nutzbarmachung des Lachens als Option, das Komische anzuerkennen, weil es dem Bürger ein zu höheren Aufgaben nötiges Wohlbehagen verschafft und zudem die Geselligkeit befördert. Beides hebt auch Kant hervor. Das, was Schasler an Kant vermisst, findet er in seinem geschichtlichen Abriss hingegen bei Hegel: eine Wesensbestimmung, die nicht jenseits der physiologischen Reduktion liegt, diese jedoch deutlich aufbricht und übersteigt. Dass Hegel die in der Kantischen Philosophie auf ihren theoretischen Höhepunkt gebrachte Strömung des physiologischen Ansatzes durchaus aufgreift und in seine Lehre integriert, ist aufgezeigt worden. Kant deutet das Lachen als physische Reaktion auf die ›plötzliche Verwandlung einer enttäuschten Erwartung in Nichts‹ – Hegel durchdringt diesen Gedanken eines sich hervortuenden Widerspruchs und dessen Lösung in seinen Überlegungen spekulativ, indem er ihn im Kern als Moment einer Negation versteht, die Lachen macht und in diesem Lachen nach einer zweiten Negation zu seiner Aufhebung verlangt. Beide Ansätze sind Widerspruchstheorien, doch erst Hegel baut den Widerspruch zur eigentlichen Triebfeder in einem als Selbstverhältnis gedeuteten Prozess der Subjektivität aus: über die Stufen der ›Negation‹ und ›Negation der Negation‹. – Kant fasst den Widerspruch zwar als einen solchen zwischen Schein und sich plötzlich einstellender Begebenheit auf, aber nicht wie Hegel in inhaltlicher Konkretisierung geistiger Selbstbezüglichkeit. Lachen ist Kant lediglich ein körperlicher Ausdruck, für den keine im Wesentlichen seelisch-geistigen Manifestationen von Bedeutung sind. Das Wechselspiel von Vorstellungen geht ihm zwar voraus, doch es ist die herausgearbeitete Leere nach einer Verstandesohnmacht, die den Impuls gibt, und kein substantiell ausbestimmbarer komischer Inhalt  – beispielsweise im entwickelteren Rahmen einer Ästhetik als Philosophie der Kunst. Ein solches Interesse liegt Kant fern. Hegel hingegen versteht den substantiellen Inhalt des Lachens, den nichtigen Schein als Negation wesentlichen Selbstbezugs, der sich im Augenblick des Lachens sich und der Welt auf wahrhafte Weise zuwendet, als eine Knospe, die im vorbewussten Zustand einer Verwobenheit mit dem natürlichen Leben der Seele noch in sich eingefasst ist. Diese Knospe aber ist signifikant sich auf sich beziehende Geistigkeit, und dazu bereit, sich in einer geistigen Welt und zu einer geistigen Welt zu entfalten. Insofern kann Hegel das Lachen auch im Rahmen einer Ästhe-

80 

Sulzer (1792), S. 487 f.

Ästhetik und Anthropologie bei Hegel und Kant

161

tik in ihrem herangezüchteten Blütenstand als ästhetischen Ausdruck freien Selbstbewusstseins behandeln. In der Anthropologie kann von solch einer entfalteten Stufe des Geistes selbstverständlich noch keineswegs die Rede sein. Dennoch muss festgehalten werden, dass schon hier die Seele sich in der lachenden Lösung von affizierenden Empfindungen zur Beziehung auf sich befreit. Was Hegel in eigentümlicher Weise am Lachen interessiert, ist ein Grundinteresse seiner Anthropologie überhaupt: nämlich, wie Birgit Sandkaulen sehr treffend auf den Punkt bringt, »die lebensweltlich verankerte Genese menschlicher Subjektivität, die sich im Gefühl ihrer selbst nicht gegen leiblich-mundane Beziehungen, sondern in deren individueller Aneignung vollzieht«81, vor Augen zu stellen. Das Lachen ist ein Moment dieser Genese. Der Gedanke Kants, es als einen Widerspruch zu deuten, der sich löst, wird von Hegel somit bloß zu einem genetischen Moment seiner Theorie heruntergesetzt: Das Lachen als physiologisch beschriebene Reaktion ist nur die leibliche Seite eines geistigen Ausdrucks, durch welchen die Seele Besitz ergreift von körperlichen Vorgängen, um sich darin vollständiger zu gewinnen. Im Rahmen des trans­ zendentalphilosophischen Unternehmens kann Kant diese Vermittlung des Lachens mit seiner substantiellen Inhaltlichkeit in spekulativer Prozessualität nicht erreichen. Nicht nur wie in Kants Anthropologie und Ästhetik, sondern auch wie in Schillers physiologischer ›kátharsis‹-Therapie der Komödie erreicht das Subjekt in Hegels Seelenlehre eine ›Gemütsfreiheit‹ durch das ›Wegschaffen‹ von konfliktbereitender Empfindung.82 Hegel überwindet aber die Reduktion auf dieses Moment des Physiologischen, die Schasler Kant vorwirft. Helmut Bachmaier meint dementsprechend, bei Hegel werde »die Komik als Bewusstseinsvorgang interpretiert«, indem sie als »eine rationale Konstruktion des autonomen Selbstbewusstseins« erscheine, in der sich »die Freiheit des Subjekts«83 zeige.

81 

Sandkaulen (2010), S. 43. Schulte ist überzeugt, dass Hegels Komödientheorie, zumindest in den Vorlesungen über die Philosophie der Kunst, eine ›kátharsis‹-Theorie integriere; vgl. Schulte (1992), S. 262. – Schasler schlägt vor, angesichts der Kunsttheorie des Aristoteles von einer »künstlerischen Wirkung der Komödie« zu sprechen, als eine »Katharsis der Leidenschaften des Hasses und der Verachtung«. Schasler (1872), I, S. 173. 83  Bachmaier (2005), S. 126 f. 82  Michael

162

Negationen der heiteren Seele – Das Lachen in Hegels Anthropologie

4.  Katharsis und Bewusstsein Es sollte deutlich geworden sein, dass eine solche vollbewusste Form des Lachens im Rahmen der Anthropologie eine Überinterpretation wäre, wenn nicht weitere Bestimmungen hinzugenommen werden würden – von ›Bewusstsein‹ kann wohl erst in der enzyklopädisch sich anschließenden ›Phänomenologie‹, von einer Selbstbewusstseinsform des Komischen hinsichtlich der absolut-geistigen Dimension des Lachens sogar erst in der Ästhetik gesprochen werden. Diese Blüten des Bewusstseins – will man das Bild der Knospe noch einmal aufgreifen, ernst nehmen und weiterverfolgen – müssen jedoch hier schon einbeschlossen vorhanden sein: Das Lachen ist eine der Weisen, wie die Empfindung der natürlichen Seele in das Fürsichsein der fühlenden übergeht und damit im Fürsichsein die Subjektivität eines von der Seele geistig durchdrungenen Leibes gewinnt – quasi als leiblich-fühlende Subjektivität. Dieser Akt kann als das Erwachen des Selbstgefühls wie auch zumindest als die Antizipation von Bewusstsein aufgefasst werden, denn es ist eine conditio humana, die Erweckung natürlicher Versenkung, die anfänglich rudimentäre Erfüllung des Körpers mit bewusster Geistigkeit, als leibliche Regung auch äußerlich anzuzeigen. Sandkaulen ist diese Bewegung daher »ein leiblich spürbarer Prozeß zunehmender Individualisierung«84. Es mag zunächst irritieren, dass Hegel das Lachen in den Vorlesungen am benannten systematischen Ort zwischen natürlicher und fühlender Seele behandelt und im Weiteren nicht mehr darauf zurückkommt. Für diese noch sehr basale Stufe ist vielleicht nicht der Vorgang selber, doch in jedem Fall seine wesentliche Voraussetzung viel zu komplex zu denken, als dass hier schon die erforderlichen Momente beschrieben werden könnten, denn das Lachen hat fraglos besondere Bewusstseinsleistungen zur Bedingung: So in erster Linie die Bewusstwerdung eines Bruchs zwischen Innerlichkeit und Äußerlichkeit, subjektiver Haltung oder Erwartung und realen Ereignissen, das sogar weiterführend das Produkt eines subjektiven Selbstverhältnisses sein müsste; ebenso verinnerlichte Formen des komischen Anlasses, der ja nicht notwendig auf tatsächliche, äußere Ereignisse angewiesen ist, sondern auch durch innere Vorstellungen oder Reflexionen angestoßen wird. Es könnte somit bezweifelt werden, dass der ›bewusstlos-dumpfe‹ Ort innerhalb der Anthropologie der geeignete ist, das Lachen auseinanderzusetzen. Dieser Einwand bringt Hegels Ansatz allerdings keinesfalls ins Wanken: Immerhin greift er das Lachen in der Encyclopädie nicht allein im § 401, sondern noch einmal im §  411 auf, und damit im Abschnitt über die wirkli84 

Sandkaulen (2010), S. 42.

Katharsis und Bewusstsein

163

che Seele, die im Begriffe ist, in die Phänomenologie als Bewusstseinslehre überzugehen. Hegel betont dadurch, dass Lachen eine Form von Bewusstsein bedingt sowie selber Bewusstwerdung überhaupt zu erreichen verlangt. Indem er in diesem Paragraphen vom »Lachen« als dem »absoluten Werkzeug[] des Mundes« sowie vom »über das Ganze ausgegossene[n] geistige[n] Ton«85 spricht, entwickelt er seine Theorie des Lachens in Kontexte höherer Geistigkeit fort. Das leibliche Lachen ist nun im Vollsinne Manifestation des Geistes am Körper, es ist »Zeichen für den Geist«86, und somit bereit, als Ausdruck auch an geistigen Selbstverhältnisformen zu partizipieren. Obwohl es die Vorlesungen87 nicht hergeben, wird an der Encyclopädie ersichtlich, dass das Lachen nicht den zu Anfang dieses Unterkapitels behaupteten singulären Ort besitzt, sondern mindestens im Übergehen zur Phänomenologie einen weiteren, der ihm wesentlich ist. Wenn Bachmaier also vom Vollzug einer ›Befreiung des Subjekts‹ spricht, kann dies einerseits auf einer basalen, noch genuin physisch zu verstehenden Ebene aufgefasst werden: Das Lachen befreit kathartisch – im Anschluss an Aristoteles88 und Schiller – von Seelenlasten, die den Geist besetzen und 85 

GW 20, S. 420.

86 Ebd.

87 Bezüglich

des Lachens wiederholt beispielsweise die Nachschrift Stolzenberg lediglich die knappe Bemerkung, die sich in der Anmerkung zum § 411 der Encyclopädie befindet. Vgl. GW 25,2, S. 741. 88  Auch wenn die Teile der Poetik verloren gegangen sind, in denen dieser Aspekt wahrscheinlich näher entwickelt worden ist, kann man davon ausgehen – wie Pierre Destrée ausführlich zeigt –, dass Aristoteles nicht nur für die Tragödie, sondern ebenso für die Komödie eine ästhetisch bewirkte ›kátharsis‹ vorsieht. Vgl. im Weiteren Destrée (2009), S. 82 ff. Die Komödie stimmt nicht nur in allen sechs konstitutiven Bestimmungen – dazu gehören bei Aristoteles die Nachahmung, die Handlung, die Größe, die anziehend geformte Sprache, die Art und Weise der Nachahmung sowie die Affekte und ihre Wirkung – sowie den drei Anforderungen an die Handlung – das sind Allgemeinheit, Einheit und Ganzheit  – mit der Tragödie überein, sondern auch hinsichtlich des wesentlichen individuellen Zwecks des Stückes für die Zuschauer, d. h. der Reinigung von bestimmten Emotionen. Dies wird unter anderem aus der Rezeption der Poetik bei Iamblichos und Proklos deutlich. In der Komödie hingegen müssen es andere Emotionen sein als in der Tragödie – doch mit dieser Frage sind sogleich einige Schwierigkeiten im Rekonstruktionsversuch der Komödientheorie verbunden, die in der Forschung zu verschiedenen Deutungsvorschlägen geführt haben und an dieser Stelle nicht ausführlich aufgearbeitet werden können und müssen: Es herrscht zumindest ein weitgehender Konsens darüber, dass gegen die Emotionen der Tragödie ›eleos‹ und ›phobos‹, die von Lessing klassischerweise mit ›Furcht und Mitleid‹, von anderen späterhin mit ›Jammern und Schaudern‹ übersetzt worden sind, die Emotionen der Komödie ›orgê‹ und ›phtonos‹ stehen, wie es aus einer wichtigen Bemerkung in der Rhetorik herausgelesen werden kann. Ob diese nun als ›Zorn und Neid‹ (Vgl. Cooper [1924], S. 67) oder ›Hohn und Verachtung‹ (Vgl. Lucas [1968], S. 288) übersetzt werden müssen – deutlich wird dabei, dass in der Komödientheorie des

164

Negationen der heiteren Seele – Das Lachen in Hegels Anthropologie

an höheren Tätigkeiten hindern. Fortgesetzt gewinnt dieser Vorgang andererseits eine geistige Qualität, die sich der Ästhetik zur Anknüpfung dar­ bietet: Angesichts des komischen Widerspruchs lacht die Befreiung von diesem Gegensatz leiblich aus sich heraus. Die Seelentätigkeit ist damit immerhin geistiger Ausdruck der Individualität, die in ihrem Fürsichsein in einem befreiten Bezug auf sich steht. Indem der Leib Mittel der Seele zu höheren Zwecken des Geistes wird, entsteht ein Bewusstsein antizipierendes Gefühl der Zusammenstimmung des Subjekts mit sich. Den fesselnden Bezug auf die sinnlich affizierende Äußerlichkeit der Seele überwindet das Lachen, indem es die Affekte – durchaus im Sinne der Affektenlehre der Aufklärung zu verstehen  – ›wegschafft‹ und damit das Subjekt auf sich zurückbringt, einbeschlossen den geistig überwundenen Naturbezug. Diese Bestimmung sollte jedoch nicht als Funktionalisierung auf einen äußeren Zweck hin verstanden werden. Aufklärern wie Sulzer, Lessing oder Wieland  – dies ist gezeigt worden  – dient das Lachen zur Belehrung, vor allem in moralischer Weise. Von diesen Zwecken distanziert sich Hegel und spricht dem Ausdruck als eine Weise der Aufhebung der Äußerlichkeit89 im Wesentlichen die immanente Beziehung auf das geistige Selbst zu – freilich veränderlich bestimmbar vom subjektiven zum absoluten Geist. So wird auch das physiologische Modell Kants zu einem Bestandteil seiner Theorie der selbstbezüglichen Subjektivität gemacht. Dabei überwindet das Lachen als Resultat den Vorgang des Weinens im Punkt der freien Distanzierung: Ist der Mensch dem Gegenstand emotional, leidenschaftlich, gefühlvoll verbunden, wird er vom Widerspruch distanzlos affiziert; die Träne dient dazu, der Situation Herr zu werden, doch sie kann die Bindung objektiv nicht beseitigen. Wird allerdings im Lachen eine freie Einstellung eingenommen, stellt sich eine reale Erhabenheit über Empfindungen her.

Aristoteles der Grund des Lachens in einem Zustand der Aggressivität gesucht werden muss: Insofern wäre der Besuch einer Komödie für die Zuschauer aus dem Grunde unterhaltsam oder hilfreich, weil sie darin »entweder ihre eigene Aggressivität […] mäßigen, welche Zorn und Verachtung einschließen kann, oder von ihr befreit« (Destrée [2009], S. 86) werden können. Hieran lässt sich sofort erkennen, dass Hegel in diesem Punkt Aristoteles nicht bedingungslos folgen will: Er sucht den Grund des Lachens weder in Zorn, Neid oder Verachtung noch fokussiert er die Bedeutung der Komödie auf eine physiologisch zu verstehende Befreiung von Aggressionen. Gleichwohl spielt die körperlich befreiende Lösung in seinem Ansatz eine keineswegs unbedeutende Rolle, auch wenn diese zur Vorbedingung geistiger Entfaltung der auf Selbstbewusstsein gehenden Wirkungen dieser Gattung heruntergesetzt ist. 89  Vgl. zum Aspekt der aufgehobenen Natürlichkeit in solchen Äußerungsformen Stederoth (2001), S. 122 ff.

Katharsis und Bewusstsein

165

An der Komödientheorie Hegels konnte bereits gesehen werden, dass sich das Subjekt erst wenn die Angst vor den Göttern und dem göttlichen Schicksal durch die lachende ›Entvölkerung des Himmels‹ als Schein durchschaut ist, von derlei Empfindungen befreien kann. Das Hineinziehen dieser Gegenstände in die Komödie erreicht einen freieren Umgang. Daher kann Hegel bei Griesheim sagen: »Wer mehr lacht, ist ein freierer Mensch, seine eigenen Interessen schlecht ausgeführt hat er nicht mehr, ist nicht mehr darin.«90 Die Schicksalhaftigkeit der Tragödie und Schicksallosigkeit der Komödie, wie diese Kategorien in den entsprechenden Kapiteln zu Schiller und Hölderlin entwickelt wurden, nimmt Hegel strukturell somit bereits in seiner Unterscheidung des Lachens vom Weinen vorweg: Beide Entäußerungen beruhen zwar auf einem Konflikt, aber nur im Falle des Weinens ist es einer, der das Subjekt ernsthaft betrifft, analog zum tragischen Schicksal, durch dessen Ergreifung der Tragödienheld in die größtmögliche physische Entzweiung versetzt wird, bis in den physischen Tod. Auch das Weinen befreit innerlich vom Konflikt: Hegel erwähnt bei mehreren Gelegenheiten, nach Todesfällen sei für die Hinterbliebenen die Veräußerung ihres Schmerzes und ihrer Trauer durch Tränen, Kondolenz oder in manchen Kulturen, wie der antiken griechischen, durch professionelle Klageweiber eine Erleichterung, wegen des Vor-Augen-Haltens als der äußerlichen Vorstellung eine Überwindung.91 Doch nur im Lachen kann die Seele zur freien Versöhnung des mit sich zusammenstimmenden Zustands finden, zur wahrlich befreienden Identität des Selbst mit sich, welches sich heiter im Selbstgefühl genießt. So lässt sich zeigen, dass angesichts des Lachens jedwede Vereinseitigung in kategorialen Bestimmungen prinzipiell unterbunden wird; denn Hegel versteht die lachende Seele sowohl in Freiheit als auch in Abhängigkeit von ihren Empfindungen92: Das sinnliche Gefühlsleben ist ein entscheidendes Moment des menschlichen Wesens; der Mensch will und muss empfinden, um den Bezug zu seiner Welt stiften, sich darin begreifen und aus seinen Erfahrungen das für jede weitere geistige Leistung entscheidende Selbstgefühl konstituieren zu können. In seiner Seele sind sie wirksam und aufbewahrt, aber zugleich angeeignet überwunden, um sich in affektiver Beherrschung und für höhere Zwecke von ihnen wiederum lossagen zu können. Demnach kristallisiert sich heraus, dass solche Seelenbewegungen für Hegel keine rein geistigen Prozesse sind: Hegel will keine ›reine Metaphysik der Subjektivität‹ schreiben, sondern eine konkrete Geistphilosophie subjekti90 

GW 25,1, S. 301. Vgl. GW 25,1, S. 299 f.; GW 25,2, S. 669 f.; Hotho (1823), S. 240 f.; TWA 1, S. 432 f. 92  Vgl. hierzu auch Siep (1992), S. 125. 91 

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Negationen der heiteren Seele – Das Lachen in Hegels Anthropologie

ver Vollzüge.93 Dazu muss er das Subjekt als selbstbezügliches Ich im Spannungsfeld von Natur und Geist und zugleich im Kontext seiner konkreten Lebenswelt verorten. Zu dieser Äußerlichkeit verhält es sich. Zwar ist der Wirkungsbereich der Seele noch nicht zur Sphäre bewusster Lebensweltlichkeit, geschweige denn zur Sittlichkeit des verwirklichten Freiheitsversprechens weiterentwickelt worden; dennoch konnte an den Ausführungen zum § 411 gesehen werden, dass mit den Ausbestimmungen der Seelenlehre die Weichen gestellt sind, um darauf aufbauend die Subjektivität in eine komplexe, selbstgeschaffene Objektivität hineinzubilden. Andersherum betrachtet  – und darauf kommt es in der Perspektive der Seelenlehre ja genauso an – wären diese Fortschreibungen ohne ein solches anthropologisches Fundament gar nicht denkbar. In besonderer Weise am Lachen offenbart sich, dass jede Antizipation innerhalb der Seelenlehre, sei es Bewusstsein, komplexer Weltbezug oder Reflexion, nicht bloß auf noch zu entwickelnde oder im Weiteren erst auszubuchstabierende Kategorien vorausdeuten, sondern auf die entwickelte Form bereits bezogen sind, ja in mancherlei Hinsicht ohne diese gar nicht realisiert werden könnten: Dass sich Lachen als Entäußerung am Leibe abspiegeln kann, setzt voraus, dass ein äußerlich angestoßener und innerlich erkannter Widerspruch bereits bewusst gemacht, wenn nicht gar selbstbewusst reflektiert worden ist. Sodann offenbart sich an diesem Begriff des Lachens die Modernität der Hegelschen Anthropologie, weil die philosophische Interpretation des Phänomens beweist, dass er Subjektivität nicht als metaphysisch expliziertes Bezugsfeld reiner, geistiger Selbstverhältnisse versteht, sondern als Bestimmungszusammenhang von Natur und Geist und gleichsam Ich und Lebenswelt. – Dieser als komplexer Bildungsprozess der Seele gedachte moderne Zusammenhang, der von Hegel auch bezogen auf das Lachen ausgedeutet wird, soll abschließend konturierter gezeichnet und dabei seine Bedeutung für eine ästhetische Theorie des Komischen herausgearbeitet werden. Hinsichtlich der Theorie des Lachens ist es signifikant, dass das, was bei Kant Teil seiner Ästhetik ist, bei Hegel in der Anthropologie abgehandelt wird. Walter Hinck tut Kant wohl kein Unrecht, wenn er behauptet, das Lachen lediglich als eine leibliche Reaktion zu behandeln und das Phänomen des Komischen in seiner ganzen ästhetischen Dimension einer bloß äußer­ lichen Symptomatik zu opfern; Hegel aber schenke gerade dieser Dimension des Kunstausdrucks das Hauptaugenmerk.94 Doch selbst in der Anthropologie geht Hegel bereits über Kants Ansatz hinaus. Der Geist entwickelt sich 93  94 

Vgl. Sandkaulen (2010), S. 45 f. Vgl. Hinck (1977b), S. 11.

Katharsis und Bewusstsein

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über die fühlende Seele hinweg – ja überhaupt: er entwickelt sich; d. h. er ist nicht als Vernunft, Verstand oder Einbildungskraft im Menschen einfach vorhanden, sondern macht sich für sich zu dem, was er an sich ist. In der Gestalt der Seele hat er zunächst seine Natur aufgehoben und angeeignet; die Seele ist Bestimmung des Geistes, stoffliches Fundament, auf welchem aufbauend er sich selber eine Form geben kann.95 Diese Form setzt voraus, sich von der Unmittelbarkeit und Simplizität der Natur frei gemacht zu haben, aber ihr Prozess der Formung als Bildung des geistigen Ausdrucks in leiblicher Gestalt ist damit nicht abgeschlossen, ganz im Gegenteil: Hier beginnt er erst. Über die einfache Seelenartikulation hinaus will sich der Geist als Fürsichsein wissen, sich bewusst werden, und zwar auch im Gestus der Veräußerungen komischer Geistesinhalte. Schillers Idee einer ästhetischen Erziehung der Gesten und Verhaltensformen – sie wird von Hegel über eine in der Einleitung der Ästhetik vergleichsweise anerkennende, aber mit dem Verweis, sie sei gegenüber dem eigentlichen Endzweck der Kunst als Enthüllung von Wahrheit nur eine randläufige Erscheinung, nicht eigens auseinandergesetzt.96 Doch immerhin macht er den ästhetischen Bildungsgedanken im Rahmen der Anthropologie für das Lachen und weitere Äußerungsformen zumindest andeutungsweise geltend: Seine Vermittlung der Physiologie des Lachens mit der Inhaltsbestimmung freier Geistigkeit ermöglicht es, beide Seiten des Lachens, d. h. sowohl die innere Empfindsamkeit als auch den äußeren Ausdruck, im Prozess der fortschreitenden Kultivierung zu einem geformten Ausdruck zu begreifen. Denn die Voraussetzung solcher Weiterbildung basaler Seelenvermögen, dies betont Ludwig Siep, sei die »›Plastizität‹ des Menschen, die Fähigkeit zum Erwerb und zur Eingewöhnung nichtnatürlichen Verhaltens«97. Auch das Lachen des Menschen im Sinne des äußerlichen Ausdrucks unterliegt somit einem kulturellen Bildungsprozess. Durch Hotho ist von Hegel überliefert: Das Lachen »ist Auflösung und hat viele Grade: das gemeine Ausschütten, das Lachen der Heiterkeit und das Lächeln der edlen Seele, der höheren Geistigkeit. Wie Jemand lacht ist sehr characteristisch; die Stufen der Bildung sind dadurch ausgedrückt.«98 – Stolzenberg notiert: »Das Lachen […] hat auch viele Gradationen vom rohen Lachen bis zum Lächeln mit einer Thräne im Auge.«99 – Zunächst als Natürlichkeit der Seele durchläuft das Lachen eine Reihe von Abstufungen, die als 95 

Vgl. Rometsch (2007), S. 86 f. Hotho (1823), S. 240 ff. – Vgl. zu Schillers Ansatz in dieser Frage Sandkaulen (2002); Sandkaulen (2005), passim. 97  Siep (1992), S. 117. 98  GW 25,1, S. 59. 99  GW 25,2, S. 670. 96  Vgl.

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Negationen der heiteren Seele – Das Lachen in Hegels Anthropologie

Momente eines Bildungsprozesses sich von ihrem bloßen Ansichsein entfernen, um Äußerungen des ›freien Willens‹100 zu werden: Je zivilisierter ein Mensch sei, desto stärker zeige er seine Bildungsstufe auch in Verhaltensweisen wie derjenigen des Lachens. Doch dieser Bildungsprozess leiblicher Regungen des Lachens, die sich äußerlich am Körper zeigen, erstreckt sich bei Hegel weiterhin auch auf den Inhalt, d. h. auf das geistige Verhältnis als Wurzel des Lachens: Herangebildet wird nicht bloß der Ausdruck, sondern ebenso das, worauf er verweist – die inneren sinnlichen Empfindungen vergeistigen sich quasi stante pede, indem ihre subjektive Einzelheit beginnt, hinter dem Allgemeinen zurückzutreten.101 So könne das Lachen nicht bloß als Ausdruck für sich wahrgenommen werden, wie Hegel meint, sondern genereller »als ein Zeichen der Fadheit« des Charakters, wenn »der Thörigte […] über alles« lache und er »keinen Sinn hat für substantielle wahrhafte Interessen«102; oder anders ausgedrückt: wenn er sich nicht soweit kultiviert hat, die fremden Begebenheiten in seiner Lebenswelt in ihrem substantiellen Ernst und ihrer allgemeinen Bedeutsamkeit aufzufassen, sondern tendenziell alles ins Komische oder Lächerliche zu ziehen. Wie im Zusammenhang der Komödientheorie des Naturrechtsaufsatzes sowie der Phänomenologie des Geistes bereits dargestellt wurde, entdeckt Hegel diesbezüglich das wahre Komische nicht im spöttischen Verlachen des Anderen, sondern im selbstbezüglichen Lachen des Geistes über sich. Hegel kommt es in Fragen eines zivilisierten und geistigen Lachens somit darauf an, dem Maßstab der Selbstbezüglichkeit gemäß, Selbstdistanz im Akt des Lachens über eigene Unzulänglichkeiten zu demonstrieren. Der vollkommene Mensch ist nicht der widerspruchsfreie, sondern der selbstironische Mensch, der seine Widersprüche selbstbewusst aushalten und ironisch brechen kann. – In besonderer Weise eignet sich für dieses Bildungsmoment des Lachens die Sprache. Hegel meint, das Lachen sei bereits eine Art »Sprache der Empfindung«, schränkt aber ein, es sei »noch keine Sprache die artikulirt ist«103. Dennoch kann der Zusammenhang des Lachens über komische Inhalte in die abstraktere Dimension der artikulierten, begrifflich verfassten Sprache übersetzt und dadurch ausgebildet und vergeistigt werden. Hegel betont in den geistphilosophischen Vorlesungen, es sei der Dichtung Eigenheit, die Befreiung von innerer Empfindung zur höchsten Steigerung des Ausdrucks zu bringen: Das gilt hinsichtlich der Qual oder des seelischen 100 Vgl.

zu diesem Aspekt, den die Vorlesungsnachschriften nicht enthalten, eine entsprechende Passage aus den Zusätzen der Freundesvereinsausgabe: GW 25,2, S. 1002. 101  Vgl. Drüe (2000), S. 225 f. 102  GW 25,1, S. 301. 103  Ebd., S. 299.

Entlastung von Fremdbestimmung als Befreiung zum Geist

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Schmerzes für tragische Romane, etwa den Werther Goethes104, genauso wie hinsichtlich der überschwänglichen Fröhlichkeit für die Komödiendichtung105. Die sprachliche Vermittlung lasse den Ausdruck des Lachens in der freien, geistigen Komik gipfeln. Begreift man jede ihrer noch so basalen Formen als äußerliche Artikulation, erreicht das Lachen im verständigen System der Sprache eine Stufe, auf welcher alle äußerlichen Inhalte innerlich verhandelt und distanziert zu einer selbstzweckhaften Vorstellung artikuliert werden können.106

5.  Entlastung von Fremdbestimmung als Befreiung zum Geist An diesem Schlusspunkt der Argumentation kann somit resümiert und wieder auf das Komische in der Ästhetik zurückgegangen werden: Die Anthropologie besitzt deshalb für Hegels Ästhetik eine besondere Bedeutung, weil sie eine der systematischen Grundlagen des kunstphilosophischen Konzepts ist und anschauliche Sinnlichkeit als objektivierte Geistigkeit deuten lässt, und zwar in individueller Gestalt. Auch das Kunstwerk muss als Ausdruck innerlicher Prozesse verstanden werden, die an Körperlichkeit oder beseelter, d. h. geistig lebendig gemachter Materie erscheinen. In Bezug auf das Lachen kann dieser Ausdruck, der ja bereits in § 411 als ›Zeichen des Geistes‹ interpretiert wurde, ästhetisches Selbstbewusstsein gewinnen: Das Lachen des Komödienschauspielers auf der Bühne ist nicht nur leiblicher Ausdruck einer Seelenregung, es ist leiblicher Ausdruck in einem freien Selbstverhältnis, an dem Bewusstwerdungsprozesse selbstbestimmter Subjektivität anschaulich dargestellt werden. Wie in Schillers Ansatz zeigt sich die Komödienerfahrung demnach als sinnlich konkret gewordener Begriffsinhalt: Freiheit – ein zunächst abstrakter Begriff, der wegen seiner Abstraktheit mit unterschiedlichsten Bedeutungen gefüllt werden kann – wird hier subjektiv erfahrbar gemacht. Damit verschiebt sich für Hegel in der Konfrontation beider Systemteile, d. h. im Übergang von der Anthropologie zur Ästhetik, der Akzent von der Wirkung auf das Wesen – und zwar von der Wirkung des Lachens auf das Wesen des Komischen. Dies erweist sich als schlüssig, weil in einer Philosophie des subjektiven Geistes die innerlichen Prozesse auf dem Weg Vgl. die nähere Ausführung im Zusatz zum § 448 der Freundesvereinsausgabe, Goethe habe sich den Roman in doppelter Bedeutung des Ausdrucks ›von der Seele geschrieben‹, indem er sich nicht der Macht der Empfindung unterworfen, sondern im Akt des Schreibens erleichtert habe, in: GW 25,2, S. 1096. 105  Vgl. hierzu den Zusatz zum § 401, zit. n. GW 25,2, S. 1002. 106  Vgl. GW 25,2, S. 670. 104 

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Negationen der heiteren Seele – Das Lachen in Hegels Anthropologie

zur Bewusstseinsform von Belang sind – für die Ästhetik hingegen sind die bewussten Vergegenständlichungen des Geistes in seiner selbstgeschaffenen Welt relevant, mit denen er jeweils anders konkret und fortschreitend tiefer versucht, sich in ihr zu erfassen. Schasler sucht demgemäß den Grund für den an Kants Ästhetik diagnostizierten Mangel, das Lachen »nicht seinem tieferen Begriff nach« erfasst zu haben, darin, »daß er es nicht vom metaphysischen Gesichtspunkt als Gegensatz zum Tragischen und demnach als besondere Form des Schönen«107 begreife. Zu einem Gegenstand der Kunstphilosophie wird das Lachen aber erst, wenn es zu einem ästhetischen Ausdruck fortgebildet worden ist, der zum einen substantiell selbstbezügliche Subjektivität zur Anschauung bringt und zum anderen einen vergewissernden Rückbezug des Lachenden auf den Anlass des Lachens und somit auf sich selbst provoziert. Wie Rainer Maria Rilke in seinem Essay Über Kunst generalisierend bemängelt, richte sich der weithin überwiegende Teil der neuzeitlichen Ästhetiken ausschließlich auf die Wirkung und nicht auf das Wesen der Kunst.108 Bezogen auf das Lachen kann zu dieser Feststellung angemerkt werden, dass bei Empiristen und Aufklärern, aber auch bis weit in das 19. und 20. Jahrhundert hinein, vielfach danach gefragt wird, wie die subjektive Wirkung des Komischen auf den Menschen philosophisch bestimmt werden kann, und nicht, was das Komische in seinem Kern überhaupt ist. Hegel dagegen fragt schwerpunktbezogen lediglich in seiner Anthropologie nach der Wirkung und eröffnet sich immanent das Tor zur ästhetischen Wesensbestimmung des Komischen, die in der Philosophie des absoluten Geistes umfassend ausgeführt wird. – In der Philosophie des subjektiven Geistes bestimmt Hegel das Lachen seiner Subjektseite nach als eine physiologisch verstandene Entlastung von innerlich nachempfundenem Widerspruch, seiner Objektseite nach als die ins Leibliche übertragene Äußerung einer Seelenbewegung im Sinne einer Vorform des Bewusstseinsprozesses. Das Lachen kann aber ebenso allgemein gefasst, d. h. nicht in dieser jeweiligen Einseitigkeit genommen, sondern über die auf Beförderung der Gesundheit abgezweckte Reduktion hinausgehoben etwas Wesentliches mehr sein – und zwar der geistig empfundene und geistig nachvollziehbare Ausdruck der Befreiung von Fremdbestimmung. In der Anthropologie steht die Funktion der Entlastung und Abspannung im Zentrum: Die Anspannung wird herausgeprustet, im ausgestoßenen Atem des Gelächters weggeblasen, die innere Empfindung im Vibrieren des Zwerchfells abgeschüttelt. Darüber hinaus gelangt Hegel aber 107  108 

Schasler (1872), I, S. 556. Vgl. Rilke (2001), S. 42.

Entlastung von Fremdbestimmung als Befreiung zum Geist

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zur vollen Anerkennung des Lachens als eines reinen geistigen Selbstzwecks und greift damit der modernen Rehabilitierung des leiblichen Lachens für Anthropologie und Ästhetik ein Stück weit vor.109 Daher sind im Lachen 109 

Unter diesem Gesichtspunkt lassen sich Gemeinsamkeiten hinsichtlich des Grundverständnisses zwischen Hegels Ansatz und Helmuth Plessners philosophischer Anthropologie des Lachens erkennen, wie dieser sie vor allem in seiner Abhandlung Lachen und Weinen von 1941 entwirft. Plessner deutet das Lachen ebenfalls als ein sich am Körper veräußernder Widerspruch mentaler Vorgänge: Lachen ist ihm die körperliche »Ausdrucksweise« des Menschen, die an einem »Kontrast« ihren Ausgang nimmt, der das Produkt eines reflexiven Verhältnisses ist. Diese Gemeinsamkeit wird allerdings durch deutliche Differenzen in der näheren Bestimmung dieses Kontrastes überdeckt: Plessner deutet ihn nämlich vor allem als die Verletzung einer »Norm«, wodurch sich eine in dieser Normverletzung komische »Erscheinung« zu erkennen gebe. Mit der Festlegung, Kernmoment des Lachens sei die Reaktion auf eine Erfahrung der »Grenze«, auf einen Ausnahmezustand des Menschen, eine Katastrophenreaktion und Manifestation der menschlichen Krisenanfälligkeit, worin zugleich ein entscheidender Wesenszug des Humanen gesehen werden müsse, kann Plessner dieses Modell in die Debatten des 20. und 21. Jahrhunderts einschreiben. Vgl. Plessner (1982), S. 253 ff., 297 ff., 303 f.; vgl. hierzu auch Hinck (1977b), S. 14; Lessing (2015), passim. – Insbesondere für den französischsprachigen Raum ist wiederum eine andere moderne Philosophie des Lachens von beachtlicher Wirkmächtigkeit: Henri Bergsons Schrift Le rire von 1900. Von seinem lebensphilosophischen Ansatz ausgehend beleuchtet er darin insbesondere die gesellschaftliche Dimension. Das Lachen werde »nur verständlich, wenn man es in seinem eigentlichen Element, d. i. in der menschlichen Gesellschaft«, belasse und »seine praktische Funktion, seine soziale Funktion, zu bestimmen« (Bergson [1914], S. 9) suche. Dafür stellt Bergson das Lachen als ›geste‹, in erster Linie als »soziale Geste«, in den Vordergrund – gemäß seines vitalistischen Grundprinzips des ›élan vital‹ versteht er das Lachen als intersubjektive Forderung nach »Geschmeidigkeit«, »Elastizität« (Bergson [1914], S. 17 f.), Lebendigkeit, Bewegung. Als Widerspruchtheorie ist hierfür der Kontrast zwischen Vitalität und Mechanik ausschlaggebend: Der Mensch erscheine komisch, wenn er Züge des Dinglichen oder Automatischen annehme, wenn er handele »wie eine Maschine« (Bergson [1914], S. 10). »Stellungen, Gebärden und Bewegungen des menschlichen Körpers sind in dem Maße komisch, als uns dieser Körper dabei an einen bloßen Mechanismus erinnert.« (Bergson [1914], S. 23.) Das Unbewegliche, Abgehackte, Erstarrte, Versteifte wird sozial registriert und diskreditiert; als ein individueller Mangel wird es im Sinne einer sanktionierend-drohenden Geste verlacht. Damit ist Lachen zwar eine soziale Geste, allerdings mit der Funktion verbunden, kontrastierend auf die ganz physische, naturverhaftete Seite des Menschen aufmerksam zu machen, auf dasjenige, das in seinem einseitigen Hervorscheinen nicht sein darf. Das Lachen markiert für Bergson, dass der Mensch nicht bloßer Körper, nicht Tier und nicht ungezügelter Trieb zu sein habe; es ergeht die Forderung, in der Lebendigkeit des Seelischen eine höhere humane Existenz, die des Geistes, zu offenbaren. – Bergson wie Plessner – trotz ihrer grundsätzlich verschiedenen Ansätze: der erste in einer vom Verstand ausgehend sozialphilosophischen, der andere in einer mehr vom Körper ausgehend phänomenologischen Herangehensweise – wurden damit lange Zeit als diejenigen gefeiert, die das Lachen für Philosophie und Geisteswissenschaften endlich als gleichwertigen Gegenstand rehabilitiert haben. Insbesondere bei den Literatur- und Kulturwissenschaftlern hat im Verbund Michail Bachtin (1987) und seiner Studie Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur von 1965 (auf Deutsch 1987) für Furore gesorgt. Lange Zeit ist in dieser Debatte nicht berücksich-

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Negationen der heiteren Seele – Das Lachen in Hegels Anthropologie

gemäß der Hegelschen Anthropologie schon höhere Formen der geistigen, freien Komik angelegt, so dass die Ästhetik an etwas anknüpfen und zugleich über etwas hinausgehen kann, was subjektiv-geistig einem eigenen Bildungsprozess unterliegt. Sobald das Lachen sich aber nicht mehr subjektiv in konkreter Leiblichkeit erschöpfend bestimmen lässt und darüber hinaus zu einem äußerlich erfahrbaren Anzeichen der Befreiung von Fremdbestimmung wird, verlässt seine Thematisierung das Feld des subjektiven Geistes und wird zu einem vollgültigen Gegenstand der Ästhetik. Das Lachen ist im Rahmen einer spekulativen Kunstphilosophie eine leibliche Regung, die sich nicht mehr in ihrer endlichen Singularität erschöpft, sondern als das Zeichen eines höheren Prinzips, als Ausdruck des freien Geistes aufgefasst wird. Für die Kunst ist es von Bedeutung, weil es sich in ihr als ein geistiges Selbstverhältnis in anschaulicher Gestalt veräußerlicht. So kann Hegel in seinen Berliner Ästhetik-Vorlesungen für die Entfaltung der Komödientheorie auf seine Anthropologie zurückgreifen.110 Umgekehrt tigt worden, dass die Bruchlinie einer solchen Anerkennung von Komik und Lachen weit mehr als hundert Jahre früher angesetzt werden kann: Justus Mösers bereits erwähnter Harlequin-Aufsatz ist zweifelsohne ein beachtlicher Durchbruch; Hegels Auseinandersetzung, und auch diejenige einiger seiner Zeitgenossen wie Schillers oder Schlegels, hat von Anfang an – das konnte bisher gezeigt werden und wird noch deutlicher zu zeigen sein –, sowohl mit dem christlichen und frühneuzeitlichen Lachverbot als auch mit der funktionalisierenden Aneignung für die Aufklärungstheorie entschieden gebrochen. – Angesichts derlei Zusammenhänge ist es leider keineswegs ausgeschlossen, dass Diskursteilnehmer, die sich mit der Geschichte der Theorie des Komischen und des Lachens beschäftigen, auf diesem Auge blind sind. Hinsichtlich der herausgestellten Modernität Hegels, die gleich in mehrerlei Hinsicht das Komische und das Lachen philosophisch zu vollgültigen Kategorien und Phänomenen werden lässt – sowohl subjektiv-geistig als seelische Entäußerung zur Überwindung der Abhängigkeit von der eigenen Natur als auch absolut-geistig nach dem geistigen Kern für eine allgemeine Geschichte der Selbsterkenntnis des Geistes befragt – ist es nicht nachvollziehbar, wie Rainer Stollmann die an keiner Stelle seines Buches belegte These formulieren kann, an Hegel lasse sich sehen, »wie die aufgeklärte Perspektive auf das Lachen gewissermaßen bloß eine integrative, mildere Variation des mittelalterlichen Lachverbots ist, dieses aber sich doch fortzusetzen scheut und daher unisono Lachen für ›gesund‹ erklärt und es unter die Fittiche der Vernunft zu bringen sucht«. Stollmann (2010), S. 68. In der vorliegenden Darstellung sollte deutlich geworden sein, dass in Hegel nicht der komikfeindliche Aufklärer entdeckt werden kann, der – ob aus den Auffassungen des Mittelalters stammend oder in rationalistisch-naturwissenschaftlichen Konzepten begründet – sich allein durch äußerliche Zwecksetzungen eines Therapeutikums zur Toleranz relevanter Wirkungen des Lachens durchringen kann. 110 Hösle kritisiert die Anthropologie Hegels dahingehend, dass die Deutung des Lachens »einseitig« sei, weil er es im Sinne der physiologischen Entlastung »nur auf die Objektivierung und Entäußerung von subjektiven Gefühlen« zurückführe und dabei das zentrale »Moment der Intersubjektivität« (Hösle [1988], S. 359) übersehe. Allerdings ist die Einseitigkeit, die hier zum Vorwurf gemacht wird, vielmehr eine der Hegel-Deutung Hösles, denn dieser übersieht wiederum, dass die Philosophie des subjektiven Geistes, der

Entlastung von Fremdbestimmung als Befreiung zum Geist

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bleibt es allerdings fraglich, ob das in der Phänomenologie und in den Vor­ lesungen erarbeitete Konzept des lachenden Subjekts der Komödie auch eine Vorlage für Hegels Theorie des Lachens innerhalb der enzyklopädischen Seelenlehre bildet oder ob die an einigen Stellen im Text der Zusätze hervortretende Parallelisierung von Anthropologie und Ästhetik auf das Konto Ludwig Boumanns geht, der im Falle dessen als Herausgeber der Zusätze zur Anreicherung des Darstellungsstoffes auf das Fremdmaterial der Komödientheorien philologisch unlauter zugegriffen hätte. Denn lediglich im Zusatz zu § 401 und nicht in den angeführten Nachschriften taucht die Passage auf, in welcher Hegel auf Aspekte der Komödie zu sprechen kommt. So heißt es in der Edition Boumanns: Analog zur abgehandelten Voraussetzung des physiologischen Lachens liege das »Lachenerregende wahrhafter Komödien […] wesentlich in dem unmittelbaren Umschlagen eines an sich nichtigen Zweckes in sein Gegentheil, wogegen in der Tragödie es substantielle Zwecke sind, die sich in ihrem Gegensatze gegeneinander zerstören«, so dass für das leibliche Lachen wie für das Lachen der Komödie gelten könne – und dies deckt sich wieder mit den Nachschriften –, dass hier die Subjektivität »zum ungestörten und ungetrübten Genuß ihrer selbst [komme], da sie die absolute Idealität, – die unendliche Macht über jeden beschränkten Inhalt, – folglich die reine Dialektik ist, durch welche eben der komische Gegenstand vernichtet wird«111. Es wird im sich anschließenden Unterkapitel noch demonstriert werden, dass sich beinahe dieselbe Formulierung auch in Hothos Edition der Ästhetik-Vorlesungen findet, so dass eine Abschrift nicht authentischer Texte durch Boumann oder aber Hotho keinesfalls unwahrscheinlich ist. Gleichwohl lässt sich über diese philologischen Fragen hinaus nicht leugnen, dass sich am Lachen ein Bogen von Hegels Philosophie des subjektiven Geistes zu derjenigen des absoluten Geistes aufspannt. In der Auseinandersetzung mit den Formen des Komischen in der Kunst wird das anthro­ pologisch entwickelte Lachen des Menschen ästhetisch konkret und auf die allgemeinere Ebene der Geistphilosophie gehoben. Mit seinem – systemphilosophisch betrachtet – Vorgriff markiert Hegel somit die Verwurzelung des Komischen in der Anthropologie: In der Tragödie noch ein übermenschliSystemteil, in welchem der einzelne und zum vereinzelten abstrahierte subjektive Geist nach seinen individuell-allgemeinen Vermögen, inneren Prozessen und Tätigkeitsweisen differenziert wird, Hegel nicht der geeignete Ort zu sein scheint, um derlei Aspekte in den Blick zu nehmen. Um diese Dimension des Allgemeinen wird das Phänomen vor allem in der Ästhetik erweitert, die das Lachen in den Horizont des Sittlichen stellt und  – wie bereits an der Phänomenologie des Geistes gezeigt wurde  – auch nach dem Verhältnis von komischem Gegenstand, komischem Subjekt und lachender Gemeinde in rechtsphilosophischen Zusammenhängen fragt. 111  Zit. n. den Zusätzen in: GW 25,2, S. 1002.

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Negationen der heiteren Seele – Das Lachen in Hegels Anthropologie

cher, todesmutiger Heros mit gottähnlichen Attributen und Fähigkeiten wird er in der Komödie in die Fehlbarkeit und Durchschnittlichkeit herabgeholt. Denn einem solchen Widerspruch, trotz überwiegend menschlicher Attribute ein Gott sein zu wollen, lässt sich auf dieser Bewusstseinsstufe nicht mehr anders begegnen als durch Verlachen. Die anthropologische Definition des Lachens als ›plötzliches Umschlagen eines nichtigen Zwecks in sein Gegenteil‹ im Rahmen einer Widerspruchstheorie, die ihre Hauptbestimmung in der dargestellten Notwendigkeit findet, den Widerspruch durch eine Negation der Negation wieder aufzuheben, gibt ein grundsätz­liches Verständnis des Komischen zu erkennen, das in den allgemeinen Zügen durchaus mit der Komödienästhetik in der Phänomenologie und den Vorlesungen über die Philosophie der Kunst übereinstimmt.112 In diesem Bezug auf die Ästhetik ist Hegels Bezeichnung der ›Anthropologie‹ dann doch wörtlich zu nehmen: Sie stellt die Grundlage bereit, den zu sich selbst befreiten Menschen in der Kunst zum philosophischen Gegenstand zu machen. Dieses Lachen ist als künstlerischer Ausdruck dann jedoch nicht mehr vorrangig der leibliche Prozess der Befreiung aus einer befangenen Situation, auch wenn er natürlich Bedingung bleibt; wesentlich ist das Lachen hier der Ausdruck bereits realisierter Freiheit und Heiterkeit und ein reflektiertes Verhältnis zu sich selbst.113 Wie dieses Lachen in der Kunst aber in der ausgereiften Ästhetik des späten Hegel gedeutet und in die abschließende Gestalt seiner Geistphilosophie gebracht wird sowie darin seine volle Bestimmung als geistiges Selbstverhältnis gewinnt, soll in der folgenden Analyse der Deutung des Komischen in den Berliner Vorlesungen über die Philosophie der Kunst diskutiert werden. Im erneuten Rückgang auf die Ästhetik kann dann das eingelöst werden, was Schasler fordert: sich auf das Wesen des Komischen zu richten. Appendix: Diese Deutung der Anthropologie kann zur These zugespitzt werden, Hegels Ansatz als eine säkulare, auf diesseitige Bezüge begrenzte Seelenlehre verstehen zu müssen, die sich mit den klassischen metaphysischen Entwürfen im Zusammenhang theologischer Rechtfertigung der Unsterblichkeit zwar kritisch auseinandersetzt, sogleich aber mit ihnen bricht, dabei nicht hinter Kants Reduktion auf die Postulatenlehre zurückfällt, sondern diese vielmehr noch radikalisiert, indem sich die Frage nach der Unsterb112  Vgl.

zu Hegels Deutung der Komödie als Negation der Negativität bzw. doppelte Negation Roche (2002/2003), S. 83 f., 97, 103 f. 113 Vgl. zu Befreiung von Fremdbestimmung und freier Komik Henrich (2003c), S. 233 ff.

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lichkeit der Seele vor dem Hintergrund der Position Hegels nicht mehr sinnvoll stellen lässt. Als geistphilosophischer Begriff, der seine Grundlage im Gegenstandsbereich der Naturphilosophie hat, d. h. konkret: aus dem abstra­kt unbeseelten Körper über organische Stufen hin zur selbstbewussten menschlichen Individualität entwickelt wird, gewinnt die Seele lediglich individuumsübergreifend auf dem Feld der Geschichte sowie allgemeingeistiger Selbstverständigungsprozesse in der Kunst und Religion, in den Wissenschaften und der Philosophie die Dimension dauerhaften Fortbestands ihrer individualgeistigen Tätigkeit: Unsterblich ist der Einzelne in seiner Teilhabe an einem übergreifenden Prozess des Geistes, der ganz unhegelisch formuliert als ›Kulturgeschichte‹ bezeichnet werden kann. Als in der Abhängigkeit von natürlichen Prozessen stehender Einzelmensch wendet sich Hegels Seelenlehre entschieden von allen metaphysisch-theologischen Implikaten ab. Diese These bestätigt sich nicht zuletzt an der spezielleren Fragestellung einer hierin zu verortenden Theorie des Lachens.

VI.  ARISTOPHANES IN BERLIN – BEKEHRUNGEN DES NICHTIGEN IN DER GROSSEN ÄSTHETIK

1.  Die Ausarbeitung einer Philosophie der Kunst in Vorlesungen Über das Kapitel der ›Kunst-Religion‹ hinaus lässt Hegel die Ausarbeitung einer eigenständigen Ästhetik, näher definiert als Philosophie der Kunst, in den unmittelbar auf die Veröffentlichung der Phänomenologie des Geistes folgenden Jahren zunächst ruhen. Indem er seine bisherigen philosophischen Entwürfe in die Encyclopädie der philosophischen Wissenschaften, die er 1817 in seiner Heidelberger Zeit publiziert, zu einem spekulativen System in Grundrissen integriert, greift er auch die ästhetische Teildisziplin zu diesem späteren Zeitpunkt wieder auf; allerdings nicht mehr indem er sie als eine Bewusstseinsgestalt auf dem Wege des erscheinenden Wissens, sondern von dem für die Ästhetik so entscheidenden Begriff des ›Ideals‹ ausgehend entwickelt, und zwar fortgehend bis zur geschichtlichen Entfaltung in den einzelnen Kunstformen. Das Ideal, entwicklungsgeschichtlich verstanden keineswegs neuartig und doch in dieser begrifflichen Zuspitzung ein erstmals einheitlich fixierter und allgemein konnotierter Terminus, ist die ästhetische Grundkategorie eines absoluten geistigen Inhalts in einer je nach der Entwicklungsstufe dieses Geistes verschiedenen sinnlichen oder späterhin auch nicht mehr sinnlichen Form. Die zur Vollständigkeit der Welt der Kunst vorgedrungene Philosophie Hegels hat damit spätestens in Heidelberg das gesamte systematische und für den ersten, allgemeinen Teil der Berliner Version der Ästhetik relevante Rüstzeug versammelt, um sämtliche Phänomene des Kunstschaffens, wie sie Hegel bekannt sind, begrifflich, und in weiten Teilen auch empirisch, einzuholen. Zugleich kann er mit dieser Voraussetzung die Kunst über immanente Fragestellungen hinaus in das Ganze der Philosophie des absoluten Geistes eingliedern, in welcher sie »zwar der erste, unumgängliche, aber doch nur vorläufige Durchbruch zum Unendlichen«1 ist. So erhält in diesem umfassenden Ansatz einer spekulativen Erschließung der Welt des künstlerischen Geistes die sogenannte ›These vom Ende der Kunst‹ ein besonderes Gewicht. Unter anderem um den Umbruch zwischen dem genuin ästhe1 

Patocka (1964), S. 55.

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Aristophanes in Berlin

tisch sich erkennenden Selbstbewusstsein und demjenigen, das über diese anschauliche Vermittlung hinaus ist, in Übereinstimmung von begrifflicher und kunstgeschichtlicher Entwicklung zeigen zu können, benötigt Hegel das Komische der Komödie und der Satire sowie für die weiteren romantischen Konsequenzen dieses Bruches das Komische des Humors. Umgekehrt bietet ihm der Kontext des Endes der Kunst die Voraussetzung, das Komische in seinem ganzen Bestimmungsreichtum durchdringen zu können. Der Ort, an dem eine solche dezidierte und materialreiche Auseinandersetzung mit dem Ganzen der Kunst stattfindet, ist allerdings gerade nicht die Encyclopädie selber; sie gibt lediglich elementare und im Falle der Ästhetik besonders knappe Bestimmungen an. Es sind vielmehr die in Heidelberg2 und Berlin gehaltenen Vorlesungen über die Philosophie der Kunst, welche die knappen Paragraphen umfangreich entfalten, sowie  – für die Theorie des Komischen in nicht unerheblicher Weise – die Rezensionen der Schriften verschiedener Zeitgenossen. Wenngleich Hegel bereits in Heidelberg eine beachtliche Fülle philosophisch aufgeschlossenen empirischen Materials früherer Studien in seine Vorlesungen eingearbeitet haben muss – nicht zuletzt an der Komödientheorie kann gesehen werden, dass er offenbar lange bevor er zur systematisch ganzheitlichen Darstellungsweise ästhetischer Bestimmungen in der Lage war, sich mit einer Reihe von Einzelphänomenen künstlerischen Ausdrucks beschäftigt hatte –, sollte nicht aus dem Blickfeld geraten, dass ihm für zahlreiche singuläre Fragen, z. B. Einzelaspekte der Gattungsgeschichte oder der Werkinterpretation, die letzten entscheidenden Anregungen wohl erst in Berlin kamen.3 Hinsichtlich der Komödie lässt sich demnach in Berlin einerseits eine im Vergleich mit der Phänomenologie ausführlichere Auseinandersetzung mit dem Einzelphänomen und seinen Gattungsfragen beobachten, was sich unter Rückgriff auf zahlreiche exemplarische Stücke des komischen Theaters auf sämtliche Formen der Gattung bezieht: Bereits im Jahrgang 1820/21, überliefert durch die AschebergNachschrift, werden sowohl die antike als auch die moderne Komödie als Nachschriften von Studenten, die Hegels Vorlesungen über die Philosophie der Kunst in Heidelberg nach Diktaten besucht haben, sind nicht überliefert. Hotho lagen einige Unterlagen des Kollegs von 1818, die den systematischen Aufbau zu erkennen geben, bei der Texterstellung der Edition der Ästhetik im Rahmen der sogenannten Freundesvereinsausgabe noch vor; er gibt in seinem Editorischen Bericht jedoch nur wenig Aufschlussreiches über sie bekannt. Vgl. Hotho (1842), passim; vgl. hierzu auch Gethmann-Siefert (1984), S. 235; Nicolin (1996c), S. 170. 3  Aufs Ganze gesehen war die Ästhetik neben Rechtsphilosophie, Psychologie und Geschichte der Philosophie nur eine der für die Heidelberger Lebens- und Schaffensphase bedeutsamen Disziplinen und wurde dort nicht schwerpunktmäßig ausgearbeitet. Vgl. Pöggeler (1971), S. 127 f. 2 

Die Ausarbeitung einer Philosophie der Kunst in Vorlesungen

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auch das moderne Drama als Mischformen zwischen dem Tragischen und Komischen behandelt, ein literaturphilosophischer Komplex, mit welchem alle überlieferten Vorlesungen überhaupt enden.4 Andererseits zeigt sich im Vergleich der einzelnen Vorlesungskollegien untereinander aber auch, wie in den einzelnen Semestern jeweils andere Schwerpunkte gesetzt werden: Im Kolleg 1826 beispielsweise wird eindeutig die moderne Komödie betont, die hier gegenüber den anderen Kollegien eine auffällige und 1828/29 nicht wiederkehrende Aufmerksamkeit im Vortrag erhält. Auf weitere Schwerpunkte in den einzelnen Jahrgängen wird im Weiteren noch einzugehen sein. – Zu dieser komödientheoretisch neuartigen Komplexität, zu welcher im Durchgang durch die Vorlesungsnachschriften zwar nicht widersprüchliche, aber zumindest argumentativ heterogene Ausführungen gehören, kommt noch hinzu, dass durch die für Heidelberg und Berlin charakteristische Ausbestimmung des Gesamtsystems in umfänglichen teildisziplinbezogenen Vorlesungen komödientheoretische Kernmomente auch in anderen philosophischen Systemteilen auftauchen: So vor allem in den Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte, den Vorlesungen über die Philosophie der Religion, den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie, ebenso in den Grundlinien der Philosophie des Rechts und ihren jeweiligen Vortragskollegien.5 Auf die relevanten Passagen wurde teilweise bereits eingegangen bzw. auf sie wird im weiteren Verlauf noch ausführlicher einzugehen sein. Um die Heterogenität der Bestimmungen sowie die unterschiedliche Schwerpunktsetzung in den ästhetischen Vorlesungen in Beziehung auf die Komödientheorie angemessen darstellen, problematisieren und dabei zugleich die definitorischen Einzelaspekte herausstellen zu können, die durch 4  Vgl.

Ascheberg (1820/21), S. 212 ff. Es kann nicht nachvollzogen werden, wie Stephan Kraft zur Behauptung gelangt, mit der modernen Form der Komödie setze sich Hegel erst ab 1826 auseinander; vgl. Kraft (2011), S. 296 f. Insbesondere die AschebergNachschrift dokumentiert 1820/21 eine umfängliche Deutung komischer Elemente im modernen Drama, sowohl im Hamlet als auch bei Kotzebue, und nimmt bereits die begriffliche Unterscheidung der neuen von der klassischen Komödie vor, wie sie späterhin gültig bleibt: »Die Comödie hat verschiedene Formen, sowohl im Modernen, als im Antiken. Die Trennung bezieht sich auf den Unterschied, wie das Interesse zerstört wird durch die Subjectivität.« Ascheberg (1820/21), S. 213. In Hothos Nachschrift von 1823 finden sich zudem einige Bemerkungen über das komische Theater Molières. Vgl. Hotho (1823), S. 509 f. 5  Relikte der Komödientheorie, wie sie in der Phänomenologie entwickelt wird, gehen insbesondere in die Vorlesungen über die Philosophie der Religion ein. Im Teil über die ›bestimmte Religion‹ der Griechen, die dort ›Religion des Schönen‹ heißt, finden sich Bestimmungen aus dem Kapitel über die ›Kunst-Religion‹: Dazu gehören Aspekte wie die Heiterkeit des freien Selbstbewusstseins gegenüber der absoluten Wesenheit oder auch die unzerstörbare subjektive Gewissheit seiner selbst. Vgl. V 4, S. 400 f., 583 ff.

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Aristophanes in Berlin

die Entwicklung dieser Disziplin hindurch gleichbleiben und sogar eine Kontinuität zur frühen Philosophie Hegels bis zur Phänomenologie aufweisen, ist es geboten, sich sowohl auf Hothos Edition als auch auf die Nachschriften der Studenten zu beziehen. Es ist in den letzten Jahren hinreichend betont und in intensiver Weise aufgearbeitet worden, welch editionsphilologisch proble­ matisches, in Einzelfällen sogar höchst bedenkliches Produkt die dreibändige Ästhetik-Ausgabe Hothos ist.6 Jedes weitere Wort über diese Sachlage würde in der hier nötigen Verknappung bloß Wiederholung sein, die nicht zur Komplexität des Problems vordringen würde. Andererseits – und dies sollte in keiner Studie zu Fragestellungen die Hegelsche Ästhetik betreffend vernachlässigt werden – kann man auf sie insbesondere zwecks einer vertieften Auseinandersetzung mit Einzelfragen zu den Vorlesungen, wie z. B. mit der Satire oder modernen Komödie, nicht ganz verzichten, weil Hotho bei der Texterstellung eine Vielzahl von Manuskripten zur Verfügung stand, die heute nicht mehr zugänglich sind: Dazu gehören sowohl Hegels eigene Kol6 

Insbesondere Annemarie Gethmann-Siefert hat bei unzähligen Gelegenheiten immer wieder darauf verwiesen, dass eine Edition, die sämtliche Nachschriften aus mehreren Jahrgängen mit Hegels eigenhändigen Notizen vermischt, nicht bloß heterogene Quellen unkenntlich gemacht vereinheitlicht, sondern in diesem monolithischen Text die Entwicklungsgeschichte der Ästhetik Hegels zu einem abgeschlossenen System der Kunstphilosophie werden lässt, das alle Unterschiede verwischt. Dennoch ist diese These keineswegs neu, wie man beispielsweise bei Kuhn (1931), S. 3 sehen kann. Gethmann-Siefert verstrickt sich allerdings in ihrer fortgehenden Ästhetik-Forschung bis hin zur Abgeschiedenheit von den eigentlichen Fragen – sie verstrickt sich in den Gedanken, nahezu alle Probleme, die Hegels Philosophie der Kunst aufwirft, Hothos unsauberer und politisch fragwürdiger Editorentätigkeit angedeihen zu lassen. So geht sie davon aus, Hegels ›echte Ästhetik‹ weiche grundsätzlich ab vom gravierend verfälschenden Text der Ausgabe Hothos, weshalb die authentische Gestalt »bis heute unbekannt« bleibe. Vgl. Gethmann-Siefert (1983), S. 244 ff.; Gethmann-Siefert / Stemmrich-Köhler (1983), passim; GethmannSiefert (1984), S. 5 f.; S. 14 f.; Gethmann-Siefert (2003), S. XV–XXVI; Gethmann-Siefert (2005a), S. 15–28; Gethmann-Siefert (2005c), S. 39 ff. Diese Aufzählung könnte um viele weitere Stellen anderer Aufsätze verlängert werden. Der Kunsthistoriker Ernst Gombrich kommt hingegen zu einer relativierenden und gleichwohl angemesseneren Einschätzung, wenn er in einem Vortrag über Hegels Ästhetik bemerkt, aus Hothos Rekonstruktionen dürfe man »nicht jedes Wort auf die Goldwaage legen, aber im ganzen tragen sie doch den Stempel unzweifelhafter Authentizität«. Gombrich (1977), S. 205. Nicht zuletzt im Kontext der vorliegenden Untersuchung, am Gegenstand der Hegelschen Ausführungen über das Komische, zeigt sich, wie zutreffend Gombrichs Urteil ist. So hält auch Walter Jaeschke trotz ausdrücklicher Skepsis gegenüber Hothos Editionsprinzipien fest, dass die zusammengestellte Ausgabe keineswegs den schwerwiegend verformenden Charakter offenbare, den Gethmann-Siefert meint ausmachen zu können. Zudem kompiliere Hotho eine Fülle von Texten, die uns heute leider nicht mehr zugänglich seien, und stelle daher als sekundäre Überlieferung mindestens so lange eine unverzichtbare Quelle dar, bis die historisch-kritische Bearbeitung der Ästhetik-Vorlesungen im Rahmen der Gesammelten Werke abgeschlossen sei. Vgl. Jaeschke (2003), S. 419 f.

Die Ausarbeitung einer Philosophie der Kunst in Vorlesungen

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leghefte, die er zur Grundlage seiner Ausführungen im Hörsaal angefertigt hatte, als auch mehrere Nachschriften aus den Jahrgängen 1826 und 1828/29. Es liegt demnach auf der Hand, dass angesichts dieser Sachlage in doppelter Weise verfahren werden muss: durch Einbeziehung aller zu Verfügung stehender Texte in das Quellenkonvolut der vorliegenden Untersuchung, auch der Ästhetik-Edition Hothos, sowie in Form einer dadurch notwendig werdenden Differenzierung ihrer jeweiligen Überlieferungsqualität. Denn hinsichtlich der Berliner Komödientheorie sollen die Nachschriften solange als Textgrundlage dienen, wie sie eine gegenüber Hotho unmittelbare Dokumentation der Inhalte bereitstellen. – Unersetzlich ist dabei für den ersten Jahrgang das besagte Ascheberg-Manuskript, das zusammen mit den beiden Nachschriften aus dem Jahrgang 1823, d. h. Hothos eigene umfangreiche Notizen sowie diejenigen des Studenten Carl Kromayr, die ebenso wichtig sind, historisch-kritisch ediert im Rahmen der Gesammelten Werke vorliegt. Für 1826 werden die lediglich vorediert vorliegenden Nachschriften Kehler und von der Pfordten sowie für das letzte Kolleg die unveröffentlichten Handschriften von Libelt und einem anonymen Schreiber als repräsentative Grundlage der Untersuchung genommen. Wo in Anschluss daran Hothos Text über die Summe an Ausführungen aller sechs Schreiber hinausreicht, bleibt er für die Untersuchung unverzichtbar. Obwohl das Textkorpus der Nachschriften von enormem Umfang ist und sich Hegels Ästhetik darin in ihrer seit eh und je bewunderten Materialfülle zeigt, weist die Edition des Vereins der Freunde des Verewigten nämlich auch für Fragen, die sich auf den Gegenstandsbereich des Komischen beziehen, mehrere Passagen auf, die sich inhaltlich in keinem überlieferten Manuskript wiederfinden lassen. Für solche Aspekte wird die vorliegende Untersuchung auf Hothos Text eingehen müssen, um seinen singulären Inhalt aneignen und im Kontext diskutieren, aber auch als sekundäre Überlieferung markieren und mit der erforderlichen Vorsicht problematisieren zu können. Dabei ist es von Interesse, dass sich beim Vergleich mit der erwähnten Auswahl an Nachschriften zunehmend konturierter das Bild einer Edition herausbildet, das als das Projekt eines Hegelianers identifiziert werden kann; dies zeigt sich unter anderem daran, dass Hotho in den ersten allgemeinen Teil seiner Kompilation einige Reflexionen über eine abstrakt und überhistorisch gehaltene Kategorie des Komischen eingebaut hat, die in ihrer schematisierenden Absicht in den Nachschriften an keiner einzigen Stelle auftauchen. Denn Hegel behandelt – wie in der Einleitung angekündigt wurde  – Begriff und historisch-empirische Entfaltung des Komischen in ein und demselben Entwicklungsschritt und abstrahiert vorab keine abstrakten und grundlegenden Bestimmungen des Komischen in der Kunst. Dieser und weitere

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Punkte  – beispielsweise Hothos Klassifizierung der Komödie in drei verschiedene Typen – können durch Abgleich herausgestellt werden und dürfen in der Analyse keine mit den Bestimmungen aus der primären Überlieferung gleichwertige Behandlung erfahren.

2.  Der spekulative Fächer: Drei Perspektiven der Komödientheorie Über jeden philologischen Zweifel erhaben ist jedoch die schon erwähnte Rolle der Komödie als Schlusspunkt des antiken Kunstideals und als Übergang in eine neue Zeit mit einer neuen ästhetischen Gestaltungsweise. Beim Vergleich der Bestimmungen in der Phänomenologie des Geistes mit der Ausformulierung in den ästhetischen Vorlesungen wird ersichtlich, dass es sich bei diesem Verhältnis um eine »Fortsetzung des Gedankenganges trotz des Jahresunterschiedes«7 handelt, der die Konzeptionen miteinander vergleichbar werden lässt, auch wenn in solchen Aussagen verdeckt wird, dass es sich dabei vor allem um die Kontinuität der geistphilosophischen Grundlegung der Ästhetik handelt, die erst in Berlin die Gestalt einer bloß allgemein begrifflichen Grundlegung – in der Encyclopädie auf verhältnismäßig abstrakte Kernparagraphen gebracht – verliert und unter Hinzuziehung einer beachtlichen Menge empirischer Abhandlungen mit Leben gefüllt wird. Hervorzuheben ist, dass die vier Berliner Vorlesungen über die Philosophie der Kunst die phänomenologische Komödientheorie in einen systematisch geschichtsphilosophischen Horizont der Totalität des künstlerischen Schaffens stellen, in welchem die Wirklichkeit der Kunst aus dem Ideal als der Idee des Kunstschönen entwickelt wird, aber weiterhin auf eine allgemeine Geistphilosophie bezogen bleibt. Ideal und Kunstgeschichte werden so in einem dialektisch bewegten Spannungsverhältnis zusammengeführt und auf die allgemeine Geschichtlichkeit des Geistes bezogen.8 Die in der Phänomenologie entworfene Erschließung und Strukturierung der Kunst bleibt dabei maßgeblich bestimmend: Wie im Jenaer Hauptwerk erweist sich vom Standpunkt der späteren Ästhetik die verhandelte Problematik als eine solche des Übergangs in die – im Sinne der Begriffsverwendung der französischen ›Querelle des anciens et des modernes‹ – ›moderne Welt‹. Wegen des unterschiedlichen 7 

Morawski (1964), S. 61. zur Spannung zwischen allgemeinem und besonderem Teil der Ästhetik Hegels, zwischen Kunst-Ideal und Kunst-Geschichte, und damit zwischen Klassizismus als idealischem Bezugspunkt der theoretischen Darlegung und geistphilosophischem Fortschrittsprinzip der ästhetischen Höherentwicklung Schüttauf (1984), S. 27 ff. 8  Vgl.

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Problematisierungsinteresses von Phänomenologie und später Ästhetik handelt es sich hier aber weniger um einen Übergang von antiker Geistigkeit der Kunst in christliche Geistigkeit der Religion – dieser Aspekt geht nicht unter, findet in der Berliner Philosophie des absoluten Geistes jedoch einen veränderten Thematisierungs- und Darstellungsmodus bzw. -rahmen – als vielmehr um einen kunstgeschichtsimmanenten Übergang von klassischer in romantische Kunst. So emanzipiert sich hiermit die Ästhetik bei Hegel erstmals von der Religionsphilosophie und stellt sich auf eigene Beine – auch wenn sie weiterhin ihre Thesen ohne Zweifel religionsphilosophisch entwickelt. Als eine der besonderen historischen Gestalten der Kunst bestimmt Hegel auch die Komödie gemäß dem benannten Spannungsverhältnis von Ideal und Geschichte: Das nicht anders als konkret und jeweils geschichtlich besonders zu denkende Ideal ist in diesem Zusammenhang dasjenige der griechischen Kunst und wird in der Komödie bis zur Überspannung gedehnt, bis es schließlich über die Komödie hinaus zerreißt. Das bedeutet zugleich vor dem Hintergrund des Verhältnisses, das die Kunst als absoluter Geist zur Religion und zur Philosophie eingeht, dass die Komödie der ausgezeichnete Ort ist, an welchem zur Auseinandersetzung mit den Voraussetzungen und Konsequenzen des Endes der Kunst vorgestoßen werden kann. Von der Warte des späteren Ansatzes erscheint der phänomenologische Übergang von der Komödie in die ›offenbare Religion‹ als eine Art Vorgriff auf die Berliner These vom ›Ende der Kunst ihrer höchsten Bestimmung nach‹. Mit dieser in der Phänomenologie präfigurierten These unterscheiden sich beide späteren Konzeptionen von der frühen Komödientheorie des Naturrechtsaufsatzes. Als Ende ist die Komödie in der Ästhetik allerdings gleich auf zweierlei Weise zu verstehen  – formal wie inhaltlich: Äußerlich besehen ist sie das Ende der Hegelschen Vorlesungen über die Philosophie der Kunst, deren Schlussbemerkungen sich in allen Kollegien sowie in Hothos Edition um die Komödie drehen, so dass das umfänglich entwickelte System der einzelnen Künste quasi in den abschließenden Komödienbestimmungen gipfelt9; inhaltlich, d. h. systematisch-geschichtsphilosophisch, ist sie aber vor allem das Ende des klassischen Ideals und damit des Schönheitsbegriffs im engeren Sinne. Auch in der großen Ästhetik versteht Hegel die Kunstreligion der antiken Griechen als geistgeschichtliche Stufe, die allein dem Wesen der schönen Kunst adäquat ist.10 Zu diesem in der griechischen Klassik vollständig  9 

Vgl. Ascheberg (1820/21), S. 212 ff.; Hotho (1823), S. 509 ff.; Kehler (1826), S. 234 f.; von der Pfordten (1826), S. 252; Libelt (1828/29), Ms. S. 152v; Anonymus (1828/29), Ms. S. 100r. 10  Vgl. Ascheberg (1820/21), S. 89 f.; Hotho (1823), S. 374 ff.; Kehler (1826), S. 116 ff.

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verwirklichten Begriff des Kunstschönen gehört es, dass der wesensgemäße ästhetische Ausdruck auf Anschaulichkeit gerichtet ist, weil die äußere, materiale Sinnlichkeit den noch ganz von Natürlichkeit durchzogenen Begriffsinhalt des Geistes in geeigneter, idealer Weise vermittelt.11 Allein in dieser ihrer Form verschafft sie dem Geist das angestrebte Bewusstsein von sich, und zwar qua Anschauung von sich als naturhaftem Geist. Spätestens in der Komödie verliert die schöne Kunst aber das Privileg, dem Geist originär erkenntnisstiftend zu sein, da sich der geistige Inhalt fortschreitend erweitert und nur noch in der Vorstellung, d. h. der Form der innerlichen Subjektivität, sowie schließlich des subjektiven Gedankens erscheint.12 Dieser Gedanke kann aber nicht mehr mit sich identisch durch die Sinnlichkeit des Schönen ausgedrückt werden. Aus dem klassischen Begriff der Kunst erwächst somit ein neues, das romantische Ideal, das sich durch ein modernes Verhältnis von künstlerischer Materialität und Innerlichkeit auszeichnet: Das Material ist dem Gedanken nicht mehr adäquat, der Gedanke zieht sich auf innergeistige Prozesse zurück, für die das Material lediglich einen rudimentären Anlass bieten kann. Weil der Gedanke sich damit aber zur Grenzenlosigkeit der Reflexion befreit hat und vor allem die Grenze der Materialität übersteigt, geht mit dem Ende der Kunstform des klassischen Ideals eine Ausdehnung des ästhetischen Bereichs ins Unendliche einher: Der gesamte Stoff der Wirklichkeit wird in das Selbst hereingeholt und mit den mannigfachen Inhalten der Innerlichkeit vermählt. Weil die Innerlichkeit nicht mehr ästhetisch darstellbar ist – und ›ästhetisch‹ bedeutet in diesem Zusammenhang ›äußerlich‹ und ›anschaulich‹, sinnlich vermittelbar – gerät die Kunst damit grundsätzlich an ihre Grenzen. Doch Grenzen einer Bewusstseinsgestalt, hier in ihrer Selbstbezüglichkeit auf dem Felde der Kunst, sind für Hegel immer auch Grenzen einer verwirklichten Welt, die dieses Bewusstsein hervorgebracht hat. In Übereinstimmung mit dem Komödien-Abschnitt sowie dessen Bezügen zu anderen Kapiteln der Phänomenologie markieren die ästhetischen Vorlesungen für die Komödie nicht zuletzt auch weltgeschichtsphilosophisch, und somit innerhalb des objektiv wirklichen Bezirks von Staat und Gesellschaft, das Ende der explizit ›schön‹ genannten Polis-Sittlichkeit. Die Diagnose eines Endes 11 

»Das ist der Begriff, des Inhalts der klassischen Kunst, des Geistigen, Sittlichen das sich seiner Wesenheit bewußt ist, die alten Naturgötter behalten ihre Ehre und die neuen behalten den Anklang des Natürlichen, als dem sie entsprungen sind, der Jupiter bleibt Gott des Donners. Diese Umbildung von Göttern enthält, daß noch Spuren des Natürlichen vorhanden seien«. Libelt (1828/29), Ms. S. 85v. 12  Vgl. im Folgenden Hotho (1823), S. 402 ff.; Kehler (1826), S. 132 ff.; Libelt (1828/29), Ms. S. 87v f., Ms. S. 90r ff.; Anonymus (1828/29), Ms. S. 44v ff.

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der Kunst im Zuge des Aufkommens der Komödie verbindet sich mit ihrer von Hegel herausgearbeiteten Eigenschaft als adäquater Ausdruck der politischen Verhältnisse, hier der Spätphase antiken Griechentums. Der Übergang von Kunst-Religion in offenbare Religion (Phänomenologie) bzw. von klassischem in romantisches Ideal (Vorlesungen über die Philosophie der Kunst) ist ebenso Schlussakkord der von Hegel virtuos aufgeführten Sinfonie des hochklassischen Stadtstaates, dessen Sittlichkeitsprinzip nicht immer harmonisch, sondern begleitet von Dissonanzen in ein neues Konzept von Subjektivität überleitet. Auch in der Berliner Ästhetik stellt Hegel auf der Folie der Lehre der Kunstformen die Entwicklung des Hervorgehens der selbständigen und selbstbestimmten Subjektivität unter Loslösung von der Macht der sittlichen Substanz dar, indem nämlich das Substantielle in der symbolischen Kunstform noch keinen angemessenen subjektiven Ausdruck erhalten hat, d. h. noch nicht selbstbezüglich geworden ist und an einem Überhang von Stofflichkeit als nur symbolisch geahnter Wahrheit leidet, die Klassik eine schöne Einheit von Substanz und Subjekt in harmonischer Übereinstimmung geschaffen hat und diese Ausgeglichenheit in der Folge als romantische Kunst in der subjektiven Verinnerlichung mit der Konsequenz der Auflösung der vormaligen Vorstellung von Substantialität zerbricht. An der Schwelle des Hinübertretens von der Identität des Subjektiven und Substantiellen zur Trennung und Verselbständigung des Subjekts in freier Innerlichkeit stehen Tragödie und Komödie, die sich mit dem Akt und seinen problematischen Folgen der subjektiven Anmaßung auseinandersetzen, sich der Substanz als etwas Gleichberechtigtes, wenn nicht Höherwertiges gegenüberzustellen.13 In der Tragödie wie in der Komödie tritt sich daher die absolute Substanz innerhalb ihrer selbstgesetzten Entzweiung von Substan­ tialität – manifest in den sittlichen Mächten Familie, soziale Gemeinschaft und Staat, aber auch im Absoluten der antiken Götterwelt – und Subjektivität, konkret als der handelnde Held auf der Bühne, selbst entgegen. Die alte Komödie ist die dichterische Form, die in einer historischen Phase Griechenlands ihre höchste Popularität erfahren hat, die als Dekadenz der politischen Ordnung gedeutet werden kann; sie ist komisches Drama der Polis, die sich über sich hinaus in die attische Demokratie und römische Sittlichkeit der Abstraktion auflöst. Dass die Komödie ästhetischer Ausdruck dieses Geschichtsverlaufs ist, deutet Hegel als Indiz für ein gesellschaftliches Bewusstsein im Prozess tiefgreifender Veränderungen.14 In dieser Perspek13 

Vgl. Ascheberg (1820/21), S. 207 ff.; Hotho (1823), S. 504 ff.; Kehler (1826), S. 221 ff.; von der Pfordten (1826), S. 250 ff.; Anonymus (1828/29), Ms. S. 96v ff. 14  Vgl. Kuderowicz (2000), S. 168.

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tive muss die Komödie als ästhetische Strategie begriffen werden, die Subjektivität in ihrer Selbstbezüglichkeit, Eigenständigkeit und Individualität darzustellen und dadurch dem Publikum bewusst zu machen, was sie im modernen Subjekt-Verständnis wesentlich auszeichnet: Herrin ihrer selbst zu sein, sogar im Moment äußerster Nichtigkeit ihres Vorstellungsinhalts. Unübersehbar bauen demnach die Berliner Vorlesungen in allgemeinen Zügen geschichts- und geistphilosophischer Kontexte auf den Bestimmungen der Phänomenologie auf, offenbaren im Einzelnen der Komödientheorie jedoch ebenfalls erhebliche Differenzen bzw. akzentuieren sie sogar in größerem Maße um: Die Vorlesungen drängen den argumentativen Kulmina­ tionspunkt der ›Entvölkerung des Himmels‹ als Voraussetzung der phänomenologischen Komödientheorie zurück.15 Sie betonen auf diesem Wege gerade nicht, dass die alte Komödie im Kern ästhetischer Reflex einer Aufklärung über das Absolute als ein falscher Schein ist. Hegel legt keineswegs mehr den Schwerpunkt auf die Leistung, mit dem Aufkommen dieser künstlerischen Gattung verschwinde der Götterkreis als eine unhaltbare, widersprüchliche Vorstellung vom absoluten Wesen; vielmehr erblickt er nun in der wahren Komik Negationsprozesse, die sich analog zu den Vorlesungen über den subjektiven Geist auf das Selbstverhältnis der Subjektivität beziehen. Um die Komödie noch als letzte Gestalt in den Kreis des klassischen Ideals aufnehmen zu können, wird in den Worten Hothos hervorgehoben, über »das wahrhaft Sittliche im atheniensischen Volksleben«, die »echte Philosophie, den wahren Götterglauben« und »die gediegene Kunst« werde hier nicht gespottet – nur über einzelne, besondere »Auswüchse«16 des Unwahren; oder wie er 1823 Hegels Worte notiert: »Was verspottet wird ist also nicht das absolute Intresse, nicht das Göttliche als Solches, sondern wie es in einem solchen Bewußtsein ist.«17 Wenn Hegel dennoch für seine Vorlesungen die Wesensbestimmung der Komödie als Sieg der Subjektivität im befreienden und (auf)lösenden Lachen beibehält, muss sich daraus notwendig ergeben, dass darin nicht das Göttliche als ehedem wesentlich geglaubte Substanz untergeht, sondern ein bloß subjektiv gemeintes Substantielles, eine unwahre Vorstellung davon, ein ganz nichtiger Zweck des komischen Subjekts. In den Mittelpunkt der Ausführungen stellt sich somit die Gegenüberstellung von Subjektivität und Substantiellem, an welcher Hegel auch die Opposition von Tragödie und Komödie entscheidet. Von Jena nach Berlin verlagert sich also der Widerspruch aus der Wirklichkeit und Allgemeinheit des Geistes 15 

Vgl. Kraft (2011), S. 289. TWA 15, S. 530. 17  Hotho (1823), S. 510. 16 

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in die Innerlichkeit des einzelnen Subjekts. Chiastisch verstanden ist beiden Ansätzen zwar jeweils auch dasjenige zu eigen, was im anderen als wesentlich bestimmt wird: In der Phänomenologie des Geistes spricht Hegel hinsichtlich des komischen Subjekts genauso von dem »lächerlichen Contrast seiner Meynung von sich und seines unmittelbaren Daseyns, seiner Nothwendigkeit und Zufälligkeit, seiner Allgemeinheit und Gemeinheit«18 wie in der Berliner Ästhetik von »Aristophanes, der mit großem Leichtsinn die griechischen Götter durchzieht«, weil ihre »äußerliche, endliche Wirklichkeit«19 dem Absoluten als dem geistigen Gedanken widerspricht. Doch dies sind jeweils gerade nicht diejenigen Punkte, die als entscheidende Definitionsgrundlage von Hegel herangezogen werden. Angesichts dieser Schwerpunktverlagerung, die kein grundsätzlich anderer Ansatz, sondern tatsächlich nur eine Verschiebung des Akzents ist, könnte es hinsichtlich der ästhetischen Vorlesungen scheinen, als käme es der komischen Subjektivität im Wesentlichen gerade nicht mehr zu, im Sinne eines wirklichen Selbstbewusstseins die einzige Wirklichkeit zu sein, die sich innerhalb der Auflösungsgeschichte des griechischen Geistes und seiner ästhetisch verfassten Religion durchsetzt, als wäre sie nicht mehr, wie noch in der Phänomenologie, das neue, einzig wahre Schicksal und Absolute, als gehörte ihr stattdessen ein weitaus schmalerer Wirkungsbereich an, der sich mit der vormaligen Bedeutung nicht mehr messen lassen könnte. In der Ästhetik erscheint die Komödie zunächst als eine dichterische Form, die nicht vom Vermögen enthüllender Reflexion, nicht vom Ziehen einer allgemeinen Täuschung ins Wissen getragen wird. Daher meint Stephan Kraft, es würden hier der »Zersetzungskraft der Komödie deutlich explizitere Grenzen« gesetzt: »[N]ur das, was schon von vornherein nichtig war und dementsprechend mit dem Substantiellen selbst per se in keinen wirklichen Konflikt geraten konnte«20, löse sich in Berlin auf. Der späte Hegel würde die Gattung in einer solchen Deutung in spröder sittlicher Harmlosigkeit, enttäuschender Affirmation des Substantiellen, unpolitischer Idololatrie des Göttlichen zeichnen. Es kann aber aus guten Gründen bezweifelt werden, dass Stephan Kraft mit dieser Einschätzung ins Schwarze trifft. Wenn er behauptet, am Ende einer genaueren Analyse des Komödienabschnitts der Ästhetik zeige sich rückblickend, dass das subversive Element der ›Entvölkerung des Himmels‹, wie es in der Phänomenologie entwickelt wird, die politisch-religionskritische Wider18 

GW 9, S. 398. Vgl. Hotho (1823), S. 403. 20  Kraft (2011), S. 290. 19 

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spiegelung einer frühen Revolutions- und Aufklärungsbewegung innerhalb der griechischen Kunst, durch »das korrespondierende Gegenstück« ersetzt werde, nämlich durch die affirmative »Sichtbarwerdung des Höchsten, das hier als ›das ewig Substantielle‹ benannt wird«21, dann identifiziert er dieses Substantielle mit der alten Ordnung und stellt die Berliner Fassung als reaktionäre, des vormalig umstürzlerischen Potentials beschnittene Variante hin. Und wenn Kraft behauptet, Hegel behalte zwar in seinen Vorlesungen die Wesensbestimmung des Siegs der Subjektivität im befreienden Lachen bei, in diesem Lachen sei aber nicht das nichtig substantielle Göttliche und Sittliche dasjenige, das untergeht, sondern bloß ein subjektiv gemeintes Substan­ tielles, als ein nichtiger Inhalt des komischen Subjekts, »was in der Komödie und durch die Komödie zerstört werden soll, ist bereits von sich aus als ›wesenlos‹ und also als nichtig zu verstehen«22, dann zeigt sich die Berliner Komödie nicht nur als eine Gattung frei von allen aufklärerisch-revolutionären Momenten, sondern überhaupt entpolitisiert ohne jedweden Bezug zur Sittlichkeit, als eine künstlerische Form witziger Schrullen der Privatperson: als eine Art Ohnsorg-Theater im alten Athen. Doch dieser Deutung der Komödientheorie in den Vorlesungen über die Philosophie der Kunst muss entschieden widersprochen werden. Anhand von drei Thesen, die als Bündelung jeweils einer der drei Hauptbestimmungen Hegels zur antiken Komödie verstanden werden können und sich auseinander entwickeln lassen, soll im Weiteren die Behauptung einer entpolitisierenden späten Umdeutung Hegels widerlegt werden. Erste These und Ausgangspunkt dieses Argumentationsganges ist dabei der von Kraft angeführte Aspekt, der als Vorwurf gegen Hegel erhoben wird, welcher an sich nicht generell unzutreffend ist, aber in seiner ausschließlichen Verwendung zu einer allgemeinen Definition grob vereinseitigend wirkt und zu einer verzerrten Auffassung führt. Indem die beiden weiteren Thesen sukzessive diese Vereinseitigung durch Fortbestimmung aufzuheben streben sowie Analyse und Diskussion der Konzeption Hegels erweitern und vertiefen, wird sich auch der Eindruck ihrer reaktionären Wende in Fragen der Komödie relativieren.

a) Kernmoment der Komödie ist die Selbstvernichtung des Nichtigen. Stephan Kraft unterstreicht an der Komödientheorie der Berliner Vorlesungen über die Philosophie der Kunst die Immanenz und Selbstbezüglichkeit 21 

Ebd., S. 289.

22 Ebd.

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des Subjekts, die hier die Kernmomente ausmachen.23 Dazu gehört es fortgesetzt, dass der Selbstbezug allein als Prozess gedacht werden kann, für den die immanente Negativität die treibende Kraft ist. In den komödientheoretischen Ansätzen zuvor hatte Hegel die Kategorie der Negativität noch nicht vergleichbar stark gemacht wie in diesem Kontext in Berlin. Am deutlichsten betonte dies noch die Bestimmung des komischen Selbst als das neue Schicksal in der Phänomenologie; doch erstmals in den ästhetischen Vorlesungen entwirft Hegel über alle Einzelbestimmungen hinausgreifend eine verhältnismäßig streng formalisierte dialektische Figur zur philosophischen Durchdringung des Komischen. Der Gedanke, das Komische als Widerspruch zu begreifen, ist wie dargestellt in der Geschichte der Ästhetik und Poetik ein weit verbreiteter – Hegels eigene Handschrift ist es, die Widerspruchstheorie spekulativ als Selbstverhältnis der Subjektivität zu fassen: als eine Negation subjektiv-substantieller Inhalte, durch die ein Widerspruch entsteht, der schließlich durch Selbstnegation aufgehoben wird. In der Bewegung selbstbezüglich sich komisch werdender Subjektivität hebt der lächerlich Gewordene seinen unzulänglichen Widerspruch im eigenen Lachen auf. Diese Figur ist keine unbekannte mehr. Im vorhergehenden Kapitel über das Lachen in Hegels Anthropologie tauchte sie bereits auf. Es ist darin gezeigt worden, dass die Lachen erregende Komik sich an einem Widerspruch entzündet; konkret am Widerspruch zwischen einer Handlungsabsicht und der verwirklichten Handlung oder zwischen einem subjektiven Begriff von Dasein und den tatsächlichen Verhältnissen einer auf ihre Wahrheit gebrachten Realität. Indem Hegel diesen Widerspruch als Negation fasst, ist der Anlass, der zu einer störenden und notwendig zu überwindenden Empfindung führt, mit einem Leiden des Subjekts verbunden. An den Nachschriften konnte gesehen werden, dass im Widerspruch als Resultat der ersten Negation sich ein ursprünglich verfolgter Zweck im Moment gescheiterter Verwirklichung zerstört (Stolzenberg 1827/28), wie sich insbesondere an Boumanns Beispiel des Fallenden demonstrierte; in einem anderen begrifflichen Zusammenhang negiert das Subjekt seinen Handlungskontext, indem es sich in eine veränderte äußerliche Situation versetzt, der es mit seiner ursprünglichen Einschätzung realer Verhältnisse nicht mehr Herr wird (Hotho 1822); oder aber stärker auf Griesheims Ausführungen zur Karikatur von 1825 bezogen: wenn das Dasein des Subjekts zur Karikatur seiner selbst wird, vernichtet es sein substantielles Sein, und aus dieser Negation im Sinne eines Zustands lächerlicher Würdelosigkeit kann es sich nur durch die zweite Negation des Lachens befreien. Diese zweite Negation bezeichnet Hegel als 23 

Vgl. ebd., S. 289 ff.

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»Auflösung«, als ein »sich in sich vernichtendes«24; so plötzlich, wie die erste entsteht, so plötzlich wird sie durch eine zweite vernichtet und in dieser Vernichtung das Unwesentliche aufgehoben. Im Akt der Rückgewinnung unverzerrter Wesentlichkeit und des Zusammenschlusses mit sich selbst, frei von karikierender Verfremdung des Selbst, befreit sich das Subjekt vom eigenen Widerspruch und der damit verbundenen Empfindung, nicht bei sich selbst zu sein. In der Ästhetik entwickelt Hegel diesen Gedanken analog, indem er Tragödie und Komödie auf seinem kunstphilosophischen Handlungsbegriff, wie er ihn im ersten, allgemeinen Teil seiner Vorlesungen entwirft, gründet25: »die Handlung ist der Gegenstand beider«, bestehend aus einem »Zweck« und den »Individualitäten, die ihn vollführen«26. Wie schon in der Phänomenologie des Geistes ausgeführt, setzt sich der tragische Held einen einseitigen Handlungszweck, der sowohl individuell als auch in der individuellen Verwirklichung des Göttlichen allgemein ist und ihn schließlich in die Katastrophe führt. Bereits in der Tragödie ist die Substantialität seines Tuns zerbrochen, weil er bloß einer singulären sittlichen Substanzmodifikation Wirklichkeit verschafft und dadurch der anderen zuwiderhandelt. Die Wiederherstellung des Substantiellen kann nur auf dem Wege des zerstörerischen Abstreifens der Einseitigkeit erreicht werden; und dies geschieht allein durch Untergang und Tod des Protagonisten. In der Ästhetik wird dieser Zusammenhang übernommen und zur Komödiendefinition fortgeführt: Auch der Zweck des komischen Subjekts ist kein substantieller mehr; als rein subjektiver, der keine Verbindung zu wesentlichen Inhalten besitzt, wird er von Hegel 1823 als »mehr oder weniger eingebildet«27 bezeichnet. Diese Fassung des Zwecks als Nichtigkeit besitzt die größte Nähe zu Stolzenbergs Definition des Lachens von 1827/28. Für die Ästhetik unterscheidet Hegel diese Nichtigkeit dann ein Jahr später, im Wintersemester 1828/29, in zwei verschiedene mögliche Weisen, wie sie zu Stande kommen kann: Entweder es sind ganz einfach »zufällige[] Zwecke«, die für wesentlich gehalten werden, oder aber es sind »wesentliche Zwecke […] in Charaktere gelegt«, die ihnen »nicht angemessen sind«28. Im ersten Fall bezieht sich die Substanzlosigkeit auf den Zweck selbst, im zweiten auf dessen unzureichende Ausführung, in welcher die Mittel zu seiner Verwirklichung ihn im Vollzug zerstören. Im Unterschied zur Tragödie aber, in welcher die Vernichtung der Substanzlo24 

GW 25,1, S. 59. Vgl. Hotho (1823), S. 298 ff. 26  Ebd., S. 504. 27 Ebd. 28  Libelt (1828/29), Ms. S. 152v. 25 

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sigkeit durch das Schicksal quasi äußerlich am Helden vollstreckt wird, ist es in beiden Weisen der Komödie das komische Subjekt, das »die Einseitigkeit […] selbst zerstört«29, ganz gleich, ob sie sich auf den zufälligen oder nichtig verwirklichten wesentlichen Zweck bezieht. Daher kann Hegel allgemein für die antike Form der Gattung festlegen, »Gegenstand der absoluten Komödie« sei es, »daß die Torheit sich für sich selbst vernichtet«30. Derlei eher randläufige Bemerkungen Hegels zu zwei verschiedenen, aber im Wesentlichen übereinstimmenden Arten der Negation als Lachen machender Widerspruch baut Hotho in seiner Edition zu einer großangelegten Typologie der Komödie aus, auf die sich Michael Schulte und Mark W. Roche in ihren Studien als Hauptaugenmerk richten.31 Die beiden angeführten Arten, in der Freundesvereinsausgabe ohne eigene Bezeichnungen, von Roche »Negationskomödie« und »Reduktionskomödie«32 genannt, ergänzt Hotho dabei um eine dritte: Macht die Komödie einen »Gebrauch der äußeren Zufälle«, können dadurch vielfältige Verwicklungen und komische Situationen entstehen, in denen »die Zwecke und deren Ausführung, der innere Charakter und dessen äußere Zustände in komische Kontraste gestellt sind und zu einer ebenso komischen Auflösung führen«33. Roche nennt sie aus diesem Grunde »Zufallskomödie«34.  – Es bleibt allerdings zu diskutieren, aus welchen Teilen der Vorlesungen Hegels Hotho diesen dritten Typus ent­ wickelt hat; in den Nachschriften findet sich jedenfalls nirgendwo auch nur ein Ansatz dazu. Zudem durchbricht dieser dritte das bisherige Schema, weil er weder gegenüber den beiden vorhergehenden synthetischen Charakter besitzt noch einen neuen und dabei eigenständigen Typus darstellt, denn die Hervorbringung komischer Situationen durch unvorhersehbare Zufälle ist ja auch in den ersten beiden Komödienarten alles andere als ausgeschlossen. Insofern scheint es ratsam zu sein, sich nicht wie Roche auf diese Dreierfigur einzulassen, sie zum Ausgangspunkt der Darstellung der Komödientheorie 29 

Hotho (1823), S. 504. Kehler (1826), S. 234. 31  Vgl. TWA 15, S. 528 ff.; Schulte (1992), S. 260 ff.; Roche (2002/03), S. 87 ff. Weil ­Roche dabei vernachlässigt, dass die Komödientypologie nicht von Hegel selber, sondern von Hotho stammt, übersieht er, dass seine These, die »sehr anregende Typologie« Hegels sei »mit den Grundsätzen seines Systems nicht vereinbar und gibt uns ein Beispiel für die Spannung, die in Hegels System manchmal zwischen Makro- und Mikrostrukturen besteht« (Roche [2002/03], S. 83), zuerst einmal an den Vorlesungsnachschriften überprüft werden müsste. Roche kennt diese Manuskripte zwar, geht aber nicht dazu über, in ihnen nach den Anhaltspunkten Hothos zu suchen, eine Klassifizierung unterschiedlicher Arten vorzunehmen. 32  Roche (2002/03), S. 87 f. 33  TWA 15, S. 529 f. 34  Roche (2002/03), S. 88. 30 

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Hegels zu nehmen, zu diskutieren, umzubauen, um zwei weitere Typen zu ergänzen und historisch-exemplarisch fortzuführen, sondern sich stattdessen als Vorlage auf die Nachschriften zu beziehen, in welcher lediglich zwischen einem substanzlosen und substantiellen Handlungszweck des komischen Subjekts unterschieden wird.35 Dass diese Unterscheidung von Hegel jedoch nicht zum Ziel einer Klassifizierbarkeit in besondere Typen vorgenommen wird, denen dann jeweils einzelne Werke zugeordnet werden können, zeigt im Folgenden Hegels eigene austauschbare Verwendung der Klassifikation, wie sie sich in den Manuskripten seiner Schüler präsentiert. Bereits 1820/21 bemerkt Hegel zum ersten Typus, hier werden die Personen gleich von Beginn an so dargestellt, »daß man sehen kann, dabei komme nichts heraus«36; es sei von vorne herein offensichtlich, dass ihre zufälligen, unsubstantiellen Zwecke zu keinem substantiellen Resultat führen können. Im Kolleg 1826 bezieht er diesen Punkt auf ein konkretes Beispiel: Es sind die schon in der Phänomenologie erwähnten Wolken von Aristophanes; hier zeige sich von Beginn an, »daß Strepsiades nichts lernen kann«37, d. h. dass der Protagonist kein ernstzunehmender Schüler des Sokrates ist, da er nicht der philosophischen Ausbildung wegen zu ihm in die Lehre geht, sondern bloß weil er als hochverschuldeter Vater seines pferdeverliebten Sohnes Pheidippides die Überredungskunst, die Wolken des blauen Dunstes verführerischer Worte, beherrschen will, um durch geschickten Betrug zu Geld zu kommen. Es erweist sich, dass nicht nur der Zweck ein substanzloser, weil rein privativer ist, ein nichtiger Zweck, den Hotho im falschen »Geiz« erblickt, in der Annahme der »tote[n] Abstraktion des Reichtums« als »die letzte Realität«38, der jede weitere Befriedigung geopfert wird, sondern auch die Mittel, derer sich Strepsiades bedient, um diesen Zweck auszuführen. Nichtige Mittel zu einem nichtigen Zweck müssen mit Notwendigkeit zum Misslingen führen. Doch im Verfehlen seiner ursprünglichen Handlungsabsicht erkennt Strepsiades, wie alle Komödienfiguren der antiken Form, die Nichtigkeit seines selbstgewählten Zwecks und kann sie harmo35 

Aus den angeführten Gründen ist es nicht zulässig, Hegel einen Vorwurf aus etwas zu machen, das nicht in seiner Absicht lag. Roche kritisiert nämlich, Hegels Typologie habe es »versäumt, irgendeiner Dialektik zu folgen« bzw. »eine Untergattung als Synthese« einzustufen, »die man besser als thetisch hätte bezeichnen sollen«. Roche (2002/03), S. 94. Vor dem Hintergrund der Ausführungen im Haupttext der vorliegenden Untersuchung ist deutlich geworden, dass Hegel mit seinen Bestimmungen, wie sie in den Nachschriften dokumentiert sind, einen anderen Anspruch verfolgt als eine Binnendifferenzierung der Gattung. 36  Ascheberg (1820/21), S. 214. 37  Kehler (1826), S. 235. 38  TWA 15, S. 528.

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nisch mit sich selbst versöhnt vernichten. In dieser Vernichtung des Nichtigen »geht aber nichts zu Grunde; und was auch zu Grunde geht, ist von Haus aus nichtig«, meint Hegel 1820/21; es ist nur die subjektive Gestalt, die durch ihr »Aufspreitzen«39 zum vermeintlich Substantiellen zu Grunde geht. – Der zweite Typus hingegen beginnt bei substantiellen Zwecken als hohe Inte­ressen, die von den Individuen verwirklicht werden wollen; diese Handelnden sind im Verlauf ihrer Selbstverwirklichung allerdings nicht in der Lage, sie ebenso substantiell auch durchzusetzen. In zunächst verwirrender Weise führt Hegel 1823 unter anderen dasselbe Beispiel der Wolken an, um diesen zweiten Typus zu exemplifizieren. Er meint, es könne sein, dass die Zwecke und »Intressen, die die Individuen sich nehmen hohe seien, wie im Socrates und Strepsiades des Aristophanes«, werden sie aber »in solche Individualitäten gesetzt«, so können »sie nur als etwas Vermeintliches vorhanden sein«40. Dass Hegel ein und dasselbe Stück des antiken komischen Theaters in zwei verschiedenen Kollegien einmal dem einen, einmal dem anderen Typus zuordnet, muss dazu führen, hier gerade keine strenge Klassifizierung anzunehmen.41 Hegel kommt es in diesen Passagen nicht darauf an, die Komödie in einer Typologie zu differenzieren, sondern vielmehr herauszustellen, dass diese Gattung prinzipiell aus dem komischen Widerspruch lebt, der durch einen nichtigen Inhalt in Beziehung auf das Substantielle entsteht. Zu sagen, der Handlungszweck sei ein zufälliger und substanzloser, ist im Rahmen der Bestimmung des Wesens der Komödie das Gleiche wie zu sagen, der Handlungszweck sei substantiell, jedoch von vorne herein in der subjektiven Verwirklichung fehlgeleitet. Die philosophische Weisheit ist in den Wolken an sich ein hoher Zweck, aber sie wird von Strepsiades ja von Anfang an verkehrt; und dass Sokrates sich dazu entscheidet, ihn als Schüler überhaupt anzunehmen, lässt diesen nichtigen Zweck zu einem doppelt nichtigen werden. In diesem dialektischen Versuch, den Kern der Komödie auf den Punkt 39 

Ascheberg (1820/21), S. 214. Hotho (1823), S. 510. 41  Der Grund dafür, dass Hotho und Roche bei Hegel für den ersten Typus kein literarisches Beispiel aus der Komödientradition finden, mag darin liegen, dass Hegel selbst es offenbar vermeiden will, eine penible und schematisierende Unterscheidung vorzunehmen. Bis auf die knappe Bemerkung bei Kehler treffen seine exemplarischen Passagen nur für das zu, was Hotho dem zweiten Typus zuordnet. Doch nur dieser zweite ist es, den Hegel als begrifflich präzise gefasstes Wesen der Komödie bezeichnen würde. Der erste fällt mit diesem ineins, weil ja jeder Zweck des Komödienprotagonisten schließlich von ihm selbst als nichtig erkannt wird. Die Unterscheidung in zwei Arten von Zweck ließe sich bloß auf verschiedene Phasen des Handlungsverlaufs ein und derselben Komödie beziehen: auf diejenige, wo der Zweck noch als substantiell genommen wird, und diejenige, wo er als nichtig und zufällig erkannt worden ist. Wo sollten also eigene Beispiele für den ersten Typus bei Hegel herkommen? Vgl. Roche (2002/03), S. 87. 40 

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zu bringen, müssen die ersten beiden von Hotho unterschiedenen Typen somit als identisch gesetzt werden: Im zweiten Fall ist der substantielle Zweck in jedem Moment seiner Verwirklichung bereits ein substanzloser; im ersten Fall der zufällige Zweck nur dann als zufälliger auszumachen, wenn sein immer schon mitgeführter Bezug auf einen substantiellen auch mitgedacht wird. Entscheidend ist es, dass das Handeln des komischen Subjekts ein nichtiges ist, das seine Nichtigkeit schließlich erkennt und im Verlachen aufhebt; ansonsten wäre die Komödie im Anschluss an die Theorie des Lachens in der Philosophie des subjektiven Geistes nicht komisch. Daher kann Hegel ganz allgemein im Hörsaal definieren: »Der Gegenstand der Komödie ist, daß die Torheit sich für sich vernichtet, daß ein großer Zweck vorgesetzt wird, aber bei der Ausführung die Mittel ganz verfehlt werden.«42 Denn jedes komische Subjekt muss zunächst davon ausgehen, dass es einen ernsten Zweck mit dem nötigen Ernst verfolgt. Der Lachen erregende Widerspruch, der weggelacht wird, wie in der Anthropologie die Empfindung entäußernd ›weggeschafft‹ wird, entsteht somit zwischen einer subjektiven Einbildung des Substantiellen, über deren Grad an Substantialität das komische Subjekt zu Anfang im Dunkeln bleiben muss, und der ausbleibenden Erreichung. – Bei Kehler finden sich hierzu zwei weitere Beispiele aus dem Aristophanischen Theater: Die eine Komödie, zu der Hegel meint, es lasse sich sofort erkennen, »daß von Haus aus nichts [dabei] herauskommt«, sind die Ekklesiazusen über eine Gruppe von »Weiber[n]«, die »[den] Staat bilden«43 wollen, genauer: wo die Frauen Athens entsetzt über die grausam kriegerische Politik der Männer in Verkleidung die Volksversammlung übernehmen, launisch und leidenschaftlich debattieren, aber schließlich ganz demokratisch die libertäre und egalitäre Gesellschaft in Wohlstand und Gemeinbesitz durchsetzen.44 Wenn Hegel dagegen von »Dionysos« spricht, der »nach der Unterwelt [gehe], um die ordentlichen Tragiker zu holen«, spielt er damit auf die Frösche an, die »bewußte Ironie« seien, »der Demos, der Scherz mit sich selber treibt«45. In Anschluss an die inhaltlichen Ausführungen zur Nichtigkeit des Handlungszwecks, die nun um exemplarische Bezüge Hegels angereichert sind, kann wieder an die begriffliche Wesensbestimmung angeknüpft werden. For42 

Von der Pfordten (1826), S. 252. Kehler (1826), S. 235. Die Lysistrate wird als Beispiel auch im letzten Ästhetik-Kolleg angeführt; vgl. Libelt (1828/29), S. 152v. 44  Hegel könnte hier allerdings auch die frühe Komödie Lysistrate meinen, in welcher Aristophanes bereits ein ganz ähnliches Szenario durchspielt: Die Frauen Athens unter ihrer Anführerin Lysistrate sind bestrebt, den Krieg gegen Sparta zu beenden, indem sie sich den Männern bis zum Frieden verweigern und schließlich sogar die Akropolis besetzen. 45  Kehler (1826), S. 235. 43 

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mal versteht Hegel die innere Struktur der Entwicklung der Komödienhandlung im Sinne der vorhergehenden Ausführungen als eine ›Vernichtung des Nichtigen‹.46 Die Analogie dieses Hauptmoments der Komödientheorie in der Berliner Ästhetik zur immanenten Struktur der Lehre vom Lachen ist im vorhergehenden Unterkapitel zu den Vorlesungen über den subjektiven Geist bereits herausgestellt worden; hier kann die doppelte Negation der vernichteten Nichtigkeit nun näher ausbestimmt werden, indem sie zuerst formal nach ihrer Dialektik befragt und schließlich auf die Dimension der Komödie im Rahmen der Ästhetik Hegels bezogen wird.47 Sie findet nämlich zunächst ihre begriffsphilosophische Vor- und Grundlage in der Hegelschen Logik, wo ihr zwar kein eigenes, ihren Begriff entwickelndes Kapitel gewidmet wird, sie aber an mehreren Stellen und in unterschiedlichen Zusammenhängen eine quasi strukturstiftende Rolle spielt. Im Rahmen des Teleologie-Kapitels in der Lehre vom Begriff als dem dritten Teil der Wissenschaft der Logik gibt die doppelte Negation der Kategorie der Zweckmäßigkeit die Figur vor, nach welcher sich der subjektive Zweck des Begriffs realisiert. Damit wird sogleich ersichtlich, dass die Logik das besagte dialektische Modell der sich selbstvernichtenden Nichtigkeit als doppelte Negation den Vorlesungen über die Philosophie der Kunst nicht nur vorgibt, sondern ihnen auch bereits den weitaus konkreter ausgeformten Bezug desselben auf die subjektive Zwecksetzung und ihrer Durchführung liefert. Mit dem Teleologie-Kapitel liegt somit ein Zweckbegriff vor, der bereits logisch mit der Dialektik des Nichtigen verknüpft ist. Dieser Zweckbegriff steht als spekulativ gedachter im Mittelpunkt der Ausführungen. Hegel definiert grundlegend und mit Betonung des Prozesscharakters, der »Zweck« sei der »subjective Begriff als wesentliches Streben und Trieb sich äusserlich zu setzen«48. Insofern dieser Zweck in seiner Zweckmäßigkeit »das Bestimmte des Inhaltes« besitzt, ist er »Verstand[]«; insofern er aber Begriff »in seiner Existenz« und damit »der concrete Begriff« ist, der auf dieser Stufe der Logik das bloß einseitig Verstandesmäßige überwunden hat, bestimmt er sich 46 

Ascheberg (1820/21), S. 214: »was auch zu Grunde geht, ist von Haus aus nichtig«; von der Pfordten (1826), S. 252: »Der Gegenstand der Komödie ist, daß die Torheit sich für sich vernichtet«; Kehler (1826), S. 23: »im Komischen muß also das, was zerstört ist, ein für sich Nichtiges sein«; Libelt (1828/29), Ms. S. 25v: »Das was im Komischen vernichtet ist, muß aber eine Grille sein, was als Inhalt ein Nichtiges ist.« 47  Schon in der Phänomenologie des Geistes wurde dieser Begriff des Komischen im Ansatz entwickelt. Zumindest taucht im Kapitel über die Kunst-Religion der Gedanke auf, dass die komische Kollision der Widerspruch zwischen dem Absoluten und der »Nichtigkeit« dieses Absoluten sei. Vgl. GW 9, S. 252. 48  GW 12, S. 160.

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zur »Vernünftigkeit«49 fort. Dieser Vernunft kommt aber als Wesensbestimmung zu, als sich zu sich selbst verhaltende Subjektivität sich in die Objektivität als Sphäre ihrer Existenz zu verwirklichen, und zwar durch die Realisation von subjektiv gesetzten Mitteln als Vermittlung beider Seiten. Doch die äußerliche Objektivität als diese selbstgesetzte Existenz, welche sich der Zweck in seiner Ausführung voraussetzt, ist gegen den Begriff als solchen »als ein unwesentlicher Schein gesetzt«, so dass »die Thätigkeit des Zwecks […] nur Darstellung dieses Scheins, und Aufheben desselben«50 ist. Die Totalität des Begriffs findet ihre Bestimmtheit darin, sich durch Negation vollständig zur Äußerlichkeit auszulegen, die Verobjektivierung des subjektiven Zwecks im Mittel ist jedoch nur eine äußerlich gesetzte und damit unwesentliche; die Objektivität ist unmittelbar »dem Zweck unterworfen« und hat »keine andere Bestimmung gegen ihn […], als die der Nichtigkeit«51. Als Begriff in seiner gleichgültigen Äußerlichkeit ist der subjektive Zweck bloß Schein und nichtig. Im Zusammenhang der Wesenslogik führt Hegel dazu nämlich fernerhin aus, der Schein sei »Seyn[] in seiner Nichtigkeit«52, so dass das Scheinhafte in der Differenz verborgen liegt, die sich zwischen dem Wesen und der Nichtigkeit bloßen Seins auftut, die als Nichtigkeit überhaupt erst aus der Perspektive des Wesens entdeckt werden kann. Als bloßer Schein ist das sich selbst negierend ins Dasein getretene Sein nichts und nichtig; dieser Schein gerät aber zu wahrem Schein, sobald er »das in seiner Nichtigkeit durchschaute Nichtige« wird, »das eben als das, was es ist, durchschaut wird«53. Damit ist dann sogleich angezeigt, dass dieses Nichtige, die Negation des Seins zum Schein auf dem Wege zum Wesen, sich nicht der eigenen Nichtigkeit überantworten kann, sondern sie als Nichtigkeit erkennend sich wiederum selber als Nichtigkeit vernichten muss, als eine zweite Negation: Das Nichtige wird vernichtet, indem es sich in der begrifflichen Erfahrung dessen, was nichtig ist, als Verneinung wiederum verneint.54  – Für die Begriffslogik bedeutet das, die Nichtigkeit des Scheins ist ein wesentliches Moment der Verwirklichung des »Begriff[s] in der Sphäre der Objectivität, wo seine Bestimmtheit die Form gleichgültiger Aeusserlichkeit hat, in Wechselwirkung mit sich selbst«55. Über die Stufe der scheinhaften Realisierung hinweg, auf welcher sich Begriff und 49 Ebd. 50 

Ebd., S. 169. Ebd., S. 170. 52  GW 11, S. 246; vgl. zu diesem Zusammenhang auch Theunissen (1980), S. 333 ff., 351 ff. 53  Theunissen (1980), S. 354. 54  Vgl. hierzu Hegels Rede in der Begriffslogik vom ›ersten‹ und ›zweiten Aufheben‹ in: GW 12, S. 170. »Die Negativität kehrt auf diese Weise so in sich selbst zurück«. 55  GW 12, S. 171. 51 

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Objektivität gleichgültig und unverbunden gegenüberstehen, ein wesenloses Sein des Begriffs als bloßer Schein, schließt sich die Wahrheit im zweiten Aufheben mit sich zusammen; aber nicht so, dass die Äußerlichkeit überhaupt in die Abstraktion des Begriffs zurückgenommen wird, sondern der Zweck wahrhaft mit dem Objekt vermittelt ist, so dass »die objective Rückkehr des Begriffs in sich« als »die wahrhafte Objectivirung desselben«56 aufgefasst werden muss, als der wahre und ganze Schluss dieses Prozesses.  – Daran offenbart sich, dass die Nichtigkeit zum Begriff des Absoluten gehört wie dessen immanente Negativität: Ohne sich selbst zu verlieren, kann er nicht zur wahren Identität mit sich in der Objektivität vordringen und sich nicht als Selbstbestimmung setzen. Nur so wird sich der Begriff in seiner Wahrheit wirklich und gültig. Von dieser Stufe des verwirklichten Begriffs kann Hegel daher in der Darstellung des sich zu sich selbst entwickelnden Begriffs sodann übergehen zur Idee als Wahrheit dieses Begriffs. Rückbezogen auf die Vorlesungen über die Philosophie der Kunst können aus dieser logischen Figur Einsichten in das Wesen der Komödie zusammengefasst werden. An Begriffs- und Wesenslogik beweist sich, in der negativen Verwirklichung des Begriffs ist allein die Vernichtung eine wahrhafte, die eine Selbstvernichtung der eigenen subjektiven Nichtigkeit ist. Was sich in der Logik an der Subjektivität des sich Zwecke setzenden Begriffs zeigt, gibt sich übertragen auf die Ästhetik an der ebenfalls zweckmäßig handelnden Subjektivität des komischen Bühnenhelden kund. Durch ihre Immanenz ist die Subjektivität davor bewahrt, sich im Prozess der Selbstbewusstwerdung auf der Stufe des Außersichseins zu verlieren und die darin hervorgebrachte Negation zu verabsolutieren. Am Ende hat sie sich vielmehr erfolgreich in ein in sich reflektiertes Selbstverhältnis gesetzt und ist darin ganz bei sich. In diesem Prozess ist nichts ernsthaft berührt worden, was außerhalb dieser Subjektivität liegen würde. – Eine solche Betonung der Selbstbezüglichkeit steht in einem größeren philosophiegeschichtlichen Rahmen: Der Hegelianer Schasler verdeutlicht nämlich, Hegel mache das logische Moment der Selbstvernichtung des Nichtigen am Komischen deshalb so stark, weil er Aristoteliker sei. Wenn aristotelisch das wahre Komische das Hässliche ohne Schädlichkeit sei, dann dürfe darin nichts Wesentliches, sondern nur etwas selbst bereits Nichtiges vernichtet werden, denn das »triumphirende Böse und Häßliche ist nicht lächerlich, sondern das sich selbst vernichtende, an seinem eignen Widerspruch, an seiner Unwahrheit zu Grunde gehende«57. 56 Ebd.

57  Schasler

(1872), I, S. 174.  – Strukturell verwandt ist diese Negation der Negation auch mit der Vernichtung des Nichtigen im Kontext der Straftheorie in den Grundlinien

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Indem Schasler herausstellt, die Komödie dürfe sich zum Zwecke des Lachens nur dann des Hässlichen und Bösen bedienen, wenn diese für das objektiv Substantielle keine zerstörerische Kraft haben, interpretiert er Hegels Lachen der Komödie als die selbstvollzogene »Wiederherstellung« eines gestörten »Gleichgewichts«58 und damit als Rückkehr zur Substantialität. Wäre dieser Prozess kein immanent selbstbezüglicher, d. h. sähe sich die Subjektivität in ihrer komischen Unwesentlichkeit dualistisch einer substantiellen Objektivität ausgesetzt, der sie niemals adäquat werden könnte, würde sie in der falschen Negation verharren und sich in ihrer Negativität verselbständigen. Daher sagt Hegel, die komischen Figuren der klassischen Komödie seien nur dann wahrhaft komisch, wenn sie »sich in [ihrem] Ernst selbst nicht Ernst«59 nehmen. An der komischen ›Vernichtung des Nichtigen‹60 – an ihrem im entsprechenden Unterkapitel dieser Untersuchung herausgearbeiteten Bezug zum ›sich vollbringenden Skeptizismus‹ der Phänomenologie des Geistes und nun insbesondere auch zur Wissenschaft der Logik – beweist sich also erneut die formale Verwandtschaft des als Prozess zu denkenden Begriffs des Komischen, wie er in den Vorlesungsnachschriften entwickelt wird, mit der grundlegenden spekulativen Methode der Hegelschen Philosophie. In der Anwendung auf die Ästhetik sowie vor dem Hintergrund des impliziten Aristoteles-Bezugs kann mit den logischen Bestimmungen für die Komödie zum einen gezeigt werden, dass die negative Entäußerung, der nichtige Handlungszweck oder das Unrecht, sich nicht absolut setzen kann, sondern sich wieder mit der Wahrheit in Identität bringt, zum anderen aber auch, dass die Negation, das Außersichsein, ein notwendiger Bestandteil der Selbstverwirklichung der Subjektivität ist, welche sich durch sie hindurch reichhaltiger bestimmt und auch im Anderen bei sich selbst ist. Die Dialektik des Komischen beweist somit ihre bruchlose Zugehörigkeit zur spekulativen Philosophie Hegels, mit deren Mitteln er seine Komödientheorie interpretiert der Philosophie des Rechts, wo der Wille der Rechtsperson im Unrecht nicht hässlich, aber böse und nichtig wird und notwendig danach verlangt, durch Strafe als Selbstvernichtung des nichtigen Unrechts wieder mit dem Recht versöhnt zu werden. Hegel meint, das Verbrechen sei eine Verletzung des Rechts als Recht und in seinem Widerspruch an sich selbst nichtig. Wegen dieser immanenten Nichtigkeit, die sich in sich selbst zerstört, sei die Strafe bloß die Manifestation dieser Nichtigkeit der Rechtsverletzung für sich und daher nichts, das bloß von außen an das Verbrechen herankomme. In der Negation der Negation bewähre sich schließlich das Recht als das wirkliche und geltende Recht. Vgl. GW 14,1, S. 93 f.; vgl. auch Mohr (1997), S. 105 ff. 58  Schasler (1872), I, S. 174. 59  Hotho (1823), S. 509. 60  Vgl. zu dieser ›Vernichtung des Nichtigen‹ Pöggeler (1956), S. 80.

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und tiefer begreift. Auch wenn gezeigt werden konnte, dass Hegel zahlreiche Anregungen aus der Tradition der Komödientheorie übernimmt, offenbart sich insbesondere an diesem methodischen Ansatz die Eigenständigkeit und Einzigartigkeit seiner Position. Fragt man abschließend, was diese logischen Begriffsverhältnisse und ihre Anwendung auf die Negativität der Komödie für den gattungstheoretischen Ansatz der Berliner Ästhetik insgesamt bedeuten, scheint das hervor, was argumentativ für die erste Perspektive das Entscheidende, auf die Stephan Kraft Hegels Komödientheorie unzulässig reduziert: Erstens ist es im komischen Theater »nicht das Objective, was vernichtet wird, sondern nur das Thun, das Vollbringen desselben«61. Das bedeutet, nicht das Substantielle an sich ist es, das in der Selbstvernichtung zu Grunde geht, sondern nur das, was subjektiv für substantiell gehalten wird und von sich aus nichtig ist.62 Der Handlungszweck in der Komödie kann wie in der Tragödie grundsätzlich kein substantieller, sondern immer nur ein einseitig subjektiver sein: Zerstörte Substantialität wäre nämlich keineswegs komisch, wie sich am Aristoteles-Bezug erweist. – Zweitens ist daher dieses subjektive Nichtige, gerade weil es nichtig ist, »dem Sittlichen gar nicht entgegengesetzt«; es stemmt sich nicht gegen die objektive Ordnung, es maßt sich bloß an, selber für sich bestimmen zu wollen, was für das Substantielle zu gelten hat – doch in der Vernichtung des Substanzlosen wird »das höhere Hinauswollen zu nichte gemacht«63. In dieser Perspektive stellt sich die Komödie, vor allem diejenige des Aristophanes, als eine künstlerische Form dar, durch welche die subjektive Überheblichkeit vorgeführt und zerstört wird. Die kritische subjektive Position gerät außer sich, indem sie sich in Widerspruch zur Sittlichkeit setzt, und hebt sich wiederum selber auf. – Drittens ist damit aber überdeutlich markiert, dass die Subjektivität keine ernsthafte Bedrohung des Substantiellen sein kann. Ihr Prozess der Vernichtung unzulässiger Hybris führt an seinem Ende die Stabilität und Gültigkeit vor Augen und ist auf diese Weise eine heitere Bestärkung des substantiellen Lebens im Staate. Dieser Aspekt ist insofern eine treue Wiederholung des herausgestellten Gedankens des frühen Fragments Jedes Volk…, in welchem Hegel meinte, die griechische Komödie könne gerade wegen ihrer Substantialität und Stärke eine Verspottung der Götter zulassen, die jeder christlichen Vorstellung von Kunst und Religion inakzeptabel vorkommen muss. Er ist zudem die Wiederholung des Grundgedankens der Komödientheorie im Naturrechtsaufsatz: Die allgemeine Macht ist über jeden 61 

Ascheberg (1820/21), S. 213. Vgl. Kraft (2011), S. 294. 63  Ascheberg (1820/21), S. 214. 62 

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Versuch ihrer Entmächtigung erhaben und lässt ihre Wirklichkeit auch in freier Heiterkeit feiern. Selbst wenn dieses Substantielle von der Subjektivität angegriffen werden sollte, dann greift sie »in Täuschung nur einen falschen Reflex, einen scheinbaren Repräsentanten der Substanz« an und affirmiert sie eben deshalb, »wenn dieser Schein sich auflöst«64. – Schließlich könnte viertens daraus die Konsequenz gezogen werden, dass wenn im Lachen der Komödie die eingeschränkte Macht der Subjektivität nicht mehr ironisch den Schein einer nichtig gewordenen Wesenheit als Widerspruch auffasst, sondern bloß die eigene Unzulänglichkeit, derenthalben ein Nichtiges fälschlich für substantiell gehalten wird, sich dann die Vorlesungen über die Philosophie der Kunst in diesem Punkt auf das Deutlichste von der Phänomenologie abheben würden. Die Frage nach Wesentlichkeit oder Unwesentlichkeit der Vorstellung vom Absoluten, wie sie in Jena im Prozess der ›Entvölkerung des Himmels‹ thematisiert wurde, würde dann in Berlin gar nicht mehr berührt werden. Die Komödie bekräftigte das Substantielle, indem sie markiert, dass ihm die Nichtigkeit der Subjektivität nichts anhaben kann. Denn komisch »ist überhaupt die Subjektivität«, die nur noch »ihr Handeln durch sich selber in Widerspruch bringt und auflöst, dabei aber ebenso ruhig und ihrer selbst gewiß bleibt«65. Dem späten Hegel ginge es somit im Kern darum, dass die im nichtigen Inhalt widersprüchlich gewordene Subjektivität im Verlachen ihrer selbst wieder mit dem Substantiellen versöhnt wird. Diese Deutung würde schließlich den Eindruck verbreiten, als beschränke Hegel damit den Kreis der Komödie nicht nur auf die bloß subjektive Nichtigkeit, die dem Substantiellen nichts anhaben kann, weil das Komische sonst aggressive Satire oder bittere Ironie wäre, sondern darüber hinaus vor allem auf ein verherrlichendes Lippenbekenntnis zur absoluten Wahrheit des Göttlichen und Sittlichen durch diese falsche und getäuschte Subjektivität. Am Ende stünde die harmonische Versöhnung von Individuum und politischer Macht, deren Harmonie durch das Joch der Subjektivität arg getrübt wäre: Der Preis dieser Versöhnung – zieht man die radikale Konsequenz aus der Lesart Krafts – läge dann in der Unterdrückung und Instrumentalisierung des komischen Subjekts zur Bestärkung des Allgemeinen.

64 

Schulte (1992), S. 262. 15, S. 552; vgl. Hotho (1823), S. 510; von der Pfordten (1826), S. 250, 252; Kehler (1826), S. 235. 65  TWA

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b) Die Affirmation des Substantiellen durch subjektive Selbstvernichtung ist die Selbstaffirmation des Subjekts. Bei diesem Ergebnis kann die Deutung nicht stehen bleiben; unter Bezug auf die Studie Schultes kann eine alternative Perspektive eingenommen werden.66 Nun kommt es darauf an, die Bestimmung der Komödie in der Berliner Ästhetik fortzusetzen und dabei zu erkennen, dass die Subjektivität hier keineswegs unter dem Joch eines ihr äußerlichen Absoluten steht. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Hegel versieht sie – wie bereits in der Phänomenologie – mit den Attributen ›Freiheit‹, ›Selbstbestimmung‹ und ›Unabhängigkeit‹. Wie lässt sich diese kontrastive Position im Anschluss an die nun zu korrigierende erste Perspektive begründen, die der Subjektivität doch den begrenzten Bereich eines Durchsichtigmachens der eigenen Unzulänglichkeit zugewiesen hatte, dem gegenüber das Substantielle als die anzuerkennende und zu bejahende Wahrheit erscheint? Für die Aufklärung dieses Problems ist eine genauere Beleuchtung des Status dieser Subjektivität Voraussetzung. Hegel legt 1823 dar, in der Tragödie gehe »das ewig substantielle siegend hervor, in der Comedie [hingegen] die subjectivität als solche«67. Gegenüber dem Substantiellen kann allein das komische und nicht schon das tragische Subjekt bestehen  – und diese Präposition ›gegenüber‹ sollte hier wörtlich genommen werden: In einer zweiten Lesart eröffnet sich im Text die Perspek­ tive auf dieses Verhältnis, in welcher Subjektivität und Substantielles sich in der Komödie tatsächlich ganz unverbunden gegenüberstehen, wie die beiden Ufer eines Flusses, über den keine Brücke führt. Das Subjekt ›meint‹ nur, verbunden mit dem Absoluten substantiell zu handeln, doch schnell entpuppt sich dieses Substantielle als bloß ›Gemeintes‹ und damit als etwas rein Subjektives.68 Das ist eine radikale Überwindung der Tragödienposition: Der tragische Held war insofern noch nicht selbständig, als er bloß Akteur, Ausführender einer Modifikation der Substanz, gewesen ist, unlösbar gebunden an eine höhere Macht, die er im Endlichen verwirklichte. Wie an der Phänomenologie gezeigt wurde, ist aber das Selbst der Komödie auf sich selbst gegründet – es ist ›selbst-ständig‹; und dadurch erscheint es als unverbunden 66 

Vgl. Schulte (1992), S. 263 ff. Hotho (1823), S. 504. 68  Nur im Kolleg 1826 verwendet Hegel den Begriff des ›Meinens‹ in diesen Zusammenhang: Die Substantialität des Handlungszwecks sei in der Komödie »nur ein Gemeintes«, ein vom Subjekt zunächst als substantiell gemeinter Zweck, der in seiner Verwirklichung »durch die Tat, durch die es sich vollbringen will« (Kehler [1826], S. 227), vernichtet wird. Das Subjekt selbst zerstört den bloß gemeinten Zweck, erkennt dabei, dass er an sich nicht substantiell ist und erhält sich selbst in dieser Weise der Vernichtung des Gemeinten. 67 

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mit dem Substantiellen, zumindest wenn dieses als alte und überkommene Gestalt verstanden wird. Hotho notiert sich im Hörsaal zum Übergang von der klassischen zur romantischen Kunstform, dass am Ende der griechischen Kunst sich eine Subjektivität darstelle, die ohne »Versöhnung« einen »Gegensatz« zur Objektivität bilde und darin »eine bloß subjective Geistigkeit« sei, eine »abstracte«, »ein für sich edles Gemüth, ein subject als subject, ein solches in sich subjectiv beruhendes«69. In der Komödie kann diese streng genommen schon nicht mehr dem griechischen Ideal entsprechende Individualität nun doch noch als die höchste und letzte Form klassischer Subjektivität in die Substanz der griechischen Welt herübergerettet werden. Das komische Subjekt erfüllt diese besondere Leistung, weil es sich im Moment der Selbstvernichtung heiter bewahrt und auf diese Weise auf seinen subjektiven Standpunkt zurückzieht, ohne das Substantielle anzugreifen. Es verweilt noch innerhalb der Grenzen des klassischen Ideals, obwohl es sich zwar vom Substantiellen losgesagt hat, dieses aber nicht zu zerstören trachtet. Doch auf diesem eigenen Terrain ist es realiter unabhängig bei sich und eigenständig und nicht, wie es in der ersten Perspektive Krafts scheinen mag, dem Sittlichen und Göttlichen untergeordnet. Hegel sagt daher 1820/21, es sei »die bei sich bleibende Subjectivität«70, »die unendliche Sicherheit des Gemüths«, die »mit der ernsthaften Absicht von Haus aus getröstet ist«71. Bezogen auf die Komödien des Aristophanes notiert sich Hotho deshalb 1823: »das ächte comische dagegen ist die absolute Freiheit des Gemüthes, die uns Aristophanes liefert.«72 Trotz ihres Scheiterns an sich selbst, unfähig zu sein, das zu verwirklichen, was sie sich vorgesetzt haben, bleiben die Figuren der Komödie unbekümmert und sehen selbstsicher darüber hinweg; denn dasjenige, was zugrundegeht, stellt sich ja als ihre eigene Unzulänglichkeit heraus. Über diese Nichtigkeit hinaus haben sie nichts zu fürchten: kein höheres göttliches Schicksal und keine Strafe einer ihnen äußerlichen Substantialität.73 69 

Hotho (1823), S. 403. Ascheberg (1820/21), S. 212. 71  Ebd., S. 213. 72  Hotho (1823), S. 510. 73  Beinahe wortgetreue Ausführungen zu Aristophanes und seiner Komödiendichtung finden sich ebenfalls in der Freundesvereinsausgabe von Hegels Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie: »Es gehört zum Komischen eine Sicherheit seiner selbst, die – indem sie sich auf etwas verläßt, an etwas festhält, mit allem Ernst dies betreibt, während ihr immer das Gegenteil dessen wird, was sie ausrichtet – darüber gar in keinen Zweifel gerät, zu keiner Reflexion über sich kommt, sondern vollkommen ihrer und ihrer Sache gewiß bleibt. Diese Seite des freien athenischen Geistes, diesen vollkommenen Genuß seiner selbst im Verluste, diese ungetrübte Gewißheit seiner selbst bei aller unmittelbaren Fehlschlagung des Erfolgs und der Realität – das höchst Komische – genießen wir im Aristophanes.« TWA 18, S. 483. 70 

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Analog formulierte schon die Phänomenologie, das Bewusstsein empfinde »ein Wohlseyn und Sich-wohlseyn-lassen […], wie sich ausser dieser Komödie keins mehr findet«74. Ohne Furcht vor der Negativität des Schicksals kann sich der Protagonist seinem »Bestehen« und der »Erhaltung der Individualität«75 gewiss sein und sich in seinem selbstbewussten Dasein genießen. So kann Hegel auch für seine Berliner Ästhetik geltend machen, »daß die Comedie von Haus aus das ist, womit die Tragödie schließt, mit dem absolut in sich versöhnten, heitern Gemüth«76, das nur noch auf sich gegründet ist. Die Übermacht des Substantiellen über das Subjekt, von welcher die Tragödie lebt, wird in der Komödie entmachtet. Das Subjekt begehrt auf, nicht mehr als ein Instrument des Machterhalts der Sittlichkeit missbraucht zu werden, befreit sich von der Unterdrückung und entwickelt eine menschlichere und freiheitlichere Option, den notwendig zu lösenden Konflikt auszugleichen. – In gleichfalls komödiantischer Form ergeht daher in Ludwig Tiecks Komödie Die verkehrte Welt von Seiten der Schauspieler die Forderung an den Poeten, keine Tragödien mehr spielen zu müssen, weil sie es leid sind, immerzu auf der Bühne zu sterben. Begründet wird diese Entscheidung interessanterweise mit dem Hinweis auf die Bildung und das Menschliche, das unter den Vorzeichen der Jetztzeit die Schonungslosigkeit der Tragödie nicht mehr zulasse. Wer »mit einem gar zu zarten Gemüt behaftet« oder »nicht von Stahl und Eisen« sei und demgemäß »ungemein fein empfinde«, der sei in der Komödie besser aufgehoben; »hol doch der Teufel das ungebildete Wesen!«77 In diesem Sinne Tiecks erscheint die Komödie als das humanistische Gegenstück zur Tragödie und ist als die modernere Form des dramatischen Modus zu begreifen. – Auch Hegel bekräftigt mehrfach, gegenüber dem tragischen Helden könne das komische Subjekt sein Recht behaupten, im Prozess ästhetischen Selbstbewusstseins zeige sich mit der Komödie erstmals die Subjektivität als eine selbständige, die sich – argumentativ entgegen der Zuspitzung in der ersten Perspektive – gerade nicht dem substantiellen Allgemeinen unterwerfen und opfern lasse, weil dieses sie frei und unabhängig entlässt. Die Unverbundenheit der Subjektivität und des Substantiellen, ihr bloßes ›Gegenüber‹, offenbart aber schließlich, dass dieses Göttliche dem komischen Subjekt ein Fremdes geworden ist. Gar unüberbrückbare Schluchten tun sich zwischen ihnen auf.

74 

GW 9, S. 399. Ascheberg (1820/21), S. 208. 76  Hotho (1823), S. 509. 77  Tieck (1967), S. 521. 75 

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Die Komödie ist daher nur scheinbar affirmativ: Sie berührt das Substantielle nicht mit ihrem Spott, wenn sie keineswegs dieses, sondern bloß die subjektiven Zwecke als Nichtigkeit vorführt – aber durch solch einen Prozess des Handlungsgeschehens und der ästhetischen Bewusstseinserfahrung wird die Negativität als subjektives Prinzip, die Möglichkeit folgenloser Negation substantieller Zwecke zur Durchsetzung selbstbestimmten individuellen Denkens und Handelns bewusst gemacht. Die Komödie führt auf, wie die Subjektivität nichtig und unwahr, das verschlingende Schicksal, werden und dabei sogar noch »in ihrer unendlichen Sicherheit die Oberhand«78 behalten kann. Aus diesem Grunde stellt Schulte scharfsinnig fest, dass »die Affirmation des Göttlichen«, sobald dieses Prinzip zu etwas Fremdem geworden ist, »in eine Selbstaffirmation des Bewußtseins« als der komischen Subjektivität »übergehen muß«79. Da Allgemeinheit und Einzelheit einander bloße ›Gegenüber‹ sind und das Subjekt es als das ganz eigene Werk vollbringt, seine Negationen zu bewältigen, sich in den Widerspruch zu treiben und aus ihm wieder zurückzukehren, um darin seine Kraft und Macht zu erfahren, stellt es sich auf eigene Beine und genießt sich in reiner Selbstbestimmung. Aus der lachenden Einsicht, einen Zweck verfolgt zu haben, der ein subjektives »Aufspreitzen zum Göttlichen«80 ist, gewinnt es eine Unbefangenheit, die ihm Selbstsicherheit verleiht und ihm das Bewusstsein vermittelt, in sich und aus sich wesentlich zu sein, selber göttlich zu werden. Wenn Hegel das komische Subjekt als »das Göttliche in seiner unbekümmert spielenden Subjectivität« bezeichnet, verrät diese Formulierung eine Nähe zum Naturrechtsaufsatz, und in diesem Zusammenhang scheint sie den Aspekt der Affirmation des Göttlichen zu unterstreichen. Doch Hegel macht sogleich deutlich, dass das selbstbezügliche Lachen des ganz menschlichen Bühnenhelden »die lächelnde, olympische Seeligkeit«81 sei; so dass dies bedeutet: die Subjektivität erkennt sich gemäß der Epos- und Komödienbestimmungen der Phänomenologie selber als die Wahrheit des Göttlichen, die sich nun auf sie überträgt. Innerhalb der ästhetischen Vorlesungen werden beide Positionen aus den früheren Ansätzen aufgenommen und können nun vor der Folie der Theorie der Kunstformen mit übergeordneten, allgemeinen Entwicklungen der geistphilosophisch gedeuteten Kunstgeschichte vermittelt werden: Hotho notiert sich im Hörsaal, da der »Unterschied der Gestalt und des Gedankens« sich als eine »Zerreissung des Ideals« ausbreite, sei damit zugleich mar78 

TWA 15, S. 527; vgl. Hotho (1823), S. 504. Schulte (1992), S. 265. 80  Ascheberg (1820/21), S. 214. 81  Ebd. Derselbe Gedanke findet sich auch im Kolleg von 1826: »[Es ist dies] gleichsam die lachende Seligkeit der olympischen Götter bei Aristophanes.« Kehler (1826), S. 235. 79 

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kiert, dass in der ästhetisch gemachten göttlichen Gestalt, manifest in der bildenden Kunst und der Poesie, »die Götter zu verendlichen am meisten geneigt«82 seien. Aus diesem Grunde verurteilen Xenophanes und Platon solche künstlerischen Darstellungen, denn sie widersprechen dem Gedanken. An den Komödien des Aristophanes verdeutlicht Hegel, dass beispielsweise die griechischen Götter allein wegen ihrer Besonderung als anthropomorphe und fehlbare Gestalten lächerlich gemacht werden.83 Mit der Komödie wird angezeigt, dass das Geistige seine wahrhafte Form in der menschlichen Innerlichkeit und im Selbstbewusstsein findet. In ihrer Idealform bei Aristophanes erscheint durch die heitere »Unbekümmertheit des Gemüths« erstmalig das romantische Prinzip, in welchem alle komischen Verwicklungen aufgehoben sind; dieses »Beispiel einer intellectuellen innern Weltanschauung« legt sogleich für die gesamte nachklassische Entwicklung künstlerischen Selbstbewusstseins fest, »daß die sinnliche Anschauung nicht die wahrhafte Existenz des Göttlichen sey«84. Ganz unmissverständlich ist dies der besagte Endpunkt, den die Komödie für die griechische Kunst bedeutet. Anne Paolucci bemerkt demgemäß und generalisierend, Kunst ende bei Hegel »with the excitement of self-confident or self-assuring laughter«85. Die Komödie ist »der letzte Punkt der Ausdehnung der Versöhnung, die die subjectivität sich erringt«86; sie ist »die Auflösung der Kunst«87 im klassischen Verständnis. Mit ihr verändert sich im weiteren Verlauf der Geistgeschichte die Kunst grundsätzlich. Fortan legt sich in ihr das Subjekt seine Innenwelt aus. An diesem Ende der griechischen Kunst gelte es daher, »eine subjec82 

Hotho (1823), S. 402. Die Frösche des Aristophanes sind ein seltenes Exempel für die komödienimmanente Beziehung auf den satyrischen Festgott. Die Komödienhandlung, in die Dionysos eingebunden ist bzw. die von ihm überhaupt erst angetrieben wird, widerspricht keineswegs Hegels Grundbestimmung eines selbstverlachenden Irrtums. Dionysos erscheint bei Aristophanes – deutlich im Unterschied zur furchtbar strafenden Gestalt des Dionysos in den Bakchen des Euripides – »all seiner übernatürlichen Attribute entkleidet und auf das Format eines Menschen, eines recht jämmerlichen sogar, reduziert«. Blume (1990), S. 26. Dieser den Zuschauern ebenbürtig scheinende Gott ermöglicht es, mit ihm zusammen über seine Fehler lachen zu können. Hegels Auffassung, das Lachen der antiken Komödie nicht als ein spöttisches Verlachen des Absoluten zu deuten, stimmt auch mit dem Konsens der philologischen Interpretationen bis heute überein, die komödiantischen Götterdarstellungen nicht als einen gotteslästerlichen Akt misszuverstehen, sondern eine durch sie sogar bewirkte Unterstreichung der Mächtigkeit festzumachen, wenn der Gott selbst in das Gelächter einbezogen wird. 84  Ascheberg (1820/21), S. 214. 85  Paolucci (1978), S. 89. 86  Hotho (1823), S. 510. 87  Kehler (1826), S. 227; vgl. auch: von der Pfordten (1826), S. 250: »In der Komödie ist die Auflösung der Kunst«. 83 

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tivität [darzustellen], welche das Herrschende sei über die Gestalt«; dieses Geistige werde sodann »eine Welt für sich«, heiter gestimmt und »absolut friedlich«88. Die Frage nach der Vereinbarkeit von subjektiver Affirmation des Substan­ tiellen und Selbstaffirmation der Subjektivität, die im Übergang von der erst­en zu dieser zweiten Perspektive auf die Komödie in den Vorlesungen über die Philosophie der Kunst aufgeworfen wurde, lässt sich nun recht einfach beantworten: Die Affirmation des Substantiellen führt keine Unterdrückung der Subjektivität mit sich, denn diese Subjektivität als ›intellektuelle innere Weltanschauung‹, als Innerlichkeit des Gemüts, ist selbst das neue Göttliche als Wahrheit der Kunst. Problematisch für die Kunst, nicht aber für den Geist im Allgemeinen, ist es, dass jene mit ihren klassischen Mitteln der Darstellung diesem nicht mehr angemessen ist. Die Subjektivität affirmiert das Substan­ tielle als Wahrheit, indem sie sich selbst als die neue Substantialität bejaht. Wenigstens diesen Übergang kann die Kunst durch die Gattung Komödie gerade noch mit ihren klassischen Mitteln ausdrücken – gleich darauf, in der Absolutsetzung der Identität von Subjektivität und Substantialität, implodiert dieses Konzept. Nach der Komödie ist nach der Kunst.

c) Die siegreiche Subjektivität überwindet den Verlust des Substantiellen. Auch mit dieser zweiten Perspektive, welche die erste erheblich erweiterte und über sich aufklärte, ist das Wesen der Komödie und der mit der Komödie geborenen Subjektivität noch nicht zu Ende bestimmt worden. Es ist in der ersten Perspektive als Hauptthese festgehalten worden, dass Hegel festsetzt: »Komisch […] ist überhaupt die Subjektivität, die ihr Handeln durch sich selber in Widerspruch bringt und auflöst«89. Doch Roche unterstreicht an dieser Bestimmung, die Subjektivität lasse sich bei Hegel immer nur in Beziehung auf die ihr gegenüberstehende Objektivität bestimmen, über welche sie sich selbstbewusst erhebe.90 Dieses Bezogensein lässt sich schon aus ihrem Begriff ableiten, der nur in allgemeiner Komplementarität bestimmbar ist. Zugleich ist damit aber gesagt worden, dass die komische Subjektivität diese Objektivität nicht weiter anerkennt; sie behauptet ihr eigenes Recht, setzt sich in einen Widerspruch zu ihr und bringt sich schließlich in ein Verhältnis der 88 

Hotho (1823), S. 403. TWA 15, S. 552. 90  Vgl. Roche (2002/03), S. 84. 89 

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Selbständigkeit zur substantiellen Welt. In dieser zweiten Perspektive standen sich somit im Wesentlichen neue Subjektivität und altes Substantielles unverbunden gegenüber, wobei die komische Individualität sich als neues Gött­ liches erfahren hat, weil sie ohne ernste Folgen nichtig werden kann und sich daraus sogar selbst befreit oder weil sie vom Göttlichen abfallen kann und dabei ins Menschliche freigelassen allmächtig wird. In dieser Freiheit und Selbständigkeit – das ist die entscheidende Erweiterung zur dritten Perspektive – kann sie es nun aushalten, dass sich das Substantielle, die Sittlichkeit und die Vorstellung vom Absoluten, die politische Ordnung und der Götterhimmel, auflösen, ohne dass sie selber dabei verschwindet. Denn für »das höhere Prinzip« gilt »die in sich feste Subjektivität, welche in ihrer Freiheit über den Untergang [der] gesamten Endlichkeit hinaus«91 ist. Höher steht sie für Hegel unter anderem deshalb, weil die Allgemeinheit der ehedem sub­ stantiellen Welt gerade die Besonderheit dieser Subjektivität missachtet, sie nicht selbstsicher in sich aushalten kann, an ihr scheitert. Sie verweist in ihrem Selbstbezug zunächst indirekt darauf, dass das wesentliche Geistige notwendig zur Anerkennung dieses Prinzips des Einzelnen vordringen müsste; gegenüber der Tragödie ist die Komödie der berechtigte Sieg der Subjektivität über eine Substantialität, die das Recht dieser Subjektivität nicht integrieren kann und darin, es nicht integrieren zu können, unwahr geworden ist. Das Komische entlarvt verlachend die Substantialität als eine nicht mehr in höchster Weise substantiell erscheinende. So erweist sich nicht nur der subjektive Handlungszweck als eine Nichtigkeit, die sich aufhebt, sondern auch die weltliche Substantialität, mit dem Unterschied, dass diese am Verlust zu Grunde geht und jene sich an der Selbstvernichtung noch bestärkt, weil ihre Negation ja die Vernichtung des Nichtigen als von vorne herein Nichtiges ist. Dabei wird die Subjektivität zur absoluten Macht, weil sie sich zum einen über alle Unwesentlichkeiten hinweg bewahrt, sogar über die ehemals wesentliche Unwesentlichkeit, und weil sie zum anderen es selber ist, die wiederum ihre eigene Nichtigkeit zerstört, und dies nicht überantwortet ist an eine äußere Macht, die noch den tragischen Helden in seiner Einseitigkeit zur Opferung zwang. So kann man bis zu diesem Punkt der Argumentation festhalten, es tritt »an die Stelle der absoluten Zuversicht und Gewißheit der Realität des Absoluten die absolute Gewißheit einer Realität, die auch ohne die Realität des Absoluten in sich gesichert und getröstet ist«92. Nicht die Komödie bzw. das komische Handlungssubjekt in ihr zerstört dieses Göttliche – diese Macht 91  92 

TWA 15, S. 531. Schulte (1992), S. 269.

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würde Hegel der Kunst nicht einräumen; doch in ihr artikuliert sich ein Selbstbewusstsein, das sich in heiterer Sicherheit dazu bereit gemacht hat, den Zusammenbruch der Objektivität der griechischen Hochphase selbstbestärkt überwinden zu können. Damit erklärt sich auf einer deutlich komplizierteren Ebene als derjenigen der ersten Perspektive, warum Hegel eine derart starke Betonung auf die subjektive Selbstbezüglichkeit und Selbstvernichtung legt: Nicht um die Gattung zu einer apolitischen Bejahung des Bestehenden umzudeuten, sondern um eine Individualität in ästhetischer Bewusstwerdung herauszustellen, die in der Überwindung sich zersetzender Substantialität sich selber Gewissheit und Zufriedenheit verschafft; denn von der sterbenden Welt, der sie sich gegenüber sieht, kann sie keine Gewissheit mehr haben, nur noch von sich selbst, von ihrer eigenen Wirklichkeit und Geschichte. Erlangen kann sie diese Gewissheit durch das bestärkende Verlachen der eigenen Fehlbarkeit, über die sie sich sorglos selbstsicher bewusst wird. Daran bestätigt sich, wie der Untergang substantieller Weltlichkeit nicht ernst genommen wird, denn das Substantielle hatte zuvor diesen Ernst in einem langen Prozess verloren, der durchaus analog zur ›Entvölkerung des Himmels‹ in der Phänomenologie des Geistes verstanden werden kann. Das Lachen über den komischen Selbstwiderspruch ist insofern immer auch ein tröstendes Lachen über die sterbende Gewissheit, die im Lachen selbst durch neue Gewissheit ersetzt wird. Das Selbstbewusstsein wird sich in der Komödie darüber bewusst, dass keine Götter im Himmel sind, die ihm zuhören können und zu denen es beten kann, ja dass sie nur eine irrige Vorstellung sind. Doch das Selbstbewusstsein zerbricht nicht an diesem Verlust der alten Ordnung, sondern befreit sich von der Macht und wird selbstständig selbstbestimmt. In diesem Sinne des Arguments kann Hegel sagen, in der Komödie »haben wir diese Darstellung der Subjectivität, in die sich das Handeln der objectiven Gestalten selbst auflöst«93. Die Genese kann weitergehend differenziert werden. Für die Religion – darauf lag bisher der Schwerpunkt – bedeutet sie laut Hegel: Das Substantielle der alten Göttervorstellung, der Gott in seiner »natürliche[n] Gestalt«, werde »abgetrennt« und »als ein todtes liegen gelassen«, so dass die Wirklichkeit eine »äußerliche, endliche« und »götterlose Wirklichkeit«94 sei. Daher sei es »Aristophanes, der mit großem Leichtsinn die griechischen Götter durchzieht«, wenn auch in keinem zornigen, sondern in einem eher »heitre[n] Verhältniß der Lustigkeit«95. Hegel spricht dafür das Stück Die Frösche als Bei93 

Ascheberg (1820/21), S. 213. Hotho (1823), S. 403. 95 Ebd. 94 

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spiel an. – Für die Sittlichkeit auf der anderen Seite gilt Vergleichbares: Eine politische Ordnung, deren Wesen die Macht des Allgemeinen ist, muss allmählich an Stärke verlieren, sobald ein moderneres Prinzip sich Geltung verschafft und zum politischen Zweck der einzelnen Bürger wird, der nicht mit den traditionellen Machtverhältnissen in Einklang gebracht werden kann. In der Phänomenologie des Geistes in Andeutung verharrte Gedanken können in den Vorlesungen dahingehend umfänglicher und mit Umakzentuierungen ausbestimmt werden: Den Übergang in die Demokratie macht Hegel als politischen Hintergrund explizit kenntlich und charakterisiert ihn keineswegs glücklich.96 Aristophanes verspotte nicht das Leben Athens, nicht dessen substantielle Sittlichkeit, sondern bloß »Auswüchse der Demokratie«, aus welcher »der alte Glaube und die alte Sitte verschwunden«97 seien. In diesem seinen komödiantischen Wirken sei er »ein geistreicher, vortrefflicher Mensch und Bürger«, denn er stelle substanzlose sittliche Erscheinungen als »Thorheiten« dar: »des athenischen Volks, der Staatsmänner, der Götter«98. Walter Hinck unterstreicht daher, die Komödie präsentiere in Hegels Ansatz politische und »gesellschaftliche Erscheinungen als Degenerationserscheinungen« und verstehe sich dabei »als deren Korrektiv«99. Davon abgesehen, dass Hinck hier vernachlässigt, dass diese Degeneration auf das Ganze der Weltgeschichte bezogen eigentlich ein Fortschritt ist, was im Kapitel über die Satire eingehender thematisiert werden wird, hätte er in diesem engeren 96 

Vgl. TWA 15, S. 527, S. 530. Für diese Einschätzungen Hegels kann allerdings keine allgemeine persönliche Präferenz in der Frage nach der philosophisch zu legitimierenden wahren Staatsform verantwortlich gemacht werden, wie sie innerhalb der aktuellen Debatte zu Beginn des 19. Jahrhunderts auch bei Hegel aufscheint, sondern allein der mehr oder weniger berechtigte Vorbehalt gegenüber einer im engen historischen Ausschnitt betrachteten, singulären Gestalt der klassisch-antiken Politik, die zwar die erste Demokratie der Weltgeschichte gewesen ist, doch bereits bei Zeitgenossen wie Herodot auf ihre problematischen Nebenerscheinungen sowie grundsätzlichen Mängel hin durchleuchtet worden ist. In diesem differenzierteren Verständnis steht der rechtlichen Gleich­behandlung aller Bürger als höchster Wert dieser Herrschaftsform die politisch-intrigante Schrankenlosigkeit gegenüber, die sich in unzähligen Machtkämpfen gerade nicht in demokratischen Vernunftentscheidungen, sondern als Rechtsprechungen der reinen Willkür von Inte­res­ senverbänden veräußerten. Vor allem bar jeder verbindlichen Programmatik, denkbar als staatstheoretisch formulierter Handlungskatalog oder gar als einer Verfassung gleichkommende Gesetzesordnung, die auch den rivalisierenden Parteien unverletzliche Regeln vorschreiben würde, gerät dieses Gebilde schnell an seine Grenzen, über die hinaus die unklar verteilte Souveränität des Staates der Beliebigkeit partikulär widerstreitender Lager und ihrer jeweiligen Machtverhältnisse überantwortet bleibt. Vgl. hierzu Günther (2008), S. 178 ff. 97  TWA 15, S. 530. 98  Ascheberg (1820/21), S. 214. 99  Hinck (1977b), S. 18.

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Kontext der Komödie stärker betonen können, dass das komische Theater nach Hegel nicht als Korrektiv im Sinne einer öffentlichen Verbreitung subjektiver Vorschriften, was für das wahre Substantielle zu gelten habe, verstanden werden kann. Entgegen der Satire will die antike Komödie laut Hegel weder das Publikum durch kontrastiven Spott belehren noch menschliche Verfehlungen oder Irrtümer moralisieren, sondern allein die Problematik eines im Untergange begriffenen Sittlichen aufzeigen und die Subjektivität als geeignet vorführen, sich über diesen Schaden hinwegzuretten, um eine neue und höhere Erscheinungsweise des Geistigen auszubilden. In diesem Sinne ist sie mehr ein Reflex, eine ästhetische Widerspiegelung des Gesellschaftlichen und Politischen, denn ein Korrektiv. Ist die Komödie insofern aber im allgemeinen Hegelschen Kunstverständnis absolut-geistiges Selbstbewusstsein objektiv-geistiger Entwicklungen, bezieht sie sich erkennend auf einen Prozess der Objektivität, der sich bereits in voller Entfaltung befindet: Wenn in der alten Komödie durch das von Hegel als wahrhaft ausgezeichnete subjektive Selbstverlachen ebenfalls substantielle Inhalte dem Spott ausgesetzt werden, handelt es sich dabei gar nicht mehr um an sich Substantielles. Gerhard Plumpe meint daher, das Lachen der Komödie sei für Hegel nicht ein Lachen »über wirklich wesentliche Zwecke und sittliche Normen«, im Kontext der substantiellen Sittlichkeit wäre dies ein ›böses Lachen‹, sondern vielmehr ein Lachen über »eine verfallende, degenerierte Kultur, in der die alte Polissittlichkeit dahin ist«, weshalb die Komödie immer auch »ein Dekadenzsymptom«100 sei. Die ernste Existenz des Gehalts muss also an sich selbst verloren sein, damit er in der Komödie aufgegeben werden kann. Bei Hegel lacht die alte Komödie daher über Gestalten, aus denen – wie Hotho es in seiner Ästhetik-Edition formuliert – »der alte Glaube und die alte Sitte verschwunden sind, die Sophisterei, die Weinerlichkeit und Kläglichkeit der Tragödie, die flatterhafte Geschwätzigkeit, die Streitsucht usf., dies bare Gegenteil einer wahrhaften Wirklichkeit des Staats, der Religion und Kunst«101. Schon in den Stuttgarter und Tübinger Fragmenten meint Hegel, in den Komödien der Alten zeige sich, dass der Mensch »keine allgemeine Idee mehr fand, für die er leben und sterben mochte« und er insofern »auch keine Zuflucht bei seinen Göttern« suchte, »denn auch sie waren einzel[n] e, unvollendete Wesen, die einer Idee nicht Genüge leisten konnten«102. Für den Zweifel an den Vorstellungen von schwach ausgerüsteten Göttern und die Ahnung, das Ewige und Selbständige in sich selber suchen zu müssen, sei 100 

Plumpe (1993), S. 344. TWA 15, S. 530. 102  GW 1, S. 370; vgl. auch Nohl (1907), S. 223. 101 

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der Spott eines Aristophanes oder eines Plautus das erste wirklich ernst zu nehmende Indiz in der Geschichte der abendländischen Kultur. Solcher Spott sei aus diesem Grunde dem Schauspieler wie dem Publikum nicht als gotteslästerlicher Zorn vorgekommen, da sie im verlachten Gegenstand »nicht das heilige«103 gesehen haben. In anderen Entwürfen dieser Phase meint Hegel demnach, die Komödien des Aristophanes erscheinen nur demjenigen als »Atheisterei«, der den Griechen unterstellt, sie wären ihren Göttern an diesem Punkt der Geistgeschichte mit »Demuth«, »Dankbarkeit« und »Hofnungen« begegnet, eine Haltung, die im Fortgang auf den Menschengott der Einzelheit Christus übergingen; ein »Gewebe von Empfindungen« für die Göttlichkeit, das macht Hegel überdeutlich, sei in der Welt der Komödie aber bereits »abgerissen«104. Es konnte bereits gesehen werden, dass Hegel diesen Jugendgedanken in den späten Berliner Vorlesungen erneut aufgreift und in seine systematischen Überlegungen einbaut: Was von selber nichtig geworden ist, d. h. das nicht mehr substantielle Substantielle, kann nur noch in nichtiger Weise, und das heißt: in ernstloser Haltung des sich verlachenden komischen Subjekts, ästhetisch verarbeitet werden. Es kann nur noch nichtig vernichtet werden, weil es sich bereits selbst in seiner Wesentlichkeit vernichtet hat. Auch diese sittliche und nicht bloß privative Dimension besitzt Hegels Rede von der ›Vernichtung des Nichtigen‹. Angesichts eines nichtigen Substantiellen bleibt es der Subjektivität lediglich übrig, dieses und sich selber nicht mehr ernst zu nehmen und sich auf sich zu beziehen. Hegel fordert demnach für eine Welt, aus der das wahre Substantielle ausgezogen ist, dass »das an sich Wesenlose sich durch sich selbst um seine Scheinexistenz«105 bringen müsse. Wenn aber »die Substanz wirklich verschwunden, die Scheinexistenz wirklich ist«, dann ist auch »der Kampf gegen die Scheinexistenz selbst nur ein komischer«, dann ist er nur »ein nutzloser Kampf gegen den Schein des Absoluten«106. – Bloß vor diesem Hintergrund und bloß im Verständnis von Subjektivität als einer in einem immer noch wesentlichen Verhältnis zur unwesentlichen Objektivität stehenden kann Hinck daher von der alten Komödie als von einem ›Korrektiv‹ sprechen. Die Komödie ist für Hegel Ausdruck einer »Welt, in welcher sich der Mensch als Subjekt zum vollständigen Meister alles dessen gemacht hat, was ihm sonst als der wesentliche Gehalt seines Wissens und Vollbringens gilt«107. Anders als in der Phänomenologie ist das komische Drama in 103 

GW 1, S. 370; vgl. auch Nohl (1907), S. 224. GW 1, S. 78; vgl. auch Nohl (1907), S. 357. 105  TWA 15, S. 531. 106  Schulte (1992), S. 273. 107  TWA 15, S. 527. 104 

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der Berliner Ästhetik kein Produkt der Aufhebung des substantiellen Wesens schlechthin sowie des absoluten Selbst in seinem lebendigen Prozess, immerhin aber ein Ausdruck der Negativität im Sinne der Auflösung substantieller Elemente, die sich aus sich selbst heraus auflösen. Hegel in Berlin macht an dieser Überlagerung von Ästhetik und politischer Philosophie allerdings ein gewisses Schwanken innerhalb der Aristophanischen Komödie aus. Dieses Schwanken bezieht sich auf das Verhältnis der Subjektivität zur noch bestehenden, aber im Untergang begriffenen alten Ordnung. Es ist ein Schwanken zwischen dem im Dienste des Sittlichen stehenden Versuch, den Untergang durch kritische Benennung der gefährdenden Auswüchse aufzuhalten, und der Darstellung des berechtigten Sieges der Subjektivität über diesen Untergang der Objektivität hinweg. Einerseits meint Hegel nämlich, Aristophanes habe einzelne Verzerrungen des Sittlichen, »besonders das athenische Volk ihm selbst zur Verspottung dargestellt«, so dass seine »Thorheiten« und diejenigen »seiner Staatsmänner« zu einem geeigneten Gegenstand des Spotts werden konnten; hierin habe er sich »als der besste Bürger« bewiesen, dem »es nicht bloß um Spässe zu thun«108 gewesen sei. Damit markiert Hegel, dass die Komödie neben ihrer Rolle als Indikator des Auseinanderbrechens der Polis auch die Rolle einer dieser Tendenz entgegenwirkenden Kraft besitzt, die den endgültigen Sieg über die alte Ordnung noch abwenden will. Dies hängt mit der gegenüber Hinck bereits betonten Abgrenzung der Komödie von der Satire zusammen. Schulte meint dazu, in ihrer »affirmativen Form […] fällt [die Komödie] hinter den Verfall der Sittlichkeit zurück oder stemmt sich gegen ihn, indem sie daran erinnert, wie in ihrer Bewegung schon immer das Unangemessene und Nichtige gegenüber dem, was wahrhaft substantiell ist, sich auflösen mußte«109. Sie versucht dadurch, sich im Sinne des Allgemeinen zu einer Agentin der ehemaligen substantiellen Ordnung zu machen, indem sie den Untergang aufzuhalten bestrebt ist. Dennoch bleibt dieser Versuch aber nur ein Versuch, über den die geschichtliche Entwicklung des Geistes schließlich hinausreicht. – Die Subjektivität behauptet sich in der Komödie somit andererseits als »höhere[] Natur[]« und »absolute Freiheit des Geistes«110, so dass trotz der Wahrnehmung bester Bürgerspflicht Aristophanes hinter dem Rücken seines staatstragenden Anliegens, durch Verlachen auf auszugleichende Pro108 

Hotho (1823), S. 510; vgl. zu diesem Aspekt auch: von der Pfordten (1826), S. 252: »So Aristophanes stellt das atheniensische Volk dar, das diesen oder jenen Zweck betätigt, aber sich dabei töricht benimmt. Wer den Aristophanes noch nicht gelesen, hat noch nicht wahrhaft gelacht.« 109  Schulte (1992), S. 268. 110  TWA 15, S. 553.

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bleme des Sittlichen hinzuweisen, den Untergang in der subjektiven Selbstbehauptung besiegelt. Das Spiel, das die heitere Subjektivität treibt, kann nicht mehr bloß ›Spiel‹ genannt werden: Dessen Heiterkeit bei der Hintergehung der eigenen nur vermeintlichen Wesentlichkeit bezeugt keine Ohnmacht vor dem wahren Substantiellen, sondern vielmehr eine machtvolle Kraft. Gerade indem die komische Subjektivität selbst es ist, die sich nicht bloß ihre Widersprüche bewusst macht, sondern auch die Nichtigkeiten der politischen Ordnung ausspricht, zeigt sie ihre Selbstgenügsamkeit schon recht deutlich an: In der Bewusstmachung einzelner Auswüchse wird sie sich im Gleichzug ihrer höheren Macht gegenüber einem ohnehin im Niedergang begriffenen Substantiellen bewusst. Die Subjektivität vernichtet nicht die Objektivität – diese vollzieht ihre Vernichtung bereits für sich selbst –, doch die Objektivität geht in die Subjektivität zumindest dadurch ein, dass sie »Wissen dieser Vernichtung in der Comedie«111 wird. Nur in diesem dialektisch höchst voraussetzungsreichen Verständnis kann Hegel – zunächst vielleicht irritierend – schon im ersten Berliner Ästhetik-Kolleg sagen: »das Subjective ist das, was das Substanzielle in sich auflöst, es ist die darstellung des Widerspruchs, das Lächerliche desselben in seiner unmittelbaren Auflösung.«112 Staatstragend oder staatsvernichtend – über eine einseitige Festlegung zwischen diesen beiden Optionen hinaus ist die Komödie substantiell die ästhetische Manifestation der politischen Revolution, einer zerstörerischen Revolution, die aber – mit Joachim Ritter gesprochen – zerstört, was schon ein »in sich Zerstörtes« war, »der horrible Zustand der Gesellschaft, Elend, Niedertracht, ins Unglaubliche gehende Schamlosigkeit und Unrechtlichkeit«; gegen dies »ist der Sturm losgebrochen«113. * Im Durchgang durch diese drei Perspektiven der Untersuchung auf die Vorlesungen Hegels, aus denen drei Dimensionen der Berliner Komödientheo­ rie betrachtet werden konnten, verdeutlichte sich, dass weder die These haltbar ist, die Gattung werde hier im Vergleich mit den Ansätzen aus Jena unpolitisch und rein privativ bestimmt, noch diejenige, die Subjektivität sei bloß selbstbezüglich und affirmiere das Substantielle in seiner Wesentlichkeit. Deshalb ist abschließend darauf hinzuweisen, dass vielmehr das Gegenteil an den einzelnen Texten der Nachschriften belegt werden kann, sowie dass auch an Hothos Edition sich kein anderes Bild bekräftigen lässt; auch 111 

Hotho (1823), S. 511. Ascheberg (1820/21), S. 207 f. 113  Ritter (1969), S. 196. 112 

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nicht dasjenige, dass er Hegel verfälscht habe. Hegels Berliner Komödie ist kein schrulliges Lustspiel über Privatpersonen, in ihr werden vielmehr die Feinde der öffentlichen Ordnung, Euripides, der in den Fröschen herb kritisiert wird, oder aber die Sophisten, Sokrates und Kleon, die als intellektuelle Subjektivisten den Staat in Frage stellen und sich über ihn erheben, auf der Bühne, und damit ebenso öffentlich, in ihre Schranken verwiesen. Dies ist die staatstragende und gleichwohl kritische Seite der Komödie. Die andere Seite ist aber diejenige, dass in diesem Lachen über Verzerrungen des Sittlichen und falsche Vorstellungen vom Absoluten der Tod der alten Ordnung bereits überwunden ist. Das moderne Prinzip der Subjektivität, von dem der Naturrechtsaufsatz bereits als ›Keim‹ in der Polis-Sittlichkeit gesprochen hatte, das die Phänomenologie des Geistes dann als das Schicksal der griechischen Welt, die Geburt der Freiheit und Selbständigkeit des Selbst, die Zukunft des christlichen und neuzeitlichen Geistes entwickelte, dieses Prinzip ist auch in den Vorlesungen über die Philosophie der Kunst die siegreiche Schlussgestalt, die in Hegels philosophischer Deutung der Geschichte der Kunst zugleich zur Schwellengestalt wird. Demnach kann man nur zu Unrecht sagen, dass der Komödie in der Spätphilosophie »deutlich explizitere Grenzen« gesetzt werden, weil Hegel hier »strikt normativ« werde, indem »nur das, was schon von vornherein nichtig war und dementsprechend mit dem Substantiellen selbst per se in keinen wirklichen Konflikt geraten konnte«114, aufgelöst werde. Unzutreffend ist diese These nicht nur hinsichtlich der Vorlesungen, sondern ebenso hinsichtlich der Phänomenologie. Das Jenaer Hauptwerk Hegels spricht sich hinreichend klar darüber aus, dass das veritable Moment der alten Komödie in der Negativität beschlossen liege. Man könnte geneigt sein anzunehmen, die Konsequenz, dies als ein allesverschlingendes Prinzip zu interpretieren, sei unausweichlich, so dass tatsächlich die Bestimmung zum vornehmsten Kriterium der Differenzierung zwischen dem Jenaer und Berliner Ansatz gereichen würde. Die Erörterung des Arguments ist an dieser Stelle jedoch bis an einen Punkt zu verfolgen, an dem das Kapitel über die Phänomenologie noch nicht endgültig anlangen konnte; die Konfrontation mit den Ästhetik-Vorlesungen erteilt an die Deutung der Negativität als willkürliche Vernichtung eine strikte Absage. Zur Erinnerung: Bereits in Jena hatte die Komödie nicht das wahrhafte Substantielle im Lachen aufgelöst und konnte dies auch nicht, da eine solche Auffassung nicht mit dem wahren Begriff des Komischen, sondern eher mit der Auffassung Hegels von der romantischen Ironie zusammenfallen würde. Ohne dass das Kunst-Religionskapitel in der Phänomenologie diesen Punkt explizit ausführt, muss auch die Handlungs114 

Kraft (2011), S. 290.

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weise der Komödie in diesem interpretativen Zugriff als eine zweite Negation verstanden werden: Die allgemeine Vorstellung vom Absoluten, nicht nur vom Olymp, sondern ebenso vom ewigen Schicksal und von der Polis, hatte sich ja schon als eine hinfällige und kachektische Bewusstseinsgestalt herausgestellt; sie hat sich selber in Nichtigkeit negiert. Wenn also dieses Absolute bereits in einer ersten Negation untergegangen ist, lässt sich angesichts der Komödie, in welcher das Selbst sich als das absolute Schicksal auszugeben weiß, nicht mehr von einer ironischen Negativität sprechen. Ebenso wie in den Berliner Vorlesungen kann auch hier beansprucht werden, von einer Selbstvernichtung des Nichtigen reden zu müssen. Aus diesem Punkt kann also keine werkgeschichtliche Differenz gemacht werden, die es ermöglichte, die Vorlesungen komödientheoretisch von der Phänomenologie abzugrenzen: Beide Texte erkennen die Grenze der bereits nichtig gewordenen Vorstellung von der Substanz an. Eine Sonderrolle kommt der Komödie in der Phänomenologie in erster Linie darin zu, nicht bloß wie in den Vorlesungen eine Gestalt der Kunst zu sein, auf der sich allgemeine kunstgeschichtliche Prozesse abbilden, sondern die Funktion einer Scharnierstelle im Übergang zweier entscheidender Systemstufen zu erhalten, zwischen der schönen griechischen Sittlichkeit und dem vergeistigten, nicht mehr wesentlich sinnlichen Christentum, aus der heraus ihr die hehre Aufgabe zuteil wird, einen harten geistgeschichtlichen Bruch zwischen beiden Zeitaltern entwickeln und begründen zu müssen. Aus diesem Grunde wird die Komödie im Kontext der ästhetischen Vorlesungen nicht mehr mit vergleichbarer Bedeutsamkeit aufgeladen, da hier sowie im ersten dargestellten Modell einer Komödientheorie dieser allgemeine geistige Übergang in vergleichbarer Verdichtung nicht geleistet werden muss. Die ›Entvölkerung des Himmels‹ ist nicht mehr das strenge Darstellungsziel, weil es dies im Rahmen der fokusverengten Ästhetik als Philosophie der Kunst nicht sein muss; dennoch konnte in der dritten Perspektive gezeigt werden, dass sich diese Dimension der Abschaffung des Olymps in klassischem Verständnis als ein weiter entwickeltes Moment an der Berliner Komödie notwendig zeigen muss. An diesem Verhältnis der drei verschiedenen Ansätze Hegels untereinander wird daher erkennbar, dass die Berliner Ästhetik entwicklungsgeschichtlich synthetischen Charakter besitzt: Die wesentlichen Bestimmungen von Naturrechtsaufsatz und Phänomenologie werden in ihr zu Momenten einer gedankenreicheren, auf exemplarische Auseinandersetzungen mit Einzelwerken gehende und dabei unter Bezug auf die Anthropologie geistphilosophisch systematisierten Deutung zusammengenommen. Diese Materialfülle und diesen Aspektreichtum, die wohl nicht zuletzt in der besonderen Über-

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lieferungslage durch viele Nachschriften verschiedener Vorlesungskollegien begründet sind, in denen sich Hegel genügend Raum nehmen konnte, seine komplexen Gedanken zu entfalten, besaßen weder der Naturrechtsaufsatz noch die Phänomenologie.

3.  Die menschliche Komödie – Hegels Abschaffung der Ständeklausel In ihrer Fokussierung auf im engeren Sinne kunstgeschichtsphilosophische Wesensaspekte, die zweifelsohne auch allgemeingeistige Dimensionen besitzen, schränkt sich die Darstellung der Komödie in den Vorlesungen vor allem auf die kunstimmanenten Auswirkungen der Tendenz vor ihrem sittlichen Hintergrund ein. Zu den Aspekten, die in solchem Vollzug behandelt werden, gehört Hegels hohe Anerkennung der Komödie unter allen Formen ästhetischen Ausdrucks, die zeitgenössisch keineswegs selbstverständlich ist. Vergleicht man diese Position mit älteren Komödientheorien, stellt Hegel – Schiller vergleichbar – die übliche Hierarchie auf den Kopf: Die Komödie ist die sowohl geschichtlich als auch begrifflich höhere, weil aufgrund ihrer selbstbezüglichen Geistigkeit und Subjektivitätsstruktur modernere und wegen ihres Vorausweisens auf das romantische Kunstideal fortschrittlichere Gattung.115 Dies bedeutet aber auch, dass Hegel mit der aristotelischen Tradition bricht, die Tragödie als Darstellung hoher und edler Charaktere, die besagten ›besseren Menschen‹, zu definieren, die Komödie als Darstellung niederer und gewöhnlicher, die ›schlechteren Menschen‹. Wie in der Phänomenologie bekräftigt wurde, ist selbstverständlich auch für Hegel die Gattung eine volksnahe, bürgerliche, doch diesbezüglich geht er gerade nicht von einem wertenden Maßstab für die Unterscheidung aus. Er erwähnt bei Hotho lediglich am Rande, weil die »Figuren« des Aristophanes es selbst seien, »die ihre Zwecke zerstören und darin ebenso befriedigt sind«116, oder weil sie, wie Ascheberg schreibt, »sind, was sie sind und wißen, und das, was sie sind, 115 

Vgl. Roche (2002/03), S. 94. Es ist höchst verwunderlich, dass abweichend von diesem Sachverhalt Hegels Tragödientheorie in der diesbezüglichen Forschung immer wieder als Auseinandersetzung mit der höchsten Form des Dramas bezeichnet wird; so u. a. bei Schultz (1956), S. 96; Paolucci/Paolucci (1962), S. XXIV; Pöggeler (1964), S. 287 f.; Axelos (1965), S. 655 f.; Paolucci (1970), S. 201; Koelb (1974), S. 72; Koepsel (1975), S. 216; Gethmann-Siefert (1984), S. 215 ff.; Gearhart (1992), S. 76; Fan (1998), S. 133 ff.; Dunshirn (2004), S. 42 ff.; Geisenhanslüke (2012), S. 30 ff. – Immerhin bemerkt Stephen Houlgate (2007), S. 168, es sei nicht ganz sicher, welche dramatische Form bei Hegel die höchste Stufe bilde; obwohl er der Komödie zuvor nicht einmal Erwähnung geschenkt hatte. 116  Hotho (1823), S. 510.

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bleiben«117, oder weil es ihnen im Unterschied zum gottähnlichen Heros nicht ernst ist mit ihren Zwecken, deshalb sehe man die Komödienhandlung »gewöhnlich in niedern Ständen vorgehn«118. Im bestärkenden Lachen des komischen Subjekts über sich, mit welchem es sich durch alle Widersprüche und Verwicklungen hindurch rettet und behauptet und an welchem Hegel die freie Heiterkeit und Fröhlichkeit unterstreicht, zeigt sich eine moderne Anerkennung des Begriffs freier Komik, der einen Kontrapunkt zu den edlen und aristokratischen Zielen des Tragödiensubjekts bildet, die für obsolet gelten.119 Mit diesem wohlwollenden Verständnis des Komischen relativiert sich für Hegel auch die Ständeklausel, die bis in seine Gegenwart hinein für die Komödientheorie maßgeblich war.120 117 

Ascheberg (1820/21), S. 213. Hotho (1823), S. 510. 119  Vgl. hierzu auch Lindner (1977), S. 274; Paolucci (1978), S. 97. 120  Vgl. Lindner (1977), S. 274. Im Vergleich mit diesen euphorisch-anerkennenden Bemerkungen zur Rolle der einfachen oder durchschnittlichen Menschen in der Komödie, wie sie sich in den Nachschriften finden lassen und wie sie offenkundig die Ständeklausel zu überwinden sreben, wird nicht ersichtlich, warum Hotho in seiner Ästhetik-Edition zu insgesamt eher abwertenden Urteilen über solch eine Öffnung der griechischen Dramatik für das allgemein Menschliche gelangt. Er fasst die Vorlesungsnotizen im Punkt zusammen, den »Figuren aus untergeordneten Ständen« sehe man »innerhalb ihrer beschränkten Verhältnisse« überall »die Gedrücktheit an; denn in ausgebildeten Zuständen sind sie in der Tat nach allen Seiten hin abhängig, eingeengt und kommen mit ihren Leidenschaften und Interessen durchweg ins Gedränge und in die Not der ihnen äußeren Notwendigkeit, da hinter ihnen gleich die unüberwindliche Macht der bürgerlichen Ordnung steht, gegen welche sie nicht ankommen können und selbst der Willkür der Höheren, wo diese gesetzlich berechtigt ist, ausgesetzt bleiben«. Aus Gründen solcher ›Beschränkung‹ und ›Gedrücktheit‹ in den bestehenden Verhältnissen werde sogar »alle Unabhängigkeit zuschanden«, so dass »im Komischen«, wo »die Individuen das Recht [haben], sich, wie sie wollen und mögen, aufzuspreizen« der geeignete Ort sei, um diese Abhängigkeit und Unfreiheit vorzuführen. In diesem Abschnitt, der sich interessanterweise an einer ganz anderen Stelle als im Schlusskapitel über die Komödie befindet, malt Hotho, wie gesehen werden kann, durch wenige grobe Pinselstriche ein Bild der Komödie, wie es in krassem Gegensatz zur eigentlichen Komödientheorie Hegels steht. An dieser Stelle deutet Hotho Hegels Bestimmungen anders als gegen Ende der Vorlesungen in einem Sinne, als wäre die komische Gattung eine Form, in welcher Menschen versammelt wären, die sich bloß irrig in nichtigen Vorstellungen von sich »eine Selbständigkeit anmaßen«, die »unmittelbar durch sie selber und ihre innere und äußere Abhängigkeit wieder vernichtet wird«. Hegels Anerkennung der komischen Subjektivität als substantielle Gestalt am Ende der Depravation der Polis-Sittlichkeit wird hier umgedeutet zur platten Selbstüberschätzung des einfachen Volkes, das nicht einmal dazu in der Lage sein soll, die eigene Abhängigkeit und Unfreiheit zu durchschauen. Die Nachschriften hingegen weisen diesbezüglich keine Ausführungen auf, die auch nur ansatzweise in eine vergleichbare Richtung drängen würden. In diesem Punkt ist es tatsächlich angebracht, Hothos Edition aus voller Überzeugung zu widersprechen; und es könnte angesichts des Gegenstandes der Ständeklausel für diese Deutungen Hothos zumindest vermutet werden, dass sie motiviert sind durch ein ideo118 

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Das klassische Verständnis begründend wird die Komödie bei Aristoteles als Mimesis schlechterer Menschen definiert.121 Damit ist in der gelehrten Rezeption das Missverständnis verbunden, dass die schlechteren Protagonisten auch moralisch schlecht und aus diesem Grunde ihre Handlungen anstößig und verwerflich seien, die Komödie also als eine dramatische Form betrachtet werden müsse, die über und für die Schlechten, Unwürdigen und Ausgestoßenen der Gesellschaft geschrieben worden sei; in welchem Sinne auch immer dieses Adjektiv ›schlecht‹ zu verstehen ist.122 Die Dramentheorie der europäischen Neuzeit, nicht nur diejenige des französischen Klassizismus, sondern ebenso die deutsche bis hin zur Poetologie der Aufklärung, setzen auf diese soziale Ausdeutung der Theorie des Aristoteles. Für den deutschen Sprachraum formuliert als erste und einflussreiche Schrift das Buch von der Deutschen Poeterey von Martin Opitz aus dem Jahre 1624 die gesellschaftliche Differenz zwischen tragischen und komischen Figuren und Themen.123 Unter dem Schlagwort der sogenannten ›Ständeklausel‹ schreibt schließlich die barocke Regelpoetik Johann Christoph Gottscheds die Abgrenzung von Tragödie und Komödie fest und lädt sie weitergehend mit moralisierenden Kriterien auf: Die dramatischen Gattungen werden nach ihrem vornehmen und moralisch integeren bzw. sozial niederen und eher derb-unsittlichen Personeninventar unterschieden.124 Im politischen Rahmen des Absolutismus logisch-weltanschauliches Moment, das sich in der Arbeit des Editors Einfluss verschafft: Hotho schreibt nämlich abschließend, gegenüber den Verhältnissen und Bedingungen der »niederen Stände« erscheinen diejenigen der »Herrscher und Fürsten« »in einem ganz anderen Grade«. Vgl. TWA 13, S. 251 f. 121  Vgl. Aristoteles (1982), S. 12 f. 122  Im griechischen Text ist es der Begriff ›phaulos‹. Dass hiermit eine moralische Kategorie bezeichnet werden soll, welche weitergehend dazu dient, die Gattung abzuwerten, lässt sich aber aus der Schrift des Aristoteles keineswegs herauslesen; er selber degradiert die Komödie in keiner Hinsicht unter die Tragödie. Pierre Destrée arbeitet heraus, dass Aristoteles die Komödie sogar als höherwertig einstuft als die damalige Geschichtsschreibung. Vgl. Destrée (2009), S. 72. Denn wenn er in Kapitel 9 der Poetik der Dichtung generell einräumt, die Dinge nach den Kriterien ›Wahrscheinlichkeit‹ und ›Notwendigkeit‹ zu einer Darstellung zu verdichten, die schätzenswerter – und in seinen Augen interessanterweise auch philosophischer – ist als eine bloße Nacherzählung des Wirklichen, gilt diese starke Aussage nicht nur für Tragödie und Epos, sondern genauso für die Komödie. 123  »Die Comedie bestehet in schlechtem wesen vnnd personen: redet von hochzeiten / gastgeboten / spielen / betrug vnd schalckheit der knechte / ruhmrätigen Landtsknechten / buhlersachen / leichtfertigkeit der jugend / geitze des alters / kupplerey vnd solchen sachen / die täglich vnter gemeinen Leuten vorlauffen.« Opitz (2002), S. 30. 124  Vgl. Gottsched (1973), S. 355 f.: Die Komödie ist »von der Tragödie sehr unter­ schieden. Das macht, daß dort fast lauter vornehme Leute; hier aber Bürger und geringe Personen, Knechte und Mägde vorkommen: dort die heftigsten Gemüthsbewegungen herrschen, die sich durch einen pathetischen Ausdruck zu verstehen geben; hier aber nur lauter lächerliche und lustige Sachen vorkommen, wovon man in der gemeinen Sprache zu

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erhält diese Gattungspoetik ihre allgemeine Legitimation; auch die Komödie wird mit der Aufgabe versehen, die ständische Wirklichkeit abzubilden und zu rechtfertigen, indem der gemeine dritte Stand in die Verlachkomödie gezogen wird.125 Als Neuerung rechtfertigt sich somit die Lustspieldichtung vor allem bei Gottsched in dieser moralischen Besetzung durch ihre Eignung, unterhaltsam die Tugendhaftigkeit des Publikums zu verbessern, indem die als besonders einfältig und unmoralisch gezeichneten einfachen Menschen zwecks sittlicher Erhebung des Zuschauers verlacht werden.126 Es konnte im Verlauf der bisherigen Untersuchung gesehen werden, dass Hegel in allen drei Komödientheorien nicht auf die Ständeklausel setzt, um die Komödie von der Tragödie abzusetzen. In den komischen Protagonisten erkennt er zwar bürgerliche, aber keine unmoralischen niederen Figuren, sondern positiv gezeichnete Menschen in freier Selbstgewissheit und Selbstbestimmung. Wenn er, wie aus Hothos Nachschrift angeführt wurde, als Stand der Komödie eher den niederen festsetzt, spielt er damit vor allem auf die soziale Revolution an, die sich mit der alten attischen Komödie ankündigt und die im Zusammenhang des ›Demos‹-Begriffs aus der Phänomenologie bereits abgehandelt wurde. Diese Beobachtung trifft auch für die Vorlesungen über die Philosophie der Kunst zu. Dabei vernachlässigt Hegel nicht, dass die Gattung in der Antike eine besondere Rezeptionspraxis hervorbrachte, die aus der Perspektive der modernen Aufnahme befremdlich wirken mag: Wie im Kapitel über die Komödie beim frühen Hegel gezeigt wurde, bemerkt er in seinen Jugendaufsätzen, dass die Gattung ihren Ursprung in »den schmutzigen Possenspielen (φαλλικά) der Landleute« und »den Fescenninen der Römer (Arist. ars poët. Cap. II, κεφ. 4. Horat. Epist. II, Ep. 1, v. 139ff. und Wieland’s Anmerkung dazu)« habe, aus deren naturhafter, »wilder Poesie« sich erst allmählich die »verfeinerte[…] Poesie«127 entwickelte. In seinem Ursprung ist das komische Theater eine künstlerische Form des einfachen reden gewohnt ist.« Vgl. hierzu auch Hinck (1977b), S. 12; Catholy (1977), S. 42 ff.; Endres (1996), S. 21 f.; Kraft (2011), S. 80 f. 125  Vgl. Japp (2009), S. 415 f. 126  Molière schreibt im Vorwort von 1669 zu seinem Tartuffe ou l’Imposteur, die moralische Wirkung der Komödie sei gegenüber anderen dichterischen Gattungen besonders groß, weil es kein Mensch aushalten könne, wenn die an ihm selbst entdeckten Fehler vor aller Welt als Lächerlichkeiten preisgegeben werden: »Les plus beaux traits d’une sérieuse morale sont moins puissants, le plus souvent, que ceux de la satire; et rien ne reprend ­mieux la plupart des hommes que la peinture de leurs défauts. C’est une grande atteinte aux vices, que de les exposer à la risée de tout le monde. On souffre aisément des répréhensions; mais on ne souffre point la raillerie. On veut bien être méchant; mais on ne veut point être ridicule.« Molière: OC 1, S. 630. 127  GW 1, S. 48.

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Volkes, hervorgegangen aus dem taumelhaften Gesang im Rahmen der Ausgelassenheit des dionysischen Festes der Bauern und Handwerker, das in einem Schwarmzug und Gelage endete. Auch die Aufführungsweise der mittleren und späten antiken Komödie zeigt noch Elemente dieser Dionysosfeier, so dass die Praxis noch lange auf ihren Ursprung verweist. Doch aus diesen historischen Tatsachen formt Hegel weder ein gattungsspezifisches Unterscheidungskriterium  – ganz andere, mehr begriffliche Bestimmungen dienen ihm dazu – noch ein Argument gegen die volle Anerkennung der Komödie. Hotho kompiliert im Komödienkapitel seiner Edition Hegels Aussagen zu der Einschätzung, dass die einfachen Bürger sich »als höhere Naturen dadurch kund[tun], daß sie nicht an die Endlichkeit, in welche sie sich hineinbegeben, ernstlich gebunden sind, sondern darüber erhoben und gegen Mißlingen und Verlust in sich selber fest und gesichert bleiben«; weitergehend, dass die mit diesem sich Selbstbewusstsein verschaffenden Stand verbundene »absolute Freiheit des Geistes, die an und für sich in allem, was der Mensch beginnt, von Anfang an getröstet ist, diese Welt der subjektiven Heiterkeit ist es, in welche uns Aristophanes einführt«128. Damit ist ausgedrückt, dass der Demos, das einfache Volk, das in der Komödie die Bühne betritt und sich in der Kunst sein Recht verschafft, nicht wie der tragische aristokratische Held an den Widersprüchen der Endlichkeit schicksalhaft scheitert – weil dieser nämlich in seinem Status der irdischen Manifestation des Göttlichen dennoch immer nur in der Differenz zum Unendlichen einseitig unsubstantiell bleiben kann und sich um der Versöhnung willen opfern muss –, sondern der einfache Bürger selbstbewusst und selbstgewiss im Endlichen bestehen kann. Denn es ist ja diese Sphäre, welche ihm als Daseinszusammenhang bleibt, nachdem sich das Absolute als Götterwelt und Polis selbst aufgehoben hatte. Das Selbstverlachen der einfachen Menschen über den Widerspruch im Endlichen hinweg bestärkt den Demos, diese Welt als seinen substantiellen Boden anzuerkennen. So kann Burkhardt Lindner zu diesem Kontext schreiben: »Hegels Begriff des Komischen hebt die Wohlgemutheit und Fröhlichkeit hervor, mit der das Subjekt sich durch alle Verwicklungen hindurch behauptet. Deshalb relativiert sich für ihn die Ständeklausel, indem sich die Figuren des Komischen in ihrer zuversicht­ lichen Selbstgewißheit als höhere Naturen kundtun. Ein positives Verständnis für die Phänomene der Lachkultur deutet sich bei Hegel immerhin an.«129

128  129 

TWA 15, S. 553. Lindner (1977), S. 274.

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Vor diesem Hintergrund der demokratischen Öffnung des Dramas wird dann weitergehend deutlich, dass die erhebliche Erweiterung des ständischen Personenkreises, aus dem – wie bei Aristophanes festgestellt werden kann – auch Herrscher und Götter nicht ausgeschlossen sind, ebenfalls in den ästhetischen Vorlesungen eine weitere Dimension besitzt: und zwar die Ausdehnung des Themenkreises der Kunst auf das allgemeine Menschliche, das alle Zuschauer betrifft. Hegel sagt: »Ohne [Aristophanes] gelesen zu haben kann man nicht wissen wie den Menschen Sauwohl sein kann.«130 Die Komödie ist unter anderem eine Sammlung der menschlichen Freuden, Stärken, Niederlagen und Fehler; hier kann der Mensch ganz er selbst sein, kann getrost Schwächen zeigen und darüber noch lachen, mit sich selbst versöhnt und zufrieden. Die Tragödie wählt sich typischerweise zwar überwiegend historische, mit dem Schein der tatsachengerechten Begebenheiten versehene und somit vermeintlich realere Stoffe131; diese sind allerdings weithin von der Alltagswirklichkeit von Schauspieler und Zuschauer entfernt. Paradoxerweise ist die Komödie trotz ihres verzerrenden Spotts und lachhaften Übertreibens, d. h. trotz ihres höheren Grades an Fiktionalisierungselementen, näher an der konkreten Lebenswelt zu verorten. Hegel unterstreicht wie schon Lessing, dass besonders die Komödie eine Vertrautheit des sozialen und alltagswirklichen Kontextes zeige.132 Diese Nähe zum Gewöhnlichen und Zufälligen ist der komischen Subjektivität aber weder ein Verhängnis noch ein Problem; Hegel betont ja immer wieder die Selbstzufriedenheit, mit der sie sich als das ganz menschlich-endliche Prinzip entdeckt. Wenn Hegel zum Aufbruch in das romantische Zeitalter festhält, die neue Aufgabe der Kunst sei fortan »das Erscheinen und Wirken des unvergänglich Menschlichen in seiner vielseitigen Bedeutung und unend­

130 

Hotho (1823), S. 510. Man denke hier etwa an die historisch-mythologischen Stücke der drei großen griechischen Dichter Aischylos (Die Perser oder die Orestie), Sophokles und Euripides, aber auch an Shakespeares Julius Cäsar, Antonius und Cleopatra, Heinrich VI., Richard III., Goethes Götz von Berlichingen, Egmont oder Torquato Tasso, Schillers Maria Stuart, Johanna von Orléans oder die Wallenstein-Trilogie, denen gegenüber die Komödie weitaus weniger konkrete, vielmehr charaktertypenhafte Stoffe verarbeitet: etwa Plautus’ Der kleine Katharger oder Der Kaufmann, Terenz’ Die Schwiegermutter oder Der Selbstquäler, Molières Der Geizige, Der Menschenfeind, Der Bürger als Edelmann oder Der eingebildete Kranke. 132  »Der Vortheil, den die einheimischen Sitten in der Komödie haben, beruhet auf der innigen Bekanntschaft, in der wir mit ihnen stehen. Der Dichter braucht sie uns nicht erst bekannt zu machen; er ist aller hierzu nöthigen Beschreibungen und Winke überhoben; er kann seine Personen sogleich nach ihren Sitten handeln lassen, ohne uns diese Sitten selbst erst langweilig zu schildern.« Lessing: SS 10, S. 193. 131 

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lichen Herumbildung«133, setzt er bewusst die Komödie auf die Schwelle dieses Umbruchs, denn mit ihr gewinnt auf der Bühne erstmals der Mensch als Mensch – im Unterschied zum Menschen als Attribut, Verkörperung oder Agent des Göttlichen – die Oberhand; die Menschlichkeit in diesem Zusammenhang ist vor allem der moderne Gegenpol zum Göttlichen als Prinzip der Antike, das zusehends verkümmert. In diesem Sinne greift die Komödie auf die Moderne voraus; oder umgekehrt betrachtet: Die Komödie ist der Arm der Moderne in der Antike. Jacques d’Hondt stellt heraus, nicht nur uns Heutigen, bereits Hegel, Schiller oder Forster war die griechische Antike überaus fremd, das ganz Andere: »Ils nous sont devenus étrangers« – und warum? – »parce que nous avons un autre esprit que celui des Grecs, et que l’esprit, en changeant, a abandonné les œuvres où il s’exprimait autrefois«134. Die Komödie mit ihrer gottlosen Menschlichkeit, auch sie eine ›religion de l’humanité‹, besitzt Fremdheit in dieser Weise nicht – sie ist den Modernen vertrauter, weil sie sich auf das geistige Fundament der innerlichen Subjektivität stützt, auf welchem der moderne, auch humanistisch-aufgeklärte Weltenbau errichtet ist. Gerhard Gamm schreibt dazu: »Wie das Tragische den Bedingungen der heroischen Welt angepaßt ist, so das Komische der modernen.«135 – Hegel ist die Komödie ein frühes revolutionäres Erwachen des Bewusstseins, selbstbewusst endlicher Mensch zu sein. Wie Lessing, Mendelssohn und Goethe es getan haben, formuliert auch Schiller in seinen Briefen Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen sein humanistisches Motto: der Mensch, »er soll Mensch seyn«136. Angesichts des Aspekts des Menschlichen sowie einer damit einhergehenden Rehabilitierung der blanken Endlichkeit für den Bereich der Kunst, die bei Hegel als eine Selbstbewusstseinsform des absoluten Geistes begriffen wird und im weiteren Durchgang dieser Untersuchung durch weitere Formen des Komischen innerhalb der Ästhetik Hegels, vor allem in der modernen Komödie und im Humor, noch mehrfach in jeweils veränderter Gestaltung begegnen wird, erhebt sich abschließend die Frage, wie sich das Zufällige und Beliebige in diesen Zusammenhang integrieren lässt. Die Antwort auf die Frage ist ansatzweise bereits gegeben worden – sie hängt ab von der Figur der Vernichtung des Nichtigen: Das komische Bewusstsein wirkt in der Sphäre des Endlichen und Willkürlichen als sein in der Komödie dargestellter Lebenshintergrund, wo es sich immerfort in Zufällen verstrickt, die 133 

TWA 14, S. 239. d’Hondt (1964), S. 44. 135  Gamm (1994), S. 67. 136  Schiller: NA 20, S. 393. 134 

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unverstellt in die ästhetische Form aufgenommen werden. Doch gemäß der Vernichtung des Nichtigen hebt sein Lachen den Zufall auf, sowohl den eigenen als nichtigen Handlungszweck als auch den äußeren der zufälligen Verwicklung der Situation. Indem das Lachen Zufall und Willkür als lächerlich markiert und das Lächerliche sich im Akt des Lachens aneignet und aufhebt, wird es ins Geistige erhoben, wo alle Zufälligkeit abgestreift ist. Das End­liche wird durch die ästhetische Formung des Lachens zu etwas Unendlichem im Sinne eines sich selbst erkennenden Bewusstseinsprozesses. Insofern hebt das Verlachen sein Subjekt über die Leere und Unwahrheit des Endlichen hinweg. Mit dieser die substantielle Potenz der Komödie anerkennenden Seite ist umgewendet aber auch die Auflösung oder das Ende der Kunst durch die Komödie verbunden, weil sie mit dieser Bewegung eines zur Wahrheit erhobenen Zufalls sich die Freiheit verschafft hat, jeden beliebigen Inhalt, alles Zufällige, in sich aufzunehmen und zu einem ästhetischen Gebilde werden zu lassen.137 Auch in diesem Punkt bedeutet das Ende der Kunst nicht, die künstlerische Produktionshalle für immer zu schließen, auch nicht die über dieses Ende hinaus geschaffenen Werke im Geiste dieses modernen Prinzips philosophisch nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen, sondern vielmehr kritisch reflektiert zu registrieren, dass die begriffliche Auseinandersetzung mit Kunst die Ambivalenz auszuhalten hat, zum einen es sich eröffnet zu haben, die Zufälligkeit der menschlich-endlichen Lebenswirklichkeit in allen erdenklichen Weisen zu einem vollgültigen ästhetischen Gegenstand werden zu lassen, und zum anderen sich dabei fragen zu müssen, ob diese ästhe137 

Vgl. hierzu insbesondere TWA 14, S. 220 ff.: »Innerhalb dieser Zufälligkeit der Gegenstände, welche teils zwar als bloße Umgebung für einen in sich selbst gewichtigeren Inhalt, teils aber auch selbständig zur Darstellung kommen, kehrt sich das Zerfallen der romantischen Kunst heraus, das wir oben bereits berührt haben. Auf die eine Seite nämlich stellt sich die reale Wirklichkeit in ihrer vom Standpunkt des Ideals aus betrachtet prosaischen Objektivität: der Inhalt des gewöhnlichen täglichen Lebens, das nicht in seiner Substanz, in welcher es Sittliches und Göttliches enthält, aufgefaßt wird, sondern in seiner Veränderlichkeit und endlichen Vergänglichkeit. Andererseits ist es die Subjektivität, welche mit ihrer Empfindung und Ansicht, mit dem Recht und der Macht ihres Witzes sich zum Meister der gesamten Wirklichkeit zu erheben weiß, nichts in seinem gewohnten Zusammenhange und seiner Geltung läßt, die es für das gewöhnliche Bewußtsein hat, und sich nur befriedigt, insofern alles, was in dies Bereich hineingezogen wird, sich durch die Gestalt und Stellung, welche die subjektive Meinung, Laune, Genialität ihm gibt, in sich selbst als auflösbar und für die Anschauung und Empfindung aufgelöst erweist.« Vgl. auch TWA 15, S. 572 f.; vgl. zu diesem Aspekt Roche (2002/2003), S. 97. – Diese Analyse Hegels, dass die romantische Kunst sich in zwei Seiten auflöse, sich in diese Extreme entzweie und schließlich wieder auf Versöhnung derselben dränge, wird im Zusammenhang der Bestimmungen des Humors noch eine wichtige Rolle spielen.

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tischen Gestalten tatsächlich noch der wahren Geistigkeit dienen oder ob sie nicht vielmehr außerhalb der Kunst anzusiedeln sind, wie es beispielsweise Roche bemüht ist zu demonstrieren.138 Die Ambivalenz ist insofern ein Oszillieren zwischen der Deutung der mit der Komödie beginnenden modernen Kunst als wahrhaft geistgeborener Ausdruck, der jeden zufälligen Inhalt in sich verschlingt, sowie der Auffassung, dass in diesem Verschlingen immer auch die Wesentlichkeit und Bedeutsamkeit des geistigen Ausdrucks mit verschlungen wird.

4.  Die Vermessung einer Problematik: Wie wird Kunst wieder substantiell? Die Entwicklung der Komödienbestimmungen gerät mit diesem letzten Aspekt an einen Punkt, an dem Hegel für die philosophische Deutung des geschichtlichen Prozesses der Kunst eine Problematik festhalten muss, welche die Kunst in eine vorläufige tiefe Krise stürzt. Die Subjektivität beginnt über die alte Komödie hinaus, zwischen wahrhafter Selbsterkenntnis, die hinter ihr liegt, und täuschender Selbstüberschätzung zu schwanken. An der Beziehung zwischen Ästhetik, Philosophie der Geschichte und Logik konnte demonstriert werden, dass die Komödie eine notwendige Gestalt für die ästhetische Selbsterkenntnis des Geistes ist. Es folgt dieser Notwendigkeit, dass die sinnlich-schöne Vorstellung vom Göttlichen ihre Wesentlichkeit verliert und sich die Subjektivität als wahres Wesen durchsetzt; wie Hotho Hegels Vorlesungen vereinheitlicht, habe am Ende nur noch die »komische Subjektivität« Bestand, die »zum Herrscher über das geworden [sei], was in der Wirklichkeit erscheint«139. Doch diesbezüglich konnte mit Recht behauptet werden, dass die Verfassung des wirklichen Geistes der griechischen Antike es gar nicht zulassen kann, die Vereinzelung des Subjekts und damit die Abspaltung vom Allgemeinen ohne Schaden zu vollziehen.140 Die freie Subjektivität findet sich vor die Schwierigkeit gestellt, dass freie Subjektivität nicht wahre Freiheit ist. Wie schon Herder es in seinen Briefen zu Beförderung der Humanität ausdrückt: »Sich allein kann kein Mensch leben, wenn er auch wollte.«141 Denn nicht in der vereinzelten Autonomie der selbstbestimmten Subjektivität ent138 

Vgl. Roche (2002/03), S. 97. TWA 15, S. 531. 140  Vgl. Häußler (2008), S. 37. 141  Herder: SW 17, S. 116. 139 

Die Vermessung einer Problematik: Wie wird Kunst wieder substantiell?

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deckt Hegel die letztgültige Bestimmung von Freiheitlichkeit, sondern im gegenseitigen Anerkennen selbstbewusster Wesen, das nur im sittlichen Zusammenhang der Vermittlung von Individuen möglich ist. Mit Wolfgang Binders Analyse kann festgehalten werden, dass der unabhängig selbstbestimmte Einzelmensch als höchstes Prinzip der Freiheit noch eine dezidiert Schillersche Position innerhalb der philosophischen Ästhetik ist.142 Auf die Verbindungen des Hegelschen Denkens zu ihr ist umfänglich hingewiesen worden; an diesem Punkt weicht Hegel entschieden von ihr ab.  – Für die Komödie hatte er noch deutlich gemacht, dass der Demos, das »Volk«, das einen Zweck beabsichtigt, »aber so töricht [ist], daß es ihn verdirbt«143 noch wie ein einzelnes Subjekt auftritt und dabei als eine Substantialität erscheint, über die an sich nicht gespottet wird, weil es die freie Verkörperung des Subjektivitätsprinzips ist. Über die Komödie hinaus löst sich dieser Verbund aber auf und verliert sich in der atomistischen Partikularität. Das Prinzip freien Selbstbewusstseins wird in seiner kontextlosen Überheblichkeit zu einer Gefahr für das Gemeinwesen, wenn es sich zur bloßen Einzelheit vereinzelt; es wird in der Terminologie Hegels zum ›Bösen‹. Schon Platon hatte in der Politeia auf diese Dimension des Lachens verwiesen.144 Die Problematik, die sich nach der Komödie verdichtet, ist somit die Problematik, wie mit dem neuen Prinzip der freien Subjektivität eine wieder sittliche Welt gestiftet werden kann, d. h. eine Staats- und Gesellschaftsform, in welcher die freie Selbständigkeit zur substantiellen Stabilität eines vernünftigen Allgemeinen wird, das jedem in sich reflektierten Individuum eine höhere, weil in wirklichem Recht und politischen Institutionen objektiv gewordene Freiheit verschafft. Diese Problematik zeigt sich in den Vorlesungen über die Philosophie der Kunst unter anderem und insbesondere am Übergang von der griechischen Komödie zur römischen Satire. So konnte bis an diesen Punkt der Auseinandersetzung mit Hegels Ästhetik des Komischen bereits recht deutlich vorgeführt werden, was es im Einzelnen bedeutet, wie in der Einleitung und im ersten Kapitel der vorliegenden Untersuchung von einem geistigen Selbstverhältnis bzw. von einer Selbstbezüglichkeit des Geistes als zentrales Wesensmoment des Komischen zu sprechen. Vor allem die auf sämtlichen Ebenen der Geistphilosophie entfaltete Figur des Lachens als ›Selbstvernichtung des Nichtigen‹ musste dabei immer wieder herausgestellt werden. Zugleich scheint aber mit dem letzten Aspekt 142 

Vgl. Binder (1972), S. 231 f. Kehler (1826), S. 234 f. 144 Platon: Politeia, 388e: »Aber auch lachlustig dürfen unsere Jungen nicht sein! Denn wenn man sich starkem Lachen hingibt, zieht das einen starken Umschwung nach sich.« 143 

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auf, worin die vorläufige Grenze des Komischen als Komödie liegt. Auch unter dem Gesichtspunkt der formenübergreifenden Frage nach dem verbindenden Wesen aller Gestalten des Komischen ist es somit von Interesse, die Abhandlung fortzusetzen, wie innerhalb der Kunst in Abhängigkeit vom Geschichtsprozess des objektiven Geistes andere und neue Gestaltungen verwirklicht werden, die weiterhin einen geistigen Selbstbezug vermittelt durch das Lachen und die Heiterkeit herstellen.

VII.  BRUCHLINIEN DER SUBJEKTIVITÄT – DIE RÖMISCHE SATIRE

Die Schwerpunktverlagerung der Berliner Vorlesungen über die Philosophie der Kunst ermöglicht es und macht es vor dem Hintergrund ihres Anspruchs, die geschichtliche Totalität ästhetischen Ausdrucks auf den Begriff zu bringen, sogar notwendig, sämtliche Gestalten der Kunst systematisch zu inte­ grieren, die in den früheren Schriften Hegels noch gar nicht oder lediglich am Rande berücksichtigt wurden. Dies gilt unter anderem auch für die Satire, zu der sich im Naturrechtsaufsatz und in der Phänomenologie des Geistes noch keine expliziten Ausführungen finden lassen, obwohl sie sich mit ihren Bestimmungen harmonisch in einen zumindest dem zweiten Ansatz nicht fremden Aufbau der Vorlesungen einfügt, wenn sie sich wie die Komödie als eine Form des Übergangs1 von klassischer in romantische Kunst zeigt. In diesem besonderen Sinne bezeichnet Hegel beide Formen als »Zwittergestalten«2. War jedoch die Komödie die letzte Gestaltung des griechischen Kunstideals, das Komische quasi sein ›Endspiel‹, erscheint die Satire nach diesem Untergang als erste Form des neuen Ideals, mit dem die Moderne ästhetisch beginnt. Beide Entwicklungen greifen auf das Engste ineinander. Die Bestimmungen der Satire setzen diejenigen der Komödie fort. Daher wird dasjenige, was in der Phänomenologie als Nachgeschichte des Untergangs der Polis-Sittlichkeit in Anschluss an die Entdeckung der subjektiven ›Idee des Guten‹ gegen die Objektivität abgehandelt wurde, in der Berliner Ästhetik bezogen auf die Gattung Satire ausformuliert.  – Gerade weil die Komödie aber die Schlussgestalt der attischen Welt ist, die sich als künstlerische Form noch innerhalb der Grenzen der allgemeinen Wesensbestimmungen der Klassik befindet, handelt Hegel sie in Berlin im Rahmen seiner Theorie der alten Dramenformen im dritten Teil der Ästhetik ab. Hier ist von der Satire nicht die Rede. Da sie über das klassische Ideal per definitionem hinausgewachsen 1 

In den Vorlesungsnachschriften wird die Satire im zweiten Teil der kunstphilosophischen Systematik nicht bloß entweder an das Ende des Kapitels über die klassische oder an den Anfang des Kapitels über die romantische Kunstform gestellt, sondern zudem immer auch mit diesem Begriff belegt: So bei Ascheberg (1820/21), S. 99 f.: »die form des Uebergangs von der claßischen zur romantischen Kunst ist die Satyre«; bei Hotho (1823), S. 402: es sei angesichts der Satire »davon zu reden, welche Kunstform sich in den Uebergang selbst hineinzustellen vermag«; bei Anonymus (1828/29), Ms. S. 44r f.: »Was wir [den Römern] vornämlich zuschreiben müssen ist die Satire, […]. Diese Dissonanz bezeichnet den Uebergang«. 2  Von der Pfordten (1826), S. 157.

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Bruchlinien der Subjektivität – Die römische Satire

ist und als römische Gestalt das geschichtliche Bindeglied zur romantischen Kunstform ist, wird sie im zweiten Teil als Übergang zu dieser thematisch gemacht. Diese Funktion des Hinüberspielens in die moderne Welt wird ihr in allen vier Berliner Kollegien zugeteilt.

1.  Hegel und Schiller. Variation und Reprise Bezüglich des in den Vorlesungsnachschriften eher knapp gehaltenen SatireKapitels lässt sich ein weiteres Mal eine nicht unerhebliche Voraussetzung für die Theoriebildung der Ästhetik Hegels in Schillers theoretischen Schriften ausmachen. Georg Lukács schreibt hierzu 1932 in seinem problemhistorischen Aufsatz Zur Frage der Satire, nicht erst bei Hegel, sondern bereits bei Schiller werde die Gattungsfrage »gesellschaftlich-geschichtlich«3 gestellt. Nicht im engeren Sinne die Gattung, sondern vielmehr das Prinzip Satire ist bei Schiller im Wesentlichen dadurch geprägt, dass das Dichter-Subjekt einer sozialen Ordnung im Modus der Entzweiung gegenübersteht, von der es sich zunehmend entfremdet hat. Es ist ein tiefer Bruch, der zwischen der objektiven Sittlichkeit und der Innenwelt des Subjekts wahrgenommen und zum Ausgangspunkt einer ganzen Gattungskategorie gemacht wird. Schillers abstrakte Definition des ›Satirischen‹ als »Widerspruch der Wirklichkeit mit dem Ideale«4 in seiner künstlerischen Vergegenständlichung hebt auf diesen Kernaspekt ab, wenn er zuordnet, das Subjekt erfahre die äußere Wirklichkeit als im Gegensatz zu seinem subjektiv aufgefassten Ideale stehend, welches es als unverwirklichtes ausschließlich in seinem Herzen weiß. »Schiller fordert, daß der Satiriker der entarteten Wirklichkeit seiner Gegenwart die Wirklichkeit, wie sie sein soll, wie sie der ›Natur‹ entspricht, gegenüberstelle und von diesem Kontrast aus die satirische Wirkung erziele.«5 Schillers Bestimmung soll in der weiteren Theoriegeschichte, nicht zuletzt bei Hegel, wirksam werden. Hegel eröffnet sich zwar insgesamt einen andersartigen Zugang zur Satire, teilt mit Schiller aber das Grundverständnis ihres immanenten Konflikts. Zunächst zur Differenz beider Positionen: Hegel begreift die Satire nicht als abstrakte Kategorie, also nicht im Sinne des allgemein ›Satirischen‹ in Kunst

3 

Lukács: W 4, S. 83. Dies ist eine Definition der Satire, wie sie in Ueber naive und sentimentalische Dichtung formuliert wird, in: Schiller: NA 20, S. 442. 5  Lukács: W 4, S. 84. 4 

Hegel und Schiller. Variation und Reprise

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und Dichtung, sondern vielmehr als singuläre literarische Gattung.6 Er weist ihr zudem einen eher schmalen Ausschnitt innerhalb der Kunstgeschichte zu, wo sie sich erstmals auf die volle Entfaltung ihrer Wesensbestimmungen bringt. Gemeint ist die poetische Gattung, wie sie ihren Charakter in der römischen Welt ausgeprägt findet und für Hegel vor allem bei Horaz, Lukian, Juvenal sowie Persius ihren unverkennbaren Ausdruck erhält.7 Die Zuordnung steht in Gegensatz zur Auffassung Schillers, die Satire in der schon behandelten Schrift Ueber naive und sentimentalische Dichtung neben die Elegie und die Idylle zu setzen und konsequent abstrakt-allgemein als eine dieser drei dichterischen Grundkonzeptionen des Sentimentalischen und damit der modernen Welt zu deuten. In diesem Modell fungiert sie unter anderem auch als allgemeine Oberkategorie und Prinzip der Komödie.8 In der Feststellung, dass die Satire eine ausgemacht moderne Gattung der Kunst sei, würde Hegel Schiller selbstverständlich gemäß den herausgearbeiteten Aspekten zustimmen, doch ihre Grundbestimmungen sind bei ihm geschichtlich von den sittlichen Voraussetzungen des Weltzustands des Römischen Reiches abhängig. – Mit Lukács kann darauf verwiesen werden, dass Hegels Verengung der Formbestimmungen auf die geschichtliche Dimension Roms nicht als eine problematische Beschränkung auf historisierende Teilaspekte, sondern im Gegenteil als eine begrifflich präzise Ausarbeitung des noch recht verworrenen Gedankens Schillers begriffen werden müsse, die kunstphilosophisch brauchbarer sei: »Hegel macht methodologisch einen großen Schritt vorwärts Schiller gegenüber, indem er seine verschwommene und abstraktallgemeine Geschichtsauffassung konkreter und objektiver macht«, denn die 6  Vgl.

zu dieser Differenz im Ansatz Hegels und Schillers Arntzen (2003), S. 345 ff., 354 ff. 7  Vgl. Ascheberg (1820/21), S. 100 f.; Hotho (1823), S. 404 f.; von der Pfordten (1826), S. 158; Kehler (1826), S. 134; Anonymus (1828/29), Ms. S. 44r f.; Libelt (1828/29), Ms. S. 89r f. – Hegel nimmt insofern den berühmten Satz aus Quintilians Institutiones oratoriae ernst: »Satura quidem tota nostra est«. Das bedeutet, er versteht die Satire als in erster Linie römische Verssatire in Hexametern, welche vereinzelte, aber nur oberflächliche Verwandtschaft aufweisende Vorboten in griechischen Dichtungen findet und über die schlecht überlieferten Werke von Ennius, Pacuvius und Licilius hinweg ihren ersten Höhe­ punkt bei Horaz erlebt. Vgl. Arntzen (1989), S. 2 f. 8  Hermann Glockner wagt sogar die vielleicht etwas tollkühne These, »in den ästhetischen Aufsätzen und Gedichten Schillers – vor allem in den ›Briefen über die ästhetische Erziehung des Menschen‹ und in der späteren Schrift ›Über naive und sentimentalische Dichtung‹ – findet sich kein Gedanke, der nicht irgendwie in die Hegelsche Philosophie eingegangen wäre«. Glockner (1965), S. 435. Aus diesem Theoriekomplex hebt Glockner vor allem die Unterscheidung ›naiv‹ und ›sentimentalisch‹ hervor, die Hegel die Vorlage gegeben haben soll für den geschichtsphilosophischen Aufbau seiner ästhetischen Kategorien, speziell für das Verhältnis und die näheren Bestimmungen von klassischem und romantischem Kunstprogramm.

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Bruchlinien der Subjektivität – Die römische Satire

Satire sei bei Hegel »nicht mehr bloß eine allgemeine Geschichtsstufe in der Entwicklung der schöpferischen Methode, sondern ganz konkret: die Auflösung der klassischen Kunst« in einer spezifischen »Kunstform der römischen Literatur«9. Auf der anderen Seite teilt Hegel mit Schiller aber die Auffassung, die Satire ziehe ihr spöttisches Potential aus dem unversöhnlichen Verhältnis zweier Reiche, dem innerlich geistigen und dem äußerlich sittlichen, aus der Konfrontation also von objektiver Wirklichkeit und subjektivem Ideal.10 Die alte Komödie als einen Bezugspunkt der Abgrenzung zu wählen, drängt sich an dieser Stelle auf: Im vorhergehenden Kapitel konnte gesehen werden, dass sich ebenfalls an der Komödie eine Entzweiung von Subjektivität und Objektivität abzeichnete; doch diese Aufspaltung war allenfalls eines ihrer Momente, das durch die Bestimmung der Konfliktlosigkeit aufgeheitert wurde. In der Satire stellt sich diese Entzweiung dann verhängnisvollerweise in einem Verhältnis unversöhnbarer Entgegensetzung fest und verhärtet sich. Gegenüber der Konfliktlosigkeit der Komödie erhält die Satire dadurch einen unlösbaren Grundkonflikt. Wenn nun unter den neuen Vorzeichen des romantischen Ideals die geistige Individualität ihre Wahrheit nicht mehr im Sinnlichen, sondern in der prozessual höheren Innerlichkeit hat, sie auch ihre »höhere Freiheit« nur noch darin findet, dass »das Geistige sich selbst weiß«, und zwar in sich selber, die Schönheit als objektiv verwirklichte Wahrheit also aufgelöst ist, doch zugleich »die Sphäre einer höheren Schönheit, der geistigen Schönheit« des innerlichen Selbstbezugs, eintritt, dann erscheint in dieser Entzweiung »das Äußerliche […] als untergeordnet«11 unter die höhere Geistigkeit. Neuerungen des geistigen Weltzustandes erstrecken sich somit nicht bloß auf die Zerschlagung der schönen Einheit in zwei zersprengte, willkürlich miteinander verbundene Prinzipien  – Wesentlichkeit, vormals das Attribut der heroischen Welt der Totalität, kommt nur noch der in dieser Wesentlichkeit sich neu entdeckenden modernen Subjektivität zu. In diesem einen Sinne ist die Satire für Hegel eine »Zertrümmerung«; in einem anderen Sinne aber, nämlich bezogen auf die objektive Seite dieser Zerrissenheit, ist sie das versuchte »Zusammenfassen« der »lebendige[n] Individualität« des Geistes in ein »abstraktes Pantheon«12 der Macht, in welchem es keine Versöhnung des Konflikts als stillgestellte Entzweiung mehr geben kann. Es erhebt sich die Frage, was an diesem Kreuzpunkt von Hegels Ästhetik und  9 

Lukács: W 4, S. 84. Vgl. zur Zwei-Welten-Lehre in diesem Kontext der Satire: von der Pfordten (1826), S. 157. 11 Ebd. 12 Ebd. 10 

Der Schritt in die Entzweiung: Rom und sein Recht

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seiner Philosophie der Weltgeschichte bzw. der Religion mit solchen Wesensmerkmalen im Einzelnen gemeint ist.

2.  Der Schritt in die Entzweiung: Rom und sein Recht In der Nachschrift Libelts zur Ästhetik ist vermerkt, dass Hegel den Grundgedanken der Entzweiung in seiner Theorie der Satire in Abhängigkeit von den Entwicklungen sieht, in deren Zentrum die geistige Bedeutung Sokrates’ steht.13 Wie in den Kapiteln der vorliegenden Untersuchung über den Naturrechtsaufsatz und die Phänomenologie ausgeführt wurde, ist Sokrates die welthistorische Gestalt, in welcher sich der Niedergang der schönen Polis in die attische Demokratie und darüber hinaus widerspiegelt. Eine vergleichbare Bedeutung kommt ihm in den Vorlesungen über die Philosophie der Kunst zu, auch wenn Hegel umfangreichere Ausführungen weniger dort als vielmehr in seinen Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte sowie seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie macht. Immerhin betonen alle Ästhetik-Kollegien in Berlin, bis auf dasjenige von 1826, dass es die abstrakte ›Idee des Guten‹ in ihrer vereinzelten Subjektivität sei, die sich in der Satire als Negatives Geltung verschaffe.14 – Es ist gezeigt worden, dass für Hegel erstmals Sokrates diese innerliche Freiheit und Selbstbestimmung des Subjektiven ausspricht; ebenso aber, dass es nicht dieser einzelne Mensch ist, der dem Gemeinwesen eine ernsthafte Bedrohung bedeutete.15 Vielmehr die von ihm zugespitzte und in der Polis bereits geistig wirkliche Macht ist sittlich verletzend und wirkt schließlich zerstörerisch. Insofern ist das neue Prinzip nicht etwas, das quasi von außen in das Allgemeine hereinbricht, sondern von Hegel als eine sich geschichtlich durchsetzende Wirksamkeit im Allgemeinen selber verstanden wird. Libelt schreibt darüber, »innerhalb der Freiheit [der Polis] selbst« entstehe »die höhere Freiheit, das Bewußtsein des Subjekts in ihm selbst Substantialitaet zu haben«16. Sokrates spricht daher nur etwas aus, das ein Moment der Selbstbewegung und des Selbstverhältnisses des Substantiellen ist, als ein Ausdruck seiner für die geschichtliche Ausbestimmung der immanenten Struktur des Geistes notwendigen Selbstnegation zur höheren Subjektivität. Späterhin in Verurteilung und Hinrichtung klagt demnach der alte Verbund des Gemeinwesens sein eigenes neues Prin13 

Vgl. Libelt (1828/29), Ms. S. 87r. Vgl. Ascheberg (1820/21), S. 100; Hotho (1823), S. 404 f.; Anonymus (1828/29), Ms. S. 44r f.; Libelt (1828/29), Ms. S. 89r f. 15  Vgl. V 12, S. 381 ff. 16  Libelt (1828/29), Ms. S. 87r. 14 

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zip der unabhängig selbstbestimmten Individualität, das jene obsolete Form der Sittlichkeit als unwesentlich gewordene Wesentlichkeit hinstellt, verkörpert in Sokrates an und richtet dabei über ihn wahrhaft über sich selbst.17 Diese Selbstverurteilung geschieht bereits vom Standpunkt der abstrakten ›Idee des Guten‹, die ihre Legitimation allein aus dem Selbstbewusstsein als Besonderheit zieht und alles ihm Entgegenstehende der individuellen Prüfung nach Maßgabe der subjektiv einwohnenden Moralität unterzieht. Auch in Zeiten, in denen die alte griechische Sittlichkeit längst abgeschafft worden ist – spätestens in der römischen Welt –, bleibt dieser Grundwiderspruch bestehen, ja er hat sich in ihr sogar radikal zum besagten Konflikt der Entzweiung verschärft.18 Die Nachschrift Aschebergs gibt diesem Gedanken einen auffallend großen Raum: Der Weg über die schöne und freiheitliche Ordnung der Polis hinaus ist der Übergang in einen sittlichen Zustand, welcher die »dissonanz der objectiven Wahrheit«19 enthält. Hegel meint damit die fortschrittliche Entwicklung des Geistes, seine höhere Bestimmung der Freiheit nicht mehr bloß als Abstraktion zu besitzen, sondern diese konkret im bestimmten Inhalt der Subjektivität verwirklicht zu haben, und zwar als die ›Idee des Guten‹. Problematisch wird dann aber, dass dieses konkrete Geistige mit seiner reinen Idee »getrennt von dem äußerlichen daseyn« sei und dennoch mit der selbstgewissen »Bestimmung des an und für sich seyenden«20 auftrete und handele. So tritt die wahre Subjektivität in Rom als bloß konkret wirkende Abstraktion auf; wirklich ist nicht das wahre Gute, wirklich ist nur das Wollen mit der Absicht des Guten und Wahren, das sich gegenüber immer nur »ein verdorbenes götterloses daseyn«21 hat. Die römische Welt, sie ist für Hegel somit in erster Linie »die Herrschaft des abstrac­ten Verstands«, das »kalte Herrschen gegen das Gefühl und gegen die Sittlichkeit«22. In den Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte, im Wortlaut der Nachschrift Heimann aus dem Wintersemester 1830/31, zitiert Hegel zu diesem thematischen Kreis den Gedanken Napoleons, »das moderne Schicksal« nicht mehr tragödienhaft in der Macht des Absoluten finden zu können, sondern im endlich-menschlichen Bereich der Politik; reflektiert in Formen des Ästhetischen sei der politische Machtzusammenhang in zeitgemäßen Kunstgattungen das moderne Schicksal, »gegen das ein großer 17 

Vgl. hierzu auch Schulte (1992), S. 240 ff. Vgl. hierzu auch Kreß (1996), S. 187 ff. 19  Ascheberg (1820/21), S. 100. 20 Ebd. 21 Ebd. 22 Ebd. 18 

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Charakter kämpfe und unterliege«23. Dieser Kampf »gegen ein Übermächtiges«, gegen den Staat und dessen »abstrakte, politische Gewalt«, so interpretiert Hegel Napoleon, stelle zu Beginn dieses neuen, modernen Zeitalters den Konflikt des Republikbürgers im »römische[n] Weltreich«24 dar. »Es ist das reelle Schicksal, das sich auf der Erde offenbart«25, und dieses moderne, götterlose, menschenunglückliche Schicksal des Politischen werde ästhetisch vorzüglich als ein wahrer Ausdruck des Unwahren in der Form der Satire verdichtet. Zu dieser Sittlichkeit Roms führt Hegel dann im Weiteren aus, sie trage die »abstrakte Freiheit«, den »abstrakte[n] Staat«, die »Gewalt über die konkrete Individualität« als Hauptzüge, denn die zunächst so glückvolle Erhebung einer höheren Subjektivität über das Substantielle führt hier in den glücklosen Zustand einer Entzweiung von politischer Macht und freier Person, die gemäß dem Römischen Recht bloß abstrakt bestimmt ist und noch nicht zur Wahrheit sittlicher Allgemeinheit und sittlicher Freiheit vermittelt worden ist. Daher sagt Hegel, indem er beide Prinzipien scharf geschieden einander gegenüberstellt: »Politische und persönliche Allgemeinheit sehen wir so in Rom.«26 Mit dieser Auffassung bezieht sich Hegel wahrscheinlich in erster Linie auf die Entwicklungen, die schließlich in den Untergang des Römischen Reiches und dessen Nachgeschichte in der byzantinischen Welt führen. Auch hier ist die von Hegel schon früh aufgenommene Darstellung Edward Gibbons in seinem Werk History of the Decline and Fall of the Roman Empire unverkennbar prägend. – Wie Hegel schon in der Phänomenologie des Geistes im Unterkapitel Der Rechtszustand innerhalb der Abhandlung Der wahre Geist, die Sittlichkeit ausführt, ist bei den alten Römern die schöne griechische Sittlichkeit in den Atomismus der individuellen Glieder aufgesprengt, die vor allem als abstrakt-rechtliche Personen des Römischen Rechts Wirklichkeit haben. Dies nennt Hegel auch den »Formalismus des Heimann (1830/31), S. 141. Hegel bezieht sich hier auf die Unterredung mit Napoleon, wie Goethe sie im September 1808 in seinen Tagebüchern festhält. Vgl. die Anmerkungen zu V 12, S. 612. Weitaus knapper führt Hegel diesen Gedanken Napoleons bereits im Kolleg von 1822/23 an, und zwar als Einstieg in seine Erläuterungen zur ›römischen Welt‹: »Napoleon sagte zu Goethe, daß das Interesse der Tragödie das Schicksal sei, und bei uns, da wir dieses Fatum der Alten nicht mehr hätten, könne an die Stelle desselben die Politik treten. Der unwiderstehlichen Gewalt zweier Umstände – der Zweck und die Gewalt des Staates, dieses Unwiderstehliche ist es, – müssen die bloßen Partikularitäten, Individualitäten unterliegen, und die Politik als Macht, die die Individuen nicht kann gewähren lassen, sondern aufopfern muß. / Dies ist die Tat des Römischen Reiches, die Macht als bloß abstrakte Allgemeinheit, wodurch das Schicksal, das abstrakte Allgemeine, in die Welt getreten ist.« V 12, S. 393. 24  Heimann (1830/31), S. 141. 25 Ebd. 26 Ebd. 23 

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Bruchlinien der Subjektivität – Die römische Satire

Rechts«, das bezeichnet einen »Begriff ohne eigenthümlichen Inhalt«27. Der römische Rechtszustand erscheint geistgeschichtlich als eine Konsequenz der zerbrochenen Polis-Sittlichkeit, doch dieser Staat kann seiner Aufgabe einer Vermittlung von individuellen und allgemeinen Anforderungen noch weit weniger entsprechen als der griechische Stadtstaat am Ende des Zeitalters der Kunst-Religion: Die politische Ordnung ist vollends in Partikularität umgekippt. Allgemein zusammengenommen wird ein solcher Atomismus lediglich machtpolitisch in der Herrscherinstanz des römischen Kaisers, der allerdings nicht in der Lage ist, ein versöhnendes Prinzip im Sinne einer »Einigkeit des Geistes«28 zu stiften. Er bleibt gegenüber der »absoluten Vielheit der persönlichen Atome« der Bestimmtheit des »Einen ihnen fremden und ebenso geistlosen Punkt[s]«29 verhaftet. Seine Allgemeinheit ist vielmehr verwirklicht im schlechten Sittlichkeitsmodell der Tyrannis, in welcher er sich als gottgleiches Individuum stilisiert, ohne Substantialität zu besitzen, übermächtiger Alleinherrscher ist, der immer nur »das unwirkliche, krafftlose Selbst«30 bleibt, einsame Person ist, die allen anderen Personen sich bloß entgegen stellt und zugleich beansprucht, deren absolutes Dasein zu sein. Ein solcher Staatskörper beruht allein auf der »zerstörenden Gewalt, die er gegen das ihm gegenüberstehende Selbst seiner Untertanen ausübt«31. Der in Unfreiheit umschlagende Atomismus ist grundsätzlich und notwendig dazu verdammt, in Chaos unterzugehen; einer Hydra gleich führen Versuche der Herrscherinstanz, diesem Chaos Einhalt zu gebieten, im Resultat nur zu noch mehr Gewalt und Zerstörung.32 Auf der Folie dieser rechtspolitischen Momente erscheint die allgemeine kunstgeschichtliche Entwicklungslinie, die Hegel in die Welt der Satire hinein nachzeichnet, als ein am Ende der Komödienzeit den Ausgang nehmender Dekadenzprozess. Sokrates’ Aussprache eines in der Individualität entdeckten höheren Prinzips, das als gleichberechtigte Größe des sittlichen Lebens gegen die allgemeine Verfassung der Objektivität steht und eine Kluft zwi27 

GW 9, S. 262. Ebd., S. 263. 29  Ebd., S. 262. 30  Ebd., S. 263. 31 Ebd. 32  Vgl. hierzu auch V 12, S. 398: »In den Zwistigkeiten des Volks, die zwischen der Plebs und dem Senat entstanden und zu Aufständen gediehen, wo die Ordnung des Staats, die Achtung gegen die Gesetze aufgehoben, der gesetzliche Zusammenhalt zerbrochen war, ist es fast immer der Respekt vor der Form gewesen, so daß die Verehrung der Ordnung die Plebs wieder zur Ordnung führte, sie von ihren gerechten und ungerechten Forderungen abbrachte. Oft ist ein Diktator ernannt worden, wenn auch kein Krieg war, der dann die Bürger zu Soldaten aushob und als solche aus der Stadt führte.« 28 

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schen Individuum und politische Wirklichkeit treibt, anstatt sich objektiv zu machen, wirkt sich in der römischen Welt fortgehend destabilisierend aus, so dass auf dem Felde der Weltgeschichte der Geist fortan damit befasst ist, eine sittliche Ordnung stiften zu wollen, in welcher das Recht der subjektiven Partikularität, mit ihrer ganz innerlichen Bestimmung von Rechtlichkeit als Moralität, das philosophische Prinzip freier Subjektivität und vernünftigen Denkens, mit der allgemeinen Macht und objektiven Geltung eines sittlich substantiellen Staates, in der Weise in Einklang gebracht werden soll, dass dieser die Subjektivität nicht blind unterwirft und andererseits ihr Prinzip nicht abstrakt-rechtlich als Personenrecht festschreibt. Ein solches Sollen stellt den Geist vor die anspruchsvolle Herausforderung, aus dem Ideal subjektiver, selbstbestimmter Freiheit eine neue substantielle Sittlichkeit aufzubauen. In Rom scheitert dieses Projekt hoffnungslos. Was sich in der Satire somit im Wesentlichen ausspricht, ist der Konflikt der Individualität mit einer schlechten Sittlichkeit, die ästhetisch angewandt an die Stelle des als äußerlich wahrgenommenen Schicksals der Tragödie tritt, welches von der Komödie selbstbewusst zur Konfliktlosigkeit in der eigenen heiteren Innerlichkeit aufgehoben wurde. Wie Dieter Henrich betont, ordne Hegel also dem Verlust der klassischen Ganzheit und Schönheit »die Kunstform der Satire zu, in der die nunmehr geschiedenen Gegenstücke des Idealen und der Realität in ein feindliches Verhältnis gesetzt werden«33. An Hegels Auseinandersetzung mit dem Gedanken Napoleons wird darüber hinaus deutlich, dass das Subjekt der Satire, der politische Prosadichter bzw. sein sich spöttisch aussprechendes Ich, somit kein selbstherrlicher oder böser Staats- und Menschenfeind ist, sondern im Gegenteil ein »denkender Geist, ein für sich edles Gemüth«34, ausgestattet nur mit den allerbesten Absichten, die an der großen Politik scheitern. Libelt hält fest, schon »zur Zeit des Socrates« suchte das Subjekt »Befriedigung in sich«, »weil es [sie] in dem Aeußerlichen nicht fand«; doch in der Satiredichtung offenbart sich nicht nur ein enttäuschtes Suchen nach Wesentlichkeit, hier empfindet das Subjekt geradezu einen berechtigten »Ekel gegen den wirklichen Zustand«35 und wird von der Motivation ergriffen, rhetorisch kämpferisch dagegen vorzugehen. Sein »Zweck ist das Feindselige gegen das Vorhandene«, aber nur weil das Vorhandene das Feindselige gegen es selber ist, wenn die »Züge« des 33 

Henrich (2003b), S. 83. Hotho (1823), S. 403. Vgl. auch bei Ascheberg (1820/21), S. 100: »Es ist das Verdienst eines edlen Gemüths gegen das Verdorbene«. Bei von der Pfordten (1826), S. 158 ist davon die Rede, wie sich »ein Unmut der edlen Seele« darüber regt, »daß der Geist sich getrennt hat von dem Vorhandenen«; vgl. mit demselben Wortlaut auch Kehler (1826), S. 134. 35  Libelt (1828/29), Ms. S. 87r. 34 

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wirklichen »Verderbens« gegen »das höhere Wahrhaftere«36 gehalten werden, das allein im subjektiven Ideal seine Verwirklichung hat. Wie die Komödie als ihren Protagonisten den endlichen Menschen hervorgebracht hat, ist auch dieses Subjekt der Satire »der endliche Geist«, der im gemeinsamen sittlichen Menschenwerk »das allgemeine« will, gemäß dem modernen Prinzip der Subjektivität; doch Hegel betont, dieses Wollen sei »nicht versöhnt« und abgrundtief getrennt »gleichgültig gegen das äußerliche daseyn«, weil das Vorhandene als Negatives nur abgelehnt werden könne und den »Versuch« provoziere, »es zu verändern«37. Aus diesen Gründen ist die Satire nicht trotz, sondern gerade wegen ihres zu bitterem Spott aufgelegten Zorns der adäquate ästhetische Ausdruck der römischen Welt. Sie kündet vom Scheitern der freien Individualität, die hier nur erst abstrakte Person sein kann, am Schicksal der tyrannischen Macht und ist darin höchste Form literarischer Vergegenständlichung. Zutreffender kann daher nicht sein, was Juvenal zu den politischen Verhältnissen in Rom schreibt: »Difficile est saturam non scribere.«38 Schwierig, darüber keine Satire zu schreiben. Das Ergebnis ist eine Kaskade des Spotts, in ihr artikuliert sich eine Generalwut auf die falsche Welt, in welcher die moderne Subjektivität nicht zu ihrem ihr zustehenden Rechte kommt. Hegel spricht diesbezüglich auch von der Satire als versgebundener »Declamation«39; in ihr wird das Wort als Waffe benutzt, in der Hoffnung, dass diese spöttisch denunzierende Rede verletzender wirksam werde als jeder tätliche Angriff. »Das Äußerliche soll überwunden, verletzt werden, das also nicht mehr geneigt ist, die wahrhafte Manifestation des Geistigen zu sein.«40 So drängt die Satire darauf, die lächerlich gemachten Zustände und ihre Akteure der Macht im öffentlichen Raum bloßzustellen, ihre Substanzlosigkeit durchsichtig werden zu lassen und dadurch die Notwendigkeit vorzuführen, Entzweiung und Abstra­ktion in wahre Freiheit zu verkehren. Das lächerlich Verkehrte soll wiederum verkehrt, das nun objektiv wirkliche Nichtige im Namen der Substantialität vernichtet werden. Die Kunst bekommt hier eine in dieser Gestalt zuvor nie dagewesene politische Bedeutung: Sie macht bewusst, dass die Wirklichkeit nichtig ist und sich das Ideal zum Vorbild zu nehmen hat. Hegel hält den engen Bezug der Ästhetik auf die politische Philosophie, wie sie bereits hinsichtlich der Komödientheorie festgestellt werden konnte, für die Ausbestimmung der Satirenform als wesentliche Grundlage also nicht 36 

Ebd., Ms. S. 89r. Ascheberg (1820/21), S. 100. 38  Dies ein Zitat aus den Satiren in: Juvenal (1993), S. 10. 39  Hotho (1823), S. 404. 40  Von der Pfordten (1826), S. 158. 37 

Satirische Dichtung in ihrer adäquaten Form

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nur bei, sondern lässt ihn sogar noch enger werden. Hotho notiert sich 1823: »die Satyren Horazens geben uns ein lebendiges Beispiel der Sitten der Zeit; er stellt sie als eine Thorheit dar, die in ihren Mitteln ungeschickt, sich selbst zerstört.«41 Was sich aus sich selbst heraus vernichtet, verlangt nach einer Neugestaltung, die sich geistgeschichtlich als eine höhere Stufe herstellt.

3.  Satirische Dichtung in ihrer adäquaten Form Klopft man die bisher gesammelten Bestimmungen auf ihren Wesenskern ab und bündelt die Ergebnisse, lässt sich das Verhältnis, das die Satire zur Komödie gattungstheoretisch einnimmt, genauer angeben. Hegel vermeidet es, wie gesehen werden konnte, diese Differenz äußerlich anzugeben. Bloß zwischen den Zeilen der Nachschriften wird thematisch, dass im Unterschied zur Komödie, die für die Bühnenaufführung bestimmt ist, die Satire für die Buchlektüre geschrieben wird, und zwar in Hexametern, zumeist in dialogischer Form, die von einer Hauptfigur als das wütend sich aussprechende Ich beherrscht wird.42 Solche Kriterien sind für Hegel unwesentliche; er sucht die Potenzen tiefer: Die Satire zeigt sich ihm in erster Linie inhaltlich als eine Nachgeschichte des Niedergangsszenarios, das die Komödie aufführte, und ist dabei fortwährend auf diese bezogen: Als »die Erinnerungen eines vergangenen Weltzustands« besitzt die Satire einen Bezugspunkt in der Komödie, der ihr ihre ausbleibende »wahrhafte Versöhnung des Geistes«43 bewusst hält. Aus dieser Perspektive einer versunkenen heilen Welt erscheint dem Ich sein objektiv-geistiger Sittlichkeitskontext als »ein verdorbenes götter­loses daseyn«44; daher richtet die Satire ihren Spott ausschließlich nach außen, wohingegen der griechische Komödiendichter, aber auch attische satirische Jambendichter wie Archilochos, sich in ironischer Weise zunächst einmal selbst tadeln.45 Denn Hegel betont in der Nachschrift Kehlers, schon bei den Griechen habe es zwar die Satire als »eine untergeordnete Form« gegeben, doch seien dies immer »persönliche Satiren« gewesen, mit einem »z. B. bei Alcaeus persönlichen Haß, Feindschaft«46, die nicht  – wie etwa in Rom  – 41 

Hotho (1823), S. 404. Vgl. Arntzen (1989), S. 18 f. 43  Hotho (1823), S. 404; vgl. auch Libelt (1828/29), Ms. S. 89r: »Das Gute hat dann selbst concrete Gestalt, in so fern es etwas vergangenes ist, dem die Gegenwart nicht mehr entspricht alte Sitten, Staat, etc.« 44  Ascheberg (1820/21), S. 100. 45  Vgl. Arntzen (1989), S. 5 f. 46  Kehler (1826), S. 134. 42 

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mit dem Anspruch auftraten, allgemein anerkannt zu werden. So kann mit einer Notiz Aschebergs ergänzt werden, dass man eine solche griechische Satire durchaus »unter das lyrische bringen« könnte – und damit unter die Kategorie des wesentlich subjektiven Ausdrucks –, wenn es hier nicht »das allgemeine« wäre, »was ausgesprochen werden soll in seinem Zorn gegen das Laster«47. Auch weil Hegel meint, man wisse daher »immer nicht in der Kunst, wo man [die Satire formal] hineinbringt«48, grenzt er beide Gattungen mit inhaltlichem Schwerpunkt voneinander ab. Gegenüber der Komödie ist die Satire über die angeführten Aspekte hinaus weitaus moralischer bzw. geradezu moralisierend angelegt – mit dieser Moralität erlaubt sie es sich, Grenzen des Anstands zu überschreiten und ihrer Generalwut ungedämpft Luft zu machen. Das moralische Ideal ist der Maßstab, mit welchem die äußere Wirklichkeit vermessen wird. Solche Belehrungen kannte die Komödie nicht. Helmut Arntzen schlägt daher vor, Komödie und Satire, Komödiantisches und Satirisches, dadurch voneinander zu unterscheiden, dass die eine sich damit begnüge, »das ›Verkehrte‹ so darzustellen, daß es Lachen erregt« und nichts über diese Heiterkeit hinaus, die andere aber deutlich zielorientierter in ihrem Lachen »auf seine Abschaffung«49 tendiert. So wird an diesem Punkt der Argumentation für Komödie und Satire deutlich, dass sich eine gewisse Parallelität des Prozesses zwischen der allgemeinen Welt- bzw. Rechtsgeschichte sowie der Kunstgeschichte ablesen lässt, denen beiden wegen ihrer wechselseitigen geistphilosophischen Bezüglichkeit bei Hegel jeweils Momente der Notwendigkeit zukommen: Wenn sich am Ende des klassischen Weltzustands in der angegebenen Weise eine freie Subjektivität mit dem Ziel herausbildet, einer wahrhafteren Wirklichkeit des Geistigen Raum zu verschaffen, aber noch nicht dazu bereit ist, sich weltlich machen zu können, dann entsteht zunächst eine innerliche »Welt für sich […], absolut friedlich«, welche die »äußerliche, endliche Wirklichkeit« freilässt, sich selbst überlässt, »als ein todtes« und »verdorbenes dasein«50 liegen lässt, ohne dass sich das geistige Ideal schon äußere Gestaltung geben könnte. Dies ist dann nicht bloß ein defizitärer Zustand, sondern eine geschichtliche Erfahrung, durch die das allgemeine Bewusstsein des Geistes hindurchgehen muss, um sich vollständiger erfassen zu können. Im Römischen Recht sind zwar freiheitliche Gesetze des Einzelnen formuliert, doch lediglich als Inhalte eines abstrakten juridischen Katalogs, der nicht zur Grundlage einer konkre47 

Ascheberg (1820/21), S. 100.

49 

Arntzen (1989), S. 15 f. Hotho (1823), S. 403.

48 Ebd. 50 

Satirische Dichtung in ihrer adäquaten Form

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ten freien Sittlichkeit taugen würde, sondern privatrechtliche Verhältnisse des Eigentums oder des Vertrags regelt. Nicht zuletzt in den Grundlinien der Philosophie des Rechts klärt Hegel darüber auf, dass allein auf dieser privatrechtlichen Grundlage kein sittlicher Staat gebaut werden könne.51 In diesem Sinne gibt es in der Weltgeschichte etwas, das mit einer ›Notwendigkeit des Unsittlichen‹ bezeichnet werden kann: Ludwig Siep führt dazu aus, nach Hegel bedarf es »individueller und historischer Perioden der Knechtschaft bzw. des Unterwerfungsstaates, um ein ›unnatürliches‹, kulturelles Selbstbewußtsein zur beherrschenden Macht des individuellen und sozialen Lebens zu machen«52. Die Subjektivität muss in ihrem Projekt einer Verwirklichung der ›Idee des Guten‹ zunächst scheitern, um mit dieser Erfahrung im Rücken einen Rechtszustand hervorzubringen, der die abstrakt-rechtliche Vereinseitigung überwindet. Eine solche Erfahrung artikuliert sich in der Satire; und diese in ihr festgeschriebene Erfahrung ist nicht bloß ein Erlebtes, sondern bereits ein Bewusstsein, das wiederum geschichtlich zurückwirkt. In der Überwindung der Satire, die objektiv-geistig eine politische Überwindung der römischen Welt wäre, käme es darauf an, »daß das Gute nicht blos in der Form der Tugend vorgestellt werde, sondern in seiner reinen Wahrheit, und daß es nicht gewußt werde im bloßen Gegensatze zu einem particulairen Weltzustand, sondern sie in sich versöhne«53. Vor diesem Hintergrund legitimiert sich für Hegel der aggressive satirische Spott: Die Konfrontation von höherer Subjektivität und zerstörter, ›verdorbener‹ Objektivität, deren substanzlose Gestaltung – und mit ihr jede weitere sittliche Gestaltung – begraben ist, lässt das freie Gemüt in einen »Zorn gegen solche Gegenwart«54 geraten. Berechtigt artikuliert sich in ihr der subjektive Einspruch gegen die bedingungslose Unterwerfung unter das sogenannte »Pantheon der Herrschaft«55, die politische Forderung des tyrannischen Staatsmodells ist. Inhaltlicher Kern der wertvollen weltgeschichtlichen Erfahrung, die sich in der Satire ausspricht, ist insofern der – durchaus von sehr komischen Momenten durchzogene – Zorn über politische und soziale Missstände vom Standpunkt der Moralität; das satirische Ich stellt sich erhaben über »das geistlose Gemeinwesen«56 51 

Vgl. die Anmerkung zum § 258 in GW 14,1, S. 202 f. Siep (1992), S. 121. 53  Anonymus (1828/29), Ms. S. 44v; vgl. Libelt (1828/29), Ms. S. 89v: »Das Höhere ist daß das Gute nicht nur bewußt vorgestellt werde als antique Sitten, sondern in seiner reinen Wahrheit, 2) daß es bewußt werde nicht gegen dem particulairen Weltzustande, sondern vielmehr sich versöhnend mit der Welt.« 54  Hotho (1823), S. 403. 55  Kehler (1826), S. 134. 56  GW 9, S. 260. 52 

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und tadelt seine Unvernunft, damit ein Zeitpunkt komme, an welchem diese Unvernunft sich selbst zerstört. An diesem entscheidenden Wesensmerkmal der Satire verdeutlicht sich aber erstmals, dass Hegel offenbar mehrere Begriffe des Komischen in seiner Philosophie der Kunst vereint; oder aber dass der in der Forschung häufig unternommene Versuch einer Unterscheidung in zwei oder mehr verschiedene und für gewöhnlich einander ausschließende Grundansätze einer philosophischen Theorie der Komik zumindest an seiner Position an eine unüberwindliche Grenze stößt.57 Im Kapitel über das Lachen in der Anthropologie konnte festgehalten werden, dass Hegel den Widerspruch als Hauptmoment des Begriffs des Komischen deutet. Im Kontext der Geschichte der Theoriebildung wurde Hegels Ansatz dahingehend dem Typus der Widerspruchs- bzw. Kontrasttheorien zugeordnet, der sich u. a. bei Justus Möser, Moses Mendelssohn, William Hogarth, Lessing, aber auch bei Schelling oder Karl Wilhelm Ferdinand Solger wiederfinden lässt.58 Eine solche eindimensionale Zuordnung vernachlässigt aber, dass Hegels spekulative Kunstphilosophie einen alternativen Typus von Deutungsansätzen ebenso in sich aufnimmt, seine Ästhetik des Komischen also nicht auf einen singulären Grundtypus festgelegt werden kann. Bezüglich der Komödientheorie konnte es noch ganz und gar zutreffend sein, Hegels Position bruchlos der Gruppe der Widerspruchslehren zuzurechnen, doch an der Theorie der Satire zeigt sich, dass sie offenbar weitaus entscheidender für ihre Ausbestimmung Elemente des Typus der Überlegenheits- oder Superioritätslehren aufweist, die in der englischen Tradition populär sind und insbesondere von Thomas Hobbes vertreten werden. Dieser beschäftigt sich mit dem Lachen und dem Komischen gleich in zwei Abhandlungen mit verschiedenen Themen: in De cive von 1642 sowie in De homine von 1658. In dieser zweiten heißt es: »Allgemein ist das Lachen das plötzliche Gefühl der eigenen Überlegenheit angesichts fremder Fehler.«59 Es kann wohl zu Hobbes’ Leistungen in der Theoriegeschichte des Lachens gerechnet werden, als erster den Aspekt theoretisch gefasst zu haben, dass der Lachende einen Verlachten im Verlachen degradiert, um sich dabei selber zu 57  Jauß

(1976) unterscheidet das Komische bipolar in die Wirkungen entweder der ›Herabsetzung‹ oder der ›Heraufsetzung‹, was in etwa der Bedeutung des komischen Widerspruchs bzw. der Superiorität entspricht; Stollmann (2010) schlägt vor, generell Theorien des Komischen in Superioritäts- und Inkongruenzansätze zu unterscheiden; Monro (1951) hingegen differenziert vier Typen, wenn er diese beiden noch um Positionen ergänzt, die im Lachen in erster Linie Entlastung und Befreiung sehen bzw. den Aspekt der Ambivalenz am Komischen betonen; vgl. Hösle (2001), S. 16. 58  Vgl. hierzu auch Schneider (1998a), S. 313 f. 59  Hobbes (1994), S. 33. Hobbes sieht die martialische Urform dieses Lachens im wilden und erbarmungslosen Gelächter des Siegers über den niedergestreckten Feind.

Satirische Dichtung in ihrer adäquaten Form

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erhöhen; zumindest wird diese Funktionalisierung des Komischen zuvor nirgendwo in vergleichbar umfänglicher Weise philosophisch behandelt. Doch dieser von Hobbes beschriebene und ausgedeutete Vorgang ist genau das, was Hegel im Wesentlichen an der Gattung Satire herausarbeitet: Das satirische Ich schreibt ja nicht bloß die Entzweiung von Ich und Welt, Ideal und Wirklichkeit fest, sondern erhebt sich über den vernunftlosen Weltzustand eines Allgemeinen, das »in die Atome der absolut vielen Individuen zersplittert«60 ist, als seinen verlachten Gegenstand, um sich selber in seiner Tugendhaftigkeit als das Wesentliche und die reine Wahrheit zu feiern. Die im Zusammenhang der Komödientheorie und des Begriffs des Lachens als Widerspruchstheorie entwickelte Negativität der Handlungsstruktur, die schließlich nach einer doppelten Negation als Lösung des Widerspruchs verlangt, spielt in Hegels Lehre von der Satire keine Rolle; an keiner Stelle arbeitet Hegel zur Ergründung ihres Wesens mit derlei Termini. So lässt es sich nicht von der Hand weisen, dass er für die Satire einen neuen Begriff des Komischen einführt, der für das besondere Sittlichkeitsmodell des Römischen Reiches, dessen Problematik in der satirischen Gattung einen absolut-geistigen Ausdruck gewinnt, der relevantere ist. Daraus erhellt, dass alte griechische Welt und römische Welt, gerade weil sie sich objektiv-geistig durch zwei grundverschiedene politische Ordnungen voneinander unterscheiden, kunstgeschichtlich fortbestimmt ebenso zwei sehr verschiedene ästhetische Konzeptionen darstellen, so dass ihnen jeweils auch ein besonderer Begriff des Komischen zugeordnet werden kann. Dies erlaubt es, die begonnene Unterscheidung von Komödie und Satire fortzusetzen. – Bereits im Aufsatz Ueber einige charakteristische Unterschiede der alten Dichter traf der junge Hegel die Unterscheidung zwischen einem griechischen feinen und gefühlvollen sowie einem römischen ernsthaft-spöttischen und groben Komischen – dies ist der frühste Beleg der Beschäftigung Hegels mit der römischen Komik-Tradition. In der Phänomenologie angedeutet und in den Berliner Ästhetik-Vorlesungen ausgebaut entwickelt er aus diesem Gedanken die Abgrenzung von Komödie und Satire: Gegenüber der Komödie stellt die Satire eine neue Qualität des Verhältnisses von Sittlichkeit und Subjektivität dar. Ist die Komödie die Bewusstwerdung der Nichtigkeit der Subjektivität, die sich auch über die Depravation der politischen Ordnung heiter hinweghebt und dieser sogar ein Stück weit entgegenzuwirken sucht, macht die Satire nun das für sich geltende Sittliche als eine Welt der Nichtigkeit bewusst, über die sie sich, ihrer Überlegenheit gewiss, selbstbewusst erhebt. Ausgerüstet mit dem Stachel der Kritik schafft sie in dieser Erha60 

GW 9, S. 260.

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benheit scharfzüngige und lebendig-frivole Zeitdiagnosen, sie äußert sich im spottenden Zorn gegen eine Gegenwart, die nicht sein soll, um im Eigent­ lichen dieser Rede der Objektivität tugendhaft anempfehlen zu können, was Wirklichkeit zu sein hätte. Größer könnten die Unterschiede zwischen diesen Auffassungen, was komisch ist, nicht sein. Eingedenk solcher Bestimmungen mag es allerdings zunächst irritieren, wenn Hegel im Vorlesungssaal feststellt: »die Römer haben […] alles von den Griechen genommen«61. Oder im Kolleg 1828/29: »So ist dann in der römischen Welt keine eigenthümliche schöne Kunst. Die Römer haben sie nur aufgenommen, und keine eigenthümliche Form erfunden.«62 Berechtigt wäre die Irritation, würden solche Sätze nahelegen wollen, die Römer hätten die griechischen Formen, Gattungen, Stile, Inhalte und ihre Rhetorik bloß dupliziert, so dass es zu der soeben entwickelten Grunddifferenz zwischen griechischer und römischer Komik gar nicht hätte kommen können. Sie können aber weiter ausdifferenziert auch in eine andere argumentative Richtung weisen: Die römische Aneignung der griechischen Gattungen muss bei Hegel als eine formale Übernahme gedeutet werden, die in ihrem besten Falle, nämlich dem der Satire, zu einer eigenständigen Tradition ausgebaut werden konnte. In der römischen Kunst hat es genauso Komödien wie in der griechischen Satiren gegeben, doch in Hegels Augen gelangt die römische Komödie nicht in philosophisch bedeutungsvoller Weise über das hinaus, was von Aristophanes geschaffen wurde63; der Geist dieses Geschichtsabschnitts findet seinen idealen Ausdruck vielmehr in der satirischen Gattung, die nach ihrem griechischen Vorspiel erst in Rom auf den vollen Begriff gebracht werden kann. Nur in diesem Sinne einer totalen Verwirklichung ihres Begriffs kann Hegel Sätze verstanden wissen wollen wie »die Satyre also ist nur bei den Römern vorhanden«64. Aus einer anderen Perspektive besehen: »Die einzige 61 

Hotho (1823), S. 404. Anonymus (1828/29), Ms. S. 44r. 63  Vgl. zu diesem Aspekt Hegels Manuskript zu den Vorlesungen über die Philosophie der Religion: »So wie die Vorstellung des Gottes in seiner Ruhe, Sein fortgeht zum Kunstwerk, zur Weise des unmittelbaren Anschauens, so geht die Vorstellung des göttlichen Handelns fort zur äußerlichen Darstellung desselben in dem Schauspiel, Trauerspiel und Komödie, wie bemerkt worden. Solche Anschauung war bei den Römern nicht einheimisch, nicht auf ihrem Grund und Boden gewachsen, und indem sie dies Fremde aufnahmen, griffen sie – nach dem, was wir von ihnen haben – im Tragischen – Seneca – zum Hohlen und Grässlichen und Greulichen – ohne alle sittliche, göttliche Idee darin; in der Komödie zum gemein Komischen, zur späteren Komödie, zum gemein Komischen gänzlicher Privatverhältnisse, Geschichten zwischen Vater, Söhnen, vornehmlich Huren, Sklavinnen und Sklaven.« V 4, S. 126. 64  Hotho (1823), S. 404. 62 

Satirische Dichtung in ihrer adäquaten Form

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Kunst der Römer ist Satyre«65. Als genuin griechische haben die römischen Dichter sämtliche Gattungen aufgenommen – und im Falle der Satire ist diese Aneignung zu einem idealen Ausdruck herangereift, politisch-soziale Entwicklungen der dekadenten Kultur Roms im Modus des Ästhetischen gegenständlich und bewusst werden zu lassen. Über das heitere Komische der Griechen hinaus entwickelte sich bei den Römern eine eigenständige Komik, für deren philosophische Beschreibung Hegel sein Konzept der Überlegenheitstheorie ausarbeitet. Gleichwohl weist Hegel aber darauf hin, dass die römische wie die griechische Komik-Tradition ihren Ursprung in den dionysischen Festzügen habe.66 In der Ästhetik ausschließlich im Wintersemester 1828/29 macht Hegel ausführlichere Bemerkungen zu den »Atellanen und fescenninen«, von denen er sogar meint, dass sie als ›Farce‹ ein weiteres »Eigenthümliche[s]«67 des Komischen bei den Römern seien. Hegel beschäftigt sich also nicht nur mit der höheren, intellektuellen Komik der Satire, sondern auch mit den einfachen Formen dieses Kulturkreises. Im Unterschied zur hohen Satire sind die Fescenninen dichterischer Bestandteil der breiten Festkultur der Landbevölkerung, die in einem gewissen Sinne als Vorform des mittelalterlichen Karnevals verstanden werden kann. Die bekannteste Ausprägung solcher Feste sind die römischen Saturnalien. In seinen Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte, im Wortlaut der Freundesvereinsausgabe, sagt Hegel, diesen feierlichen Phasen im Jahr liege »die Vorstellung der Saturnischen Zeit zugrunde«, ein »Zustand, der vor und außerhalb der bürgerlichen Gesellschaft und des politischen Zusammenhanges liegt«, so dass sie als ein Ausnahmezustand begangen worden sind, in dem heiter die für »Hirtenleben und Ackerbau« relevanten Naturinhalte gepriesen wurden, »die Sonne, der Jahreslauf, die Jahreszeiten, Monate usf. mit astronomischen Anspielungen«, aber auch Inhalte wie diejenigen »der Aussaat, der Ernte […] usf.«68 Doch neben dieser heiteren Seite gibt sich an der Festkultur unverkennbar der spöttisch-aggressive Zug der römischen Welt zu erkennen, und zwar andersartig auf eine abgemildert entlastende Weise: Das Komische zeigt sich in diesem seinen Gewand der Saturnalien als unfreiwilliger Verlust, bewusste Ablehnung oder mechanische Wiederholung normaler und alltäglicher Verhaltensweisen.69 Die Welt wird für einige Tage zur ›verkehrten Welt‹, damit 65 

Libelt (1828/29), Ms. S. 89v. Vgl. zu diesem Aspekt auch den bahnbrechenden Aufsatz zur Satire allgemein von Karl Kerényi (1933), passim. 67  Anonymus (1828/29), Ms. S. 44r; vgl. Libelt (1828/29), Ms. S. 89v. 68  TWA 12, S. 355 f. 69  Vgl. Eco (2007), S. 135. 66 

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Bruchlinien der Subjektivität – Die römische Satire

sich das »spröde Selbst«70 wenigstens in dieser Phase ausgelassen von der Last realer Verhältnisse befreien und seinem Drang nach Raum in einem viel zu engen Wirkungsbereich nachkommen kann. Die Saturnalien geben das Potential für eine kompensierte Revolte frei, d. h. sie erlauben es in einem von der Macht autorisierten Rahmen, vorübergehend das Ventil zur Spannungsabfuhr zu öffnen und sich Luft zu machen: Die Herren bedienen die Sklaven, die Sklaven fühlen sich wie Herren, es werden Triumphzüge veranstaltet, bei denen die Veteranen über ihre Feldherren bissige Bemerkungen machen, das alles begleitet von burlesken Umzügen. Der Welthintergrund dieser Feste, die »abstracte Selbstständigkeit des Stoicismus«71, ist derselbe wie derjenige der Satire, hier aber entladen sich die Widersprüche nicht ungezügelt und von Wahrheit kündend im Zorn der spöttischen Komik, sondern in der verkehrtfalschen »Lustigkeit« und geistlosen »Possenreißerei«72, die zur Groteske und zum Galgenhumor ausartet. Politisch haben diese Feste eine entscheidende staatstragende Funktion, entlasten sie doch die sozial Benachteiligten von ihrem Frust über die Widersprüche des Sittlichen, auf dass sich ihre Wut keinesfalls gegen die Herrschaft richte. Solange diese Masse politisch noch nicht zu ihrem vollen Recht gekommen ist, wird die Staatsführung an der Veranstaltung von Saturnalien festhalten. In Anschluss an dieses Konzept von Lachkultur wundert sich Hegel, »daß bei den Römern jene skurrilen Tänze und Gesänge der Landfeste sich bis in die spätesten Zeiten erhalten haben, ohne daß aus dieser zwar naiven, aber rohen Form zu einer gründlichen Kunstweise wäre fortgegangen worden«73. Die Saturnalien bleiben eine regelmäßig wiederkehrende Kollektivveranstaltung zur lachenden Entlastung von sozialem Druck, ohne dass dabei höhere oder zumindest überlieferungswerte ästhetische Gestaltungen entstehen würden und ohne dass sich dabei Bewusstwerdungsprozesse ereigneten, die auf die Durchsetzung wahrer Sittlichkeit gegen den falschen Schein von Freiheit drängen. Im Unterschied zur Festkultur der Komödie als das Zelebrieren des modernen Bewusstseins des freien Demos, das auch kunstgeschichtlich Maßstäbe setzte, bleibt die karnevaleske Festkultur der Römer in Abhängigkeit von der Substanz­losigkeit des Sittlichen in ihrer Widersprüchlichkeit gefangen und dringt im Äußersten zu dieser ganz formalen und temporären Befreiung des Bürgers oder Bau-

70 

GW 9, S. 261.

72 

TWA 12, S. 356.

71 Ebd. 73 Ebd.

Überlegungen zu einer Verteidigung des Satire-Begriffs

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ern durch Lachen fort, das immer nur eine körperliche Erfahrung bleibt und bewusstlos.74

4.  Überlegungen zu einer Verteidigung des Satire-Begriffs Diese komplex entwickelte geschichtliche Deutung der Satire, die sich nahtlos an die Komödienbestimmungen anschließt, ist allerdings nicht ganz ohne Kritik heraufzubeschwören aufgenommen worden. Nicht zuletzt Geor­g Lukács führt Punkte an, in denen er Hegel entschieden widerspricht. Zum einen meint Lukács, Hegel zeichne die Satire als »eine unvollkommene Kunstgattung«, deren Kategorie des Lächerlichen danach verlange, zum wahren Komischen des Humors »geläutert« und somit in die »Versöhnung« »erhoben«75 zu werden. Zum anderen gehe mit der geschichtlichen Bestimmung der Satire als römische Form einher, dass Hegel »die revolutionäre Satire des aufstrebenden Bürgertums aus dem Bereich der Kunst«76 ausstreiche. Beiden Einwänden soll abschließend argumentativ begegnet werden. – Von einer ›unvollkommenen Gattung‹ zu sprechen, stellt sich in Anschluss 74 

Im Angesicht dieser Auffassung saturnalischer Festkultur dämpft sich die Begeisterung, mit welcher Michail Bachtin in seinen Studien das Lachen im Karneval feiert. Zwar kann mit Recht darauf verwiesen werden, in einer ›verkehrten Welt‹ erhalte das Lachen befreiende und kurzweilig Autorität und Herrschaftssystem in Frage stellende Funktion, doch wird dabei vernachlässigt, dass Auswirkungen dieser Lachkultur auf die Welt, die die ›verkehrte Welt‹ verkehrte, nicht überschätzt werden sollten, ja dass gerade wegen der formalen Abgeschlossenheit der ›verkehrten Welt‹, in der alles möglich ist, dieses jenseitige Alles im Diesseits der politischen und sozialen Wirklichkeit nichts bedeutet und die Energien, die auf die Gestaltung des Lebensweltlichen sich richten könnten, vielmehr absorbiert und wirkungslos werden. – Andererseits muss man sich gerechterweise fragen, ob im Unterschied zum Karneval wenigstens die politische Satire das umsetzen kann, was sie verspricht, d. h. ob sie tatsächlich eine realpolitische Bedrohung darstellt, weil sie mit Hilfe ihres Spotts bei den Lesern Kräfte freisetzt, die sich miteinander verbinden und unter günstigen Umständen in umstürzlerischen Handlungen verwirklichen; oder ob nicht auch sie vielmehr Ventilfunktion erfüllt und »Erleichterung aus dem Glauben an die Veränderbarkeit der Welt« schöpft. Ekmann (1981), S. 23; vgl hierzu auch Lindner (1977), S. 267 ff. 75  Lukács: W 4, S. 84 f. 76  Lukács: W 4, S. 85. – Wenn auch ohne revolutionspolitische Beigabe, wird dieser Kritikpunkt bereits bei Rosenkranz entwickelt: Dieser bemängelt die »Gezwungenheit, mit welcher er den Begriff […] der Satire« oder »des Romantischen u.s.w. immer nur mit bestimmten Idealformen und besonderen Künsten in Verbindung bringen wollte«. Rosenkranz (1844), S. 348. Hier entsteht somit ein vergleichbarer Vorwurf, Hegel verenge die Gattungsbestimmung auf einen historischen Teilausschnitt und missachte dabei alle weiteren relevanten Stufen der geschichtlichen Fortentwicklung der wesentlichen Bestimmungen.

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an die gemachten Ausführungen über die Angemessenheit der Satire für die Verdichtung der sittlichen Problematik des römischen Weltzustands als eine Verwechslung von Kunstform und objektiv-geistiger Ordnung des ›abstrak­ ten Rechtszustands‹ heraus: Nicht die dichterische Gattung der Satire ist poet­ologisch unvollkommen, sondern die politische Wirklichkeit des tyrannischen Herrschafts- und Staatssystems, das von dieser Satire reflektiert und kritisiert wird. Besieht man sich Hegels Bemerkungen zu diesem Kreis genauer, fällt auf, dass er die Gattung selber entweder gar nicht bewertet oder aber – wie angeführt – als ›adäquaten Ausdruck‹ auffasst. Eine breitere Wertung erfährt bei ihm allein der Weltzustand in allen Verzerrungen seines Dekadenzprozesses. Sollte die Satire also wirklich unvollkommen sein – was bei Hegel nirgendwo gesagt wird und hinsichtlich seines Darstellungsinteresses auch keine Bestimmung ausmachen würde –, käme ihr diese Eigenschaft bloß deswegen zu, weil sie eine vollkommene ästhetische Widerspiegelung der unvollkommenen Verwirklichung der sittlichen Vernunft ist. Als Gattung für sich selbst muss sie als Gegenteil dessen verstanden werden, als was Lukács sie bezeichnet. – Darüber hinaus führt die Satire als geistige Selbstbewusstseinsform zur Erkenntnis, dass die unvollkommene, falsche Sittlichkeit, das »Princip des Rechtszustands« als »die geistlose Selbstständigkeit«77, gegen die wahre Wirklichkeit der Freiheit ersetzt werden müsste. Dies ist allerdings nicht etwa so zu verstehen, als würde die satirische Dichtung direkt auf politische Verhältnisse wirken, indem sie die Ablösung eines Gesellschaftszustands durch einen anderen zeige. Paul Cruysberghs vergleicht in diesem Aspekt Hegels Haltung zu Fragen von Kunst und Politik mit derjenigen zu Fragen von Religion und Politik, denn wie die Religion den Staat nicht zu konkreten Gesetzen oder Institutionen führen könne, dürfe sich auch die Kunst nicht anmaßen, in Sachen Politik inhaltliche Anweisungen geben zu wollen.78 Für die archaische Epoche des antiken Griechentums, die Welt Hesiods und Homers, bestimmte Hegel noch die Funktion der ästhetischen Gestaltung, dort Sittlichkeit zu stiften, wo sich diese nicht verfestigt hat; hier kommt der Kunst tatsächlich die Aufgabe zu, eine politische Kultur zu schaffen.79 Für das römische Zeitalter aber gilt dies freilich nicht mehr – und erst recht nicht für die neuzeitlichen Staaten: Hier ist das Zepter an die Religion – Hegel sieht gerade in den Entzweiungen des Weltzustands Roms eine Voraussetzung für die Durchsetzung des Christentums – bzw. an Philosophie und Wissenschaften abgegeben worden. Dies ist das Kernargument der ›These vom Ende der 77 

GW 9, S. 261. Vgl. Cruysberghs (2010), S. 162 f. 79  Vgl. Gethmann-Siefert (1984), S. 148 ff. 78 

Überlegungen zu einer Verteidigung des Satire-Begriffs

247

Kunst ihrer höchsten Bestimmung nach‹. Wie sich aus dem § 270 der Grundlinien ergibt, wäre bereits der Anspruch ein unzulässiger, der sittliche Verhältnisse durch ästhetische Entwürfe zu rechtfertigen oder zu diskreditieren versuche, weil ein solches Unternehmen die widersprüchliche Ableitung allgemeingültiger politischer Modelle aus der Partialität und Beliebigkeit subjektiver Vorstellungen bedeuten würde, die in der modernen romantischen Kunst die bestimmenden sind. Ein Staat wird nicht durch das Fühlen und Vorstellen einzelner Künstlerindividuen gemacht, sondern durch die Arbeit der »Einbildung der Vernunft in die Realität«80. Aus diesem Grunde versteht Hegel auch die Wirkung der Satire nicht als unmittelbare äußere Umwälzung nach dem radikal subjektiven Diktat des Satirenschreibers – was zudem ein Vorgang wäre, der sich für Hegel zu keinem Zeitpunkt der Geschichte tatsächlich ereignet hätte –, sondern vielmehr als innere Umwälzung, d. h. als geistig nachhaltige Bewusstseinsbildung. Hegel verwischt also nicht das Kritische an der Satire mit einem aktionistischen Verständnis von Kunstutopie, das dieser dem Komischen insgesamt unterstellt. Das Kritische an der Satire ist für Hegel nicht die Utopie eines anderen Zustands, der ja für sich auch wieder als Partialität oder Abstraktion kritisiert werden könnte, sondern die ästhetische Erkenntnis der »Sitten der Zeit« als »eine Thorheit«, die nicht von einem heroischen Einzelindividuum aufgelöst werden muss, weil sie »sich selbst zerstört«81. Dieser Punkt kristallisierte sich bereits an der Komödie heraus: Auch Aristophanes stellt zwar Probleme dar, »aber er löst sie nicht, denn das bleibt Aufgabe der Politik«82. Rückbezogen auf Lukács’ Kritik dürfte zumindest auf der Textgrundlage der Nachschriften kein Zweifel daran gelassen werden, dass für Hegel die Welt, deren Sonne Rom ist, eine Realität der Unvollkommenheit ist, ein System der autoritären Staatsgewalt mit ausschließlich abstrakter Rechtlichkeit, in der »Alle« nur »als Jede, als Personen«83 gelten; die Gattung Satire hingegen die aggressive und dennoch angemessene Verwendung des Komischen für das politische Engagement, die sich allerdings keine falschen Illusionen darüber machen darf, schon das Verfassen satirischer Gedichte würde die Welt in eine bessere verkehren. Bezüglich des zweiten Kritikpunktes von Lukács muss ebenfalls Einspruch erhoben werden. Es sollte bezweifelt werden, dass mit Hegels geschichtlichen Bestimmungen der Satire eine darin einbeschlossene Konsequenz verbunden sein muss, »die gesamte satirische Literatur der aufstrebenden bürgerlichen 80 

GW 14,1, S. 215. Hotho (1823), S. 404. 82  Blume (1990), S. 19. 83  GW 9, S. 260. 81 

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Bruchlinien der Subjektivität – Die römische Satire

Klasse von Renaissance und Reformation (Macchiavelli, Rabelais, Ulrich von Hutten etc.) bis zur Französischen Revolution einfach aus der Ästhetik aus[zu streichen]«84. Der Meinung Lukács’ kann so weit zugestimmt werden, dass Hegel dieser Tradition der neuzeitlichen Satire keinen größeren Raum in seinen Vorlesungen gibt; und vielleicht muss ihm auch darin zugestimmt werden, dass diese Lücke einer Kunstphilosophie zum Vorwurf gemacht werden kann, die sich mit Totalitätsanspruch ihrem Gegenstand widmet, obwohl Hegel sich natürlich darüber im Klaren war, immer eine Selektion des empirischen Materials vornehmen zu müssen. Hegel ist allerdings nicht bestrebt, diese Tradition ›auszustreichen‹; er behauptet nicht, sie würde es nicht geben, er verleugnet sie nicht  – ihr wird lediglich keine weitere Aufmerksamkeit geschenkt, weil er geschichtsphilosophisch mit der römischen Satire die Gattungsbestimmungen bei ihrem wesentlichen Gehalt in seiner wesentlichen Entfaltung angekommen sieht. Hegel sagt nicht, ›Eine neuzeitliche bürgerliche Satire gibt es nicht‹, er verfolgt bloß die Entwicklungen in Renaissance und Reformation nicht weiter, weil sie in Rom ihren Begriff bereits erreicht haben. Lukács unterschlägt jedoch, dass sich Hegel durchaus für die Frage nach der zeitgenössischen Satirendichtung interessiert und die Antworten auf sie von einem Ästhetik-Kolleg zum nächsten immer etwas ausführlicher werden. Bezogen auf seine Gegenwart sagt Hegel eben nicht, ›In der Moderne kann es keine Satiren mehr geben‹, er wundert sich lediglich und findet es 1823 »merkwürdig, daß es zu unserer Zeit keine Satyrn mehr giebt«85. Das ist ein Unterschied. Hegel behandelt die Satire in seinen begrifflichen Ausführungen zwar als eine historische Gattung, um deren Wiederbelebung zu zeitgenössischer Adäquatheit es schlecht bestellt sei.86 Begründet wird dieser Umstand mit der Feststellung, »es gehören dazu allgemeine Grundsätze, die ganz fest stehen gegen eine Gegenwart, die dem nicht entspricht«87. Eine Gegenwart wie diejenige Hegels, in welcher die Rechtlichkeit nicht bloß innerlich in der subjektiven ›Idee des Guten‹ verwirklicht ist, sondern der wahre Begriff der Freiheit als institutionell objektiv gewordene gegenseitige Anerkennung der Einzelwillen sich in der Sittlichkeit weiß, wäre die politische Satirendichtung eine verfehlte Gestaltung. Doch in den exemplarischen Anteilen seiner Theo­ 84 

Lukács: W 4, S. 84. Hotho (1823), S. 405. 86  Vgl. die bereits zitierte Stelle bei Hotho (1823), S. 405; vgl. auch von der Pfordten (1826), S. 158: »Jetzt sind eigentliche Satiren im römischen Sinne, nicht mehr persönliche Satiren aktuell«; Kehler (1826), S. 134: »Satiren sind heutigentags als Genre nicht mehr vorhanden«. 87  Kehler (1826), S. 134. 85 

Überlegungen zu einer Verteidigung des Satire-Begriffs

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rie der Satire betrachtet Hegel diesen Aspekt in verändertem Lichte. Hier deutet er durch den Verweis auf ein konkretes Werk an, wie jenseits des für die Satire diskreditierten Politischen die Gattung aktualisiert werden kann. In mehreren Nachschriften – derjenigen Aschebergs von 1820/21, Kehlers von 1826 sowie Libelts und des anonymen Schreibers aus dem Jahrgang 1828/29 – ist überliefert, dass es moderne satirische Dichtungen gebe, die beispielsweise den Gegenstand Christentum »auf eine leichtfertige Weise«88 behandeln. Konkret gemeint ist dabei das Versepos La Guerre des Dieux anciens et modernes in zehn Gesängen von Évariste de Parny (1753–1814).89 Dass Hegel sich als Beispiel dieses Werk ausgesucht hat, das an Blasphemie und Spott nur schwer zu überbieten ist und in die Haupthandlung eines Streits zwischen den Göttern des Olymp und denen der christlichen Dreifaltigkeit Szenen einstreut wie den obszönen Auftritt der von Priap angeführten Satyrn, deren Derbheit weggetauft werden soll, damit sie gezähmt in asketische Mönche verwandelt werden können, beweist, dass er auch für seine Gegenwart an der Bestimmung des bissigen, zornigen und aggressiven Spotts der Satire festhält. Hegel stellt dies folgendermaßen dar: »Die Nonnen die Jungfrau Maria werden von Faunen verführt, die Mönche von Bacchantinnen. Die Dreifaltigkeit verlacht.«90 Das Beispiel demonstriert, was für Hegel zu den angemessenen Objekten der zeitgenössischen Satire gezählt werden kann: Die Vorstellungen des Katholizismus, die in tausend Erscheinungen an der Verwechslung von Endlichkeit mit Unendlichkeit leiden, die Entsagung predigen, aber es immer nur mit dem Sinnlichen zu tun haben, die sich nach einem Jenseits sehnen, aber stets das ganz Irdische erhalten und in ihm gefangen bleiben. Hegels überraschende Öffnung, die Geschichte der Satirendichtung in seine eigene Epoche hinein weiterzuschreiben, ist eine lebendige Fortsetzung der Tradition, ohne dass ihr dabei für heutige Zeiten notwendig dieselbe politische Funktion oder derselbe inhaltliche Themenkreis eigen sein müssen. Bisher ist dieser nicht unerhebliche Aspekt aber leider von niemandem wahrgenommen worden, weil er in Hothos Edition keinen Eingang gefunden hat. Mit diesem letzten Aspekt aber, der Problematisierung einer Fortsetzung der literarischen Tradition der Satire in Hegels Gegenwart hinein, ist zugleich eine allgemeine Fragestellung angestoßen worden, mit welcher sich Hegel in seiner Ästhetik mit einem großen Darstellungsinteresse auseinandersetzt 88 

Libelt (1828/29), Ms. S. 88r. Ascheberg (1820/21), S. 99; Kehler (1826), S. 134; Anonymus (1828/29), Ms. S. 43v. 90  Libelt (1828/29), Ms. S. 88v. 89  Vgl.

250

Bruchlinien der Subjektivität – Die römische Satire

und die in der vorliegenden Untersuchung noch nicht ausreichend beleuchtet worden ist. Die Frage wird offenkundig unvermeidlich und folgt daraus von selbst: Worin liegt aus der Perspektive der klassischen Formen Komödie und Satire die Zukunft des Komischen? Wie lässt sich das Komische in der Kunst der Neuzeit bis in Hegels bürgerliche Gegenwart hinein bestimmen? Hegel beschäftigt sich nämlich nicht nur 1828/29 mit der Option einer zeitgenössischen Satire, sondern in viel größerem Maße nimmt die Frage nach der Option einer modernen Komödie schon im Naturrechtsaufsatz und vor allem in den Vorlesungen über die Philosophie der Kunst Raum ein. Unter Bezug auf die bisher festgehaltenen Kriterien des Komischen bei Hegel soll somit im folgenden Kapitel die Theorie der modernen komischen Dramatik in den Blick genommen werden.

VIII.  ZUR AUFFÜHRUNG GEBR ACHTE PARTIKULARITÄT – OPTIONEN DES KOMISCHEN THEATERS IN HEGELS GEGENWART Vergleichbar der Position Friedrich Schlegels in dessen Aufsatz Vom ästhetischen Werthe der Griechischen Komödie von 1794 versteht Hegel die alte Komödie als unüberbietbare Form und Aristophanes als ihren unüberbietbaren Dichter.1 Dennoch ist er davon überzeugt, dass die innovative Weiterbildung des Gattungsbegriffs beliebig in die Moderne hinein verlängert werden könne. Das ist kein Widerspruch, sondern der Anspruch einer geschichtsphilosophisch fundierten Deutung des neuen Lustspiels. Hegel geht von der Unnachahmlichkeit der antiken Komödie aus, wenn er in der Phänomenologie des Geistes feststellt, in ihr drücke sich »ein Wohlseyn und Sich-wohlseynlassen des Bewußtseyns« aus, »wie sich ausser dieser Komödie keins mehr findet«2. Dem Aristophanischen Theater kommt ein historischer Sonderstatus zu, da es am Ende der klassischen und somit überhaupt der im engeren Sinne schönen Kunst steht und wegen seiner gelungenen Veranschaulichung dieses neuralgischen Punktes im Entwicklungsprozess des Geistes den Zenit in der Komödiengeschichte ausmacht. Um darüber hinaus die Kunstphilosophie bis zur neuzeitlichen Fortsetzung dieser Form weiterschreiben zu können, benötigt Hegel ihren klassischen Begriff als geschichtlichen wie begrifflichen Bezugspunkt, in welchem sich die wesentlichen Momente bereits entfaltet haben, damit die modernen Bestimmungen in der Absetzung von ihnen elementar gewonnen werden können. Mit diesem Unternehmen ist verbunden, dass Hegel die moderne Komödie keineswegs mit der Unterstellung abhandelt, sie wolle das vergangene Unerreichbare lediglich wiederholen, im Gegenteil: Gerade weil er sie nicht als dürftige Nachahmung der Antike begreift, gesteht er ihr zu, in andersartiger Gestaltung die Fortsetzung »in vertiefterer Fülle und Innerlichkeit des Humors«3 zu sein. So konturiert 1 

Vgl. Schlegel: KA I, 1, S. 19 ff. Schlegel schreibt, »nichts entspricht so ganz dem Ideal des reinen Komischen, als die alte Griechische Komödie. Sie ist eins der wichtigsten Dokumente für die Theorie der Kunst; denn in der ganzen Geschichte der Kunst sind ihre Schönheiten einzig, und vielleicht eben deswegen allgemein verkannt.« (S. 20) Weiterhin hebt Schlegel allerdings auch kritisch einige Charakterzüge hervor, die ihm als nicht gelungen erscheinen. Diese Position lässt sich durchaus in Bezug setzen zur drei Jahre später veröffentlichten, wirkungsmächtigen Abhandlung Ueber das Studium der griechischen Poesie, in welcher Schlegel ebenfalls für die Unnachahmlichkeit der Alten wirbt. Vgl. hierzu auch Behler (1999), S. 123 ff. 2  GW 9, S. 399. 3  TWA 15, S. 572.

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Zur Aufführung gebrachte Partikularität

sich der für Hegels Ästhetik insgesamt zentrale Gedanke, der eine besondere Leistung dieses Ansatzes ist, man würde die jeweilige historische Besonderheit der Formen bis zur Ununterscheidbarkeit verwischen, wenn man die moderne Komödie nicht in Beziehung auf ihre klassische Vorform definieren und als abhängig von dieser begreifen würde. Insofern ist für Hegels Theorie des modernen Lustspiels zu betonen, dass er einerseits an der jeweiligen begrifflichen Eigenständigkeit von Alt und Neu festhält, ihre Bestimmungen aber andererseits nicht als voneinander zu lösende, sondern aufeinander bezogene versteht. Wenn von diesem bisher unberücksichtigten Aspekt die Rede ist, stellt sich sogleich die Frage: Was ist für Hegel auf der konkreten Ebene einzelner Werke der Literaturgeschichte die moderne Komödie? In der Durchsicht sämtlicher Nachschriften und Editionen der Vorlesungen über die Philosophie der Kunst nach den von Hegel für den neuzeitlichen Zweig der Gattung herangezogenen exemplarischen Stücken wird es augenscheinlich, dass er dabei offenbar nicht die zeitgenössische deutsche Komödie vor Augen hat: Zwar schreibt er eine sehr anerkennende Rezension des Lustspiels Die Bekehrten von Ernst Raupach, auf die in diesem Kapitel noch ausführlich einzugehen sein wird, und erwähnt im Vortragssaal die Stücke Augusts von Kotzebue; doch diese restaurativ-reaktionären Werke des russischen Generalkonsuls konnten Hegel keineswegs überzeugen, weil sie als dramatisierte Ironie leere Subjekte, allesamt unmündige, unselbständige und zu belehrende Figuren, vorführen, den Zuschauer bewusst vom Bühnengeschehen ausschließen, daher die Selbstreflexivität unterbinden und dabei versuchen, eine Illusion von Wirklichkeitstreue, eine Abspiegelung gemeiner Realität entstehen zu lassen.4 Über diese dürftigen Exempel hinaus erwähnt Hegel zur Untermauerung seiner begrifflichen Darstellung keine deutschsprachigen Stücke, nicht diejenigen Goethes5 und nicht diejenigen der Romantiker, weder Tiecks Der 4 

Vgl. zu Hegels Auseinandersetzung mit Kotzebue: Ascheberg (1820/21), S. 213; TWA 13, S. 347, 373; TWA 14, S. 224 f.; TWA 15, S. 530; vgl. zur »Ironie« seiner Charaktere Kehler (1826), S. 146; vgl. weitergehend zu Kotzebues Komödienkonzept Catholy (1977), S. 33. 5  Obwohl Hegel in seiner Ästhetik eigentlich keine Dichtungsart Goethes unberücksichtigt lässt – er beschäftigt sich mit dem Faust und den großen Trauerspielen Götz von Berlichingen, Iphigenie auf Tauris und Torquato Tasso, sämtlichen seiner Gedichte, der Idylle in Hexametern Hermann und Dorothea, den Romanen Werther, Die Wahlverwandtschaften und beiden Teilen des Wilhelm Meister –, nimmt er hingegen von seinen Komödien bzw. den Komödienanteilen etwa des Faust keinerlei Notiz. Vergegenwärtigt man sich, was für ein begabter Lustspieldichter Goethe in Die Mitschuldigen, dem Jahrmarktsfest zu Plundersweilen, Ein Fastnachtsspiel vom Pater Brey, Götter, Helden und Wieland, Hanswursts Hochzeit oder Der Lauf der Welt, Der Triumph der Empfindsamkeit und dem Singspiel Scherz, List und Rache ist, muss Helmut Prang entschieden widersprochen werden, die Klassik sei »im Grunde humorlos und komödienfremd«. Prang (1968), S. 183.

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gestiefelte Kater (1797) noch Die verkehrte Welt (1798) noch Clemens Brentanos Ponce de Leon (1804), auch nicht Kleists Amphitryon von 1807 oder Der zerbrochene Krug von 1811. Ebenso zu den früheren Aufklärungskomödien Minna von Barnhelm Lessings von 1767 bzw. Jakob Michael Reinhold Lenz’ Der Hofmeister und Der neue Menoza, beide von 1774, schweigt er. Ob der Grund für dieses Schweigen im Umstand gesucht werden muss, dass die Komödie sich zu Hegels Zeit in Deutschland noch nicht vollständig hat durchsetzen können, weil an Ländern wie Frankreich gesehen werden kann, dass sie eine einheitliche Nation als gesellschaftliche Grundlage voraussetzt, bevor sie sich einiger Beliebtheit und literarischer Anerkennung erfreuen kann, bleibt natürlich strittig und kann nicht mit Nachdruck behauptet werden.6 Auch die Tatsache, dass die Komödientheorie noch bis 1800 stark klasVielleicht trifft dieses Urteil weniger für die Klassik selbst als vielmehr für die KlassikForschung der 50er, 60er und 70er Jahre des 20. Jahrhunderts zu. Vgl. demgegenüber zu Goethes leidenschaftlichem Komödienschaffen: Stern (1986), S. 191 ff.; Weiss-Schletterer (2005), passim. – Besonders gelungen ist das kleine Lustspiel Der Triumph der Empfindsamkeit, das den gekünstelten Enthusiasmus, die Feinsinnigkeit sowie Konvenienz und Etikette gehörig lächerlich macht: Ein Prinz lernt die ideale Frau kennen, Verkörperung all seiner Wünsche, kein unangemessenes Wort kommt ihr über die Lippen, kein unziemliches Verhalten zeigt sich an ihr, vom Prinzen gedeutet als guter Geschmack, zarte Seele, beste Manieren. Erst gegen Ende wird ihm sehr zu seiner Schande entdeckt, dass sie bloß eine reglose Gliederpuppe und er getäuscht ist. – Theoretisch hingegen hat sich Goethe zum Komischen und zur Komödie nur ein einziges Mal explizit geäußert, und zwar in Bezug auf Aristoteles, in der Nachlese zu Aristoteles’ »Poetik« von 1827. – Da Goethe in beiden dramatischen Modi zu Hause gewesen ist und gelegentlich die tragische mit der komischen Tonlage durcheinander mischt, meint Bertolt Brecht ganz berechtigt, er sei der letzte deutsche Dichter, der zwei grundsätzlich voneinander zu unterscheidende Linien, die ›pontifikale‹, etwa Hölderlins Poesie, und die ›profane‹, etwa Heines literarisches Konzept, in seinem Werk harmonisch zusammenführe. Es könnte diskutiert werden, ob Brecht – hierin liegt die eigentliche Intention seiner Unterscheidung – tatsächlich darin zugestimmt werden kann, in seinen eigenen Gedichten und dramatischen Werken erneut das zum Gelingen gebracht zu haben, was zuletzt Goethe erfolgreich einlösen konnte. Vgl. Gernhardt (2004). 6 Vgl. zum sozialen Hintergrund der Komödie in Deutschland um 1800 Roche (2002/03), S. 100. – Madame de Staël bemerkt dazu in ihrer Schrift De l’Allemagne von 1813 (2. Aufl. nach der sofort von der Napoleonischen Zensur verbotenen ersten von 1811), die Hegel im französischen Original besaß, dass die unterentwickelte deutsche Komödie ihre Komik vornehmlich aus originellen Naturen und weniger aus gesellschaftlichen Stoffen entwickele. Begründet wird diese sicherlich zutreffende Feststellung mit ebendiesem Verweis auf die deutsche Kleinstaatlichkeit, denn wo eine ›despotische Hauptstadt‹ fehle, lebe jeder Bürger frei auf seine private Eigenart: »On n’a donc pas beaucoup d’exemples en Allemagne de comédies dont les ridicules que la société développe soient l’objet. L’originalité naturelle y seroit mieux sentie, car chacun vit à sa manière dans un pays où le despotisme de l’usage ne tient pas ses assises dans une grande capitale; mais quoique l’on soit plus libre sous le rapport de l’opinion en Allemagne qu’en Angleterre même, l’originalité anglaise a des couleurs plus vives, parce que le mouvement qui existe dans l’état

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sizistisch geprägt war und die im Diskurs relevanten Autoren wie Aristophanes, Plautus und insbesondere Terenz erst langsam von den neuen Klassikern verdrängt werden konnten – was eine Weile die moderne poetologische Neubegründung verhinderte –, mag eine nicht unerhebliche Rolle gespielt haben. Angesichts der aufgelisteten Stücke, die nur eine kleine Auswahl sind und über den Tod 1832 hinaus zahlreiche weitere Artverwandte gewinnen werden, müsste Goethes Einschätzung im Aufsatz Weimarisches Hoftheater von 1802 dagegen als zu kurzsichtig eingestuft werden, die Deutschen hätten in Dichtung und Philosophie wegen ihrer ernsthaften Natur wenig Sinn für das Komische.7 Auch dieser Punkt will als Erklärung für Hegels Schweigen wohl nicht überzeugen, jedenfalls nicht ohne Zweifel. – Zweifelsohne kann allerdings festgestellt werden, dass die großen und weltliterarisch bedeutsamen modernen Komödien in Hegels Auffassung nicht auf Deutsch, sondern auf Französisch und Englisch gedichtet worden sind: Als die glänzenden Beispiele erscheinen ihm nämlich allen anderen voran die Komödien Molières und, trotz überschwänglichen Lobes eher randläufig behandelt, diejenigen William Shakespeares. An ihren Stücken schult Hegel sein Urteil über die moderne Ausgestaltung der Gattung und stellt diese in jenen verkörpert der alten klassischen Komödie gegenüber. Auf diese exemplarischen Gestaltungen hat sich das Hauptaugenmerk zu richten. Eine besondere Ausnahme stellt in diesem thematischen Rahmen allerdings noch Dante Alighieris 1320 beendetes Hauptwerk La Divina Commedia dar, mit dem sich Hegel ebenfalls im Zusammenhang der Bestimmungen der Komödie auseinandersetzt. Selbstverständlich weiß Hegel, dass diese Dichtung keine Komödie im klassischen Sinne ist, nicht einmal dramatische, sondern epische Form besitzt und vorerst dem Titel nach eine Anlehnung politique en Angleterre donne plus d’occasion à chaque homme de se montrer ce qu’il est.« De Staël (1813), S. 266 f. 7  Vgl. Goethe: SW 6,2, S. 701. Sein Kollege Schiller liefert ihm unbeabsichtigt – und von Goethe unbeachtet – einen Beleg für dessen These von den unkomischen Deutschen, wenn er an seinen Freund Theodor Körner schreibt, seine Zeit sei reif für die Abfassung einer guten Komödie, er wolle dies aber wegen der grundsätzlichen Ernsthaftigkeit seines Gemüts lieber nicht wagen. Vgl. dazu Schillers Brief an Körner vom 13. Mai 1801 in: Schiller: NA 31, S. 36. Vgl. hierzu Hinck (1977b), S. 11. – Robert Gernhardt stimmt Goethes Einschätzung wenigstens so weit zu, als dass er meint, die »Deutschen gelten im In- und Ausland als humorlos, was gerne damit begründet wird, daß ihnen ein großer Lustspieldichter vom Schlage eines Shakespeare ebenso fehle wie ein großer komischer Roman vom Range des ›Don Quichote‹«; wer aber der deutschen Dichtung wirklich kundig sei, der verweise darauf, »daß sich eine seit Lessings Tagen nicht abgerissene Kette komischer Gedichte durch die deutschsprachige Hochliteratur zieht, welche in dieser Dichte und Qualität in keiner anderen kontinentaleuropäischen Nationalliteratur zu finden ist«. Gernhardt (2004). – Auf komische Lyrik bezieht sich Hegel allerdings an keiner Stelle.

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darstellt. Doch dieser Titel ist kein oberflächlicher Verweis, er besitzt einen tieferen Gehalt: Hegel stellt heraus, dass Dante zumindest insofern eine Komödie geschrieben habe, als dass auch hier der Mensch selber »sein ewiges Schicksal bestimmt«, der Einzelne in seiner »Partikularität«8 erscheine und dennoch alles Wesentliche an sich selbst vollbringe. Das hatte Hegel auch an der alten Komödie herausgearbeitet. Dante schenkt in Zeiten weltentrückter geistiger Versunkenheit, des Ernstes und der leiblichen Erhabenheit als Inhalte des künstlerischen Ausdrucks des christlichen Mittelalters seinen Lesern einen Gesang, der sich, ganz unüblich der dichterischen Welt des Komischen verwandt, dem Niederen und Endlichen widmet, bis hin zur nackten Körperlichkeit, zumindest bezüglich des Höllenkreises und Fegefeuers in den beiden ersten Teilen des Epos; zwar keinesfalls heiter, wenn es um die ausführlich dargestellten Schrecken und Grausamkeiten geht, die das Ich mit ansehen muss, doch insbesondere das glückliche Ende, die Befreiung aus dem Jammertal des Todes, dürfte wiederum nur aus der komischen Gattung vertraut sein.9 Hegel erkennt genau, in welchen Attributen der Dichtungskonzeption Dante sich der Komödienform annähert und in welchen nicht.10 Gleichwohl spielt seine »Kunstepopöe«11 des Katholizismus für Hegel in der näheren Behandlung der modernen Komödie keine weitere Rolle.

1.  Der Held, der nicht lachen kann – Bestimmungen des Lustspiels Es ist einleitend erörtert worden: von einer ›modernen Komödie‹ zu reden, verspreche nur dann sinnvoll zu sein, wenn man sie zu ihrem geschichtlichen Gegenstück in ein kontrastives Verhältnis setzt; Hegel handelt die neuzeit­  8 

TWA 14, S. 214. zur Frage, warum Dante sein Werk eine ›Commedia‹ genannt hat, auch Schellings Abhandlung Ueber Dante in philosophischer Beziehung aus dem Kritischen Journal der Philosophie, welche sich in der Zeitschrift direkt an Hegels Naturrechtsaufsatz anschließt. GW 4, S. 486: »Komödie nannte er sie, nach den einfachsten Begriffen von dieser und der entgegengesetzten Gattung, wegen des furchtbaren Beginns und des glücklichen Ausgangs und weil die gemischte Natur seines Gedichts, dessen Stoff bald erhabener bald niedriger ist«. Ergänzt werden sie noch um die Bemerkung, dass auch Dantes Sprache, eben nicht Latein, sondern das Altitalienische, als Sprache des Volkes, in vollendeter poetischer Formung der passende Ausdruck der einfachen als literarisch hohe Form ist, denn die ›gemischte Natur des Gedichts‹, von göttlichen Dingen zu handeln und ebenso von der Individualität und Willkür des Endlichen, mache »auch eine gemischte Art des Vortrags nothwendig«. Vgl. zur Dante-Rezeption Hegels und Schellings Baptist (1994). 10  Vgl. Paolucci (1978), S. 91. 11  TWA 15, S. 413.  9 Vgl.

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liche Form in Gegenüberstellung zum Theater des Aristophanes ab und entwickelt aus dessen Charakteristik den Maßstab für das Weitere. Um 1800 – lange vor der modernen literaturwissenschaftlich strengeren Unterscheidung – wurden die Bezeichnungen ›Komödie‹ und ›Lustspiel‹ weitestgehend synonym verwendet; bei Hegel lässt sich aber erkennen, dass immerhin ›Komödie‹ die zeitübergreifende Gattung meint, während ›Lustspiel‹ sich vornehmlich auf die neuzeitliche Gestalt bezieht. Für eine erste Annäherung an das, was Hegel in Abgrenzung von der alten Form als ›Lustspiel‹ bezeichnet, können Bestimmungen aus den Vorlesungsnachschriften dienlich sein, die zunächst einen für die romantische Kunstform der Moderne recht komödienkritischen Begriff ergeben. Im fortgesetzten Verlauf der Untersuchung, vor allem unter Hinzuziehung weiterer Ausführungen Hegels aus anderen Schriften, wird sich sodann ein vielschichtiges Bild zeichnen lassen, in welchem das negative Urteil zum bloßen Moment herabgesetzt ist, auch wenn die skeptische Haltung dabei keinesfalls aufgehoben wird. Die Einschätzung Hegels erweist sich im Durchgang durch die verschiedenen Gesichtspunkte als eine bewegliche Position, die in einzelnen Phasen der ästhetischen Beschäftigung die Möglichkeiten modernen Komödiendichtens jeweils leicht verändert resp. als Ergebnis eines abweichenden Darstellungsschwerpunkts eingestuft hat. Es wird zudem aber darauf ankommen, nicht den verkehrten Eindruck zu erwecken, als handele es sich bei der entwicklungsgeschichtlich in Veränderung begriffenen Theorie der modernen Komödie um eine Folge von untereinander heterogenen Einzelurteilen – eine Auffassung, die in der schmalen Forschungsliteratur dazu bisweilen kursiert.12 Ertragreicher ist es, alsdann nach einem durch alle Etappen hindurch konstanten Verständnis Hegels zu fragen und scheinbare Widersprüche auf ihre immanente Inte­ grierbarkeit abzuklopfen. Noch im Kolleg des Wintersemesters 1820/21 wählt Hegel ein Kriterium zur Unterscheidung zwischen alter und neuer Komödie, das in den darauffolgenden Jahren in dieser Form nicht mehr auftaucht, weil es zu einem allgemeineren Aspekt ausgearbeitet wird. Im ersten Berliner Ästhetik-Jahrgang konzentriert sich Hegel zur Abgrenzung noch auf folgende Bestimmung: »Die Comödie hat verschiedene Formen, sowohl im Modernen, als im Antiken. Die Trennung bezieht sich auf den Unterschied, wie das Interesse zerstört wird durch die Subjectivität.«13 Auch im Hinblick auf den thematischen Schwerpunkt der sich anschließenden Ausführungen kann trotz offen bleibender Fragen zu dieser knappen Bemerkung zumindest festgehalten werden, 12  13 

Vgl. Kraft (2010), passim; Kraft (2011), S. 304 ff. Ascheberg (1820/21), S. 213.

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dass Hegel offenbar die Weise des Verfolgs und der Zerstörung des Handlungszwecks zum Kriterium der Unterscheidung macht. Bei den Stücken der Alten begegnet dem Leser Hegel keine ernsthafte Durchführung ernsthafter Inhalte, denn für die Vernichtung des Nichtigen galt: »Dabei geht aber nichts zu Grunde; und was auch zu Grunde geht, ist von Haus aus nichtig.«14 Im Unterschied zu dieser sorgenlosen Zerstörung der Interessen ist eine heitere Ernstlosigkeit in der modernen Komödie keineswegs garantiert oder handlungsbestimmend. Beispielsweise Harpagon in Molières L’Avare (1668; dt. Der Geizige) ist seinem Wesen nach so tief von Geiz durchdrungen, dass er sogar bedenkenlos dazu bereit ist, einem lukrativen Handel das Wohlergehen seiner Kinder zu opfern. Die Charaktereigenschaft wird ins Paradoxe getrieben, wenn sich herausstellt, dass er nicht einmal dazu in der Lage ist, nur für einen Augenblick und nur einen winzigen Teil seines geizig zusammengehaltenen und ständig vermehrten Reichtums für sich selber oder seine Familie zu nutzen, das Geld also als Mittel zum Zweck zu verwenden. Er häuft an um der Anhäufung willen. Das Mittel ist ihm reiner Selbstzweck. Er ist ein Besessener. So zeigt sich an diesem Beispiel, dass Harpagons Zwecke mit der größten und ungebrochenen Ernsthaftigkeit verfolgt werden, denn sie sind schlechthin unzerstörbarer Inhalt seiner Existenz und seines individuellen Strebens, denen alles Weitere untergeordnet wird. Sein selbstdistanzloser und unermüdlicher Ehrgeiz bei der Verwirklichung der eigenen Ziele greift daher ebenso auf das Schicksal der Mitmenschen über, die in seinem Wirkungskreis stehen. Ein solcher Mensch ist unfähig, sein Tun als wesenlose Nichtigkeit zu erkennen und wie der alte Komödienheld heiter in seinem Lachen zu vernichten. In der Ästhetik-Edition Hothos ist der Herausgeber auch diesem Gedanken nachgekommen und bemerkt demgemäß, den komischen Individuen sei es »mit ihrem Zwecke bitterer Ernst«; sie »verfolgen ihn deshalb mit allem Eifer dieser Ernsthaftigkeit«15. Das 1820/21 nur grob umrissene Kriterium baut Hegel 1823 zu einer pointierteren Bestimmung aus und gibt ihr dabei eine deutliche Signifikanz: Wie Hotho Hegel in diesem Sommersemester überliefert, wird das moderne Lustspiel ausschließlich nach seinem Unterschied zur alten Komödie behandelt. Zu diesem Behufe stellt Hegel grundsätzlich heraus, man müsse »beim Komischen unterscheiden, ob die Personen für sich selbst komisch sind oder nur für uns«16. Hier greift er die Bestimmung des ernsthaften Verfolgs der Zwecke von 1820/21 auf und fragt nach der Perspektive, aus welcher dieses 14 

Ebd., S. 214. TWA 15, S. 569. 16  Hotho (1823), S. 509. 15 

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Handeln komisch erscheint. Er meint nämlich, es gebe »eine Menge Thorheiten, die nur für ein drittes Bewußtsein comisch sind«, so dass man etwa in den »Molierschen Stücken«, aber auch »in spanischen« Komödien sehen könne, wie etwas »comisch für uns« sein kann, »während es jenen bittrer Ernst ist«17. Gegenüber der antiken Komödie, wo die Handelnden ihre Zwecke selber unernst verfolgen und sich demnach heiter selbst verlachen können, weil sie sie als nichtige durchschauen, erscheinen die Figuren der modernen Komödie nur dem Publikum als komisch und werden von diesem verlacht, ohne dass sie in dieses Lachen einstimmen können. Der komische Held kann selber nichts Komisches an seinem Tun finden, weil er es mit ironiefreier Ernsthaftigkeit bis zum Schluss ausführt. 1823 arbeitet Hegel somit erstmals seinen zentralen Gedanken der Perspektivität des Komischen aus, durch welche besagt ist, dass sich hinsichtlich des gemeinsamen Lachens als Kollektiverfahrung des antiken Theaters in der Moderne ein Bruch zwischen Figur und Publikum ereignet, das Lachen nunmehr der Menge vorbehalten ist, die umso mehr lacht, je ernsthafter die unfreiwillig komische Figur sich in ihre Interessen verstrickt. Hotho dokumentiert in seinen Ästhetik-Bänden für die Freundesvereinsausgabe dazu, Hegel sehe diesen Bruch bereits »in der neuen griechischen Komödie und danach bei Plautus und Terenz« gemacht, was »sodann im modernen Lustspiele zu so durchgreifender Gültigkeit kommt«18. Bereits im Kapitel über Epos und Komödie in der Phänomenologie des Geistes ist im Zusammenhang des Lachens der Götter, das ins Menschliche als dessen Heimat zurückkehrt, festgehalten worden, dass in Hothos Edition zwischen den Begriffen ›komisch‹ und ›lächerlich‹ unterschieden wird. Auch wenn in keiner Nachschrift der Hegel-Schüler eine solche begriffliche Differenzierung vorgenommen wird, sich zudem durch keinen von Hegel autorisierten Text eine solche terminologische Verwendung belegen lässt und man geneigt sein könnte, diese Passage der freien Ergänzung des Hegelschen Wortes als Hothos eigene Zugabe zuzuordnen, bezeichnet doch das ›Lächerliche‹ etwas, das durchaus einen wichtigen Aspekt der Ästhetik Hegels ausmacht: dass der zornige Spott der Satire in gewisser Weise dem Prinzip des Lächerlichen zugerechnet werden kann, weil er immerhin Gefahr läuft, in eine Beliebigkeit des verlachten Gegenstands abzurutschen, also fähig sein kann, jeden Inhalt, den wesentlichsten und nichtigsten, als Torheit und Albernheit erscheinen zu lassen. Darauf verweist der Text der Edition.19 Hotho wird 17 

Ebd., S. 509. TWA 15, S. 569. 19  Vgl. ebd., S. 527 f. 18 

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allerdings definitorisch unsauber, wenn er meint, die Satire verfahre tatsächlich so willkürlich, dass sie alles zu einem »Kontrast des Wesentlichen und seiner Erscheinung«20 mache. Anhand der Nachschriften konnte herausgearbeitet werden, dass Hegel diese Gattung sehr wohl anerkennt, weil sie eine berechtigte substantielle Kritik an substanzlosen sittlichen Verhältnissen übt, sie sich also in der Tat auf Nichtiges in der Sphäre des objektiven Geistes bezieht. Hotho wird Hegel jedoch wieder darin gerecht, mit derlei Ausführungen darauf zu deuten, dass das Komische der Komödie nur dann wahr und nicht bloß Lächerliches ist, wenn es ein Ausdruck der heiteren, selbstzufriedenen Subjektivität als freies Selbstbewusstsein ist, das sich gerade im selbstbezogenen Lachen seiner bewusst und sicher ist. Es ist ja gezeigt worden, dass die alte Komödie in ihrem substantiellen Ausdruck ein Individuum vorführt, das sich über den Verfall einer Welt in Unwesentlichkeit hinweg selbst bewahrt und bestärkt. In den Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte fokussiert Hegel, Aristophanes sei »kein gewöhnlicher Possenreißer, Lustigmacher, seichter Spaßvogel gewesen, […] Ehrwürdiges bespotten, ist kahl und platt«; ein »elender Witz ist der, welcher nicht substantiell ist, nicht auf Widersprüchen beruht, die in der Sache selbst liegen«, so dass es nicht möglich sei, »an etwas Spott äußerlich anzuhängen, das nicht den Spott seiner selbst, die Ironie über sich, an sich selbst hat«21. Die Satire atmet noch diesen Geist des antiken Komischen, wenn sie sich auf die Widersprüche des tyrannischen Staatsgebildes richtet, spielt aber durch eben diesen erstarrten und die Entzweiung verhärtenden Welthintergrund in die Willkür des Lächerlichen hinüber, weil sie keine Subjektivität in ihrer heiteren Bestärkung, sondern das wütende Ich zu seinem individuellen literarischen Prinzip hat, das aus seiner vereinzelten Tugend heraus der Objektivität das Gute zur Vorschrift macht. Die Kritik an den politischen Zuständen ist berechtigt, doch es wird überheblich, die subjektive ›Idee des Guten‹ als individuellen Inhalt zu einem allgemeinen Sollen aufzublähen. An der Wirklichkeit scheitert diese Idee. Die moderne Komödie schließlich zeigt gegenüber der antiken ebenfalls eine veränderte Einstellung zum für sich nichtigen Gegenstand. An Hegels Beispiel des Geizigen wird ein Handeln sichtbar, das ganz klassisch keineswegs substantielle, sondern ebenso bloß nichtige Zwecke zur Grundlage hat. Unter dem Aspekt der Perspektivität aber gibt sich an diesem Handeln der in der Philosophie der Weltgeschichte so genannte ›Spott seiner selbst‹ oder die ›Ironie an sich selbst‹ nicht am Handelnden zu erkennen. Wenn Hegel 20  21 

Ebd., S. 527. TWA 18, S. 482 f.

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einen Helden, der nicht lachen kann, als problematisch hervorhebt, tut er dies nicht, weil er ihn dadurch zu Unrecht diskreditiert sieht, sondern vielmehr weil er eine Subjektivität verkörpert, welche die Nichtigkeit des eigenen Handlungszwecks nicht als nichtig erkennt, sie insofern auch nicht aus eigener Einsicht negiert, sich nicht in ein Selbstverhältnis setzt und über sich bewusst wird.22 Doch das ist nicht der einzige Punkt: Vom eigenen Bewusstsein undurchschaut entstehen somit Konsequenzen für das Dasein der Hauptfigur, und noch mehr für die in Mitleidenschaft gezogene Familie oder Dienerschaft, die nicht von vergleichbar harmlosem und ernstlosem Cha22 

Hier kann schnell das Missverständnis entstehen, Hegel würde moralisieren. Dem muss vorgebeugt werden. Er würde sich wie Lessing gegen die Meinung wehren, wenn das Publikum über einen komischen Zug der Figur lache, verachte es den ganzen Menschen. Lessing merkt in der Hamburgischen Dramaturgie an: »Wir können über einen Menschen lachen, bey Gelegenheit seiner lachen, ohne ihn im geringsten zu verlachen.« Lessing: SS 9, S. 302. Gerichtet ist ein solcher Einwand gegen Standpunkte wie etwa denjenigen Rousseaus, der neben dem ersten Discours vor allem in seinem Lettre à M. D’Alembert von 1758 den sittlichen Verfall der Gesellschaft durch das Theater bemängelt und im Speziellen an Molières Stück Le Misanthrope scharf kritisiert, dass ein angeblich tugendhafter und ehrlicher Protagonist dem Spott ausgesetzt werde. Vgl. Rousseau (1978), S. 369 ff. Lessing verteidigt den Dichter gegen diesen Vorwurf, indem er betont, das Lachen über die verwickelten Situationen des Menschenfeindes raube dem Publikum keineswegs die Hochachtung vor diesem Mann. Weil dieser als ganzer Mensch dargestellt werde, der neben den lächerlichen auch viele gute und schätzenswerte Eigenschaften besitze, muss seine Antwort auf die Frage »wir lachen über ihn, aber verachten wir ihn darum?« (Lessing: SS 9, S. 303) negativ ausfallen. Hegels Position ist insofern derjenigen Lessings vergleichbar, insofern er meint, auf derlei moralische Fragen komme es im Theater gar nicht an. Problematisch ist ihm ein durchweg ernster, aber für andere komischer Held, weil dieser keinen selbstreflexiven, selbstironischen Standpunkt mit der Einsicht in den Status seines Handelns beziehen kann. Vor diesem Hintergrund wird sogar sichtbar, dass Hegels Position als entschiedener Gegenentwurf zum Moralismus innerhalb der Komödientheorie verstanden werden muss: Der Gedanke, das Lachen als Verlachen und als einen Ausdruck des Überlegenheitsgefühls zu fassen, wird in der deutschen Poetik vor allem von Opitz und schließlich von Gottsched ausgearbeitet, für den in der Komödie Unvernunft, Narrheit und Laster der Bühnenfiguren dem allgemeinen Gelächter des Zuschauers ausgeliefert werden, damit dieser sich im Theater als der Klügere wisse, vom vorgeführten lächerlichen Handeln distanziere und moralisch bessere. Vgl. Gottsched (1973), S. 337 ff., insb. S. 343 ff.  – Hegel baut seinen Gedanken zu keiner Funktionalisierung der Komödie aus; sie ist ihm keine Besserungsanstalt, sondern Ausdruck selbstbewussten Geistes, an welchem sich in freier Betrachtung Einsichten in das Verhältnis von Subjektivität und Weltlichkeit in verschiedenen genrebezogenen Konstellationen gewinnen lassen. Gottscheds Konzept, heiter unterhaltend dem Publikum bürgerliche Verhaltensnormen einzugeben, quasi hinter dem Rücken des selbstbestimmten Bewusstseins dieses zum Guten anzuleiten, kann Hegel lediglich zur Negativfolie seiner Komödientheorie dienen. – Dass Hegel sich, schon in jungen Jahren begonnen, mit »Lessing« und »Gottsched’s Kern der Deutschen Sprachkunst« auseinandergesetzt hat, das dokumentiert Rosenkranz in seiner Hegel-Biographie; vgl. Rosenkranz (1844), S. 13; vgl. auch Nicolin (1996a), S. 10 f.

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rakter sind wie in der alten Komödie. Der Ernst des Zweckverfolgs überträgt sich auf den Ernst der Handlung, die nun auch tragische Momente aufweist. Die Zwecke sind wie bei Aristophanes nichtig, nicht aber der bitter-ernste Eifer bei ihrer Realisierung, auch nicht die keineswegs nur harmlosen Mittel dazu und die aus ihnen erwachsenden Verstrickungen, die nur für das Publikum die komischsten Szenen herstellen. Für diese neuzeitliche Form gilt für Hegel daher: »Überhaupt läßt sich nichts Entgegengesetzteres auffinden als die Dinge, worüber die Menschen lachen. Das Platteste und Abgeschmackteste kann sie dazu bewegen, und oft lachen sie ebensosehr über das Wichtigste und Tiefste«23. Das Komische in der Moderne kann sich in Gestalt dessen zeigen, was sich für andere an einem individuell und eifrig verfolgten Ernst entzündet, was nur aus der einseitigen Perspektive des Protagonisten für substantiell gehalten wird, was das Lächerliche in der Definition Hothos ist. Dieses Komische kann dazu fortgehen, sich unverbindlich für all das zu öffnen, worüber gelacht werden kann. Solche Späße gehen bisweilen so weit, dass sie die Grenzen des Komischen deutlich überschreiten: Sittliche Verstöße, Eigennutz, Schmerz, Unwahrheit, sogar Mord werden zu Inhalten des komischen Dramas. Dieser Aspekt ist es, den Hegel sehr wohl kritisch an Molières Stücken unterstreicht.24 Johannes Endres vertritt die Auffassung, Hegel komme es in seinen Bestimmungen der Komödie allein auf die Facette des Inhalts und nicht auf die Wirkung an.25 Dieser Deutung kann aber in Berücksichtigung der bisherigen Ergebnisse nicht zugestimmt werden. Auf die eine Seite kommt zu stehen, dass Hegel in seiner Berliner enzyklopädischen Philosophie seine Ausführungen eng mit denjenigen über das Lachen in der Anthropologie parallelisiert. An der bisherigen Argumentation sollte deutlich geworden sein, dass insbesondere das befreiende und Freiheit zum Ausdruck bringende Lachen der Subjektivität in das Zentrum der Wesensbestimmung auch der Komödie gestellt wird. Auf die andere Seite und in vorderer Reihe stellt sich aber das Unterscheidungskritierium, das hier als erste Annäherung und entscheidende Bestimmung angeführt werden konnte, zwischen alter und neuer Komödie zu differenzieren, und zwar gerade aus dem Verhältnis entwickelt,

23 

TWA 15, S. 528. neigt auch in dieser exemplarischen Deutung Hegels zur Überzeichnung, wenn er entgegen der Nachschriften äußerst abwertend formuliert, an Molières Stück zeige sich »die häßliche Abstraktion so fester Charaktere, […] deren absolute, ernsthafte Befangenheit in ihrer bornierten Leidenschaft sie zu keiner Befreiung des Gemüts von dieser Schranke gelangen läßt«. TWA 15, S. 570. 25  Vgl. Endres (1996), S. 41. 24  Hotho

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welches das komische Subjekt zum Publikum eingeht. Dieser Wirkungs­ aspekt soll auch im Weiteren nicht vernachlässigt werden.

2.  Geiz, Betrug, Intrige und die klugen Hausmädchen – Über das Theater Molières »Madame Pernelle. Vous êtes, mamie, une fille suivante Un peu trop forte en gueule, et fort impertinente: Vous vous mêlez sur tout de dire votre avis.« (Molière: Le Tartuffe ou l’Imposteur, I,1)

So könnte der Eindruck entstehen, als würde Hegel nicht nur die Komödie Molières, sondern insgesamt die der Moderne mit als problematisch eingeschätzten Bestimmungen abwerten. Dass dies nicht der Fall ist, können ein näherer Blick auf die Molière-Beschäftigung sowie ein weiterer Gesichtspunkt aus Hegels Vorlesungen belegen. – Wie für Lessing in der Hamburgischen Dramaturgie ist Molière ebenso für Hegel ein entscheidender Bezugspunkt für die Beurteilung der modernen Komödie, insbesondere für die Bestimmung der Ernsthaftigkeit bzw. der damit zusammenhängenden Beschränkung des Lachens auf die Zuschauerschaft. Wenn Hegel den Kern des Komischen der antiken Komödie, sowohl innerhalb seiner Philosophie des subjektiven Geistes als auch der Phänomenologie und Berliner Ästhetik, als den Widerspruch bestimmt, der im Lachen aufgehoben wird, beweist sich diese Einschätzung an zahlreichen Beispielen der reichen Komödienliteratur des 17. und 18. Jahrhunderts. Dieser Umstand wird oftmals bereits an den Titeln deutlich: Molières Le bourgeois gentilhomme von 1670  – markanter noch in der deutschen Übersetzung Der Bürger als Edelmann –, Le médecin malgré lui (1666; dt. Der Arzt wider Willen) oder aber Carlo Goldonis Il servitore di due padroni (1745; dt. Der Diener zweier Herren) und La putta onorata (1748; dt. Die ehrbare Dirne) bezeichnen jeweils prägnant den Widerspruch, der im Stück verhandelt wird. Ein solcher Widerspruch deutet zugleich die besagte Entzweiung an, die Hegel an der modernen Komödie zwischen Figur und Publikum markiert und dazu feststellt, dass der Protagonist als Träger dieser Entzweiung selbst nicht in der Lage ist, sie zu durchschauen. Aus der Erkenntnis des Widerspruchs und dem Lachen über den Widerspruch ist er ausgeschlossen. Es ist bereits bemerkt worden, dass in L’Avare der Geizige insbesondere deshalb komisch ist, weil er selbst nicht über sein Handeln lachen kann; er kollidiert bezüglich seiner Interessen ständig mit einer Außenwelt, die sich gegen ihn verschworen zu haben scheint oder aber sogar tatsäch-

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lich verschworen hat. – Le bourgeois gentilhomme gibt dies noch besser zu erkennen: Hier gewinnt die Handlung ihre Komik aus den überraschenden Verwicklungen, in die der Bürgernarr Monsieur Jourdain gerät, der sich wie ein Adliger aufführt und dennoch immer Bürger bleibt.26 Zwischen den gesellschaftlichen Schichten klafft der Grundwiderspruch auf: Jourdain bricht eines der eisernsten gesellschaftlichen Tabus seiner Zeit; er will in der sozialen Schichtung mehr scheinen als er eigentlich ist. Seine Frau weiß sehr wohl, dass die Welt über ihn lacht, kann ihn darüber aber nicht belehren; ebenso das kluge Hausmädchen Nicole nicht. Diese beiden Figuren nehmen im Stück die Perspektive des Publikums als äußerliche Betrachter der lächerlichen Figur ein. Wie die Zuschauer lachen sie herzlich über Jourdain, nicht aber mit ihm zusammen. Hegel meint 1823 zu diesem Aspekt: »Nur Einige, besonders die Bedienten sind diejenigen, welche sich Spaß machen aus den Zwecken beider Seiten. Sie haben die Anschauung des Publicums«27. In der Edition Hothos wird dazu festgehalten, dass die Familienmitglieder und Bedienten zudem oftmals die Funktion erhalten, Intrigen zu spinnen, die den komischen Widerspruch vertiefen sollen28: »Die Intrige kommt größtenteils dadurch hervor, daß ein Individuum seine Zwecke durch die Täuschung der anderen zu erreichen sucht, indem es an deren Interessen anzuknüpfen und dieselben zu befördern scheint, sie eigentlich aber in den Widerspruch bringt, sich durch diese falsche Förderung selbst zu vernichten.«29 Dies gilt für die Titelfigur in Le bourgeois gentilhomme, die hinter ihrem Rücken durch ein Familienkomplott vor schlimmerem Unheil bewahrt wird; dies gilt aber auch für Molières Tartuffe von 1664, mit dem sich Hegel im Kolleg 1826 näher beschäftigt.30 Das Stück schöpft den geistreichen Witz zunächst aus der Konfrontation von natürlichem Charakter und scheinheiligem Spiel eines höchst intriganten Schwindlers; beispielsweise aus der kräftigen und appetitreichen Grundverfassung, der keine sinnliche Freude verloren gehen will, und der aufgebürdeten Rolle, zum Scheine Frömmigkeit und Enthaltsamkeit zu üben, die aufgrund des 26 

Vgl. dazu den ersten und zweiten Auftritt des dritten Aufzugs. Hotho (1823), S. 509 f. 28  Vgl. TWA 15, S. 571: »Die Personen endlich, welche dergleichen Intrigen anzetteln und leiten, sind gewöhnlich, wie im römischen Lustspiele die Sklaven, so im modernen die Bedienten oder Kammerzofen, die keinen Respekt vor den Zwecken ihrer Herrschaft haben, sondern sie nach ihrem eigenen Vorteil befördern oder zerstören und nur den lächerlichen Anblick geben, daß eigentlich die Herren die Diener, die Diener aber die Herren sind, oder doch wenigstens Gelegenheit für sonst komische Situationen darbieten, die sich äußerlich oder auf ausdrückliches Anstiften machen.« 29  TWA 15, S. 570. 30  Vgl. Kehler (1826), S. 234. 27 

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mangelnden schauspielerischen Talents weit über die Lächerlichkeit schlecht dargeboten wird und ob der simplen Überführbarkeit in komischste Situationen führt.31 Tartuffe ist nämlich kein verfeinerter Schwindler, sondern ein Grobian, der mit der Absicht der egoistischen Vorteilsnahme in die Rolle des Sensiblen schlüpft. Umso komischer ist es, dass der Hausherr Orgon der letzte ist, der dies bemerkt, und dabei viel zu spät von Verwandten und Dienstpersonal auf die Wahrheit gestoßen wird, auf das, was Tartuffes eigentliche Absichten sind.32 Weitaus ernsthafter hingegen, geradezu existenzbedrohend, sind dessen Interessen, die Familie von Orgon um ihren gesamten Besitz zu betrügen, sie gnadenlos aus ihrem eigenen Haus zu verjagen und schließlich sogar noch unrechtmäßig ins Gefängnis zu bringen, damit er ungestört ihr Eigentum genießen kann. Ein solcher verbrecherischer Plan sowie »die Entlarvung eines wirklichen Bösewichts« ist für Hegel ausdrücklich an sich »nichts Lustiges, sondern etwas sehr Ernsthaftes, und die Täuschung des betrogenen Orgons geht bis zu einer Peinlichkeit des Unglücks fort, die nur durch den Deus ex machina gelöst werden kann«33. So erscheint der Polizist, der am Schluss völlig überraschend nicht die Familie Orgons abführt, sondern den Schwindler Tartuffe, tatsächlich als ein gezwungen herbeigeführtes glückliches Ende der Komödie. An all diesen Beispielen wird deutlich, dass Hegels Theorie der modernen Komödie sich durchaus mit der Deutung einzelner dichterischer Werke Molières deckt. Er macht hierzu eine in vielen Figuren verkörperte getäuschte und verirrte Subjektivität aus, der eine substantiell bestärkende Selbstbewusstwerdung, also das, was Hegel die große Leistung des antiken Helden war, verwehrt bleibt. Es zeigt sich aber auch, dass die Gattung in der Neuzeit geradewegs die antike Tradition unter einem anderen Gesichtspunkt fortführt, der an entsprechender Stelle an der alten Komödie als wesentlich akzentuiert wurde: Auch wenn die Charaktere getäuschte Menschen sind – sie sind Menschen in ganz unabhängiger, schicksalloser Einzelheit und Endlichkeit, in welcher sie sich und ihre individuellen Ziele behaupten. Das moderne komische Theater ist ebenso wie das antike des Aristophanes ein Theater der gewöhnlichen Menschen. Es sind ja nicht die Könige und Herrscher, die Molières Verzeichnis der Dramatis personae anführen, sondern die Bürger; 31 

Vgl. Grimm (2002), S. 95 ff. In seiner Rezension Ueber die Bekehrten stellt Hegel am Stück Ernst Raupachs zum Diener des Herrn fest: »Dem Narren Burchiello ist am meisten oder allein das Reflektiren und die allgemeinen und ernsthaften Gedanken zugetheilt«. GW 16, S. 12. Klugheit und Weisheit der einfachen Klasse entdeckt Hegel auch hier als einen Grundzug der Komödienliteratur. 33  TWA 15, S. 570. 32 

Geiz, Betrug, Intrige und die klugen Hausmädchen

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unter ihnen zudem die Diener, die das Geschick ihrer sich über sich täuschenden Herren lenken, indem sie gegen diese intrigieren oder aber dieselben über undurchschaute Intrigen aufklären. Die Großbürger wie Harpagon, Jourdain oder Orgon sind Figuren im Stück, die von Beginn an keine Einsicht in die wahren Verhältnisse gewinnen, ihre Bediensteten hingegen die klugen, strategisch denkenden, mit einer großen Portion gesunden Menschenverstandes ausgestatteten und zu einem handlungstreibenden Aktionismus befähigten. Daher entdeckt Hegel an den unvergleichlichen Stücken Molières eine besondere Qualität: »die fein ausgebildete Geschicklichkeit in genauer Zeichnung der Charaktere«34. Molière ist einer der größten Menschendarsteller der Weltliteratur und hat sich die Komödie zur Generalform erwählt, weil sie sich in besonderer Weise zu dieser Vollbringung eignet. Bis auf Theophrast geht die Tradition zurück, der in seiner psychologischen Schrift Charaktêres aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. eine Sammlung von insgesamt dreißig verschiedenen Charakterbeschreibungen vorgenommen hat, die in der Folge als Vorlage zahlreicher Komödienfiguren dient, bis weit in die Moderne hinein. So lebt auch Molières Komödie hauptsächlich von individuellen Charakteren: Er hatte z. B. im Tartuffe nicht die Absicht, »die vollkommene Inkarnation des Adjektivs ›scheinheilig‹ auf die Bühne zu bringen«35, typisiert also nicht abstrakt, sondern zeigt den einzelnen Menschen in besonderen Charakterzügen, die zugleich allgemeine Typen wiedererkennen lassen. Die zeitgenössisch-politische Ebene fehlt bei ihm nahezu vollständig, er gibt keine Milieubeschreibungen, keine Charakterisierung der ökonomischen Lage, er verweigert sich einem sozio-ökonomischen Realismus und versteht Realismus eher im psychologischen Sinne der vertieften Menschenkenntnis. Auf diese neue Form der Komödie trifft daher gerade nicht zu, was Aristoteles zur Tragödie feststellt: sie könnte nicht »ohne Handlung […] zustandekommen, wohl aber ohne Charaktere«36; vielmehr umgekehrt zeichnet sie sich aus durch starke und markante komische Charaktere und könnte sie sogar unter weitgehendem Verzicht auf Handlung darstellen. – Erich Auerbach weist darauf hin, dass zur Zeit des klassischen französischen Dramas »die Trennung des Tragischen von den Gegebenheiten des täglichen und des menschlichkreatürlichen Lebens in einer so radikalen Weise durchgeführt worden [sei], wie nie zuvor«37. Die Welt der französischen Tragödie des 17. Jahrhunderts ist eine Welt der Herrscher, Minister und Berater, die sich von dem, was 34 Ebd. 35 

Auerbach (1959), S. 343 f. Aristoteles (1982), S. 21. 37  Auerbach (1959), S. 352. 36 

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Zur Aufführung gebrachte Partikularität

außerhalb dieses inneren Kreises der weltlichen Macht liegt, abgeschnitten hat. Umso erstaunlicher ist es – doch vielleicht macht gerade dies die Ursache aus –, dass sich unter solchen zeittypischen ästhetischen Konventionen die Komödie Molières durch eine alltagsnahe und von einem hohen Maß an Menschenkenntnis lebende Bühnenhandlung auszeichnet. Die Komödie ist geradezu der Gegenentwurf zur tragischen Künstlichkeit. Hegel urteilt daher über sie, sie gebe uns »Menschen, die einmal sind, wie sie eben sind, nicht anders sein können und wollen«38. So wird deutlich, dass auch die moderne Komödie für Hegel noch eine Befreiung der Kunst zum Menschlichen ist, ein Bedürfnis, den Zufall zuzulassen, nicht vom Schicksal abhängig zu sein, über die Ungereimtheiten der Welt zu lachen, statt an ihnen zu Grunde zu gehen. Auch sie ist ein Theater des einfachen Volkes. – Im gleichen Zuge entwickelt Hegel aber ihre Problematik, die freie Heiterkeit des antiken Geistes verloren zu haben. Nicht wahrhaft komisch im klassischen Sinne ist sie, weil die Begebenheiten auf der Bühne nur den Zuschauer zum Lachen reizen. Angesichts eines sich über sich und die Bedingungen seiner Handlungssphäre irrenden Monsieur Jourdain, Harpagon oder Orgon lässt sich nicht von der »absolute[n] Freiheit des Gemüthes, die uns Aristophanes liefert«39, sprechen. Die moderne Komödie führt eine Subjektivität vor, die nicht die antike Selbstvernichtung des Nichtigen vollführt, prinzipiell keine Negation der Negation ist, sondern immer nur einfache Negation durch fremdbezügliches Verlachen. Aus diesem Grunde ist die Selbstbewusstwerdung durch selbstbezügliche Heiterkeit hier durchbrochen. Die philosophische Durchdringung gibt bei Hegel somit mehr Züge einer Überlegenheitstheorie zu erkennen, wie sie an der Satire erarbeitet worden ist. Auf diesen Aspekt wird wieder zurückzukommen sein.

3.  Mit Hegel im Schauspielhaus. Zur antikritischen Kritik einer Kritik »Was Hegel als Kunstphilosophen besonders hervorstechen ließ, war die Fähigkeit, sich auf einzelne Kunstwerke jedweder Art mit bestimmtem Urtheil einlassen zu können.«40 Rosenkranz’ Ansicht aus seiner Hegel-Biographie bestätigt sich an zahlreichen Stellen der Vorlesungen über die Philosophie der Kunst, sie bestätigt sich aber ebenso und in besonderer Weise an einem an38 

TWA 15, S. 553. Hotho (1823), S. 510. 40  Rosenkranz (1844), S. 348. 39 

Mit Hegel im Schauspielhaus. Zur antikritischen Kritik einer Kritik

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dersartigen Textzeugnis, und zwar an einem singulären Fall von spontaner, doch keineswegs voreilig Meinungen bildender, kunstkritischer Publizistik: Molière ist zwar ein maßgeblicher Referenzpunkt in der großen Ästhetik – in der Edition wie in den Nachschriften –, die ausführlichste Auseinandersetzung mit einem einzelnen Werk der modernen Komödie unternimmt Hegel jedoch in der Rezension eines Stückes seines Zeitgenossen Ernst Raupach (1784–1852), mit dem Titel Die Bekehrten, für das er auf der Basis eines gefestigten Kunsturteils entschieden Partei ergreift.41 Sonst in Betreff der komischen Form ausschließlich der französischen und englischen Bühne zugetan, stößt er hier auf eine »sinnige[] Heiterkeit«, von der »auf unserem Boden […] eben nicht viele [wachsen]«42. Dabei gehen seine Ausführungen deutlich über eine Einzelwerkanalyse hinaus, so dass der Eindruck entstehen muss, Hegel gewinne exemplarisch an ihr allgemeine Bestimmungen dieser neuzeitlichen Gestalt der Kunst und eröffne sich dabei zugleich die Möglichkeit, sie an konkreten Beispielen festzustecken. Es wird sich zeigen, dass diese Bestimmungen sich in mehreren Aspekten mit denjenigen decken, die oben zur modernen Komödie bereits herausgearbeitet werden konnten; trotzdem eröffnet Hegel in seiner Raupach-Rezension einen neuen Deutungsraum, in welchem die vorhergehenden Momente in einem anderen Licht erscheinen. Die trotz des Lobes der Charakterzeichnung an Molière entwickelten kritischen Momente werden sich dabei relativieren. Hegel hat ein großes Interesse am Theater, angeregt wird es durch Drama, Komödie und Oper gleichermaßen; die Besuche sollen gar für seine »Lieblingsbeschäftigung«43 gelten. Dabei ist er mindestens genauso für Unterhaltungsstücke und drittklassige Uraufführungen zu begeistern wie für Goethe, Schiller und Shakespeare.44 Der Drang nach Zerstreuung 41 

Diese nicht unbedeutende Rezension Hegels ist bisher von der Forschung beinahe vollständig ignoriert worden, bis auf zwei Ausnahmen; vgl. Jaeschke (2003), S. 286 f.; Kraft (2010), passim. Bei Schneider (1998b), S. 340 ff. wird immerhin der Inhalt von Hegels Rezension aufgearbeitet. 42  GW 16, S. 13. 43  Stierle (1983), S. 107. 44  Vgl. Rosenkranz (1844), S. 350; Schneider (1998b), S. 340; Kraft (2010), S. 82 ff. Rosenkranz bemerkt hierzu, dass neben den Rezensionen des Wallensteins Schillers und der Bekehrten Raupachs vor allem die Berliner Notizen aus dem Nachlass Aufschluss geben über Hegels Gedanken zur zeitgenössischen Bühne in Berlin, im Besonderen aber zur Unterhaltungskultur der mittelmäßigen Komödien, leichten Opern, dem Kasperletheater und der Commedia dell’arte. In einem Brief aus Wien schreibt er zu einer Aufführung am Leopoldstädter Theater an seine Frau: »die ewige Geschichte vom Harlekin mit seiner Colombine; da habe ich dann einmal diese Geschichte in ganzer Ausführlichkeit angesehen, – dies ist eine ganze Hecke von lustigen Unsinnigkeiten, – Gassenhauer, Tanzmusik, rast und tollt dies drittehalb Stunden ohne Rast und Ruhe fort. Diese Vorstellung hat mich

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lässt ihn der leichten bis seichten Kunst oftmals den Vorzug geben. Rosenkranz ist jedoch der Überzeugung, gerade weil der spekulative Philosoph sich der »Tiefe sicher« gewesen sein konnte, »erfreute er sich mit Harmlosigkeit an dem leichten, anmuthigen Spiel einer schönen Oberflächlichkeit«45. Das aber würde solchen Kunstwerken nicht die ihnen gleichfalls zustehende Ehre erweisen – sogleich schiebt er hinterher: »Und er that mehr«; denn durch »die nimmer zu verläugnende Gediegenheit seiner Theilnahme brachte er einen größeren Ernst in den ästhetischen Epikuräismus«, seine »vielseitige, zuverlässige Gelehrsamkeit, sein reifer Geschmack geben neue Gesichtspuncte, nöthigten zu neuen Vergleichen, zwangen zu wissenschaftlicherer Haltung«46.  – Von dieser Begeisterung für das Unterhaltungstheater gepaart mit einem kunstphilosophisch scharfen Sinn für die geistige Essenz der Werke gibt die Rezension Ueber die Bekehrten einen hervorragenden Eindruck. Kurz nach der Uraufführung der Komödie Raupachs am 3. Januar 1826 im Königlichen Schauspielhaus erscheint in der Berliner Schnellpost für Literatur, Theater und Geselligkeit eine anonyme Kritik vom Herausgeber Moritz Gottlieb Saphir47 persönlich, die zwar nicht vernichtend ist, insgesamt dem Stück aber wenig abgewinnen möchte. Nachdem Hegel die Aufführung besucht hat und vom Gesehenen offenbar begeistert ist, publiziert er ebenfalls anonym und in fünf Teilen zwischen dem 18. und 28. Januar im selben Blatt Saphirs sogenannte »antikritische Bemerkungen«48, um Raupach gegen seinen Kritiker zu verteidigen.49 Dies ist ihm Anlass auszuführen, worin die Qualität und Kraft der modernen Komödie – auch oder sogar insbesondere in ihren eher trivialen Realisationen – überhaupt besteht, für die Die Bekehrten ein beachtenswertes Exempel sind. Hegel spricht emphatisch für das Stück, nimmt es einschränkungslos in Schutz, wehrt jeden Angriff – im Argument sehr präzise – ab und lässt dabei sehr unterhalten, viel mehr als das erste Drama,  – man hat kaum Zeit zum Lachen,  – denn immer kommt etwas Neues und Anderes und alles mit der größten Lustigkeit, Gewandtheit; auch Ballette kommen darin vor, – keine Beinausstreckereien, aber vorzügliche Springereien, – kurz, höchst ergötzt kam ich beinahe erst 11 Uhr davon nach Hause.« Br 3, S. 58. Vgl. zur Verkörperung der wahren deutschen Posse des kräftigen Ausdrucks (»la gaiété ce qui est fort«) im Wiener Kasperletheater auch de Staël (1813), S. 267. – Darüber hinaus gibt auch Hegels Exzerpt zu Johann Georg Daniel Arnolds Lustspiel Der Pfingstmontag von 1816 Kunde von seinem Interesse an der zeitgenössischen Komödie. Vgl. GW 22, S. 9. 45  Rosenkranz (1844), S. 349. 46  Ebd., S. 349 f. 47  Vgl. Schlossar (1890); Sprengel (1991), passim; Kraft (2010), S. 84 f. 48  GW 16, S. 3. 49  Vgl. Kraft (2010), S. 85.

Mit Hegel im Schauspielhaus. Zur antikritischen Kritik einer Kritik

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keinen Vorwurf Saphirs gelten.50 Aus im Wesentlichen drei widerlegten Kritikpunkten lassen sich drei Bestimmungen von Hegels Begriff der modernen Komödie entwickeln. Im Folgenden sollen sie dargelegt werden. Erstens stellt Hegel heraus, was er schon an Molières Theater anerkennend hervorhob: Saphir vertrat nämlich die Meinung, dass die Schauspieler in der Inszenierung der Uraufführung besser seien  – »vortrefflich, ja, ausgezeichnet«51 – als es die Textvorlage hergebe. Hegel hält dem entgegen, der Dichter müsse »seinerseits die Aufgabe in der Hauptsache […] erfüllt haben, wenn er Situationen und Charaktere gezeichnet hat, in denen Künstler, die wir als vorzüglich kennen, in den Stand gesetzt wurden, ihr Vermögen zu entfalten«52; nur in ausgezeichneten Rollen könne ein ausgezeichneter Schauspieler sein Talent beweisen. Der entscheidende Akzent dieser eher nebensächlichen theaterpraktischen Feststellung liegt für Hegel darauf, dass der »eigentliche[] Stoff der Kunst« der Komödie die menschlichen »Charaktere«, deren »Leidenschaften und deren Situationen«53 seien. Molières Menschenkenntnis kann insofern auch dem Lustspieldichter Raupach zugesprochen werden. Hiermit ist zugleich verbunden, Saphir vorwerfen zu müssen, er argumentiere am ›eigentlichen Stoff‹ vorbei, wenn er die Handlung für mangelhaft und ihre »Motive« für »abgedroschen[]« hält, da angesichts der Relevanz der Charaktere und ihrer Situationen »in die Erfindung der Begebenheiten« als bloß »der äusserliche Rahmen« mit Nachdruck »kein besonders großes Verdienst zu setzen«54 sei. – Fraglos ist die Handlung der Bekehrten alles andere als neuartig oder eigentümlich: Die Verlobten Clotilde und Torquato trennen sich wegen eines Missverständnisses über Untreue, die nie stattgefunden hat, und werden nach vielen Turbulenzen und Verwechslun50 

Aus dieser Emphase heraus beklagt sich Hegel beispielsweise darüber, dass bei den ersten beiden Aufführungen im Königlichen Schauspielhaus nur verhältnismäßig wenige Zuschauer zugegen waren, obwohl es doch bekannt sei, welch allseits beliebte Stücke Raupach schreibe: Das Haus war »nicht voll, die beiden Reihen Logen waren so gut als ganz leer« – »die Gleichgültigkeit ist immer das Schlimmste«. GW 16, S. 3. Auch wenn Raupach heute vergessen ist – beispielsweise Walther Killys fünfbändiges Lexikon Deutsche Autoren mit über tausend Artikeln führt keinen Eintrag über ihn –, heißt das nicht, dass er zu Lebzeiten erfolglos war. Das Gegenteil ist der Fall: Als sehr populärer Bühnenautor tat er sich keineswegs nur durch das Schreiben von Komödien hervor, sondern ebenfalls durch die Vorstellung vieler ernsterer Schauspiele. Besonders beachtet wurde sein 16-teiliger nationalromantisierender Dramenzyklus über die Hohenstaufen-Kaiser von 1830 bis 1837. Vgl. Bendiner (1888); Bauer (1913), passim; Rösch (2003), S. 206 f., Kraft (2010), S. 84. 51  GW 16, S. 4. 52 Ebd. 53  Ebd., S. 6. 54 Ebd.

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gen durch eine schlecht durchgeführte und schließlich scheiternde Intrige dennoch wieder zusammengeführt und heiraten. Solange diese Handlung aber erfolgreich dazu dient, die Charaktere sich in ihren Zwecken entfalten zu lassen und dabei Situationen und Verwicklungen herzustellen, die komisch wirken und heiter wieder aufgelöst werden, ist das erreicht, was eine gelungene zeitgenössische Komödie erfordert. Zweitens richtet sich Saphirs Kritik auf Raupachs Spiel »mit Außerwesentlichem, mit Zufälligem«, weshalb der Handlungsverlauf insgesamt aus einem »blinden Zufall[]«55 fließe. Hegel beantwortet dies sogleich mit der grundlegenden Explikation, es sei eben »die Natur des Lustspiels […], mit dem Zufälligen, dem Außerwesentlichen zu spielen«, damit sich »die heiteren Lebensverwirrungen«56 ergeben können. Im Kapitel über die antike Komödie in den Vorlesungen über die Philosophie der Kunst wurde abgehandelt, dass die komischen Figuren sich zu ihren Handlungszwecken nichtige Inhalte wählen und sich in der Folge in von Zufällen durchkreuzten Situationen verwickeln. Gemäß dem im Kontext der Anthropologie exponierten Modell der Selbstvernichtung des Nichtigen sind sie es selbst, die den Zufall durch eigenes Handeln wieder aufheben. Zwar gilt ebenfalls für Raupachs Stück dasjenige, was bisher als Moment der modernen Komödie festgehalten wurde, nämlich sich in der vorübergehenden Nichtigkeit nicht selbstironisch verlachen zu können, immerhin betont Hegel aber, dass der zufällige Zweck der komischen Figuren »vermittelst« seines eigenen »Mittels selbst nahe in’s Scheitern geräth«, also einen »Rückschlag der List gegen die pfiffigen Urheber derselben« darstelle und somit ebenso als Selbstvernichtung begriffen werden kann, als »die Seele einer ächt komischen Handlung«57. Der Erbonkel Torquatos spinnt eine in Hegels Ästhetik für die moderne Komödie so charakteristische Intrige, indem er Clotilde zum Schutz vor möglichen Konkurrenten seines Neffen selber heiratet und seinen eigenen Tod vortäuscht, damit sich Torquato und Clotilde bei der Abwicklung des Erbfalls neu verlieben. Hegel rühmt, dass dieser lächerlich-nichtige Plan sich aber durch die eigenen zufälligen Werkzeuge selbst zerstört und in der Zerstörung über zahlreiche Komplikationen hinweg die Heirat als wesentlicher Ausgang des Stücks gelingen kann.58 Wie in der alten Komödie kann daher durch das in Ziel und Durchführung substanzlose Handeln unabhängiger Einzelmenschen am Ende dennoch ein glücklicher und wesentlicher Schluss 55 

Ebd., S. 4.

57 

Ebd., S. 8. Vgl. ebd., S. 9.

56 Ebd. 58 

Mit Hegel im Schauspielhaus. Zur antikritischen Kritik einer Kritik

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zu Stande gebracht werden. Die in der gelingenden Hochzeit substantielle Lösung des Handlungsknotens kann auch als Resultat des nichtigen Handelns der komischen Figuren gelten, das freilich anders hergestellt wurde als beabsichtigt. Die Zufälligkeit ist in der Wesentlichkeit des glücklichen Ausgangs abgestreift. Zur Bewährung dieser Wesentlichkeit diente der komische Zufall letztlich als entscheidender Hebel. Drittens ergibt sich für Hegel aus diesem entscheidenden zweiten Punkt etwas, das Saphir übersehen habe. Zumindest offenbare dies sein Tadel an Handlungsmangel, Abgedroschenheit und Zufall. An allen drei Mängeln, die Hegel zu Qualitäten umdeutet, verrät sich in der Zusammenschau eine grundsätzliche und charakteristische Verquickung von ernsten und komischen Anteilen des Stückes.59 Hegel schreibt, »in dem neuen Lustspiele [sei] gerade darin das richtige Verhältniß getroffen […], daß die ernsthaften Verwickelungen […] aus den komischen Verwickelungen der untergeordneten Personen herkommen«60. Die Bestimmung aus dem Kolleg von 1820/21 wird hier also aufgegriffen und ausführlicher abgehandelt: Die Geschichte um das verhinderte Liebespaar, das keine komischen Facetten trägt, ist eine durchweg wesentliche Konstellation der sittlichen Liebe. Auf der anderen Seite wird um diese herum eine lächerliche Intrige von Onkel und Dienstpersonal gesponnen, die erst am Ende durch die anders als geplant und umgesetzt gelingende Vereinigung mit der ernsten Handlungslinie ineinsfällt. Im Moment der Vernichtung eines nichtigen Handelns, das zunächst unwillentlich gegen das Gelingen wirkt, schließlich aber in der Vernichtung den Weg ebnet, das Ziel zu erreichen, können Clotilde und Torquato zu Bekehrten werden, weil sie, so unterstreicht Hegel, »gleiche Grundlage« des »Temperament[s]« besitzen und »von Hause aus zusammen passen«61, sich also tatsächlich nur noch zu sich selbst bekehren müssen. Die beiden verschiedenartigen Stränge des Stücks können auf diese Weise über eine längere Strecke hinweg parallel geführt werden, berühren sich zwischenzeitlich, wenn ernste Verwicklungen sich aus komischen ergeben und führen letzten Endes harmonisch wieder zusammen, indem sich ein vermeintlich unlösbares Knäuel aus Knoten wie von selbst entwirrt. Die wahre Komödie der Gegenwart ist für Hegel somit eine ernste Handlung, die durch komische Elemente in nicht durchschauter Nichtigkeit der Handlungsmotive aufgehalten wird. Trotz dieser Nichtigkeit setzt sich die Liebe aber durch, ja sie wird vor allem in diesem Aufhalten auf die Probe gestellt und sogar noch bestärkt und gefestigt. 59 

Vgl. GW 16, S. 4 f.; vgl. hierzu auch Kraft (2010), S. 90 ff. GW 16, S. 5. 61  Ebd., S. 10. 60 

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Zur Aufführung gebrachte Partikularität

Einem Vergleiche, der diese Bestimmungen untermauern soll, dienen Hegel hier die Werke des Aristophanes. Zur Gegenüberstellung eignen sie sich, weil auch dort das Komische durchmischt mit dem »allerbitterste[n] Ernst« erscheint, besonders dem »politische[n]«62. Doch diese Bezugnahme ist nicht lediglich ein verdeutlichender Vergleich, sondern eine explizite Annäherung beider Komödienbegriffe. Hegel geht es darum, die moderne Komödie ein Stück weit und unter Berücksichtigung ihrer veränderten ästhetischen und objektiv-geistigen Bedingungen dem Aristophanischen Theater anzunähern. In diesen Diskurs gehören auch mehrere Bezüge zu Shakespeares Werken, die Hegel in seiner Rezension zieht: zum Lustspiel allgemein63, aber auch zu den Tragödien King Lear64, Macbeth65 und Romeo and Juliet66. Dies muss zum einen als Bestärkung seiner Anerkennung Raupachs verstanden werden, zum anderen ergibt sich daraus eine generelle Leistung: Molière ist für Hegels Theorie der modernen Komödie zwar Dichter bedeutender Werke der neuzeitlichen Tradition, doch wie gesehen werden konnte, legen sich unmissverständlich kritische Untertöne in das Urteil, die beizeiten lauter werden. In puncto Shakespeare tut Hegel es etwa Goethe und August Wilhelm Schlegel nach und lobt ihn über die Maßen67: In Shakespeares Komödien nämlich habe »die moderne Welt […] einen Standpunkt des Lustspiels ausgebildet, der echt komischer und poetischer Art ist«; hier mache »die Wohligkeit des Gemüts, die sichere Ausgelassenheit bei allem Mißlingen und Verfehlen, der Übermut und die Keckheit der in sich selber grundseligen Torheit, Narrheit und Subjektivität überhaupt wieder den Grundton aus und stellt dadurch in vertiefterer Fülle und Innerlichkeit des Humors, sei es nun in engeren oder weiteren Kreisen, in unbedeutenderem oder wichtigerem Gehalt, das wieder her, was Aristophanes in seinem Felde bei den Alten am vollendetesten geleistet hatte«68. So stellt sich auch der Vergleich Raupachs mit Shakespeare in den Kontext der Frage nach einer angemessenen Wiederbelebung der alten 62 

Ebd., S. 5. Vgl. ebd., S. 5. 64  Vgl. ebd., S. 7. 65  Vgl. ebd., S. 8. 66  Vgl. ebd., S. 10. 67 Wolfhart Henckmann weist darauf hin, dass die Shakespeare-Begeisterung in Deutschland im frühen 19. Jahrhundert einen solchen Höhepunkt erreicht habe, dass sich Goethe in seinem Aufsatz Shakespeare und kein Ende von 1815 wiederum kritisch und distanzierend mit diesem Phänomen befasste und sich fragte, ob dessen Nachahmung überhaupt gelingen könne bzw. ob eine versuchte Nachahmung eine förderliche Wirkung auf die zeitgenössische Literatur mit sich bringe. Vgl. Henckmann (1983), S. 215. Während beim jüngeren Goethe, A.W. Schlegel und Solger in erster Linie die historischen Dramen aufgenommen werden, sind es bei Tieck die Komödien. 68  TWA 15, S. 572. 63 

Mit Hegel im Schauspielhaus. Zur antikritischen Kritik einer Kritik

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Komödie des Aristophanes.69 Molière kann dies offensichtlich nicht leisten: Obwohl er ebenfalls ernsthafte mit komischen Elementen vermischt, bringt er keine ausgelassenen Menschen auf die Bühne, die sich gerade in ihren Verfehlungen heiter selbst bestärken; die Lächerlichkeit ihrer Taten bleibt ihnen verborgen und ist zuweilen grenzüberschreitend: Im Tartuffe sind Intrige und Betrug der größte Ernst, bis zur vollständigen Existenzzerstörung – nur der von Hegel angeführte ›Deus ex machina‹ kann ein fröhliches Komödien­ende herbeiführen. Raupach hingegen hat es mit Shakespeare gemein, seine Komödie der antiken partiell anzunähern, indem er lächerlich-unwesentliche Zwecke durch ihre eigenen Mittel scheitern und die ernsten Ziele, die substan­ tielle Liebe füreinander Bestimmter, am Ende siegen lässt, und zwar aus den Verwicklungen selbst heraus. In dieser Perspek­tive der Frage nach einer möglichen Rückgewinnung der Qualitäten der alten Form wird der Stellenwert des substantiellen Ernstes im neuen Lustspiel thematisch gemacht. Stephan Kraft meint zu diesem Punkt, durch die emphatische Anerkennung des Raupachschen Stückes stelle Hegels Rezension innerhalb der Beschäftigung mit der modernen Komödie eine große Ausnahme dar.70 Sowohl in den Semestern zuvor als auch im Jahrgang 1828/29 würde Hegel die Form generell ablehnen; allein 1826, unter der Wirkung der Bekehrten, werde sie affirmiert. Dieser These kann vor dem Hintergrund der bisherigen Untersuchungsergebnisse keineswegs zugestimmt werden. Es wird nicht ersichtlich, warum Raupachs Stück, das im Gegenwartstheater um 1820 in 69  Zugleich

tut sich hieran ein anderer literaturgeschichtlicher Bezug auf. Er verläuft von der Commedia dell’arte über Shakespeare zu Raupach: Bereits die Commedia, ein bäuerlich-bürgerliches Improvisationstheater, das eine beachtlich komplexe Tradition aufzuweisen hat, lässt sich als eine von Hegel offenbar sehr geschätzte Verschränkung von Ernst und Komik begreifen: Unter Rückgriff auf Figurentypen aus den spätantiken Komödien von Plautus und Terenz entsteht hier in ausgearbeiteter Form das prägende Modell, auf der einen Seite ein keineswegs komisches Liebespaar mit auf der anderen Seite komischen Figuren zu kombinieren, welche die ernste Handlung des Stücks immerzu durchkreuzen. Dies bedeutete aber nicht, dass die ernste Handlung von den Vertretern der ›vecchi‹, der reichen und gebildeten Oberschicht: Pantalone, Dottore, vorangetrieben wurde und die komische von den ›zanni‹, den einfachen Bauern: Arlecchino, Brighella, Pagliaccio und Columbine. Die arroganten und selbstverliebten ›vecchi‹ wirken durch ebendiesen Charakterzug besonders lächerlich. Bei Shakespeare wird diese ursprünglich aus Italien stammende Tradition – weswegen Raupach Die Bekehrten wohl in dieser Szenerie spielen lässt – mit zusätzlichen Rückgriffen auf das Aristophanische Theater fortgeführt: Gleich mehrere junge Liebende finden nicht zueinander, weil närrisches Treiben sich ihrem Glück ungewollt in den Weg stellt; erst am Ende gelingt die Versöhnung und Vereinigung. In deutlichster Weise kann der Zuschauer dies an den Stücken A Midsummer Night’s Dream, Much Ado About Nothing, beide von 1600, und Twelfth Night, or What You Will von 1602 ablesen. 70  Vgl. Kraft (2010), S. 95 ff.; Kraft (2011), S. 272 ff., 296 ff.

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Zur Aufführung gebrachte Partikularität

Berlin resp. Deutschland keine großartige Ausnahme ist und Hegel sicherlich keine neuen Einsichten liefert – sondern ihm in Wahrheit vielmehr generelle Bestimmungen seiner bereits viel früher erarbeiteten Komödientheorie bestätigt –, ein Umdenken bewirkt haben soll. Umgekehrt ergreift Hegel anlässlich des Stücks die Möglichkeit, exemplarisch und in ausführlicherer Weise zu demonstrieren, was ihm eine gelungene Komödie ist. Im Kolleg 1820/21 – also lange bevor Raupach auch nur über den Plan zur Niederschrift seines Stückes nachdachte – bemerkt Hegel bereits, dass die wahrhaften »Helden« der modernen Komödie diejenigen seien, die »bekehrt dargestellt« werden, die eine »hohe Tiefe« der »Veränderung« zu erkennen geben, »wodurch man vorher schon gesehen, daß die Person einer solchen Umwandlung fähig ist«71. Eine praktische Umsetzung dieses Gedankens findet Hegel im rezensierten Werk; lediglich an diesem bestätigen können sich solche Auffassungen, sie müssen sich nicht neu aus ihm entwickeln lassen. So muss das Kolleg von 1826 generell in dieser Hinsicht keinen Bruch mit bisherigen Ansichten bzw. über 1826 hinausgehend keinen nochmaligen Bruch bedeuten, wenn Hegel angeblich zur ablehnenden Haltung wieder zurückkehrt.72 Die verschiedenen Aspekte und Urteile, die er in seinen insgesamt vier Vorlesungen sowie in seiner Rezension vorbringt, dürfen nicht einander widersprechend 71 

Ascheberg (1820/21), S. 213. Vgl. Kraft (2010), S. 96; Kraft (2011), S. 304 ff. Es muss in Zweifel gezogen werden, was Kraft im Einzelnen zum Sommersemester 1826 festhält: dass nämlich die Nachschrift Kehler, zu dem Kolleg, das unmittelbar auf die Auseinandersetzung mit Raupach und der Publikation der Besprechung folgt, einen Reflex der Argumente der Rezension Ueber die Bekehrten belege. Wenn Hegel schreibt, in den »modernen Komödien sind auch die Mittel Bediente, Kammermädchen, die ihrer Herrschaft helfen, aber durch Eigennutz, Mißverständnis den Zweck gefährden oder zerstören« (Kehler [1826], S. 234), ist die dabei begegnende Handlungsparallele ob eines solchen allgemeinen Zuges des Lustspiels keineswegs ein Indiz für eine Raupach-Anlehnung. Dass Hegel in dieser Ausführung vielmehr Molières Theater im Blick hat, zeigen die Bemerkungen unmittelbar zuvor, die Kraft allerdings ausspart: »Tartuffe wird beschämt und seine Weise bestraft; dazu wird auch Orgon beschämt und kommt von seinem Mißverständnis zurück. Die Spieler werden bestraft, die sich mit ihm eingelassen haben, aber nicht so böse sind, und sie bessern sich. Dies wird komisch. Das formelle Tragische ist, wenn der Mensch seinem Charakter treu bleibt; komisch ist aber diese Umänderung des Charakters. – Der Geizige und dergleichen sind so moralisch.« Kehler (1826), S. 234. Auf dieser angeblichen verdeckten Beschäftigung mit Raupachs Stück in den ästhetischen Vorlesungen gründet Kraft seine weitere Thesenentwicklung. Sie mündet schließlich in eine Schelte der Edition H. G. Hothos, die durch Gethmann-Siefert in der Forschung zu Hegels Ästhetik mittlerweile topisch geworden ist. Vgl. Kraft (2010), S. 98 ff. Kraft scheint diese These nicht eigens überprüft zu haben. Am Ende gelangt er zum Fazit: »Die wirklich positiven und konstruktiven Überlegungen zur neuen Komödie bleiben bei Hegel Episode.« Kraft (2010), S. 100. Im vorliegenden Kapitel der Untersuchung wird gegen diese These mit Nachdruck Einspruch erhoben. 72 

Erörterungen zum Naturrechtsaufsatz. Zweiter Teil

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und ausschließend begriffen werden, sondern müssen ineinsgedacht werden. Dies übersieht Kraft aber. Gewinnversprechend ist hingegen die Frage, was die drei festgehaltenen allgemeinen Bestimmungen der modernen Komödie, wie sie idealtypisch und zugleich konkret von Hegel an den Bekehrten entwickelt werden, für die sich weithin am komischen Theater Molières orientierenden Ausführungen in den Ästhetik-Nachschriften und in der Edition Hothos weiterführend bedeuten. Mit der Thematisierung des Ernstes in der alten und neuen Komödie erreichte Hegel auf der allgemeinen theoretischen Ebene der RaupachRezension den Kernaspekt: Die Durchmischung des Komischen mit ernsthaften Elementen ist für ihn ein relevanter Aspekt, um die Komödie davor zu bewahren, zur bloßen Posse zu werden.73 Für den Vollbegriff der Komödie gilt, nicht nur ein leeres Scherzetreiben zu sein – was in den Vorlesungen an den Auswüchsen des Lächerlichen problematisiert worden ist –, sondern in absolut-geistiger Weise des Ästhetischen einen objektiv-geistigen Inhalt zum Ausdruck zu bringen. Erst durch diesen Gehalt kann sich die Komödie in Hegels Ansatz überhaupt für eine geistphilosophische Ausdeutung im ästhetischen Rahmen eignen. Es gibt keinen Grund – und zudem keinen Beleg –, warum Hegel eine solche Form als unsubstantiell oder belanglos abwerten sollte. Außerdem wird durch diesen Gehalt erst eine Anschlussfähigkeit ihrer Begriffsbestimmung an das Wesen der antiken Komödie hergestellt: In der Polis war die Durchsetzung der modernen Subjektivität in einer langsam sterbenden geistigen Ordnung der substantielle Ernst der Komödienform. In seiner Rezension sprach Hegel dies als den ›allerbittersten Ernst des Politischen‹ an. Im Anschluss an eine solche Problematisierung kann man sich jedoch schwerlich den Fragen entziehen, die zu einer weiterführenden konsequenten Erörterung überleiten: Welcher ist der wahre geistige Inhalt der Komödie in der Neuzeit? Wie kann die moderne Komödie auf den Begriff gebracht werden? Welcher Ernst als substantieller Gehalt wird allgemein in ihr verhandelt?

4.  Erörterungen zum Naturrechtsaufsatz. Zweiter Teil Mit der Differenz von antiker und moderner Komödie beschäftigt sich Hegel nicht allein in seinen Vorlesungen über die Philosophie der Kunst und in der Raupach-Rezension, sondern bereits im Naturrechtsaufsatz. Was die Phänomenologie des Geistes ausspart – sie richtet das Interesse allein auf die kunst73 

Vgl. GW 16, S. 5.

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Zur Aufführung gebrachte Partikularität

religiöse Bewusstseinsgestalt des Aristophanischen Theaters  –, erhält immerhin in der Jenaer Abhandlung einen größeren Raum. Ganz analog den Berliner Gedanken zu den Stücken Molières entwickelt Hegel hier die einer Unterscheidung dienende Bestimmung, »die andere Komödie« des nachantiken Zeitalters schürze ihren Konflikt nicht in spielerischen, sondern für den handelnden Charakter in »ernsthaften, für den Zuschauer aber komischen Gegensätzen«74. Die Phänomenologie drückte dies mit Hilfe der griechischen Theaterpraxis des Maskentragens aus: Der antike Held der Komödie spielt mit seiner Maske, hinter ihr versteckt er sich als ein distanzloses Subjekt des nichtigen Bühnengeschehens, mit heruntergenommener Maske gibt sich das komische selbstbewusste Individuum, der Schauspieler, der sich mit den Zuschauern einlassen kann, zu erkennen. Diese Ironie des Auf- und Absetzens kommt aber dem modernen Charakter, der »sich beständig getäuscht«75 finde, nicht zu: Er besitzt keine solche Maske. Darin stimmen der Jenaer und der Berliner Ansatz überein. – Doch nicht diese Perspektivität des Lachens ist im Naturrechtsaufsatz der Hauptaspekt der Differenzierung in Alt und Neu – sie taucht eher in einem Nebensatz auf, als einem generelleren Gedanken subsumiert. Dieser generelle Gedanke ist es, welchen Hegel komplex aus den vorhergehenden rechtsphilosophischen Ausführungen zum Römischen Recht und neuzeitlichen Naturrecht ableitet und späterhin mit verlagertem inhaltlichem Schwerpunkt in die ästhetischen Vorlesungen übernehmen wird. Im Kapitel über die frühe Philosophie Hegels konnte gezeigt werden, welche Bedeutung die Kategorie der ›Schicksallosigkeit‹ für die Komödientheo­ rie des Naturrechtsaufsatzes hat. Im Falle der »göttliche[n] Komödie« der Alten in ihrer »absoluten Lebendigkeit« hat es die Individualität nur »mit einem gemachten Schicksal« und einem »erdichteten Feinde« zu tun, so dass »nur Schattenbilder von Gegensätzen oder Scherze von Kämpfen«76 entstehen können, das Stück also frei von einem wahrhaften und ernsthaften sittlichen Konflikt ist. Selbst wenn ein Anschein von kämpferisch auszutragendem Widerspruch entstehen sollte, gibt sich dieser bald als bloßer Schein zu erkennen. Alles löst sich in Wohlgefallen auf, da alles immer schon in Harmonie miteinander versöhnt ist. Denn die allgemeine sittliche Substan­z wird hier nicht durch das Prinzip der Besonderheit bedroht, weil das Göttliche in der vereinzelten Individualität des komischen Charakters, als das Andere dieses Göttlichen selbst, in Wahrheit nur aus Leichtsinn und als Beweis 74 

GW 4, S. 461.

76 

Ebd., S. 459.

75 Ebd.

Erörterungen zum Naturrechtsaufsatz. Zweiter Teil

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der unendlichen Macht mit sich selber spielt. Im Komischen lässt sich das Unendliche somit in die Gefilde des Endlichen herab, aber nicht als in ein äußerliches Fremdes sich wagend, sondern als sich selbst in sein Gegenteil entlassend, um darin heitere Selbstbestätigung zu finden. Auf diese Weise interpretiert Hegel die Komödie als eine künstlerische Form, in welcher die Problematik einer lebendigen Vermittlung von Individualität und Allgemeinheit in substantieller politischer Ordnung ästhetisch zum Ausdruck kommt. Die ›göttliche Komödie‹ ist insofern ein neben der Tragödie berechtigtes Bild schöner griechischer Polis-Sittlichkeit. – Bis hierhin befasst diese Deutung keine neuen Aspekte; im entsprechenden Kapitel ist sie ausführlich entwickelt worden. Doch darüber hinausgehend stellt sie für die Theorie der ›anderen Komödie‹ der Moderne Grundlage und zugleich Kontrastfolie bereit, neben die gehalten sie als eine zerbrochene Schönheit erscheint: Die ›andere Komödie‹ ist die Form »der Nichtlebendigkeit«, welche »nur Schattenbilder von Selbstständigkeit und von Absolutheit darstellt«77. Eine nähere Erörterung dieses Begriffsmoments ist tunlich. Wie die griechische Form ist das moderne Lustspiel frei von Schicksal, ihre Figuren sind nicht dazu verdammt, für die allgemeine Macht in den Tod zu gehen; so werden auch wahrhafter Kampf und wahrhafter Konflikt in ihr eben nicht ausgetragen.78 Interessant in diesem Zusammenhang ist allerdings Hegels Begründung: Nicht weil der Konflikt von Allgemeinheit und Individualität im antiken Sinne nur ein scheinbarer ist, muss in der neuen Komödie kein Widerspruch aufgehoben und versöhnt werden, sondern weil von Anfang an und immerfort »die sittliche Natur in jenem [Kampfe] selbst befangen ist«79. Wenn Hegel wie angeführt von den ›Schattenbildern von Selbständigkeit und Absolutheit‹ spricht, bezeichnet er demnach einen Weltzustand, in dem die absolute Sittlichkeit und Substantialität, die in Griechenland schöne Einheit von Polis und Individuum war, in Entzweiung getreten ist. Die sittlichen Mächte, die sich in der alten Tragödie nur vorübergehend vereinseitigten, um der Notwendigkeit des Schicksals gehorchend wieder in Identität gesetzt zu werden, verharren in der modernen Welt in starrer Gegensätzlichkeit. In diesem Sinne der Versteinerung der Entzweiung im Sittlichen spricht Hegel von der ›Nichtlebendigkeit‹ als dem objektiven Hintergrund der modernen Komödie. Wo die alte Form des komischen Theaters also keinen tragischen Ausgleich der einseitigen Mächte herstellen musste, da dieser Ausgleich nie ernsthaft bedroht wurde, kann die neue Form 77 Ebd. 78 

Vgl. ebd., S. 460.

79 Ebd.

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Zur Aufführung gebrachte Partikularität

ästhetisch keinen komischen Ausgleich herstellen, da in der Sphäre der sittlichen Objektivität immer nur der Gegensatz herrscht. Als adäquate künstlerische Widerspiegelungen der Sittlichkeit ist die erste Gestalt Ausdruck einer grundsätzlichen Konfliktlosigkeit wie die zweite Ausdruck der grundsätzlichen Gegensätzlichkeit der sittlichen Sphären ist. So stellt auch im Naturrechtsaufsatz der veränderte Weltzustand des objektiven Geistes die Bedingungen der Kunstform, in welcher diese Objektivität ästhetisch reflektiert wird: Antike und moderne Komödie »unterscheiden sich wie antikes und modernes Leben des Einzelnen im Staat«80. Erst in Anschluss an diese recht abstrakt gehaltenen Ausführungen zu Schicksal, Konflikt und Versöhnung in der ›göttlichen‹ und ›anderen Komödie‹ gibt Hegel näher ausbestimmt die konkrete geschichtliche Gestaltung des objektiven Geistes als Welthintergrund an: Über die verloren gegangene Polis hinaus musste der sittliche Geist »das bestehende in die formale und negative Absolutheit des Rechts verwandeln, und dadurch seiner Angst die Meynung von Festigkeit für seinen Besitz geben, seine Habseligkeiten durch Tractate und Verträge und alle erdenklichen Verklausulirungen zu etwas sicherem und gewissem erheben«81. Derlei Verhältnisse sind aus den rechtsgeschichtlichen Bestimmungen der römischen Satire vertraut. Es ist der abstrakte Rechtszustand des absoluten Formalismus, in welchem Freiheit als Besitz und Eigentum der Person, nicht aber als Anerkennungsverhältnis der vernünftigen Sittlichkeit, Wirklichkeit hat. Wie die freie Sittlichkeit sich in diesem Gebilde auf abstrakte Rechtlichkeit reduziert, die mit dem wahren Absoluten verwechselt wird, beschränkt sich in ihr die Vermittlung mit der Totalität der politischen Sphäre auf einen privatim häuslichen Geltungsbereich. Die moderne Komödie ist das ästhetische Bild dieser Durchführung reiner Privatinteressen. – Die Darlegung Hegels will möglicherweise an Giambattista Vicos Philosophie erinnern; am Rande seiner Schrift Principj di una scienza nuova d’intorno alla commune natura delle nazioni (1725; dt. Prinzipien einer neuen Wissenschaft über die gemeinsame Natur der Völker) führt dieser nämlich zur neuen Komödie aus, sie zeichne im Unterschied zur alten in erster Linie private Charaktere, die zudem ein hohes Maß an Fiktionalisierung besitzen dürfen, gerade weil sie bloß Privatpersonen seien.82 Aus dieser

80 

Rosenzweig (1920), S. 172. GW 4, S. 461. 82  Vgl. Vico (1990), S. 332. – Roche (1998), S. 136 stellt zudem Vicos Übereinstimmung mit dem von Hegel unterstrichenen engen Zusammenhang von Komödie und Subjektivität hervor. Dass Hegel trotz dieser inhaltlichen Berührung Vico wohl nie zur Kenntnis genommen hat, dazu vgl. Lukács: W 10, S. 107 ff. 81 

Erörterungen zum Naturrechtsaufsatz. Zweiter Teil

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Beobachtung leitet Vico ab, dass hierbei notwendig der Chor als Kommentator öffentlicher Angelegenheiten verschwinden musste. Der Philosoph und Historiker Franz Rosenzweig deutet in seinem Buch Hegel und der Staat von 1920, einem Meilenstein der Forschung zur praktischen Philosophie Hegels, durch knappe Bemerkungen die Theorie der modernen Komödie im Kontext der allgemeinen Naturrechtskritik tiefergehend aus, und zwar als neuzeitliche Nachwirkungen ebendiesen Römischen Rechts: Am selbstironiefreien Komödiensubjekt werde von Hegel ein Handeln vorgeführt, das »sein kleines zufälliges Eigenwesen in bitterem Ernst für absolut« halte und aus diesem Grunde »ganz von selbst« in einer beschränkten »Ordnung« gefangen bleibe, »in der das Zufällige unbedingte Geltung beansprucht« – gemeint ist die »Welt des privaten Rechts«83. In abstrakter Besonderheit, unvermittelt mit der Totalität, besitzt eine solche Individualität bloß partikularisierende Personen- und Vertragsrechte als äußere Sphäre der Freiheit und Selbständigkeit, die ihm aber für das Absolute gelten. Hieran bestätigt und erläutert sich, was Hegel als bloße ›Schattenbilder von Selbständigkeit und Absolutheit‹ bezeichnete. Das moderne Subjekt der Rechtlichkeit, wie es in der Komödie veranschaulicht wird, ist im Angesicht des Zufalls, der Willkür und Unverbindlichkeit der bloß äußeren politischen Verhältnisse vor die Wahl gestellt, »entweder [zu] meynen, es seyen die eignen über dem Schicksal mit Vernunft und Willen schwebenden Bemühungen, die in solchem Stoff sich abarbeiten, und die solche Veränderungen hervorgebracht hätten«; oder aber es will sich »über sie als unerwartetes und nicht gehöriges ereifern, und zuerst alle Götter gegen solche Nothwendigkeit anrufen, und dann sich darein fügen«84. Im ersten Fall sitzt das Subjekt lediglich dem Schein individueller Freiheit und Selbstbestimmung auf, dem besagten ›Schattenbild von Absolutheit‹, als könnte es tatsächlich losgelöst vom absoluten Vermittlungszusammenhang der determinierenden sittlichen Ordnung unabhängig agieren.85 Der zweite Fall, den Hegel prägnant skizziert, erscheint 83 

Rosenzweig (1920), S. 173. GW 4, S. 461. 85  Vgl. hierzu auch Rosenzweig (1920), S. 173. Schon in Hegels Fragmenten einer Kri­­tik der Verfassung Deutschlands (1799–1803), die etwa zeitgleich mit dem Naturrechtsaufsatz entstanden, jedoch früher begonnen worden sein müssen, wird die Problematik in vergleichbarer Weise thematisiert: Die absolut unabhängige Individualität ist ein Selbstbetrug. Hegel verdeutlicht, der Einzelne sei gegenüber der »eiserne[n] Nothwen­digkeit« des politischen »Schiksal[s]« niemals bestimmungslos; als vereinzeltes Bewusstsein seiner selbst durchschaut er nicht, immerzu von höheren Mächten der »Politik, Religion, Noth, Tugend, Gewalt, Vernunft, List« bewegt zu werden, also von Mächten des »uran­fänglichen Schiksals und der alles besiegenden Zeit«. GW 5, S. 95. Individualität ist Nich­tigkeit – dies ist Hegels Intention; und in einer beeindruckenden Pointe bezieht er sie auf seine Komö84 

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Zur Aufführung gebrachte Partikularität

wie die bewusstseinstheoretische Konsequenz aus der möglichen Einsicht, dass dieses erste Modell einer freien Subjektivität nur eine Täuschung ist: Das Subjekt erlebt die Objektivität leidvoll als tragische Beschränkung seiner euphorisch erlebten Individualität und verzweifelt ob seiner Ohnmacht vor der großen Politik solange über diese Erfahrung, bis es sich schließlich doch, resigniert und in fatalistischer Haltung, dem ›Schicksal‹ politischer Übermacht der sittlichen Institutionen unterwirft. Es kann gesehen werden, dass diese rechtsphilosophische Dimension der Theorie der modernen Komödie über diejenige, die an der Satire herausgearbeitet werden konnte, hinausgeht. Was im Bild vom Sokratischen Samenkorn verdichtet ist, das in die Aristophanischen Stücke gelegt ist und schließlich im Scheitern des griechischen Geistes an der modernen Subjektivität austreibt, kann durchaus als Andeutung dessen verstanden werden, worin die römische Welt sich ästhetisch als schwierige Nachgeschichte dieses Scheiterns bewusst wird. Die ›andere Komödie‹, die im Naturrechtsaufsatz nach ihrem Verhältnis zu Recht und Politik befragt wird, verhandelt mit den Mitteln der Kunst jedoch eine andersartige Problematik als die der Satire: In ihr steht weniger die berechtigte Kritik an einer Welt der Entzweiung zur Verhandlung, die sich an den Widersprüchen der Tyrannis verletzt, als vielmehr eine Subjektivität, die sich gegenüber der Sphäre der organischen Sittlichkeit vereinzelt und rein auf sich selbst bezieht, indem sie blind ihren egoistischen Zwecken nachgeht. Der objektive Geist ist über den instabilen Weltzustand Roms geschichtlich hinaus; mit den Begriffen Jenas lässt sich formulieren, der ›sittliche Trieb‹ befindet sich im Prozess, eine festgefügte bürgerliche Ordnung zu errichten, wie sie Hegel in den neuzeitlichen Naturrechtslehren philosophisch in das Denken übersetzt findet. Auch wenn diese reiferen geschichtsphilosophischen Ausbestimmungen in der frühen Jenaer Zeit noch nicht vorgenommen werden resp. werden können, lassen sie sich mit Blick auf die späteren Konzeptionen in einen solchen Kontext einordnen. So weist Lukács in seiner – in vielen Thesen sicherlich sehr streitbaren – Studie Der junge Hegel (publiziert 1948) darauf hin, dass im Naturrechtsaufsatz die Unterscheidung zweier sittlicher Mächte, deren Problematik einer Abspaltung der Besonderheit von der allgemeinen Substanz für Hegel in der dientheorie: Die selbsttrügerische Individualität sei »bewußtlos«, dass sie und alle anderen bloß einzeln gemeinten Einzelnen »Werkzeuge in der Hand höherer Mächte […] sind, die jener Freyheit und Selbstständigkeit lachen«. GW 5, S. 95. Angesichts der Bestimmungen des Naturrechtsaufsatzes zur modernen Komödie, die hier als Bild für die Befreiung vom modernen Schicksal der sittlichen Institutionen verstanden wird, kann mit einiger Bestimmtheit behauptet werden, dass dieses Lachen der Verfassungsschrift das gleiche Lachen wie das der Komödie ist.

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modernen Komödie veranschaulicht wird, auch die Dimension der Unterscheidung des ganzen Menschen in den Citoyen und den Bourgeois besitze, in den allgemeinen Staatsbürger und das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft als Sphäre der wesenlosen Privatinteressen.86 Lukács meint, die Komödie drücke sich »in der Kleinlichkeit und Lächerlichkeit des bürgerlichen Alltagslebens vor dem großen Hintergrund der wirklichen Taten des Weltgeistes aus, im Gegensatz zu der subjektiven Ernsthaftigkeit, zu dem subjektiven Wichtignehmen dieser Konflikte im Leben selbst«, weshalb Hegel diese Gattung für eine »Kritik der politischen Nichtigkeit der deutschen Bourgeoisie«87 nutze. Aus diesem Grunde erkennt er in Hegels Aufsatz einen sehr vorausschauenden Charakter, denn was darin kritisiert werde, bestätige sich erst an der Entwicklung der bürgerlichen Gesellschaft ins spätere 19. Jahrhundert hinein, wenn nämlich die »Unfähigkeit« der Bürger in Erscheinung trete, »ihre wirtschaftliche Macht, ihre führende Rolle in der Ökonomie zur Erlangung jener politischen Macht, die ihr ökonomisch zukommen würde, zu benützen«88. In der Weise gedeutet erlangt die Komödie im theoretischen Raum der Naturrechtskritik die Kraft, den notwendig zu überwindenden Widerspruch des politisch zu keiner Emanzipation vom Monarchismus kommenden Bürgertums zum Vorschein zu bringen. Die Komödie wird zu einer bildlichen Entfaltung geschichtlichen Scheiterns der treibenden revolutionären Kräfte. Ob Lukács mit seiner politischen Interpretation in allen Punkten ins Schwarze dessen trifft, worum es Hegel in seiner frühen Komödientheorie geht, kann bezweifelt werden. Es ist einleitend in dieses Kapitel bemerkt worden, wie wenig Bedeutung er gerade der zeitgenössischen deutschen Bürgerskomödie beimisst; eingedenk dieses Umstands davon zu sprechen, Hegel entdecke in den Stücken einen Geist der Revolution, dem es auf ein VorAugen-Führen mangelnder Entschlossenheit der Bourgeoisie zur Durchsetzung staatsbürgerlicher Rechte gegen die Herrschaft ankomme, überinterpretiert den politischen Gehalt der Komödientheorie. Es darf allerdings nicht unterschlagen werden, dass Lukács eine scharfsichtige Erläuterung des Hegelschen Gedankengangs vornimmt und ihn wie kein zweiter in einen politischen Horizont stellt. Nicht zu leugnen ist, dass schon für den jungen Hegel die bürgerliche Gesellschaft die Sphäre des losen Verbundes atomistischer Einzelmenschen ist, die rücksichtslos nur auf den eigenen Vorteil bedacht sind, eine Art Naturzustand unter vergesellschafteten Vorzeichen. 86 

Vgl. Lukács (1973), S. 627 ff. Ebd., S. 629 f. 88  Ebd., S. 630. 87 

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Zur Aufführung gebrachte Partikularität

Die Komödie führt das Handeln dieser vereinzelt schaffenden Bürgersleute vor, das im Kontrast zu den wesentlichen Zwecken des Lebens, im Gegensatz zum Kampf um Freiheit, Anerkennung, Selbstbewusstsein und substantielle Existenz, zutiefst lächerlich erscheint. Im Zusammenhang des Diskurses um Anerkennung und Krieg, im Teil über das ›äußere Staatsrecht‹ in den Grundlinien der Philosophie des Rechts, worin explizit auf diese Problematik des Naturrechtsaufsatzes hingedeutet wird, verweist Hegel darauf, dass Staat eben nicht auf bürgerliche Gesellschaft reduziert werden dürfe, sein »Endzweck« sich nicht auf die »Sicherung des Lebens und Eigenthums der Individuen« beschränke, das Recht des Besonderen, das zur Reduktion auf die »Eitelkeit der zeitlichen Güter und Dinge« neigt, nicht über die Notwendigkeit einer darüber hinausgehenden sittlichen Einheit des Allgemeinen, das in den Citoyens verkörpert ist, hinwegtäuschen darf; ansonsten komme es zur Erstarrung, zum »Festwerden der endlichen Bestimmtheiten«89. Würde sich Lukács nicht auf die deutschen Verhältnisse kaprizieren, in Hegels Molière-Deutung würde er allemal Züge entdecken, die darauf hinweisen, dass er diese Art von Komödie als Kritik an der Lachen machenden Selbstbeschränkung des Bürgertums auf die Sorge um Vermögen und Ansehen, an ihrer selbstgewünschten Internierung in Selbstsucht und Eigennutz interpretiert. Die Figuren Molières besitzen kein Bewusstsein für die wesentlichen Ziele des Citoyen, von denen Lukács spricht; die Komödie ist insofern das Abbild einer gesellschaftlichen Klasse oder Schicht, die politisch erlahmt ist und sich das Streben nach materiellem Wohlstand und sozialem Aufstieg zur Ersatzbefriedigung erwählt hat. Eine solche Lesart des Aufsatzes des Jenaer Hegel deckt sich mit der Aneignung dieses frühen Gedankens zur Form in den Vorlesungen über die Philosophie der Kunst. Hotho setzt an das Ende der Auseinandersetzung mit 89 GW 14,1,

S. 265 f. Vgl. zu diesem Aspekt auch Hegels Bemerkungen zur »Ver­ sumpfung ins Privatinteresse« in seiner 1817 in den Heidelbergischen Jahrbüchern der Lite­­ ratur erschienenen Schrift Verhandlungen in der Versammlung der Landstände des Königreichs Würtemberg im Jahr 1815 und 1816, kurz Landstände-Schrift genannt. In: GW 15, S. 48. Vor dem politischen Hintergrund des Konflikts um die kurz zuvor in Kraft getretene württembergische Verfassung zwischen König und Landständen, in dem Hegel – zum Teil auch königskritisch  – für den souveränen Konstitutionsakt und gegen das reaktionäre Festhalten am alten Recht plädiert, bringt er auch die Problematik einer Flucht in die bürgerliche Welt des Eigennutzes vor, die Interessenlage der Stände, die quasi-aristokratisch die Bevölkerung ausbeuten, wie es nur möglich ist, in der sich also die Energien, gleichgültig gegenüber allgemeinen, d. h. gemeinnützigen und das bedeutet als Antipode zu einer solchen Partikularität nationalen Zwecken, allein auf die Beschränktheit des vereinzelten Strebens richten. Die übergreifende politische Problematik liegt für Hegel somit in der »Depravierung von Staatsrecht zu Privatrecht« (Jaeschke [2003], S. 258) zu Gunsten der Bereicherung einer verhältnismäßig kleinen Klasse.

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der modernen Komödie bei Molière Hegels einlässlichere Bemerkung zur Bloßstellung bürgerlichen Privatwesens, die wahrscheinlich dem Kolleg von 1826 entstammt90: »In dieser Weise stellt das moderne Lustspiel überhaupt Privatinteressen und die Charaktere dieses Kreises in zufälligen Schiefheiten, Lächerlichkeiten, abnormen Angewöhnungen und Torheiten für den Zuschauer teils in Charakterschilderung, teils in komischen Verwicklungen der Situationen und Zustände dar.«91 Auch in Hinblick auf diesen Aspekt integriert die Komödientheorie der großen Ästhetik diejenige des Naturrechtsaufsatzes.  – Für die Berliner enzyklopädische Philosophie und ihre einzelnen Ausbestimmungen, etwa in den Vorlesungen, aber auch in den Grundlinien der Philosophie des Rechts, lässt dies zudem immanente Bezüge zu anderen Systemteilen zu. So bilden für die Erörterung des Kernaspekts des neuzeitlichen Lustspiels die Paragraphen über das Privatrecht im ersten Teil zum abstrakten Recht bzw. über die bürgerliche Gesellschaft im dritten Teil zur Sittlichkeit innerhalb der Rechtsphilosophie die Grundlage. Ausführungen beispielsweise über die Partikularität der subjektiven Interessen im ›System der Bedürfnisse‹ sowie über die notwendige systemphilosophische Überwindung dieser Sphäre unzureichender Versittlichung auf das substantielle Terrain des Staates geben objektiv-geistige Hauptmomente ab, welche die kunstphilosophischen Theoreme vermehren und fundieren.92 Zur Rekapitulation des bisherigen Argumentationsgangs lässt sich an diesem Punkt festhalten: Zum einen demonstriert Hegel an Molières Stücken eine komische Subjektivität, die in ernsthafter Versessenheit nichtige Zwecke verfolgt und dabei nur dem Zuschauer lächerlich erscheint. Zum anderen fallen solche Figuren zwar deutlich hinter das in Heiterkeit starke Selbstbewusstsein bei Aristophanes zurück, das moderne Lustspiel wird dadurch aber zur literarischen Verdichtung des auf seine Endlichkeit und Fehlbarkeit gebrachten Menschen, d. h. zur Darstellung des Begriffs natürlicher, gewöhnlicher, unheroisierter Menschlichkeit in konkreten Charakterzeichnungen. Drittens werden diese Bestimmungen in der Raupach-Rezension aufgegriffen, jedoch in eine andere Richtung deutend und weniger kritisch als bezüglich Molières zugespitzt: Die moderne kommt der alten Komödie und ihrem Wesen selbstbewusster Vernichtung des Nichtigen nahe, indem sie zumindest komische Verwicklungen an sich selbst scheitern lässt. Auf diese Weise kann es zur substantiellen Lösung in ernsthafter Inhaltlichkeit führen: Bei Raupach z. B. bekehren sich die wahrhaft Liebenden zueinander. Doch vier90 

Vgl. Kehler (1826), S. 234. TWA 15, S. 571. 92  Vgl. GW 14,1, S. 160 f., 165 ff., 208 ff. 91 

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tens deutet sich bei Molière mehr als bei Raupach ein weiterer Aspekt an, wie die Komödie durch Integration geistigen Ernstes vor dem nur Possenhaften bewahrt wird: Die ernste Versessenheit des subjektiven Zweckverfolgs wird auf objektiv-geistiger Ebene zur Vorführung des Ernstes wesentlicher sittlicher Inhalte. War der Ernst der alten griechischen Komödie ein religiöser bzw. religionskritischer sowie ein politischer im wahrsten Sinne der Etymologie, nämlich das Scheitern der Polis an der selbstbestimmten Subjektivität, die sich in dieser künstlerischen Form ausspricht und selbst als eine solche begreift, ist er im modernen Lustspiel ein privatimer der bürgerlichen Gesellschaft, konkret das Zur-Anschauung-Bringen sich vereinzelnder Subjektivität in beschränkten Einzelinteressen, der das sittlich Wesentliche aus dem Blick gerät. Dieses Argument bringt vor allem der Naturrechtsaufsatz in den Diskurs ein. In der modernen Komödie wird dieses beschränkte Streben des Bourgeois an den wesentlichen Inhalten vorbei, dieser nichtige Zweck einer Ersatzhandlung, die wahres revolutionäres Freiheitsbewusstsein kompensiert, in der kritischen Thematisierung zum substantiellen Inhalt. Jürgen Grimm ist übereinstimmend der Auffassung, in Molières Theater werde das Unvernünftige als Lächerlichkeit vorgeführt, um daraus ein Bewusstsein des Vernünftigen zu erlangen.93 Dies ist in Begriffen Hegels ein geistiges Selbstbewusstsein. Somit lassen sich die vielen Fäden in diesem Résumé zusammenknüpfen. Die Bestimmungen aus den verschiedenen Texten Hegels widersprechen einander nicht, sie setzen lediglich unterschiedliche Akzente, sind mal euphorischer und mal kritischer. Doch selbst Molières Stücke, die Facette des Komödienbegriffs, an welche Stephan Kraft seinen Vorwurf einer abwertenden Haltung Hegels heftet, können aus dieser Perspektive fraglos anerkannt werden; das mit bitterem Ernst gespickte Verfolgen nichtiger Ziele führt wiederum die Leistung mit sich, die Dimension der kritischen Haltung gegenüber bürgerlichen Privatinteressen markant zu erkennen zu geben. Im Kolleg 1826 erörtert Hegel recht umfänglich, gerade durch die Bedienten und die Familie, also die Perspektive des Zuschauers, werden solche distanzlos nichtig Handelnden durch das Verlachen geradewegs »beschämt« und »bestraft«; dahingehend, dass beispielsweise Orgon sogar »von seinem Mißverständnis zurück[komme]«94 und sich Besserungen vollziehen. Damit ist die gesellschaftliche Dimension in Sicht gebracht, den nichtig Handelnden durch lächerliche Bearbeitung zu diskreditieren und dabei durch negatives Anzeigen substantieller Zwecke Notwendigkeit und Inhaltlichkeit der bürgerlichen 93  94 

Vgl. Grimm (2002), S. 176 f. Kehler (1826), S. 234.

Erörterungen zum Naturrechtsaufsatz. Zweiter Teil

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Tat zu demonstrieren. Um diese politisch-sozialen Momente deutlicher hervorzukehren, widmet Hegel der französischen Form weitaus mehr Raum als den mehr im antiken Geist gedichteten Werken Shakespeares; in den Nachschriften ist dieses Missverhältnis noch größer. So zeichnet sich ab, dass wenn Hegel nach einer Rückgewinnung der Qualitäten der alten Komödie für die moderne fragt, hierin keine eindimensionale Wiederbelebung in klassizistischem Geiste liegt; er stellt den Bezug zu Shakespeare und von dort aus zu Aristophanes nicht her, damit die klassische Form der Gegenwart im Glanz des unerreichbaren Vorbilds erstrahle. Vielmehr dient ihm die alte als Maßstab zur gehaltvollen Thematisierung, wie die neue ihrer geschichtlichen Aufgabe, die wie gezeigt für die Neuzeit anders bestimmt wird als für die Antike, gerecht werden kann. Die ›andere Komödie‹ reflektiert die Problematik, in welcher sich die moderne Subjektivität befindet, wenn sie sich vom freiheitlich sittlichen Zusammenhang isoliert und dieses Allgemeine als etwas Fremdes erfährt. An den generellen Bestimmungen einer Gattung in einem bestimmten, aber recht breit verstandenen Zeitabschnitt lässt sich für Hegel nicht bloß ein poetologisches Grundverhältnis ablesen, sondern immer auch die geistige Signatur einer Epoche.95 Unleugbar verbietet es sich für Hegel, innerhalb der Geltungsproblematik moderner Kunst eine Selbstlegitimation aus der Wiederaneignung vergangener griechischer Kunst abzufälschen, und zwar nicht aus Gründen, die dem ökonomischen Diktat einer ewigen Wiederkehr des Neuen gleichkämen, einer unendlichen Vermehrung und Ausdifferenzierung der Bedürfnisse und ihrer Befriedigung im entsprechenden von Hegel auf seine Gesetzlichkeiten untersuchten System der bürgerlichen Gesellschaft, aus welchem dann auch für die Kunst immer neue, immer andere Gestaltungen gefordert werden könnten, sondern aus Gründen, die innerästhetisch zu suchen sind: Eine Kunst wie die moderne, die nach neuen substantiellen Gehalten sucht, kann über diese ihre Identitäts- und Sinnkrise nicht einfach hinwegtäuschen, indem sie auf eine heile antike Welt vor allen Brüchen rekurriert. Eine Kunst, die sich Geltung durch kopierte Wesentlichkeit vergangener Zeiten zu verschaffen sucht, kann für Hegel gar nicht tiefer in der Krise stecken. Aus diesem Grunde vermag das moderne Lustspiel gerade nicht, eine Reanimation des Aristophanischen Theaters zu leisten. Ein solches konservatives Unternehmen ist für Hegel keine Option.

95 

Vgl. Meist (1983), S. 54 ff.

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Zur Aufführung gebrachte Partikularität

5.  Drama oder Schauspiel als mittlere Form Schon das antike komische Theater integrierte den politischen und religiösen Ernst und war keineswegs nur komisch. In der Moderne überlagern sich ferner die komischen und ernsten Schichten gleich in mehrfacher Hinsicht: Die vereinzelten Individuen haben sich die Freiheit herausgenommen, leichtes Spiel ebenso mit bitter-ernsten Angelegenheiten zu treiben. Aber auch substantielle Inhalte werden hier verhandelt. Unter der Oberfläche des Belanglosen schaut der Ernst sittlicher Problemlagen hindurch. Ernst und Komik durchdringen sich, in die Gegenwart vorstoßend, in gesteigerter Intensität gegenseitig. Das ist voraussehend von Hegel und ganz und gar zeitgemäß.96 – Manfred Schneider reflektiert über Gedanken aus der Historiographie Jules Michelets, dass eine durch und durch ernsthafte Kunst mit dem Anspruch verbunden wäre, »die Welt in ihrer Reinheit zu zeigen«, als »eine von allen Ironien, Paradoxien gereinigte Welt, ja, eine auch vom Verdacht der Ironie und Paradoxie gereinigte Welt«97. Einen solchen Kunstbegriff zu vertreten ist unmenschlich, denn solche Werke aufzunehmen, die Sicht auf das Welthafte verstellend, überhaupt eine solche Kunst zu schaffen, ist unwahrhaftig und nahezu unmöglich. Es ist wohl gerade die Verbindung aus Ernst und Komik, die das Künstlerische in seiner Wahrheit auszeichnet. Hegel könnte dem zustimmen, hingegen würde er dies niemals ahistorisch begreifen: Ernst und Komik zu amalgamieren, ist eine Erscheinung, wie sie in modernen Zeiten ästhetisch sichtbar wird. Die alte Komödie war ja der erste verbürgte Ausdruck dessen. Diese Tendenz bis in Hegels Gegenwart hinein zu verfolgen und – dort auf ihren vorläufigen Höhepunkt gebracht – geschichtsphilosophisch auszudeuten, ist ein Anliegen, das sich insbesondere in den ästhetischen Vorlesungen verwirklicht. Im Vortragssaal gelingt es Hegel, neueste literarische Entwicklungen im Zuge der Aufklärungsbewegung oder gar eines universelleren Prozesses auf den philosophischen Begriff zu beziehen: die unter Bedeutungsverlust der klassizistischen Tragödie sich vollziehende Entstehung der mittleren Stile und Einzelwerke als eine Berührung von hoher Diktion und gemeiner Lebenswirklichkeit, im Schauspiel die 96 

Denis Diderot macht eine ganz ähnliche Beobachtung und bringt sie in der ›dritten Unterredung‹ als Anhang zu seinem Lustspiel Le fils naturel zum Ausdruck. Allerdings handelt es sich dabei lediglich um eine verdichtete Feststellung, ohne sie geschichtlich auszudeuten: »Ein Stück bleibt niemals, aufs strengste, in den Grenzen einer einzigen Gattung. Es giebt kein einziges Werk in den komischen und tragischen Gattungen, in dem man nicht Stellen finden sollte, die sich vollkommen für die ernsthafte Gattung schickten; und wiederum wird es in dieser an andern Stellen nicht fehlen, die in einer von den beyden andern Gattungen stehen könnten.« Diderot (1781), S. 212. 97  Schneider (2006), S. 122.

Drama oder Schauspiel als mittlere Form

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comédie larmoyante oder comédie sérieuse, zuerst bei den Franzosen wie Marivaux oder La Chaussée, dann auch bei deutschen Dichtern, im Singspiel das Dramma giocoso als eine Mischform aus aristokratischer Opera seria und einer die Commedia dell’arte musikalisch weiterführenden Opera buffa. Doch das ist nur die poetologisch festgeschriebene Ausprägung, daneben erscheint sie punktuell in immer weiteren Einzelstücken, die sich auf kein festes Untergenre festlegen lassen. Über 1831 hinaus wird diese zeitgenössisch analysierte Tendenz zu einem wesentlichen Charakteristikum des modernen Bühnenstücks. Hegel schreibt in seinem Jugendaufsatz in Anschluss an Aristoteles, dass die Antike bloß zwei dramatische Gattungen kannte98; erst in der neuzeitlichen Dichtung kam es dann zu Zwitterformen. Doch zu dieser dichterischen Realität setzt sich Hegel erst in seiner Berliner Ästhetik in ein näheres Verhältnis. Diesbezüglich steht die Darlegung in engstem Bezug zur sogenannten ›These vom Ende der Kunst‹, quasi als Einfassung des Dialogs zwischen altem und neuem Theater. Im ersten Kolleg, das sich mit Abstand am ausführlichsten dieser Gestalt annimmt, sagt er: »Bei dem Uebergange von der Tragödie zur Comödie begegnet uns das Mittelding beider, das Schauspiel Drama überhaupt; es ist eine Vermischung des Tragischen und Komischen.«99 Der Antagonismus der Gattungen wird in ihrer Zusammenführung gelockert; dennoch lässt sich sehr wohl ausmachen, welche Attribute aus welcher der beiden traditionellen Formen stammen: Der ernste Grundkonflikt des Dra98 

Vgl. Hegel: GW 1, S. 48. Ascheberg (1820/21), S. 212; vgl. hierzu auch Hotho (1823), S. 508: »In den Uebergang nun von der Tragödie zur Comedie fällt das Drama«; Kehler (1826), S. 234: »Die moderne Komödie ist sehr verschieden von der antiken. Es steht das Drama in der Mitte«; von der Pfordten (1826), S. 249: »Das Besondere der dramatischen Poesie ist Tragödie und Komödie, und das Mittelding hat man Drama genannt.« – Dem negativen Vergleich mit diesem Gedanken Hegels kann ein Abschnitt aus August Wilhelm Schlegels Vorlesungen über dramatische Kunst und Litteratur dienen, die 1808 in Wien gehalten und 1809–1811 veröffentlicht wurden. Im 27. Vortrag gibt sich Schlegel entschieden als Gegner solch einer Synthetisierung der beiden traditionellen dramatischen Formen zu erkennen: »Wo das eigentlich Tragische eintritt, hört freilich alle Ironie auf« (Schlegel: SW 6, S. 198 f.); die »Vermischung« nämlich »so ungleichartiger und scheinbar streitender Bestandtheile in demselben Werk kann nur durch künstlerische Absichten […] gerechtfertigt werden«, so dass »die komischen Scenen das Vorzimmer der Poesie« seien, »wo sich die Bedienten aufhalten« und in dem diese »prosaischen Gesellen […] sich nicht so laut machen« dürfen, »daß das Gespräch im Sale selbst dadurch übertäubt würde«. Schlegel: SW 6, S. 200. Wenn das Komische in Verbindung mit dem Tragischen erscheinen dürfe, dann aber lediglich als etwas Akzidentelles, um als ein konträres Prinzip das Tragische umso deutlicher und erhabener hervorscheinen zu lassen. Eigenständiger Wert solle ihm dabei aber in keinem Fall zukommen. Hier zeigt sich nichts von der Aufwertung des Komischen, die angesichts der ästhetischen Überlegungen Hegels und Schillers zu konstatieren ist. 99 

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Zur Aufführung gebrachte Partikularität

mas ist der Tragödie verpflichtet, andererseits aber besitzt es eine Subjektivität in ihrer baren Endlichkeit und Zufälligkeit, mit besonderen Interessen und vereinzelten Leidenschaften ausgestattet, weswegen es vielfach komische Handlungselemente wie Verwicklungs- und Verwechslungsszenen aufweist sowie in einem eher niederen sozialen Milieu spielt.100 Musterbeispiele hierfür sind Goldonis Il vero amico (1750) und Diderots Le fils naturel (1757) oder Lessings Minna von Barnhelm (1767) und Kleists Amphitryon (1807), die trotz der tragischen Ausgangssituation – in den beiden letzten der Krieg und durch ihn herbeigeführte Umstände –, zahllose Motive aufnehmen, wie Verkleidungen und andere Täuschungen, Übertreibungen, Missverständnisse und gespielte Streiche als klassische Komödienelemente, ohne jedoch insgesamt einen komischen Stil zu wählen.101 – Die Herausstellung dieser Attribute allerdings geht bisher nicht über eine bloße Bestandsaufnahme der besagten Tendenz der Dramenentwicklung in ihren konkreten Einzelerscheinungen hinaus – es muss mithin nach dem geistigen Boden gefragt werden, auf welchem sie erwachsen. Die tiefere Problematisierung der Tendenz steht für Hegel unter der Leitfrage, wie die klassischen, historischen Formen, insbesondere die Tragödie und Komödie, unter radikal veränderten Bedingungen des modernen Weltzustands angeeignet werden können und welche künstlerischen und inhaltlichen Konsequenzen sich daraus ergeben. Entgegen der Lyrik, die bezüglich ihres Gehalts für Hegel überhistorisch ist und auch zum idealen Ausdruck des modernen innerlichen Subjekts taugt, setzen Epos und alte Tragödie den heroischen Weltzustand der Antike voraus, denn jedes Individuum einer Gattung der Kunst, deren Essenz in der Darstellung subjektiven Handelns innerhalb der Rahmung sittlicher Objektivität liegt, handelt Hegel zufolge immer in Abhängigkeit von allgemeinen politischen und gesellschaftlichen Verwirklichungen des Geistes. Das Verhältnis, das die Individualität zu die100 

Vgl. Krömer (1990), S. 276. Hegels Einschätzung, in der Moderne gebe es die Tendenz, Tragödie und Komödie zu vermischen, deckt sich mit Kuno Fischers Deutung der komischen Dichtung Schillers: Fischer meint nämlich, Schiller sei keineswegs »ein Lustspieldichter« gewesen, gleichwohl müsse festgestellt werden, dass in seinen Dichtungen »eine Fülle komischer Gebilde« (Fischer [1891], S. 7) enthalten seien – so vor allem in Wallensteins Lager, aber auch hinsichtlich der Figuren Karl Moor und Spiegelberg aus den Räubern. Vgl. Fischer (1891), S. 21 ff., 52 ff. Dennoch hinderte ihn in seiner Spätphase »ein künstlerischer Grundsatz«, an dieser »Vermischung des Komischen mit dem Tragischen« festzuhalten. Von nun an folgte er der Ansicht »von der Reinheit der Kunst und der Sonderung der poetischen Gattungen«, denn er war überzeugt, dies entspräche dem künstlerischen Ideal der Antike: Die antike Tragödie »hat in dem angehängten Satyrspiele das Komische zu ihrem Gefolge, aber sie duldet es nicht in ihrer Mitte«. Fischer (1891), S. 13. Die Tragödie ist ganz und gar ernst. 101 

Drama oder Schauspiel als mittlere Form

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sem Allgemeinen einnimmt, ist jedoch einer erheblichen Wandlung von der archaischen griechischen Gemeinschaft zum neuzeitlichen Verfassungsstaat unterlegen. In einer Welt, in welcher sich die sittliche Vernunft zur gestalteten Wirklichkeit eines gesetzlich und institutionell streng durchstrukturierten Staatsapparats ausgelegt hat, kann ein klassischer Held, der mit substantiellem Recht von sich meint, die Personifizierung des Allgemeinen und Wesentlichen in Gerechtigkeit, Tugend und ethischer Gewohnheit zu sein, keinen poetisch angemessenen Handlungsraum mehr finden.102 Wenn die prosaische Objektivität »das Allgemeine« der »öffentlichen Gewalten« als herrschend »in seiner Allgemeinheit« ist, dann »erscheint« zumindest in diesem festgefügten und überindividuellen Allgemeinen »die Lebendigkeit des Individuellen als aufgehoben oder als nebensächlich und gleichgültig«103. Der Versuch, die Bestimmungen des antiken tragischen Charakters auf die Handlungsführung dieses Individuums zu übertragen, das im modernen Weltzustand zu einem scheinbar gleichgültigen Moment des Allgemeinen herabgesetzt ist, kann aufgrund des komplexen staatlichen Vermittlungszusammenhangs der Anerkennung von besonderem und allgemeinem Willen nur zu einem problematischen Resultat führen. Das moderne Subjekt ist in die Schranken des schmalen bürgerlichen Lebensraumes verwiesen, eine Sphäre, die wie gezeigt der Wirkungsraum der Komödie ist; doch die leitenden Orien­tierungen seines Handelns entnimmt es den in dieser seiner Kleinheit monströs wirkenden substantiellen Zwecken der freien sittlichen Tat, wie sie eigentlich die Tragödie entwirft. So ist das moderne Drama im Kern die Darstellung einer freien Subjektivität vor dem Handlungshintergrund einer festen sittlichen Ordnung, die sie auf sich selbst zurückwirft, und besitzt demnach in Wahrheit keinen eigentlich substantiellen Konflikt.104 Die neuzeitliche dramatische Kunst, weiterhin eine substantielle Auseinandersetzung mit dem Verhältnis von Mensch und Lebenssphäre, kann ein solches heroisches Bewusstsein in einer Welt, die keine Helden mehr braucht und keine heldenhaften Taten akzeptieren kann, nur noch auf zwei Arten darstellen, wenn sich das Individuum nicht schon von vorne herein auf die Einhausung in der bürgerlichen Partikularität zurückgezogen hat, wie dies in der Komödie geschieht: Entweder der Held mit großen sittlichen Zielen ist hoffnungslos verloren oder aber er wirkt lächerlich und nichtig. Entweder er wird zu einem Verbrecher im strafrechtsphilosophischen Verständnis Hegels oder aber zu einem Narren, an welchem die lächerliche Seite dieses Interesses 102 

Vgl. TWA 13, S. 253 ff.; vgl. hierzu weitergehend Hebing (2009), S. 56 ff. TWA 13, S. 242. 104  Vgl. Lewkowitz (1910), S. 73 f. 103 

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Zur Aufführung gebrachte Partikularität

hervorgehoben wird. Entweder er geht in die moderne Tragödie oder in das Drama als Zwischenform ein. – In besonderer Weise lässt sich die Umsetzung dieser Option Hegels am Offizier Tellheim aus Minna von Barnhelm exemplifizieren, welcher verbissen um die Wiederherstellung seiner im Krieg verlorenen Ehre kämpft und dabei unverkennbar komische Züge entwickelt. Will der Einzelne auf der einen Seite heroisch sein und seine Ziele tatsächlich verwirklichen, muss er mit den staatlichen Gesetzen brechen, gegen das gültige Recht des allgemeinen Willens der sittlichen Gemeinschaft handeln und auf diese Weise das Besondere über das Allgemeine stellen, um schließlich ein Krimineller mit einer im Sinne des Moralitätskapitels der Grund­ linien der Philosophie des Rechts bösen Handlungsabsicht zu werden.105 Am Macbeth zeigt Hegel, dass ein solcher Charakter unter solchen Umständen durch sein Unrecht eine Reihe zufälliger Verwicklungen herbeiführt, die ihn frei von echt tragischer Notwendigkeit, vielmehr als das unglückliche Resultat von Willkürakten wahnvoller Machtbesessenheit, in den Tod treiben.106 Die aussichtslose Auflehnung einer sich selbst überschätzenden Subjektivität gegen das vernünftige und wirkliche Allgemeine ist Ursache eines Konflikts, der eigentlich gar keiner ist, zumindest kein wahrhafter nach antiken Kriterien; folglich erreicht er aber auch keine Versöhnung. Will er auf der anderen Seite innerhalb des eng gesteckten Rahmens wirklicher sittlicher Ordnung Zwecke durchsetzen, die er für wesentlich hält, die aber an sich nichtig sind oder sich späterhin als nichtig herausstellen, gewandet er sich in der harmloseren Variante als Narr, dem am zwischenmenschlichen Zusammenhang sein lächerlicher Irrtum bewusst wird und der sich im besten Falle von diesen anderen zur Revolution seiner individuellen Handlungs- und Denkungsart bewegen lässt. Dieses zweite Modell, die Konzeption dessen, was Hegel ›Drama‹ nennt, entlehnt somit unzweideutig sein Subjektivitätsprinzip der

105 Vgl.

GW 14,1, S. 121 ff. Im Zusammenhang der Rechtsphilosophie bestimmt Hegel das ›Böse‹ als ein in sich reflektiertes Selbstbewusstsein in der Erscheinung, »nach Innen in sich zu suchen und aus sich zu wissen und zu bestimmen, was recht und gut ist«, bis es schließlich aus der höchsten individuellen Eitelkeit und Willkür heraus »die eigene Besonderheit über das Allgemeine zum Principe« macht, um sie »durch Handeln zu realisiren«, kurzum: »böse zu seyn«. Auf der Stufe höchster Entfaltung der Moralität, dem Gewissen in bloß formeller Realisierung subjektiver Freiheit, wird das Böse als Überbetonung der Innerlichkeit des Willens und der Unendlichkeit der Reflexion der Subjektivität gefasst, die nicht dazu übergeht, sich als Besonderheit und somit gegenüber dem Anundfürsichsein des Willens Nichtiges in der Wesentlichkeit des Allgemeinen aufzuheben, indem sie die Vereinzelung überwindet. 106  Vgl. Hotho (1823), S. 425 ff.; Libelt (1828/29), Ms. S. 97v f.; vgl. hierzu auch Hama­ cher (2000), S. 128 f.; Jaeschke (2003), S. 445.

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klassischen Komödie, um die Katastrophe, in welche die moderne Tragödie stolpert, abzumildern und zu einem versöhnlichen Ausgang zu finden. In Kohärenz mit diesen Voraussetzungen kann Hegel 1820/21 sagen, im Mittelpunkt des neuzeitlichen Theaters stehe ein modernes, unabhängiges Individuum als ganz »subjective[r] Charakter« in seiner selbstbewussten Ungebundenheit; und eben nicht »das hohe sittliche Interesse«107 allgemeiner Substantialität. Weil gerade deshalb Situation und Charakter keine Bedingungen für die Notwendigkeit des Handlungsgeschehens vorgeben können, kristallisiert sich heraus, worauf es Hegel mit der Diskussion verschiedener Formen des dramatischen Modus in der Moderne ankommt: Das handlungsleitende Interesse, das ausschließlich in der Subjektivität verankert ist und von dieser abhängt, könne »gleich tragisch und komisch genommen werden«, d. h. der »Ausgang« könne sowohl als ein »unglücklicher« oder »eben so gut« als ein »glückliche[r]«108 erfolgen. Es ist dem Dafürhalten des Dichters anheimgestellt, mit einem tragischen Ausgang andere Wirkungen und Reflexionsprozesse des Publikums erreichen zu können als mit einem versöhnlichen im Sinne des ›Dramas‹ oder ›Schauspiels‹. Indem nämlich »die Zufälligkeit des Interesse[s]« das Determinierende ist, ist auch »der Ausgang zufällig«; jede »moderne Tragödie eignet sich auch zur Parodie«109 oder eben zur Zwischenform als der dargestellte dritte Weg.110 Diese Beliebigkeit, auf die Hegels Erörterungen hinauslaufen, verdeutlicht sich umso mehr  – und lässt Hegels Diskussion verschiedener Formen des Bühnenstücks und ihrer jeweiligen Handlungsintentionen, Handlungsvollzüge und geistigen Orientierungen zunehmend komplizierter werden –, je stärker das Moment der Grenzverwischung betont und ausgedehnt wird. Nicht nur für das allgemein moderne substanzlose Handeln, das sich für sittlich relevant hält, kann entweder ein Tragödien- oder ein Komödienende gewählt werden, auch innerhalb ein und desselben Stücks verschwimmen die Zuordnungen: Der Narr besitzt nicht bloß eine Komödienmaske, zu seinem Inventar gehört ebenso ihr trauriges Gegenstück. Tellheim, enttäuscht, kriegsversehrt, zu Unrecht angeklagt, ist genauso eine tragische Gestalt. Das bedeutet umgekehrt, dass auch der tragisch zum Verbrecher gewordene Held zugleich 107 

Ascheberg (1820/21), S. 212.

108 Ebd. 109 Ebd.

Dies gilt gleichfalls für den von Hegel so geliebten Shakespeare: Am Hamlet sowie an Romeo und Julia erörtert er den Aspekt beider Stücke, einen unglücklichen Ausgang als willkürliche Entscheidung des Dichters zu entlarven, denn ohne immanente Notwendigkeit hätte die Kollision auch in einem versöhnlichen Ende gelöst werden können. Vgl. Ascheberg (1820/21), S. 212. 110 

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widersprüchlich lächerliche oder gar groteske Züge trägt. Michael Städtler bekräftigt hierzu, die »gesamte ästhetische Moderne« verfalle nach Hegel der »Lächerlichkeit, wo sie das Scheitern der Individuen an den bürgerlichen Verhältnissen als Zerrissenheit der Charaktere oder der ästhetischen Form selbst reflektiert«111. So zeichnet sich ab, dass Hegel die genuine Grundbestimmung der Komödie, es mit nichtigen Gehalten nicht so ernst zu nehmen und die kleineren wie größeren Kollisionen, Verwicklungen und Verluste ins Lachen zu ziehen, statt an ihnen zu verzweifeln, in der Neuzeit zu einem Moment werden lässt, das vorzugsweise wegen der Fokussierung des Komischen auf die Subjektivität sowie wegen des darin begründeten Fehlens jedweder objektiver Unausweichlichkeit den ernsten Gattungen zumindest nicht mehr fremd erscheint bzw. gar annäherungsweise zur Nachahmung gereicht. Zugespitzt und etwas provokativ formuliert: Wenn sich in der alten Komödie prototypisch ankündigte, was sich in der Neuzeit vollständig und allgemeingültig durchsetzt, dann übernimmt die traditionelle ernste Kunst im weiteren Verlauf Elemente ihrer komischen Alternative, um den veränderten Bedingungen gerecht werden zu können. So spielt beispielsweise der in der Hauptsache tragische Held Hamlet bei Shakespeare eine »Komödie«, um sich der Gestalt des Teufels zu vergewissern, und genau »hierin zeigt sich seine Freiheit«112. Aus diesem systematischen Argument erklärt sich, warum Hegel sagt, das moderne Theater könne sich auch des glücklichen Ausgangs der Komödie bedienen. Es entsteht eine Feststellung, die im Unterton normativ verstanden werden könnte. Eine Individualität muss sich nicht mehr für das substantielle Sittliche opfern, wenn es zu einer stabilen politischen Ordnung verwirklicht ist, die durch den Einzelnen in keiner Weise mehr gefährdet werden kann. Die selbstsichere Sittlichkeit kann auch die spöttische Auflehnung aushalten, hatte der Naturrechtsaufsatz eingeworfen, etwas, das eine labile Gestalt wie die römische Welt eben nicht konnte. An dieser Stelle sei daran erinnert, was Hegel aus dem Gespräch zwischen Napoleon und Goethe zitiert: dass in der Moderne das gnadenlose Schicksal durch die neuzeitliche Verfasstheit des Politischen ersetzt werde, durch die Übermacht des staatlichen Zwecks, dem die Individualität unterliegen muss. Dieses Politische ist aber nicht das Schicksal, es tauscht Rache gegen vernunftmäßig zugemessene Strafe ein. Wo ein subjektives Opfer – Untergang, Tod, Vernichtung – nicht mehr notwendig ist, da kann das Individuum auch gerettet und ihm die Chance gegeben wer-

111  112 

Städtler (2008), S. 104. Libelt (1828/29), Ms. S. 40r.

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den, das Unrecht wieder in Recht aufzuheben.113 Daher führt Hegel nach der Edition Hothos aus: »Das bloße Unglück, nur weil es Unglück ist, einer glücklichen Lösung vorzuziehen, dazu ist weiter kein Grund vorhanden als eine gewisse vornehme Empfindlichkeit, die sich an Schmerz und Leiden weidet und sich darin interessanter findet als in schmerzlosen Situationen, die sie für alltäglich ansieht«; und es lässt sich noch ergänzen: »so muß ich gestehen, daß mir für meinen Teil ein glücklicher Ausgang lieber ist«114. Schon in der Antike zeichnet sich diese Erscheinung in ganz wenigen Ausnahmen ab; beispielsweise die Orestie des Aischylos hat ein versöhnliches Ende, wenn im Athener Areopag die Schutzgöttin der Stadt die rachedurstigen Erinnyen bei ihrer Jagd auf den flüchtenden Orest in gnädige Eumeniden verwandelt und dem Morden im Namen der Blutschuld ein freudejubelndes Ende bereitet. Doch selbst um diesen Sonderfall eines guten Ausgangs zu erreichen, mussten auf dem Wege dorthin viel zu viele bestialisch sterben: Agamemnons Opferung der Iphigenie, sein Tod im Bade durch die ehebrechende Rächerin Klytaimnestra mit Aigisthos, wiederum Orests brutaler Vergeltungsmord an der Mutter und ihrem Liebhaber. Nicht in einer Welt, in welcher die Göttlichkeit letzte Stärke im Selbstaufheben ihres eigenen Schicksalsprinzips zeigt, sondern erst in einer Welt, aus der die eingreifenden Götter vertrieben worden sind und an ihre Stelle der Mensch sich setzt, kann nur um seiner selbst willen das Recht des Menschen auf Bewahrung seines Lebens und auf Behauptung seiner Individualität ausgesprochen werden. Wenn Hegel sich für ein Drama mit glücklichem Ausgang ausspricht, das einen Untergang nur noch zufällig herbeiführen würde und daher mit derselben Zufälligkeit diesen auch verhindern kann, stellt er eine reine Ernsthaftigkeit der Tragödie als nicht mehr zeitgemäß dar; sie lädt sich durch Scheitern, Opferung und Tod künstlich mit pathetischer Bedeutsamkeit auf, die ihr im Wesentlichen von Situation und Charakter nicht mehr angehört. Daher kann sie sich den Idealen der Gegenwart entsprechend die Humanität der Komödie für ihren 113  Vgl.

zur Ablösung der Rache durch das vernünftige Strafrecht GW 14,1, S. 95 f.; vgl. zum Kontext innerhalb der Sittlichkeit auch GW 14,1, S. 181 f., 183 f. Die Nachschrift Kehlers belegt im Rahmen der Ästhetik diesen Sieg der staatlichen Macht, ohne dass dabei das Individuum schicksalhaft sterben muss, und diesen Sieg des Allgemeinen, ohne dass unerbittlich Rache geübt, sondern Strafe staatlich verhängt wird, auch für die Theorie des modernen Dramas. Am Ende setzt sich die Staatsbürgerpflicht durch, der Abtrünnige wird wieder in die Identität des Rechtlichen zurückgeführt, das Böse zum Guten bekehrt: »Es steht das Drama in der Mitte, die Pflicht oder das Recht trägt den Sieg davon; das Laster wird bestraft, und die sich mit eingelassen haben, werden wenigstens beschämt und gehen zu einer Besserung über; es kommt zu einer Versöhnung der Guten mit sich selbst in ihnen.« Kehler (1826), S. 234. 114  TWA 15, S. 567.

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Ausdruck aneignen. Weil für beide Formen in der Moderne jede Verbindlichkeit fehlt, kommt es zu verschiedensten Mischformen, die Hegel mit der Bezeichnung ›Drama‹ oder ›Schauspiel‹ belegt. Daraus ergibt sich ein Modell dreier Formen, mit dem Hegel den dramatischen Modus in der Gegenwart in Abhängigkeit von sittlichen Konstellationen philosophisch analysiert. In der alten Komödie deutete sich trotz ihrer starken Thematisierung politischer Gehalte bereits ein charakteristischer Unterschied zur Tragödie an: Gegenüber der im Tragischen ausschließlich relevanten Staats- und Sittlichkeitsproblematik zeichnet sich in Stücken wie den Wolken  – immerhin damit verbunden  – die Sphäre der bürgerlichen Welt in beschränkten Zielen ab: der Bürger, aber noch im allgemeinen Verbund des Demos, hält Einzug. Diese zarte Differenz wird in der Moderne zur bestimmend signifikanten115: Die moderne Tragödie stellt das Scheitern politischer Strategien der Subjektivität auf der großen Weltbühne dar, ein selbstüberschätztes Kämpfen für Vernunft und Freiheit, das gar nicht mehr zulässig ist – die moderne Komödie nimmt dagegen den närrischen Bourgeois, lächerlich, keineswegs komisch, kritisch in den Blick, der blind für das Wesentliche allein dem Gewinn und dem Prestige hinterherrennt; praktisch liegt ihr Interesse nicht im »Sittlichen«, sondern im »abstrakte[n] Innere[n]« der »moralische[n] Gesinnung«116. Dennoch scheut sich diese Komödie nicht vor bitter-ernsten Handlungszwecken und ihren Konsequenzen; zudem ist sie seit jeher in der Lage, auch ernste substantielle Inhalte gekonnt zu verdichten. Diese ernsthafte Seite des Komischen kann die moderne Tragödie zur Anschlussfähigkeit ausbauen und sich mit ihr vermählen, da sie ohnehin in tendenzieller Steigerung zur Offenheit und Bestimmungslosigkeit fortgeht. Als zeitgenössische Form wird somit das ausgleichende Drama geboren, das unterschiedlichste Inhalte, formale Ausgestaltungen, Gewichtungen der tragischen und komischen Anteile und zudem Funktionalisierungen dieser Elemente zu jeweils ganz individuellen Intentionen als nur allzu schwer auf allgemeine Züge festzulegende Summe von Einzelstücken zulassen kann. 115 

Hegels Position stimmt mit derjenigen Lessings darin überein, in der Tragödie eine schwerwiegende Abhängigkeit des Helden von äußeren Umständen auszumachen sowie in der Komödie eine stärkere Fokussierung auf den einzelnen Menschen in seinen zum Teil sonderbar erscheinenden partikulären Handlungsinhalten. Daher meint Lessing, es seien »in der Komödie die Charaktere das Hauptwerk, die Situationen aber nur die Mittel«, hingegen in der Tragödie umgekehrt »die Charaktere weniger wesentlich […] und Schrecken und Mitleid vornehmlich aus den Situationen« motiviert. Lessing: SS 9, S. 402 f. Hinsichtlich des Ziels, Jammern und Schaudern bzw. Furcht und Mitleid zu erwecken, ist Hegel freilich anderer Meinung. 116  Ascheberg (1820/21), S. 212.

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Diese Verquickung stellt neue Möglichkeiten bereit: Gethmann-Siefert weist darauf hin, dass für Hegel das Subjekt, das ursprünglich Mittelpunkt der Komödie war, unter Bedingungen des Tragischen in das moderne Drama übernommen wird und sich schließlich für den modernen Weltzustand als das geeignetere erweist, da es signifikant »das Sich-Aufspreizen der Geringeren zu Heroen darstellt und gleichzeitig zeigt, wie es zuschanden wird«117. Seine vollzogene Vernichtung des unsittlich Nichtigen durch sich selbst bewahrt die dramatische Form vor dem, worin sie in der modernen Tragödie abstürzt. Spätestens mit der komischen Brechung innerhalb des modernen Dramas ist der bruchlos tragische Held geschichtlich überwunden. Der Bruch ist hier normensetzendes Prinzip. Indem es die tragische Form in Richtung Komödie öffnet, findet das Drama eine neue künstlerische Option, der Signatur der Epoche einen Ausdruck zu verleihen. Sie bringt ein Subjekt auf die Bühne, das sich mit den Komödienzielen des Bourgeois nicht abfinden kann und ins Substantielle wirken will, schließlich aber an sich zweifelt, aus sich heraustritt und sein Handeln und seine Zwecksetzung in Frage stellt. Würde der tragische Charakter dies tun – er wäre kein tragischer Charakter. Zum Wesen der komischen Rolle gehört es, sich auch selbstskeptisch begreifen zu können. »Insofern kommen sowohl die Tragödie als auch das Drama strukturell mit der wahren Komödie überein, die in der poetischen Darstellung des Handelns ebenfalls eine Form des Scheiterns sittlicher Intentionen an der Realität ersichtlich werden lässt«118; mit dem entscheidenden Unterschied, dass Drama und Komödie nicht bis zum Letzten gehen, indem das Subjekt es mit sich nicht wirklich ernst meint. Damit ist selbstverständlich nicht gesagt, dass nur Drama und Komödie von Hegel anerkannt werden können. Gerade wegen des Fehlens substantieller Bestimmung der Kunst können singuläre Werke die Möglichkeiten der einzelnen dramatischen Formen für ihre Zwecke und Intentionen ideal nutzen; was die Stücke Schillers und Goethes anbelangt, gilt dies auch für Tragödie und Trauerspiel. In Goethes Iphigenie auf Tauris beispielsweise erblickt Hegel eine ideale Verbindung aus einem alten Stoff erfüllt mit moderner Geistigkeit, in welcher die Substantialität der Griechen auf die moderne Subjektivität übertragen wird: »Das Göttliche ist also hier in die Brust des Menschen gelegt, und ist nicht eine äußerliche Maschine.«119 Die Deutungen von Schillers Wallenstein, Don Carlos und Jungfrau von Orleans weisen in eine ähnliche Richtung klassischer Aneignung: In ihnen wird für Hegel exempla117 

Gethmann-Siefert (2005b), S. 181. Ebd., S. 215 f. 119  Vgl. Libelt (1828/29), Ms. S. 40r.; vgl. Gethmann-Siefert (2005a), S. 321. 118 

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risch weltgeschichtliches Handeln, die Durchsetzung des Freiheitsgedankens in die Tat, unter den Bedingungen der gegenwärtigen Welt auf die Bühne gebracht; da jedoch fraglos auch hier ein solcher Anspruch anmaßend ist, muss der Protagonist ebenso zwangsläufig zum besagten Verbrecher werden und unaufhaltsam in den Untergang rennen, in welchem er, für Hegel ein großer ästhetischer Ausdruck, seine innere Freiheit bewahrt.120 Die Analyse von Hegels Theorie des neuzeitlichen Theaters soll mit diesen resümierenden Punkten als den zentralen Aspekten, auf die es im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ankommt, abgebrochen werden. Eine vertiefte Auseinandersetzung mit seinen Erörterungen zur modernen Tragödie, Komödie sowie zum Drama müsste Gegenstand einer eigenen Studie sein. Für den Begriff des Komischen ist es relevant, dass Hegel geschichtsphilosophisch und in Anschluss an die ›These vom Ende der Kunst‹ herleitet, was Eckehard Catholy als Ergebnis seiner literaturgeschichtlichen Forschungen zur neuzeitlichen Komödie festhält: dass man nämlich »die Entwicklung des deutschen Lustspiels vom Mittelalter bis zum Anfang unseres Jahrhunderts künstlerisch als eine immer stärkere Annäherung an den realistischen Typus des Dramas […] auffassen«121 müsse. Die Komödie lebt nicht allein in ihrer modernen Fortsetzung weiter, sondern ihr Prinzip, welches das Ende des klassischen Ideals eingeläutet hat, überträgt sich auch auf ihr tragisches Gegenstück, bis zur vollständigen gegenseitigen Durchdringung in einer neuen Gattung. Nicht zuletzt an der Komödie wird deutlich, dass Hegels These vom Ende der Kunst keinesfalls als klassizistische Unterzeichnung der Sterbeurkunde für jede nachklassische Kunst aufgefasst werden darf, sondern vielmehr »als Ankündigung einer neuen, anderen Kunst – der Kunst der modernen Welt – […] einer Kunst, die demythologisiert, weltlich und reflexiv sein«122 wird; obwohl dieser Aspekt selbstverständlich nichts daran ändert, dass die Kunst nicht mehr das höchste Interesse des Geistes aussprechen kann. In der Komödie wird vermieden, wie in der Antike darauf abzuzwecken, den Individualgeistern eine sittliche Handlungsorientierung zu geben. Darin wird sie eine adäquate Gestaltung ihres Zeitalters.

120 

Vgl. Gethmann-Siefert (2005b), S. 322. Catholy (1977), S. 43. 122  Trešćec (2010), S. 180. 121 

Der Mensch in Raum und Zeit verinnerlicht

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6.  Der Mensch in Raum und Zeit verinnerlicht – Übergang zur nächsten Gestalt Im abermaligen Rückgang auf die Komödie erweist sich nun fest umrissen, was im modernen Zeitalter für Hegel das Komische ist: Es manifestiert sich an einem zunächst unbestimmten, zu Tragik wie Komik fähigen Subjekt, das sich nicht dafür entscheidet, die Überbetonung der eigenen Individualität auf die Spitze zu treiben, so dass sie nur noch tragisch scheitern kann, sondern sich auf sich selbst in Stärken und Schwächen, Wünschen und Erfolgen, Zufälligkeiten und Nichtigkeiten, Klugheit, List und Rache zu richten, als ein Dasein in privater Beschränkung, worin entweder die konsequente Selbsttäuschung über diesen Zustand besonders lächerlich (Molière) oder aber die einsichtige Umkehr der lächerlichen Person durch eine Kette von Situationen und ihren Verwicklungen wahrlich komisch (Shakespeare, Raupach) wird. Das bedeutet einerseits, dass die Komödie die geeignetste künstlerische Form ist, idealisierungslos den Menschen in seinen realen Vermögen und Unzulänglichkeiten, ganz ohne künstliches Pathos aufgeladen, zu verkörpern – das bedeutet weitergehend, dass sie von einem Weltzustand kündet, welcher der Individualität, gemessen an der weltgeschichtlichen Tat, nur einen sehr geringfügigen Handlungsspielraum lässt. Die Komödie ist darin durchaus substantiell, den aus den objektiven Verhältnissen resultierenden Rückzug in die kleinliche Partikularität als substanzlos vorzuführen, eine Figur auf die Bühne zu bringen, die sich selbst nicht in einer substantiellen Gestaltung von Sittlichkeit wiedererkennen kann, die ihr den Lebenshintergrund bedeutet und Verwirklichung auch ihrer Freiheit ist, in deren Entfremdung sie sich selber also fremd wird; oder aber, sollte diese Sittlichkeit keineswegs Wirklichkeit von Vernunft und Freiheit sein, auf die Problematik, die Lukács im Blick hat, hinzudeuten, sich der Notwendigkeit des Kampfes um Anerkennung, des Eintretens für Staatsbürgerrechte, zu entziehen und resignativ das Glück im Häuslichen zu suchen. So liefert die Komödie auch in der Moderne mit ihren ästhetischen Mitteln einen Beitrag zur geistigen Selbstverständigung über sittliche Handlungsweisen, freilich ohne dabei im klassisch-antiken Sinne unmittelbare Orientierungen zu geben, aber zumindest nach dem ›Ende der Kunst‹ Reflexionen über derlei Verzerrungen der Partikularität zu vermitteln. Die Komödie als in der Antike begründete Tradition ist eine auf räumlich-gegenständliche Aufführung gehende Kunst. Ihr Ausdruck ist ein noch ganz äußerlicher und körperlicher, für den wirkliche Menschen in künstlerische Rollen schlüpfen und durch Reflexivität stiftende Verstellung Selbstbewusstwerdungsprozesse direkt artikulieren sowie in dieser Kommunika-

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Zur Aufführung gebrachte Partikularität

tionssituation im Übertrag anstoßen. In diesem wesentlichen Attribut ist die Komödie recht bruchlos den medialen Voraussetzungen der klassischen Kunstform verpflichtet, indem sie geistige Gehalte mit anschaulichen Mitteln zur ästhetischen Verkörperung bringt. Demgegenüber ist die große genuin moderne Form des Komischen der neuzeitliche Humor, in welchem mit dieser Kunst der Äußerlichkeit und Anschaulichkeit radikal gebrochen wird. Der Humor knüpft einerseits begrifflich an die Komödie an, indem er ihren ideellen Kern, ihre wahre Geistigkeit sogar noch steigert, der »Selbstironisierung und Selbstdemaskierung der handelnden Personen« der Komödie »die synthetisierende Stimme des Erzählers« gibt, »die mit den vermeintlichen Gewißheiten spielt und über sich zu lachen beginnt«123; andererseits setzt er aber auch – daraus notwendig hervorgehend – hinter die ästhetischen Mittel des Theaters überhaupt einen Endpunkt und beginnt neu: Wie der Geist sich am Ende der klassischen Kunst nicht mehr in der Äußerlichkeit und Natürlichkeit erkennt und sich in die Vorstellung und das Denken verinnerlicht, verinnerlicht auch der Humor das Komische und seine Artikulation in erheblicher Weise als moderne Epik; als Roman paart er sich mit Vernunftinhalten, die nicht mehr auf die Bühne gebracht werden können. Der Erzähler schiebt sich als Vermittler zwischen Figur und Leser, nicht mehr so unmittelbar und direkt wie auf der Bühne gibt er in vergeistigter, vermittelter Haltung seine Darstellung. Doch die Darstellung ist demgemäß keine künstlerische Manifestation der Objektivität oder der subjektiven Verhältnissetzung zu ihr, auch keine ästhetische Thematisierung der Welt im Selbst, sondern eine Introspektion und Offenlegung der in sich eingekehrten Innerlichkeit. Dieser Weg als Eingang in sich selbst ist gemeint, wenn von der ›Steigerung der Komödie‹ die Rede ist: Die mit der Maske spielende Subjektivität treibt im Humor dieses Spiel nicht mehr auf offener Bühne, sondern in der Innenwelt des dichterischen Reflexionsraumes, dem die Gattung Roman sich verschreibt; und diese humoristische Subjektivität124 besitzt nicht bloß die eine, sondern unendlich viele Masken.

123 

Kraft (2010), S. 101. Vgl. im folgenden Kapitel zu Subjektivität und Substantialität Preisendanz (1963), S. 118 ff. 124 

IX.  DIE HEITERKEIT: HUMOR ALS HÖCHSTE GESTALT DER MODERNEN KUNST »Bei Humor denk ich immer an den Philosophen Hegel«1. (Bertolt Brecht: Flüchtlingsgespräche)

In der alten Komödie sowie in der Satire als Ende und Überwindung der klassischen Kunst hatte sich die zu sich selbst befreite und in dieser Freiheit heitere Menschlichkeit des im Zentrum der Dichtungen stehenden Selbstbewusstseins gezeigt. Auf sich zurückgeworfen ist dieses nicht nur unabhängig vom Göttlichen, sondern es hat dieses Göttliche als ihm Äußerliches vollständig überwunden, indem es sich selbst als dieses erkennt. Für den ästhetischen Gehalt bedeutet das, die Verbindlichkeit von Form und Inhalt beginnt, sich aufzulösen; beide trennen sich voneinander ab, bis sich schließlich ein neues Ideal entwickelt, das Romantische, in welchem das Selbst mit Inhalten spielen kann, wie es ihm beliebt; denn mit ihnen ist es ihm nicht mehr ernst. Es kann sie benutzen wie die am Ende des vorangegangenen Kapitels erörterten Masken: Äußerlich und distanziert können sie in freier Heiterkeit aufgesetzt und wieder abgelegt, auch Vergangenes und Abgelebtes angeeignet werden. In der alten Komödie waren die Bindung und der Bezug auf das Substantielle freilich stärker als in der Satire oder späterhin in der modernen Komödie. Dennoch gibt es aber auch in diesen nachmaligen Formen aus der romantischen Kunst weiterhin einen substantiell aufzugreifenden Gehalt in der reflexiven Auseinandersetzung mit der sittlichen Objektivität: In der Satire ist der adäquate ästhetische Ausdruck eines Selbstbewusstseins zu sehen, das bestärkt die Verzerrungen eines substanzlosen politischen Gebildes kritisch verdichtet; und auch an der modernen Komödie beweist sich eine Dimension des inhaltlichen Bezugs auf die gesellschaftlich-geschichtliche Sphäre des Bürgers als des Privatmenschen. Gleichwohl ist in der postfinalen Form der Komödie kein bestimmter Inhalt mehr der Kunst verbindlich, er ist ihren einzelnen Stücken abhanden gekommen. Wenn sie sittlich substantielle Inhalte aufgreifen, pflegen sie dies nicht aus immanenter geistiger Notwendigkeit zu tun. Daran beweist sich, wie dehnbar die modernen Bestimmungen des Ideals in Hegels Gegenwart geworden sind. Hegel begründet diese Tendenz mit der Nachgeschichte des durch Komödie und Satire markierten Verlustes klassischen Ernstes in der christlichen Kunst. Nachdem die antike Göttlichkeit in den Monotheismus des Christentums zusammengegangen ist und sich die Wahrheit dieses sich wissenden 1 

Brecht (1997), S. 74.

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Humor als höchste Gestalt der modernen Kunst

Absoluten als begrifflich höheres Prinzip der geistigen Innerlichkeit enthüllt hat, ist demgegenüber die Äußerlichkeit, die diesem Geist nicht mehr zur geeigneten Erscheinungweise werden kann, gänzlich freigelassen.2 Als unwesentliche Sphäre hat sie lediglich auszudrücken, das Bedürfnis nach Darstellung der wesentlichen seelischen Innerlichkeit nicht mehr befriedigen zu können. – Trotz dieser Gleichgültigkeit der äußeren Gestaltung ergeht aber, wie zuvor im Zusammenhang des Lachens der Götter im Epos angeführt, die christliche Forderung, auf das Lachen tunlichst zu verzichten: Vom Standpunkt der christlichen Weltvorstellung verkennt ein Mensch, der sein Dasein im irdischen Jammertal fristet und dennoch lacht, die Trübsinnigkeit des Endlichen und maßt sich an, dem hoffnungsvoll Erwarteten vorzugreifen, denn das Lachen bleibt allein dem ewigen Leben am Ende aller Tage vorbehalten, als Trost und ersehntes Erlösung vom Erdenschmerz.3 Daher lacht im Neuen Testament Jesus gerade nicht, weil er erst nach seiner Wiederauferstehung als Christus die Endlichkeit als Widerspruch zur ewigen transzendenten Göttlichkeit aufhebt.4 Auf diesen Aspekt wird am Ende der Bestimmungen zum objektiven Humor noch zurückzukommen sein. An dieser Stelle bleibt lediglich festzuhalten, dass aus den angeführten Gründen der von Hegel so genannte ›religiöse Kreis‹ der romantischen Kunstform weder Komödien noch Satiren noch Humor hervorbringt – und selbst der sich anschließende ›weltliche Kreis‹ zeichnet sich eher durch heroischen Ernst aus, orientiert an den Idealen Ehre, Liebe, Treue.5 Erst am Übergang in die bürgerliche Welt erkennt Hegel analog zur Herausbildung der Komödie einen erneuten Umbruch, durch welchen die Gehalte dieser ernsten Stufen wiederum in die Form der komischen Behandlungsweise gezogen werden. An die religiösen und weltlichen Bestimmungen der romantischen Kunstform lässt sich daher für ihn sans phrase die kunstphilosophische Behandlung des Humors anknüpfen, die 1823 in den dritten Teil »der Formalismus der subjectivität« integriert wird.6 – Der Humor zeichnet sich zunächst ebenso wie die alte Komödie dadurch aus, die überkommenen Stoffe wie Masken behandeln und diese auch nur kurzzeitig aufnehmen und wieder ablegen zu können. Wei2 

Vgl. Hotho (1823), S. 405 ff. Vgl. Greiner (2006), S. 11 ff. 4  Vgl. Lukas 6, 21 ff. – Im Alten Testament erhält das Lachen immerhin in der Genesis eine nennenswerte Bedeutung: Gott verheißt Abraham die Geburt seines Sohnes Isaak. Dieser Name, von hebräisch ›yitzhaq‹, muss ›er lacht‹ übersetzt werden. Gemäß der außerisraelitischen Herkunft ist ›Isaak‹ aber eine Kurzform von ›Isaak-El‹, was soviel wie ›Gott lächelt zu‹ bedeutet. Isaak ist daher ein Lächeln Gottes, das sich auf den Menschen überträgt, denn in der Kurzform ist es Isaak selber, der lacht. Vgl. Greiner (2006), S. 12. 5  Vgl. hierzu Hotho (1823), S. 420 ff. 6  Vgl. ebd., S. 425 ff. 3 

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tergehend hebt er sich aber im eingangs angeführten Punkt der stofflichen Unendlichkeit von der Komödie ab, indem er alle Inhalte in sich einbezieht, und zwar historische künstlerische Stile und Gehalte, tagespolitische Stoffe, religiöse Motive, theologische Fragen und sogar Grundsätze und Deduktionen der zeitgenössischen Philosophie samt der Kritik an ihr genauso wie belanglos wirkende Alltagsbegebenheiten. Aus diesem Grunde ist der Humor vornehmlich in der Dichtung zu Hause, findet sich nur bedingt in den bildenden Künsten und noch weniger in der Musik. Das gilt zumindest für das poetologische Verständnis dieser Form um 1800 in einem enger verstandenen Sinne. Die Grenzpfähle können noch enger gesteckt werden: Humor ist eine Erscheinung der epischen Literatur und stößt in der modernen Gattung Roman, gelegentlich auch in der kürzeren Prosadichtung, auf die idealen Voraussetzungen seiner schrankenlosen Verkörperung. Das arbeitet Hegel auf das Deutlichste heraus, wenn er sich mit der Dichtung beschäftigt.7 Gattungstheoretisch stellt der Roman Möglichkeiten bereit, der subjektiven Innerlichkeit Sagbarkeitswelten zu schaffen, die immer schon jenseits der genuin ästhetischen Äußerlichkeit resp. Anschaulichkeit liegen. Waren Architektur, Plastik und Malerei Künste innerhalb der Grenzen des Räumlichen, weiter eingeschränkt durch ein Fehlen von Zeit, die Musik dagegen eine Kunst innerhalb der Grenzen des Zeitlichen, ohne den Raum als Bedeutungsfeld erschließen zu können, ist die Poesie, vor allem der Roman, eine vollkommene Integration sowie zugleich Aufhebung von Raum und Zeit, indem sie in ihm zur Erzählung miteinander verbunden werden – im Sinne einer Entfaltung narrativen Selbstbewusstseins, das raumzeitlich konstituiert ist – und zugleich zur immanenten Reflexivität durch die Erzählerinstanz immer schon überwunden sind. Dadurch öffnet sich die Kunst der Totalität des Begriffs und ist für dessen Vergegenwärtigung nicht mehr auf räumliche oder echtzeitliche Darstellung begrenzt, wie dies etwa noch für Tragödie und Komödie gilt. Hegel spricht daher davon, dass der Inhalt der Dichtung »der ganze Reichthum der Vorstellung« sei, »das bei sich seiende Geistige, das in einem Elemente ist, das dem Geiste selbst angehört«8. Wenn Hegel somit in seinen Vorlesungen über die Philosophie der Kunst den Humor eingehender behandelt, richtet er sich auf eine zu seiner Zeit aktuelle literarische Erscheinung, die zaghaft beginnt, zu einer der relevantesten Strömungen innerhalb der Dichtung des 19. und 20. Jahrhunderts zu werden, nicht allein in Deutschland.9 Dass ihre Herausbildung jedoch den in 7 

Vgl. ebd., S. 486 f. Ebd., S. 486. 9  Wolfgang Preisendanz zählt zur deutschen Gegenwartspoesie Hegels, die zum Hu8 

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Hegels Geschichtsphilosophie der Kunstformen behaupteten genetischen Zusammenhang mit der Komödientradition besitzt, erweist sich in besonderer Deutlichkeit an ihrer Begriffs- und Gattungsgeschichte. ›Humor‹ ist ein altes, in seiner unveränderten Form bis auf das Lateinische zurückgehendes Wort. Was allerdings die ursprüngliche Bedeutung von ›Feuchtigkeit‹, oder spezifischer: ›Flüssigkeiten‹, mit einer Gestalt der Hegelschen Ästhetik zu tun hat, wird erst aus der Etymologie und Kulturgeschichte deutlich.10 In der spätantiken und mittelalterlichen Medizin ist die Semantik von ›humores‹ / ›Flüssigkeiten‹ auf die Grundbestandteile der in traditionsbildender Entwicklung befindlichen Humoralpathologie oder Vier-Säfte-Lehre verengt: auf rotes Blut, weißen Schleim, gelbe und schwarze Galle. Physiologisch-chemische Abläufe im Körper drängen nach außen, um sich am äußeren Erscheinungsbild des Menschen zu manifestieren; so die Grundauffassung. In verschieden anteiligen Mischungsverhältnissen bilden sie den jeweiligen Charakter, d. h. sie bringen in Dominanz eines der vier Säfte einen Sanguiniker, Choleriker, Phlegmatiker oder Melancholiker hervor. Für die deutsche Lehnwortbildung ist der Umweg über den englischsprachigen Raum allerdings von einiger Relevanz: Sich lösend von der medizinischen Verwendung und ihren vier Temperamenten wird ›humour‹ im 16. Jahrhundert zu einem alltagssprachlichen Ausdruck allgemein für ein auffälliges Temperament bzw. für ein ungewöhnlich unkonventionelles Verhalten, einen Charakter also, der gegen soziale Regeln und Codes verstößt; ganz gleich, ob dieser als cholerisch oder in einer der drei anderen Weisen beschrieben werden kann. In die Elisabethanische Komödie hält ein solcher Menschentypus Einzug und wird dabei schnell zu einer beliebten Figur, die das höfische Publikum zum ausgelassenen Lachen über Regelverletzungen anregt.11 Die bereits behandelte Komiklehre Hobbes’ nimmt sich diesen ›humourist‹ zur Vorlage, diesen sonderbaren Außenseiter, der dem öffentlichen Spott zur bestätigenden Überprüfung eigener Verhaltensweisen und Normen ausgesetzt ist, um daran seine Überlegenheitstheorie zu erarbeiten. Das aristokratisch spöttische Komödienkonzept wird jedoch in das 18. Jahrhundert hinein dem aufstrebenden Bürgertum in hohem Maße problemamor gerechnet werden kann resp. humoristische Elemente aufweist, Jean Paul, E.T.A. Hoffmann, Karl Immermann und Jeremias Gotthelf, über diese Zeit hinaus Gottfried Keller, Theodor Storm, Adalbert Stifter, Theodor Fontane, Conrad Ferdinand Meyer, Wilhelm Raabe und Thomas Mann. Vgl. Preisendanz (1963), S. 7. 10  Vgl. zum Folgenden Hörhammer (2001), S. 69 ff.; vgl. auch Jeitteles (1839), S. 366 ff.; Lindner (1977), S. 274 f.; Schwind (2001), S. 347 ff. 11  So kann Solger in seinen Vorlesungen über Ästhetik von 1819 sagen: Das Wort ›Humor‹ sei »zugleich mit dieser Art der Kunst in England zu Shakespeare’s Zeit aufgekommen«. Solger (1829), S. 215.

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tisch; für das neue Selbstverständnis hat die Komik nicht frivol und auslassend, sondern geistreicher zu sein, mehr auf Innerlichkeit setzend. Der ›humourist‹ wird zur Bezeichnung eines individuellen Bürgers im Ganzen seiner Launen, besonderen Eigenschaften, Lebenshaltungen und Denkgewohnheiten. Ist die Komödie noch offen herauslachende Heiterkeit, zuweilen gar ins Geschmacklose oder Groteske gehend, beginnt sich das Komische im Humor stärker zu vergeistigen. Mit ›humour‹ wird nun eine Komik mit Stil bezeichnet, die nicht mehr leiblich und zügellos ist, sondern intellektuell mit witzigem Esprit; und dennoch hält man daran fest, einen bemerkenswerten Exzentriker zum Mittelpunkt zu wählen, ein Bestandteil, der zu einem raffinierten Subjektivitätsmodell in der epischen Dichtung ausgebaut wird: Aus dem momenthaften ›humour‹ der verstreut auftauchenden kleinen Form, in vereinzelten, immer wiederkehrenden Charakteren, wird vor allem in den Romanen Laurence Sternes, The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman (1759–1767) und A Sentimental Journey through France and Italy by Mr. Yorick (1768)12, eine beeindruckende narrative Struktur gebildet, »welche eine thematische Beziehung zwischen Erzähler und präsentierten Gestalten herstellt und damit selbstreflexive Komplexität erreicht, wie sie für literarischen Humor wesentlich ist«13. Der humoristische Erzählerautor verkörpert eine moderne Subjektivität, die sämtliche verstreute und geistreichwitzige Ideen zu einer allein von ihr zusammengehaltenen Handlungs- und Reflexionseinheit verbinden kann. Die englische Innovation im Literarischen strahlt europaweit aus. Vor allem im nachaufklärerischen und bürgerlich werdenden Deutschland um 1800 sind es die Romane Sternes, die von zahlreichen jüngeren Schriftstellern zum Vorbild genommen werden. Eine gelungene deutsche Aneignung in charakteristischer Genialität, nachbildend und dennoch eigenständig, also ohne bloße Kopie zu sein, macht Hegel in den Romanen eines in den 1810er und 1820er Jahren mittlerweile recht bekannten Zeitgenossen aus. Im Ästhetik-Kolleg von 1823 sagt er: »Unser Humorist ist Jean Paul.«14 Für die Kunstphilosophie ist dieser ihm aus mindestens zweifachem Grunde interessant: nicht nur weil Jean Paul ein äußerst produktiver Dichter mit einem umfangreichen humoristischen Œuvre, sondern weil er zudem selber Humor-Theoretiker ist, der mit seiner Vorschule der Ästhetik von 1804 seinem literarischen Werk ein Fun12  Hegel

meint zu diesen beiden Romanen im Kolleg des Wintersemesters 1820/21: »Yoriks empfindsame Reisen und Sternes Tristram Shandy sind die besten humoristischen Werke.« Ascheberg (1820/21), S. 113. Es fällt allerdings auf, dass Hegel diese Meinung nicht um weitere und ausführlichere kunstphilosophische Bemerkungen bereichert. 13  Hörhammer (2001), S. 72. 14  Hotho (1823), S. 436.

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dament aus Autorenpoetik und allgemeineren kunstphilosophischen Erörterungen verschafft hat. An Jean Pauls Ästhetik und Romanwerk lassen sich die drei begriffsgeschichtlich flüchtig aufgegriffenen Spezifika des Humors festmachen und im Dialog zwischen der Vorschule und den Berliner Vorlesungen über die Philosophie der Kunst bzw. der Hamann-Rezension, erheblich erweitert und um weitere vermehrt, als die wesentlichen Begriffsbestimmungen herausstellen, die auch Hegel aus dem Ideal der romantischen Kunst ableitet. Zu diesen Spezifika gehören: der anspielungsreiche Geist des Verstandeswitzes, kon­trastiv erheiternd und doch ganz modern um viele tragisch ernste Abschattungen bereichert; die bemerkenswerten, mal abgründigen, mal schrulligen, nie eindimensionalen und immer ironisch gebrochenen Charaktere, die in ihren Reflexionen, Taten und Situationen wirken; sowie drittens und damit zusammenhängend das Prinzip des narrativen Alleinherrschers als das allpräsente und omnipotente Künstler-Subjekt, das Ich des Erzählerautors, das nicht nur Zentralfigur der stofflichen Verdichtung, sondern dessen Roman überhaupt Selbstrepräsentation einer höchsten Souveränität ist, die der dichterischen Welt befiehlt, wie sie zu sein hat, die Entfaltung ihrer unendlichen Reflexion als der Fluchtpunkt eines üppigen Gedankengemäldes. Dieses Ich des Dichters ist der neue Proteus im modernen humoristischen Roman.

1.  »Brasilianische Pflanzen und das alte Reichskammergericht«. An Jean Paul den Witz studieren Zur Auseinandersetzung mit dem Humor bei Jean Paul sei eine an einer geistreichen Schrift Friedrich Heinrich Jacobis gewonnene Beobachtung vorausgeschickt: Will der Dichter seinen aufgegriffenen Inhalt in komischer Weise bearbeiten und dadurch Lachen erregen, setzt die erfolgreiche Durchführung dieses Unternehmens nicht nur eine Kenntlichmachung des verlachten Gegenstandes, sondern oftmals auch das Wissen um den komischen Modus des Textes voraus. Im Falle der literarischen Parodie muss der Parodist durch einen aus eigener Feder stammenden, aber mit fremder Zunge sprechenden Text sowohl anzeigen, ›über welchen‹ Schriftsteller er sich lustig macht als auch ›dass‹ er sich lustig macht, will er nicht bloß ein privates Vergnügen daraus ziehen. Jacobi zeigt in seiner Schrift Swifts Meditation über einen Besenstiel, und wie sie entstanden ist von 1789, wie Lady Berkeley der komischen Abhandlung Swifts zunächst mit Ernst begegnet, weil ihr vorgegeben wird, der Autor sei der von ihr geschätzte Robert Boyle.15 Als eine Parodie auf 15 

Vgl. Jacobi: W 5,1, S. 157 ff., insb. S. 163 ff.

»Brasilianische Pflanzen und das alte Reichskammergericht«

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­ oy­les Schreibstil mit dem absurd-nichtigen Inhalt einer ausufernden ReB flexion über einen Besenstiel nimmt sie diese erst wahr, nachdem Swift sich selber als der Verfasser und Parodist Boyles zu erkennen gegeben hat. Man könnte sich zur Beobachtung hinreißen lassen, dass das Gelingen der Komik umso stärker vom Verwendungszusammenhang abhängig ist, je verfeinerter ihre Mittel sind. Sie wird somit kommentierungsbedürftig. Ein Dichter, der eine solch elaborierte, intellektuelle und kommentierungsbedürftige Form von Komik entwickelt hat, ist Jean Paul, oder mit bürgerlichem Namen Johann Paul Friedrich Richter. Seine Witze und Scherze schwanken häufig zwischen textueller Kenntlichmachung und scheinbarem Privatvergnügen des Autors, bleiben doch in seiner vielschichtigen, schwer zu durchdringenden und ausufernden Dichtung Anspielung und literarischer Modus vielfach im Verborgenen – weshalb, ob der besagten Kommentierungsbedürftigkeit, die textimmanenten Anmerkungen, Berichtigungen, Stellungnahmen und poetologischen Reflexionen in Einschüben und Anhängen nachgereicht werden. Geschult ist diese Erzählweise an der englischen Literatur der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts: Den Romanen Sternes entlehnt Jean Paul seine Erzähltechnik der ›fortschreitenden Abschweifung‹ (›progressive digression‹), das Verlassen des Haupthandlungsstrangs zwecks Sich-Verlierens in Nebenhandlungen, Anmerkungen, Anhängen und Kommentaren. Orientiert zeigt sich sein Schreiben aber auch an Jonathan Swift und Henry Fielding. Narrative Stringenz und Kontinuität sind dabei vermieden, von regellosen Unterbrechungen des Erzählflusses zwecks Einbeziehung der Künstlerpersönlichkeit oder assoziierter Stoffe und spontaner Einfälle sind die Werke durchzogen. Damit sprengt Jean Paul bewusst die poetologischen Vorgaben der Weimarer Klassik, vermeidet eine in sich geschlossene Handlung, thematisiert an zahlreichen Stellen in Metadiskursen den Erzählmodus als solchen und nutzt den Anlass, seiner Narration ein hohes Maß an Selbstreflexivität zu geben. Daher ist es oft unerfindlich, wer es überhaupt sein soll, der da gerade spricht: eine Figur, der Erzähler oder gar der Autor selbst. Es entsteht ein verwirrendes Spiel zwischen Fiktionalität und Faktualität. – Die aus diesen Eigenheiten resultierenden Rezeptionsschwierigkeiten der Texte wurden bereits von den zeitgenössischen Lesern registriert, obwohl diese – mit Walter Benjamin gesprochen – davon profitierten, dass ihnen Sachgehalt und Realien vertrauter waren.16 Einer dieser Zeitgenossen war Hegel, der das Schaffen Jean Pauls durchaus verfolgte. In seinen Berliner Ästhetik-Vorlesungen setzt er sich mit Jean Paul nicht vorrangig deswegen auseinander, weil dieser einer der populärsten Gegenwartsautoren der 16 

Vgl. den Aufsatz Goethes Wahlverwandtschaften in: Benjamin: GS I, 1, S. 125 ff.

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Zeit ist – auch nicht, weil Hegel seit seiner Heidelberger Schaffensphase und seiner Verleihung eines Ehrendoktortitels an Jean Paul ein gutes persönliches Verhältnis zu ihm gehabt hat17 – er beschäftigt sich in seiner Ästhetik vielmehr deshalb mit ihm, weil dieser Dichtung ein ästhetisches Prinzip zu Grunde liegt, das als deutlichste zeitgenössische Ausprägung einen Endpunkt der Entwicklungen der romantischen Kunstform verkörpert. Im ÄsthetikKolleg von 1823 betrachtet er sein Werk als ein herausragendes und bemerkenswertes Exempel der humoristischen Literatur.18 Was ist für Hegel aber das revolutionäre Prinzip einer Dichtung, deren deutschsprachiger Höhepunkt Jean Paul ist und die Hegel kunstgeschichtsphilosophisch ausdeutet? Hegel meint, der Humor sei »das Ende des Romantischen«19 und damit nicht das Ende der Kunst  – das waren bereits die alte Komödie und die Satire –, sondern vielmehr das Ende des Endes der Kunst, also das Ende dessen, wozu Komödie und Satire den Anfang bildeten. Er markiert als letzte, ganz aktuelle Gestalt den Höhepunkt von Entstehung und Ausprägung des modernen Ideals, wie schon die Komödie Höhepunkt der vorhergehenden klassischen Kunst war. – Am Anfang war der Bruch. Die Bedingung für den Eintritt in das Zeitalter des romantischen Kunstideals macht Hegel in tiefgreifenden Veränderungen innerhalb der allgemeinen Vorstellung vom Absoluten bzw. dessen sittlicher Objektivität der Polis aus. An der Komödie und Satire sind hierzu bereits wesentliche Bestimmungen entwickelt worden: Mit der Emanzipation der selbstbestimmten Subjektivität von der unwesentlich gewordenen religiösen und politischen Wirklichkeit des Göttlichen geht eine ebenso große ästhetische Revolution einher, in welcher der Künstler den vormals festen Konnex seines Schaffens mit substantiellen Gehalten dieses Absoluten verliert.20 Da die Kunst als ein Werk der Individualität, die zuvor noch mit dem Allgemeinen untrennbar als ihm ästhetisch Ausdruck verleihend verbunden war, von nun an keine einheitliche Zweckbestimmung im Ganzen der Arbeit des geistigen Selbstbewusstseins mehr besitzt, hat der Künstler seine selbstverständliche Identifikation mit dem substantiellen Inhalt seines Schaffens verloren, weil dieser Inhalt eben fehlt. Hegel betont daher die gravierenden Wirkungen über dieses Umbruchsmoment hinaus. 1828/29 sagt er, der Geist erkenne das »Äußerliche« nicht mehr als »Gestalt des Innerlichen« an, so dass jenes von ihm »für sich verlassen« werde, die »äußerlichen Gegen17 

Vgl. Olivier (2008), S. 168. Vgl. Hotho (1823), S. 436. 19  Hotho (1823), S. 430; vgl. hierzu auch Ascheberg (1820/21), S. 113: »so haben wir die Auflösung der Kunstform; der Künstler zeigt nur sich, und bringt kein Kunstwerk mehr hervor; dies nennen wir das humoristische; es macht den Schluß der Romantik«. 20  Vgl. Heller (1964), S. 945 ff. 18 

»Brasilianische Pflanzen und das alte Reichskammergericht«

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stände« sind damit »frei«21; ebenso verhalte sich das Individuum zu ihnen, so dass die geistlose Äußerlichkeit für sich ein Interesse erwecke. Doch die Konsequenzen der eingangs knapp skizzierten Entzweiung zwischen Künstler und Kunstgehalt sowie Form und Inhalt sind vielschichtig. Optimistisch besehen hat sich das Künstlersubjekt von der Beschränkung befreit, die ihm von einem wesentlichen und damit notwendig zu versinnlichenden Inhalt auferlegt wurde. Indem die Kunst sich über die Zäsur hinaus zunehmend von ihren substantiell verbindlichen Inhalten losmacht, öffnet sie ihre verschiedenen Formen der Unendlichkeit des Stoffes der gegenständlichen Äußerlichkeit, macht sie bereit für eine grenzenlose ästhetische Bearbeitung des Lebensweltlichen in seinen vielen verstreuten und zufälligen Schauspielen. Die Kunst der Moderne stößt auf ein neues Interesse, nämlich ganz realistisch den ästhetisch angeeigneten Stoff einer Lebenswirklichkeit nachvollziehbar zu gestalten. Hegel gibt diesem Gegenstandsbereich im Kolleg von 1823 den Namen »Prosa des gemeinen Lebens«22 und verdeutlicht den Sieg der »gewöhnlichsten Wirklichkeit« in »unmittelbaren Erscheinungen«23 an einer bewundernden Analyse der niederländischen Genremalerei. In diesen Landschaftsdarstellungen, Stillleben sowie Szenen des gewöhnlichen bürgerlichen Lebens und Wirkens werden für Hegel die wesentlichen Bestimmungen dieses neuen Kunstverständnisses vorgeführt, die darin bestehen, eine partikulare, zufällige Welt ganz ohne Bezug auf einen mythischen Hintergrund abzubilden und dabei dennoch dem Geist ein umfassendes Bewusstsein von sich zu verschaffen.24 Es ist Hegel das Wesen der niederländischen Malerei, »ein ganz momentanes Dasein, das in solchen Stücken von den Künstlern aufgefaßt und fixiert worden ist«, darzustellen, auch »das ganz Wandelbare« und »das Allerlächerlichste«25, und ihr dabei 21 

Libelt (1828/29), Ms. S. 100v f. Hotho (1823), S. 315. 23 Hotho (1823), S. 435. Hegel führt diese Bewunderung insbesondere bei Libelt (1828/29), Ms. S. 30v f. näher aus: »Die Hollander haben es da weit gebracht. Der Stoff ist aus ihrem Leben, und das ist schon hoch, daß sie ein praesentes darstellen wollten. Die Niederlaender haben, das Ihrige zum Zwecke ihrer Darstellung gemacht, ihre Freude daran gehabt. Das Ihrige ist der Boden auf dem sie stehen, den haben sie sich selber gemacht und erhalten ihn noch, gegen das Anstürmen des Meeres, sie haben sich von spanischer Herrschaft befreit. Die Burger und Bauern haben sich politische und religiöse Freiheit erworben und erhalten alles durch ihre Thätigkeit und Unternehmungsgeist im Kleinen und Großen, die Wohlstand zu Folge hat. Dieser Frohsinn der aus dem Selbstgefühl es sich verschafft zu haben, hervorgeht das ist kein gemeiner Stoff.« Vgl. dazu auch Libelt (1828/29), Ms. S. 134v. 24  Vgl. Pöggeler (1971), S. 114 f.; Lucas (1964), S. 374 ff.; Gethmann-Siefert (2005c), S. 52 f. 25  Kehler 1826, S. 152. 22 

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fernab jedweder Verklärung die Einheit einer substantiellen Welt zu geben, welche der bürgerliche Geist der Freiheit ist, der künstlerisch anschaubar gemacht wird und in dem das Flüchtige gebannt und aufgehoben werden kann.26 Gerade durch diese Befriedigung des Bedürfnisses, sich auf die einfache Wirkungssphäre des Menschen als solchen zu beziehen und sie in ihrer Partialität abzuschildern, wird der Zweck mit den Mitteln der Kunst realisiert, ein Selbstbewusstsein der bürgerlichen Freiheit zu stiften. Doch dieser Prozess in den Naturalismus oder Realismus hinein ist nur die eine Spielart dessen, was Hegel als die beiden »Extremen der romantischen Kunst«27 ansieht: Das neuzeitliche Bedürfnis befriedigt sich kunstgeschichtlich fortschreitend in der individuell innerlichen Aneignung der alltäglichen Gegenstände durch die subjektive Betrachtungsweise, die »zufällige Subjektivität mit ihrer Partikularität«, die nicht mehr vorrangig an diesen Gegenständen interessiert ist, sondern an sich selbst, am »Produzieren des Individuums«28. Es ist ein weiteres Grundmoment romantischer Kunst, dass sie eben nicht »dem Äußeren, dem Räumlichen (Räumlich-Materiellen) verhaftet [ist] – und der damit gegebenen Statik«, so dass damit ihr ›Nach‹ gegenüber der ungebrochenen »Harmonie und Objektivität der Ausprägung«29 klassischer Kunst immer auch ein ›Darüber‹ ist  – ein ›Darüberhinaus‹ im Sinne des Höheren. In der Verweigerung, eine Idealität des Typus zu zeigen, stattdessen die subjektiv aufgefasste Wahrheit eines Besonderen vorzuführen, sowie in der Offenheit für einen Stoff, der als innerlicher jenseits von Raum und Zeit grenzenlos wird, ist die Kunst nach dem Ende der Kunst eine vollkommenere Kunst; vollkommener, weil sie sich auf dem subjektiven Standpunkt für alle Realität öffnet, und zwar für die Totalität äußerer wie innerer Elemente. Am Ende dieses langen Prozesses der Herausbildung romantischer Kunst steht für Hegel der Humor. Er ist die fortgeschrittene Ausprägung des be­ 26 

Vgl. Hotho (1823), S. 434: »die niederländischen Städte hatten sich frei gemacht von weltlicher und geistlicher Herrschaft. Ihre politische Freiheit, ihren Unterhalt alles haben sie durch sich selbst, durch Bürgertugend und protestantische Frömmigkeit. Hier ist das Prinzip, in der gemeinen wirklichkeit sich befriedigt zu wissen. Solche Gegenstände können den höhern Sinn nicht befriedigen, aber die nähere Betrachtung versöhnt uns damit. der Gegenstand selbst befriedigt uns nicht, aber die unendliche Kunst des Mahlers.« Mit Kromayrs Parallelnachschrift kann ergänzt werden: »Die Bilderstürmerei ist besonders in den Niederlanden sehr eifrig gewesen das Alte, Kirchliche der bildenden Künste zu zerstören und so haben sich die Niederländer ihren Boden erst rein gefegt und Platz gemacht für die neuen zahllosen Produktionen in den verschiedenen Genres«. Kromayr (1823), S. 434. 27  Libelt (1828/29), Ms. S. 101v. 28  Ebd., Ms. S. 101r. 29  Heimsoeth (1967), S. 90.

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nann­ten zweiten Extrems, nämlich ein Moment der endgültigen Auflösung der Selbständigkeit allen zur Verfügung stehenden und an sich unendlichen Stoffes sowie die Aufhebung desselben im Subjekt, das »Verrücken alles substantiellen durch eine subjective Ansicht«30. Auch im Humor steht das Lebensweltliche im Mittelpunkt und wird in seiner ganzen Zufälligkeit und in vereinzelter Weise dargestellt. Wie der niederländische Maler hat auch der humoristische Dichter alle Freiheiten, sein vorgefundenes Dasein spielerisch nachzuahmen. Ein großer Unterschied entsteht allerdings, wenn man sich die jeweils verschiedenen Weisen dieses Spiels näher besieht: Das Spiel, das bei den niederländischen Malern die Leichtigkeit des Alltäglichen ist, ist beim humoristischen Dichter seine selbstgefällige Genialität, die er an sämtlichen ihm vorhandenen Stoffen unter Beweis stellt. Schließt sich die Substantialität der Kunst der Niederländer politisch im Geist der bürgerlichen Freiheit zusammen, verlieren bei Jean Paul der künstlerische Ausdruck und die Möglichkeiten der ästhetischen Darstellung scheinbar jede Verbindlichkeit. Der Künstler ist dazu befreit, seine virtuosen Fähigkeiten an beliebigen Stoffen zu erproben. Gegenstand dieses modernen Prinzips ist keine schöne Gestalt mehr, keine unerhörte Begebenheit, keine in sich geschlossene Handlung und auch kein besonderes historisches Ereignis oder das Sittenportrait einer bedeutenden Zeit. Gegenstand dieser Kunst ist kein spezifischer Inhalt, sondern der Künstler selbst. Dies geht bis zur grotesken Verzerrung der Wirklichkeit fort.31 Im Wintersemester 1820/21 meint Hegel, »der Künstler zeigt nur sich, und bringt kein Kunstwerk mehr hervor«32. Er drängt sich in das Werk hinein, verbannt aus diesem jeden objektiv selbständigen Inhalt, produziert sich allein selbst, gefällt sich darin und spannt aus dieser Innerlichkeit jeden weiteren Inhalt auf. Äußerlicher Stoff wird lediglich aufgegriffen, um ihn nach der Seite zu gebrauchen, die dem Künstler interessant zu sein scheint, so dass der Eindruck entsteht, dem Humor sei ein objektiver 30 

Hotho (1823), S. 432. Jean Pauls Romane und Kurzprosa, selbst seine Poetologie in der Vorschule der Ästhetik, sind bevölkert von phantastischen Figuren, verstörenden Elementen grimassenhafter Deformation, gespenstischen Verzeichnungen, traumhaften Szenarien, absurden Ideen und skurrilen Zwischenfällen. So hält auch das Groteske, das von Hegel ja aus dem Kreise des Komischen ausgeschlossen wird, Einzug in diese Welt der Dichtung. Zu den signifikanten Motiven gehören vor allem diejenigen aus dem Bereich der Vermischung von Mechanischem und Organischem. Oft sind es Alltagsgegenstände, oder konkreter: technische Instrumente, die zur Selbstbewegung belebt werden. In die­ser Vermischung verfremdet sich das Mechanische, indem es Leben gewinnt, sowie das Lebendige, indem es zu gespenstisch mechanischen Bewegungen zu erstarren droht oder gar in eine Todesstarre verfällt. »Dauerhafte Motive sind die zu Puppen, Automaten, Marionetten erstarrten Leiber und die zu Larven und Masken erstarrten Gesichter.« Kayser (1980), S. 43. 32  Ascheberg (1820/21), S. 113. 31 

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Gehalt gleichgültig, weil der Urheber des Werkes allein der Mittelpunkt ist, dem alles Stoffliche dienen soll. Er thematisiert sich in seinem Schaffen als Schöpfer der ästhetischen Welt.33 Wie in der niederländischen Malerei tritt das »Individuum« in der hu­­ mo­ristischen Dichtung »in eine endliche Welt«, einen konkreten Raum und eine konkrete Zeit, in eine »bestimmte Weise […] der Wohnung, des Geräths, der physischen Bedürfniße […], der andern Bequemlichkeiten des Lebens, näher der Verhältnisse des Befehlens, Gehorchens, der familie, des Reichthums, der Sitte, der zufälligen Verhältniße und alles in manigfaltiger Verschiedenheit«34. Doch wie die Poesie andere formale und damit auch inhaltliche Möglichkeiten hat, schildert der Humorist nicht nachahmend wie die Holländer die ›Prosa des Lebens‹ ab – er atmet vielmehr diese Prosa tief in sich ein, um angereichert mit diesem Stoff übersprudelnd sein Talent, seinen Scharfsinn und Einfallsreichtum unter Beweis zu stellen. Mit dieser Durchsetzung und fortgeschrittenen Ausprägung des subjektiven Standpunkts in der romantischen Kunst ist für Hegel aber die Problematik der Tendenz verbunden, dass sich Stoff und Subjekt voneinander abtrennen, die Kunst ihre Erdung in der geistigen Allgemeinheit verliert und sich der Künstler in der eigenen Innerlichkeit verrennt. Daher merkt Hegel vorsichtig kritisch an: »das humoristische ist sehr verführerisch, denn jeder, wie er ist, giebt sich selbst her, form und Stoff sind unmittelbar zur Hand.«35 Das Interesse im Humor erscheint somit als ein souverän-subjektiver Selbstgenuss, entzündet an willkürlich aufgegriffenen Gehalten. – Doch dabei darf nicht vergessen werden, was zunächst nur behauptet und im Weiteren expliziert werden kann, nämlich dass Humor keinesfalls bloß dichterische Realisation »humoristischen Lebensgefühls« und »humoristischer Weltanschauung« ist: Humor ist vor allem ein ausgearbeitetes Erzählprinzip, »das zugleich poetisch und realistisch, realitätssüchtig sein will«36. Der Humorist hat den Drang, nicht bei sich zu verweilen, sondern sich auf die Welt einzulassen, zu erkennen, was es zu erkennen gibt, damit er sich selbst in diesem Weltbezug darstellen kann. Diesen Zweck realisiert er sich durch die ideale Ausdrucksweise des modernen Romans. Auf das doppelte Verhältnis, auf diesen Weltbezug des Subjektivismus, so widersprüchlich er zunächst erscheinen mag, wird noch ausführlich einzugehen sein. Ganz im Sinne der Leseransprache Michels de Montaigne in dessen Essais: »Ainsi, Lecteur, je suis moy-mesme la matiere de mon livre«. Montaigne (2007), S. 27. 34  Hotho (1823), S. 314 f. 35  Ascheberg (1820/21), S. 113. 36  Preisendanz (1963), S. 8. 33 

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Diese zunächst recht allgemeinen Bestimmungen des Humorbegriffs stehen im Hintergrund von Hegels Urteil über Jean Paul. Dessen Werk und der allgemeine Begriff eines Humors, der das Subjekt ins Zentrum stellt, fallen bei Hegel ineins. Denn er analysiert mit dem Humorbegriff Jean Pauls Romane und Krähwinkeliaden37 und entwickelt aus ihnen wiederum die Grundzüge des Humors.  – Goethe schreibt in den Wahlverwandtschaften: »Durch nichts bezeichnen die Menschen mehr ihren Charakter als durch das was sie lächerlich finden.«38 Dies trifft wohl in besonderem Maße auf Jean Paul zu: Der Humor ist seine Art des Weltbezugs. Alles in seinen Romanen wird durch die humoristische Brille gesehen. Daher meint Hegel, dass eine stringent erzählbare »Geschichte« in seinen Texten »das am wenigsten interessante«39 sei. Indem es den Erzählern und Figuren darauf ankommt, an einem aufgegriffenen Stoff scharfen Verstand und humoristisches Talent zu beweisen, ist der objektive Gehalt den subjektiven Einfällen des KünstlerIch unterworfen. Wie schon generell zur Humordichtung konstatiert werden konnte, wird auch bei Jean Paul der äußerliche Stoff in seiner Selbständigkeit aufgehoben, um ihn als Material benutzen zu können, das sein Humor zur Manifestation benötigt. Er wird vom Dichter-Ich bezwungen – und dieses allein hält den zerstreuten Inhalt zusammen, gibt ihm Einheit und Geschlossenheit. Das Zerstoßen des Objektiven in den Mühlen der Innerlichkeit und die fremdartige Neuordnung des Gehaltes führen zu einem Äußerlichbleiben des Stoffes, zu einer Melange, deren Sinn in Gänze nur sehr mühsam, gele37 

Jean Paul verwendet diesen Ausdruck gelegentlich für seine Dichtungen. ›Krähwinkel‹ als Redensart für einen ländlich-provinziellen Ort mit engstirnigen, philisterhaften Einwohnern bezeichnet die Szenerie, in welcher und über welche das humoristische Ich seine Scherze treibt. Vgl. u. a. in Das heimliche Klaglied der jetzigen Männer: Jean Paul: SW I, 4, S. 1089: »Kleidete ich diese Ruhestunde in einen Komödienzettel ein, so höb’ ich freilich an: der Schauplatz ist in Krehwinkel, einem hübschen, aber sehr kotigen und steinichten Landstädtchen in Flachsenfingen, woraus drei farbenstriemige Holz-Ellenbogen jeden, der sich unter dem Tore nach Wegweisern umsieht, in drei Weltgegenden versenden.« Aber auch in Der Komet in Jean Paul: SW I, 6, S. 841: »Bloß das Landstädtchen Krähwinkel nehm’ ich aus, welches in Kleindeutschland im Fürstentum Flachsenfingen (ganz verschieden von dem Dorfe in Norddeutschland) liegt, und wovon ich die ersten Nachrichten bei Gelegenheit einer da spielenden Geschichte gegeben. Kotzebue hatte nun die Gefälligkeit, das von mir zuerst beschriebene Städtchen mit seinen Kleinstädtern zu bevölkern und sie darin handeln zu lassen, als wären sie darin geboren.« Vgl. zu beiden Textstellen auch die entsprechenden Anmerkungen Norbert Millers. – Der literarische Topos allerdings, die kleinstädtisch-hinterweltlerische Ordnung und einfältigen Menschen zu verspotten, geht bis auf die umfangreiche Tradition der Atellanen in der römischen Antike zurück. Vgl. Georges (1913), Sp. 669. Hegel nimmt Bezug auf die Atellanen in seiner ÄsthetikVorlesung von 1828/29; vgl. Libelt (1828/29), Ms. S. 89v; Anonymus (1828/29), Ms. S. 44r. 38  Goethe: SW 9, S. 426. 39  Hotho (1823), S. 436.

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gentlich gar nicht durchdrungen werden kann. So wird das Unzusammenhängendste zu einer Aneinanderreihung spontaner Einfälle kombiniert  – wie Hegel meint, tatsächlich alles, »brasilianische Pflanzen und das alte Reichskammergericht«40, werde zu einem Gewebe geistreicher Explikationen verquickt. Die Werke geraten in Hegels Urteil somit zu »Collectaneen«41, zu einem Sammelsurium gelehrter und fixer Ideen des Autors, der sich damit zum Fürsten der ästhetischen Welt stilisiert. Wenn Hegel in solchen Facetten den Humor und zugleich im Speziellen den Humor Jean Pauls bestimmt, fragt sich – eingedenk des Satzes aus den Wahlverwandtschaften  –, worin in diesem Konzept überhaupt das Humoristische im alltagssprachlichen Verständnis besteht, oder anders: was das Komische daran ist bzw. ob Humor für Hegel eigentlich komisch ist. Die Frage muss positiv beantwortet werden, der Humor würde ansonsten im Rahmen der vorliegenden Untersuchung keine weitere Beachtung finden müssen. Dieter Hörhammer meint dazu bejahend, es gebe sogar eine »exklusive Beziehung zwischen Humor und Lachen«42. Wie zu Anfang dieses Kapitels entwickelt, ist das Lachen über Humor ein zurückgenommenes, vergeistigtes, mehr innerliches. Nach außen hin gibt es sich womöglich mehr als abgedämpftes Lachen oder gar als leises Lächeln kund. – Hegel sieht aber im Moment der Verinnerlichung noch eine wesentlichere Dimension, die in den Kern seiner Humor-Theorie vordringt: Das Komische konstituiert überhaupt erst die formale Einheit der humoristischen Dichtung. Diesbezüglich spricht er allerdings nicht vom ›Komischen‹, sondern mehrfach vom ›Witz‹ als der zentralen Kategorie der humoristischen Gestaltung. Es ist der Witz, der den singulären Inhalt aufgreift, ihn mit zahlreichen weiteren verstreuten Stoffen verbindet und ihnen allen als Ausdruck ein und desselben Dichter-Ich Einheit gibt. Er ist somit produktionsästhetisches Prinzip. An dieser Verwendung des Begriffs verdeutlicht sich sodann die Wandlung der Bedeutung von ›Witz‹ um 1800: Zuvor in der insbesondere von Gottsched gestifteten Semantik des französischen ›esprit‹ als eine geistreiche ›Gewitztheit‹ verstanden, wird der Witz in der Zeit der Nachaufklärung immer mehr zu einer Bezeichnung für ›Scherz‹.43 Nicht zuletzt Jean Paul hat einen größeren Anteil an diesem Wandel des Begriffs. In Hinblick auf Hegels Humortheorie ist festzustellen, dass sein Witzbegriff unter dem Einfluss Jean Pauls innerhalb der geschichtlichen Verschiebung beide Bedeutungen mit40 

TWA 13, S. 382. Libelt (1828/29), Ms. S. 53r. 42  Hörhammer (2001), S. 68. 43  Vgl. hierzu und zum Folgenden Kluge (1999), S. 895; Gabriel (2004); Gabriel (2009), passim. 41 

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einander verknüpft: die herkömmliche der Gewitztheit mit der neueren, die den Geistreichtum auf das Komische verengt. Der Witz ist ihm ein geistreicher Scherz, an welchem sich sowohl scharfer Verstand als auch distanzierter Humor beweisen. So führt Hegel sowohl 1823 im Singular aus, der Dichter gebrauche den Stoff nur »nach irgend einer Seite, die der Witz an ihm findet«44, als auch 1826 im Plural und mehr im Sinne von ›Scherze treiben‹, der »Plan« dieses Poetikkonzepts liege darin, »seine Witze«45 zu machen und seine komischen »Einfälle […] zur Schau« zu stellen. Was zunächst ganz allgemein und grundlegend in der alten Komödie das Komische, in der Satire der Spott, in der modernen Komödie, mit bereits näher explizierten editionsphilologischen Vorbehalten, das Lächerliche war, ist im Humor subjektivistisch zu begreifen als Witz, ein geistreich-scherzender Einfall. Der Witz ist in diesem Kontext Erkenntnisinstrument und zugleich Darstellungsmodus, in welchen der Erzählerautor seine aufgegriffenen verstreuten Inhalte aneignet und präsentiert; er ist somit die charakteristische Handschrift, das schlechthin Eigenständige, das er den äußerlichen disparaten Stoffen als eigenes Siegel aufprägt. In seinen Nürnberger Schriften zur philosophischen Propädeutik definiert Hegel ganz analog und wie ein Vorgriff auf seine Berliner Vorlesungen: »Der Wiz verknüpft Vorstellungen, ihrem äussern Anschein nach einander fremdartig, nach einer Seite, in der sie eine unerwartete Gleichheit darbieten.«46 44 

Hotho (1823), S. 436. Kehler (1826), S. 153. 46  GW 10,1, S. 351. ­– In seiner Gymnasialzeit fertigt sich Hegel im März 1787 ein Exzerpt zu Christian Garves Versuch über die Prüfung der Fähigkeiten in der Neuen Bibliothek der schönen Wissenschaften und freyen Künste von 1769 an, das er mit Philosophie. Psychologie. Prüfung der Fähigkeiten überschreibt und wegen der anonymen Herausgeberschaft nicht als Garves Text identifizieren konnte. Schon hier notiert er sich, zum Witze »gehören die Aehnlichkeiten«, die »Erfindsamkeit, verborgene und doch einleuchtende Verbindungen unter Begriffen zu entdecken, die von einander sehr entfernt scheinen«, so dass solche »Productionen« auch »Einfälle« genannt werden können. Vgl. GW 3, S. 149 ff. Ob dieser Abschnitt aus dem Garve-Exzerpt allerdings späterhin für Hegel noch eine Rolle spielt, ist ungewiss. Immerhin im Zusatz zum § 455 der Encyclopädie von 1830 über die ›Einbildungskraft‹ findet sich jedoch eine analoge Bemerkung, die zur Definition des Witzes dient: »Der Witz verbindet Vorstellungen, die,– obgleich weit auseinanderliegend, – dennoch in der That einen inneren Zusammenhang haben.« GW 25,2, S. 1106. – In diesem Kontext des Witzbegriffs deutet sich auch eine Verbindung zu Jean Paul an: Im entsprechenden Band der Freundesvereinsausgabe schiebt der Herausgeber Rosenkranz direkt im Anschluss an die oben zitierten Ausführungen des Nürnberger Lehrbuchtextes einen kurzen Zusatz Hegels ein, der zunächst Rätsel aufgibt, und zwar sowohl hinsichtlich seiner Herkunft als auch seiner Bedeutung innerhalb dieses Zusammenhangs: »Beim Aufgang der Sonne verwandelte sich der Himmel von Schwarz in Roth, wie ein Krebs. – Le miserable, qu’il est heureux! Il a faim. – Exul mentisque domusque. – Unter diesem Steine liegt 45 

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Hier dringt hervor, dass der Einfluss der von Christian Wolff festgeschriebenen Definition von Witz nicht verleugnet werden kann.47 Diesbezüglich kann jedoch vermutet werden, dass Hegel nicht Wolff selber, sondern eher eine der vielen Wiederholungen seiner Systematisierungsstrategien in nachfolgenden enzyklopädischen Schriften anderer Denker rezipiert hat. An diesem Begriff des ›Witzes‹ bezeugt sich allerdings ebenso eine deutliche Parallele zu Jean Pauls Vorschule der Ästhetik, die sicherlich für deren eifrigen Leser Hegel naheliegender ist als die Wolffische Tradition, welche noch keine Verknüpfung mit Komik und Humor herstellt, sondern den Witz ausschließmein Weib und hier ruht sie und auch ich. – Auf ihren Ruhebetten die fetten Richter träumen, um ihren Husten und ihr Gewissen zugleich in Schlaf zu wiegen u.s.w.« GW 10,1, S. 439. Nach der zweiten Lektüre dieser enigmatischen Zeilen stellt sich allerdings die Vermutung ein, Hegel gebe damit ein Beispiel für seinen Begriff des Witzes, denn jeder Folgesatz führt einen Gedanken des vorhergehenden in einem gänzlich anderen Kontext und mit assoziativ humoristischen Vergleichziehungen weiter: Der gedämpft rötliche Sonnenaufgang ist ein malerisches Ereignis, doch er macht dem Not leidenden Bettler lediglich Hunger, weil er ausschaut wie ein Krebs – Ovids Satz aus den Metamorphosen (Buch IX, Vers 409) greift dessen Obdachlosigkeit auf, hier ist sie aber diejenige des edlen Feldherrn und verrufenen Muttermörders Alcmaeon, der den Zug der Epigonen gegen Theben anführt und sehnsüchtig an seine Heimat denkt – diesem Heerführer wird daneben aber auch ein Wahnsinn prophezeit, wie ihn der Witwer am Grabe seiner Frau zu erkennen gibt, nur dass dieser in seiner Trauer sich bereits für tot erklärt, während Alcmaeon tötet, um zu überleben – diese sanfte Ruhe der Toten kontrastiert größtmöglich mit derjenigen der schlafenden Richter, die hustend und schnarchend die Massen ihrer Dickleibigkeit zum Vibrieren bringen – schließlich knüpft der idyllische Sonnenaufgang an diese lärmende Nachtruhe wieder an. – Es sei darauf hingewiesen, dass Hegel diese Sätze, die Rosenkranz einfügt, aus dem Werk Jean Pauls zusammengesucht haben könnte, denn zumindest der erste über Morgenröte und Krebse kann als ein direktes Zitat aus Buch IX, § 44 der Vorschule der Ästhetik identifiziert werden; vgl. Jean Paul: SW I, 5, S. 173. 47  Vgl. Christian Wolffs Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt und der Seele des Menschen, auch allen Dingen überhaupt von 1720 in: Wolff: GW I, 2, S. 223, 532 ff. Diese von Wolff systematisierte Definition des Witzes wird auch noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts vielfach aufgegriffen. Lessing eignet sie sich an; Mendelssohn schreibt in seiner Beylage. Erinnerungen an Herrn Jacobi, die einem Brief vom 1. August 1784 an Friedrich Heinrich Jacobi angehängt ist: Lessing »war gewohnt, in seiner Laune die allerfremdesten Ideen zusammen zu paaren, um zu sehen, was für Geburten sie erzeugen würden. Durch dieses ohne Plan hin und her Würfeln der Ideen entstanden zuweilen ganz sonderbare Betrachtungen, von denen er nachher guten Gebrauch zu machen wußte.« Mendelssohn: JA 3,2, S. 205. Jean Paul bezieht sich auf dieses »Lessingsche[] geistige[] Würfeln« explizit im § 55; vgl. Jean Paul: SW I, 5, S. 203. Die Bestimmungen des Witzbegriffs werden zur Arbeitsmethode des Intellektuellen ausgebaut: Es ist die regellose, geradezu aleatorische Kombination von beliebig aufgegriffenen Gegenständen, fortbestimmt zu losen Ideen, dem witzigen Prinzip der Ähnlichkeit gehorchend, die nicht nur Lessings Produktivität eine Steigerung verschafft, sondern die zudem auch dort geistreiche Gedanken hervorbringt, wo sie zunächst nicht gedacht werden konnten, insbesondere von Lessing selber nicht. Vgl. dazu Böckmann (1973), 530 ff.; Wölfel (1989), S. 274 f.; Kreuzer (1997), S. 39 f.; Kilcher (2004), S. 275 f.

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lich als verständige Gewitztheit begreift. Erst Jean Paul – und zwar in Buch IX der Vorschule – versteht ihn als eine humoristisch gewendete Herstellung von »Ähnlichkeit« zwischen Andersartigem, als »teilweise Gleichheit, unter größere Ungleichheit versteckt«48. Der Witz ist damit die überraschende Verbindung heterogener Dinge, Vorstellungen, Gegenstands- und Bedeutungsbereiche, und zwar durch assoziative Reflexion und gleichmachendes Arrangement, das komisch wirkt. So ist der Witz des Erzählerautors sowohl für Hegel als auch für Jean Paul ein subjektives Prinzip, selbständige Stoffe durch eigene Beigabe gleich und damit witzig werden zu lassen; und zwar in doppelter Weise: zum einen indem nach individueller Ansicht gemeinsame Züge und Vergleichbarkeiten an ihnen hervorgehoben, zum anderen indem sie zu Momenten der genialischen Gedankenlawine unter vielen anderen gleichmachend herabgesetzt werden. Jean Paul entdeckt aber in der weiteren Behandlung dem Leser den tieferen Sinn dieser Gedanken.49 Durch den humoristischen Witz wird die »schwere[] Materie« des vorfindlichen Stoffes in »das leichte Feuer des Geistes« gebracht, von der »äußere[n] Bewegung« zum »Gedanken«50 übergegangen. Auf diese Weise entsteht ein Kontrast zwischen der Banalität der äußeren Wirklichkeit und dem höheren Sinn, den der Humorist ihr verleiht. Auch Jean Paul definiert das Komische somit als einen Kontrast: zwischen dem Zufall der endlichen Welt und der geistreichen Subjektivität, zwischen der Wirklichkeit und der Idee, jedoch nicht im Sinne Schillers als ein Ideal außer der Zeit, sondern als subjektive Innerlichkeit, die das Endliche kontrastiv in sich aufnimmt und dadurch ästhetisch veredelt. Daher verwahrt er sich am Anfang der Vorschule auch ausdrücklich gegen die Mimesis in der Kunst.51 Vielmehr komme es auf einen »Wechselspiegel« von äußerer und innerer Natur an, so dass man hier von einer »Darstellung der Ideen durch Naturnachahmung«52 sprechen könne. Vor diesem Hintergrund kann der komische Kontrast des humoristischen Witzes schärfer gezeichnet werden: Jean Paul schreibt im § 31 der Vorschule, Humor sei »ein auf das Unendliche angewandte[s] Endliche[s]«, bei welchem der Verstand »einen ins Unendliche gehenden Kontrast«53 antreffe. Der Humor vergleicht das Endliche mit dem Unendlichen der Idee, um das End48 

Jean Paul: SW I, 5, S. 171. Vgl. im Folgenden zur Theorie des Witzes und des Humors Nerrlich (1889), S. 457 ff.; Profitlich (1968), S. 47 ff.; Profitlich (1969), S. 26 ff.; Kommerell (1977), S. 391 ff.; Wiethölter (1979), passim; Wölfel (1989), S. 265 ff.; Hast (1991), S. 93 ff.; Baierl (1992), S. 62 ff., insb. S. 97 ff.; Kaiser (1995), S. 25 ff. 50  Jean Paul: SW I, 5, S. 182. 51  Vgl. ebd., S. 34 ff. 52  Ebd., S. 43. 53  Ebd., S. 125. 49 

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liche in seinem unendlichen Abstand angesichts der Gegenüberstellung zu seinem Gegenteil vernichten zu können.54 Zur Erläuterung dieser Bestimmung meint Käte Hamburger: »Der Sinn der Jean Paulschen Definition wird nicht vergewaltigt, wenn wir die Begriffe Unendlich  – Endlich (für deren konkretere Veranschaulichung und Verwertung er schon die des Großen und Kleinen heranziehen mußte, die den Mangel des Unpräzisen haben), durch die metaphysikfreien des Eigentlichen und Uneigentlichen ersetzen und damit das Inadäquatheitsverhältnis als solches zur Strukturbestimmung des Humors machen.«55 Aus dieser entmystifizierenden Deutung kann gezogen werden, dass das Komische des Witzes aus dem Kontrast zwischen eigentlicher Subjektivität und uneigentlichem Stoff ihrer zufälligen endlichen Äußerlichkeit entsteht. Nicht einzelne Stoffe oder Situationen sind komisch, sondern alles Äußerliche ist »nur Torheit und eine tolle Welt«56. Indem also die Subjektivität in ihrem idealen Aneignungs- und Darstellungsmodus des Witzes die verschiedenartigsten uneigentlichen Materien in Berührung bringt, Gemeinsamkeiten untereinander herstellt sowie darin mit ihrem eigenen Gedanken gattet, erzeugt sie einen Kontrast zwischen unendlicher Subjektivität und der von ihr vereinnahmten Wirklichkeit, der das Wesen dieser Komik und überhaupt das Wesen der Humorpoesie ist. Die Mannigfaltigkeit der Existenz geht in der inneren Einheit des Künstler-Ich zusammen.57 Humor wird durch diesen Kontrast komisch.58 54 

Vgl. den § 32 in: Jean Paul: SW I, 5, S. 125 ff. Hamburger (1976), S. 127. 56  Jean Paul: SW I, 5, S. 125. 57  Vgl. hierzu auch Solger (1829), S. 231: »Der Witz findet nicht bloß die vorhandenen Gegensätze auf, sondern erkennt sie als Modificationen der inneren Einheit der Idee. Er nimmt sie als solche als nichtig wahr, und dennoch zugleich als die wahren Gegensätze, in welche sich die Idee verliert und durch welche sie in der Wirklichkeit sich offenbart. Es muß also ein Widerspruch zwischen Idee und Existenz überhaupt beim Witze zu Grunde liegen, aber zugleich das Gefühl ihrer wesentlichen Einheit.« Solger arbeitet weitaus stärker als Hegel diesen Aspekt des Humors unter Bezug auf Jean Paul, aber auch auf die frühromantische Ästhetik heraus. Hegel definiert nämlich in deutlicher Abweichung von Solger und Jean Paul den Humor nicht als ›Kontrast von Idee und Wirklichkeit‹, sondern als eine Überbetonung der Subjektivität gegenüber dem äußerlich aufgreifbaren Stoff der Lebenswirklichkeit. Dadurch entsteht ebenfalls ein Kontrast: ein Kontrast, der auch bei Hegel, wie im Zusammenhang der Anthropologie gezeigt werden konnte, die Ursache eines Lachen ist; dennoch arbeitet er zur Abhandlung der Humor-Ästhetik nicht mit Begriffen wie ›Idee‹, ›Unendlichkeit‹ oder ›Göttlichkeit‹, sondern bleibt hinsichtlich seiner Terminologie streng im Rahmen des produktionstheoretischen Kontextes der Kunstphilosophie. Käte Hamburgers Übersetzung Jean Pauls aus der Sprache der Metaphysik in diejenige der Ästhetik oder Poetologie rückt Jean Paul somit ein Stück näher an Hegel heran. 58  Vgl. zur Komik des Humors auch Bloch: GA 8, S. 292; Hartmann (1963); Profitlich (1970), passim; Wiethölter (1979), S. 223 ff. 55 

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Zu einer bedeutsamen Bestimmung für Hegels Auseinandersetzung mit Jean Paul kann die Dichotomie Eigentliches / Uneigentliches und wiederum ihre Übertragung auf die Dichter-Subjektivität und die unwesentliche Stofflichkeit werden. Den scharf- und tiefsinnigen Witz Jean Pauls sowie seine oben auseinandergesetzte Freiheit im Umgang mit künstlerischen Gehalten kann Hegel nur immer wieder anerkennend hervorheben. Ascheberg notiert sich, »Jean Paul ist der berühmteste Humorist, und hat wirklich einen genialen Humor«59, in der Nachschrift Hothos findet sich, in »den Jean Paulischen darstellungen ist die Verkettung des heterogensten zu bewundern«60, 1826 notiert sich ein unbekannter Schreiber, Jean Paul überrasche »durch geistreichen Witz«, dessen »Originalität« darin bestehe, »dass die Sache aus einem Geiste sei«61. Wie aber schon am Urteil über die Satirendichter, Molière oder Schiller gesehen werden konnte, steht dem Beifall Hegels oftmals eine ebenso starke Kritik gegenüber; denn ein blindes Lob würde dem geistigen Gehalt der Gestaltungen nicht gerecht werden. So auch in diesem Fall. Hegel ist nämlich mit dem humoristischen Subjektivitätskonzept keineswegs einverstanden. Zur Befreiung der Kunst für die wesentliche Darstellung der endlichen Individualität, die Hegel an der Komödie so eindrucksvoll vorgeführt hat, gehört es, den Menschen als Menschen auf sich zu beziehen, so dass sein lebensweltlicher Kosmos, endlich und dennoch ins Unüberschaubare ausgedehnt, die zu gestaltenden Stoffe bereitstellt. Noch in der modernen Komödie, bedingt durch die Grenzen des objektiv Darstellbaren und daher gebunden an die antike Bühnenform, ist dieser Stoff auf die unmittelbare Lebenssphäre des Protagonisten und seine kleinlichen Zwecke beschränkt, die wie gezeigt im Namen einer Bewusstmachung der Substanzlosigkeit bürgerlicher Sittlichkeit, und damit in einem engen Bezug zur Objektivität, steht. Dieser Zusammenhang ist im Humor weitestgehend aufgehoben, so dass mit den schrankenlosen Möglichkeiten des Witzes der ausufernden Selbstbespiegelung der Narrationssubjektivität Tür und Tor geöffnet sind. Was den einzelnen, aber zum unendlichen Prinzip dieser Dichtung gewordenen Menschen in seinem Prozess des Sich-Findens als Menschen in der Gegenwart umgibt, was er in sich entdeckt, was er denkt und reflektiert durch dieses Denken tut, kann in den Kreis des ästhetischen Ausdrucks Einzug halten, bis der Kunst nichts mehr fremd ist, bis sie »das menschliche Gemüth in seiner Fülle, seiner Wahrheit«62 ausdrückt und ästhetisch lebendig werden lässt. 59 

Ascheberg (1820/21), S. 113. Hotho (1823), S. 436. 61  Anonymus (1826), Ms. S. 82. 62  Hotho (1823), S. 442. 60 

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In diesem Sinne kann es für die im Humor stofflich unendlich gewordene Kunst nichts mehr geben, was vom Witz nicht integriert werden könnte. Solange der Mensch vollkommene Anschauung von sich erhält, und in dieser Selbsterkenntnis Freiheit erlangt, ist die Kunst substantiell. Wenn jedoch alles integriert werden kann, das Gebiet der Kunst in etwa die gleichen Ausmaße besitzt wie die Lebenswirklichkeit, in welcher das Geistige durchmischt mit Zufall, Täuschung, bloßem Dasein ist63, haftet diesem Umstand ein hohes Maß an Beliebigkeit an – innerlich fühlt sich der Künstler mit nichts mehr verbunden und nichts mehr verpflichtet, was über die bloße Gegenwart seiner endlichen Existenz hinausreichen würde. Wie ja Jean Paul selber im § 32 deutlich gemacht hat, ist ihm die ganze Welt ein Fundus seiner Humorphantasien, dient ihm die Endlichkeit im Ganzen als Inhalt seiner Kunst, doch nicht zu einer Verdichtung ihrer wesentlichen Geistigkeit, sondern als ein Tollhaus, das in einen komischen Kontrast gesetzt der Subjektivität zum Anlass der Selbstzweckhaftigkeit gereicht. Für Hegel ist es der Aschermittwoch dieses rauschenden Festes einer ästhetischen Befreiung von allen Fesseln des Gehalts, dass der Künstler fortan dazu verdammt ist, seine Formen, Stoffe und Themen stets aufs Neue suchen und dafür sorgen zu müssen, seinen Gestaltungen allein aus sich etwas Wesentliches abzugewinnen. Vor allem zeigt diese Subjektivität dann aber die Problematik, als alleingestellte sich selber zu beschädigen und ihre sittliche Bedeutung zu verlieren, die sie nur im Kontext des Allgemeinen finden kann. Es erhellt damit, dass die moderneren Entwicklungen des romantischen Ideals im Humor eine janusköpfige Erscheinung annehmen. So kann festgehalten werden, dass Hegel zwar ein differenziertes Urteil über den Humor und die Dichtung Jean Pauls fällt und ausführt, dasselbe generell besehen aber unentschlossen bleibt. Hegel weiß sehr genau, was er an den Romanen bzw. dem poetologischen Prinzip des Humors schätzt und reflektiert diese Aspekte in seinen ästhetischen Vorlesungen. Es ist zum einen die Faszination für die ›Prosa des Lebens‹, in Parallelität zur niederländischen Malerei, doch nicht als Naturalismus, sondern im Gegenteil als größtmögliche Verinnerlichung dieser Lebensszenen einer tollen Welt. Andererseits urteilt Hegel die Romane Jean Pauls aber auch harsch ab, indem er sie als barocke Zusammenstellungen entferntester Einfälle und willkürlich aufgegriffener Inhalte deutet. Das mit dieser Witzigkeit verbundene »Ausschweifen […] in allen Gebieten des Stoffs« ermüde beim Lesen der Romane schließlich »die Einbildungskraft, sodaß diese Einfälle bald langweilig

63 

Vgl. TWA 13, S. 21 f.

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werden«64. In der Bemächtigung der Individualität verdrängt der Erzählerautor fortwährend seine Stoffe zwecks Selbstinszenierung. Die Kompositionen Jean Pauls werden durch ihre subjektiv chaotische Anlage zu rätselhaften Gebilden.65 An dieser Stelle sei ein kurzer Exkurs eingeschoben: Es dürfte von Interesse sein, dass Goethe, dessen Urteil Hegels Position in vielen Fragen nahesteht, eine vergleichbare Unentschlossenheit angesichts der Dichtung Jean Pauls zeigt: Im gleichnamigen polemischen Gedicht urteilt er zunächst genauso abwertend wie vorschnell, Jean Paul sei einem »Chinese[n] in Rom«66 vergleichbar: unfähig, einen ebenso angemessenen Antikebezug wie die Weimarer zu verwirklichen. Schillers Kritik schlägt in dieselbe Kerbe, wenn er meint, er sei ihm »fremd wie einer der aus dem Mond gefallen ist«67. In den Noten und Abhandlungen zum West-östlichen Divan hingegen nimmt Goethe die Vorbehalte zurück und lobt Jean Paul in ungewohnt hohen Tönen, da seine Werke »von einem verständigen, umschauenden, einsichtigen, unterrichteten, ausgebildeten und dabey wohlwollenden, frommen Sinne« seien; »ein so begabter Geist« wie Jean Paul »erschafft die seltsamsten Bezüge, verknüpft das Unverträgliche, jedoch dergestalt daß ein geheimer ethischer Faden sich mitschlinge, wodurch das Ganze zu einer gewissen Einheit geleitet wird«68. Hiermit kann zur Scharnierstelle der weitergehenden Fragestellung bezüglich Hegels Beschäftigung mit der poetischen Welt Jean Pauls übergeleitet werden. Es muss gefragt werden, was mit der zweischneidigen Einschätzung Hegels, zwischen Anerkennung und Ablehnung, die Goethes Ambivalenz vergleichbar ist, weiterhin anzufangen bleibt. Zweifelsohne muss sie durch problematisierende Vertiefung aufgeklärt werden: Durch eine Konfrontation mit einigen Aspekten des Werkes Jean Pauls, sowohl seinem schriftstellerischen Schaffen als auch den theoretischen Gedanken seiner Vorschule der Ästhetik entnommen, wird sich zeigen, dass Hegels Unentschlossenheit und Ambivalenz bei der Beurteilung des Humors sich in vergleichbarer Weise bereits in Jean Pauls eigener Autorenpoetik, also in der Poetologisierung seines eigenen dichterischen Wirkens, zeigt. Er unterzieht seinen Humor näm64 

Hotho (1823), S. 436; vgl. auch Ascheberg (1820/21), S. 113: »Eine Reihe humoris­ tischer Späße wird aber bald Langweilig«; Libelt (1828/29), Ms. S. 101v: »Eine Reihe von Witzen wird bald langweilig, man kann sich da nicht vertiefen.« 65  Im Kolleg von 1826 geht Hegel mit seiner Kritik so weit, dem humoristischen Dichter zu unterstellen, allzu gerne und vorschnell zum Humor zu greifen, weil er auf diesem Wege »keinen Plan braucht, keine allgemeine Darstellung« (Kehler [1826], S. 153) hervorbringen müsse. 66  Goethe: SW 4,1, S. 857 f.; vgl. zu Goethe und Jean Paul: Golz (2007), passim. 67  Brief Schillers vom 28. Juni 1796 an Goethe in: Goethe: SW 8,1, S. 185. 68  Goethe: SW 11,1,2, S. 190.

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lich einer kritischen Selbstanalyse, in der ganz ähnliche Vorbehalte gegen bestimmte Auswüchse des Subjektivismus erhoben werden wie in Hegels Einschätzung. Entscheidend für Hegels ästhetisches Urteil ist in diesem Kontext der Umstand, dass seine Kritik am Humor in eine unübersehbare Nähe zur Kritik an der romantischen Ironie rückt. Die Nähe beider Konzepte hat wohl bereits Jean Paul selber erkannt und sich publizistische Gelegenheiten geschaffen, sich von den Romantikern abzugrenzen.69 Zur Vertiefung und Aufklärung der Ambivalenz des Urteils ist es im Weiteren also darum zu tun, einerseits Hegels Kritik an der Ironie eines Friedrich Schlegel, aber auch Tiecks, Novalis’ und E.T.A. Hoffmanns, in gebotener Kürze anzureißen, um zu zeigen, dass sie sich gleich in mehreren angeführten Argumenten mit den skeptischen Anteilen der Haltung gegenüber Jean Paul trifft, andererseits sie in ein Verhältnis zur selbstkritischen Unterscheidung von der Romantik zu setzen, die Jean Paul selber an seinem Dichten vornimmt, damit darauf aufbauend durch eine abgleichende Bestimmung der Hegelschen Differenzierung zwischen Humor und Ironie erschlossen werden kann, welche Anerkennung er dem Humor entgegenbringt, die er der Ironie grundsätzlich verweigert. Dass Hegel immer auch diese Anerkennung betont, hängt – so wird es sich zeigen – nicht zuletzt mit dem komischen Moment des Humors zusammen.

2.  Die Gegenwart der Willkür – Hegel über romantische Ironie »Ogni suo gesto, ogni accento, tradìa tal beffarda ironia, ch’io lo trassi in arresto!« (Puccini: Tosca, 2. Akt.)

Gleich zu Beginn muss eine Einschränkung gemacht werden: Hegel geht es mit seiner Ironie-Auffassung selbstverständlich nicht darum, die Romantiker aus persönlichen Motiven anzugreifen, nicht darum, ihre schwärmerischen Poetiken vom Standpunkt des Philosophen zu diffamieren; er will ihre Denkform vielmehr kritisch auffassen, um sie darin nach Gedanken zu befragen, die seiner Ästhetik oder allgemein seiner Philosophie wertvoll sein können und an denen sich die eigenen Kategorien und Prämissen überprüfen lassen. ›Kritik‹ muss daher – den Kantischen Sinn frei aufgreifend – als 69 

Vgl. hierzu auch Endres (1996), S. 74 ff.

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eine Prüfung und nicht als Polemik verstanden werden; als eine Prüfung, wie der Gegenstand geistphilosophisch begriffen und zu einem Moment dieses Begriffes ausbestimmt werden kann. Aus diesem Grunde einer produktiven philosophischen Beschäftigung kann Hegel beispielsweise die romantische Philosophie Solgers weitaus anerkennender rezensieren als diejenige Friedrich Schlegels, denn in Solgers Werken erkennt er eine größere Nähe zum eigenen Denken.70 Die Ironie in ihrer radikalsten, und d. h. gänzlich ungebundenen, Form ist es, die Hegel unmöglich erscheint: Ironie verstanden als »Spitze der sich in sich festsetzenden und sich abstrakt von der einigenden 70  Vgl.

hierzu auch Endres (1996), S. 43 ff. – Friedrich Schlegel ist ohne Zweifel die größte Zielscheibe der Romantikkritik Hegels; daneben finden sich einige höchst polemische Bemerkungen über Ludwig Tieck. Eine hingegen anerkennende Aufmerksamkeit schenkt er Karl Wilhelm Ferdinand Solger. Zwei Jahre nachdem Tieck und Friedrich von Raumer den Nachlass ihres Freundes zweibändig herausgegeben hatten, veröffentlicht Hegel 1828 eine große Rezension in den Jahrbüchern für wissenschaftliche Kritik. Die Idee zu dieser publizistischen Auseinandersetzung reifte in Hegel offenbar zu einer schonungslosen Abrechnung mit den Romantikern heran, so dass die Seitenstücke zu Friedrich Schlegel und Tieck über Strecken hinweg sogar zum eigentlichen Gegenstand zu werden scheinen. Schon der Sturm und Drang Herders in seiner genieästhetischen Phase, vor allem aber des frühen Goethe und des frühen Schiller sind ihm eine solche Krise, die durch den Bruch mit allen bisherigen poetologischen Programmen und der Überbetonung des individualistischen und genialischen Schaffens ausgelöst wird. Ist mit der Genie-Ästhetik allerdings noch eine problematische Suche nach substantiellem Gehalt in den tiefen Windungen der Innerlichkeit verbunden und somit ein nicht zu leugnendes Bedürfnis nach demselben, gibt die Romantik in Hegels Augen diesen Gehalt in Gänze preis und verliert sich in poetischen Formen und inhaltlichen Absonderlichkeiten, die eine Krise verraten. Vgl. Pöggeler (1981), S. 114. – Von diesem philosophischen, poetologischen und ideologischen Hintergrund hebt Hegel Solgers Ästhetik ab. Einerseits sieht er zwar auch in Solgers Denken deutlich romantische Züge, betont aber immer wieder seine unter anderem in der griechischen Antike – etwa als Übersetzer der sophokleischen Tragödien – verwurzelte Substantialität. Ähnlich wie Jean Pauls Kritik am poetischen Nihilismus nimmt sich Hegel auch Solgers eigene Kritik an der Romantik, beispielsweise an August Wilhelm Schlegel, zum Anlass, um die Auffassungen gegeneinander abgrenzen zu können. Auch wenn Solger an der Ironie festhält, meint Hegel in dieser Position zum einen auch grundsätzliche Vorbehalte gegen das ironische Prinzip entdecken zu können. Zum anderen meint Hegel, zwischen dem Grundsatz seiner Philosophie und derjenigen seines Berliner Kollegen Solger würde sich in der »abstractesten speculativen Spitze […] keine Differenz« (GW 16, S. 103) ergeben. Denn Solger habe es vollbracht, jeden falschen Dualismus im Denken zu überwinden. Außerdem habe er immer eine begrüßenswerte Distanz zum Subjektivismus der Romantiker gewahrt, ja er sei in gewisser Hinsicht sogar ihr Gegenstück, nicht von vergleichbarer Oberflächlichkeit, sondern bereit, »in die Tiefe der philosophischen Idee hinabzusteigen«. TWA 13, S. 98. Das bedeutet, Solgers Ironie wählt sich zum absoluten Bezugspunkt oder zur Aufhängevorrichtung ein Prinzip, das – hätte Solger es vor seinem frühzeitigen Tod noch ausarbeiten können – schließlich Hegels eigenem Konzept der absoluten Idee nahegekommen wäre. So kann Solger jede Negation, entgegen ihrer ironischen Auflösung im Ich, zu einem Moment der gesamten Entwicklung der Idee werden lassen.

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Substanz abtrennenden Subjektivität«71. Hegels Kritik an Jean Pauls Humor scheint eine Spielart dieser Kritik zu sein. Doch das wäre eine oberflächliche Beobachtung und muss im Einzelnen überprüft werden. Die profunde Voraussetzung der romantischen Ironie erblickt Hegel im »Fichtischen Prinzip« des abstrakten und »ganz formell[en]« Ich »als das Prinzip des Wissens, der Erkenntnis überhaupt«72 – dies ganz zu Recht: Ohne die neuzeitliche Wende zur Subjektphilosophie von Descartes bis zu ihrem vorläufigen Höhepunkt in den Wissenschaftslehren, vor allem derjenigen von 179473, wäre Friedrich Schlegels Modell des Ironismus, als die geschliffenste und prägnanteste, daher sicherlich auch anstößigste Ausformung innerhalb der romantischen Schule, genauso wenig denkbar wie Jean Pauls Humor.74 Doch Hegel, der Fichte ebenso viel zu verdanken hat75, kritisiert Schlegels Ironie durchweg als eine gefährliche Radikalisierung der neuzeitlichen bzw. gegenwärtigen Subjektphilosophie  – und argumentiert dabei zuweilen an Schlegels Konzept vorbei, was für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung allerdings nicht weiter verfolgt werden kann. Entscheidend ist der Punkt, dass die selbstbezüglich unverbrüchliche Gewissheit des Cogito für Hegel in ihrer Alleinstellung ausartet zur haltlosen wie inhaltlosen Beliebigkeit willkürlicher subjektiver Setzungen: Was ist, ist nur durch das Ich  – was nur durch das Ich ist, kann jederzeit durch dasselbe wieder negiert werden.76 In diese abstrakt freie Einheit kehrt alles vom subjektiven Standpunkt Sächliche an und für sich beständigkeitslos ein, wie auch der substantielle Stoff auf dem humoristischen Standpunkt vollständig dem Subjekt unterworfen ist. Denn 71 

Pöggeler (1956), S. 66. Kehler (1826), S. 20; vgl. auch Libelt (1828/29), Ms. S. 24v: »Ironie ist eigentlich aus Fichte’s philosophie hergenommen, sie liegt nicht darin ist aber draus entsprungen. In der Schellingschen Philosophie ist eine Wendung der Fichteschen Philosophie. Das Ich bei Fichte ist das absolute Princip, ganz formell ganz abstract, es ist frei, negativitaet alles besonderen da gehen alle Sachen, aller Inhalt unter, jeder Inhalt wird gewußt als nur gesetzt durch das Ich. selbst der Inhalt des Göttlichen ist vom Ich gesetzt.« Vgl. zur Philosophie Fichtes als dem »tieferen Grund der romantischen Ironie« auch Preisendanz (1963), S. 308 f. 73  Vgl. Schanze (1997), S. 170 ff. 74  Bei Libelt (1828/29), Ms. S. 25r stellt Hegel immerhin heraus, dass Schlegel der innovative Begründer dieses Prinzips gewesen ist und Romantiker wie Friedrich Ast nur seine Epigonen waren: »Diese Thätigkeit die ein bloses Scheinen hervorbringt ist Bedeutung der wahrhaften praktischen Ironie, die Frd v Schlegel erfand aus Fichte, und sie weiter geführt. die andern haben es nur nachgesprochen.« 75  Vgl. Wildt (1982), S. 287 ff. 76  Hegel sagt nach Kehler (1826), S. 20 hierzu: »Dieses Ich ist das ganz Einfache, in dem aller Unterschied vollkommen negiert ist, in der abstrakten Freiheit gehen alle Sachen unter, ich kann alles in mir vernichten, negieren. Was für mich gilt, kann ich auch vernichten; ebenso ist alles, was in mir ist, ein von mir Gesetztes.« 72 

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seinen Bestand, das ist ein Hauptargument Hegels, habe dieses Sächliche ja nur solange, wie es vom Ich gesetzt sei und in seiner Setzung von erneuten Negationen unangetastet bleibe. So ist alles »Wahrhafte, Sittliche, Göttliche« für dieses ironische Ich nur »ein Schein, kein Sein«, denn das »Substantielle […], vor dem wir einen Respekt haben, ist so gewußt als ein durch mich Gesetztes«77. Wie in allen drei Kapiteln zur alten Komödie über Sokrates festgehalten wurde, versieht Hegel seine Ausführungen zur Entstehung und Durchsetzung des Prinzips der modernen Subjektivität resp. seiner ersten philosophischen Realisation in der Sokratischen Ironie jeweils mit dem Verweis auf die Gefahr der Absolutsetzung des Ich. Doch erst in der romantischen Ironie ist dasjenige voll entfaltet in Realität getreten, was sich in Komödie und Satire ästhetisch reflektiert geradezu warnend andeutete. In der Anmerkung zum § 140 der Grundlinien der Philosophie des Rechts wird diese Referenz Schlegels auf die Antike offengelegt: Platon entlehnt Sokrates den Ausdruck, welcher ihn selber bereits für den heuchlerischen rhetorischen Betrug und die Eitelkeit der Sophisten gebrauchte, um sich davon abzusetzen. Denn die Idee der Wahrheit und Gerechtigkeit dürfe niemals ironisch behandelt werden.78 Zunächst nur als ein positionsloses Gesprächsverhalten gegen Personen gefasst, arbeitet Hegel am antiken Modell heraus, wie sich bereits in ihm die ironische Haltung, über alle brüchigen und ephemeren Positionen hinweg, für »das Letzte« und »die Idee selbst«79 nehme, um sogleich klarzustellen, dass auch dies in kritischer Verwendung geschehe, da sich Platon gegen diese Weise ebenso verwahre. Unterstrichen wird von Hegel daher an anderer Stelle »das Wahrhafte der Sokratischen Ironie«, sich auf die unhintergehbaren Voraussetzungen des Denkens zu verständigen und »die abstrakten Vorstellungen konkret zu machen«80. Immer wieder betont er diese ihre Größe und Bedeutung für die Philosophiegeschichte. An deren vorläufigem Ende in Hegels Gegenwart ist es allerdings Friedrich Schlegel, der sich die antike Denkform aneignet und das, was in ihr angelegt ist, unter dem Einfluss Fichtes und Schillers zum Nukleus seiner Theorie absoluter Subjektivität erhebt. Erst auf diesem eigentlichen Gipfelpunkt der unendlichen absoluten Negativität in subjektiv vereinzelter Realität wird sie für Hegel zu einem Gegenstand der Anfeindung. Hier wird deutlich, dass moderne Ironie eben etwas anderes ist als ihr antikes Muster.81 Für das ihr zu Grunde liegende 77 

Kehler (1826), S. 20. Vgl. GW 14,1, S. 132. 79 Ebd. 80  TWA 18, S. 459; vgl. hierzu auch Behler (1963), S. 209 f. 81  Vgl. Norris (2011), S. 126 ff. 78 

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Subjekt gilt das, was an der Rechtsphilosophie bereits erarbeitet worden ist: Es ist ›das Böse‹.82 Fraglos ist das Freiheitsverständnis, das mit der Komödie erstmals ästhetisch bewusst gemacht wird und sich in der Ironie ins böse Ex­trem verkehrt, eine bedeutsame Durchgangsgestalt für Hegels rechtsphilosophische Entwicklung; doch ohne zur wahren Sittlichkeit durchzudringen und sich vielmehr in sich selber stillzustellen und absolut zu setzen, entfremdet es sich in die gefährliche Willkürfreiheit.83 Ein Begriff vom Absoluten wäre allerdings ein schlechter, würde dieses Absolute sich nicht zur Erscheinung bringen. Der ironische Standpunkt Schlegels drängt darauf, sich ästhetisch zu verwirklichen. Das Konzept verbindet auf diese Weise die pathoserfüllte Genie-Ästhetik des Sturm und Drang mit der Zuspitzung der Ich-Philosophie Fichtes.84 Mit diesem Schritt zeigt sich sodann die Problematik unverstellt und in ihrer ganzen Drastik: In der Ironie ist die abstrakte Subjektivität nicht bloß ein Prinzip des Denkens, sondern wird als ein lebendiges, reflektierendes und handelndes Individuum aus Fleisch und Blut, als ein empirischer Mensch verstanden – und womöglich missverstanden. Hegel nähert sich dem Brennpunkt seiner Kritik, wenn er meint: werde die Ironie in der Kunst zum wirklichen Prinzip erhoben, führe das unweigerlich zum Gedanken, als Künstler zu leben und das ganze Leben künstlerisch zu gestalten, »daß ich [all]es als Künstler tue«85. Dies mag zunächst wenig bedenklich scheinen, bedeutet aber, dass das abstrakte Prinzip der absoluten Subjektivität mit dem Anspruch in die Existenz tritt, auch für den Lebenszusammenhang als ganzen zu definieren, was Wahrheit und Substantialität dieser Totalität sind. Der individuell schöpferische Künstler hat das Selbstverständnis einer göttlichen Genialität, die der Objektivität Wesentlichkeit stiftet. Wenn unter Berücksichtigung der obigen Bestimmungen nur das Ich sich als das Beständige in einer unendlichen Kette von nichtig werdenden Verneinungen behaupten kann, dann muss Hegel diesem Ich das selbstbezogene Urteil in den Mund legen, »daß dies mein Aussprechen, Handeln«, sofern es sich auf einen Inhalt bezieht, immer nur »ein Schein für mich bleibe«86. Dabei liegt die Betonung auf ›für mich‹, denn wenn der Unbestand und die permanente Negation zum Prinzip erhoben sind, kann 82  Vgl.

zum ironischen Subjekt als das Böse innerhalb der Ästhetik ebenso Libelt (1828/29), Ms. S. 24v: »die Ironie, der Hohn, das Böse«. 83  Vgl. bei Hegel zu den Bestimmungen und zur Diskussion der problematischen Willkürfreiheit des unendlichen Ich die §§ 14–18 der Grundlinien der Philosophie des Rechts; vgl. hierzu auch Rebentisch (2011), passim. 84  Vgl. Hast (1991), S. 103. 85  Kehler (1826), S. 21. 86 Ebd.

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jede als Wesentlichkeit vorgetragene Gestaltung für das Künstler-Ich im selben Moment wieder hinfällig werden, weil es letztlich alles als Schein durchschaut. Vom Standpunkt des Ironikers ist somit das ganze Leben selbstgeschaffene Kunst, und zwar als ein reiner Schein; für die anderen Selbste dieses empirischen Lebens heißt das aber, dass sie »nur getäuscht« sind, denn »ich bin der Künstler, für welchen dergleichen nur gesetzt ist«87. Ironie reißt alle Grenzen nieder: Kunst und Leben werden zur Ununterscheidbarkeit verwischt, Schein und wahrer Gehalt fallen ineins, so dass in diesem Kunstleben alle Festigkeiten, die das Wesentliche gegenüber dem Unwesentlichen markieren, preisgegeben sind. Was als einzige Konstante bleibt, ist die »Genialität des Göttlichen«88, die sich im Künstler realisiert und die kein substantielles Interesse mehr kennen will, die aber auch markiert, dass alles Äußerliche ›eitel‹ ist: »die Eitelkeit alles Sachlichen, Sittlichen und in sich Gehaltvollen«89. In dieser Konsequenz, so stellt Hegel es heraus, verfalle der Künstler der Arroganz und Verachtung, denn er »sieht […] die anderen für Getäuschte an«, für Verblendete und Dummköpfe, nur im Dunstkreis seines Scheins lebend und selber nicht zur Verwirklichung des Künstlertums fähig; an sein »Genie«, das er »in diesem genialen Leben«90 genießt, da ist er sich sicher, werden sie nie heranreichen können.91 In einem dritten Moment und mit einer beeindruckenden und abschließenden dialektischen Wende stellt Hegel diese freie, genialische und überhebliche Subjektivität dann allerdings als eine tragische Figur dar. Hiermit bestätigt sich erneut: Ironie ist keineswegs komisch. Zu diesem Ende muss die sittliche Dimension des ersten Moments stärker beleuchtet werden: Im Sinne der Rechtsphilosophie folgt die ironische Subjektivität lediglich dem Prinzip der Willkürfreiheit – das konnte festgehalten werden. Darin ist das Subjekt abstrakt frei von allen substantiellen Bindungen und bleibt gemäß dem höheren Begriff von Freiheit im Sinne des Vermittlungsganzen der Anerkennungsverhältnisse zwischen dem allgemeinen und den besonderen Wil87 Ebd. 88 Ebd. 89 

TWA 13, S. 96. Kehler (1826), S. 21. 91 Im Lyceums-Fragment 108 von 1797 betont Friedrich Schlegel zur Ironie die Natur­ gegebenheit des Genies, die angeborene Gabe, sie schöpferisch zu beherrschen, als auch das Hervorgebrachte als Ironie zu durchschauen: »Es ist gleich unmöglich sie zu erkünsteln, und sie zu verraten. Wer sie nicht hat, dem bleibt sie auch nach dem offensten Geständnis ein Rätsel. Sie soll niemanden täuschen, als die, welche sie für Täuschung halten, und entweder ihre Freude haben an der herrlichen Schalkheit, alle Welt zum besten zu haben, oder böse werden, wenn sie ahnden, sie wären wohl auch mit gemeint.« Schlegel: KA I, 2, S. 160. 90 

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len unfrei. Das Künstler-Ich als empirischer Mensch lässt sich nicht anders fassen als eingebunden in die Wirklichkeit der sittlichen Gemeinschaft. In seinem abstrakt freien Künstlerleben soll aber selbstgesetzt sein, was die Wahrheit der Objektivität als individuelle Wirkungssphäre ist. Wenn jede vermeintliche Wahrheit in ihrer kurzweiligen Erstarrung im unend­lichen Strom des Bewusstseins sogleich in Schein übergehen muss, wird selbst dieses vom Ich abhängige Sittliche niemals zu einer verbindlichen Realität werden können. Sittliche Wahrheit entdeckt dieses Ich allein in sich, aber nicht als Sittlichkeit, sondern als Gewissen. – Schon in der Phänomenologie des Geistes hatte Hegel zur leeren romantischen Innerlichkeit als ›schöne Seele‹ ausgeführt, dass diese Bewusstseinsgestalt zwar in sich reflektiert um sich selber als Innerlichkeit des Gewissens weiß, jedoch immer ein ›unglückliches Bewusstsein‹ bleibt, weil sie ihre Introspektion nicht überwinden kann, sich nicht entäußert, sich nicht zum Dinge macht und daher an der Leerheit sowie am Riss zwischen Innen und Außen leiden muss.92 Sich selbst nicht genügend und dennoch unfähig, aus sich herauszutreten, gelangt es lediglich zum »hohle[n] Gegenstand, den es sich erzeugt« und den es sich »mit dem Bewußtseyn der Leerheit«93 erfüllt. Diese ›schöne Seele‹ als reines, leeres Ich macht sich in innerlicher Reflexion in sich zum moralischen Gewissen, das die Leerheit mit dem wahren Sittlichen verwechselt und jenes sogar über dieses stellt. Es kann sich der sittlichen Wirklichkeit nicht hingeben. Auch es verabsolutiert somit sein abstraktes Prinzip zur allgemeinen Gültigkeit und setzt sein Gewissen negativ gegen die allgemeine Pflicht. Hegel sagt daher in der Nachschrift Libelts, mit der Phänomenologie in diesem Punkt übereinstimmend und im Sprechmodus des ironischen Ich: »Ich bin der Herr und Meister über alles Sittliche und Moralische. Alles Heilige Göttliche ist mein Product, mein Geschöpf.«94 Unsittlich ist das ironische Subjekt folglich in dreierlei Hinsicht: Es erkennt die Sittlichkeit nicht als Objektivität der Freiheit und substantielle Macht von allgemeinverbindlichen Rechten und Pflichten an, die Rechtfertigung praktischer Normen und Maximen ergeht einzig aus der innerlichen Gesinnung des Gewissens, zuletzt ist diese bloße Haltung nicht eines überindividuellen Anerkennungsverhältnisses fähig, da ein absolutes Subjekt sich nicht von Getäuschten anerkennen lassen kann. Übertragen auf den ästhetischen Bereich und übergehend zur tragischen Kehre wirkt das romantische Künstler-Ich somit immerzu abstrahiert von 92 

Vgl. Kwon (2001), S. 222; GW 9, S. 354 f. GW 9, S. 354 f.; vgl. hierzu auch Hirsch (1973), S. 249 ff.; Köhler (1998), S. 213 ff.; Siep (2000), S. 212 ff.; Cobben (2006), S. 399 f. 94  Libelt (1828/29), Ms. S. 24v. 93 

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allen substantiellen Bezügen und damit von allen substantiellen Gehalten nur für sich und in sich; darin ist es allein des Selbstgenusses vermögend. Schon in der Phänomenologie des Geistes legt Hegel den Finger auf die Wunde: In und um sich selbst kreisende weltlose Gedanken seien das »Extrem der substanzlosen Reflexion seiner in sich selbst«95. Demgemäß meint er in den ästhetischen Vorlesungen, in seiner Einsamkeit und reinen Selbstbezüglichkeit falle das ironische Künstler-Ich notwendig in die Leere; denn »es selbst ist das Leere«96. – In besonderer Weise verdichtet sich diese Problematik in Tiecks Künstlerroman Franz Sternbalds Wanderungen, worin die inhaltlose Suche des Titelhelden nach überirdischer Zufriedenheit durch konsequente Nicht-Erfüllung ins Nichts führt. In ewiger Hoffnung auf Kommendes zur Anerkennung des Diesseitigen nicht fähig und in dem Verlangen nach unendlicher Freiheit ist er weder zur Bindung an seine Geliebten bereit, die allesamt vor der Hochzeit verlassen werden, noch zu einer Rast auf seiner nicht enden wollenden Odyssee nach dem Unbestimmten in der Ferne. – So ist es ein schmaler Grat zwischen dem Bewusstsein der Selbstgenügsamkeit in der Eitelkeit und einem Selbstbewusstsein, das sich in dieser Genügsamkeit nicht befriedigt findet. Auf »diesen Standpunkt gekommen«, so führt Hegel aus, spüre das Selbst »zugleich den Durst nach Festem, Substantiellem, nach Objektivem, einem Bestimmten«97. Auch das ironische Künstler-Ich wird zum unglücklichen Subjekt, in dieser Einsamkeit kann kein Genuss und keine Befriedigung mehr sein. Wolfgang Preisendanz führt hierzu aus, der »Rückzug in die abstrakte Innerlichkeit schlägt um in jene ›Sehnsüchtigkeit‹, die für Hegel die Ironie zum Paradigma unversöhnter und damit unpoetischer Subjektivität macht.«98 Die romantische Sehnsucht – an Franz Sternbald zeigt sie sich – bleibt unbestimmt. Unbestimmtheit führt zur Handlungslosigkeit.99 Real stehen für diese Dichterexistenz im zeitgenössischen Literaturbetrieb die Zerbrechlichkeit, Kränklichkeit und bzw. oder

95 

GW 9, S. 12. Kehler (1826), S. 22. 97 Ebd. 98  Preisendanz (1963), S. 308; vgl. auch Pöggeler (1956), S. 74. 99  »Das höchste zu was man kam, war die Sehnsucht, und nicht wirkliches Handeln Sehnsucht, die sich nicht zum Bestimmten herabläßt, weil sie dieselbe als unrein hält, die aber zugleich den Mangel der abstraction fühlt.« Libelt (1828/29), Ms. S. 25v. Vgl. diesbezüglich auch die Phänomenologie des Geistes: Das »Thun« der ›schönen Seele‹ als ›unglückliches Bewusstsein‹ »ist das Sehnen, das in dem Werden seiner selbst zum wesenlosen Gegenstande sich nur verliert, und über diesen Verlust hinaus und zurück zu sich fallend, sich nur als verlornes findet«; sie »verglimmt« in sich »und schwindet als ein gestaltloser Dunst«. GW 9, S. 355. 96 

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Geistesverwirrung eines Hölderlin, Kleist, Wackenroder und Novalis, auch wenn Hegel deren Dichtungskonzepte selbstredend jeweils anders einschätzt. Diese Romantik-Kritik geht zurück bis auf die frühen Jenaer Schriften.100 Ihre Berechtigung ist in der Rezeption bekanntermaßen vielfach in Zweifel gezogen worden. Die Kritik wiederum an Hegels Kritik schreitet bis zur Unterstellung fort, Hegel habe nur »aus blindem Haß Falsches über F. Schlegel[]« gesagt, seine Kritik rein »gar nichts zu tun«101 mit Ironie. Für die sich anschließende Apologie der Romantik berufen sich solche Stimmen tendenziell auf die angebliche Angemessenheit, Rechtschaffenheit und Ernsthaftigkeit der ironischen Ausdrucksmittel für eine Darstellung künstlerischen Selbstbewusstseins, und zwar zumeist unter den Vorzeichen einer ästhetischen Ideologie des Unsagbaren. Gegen derlei Auffassungen führt Jure Zovko allerdings ins Feld, Hegels Vorwürfe seien »verstehbar«, denn er habe scharf gesehen, »daß in der Schlegelschen Ironie ästhetische und sittliche Stimmung miteinander verkoppelt« seien und daher ihre »Distanz zum traditionellen Ethos einer heftigen Kritik unterzogen«102 worden. Hegel kann sich durch die weitere Geschichte dieses Geistes bestätigt sehen, die geradezu als eine ›Verfallsgeschichte‹ bezeichnet werden muss, wenn er beobachtet, dass die Romantiker sich aus ihrer intellektuellen Krise nach dem Höhepunkt um und nach 1800 schließlich in die ausgestreckten Arme der religiösen Irrationalität oder in den kalten Schoß der politischen Restauration meinen retten zu können, weil sie dort etwas Substantielles erblicken, das ihnen das entstandene Vakuum anfüllt. Es muss Hegel wenig überrascht haben, dass Schlegel zuerst 1808 leidenschaftlich zum Katholizismus konvertiert und sich in fortgeschrittenem Alter für die reaktionär-autoritäre Regierung Österreichs unter Metternich begeistert. Nachdem sich seine hohen und sicherlich uneinholbar übersteigerten Erwartungen in die Kunst nicht verwirklicht hatten, blieben ihm nur noch Kirche und Staat als konkrete, wirkliche Insti­tutionen, in denen fortan das Heil gesucht werden sollte.103 Romantiker wie Theo100 

Vgl. Pöggeler (1956), S. 35 ff. Walzel (1985), S. 92; vgl. auch Strohschneider-Kohrs (1960), S. 215 ff.; Behler (1963), S. 217 ff.; Bubner (1987), S. 93 ff.; Hast (1991), S. 109 ff.; Monti (1995), S. 56 ff.; zit. n. Zovko (2007), S. 152 f. 102  Zovko (2007), S. 153. 103  Hegel steht in diesen seinen Urteilen den Ansichten Goethes und Schillers recht nahe, die gegen Friedrich Schlegel schonungslos polemisieren. Schiller schreibt in einem Brief an Wilhelm von Humboldt vom 17. Februar 1803: »Die Schlegel- und Tiekische Schule erscheint immer hohler und frazenhafter, während daß sich ihre Antipoden immer platter und erbärmlicher zeigen, und zwischen diesen beiden Formen schwankt nun das Publicum. An ein Zusammenhalten zu einem guten Zweck ist nicht zu denken, jeder steht für sich und muß sich seiner Haut wie im Naturzustande wehren.« Schiller: NA 32, 101 

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dor Körner oder Ernst Moritz Arndt dichten nationalistisch-frankophobe Kriegslieder, Adam Müller beteiligt sich an der konkreten Ausformulierung der Karlsbader Beschlüsse. Die Frage nach berechtigter oder unberechtigter Kritik kann jedoch im Rahmen dieser Studie nicht differenziert entschieden werden; relevant ist die Ironie hier allein wegen ihrer Nähe zum Humor. Beide Konzepte stellen eine Subjektivität in unendlicher Allmacht und Selbständigkeit in den Mittelpunkt. Es mag jedoch verwundern, dass Hegel in seiner Romantik-Polemik gerade von einem Mann Rückendeckung bekommt, dem selber nachgesagt wird, sich von romantischen Einflüssen nicht freimachen zu können. Jean Paul integriert ironieskeptische Momente in seine Humordichtung, in welcher Hegel wiederum eine Nähe zur Ironie erblickt. Im Folgenden sollen daher einige Facetten dieser inhaltlichen Übereinstimmung Hegels mit der Publizistik Jean Pauls herausgestellt werden, um die Explikation des Hegelschen Humorbegriffs auf kontrastive Weise eingehender fortsetzen zu können.

S. 11 f. – Goethe hingegen bemerkt in einem Brief an Zelter vom 20. Oktober 1831: »Die Gebrüder Schlegel waren und sind, bei so viel schönen Gaben, unglückliche Menschen ihr Lebenlang; sie wollten mehr vorstellen als ihnen von Natur gegönnt war und mehr wirken als sie vermochten; daher haben sie in Kunst und Literatur viel Unheil angerichtet. […] so erstickte doch Friedrich Schlegel am Widerkäuen sittlicher und religioser Absurditäten, die er, auf seinem unbehaglichen Lebensgange, gern mitgeteilt und ausgebreitet hätte; deshalb er sich in den Katholizismus flüchtete und, bei seinem Untergang, ein recht hübsches, aber falsch gesteigertes Talent, Adam Müller, nach sich zog.« Goethe: SW 20,2, S. 1558. Bereits in seinem Brief an Karl Friedrich Reinhard vom 22. Juni 1808 hatte sich Goethe ausführlich über Schlegels Konversion ausgelassen: »Durchaus ist aber diese Schlegelsche Conversion sehr der Mühe werth, daß man ihr Schritt vor Schritt folge, sowohl weil sie ein Zeichen der Zeit ist, als auch weil vielleicht in keiner Zeit ein so merkwürdiger Fall eintrat, daß im höchsten Lichte der Vernunft, des Verstandes, der Weltübersicht ein vorzügliches und höchstausgebildetes Talent verleitet wird sich zu verhüllen, den Popanz zu spielen, oder wenn Sie ein ander Gleichniß wollen, so viel wie möglich durch Läden und Vorhänge das Licht aus dem Gemeindehause auszuschließen, einen recht dunklen Raum hervorzubringen, um nachher durch das foramen minimum so viel Licht, als zum hocus pocus nöthig ist, hereinzulassen.« Goethe: W IV, 20, S. 93 f. – Dies alles steht natürlich im Zeichen der generellen Ablehnung Goethes gegenüber den Romantikern. Am plakativsten bringt er diese Haltung wohl in seinen Gesprächen mit Eckermann zum Ausdruck: »Das Klassische nenne ich das Gesunde, und das Romantische das Kranke.« Goethe: SW 19, S. 300; vgl. zu Goethe, Schlegel und den Romantikern auch Fröschle (2002), S. 22 ff., 30 ff., 199 ff.

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3.  Luftschiffreisen des Ich im Ich oder Humor ist keine Ironie »Wer im Luftballon aufsteigt sieht nicht sich sich erheben, sondern die Erde herabsinken, tiefer und immer tiefer.«104 (Schopenhauer: Gleichnisse, Parabeln und Fabeln)

Angesichts der demonstrierten Nähe von Hegels Ironie-Kritik zu seiner Krit­ik am Humor Jean Pauls könnte der Eindruck eines Widerspruchs entstehen, wenn man sich vergegenwärtigt, wie vehement Jean Paul selber als Ästhetiker und Dichter romantische Konzepte in Frage stellt. Wer sich mit dieser Romantik-Kritik näher beschäftigt, erkennt sofort, dass die Gründe sich nicht in poetologischen Differenzen erschöpfen, die Jean Paul im Verhältnis zum eigenen Dichtungskonzept entdeckt, sondern tiefer liegen: Den Hintergrund bildet dabei stets die Philosophie Johann Gottlieb Fichtes, der von den Vertretern der frühromantischen Bewegung ja zum Mentor ernannt wird. Die im eigentlichen Sinne philosophischen Vorbehalte Jean Pauls verbalisieren sich somit zunächst als eine Kritik am transzendentalen Idealismus Fichtes, und zwar am präzisesten im Anhang zum großen Roman Titan von 1800–1803. Von diesem Beitrag aus lassen sich dann die Konsequenzen, die sich daraus für die Ästhetik ergeben, deutlicher vor Augen führen. Das argumentative Zentrum dieses Anhangs lässt sich dabei zweifelsohne in der Abhandlung mit dem Titel Clavis Fichtiana seu Leibgeberiana ausmachen, die als systematische Fichte-Kritik eine Ausnahme in Jean Pauls Schaffen überhaupt darstellt, das an keiner anderen Stelle in vergleichbar wissenschaftlicher Form philosophische Thesen entwickelt.105 Doch obwohl sie sich dezi104 

Schopenhauer: SW 6, S. 687. Clavis ist das letzte Glied einer Kette von verhältnismäßig umfangreichen Anhängen zum großen Roman Titan. Dem Tenor nach wird in seinen Haupt- und Nebenhandlungen eine ganz ähnliche Thematik verhandelt wie in der nachgereichten Clavis. Eine lange Reihe inhaltlicher Verknüpfungen wird bereits durch das überaus verwirrende Spiel mit den Figuren und Figurennamen hergestellt: So ist ›Bruder Graul‹, dem das Journal in Des Luftschiffer Giannozzo Seebuch zugedacht ist, ein anderer Name für Leibgeber, der als ein strenger Fichtianer die Clavis verfasst hat und an den wiederum das Vorwort des Erzählerautors als des fiktiven Herausgebers gerichtet ist. Zudem stellt sich heraus, dass die Figur Schoppe aus dem Hauptroman eigentlich Kees heißt und seinen Namen zunächst in Siebenkäs und später in Schoppe geändert hat. Dieser tauscht schließlich mit seinem Freund Leibgeber den Namen, weil sich beide zum Verwechseln ähnlich sehen. Mit Hilfe dieser Namenverwirrung sowie vieler charakterlicher Gemeinsamkeiten wird die Individualität der Personen in ihren jeweiligen Interessen und Lebensgeschichten verwischt, um darauf zu verweisen, dass in den singulären Nebenhandlungen eigentlich immer dieselbe Problematik, nur jeweils nach einzelnen der zahlreichen Facetten und mit verschiedenen Schwerpunkten dargestellt wird, die allein in der Zusammenschau des 105 Die

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diert mit der Ich-Lehre auseinandersetzt, ist sie nicht bloß eine theoretische Abhandlung, sie ist zudem eine »Fichte-Satire«, ein literarischer »Angriff auf Fichtes Autorschaft«106. Diesbezüglich kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, was in der Forschung häufig ins Hintertreffen geraten ist: dass Jean Paul nämlich seine wesentlichen Anregungen und Argumente von Friedrich Heinrich Jacobi erhält, mit dem er ab 1798 in einen intensiven philosophisch-literarischen Briefwechsel einsteigt und mit dessen frühen Hauptwerken er bereits zuvor Bekanntschaft geschlossen hat.107 Der fortlaufende Austausch, insbesondere über die aktuelle Debatte um die Wissenschaftslehre Fichtes, belegt, wie Jacobis Auffassung in das Titan-Projekt, und darin vor allem in die Clavis, Eingang findet.108 Wie es in Jean Pauls poetischen Strategien allerdings üblich ist, artikulieren sich die Gedanken in einem nahezu undurchdringlichen Dschungel aus fiktiven Figuren, Stimmen, Perspektiven und ihren jeweiligen Beziehungen untereinander. So ist es in der Clavis zunächst eine aus dem Roman Siebenkäs von 1795 wohlbekannte Figur, die sich als ein leidenschaftlicher Anhänger Fichtes präsentiert. Leibgeber begrüßt dieses Hauptprojekts ihre Einheit finden. Die mannigfachen Bezüge beschränken sich allerdings nicht auf die Intratextualität des Titan-Projekts, sondern weisen darüber hinaus. Die Figur Leibgeber beispielsweise, die beizeiten Siebenkäs heißt, ist Jean Paul-Lesern bereits aus dem früher entstandenen gleichnamigen Roman bekannt. Sowohl im Hauptroman des Titan als auch in seinen Anhängen als auch in anderen Werken wird unter vielen anderen ein thematischer Komplex behandelt, der nirgendwo so präzise philosophisch ausgearbeitet wird wie in der Clavis: die kritische Auseinandersetzung mit Fichtes Wissenschaftslehre, die eine Frucht des Briefwechsels mit Jacobi ist. Vgl. Koch (2013), S. 149 ff. 106  Dembeck (2009), S. 113. Jean Paul entwirft seine Abhandlung als einen Text zwi­ schen Würdigung, Kritik und Satire: An Karl August Böttiger schreibt er am 26. Dezember 1799 zur Klärung der Schwerpunktsetzung, die Clavis solle »mehr eigentlich widerlegen als lachen«. Jean Paul: HKA III, 3, S. 265. – Wolfgang Harich weist darauf hin, dass es Jean Paul vor allem um den Nachweis gehe, »daß der Solipsismus die einzig folgerichtige Konsequenz einer jeden subjektivistischen Gnoseologie ist«; er habe dabei sehr scharfsinnig »Fichtes Versuche, sich dieser Konsequenz der eigenen Doktrin zu entziehen« (Harich [1968], S. 15), ad absurdum geführt. Es würde allerdings zu weit gehen, Jean Pauls und Fichtes philosophische Ansätze als »schroff widersprechende Positionen […] in der Grundfrage der Erkenntnistheorie« (Harich [1968], S. 17) zu deuten. Es wird noch erkennbar werden, dass Jean Paul in gewisser Hinsicht auch an Fichtes Ich-Philosophie festhält. 107  Vgl. den ersten Brief Jean Pauls an Friedrich Heinrich Jacobi vom 13. Oktober 1798, worin er ihn unter anderem als seinen »Lehrer« und »Beschützer« anspricht, in: Jean Paul: HKA III, 3, S. 106; vgl. hierzu auch Koch (2013), S. 149 ff. 108  Vgl. aus der großen Zahl an relevanten Briefen dieses freundschaftlichen Austauschs die Briefe Jean Pauls an Jacobi vom 22., 23. und 26. Dezember 1799, die Briefe Jacobis an Jean Paul vom 9. Januar und 13. Februar 1800, Jean Pauls Antwortschreiben vom 21. und 23. Februar und 3. März 1800 sowie vor allem den Brief Jacobis an Jean Paul vom 16. März 1800 in: Jean Paul: HKA III, 3, S. 265 ff., S. 299 ff.; Jacobi: B 1, S. 232 f., S. 234 ff.

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Denken feierlich als eine grandiose Absolutsetzung des Ich: Ich als Ich bin »die unbedingte und unendliche Realität selber« und enthalte »als Unendlicher alle Wahrheiten in mir, und vor dem Enthalten mach’ ich sie erst«109. Der § 6 handelt das absolute Ich Fichtes in dieser Deutung als die »unbedingte Realität« und ein »immanentes Noumenon« ab, als Umschreibungen und »Synonymen der Gottheit«110. Diese Position, vermittelt durch die Stimme Leibgebers, kann als argumentativer Ausgangspunkt genommen werden. Jean Paul entdeckt in einer solchen Position allerdings die Problematik eines »Idealismus, der sich zum Egoismus hinaufdestillieren«111 will, zudem ein Egoismus – und damit ist er bereits zu Beginn der Clavis im Zentrum seiner Kritik und einer im Gesamtprojekt des Titans relevanten und immer wiederkehrenden Thematik –, der sich zum Prototyp eines Ich-Konzepts macht, das in Jean Pauls Gegenwart begeistert empfangen wird. Gegen Fichtes Ansatz und die Weiterführungen seiner Epigonen frühromantischer Schule erhebt Jean Paul den Vorwurf einer sich in sich verlierenden Verabsolutierung des Ich. Die Kritik wird allerdings nicht im Haupttext selber erhoben, sondern in der Vorrede und im Protektorium für den Herausgeber; sie wird somit durch einen gebrochenen Sprechakt artikuliert. – Das bedeutet näher, dass Jean Paul die Clavis als Streitschrift einem glühenden Verehrer Fichtes in die Feder gibt. Die Anhängerschaft Fichtes deutet sich bereits im Namen an: Fichtes Ich emaniert sich durch Setzungen  – »Das Ich setzt ursprünglich schlechthin sein eigenes Seyn«112, wie es in der Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre von 1794 lautet; es gibt sich für Jean Paul in der ›Tathandlung‹ selbst seinen eigenen Leib. Der Erzählerautor hingegen distanziert sich im Protektorium wiederum deutlich von der Position Leibgebers, wenn er schreibt, man dürfe ihn als Herausgeber nicht »nun auch zu den Fichtisten« schlagen, denn er beteuert: »mein Mann ist er nicht«113. Vielmehr kritisiert er diesen Ansatz als problematische Hybris, als eine Himmelsstürmerei, da seine Konsequenz eine leere Weltlosigkeit sein müsse. Wenn gelte, dass »Nicht-Ich und Ich oder Objekt und Subjekt […] Wechselbegriffe, beide […] die gleichzeitigen Zwillinge der Aseität, die Selbst- und Mitlauter in der absoluten Luft oder Ichheit«114 seien, dann sei damit alle Objektivität immer schon zurückgenommen in die unendlich produktive Identität des Ich und 109 

Jean Paul: SW I, 3, S. 1032. Ebd., S. 1033. 111  Ebd., S. 1013. 112  Fichte: GA I, 2, S. 261. 113  Jean Paul: SW I, 3, S. 1019. 114  Ebd., S. 1035. 110 

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ihr überantwortet. Etwas pauschal sieht er mit der Verbreitung von Fichtes Philosophie die Gefahr verbunden, einer »schwärmerischen Sprachen- und Gedanken-Verwirrung« zuzutreiben, da sie ihre »Polypen-Arme nach allen Wissenschaften«115 ausstrecke. Gegenüber Leibgebers euphorischem Vortrag seiner Paragraphen pflegt der Herausgeber demnach eine kritische Distanz, die wiederum ihre Nähe zu Jacobis Fichte-Kritik nicht verleugnen kann – und dies auch gar nicht tun will, wie aus der Dedikation an Jacobi im Clavis hervorgeht.116 Das eigentlich Verderbliche am Fichtianismus liegt für ihn darin begründet, dass das Ich dergestalt im Absoluten »lebt und webt«, »daß nun gar kein Weg mehr herein in die Endlichkeit und Existenz geht«117. Eine Unterscheidbarkeit des Ich in sich, fortgehend zur Subjekt-Objekt-Differenz, und damit hinein in die Endlichkeit, ins Empirische, sei verbaut, weil das absolute Ich – zwar ein tertium comparationis, aber eben ein absolut begründetes – zum unendlichen Grund von Substanz, Akzidenz, Denken, Kraft usf. gemacht werde; ein Grund, der sich in Jean Pauls Augen zur Existenz verhalte »wie die Zeit zur Ewigkeit« und wie das »Dasein zur Allgegenwart«118: Sie seien unüberbrückbar, allerdings nicht weil sich sich getrennt gegenüberstehen, sondern weil es in dieser Ich-Konzeption eine solche zu überbrückende Trennung gar nicht geben könne. Denn das absolute Ich sei in seiner Absolutheit identisch mit sich, A = A, aus dem es laut Jean Paul keine Vermittlung mit der Welt finde. Es sei der »fichtische Gott«119, unendlich und trans­ mundan. In der Forschung ist immer wieder die Auffassung vertreten worden, Jean Paul missverstehe in seiner Darstellung und Kritik den eigentlichen Ansatz Fichtes; bisweilen wird dabei betont, er habe ihn bewusst missverstehen wol115 

Ebd., S. 1030. In der Vorrede weist der Herausgeber ›Jean Paul F. Richter‹ darauf hin, dass be­reits Jacobi eine vergleichbare Kritik an Fichte geübt habe; daher widmet er ihm die Clavis. Vgl. Jean Paul: SW I, 3, S. 1013, S. 1018. Vgl. Müller (1999), S. 159 ff.; Buschendorf (2007), passim; Koch (2013), S. 3–25, S. 149–162. – In Glauben und Wissen, unter Bezug auf Jacobis Taschenbuch für das Jahr 1802, in welchem sich die kleine Schrift Ueber eine Weissagung Lichtenbergs findet, macht Hegel auf die literarische Nähe Jacobis zur Humoristik aufmerksam: »Das Gepoltere und Gezänke des Aufsatzes der Beyträge hat Jacobi in dem überflüßigen Taschenbuch 1802 auch für das unphilosophische Publikum und den Gaumen des philosophischen Dilettantismus zubereitet, und zu diesem Behuf der Bitterkeit noch empfindsame Jean-Paulsche Beisätze zugemischt; unvorteilhafterweise aber an sinnvolle humoristische Einfälle Lichtenbergs seine empfindsamen bissigen Edicte geknüpft; denn Lichtenbergs tiefe und gutmüthige launigte Laune erhöht durch den Contrast unmittelbar den Eindruck einer untiefen bittern launischen Laune.« GW 4, S. 372. 117  Jean Paul: SW I, 3, S. 1014. 118 Ebd. 119  Ebd, S. 1015. 116 

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len.120 Fichte selber hat es für angebracht erachtet, zumindest generell, und ohne in eine Diskussion der Argumente einzusteigen, auf Deutungsprobleme zu verweisen.121 Diese Kritik wiederum gegen Jean Paul geht überwiegend im Argument zusammen, Jean Paul verwechsle (absichtlich) transzendentales und empirisches Ich resp. er übersehe, dass die transzendentalphilosophische Auffassung, das Ich setze sich selber die Welt, gar nicht bestreiten würde, dass außerhalb seiner selbst noch eine objektive Realität existiere, denn sie äußere ja nur, dass das Ich seine Vorstellungen von der Äußerlichkeit selbst erzeuge, sie eben setze und dadurch sich selber gebe. Altera pars ist besonders in Studien jüngeren Datums eine Interpretationsweise erarbeitet worden, die in Jean Pauls Fichte-Lektüre gerade keine laienphilosophischen Irrtümer, sondern ein durchaus produktives Verständnis der Wissenschaftslehre in der Auseinandersetzung mit Jacobi erblicken.122 Die Debatte um Korrektheit oder Unkorrektheit der Fichte-Lektüre Jean Pauls kann jedoch im Rahmen der vorliegenden Untersuchung nicht tiefer aufgenommen und weitergeführt werden – vielmehr bleibt festzuhalten, dass mit Jean Pauls Rekurs auf Fichtes Philosophie mit gleichzeitiger Betonung des Vorbehalts ein Standpunkt bezeichnet ist, der sich auch zu einem gespaltenen Verhältnis zur literarischen Romantik fortbestimmen lässt. Ästhetisch einflussreich wird ihm Fichtes Konzept nämlich, sobald die Absolutsetzung des Ich mittels seiner Phantasie schöpferisch wird. Aus Bemerkungen im Protektorium geht hervor, dass der Herausgeber dabei den Fichtianismus einiger Dichter-Kollegen im Auge hat.123 An diesen Aspekten scheidet sich Jean Paul, der selber eine Faszination für das Schwärmerische, Phantastische, Geheimnisvolle und für die Überspannungen der Einbildungskraft hat, von der deutschen Frühromantik und entzündet seine sich in mehreren Aspekten selbst in Frage stellende humoristische Poetologie: Eine Ästhetik und Poetik unter 120  Vgl.

Storz (1951), S. 58 f., 70 f.; Harich (1968), S. 11 ff.; Brose (1975), S. 74, 83; Kommerell (1977), S. 343; Wiethölter (1979), S. 68 ff.; Müller (1999), S. 161 f.; Dembeck (2009), S. 114. 121  Fichte bezieht sich 1801 in seiner Ankündigung einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre, die mit den Worten »Seit sechs Jahren« beginnt, auf »Jean Paul« und dessen Gedanken »in seiner clavis Fichtiana«, indem er schreibt: »Dieser Schlüssel mag wohl nicht schließen; denn der Verfertiger desselben ist nicht hineingekommen.« Fichte: GA I, 7, S. 158. 122  Vgl. Hesse (2010), S. 99 ff.; Koch (2013), S. 175 ff. 123  Vgl. Jean Paul: SW I, 3, S. 1029 ff. – Insbesondere Waltraud Wiethölter hat sich ausführlich und differenziert damit befasst, Jean Paul – trotz seiner nicht zu leugnenden Nähe – von der deutschen Frühromantik abzusetzen. Vgl. Wiethölter (1979), S. 33 ff.; vgl. zu einer solchen Problematisierung ebenso Rasch (1989), S. 98 ff. Rasch wird allerdings ungenau, wenn er Jean Paul wiederum zu stark mit der Ästhetik Friedrich Schlegels identifiziert und notwendig hervorzukehrende Differenzen verwischt.

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dem tiefgehenden Eindruck der Ich-Philosophie und seines Helden Leibgeber führen zu einer »Vergötterung der Kunst und Phantasie, weil die Bilder der letztern so reell sind als alle ihre Urbilder«124. Sinnbildlich für dieses romantische Programm steht die Figur Roquairol aus dem Roman Titan, die blind einem poetisch-philosophischen Lebensgefühl mit hehren, weltfremden Idealen folgt; im Kern ein reiner Ästhetizismus. Die Konsequenzen eines solchen Geniestreichs sind dann »die Ertötung (statt Belebung) des Stoffes durch die Form«, eine »philosophische Toleranz für jeden Wahn« und Aberglauben, sowie ein bloß ästhetisches »Spiel«125. In poetischer Verdichtung wird der Vorwurf gegen eine sich über alles Stoffliche erhebende Subjektivität allerdings sehr ausdrucksstark in der Figur des zweiten Komischen Anhangs zum Titan versinnbildlicht – und zwar im Protagonisten und Titelhelden des Prosatextes Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch.126  – Vom Blickwinkel des Luftschiffsessels, aus der Erhabenheit 124 

Jean Paul: SW I, 3, S. 1030.

125 Ebd. 126  Jean

Paul schreibt am 23. Januar 1801 an Christian Otto: »Ich lege viele meiner Urtheile einem über ganz Deutschland (in der Montgolfière) wegschiffenden Giannozzo, einem wilden Menschenverächter in den Mund, der blos in seinem Namen spricht«. HKA III, 4, S. 42. – In den Maximen und Reflexionen, posthum 1833 publiziert, beschreibt Goethe rückblickend, mit einem Abstand von etwa 20 bis 30 Jahren und dennoch lebendig, den schwärmerischen und sehnsüchtigen Geist, das Erdenleben zu verlassen und sich dem Himmel zu nähern, den die Erfindung der Ballonfahrt – die Montgolfière startet 1783 von Paris aus zum ersten Mal – und ihrer Verbreitung in Deutschland um 1800 bei den Zeitgenossen weckt. Von ebendieser Begeisterung ist auch der Zeitgenosse Giannozzo beseelt, denn er will sich vom Irdischen vollständig lösen, im Luftraum abriegeln und einsam in schwindelnden Höhen reisen. »Wer die Entdeckung der Luftballone miterlebt hat wird ein Zeugnis geben, welche Weltbewegung daraus entstand, welcher Anteil die Luftschiffer begleitete, welche Sehnsucht in so viel tausend Gemütern hervordrang an solchen längst vorausgesetzten, vorausgesagten, immer geglaubten und immer unglaublichen, gefahrvollen Wanderungen Teil zu nehmen; wie frisch und umständlich jeder einzelne glückliche Versuch die Zeitungen füllte, zu Tagesheften und Kupfern Anlaß gab; welchen zarten Anteil man an den unglücklichen Opfern solcher Versuche genommen. Dies ist unmöglich, selbst in der Erinnerung wiederherzustellen, so wenig als wie lebhaft man sich für einen vor dreißig Jahren ausgebrochenen höchst bedeutenden Krieg interessierte.« Goethe: SW 17, S. 790. – Von den Romantikern wird diese Erfindung zu einem prägnanten Bild für das sehnsüchtige Verlangen nach Eingang ins Unendliche verklärt, nach Überwindung der ungeliebten Endlichkeit des irdischen Jammertals, nach Schau und Erleben der göttlichen Schönheit, Einheit und Harmonie, die Reise ins Absolute. Karoline von Günderode schreibt 1803, also zwei Jahre nach Veröffentlichung des Anhangs Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch, in ihrem Gedicht Der Luftschiffer repräsentativ für diesen romantischen Traum: »Gefahren bin ich in schwankendem Kahne / Auf dem blauligten Ozeane, / Der die leuchtenden Sterne umfließt, / Habe die himmlischen Mächte gegrüßt / War in ihrer Betrachtung versunken / Habe den ewigen Aether getrunken / Habe dem Irdischen ganz mich entwandt / Droben die Schriften der Sterne erkannt / Und in ihrem Kreisen und Dre-

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der »Luft-Hütte«, die in großer Höhe zwischen den Wolken »dahinsauset«, schaut er abschätzig lächelnd dem humanen Ungeziefer unter ihm nach, den winzigen »Ameisen-Kongressen der Menschen«127 oder der Menge auf »Raupenfüßen«128 bei einer Prozession. Oben im Luftschiff thront die Überlegenheit der »stillen heiligen Region« – unten »quäkt und schwillt«129 es würdelos vor sich hin; oder an einer anderen Stelle: Oben weht die »lüftende Freiheitsluft«, ein »rauschendes Nachtluft-Meer« – unten rumort der »Kerkerbrodem«, ein »morastiges Krebsloch«130. Aus der Kabine heraus hat er einen Blick auf die Welt im Ganzen, die Perspektive der Totalität. Das Ich kann den weiten Stoff des Seins überblicken, hinwegfliegen über Landschaften, Völker und Meere. Gerade weil Giannozzo aber Interesse nur am Absoluten hat, werden ihm die endlichen Einzelheiten, die kleinen Punkte unter ihm, unbedeutend und sogar verabscheuenswürdig. Könnte er mit seinen Füßen den Boden berühren, er würde sie zertreten. Er erbost sich »über Ungerechtigkeit und Aufblasung«, über die »greuliche Menge der Schnapphähne und Krähhähne«, und wünscht sich, im Zorn ein »volles Gewitter über die Menschenköpfe«131 schütten zu können. In Anbetracht der »armen Sünder« in ihren »Gärten und Gassen« ruft er emphatisch und bereit zur Verwüstung aus: »wollte Gott, ich wäre ein Platzregen!«132 In diesen weltfernen und ich-bezogenen Gedanken befangen, wird Giannozzo überheblich und stilisiert sich analog zu den Bestimmungen im § 6 der Clavis, jedoch mit einem durchklingenden moralisierenden Unterton, zu einer gottähnlichen Gestalt: Er will als ein »herabkommender révenant« die Menschen »auf ihre Sünden stoßen«, vom Himmel herunterfahren wie »der heilige Geist« am »ersten Pfingsttag«133. Doch er ist überzeugt, dass selbst die Verzauberung der irdischen Tristesse von ihren dumpfen Bewohnern weitestgehend ignoriert werden würde: Die »Menschenherde hebt ein wenig den Kopf von der Weide verwundert auf und bückt sich wieder und graset weiter«134. So verhen / Bildlich den heiligen Rhythmus gesehen, / Der gewaltig auch jeglichen Klang / Reißt zu des Wohllauts wogendem Drang. // Aber ach! es ziehet mich hernieder, / Nebel überschleiert meinen Blick / Und der Erde Grenzen seh ich wieder. / Wolken treiben mich zu ihr zurück. // Wehe! Das Gesetz der Schwere / Es behauptet neu sein Recht, / Keiner darf sich ihr entziehen / Von dem irdischen Geschlecht.« Günderode: SW 1, S. 390. 127  Jean Paul: SW I, 3, S. 927 f. 128  Ebd., S. 959. 129  Ebd., S. 928. 130  Ebd., S. 942. 131  Ebd., S. 932. 132 Ebd. 133  Ebd., S. 930. 134  Ebd., S. 949.

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weilt er lieber in seinem Jenseits. Die Verachtung wächst sich bis zur konsequenten Weltflucht aus. Resignation ist die Antwort auf sein vernichtendes Urteil über das Erdenleben. Die Schattenseite dieser Luftfahrerei Giannozzos kann wieder aus der Distanz des Herausgebers kühl beobachtet werden; und auch der Autor der Vorrede, der sich »Jean Paul Fr. Richter«135 nennt, beteuert als Voraussetzung der polemischen Kritik an Zeitgenossen, Giannozzos »Arm ist von meinem sehr zu trennen«136. Dass Giannozzo in der reinen Bergluft des Ich einsam ist, allzu einsam, und in dieser Einsamkeit wehmütig wird, lässt das Seebuch zur sechsten und siebten Fahrt durchblicken. Das lachende Superioritätsgefühl in der Höhe macht ihn zwar narzisstisch stolz und lässt es zu, sich ichsüchtig zu feiern, schließt ihn aber zugleich im Alleinsein ab: »zwischen Himmel und Erde wurd’ ich am einsamsten«137. Wie bereits in der Clavis herausgearbeitet wurde, sind Jean Pauls unendliches Ich und Welt auf dem Standpunkt des subjektiven Idealismus nicht verknüpfbar. Dies wird hier aufgegriffen: Giannozzo beginnt, in seiner Reinheit und Leere zu frieren – gemäß 1. Moses, 2: »Es ist nicht gut, dass der Mensch allein sei«. – Der Luftschifffahrer genügt sich in seiner absoluten Selbstbezüglichkeit nicht mehr; und diese Einsamkeit lässt ihn das Dasein in einem anderen Lichte besehen: Das zuvor hasserfüllt Verspottete – die Bauernschaft in Bad Herrenleis oder die Gelehrtenschaft an der Universität St. Görgen, das Laucher Komödienhaus oder die Festung Blasenstein – dies alles erscheint ihm plötzlich als lebendiger und beseelter Antipode zur blutleeren Luftbehausung seiner Kabine, der ihm seine Isolation umso deutlicher vor Augen führt. Nachdem die Welt ihm nur noch zum Stoff seiner Scherze geworden ist, muss er feststellen, dass sie ihm verloren gegangen ist. Diese Erkenntnis ist ihm »ein giftiger Stechapfel von Schmerz« in seiner Brust und treibt ihn in einen Zustand »sehr nahe am Weinen«138. Mit der Trauer über den Weltverlust ist die Trauer über die unmögliche Freude am irdischen Leben verbunden, dem kein substantieller Ernst mehr gelten kann. Das Verhältnis zum Sein wird im Bild verdichtet, »die ganze Welt« sei in den vagen Träumen des Ich »weggetropft«139. In der siebten Fahrt steigert er sich in seine Trauer über den Weltverlust weiter hinein und spürt in sich plötzlich Liebe zum Sein, die ihn irritiert und die er rasch unterdrücken will. Von seinem unwirklichen, traumähnlichen Erlebnis auf dem Brocken, das im gesamten Werk sowohl sprachlich als auch inhaltlich eine Ausnahmeschil135 

Ebd., S. 907. Ebd., S. 905. 137  Ebd., S. 966. 138  Ebd., S. 961. 139  Ebd., S. 966. 136 

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derung ist, berichtet Giannozzo in ausgeschmückten Bildern halluzinierend aufgeladener Naturpoesie: Die Welt erstrahlt hier im »silbernen Dampf«, verziert durch »Blütenrauch von Gärten«, Waldhörner fahren »wie Blitze durchs Gewölk« und tanzen vor ihm »wie Geister in der Luft«, Glockenspiel klingt »aus einer zugedeckten Stadt« unter ihm herauf, das Meer zerreißt »in lange Berge, und weite Spalten«, er senkt sich nieder zu »festschwebenden Lerchen« und »Nachtigallen in Zweigen«, berührt den »Boden zwischen schlafenden Blumenbeeten«, »Felsen unter Efeu« und Orangenblüten, »Morgenrot und Mondlicht« durchschneiden sich und vergießen »wunderliches Licht auf der Zauberstätte« und überall zeigt »ein durchsichtiger Kastanienwald eine freudige Welt«140. Die Schönheit des Daseins treibt Giannozzo in einen Rausch aller Sinne. Mit dieser Episode deutet Jean Paul das notwendige Scheitern des Subjektivismus an ihm selber an, Hegels ›Sehnsüchtigkeit‹ und Scheitern der Ironie vergleichbar – ein Scheitern, das in der Erzählung am Ende im Untergang des himmelstürmenden Helden seinen Ausdruck findet: Giannozzo schleudert alle Steine und Sandsäcke, die er an Bord hat, auf die verachtete Erdenwelt und fährt euphorisch der glänzenden Sonne entgegen, besessen von der Idee, ihr so nahe wie möglich zu sein, und getrieben von der Sehnsucht nach dem Unendlichen. Es ist eine geradezu hegelianische Pointe, dass dieser moderne Ikarus mit seinem Luftschiff in ein Unwetter hineinfliegt und abstürzt, auf der Erde aufschlägt und zerfetzt wird.141 Giannozzo genießt 140 

Ebd., S. 968. Es fällt schwer, in diesem Ende eine – wie Barbara Ränsch-Trill meint – entgrenzte »Erfahrung der Aufhebung aller perspektivischen Erkenntnis und die Erfahrung des Absoluten« (Ränsch-Trill [1982], S. 41) zu erkennen. Im Bericht Grauls findet sich keine Spur von Idealisierung dieses Untergangs; ganz im Gegenteil wird hier die blanke Endlichkeit im Moment des Todes sehr ausführlich geschildert: »Sein rechter Arm und sein Mund waren weggerissen, das Horn zum Teil geschmolzen, seine langhängenden Augenbraunen auf den hohen Augenknochen kahl weggebrannt«. Jean Paul: SW I, 3, S. 1010. Jean Paul geht es am Ende vielmehr darum, die Himmelsstürmerei als Hybris herauszustellen. Die Fahrt ins Absolute, der Versuch, selber absolut zu werden, endet auf ganz irdischem Boden; als unförmiger Erdenkloß zeigt sich das Geschöpf Mensch. Was von ihm bleibt, sind die sterblichen Überreste und sein Seebuch, ein künstlerisches Werk für die Ewigkeit, in welchem sich dieses Bewusstsein, diese Seelenspiegelung studieren lässt. Gemäß der Humorpoetik ist das Absolute nicht eine individuelle Existenz, sondern die Vergegenständlichung der Kunst. Jürgen Brummack spricht immerhin davon, dass es Jean Paul darauf ankomme zu zeigen, dass »Dichtung bei solcher Erhebung zu skeptischer Einsicht und auch bei Giannozzos Verzweiflung nicht stehen bleiben« könne. Brummack (1979), S. 118. – Christiane Voss stellt demgemäß heraus, im Humor Jean Pauls seien elementar Körper und Selbstbewusstsein aufeinander verwiesen. Es werde deutlich, dass Humor ein ganzheitliches Konzept sei, das sich gegenüber einem einseitigen Idealismus verwahre: »Da wir als Individuen, konkret und untrennbar von diesem, an einen endlichen Körper141 

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sich in luftiger Freiheit. Doch diese Luft ist dünn. Am Ende erliegt er dem Schein der lachenden Omnipotenz. Die Vernichtung des Weltlichen wendet sich gegen ihn.142 – Es tritt augenscheinlich hervor, dass Jean Paul auf diese Weise zum Kern seiner Erzählung ein höchst »problematische[s] Ich« macht, das nicht sein Ziel darin findet, sich auf die Dinge der Welt einzulassen, sich auf ihr Wesen »einzuleben und deren Tiefe aufs freieste und glänzendste […] auszusprechen«143, sondern sich als absolutes Ich zu begreifen, in der kühlen Leere des Luftraums schwebend, aus der kein Weg ins Endliche führt. Erst sein Tod klärt es über diese seine Endlichkeit auf. Aber es hieße die Sache falsch auffassen, wenn die in poetisches Gewand gehüllte Kritik an einer Subjektkonzeption eindimensional als Romantikkritik gedeutet werden würde. Der Anspruch ist mehrschichtig. Humor thematisiert sich nebenbei in den aufgewiesenen Reflexionen und Bildern selbst. Mit der Luftschifffahrt hat Jean Paul ein literarisches Bild für das jenseitige Schweben über den Dingen geschaffen, für das Gefühl der absoluten Freiheit eines selbstbezogenen Ich, das sich gegen anderes abriegelt. Es ist aber auch ein Bild für den steten Wechsel, immer neue Perspektiven einnehmen zu können, eine moderne Ironie des Standpunkts, die keine Festigkeiten und Verbindlichkeiten kennt.144 In ihm verdichtet sich eine Art »Psychogramm leib gebunden sind, der uns auch eine egozentrische Perspektive aufs Leben und die Welt aufnötigt, lässt sich nur in der Haltung des Humors so etwas wie eine liebevolle Distanz zur unbegründeten Existenz des je eigenen Menschseins bewahren, in der auch die unfreiwillige Verortung im Diesseits selbstbewusst berücksichtigt wird.« Voss (2012), S. 200. 142  Ein solcher Giannozzo taucht in Jean Pauls Gesamtwerk immer wieder auf: Im Siebenkäs und in der Clavis heißt er Leibgeber, in den Flegeljahren Vult und im Titan Schoppe. Es ist der vernichtend spöttische Intellektuelle, ein Nihilist, dem nichts Irdisches heilig ist und in dessen Augen alles Endliche niederträchtig und lächerlich erscheint. In solchen und mit Hilfe solcher Figuren wird ein ambivalentes Bild gezeichnet: Giannozzo ist frei – aber weil die Medaille Freiheit zwei Seiten besitzt, ist er einerseits Freigeist und meint, von allen objektiven Einflüssen unabhängig zu sein, andererseits ist er in dieser Freiheit bezuglos freigelassen und ohne festen Halt. Schließlich scheitert er an dieser Freiheit, so dass es ihm wie den anderen Helden Jean Pauls ergeht: Roquairol schreibt ein Theaterstück über sein Leben, spielt selber die Hauptrolle und erschießt sich bei der Uraufführung auf offener Bühne – Schoppe wird wahnsinnig und stirbt im Irrenhaus beim Anblick seines Doppelgängers Siebenkäs – und Giannozzo: Der Gottähnliche ist am Ende ein Stück Lehm. 143  Ränsch-Trill (1982), S. 32. 144  Brummack (1979), S. 120 bemerkt hierzu, der Humorist Jean Paul sei »selber dem Fehler verfallen, den er angreift, und zwar gerade indem er ihn angreift«. – In der HerbstBlumine oder gesammelte Werkchen aus Zeitschriften, in: Jean Paul: SW II, 3, S. 476, gibt der Dichter diese Nähe zur Ironie, anders als der Titel nahelegt, ganz unverblümt zu und schreibt: »Nur bin ich mit dem verdrüßlichen Lippenkrebse der Ironie behaftet, so daß, wenn Kassandra immer wahre Dinge sagte, die andere nie glaubten, ich immer Dinge sagen muß, die ich selber nicht glaube, weil mich der Ironiekrebs immer zwingt, das Ge-

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des romantischen Bewußtseins«145, doch überlagert von einer Selbstkritik an der Humorpoetik: Auch der Humorist, der über alle aufgegriffenen Stoffe seine Witze treibt, kann zu einem Luftschifffahrer werden, wenn er selbstgefällig und von der Nichtigkeit alles irdischen Treibens überzeugt sich allein auf sich bezieht.146 Das ist die besagte Ambivalenz, die schon bei Jean Paul selber begegnet; denn seine »Positionen sind weder durchgängig noch eindeutig«147, wie Käte Meyer-Drawe treffend bemerkt. Die Ebenen sind jedoch nicht einfach ineinandergeschoben, sondern lassen sich jeweils für sich näher thematisieren. – Die romantische Dimension in der Schilderung des Luftschiffers Giannozzo lässt sich fraglos auf die polemischen Bemerkungen gegen die Romantik der Schlegel-Brüder in der Einleitung zur Vorschule beziehen.148 Hier geißelt er die gesetzlose Kraft der Phantasie, die »ichsüchtig die Welt und das All vernichtet, um sich nur freien Spiel-Raum im Nichts auszuleeren«149. Jean Paul sieht die Gefahr, dass wenn die »Ichsucht« sich in haltlose Willkür entlässt, sie sich »zuletzt auch an die harten, scharfen Gebote der Wirklichkeit stoßen und daher lieber in die Öde der Phantasterei verfliegen«150 muss. Diejenigen, die dies zu tun pflegen, nennt er ›poetische Nihilisten‹ und fasst unter diesem Siegel namentlich Novalis und in einer versteckten Anspielung auch Friedrich Schlegel. Beide stellt er den Dichterfürsten Homer und Shakespeare als deren schlechte und schlecht nachahmende Dioskuren gegenüber; nur ein ›Keineswegs die Romantiker!‹ kann auf die Frage geantwortet werden, wer denn »mehr die Wirklichkeit bis in ihre tiefsten Täler und bis auf das Würmchen darin verfolgt und beleuchtet [hat] als das Zwillingsgestirn der Poesie«151. Daraus wird ersichtlich, dass Jean Paul trotz seiner Heroisierung der humoristischen Subjektivität immer das Wirken in der Wirklichkeit normativ vorgeben würde. Er schreibt sogar: »Bei gleichen Anlagen wird […] der unterwürfige Nachschreiber der Natur uns mehr geben (und wären es Gemälde in Anfangsbuchstaben) als der regel-

genteil von dem vorzubringen, was ich doch so aufrichtig behaupte und meine. – Ich halt’ es jetzo für meine Schuldigkeit, es vor Euerer Gottheit immer, wenn auch nur mit einem Wort, anzusagen, wo ich ironisch zu nehmen bin.« Vgl. auch Wölfel (1989), S. 270 f. 145  Ränsch-Trill (1982), S. 30. 146  Vgl. Profitlich (1969), S. 27. 147  Meyer-Drawe (1996), S. 72. 148  Vgl. zur Analogie von Kritik an der Transzendentalphilosophie Fichtes in der Clavis Fichtiana seu Leibgeberiana und Kritik an der Transzendentalpoesie Schlegels in der Vorschule der Ästhetik Müller (1999), S. 161 ff. 149  Jean Paul: SW I, 5, S. 31. 150 Ebd. 151  Ebd., S. 31 f.

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lose Maler, der den Äther in den Äther mit Äther malt.«152 Es kommt auf eine reiche und lebendige Darstellung des Wirklichen an, auf eine poetische Durchdringung derselben, wie sie allein in der Kunst möglich wird. Der Dichter spiegelt die Welt ab, doch dazu spiegelt er sich zuvor in ihr und sie in ihm, durch den besagten humoristischen Witz eignet er sie sich an und gibt ihr eine individuelle Gestaltung. Poetische Nihilisten hingegen seien »leere Jüngling[e]«, die an der »Schmeichelei des Wahns« kranken, ihre »angeborne Lyrik sich selber für eine höhere Romantik ausgeben«153 zu wollen und dabei alles Wirkliche zu versäumen. Gegen diesen romantischen Kunst- und Dichtungsbegriff der leeren Ichheit setzt Jean Paul seine reichere Humorkonzeption, in welcher es zu den poetologischen Grundlagen gehört, der Wirklichkeit in Natur und Gesellschaft einen dichterischen Ausdruck zu verleihen.154 Interessanterweise führt er zu diesem Aspekt in der Vorschule etwas aus, das als Anmerkung zum perspektivischen Prinzip Giannozzos verstanden werden kann: »Wenn der Mensch, wie die alte Theologie tat, aus der überirdischen Welt auf die irdische herunterschauet: so zieht diese klein und eitel dahin; wenn er mit der kleinen, wie der Humor tut, die unendliche ausmisset und verknüpft: so entsteht jenes Lachen, worin noch ein Schmerz und eine Größe ist.«155 Erstes ist das romantiknahe Prinzip Giannozzos, zweites das des idealen Humors. Im ersten kreist das Ich in der reinen, überirdischen Leere nur um sich selbst, im zweiten wirkt es im Irdischen und stößt dieses humoristisch konkret auf seine Differenzen zum unendlichen Ideal. – So lässt sich auch hier das soeben Festgehaltene herauslesen: der Humorist greift den Stoff der wirklichen Welt auf und bringt ihn in einem dichterischen Ausdruck vor sich, allerdings mit Nachdruck gerade nicht in plumper Verdopplung. In der dritten Kantate-Vorlesung aus dem Anhang der Vorschule erwähnt Jean Paul, dass es vielmehr um einen »Zauberspiegel« der idealen Welt gehe: Das Wirkliche solle mit dem unendlichen Ideal versetzt werden, indem der Humor das Unwesentliche an ihm entblößt und auf das Gegenteil verweist. Im Humor wird Wirkliches geschaut, seine Kleinheit und Zufällig152 

Ebd., S. 32. Ebd., S. 34. 154  Die Kritik an der Fichtischen und frühromantischen Absolutsetzung des Ich beschränkt sich nicht auf die eher theoretischen Werke und das Titan-Projekt. Beispielsweise im 1805 fertiggestellten Roman Flegeljahre wird die Problematik der weltfremden und weltfernen Innerlichkeit des Ich aufgezeigt, die an der Schwelle zum Wahnsinn steht. Auch dieses dichterische Projekt kann durchaus als Kritik an der romantischen Überspitzung künstlerischer Autonomie bezeichnet werden, die vor der Entfremdung zwischen Ich und Lebenswirklichkeit warnt. Es zeigt sich, dass Jean Pauls Humor nicht mit romantischer Ironie verwechselt werden darf. 155  Jean Paul: SW I, 5, S. 129. 153 

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keit lächerlich gemacht und zugleich im Witz das Idealische an ihm gezeigt. Der Humor ist potent, im Witz die Wahrheit aufleuchten zu lassen. Wie es bei Horaz heißt: »Ridendo dicere verum«156 – ›scherzend die Wahrheit sagen‹. Auf diesem Wege schafft Jean Paul eine Poetik, die Kunst darauf gehen lässt, sich Welt zu erarbeiten. Wenn es in der Vorschule der Ästhetik heißt: »Der Humor […] vernichtet nicht das Einzelne, sondern das Endliche durch den Kontrast mit der Idee«157, sollte deutlich werden, dass dies einem anderen Prinzip folgt als die von der Welt getrennte Himmelsstürmerei Giannozzos. Hörhammer unterstreicht daher: »Jean Paul verwahrt sich gegen das (scheinbar) standpunktfreie Scherzen, mit dem die romantische Ironie prinzipielle Unabhängigkeit zu demonstrieren sucht«158. Trotzdem – und das verdankt sich einer konsequent selbstreflexiven Poetik – zeigt Jean Paul an den Seebüchern und im Titan, dass Humor in den schlechten Subjektivismus Giannozzos abrutschen kann. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Jean Paul eine Hegels Kritik verwandte Skepsis gegenüber der modernen Subjektästhetik formuliert, wie sie sich vor allem in der zeitgenössischen Dichtung finden lässt und der zu erliegen er selber als Dichter Gefahr läuft.159 Diese Ambivalenz lässt sich  – zugegebenermaßen etwas polarisierend  – auf Jean Pauls doppeltes Bildungsfundament beziehen: Mit einem Bein steht er in der aufklärerisch geprägten Weimarer Klassik, geschult an der Vernunftphilosophie, aber auch an der Empfindsamkeit, zudem an Rousseau und Herder, mit dem anderen in der deutlich an Fichtes subjektivem Idealismus orientierten schwärmerischen Frühromantik.160 Auf diesen beiden Beinen steht er sicher, doch weiß Sermones, 1. Buch, 1. Dichtung, Vers 24. Jean Paul: SW I, 5, S. 125. 158  Hörhammer (2001), S. 74. 159  Diese inhaltliche Nähe Hegels zum Titan-Projekt Jean Pauls, und insbesondere zum Luftschiffer Giannozzo, ist in der Forschung bisher nicht gesehen worden. Ränsch-Trill geht in einem Aufsatz zu diesem Text Jean Pauls zwar auch auf Hegel ein, behauptet allerdings, Hegels Standpunkt sei unvereinbar mit demjenigen des Dichters bzw. des fiktiven Herausgebers. Dass Übereinstimmungen nicht gesehen werden können, hängt von einer Hegel-Lektüre ab, in welcher davon ausgegangen wird, die kunstphilosophischen Überlegungen würden normativ darauf drängen, in der dichterischen Gestaltung »den ›Gegenstand selbst‹ herausarbeiten« und »das gestaltende Subjekt hinter seinem Gegenstand mit Respekt und Ehrfurcht« (Ränsch-Trill [1982], S. 31) zurücktreten zu lassen. Dass Hegel keineswegs eine moderne Vertreibung der Subjektivität aus dem Mittelpunkt des Kunstwerks fordert, sondern eine vielversprechende Annäherung beider Seiten im Subjekt selber, wird an dieses Unterkapitel anknüpfend noch ausführlich aufgearbeitet und nachgewiesen werden. 160  Vgl. hierzu Harich (1974), S. 434 ff. Es ist jedoch fraglich, ob eine eindeutige, oder auch nur mehrdeutige, Zuordnung Jean Pauls wirklich erkenntnisfördernd ist, so etwa Meyer-Drawe (1996), S. 72 f. 156 Horaz: 157 

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er grundsätzlich nicht, welchem Boden er sich zugehörig fühlen soll. So ist es überhaupt Teil seines poetologischen Programms, selber Luftschifffahrer zu sein, die Ambivalenz und Ambiguität zur Handschrift, zum prägnant individuellen Stil zu machen; hierin durchaus ganz romantisch. Hegel erkennt dies und vermeidet daher ein eindimensionales Verdikt: Jean Pauls Humorpoetik und die romantische Ironie Schlegels scheinen vordergründig betrachtet in Hegels Verständnis zusammenzufallen, stellen sich bei eingehender Analyse jedoch als falsche Brüder heraus. Auch wenn er an keiner Stelle seiner Vorlesungen einen expliziten Versuch unternimmt, die Begriffe voneinander abzugrenzen, müssen sie deutlich unterschieden werden. Der Schlüssel dazu liegt im bereits Ausgeführten. Hegel führt in seiner Ironiekritik ganz ähnliche Aspekte an wie Jean Paul sie im Titan-Projekt entwickelt: Der problematische Kern ist das Ich in seiner Abstraktion, in welcher jeder Unterschied als Inhalt getilgt ist. Zugleich muss es aber als empirisches Ich wirken und sich mit selbstgesetztem Inhalt die eigene Leere erfüllen. Das führt in Hegels Kritik, wie auch exemplarisch für den Luftschiffer, einerseits zur einsamen Sehnsucht nach dem Wesentlichen, andererseits zur Auffassung der Welt als ein bloßer Schein: als eine nichtige Ameisenansammlung auf dem unbedeutenden Erdenrund, auf die der Spott herabgeschüttet wird. Bei Hegel wie bei Jean Paul wird dieses Ich zu einem ›unglücklichen Subjekt‹, das Einsamkeit und Haltlosigkeit verspürt. Wie Nietzsche über Zarathustra sagt, er »schlürfte seine Einsamkeit«161. Hegel etwa meint, diese »Gestalt ist dann die Sehnsüchtigkeit, die wir auch in der Fichtischen Philosophie sehen«162 – Giannozzo verzweifelt daran in seiner Luftkabine. Das ironische Subjekt in Hegels Verständnis ist handlungsunfähig geworden, weil es seine Sphäre der Selbstverwirklichung zu bloßer Scheinhaftigkeit herabgesetzt hat und aus dieser isolierten Weltlosigkeit zur Tatenlosigkeit kommt. Ganz in sich ist es sich selber Handlungsziel und Handlungsnorm, was ihm einerseits zwar ein Gefühl der Allgewalt verleiht, andererseits diese unendliche Möglichkeit jedoch immer nur Möglichkeit bleiben lässt; sie realisiert sich nicht und stürzt es daher in Lähmung und Starre. Ironie wird so zu einer »Art Frustrationskompensation für depotenzierte Subjektivität«163. Ob Hegel tatsächlich Des Luftschiffers Giannozzo Seebuch vor Augen hatte, als er 1823 im Hörsaal allgemein über die Romane Jean Pauls feststellte, sie seien geprägt von einem Schein, »wo die Sehnsucht des Gemüths, die Inner161 

Nietzsche: KSA 4, S. 342. Kehler (1826), S. 22. 163  Plumpe (1993), S. 348. 162 

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lichkeit das Letzte ist, und die selbst sich Hochwissenden nur nach dem Himmel sehn, und alles Erdenwesen verschmähn, sich darüber erheben«164, muss offen bleiben. Von Interesse ist es, dass in dieser Rede für die bildliche Verdichtung des Humorkonzepts dieselbe Perspektive der Luftschifffahrt des Ich gewählt wird; so dass selbst wenn der Bezug unbeabsichtigt sein sollte, er doch den gemeinsamen Gedanken eines merkmalhaft weltfernen Schwebens über den Dingen oder gar jenseits derselben kundgibt, sobald das Subjekt sich verabsolutiert. Dass sich bei Jean Paul nicht nur diese ›Sehnsüchtigkeit‹ finden lässt, die Hegel zum Attribut ernennt, sondern auch die konstatierte ›Eitelkeit‹ des Weltlichen, erhellt aus der bereits erwähnten Bemerkung der Vorschule zur Nähe von Romantik und Theologie. Der Humor leidet eben nicht an derjenigen Unüberbrückbarkeit von unendlichem Ich und endlicher Welt, die die Clavis ausgeführt hatte, er leidet nicht daran, dass von der Absolutheit der Ich-Idealität kein Weg mehr in die Endlichkeit führt. Hier ist dieser Weg immer schon geebnet, er konstituiert sich überhaupt erst durch diesen Weltbezug. Denn der Humorist wirkt im Endlichen und verlacht dessen Zufälligkeit um einer höheren Geistgeburt willen; dadurch erschafft er ein Gemälde seines Reichtums – das, was Goethe als ›bunten Stil‹ bezeichnet hat. Jean Paul drückt diesen Gedanken in dem Bild aus, der Humor sei der »Vogel Merops«, der »dem Himmel den Schwanz zukehrt« und »in dieser Richtung in den Himmel auffliegt«165. Sein Blick ist auf die Erde geheftet, doch angereichert mit reichen Impressionen fährt er in die Sphäre des Geistigen hinauf. – Das Lachen richtet sich somit auf das Vorfindliche, das ihm Voraussetzung ist. Vor ihm ist nichts bewahrt: So ist auch die Ironie im Bezugszusammenhang in gewisser Weise eine solche Voraussetzung, denn Preisendanz meint, der Humor »erkennt lachend auch noch die Ironie«, die keineswegs immer komisch ist, »er sieht, wie sich die Faxen des ganzen Seins hienieden wechselseitig bedingen, weil er, als volle Erkenntnis, beiderlei Faxen auf die Grundbedingung der Duplizität bezieht«166. So erscheint freilich auch das Ironische, das der Humorist an sich selbst erkennt, als kleine und lächerliche Endlichkeit, als ein Gefangensein des überheblichen Ich im Ich, als eine ziellose Odyssee im unendlichen Selbst. Wo diese wirkt, verneint, ewige und zugleich unendliche Negation ist, beweist der Humor seine Gemeinsamkeit mit der Komödie: Er ist als doppelte Negation wahre Negativität der Selbstironie. So ist es neben der Weltzuwendung diese selbstironische Distanzierung, als die zweite entscheidende Bestimmung, mit der Hegel den Humor von der 164 

Hotho (1823), S. 315. Jean Paul: SW I, 5, S. 129. 166  Preisendanz (1963), S. 78. 165 

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Ironie abhebt. Ascheberg notiert sich zu Hegels ersten Berliner Vorlesungen: »Sehr humoristisch ist es, wenn der dichter von sich selbst spricht; diese Eitelkeit mit sich zu thun zu haben, muß durch Ironie befriedigt werden.«167 Zwar ist Hegel der Humor das Prinzip des omnipräsenten Verlachens von der Warte des subjektiven Selbstgefühls, doch dieses Prinzip ist allumgreifend, so dass es auch sich und sein Verlachen verlacht. Es verlacht sich als Verlachenden; und dieser Spaß besitzt einen Erkenntnisgehalt: Einerseits wird durch das Lachen das Wesentliche hinter der Wirklichkeit verstanden und ernst genommen. Es lacht die Belanglosigkeit des Endlichen weg und gibt den Blick frei auf dasjenige, was von Käte Hamburger das ›Eigentliche‹ genannt wurde. Zugleich bewahrt der Witz das Subjekt andererseits davor, sich selbst zu ernst zu nehmen, und setzt es ins Gelingen, sich aus der Lufthöhe wieder auf den Boden zu bringen. Beispielhaft kann dies am Giannozzo in der Selbstthematisierung des Humors gesehen werden, im konstatierten Schwanken zwischen Ironie und Humor. Der Durchgang durch die Scherze, die sich der Humorist erlaubt, führt zum selbstdistanzierenden Ergebnis, zu einer Abstand gewinnenden Selbstreflexion, denn aus dem Verlachen der Kleinheit ist der Humorist offenbar selber nicht ausgenommen. Die in Hegels Ästhetik bereits an den anderen Formen des Komischen herausgestellte Kraft des Komischen, die Subjektivität durch das Lachen in ein Selbstverhältnis zu setzen, sie durch Reflexivität hinter sich zurücktreten zu lassen, wird hier zu einem wesentlichen Differenzierungsmoment zwischen Schlegel und Jean Paul.168 Mit diesen festgehaltenen Ergebnissen lassen sich allerdings die Bestimmungen, die Hegel sich zum Humor und zu Jean Paul erarbeitet, in einem veränderten Lichte besehen. Vor allem in den allgemeinen Kontext des Hegelschen Verständnisses von Komik können sie nun bruchloser eingeordnet werden. Die Frage, die sich hierzu stellt, kann folgendermaßen for167 

Ascheberg (1820/21), S. 113. diese wahrhafte Selbstironie für den Humor geltend gemacht werden kann, nicht aber für die Ironie, davon spricht Hegel im Kolleg 1828/29: »Das Komische ist ironisch über sich selbst zu sein, das was im Comischen vernichtet ist muß aber eine Grille sein, was als Inhalt ein Nichtiges ist. In der Ironie ist aber alles, was als vortrefflich gilt, das sich vernichtet.« Libelt (1828/29), Ms. S. 25v f. – Von Interesse ist es, dass Jean Paul im VII. Programm seiner Vorschule mehrfach davon spricht, dass der Humor ein Spiel mit Masken sei, analog zu Hegels Thematisierung der Maske in der Phänomenologie des Geistes, dass der Humorist »parodisch heraustritt« (S. 135) aus seiner Rolle. Vgl. Jean Paul: SW I, 5, S. 126, 129, 132 f., 135 f. Dies beweist nicht nur die von Hegel entdeckte partielle Wiederholung der alten Komödie im modernen Humor durch das selbstbezügliche Lachen, sondern zudem erneut die Verwandtschaft der Ästhetik Jean Pauls mit derjenigen Hegels. Vgl. zum Aspekt der Humordichtung als Rollenspiel Preisendanz (1979), passim. 168  Dass

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muliert werden: Wie muss die bisher problematisierte Form des Humors in der Zusammenschau mit den anderen Formen des Komischen gedeutet werden, mit denen Hegel sich in seiner Ästhetik auseinandersetzt? – Trotz seines Weltbezugs ist die formale Unverbindlichkeit des Humors Hegel ein Problem: Er zeigt zumindest die Tendenz auf, den Stoff des Lebens willkürlich für die Selbstproduktion zu gebrauchen. Humor und Ironie überschneiden sich somit in der Überbetonung von Subjektivität. Dass wie im ersten Kapitel erörtert die Ironie aber nicht zum Komischen gerechnet werden kann, der Humor hingegen aber sehr wohl, beweist sich durch die festgehaltenen Bestimmungen erneut: Wie in der Komödie bezieht sich der Witz des Humors auf eine Endlichkeit, die ausdrücklich als etwas ›Kleines‹, ›Lächerliches‹, kurzum: etwas Nichtiges bezeichnet wird. In dieser Perspektive begegnet die bereits wiederholte Definition des wahren Komischen: In seiner lachenden Vernichtung des Nichtigen ist auch der Witz des Humors ein komischer. Er vernichtet eben nicht wie die Ironie das Substantielle. Seine Subjektivität ist das letzte Prinzip innerhalb dieser Kunst, doch sein Begriff entspricht noch ganz dem, was Hegel kunstformenübergreifend zur letzten Bestimmung der Kunst schlechthin erhoben hat: Im Humor setzt der Geist – mit einem Bild aus Hegels Vortrag gesprochen169 – immer wieder den Fuß in die Endlichkeit, um ihn sofort zurückzuziehen, so dass er im Ausdrucksmittel des Witzes diese Endlichkeit als eine höhere, geistgeborene dem Geist als Geist selber zu erkennen geben kann. In Übereinstimmung mit Hegels allgemeiner geistphilosophischer Bestimmung der Kunst gibt der Witz der Endlichkeit, verstanden als ein zufälliger, nichtiger, dem Geist noch äußer­ licher Stoff, einen geistigen Ausdruck der freien Subjektivität. Gegenüber den anderen ästhetischen Formen tut er dies, indem er den Stoff verlacht; doch auch hierin trifft er wieder mit der Komödie zusammen, indem ihm eine selbstironische Brechung gelingt. So konnte an Jean Pauls Titan-Projekt gesehen werden, dass in der Romantik-Kritik, vor allem im Giannozzo, immer die Dimension gegeben war, im absoluten Subjektivismus die entfesselten Auswüchse der eigenen Humorpoetik mitzubezeichnen. Auf diese Weise konnte die ironische Selbstbezüglichkeit des Komischen auch am Humor Jean Pauls demonstriert werden, die für Hegel wiederum ein Anzeichen der Zugehörigkeit zur komischen Wahrhaftigkeit ist. Im Witz, dem genuin Komischen des Humors, als Aneignungs- und Darstellungsmodus des äußerlichen Stoffes, der assoziativen Konstitution witziger Analogien des Disparaten, wird eine höhere Einheit der Subjektivität hergestellt, sie verleibt ihn sich ein, macht ihn zu ihrem Stoff und lässt 169 

Vgl. Hotho (1823), S. 288.

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ihn schließlich zu einem heiteren Ausdruck des Geistes werden. Vor dem humoristischen Erzählerautor sind alle endlichen Elemente der zufälligen Wirklichkeit gleich, im Kontrast mit diesem unendlichen Prinzip werden sie komisch genommen und zugleich emporgehoben, vernichtet und neu erschaffen. Als Endpunkt der romantischen Kunstform, die vollständige Auflösung der Kunst, zeigt der Humor damit zugleich an, dass jede bloß sinnlich äußerliche und zufällige Gestalt dem Geist nicht adäquat sein kann. Endzweck dieser Kunst ist die Subjektivität, die über den Stoff und ihre aktive Aufhebung hinweg sich als moderne ästhetische Gestalterin bewährt. Humor ist der Erweis, dass die moderne Kunst ihren wesentlichen Ausdruck nicht mehr im Stofflichen findet, sondern in den Möglichkeiten, Innerlichkeit kontrastiv an ihm darzustellen, durch den Vergleich des Stoffes mit der Geistigkeit. Dadurch werden die beliebigen Elemente selber geistig, und damit Momente des Selbstbewusstseins des Geistes. Dennoch wird bei alledem das eigentliche Terrain der Kunst nicht aufgegeben. Der Witz des Humors ist eingebettet in den Roman als ästhetischen Reflexionsraum der Innerlichkeit.

4.  Die objektive Option als Überwindung: Theodor Gottlieb Hippel Wie in der Selbstreflexion bei Jean Paul zeigt der Humor ebenso für Hegel die Tendenz, in Ironie überzugehen, wenn er einem subjektzentrierten Prinzip gehorcht.170 In den beiden ersten Berliner Kollegien wird die Humorpoetik noch deutlich anerkennender behandelt als in den beiden letzten. In diesen unterstreicht Hegel deutlicher die Gefahr, zu einem belanglosen Spiel des Humoristen mit sich selbst werden zu können. Zwar hebt Hegel auch 1828/29 mehrfach den humoristischen Geistreichtum hervor, das Hervorkehren der Geistigkeit am Wirklichen, die imposante Tiefe des Witzes, an Jean Paul seine tiefste Empfindung, auch dass er sich von der Ironie abhebt171; doch andererseits halte sich der Humor zu sehr an die Innerlichkeit stoffloser Subjektivität und in sich festgesetzter Partikularität, gehe bisweilen nicht hinreichend auf die Objektivität ein und verliere zu oft sein Talent an die Willkür. Diese Ambivalenz drückt sich hier in zahlreichen Wiederholungen aus, alle Ausführungen zu dessen Prinzip sind nach dem syntaktischen Schema ›er ist …,

170  171 

Vgl. Libelt (1828/29), Ms. S. 52v. Vgl. ebd., Ms. S. 52v f., 101v.

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aber …‹ gebaut172; schließlich verdichtet sich das zweischneidige Urteil in Hegels Satz, das Humoristische »schwankte zwischen wirklichem geistreichem Humor und zwischen Plattheit, Trivialitäten«173. Zu Anfang dieses Kapitels ist gezeigt worden, dass Hegel in der begrifflichen Deutung der Kunst der Moderne zu zwei geschichtsphilosophisch abgeleiteten ›Extremen der romantischen Kunst‹ gelangt ist, zum Naturalismus der Objektivität, in seinem höchsten und schönsten Ausdruck bei den Niederländern, sowie zum Prinzip der rein auf sich selbst bezogenen Subjektivität; in falscher Verzerrung verkörpert als Ironie, in wesentlicher Ausprägung als Humor Jean Pauls. In dieser extremen Einseitigkeit bedeuten sie für Hegel »das Zerfallen der Kunst, das Verabsolutieren abstrakter Momente«174. Als ›abstrakt‹ erscheinen sie hier, weil ihnen jeweils ihr Gegenstück, ebenso ins Extrem getrieben, ›abgezogen‹ worden ist. Im Zuge der Abgrenzung von Humor und Ironie konnte allerdings gleichfalls gesehen werden, dass bereits Jean Pauls Romane hervorstechend eine versuchte Vermittlung der sich selbst produzierenden Subjektivität mit den Gehalten der Lebenswirklichkeit bzw. allgemein der Objektivität darstellen; dies kann über ihn hinaus fortgehen bis zum vollkommenen »Zusammenfassen beider Seiten«175. Der Humor Jean Pauls befindet sich somit zumindest auf dem Pfad zur Überwindung der modernen Entzweiung, ohne dieses Ziel erreicht zu haben. An diesem Punkt der Argumentation kann daher Hegels Unterscheidung zwischen einem ›subjektiven Humor‹ Jean Pauls, der noch am Problem leidet, tendenziell in die Ironie herüberzuspielen, sowie einem ›objektiven Humor‹, der diese subjektive Problematik im geschichtsphilosophischen Aufbau der poetischen Formen schließlich überwindet, terminologisch eingeführt wer172 

»Dieser Humor kann geistreich sein indessen hat er diesen Mangel, daß das Objektive als etwas äußerliches erscheint« – das Humoristische »kann sehr imposant erscheinen, als eine große Tiefe von Witz, von Geistreiche, es ist aber leichter, als es erscheint« – »Es kann Talent darin sich zeigen, aber ein ungezogenes Talent« – »Humor kann geistreich in sich sein aber indem er so etwas leicht ist, so ist es eine beliebte Manier dabei« – »Der Humor kann geistreich sein aber in dieses Geistreiche mischt sich die Willkür und Zufälligkeit«. Libelt (1828/29), Ms. S. 52v f. 173  Libelt (1828/29), Ms. S. 53r. 174  Preisendanz (1963), S. 126. Die Studie von Wolfgang Preisendanz zur Philosophie und Poetologie des Humors, in der ein großes Kapitel Hegel gewidmet ist, betont zwar immer wieder, dass Humor keine Ironie sei, identifiziert aber zumindest den subjektiven Humor nahezu bruchlos mit dem subjektivistischen Prinzip der Romantiker. Da an keiner Stelle auf die subjektive Aneignung der erfahrbaren Wirklichkeit im Modus des Witzes eingegangen wird, bleibt die Einsicht verstellt, dass bereits in Jean Pauls Dichtung ein tendenzielles Sich-Einlassen auf die Gegenständlichkeit gesehen werden kann. Vgl. dazu vor allem Preisendanz (1963), S. 126 ff. 175  Libelt (1828/29), Ms. S. 101v; vgl. Kwon (2001), S. 224.

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den.176 Diese Unterscheidung findet sich allerdings nicht in den Vorlesungsnachschriften; von Hegel selber ist sie nur in der Hamann-Rezension verbürgt. Das »Romanhafte« bloß als Darstellung abstrakter Innerlichkeit ist Hegel ein Ausdruck des grundlegenden »Bruch[s]« zwischen Subjektivität und Objektivität: an der Ironie und punktuell am subjektiven Humor – gegenüber dem Widerpart des Naturalismus – konnte dies in der Festsetzung des subjektivistischen Standpunkts besonders deutlich gesehen werden. Im objektiven Humor hingegen – das ist eine Maßstab setzende Bestimmung – findet etwas statt, das Hegel als »ganz wahrhaft« bezeichnet: er ist ihm nämlich als die maßgebliche Bestimmung dieser Form »eine Verinnigung des Gemüthes in seinem Partiellen Gegenstande«177. – In diesem entscheidenden Definitionselement liegt das begründet, was den Typus wesentlich von seiner subjektiven Schwundstufe unterscheidet: Der objektive Humor löst das ein, was der subjektive lediglich annäherungsweise verwirklichen konnte, den Eingang der Kunst in das willkürliche Spiel mit Gehalten zu überwinden, wenn sich in ihm das geistreiche Scherzen des auf sich selbst bezogenen Individuums mit der heiteren Nachahmung der Lebenswirklichkeit verbindet.178 Mit der niederländischen Malerei ist der objektive Humor insofern vergleichbar, als dass darin ebenfalls ein den künstlerischen Standpunkt umgebender Lebenszusammenhang nachgeahmt wird, wodurch sich die bloß subjektive Haltung in ein Verhältnis zum Lebensganzen setzt.179 Der Künstler bezieht sich im freien Spiel auf die Inhalte seines Daseinskontextes und zeigt in dieser Begegnung zugleich seine Zugehörigkeit zur Substanz dieser Welt an. Wie Hegel es ausdrückt: hier zeige sich die Heiterkeit als »die Freiheit des Geistes über die Gebundenheiten der Welt«180. Der subjektive Humor leistet noch kein vollkommenes substantielles Interesse der Kunst; er verkapselt sich andererseits aber auch nicht in sich auf dem subjektiven Standpunkt ohne Verbindung zur Substanz. Die Objektivität ist immerhin Voraussetzung seines Witzes; wäre dem nicht so, könnte subjektiver Humor kein Humor sein. Dennoch gehört es zu seinen Grundbestimmungen, den Künstler als den Herrn über jeden Inhalt zu begreifen, quasi als Existenzvoraussetzung des Stoffes – erst im objektiven Humor tritt er hinter den Stoff zurück, gibt diesem Selbständigkeit und schafft dadurch eine gelungene Versöhnung der aus-

176 

Vgl. zum subjektiven und objektiven Humor auch Pöggeler (1956), S. 86 ff.; Prei­sen­ danz (1963), S. 120 ff., S. 126 ff., S. 134 ff.; Henrich (2003b), S. 86 ff., S. 98 ff. 177  Libelt (1828/29), Ms. S. 101v. 178  Vgl. Pöggeler (1971), S. 114. 179  Vgl. Gethmann-Siefert (2005c), S. 52 f. 180  Libelt (1828/29), Ms. S. 151r.

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einandergetretenen abstrakten Extreme.181 Damit verbunden ist die Öffnung ins Ganze der individuellen geistigen Existenz. So ist er objektives Gegenstück nicht bloß zum subjektiven Humor, sondern auch zur Ironie. Daher lässt sich feststellen, dass einerseits der subjektive Humor für Hegel vor allem deshalb als Vorstufe zum objektiven erscheint, weil er dem vollen Reichtum des prosaischen Lebens wenigstens versubjektivierten Ausdruck gibt, andererseits der subjektiv aufgespannte Gehalt aber erst im objektiven Humor auf eigene Beine gestellt wird. Nach dem Ausflug mit Hegels Montgolfière in das Land des Jean Paulschen Humors kann somit sich anschließend die Option einer Verschiebung des Darstellungsschwerpunkts des Werkes von der Subjektivität zur vertieften Welterschließung des Humoristen dargestellt werden. – Die Leitfrage für die vertiefte Auseinandersetzung muss demnach lauten: Was ist mit der zentralen Bestimmung der ›Verinnigung des Gemüts in seinem partiellen Gegenstand‹ über den objektiven Humors näher besehen ausgedrückt?182 Substantielles Interesse ist nicht die Selbstproduktion des Erzählerautors, es ist der Gegenstand für sich. ›Objektivität‹ in diesem Zusammenhang meint das gegenständlich Vorhandene, das überhaupt den Welthintergrund bildet, der als natürlicher, individueller sowie vor allem sittlicher Lebenskontext des sich in der Dichtung aussprechenden Subjekts erscheint und dieses in seiner Bewusstseinskonstitution prägt. Diese Gegenständlichkeit ist es, in welche sich das Gemüt zunächst verinnigt, um schließlich aus dieser Verinnigung heraus einen ästhetischen Ausdruck seiner Erfahrung zu verdichten. In Hothos Edition wird dieser Gedanke Hegels als »versöhnte Rückkehr aus seinem Anderen zu sich selbst«183 formuliert. Vertraut ist eine solche Rede über den Status des An-und-für-sich-Seienden aus der Kategorie des ›Beisichselbstsein im Anderen‹, die höchste Realität der Vermittlung von Subjekt und Objekt, in welcher das Subjekt sich in der Identität mit dem Gegenstande die eigene Freiheit im Zusammenschluss mit der Totalität auf ein substantielles Fundament gestellt hat.184 Diese Objektivität ist bezeichnet, wenn Hegel vom ›objektiven Humor‹ spricht – und dennoch: der Begriff darf nicht dahingehend missverstanden werden, als würde die Subjektivität verdrängt oder

181 

Vgl. zum Humor als ›Versöhnung‹ Lukács: W 4, S. 85 ff. Vgl. im Folgenden zum Aspekt der ›Verinnigung in den Gegenstand‹ auch Preisen­ danz (1963), S. 127 ff.; Henrich (2003b), S. 109 ff. 183  TWA 14, S. 155. 184  Vgl. diesbezüglich die §§ 23–28 der Grundlinien der Philosophie des Rechts; vgl. zur Bedeutung der rechtsphilosophischen Bestimmung für die Ästhetik Hegels Libelt (1828/29), Ms. S. 12r f. 182 

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gar von einer Überbetonung der Äußerlichkeit verschlungen werden, als eine versuchte und letztlich farblose Wiederholung vergangener Antikenseligkeit. Objektiver Humor ist freilich nicht in dem Sinne aufzufassen, als würde der schöpferische Akt des Dichters bloß darin bestehen, den Gegenstand bis auf sein Wesen freizulegen. Wie Hegel es in der Encyclopädie von 1827 ausdrückt muss »der Bildhauer« nicht »mit Meißel und Hammer die Statue aus dem Marmorblocke nur aufdecken, in dem sie wie der Kern in der Nuß bereits fertig und abgesondert lag«185, sondern sich auf den Gegenstand einlassen und ihm aus freigelassener Kraft einen individuellen Ausdruck verleihen. Für den Humor bedeutet das, das Objektive ist auch hier ganz romantisch ein Reflex des Künstlersubjekts. Wenn Hegel eine objektive Variante einführt, welche die partikulare Beliebigkeit des subjektiven Gegenstücks überwindet, muss damit notwendigerweise verbunden sein, dass sich ein Verhältnis zur Objektivität aufbaut, das seine Substantialität nicht einer vergangenen Epoche der Kunst entlehnt, sondern den Ausgangspunkt im unhintergehbaren Prinzip moderner Subjektivität nimmt. Der zeitgenössische objektive Humor ist eine Position, in der das selbstbestimmte, freie Künstlersubjekt eine neue, aus der Vertiefung in den Gegenstand gewonnene Wesentlichkeit hervorbringt, die sich wieder zusammenschließt mit dem Dasein der allgemeinen lebensweltlichen Relevanz, aber dies vom Standpunkt der modernen Subjektivität, die nicht zurück kann zur alten Einheit mit der Substanz. Diese modernste Kunst ist für Hegel eine dem Prinzip nach subjektive Kunst, die sich aber aus ihrer Freiheit heraus in die objektiven Verhältnisse des Sittlichen versenkt und daraus heiter einen geistgeborenen Ausdruck schafft, in dem sich auch andere Mitglieder dieser Lebenswelt wiedererkennen können, als Ausdruck ihres bürgerlichen Daseins. Gleichwohl muss unterstrichen werden, dass dieser Ausdruck in Hegels Ausführungen zunächst nicht als umfassende Darstellung der Totalität der geistigen Welt begriffen wird, so auch im Kolleg von 1826 noch nicht.186 Denn hier ist er und bleibt er in der Moderne ein Ausdruck der Partialität; das künstlerische Subjekt erfasst nicht die Wirklichkeit des Geistes im Ganzen, gewinnt keine Anschauung des Welthintergrundes als Totalität, wie es der epische Heros als einzelne Verkörperung des poetischen Allgemeinen geleistet hat, sondern in einem ihm erfahrbaren und wissbaren Teilausschnitt seines Lebenskreises. »Insofern ist der Umfang [der] Gegenstandsbeziehung partial«, wie Henrich ausführt, es ist kein vollständiges »Wissen von dem Absoluten«187 mehr. Immerhin wird 185 

GW 19, S. 248. Vgl. Kehler (1826), S. 153. 187  Henrich (2003b), S. 109. 186 

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aber eingedenk dieser Einschränkung eine künstlerische Gestaltung verdichtet, die zu einem bedeutsamen Ausdruck geistigen Selbstbewusstseins wird. Dieser Punkt muss weiterverfolgt werden, bis sich für Hegel eine Option zu erkennen gibt, wie eine vollständige Einlösung erreicht werden kann. Hinsichtlich dieser bereits näher ausgeführten Unterscheidung in Poesie und Prosa, nicht als sprachlich-literarische Modi, sondern als zwei voneinander sehr verschiedene Weisen der substantiellen Verfasstheit sittlicher Realisationsformen in ihrem jeweiligen Verhältnis zur Individualität, gelingt es dem objektiven Humor, gerade durch seine Verinnigung, dieser prosaischen Erscheinung der Wirklichkeit, dem modernen Lebenszusammenhang einer zur Festigkeit gefügten sittlichen Ordnung, eine wieder poetische Gestaltung zu entlocken. An der niederländischen Malerei konnte Hegel das prototypisch beobachten: In diesen Aspekten ist auch die Genremalerei für Hegel Humor. Sowohl angesichts der Niederländer als auch des humoristischen Romans spricht Hegel vom ›Schein‹: Gemäß dem Gedanken einer poetischen Gestaltung des Prosaischen ist es der Schein ungebundener Selbständigkeit der in den Mittelpunkt der Kunst gestellten freien Subjekte.188 Die Objektivität wird auf diese Weise zu einer Gelegenheit der Subjektivität, sich selber substantiell begreifen und erzeugen zu können. In Hothos Edition wird daher betont, dass das Subjektive in dieser Kunst zunächst zufällig in verstreuten Einfällen erscheint, hierin sei es bloß ein »unscheinbares Fortschlendern«, das aber gerade in seiner Unbedeutendheit »den höchsten Begriff von Tiefe gibt; da es eben Einzelheiten sind, die ordnungslos emporstrudeln, muß der Zusammenhang umso tiefer liegen und in dem Vereinzelten als solchem den Lichtpunkt des Geistes hervortreiben«189. – In diesem Lobgesang kann somit ein wichtiger Schritt gesehen werden, wie Hegel entwicklungsgeschichtlich in 188 

Vgl. Hotho (1823), S. 434 f.: »Hier ist das Prinzip, in der gemeinen wirklichkeit sich befriedigt zu wissen. Solche Gegenstände können den höhern Sinn nicht befriedigen, aber die nähere Betrachtung versöhnt uns damit. der Gegenstand selbst befriedigt uns nicht, aber die unendliche Kunst des Mahlers. Man muß gestehn, daß diese Mahler zu mahlen verstehn. Es ist die Kunst des Scheinens, die sich zeigt und beweißt. Nicht der Gegenstand soll uns bekannt gemacht werden, kein Göttliches soll uns klar werden, die Gegenstände, die dargestellt werden, sind bekannte, Blumen, Hirsche, die wir alle schon vorher sahen. Es ist hier das Scheinen, welches hier das Intresse ausmacht, das sich in sich vertiefende Scheinen. Am Schönen ist die Seite des Scheinens hervorgehoben. Und hierin haben die Niederländer eine Meisterschaft erreicht.« Und wenig später zum Humor, S. 437: »dieser letzte Punkt des Humoristischen ist es, der allen Stoff nur seinen Einfällen unterwirft, sodaß im Stoff kein Gehalt mehr respectirt wird, und von der Willkühr des subjects verwendet und eigentlich verrückt wird. So ist es nur die Kunst des Scheinens die sich zeigt, indem das Intresse nicht in den Inhalt als solchen fällt.« In diesem Interesse begegnen sich die niederländischen Maler mit den literarischen Humoristen. 189  TWA 14, S. 231.

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Berlin allmählich zur Bedeutung eines objektiven Humors gelangt. Henrich meint, das Plädoyer entspringe Hegels späterer »Einsicht, der Kunst müsse eine Zukunft auch im vollen Sinne ihres Begriffs zugestanden werden«190. Das zeigt sich ganz explizit aber erst ab etwa 1827/28, wenn sich Hegel mit dieser Option beschäftigt, die das Zukünftige der Kunst darstellt. Doch daraus entstehen natürlich Ambivalenzen, ein ständiges Reiben und Abarbeiten Hegels an der Konfrontation von Ende und Zukunft der Kunst. Wird das Wesen des objektiven Humor allerdings als ›Verinnigung in seinem partiellen Gegenstand‹ ausgesagt, erhebt sich sogleich die Frage, was an dieser Verinnigung bzw. schlechthin am substantiellen Humorkonzept noch komisch ist. An einem Begriff von Humor nämlich, der auf eine Vermittlung des entfesselten Subjektivismus mit der tiefen »Welthaltigkeit«191 geht, und zwar auf dem subjektiven Standpunkt selber, wird nicht sofort ersichtlich, wodurch in diesem Konzept Komik erzeugt wird. Vielleicht kann eine vorläufige Antwort dadurch gefunden werden, sich zu besehen, welche dichterischen Werke Hegel als objektiven Humor auszeichnet. – Die HamannRezension192 von 1828 ist der einzige von Hegel selber publizierte Text, in welchem die Unterscheidung zwischen einem subjektiven und einem objektiven Humor gemacht wird.193 Hotho baut sie nach Vorlage dieser Rezension sowie einiger Andeutungen im letzten Ästhetik-Kolleg für seine Editionen umfangreich aus, was die Vermutung nahe legt, dass sie auch dort unausge-

190 

Henrich (2003b), S. 120. Preisendanz (1963), S. 136. 192  Schon in seiner Jenaer Zeit gründete er zusammen mit Schelling das Kritische Journal der Philosophie, das in der Buchhandlung J.G. Cotta erschien. Später übernahm er die Redaktion der Bamberger Zeitung bzw. wurde Redakteur für die philosophisch-philologische Abteilung der Heidelberger Jahrbücher für Literatur, woraus unter anderem seine Jacobi-Rezension hervorging. Nachdem Hegel also in seiner Jenaer und Heidelberger Zeit jeweils eine kontinuierlich erscheinende Zeitschrift als Publikationsorgan zur Verfügung stand, fehlte ihm diese Möglichkeit zunächst in Berlin. Vgl. Lucas (1981), S. 106. Mit der Gründung der Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik, 1826 ebenfalls bei Cotta, setzte er diese Kontinuität durch große Unterstützung seines Schülers Eduard Gans fort. Neben vielen anderen Rezensenten veröffentlichten darin auch die Vertreter der allmählich sich formierenden Hegel-Schule ihre Besprechungen: unter anderem Eduard Gans, Leopold von Henning, Hermann Friedrich Wilhelm Hinrichs, Heinrich Gustav Hotho, Philipp Konrad Marheineke, Karl Ludwig Michelet, Karl Rosenkranz oder auch Theodor Rötscher. Für dieses Jahrbuch schrieb Hegel seine Humboldt-, Solger-, Hamann-, Göschel-, Ohlertund Görres-Rezensionen, die auch für die ästhetische Debatte zum Teil von erheblicher Bedeutung sind: so z. B. die Abgrenzung von subjektivem und objektivem Humor in der Hamann-Rezension oder die differenzierte Auseinandersetzung mit den Romantikern in der Solger-Rezension. 193  Vgl. Bubner (1980), S. 29 f. 191 

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sprochen zur Grundlage der Explikationen genommen wird.194 Wo Hotho vor allem Jean Paul als Beispiel heranzieht, ist es für Hegel in der Besprechung Hamannscher Werke vor allem dieser titelgebende Dichterphilosoph, dessen Werke dem subjektiven Humor zugeordnet werden; in Hegels allgemeiner Zuschreibung sind sie dem Konzept Jean Pauls verwandt, ohne dass aber in den Vorlesungen auf Hamann verwiesen werden würde. Diesem gegenübergestellt verkörpert in der Rezension dann die Dichtung Theodor Hippels dasjenige, was Hegel ›objektiven Humor‹ nennt. Zwar seien beide Schriftsteller »nur der humoristischen, blitzenden, desultorischen Äußerung fähig«, also wie herausgestellt spontan aufgreifend und sich ebenso rasch und anscheinend beliebig wieder abwendend, bei Hamann sei dieser Humor jedoch »ohne Reichtum und Mannigfaltigkeit der Empfindung und ohne allen Trieb oder Versuch von Gestalten; er bleibt ganz beschränkt subjektiv«195, wohingegen Hippel das besitze, was eine bedeutende Dichtung auszeichnet. Denn Hegel führt näher aus, der »Humor für sich ist seiner subjektiven Natur nach zu sehr auf dem Sprunge, in Selbstgefälligkeit, subjektive Partikularitäten und trivialen Inhalt überzugehen, wenn er nicht von einer gut gearteten und gut gezogenen großen Seele beherrscht wird.«196 Eine solche ›große Seele‹, das substantielle subjektive Prinzip, das alle verstreuten witzigen Einfälle zusammenfasst und zusammenhält, findet Hegel in Hippels Schreiben.197 Hier wird für die Partialität des Lebenskreises objektiver Humor in einem vollendeten Werk realisiert. Was ist also seine Komik und wie hebt sie sich von den Witzen Jean Pauls ab? Seit der Tübinger Stiftszeit – dies lässt sich belegen – ist das Buch Lebensläufe nach aufsteigender Linie einer der Lieblingsromane Hegels. Schon mit Hölderlin hat er dieses Buch besprochen; an Schelling schreibt er am 16. April 1795: »Ich rufe mir immer aus dem Lebensläufer zu: ›Strebt der Sonne entgegen, Freunde, damit das Heil des menschlichen Geschlechtes bald reif werde! 194 

Vgl. Libelt (1828/29), Ms. S. 101v f. 16, S. 133. Hamanns Schriften zeigen eine noch größere Nähe zur romantischen Ironie als die Dichtung Jean Pauls, so nicht zuletzt durch die Vermischung von Leben und Kunst. Es wäre wohl nicht abwegig, Hegels Vorbehalte in diesem Punkt begründet zu sehen. Vgl. Olivier (2008), S. 168 f. – Doch Hegels Urteil, im Humor ziehe sich die Dichtung auf das Innenleben des Künstlersubjekts zurück, deckt sich auch mit Selbstauskünften aus der Hippelschen Romanwelt. In den Kleineren Schriften heißt es zum Anlass humoristischen Dichtens: »Ich schreibe für mich, ich halte ein Selbstgespräch zu meinem selbsteigenen Vergnügen und Mißvergnügen.« Hippel: SW 11, S. 164. Gleichwohl betont Hippel in den Lebensläufen: »Je mehr man dieses ich versteckt, je mehr Welt hat man.« Hippel: SW 1, S. 277. 196  GW 16, S. 174. 197  Vgl. zu Hegel und Hippel Vieweg (2002), S. 208 f.; Henrich (2003b), S. 86, 88 f., 91, 111 f.; Rutter (2010), S. 221 ff. 195  GW

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Was wollen die hindernden Blätter? Was die Aeste? – Schlagt euch durch zur Sonne, und ermüdet ihr, auch gut! Desto besser läßt sich schlafen!‹«198 Hippels Lebensläufe können wohl als erster Versuch betrachtet werden, den englischen humoristischen Roman für den deutschen Sprachraum umzusetzen; bei einem Sterne-Verehrer wie Hegel findet dies verständlicherweise großen Anklang, wohl noch mehr als die ebenfalls an den Engländern geschulten Romane Jean Pauls.199 Denn von diesem unterscheidet Hegel in seinen Berliner Vorlesungen, eingedenk einer möglichen Beigabe Hothos zur Ästhetik der Freundesvereinsausgabe, die Humoristik Hippels deutlich, indem er die Lebensläufe als Werk eines »Meister[s] im Zeichnen und Darstellen von dergleichen stummen Gemütern der unteren Volksklassen« anpreist, »eines der wenigen deutschen humoristischen Originalwerke« mit einer »wunderbare[n] Individualität, Frische und Lebendigkeit« und eben nicht von »Jean Pauls Sentimentalität und Abgeschmacktheit der Situationen«200. Authentischer und verbürgt sind hingegen die Attribute, mit denen Hegel seine Hippel-Verehrung in der Hamann-Rezension begründet: Der »wohl ohne Widerspruch […] vorzüglichste Deutsche Humoriste« lasse den »objectiven Humor« zur »geistreichen Form, zum Talent eines Auszeichnens von höchst individuellen Gestalten, von den feinsten und tiefsten Empfindungen und philosophisch gedachten Gedanken und originellen Charakteren, Situationen und Schicksalen«201 erblühen. Hier zeige sich der Humor in seiner »concentrirt bleibenden Wahrheit« und nicht wie bei Hamann – oder auch Jean Paul – als Ausdruck, der »sich einen Spaß macht« und »nur dem zufälligen Gustus zusagen«202 kann.

198  Br

1, S. 24 f.; vgl. zum Lesekreis Hegels Rosenkranz (1844), S. 40: »Mit Hölderlin, Fink, Renz und anderen Freunden las und durchsprach Hegel, sicheren Nachrichten zufolge, Platon […], Kant, Jacobi’s Woldemar und Allwill, die Briefe über Spinoza und Hippel’s Lebensläufe in aufsteigender Linie. Hegel’s Vorliebe für den Humor Hippel’s ist aus seinen späteren Urtheilen darüber (z. B. Aesthetik II, 228 ff.) hinreichend bekannt. In den Hegel’schen Kreis trat im Herbst 1790 Schelling.« Auch im Versteigerungskatalog seiner nach dem Tode hinterlassenen Bibliothek ist ein Exemplar des Romans zu finden. 199  Vgl. Czerny (1904), passim. – Bemerkenswert ist es diesbezüglich, dass Hippel selber eine auffälligere Differenz seines Schreibens zu Jean Pauls Werken überhaupt nicht ausfindig machen wollte: »Da Hippel die unsichtbare Loge gelesen hatte, gab er sie seinem Freunde G. mit den Worten zurück: ›Er ist entweder mein Sohn, oder wir sind Brüder in der Schriftstellerey!‹« Hippel (1801), S. 15. 200  TWA 14, S. 208 f.; vgl. auch TWA 14, S. 231. Ein längeres Zitat aus den Lebensläufen findet sich zudem in Hegels Vorlesungen über Beweise vom Daseyn Gottes, wie sie durch die Freundesvereinsausgabe überliefert sind; vgl. GW 18, S. 477. 201  GW 16, S. 174 f. 202  Ebd., S. 175.

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Die Charakteristik des Hippelschen Schreibens deckt sich widerspruchsfrei mit der Bestimmung des objektiven Humors: Es ist die ›große Seele‹ des wahren und selbstgefälligkeitslosen Humoristen, welche die geistlosen Partikularitäten der Wirklichkeit durchdringt, geistreich zwischen ihnen einen tieferen Zusammenhang erkennt, bis dass der Geist aus dieser Beseelung hervorblickt. Doch damit ist immer noch nicht befriedigend beantwortet: was daran komisch ist. – In allen Urteilen betont Hegel Hippels überaus gelungene Darstellung wahrlich individueller Menschen, die sich nicht in Zufall und Trivialität verlieren, sondern Tiefe und zugleich Leichtigkeit beweisen. Als Reflex der Hamann-Rezension sagt er im Ästhetik-Kolleg von 1828/29, also wenige Monate nach der Publikation: »Hippels Werk Lebensläufe in aufsteigender Linie, ist sehr humoristisch, da kommen viele Charaktere vor, die wunderbar individualisiert sind.«203 Diese große Individualität lässt sich aber auf die Welt ein, versenkt sich ins Leben, das ist ihre Tiefe, und erfüllt von diesem Leben kann sie sich selbst in ihm mit Leichtigkeit genießen. Henrich verweist darauf, diese Leichtigkeit besitze einen »Zusammenhang« mit der »Versöhntheit der Subjektivität in sich, die Hegel in den Komödien des Aristophanes zum Ausdruck kommen sieht«204. Im Sich-Einlassen auf die Dinge ist der Humorist ganz bei sich. Das ist entscheidendes Moment des ausgeführten ›Zusammenfassens der Extreme‹, die Zerrissenheit in sich zu versöhnen. In dieser harmonischen Versöhnung kommt er aber nicht zu einem ernsten und versessenen Haften an ihr, sondern zu einem heiteren und freien Verhältnis. Diese Haltung, es mit allem nicht zu ernst zu nehmen, erst recht nicht mit sich selbst, wird in den Lebensläufen mottohaft ausgesprochen: »Gott ehr’ mir den Witz, weil er zu lachen macht; das Klügste, was die Menschen können.«205 Daher lässt sich für den objektiven Humor aus den bisher herausgestellten seiner Bestimmungen und über sie hinaus für die Frage nach der humoristischen Komik auf den Punkt bringen: Wenn Kunst wieder poetisch wird, ist es eine entscheidende Voraussetzung für sie, den wahren Geist des Lebens geatmet zu haben; um selber lebendig werden zu können, muss sie sich in ein inniges Verhältnis zur vorgefundenen sittlichen Wirklichkeit setzen und dieselbe mit ihrem innersten subjektiven Wesen in Versöhnung bringen. Das Künstlersubjekt versenkt sich in die gegenständliche Welt, erfährt darin sein Anderes, bringt sich zur vorübergehenden Entfremdung, um gesättigt von dieser Erfahrung zu sich, und als ein anderer zu sich, zurückzukehren. Es 203 

Libelt (1828/29), Ms. S. 99r. Henrich (2003b), S. 86. 205  Hippel: SW 1, S. 268. 204 

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hat sich dazu herangebildet, dieses Andere als sein eigenes Anderes zu nehmen und in der Identifikation mit ihm sich und ihm einen gemeinsamen wesentlichen Ausdruck zu schenken. In dieser Identität – das ist die Kernbestimmung – ist die tragische Polarität von Ich und Welt, ihr entfremdetes Verhältnis, aufgehoben: Die Entzweiung des Subjekts in sich und eine unverbunden starre Objektivität ist als schicksalsgleicher Konflikt der modernen Tragödie gezeigt worden, demgegenüber hat die Komödie Ausdrucksformen entwickelt, diese Problematik auf das harmlosere Terrain der Privatexistenz zu verschieben oder sogar wegen dieser Substanzlosigkeit heiter zu verdrängen bzw. zu überwinden. Im Humor hingegen hat der Geist seine Entzweiung zur heiteren Vermittlung mit seinem Gegensatze zusammengeschlossen, er ist zu einer welthaltigen Kunst in dem Sinne geworden, dass er die sittliche Welt in ihrem ganzen Reichtum in die Breite seiner Gedankenwelt überträgt und darin geistreich poetisiert. Was bei Hamann und Jean Paul noch im Witz als äußerlich Scherze treibende Aneignung und damit als nie ganz gelingendes Verbinden der Entzweiung begegnete, wird bei Hippel zur innerlichen Versöhnung gebracht, die ungetrübte Heiterkeit bewirkt. Damit ist sogleich festgesetzt, dass ein tragischer ästhetischer Ausdruck diesem Ausgleich und seinem heiteren Genuss nicht gerecht werden kann. Aus diesem Grunde ist der objektive Humor das komische ›Zusammenfassen der Ex­treme‹ als Lösung in Heiterkeit, kein herausplatzendes, ungehaltenes Lachen, sondern die lächelnde Freude an einer nicht mehr fremden Welt, die Bestärkung, sich in der Welt zu wissen und die Welt als seine eigene Welt zu wissen. Hegel spricht in diesem Kontext auch vom »Frohsinn«206; die eigentliche und entscheidende Kategorie, der im Weiteren einige Aufmerksamkeit geschenkt werden soll, ist aber diejenige der ›Heiterkeit‹. Libelt notiert sich 1828/29 in einem anderen Kontext als demjenigen der Humortheorie, vollkommene Heiterkeit des Menschen sei »die Zusammenstimmung mit sich selbst in dem Bestimmten«, ein »sich Befriedigendes« und zugleich »sich in der Befriedigung Erhaltendes«207. Auf den erreichten Zustand des objektiven Humoristen trifft dies allerdings in besonderer Weise zu. Ist die Polarität von Ich und Welt überwunden, aber als bestimmte Negation im Ich aufgehoben, stimmt diese Einheit heiter mit sich selbst zusammen. Das Ich erkennt sich in der Welt wieder und gibt seiner Erfahrung eine künstlerische Gestaltung, in welcher es sich wiederum selbst vergegenständlicht weiß. Das humoristische Kunstwerk ist in diesem Sinne die Vergegenständlichung einer Befriedigung des Künstlers in seiner bürgerlichen Lebens206  207 

Libelt (1828/29), Ms. S. 30r; vgl. hierzu auch Kwon (2001), S. 224 f. Libelt (1828/29), Ms. S. 23v.

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welt, die diesem Selbstgenuss überhaupt erst eine selbstreflexive Dimension verschafft: Der Humorist schaut seine Heiterkeit im Kunstwerk selber an. Die heitere Selbstzufriedenheit und ihre Selbstbewusstwerdung in der Kunst, die der wahre geistige Kern des Humors ist, kehren somit zur Wesentlichkeit des Lachens in der alten Komödie sowie zur Selbstbestärkung ihres komischen Charakters beim Spiel mit der Maske zurück. Denn »Lachen« in der Kunst ist nicht nur für das klassische Ideal, sondern immer, auch in der substantiellen romantischen Gestaltung, eine »Befriedigung, die sich ausläßt«, ein Ausdruck der »Heiterkeit«, und damit Ausdruck eines »Versöhntsein[s] mit seinem Innern«208. Die ›Verinnigung im partiellen Gegenstande‹, die ein ›Zusammenfassen der Extreme‹ herstellt, erhält ebenso die Bedeutung, dasjenige für einen wahren ästhetischen Ausdruck zu gewinnen, was zuvor bereits als der herausragende Stoff des Komischen bei Hegel prototypisch an der Komödie herausgestellt wurde: Der Mensch in seiner selbstzufriedenen und mit sich versöhnten Endlichkeit. Daher verweist Hegel auch immer wieder auf humoristische Elemente bei Shakespeare und in der niederländischen Malerei, umfangreich ausgeführt in Hothos Edition. So werden dort vor allem die heiteren und lebensfrohen Szenen des einfachen Volkes angesprochen, welches das Tableau bzw. die Bühne oder die Romanseiten erstürmt, wie es dies schon in der alten Komödie auf der Bühne getan hat: Das »Hausgesinde«, die »Narren, Rüpel und allerhand Gemeinheiten des täglichen Lebens, Kneipen, Fuhrleute, Nachttöpfe und Flöhe«209 geben ein reiches Gemälde des bunten Lebens; an den Szenen zeige sich »die Froheit und Übermütigkeit in dem Selbstgefühl«, die »geistige Heiterkeit eines berechtigten Genusses«, die »Sattheit und Lust«, »diese frische, aufgeweckte geistige Freiheit und Lebendigkeit«, welche die »bäurischen Gelage, Lustigkeiten und behaglichen Späße«, das Leben in den »Schenken, bei Hochzeiten und Tänzen, beim Schmausen und Trinken«, zu erkennen geben, wo es »nur froh und lustig zu[geht]«; »das Gefühl der Freiheit und Ausgelassenheit durchdringt alles und jedes«210. Dieses entscheidende Moment, das für die höchste Bestimmung des objektiven Humors steht, idealerweise in Hippels Romanen verkörpert, verknüpft sich mit einem anderen Moment, das im Zusammenhang der alten und modernen Komödie bereits auftauchte und hier gemäß der Wiederholung der Wesentlichkeit des Komischen im Humor ebenso wirksam wird. Es steht 208 

Ebd., Ms. S. 23v f. TWA 14, S. 221. – Ein ausgezeichnetes Exempel humoristischer Darstellung in der niederländischen Malerei dieser Zeit ist Pieter Bruegels d.Ä. Gemälde Der Kampf zwischen Karneval und Fasten von 1559. 210  TWA 13, S. 223. 209 

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in Verbindung mit der Rede Hegels vom menschlichen Selbst, das sich im Komischen in sich vertieft und ästhetisch verdichtet anschaut; oder wie es im Kontext der Humortheorie, beispielhaft in Hothos Nachschrift von 1823, ausgedrückt wird: im ›Humanus‹ als dem ›neuen Heiligen‹. Hier führt Hegel aus, dass selbst im subjektiven Humor, ein Kunstkonzept, in welchem »der Stoff […] aus dem Selbst getreten« ist, so dass »das Raisonnement frei geworden, der Stoff äusserlich« ist, »als das Intressante« immerhin »der Humanus, die allgemeine Menschlichkeit, das menschliche Gemüth in seiner Fülle, seiner Wahrheit«211 bleibe. Im objektiven Humor wird dieser Humanus schließlich wieder mit seiner Welt als Lebenssphäre und sittlicher Hintergrund heiter und substantiell verbunden. Die Rede vom ›heiligen Humanus‹, der zum Gehalt des Humors als der wieder wesentlichen nachchristlichen Kunst wird, hat Hegel Goethes fragmentarischem Epos Die Geheimnisse von 1784 entlehnt.212 Das Nachchristliche muss an dieser Rede ausdrücklich unterstrichen werden, denn eine Kunst, die sich zu ihrem Stoff den endlichen Menschen nimmt und ihn an die Stelle des Göttlichen setzt, bezeichnet eine Kunstform, die nicht mehr an christlich-religiöse Inhalte gebunden bleibt. So rekurriert Hegel selbstverständlich ganz gezielt auf eine Dichtung Goethes, in welcher – wie der gemeinsame Freund Sulpiz Boisserée notiert – alle Religionen in einem lyrischen Konzept des über jeden Glaubenskampf erhabenen Menschen in seiner diesseitigen Vollkommenheit aufgehoben werden.213 – Gethmann-Siefert betont aber unter Bezug auf Oskar Walzel, über diesen Aspekt hinaus sei ebenso auf einen Bezug zu Schillers Denken zu verweisen, durch welchen Hegel versuche, »das Humanitätsideal der Aufklärung in der Kunst zu realisieren und es mit ihrer Hilfe zum geistigen Allgemeingut heraufzubilden«214. So bedeutet der heilige Humanus sowohl ein ästhetisches Ende der christlichen Welt, indem ihr religiöser Stoff aufgelöst wird, als auch den Beginn der für Hegel zeitgenössisch modernen Gestaltung, die sich fortan die Ideale von Humanismus und Aufklärung zu ihren Selbstbewusstseinsinhalten wählt. Substantielle Bedeutsamkeit findet diese humanistisch begründete Kunst aber erst in ihrem vollkommenen Ausdruck des objektiven Humors, 211 

Hotho (1823), S. 442. Vgl. zum Verhältnis Hegels zu dieser Vorlage Goethes: Walzel (1932), S. 99 ff.; Pöggeler (1960), S. 118; Donougho (1982), S. 215 ff., zit. n. Gethmann-Siefert (2005a), S. 316; Henrich (2003b), S. 77 ff.; Franke (2005), S. 118. Bei Goethe lautet die Stelle vollständig: »Und fragst Du mich, wie der Erwählte heiße, / den sich das Aug der Vorsicht ausersah? / den ich zwar oft, doch nie genugsam preise, / an dem so viel Unglaubliches geschah? / Humanus heißt der Heilige, der Weise, / der beste Mann, den ich mit Augen sah.« 213  Vgl. Goethe: SW 2,2, S. 839. 214  Gethmann-Siefert (1984), S. 322. 212 

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wo der gottgleiche Mensch sich zu einer Welterfahrung vollendet, die ihm im Verbund und der Gemeinsamkeit mit anderen Menschen heiter entsteht.215 Diese moderne objektive Kunst des Humanus zeigt den Menschen in den Werken seines Selbst, die er sich in und mit der Welt verwirklicht. Wird der Mensch aber als Gottgleicher zur Vorstellung gebracht, der seine Göttlichkeit als Zusammenstimmung mit sich gerade in der lachenden Heiterkeit erfährt, kann diese für Hegel zeitgenössischste Kunstgestalt ihre bewusstseinsphilosophische Nähe zum Lachen der Götter, wie sie in der Theorie des Epos und der Komödie, vor allem in der Phänomenologie des Geistes, aber auch in einigen Passagen der Berliner Ästhetik, entwickelt wird, nicht verleugnen. Mit der antiken Komödie als letzter Gestalt der klassischen Kunst hat der Geist erkannt, das Absolute als Subjektivität denken zu müssen; oder wie die Phänomenologie des Geistes es ausdrückt: das Selbst als göttliches Schicksal zu begreifen. Aus diesem Grunde deutet Hegel die christliche Welt als wesentliche Nachgeschichte dieser Bewusstseinserfahrung: Christus ist der Gott als geistiges Selbstbewusstsein der Innerlichkeit. In gewisser Hinsicht wird bereits mit der alten Komödie der Humanus geboren, der aber erst in der nachchristlichen Kunst des objektiven Humors als endlicher Mensch in seinen ausschließlich welthaften Bezügen aufgefasst wird. Dass er ein Gott ist, beweist sich an seinem selbstgenügsamen Lachen, das er sich vom griechischen Olymp geborgt hat. Dieser Rückgriff auf die Antike steht im Zeichen der Befreiung von der römisch-katholischen Lehre und ihren künstlerischen Konzepten, dem Geist gerade durch die Überwindung des Endlichen und der Leiblichkeit ein Selbstbewusstsein von sich zu verschaffen. Das damit verbundene Lachverbot, als Festschreibung der Inadäquatheit des Komischen für die christliche Glaubensauffassung, wird vom Humor klassizistisch sinnlichkeitszugewandt vollständig aufgehoben.216 Damit ist 215 

Vgl. ebd., S. 323. Das tiefere geistige Wesen des christlichen Lachverbots – eine Stelle neben vielen anderen ist Lukas 6,25: »Weh euch, die ihr jetzt lacht; denn ihr werdet klagen und wei­ nen« – wird von Hegel u. a. in der Berliner Ästhetik im Zusammenhang der Bestimmungen des ›religiösen Kreises‹ der romantischen Kunstform implizit mit abgehandelt. Die Subjektivität, die sich in der Komödie ästhetisch befreit und in der Satire vertieft hatte, gewinnt zu Beginn der romantischen Kunst des Christentums einen neuen Inhalt, durch den sie sich ihrer Geistigkeit bewusst wird. Zentral innerhalb dieses Ideals ist die Darstellung des menschgewordenen Gottes in Christus, wie er in seiner Geschichte erscheint, die in der Malerei zur anschaulichen Leidensgeschichte wird. Hegel führt 1823 aus, in diesen Bildern müsse sich »kein besonderer Character«, »keine besondere Bedeutsamkeit« aussprechen wie im klassischen Ideal, denn es sei der »Ernst« der Andacht und die innige »Liebe« (Hotho [1823], S. 414 f.) zu Christus, denen die äußerlich bleibende bildliche Ausgestaltung ein Nebensächliches sei. Die schwierige künstlerische Heraus­forderung be216 

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die Funktion des Humors in der romantischen Epoche mit derjenigen der Komödie in der klassischen vergleichbar; und das hat bedeutende Konsequenzen: Der Humor löst wie die Komödie vormalige religiöse Gehalte in stehe vielmehr darin, die Erfordernisse des christlichen Inhalts, Christus einerseits in der »Schönheit des Ideals«, der keine »Häslichkeit […] beigemischt sein« dürfe, und andererseits in seiner »natürlichen Gestalt« (S. 415), ganz körperlich und geschunden, darzustellen. Deshalb solle seine Gestalt »weder zum Gemeinen herabsinken, noch die classische Schönheit erreichen« und stattdessen mehr eine »Erhabenheit« (S. 415) anzeigen. Die ästhetische Herausforderung liegt darin, exakt die Mitte zwischen der allgemeinen Geistigkeit und subjektiven Einzelheit, zwischen der Erhabenheit und der Hässlichkeit zu treffen. – Im Kolleg von 1826 führt Hegel aus, dass in dieser Kunst einerseits »das Menschliche unmittelbar geehrt« werde, weil es »Gegenstand« – und d. h. Vergegenständlichung – »des Göttlichen« sei, andererseits sei im Christlichen aber »das Anthropomorphistische noch viel weiter getrieben, als im Klassischen« und könne daher »nicht das Ideale an [sich selbst] haben, was die griechischen Götter haben«. Kehler (1826), S. 136; vgl. parallel dazu von der Pfordten (1826), S. 159 f. So ist mit der Aufwertung des Menschlichen als Erscheinung der Göttlichkeit verbunden, dem ästhetischen Ideal als unmittelbares Scheinen des Absoluten in der Sinnlichkeit nicht gerecht werden zu können, gerade weil die griechischen Götter weitaus weniger menschlich sind als Christus. An der Menschlichkeit zeigt sich der Mangel, nicht unmittelbar freie Geistigkeit zu sein, sondern diese erst im »Schmerz« als »Durchgangspunkt« (Kehler [1826], S. 136) zur verinnerlichten und damit vermittelten Erscheinung zu bringen. Erst in der innerlichen Erhebung über die hässliche körperliche Qual demonstriert sich die wahre Geistigkeit des göttlichen Inhalts, der doch zugleich immer auf dieses Gemeine bezogen bleibt. Es ist die Pointe Hegels in diesen Reflexionen über die christliche Kunst, dass die schöne Identität von vergeistigtem Gehalt der christlichen Religion und seinem Widerschein an einer künstlerischen Gestalt nur annäherungsweise, nie aber vollendet gelingen kann. Denn die Kunst ist an diesem Punkt über ihre klassischen ästhetischen Möglichkeiten hinaus. – Daraus erhellt für eine tiefere Bestimmung der Unangemessenheit des Komischen für die christliche Kunst, dass sich an der Darstellung des Göttlichen in der leidenden und somit ganz körperlich erscheinenden menschlichen Gestalt kein Lachen, nicht einmal ein Lächeln, zeigen darf. Denn dieser Zug wäre ein problematischer, weil er die Qual und den Schmerz abmildern würde und sich der Geist nicht in sich selber vollständig befriedigen könnte. Erst durch das größtmögliche Extrem von weltlich-endlichem Leiden und seelisch-innerem Frieden kann die wahre Versöhnung Gottes mit dem irdischen Sein als Jammertal gefunden werden. Die Forderung, das Menschliche an Jesus zur Göttlichkeit Christi zu verklären, bedeutet für die künstlerische Darstellung eine gebotene Versöhnung, die sich nicht über das leiblichendliche und dennoch Freiheit stiftende und Freiheit ästhetisch ausdrückende Prinzip des Komischen herstellen lässt. Denn die Diesseitszuwendung von Komödie und Humor steht in größtem Gegensatz zur Jenseitigkeit und zum Heilsversprechen der christlichen Religion. Nicht nur dass in der Epistel des Lentulus aus den Apokryphen überliefert wird, Jesus habe niemals gelacht, in den Regulae fusius tractatae aus dem Ascetion magnum des Basilius von Cäsarea wird noch ergänzt, er habe sogar im Gegenteil »[d]iejenigen [für] unglücklich [erklärt], welche sich demselben überlassen«. Basilius von Cäsarea: Regulae fusius tractatae. 55 ausführliche Regeln in Frage und Antworten. 17. Frage, Antwort 1. In: Basilius (1839), S. 109. – Vor allem in der frühchristlichen Traditionsbildung der Kirchenväter findet sich eine ganze Reihe von Reflexionen über eine notwendige Verurteilung des Lachens, neben Basilius zum Beispiel auch bei Chrysostomus: »Wenn auch du solche Trä-

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sich auf, und zwar indem er sie auf einer qualitativ neuen Stufe aufhebt. Denn der Humanus ist ja der neue Heilige. Zudem hat er wie diese die freie Subjektivität zu seinem Kern. Doch wie Hegel in religionsphilosophischer Hinsicht gegen den Heiligenkult argumentiert, verwahrt er sich in der Ästhetik gegen nen weinst, dann bist du dem Herrn ähnlich geworden. Denn auch er hat geweint über Lazarus und Jerusalem, und über das Schicksal des Judas ward er erschüttert. Und weinen sehen kann man ihn oft, lachen niemals, nicht einmal stille lächeln; wenigstens hat kein Evangelist etwas davon berichtet. Deshalb sagt auch der hl. Paulus selbst von sich, und andere sagen es von ihm, daß er geweint habe, drei Nächte und drei Tage lang geweint; daß er aber gelacht hätte, das hat er nirgends gesagt, weder er noch andere; aber auch kein Heiliger hat dies weder von sich noch von einem anderen Heiligen erzählt. […] Welchen Grund hast du denn, eingebildet und ausgelassen zu sein, der du noch für so viele Sünden verantwortlich bist, vor dem furchtbaren zukünftigen Richterstuhl erscheinen mußt, und über alles, was du hienieden getan, genaue Rechenschaft abzulegen hast? […] Darum redet Christus so oft von Reue zu uns, preist die Bußfertigen glücklich und ruft Wehe über die, die lachen. Diese Welt ist eben kein Theater zum Lachen; nicht dazu sind wir beisammen, um schallendes Gelächter anzuschlagen, sondern um zu seufzen, und mit diesen Seufzern werden wir uns den Himmel erwerben.« Johannes Chrysostomus: In Matthaeum homiliae I–XC. Kommentar zum Evangelium des hl. Mat­thäus. 6. Homilie, Kap. II, V. 3. In: Chrysostomus (1915), S. 110 ff. – Auch bei Hieronymus finden sich zahlreiche Reflexionen zur Unziemlichkeit des Lachens für einen Christen; die heilige Witwe Paula lässt er sagen: »Der Leib muß gepeinigt werden dafür, daß er mit so vielen Vergnügungen die Zeit vergeudet hat. Jetzt gilt es, das lange Lachen durch beständiges Weinen wieder gut zu machen.« Hieronymus: Epistula 108. Das Leben der hl. Witwe Paula, Einsiedlerin zu Bethlehem. In: Hieronymus (1914), § 15. – Dass diese Gedanken über eine Disqualifizierung des Lachens für den Christen nicht bloße Gedanken bleiben, sondern sich auch eine sittliche Wirklichkeit schaffen wollen, zeigt unter anderem die Regel der vier Väter des Bischofs und Klostergründers Honoratus von Arles aus dem 5. Jahrhundert, wo es heißt: »Wenn einer beim Lachen erwischt wird oder beim Scherzemachen […], so soll er im Namen des Herrn zwei Wochen lang mit der Peitsche der Bescheidenheit traktiert werden.« Zit. n. Eco (2007), S. 134. – Dass Humanismus und Aufklärung mit diesem christlichen Lachverbot allerdings konsequent gebrochen haben, zeigt sich wiederum nicht zuletzt an einem Brief Lessings sowie in Hippels Lebensläufen: An seinen Vater Johann Gottfried Lessing schreibt er am 28. April 1749: »Den Beweiß warum ein Comoedienschreiber kein guter Christ seyn könne, kan ich nicht ergründen. Ein Comoedienschreiber ist ein Mensch der die Laster auf ihrer lächerlichen Seite schildert. Darf denn ein Christ über die Laster nicht lachen? Verdienen die Laster so viel Hochachtung?« In: Lessing: SW 17, S. 16. In Hippels Roman wird im Gespräch zwischen Herrn von G. und dem Pastor mit demselben Tenor gesagt: »Es stehet nicht geschrieben, daß Christus gelacht habe; allein er nannte den Herodes einen Fuchs, und das setzt ein Lächeln zum Voraus. Die Schrift spricht: der Herr lacht ihrer, ich glaube gar, Pastor, es wäre nicht übel, auf der Kanzel selbst so ein Fuchswörtchen zu verlieren.« Hippel: SW 1, S. 282. Dass sich aber zumindest innerhalb der offiziellen Kirchenlehre bis in Hegels Gegenwart hinein die Auffassung einer notwendigen Verurteilung der Lachkultur durchhält, beweist sich an einer Berliner Notiz Hegels zu Christian Fürchtegott Gellerts Dichtung: »Im Jahr 1764 wurde in Danzig ein neues Gesangbuch gefertigt. Von Gellert kamen nur zwey Lieder hinein, und zwar wie sich das geistliche Ministerium deshalb ausdrückte, weil er ›auch ein Comödiendichter‹ war.« GW 22, S. 198.

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die Verehrung des neuen Sanctus als Subjektkult.217 War die Komödie im Wesentlichen eine Verinnerlichung des Substantiellen, beschreibt der Humor den umgekehrten Weg: Er öffnet vielmehr die vereinzelte Subjektivität für die Substantialität des Menschen als ganze Menschheit, als Gattungsbegriff. Damit kehrt der Humor aber zu einer ästhetischen Verfasstheit zurück, die nach der Komödie weggebrochen ist: Er muss wie alle modernen Formen des Komischen beschrieben werden als eine pathosfreie, unheroische Kunst des Endlichen, in welche die gewöhnliche Lebenswelt des einfachen Menschen Eingang findet. Doch zugleich ist dieses humoristisch geformte Endliche nie freigelassen, sondern immerzu auf die Unendlichkeit des Selbst als subjektives Zusammenfassen der modern zerrissenen Extreme bezogen. Der freie Stoff ist somit nur vordergründig entfesselt. In Hegels Ausführungen gibt er seine Abhängigkeit von diesen höheren Zusammenhängen zu erkennen. Im Humor wird quasi die in der modernen Komödie abgebrochene Darstellung der wesentlichen Lebenszusammenhänge fortgeführt, d. h. er ist über das lächerliche ›Versumpfen ins Privatinteresse‹ der eifrigen Bürgersleute hinausgehoben. Diese wahre Komik des Humors ist wieder das, was die alte Komödie gerade noch war: ein Selbstverhältnis der freien, sicheren Subjektivität in der vollen Gewissheit, in ihrer lachenden Endlichkeit nicht der Sub­ stanzlosigkeit anheimzufallen, sondern sich selbstbewusst zu bewahren. Kehrt der Humor aber in dieser Weise zur Komödie zurück und wird betont, dass eine solche Rückkehr bei Hegel niemals eine echte Rückkehr sein kann, wird augenscheinlich, was seine objektive Form tatsächlich ist: Objektiver Humor ist die lachende Auflösung der romantischen Kunstform. Vor allem in diesem Punkt wiederholt er formal die Komödie. Hegel sagt im Kolleg 1823: »das Ende des Romantischen ist somit der Humor.«218 Diese Formulierung ist keine Variante oder erneute Wiederholung der sogenannten ›These vom Ende der Kunst‹. Es wird ja nicht gesagt, dass der Humor das Ende der Kunst sei, sondern das Ende des Romantischen, und damit das Ende des Endes. Das bedeutet, der Humor ist in dieser Perspektive, das Ende dessen, das mit der antiken Komödie und der Satire eingeleitet wurde. Stephan Kraft meint dazu in pointierter Deutung: »Die eigentliche Spitze ganz am Ende der romantischen Kunstform besteht nach Hegel schließlich darin, daß sich diese im modernen Roman total gewordene Subjektivität in einem letzten Umschlag erneut objektiviert und sich somit gleichsam der 217 

Vgl. zu Humanus und Heiligenkult Henrich (2003b), S. 79. (1823), S. 430. – Doch auch im Wintersemester 1820/21 betont Hegel am Schluss seiner Ausführungen, mit der »Kunst der neuesten Zeit« stehen wir »am Ende der Kunstform«, d. h. der »romantischen«. Ascheberg (1820/21), S. 113. 218  Hotho

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Kreis, der mit dem ersten Einspruch gegen die Objektivität der Götter im antiken Epos begonnen hat, wieder schließt.«219 So kristallisiert sich heraus, dass es jeweils komische Gestaltungen der Kunst sind, die eine geschichtliche Kunstform bzw. ein begrifflich bestimmbares Kunstideal abschließen. »Die Auflösung der romantischen Kunstform im objektiven Humor wiederholt und vollendet die Auflösung der klassischen Kunstform in der Komödie.«220 Es konnte bisher jedoch gezeigt werden, dass das Ende bei Hegel zugleich immer auch eine Überwindung und der Beginn einer neuen Stufe ist. Diese Stufe konnte in den Berliner Vorlesungen nicht vollständig ausgeführt und vielfach bloß angedeutet werden, denn mit ihr wird in einen Raum vorgestoßen, der von aktuellsten oder aber noch gar nicht eingeleiteten Entwicklungen der Kunst in Gegenwart und Zukunft gebildet wird, wie z. B. den ›literarischen Realismus‹.221 Mit diesem letzten Schritt bewegt sich Hegel kunstphilosophisch somit nicht bloß in seiner Gegenwart, sondern setzt seinen Fuß bereits vorsichtig in die Zukunft. Er entdeckt in den aktuellen Strömungen Anzeichen für ein erneutes Hinaustreiben der Kunst über ihre Grenzen; und für ein erneutes Ende der Kunst. Hegel betont angesichts des Humors jedoch nicht bloß das Ende des Romantischen. Es mutet an, als wolle er seinem geschichtsphilosophischen Modell der Kunstformen den spekulativen Charakter eines Kreises verleihen, wenn er meint: »das Humoristische kehrt so gleichsam zurück zum symbolischen.«222 Wie ist dies zu verstehen? – Es war das Eigentümliche des subjektiven Humors, dass sich zwei Extreme gegenüberstehen: der subjektive Standpunkt des Erzählerautors mit einem hohen Grad an geistiger Reflexivität, eine permanente Verstandesaktivität, die ihren Witz durch Analogien beweist; auf der anderen Seite ist die Äußerlichkeit zu verorten, die Objek219 

Kraft (2010), S. 101. Schneider (1998a), S. 334. 221  Preisendanz meint, dass sich mit dem objektiven Humor bei Hegel der literarische Realismus als das zukunftsträchtige Konzept andeutet, wie Dichtung in der Gegenwart substantiell sein kann, und zwar ohne die Vorbehalte, die gegenüber dem subjektiven Humor notwendig gemacht werden mussten. Vgl. Preisendanz (1963), S. 126 ff., 141. Durch die besagte ›Verinnigung des Gemüts in seinem partiellen Gegenstande‹, durch das Beisichselbstsein der Subjektivität in ihrem Anderen, wird der ganz prosaischen Erscheinung der Wirklichkeit eine poetische ›Verklärung‹ gegeben, die späterhin Prinzip des Realismus eines Theodor Fontane oder Wilhelm Raabe werden wird. Hegel greift hiermit das poetische Prinzip vorweg, auf dem dichterischen Standpunkt den Stoff der gegenständlichen Welt mit der eigenen Haltung harmonisch zu versöhnen und dadurch zu vermeiden, dass der Inhalt der Kunst keine Differenzen mehr aufweist zur zufälligen und beliebig aufgreifbaren Realität des Lebensweltlichen. 222  Hotho (1823), S. 436; vgl. hierzu Kwon (2001), S. 219 ff.; vgl. zu Humor und Epi­ gramm Donougho (1982), S. 224; Henrich (2003b), S. 99 f. 220 

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tivität, das Wirkliche, die an sich bewusstlos ist, an sich nichts bedeutet und an sich nicht mit Sinn aufgeladen ist. In diesem Aspekt ist die Schnittmenge zu sehen zwischen dem subjektiven Humor der romantischen Kunstform und dem Epigramm, wie Hegel es am Ende der symbolischen abhandelt.223 Denn mit der Entzweiung von Außen und Innen als einander freigelassene Objektivität und Subjektivität zeigt der Humor eine größere Übereinstimmung mit dem Epigramm und seinem Grundwiderspruch einer Entzweiung von Außen und Innen als Gegenstand und Bedeutung resp. Sinn.224 Das Epigramm bezeichnet sinnspruchhaft eine Sache und gibt ihr in wenigen Worten eine Sinnstruktur, allerdings ohne dass diese beiden Seiten in einer substantiellen Entsprechung erscheinen könnten. Die Zuweisung bleibt eine lose, eine beliebige, sie bleibt dem Zufall überlassen. Gleichwohl besitzen Humor und Epigramm aber die weitere Gemeinsamkeit, dass sie zumindest eine ästhetische Suche nach Entsprechung sind, sie befinden sich auf dem Weg hin zu dieser schönen Einheit von Geistigkeit und Äußerlichkeit. Im Epigramm wird der Sache Sinn zugewiesen, genauso wie im Humor die Subjektivität das Zusammenfassen von leerer Innerlichkeit und leerer Äußerlichkeit ist, indem sie das Innen mit dem Außen erfüllt und das Außen innerlich bedeutsam und damit geistig macht. In subjektiver Gestalt gelangen sie nicht dahin, »beide einander durchdringen lassen zu können«225. Erst dem objektiven Humor kann etwas glücken, das ihn die Problematik des Symbolischen überwinden lässt, indem er nämlich nicht nur Ähnlichkeiten, sondern eine geistesnotwendige Entsprechung herstellt, einen Konnex, der Objektivität bedeutsam macht und mit Sinn erfüllt. Im objektiven Humor werden die Extreme miteinander vermittelt: Die subjektive Leistung der ›Verinnigung‹ erscheint in dieser Perspektive als die Übertragung eines subjektiven, innerlichen Sinns auf die Gegenstände der Äußerlichkeit, umgekehrt reichern die Gegenstände das Künstlersubjekt mit der Substanz der objektiven Welt an; das Subjektive erscheint im Objektiven, das Objektive im Subjektiven. Die zusammenfassende Substantialisierung der Entzweiung von geistigem Gehalt und erscheinender Form findet in der schönen oder heiteren Einheit des ästhetischen Ausdrucks den wesentlichen Zielpunkt der künstlerischen Suche nach der vollkommenen Gestalt. Zugleich ist dies der Übergang von der verlachenden Einstellung zu den Dingen, die als Lächerliches immer in der unversöhnten Gegenüberstellung zum Lachenden verharren, hin zur wahren und heiteren Versöhnung der Subjektivität mit ihrem 223 

Vgl. im Folgenden Henrich (2003b), S. 83 f., S. 96 ff. Vgl. von der Pfordten (1826), S. 145 f. 225  Henrich (2003b), S. 99. 224 

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bedeutsamen Gegenstande. Diese Heiterkeit ist Hegel die wahre Komik, wie sie in Homers Lachen der Götter und in der Komödie des Aristophanes erstmals zum Ausdruck kommt. Diese Wesentlichkeit ist am Ende des Romantischen wiederhergestellt. Dennoch insistiert Hegel aber darauf, dass dieser Prozess nicht einfach als Wiederholung zu verstehen sei: »Es ist nicht die einfach objektive Darstellung die klassische es ist auch nicht das Symbolische, es ist in der Romantischen Kunst die Rückkehr des Gemüthes in sich nicht als subjektive Empfindung sondern als freie Fantasie.«226 Mit dem objektiven Humor ist eine Wesentlichkeit erreicht, die, gerade weil sie ästhetisch fest in der Moderne verwurzelt ist, ein neuartiges Gestaltungsprinzip darstellt, das sowohl die Problematik der einen Kunstform aufgreift, und eine Lösung andeutet, als auch weder die eine noch die andere ist. So thematisiert Hegel am objektiven Humor, wie die romantische Kunst durch ihre formale Verbindung mit der symbolischen bereichert werden kann.227 Wie Hegel sich diese Verbindung aus romantischer und symbolischer Kunst, diese Rückkehr des Modernen zum vorklassischen Ideal und zugleich dessen Überwindung der symbolisch unüberbrückbaren Entzweiung vorstellt, soll im Weiteren näher beleuchtet werden. Die Lösung liegt in einem pantheistischen Gedanken verborgen: in der objektiven Erfüllung des Seins mit Geist. Diese Poetik überwindet als letzte Stufe sogar noch die Schranken der Partialität Hippels.

5. Goethes Divan und die neue Substantialität der Dichtung Hegels exemplarische Beschäftigung mit dem objektiven Humor richtet ihr Interesse nicht nur auf die Romane Hippels, sondern ebenso auf die Werke eines anderen Zeitgenossen: nämlich Goethes.228 Unter diesen ist es aber nicht etwa der Faust oder die beiden Wilhelm Meister-Romane, die Hegel in diesem Zusammenhang einer Thematisierung substantiellen modernen Dichtens begeistern; es ist stattdessen und erstaunlicherweise ein Werk, das bis heute zu den unpopulärsten und vielleicht am wenigsten verstandenen Goethes gehört229: »Goethe in seinem West-östlichen Divan, nachdem ihn 226 

Libelt (1828/29), Ms. S. 102r. Vgl. Gethmann-Siefert / Stemmrich-Köhler (1983), S. 45 ff. 228  Vgl. zu diesem Zusammenhang: Kwon (2001), S. 219 ff.; Henrich (2003b), S. 91, 106 f., 111 ff.; Gethmann-Siefert (2005a), S. 340 ff.; Gethmann-Siefert (2005c), S. 59 ff.; Olivier (2008), S. 169 f., 215 ff.; Rutter (2010), S. 228 ff. 229  Im Unterschied zum durchweg anerkennend besprochenen West-östlichen Divan hat Hegel für Goethes Faust auch kritische Worte übrig; so heißt es in der Nachschrift Li227 

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in seinem Alter das Morgenland berührt hat, hat das Höchste in der Poesie geleistet«230. Ein Werk Goethes, das an Geist und Gelehrsamkeit sicherlich nicht zu überbieten ist und dennoch mit seinen in Dichtung gegossenen Reflexionen keinesfalls ein Publikum erreichen konnte, Hegel nimmt es für das wichtigste.231 Wie in den Römischen Elegien der abendländischen antiken Welt begegnet Goethe im Divan dem orientalischen Kulturkreis, den sich der Dichter neben vertieften Studien zu dessen Religion und Philosophie poetisch und poetologisch vor allem durch die Lektüre des persischen Dichters Muh. ammad Šams ad-Dīn gen. Hafis (1326 –1390) eröffnet hat. Die Hinwendung zur Kultur des Orients begründet Goethe 1820 in einem Brief an Zelter mit der Begeisterung für die »Mohamedanische Religion, Mythologie, Sitte«, die einer Poesie »Raum« gebe, »wie sie meinen Jahren ziemt«, denn alles wurzele in einem unbedingten »Ergeben in den unergründlichen Willen Gottes«, aber nicht als Andacht oder Askese, sondern als »heiterer Überblick des beweglichen, immer kreis- und spiralartig wiederkehrenden Erde-Treibens, Liebe, Neigung zwischen zwei Welten schwebend, alles Reale geläutert, sich symbolisch auflösend«; und der alte Goethe schließt diesen Passus mit der launigen Bemerkung: »Was will der Großpapa weiter?«232 – Es ist die entscheidende Frage, deren Teilantwort sich durch diesen Brief Goethes immerhin andeutet, warum sich Hegel in seiner Erarbeitung des objektiven Humors als die modernste substantielle Dichtung der Gegenwart neben Hippel gerade auf den Divan beruft. belts: »In Goethes Faus[t] […] den 1ten Scenen die Sehnsucht des Geistes ist vereint mit dem bild der untergehenden Sonne zu üppig ausgeführt.« Libelt (1828/29), Ms. S. 76v. Eine zu üppige Sehnsucht aber nähert sich der Problematik, wie sie an der romantischen Ironie exemplifiziert worden ist. Der Divan hingegen ist von poetischer Geschlossenheit. – Gethmann-Siefert und Barbara Stemmrich-Köhler haben überzeugend nachgewiesen, dass insbesondere hinsichtlich der Divan-Deutung Hothos Edition sehr problematisch sei und dem Vortrage Hegels, wie er in den Nachschriften überliefert ist, nicht gerecht werde. Vgl. Gethmann-Siefert/Stemmrich-Köhler (1983), S. 44 ff. Aus diesem Grunde bezieht sich die vorliegende Analyse innerhalb dieses Unterkapitels ausschließlich auf die Vorlesungsnotizen der Hegel-Studenten. 230  Kehler (1826), S. 197. 231  Vermutlich wird Hegel Goethes Arbeit am Divan durch Friedrich Rückert entdeckt, oder aber an der Heidelberger Universität durch seinen Kollegen Friedrich Creuzer. In seinen Vorlesungen über die Philosophie der Kunst geht Hegel auf diese Dichtung zunächst gar nicht ein, wohl aber im Sommersemester 1821 in seinen Vorlesungen über die Philosophie der Religion. Vgl. V 5, S. 48. Erstmals im Kolleg von 1826 thematisiert er sie in der Ästhetik recht umfänglich in Beziehung auf die Bestimmungen der orientalischen Kunst und ihrer Bedeutung für die modernen Konsequenzen des romantischen Ideals. – Vgl. zur Entstehungs- und frühen Rezeptionsgeschichte des Divan: Stemmrich-Köhler (1983), passim. 232  Brief Goethes vom 11. Mai 1820 an Zelter in: Goethe: SW 20,1, S. 601; vgl. hierzu auch Gethmann-Siefert / Stemmrich-Köhler (1983), S. 60.

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Die entscheidenden Bestimmungen des objektiven Humors können hierfür aufgegriffen und auf Goethes Gedichtzyklus abgebildet sowie durch diesen vermehrt werden. Wie der ins Alter gekommene Dichter selber in seinem Brief schreibt, begeistert ihn an Hafis’ Versen die fröhliche Weltzuwendung in sinnlichem Erleben: der Genuss des Essens, Trinkens, Singens, Lachens, die nicht nur empfundene, sondern konsequent nach außen gekehrte Liebe zu den Dingen und Menschen in heiterer Auffassung; dies aber immerzu verstanden als ein Glück eingebunden in die frohe Gemeinschaft und nicht als vereinzeltes Genießen. Denn Goethe betont ja den substantiellen Bezug zu anderen und zum Absoluten als Ganzheit des Seins. Mit diesem Selbstverständnis, ohne dass er es kennen konnte, stimmt Hegels Deutung überein: Er erblickt insbesondere im Divan etwas, das ihm ein entscheidender Wesenszug des Humors ist: die bereits nachdrücklich bekräftigte ›Heiterkeit‹. Sie ist Hegel ein bedeutendes Charakteristikum orientalischer Kunst, die Goethe gekonnt überträgt. Im letzten Ästhetik-Kolleg, neben welchem sich nur noch dasjenige von 1826 mit dem Divan beschäftigt, meint er zu dieser Heiterkeit: »Man fühlt da die östliche Unabhängigkeit der Freiheit in den kleinsten dingen das substantielle darin«233. – Die zweite Auflage der Encyclopädie von 1827 beweist, dass Hegel die Begriffe ›heiter‹ und ›befreit‹ nahezu synonym verwendet: In der Anmerkung zu § 562, in welcher Hegel das Verhältnis von Kunst und Religion abhandelt und in der die Bemerkung, das Künstlergenie wie der Zuschauer sei »in der erhabensten Göttlichkeit des Kunstwerks mit seinem Sinne und Empfindung einheimisch, befriedigt und heiter«234, wird für die dritte Auflage von 1830 fast wortidentisch übernommen, nur dass ›heiter‹ durch »befreyt« ersetzt ist, mit dem durch ein Semikolon angehängten Zusatz, »das Anschauen und Bewußtseyn des freyen Geistes ist gewährt und erreicht«235. – Für den Divan gilt somit, was Hegel als das Wesentliche der Niederländer und der Komödien Shakespeares festgehalten hatte: der ›Frohsinn‹ und die ›Freiheit‹ der Figuren in Wirtshaus- und Festszenen, der ›Übermut‹ des ›bunten Lebens‹, in unmittelbarer Darstellung als höchster Inhalt der Existenz zur Anschauung gebracht und bewusst gemacht. Was den Humor des Divans allerdings noch über moderne Komödie und Genremalerei erhebt, ist sein charakteristischer Zug, die Fröhlichkeit nicht in subjektivem Selbstgenuss oder in naturalistischer Schilderung zu veräußern, sondern im besagten harmonischen Ausgleich des Humors. In Berlin notiert 233  Libelt

(1828/29), Ms. S. 42r.; vgl. Gethmann-Siefert / Stemmrich-Köhler (1983),

S. 45 f. 234  GW 19, S. 395. 235  GW 20, S. 548.

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Hegel sich zu Goethes Weg vom Subjektivismus der Frühphase zur substantiellen Humordichtung im Alter: »Göthe hat sein ganzes Leben die Liebe poetisch gemacht – sein Werther – (an diese Prosa sein Genie verschwendet) die Poësie der Liebe hat er in den Orientalen kennen gelernt – sein Divan«236. Die stürmische Überspannung und drängende Emotionalität des Werther steht stellvertretend für eine Poetisierung der ›schönen Seele‹, die als Ex­trem der Individualität abstrakt bleibt; die orientalisierende Gedichtsammlung hingegen überwindet die Sentimentalität in eine liebend-genießende Haltung, die in der Welt ist und selbstironisch hinter sich zurücktritt. Diese Bestimmung kann direkt aus dem Begriff des subjektiven Humors übernommen werden. Eine wesentliche neue Kategorie ist hingegen die ›Liebe‹, die Hegel bezüglich Goethes Spätlyrik immer wieder anspricht: Sie kann in einigen Gedichten die Liebe zu einer Frau sein, doch allgemein muss sie als Liebe überhaupt zum Sein, zur umgebenden Welt des lyrischen Ich verstanden werden. Im letzten Ästhetik-Kolleg sagt Hegel, Goethes Orientierung an den »Morgenlaender[n]« vermittele hier ein ganz anderes Liebeskonzept: »die Verinnigung mit der Rose« lässt die Liebe zur Welt als »Fest« erlebbar werden; die »Nachtigall ist der Trieb des Gesanges; der duft der Rose nährt die Nachtigall«237, will sagen: der Sänger gewinnt den Stoff seiner Dichtung aus dieser Erfahrung seinsumgreifender Liebe. Wie in der modernen Komödie ist sie der Endzweck und substantieller Inhalt der Dichtung, jedoch vielmehr allumfassend der existentielle Genuss an den Gegenständen in höchster Sinnenfreude. In seinen Berliner Exzerpten und Notizen hält Hegel demnach zur Dichtung des Hafis fest: »In die Rose Nachtigall, in die Perle sich hineinstudiren, daß sie geistiges werde«238. Dieses Geistige in den Dingen zu erblicken, ist der letzte Endzweck der orientalischen Poesie und die Voraussetzung, die Liebe zum Sein im Gesang erfahrbar zu machen. – Aus diesem Grunde überwindet Goethe noch Shakespeares punktuelle Komik, indem er die Heiterkeit des mit sich identischen Lebensgenusses in den Kontext einer substantiellen Welthaltigkeit stellt. Demgemäß notiert sich Hegel für seine Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte: »Verachtung des Todes, sowie höherer Zwek (Mühe und Arbeit ist eitel) und Genuß des Lebens – Charakter – Persische Dichter, Hafis – völlige / Poëtischer«239. Was hier stich236 

GW 22, S. 199. (1828/29), Ms. S. 103r; vgl. zum Liebeskonzept in diesem Zusammenhang Gethmann-Siefert / Stemmrich-Köhler (1983), S. 59. 238  GW 22, S. 122. Die Notiz stammt aus einem Exzerpt, das sich Hegel 1826 aus dem Taschenbuch für Damen auf das Jahr 1821 anfertigte, in welchem Auszüge aus der Übersetzung Josephs von Hammer-Purgstall abgedruckt sind. 239  GW 22, S. 193. 237  Libelt

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wortartig für nähere Ausführungen festgehalten ist, verweist auf das religionsphilosophische Konzept, in welches die Todesverachtung zur Erlebbarkeit des Lebensgenusses eingebunden ist. Es ist der ›höhere Zweck‹ der Dichtung, der hinter allen einzelnen Gesängen und Reflexionen steht; eigentlich ist er es, der genossen wird, und er macht den Genuss auf diese Weise noch umso reichhaltiger und befreiender. Schon in der Phänomenologie des Geistes beschäftigt sich Hegel im Zusammenhang seines Religionskapitels mit dem orientalischen Kulturkreis und der Religion des Lichtwesens – und auch in seinen späteren Vorlesungen über die Philosophie der Religion übernimmt er einige wesentliche Bestimmungen aus diesem Kontext.240 Vermittelt durch den geschätzten Philologen Friedrich Creuzer, vermutlich aber auch durch Anton Friedrich Justus Thibaut und die Brüder Boisserée, stand Hegel schon während seiner Nürnberger Zeit im Wissen, dass Goethe an einer Nachdichtung orientalischer Lyrik arbeitet; ein Projekt, das bereits damals Hegels Interesse auf sich zog.241 Erst in Berlin allerdings vertieft er sein Studium sowohl der altorientalischen Religionen und Kunstwerke als auch der mohammedanischen neupersischen Poesie, die er trotz ihres Entstehungszeitraums als symbolische Kunstform einstuft. So muss betont werden, dass Hegel sich in einer Zeit dem Orient zuwendet, in welcher sich die ehemaligen Frühromantiker mittlerweile längst der deutschnationalen Mittelalterbegeisterung zugewendet hatten.242 Besonders eingehend setzt Hegel sich neben Hafis mit der von Friedrich Rückert übersetzten Lyrik des Ğalāl ad-Dīn Muḥammad Rūmī aus dem 13. Jahrhundert auseinander.243 Auch die Nachdichtungen orientalischer Lyrik Rückerts, die Oestlichen

240 

Vgl. im Folgenden Bonsiepen (1981), S. 197 ff. Vgl. Pöggeler (1971), S. 113. 242  Vgl. Gethmann-Siefert / Stemmrich-Köhler (1983), S. 56 f. 243  Auch die Geschichte der schönen Redekünste Persiens des Orientalisten Joseph von Hammer-Purgstall aus dem Jahre 1818 wählt sich Hegel zu einer der Quellen seiner Beschäftigung und macht sich ausführliche Notizen. Hammers Sammlungen und vor allem die Übersetzung des Divans von Hafis, aber auch einiger Auszüge aus dem Šāhnāmeh, dem Königsbuch, des Abū ’l-Qāsim Firdausī, haben Goethes Arbeit an seinem eigenen Divan den Stoff gegeben. Im Ästhetik-Kolleg von 1828/29 erwähnt Hegel explizit dessen Studien sowie damit verbundene Übersetzungen bezogen auf die persische Dichtung. Zugleich muss aber betont werden, dass Hegel die romantisierenden Deutungsabsichten Hammers in ein deutlich klassisches, d. h. den ganzen Menschen betreffendes Verständnis der orientalischen Dichtung überträgt. Ebenso distanziert er sich unmissverständlich von Hammers Parallelziehung zwischen dem persischen Gründungsepos des Firdausī und einem möglichen Nationalepos der Deutschen. Vgl. Libelt (1828/29), Ms. S. 64v, 65v; vgl. den Brief K.J.F. Roths an Jacobi vom 24.–29. September 1815, zit. n. Nicolin (1970a), S. 118; vgl. hierzu auch Bonsiepen (1981), S. 200; Stemmrich-Köhler (1992), S. 193 ff. 241 

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Rosen von 1822, stoßen auf Hegels größte Zustimmung.244 Zusammenschauend lässt sich festhalten, dass diese Studien Hegels Urteil über die islamische Dichtung in hohem Maße aufwerten; fortan erblickt er in ihr einen bedeutsamen Gegenentwurf zum zunehmenden Substantialitätsverlust in der Kunst der modernen okzidentalen Kultur. Denn während das Abendland »sich in Zufälligkeit und Partikularität einzuhausen begann, zerschlug der Islam alle Abhängigkeit und machte das Wissen des Einen, Absoluten zum einzigen Zweck der Wirklichkeit«245. Als künstlerischen Ausdruck dieses Welt- und Selbstverständnisses begreift Hegel die neupersische Poesie als das Streben nach Eingang ins Göttliche, jedoch nicht aufgefasst als Negation von Leiblichkeit und Endlichkeit, sondern im Gegenteil als eine geradezu sinnenfrohe Wiedererkennung der eigenen Geistigkeit in allen anderen Dingen, eine Harmonie und Analogie zu den Geschöpfen des weltlichen Daseins. Decken lässt sich die Deutung Hegels durchaus mit Goethes Selbstverständnis, wenn dieser in einem Brief an Zelter schreibt, er habe ganz charakteristisch orientalisch in der Dichtung das »wunderliche Ganze« in einem Reigen von Bildern gegeben, so dass es »durchdrungen von dem Sinn des Ganzen«246 sei. Dieses Kunstkonzept steht dann vor allem im Zeichen des Pantheismus, das die letzten noch offenen Probleme des Humor-Begriffs Hegels löst und seine Überlegungen zu dieser Kunstgestalt abrundet. Im Vortragssaal führt Hegel zur philosophischen Grundlage der DivanDichtung näher aus, bei den »Morgenländer[n]« sei »der Pantheismus glänzend ausgesprochen«, denn sie »haben das Eine, und als solches ist es nicht dieses, nicht jenes«247. Damit ist angegeben, dass der wahre Pantheismus nicht darin gefunden werden könne, das Eine als zusammengenommene Summe aller Besonderheiten zu begreifen, sondern dass seine Wahrheit das Eine ist, das alles umfasst und alles bezeichnet, somit alle nur abstrakt voneinander Unterschiedenen in ihrer Differenz gegeneinander in diesem Einen aufgehen müssen. Hegel meint dazu: »das Eine wird ausgesprochen als das Vortrefflichste im Allen«, und dieses Vortrefflichste ist der »Gedanke«, der »das Allgemeine im Allen«248 ist. Wenn aber Alles letztlich die Hülle des Einen ist und dieses Eine der Gedanke, ist der einzelne subjektive Gedanke – mein Gedanke, der an diesem Einen Gedanken teilhat –, zugleich das lebendige Feuer, das in allem anderen brennt. Unter Rekurs auf Rückerts Übersetzung des Rūmī verdeutlicht sich, dass Hegel den philosophischen Kern 244 

Vgl. Libelt (1828/29), Ms. S. 102v. Bonsiepen (1981), S. 198 f. 246  Brief Goethes vom 17. Mai 1815 an Zelter in: Goethe: SW 20,1, S. 383. 247  Libelt (1828/29), Ms. S. 64v. 248 Ebd. 245 

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der neupersischen Poesie darin sieht, dass in ihr das gedankenvolle Ich seine innige Beziehung auf das Eine ausspricht; es artikuliert sein »bewußtsein dieser Einheit« und erkennt seinen Gedanken dabei »in allen Gestaltungen der Erde«249 wieder. Es ist die bewusste und gedankenerfüllte Liebe zu allem Sein, die sich in der Dichtung ausdrückt, denn das Göttliche, das als eigener Geist der Innerlichkeit erkannt wird, ist dasselbe Göttliche, das in den Dingen ruht. – In der Einheit der Einen Substanz findet alles Weltliche seine höhere Wahrheit: die Natur, die Dinge in ihr, die Geschichte, die einzelne Seele und überhaupt alle Seelen – es ist die substantielle Befreiung des menschlichen Geistes, in dieser Substanz aufzugehen und in ihr seine wesentliche Bestimmung des Selbstbewusstseins zu finden. In der orientalischen Dichtung wird somit im Gegenstande das Göttliche gepriesen; sie bildet das – mit dem Faust gesprochen – ›geistige Band‹ zwischen dem endlichen menschlichen Geist und dem geistigen Sein als Immanenz Gottes in ästhetischer Darstellung nach. Die Poesie wird somit ein bedeutender Ausdruck des sich selbst als Geist erkennenden Geistes, der sich im Gegenstand zu sich selbst verhält. Für die Dichtung der Gegenwart gewinnt das sowohl topographisch als auch historisch ferne Poesiekonzept in Hegels Deutung einige Relevanz. Vermittelt über Rückerts Übersetzung und noch stärker für das Abendländische angeeignet durch Goethes Nachdichtung stellt es für Hegel insbesondere gegenüber der herausgearbeiteten leeren ›Sehnsüchtigkeit‹ der Romantiker einen gelungenen Versuch dar, zeitgenössisch und dennoch deutlich darüber hinausgreifend zu einer neuen Substantialität zu finden.250 Diesbezüglich betont Hegel, im objektiven Humor »ist keine Sehnsucht, kein Verlangen«, die »freie reine Phantasie ist ohne diese Begierde«, denn »sie ist in dem Gegenstande, macht vergnügt über denselben hundert Einfälle«; und Hegel benennt sofort, was er zu diesem künstlerischen Geist rechnet: »die Gedichte von Hafis haben alle diesen Caracter in sich, der westöstliche Divan von Goethe. Oestliche Rosen von Rückert«251. Vor allem der späte Goethe hat Hegel zufolge durch eine genauso leichtfüßige wie weise Heiterkeit einen bisher unbekannten Geist in die aktuelle Lyrik gebracht, der aus einem anderen Kulturkreis stammend wesentlichen Ausdruck für das Hier und Jetzt erreicht. Es findet Hegels hochschätzendes Urteil, dass einerseits Goethe im Alter seinen Klassizismus in den orientalischen Bereich hinein öffnet und darin eine volle Wahrheit findet sowie andererseits Rückert den deutschen Kulturkreis an der 249 

Ebd., Ms. S. 65v. Vgl. hierzu auch Kwon (2001), S. 178 ff. 251  Libelt (1828/29), Ms. S. 102v. 250 

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unmittelbaren Lebendigkeit der neupersischen Dichtung teilhaben lässt und ein feines Gespür für seine Quellen zeigt. Es muss als eine eigentümliche Leistung Goethes anerkannt werden, in der orientalischen Dichtung eine Weisheit gefunden zu haben, die er, von ihr fasziniert, mit seinem Humanismus zu verbinden weiß: dass nämlich alle Dinge des Seins schlechthin gleichen Wert besitzen.252 Doch das Gegenteil eines bloßen Bewahrens dieser Vereinzelten soll angestrebt werden: Die Dichtung, so das Projekt Goethes, hat alle Zersplitterungen wieder zusammenzufügen und dem Menschen in diesem All-Einen seinen lebendigen Zusammenhang zu schenken. Ähnlich wie in der kritisierten Dichtung der romantischen Innerlichkeit findet Hegel demnach in dieser orientalisierenden Lyrik zunächst eine Entzweiung von Subjektivität und Objektivität, Bewusstsein und Welt vollzogen, und zwar als Ausgangspunkt; diese verirrt sich jedoch nicht in der Sehnsucht des Gemüts nach dem Absoluten, sondern findet in der befreienden Heiterkeit der Versenkung in das Eine die Möglichkeit, die leere Selbstsucht und schwärmerische Empfindsamkeit zu überwinden und aufzuheben. Das Subjekt lässt in dieser Versenkung sein Selbst in die Substantialität des Absoluten eingehen, in welcher es das Bild seiner selbst als Göttlichkeit erkennt, eine Weise des Weltbezugs, in der in allen Dingen das Göttliche als Geistiges schlummernd entdeckt wird, in der nicht irgendein fremder Geist, sondern der eigene Geist in allen Dingen lebt, in der das Dichter-Ich seinen Geist in den Erscheinungen anschaut. Indem er diese besingt, gibt er Kunde von seinem Weltbezug, und zwar in voller Freude über das Sein, als leiblicher, sinnlicher »Genuß«, an der »Freiheit«, an der »Ueppigkeit«, am »Wein«253. Dieses »Preisen des zeitigen Genusses« ist Hegel ein Ausdruck der »Freiheit des Geistes über die Gebundenheiten der Welt«254, wie auch Goethe in den Noten und Abhandlungen schreibt, der Dichter »vergeudet die ihm verliehene Gabe im Genuß, um Genuß hervorzubringen«255; und es sei hervorgehoben, dass dieser Genuss nicht bloß geistige Anteilnahme ist, sondern gleichsam sensualistische.256 Wie Hegel 1826 näher ausführt, befinde sich »das Eine als absolute Substanz« in einem »affirmative[n] Verhältnis zu der endlichen Gestaltung«, um es von dort aus sogleich als etwas »Dauerndes«257 festzuhalten. So steht das frohe und sinnenfrohe Vertiefen in die Gegenstände, von welcher Hegel anlässlich des objektiven Humors, zur Abgrenzung gegenüber dem subjek252 

Vgl. Lemmel (1987), S. 70 ff. Libelt (1828/29), Ms. S. 102v. 254  Ebd., Ms. S. 151r. 255  Goethe: SW 11,1,2, S. 147. 256  Vgl. Bollacher (1996), S. 69. 257  Kehler (1826), S. 92. 253 

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tiven und der Ironie, spricht, im Horizont dieses umfassenden, weltzugewandten Pantheismus.258 – Mit diesem entscheidenden Zielpunkt der Argumentation, an dem die Verinnigung des Geistes im Gegenstande ihre volle Bestimmung erfährt, ist Hegel auch der Nachweis einer neuen Substantialität der Kunst im Humor gelungen. Im Anschluss an diesen Darstellungsgang von der Ironie über den subjektiven zum objektiven Humor wird Hegels auf den ersten Blick vielleicht schwer nachvollziehbare Entscheidung, gerade Goethes Divan als ein ideal­ typisches Modell moderner Dichtung zu definieren, verständlicher: Eine Kunst, die von der heiteren Erfahrung des Geistes eines liebenden Sich-Wiederfindens in den endlichen Dingen seines Lebenszusammenhangs singt, entspricht wie keine andere dem geistphilosophischen Begriff der Kunst, den Hegel schlechthin zur Grundlage und zum Vollbegriff seiner Ästhetik nimmt. Zudem offenbart das selbstbewusste Vorbringen dieser neuen Wesentlichkeit vor dem Hintergrund der Auseinandersetzung mit dem objektiven Humor Hegels Anliegen, weder in einem rückwärtsgewandten Klassizismus noch in einer Form von germanisierender Nationalpoesie die Zukunft der Kunst zu sehen. Wie Gethmann-Siefert und Barbara Stemmrich-Köhler nachweisen, gibt nicht etwa Goethes Faust, auch keine Werke, die klassische Formen wiederholen wollen, sondern die mehr im Geiste des Symbolischen verankerte orientalische und orientalisierende Dichtung die ganz moderne Stufe der Poesie ab.259 Hegel schätzt den Gedichtzyklus, weil hier über die abendländische Reduktion auf subjektive Innerlichkeit hinweg eine verloren gegangene unmittelbare Erfahrung eingebettet in komplexe religionsphilosophische Weisheit des Geistes wiederangeeignet werden kann. Dies ist wie gezeigt als eine Entscheidung für den Pantheismus in der Kunst zu deuten. – Dass diese Wesentlichkeit aber nicht im eigenen Kulturkreis, sondern in der Ferne des Morgenlandes erspäht wird, ist Hegel kein zufälliger oder gar hinderlicher Umstand, sondern für diese Wesentlichkeit geradezu konstitutiv und ein weiterer zu unterstreichender Aspekt: Als Aneignung einer fremden Kultur und ihrer eigentümlichen Poesie entsteht die Welthaltigkeit der zum Ausdruck gebrachten geistigen Erfahrung Goethes überhaupt erst aus der Konfrontation zweier Kulturräume.260 »Goethes westmorgenländischer Divan, entsprang daraus, daß ein westlicher Mensch östliches aufnimmt, daher der schickliche Name«, sagt Hegel im Vortrag; doch zugleich werde die kulturelle 258 

Vgl. Henrich (2003b), S. 111 ff. Gethmann-Siefert / Stemmrich-Köhler (1983), passim, weitergehend auch S. 51 f.; Gethmann-Siefert (2005c), S. 60 ff. 260  Vgl. Gethmann-Siefert (1993), S. 228; Kwon (2001), S. 226 f.; Gethmann-Siefert (2005a), S. 343 f.; Kwon (2005), S. 16, 21 f. 259  Vgl.

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Differenz innerhalb dieses Verhältnisses konsequent markiert, es werde keineswegs vorgegaukelt, als würde »die traditionelle Mithologie« etwas »einheimisches in uns« sein, »noch für den Künstler noch für das Publicum«, sondern stattdessen das »substantielle«, »die östliche Unabhängigkeit der Freiheit in den kleinsten dingen«, als »Gegensatz«261 gegenwärtig und nur auf diesem Wege lebendig gemacht und gehalten. Diese Dichtung ist also keine Kopie oder Nachdichtung der Orientalen, sondern eine eigenständige, zeitgenössische, lebendige im getroffenen Geiste der Vorbilder. Das bedeutet weiterführend: Thüringische und persische Landschaft treten in der Bildsprache einander gegenüber. Das Fremde trifft auf das Eigene – zwischen beide setzt sich vermittelnd das Medium Sprache – das Fremde wird auf diesem Wege zugänglich gemacht – so dass das Eigene anders erfahrbar wird. In gleichem Maße aber wie die Fremdheit vertrauter scheint, stellt sich ein Abstand zum vertrauten kulturellen Eigentum her. Die Fremdheit, ein in sich wahrer und vollendeter Geist, jedoch gänzlich im Verhältnis der Andersheit, lässt die gewohnten ästhetischen und sittlichen Ordnungen ein Stück weit fraglich erscheinen; zumindest wird ihre Gültigkeit zur Option gestellt. Das gilt nicht zuletzt für den problematischen Subjektivismus. Die Haltung, die auf diesem Wege eingenommen werden kann, lässt den Menschen abrücken von seiner Verbundenheit mit der Lebenssphäre; er lässt sich auf Fremdheit ein. Die somit vollzogene Distanzierung erlaubt es wiederum, dem Eigenen nicht mehr zwangsläufig bitterernst, pathetisch-feierlich oder in unangemessener Huldigung begegnen zu müssen, sondern es auch selbstironisch und würdevoll heiter nehmen zu können. Das Komische des Humors relativiert auf diese Weise die unbedingt erscheinenden Hegelschen ›Gesinnungen‹ und Überzeugungen und erhebt dieses Subjekt zu einem Selbstbewusstsein des umfassenden, kunst-, religions- und kulturübergreifenden Geistes. Humoristische Dichtung mit ihrer herausgearbeiteten Heiterkeit der Verbundenheit mit der Welt ist daher bei Hegel keineswegs eine starre Versöhnungsphilosophie; in sich bewegt, entfremdet und wieder zusammengenommen, speist sich der Humor zugleich aus der Kraft der komischen Selbstdistanzierung, des lachenden Hinter-sich-Zurücktretens, das unhinterfragte Gültigkeiten in Frage stellt und starre Haltungen flüssig macht. Im selben Zuge vermittelt diese Kunst fremden Geist, eine andere Welteinstellung und Lebensform sowie eine auf kulturelle und geschichtliche Pluralität gehende neue Humanität zur Herausbildung weltgeistigen Bewusstseins.262 Die Kunst wird in diesem Sinne horizonterweiternd, und zwar nicht durch ein auf eindimensio261  262 

Libelt (1828/29), Ms. S. 42r f. Vgl. Kwon (2005), S. 16 ff., 21 f.

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nale Belehrung setzendes Bildungsprogramm, sondern durch eine subjektiv vermittelte Konfrontation, die einen freien geistigen Prozess provoziert. Gethmann-Siefert weist darauf hin, dass sich diese Qualität beispielsweise für das religiöse Selbst auch in einem Bewusstseinswandel auswirken könne, d. h. dass die Zuordnungen von Wesentlichkeit und Unwesentlichkeit hinsichtlich der Sphären des Unendlichen und Endlichen ins Wanken geraten: Durch die Gegenüberstellung der eigenen und einer fremden Religiosität entstehe im modernen Individuum »ein Endlichkeitsbewußtsein«, welches »nicht wie in der christlichen Weltanschauung als negative, allenfalls zur Hoffnung Anlaß gebende Erfahrung charakterisiert [werde], sondern als ein bewußtes Sich-Begnügen in der Endlichkeit«263. – Mit diesem Umstand sind sodann zwei voneinander zu unterscheidende Aspekte verbunden: Zum einen zeigt sich an der Relativierung des religiösen Inhalts eine Facette des Komischen, hier in humoristischer Vergeistigung, die bereits im Zusammenhang von Komödie und Satire herausgearbeitet worden ist: nämlich die erlebbar und bewusst werdende Endlichkeit des Menschlichen, als Betonung seiner leiblichen Seite sowie der Selbständigkeit und Freiheit des menschlichen Daseins im genussvoll erlebten und geistig vertieften Nachvollzug seiner Subjektivität. Auch das Komische des objektiven Humors kappt die Seile, mit denen der Mensch an die orientierungsstiftende Autorität der allgemeinen Volksreligion gebunden ist, und befreit ihn zum Genuss der schönen Heiterkeit des Endlichen. Dank der Nachschrift von der Pfordtens kann auch Hegels Divan‑Rezeption in den Zusammenhang der dargestellten Überwindung des christlichen Lachverbots durch den sinnenfrohen und diesseitszugewandten Humor gestellt werden, denn darin wird notiert, dass die »freien Orientalen […] im Unterschied zum Schmerz, zur Klage des Gemüts« ein »Gefallen« und eine pantheistisch fundierte »Befriedigung«264 an der Welt finden, sich also gerade nicht von ihr als vermeintliches Reich des Schmerzes und der Not lösen wollen. – Zum anderen gewinnt die Individualität des objektiven Humors eine neue Sittlichkeit durch das in der kulturellen Konfrontation gestiftete kosmopolitische Moment: Im Aufeinanderprall zweier großer Weltkulturen, wie Goethe in seinem Divan als einem großen Wurf vorführt, wird der Bezugsrahmen des subjektiven Humors von der Enge der bürgerlichen Privatheit in nichts Geringeres als die geschichtlich-kulturelle Sittlichkeit der Welt erweitert und so dem Individuum ein Hintergrund verschafft, vor dem es sich eine neue Substantialität garantiert.265 263 

Gethmann-Siefert (2005b), S. 185. Von der Pfordten (1826), S. 143. 265  Vgl. Gethmann-Siefert (2005b), S. 184 f. An dieser Stelle muss ausdrücklich Par264 

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Der Humor öffnet sich generell der Gemeinschaft mit anderen Menschen, er entwickelt damit die Sphäre des Sittlichen für eine moderne Kunst, die, zumindest nach ihren Wesensbestimmungen, eine vereinzelte Subjektivität in den Mittelpunkt stellt. Auf diese Weise werden die als das »Abendländische[]« identifizierte »Begierde, das Ausgehen von sich«, die »selbstsüchtige Bewegung«, die »Krankhaftigkeit« und die »Konzentration des Gemüts«, wie sie in der romantischen Ironie begegnen, zum »Interesse« und »Gefallen« am Objekt, zur »Betrachtung des Gegenstandes in seiner Objektivität«, zum »freie[n], heitere[n] Geist des Orients«266 überwunden. Bei Jean Paul gelangt die Poesie lediglich zu einem epigrammatischen, durch Analogien des subjektiven Witzes hergestellten Gegenstands- und Weltbezug; bei Hippel ist sie weitergehend vom partikularen Standpunkt des Lebenskreises eine wesentliche Verinnigung als geistige Versenkung in die sittliche Welt, auch wenn dieser ob der Partialität keine wahre Notwendigkeit zukommt. Die zur Vorstellung gebrachte Allgemeinheit ist bei Jean Paul und Hippel nur der eng begrenzte Rahmen einer kleinen Sphäre des privaten Glücks, die bei Hippel immerhin den Blick ins Weltliche wirft. Doch am objektiven Humor Goethes schließlich setzt Hegel einerseits auseinander, wie wahre ›Verinnigung‹ erreicht werden kann, wie moderne Kunst den allseitigen Bezug des dichterischen Gedankens auf die Totalität des Daseins gewinnen kann, wie die Liebe des Gedankens zu seinesgleichen in den göttlich erfüllten Dingen, die Wiedererkennung seiner selbst in der sich offenbarenden Einheit in Allem künstlerisch erscheinen und dichterisches Selbstbewusstsein erlangen kann; andererseits wie diese Kunst innerhalb der ästhetisch zugänglich gewordenen Totalität des Seins und der Heiterkeit ihres sinnlich-endlichen Genusses dennoch lebendige Brüche ermöglicht, Fremdheit herstellt, so dass durch fröhliche Selbstdistanzierung weltumgreifendes Denken und Erfahren aus okzidentalem und orientalischem Dichten ermöglicht wird. Dies ist Hegel der Pantheismus in der Poesie, mit welchem die Vorlesungen die höchste Stufe der künstlerischen Möglichkeiten in der Moderne erreichen. Wenn vernachlässigt wird, dass Hegel eigentlich erst im letzten Ästhetik-Kolleg zu diesem wesentlichsten Begriff findet, könnte es scheinen, als würden alle tei für Gethmann-Sieferts Interpretation der Goethe-Lektüre Hegels ergriffen werden, die insbesondere das sittlich-geschichtliche Moment des objektiven Humors hervorhebt. Wenn Benjamin Rutter (2010), S. 239 ff. explizit gegen diese Lesart behauptet, Hegel komme es angesichts des Divans allein auf eine ›sentimental education‹ an, geht er an der Dimension der Wiederaneignung orientalischer Geistigkeit durch eine ausgemacht interkulturelle Perspektive des lyrischen Ich Goethes vorbei. Nichts anderes betont aber Hegel in seiner 1828/29er-Vorlesung, wenn er vom Aufgreifen des Östlichen durch das Westliche spricht. 266  Kehler (1826), S. 109.

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seine Reflexionen zu den Romantikern, zu Hamann, Jean Paul und Hippel auf diese letzte Gestalt hinarbeiten und harmonisch in ihr gipfeln. Die einst zerfallene und auf diesem langen Wege gesuchte notwendige Verbindung zwischen der freien modernen Subjektivität und der Gegenständlichkeit ist hiermit gefunden worden: In der Kunst erkennt sich der Geist objektiv in seiner Welt.

6.  Letzte Vertiefung der letzten geschichtlichen Erscheinung Am Ende der Auseinandersetzung mit Hegels Theorie des Humors sowie damit zusammenhängender Kritik an der Ironie wird deutlich, dass der Impuls Hegels, sich philosophisch mit der Kunst auseinanderzusetzen, im Besonderen dem Bedürfnis entspringt, »eine umfassende und in die Tiefe reichende Diagnose der eigenen Gegenwart zu gewinnen«267. So geht es ihm auch im Falle des Humors – und hier sogar noch stärker als hinsichtlich der Komödie – nicht um einen Klassizismus, ein Schwelgen in den Erinnerungen an bessere und vor allem schönere Zeiten, sondern um die Verortung des Jetzt im Kontinuum der Geschichte des Geistes. Dabei wird die Kunst nicht bloß für sich betrachtet, sondern die geistphilosophische Deutung impliziert, sie immer in Abhängigkeit von gesellschaftlichen, politischen, religiösen und philosophischen Verhältnissen und Bezügen zu denken. – Zur allgemeinen Rekapitulation dieses Kapitels sei daher zusammengefasst, dass in der Komödie die freie Subjektivität die Erfahrung ihrer Selbständigkeit, ihrer höheren Wahrheit in sich selbst, ihrer Aufgabe, sich selber als das absolute Schicksal zu begreifen, macht. Bis in die Ironie hinein verschärft sich diese Vereinzelung und Absolutsetzung und wird problematisch. Der Humor als komische Dichtung ist jedoch generell von diesem Ironismus abzuheben. Das konnte durch dieses Kapitel in einem längeren Nachweis gezeigt werden. Zugleich ist seine subjektive Variante nicht frei von ironischen Anteilen. Als Haupt­ unterscheidungskriterium konnte festgehalten werden, dass es gerade das Komische in seiner Manifestation des Witzes ist, das dem subjektiven Humor das Weltverhältnis stiftet; zugleich schöpfte umgekehrt der Erzählerautor aus diesem seine Souveränität über alles Stoffliche. Dass der Humor auch historisch seinen Ursprung in der Komödie hat, wie eingangs zum Elisabethanischen Theater in England, etwa den Stücken Ben Jonsons, festgehalten wurde, findet sich bei Hegel somit als indirekte begriffliche Bestimmung wieder: Die lachende Selbstbezüglichkeit der Subjektivität, die Selbstgewissheit 267 

Henrich (2003b), S. 65.

Letzte Vertiefung der letzten geschichtlichen Erscheinung

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der Selbstgesetzlichkeit der Komödie, stellt sich in der Vermittlung des Weltverhältnisses erst her. Doch der subjektive Humor lässt sich nicht vollständig auf die substantielle Ordnung der Wirklichkeit als sittliche Verwirklichung von Freiheit ein, er verschafft ihr auf dem Felde des Ästhetischen eine neue, selbstgestiftete Ordnung, die sich durch die Analogieziehungen des Witzes konstituiert. Immer bleibt hier ein Bruch, die Entzweiung lässt sich nicht vollständig schließen. Es ist Hegel nicht entgangen, dass Jean Paul in nahezu enzyklopädischer Absicht »im Besitz des Wissens seiner Zeit« ist, im naturwissenschaftlichen, kulturgeschichtlichen, psychologischen, juristischen, künstlerischen, religiösen und philosophischen Gebiete; dieser Besitz wird bei ihm jedoch, wie Hegel ja auch zur Anhäufungsabsicht der französischen Aufklärer bemerkt, »zu unverbundenem Stoff« verarbeitet, um ihn im selben Zuge »neu zu gruppieren« und daran zu demonstrieren, dass es ein »unabhängige[r] Geist«268 ist, der nichts unversucht lässt. Erst der objektive Humor des Divan überwindet seinen subjektiven Bruder, etwa auch den Bruder Grauls in Gestalt des Giannozzo; Goethe schreibt nämlich 1815 an Zelter: »Das Orientalisieren finde ich sehr gefährlich, denn eh man sich’s versieht, geht das derbste Gedicht, wie ein Luftballon für lauter rationellem und spirituellem Gas, womit es sich anfüllt, uns aus den Händen und in alle Lüfte.«269 Das weiß er in seiner Dichtung eben zu verhindern. In Beziehung auf den äußerlich bleibenden Witz liegt das Prinzip dieser Gestalt nicht in subjektiven Analogieziehungen, sondern in einem substantielleren und tieferen Sinne in einer objektiven Identität zwischen den heterogenen Polen: Als pantheistische Dichtung wird die bloße Feststellung von Ähnlichkeit in ein wahrhaftes Erkennen des endlichen Geistes in der Geistigkeit des Weltganzen überwunden. Komisch ist ein solches Verhältnis in der aufgedeckten Harmonie zwischen Geist und Gegenstand, wodurch sich freie Heiterkeit als unendlicher Genuss der endlichen Dinge manifestiert. Diese milde Heiterkeit als Ausdruck der wahren Freiheit ist Hegel der höchste Ausdruck der Kunst. Doch trotz dieser Differenzen zwischen den einzelnen Formen der Dichtung, denen sich Hegel in seiner Gegenwart zuwendet, hat es seine Berechtigung, dass er Jean Pauls Romane und Goethes späte Orientzuwendung, zudem noch die Literatur Hippels, unter ein und derselben ästhetischen Kategorie behandelt: Goethe im Divan ist durchaus Humorist, und zwar als Poet des heiteren, leichten Spiels mit Traditionen, als Arrangeur überborden-

268  269 

Böschenstein (1974), S. 337. Brief Goethes vom 17. April 1815 an Zelter in: Goethe: SW 20,1, S. 371 f.

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der Kombinatorik von Inhalten und Bildern, als witziger Wortjongleur.270 Vice versa öffnet auch Jean Paul seine Dichtung für Inhalte der religiösen Vorstellung und noch mehr des philosophischen Begriffs; zudem leben beide Textkonvolute durch »das Prinzip des Selbstkommentars«, aber auch durch »das Filigranwerk inter- und intratextueller Bezüge und Anspielungen, das wechselvolle Spiel der Masken, Rollen und Gesten«271. Nicht umsonst ist Jean Paul der einzige Dichter, der in Goethes Divan namentlich genannt wird, und zwar als artverwandter Poet der »Orientalität«, der wie Goethe zu den »orientalisierenden Modernen«272 gezählt zu werden habe. Wie im Zusammenhang des zweischneidigen Urteils gesehen werden konnte, meint Goethe, durch alle unverträglichen Einfälle schlinge sich ›ein geheimer Faden der Ganzheit‹. Dies alles ist für Hannelore Schlaffer ein Indiz für die poetologische Nähe zwischen Jean Paul und Goethe, vor allem wenn man beider Werke zur »gedichteten Kunsttheorie«273 rechnet. Oszilliert allerdings der subjektive Humor noch, schematisch schwer greifbar, als ganzes Facettenspektrum zwischen Schlegel und Goethe, hat der objektive Humor, das betont Hegel mehrfach und ausdrücklich, die Ironie endgültig überwunden.274 Entgegen der Überbetonung der Subjektivität wird in ihm durch eine erneute ästhetische Revolution wieder Substantialität hergestellt, und zwar erfüllt von der Erfahrung dieses Extrems. Offenbar legt Hegel den objektiven Humor aber nicht auf den Roman fest, sondern entdeckt neben der Dichtung Hippels in der Lyrik Goethes geradezu die Idealgestalt. Zu dieser möglichen Irritation muss aber angemerkt werden, dass der Divan zusammen mit seinen Noten und Abhandlungen von nahezu 270 

Zum Beleg ließe sich hier eine Vielzahl von Versen und Passagen angeben; so wie etwa diese: »Amarante: Ich sah und brannte. / Raute: Wer schaute? / Haar vom Tiger: Ein kühner Krieger. / Haar der Gazelle: An welcher Stelle? / Büschel von Haaren: Du sollst’s erfahren. / Kreide: Meide. / Stroh: Ich brenne lichterloh.« Goethe: SW 11,1,2, S. 197 f. – Goethe beweist eindrucksvoll sein Können im humoristischen Fach, er weiß – eine Zusammenstellung Martin Bollachers zeigt dies sehr schön –, wie man »den ›Mäusedreck‹ und das ›Gänsespiel‹ zu poetischen Ehren« bringt und »›Antichambern‹ auf ›Koriandern‹ reimen« lässt; übers Kreuz »verknüpft Goethe nicht nur Unwörter wie ›bedünkeln‹ und ›Fünkeln‹ oder paart die ›Not‹ mit dem ›trocknen Kot‹ oder das unschuldige ›mindern‹ mit dem anstößigen ›Hintern‹, sondern er inszeniert auch durchgehend einen Wechsel der Stilebenen und Töne, die vom Didaktischen, Parabolischen und Polemischen über das Humoristische bis zum Enthusiastischen, vom Knittelvers und vom prägnanten Sinnspruch bis zum feierlichen Lehrgedicht, vom monologischen oder dialogischen Liebespoem bis zur Nachformung des persischen Ghasels reichen«. Bollacher (1996), S. 64. 271  Bollacher (1996), S. 57. 272  Schlaffer (1984), S. 221. 273  Ebd., S. 218, vgl. auch S. 221 f. 274  Vgl. Kehler (1826), S. 109, 197 f.; von der Pfordten (1826), S. 223; Libelt (1828/29), Ms. S. 42r f., 102r f.

Letzte Vertiefung der letzten geschichtlichen Erscheinung

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vergleichbarer epischer Breite wie die Romane Hippels ist; beide verbindet zudem die humoristisch gebrochene ästhetische Entfaltung in arrangierten, spontan wirkenden Gedankenblitzen, die eher ein dichterisches Feld subjektiver Reflexivität denn einen geordneten Vortrag hervorbringen. Ohne Zweifel ist es aber mehr die Poesie Goethes, der paradigmatische Funktion zugesprochen wird. Objektiver Humor ist somit in diesem vorbildlichen Falle die moderne Kunst freier, heiterer Subjektivität, die durch einen pantheistisch fundierten Subjekt-Objekt-Bezug das Wissen vom Absoluten als Ganzheit der östlichen genauso wie der westlichen Weisheit anstrebt. Dieser Pantheismus ist die letzte in der Moderne noch mögliche Weise einer philosophischen Erfassung der Totalität geistigen Seins, die selbstverständlich nicht einfach in Dichtung übersetzt werden kann. Dennoch ist es aber das pantheistische Gesamtkunstwerk, das sich vom subjektiven Standpunkt mit den Möglichkeiten vergeistigter Dichtung eine umfassende Welterkenntnis erschließt. So ist es natürlich kein Zufall, dass sich Hegel mit dem Divan ausschließlich in den beiden Kollegien eingehend beschäftigt, die sich gegenüber den vorhergehenden mit besonderer Konzentration der Frage nach einer möglichen Wiedergewinnung der Substantialität für die moderne Kunst widmen und in diesem Zusammenhang vor allem die Bedeutsamkeit geschichtlicher Formen für die Gegenwart thematisieren. Die Frage nach dem Humor wird demnach zur Auseinandersetzung mit einer der entscheidendsten Fragen der Hegelschen Kunstphilosophie: nämlich zur Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit, unter denen nach dem diagnostizierten Ende in der Moderne weiterhin noch Kunst entstehen kann. Es ist dieselbe Frage, die bereits am Ende des VI. Kapitels der vorliegenden Untersuchung zum Ende der klassischen Kunst durch die Komödie gestellt wurde: Wie wird Kunst wieder substantiell? Mit den Bestimmungen des objektiven Humors ist sie nun an einem weitaus späteren Punkt der Argumentation beantwortet worden. So wie der Humor in dieser Weise interpretiert wird, mag es allerdings vorderhand scheinen, als würde ein Problem entstehen: Kann mit diesen Gedanken Hegels gemeint sein, dass moderne Kunst zumindest in den vollendeten Werken des objektiven Humors wieder im Vollsinne des klassischen Ideals als wahrhafte Wirklichkeit des modernen Geistes beurteilt werden muss? Anders gefragt: Wie soll in einer Zeit, in welcher eine universale Geistigkeit, die den sittlichen und absoluten Zusammenhang der objektiven Welt der Substanz zu Bewusstsein bringt und die sich gerade mit den Mitteln der Kunst nicht mehr adäquat ausdrücken kann, der künstlerische Ausdruck wieder substantiell werden können? Vor dem Hintergrund der am Schluss des vorhergehenden Unterkapitels zu Hippel festgehaltenen Option, mit dem objektiven Humor das Romantische abzuschließen und gar in ein neues

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Humor als höchste Gestalt der modernen Kunst

Ideal überzuleiten – auch wenn dies bei Hegel nicht explizit zu Ende ausgeführt wird –, erscheint die Widersprüchlichkeit der Aussagen noch gravierender. Denn wie soll die Kunst angemessene Bilder oder Vorstellungen für das Selbstbewusstsein des Geistes bereitstellen, wenn sich dieser Geist allein im begrifflichen Denken der Philosophie zur vollständigen Durchsicht bringen kann? Diese Fragen gehen somit in dem Einwand gegen die vorangegangene Deutung des Humors zusammen, dass ihre Kernthese scheinbar die sogenannte ›These vom Ende der Kunst‹ für ungültig erklären würde. Der späte Hegel der Vorlesungskollegien von 1826 und 1828/29 würde in diesem Sinne die Bestimmung des Vergangenheitscharakters der Kunst korrigieren und auch den ganz modernen Gestaltungen bewilligen, dem Geist adäquates Erkenntnismedium zu sein. Eine solche argumentative Konsequenz aus den festgehaltenen Ergebnissen der Untersuchung zu ziehen, würde die Seile freilich überspannen. Von einer ›Aufhebung der These vom Ende der Kunst‹ in Hegels Spätphilosophie zu sprechen, würde nicht nur dem Gegenstand nicht gerecht werden können, sondern ebenso Hegels geistphilosophischen Ansatz der Ästhetik systematisch unterwandern. Doch auch Dieter Henrich fragt sich bezüglich des objektiven Humors, »ob Hegel diese Figuration […] in seine Erklärung der Gründe und der Folgen dieses Endes überzeugend integriert hat« oder ob damit nicht ein »Moment« eingebracht wird, »das in Hegels Diagnose der Kunst der Gegenwart und in seiner Prognose einer Kunstproduktion der Zukunft eine Perspektive freikommen läßt, welche beide über die Grenzen von Hegels eigener philosophischer Intention hinaustreibt«275. Er gesteht zwar ein, Hegel wollte »die These vom Ende nicht mehr als gleichbedeutend mit der These vom endgültigen Zerfall der Kunst angesehen wissen, den Ausgang der Kunst also mit der Anerkennung dessen vereinbar machen, daß in diesem Ende noch Kunstwerke im Vollsinn ihres Begriffs geschaffen werden können«276. Allerdings kommt er am Ende eines langen Gedankenganges, auf welchem er zur Beantwortung dieser Frage immer wieder neu ansetzt, schließlich zu dem für manche Leser vielleicht unbefriedigenden Ergebnis, dass Hegel »mit dieser Problemlage rang, daß er aber eine überzeugende Lösung dennoch nicht erreicht hat«277. Vordergründig betrachtet legt das vorläufige Resultat den Verdacht nahe, weiter als Henrich es tut, ließe sich das Problem nicht diskutieren. Im Kontext der Fragestellung nach der Substantialität des Humors als Komisches soll 275 

Henrich (2003b), S. 82. Ebd., S. 105. – Vgl. zur Option einer Kunst nach ihrem Ende Geulen (2002), S. 23 ff. 277  Henrich (2003b), S. 105. 276 

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die Suche nach einem Schlüssel für dieses Problem jedoch nicht allzu schnell aufgegeben werden. Es wäre lohnend zu fragen, auf welchem Pfad eventuell doch noch eine ›Clavis Hegeliana‹ – oder konkreter: ›Clavis Humoriana‹ – gefunden werden könnte. Ob diese dann schließt, muss überprüft werden. – Die These vom Ende mit dem objektiven Humor in Einklang zu bringen, kann nur misslingen, wenn sie zuvor unnötig radikalisiert worden ist. Je schwerwiegender die These verstanden wird, desto schlechter ist es in der nachklassischen Zeit um die Einschätzung einer gelungenen und kontinuierlichen Fortführung der Kunstpraxis bestellt. Daher sollte zunächst gefragt werden, was Hegel mit seinem Satz eigentlich in concreto aussagen wollte. – Hotho notiert sich 1823 die pointierte Kernbestimmung zum Übergang von klassischer in romantische Kunst: »Unsere Welt, Religion und vernunftbildung ist über die Kunst als die höchste Stufe das Absolute auszudrücken, um eine Stufe hinaus. das Kunstwerk kann also unser letztes absolutes Bedürfniß nicht ausfüllen, wir beten kein Kunstwerk mehr an, und unser Verhältniß zum Kunstwerk ist besonnenerer Art.«278 Doch ist damit ausgesagt, die moderne Kunst verliere sich in der Bedeutungslosigkeit? Mitnichten – Hegel sagt ja weder, dass eine Kunst im Vollsinne der Vermittlung absoluter geistiger Inhalte für die nachklassische Periode grundsätzlich ausgeschlossen sei, noch dass die Kunst, sollte man denn meinen, sie werde dem Geist substanzlos, lediglich schmückend oder die Wirklichkeit bloß verdoppelnd oder sich in Hirngespinsten verlierend ausarte. Die These vom Ende besagt allein, dass es nicht mehr die Kunst sein könne, die dem Geist die ›höchste Weise‹ oder die ›höchste Stufe‹ der Stiftung von Selbsterkenntnis ist und dass sie ihm nicht mehr originär und einzigartig gegenüber anderen ein Selbstbewusstsein vermittle. Es ist das ›letzte absolute Bedürfnis‹, dem sie nicht gerecht wird, denn dieses Bedürfnis erfüllt in der Moderne einzig die Philosophie, die ja auch – wie Hegel eindrücklich in seinen Vorlesungen demonstriert – die Kunst selber durchdenken und auf den Begriff bringen kann. In der Philosophie bezieht sich der Geist denkend und damit in sich auf sich selbst und ist in der Lage, auch die bildlichen künstlerischen Formen als Vorstufen dieses reinen Selbstverhältnisses inhaltlich in sich zu begreifen, »denn es giebt eine tiefere Existenz der Idee, die das Sinnliche« – und auch das bildlich Vorstellbare – »nicht mehr auszudrücken vermag«279. Wird angesichts dieses Fortschritts über das Sinnliche hinaus angenommen, die Kunst werde von Hegel genuin auf dieses Sinnliche oder dieses Bildhafte bezogen, könnte sie immerhin nachträglich versuchen, Anschauungen 278  279 

Hotho (1823), S. 223 f. Ebd., S. 223.

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oder Vorstellungen bereitzustellen, um die tiefere Wahrheit der Idee ästhetisch auszudrücken, auch wenn ihr das nur mit bestimmten Inhalten gelingen würde. Hegel betont allerdings wie gezeigt insbesondere für die Poesie, dass die Kunst nicht auf dieses Sinnliche beschränkt bleibe. Ebenfalls 1823 meint er, die »tiefere Idee« sei »nicht fähig sinnlich von der Kunst vorgestellt zu werden, denn sie ist dem Sinnlichen nicht verwandt und freundlich genug«280. Wenn die Kunst aber nicht fähig ist, die Idee sinnlich darzustellen, ist es ihr nicht verwehrt, dies in ›über-sinnlicher‹ als ›über das Sinnliche hinausgehender‹ Weise zu tun. Das würde bedeuten, dass sie sich behelfend durch ein Hinüberspielen in die Vorstellung oder das Denken dem Begriffsinhalt des modernen Geistes auf eine moderne und vergeistigte Weise ein komplexes Selbstverhältnis verschaffen könnte – nur eben nicht mehr exklusiv und in höchster Weise, sondern religiöses oder philosophisches Wissen ausschließlich erinnernd und ihnen somit allein in diesem Verständnis untergeordnet.281 So wird deutlich, dass mit der These vom Ende markiert ist, die moderne Welt lasse sich dem Geist als eine geistige Welt nur durch das begriffliche Denken durchdringen, das gegenüber anderen Formen die vollendete Vermittlung von Subjektivität und Objektivität vollständig repräsentiert.282 Damit ist aber sogleich eröffnet, dass dieses Wissen nachträglich an einen dichterischen Stoff angehängt werden kann, sich mit diesem vermählt, in ihm mit Mitteln der Poesie thematisiert wird, so dass sich eine Reflexion entzündet, die aus einem Bruch entspringt, der in dieser Weise allein ästhetisch vermittelt werden kann. In der Religion und Philosophie ist ein Wissen vom Absoluten erreicht worden, das sich einer gänzlich anderen Vergegenwärtigungsweise bedient als derjenigen des klassischen Kunstideals; damit ist aber nicht ausgedrückt, dass sich innerhalb der Moderne keine andersartige ästhetische Realisierung durch Erweiterung dieses Konzepts herausbilden könnte, das dieses bereits erschlossene Wissen quasi durch die Hintertür in die künstlerische Gestaltung hereinlässt. Hegel beweist, dass Philosophie künstlerische Strategien vollständig erschließen kann; doch im vollen Licht bleibt zumindest der Poesie als höchster Kunstart umgekehrt ein Ausgriff auf die philosophische Erkenntnis nicht 280 Ebd. 281 

Walter Jaeschke betont zu diesem Punkt, dass die Kunst nach dem weltgeschichtlichen Auftreten der christlichen Religion, die erstmals ein »Scheitern« des ästhetischen Ausdrucks an der Darstellung des Selbstbewusstseins des Geistes markiere, »nicht mehr das höchste Interesse« ausmache und fortan »ein Sekundäres« bleiben müsse. Die These solle darüber hinaus aber nichts anderes betreffen als dieses Umbruchsmoment innerhalb des absoluten Geistes. Als solche könne die Kunst durchaus den Geist, »nachdem er als ein Selbstbewußtsein gewußt wird, darstellen«. Jaeschke (1982), S. 184. 282  Vgl. Rüsen (1976), S. 33.

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verwehrt.283 So zeigte sich, dass gerade durch das Komische des Humors eine neue Wesentlichkeit des Weltverhältnisses erreicht und dadurch ein Reflexionsraum eröffnet wird, der die Kunst philosophisch macht und für die Moderne bedeutsam werden lässt. Hegel sagt, auf der »höchsten Stufe« des Ästhetischen, dem Höhepunkt der romantischen Kunstform, »steigt die Kunst über sich selbst hinaus, und wird zur Prosa, zum Gedanken«284. In einer Sitzung im Wintersemester 1828/29 wird zum Humor bemerkt: »Es ist Poesie und Methaphysik überall verbunden.«285 Philosophische Gedankeninhalte überträgt er in ästhetische Verfahrensweisen, bildliche, durch Analogien, Vergleiche, Metaphern und Allegorien sich äußernde Mittel, die hinwiederum komplexere Reflexionen vermitteln. Abstrakter Gedanke und ästhetische Gestaltung waren zuvor in den beiden auseinandergerissenen Extremen unverbunden – im Humor werden sie aufeinander bezogen: Im subjektiven Humor vollzieht sich dieser Bezug noch unverbindlich und spontan als Witz, der in diesem Sinne eine der symbolischen Kunstform vergleichbare Proble­ matik aufweist; im objektiven Humor werden die beiden Seiten dann tatsächlich in eine Entsprechung gebracht, in poetisch lebendige philosophische Bilder übersetzt und durch damit verknüpfte Reflexionen fortbestimmt, so dass die Bilder wieder über sich hinaus auf den Gedanken weisen, bestärkend unterstützt und angereichert von den Kommentaren und Noten des Erzählerautors bzw. des lyrischen Ich. Er ist keine Wiederholung der sub­ stantiellen Vergangenheit der Kunst, sondern innovativer Neubeginn, keine Kopie untergegangener Dichtung, sondern ein philosophischer Reflexionsroman, ein kosmopolitischer Dialog, eine pantheistische Gedichtsammlung, eine moderne Weltliteratur. Der Humor ist somit eine gelungene Vermählung aus Dichtung und Denken und kein philosophischer Überhang. Doch darin ist keineswegs ein überraschendes Bekenntnis Hegels zum sogenannten Ältesten Systemprogramm des deutschen Idealismus zu sehen, in welchem ja die Hoffnung auf Überwindung des Auseinanderfallens von Kunst, Religion und Philosophie durch eine neue und schöne Religion formuliert wird. Religion soll Humor nicht sein, Kunst soll er bleiben; doch vor allem ist er wie beide geistiges Selbstbewusstsein: er entwirft Vorstellungswelten, die nicht bloß tiefen Abstraktionen eine anschauliche Physiognomie verschaffen, keine in Bilder übersetzte Philoso283 

Vgl. Baptist (2005), S. 321 f. (1823), S. 255. – Vgl. zum Humor, verstanden als Phänomen des Hinübertretens der Dichtung in das philosophische Denken, vermittels der poetischen Vorstellung als Mitte zwischen sinnlicher Anschauung und reinem Gedanken, Vieweg (2005), S. 116 f. 285  Libelt (1828/29), Ms. S. 64v. 284 Hotho

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phie sind, sondern ein eigenständig originärer Modus des bildhaften Denkens, in welchem der Geist sich und seine Welt über die klassischen Mittel der Anschauung und Vorstellung hinaus in einer philosophische Wahrheiten aufgreifenden Selbstthematisierung bewusst wird. Diese modernste Kunst ist Hegel keine reine Begriffskunst, die dem Zweck begrifflicher Erkenntnis dient, sondern vielmehr Reflexionskunst, in welcher das freie Verhältnis von Anschauung, Vorstellung und Begriff als das Wesentliche ästhetischen Werkcharakters erachtet wird.286 Formal angestoßen wird eine solche Reflexion durch das Darstellungspotential der Kunst, worin der Begriffsinhalt aber genauso wenig aufgeht wie das Kunstkonzept auf diesen Begriff reduziert werden könnte. Ihre Zukunft findet die Kunst also darin, »daß sie durch Selbsttranszendierung eine transästhetische Vernunfttheorie legitimiert, mit der die Subjektivität sich ihrer unsinnlichen Geistigkeit und weltlichen Realität zugleich versichert«287. Was ist diese ›transästhetische Vernunfttheorie‹ aber anderes als Philosophie. Die Kunst wird nicht darin wahr, sich in Philosophie aufzulösen, bis sie als Kunst gar nicht mehr vorhanden ist, sondern darin, sich die Erkenntnismittel der Philosophie so anzueignen, dass sie eine von der philosophischen Methode unterschiedene Wirklichkeit des Geistes ist, und zwar indem sie mit einem bestimmten, ästhetisch angemessenen Dasein verbunden ist. In einem entscheidenden Punkt ist Hegels Anliegen des Spätwerks allerdings demjenigen des Ältesten Systemprogramms vergleichbar: Beide Entwürfe sind durch den Protest motiviert, die Kunst dem bloßen Privatgenuss zu überlassen, stattdessen soll sie allgemeines Werk, Ausdruck der Sittlichkeit sein.288 Erschlossen werden kann diese Welt unter anderem durch das Medium komischer Formen, die einen vielversprechenden Ausgleich zwischen einer selbstironischen Distanzierung und dem heiteren, spielerischen Genießen des Geistes in allen Dingen hervorbringen, so dass das befreite Lachen und milde Lächeln keine leeren Abstraktionen sind, sondern erfüllt von konkretem Dasein. Die Option einer Synthese der Zerrissenheiten nach dem Ende der Kunst erscheint in der versöhnenden Heiterkeit des Humors.

286 

Vgl. Wiehl (1971), S. 140. Rüsen (1976), S. 50. 288  Vgl. zur Kunst im Ältesten Systemprogramm Jaeschke (1982), S. 163 f. 287 

X.  DARÜBER HINAUS SEIN – DAS ALLGEMEINE WESEN DES KOMISCHEN »Die Geschichte ist gründlich und macht viele Phasen durch, wenn sie eine alte Gestalt zu Grabe trägt. Die letzte Phase einer weltgeschichtlichen Gestalt ist ihre Komödie.«1 (Karl Marx: Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie)

1.  Die Kunst scheidet heiter von ihrer Vergangenheit – Endgestalten der Ästhetik Nicht der Sturm auf die Bastille sei es gewesen, mit dem die Französische Revolution begonnen habe, sondern bereits einige Jahre zuvor die Ur­aufführung von Beaumarchais’ Komödie La folle journée 1784 – so soll zumindest Napoleon es einmal emphatisch ausgedrückt haben.2 In der lachenden Maske verkörpert wird der im Untergang begriffene Absolutismus, zerrissen und voller Widersprüche, konkret etwa im leeren Vorrecht der Geburt und der willkürlich verordnenden Allmacht eines Einzelnen, in den fröhlich zuversichtlichen Spott Figaros gerissen. Dessen Unerschrockenheit ist zugleich das Hoffnung bereitende Signal des Anbruchs eines neuen Zeitalters. Singulär ist dieses literarische Phänomen keineswegs. Allenthalben taucht es in immer verändertem Gewand auf: In Hegels Gegenwart in den Nachtwachen (1804) von Bonaventura, deren narratives Ich dem Untergang des verhassten Bürgertums sehnend entgegenlacht, über sie hinaus in Thomas Manns Zauberberg (1924), wo Hans Castorps Mutter bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs aus Verzweiflung über eine Welt am Abgrund in schallendes Gelächter ausbricht; mühelos ließen sich zahlreiche weitere Beispiele finden.3 1 

Marx / Engels: MEW 1, S. 382. Vgl. Gregor (1941), S. 213; vgl. zum Folgenden auch Hebing (2013), S. 212 f. – Darüber, dass Gioachino Rossinis Beaumarchais-Vertonung Il barbiere di Siviglia Hegel noch mehr begeistert hat als diejenige Mozarts – gemeint ist die Oper Le nozze di Figaro – und er sich auf seiner Wien-Reise dieses komische italienische Singspiel gleich zweimal hintereinander ansieht, geben Hegels Briefe an seine Frau Auskunft. Vgl. Br 3, S. 57 ff.; vgl. zu Rossinis Vertonung auch Wolff (1981), S. 155 ff. 3  Vgl. Stollmann (2010), S. 206 f. – Auch Beispiele, die ins Groteske hinüberspielen, lassen sich finden: Etwa in Arthur Schnitzlers Novelle Das Schicksal des Freiherrn von Leisenhogh von 1903 wird geschildert, wie sich der Protagonist aus Verzweiflung über sein verfehltes Leben totlacht; oder auch in Kafkas Erzählung In der Strafkolonie, wo der Offizier sich laut lachend in die Exekutionsmaschine schnallt, um selbst vollstreckt zu werden. 2 

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Darüber hinaus sein – Das allgemeine Wesen des Komischen

Hegel, für derlei Wesenszüge überaus sensibel, hat die Dimension der Vernichtung am Komischen erkannt und philosophisch durchdrungen. Dass ein ehedem erhabener Ernst sich ablebt und in Komik verschwindet bzw. dass mit dem Komischen etwas Neues beginnt, ist ihm jedoch nur das eine, objektive Moment eines Verhältnisses. Diesem muss als verursachendes Gegenüber eine subjektive Kraft innewohnen, die sich im Akt der Aufhebung als das mächtigere und höhere Moment herausstellt. Hegel deckt es am Übergang von klassischer in romantische Kunst als das moderne Prinzip der freien Subjektivität auf, das er im Komischen sich durchsetzen sieht. Die alte griechische Komödie erweist sich ihm als Prototyp, dem all diese Bestimmungen unmittelbar entspringen. Im Durchgang durch alle Formen des Komischen, die Hegel philosophisch ausdeutet, konnte auf mehreren Ebenen dargestellt werden, was es bedeutet, vom Komischen als von einer selbstbezüglichen Geistigkeit zu sprechen. Im Anschluss an diese Erörterungen und über ihre Ergebnisse hinausgehend bleibt noch eine weitere allgemeine, die besonderen Gestalten verbindende Kernbestimmung festzuhalten: Dies ist die geschichtsphilosophische Dimension, die in Hegels Ästhetik als die höchste Bestimmung des geistigen Wesens des Komischen verstanden werden kann. – Mit dem Komischen in seinen verschiedenen geschichtlichen Ausprägungen wird jeweils eine Kunstform, ein Kunstideal und – diesem Prozess auf dem Felde des Sittlichen entsprechend und mit diesem vermittelt – ein objektiv-geistiger ›Weltzustand‹ lachend abgeschlossen. Wie in den einzelnen Kapiteln der Untersuchung gezeigt werden konnte, endet die klassische Kunst mit der Komödie und der Satire, beide lassen die schöne Einheit der Polis und ihr in der Kunst vergegenständlichtes Selbstbewusstsein untergehen. Die romantische Kunst läutet im Witz des Humors allmählich ihren Abschluss ein, indem die Überbetonung der Innerlichkeit als Wesen dieses Ideals selbstbezüglich in einem neuen heiteren Weltbezug und damit in einer höheren, weil mit der Objektivität substantiell verbundenen Subjektivität aufgehoben wird. Zugleich erklärt sich daraus, dass das Komische als Indikator eines Endes diese Kunst zu keiner Trauerveranstaltung werden lässt: Das Lachen ist nicht bloß ein verabschiedendes und zu Grabe tragendes, es ist vor allem ein frohes und erwartungsvolles Lachen. Denn wie Gadamer zu Hegels Ästhetik bemerkt: »Jedes vermeintliche Ende der Kunst wird Anfang neuer Kunst sein.«4 Das vorläufige Ergebnis zu dieser Frage ergänzend ist das Komische somit nicht nur Abschluss, sondern ebenso geschichtsphilosophisches Übergangs4 

Gadamer (1985), S. 33.

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moment zu etwas anderem. Die alte Komödie ist ästhetischer Ausdruck des Niedergangs der griechischen Hochphase als schöne Kunst der schönen Sittlichkeit, doch sie selber – und noch mehr die Satire als eine signifikante Schwellengestalt – kennzeichnen rasch ein neues, das romantische Ideal. Gleiches gilt für diese moderne Kunst an ihrem Ende: Der subjektive Humor vollzieht künstlerisch den Untergang der christlichen sowie der höfischen Welt des Absolutismus nach, indem er nicht nur gegenüber dem Katholizismus eine völlig veränderte Haltung zum Lachen einnimmt und den besagten ›Humanus‹ zum neuen endlichen, heiteren Gott erhebt, sondern vor allem im Sinne des verinnerlichten Lachens der Aufklärung eine dezidiert bürgerliche Humorkultur etabliert, die – wie im Falle Hippels, aber auch Jean Pauls – die sittliche Ordnung des Bürgertums in sich reflektiert abbildet und darin adäquat und neuartig ist. Entscheidend ist es, dass im Verständnis der Radikalisierung dieses Ideals hin zu seinem Höhepunkt, bis die Innerlichkeit sich absolut setzt, dieses lächerlich wird und nach einer witzigen oder heiteren, in jedem Fall aber selbstironischen Überwindung verlangt. Hegel spricht daher bezüglich des Humors ausdrücklich vom ›Ende des Romantischen‹. Doch zugleich wird dieses Ende im objektiven Humor, der somit formal eine Paral­lele zur Satire der klassischen Kunst verdeutlicht, in einen Neubeginn verkehrt. Diese Bestimmungen stützen sich in Hegels Gesamtwerk zwar in erster Linie auf die volle kunstphilosophische Entfaltung in seiner großen Berliner Ästhetik und nicht auf deren in diesem Zusammenhang ebenfalls abgehandelte entwicklungsgeschichtliche Vorstufen; zumindest aber für den engeren Ausschnitt der Kunstgeschichte, der innerhalb der Erfahrungsgeschichte des Bewusstseins für das Religionskapitel von Relevanz ist, kann gleichfalls das Komische der Komödie als Schlussgestalt der schönen griechischen Religion sowie als Anfangspunkt der römischen und späterhin christlichen Ära für die Phänomenologie des Geistes identifiziert werden. An der Jenaer Komödientheorie kann der Charakter der abschließenden Form somit ebenfalls abgelesen werden. – Geht man jedoch weiterhin vom Aufbau der Berliner Vorlesungen aus – insbesondere ihres zweiten allgemeinen Teils –, erhebt sich sogleich die Frage, wie es um die noch ausstehende dritte der Kunstformen bestellt sei, die in diesem Aufbau ja die erste ist. Denn will man das Deutungsergebnis, das Komische sei bei Hegel immer ein Ende, eine konkrete Umbruchsgestalt, ein Bruch mit vormaligen ästhetischen und sittlichen Bestimmungen, ernst nehmen, müsste dies für alle drei und daher auch für die symbolische Kunstform geltend gemacht werden können. – Wird folglich gefragt, womit für Hegel die symbolische Kunstform endet, damit aus diesem Kulminationspunkt der entscheidenden formal-inhaltlichen Problem-

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verdichtung ein neues, wahrhaftiges und geistig höheres Kunstprinzip entspringen kann, stößt man unweigerlich auf das Epigramm. Mit dem Epigramm setzt sich Hegel ganz am Ende seiner Beschäftigung mit der symbolischen Kunst im zweiten Hauptteil auseinander. Im Sommersemester 1826 definiert er, »das Epigramm« sei ein »äußerlicher Gegenstand« mit »eine[r] Aufschrift«, »ein Gegenstand und drauf ist die Erklärung geschrieben«5. Es ist keine »Naturschil-derung[]« oder etwas, das »Empfindsamkeit« anzeigt, sondern in ihm ist »eine sinnreiche Beziehung auf den Gegenstand«, eine »Erklärung«6 ausgesprochen. Prägnant und pointiert kann dieses Genre sein, indem es einen Gedanken, eine Reflexion in einem kurzen Spruch konzentriert. Mit ihm ist auf der anderen Seite aber verbunden, dass der Gegenstand der Bezeichnung selber kein Bestandteil des artikulierten Inhalts ist; er wird in der Regel so belassen, wie er vorzufinden ist, und in der künstlerischen Bearbeitung lediglich mit einem Spruch versehen. Weil ihm – wie bereits in den Ausführungen zur Nähe des objektiven Humors zum Epigramm bemerkt wurde – sprachlich ein Sinn angehängt wird, ohne dass derselbe im Gegenstand aufgehen würde, ist ein solches Werk für Hegel »nicht hinreichend, um zu der völligen Vorstellung davon zu kommen«7: Ding und Bezeichnung, Sache und Sinn, Anschauung und Wort sind noch ganz unverbunden; denn Sinn oder Bedeutung sind das erste  – und erst im zweiten Schritt wird dieser – zum Vers veräußert – einem aufgesuchten unmittelbaren Gegenstand angeheftet. Beides bleibt trotz dieser Verknüpfung unterschieden und letztlich unverbunden. Ein solches Verhältnis zweier verknüpfter Entzweiter entspricht ganz und gar dem allgemeinen Begriff des Symbolischen: das Epigramm ist ein signifikanter Ausdruck der symbolischen Krisenerscheinung, an ihm zeigt sich die Festsetzung von idealer und realer Seite der Kunst emblematisch. In ihm sind das Anzeigen einer äußeren Sache und die Erläuterung ihrer tieferen Bedeutung auseinandergetreten. Wenn Hegel allgemein vom Epigramm spricht, wird nicht unmittelbar ersichtlich, welche Phase dieser wohl längsten und kontinuierlichsten literarischen Tradition der Antike er im Einzelnen im Auge hat. Erste Überlieferungen stammen bereits aus dem 7. Jahrhundert v. Chr. – unter anderem von Herodot werden sie gesammelt und festgehalten – und ihre letzten Ausläufer reichen noch bis in die byzantinische Zeit hinein. Dass Hegel wahrschein5 

Von der Pfordten (1826), S. 144; vgl. zu dieser Definition auch Libelt (1828/29), Ms. S. 102r: Das »Epigramm […] ist etwas, ein Gegenstand, und über das etwas wird eine Empfindung, Reflexion ausgesprochen, Witz, etc. es sind Gedichte an etwas und über etwas«. 6  Von der Pfordten (1826), S. 144 f. 7  Ebd., S. 145.

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lich eine längere Entwicklungsgeschichte ins Auge fasst, verdankt sich seiner Differenzierung, von den ›älteren‹ die »späteren Epigramme[]« abzuheben, um an ihnen etwas herauszustellen, das für die Frage nach der allgemeinen kunstgeschichts-philosophischen Dimension des Komischen von Bedeutung ist: Er meint in den beiden letzten Ästhetik-Kollegien, an den späteren epigrammatischen Versen der Griechen zeige sich ein ›Witz‹: ein »Witz über die Bedeutung, es wird daraus etwas Geistiges«8; und dieser Prozess der witzigen Vergeistigung kann in Übereinstimmung mit der Herausbildung von Komödie, Satire und Humor in jeweiliger historischer Verschiedenheit als eine Subjektivierung beschrieben werden. Hegel spielt damit wahrscheinlich auf die Zeit um das 4. Jahrhundert v. Chr. an, in welchem sich die literarische Verwendung des Epigramms nahezu vollständig von ihrer ursprüng­ lichen inschriftlichen emanzipiert und sich in ein produktives Verhältnis zu anderen dichterischen Gattungen setzt, so vor allem zum Mimos und zur Ko­mödie.9 Entscheidend an diesen Bestimmungen ist jedoch, dass Hegel die Spätform an der Schwelle von Symbolik und Klassik mit dem Witz verbindet. Die letzte und vollkommenste Stufe des Epigramms verkörpert ein Ableben des symbolischen Ausdrucks und seiner Form-Inhalt-Inkongruenz, aus welcher auf der höchsten Spitze der Bewusstwerdung die geistige Forderung nach Übereinstimmung sich auch ästhetisch vergegenständlicht: Aus dem äußerlich aufgeprägten Epigramm wird im Medium des Witzes das scherzende Epigramm, das zum einen den Bruch markiert und ihn zum anderen in der verbalisierten Vorstellung einer Subjektposition aufhebt. Hegel führt dazu aus, »der Witz wird selbständig, in die Erklärung tritt die Vorstellung des Gegenstandes selbst ein, aber immer abhängig von dem äußerlichen Gegenstand«10. Wie schon am Witz des subjektiven Humors erörtert wurde, besteht sein Wesen im subjektiven Aufruf eines Dinges, um über ihn einen geistreichen Einfall zu artikulieren und ihn in sprachlich vermittelter Vorstellung aufgehen zu lassen. Das scherzende Epigramm ist Hegel der Prototyp dieser Produktion; zugleich überwindet es den vorklassischen Bruch: Der Gegenstand wird nämlich nicht mehr als bloßes Medium einer Sinnvermittlung genutzt, das zur Bedeutung lediglich in einem allgemeinen inhaltlichen Verhältnis steht, wie z. B. der Grabstein zu einem philosophischen Satz über den Tod, sondern er wird als Anlass selber in seiner Besonderheit aufgefasst, um ihn im witzigen Einfall aufgehen zu lassen. Der Spruch reflektiert nun scherzend viel 8 

Von der Pfordten (1826), S. 144; vgl. Libelt (1828/29), Ms. S. 73v. Vgl. Dihle (1991), S. 315. 10  Von der Pfordten (1828/29), S. 145.  9 

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mehr über das Ding selber. Wenn Hegel also sagt, das »moderne Epigramm ist […] ein witziger Einfall«11, ist es vor allem diese Konkretion des Komischen, welche die Kluft von Darstellung und Bedeutung in der produktiven subjektiven Vorstellung verbindet. Mit einer solchen Vermittlung von Form und Inhalt ist die vorklassische Phase der Kunst schließlich überwunden. »Wenn der Gegenstand ganz in die Erklärung hereintritt, und die Erklärung zugleich diese Gestaltung hat, und die Gestaltung eben ihre Erklärung zugleich an ihr hat, beide so verbunden sind, dann treten wir in eine andere Sphäre, und zwar in die klassische Kunst. Im Symbolischen überhaupt ist die Bedeutung der Seele und die Gestaltung der Seele noch nicht zu vollkommener Einheit gediehen.«12 In Übereinstimmung mit den ästhetischen Vorlesungen wird auch in der Edition der Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte diese Spätform des Epigramms als Summe von »Fortgänge[n] vom Sinnlichen zum Geistigen«13 verstanden. Der Geist ist als Aufhebung des Bruches immer schon mit dem Sinnlichen, das in der symbolischen Kunst zu keinem schönen Ausdruck des Geistes werden konnte, verbunden. Aus der Äußerlichkeit der bloßen Bezeichnung gibt er sich selber eine rudimentäre Form von Selbstbewusstsein, das in Hegels Philosophie den dargestellten Prozess der Stiftung freier Subjektivität innerhalb der klassischen Kunst bzw. der Kunst-Religion einläutet. Der subjektive Witz des späten Epigramms erreicht formal eine durch geistige Verinnerlichung der Gegenstände vermittelte dichterische Sprecherposition, die zur Voraussetzung des epischen Sängers wird. In dieser Form von Selbstbewusstsein, die innerhalb der ›Entvölkerung des Himmels‹ der entscheidende Zielpunkt der Bildung griechischen Bewusstseins ist, findet Hegel das Moment, in welchem das symbolische Epigramm in das klassische Epos übergeht; denn auch dort wird vom Sänger die Sache erklärt, ein historischer, mythischer Gegenstand oder ein Bild in Sprache übersetzt: »Epos fängt bei Epigramm an, das erste einfache Aussprechen, zu welchem behufe etwas da ist. Da ist noch 2erlei vorhanden. die Sache selbst, Säule, Tempel Stein, und das Epos ist die Erklärung davon. das freie Epos giebt seinem Inhalte selbst die Vorstellung der Sache, ohne daß diese Sache selbst sinnlich gegenwärtig ist.«14 Demnach kann das allgemeine Wesen des Komischen, eine Kunstform vom lachenden Standpunkt der auf dieser Stufe höchsten Subjektivität abzuschließen, die ästhetische Problematik des Aufgehobenen hervorzukehren 11 

Libelt (1828/29), Ms. S. 73v. Von der Pfordten (1826), S. 145. 13  TWA 12, S. 301. 14  Libelt (1828/29), Ms. S. 146v. 12 

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und als komisch zu kennzeichnen sowie aus dieser Aufhebung heraus negativ eine wesentliche Überwindung anzudeuten, die zu einem neuen Ideal führt, auch für die symbolische Kunstform geltend gemacht werden: Die Symbolik als Kunst der Vorantike verschwindet im scherzenden Epigramm.15 Die Entzweiung wird in den Witz gezogen und in ihm versöhnt. In diesem Moment des komischen Abschlusses, des Endspiels, des fröhlichen Endes, das ein Anfang ist, erweisen die komischen Formen strukturelle Koordination miteinander, dass sie als Schlussgestalten der einzelnen Kunstformen eine bestimmte geschichtliche Fragwürdigkeit des Ästhetischen konzentrieren und deren Auflösung implizit ankündigen; das Wesentliche der folgenden Gestalt schimmert durch diesen komisch gewordenen Begriff hindurch. Ihre aus der gemeinsamen Wesenseigenschaft entstehende geschichtliche Parallelität stellt Hegel an den entsprechenden Stellen immer wieder heraus: Gezeigt wurde diesbezüglich die Verwandtschaft von Epigramm und Humor in der Subjekt-Objekt-Vermittlung, die beide eine Kontinuität von Gegenspiel zu Entsprechung der Extreme Idealität und Äußerlichkeit beschreiben und gleichermaßen in eine neue Kunstblüte führen; aber auch an der vorgeführten Analogie von alter Komödie und Humor. Im Sommersemester 1823 stellt Hegel ebenso eine Verbindung zwischen Epigramm und Satire her, wenn er thematisiert, »welche Kunstform sich in den Uebergang selbst hineinzustellen vermag«, nämlich die erste am »Uebergang zur Classischen Kunst«16, die zweite an demjenigen in das Romantische hinein. 15  Ernst

Bloch ist der einzige Interpret der Ästhetik Hegels, der zwar in einer knappen und beiläufigen, jedoch pointierten Bemerkung darauf verwiesen hat, dass das Komische in den ästhetischen Vorlesungen diese allgemeine Bestimmung hat: »Die symbolische Kunstform verschwindet im Epigramm, die klassische in der Satire, die romantische in jener Heiterkeit, welche die Komödie wahrer macht als die Tragödie. Und an ihren bedeutendsten Erscheinungen tiefer: der ironische Humor hat einen doppelten und dreifachen Boden, der überwindende Humor wirkt auf die echteste Weise metaphysisch, nämlich unfeierlich und leicht.« Bloch: GA 8, S. 293. Mehr zu diesem Aspekt findet sich in seinem Hegel-Buch Subjekt-Objekt von 1949 leider nicht. 16  Hotho (1823), S. 402. Hinsichtlich des Übergangs vom Klassischen zum Romantischen bemerkt Hegel auch im Wintersemester 1828/29, er zeige analoge Bestimmungen zu demjenigen, »was wir schon im Uebergang zum Klassischen gefunden haben« Anonymus (1828/29), Ms. S. 44r. – Insbesondere während und kurz nach der konzentrierten Arbeitsphase der Niederschrift der Briefe Ueber die ästhetische Erziehung des Menschen sowie der Abhandlung Ueber naive und sentimentalische Dichtung entfaltet sich Schillers komische Dichterader in einer langen Reihe satirischer Gedichte, für die er interessanterweise die Form des Epigramms wählt. 1797 werden diese in den Xenien veröffentlicht. Naheliegend ist ihm diese Entscheidung vermutlich, weil für den satirischen Inhalt ein kurzer, prägnanter und daher in schärfster Wirksamkeit der Wendungen schlagender Ausdruck gefunden werden muss. Das Epigramm ermöglicht ihm die bissige Pointe. In seinen Exzerpten, Notizen und Aphorismen aus der Berliner Zeit pflegt Hegel selber in manchen Teilen einen

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Deshalb soll nach diesen Bestimmungen das allgemeine geschichtsphilosophische Wesen des Komischen bei Hegel als ein ›Darüber-hinaus-Sein‹ ausgesagt werden. – Vier Dimensionen können an dieser Wendung unterschieden werden: Erstens kann ›darüber hinaus sein‹ im Sinne von ›etwas überwunden, etwas hinter sich gelassen zu haben‹ verstanden werden. So wurde deutlich, dass allen Formen des Komischen ein gemeinsames Substrat im Verhältnis negativer Entsprechung eignet, das Hegel an manchen Stellen seiner ästhetischen Vorlesungen, vor allem derjenigen von 1823, mit dem Terminus ›Ernst‹ belegt. Sein Bedeutungsgehalt geht mit dem zusammen, was bisher durch die ›Substantialität‹ in der Kunst bezeichnet wurde. Auf den ungebrochenen Stufen der Ästhetik ist es dem Künstler mit seinem Werk und dem darin »dargestellten Inhalt […] absoluter Ernst«17, da seine Subjektivität und der sinnlich vermittelte Stoff miteinander identisch sind und diese Einheit von der Gemeinschaft, für die sie geschaffen worden ist, als ihr Wesen erkannt wird. ›Ernst‹ lässt sich somit als die Erscheinung der Identität von Selbst und Stoff definieren. Das Subjekt glaubt an seinen Stoff, er ist ihm Herzensangelegenheit, das äußerliche Produkt ungeteilter Innerlichkeit. Hegel meint, dieses »Grundverhältniß« zeichne ernste »grosse Kunstperiode[n]« aus und lasse ästhetisch sinnvoll davon sprechen, »daß die Kunst in ihrer Ganzheit vorhanden sei«18. Der Geist muss sich zunächst ernst nehmen, will er sich in seiner Selbstbewegung und Selbstverwirklichung begreifen. Es konnte aber ebenso gesehen werden, dass die Kunstentwicklung freilich nicht in dieser Ganzheit verharrt – weder hinsichtlich des allgemeinen Prozesses noch seiner einzelnen Segmente. Ein ernsthaft vorgebrachtes ästhetisches Element überlebt sich historisch, verliert seinen Ernst und kann sich dem Künstler anbieten, in Gestalten des Komischen umzuschlagen. Der Ernst ist kein wahrer Ernst mehr, wenn er sich geschichtlich in etwas Nichtiges verkehrt hat. Der diesbezüglich deutlichste und tiefste Bruch ist der Übergang von der klassischen zur romantischen Kunstform: In der Komödie den Xenien vergleichbaren satirisch-epigrammatischen Stil; zumindest notiert er sich aus der Beschäftigung mit Zeitungen und Schriften seiner Zeitgenossen in spontaner Weise eine Reihe von Versen und Sätzen, die mal mehr, mal weniger scherzhaft, aber immer geistreich sind: »Holty[:] Was ist de Mensch, / A rechter Uchse! / Die Aegypter: / Was ist der Gott / A rechter Uchse«. GW 22, S. 110. – »›Leben und Meynungen‹ ist ein vormaliger guter Titel gewesen; denn es hat Leute gegeben und gibt deren immer – die Menschen scheiden in diese drey Classen – die ein Leben haben und keine Meinungen, andere die nur Meinungen haben und kein Leben, – und solche die beydes haben, – Leben und Meynungen; Welches die seltenern sind, sind die Letztern dann die erstern, – die gewöhnlichsten sind wie immer die Mitte.« GW 22, S. 202. 17  Hotho (1823), S. 439. 18  Ebd., S. 442.

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geht das absolute Schicksal im lachenden Selbst unter, die ernste Maske in ihrem komischen Gegenstück, der aristokratische Held im fröhlichen Bürger, die schöne Polis in der selbstbestimmten Subjektivität. Die substantiellen Formen des Komischen erscheinen bei Hegel also immer dort, wo sich der Ernst einer überkommenen Gestalt auflöst und ihr Gehalt nicht mehr in wesentlicher Identifikation bearbeitet werden kann. Da die Ursache dieses Verlustes die Entzweiung der vormaligen Einheit ist, erscheint das Komische signifikant als ein Phänomen des Bruchs oder der Spaltung – dies bildet sich auf verschiedenen Ebenen ab: zwischen Subjekt und Substanz, Selbst und Stoff, Gedanke und Darstellung. Das Selbst kann sich in den vormaligen Gestaltungen nicht mehr substantiell wiedererkennen, denn der Geist ist wahrlich darüber hinaus. Doch dieser tiefgreifende Verlust wird keineswegs als tragisch empfunden, weil er zu Gunsten des Selbst ausfällt: Über den Ernst hinweg befreit es sich zu sich selbst; die Entzweiung wird in der Subjektivität versöhnt. Deshalb deutet sich zweitens mit diesen Momenten eine weitere Dimension des ›Darüber-hinaus-Seins‹ an, und zwar im Sinne von ›übersteigen, sich über etwas erheben, etwas Höheres werden‹. Es ist bereits festgehalten worden, dass Hegel mehrere klassische Ansätze der Theorie des Komischen zu einzelnen Momenten der eigenen Ästhetik zusammenfügt: Auch wenn insbesondere im Zusammenhang der Komödientheorie die Widerspruchsoder Inkongruenztheorie in Hegels Ästhetik prägend ist – in seiner spekulativen Philosophie charakteristisch in der Selbstvernichtung des Nichtigen auf den Punkt gebracht –, integriert sie ebenso Aspekte der Superioritätstheorie, wie sie beispielsweise von Hobbes vertreten wird und am Komischen das Motiv herausstellt, Überlegenheit zu demonstrieren, Erhebung über anderes zu erreichen. Selbst an der Theorie der alten Komödie als Muster für das Komische überhaupt kann dies festgestellt werden: Denn wenn der vormalige Ernst von Schicksal, Schuld, Heros und Polis überwunden ist, kann in Hegels Ausführungen nichts deutlicher gesehen werden, als dass die Subjektivität sich dabei über alle diese Elemente der Tragödie erhebt und als deren Wahrheit herausstellt. Für Hegel war die Kunst im Vollsinne des klassischen Kunstideals ja das Selbstbewusstsein des Geistes in seiner unmittelbaren Form der sinnlichen Veräußerung und Anschauung. Dieser Begriff ließ aber noch keinen Raum für eine in sich vertiefte Subjektivität. Die griechische Kunst hat zwar das subjektive Geistige zu ihrem Inhalt, jedoch nicht als in sich reflektierte Innerlichkeit, sondern lediglich als unmittelbares Dasein in der sinnlichen Gestalt. Erstmals im Komischen, wie es sich zur aristophanischen Komödie verwirklicht, wird diese Unmittelbarkeit aufgehoben, indem das romantische Prinzip der reflektierten Innerlichkeit ins Ästheti-

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sche hereinbricht. Mit dieser Revolution der Klassik geht ein Hinauswachsen der schönen Kunst über ihre eigenen Grundbestimmungen einher. Doch das Prinzip der Erhebung zeigte sich nicht allein an der Komödie; dass die Kunst als »Geist in seinem unmittelbaren Element, also noch ohne die Tiefe der Subjektivität«19, erst durch das Komische auf eine neue Stufe gehoben wird, beweist sich zudem in der Satire und ihrem selbstsicheren Spott über die Verzerrungen des Politischen, so dass schließlich allein in dieser neuen Gestalt die wahre Tugend gegenüber der unsittlichen Wirklichkeit ausgemacht wird. In Gestalt des subjektiven Humors, am anderen Ende dieser Kunstform, wird die Subjektivität zum Schicksal alles Wirklichen, das somit in einen Stoff des substantiellen Selbst transformiert wird, damit aus dieser tiefsten Innerlichkeit schließlich der höchste Weltbezug als Überwindung des Romantischen entstehen kann. Die moderne Subjektivität, der dieser wiedermalige Zusammenschluss mit der Objektivität unter Beibehaltung der postfinalen Kunstspezifika gelingt, muss hinwiederum als eine höhere eingestuft werden, die sich ins Verhältnis der Überlegenheit zu einer bloß innerlich-selbstbezüglichen setzt. Der unendliche und dennoch gegenständlich erschließbare Vorstellungsraum des Romans ist dafür die adäquate Form. Drittens – und diese Dimension ergibt sich wiederum aus der vorhergehenden – bezeichnet das ›Darüber hinaus‹ bei Hegel ebenfalls, ›etwas Neues erreicht zu haben‹. In der Komödientheorie Hegels wird der »sinnliche Akt des Lachens angesichts der Auflösung vormals für gewiß erachteter Orientierungen« als »der Akt der Befreiung vom Orientierungszwang und zugleich der Akt der Nötigung, eigene Orientierungen zu gewinnen«20, gedeutet. Ersetzt wird das Substanzlose und Überwundene durch ein neues Prinzip und eine neue Ordnung, auch wenn dieses plötzlich Aufscheinende sich erst allmählich zu dem entwickeln muss, was es an sich ist. Die produktive Seite ist in den Formen des wahren Komischen immer vorhanden – so in der Komödie als besagte moderne, in sich reflektierte Subjektivität, so in der Satire als negativ vorgezeichnete und zu erreichende Utopie einer vernünftigen Staatsform nach dem Zusammenfall der Polis, so in der modernen Komödie und ihrer immanenten Selbstreflexion als die im substantiellen Ausgang aufscheinenden wahren Daseinsinhalte, die von der nichtigen Partikularität des Bürgers zu lange mit Prestige- und Profitgier verwechselt wurden, so besonders im Humor als freier Heiterkeit und lebenszugewandtem Frohsinn des genießenden Eingangs in die Totalität der Welt. – Dass diese Seite der romantischen Ironie fehlt, ergibt sich negativ aus der Hegelschen Ästhe19  20 

Pöggeler (1956), S. 91. Gethmann-Siefert (2005b), S. 183.

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tik des Komischen, die in diesem Verständnis auch als Gegenentwurf zur Ironie-Konzeption gedeutet werden kann. Die Ironie ist nicht schöpferisch oder zumindest in einem positiven, produktiven Sinne reflektierend, sondern immer nur vernichtend. Ihr Geist ist die selbstironiefreie Negativität, die zu keiner Position und zu keiner Haltung findet. Am Komischen ist aber die Vernichtung ausschließlich überwundener nichtiger Gehalte sowie die Hervorbringung des Neuen eine der entscheidenden Bestimmungen zur Unterscheidung. Es ist selbstbezügliche doppelte Negation. – Dass das Lachen über Komisches aber nicht dieses Neue selber ist, sondern das Neue nur anzeigt, d. h. auf dieses immanent verweist, kann an einer durch Sokrates bzw. Platon im Theaitetos überlieferten Szene demonstriert werden, die Hegel in seinen Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie zitiert: In der Erzählung von Thales und dem Lachen der Thrakischen Magd21 werde berichtet, wie der Philosoph eines späten Abends gedankenversunken »nach den Sternen hinaufsehend und sie beobachtend, in einen Graben gefallen« und »darüber verspottet [worden sei], wie er die himmlischen Dinge erkennen könnte, da er nicht einmal sähe, was vor den Füßen läge«22. Zunächst könnte man meinen, mit diesem herzhaften Lachen der einfachen Magd sei ausgedrückt, dass wenn die Philosophie nicht auf den Boden der Wirklichkeit Acht gebe und nur mit den Gedanken im Himmel kreise, dann stolpere sie, scheitere am gewöhnlichen Leben und werde für die Nicht-Philosophen lächerlich. Doch eine weitere Facette der Anekdote ruft danach, diese Position umzukehren: Dass Hegel und nachfolgende Generationen von diesem tatsächlichen oder treffend erfundenen Vorfall wissen können, ist ja nicht der Magd zu verdanken, sondern der Philosophie. Sokrates berichtet Platon und dieser weitergehend der Nachwelt davon. Nach dem Himmel zu schauen, sich Fragen zu stellen und Antworten zu geben, impliziert ab einer bestimmten Stufe der Geistgeschichte, dieses Wissen zu wissen und auch festzuhalten. Daher sagt Hegel, die Geschichte um eine weitere, dritte Facette ergänzend und die Perspektive des Lachenden verdrehend: »Das Volk lacht über dergleichen, hat den Vorteil, daß die Philosophen ihm dies nicht heimgeben können. Sie begreifen nicht, daß die Philosophen über sie lachen, die freilich nicht in die Grube fallen können, weil sie ein für allemal darin liegen, – weil sie nicht nach dem Höheren schauen.«23 Auch in dieser Reflexion Hegels wird das Lachen als Demonstration von Überlegenheit gefasst, jedoch nicht in plumper Absicht der Degradierung, sondern in einem wahrlich geistigen Sinne: 21 

Vgl. hierzu auch Blumenberg (1987), S. 13 ff.; Desmond (1992), S. 256 f. TWA 18, S. 196. 23 Ebd. 22 

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Das letzte Lachen markiert die Hervorbringung eines neuen Standpunkts, desjenigen der Philosophie; zugleich wird der gemeine Verstand dadurch als nichtig und komisch hingestellt. Das Neue, die vorsokratische und sokratische Philosophie, die etwas begründet, an dessen Ende Hegel steht, zeigt an, dass die Magd die Himmelsschau, das Fragenstellen und Antwortenfinden noch nicht als die Wahrheit und das Zukünftige erkannt hat. Zugleich hebt dieses Neue das Lachen der Magd sowie seine eigene Lächerlichkeit selbstironisch auf – und eröffnet damit die Reflexivität eines Denkens, das sich auf sich und anderes bezieht, um sich tiefer begreifen zu können. Viertens ist dieses lachend bewusst werdende Neue aber nicht bloß Überwindung, Erhebung und Aufbruch. Das ›Darüber-hinaus-Sein‹ besitzt bei Hegel bekanntermaßen immer auch die Dimension der Aufhebung als Aufbewahrung, als ein ›in sich Aufnehmen des überwundenen Alten‹. Neben der Anmerkung über den Begriff des ›Aufhebens‹ und seine zweifache Bedeutung in der Lehre vom Sein der Wissenschaft der Logik findet sich in den Exzerpten und Notizen aus der Berliner Zeit ein ebenso interessanter Vermerk über das ›Aufgeben‹, zu welchem Hegel meint, dass es »wie Aufheben doppelsinnig« sei: Hegel legt die Betonung auf das Präfix des Wortes und erhält die Bedeutung von »verloren, vernichtet«; legt er sie aber auf den Wortstamm, ist der »Gehalt nicht vernichtet […], sondern […] gerettet«, und zwar indem es »zum Probleme« gemacht worden ist, »dessen Verkümmerung, Schwierigkeit, zu lösen«24. Auf das Verhältnis von Ernst und Komik bezogen werden auch im Lachen und Verlachen die Ernsthaftigkeit und ihr Gehalt dem ersten Sinn nach aufgegeben. Da in der spekulativ ihre Formen ausdeutenden Kunstphilosophie die Auflösung einer überlebten Gestalt den Begriffsinhalt aber nie verloren gibt, ist mit dem Verschwinden in Komik zugleich gewiss, dass der Gehalt aufbewahrt und forthin mitreflektiert wird. Wie angeführt ergeht mit dem Verlust der Substantialität auch unter Hinweis auf die zweite Bedeutung des Wortes die Aufgabe, ästhetische Konzepte zu entwickeln, einerseits diesen Verlust bewusst zu machen oder zu halten – das ist das Komische – sowie andererseits das im Komischen sichtbar gewordene Problem geistig zu durchdringen. Dieser Bewusstwerdungsprozess, der sich sowohl auf innerästhetische Umwälzungen als auch, damit immer untrennbar verwoben, objektiv-geistige Voraussetzungen bezieht, ist die nachträglich und geschichtsphilosophisch aufgefundene selbstzweckhafte und wesent­ liche Funktion des Komischen in der Kunstgeschichte.25 24 

GW 22, S. 207. Lessing behandelt in seiner Hamburgischen Dramaturgie eine Fragestellung, die sich auf Hegels Ausführungen zum Absterben des Ernstes beziehen lässt und einen weiterführenden Aspekt behandelt. Er wirft die Frage auf, was mit Stoffen oder Handlungselemen25 

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Die komischen Werke der Kunst können ihren substantiellen Anlass in einem abgetanen Gehalt finden, der sich zur Weiterbehandlung in freier Formfindung die Ausdrucksmittel des Komischen aufsucht. Die durch komische Brechung erzeugte Distanzierung hält das Aufgegebene für die Jetztzeit ten in einer Zeit geschehe, in welcher der Geist an diese nicht mehr glauben oder allgemeiner diese als nicht mehr gültig anerkennen könne. Konkret über Gespenster und gespenstische Erscheinungen wird bemerkt, dass sie in der Gegenwart »der kalten Vernunft sehr spöttisch vorkommen« (Lessing: SW 9, S. 228), da der aufgeklärte Mensch über Schrecken und Grauen unterrichtet sei. Von noch größerer Relevanz für Lessings Erkenntnisinteresse sind allerdings die Konsequenzen dieses Umstands für die modernen dramatischen Werke bzw. für die Rezeption historischer Stücke in der Gegenwart: Wenn das Gespenstische vom Verstand nicht mehr ernst genommen werde, dann könne ihm dennoch weiterhin ein gewisser Glaube geschenkt werden. Der abgestorbene Ernst kann quasi als ein Untoter in das Reich des lebendigen Witzes vordringen. Denn Lessing geht davon aus, dass die meisten Zeitgenossen »beym hellen Tage mit Vergnügen über die Gespenster spotten, und bey dunkler Nacht mit Grausen davon erzehlen« (ebd.). So kann differenziert werden, dass das Komische hinsichtlich mancher abgestorbener Inhalte auch als eine Art Konservierung dient, als die Mumifizierung des Unzeitgemäßen, das der Nachwelt auf diese Weise erhalten bleibt. – Ohne die an Hegel herausgearbeitete These eines Nachlebens abgestorbenen Ernstes in Formen des Komischen auch nur in seinem Gesichtskreis zu haben, wird sie dennoch durch dasjenige, was der amerikanische Kunstphilosoph Arthur C. Danto in seinem Buch After the End of Art von 1997 zum Maler Russell Connor schreibt, geradezu bestätigt. Connor malt großformatige Gemälde im Stile alter Meister, für die er sich quer durch die Kunstgeschichte überwiegend sehr bekannter Bilder oder Bildausschnitte bedient und sie unter Einbeziehung auffälliger Verfremdungen, z. B. die Integration von Anspielungen auf die klassische Moderne und zeitgenössische Kunst sowie die Pop-Kultur, zu neuen Bildern zusammensetzt. Danto meint dazu: »Das Resultat ist ein Meisterwerk aus miteinander verknüpften Anspielungen, eine Art Karikatur überkreuzter Identitäten, in denen Connor natürlich nicht vorgibt, Rubens oder Picasso zu sein«. Danto (2000), S. 263 f. Diese Kunstwerke voller »Witz und Geist« sind ihm Beispiele, »wie man in diesem posthistorischen Zeitalter wie Rembrandt malen und ungeschoren davonkommen kann«. Danto (2000), S. 265. Gerade weil die meisten Maler nicht auf die Idee kommen, Gemälde im Stile der alten Meister anzufertigen und dadurch ihre Ernsthaftigkeit zu verspielen, wird diese abgelebte und unwiederbringliche Phase der Kunstgeschichte in die Komödie der Malerei verbannt, wo es lediglich erlaubt ist, sich ihr satirisch oder persiflierend zu widmen. Denn Hegel wiederum macht deutlich, dass jedes Werk als Vergegenständlichung eines geschichtlich bedingten Geistes das Produkt einer bestimmten Zeit und eines bestimmten Weltzustandes ist. Der dargestellte Inhalt sowie der Darstellungsmodus sind zu eng mit der allgemeinen Geschichte verknüpft, als dass sie beliebig in jede andere Zeit transponiert werden könnten. Es mag in der romantischen Phase der Kunst Gehalte geben, die zeitübergreifend, vielleicht sogar zeitunabhängig sind, doch sie können nicht unabhängig von politisch-sozialen Veränderungen auf dem Feld des Sittlichen und durch immer dieselben Ausdrucksformen ästhetisch vermittelt werden. – ­ Es mag als Aperçu genügen zu erwähnen, dass Danto sein Buch mit dem aussagekräftigen Titel After the End of Art ebenfalls mit der Komödie beschließt. Auch er hat erkannt, dass dort, wo das Komische aufscheint, etwas an sein Ende gekommen und darüber hinaus gegangen ist. Als ein Kenner der Kunstphilosophie Hegels wird diese Parallele wohl keine zufällige sein. Vgl. hierzu auch Collenberg-Plotnikov (2005), insb. S. 85 ff.

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lebendig. Fehlt diese bewusste Brechung hingegen und wird dieser Stoff plump in die Gegenwart transponiert, ohne seine Bedeutung für diese Zeit hervorzukehren, entsteht aus dem Schein erzwungenen Ernstes eine unfreiwillige Komik. Hegel in seinen Vorlesungen bemerkt zu den französischen Historiendramen des Klassizismus, dass Dichter wie Racine aus ihnen alles Fremdartige entfernt und für die eigene Zeit und das eigene Land nationalisiert haben26: Achill spreche wie ein französischer Prinz und trage eine Allonge­ perücke, Ahaspheros betrete die Bühne wie Ludwig XIV. den Audienzsaal. Über eine solche anachronistische Vermengung der Moden und Zeiterscheinungen  – das stellt Hegel amüsiert fest – lachen die deutschen Gelehrten, obwohl beispielsweise auch bei Hans Sachs biblische Stoffe bearbeitet werden, als entstammten sie der Nürnberger Schulstube.27 Das Komische wäre in diesem Falle das Produkt eines historischen Widerspruchs, einer Unverträglichkeit, die nicht auf äußerliche Weise vermittelt und ausgeglichen werden kann. Um das Vergangene in seiner Bedeutsamkeit zurückzugewinnen, muss es von innen heraus, i.e. in der gedanklichen Befragung, was an ihm aktuelle Relevanz besitzt, in ein produktives Verhältnis zur Zeitgenossenschaft gesetzt werden, wie etwa an Goethes Iphigenie auf Tauris und insbesondere am Westöstlichen Divan gesehen werden konnte. Dennoch erschöpft sich die Geschichtlichkeit von Ernst und Komik aber nicht in diesem Moment untergegangenen und nicht wieder anzueignenden Ernstes. Wie die Komik im Verhältnis zum Ernst geschichtlich verfasst ist, so ist sie es auch in sich selber, d. h. auch die Komik künstlerischer Werke kann in der Rezeption durch spätere Generationen absterben; und zwar ganz unabhängig vom Vorausliegenden. Vielen komischen Werken aus früherer Zeit ist es so ergangen. Unter sozial, politisch und – nicht zu vernachlässigen – auch rezeptionsästhetisch veränderten Bedingungen wirken sie lange nicht mehr so komisch wie zum Zeitpunkt ihrer Erstveröffentlichung. Dass sie aber über die geschichtliche Besonderheit hinaus wie viele ernste Werke überhistorische Gültigkeit erlangen können, wenn sie eine Wahrheit verdichten, die auch den Rezipienten anderer Epochen eine Anschauung und Vorstellung geben, und zwar durch Jahrhunderte, durch Staatsformen, Gesellschaftsordnungen und Wahrnehmungsgewohnheiten, beweist nicht, wie es 26 

Vgl. im Folgenden Libelt (1828/29), Ms. S. 43r f. Libelt notiert als Beispiele Racines Iphigénie und Corneilles Esther; was allerdings ein Irrtum ist, da die Esther ebenfalls von Racine stammt. 27  Vgl. Libelt (1828/29), Ms. S. 43v. – Eine analoge Beobachtung macht William Hogarth in seiner von Hegel sehr geschätzten Schrift Analysis of Beauty, wenn er feststellt, dass »ein römischer General […], der für die Tragödie von einem neumodischen Schneider und Perückenmacher angekleidet wurde, eine komische Figur« sei. Hogarth (2008), S. 68.

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zunächst scheinen könnte, das Komische wirke unabhängig vom Kontext objektiv-geistiger Voraussetzungen, wobei Werke mit absterbender Komik lediglich als missglückte Versuche abgetan werden könnten. Genau das Gegenteil ist der Fall. Werke, die in späterer Zeit noch komische Wirkungen erzielen können, legen vielmehr ihre Beziehung zum Kontext frei, indem sie offenbar die Komik eines Charakters, einer Begebenheit oder eines Zustandes dargestellt haben, die sich durchhält oder sich immer wiederholt. Die anhaltende Aktualität eines komischen Werkes beweist zugleich, dass die Hinfälligkeit eines abgestorbenen Ernstes auch nach ihrem Untergang in dieser Komik noch von allgemeiner Gültigkeit sein kann. – Beispielsweise Beaumarchais’ La folle journée versetzt das Theaterpublikum auch lange nach der Französischen Revolution noch in Wut über den Grafen Almaviva und regt zum entlastenden Lachen über daraus hervorgehende Verwicklungen und Situationen an, womöglich weil der dekadente Adel zwar in seiner alten lächerlichen Gestalt entthront und in der Folge real entmachtet worden ist, das Prinzip eines die Ausbeutung legitimierenden Standesunterschieds allerdings im neuen Gewand gesellschaftlich noch von höchster Brisanz ist. Hier hat sich der soziale Missstand wiederholt und verschafft der gesellschaftskritischen Komik des Stücks bis heute das substantielle Fundament, das dem Lachen eine relevante Geistigkeit verleiht, auf die es Hegel kunstphilosophisch ankommt. So muss schließlich sowohl an den einzelnen Werken als auch generell an jedem aus einer bestimmten Zeitsituation entstandenen künstlerischen Genre akzentuiert werden, dass Hegel die Geschichtlichkeit der Formen nicht in dem Sinne verstanden wissen will, als wären sie nach Überschreiten ihres historischen Scheitelpunkts zur Bedeutungslosigkeit verdammt. Vielmehr muss erhoben werden, dass beispielsweise die Komödie und ihre jeweiligen Realisationen über den substantiellen Höhepunkt in der griechischen Welt hinaus ihre entscheidende Erkenntnisfunktion für den Geist verlieren und im Fortgang nicht wiedererlangen können. Die moderne Komödie besitzt keineswegs den Status innerhalb der romantischen Kunst, den die alte für die klassische hatte. Die veränderten Möglichkeiten der Kunst in der modernen Welt verhindern dies ja. Die im Zusammenhang dieses Kapitels der vorliegenden Untersuchung herausgearbeitete einmalige Relevanz für das substantielle Selbstverhältnis des Geistes, die Rolle einer begrifflichen Vollendung des Ideals und einer ganzen ästhetischen Welt, wird sie nach ihrem Höhepunkt bei Aristophanes, auf welchem alle ihre entscheidenden Bestimmungen zur Gänze entfaltet worden sind, nie wieder erreichen. Damit soll aber zugleich nichts über ihre mögliche Bedeutsamkeit auf späteren Stufen der Kunstgeschichte ausgesagt sein: Trotzdem kann sie es nämlich wie-

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der zu gehaltvollen und wesentlichen Gestaltungen bringen, wie es z. B. bei Shake­speare, bedingt aber auch bei Molière gesehen werden konnte. Auch diese Stücke können als gegenständlicher Geist ein sittliches Selbstbewusstsein vermitteln, wenn ihnen die große substantielle Aufgabe in der Kunstgeschichte nicht mehr zufällt; ja gerade wenn sie das Zepter des absoluten Geistes an andere Selbstbewusstseinsformen abgegeben haben, können sie eine freiere Haltung einnehmen, in welcher sie spielerisch für ihre Mittel sorgen.

2.  Die Abenteuer des komischen Ritters. Hegels Don Quixote-Rezeption Das einzelne Gestaltungen übergreifende Wesen des Komischen konnte nach diesen vier Dimensionen des ›Darüber-hinaus-Seins‹ bestimmt werden. Jede Kunstform drängt immanent über ihr eigenes Ideal hinaus und lebt sich geschichtlich ab – am Ende wird sie in den Formen des Komischen aufgelöst und nach ihnen, im Falle des objektiven Humors auch durch sie, in eine neue, veränderte Substantialität der Kunst fortentwickelt. Diese Funktion macht das Komische im Umbruch von Geist und Weltzuständen, in Zeiten wegbrechender Wesentlichkeit, zu einem wesentlichen Ausdruck. Dass sich dieser Zusammenhang bei Hegel aber nicht nur auf die Auflösungserscheinungen der großen Epochen der drei Kunstformen beschränkt, sondern zudem auf einzelne Übergangsphasen innerhalb derselben bezieht, verdeutlicht Hegel unter anderem an Miguel de Cervantes’ Ritterparodie El ingenioso hidalgo Don Quixote de la Mancha von 1605 bzw. 1615, der – wie Beaumarchais’ Theaterstück – attestiert werden darf, bis heute keinen Deut ihrer Komik eingebüßt zu haben. Hotho formuliert in seiner Edition dieses Verhältnis mit den Worten: »Hat […] die Kunst die wesentlichen Weltanschauungen, die in ihrem Begriffe liegen, sowie den Kreis des Inhalts, welcher diesen Weltanschauungen angehört, nach allen Seiten hin offenbar gemacht, so ist sie diesen jedesmal für ein besonderes Volk, eine besondere Zeit bestimmten Gehalt losgeworden, und das wahrhafte Bedürfnis, ihn wieder aufzunehmen, erwacht nur mit dem Bedürfnis, sich gegen den bisher allein gültigen Gehalt zu kehren«; und er fügt, auf den Don Quixote verweisend, hinzu: »wie in Griechenland Aristophanes z. B. sich gegen seine Gegenwart und Lukian sich gegen die gesamte griechische Vergangenheit erhob und in Italien und Spanien, beim scheidenden Mittelalter, Ariosto und Cervantes sich gegen das Rittertum zu wenden anfingen«28. 28 

TWA 14, S. 234.

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Für Hegels Deutung des Don Quixote wird etwas zur Voraussetzung, das bereits an der modernen Komödie und Tragödie ausgeführt wurde: dass nämlich das Individuum lächerlich wird, sobald es sich nach klassischem Muster edle und willkürlich-tugendhafte Aufgaben und ihre Ausführung zur Handlungsabsicht macht, obwohl die sittlichen Verhältnisse schon lange keine poetisch-heldenhafte Selbständigkeit mehr zulassen. – Zur höfischritterlichen Gesellschaft und zum Lehnswesen im Mittelalter stellt Hegel allerdings zur Voraussetzung fest, dort habe sich diese prosaische Ordnung, die alle vorgesetzlichen Tugendzwecke unmöglich mache, noch nicht zur Festigkeit ausgebildet und werde erst im Übergang zur Neuzeit übermächtig: Erst der Boden des modernen Weltzustands ist gegenüber dem antiken epischen Handlungsraum »nicht mehr Zufälligkeit des äusserlichen daseins«, sondern hat »sich in eine sichere Ordnung des Staats verwandelt«, so dass die individuellen Möglichkeiten der Gestaltung fehlen und »die Hauptmomente der Sittlichkeit fest sind, das sittliche Leben nicht mehr auf der Willkühr beruht, deren Umfang jetzt klein ist«29. Für das noch vormoderne Mittelalter hält Hegel daher fest, hier sei »das christliche Ritterthum« in der Gestaltung »epischer Gegenstand geworden«30. Das bedeutet, dass der durch die Lande abenteuernde Ritter, als ein einzelner Held, welcher Herkules31 als dem individuellen Sinnbild des epischen Heroen durchaus ähnlich ist, sich innerhalb der feudalistischen Zustände unmittelbar selbstverwirklichen kann; er muss sich nur bedingt den Erfordernissen der Objektivität unterordnen. Er steht als Ritter zwar im Dienste des Königs oder Fürsten und ist von seinem Herrn abhängig, doch Hegel betont, dass Achill dies ebenfalls war und dennoch seien seine Taten selbständige Willkür einer ungebundenen Existenz.32 Der Don Quixote ist auf diesen vormodernen, unzureichend verrechtlichten Rahmen sehr eng bezogen, allerdings in negativer, dem Kontrast dienender Weise: Sein Protagonist ist der individuell-selbständige Ritter-Heros der mittelalterlichen Epik, als Mittelpunkt des gesamten Romanwerks. In diesem Sinne ist der poetische Weltzustand der ritterlichen Abenteuerei in ihm aufgehoben, wirkt in ihm handlungsbestimmend und bildet überhaupt den Ausgangspunkt jeder Einzelgeschichte. Dieses individuelle Handlungs29 

Hotho (1823), S. 429. Libelt (1828/29), Ms. S. 149r. 31  Vgl. Hotho (1823), S. 291: »die griechischen Heroen sind theils in einem vorgesetzlichen Zustand oder sind Stifter von Staaten. Ein Hauptheroe war Hercules, und seine Tugend war das Hochberühmte. Seine Tugend war die Willkühr dieses Individuums, die selbstständige Kraft und die Stärke des Gerechten in einem Individuum.« 32  Vgl. Hotho (1823), S. 292 f. 30 

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ideal ist der subjektive Reflex der letzten Gestaltung einer sittlichen Welt, die noch dem »schöne[n], edle[n], sich selbst versöhnende[n]« und trotzdem »besondere[n] Gemüth«33 Raum gewährt. Der edle Ritter mit seinen Idealen ›Ehre, Liebe, Treue‹34 vertritt den Zweck der Gerechtigkeit nicht als einen allgemein anerkannten, sondern als seinen individuellen, willkürlichen; diese Haltung und ihre zufällige Ausführung sind Hegel das »Abendtheuerliche«35. Das poetische Muster des Kreises und der willkürlichen Selbständigkeit des Helden ist das spanische Epos über den Cid; sein Wille geriert zu einer geschichtsbildenden Energie.36 – Doch die Welt, in der Don Quixote selber wirkt – und hiermit öffnet sich die tiefste Kluft, die im Plot der Dichtung entstehen kann –, ist über die objektiven Verhältnisse des edlen Rittertums längst hinaus: Der Feudalismus des Mittelalters geht in die neue Gesellschaftsordnung ein und schließlich unter. Diese Ordnung ist derselbe moderne gesetzliche Welthintergrund, wie er bereits im Zusammenhang der modernen Komödie als eine äußerste Beschränkung des individuellen Gerechtigkeitsempfindens und Selbstverwirklichungsbedürfnisses begegnete. Hegel verdeutlicht, dass in Phasen welthistorischer Veränderungen zu­ nächst künstlerische Gestalten auftreten, in denen sich das Aufeinanderprallen beider Zeitalter ernsthaft spiegelt: diejenigen Figuren, die sich verbissen an die alte Ordnung klammern, müssen tragisch scheitern.37 An der modernen Tragödie war dies deutlich zu erkennen. Weil die individuellen Zwecke aber, die in ihrer Kollision schließlich zum Unrecht werden müssen, gänzlich zufällige und willkürliche sind, muss dieses Scheitern keinesfalls notwendig eintreten, wie das glückliche Ende der modernen Komödie und des Dramas bewies. Subjektive Absicht der Figuren und Handlungsdramaturgie des Werkes folgen keinem unausweichlichen Schicksal mehr, denn dieses ist längst aufgehoben worden. Daher ist die komische Behandlung im Zeichen 33 

Ebd., S. 425. Vgl. ebd., S. 420 ff. 35  Libelt (1828/29), Ms. S. 100r. 36  Vgl. Hotho (1823), S. 293: »Cid hat einen König, ist Genosse eines Bundes, hat Vasallenpflichten, diesen entgegen aber steht die Selbstständigkeit die die Form annimmt des Gesetzes der Ehre, sei sie formell oder concretern Inhalts. die Vasallen unterwerfen sich keiner Majorität der Stimme, sondern alle stehn für sich. Carl der Grosse ist wie Agamemnon umgeben von seinen Vasallen, poltert wie Jupiter auf dem Olymp; aber die Vasallen, die nicht wollen, lassen das Unternehmen stehn.« 37  Vgl. Hotho (1823), S. 294 f.; vgl. hierzu auch Brüggemann (1958), S. 239. – Hegel meint, auch wenn Goethes Dichtung diese Umwälzungen nachträglich aufgreife und bearbeite, zeige sich an seinem Ritterdrama der historische Konflikt in deutlichster Weise: »Götz von Berlichingen spielt in der Zeit des Unterganges der Ritterlichkeit, wo zugleich bürgerliche objective Ordnung beginnt, die ritterliche Heroenzeit und die bürgerliche Objectivität sich berühren. dieß ist Eins der höchsten Stoffe.« (S. 295.) 34 

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der Humanität eine angemessenere, so wie es Cervantes in seinem Roman getan hat. Weil sein Protagonist die weltgeschichtlichen Veränderungen für sich nicht erkennt resp. anerkennt und weiterhin an der Gültigkeit der ritterlichen Ideale festhält, vorgesetzlich gesetzgebend handelt, indem er das Unrecht bekämpfen und den Unterdrückten Hilfe leisten will, ist sein Rittertum immer nur ein illusionäres Rittertum und sein Handeln wird zur Lächerlichkeit. Einerseits gehört er von Geburt an zum Feudaladel und hat die klassische Bildung dieser Schicht genossen, andererseits ist er ohne Reichtum und Einfluss, weil die Weltgeschichte über diesen seinen Feudalismus hinweggeschritten ist.38 Aus dem Grunde ist er verdammt zu einer Existenz ohne tiefere Bestimmung, wegen seines Standes unfähig zur körperlichen Arbeit, wegen seiner mangelhaften Besitzverhältnisse nicht in der Lage, der aristokratischen Rolle gerecht zu werden. Die Lektüre der Ritterromane aus einer Jahrhunderte vergangenen Zeit, in die nur er allein noch hineinpasst wie das ausgebackene Brot in seine Form, stürzt ihn vollends in die Verwirrung. Er verwechselt seine Lebenswirklichkeit mit der Welt der Romane – und deshalb handelt er an der Wirklichkeit vorbei; er ist ausschließlich daran orientiert, vergangenen ritterlichen Idealen entsprechen zu müssen. Es ist das Interesse seines Herzens, das in einer anderen Zeit schlägt und das in seinen Abenteuern zur Sprache kommt. – Werden seine Illusionen regelmäßig enttäuscht, d. h. stellt sich z. B. zweifelsfrei heraus, dass die geliebte Dulcinea alles, nur keine Dame ist, dass sie tollpatschig ist, übel riecht und als Bäuerin einem adeligen Ritter sozial niemals entsprechen kann, unterstellt er der Wirklichkeit erfolgreich eine weitere Illusion, die den Ausgleich wieder herstellt: wie etwa die Annahme, Dulcinea könne nicht wie erwartet handeln, weil sie verzaubert und nicht Herrin ihrer selbst sei.39 Diese an Verrücktheit grenzende Selbsttäuschung führt zu der Konsequenz, dass wenn das Individuum ritterlich auszieht und das Gute für Witwen, Waisen, die gepeinigte Unschuld und »Galeerensklaven«40 vollbringen will, es im nachfeudalistischen Zeitalter nur in einen Kampf mit Windmühlen treten kann. Insofern berühren sich im Don Quixote zwei Weltzustände, das weltlich-heroische Mittelalter mit der bürgerlichen Moderne, um sich in diesem Kontakt sogleich auf das Deutlichste voneinander abzuscheiden. Der komische Kontrast zeigt sich neben den unzähligen ritterlichen Taten zudem an der Sprache, wo die obsolete aristokratische Rhetorik Don Quixotes auf den moderneren und gewöhnlichen Sprachstil Dulcineas trifft. 38 

Auerbach (1959), S. 133 f. Vgl. hierzu auch ebd., S. 323 ff. 40  Kehler (1826), S. 150. – Vgl. zu dieser Szene Auerbach (1959), S. 331 f. 39 

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Hegel betont allerdings, dass es nicht der Held selber sei, der dem Spott ausgesetzt werde, denn Don Quixote sei an sich »eine edle Natur«41, eine Figur mit wahren und tiefen Gefühlen, den Idealen Ehre, Liebe und Treue verpflichtet, zutiefst menschlich; aufrichtig und tapfer glaubt er an seinen Auftrag und verfolgt ihn konsequent; in ihm hat er seine Bestimmung gefunden, handelt unbedingt entschlossen und allein nach dieser Vorgabe, bringt Opfer und lässt sich auf keine Kompromisse ein. Wenn Don Quixote allerdings als ›edle Natur‹ nicht selber dem Verlachen preisgegeben ist, so muss es der Zustand sein, den er verkörpert: die ganze Welt des Rittertums, die in komische Kollision mit den gegenwärtigen sittlichen Verhältnissen des Romans tritt, so dass Hegel sagt, »das Ritterthum wird […] zum Spott«42. – Erich Auerbach arbeitet in seiner Studie Mimesis über die Kategorie der ›Wirklichkeit‹ in der abendländischen Literatur heraus, dass der Don Quixote vor allem eine Parodie auf solche klassische Abenteuerromane sei, die ein leichtes Ziel bieten: Ihrer ernsthaften Behandlung der Ritterstoffe haben die welthistorischen Veränderungen bereits eine unfreiwillig komische Wendung gegeben.43 Bereits die Vorlagen – neben dem Cid etwa Chrétien de Troyes’ Yvain ou Le Chevalier au lion aus dem späten 12. Jahrhundert – leben von der Lüge eines poetischen Weltzustandes, der übersteigert fiktionalisierte märchenhafte Züge annimmt, die der Wirklichkeit keinesfalls gerecht werden.44 Cervantes muss diese Lüge nur noch überspitzen, in die offen als eine fiktive erkennbare Idealisierung seines Protagonisten verlegen und sie mit der Darstellung der realistischen prosaischen Wirklichkeit kollidieren lassen. Es sind diese Gründe, weswegen Hegel schließlich über eine oberflächliche Lesart hinaus meint, gegenüber dem edlen Don Quixote sei es eigentlich die ritterliche »Abendtheuerei«, die sich »an ihr selbst auflößt und sich der comischen Behandlung darbietet«45. 41  Hotho

(1823), S. 429. – Auch Erich Auerbach arbeitet heraus, dass Don Quixotes Gefühl »wahr und tief« sei, »er ist wirklich erfüllt von einer Mission, die er als die höchste Pflicht des Menschen ansieht; er ist wirklich treu, tapfer, und zu jedem Opfer bereit«. Auerbach (1959), S. 327. 42  Hotho (1823), S. 429. 43  Vgl. Auerbach (1959), S. 134. 44  Auerbach führt weiter aus, wäre der Held Calogrenant in seiner Zeit »wirklich so ausgezogen, wie er [i.e. Chrétien de Troyes, Anm. d. Verf.] es schildert, so wären ihm schon damals ganz andere Dinge begegnet als diejenigen, die er berichtet«, denn »im zweiten und dritten Kreuzzug, in der Welt Heinrichs II., Ludwigs VII. oder Philippe-Augustes ging es ganz anders zu als im höfischen Roman«. Auerbach (1959), S. 134. 45  Hotho (1823), S. 429; vgl. auch Kehler (1826), S. 150: »Bei Don Quijote wird in einer für sich edlen Natur das Rittertum durchaus lächerlich aufgelöst, indem die Zwecke teils in Umstände gelegt werden, die sogleich die Sache lächerlich machen, teils der innere Widerspruch sich gleich auftut.«

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Was sich aber ›an sich selbst auflöst‹, ist ein Nichtiges, das sich selbst vernichtet. Auf diese Weise gibt sich Cervantes’ Roman als das Hegelsche Komische im Vollsinne zu erkennen, wie es an der alten Komödie prototypisch entwickelt wird. Unter diesem Gesichtspunkt erscheint die komische der beiden Lösungen, für die Cervantes sich entscheidet, sogar als die substantiellere, denn gegenüber der tragischen Bearbeitung, die sich in der tiefen Spaltung zwischen Held und Welt festsetzt und nur noch im gewaltsamen und äußerlich hereinbrechenden Tod des Einzelnen einen Ausgang finden kann, stellt die Selbstvernichtung des nichtig gewordenen Individuums eine wesentliche Option dar. Hegel versteht den Don Quixote als eine Wiederholung der substantiellen Komik der antiken Komödie innerhalb der romantischen Kunstform der Neuzeit, als eine legitime Fortsetzung des auf seine Wahrheit gebrachten Komischen. Aus diesem Grunde ist es auch nicht weiter relevant, dass Don Quixote über sein Narrentum nicht lacht, sich also nicht selbst verlacht, denn er ist ja an sich eine ›edle Natur‹. – So macht Hegel deutlich, dass es hier tatsächlich der gesamte geschichtliche Weltzustand ist, der als Nichtigkeit ins Komische gezogen wird, um sich darin selbst als dieses Nichtige zu vernichten. »Don Quixote macht den Schluß des Romantischen«46 im Sinne dessen, was als der ›weltliche Kreis‹ des Rittertums bestimmt wurde; dieses Ende ist im Roman durch viele Einzelepisoden zu Bewusstsein gekommen. Mit der Deutung offenbart Hegel ganz unmissverständlich, was ihm das tiefste Wesen des Komischen ist: eine weltgeschichtliche Größe, die ob ihrer Geschichtlichkeit als überwunden und somit nichtig zu Gesichte tritt, die sich an ihr selbst negiert und ins Komische umschlägt. Alle vier Dimensionen des ›Darüber-hinaus-Seins‹ lassen sich hieran wiederfinden.

3.  Das zerrissene Hohngelächter des Absolutismus. Anspielungen auf Diderots Rameaus Neffe Zu diesem geschichtlichen Übergang der Gesellschaftsordnungen und seiner Widerspiegelung in der Kunst findet sich neben der umfänglichen Auseinandersetzung mit dem Don Quixote in den Vorlesungen über die Philosophie der Kunst zudem eine kurze und versteckte, aber gleichwohl prägnante Anspielung innerhalb des Geist-Kapitels der Phänomenologie des Geistes. Wie bereits zur Theorie der alten Komödie festgehalten werden konnte, ordnet Hegel den einzelnen Gestalten auf dem Wege der Erfahrung, die das Bewusstsein macht, historische Abschnitte zu, bis zum Religions-Kapitel noch ohne 46 

Hotho (1823), S. 429.

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ihnen eine chronologische Abfolge zu geben. Welcher engere Geschichtsabschnitt den Erkenntnisprozessen des Geistes innerhalb des Unterkapitels Die Welt des sich entfremdeten Geistes unterlegt ist, lässt sich nicht mit letzter Sicherheit benennen.47 Angesichts der Breite des vielfach nur durch Andeutungen eröffneten historischen Feldes liegt jedoch der Eindruck nahe, Hegel habe eine solche engere Zuordnung auch gar nicht machen wollen. Denn wenn er diesbezüglich in Wendungen wie ›stolzer Vasall‹, ›das edelmütige Bewusstsein‹, ›die absolute Sache‹ der ›Staatsmacht‹ und ihrer ›Ehre‹, ›ein unumschränkter Monarch‹ oder »die Edeln, [die] nicht nur als zum Dienst der Staatsmacht bereit, sondern als Zierrathen sich um den Thron stellen«48 spricht und dieses Kontinuum schließlich im darauffolgenden Teil in Die Aufklärung übergehen lässt, handelt Hegel im Kontext der Entfremdung des Geistes die breite Epoche der vorbürgerlichen, voraufklärerischen Welt des Rittertums, des mittelalterlichen Feudalismus wie auch des frühneuzeitlichen Absolutismus ab. Es ist eben nicht die konkret umrissene Stufe beispielsweise der Kreuzzüge oder der italienischen Renaissance oder der Reformation, die Hegel hier im Blick hat, sondern die summierte Vorgeschichte als das Destillat der Strömungen, die schließlich auf eine qualitativ neuartige Stufe führen; in der Ästhetik formal der Stufe der symbolischen Kunst vergleichbar, die ja ebenfalls vor allem anderen eine Vor-Geschichte kennzeichnen soll, die das Vor-Klassische ist. – Auf dieser Ebene der politisch-sozialen Entwicklungen49 aber lässt Hegel den Umbruch in die bürgerliche Moderne zu einer Folge von Erschütterungen werden, die auf dem Höhepunkt der Entzweiungsbewegungen dieses sich selbst fremd werdenden Geistes zur größten Verwirrung geraten. Wieder einmal gelingt es Hegel in einem Teil der Phänomenologie unnachahmlich, die allgemein begrifflichen Prozessmomente der Entfaltung geistigen Selbstbewusstseins mit geschichtlichen Gestalten zu parallelisieren und sich gegenseitig durchdringen zu lassen. Gegen Ende des Kapitels ist der 47 

Dass aber einiges dafür spricht, hier eine Auseinandersetzung mit dem Feudalismus zu sehen bzw. späterhin mit dem Übergang desselben in die bürgerliche Aufklärung und Französische Revolution, dazu vgl. Siep (2000), S. 195 f.; Jaeschke (2003), S. 191. 48  GW 9, S. 278. 49  Hegel unterscheidet den im Entfremdungs-Kapitel nachgezeichneten Weg in Die Aufklärung hinein nach zwei Entwicklungslinien: Zum Unterkapitel Die Bildung und ihr Reich der Wirklichkeit lässt sich schon am Titel ablesen, dass es sich hier um die geschichtliche Ebene des Verhältnisses des Selbst zur Sphäre der Sittlichkeit handelt. Am Ende dieser Bestimmungen wäre zu erwarten, die Gestalt des Aufklärungsgeistes sogleich aus der aufgearbeiteten Bewusstseinslage folgern zu lassen. Doch hier wird überraschenderweise zunächst unterbrochen: Hegel geht einen Schritt zurück und beschäftigt sich in Der Glauben und die reine Einsicht zunächst mit demselben Prozess noch einmal, jetzt allerdings auf der Ebene der Theologie und Religionsgeschichte. Erst von dort aus leitet er zur Bewusstseinsgestalt der Aufklärung über. Vgl. Siep (2000), S. 196 ff.

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sich entfremdete Geist in eine Zerrissenheit gezogen worden, die notwendige Begriffsbestimmung und zugleich Signatur einer Epoche ist, die sich schließlich adäquat im Medium der Sprache artikuliert – doch nicht nur der Sprache als solcher, sondern weitergehend im Besonderen der Sprache der Dichtung. In einer exkursartigen Übertragung integriert Hegel randläufig das Element der Kunst in die systemische Genese dieses engeren Begriffs des Geistes. Selbstverständlich müssten zu diesem umfang- und voraussetzungsreichen, gedanklich komplexen, im Gesamtaufbau zentralen und wirkungsmächtigen Kapitel weitläufige Ausführungen unternommen werden, um der Vielschichtigkeit und Bedeutung der Rede vom ›sich entfremdeten Geist‹ gerecht werden zu können. Im Zusammenhang der Frage nach der Rolle des Komischen innerhalb der Geschichtsphilosophie Hegels ist es allerdings geboten, sich auf das Moment der sprachlichen Artikulation der geistigen Verwirrung zu beschränken, da sich hier ein Bezug zu den vorausgegangenen Erörterungen über den Don Quixote herstellen lässt. – Das Bewusstsein in seiner Bildung zu sich selbst muss sich zu seinem Selbstzweck, der darin besteht, seine Welt als das Andere und Fremde hervorzubringen, um sich selber in dieser Welt wieder reicher zu gewinnen und zu bemächtigen, zunächst zu diesem Dasein entäußern und zutiefst entfremden. Hegel schreibt, dass die »absolute und allgemeine Verkehrung und Entfremdung der Wirklichkeit und des Gedankens« zur Erfahrung bringe, keine Festigkeiten und Wahrheiten zu besitzen; die »Momente verkehren sich vielmehr eins im Anderen, und jedes ist das Gegentheil seiner selbst«50. Da alles »nach aussen das verkehrte dessen [ist], was es für sich ist«, somit alles »an sich selbst sich entfremdet«, hat dieser zerrissene Geist seine Wahrheit allein im »allgemeine[n] Sprechen und zerreissenden Urtheilen«; in dieses »Unbezwingbare«51 der Sprache geht die auflösende Bewegung der Negativität ein. – Ohne seine Quelle explizit anzugeben, identifiziert Hegel diese sprachliche Artikulation, in welcher die unendliche Verkehrung des Ganzen als Fließen aufgehoben und ausgedrückt ist, mit der »Rede« der »Verrüktheit des Musikers, ›der dreißig Arien, italie­ nische, französische, tragische, komische, von aller Art Charakter, häuffte und vermischte‹«52 – diese Stelle ist als ein Zitat aus Denis Diderots Le Neveu de Rameau in der deutschen Übersetzung Goethes zu identifizieren.53 50 

GW 9, S. 282. Ebd., S. 283. 52 Ebd. 53  Diderot wollte diese Schrift offenbar nicht publizieren und hielt sie geheim. Auf unbekanntem Wege konnte sich Schiller eine Abschrift des Originalmanuskripts besorgen und überließ es Goethe, der nach der begeisterten Durchsicht sofort mit der Übersetzung begann und es unter dem Titel Rameaus Neffe 1805 bei Göschen veröffentlichte. Diese 51 

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Die Diderot-Anspielung bietet sich zunächst als ein literarisches Bild für die Rede der Verwirrung vorzüglich an.54 Im philosophischen Dialog des narrativen ›Moi‹ mit dem ›Lui‹ Jean Rameau lassen sich mehrere Stellen finden, wo der Neffe eine Kostprobe seines wilden Denkens, seines Scheiterns an der Welt, der unüberbrückbaren Gegensätze der Gesellschaft sowie dem Ausdruck dieser Gegensätzlichkeit in der Kunst zum besten gibt. Wird die bloß formal bestimmte Rede der Verwirrung aber mit dieser Inhaltlichkeit verknüpft und vertieft, steht sogleich der besagte politisch-soziale Welthintergrund vor Augen, der dem Geist-Kapitel hinterlegt ist. Rosenkranz meint, in Diderots Dialog gestalten sich die »Widersprüche des Zeitgeistes« am Ende des französischen Absolutismus zu einem »höchst eigenthümlichen Ausdruck«, konzentriert in der Titelfigur, die ein Humorist von der Art Laurence Sternes sei, mit seinen »Witze[n]« als »instinctive Aeußerungen«55. Für ein gutes Essen und einen guten Wein unterhält er seine adeligen und großbürgerlichen Gönner mit geistreichen Späßen und künstlerischen Darbietungen; zugleich verlacht er sie dabei selber, ohne dass sie es merken. Die monarchistische Abhängigkeit des Bürgers von der Aristokratie zeigt hier kurz vor ihrem Niedergang noch einmal ihr Gesicht. Der Neffe Rameaus ist Produkt dieser »verderbte[n] Gesellschaft« von »Mäcene[n]«56 und hält ihr wie Eulenspiegel ihr Bild entgegen. Die Verwirrung des ›Lui‹ ist somit der Widerschein eines allgemeinen Widerspruchs des vorrevolutionären Paris. Doch Hegel entwickelt seine intertextuellen Gedanken fort und hebt hervor, die Verwirrung werde in der Aussprache dieses Geistes zu einer »Rede« der »sich selbst klaren Verwirrung«57, d. h. sie klärt sich in der Verbalisierung über sich selber auf. In der mittlerweile deutlich zur Geltung gebrachten Figur der komischen Negation der Negation kehrt der verwirrte Geist aus seiner Entfremdung als Selbstnegation wieder zu sich zurück, indem er sich im Lachen mit sich zusammenschließt. Dieses auch von Rosenkranz unterstrichene Lachen macht Hegel ganz explizit: »Die ihrer selbstbewußte Übersetzung und nicht das Original Diderots machte Hegel zur Grundlage seiner Lektüre. Der Vicomte de Saur versuchte 1821 in Paris, zusammen mit seinem Kollegen de SaintGeniès, eine französische Rückübersetzung der Goethe-Version auf Deutsch gelingen zu lassen; beide gaben dabei zunächst vor, das Original zu besitzen. 1822 stellte jedoch eine Tochter Diderots das tatsächliche Original zur Verfügung, das ihr als Abschrift überliefert war und im Rahmen der Brière-Ausgabe herausgegeben wurde. Vgl. Goethe: SW 7, S. 701 ff. 54  Vgl. Price (1991), S. 224 f, 226 f: »Hegel finds in Goethe’s translation of Diderot’s dialogue the very word that expresses his key concept of the inverted world.« 55  Rosenkranz (1866), S. 106 f. 56  Ebd., S. 110. 57  GW 9, S. 284.

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und sich aussprechende Zerrissenheit des Bewußtseyns ist das Hohngelächter über das Daseyn so wie über die Verwirrung des ganzen und über sich selbst; es ist zugleich das sich noch vernehmende Verklingen dieser ganzen Verwirrung.«58 Die doppelte Negation, die mit dem ›Hohngelächter‹ abgeschlossen wird, offenbart sich im Resultat als »die gedoppelte Reflexion der realen Welt in sich selbst«59, der sich das Selbst zu seinem eigenen Reichtum erfolgreich bemächtigt hat. Die Welt ist über die Entfremdung hinweg angeeignet worden, damit das Selbst sich in ihr ein Bewusstsein geben und zum Allgemeinen fortbilden konnte. Auf diese Weise spricht sich in der Zerrissenheit der vereinzelten Rede immer auch die sittliche Zerrissenheit zwischen zwei politischen Gesellschaftsordnungen aus, in die sich das Selbst ja entfremdet. Eine solche Aussprache geschieht hinsichtlich des Dialogs Diderots zwar in ästhetischer Form der Kakophonie des verwirrten Gelächters, als Geist an und für sich verschafft sich dieser aber Klarheit in ihr.60 Die letzte Intonation seiner musikalischen Sprache ist der allen Widerspruch in sich befassende schrille Klang des Spotts, »mit einem Fistelton zerriß er die Höhe der Lüffte, wechselweise rasend, besänftigt, gebieterisch und spöttisch«, so dass in diesem wahren Ausdruck des Wissens um die Eitelkeit und Gebrechlichkeit der herrschenden Verhältnisse »ein lächerlicher Zug verschmolzen«61 wird, der das bevorstehende Neue verspricht. Auch wenn mit diesem Aspekt keineswegs suggeriert werden soll, er sei das hauptsächliche Darstellungsinteresse dieses Kapitels der Phänomenologie, und auch wenn in dieser Auseinandersetzung mit Hegels DiderotAnspielung viele seiner entscheidenden Bestimmungen unberücksichtigt blieben, so kann doch festgehalten werden, dass Hegel in Übereinstimmung mit den ausführlich behandelten konkreten Gestalten des Komischen im zerrissenen Geist das Erwachen des bürgerlichen Bewusstseins entdeckt, das in Rameaus Neffe die alte Ordnung und ihre Widersprüche im ›Hohngelächter‹ als obsolet erkennt, kennzeichnet und Abstand gewinnend übersteigt. Wie Hegel aus Cervantes’ komischem Roman die Spiegelung des versunkenen romantischen Rittertums herausarbeitet, deutet er im Zusammenhang 58 

Ebd., S. 285.

59 Ebd. 60 

Vgl. zur weltgeschichtlichen Dimension des zerrissenen und verwirrten Geistes als vorrevolutionäres Bewusstsein sowie diesbezüglich zur Anlehnung Hegels an Diderots Dichtung: Hyppolite (1946), S. 387 ff. »A ce moment suprême de l’aliénation la culture apparaîtra vraiment comme le monde de la conscience déchirée, et dans le Neveu de Rameau nous aurons la description de cette conscience déchirée, d’un état d’âme prérévolutionnaire. L’esprit de la culture émergera tout entier pour lui-même. Les phases successives de cette dialectique ne sont pas sans suggérer un développement historique effectif.« (S. 387.) 61  GW 9, S. 284.

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des phänomenologischen Geist-Kapitels die lachende Rede des Neffen als verschlingenden Orcus des französischen Absolutismus. Diese in der Kunst reflektierten geschichtlichen Prozesse weisen somit Analogien zu Hegels philosophischer Bestimmung der antiken Komödie auf, da auch hier eine überlebte substantielle Gestalt zu Grunde geht, der Demos die Bühne betritt und im Sog des spielerisch frei werdenden und sich in ein neues Weltverhältnis setzenden Selbstbewusstseins die Inhalte des vormaligen Zustands versinken.

4.  Tochter Thalia: Das Komische als Ende und Vollendung der Geschichte Das Kunstwerk ist Hegel Vergegenständlichung eines historischen Gehaltes, den der Künstler so zur Erscheinung bringt, dass der Geist im jeweils zeitgenössischen Zustand seines Bewusstwerdungsprozesses ins Wissen tritt. Obwohl besonderes Werk eines besonderen Künstlerindividuums, ist wahre Kunst Vergegenständlichung des wirklichen Weltzustands der Substanz, nur dadurch ist sie geeignet, »in [ihren] Zeitgenossen ein Bewußtsein von dem, was sie sind und was für sie letztlich in Geltung ist«62, zu bewirken. Vor diesem geistphilosophischen Hintergrund entstehen die wesentlichen und relevanten Konkretionen der komischen Kunst, am Schnittpunkt von Weltgeschichte und Kunstgeschichte betrachtet, in einer Phase um das Ereignis massiver soziopolitischer Veränderungen. Diese Formen bieten sich am Ende ganzer Zeitalter dem künstlerischen Schaffen an, Ausdrucksmittel zu werden, um den geschichtlichen Wendepunkt adäquat zu verdichten und das an ihm gewonnene Erfahrungspotential abschließend zu reflektieren. Diesen Punkt so aufzufassen, als würde Hegel sagen wollen, komische Kunstwerke entstehen in einem solchen geschichtlichen Abschnitt, wäre natürlich ein Missverständnis. Dass es faktisch in allen Zeiten auftaucht, wusste auch Hegel. Doch er macht deutlich, dass ihm nicht in allen Zeiten, diese seine wesent­ liche Bedeutung zukommt. Nur am besagten Ende großer Epochen und Stile der Kunst zeigt es sich in derjenigen Weise, die in der Einleitung der vorliegenden Studie als die ›Geistigkeit des Komischen‹ angedeutet wurde. Über sämtliche nur lächerliche und belanglose Einzelwerke hinweg, die in ihrer Gewöhnlichkeit jederzeit erschaffen werden können, erscheint in den abgehandelten Formen das Komische seiner höchsten Bestimmung nach. Dieser Höhepunkt ist das wahre Selbstverhältnis des Geistes als geschichtliches Selbstbewusstsein. – Daher ist es zu kurz gegriffen zu sagen, erst im fortge62 

Henrich (2003b), S. 70.

Tochter Thalia: Das Komische als Ende und Vollendung der Geschichte

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schrittenen 20. Jahrhundert, erst mit Joachim Ritter und der von ihm angestoßenen Debatte in der philologischen Hermeneutik, sei das Komische historisch und nicht mehr formal begriffen worden; erstmals werde es »an die historische und gesellschaftliche Bedingtheit der in ihm aufblitzenden Normen und Realitätsverständnisse«63 gebunden. Vielmehr verrät sich an Ritters Ansatzpunkt hinsichtlich der Theorie des Komischen ein unausgesprochener Hegelianismus, der gerade dieses geschichtliche Verständnis philosophisch möglich macht. Damit wird zudem deutlich, dass Hegels Auseinandersetzung mit dem Komischen in der Kunst weder unabhängig von der sogenannten ›These vom Ende der Kunst‹ betrachtet werden noch ihre Erschließung ohne nähere Beleuchtung ihres Verhältnisses zu allgemeinen oder scheinbar fernliegenden Bestimmungen der Ästhetik oder aber anderer Systemteile der Hegelschen Philosophie erfolgen kann. Die Ästhetik des Komischen entspricht grundsätzlich der Struktur der Geistphilosophie bzw. dem Grundmoment der gesamten Philosophie Hegels, dass die letzte und höchste Stufe eines Bewusstseinsprozesses bzw. einer logischen Entwicklung immer die an und für sich seiende, konkret allgemeine Stufe der selbstbezüglichen Subjektivität ist. Das Komische ist auf ästhetischem Felde Ausdruck dieser Subjektivität, angetrieben von der Negativität als immanenter Widerspruch, den sie nicht mehr aushält, hinweglacht, sich in diesem Lachen bestärkt und ihrer Macht bewusst wird, ihn in einer zweiten und bestimmten Negation aufhebt. Dieser sein Begriff entspricht somit allgemein der spekulativen Methode Hegels, wie er sie phänomenologisch und logisch entwickelt und unter gewissen Vorbehalten auch für seine Geistphilosophie geltend macht. Ob man so weit gehen kann wie William Desmond, die Phänomenologie des Geistes und die Wissenschaft der Logik als »Masks of Philosophical Comedy« zu bezeichnen, sei dahingestellt, doch immerhin gilt das, was damit im Kern über das Wesen des Komischen ausgesagt ist, nämlich »that a virtuality of dialectical thinking points to its affinity with the comic«64. Das Ergebnis bedeutet aber näher für das Komische innerhalb der Kunst – und für diese Fragestellung ist es hier relevant –, dass es als bestimmte Negation immer das Komische ›von etwas‹ ist, will sagen: die Komödie seines tragischen oder ernsthaften oder ehedem substantiellen Gegenstücks, das seine Substantialität an das modernere Prinzip des Komischen abgegeben hat, im Sinne einer Verschiebung. Denn in seiner Wahrheit ist es – das sollte im GanNeumann (1986), S. 141. – Gemeint ist hier die Studie Ritters Über das Lachen von 1940; vgl. Ritter (1974b). 64  Vgl. Desmond (1992), S. 281 ff. 63 

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Darüber hinaus sein – Das allgemeine Wesen des Komischen

zen transparent geworden sein – kein belangloses, beliebiges Spiel, sondern der einzige substantielle Ausdruck, der noch möglich ist, wenn die Substantialität von der ernsten Gestaltung abgestreift worden ist. Sind die alten Masken tatsächlich zu personae, zu leeren Hüllen, geworden, abstrakte Figuren ohne Lebendigkeit und Wesen, muss diese Nichtigkeit, wie im Hohngelächter des Neffen, als heiteres Spiel über sich selbst aufgeklärt werden. Als ein solches Spiel des inhaltlich unendlich erfüllten Gebietens über alle abgelebten Formen ist das Komische dann nicht mehr nur das Ende, sondern auch die Vollendung derselben. Ist es aber die Vollendung, muss es grundsätzlich und konsequenterweise im Rahmen des spekulativen Ansatzes Hegels als das Telos begriffen werden, auf welches die Entwicklungen der Kunst hinauslaufen und sich von Anfang an zubewegten.65 Sobald dieser Höhepunkt erreicht ist, ist alles Vorhergehende vergangen. An den Rändern zeigt sich sodann die vergangene Gestalt unverstellt und in ganzer Klarheit; in diesem Ende als Vollendung und höchste Subjektivität dieser Stufe erlangt sie Wissen von ihrem Wesen, ihren Grenzen, ihrer Geschichtlichkeit. Im Verschwinden gibt sich das Ganze zu erkennen als Wissen von sich selbst. Denn erst in der lachenden Selbstdistanzierung wird erkennbar, was vorbei ist und nun als Geschichte begriffen werden kann. Solange nämlich der Prozess des ästhetisch gestifteten Selbstbewusstseins noch nicht durchlaufen ist, kann der Geist sich nicht in seiner Wahrheit entbergen; sonst wäre es ja überflüssig, diesen Prozess überhaupt anzustoßen oder ihn gar bis an sein Ende zu treiben, sonst läge das Wissen ja schon ausgebreitet vor ihm. Weil er auf dem Wege hin zu diesem Wissen seine volle Durchsicht noch nicht besitzt, entdeckt sie sich ihm erst am Endpunkt der Vollendung. Für die jeweilige Stufe der Kunst ist das Wissen der Wahrheit als vollkommene Entfaltung des Begriffs im Komischen erreicht. Das Komische ist als Vollendung sogleich auch ein entscheidendes Moment der Erkenntnis der Geschichte. Als geschichtlicher Geist ist es einer philosophischen Behandlung der Kunst fähig und würdig. – In diesem abschließenden Aspekt erweist sich Thalia, die Muse der komischen Künste, vor allem der Komödie, als die leibhaftige Tochter der Mnemosyne: Sie bewahrt die Erinnerung an geschichtlich Vergangenes und gibt ihm das lachende Antlitz der komischen Maske. Nietzsche schreibt in der vierten seiner Unzeitgemäßen Betrachtungen: »Damit ein Ereignis Größe habe, muß zweierlei zusammenkommen: der große Sinn derer, die es vollbringen, und der große Sinn derer, die es erleben. An sich hat kein Ereignis Größe, und wenn schon ganze Sternbilder verschwinden, Völker zugrunde gehen, ausgedehnte Staaten gegründet und 65 

Vgl. Hamacher (2000), S. 121 ff.

Tochter Thalia: Das Komische als Ende und Vollendung der Geschichte

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Kriege mit ungeheuren Kräften und Verlusten geführt werden: über vieles der Art bläst der Hauch der Geschichte hinweg, als handele es sich um Flocken.«66 Damit diese Flocken aber zum Tanzen gebracht werden können, leicht und schwebend, ein bloßes Spiel in Raum und Zeit und dennoch in der Erinnerung einbehalten, muss man sie heiter und unbeschwert nehmen; im Erleben einer ehedem großen Vollbringung. In der Kunst wird der Geist und seine Geschichte angeschaut, überblickt, zu Bewusstsein gebracht, festgehalten. Das Komische ist ihr dabei die leichtfüßig tänzelnde Einstellung der wahren Vernunft zu ihrer Vergangenheit, in welcher keine Trauer und alles einbeschlossen liegt. So bringt Hegel 1823 den in einer langen Argumentation entwickelten Gedanken prägnant auf den Punkt: »Im comischen hat die Kunst ihr Ende.«67 – Dieser Grundansatz Hegels hat eine Analogie zur Figur des vernichtenden Lachens in zahlreichen Dichtungen – nicht bloß die namhaft gemachten Werke von Beaumarchais, Bonaventura und Mann – zumindest in diesem einen Punkt: Eine geistige Gestaltung kann ihren Zerfall auch in Komik ausdrücken.68 Vielleicht muss dies bei Hegel noch bestimmter formuliert werden: Jede wahrlich geistige Größe, Nietzsches ›großer Sinn‹, geht in der Kunst lachend unter. Worin alle Genesen des Ästhetischen gipfeln und zugleich kippen: das Lachen – in und durch das Ende.

66 

Nietzsche: KSA 1, S. 431. Hotho (1823), S. 510. 68  Vgl. Hebing (2013), S. 236. 67 

ABSCHLIESSENDE BETR ACHTUNGEN

In der Einleitung wurde die These aufgestellt, Hegels Interesse am Komischen sei ein geistphilosophisches. Damit verbunden ließ sich in der weiteren Darstellung und Thesenentwicklung der Untersuchung eine wesentliche Eigentümlichkeit der Ästhetik darin ausfindig machen, das in dieser Weise gedeutete Komische vollkommen ernst zu nehmen als Moment geistigen Selbstbewusstseins, und zwar ernst gerade mittels seines unernsten komischen Ausdrucks. Es zeigte sich damit keineswegs als eine zufällige und belanglose Seichtigkeit, die der bloßen Zerstreuung dient, sondern im Gegenteil nach seiner höchsten Bestimmung als künstlerische Selbsterkenntnis des Geistes im Gesamtprozess der Geschichte. Die notwendig daraus hervorgehende Frage, was denn diese Geistigkeit sei, kann am Schluss, nach Versammlung aller Deutungsergebnisse, in der Zusammenschau beantwortet werden. Kunst ist für Hegel Geist, der in der Sinnlichkeit erscheint. Dieser klassische Begriff beinhaltet jedoch noch nicht die Innerlichkeit der selbstbewussten Subjektivität. Erst mit dem Komischen der Komödie fährt sie ins künstlerische Element und erfüllt den Raum der Dichtung mit Reflexivität. In diesem Sinne ist das Komische eine Brechung des schönen Scheins, als Ende der klassischen Kunst wird die Komödie zur gebrochenen Schönheit, weil ihr Wesen nicht mehr vollständig zum Scheinen kommen kann – dieser Bruch ist der Aufbruch in die Moderne. Die letzte antike Form ist aber zugleich eine Verwirklichung des Begriffs des Komischen, die der Auseinandersetzung Hegels mit geschichtlich späteren Gestalten weiterführend Orien­ tierung gibt: Burkhardt Lindner meint daher, »Hegels streng historische Zentrierung der klassischen Kunstautonomie auf die griechische Antike läßt ihn das Komische freier beurteilen«1. Zu dieser freien Behandlung gehört es, die früheren Stufen des Komischen, Epigramm und Epos, als Vorstufen zu verstehen, die in die Komödie eingehen; doch auch für alle späteren wird sie begrifflich bestimmend, ohne dass diese jemals wieder zur alten Komödie als Gestalt einer untergegangenen Welt zurückfinden. Dennoch sind sie allesamt Formen der selbstbezüglichen Subjektivität  – in dieser Bestimmung, die vorzüglich von der Komödie realisiert wird, finden sie ihr gemeinsames Wesen: In der Komödie wird das Selbst selbständig, indem es als immanente Negativität einen Widerspruch, den es nicht mehr aushält, lachend vernichtet 1 

Lindner (1977), S. 275.

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Abschließende Betrachtungen

und sich selbst in diesem Lachen als zweite Negation seiner Macht und als höheres Prinzip bewusst wird. In der Satire verspottet die Subjektivität eine ebensolche Übermacht als unsubstantielle Sittlichkeit und löst sich als wirklichkeitslose Tugend von ihr ab, um sich als Wahrheit zu wissen. Im Lustspiel erkennt sich der Bürger im Lachen über einen Bühnenhelden, der ihm seinen abstrakten Privatzweck vor Augen führt und auf höhere Gehalte verweist. Doch erst der Humor als höchste Kunst der Moderne ist ein Konzept, wie der Mensch durch die Kunst sich einen umfassenden Weltzugang verschaffen kann und wie er das einholen kann, was Kunst als absoluter Geist zu leisten hat: die Welt als ein Werk des freien Geistes zu erkennen. Humor befreit den Menschen aus seiner bürgerlichen Enge und eröffnet ihm die Breite einer ästhetisch vermittelten Weltkultur. Die ernsten Formen der Kunst, das Epos, die Tragödie, die christliche Malerei, der Ritterroman oder das moderne Trauerspiel, sind Darstellungen der Subjektivität, die einer höheren Macht geopfert wird, damit diese sich in ihrer Herrschaft bestätigen lassen kann. Der Einzelne muss demgegenüber machtlos unterliegen. Das Komische hingegen ist der Reflex einer Befreiung von dieser Macht als Fremdheit. Als Bewusstwerdung der Subjektivität wird im Komischen erkannt, selber der Schöpfer dieser nur vermeintlichen Fremdheit zu sein. Der Mensch begreift sich als endliche menschliche Macht, die sich selbst die Götter geschaffen hat, um sich tiefer zu erkennen. Er begreift sich als Selbstbewusstsein und ist somit Bewusstsein dieses Selbstbewusstseins. Kathartisch befreit sich das Lachen über das alte Schicksal von diesem Schicksal, so dass der Mensch sich als das wahre Schicksal allererst begreifen lernt. Daher ist für ihn der Untergang des Überkommenen nicht von Trauer begleitet; als lächelnder Trost bleibt ihm das Neue als freie Selbstbemächtigung, in dem alle vormaligen Inhalte versenkt sind. In der künstlerischen Reflexion des Komischen eignet er sich seine eigene Geschichte als Geschichte des Geistes an. Immerzu bezieht Hegel diesen Prozess auf den Bereich des Politischen. Im Komischen gibt sich sodann ein revolutionäres Moment zu erkennen: Der Ernst der herrschenden Ordnung gehört in die Komödie, weil er sich selber entmachtet hat als Ernst eines überalterten geschichtlichen Modells, das sich verabschiedet. Würde die Subjektivität diese Entwicklung nicht verlachen, um sich zu erheben, sie würde an ihr scheitern; sieht sie aber ein, dass der Ernst es nicht mehr wert ist, ernst genommen zu werden, kann sie ihn vollständig entwerten. Sodann erstürmt ein neues freiheitliches und demokratisches Prinzip die politische Bühne wie die einfachen französischen Bürger die Bastille. Im Lachen befreien sie sich von der Altlast des Abgelebten. Zugleich begreifen sie sich als das neue historische Subjekt, das ein höheres

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Recht gegen das alte Machtgefüge besitzt. Im selbstbewussten Lachen wissen sich die gesellschaftlichen Akteure als die tätige substantielle Masse und als das wirkliche Schicksal der Weltgeschichte. Die Heiterkeit ist das Signum ihres Vergnügens an den eigenen bürgerlichen Errungenschaften als dem gemeinschaftlichen Werk sowie an ihrem bewussten kollektiven Einvernehmen. Ihr anhaltendes Lachen wird dabei zur Feuerprobe – denn eine Position, die es nicht verträgt, auch heiter genommen zu werden, würde in diesem Tabu ihre Schwäche offenbaren. Starke Setzungen sind stark genug, auch einen zu vermissenden Ernst aushalten zu können, ihre Relevanz wahrt die Gültigkeit über das Infragestellen hinweg. Daher sind Freiheit und Selbstbewusstsein sowie das Selbstbewusstsein dieser Freiheit nicht nur die durchgängigen Themen der Kunst allgemein, sondern in besonderem Maße diejenigen der komischen Kunst in ihrer geschichtlichen Entfaltung. Kuno Fischer schreibt in seiner Studie Hegels Leben, Werke und Lehre von 1901: »Die höchste Stufe der ästhetischen Freiheit ist das Komische, und die höchste Stufe des Komischen der Humor. Diese tiefe und folgenschwere Einsicht hat vor Hegel kein Philosoph gehabt, sie ist sein Verdienst und seine Erkenntnis nicht zufälliger Art, sondern begründet in dem Charakter des ganzen Systems.«2 Der Ausdruck aber dieser Freiheit des Selbstbewusstseins in allen Formen des Komischen ist das Lachen als verbindendes Moment. Hegels Ästhetik des Komischen nicht zu verwechseln, heißt festzuhalten, dass etwa moralisierende oder vergleichbare äußerlich zweckorientierte Argumente von ihm nicht formuliert werden. Der Begriff des Lachens, der hier zu Grunde liegt, konnte als ein Ausdruck der Subjektivität in Freiheit, Autonomie und Selbstbestimmung erkannt werden, dessen Nähe zu Schillers Konzept unterstrichen wurde: Es ist nicht irgendein Lachen, sondern das heitere, nicht ein verzerrtes wie beim Grotesken, sondern das befreiende und befreite Lachen, das Hegel als die veritable Wirkung des Komischen herausstellt. Dieses Gemüt, frei von Zwang, selbstbewusst ruhend in sich, ist der lachenden Seligkeit der griechischen Götter vergleichbar, sein Lachen die körperliche Befreiung für die Reflexion seiner selbst. Die Anthropologie stellt zudem fest, dass das Lachen einen geistigen Bildungsprozess durchlebt, der hinwiederum Voraussetzung für die künstlerische Praxis geistigen Selbstbewusstseins ist, zum freien Ausdruck fortgesetzt. Doch ist es davon abgesehen zudem kein willkürliches Lachen, das sich wie die romantische Ironie willkürlich auf alles und jeden bezieht. Hegels Insistieren auf der Selbstbezüglichkeit der lachenden Subjektivität findet die Wahrheit dieses Lachens darin, es als Negativität zu denken, die auf Negation 2 

Fischer (1901), S. 866.

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Abschließende Betrachtungen

der Negation drängt, dabei immer schon inhaltlich erfüllt ist und somit nicht ironisch, sondern wahrhaft selbstironisch wird. Wie der Humor für Jean Paul ist für Hegel generell das Komische der gehaltvolle Gegenentwurf zur Ironie. Dies alles kann nur eine Philosophie leisten, die ihre kunstphilosophischen Ergebnisse somit in Rückbezug auf den Bereich dessen gewinnt, was Hegel ›subjektiver‹ und ›objektiver Geist‹ nennt. Der Konnex zwischen diesen Sphären ermöglicht es, das Komische in der Kunst als ein Selbstbewusstsein zu begreifen, das über die Kunst hinaus welterschließend ist und für die Komik des Lebens sensibilisiert. Zugleich zeigt sich, dass es aber in solchen willkürlichen lebensweltlichen Vereinzelungen gerade nicht in seiner höchsten Weise erscheint: Der Abhängigkeit von politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen gewiss stellt zum ersten Mal Hegel die Frage nach der Kunst als die Frage nach der Geschichte der Kunst. Daher ist das Komische ebenfalls zum ersten Mal von Hegel geschichtsphilosophisch bestimmt worden. Als Bestandteile der allgemeinen Geschichte der Kunst sind die komischen Einzelwerke oder aber ganze Gattungen danach zu befragen, welche Rolle sie im Kontinuum der Geistgeschichte spielen. Wie in der Philosophiegeschichte gilt auch für Kunstwerke, dass keine Einzelheit bloß für sich besteht und dass sie auch nicht Teil einer ungeordneten, willkürlichen Abfolge ist. In engster Verbindung mit der politischen Geschichte, der Religionsgeschichte und überhaupt der Geschichte des sich in diesen Geschichten entfaltenden und erfahrenden Geistes wird das nur scheinbar unzusammenhängende Nachein­ ander in einen tiefen Zusammenhang überführt, den jedoch erst eine Philosophie der Kunst nachträglich aufzeigen kann. Wie im letzten Kapitel herausgearbeitet wurde, ist die letzte Wahrheit und höchste Bestimmung des Komischen als Geist seine Bedeutung innerhalb des Kontinuums der allgemeinen Geschichte. Hegels Ästhetik des Komischen findet ihre höchste Aufgabe darin, ihr diese nachzuweisen. Mit ihr ist das wahre Heilige als Humanus gewusst, dessen Inhalt Goethe und Hegel in nichts Geringerem erblicken als in der letztlich einfachen Tat, den Menschen mit dem Menschen zu verbinden.3 In diesem modernen Sinne, und nur in ihm, ist das Komische heilig.

In Goethes Gedichtzyklus Vier Jahreszeiten heißt es im dritten Teil zum Herbst: »Was ist heilig? Das ist’s, was viele Seelen zusammen / Bindet; bänd’ es auch nur leicht, wie die Binse den Kranz.« »Was ist das Heiligste? Das, was, heut’ und ewig, die Geister, / Tiefer und tiefer gefühlt, immer nur einiger macht.« Goethe: SW 4,1, S. 839. Hegel greift diese Verse auf und verbindet sie mit seinen Gedanken zum Humanus in der Kunst. Vgl. ­Hotho (1823), S. 448. 3 

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PERSONENREGISTER

Abraham 300 Aischylos 60, 70 f., 221, 293 Alkaios 237 Alkibiades 69, 71 Anaxagoras 112, 143 Archilochos 237 Ariosto, Ludovico 402 Aristophanes 11, 21, 24, 42, 49 ff., 63, 69–72, 100, 102, 104 f., 111, 135, 137, 159, 187, 192 ff., 202, 205, 208 f., 211 f., 216, 220 f., 242, 247, 251, 254, 259, 261, 264, 272 f., 280, 285, 356, 366, 401 f. Aristoteles 21, 49, 58, 70, 105, 128, 143, 151 f., 161, 163 f., 197 ff., 216, 218 f., 253, 287 Arndt, Ernst Moritz 329 Arnold, Johann Georg Daniel 268 Arntzen, Helmut 238 Ascheberg, Wilhelm von 178 f., 181, 216, 232, 238, 249, 317, 345 Ast, Friedrich 42, 322 Auerbach, Erich 69, 265, 406 Bachmaier, Helmut 161, 163 Bachtin, Michail 171, 245 Baeumler, Alfred 47 Basilius von Cäsarea 361 Batteux, Charles 149 Baumgarten, Alexander Gottlieb 55 Beaumarchais, Pierre Augustin Caron de 11, 387, 401 f., 415 Benjamin, Walter 305 Berghahn, Klaus L. 124 Bergson, Henri 14, 143 f., 171 Berkeley, Elizabeth Carey, Lady 304

Best, Otto F. 38 Binder, Wolfgang 225 Bloch, Ernst 11, 316, 393 Boisserée, Melchior 370 Boisserée, Sulpiz 359, 370 Bollacher, Martin 380 Bonaventura (Ernst August Friedrich Klingemann) 387, 415 Borcherdt, Hans Heinrich 122 Böttiger, Karl August 13 Boumann, Ludwig 147, 152, 173, 189 Boyle, Robert 304 f. Brecht, Bertolt 24, 253, 299 Brentano, Clemens 136, 253 Bruegel, Pieter d.Ä. 19, 358 Brummack, Jürgen 338 Cajus 11 Catholy, Eckehard 296 Cervantes, Miguel de 402–407, 411 Chrysostomus, Johannes 361 f. Connor, Russell 399 Corneille, Pierre 400 Creuzer, Friedrich 367, 370 Cruysberghs, Paul 246 Dante Alighieri 254 f. Danto, Arthur C. 399 De Quincey, Thomas 33 Demosthenes 71 Descartes, René 159, 322 Desmond, William 413 Destrée, Pierre 163 f., 218 Diderot, Denis 59, 286, 288, 409 ff. Dietrich, Margret 45

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Personenregister

Endres, Johannes 261 Engels, Friedrich 11 Ennius 229 Eschenburg, Johann Joachim 48 Euripides 70 f., 205, 214, 221 Fichte, Johann Gottlieb 56, 58, 322 ff., 330–334, 340–343 Fielding, Henry 305 Fink, Johann Christian Friedrich 355 Firdausī, Abū ’l-Qāsim 370 Fischart, Johann 39 Fischer, Kuno 288, 419 Flögel, Carl Friedrich 17 Fontane, Theodor 302, 364 Forster, Georg 222 Foster, Michael B. 25 Freud, Sigmund 14 Gadamer, Hans-Georg 74, 388 Gall, Franz Joseph 12 Gamm, Gerhard 45, 222 Gans, Eduard 353 Garve, Christian 83, 313 Gellert, Christian Fürchtegott 362 Gerhardt, Volker 156 Gernhardt, Robert 254 Gethmann-Siefert, Annemarie 122 f., 130, 180, 274, 295, 359, 367, 374, 376 f. Gibbon, Edward 117, 233 Glockner, Hermann 229 Goethe, Johann Wolfgang 22, 38, 69 f., 90, 92, 94, 115, 136, 141, 169, 221 f., 233, 252, 254, 267, 272, 292, 295, 311, 319, 321, 328 f., 335, 344, 359, 366–374, 376 f., 379 ff., 400, 404, 409 f., 420 Goldoni, Carlo 135, 262, 288 Gombrich, Ernst 180 Gotthelf, Jeremias 302

Gottsched, Johann Christoph 123, 218 f., 260, 312 Griesheim, Karl Gustav Julius von 151 ff., 165, 189 Grimm, Jürgen 284 Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von 39 Günderode, Karoline von 335 Habermas, Jürgen 117 Hafis, Muh.  ammad Šams ad-Dīn gen. 367–370, 372 Hamacher, Werner 46 Hamann, Johann Georg 354 f., 357, 378 Hamburger, Käte 316, 345 Hammer, Joseph von 369 f. Harich, Wolfgang 331 Hartmann, Nicolai 16, 19, 32 Hegel, Christiane 48 Hegel, Marie (geb. Tucher) 48 Heimann 232 Heine, Heinrich 253 Heinrich II. 406 Heise, Wolfgang 24, 45 Henckmann, Wolfhart 272 Henning, Leopold von 353 Henrich, Dieter 25, 97, 235, 351, 353, 356, 382 Heraklit 112 Herder, Johann Gottfried 224, 321, 342 Herodes 362 Herodot 209, 390 Hesiod 246 Hieronymus 362 Hinck, Walter 45, 166, 209, 211 f. Hinrichs, Hermann Friedrich Wilhelm 353 Hippel, Theodor von 11, 22, 151 f., 354–358, 362, 366 f., 377–381, 389

Personenregister

Hobbes, Thomas 58, 240 f., 302, 395 Hoffmann, E.T.A. 37, 302, 320 Hogarth, William 19, 150, 240, 400 Hölderlin, Friedrich 55 ff., 63, 122, 165, 253, 328, 354 f. Holberg, Ludvig 135 Homer 20 f., 82–85, 246, 340, 366 d’Hondt, Jacques 222 Honoratus von Arles 362 Horaz 20, 45, 49, 219, 229, 237, 342 Hörhammer, Dieter 312, 342 Hösle, Vittorio 14, 72, 172 Hotho, Heinrich Gustav 13, 23 f., 85, 107, 146 ff., 151, 167, 173, 178–183, 186, 189, 191–194, 202, 204, 210, 216–220, 224, 237, 257 ff., 261, 263, 274 f., 293, 317, 350, 352 ff., 358 f., 367, 383, 402 Houlgate, Stephen 216 Hutcheson, Francis 149 Hutten, Ulrich von 248 Hyppolite, Jean 411 Iamblichos 163 Immermann, Karl 302 Isaak 300 Jacobi, Friedrich Heinrich 304, 314, 331, 333 f., 355 Jaeschke, Walter 75, 180, 267, 384 Japp, Uwe 43 Jauß, Hans Robert 240 Jeitteles, Ignaz 20 Jesus von Nazareth 115, 300, 361 Jonson, Ben 378 Judas Ischariot 115, 362 Juvenal 229, 236 Kafka, Franz 387 Kaiser, Gerhard 135

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Kant, Immanuel 33, 53, 55, 58, 127, 153–161, 164, 166, 170, 174, 355 Kehler, Friedrich Carl Hermann Vic­ tor von 181, 193 f., 237, 249, 274, 293 Keller, Gottfried 302 Killy, Walther 269 Kleist, Heinrich von 253, 288, 328 Kleon 71, 214 Körner, Christian Gottfried 254 Körner, Theodor 329 Kotzebue, August von 179, 252, 311 Kraft, Stephan 45, 83, 179, 187 f., 199 f., 202, 267, 273 ff., 284, 363 Kroh, Oswald 47 Kromayr, Carl 181 Krug, Wilhelm Traugott 107 La Chaussée, Pierre-Claude Nivelle de 287 Lavater, Johann Caspar 12 Lenz, Jakob Michael Reinhold 253 Lessing, Gotthold Ephraim 123, 141, 150, 163 f., 221 f., 240, 253 f., 260, 262, 288, 290, 294, 314, 362, 398 Libelt, Karol 37, 181, 231, 235, 249, 326, 357, 366 f., 400 Lichtenberg, Georg Christoph 333 Licilius 229 Lindner, Burkhardt 220, 417 Lipps, Theodor 155 Löffler, Johann Jakob 48 Lope de Vega 135 Ludwig VII. 406 Ludwig XIV. 400 Lukács, Georg 24 f., 228 f., 245–248, 280 ff. Lukian 229, 402 Macchiavelli, Niccolò 248 Mainusch, Herbert 18 Mann, Thomas 302, 387, 415

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Personenregister

Marheineke, Philipp Konrad 353 Marivaux, Pierre Carlet de 287 Marx, Karl 24, 387 Maza, Luis Mariano de la 89 Menander 70 Mendelssohn, Moses 149, 151, 222, 240, 314 Menke, Christoph 41 Meyer, Conrad Ferdinand 302 Meyer-Drawe, Käte 340 Michelet, Jules 286 Michelet, Karl Ludwig 353 Miller, Norbert 311 Molière (Jean-Baptiste Poquelin) 11, 22, 135, 137, 179, 219, 221, 254, 257 f., 260–267, 269, 272–276, 282 ff., 297, 317, 402 Monro, David Hector 240 Montaigne, Michel de 69, 310 Möser, Justus 35, 149, 152, 172, 240 Mozart, Wolfgang Amadeus 387 Müller, Adam 43, 329 Musil, Robert 16 Napoleon Bonaparte 232 f., 235, 292, 387 Netscher, Caspar 19 Nietzsche, Friedrich 63, 343, 414 f. Nikias 71 Nohl, Herman 49 Novalis (Friedrich von Hardenberg) 320, 328, 340 Oellers, Norbert 132 Oelmüller, Willi 50 Opitz, Martin 218, 260 Ovid 314 Pacuvius 229 Paolucci, Anne 27, 45, 205 Parny, Évariste de 249

Paul, Jean (Johann Paul Friedrich Richter) 11, 22, 29, 141, 302–306, 309, 311–322, 329–348, 350, 354 f., 357, 377–380, 389, 420 Paulus, Caroline 13 Paulus, Heinrich 12 Paulus von Tarsus 362 Perikles 71 Persius 229 Petsch, Robert 38 f. Pfordten, P. von der 181, 376 Philipp II. August 406 Picard, Louis Benoit 135 Picasso, Pablo 399 Pinkard, Terry 96 Platon 40, 46, 58, 63, 68, 107, 205, 225, 323, 355, 397 Plautus 48 ff., 69, 135, 211, 221, 254, 258, 273 Plessner, Helmuth 14, 171 Plumpe, Gerhard 210 Pöggeler, Otto 42, 74 Prang, Helmut 252 Preisendanz, Wolfgang 157, 301, 327, 344, 348, 364 Profitlich, Ulrich 129 Proklos 163 Protagoras 67 Puccini, Giacomo 27, 320 Quintilian 229 Raabe, Wilhelm 302, 364 Rabelais, François 39, 69, 248 Racine, Jean Baptiste 400 Ränsch-Trill, Barbara 338, 342 Rasch, Wolfdietrich 334 Rathenau, Walther 46 Raumer, Friedrich von 321 Raupach, Ernst 11, 252, 264, 267–270, 272 ff., 283 f., 297

Personenregister

Regnard, Jean-François 135 Renz, Karl Christian 355 Rilke, Rainer Maria 170 Ritter, Joachim 97, 109, 143 f., 213, 413 Roche, Mark W. 24, 45, 191 ff., 206, 224, 278 Rosenberg, Alfred 47 Rosenkranz, Karl 41, 48, 245, 260, 266 ff., 313 f., 353, 355, 410 Rosenzweig, Franz 61, 279 Rossini, Gioachino 387 Rötscher, Theodor 353 Rousseau, Jean-Jacques 260, 342 Rózsa, Erzsébet 99 Rubens, Peter Paul 399 Rückert, Friedrich 367, 370 ff. Ruge, Arnold 31 Rūmī, Ğalāl ad-Dīn Muh.  ammad 370 f. Rutter, Benjamin 377 Sachs, Hans 400 Saint-Geniès, Léonce de 410 Sandkaulen, Birgit 129, 141, 161 f., 167 Saphir, Moritz Gottlieb 268–271 Saur, Joseph Henri de 410 Schasler, Max 157 f., 161, 170, 174, 197 f. Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 55, 57, 65 f., 121 ff., 125, 132, 240, 255, 322, 354 f. Schiller, Friedrich 26, 55 f., 69, 122–137, 139, 151, 157, 159, 161, 163, 165, 167, 169, 172, 221 f., 225, 228 ff., 254, 267, 287 f., 295, 317, 319, 321, 323, 328, 359, 370, 409, 419 Schlaffer, Hannelore 380 Schlegel, August Wilhelm 40 f., 43, 272, 287, 321, 329, 340

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Schlegel, Friedrich 37, 40 ff., 69, 172, 251, 320–325, 328 f., 334, 340, 342, 345, 380 Schlunk, Wolfgang 25, 47 Schmitz, Hermann 89 Schneider, Helmut 45, 267 Schneider, Manfred 286 Schnitzler, Arthur 387 Schopenhauer, Arthur 330 Schulte, Michael 25, 45, 60, 72, 110, 161, 191, 201, 204, 212 Schulze, Gottlob Ernst 107 Schütze, Stephan 121 f. Seidl, Franz Johann 45 Shaftesbury, Anthony Ashley-Cooper, Earl of 149 Shakespeare, William 11, 22, 48, 135, 137, 221, 254, 267, 272 f., 285, 290 ff., 297, 302, 340, 358, 368 f., 402 Siep, Ludwig 58, 167, 239 Sokrates 40 ff., 46, 66–69, 71 f., 98 f., 107, 117, 138, 193, 214, 231 f., 234 f., 280, 323, 397 f. Solger, Karl Ferdinand 40–43, 240, 272, 302, 316, 321 Sophokles 56, 70, 87, 221 Städtler, Michael 292 Staël, Anne Louise Germaine de 70, 253, 268 Stederoth, Dirk 142 Stemmrich-Köhler, Barbara 367, 374 Sterne, Laurence 141, 303, 305, 355, 410 Stifter, Adalbert 302 Stollmann, Rainer 172, 240 Stolzenberg 151 ff., 163, 167, 189 f. Storm, Theodor 302 Sulzer, Johann Georg 159, 164 Swift, Jonathan 11, 304 f. Terenz 11, 21, 221, 254, 258, 273

460

Personenregister

Thales 397 Theophrast 265 Thibaut, Anton Friedrich Justus 370 Tieck, Ludwig 203, 252, 272, 320 f., 327 f. Troyes, Chrétien de 406 Tryphon von Alexandrien 40

Walzel, Oskar 359 Wieland, Christoph Martin 48, 69 f., 104, 159, 164, 219 Wiethölter, Waltraud 334 Wölfel, Kurt 137 Wolff, Christian 314 Wundt, Max 47

Vico, Giambattista 278 f. Voltaire 85 Voss, Christiane 338

Xenophanes 112, 205 Xenophon 40

Wackenroder, Wilhelm Heinrich 328

Zovko, Jure 328

G. W. F. Hegel Hauptwerke

Auf der Grundlage der historisch-kritischen Ausgabe »G. W. F. Hegel, Gesammelte Werke«, hrsg. von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften Sechs Bände im Schuber. Zusammen 3.422 Seiten 978-3-7873-2760-7. Leinen

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