Haftung und Paarbeziehung: ein Beitrag zu den Rechtspflichten in familienrechtlichen Lebensgemeinschaften und den Haftungsfragen im Innen- und Außenverhältnis 9783161554896, 3161554892

Familienrechtliche Paarbeziehungen bergen im Innen- wie im Aussenverhaltnis zahlreiche Haftungsrisiken, die bislang prim

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Haftung und Paarbeziehung: ein Beitrag zu den Rechtspflichten in familienrechtlichen Lebensgemeinschaften und den Haftungsfragen im Innen- und Außenverhältnis
 9783161554896, 3161554892

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsübersicht
Kapitel 1: Einleitung
Kapitel 2: Grundlagen der Haftung im Familienrecht
Kapitel 3: Eheliche Lebensgemeinschaft
Kapitel 4: Verlöbnis und nichteheliche Lebensgemeinschaft
Kapitel 5: Gemeinsame Elternschaft
Kapitel 6: Kollisionsrechtliche Qualifikation der Haftungsansprüche
Kapitel 7: Zusammenfassung der Ergebnisse
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1: Einleitung
Kapitel 2: Grundlagen der Haftung im Familienrecht
Kapitel 3: Eheliche Lebensgemeinschaft
Kapitel 4: Verlöbnis und nichteheliche Lebensgemeinschaft
Kapitel 5: Gemeinsame Elternschaft
Kapitel 6: Kollisionsrechtliche Qualifikation der Haftungsansprüche
Kapitel 7: Zusammenfassung der Ergebnisse
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
Grundlagen der Haftung im Familienrecht
Eheliche Lebensgemeinschaft
Verlöbnis und nichteheliche Lebensgemeinschaft
Gemeinsame Elternschaft
Kollisionsrechtliche Qualifikation der Haftungsansprüche
Zusammenfassung der Ergebnisse
Literaturverzeichnis
Normenregister
Sachregister

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JUS PRIVATUM Beiträge zum Privatrecht Band 221

Claudia Mayer

Haftung und Paarbeziehung Ein Beitrag zu den Rechtspflichten in familienrechtlichen Lebensgemeinschaften und den Haftungsfragen im Innen- und Außenverhältnis

Mohr Siebeck

Claudia Mayer, geboren 1984; Studium der Rechtswissenschaft an der Universität Passau; Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Passau; 2009 Promotion; Rechtsreferendarin im OLG-Bezirk München; Masterstudium (LL.M.) an der University of Chicago; Akademische Rätin an der Universität Passau; 2017 Habilitation; seit August 2017 Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Deutsches und Internationales Zivilverfahrensrecht an der Universität Tübingen.

Gefördert durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) – 391127786

ISBN 978-3-16-155489-6 ISSN  0940-9610 (Jus Privatum) Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National­ bibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017  Mohr Siebeck Tübingen. www.mohr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Über­setzungen, Mi­ kroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Das Buch wurde von Gulde Druck in Tübingen gesetzt und auf alterungsbeständiges Werk­ druck­papier gedruckt und von der Großbuchbinderei Spinner in Ottersweier gebunden.

Vorwort Das vorliegende Buch ist aus meiner Habilitationsschrift hervorgegangen, die im Sommersemester 2017 der Juristischen Fakultät der Universität Passau vorgelegen hat. Rechtsprechung, Gesetzgebung und Literatur konnten bis Ende März 2017 berücksichtigt werden. Dieses Vorwort möchte ich nutzen, um mich zu bedanken. Dieser Dank gebührt zu allererst meinem verehrten Lehrer, Herrn Prof. Dr. Wolfgang Hau, der mich während der gesamten Qualifikationsphase und Assistentenzeit an seinem Lehrstuhl mit Rat und Tat unterstützt, umsichtig und richtungsweisend gefördert sowie maßgeblich zum Erfolg meines Werdegangs beigetragen hat. Sein Vorbild ist Ansporn und Verpflichtung zugleich; ihm ist das Werk gewidmet. Danken möchte ich außerdem Herrn Prof. Dr. Anatol Dutta für die Erstellung des Zweitgutachtens, aber auch für seine engagierte Förderung während meiner Habilitationsphase. Herrn Prof. Dr. Thomas Riehm und Herrn Prof. Dr. Dennis Solomon danke ich für ihre Mitwirkung als Mitglieder des Fachmentorats. Dem Institut für Rechtsdidaktik, namentlich Herrn Prof. Dr. Urs Kramer, Herrn Prof. Dr. Tomas Kuhn und Herrn Prof. Dr. Holm Putzke, gilt mein Dank für die herzliche Aufnahme in das Team der Dozenten im Passauer Examenskurs und die gute Zusammenarbeit. Meiner Alma Mater, der Juristischen Fakultät der Universität Passau, bin ich nicht nur für meine Ausbildung, sondern auch für hervorragende Forschungs- und Lehr­bedin­g un­gen zu Dank verpflichtet. Dem Verlag Mohr Siebeck danke ich für die Aufnahme in diese Schriftenreihe, der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die groß­zügige Publikationsbeihilfe. Herzlich bedanken möchte ich mich auch bei meinen Kollegen Herrn PD Dr. Florian Eichel, Herrn Josef Eicher und Frau Alexandra Vielberg für viele an­ regende und hilfreiche Diskussionen, aber auch für die gemeinsamen Aktivi­ täten, die mit dazu beigetragen haben, die Zeit am Lehrstuhl so besonders zu machen. Mein herzlicher und inniger Dank gilt schließlich meiner Mama, die mir aufgrund ihrer bedingungslosen Unterstützung und ihrer Anteilnahme stets Rückhalt gegeben und wesentlichen Anteil am Gelingen dieses Werks sowie an meinem gesamten bisherigen Lebensweg hat. Passau, im März 2017

Claudia Mayer

Inhaltsübersicht Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII

Kapitel 1:  Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Kapitel 2:  Grundlagen der Haftung im Familienrecht . . 7 A. Schuld und Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 I. Schuld und Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 II. Haftung und Rechtszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 III. Verhältnis von Schuld und Haftung . . . . . . . . . . . . . 27 IV. Verhältnis von Haftung und Rechtsgrund zum Behaltendürfen (Nachwirkung der Haftung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 V. Gegenstand der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

B. Verhältnis von allgemeinem Schuldrecht und Familienrecht . 43 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Abgrenzung von Schuldverhältnis und Rechtsverhältnis . . . 44 III. Anwendbarkeit des allgemeinen Schuldrechts auf familienrechtliche Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 55 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

C. Haftungsfragen im Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 75

Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . 77 A. Überblick über die Haftungskonstellationen im Innen- und ­Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 B. Haftung im Innen- und Außenverhältnis nach Maßgabe des Deliktsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 I. Anwendbarkeit des Deliktsrechts bei Ehestörungen . . . . . 79 II. Meinungsstand in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . 81

VIII

Inhaltsübersicht

III. Stimmen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 IV. Die Ehe als absolut geschütztes „sonstiges Recht“ im Außenverhältnis zum Ehestörer? . . . . . . . . . . . . . . . 94 V. Die Ehe als absolut geschütztes „sonstiges Recht“ im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten? . . . . . . . . . . 104 VI. Ehe(status) als absolut geschütztes Rechtsgut (Martin Lipp) . 105 VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

C. Haftung kraft schuldrechtlicher Sonderverbindung zwischen den Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 I. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 II.

Eheliche Lebensgemeinschaft als schuldrechtliche Sonderverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtspflichten in der ehelichen Lebensgemeinschaft IV. Haftungsprivilegierung . . . . . . . . . . . . . . . V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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112 133 267 279

D. Haftung eines Dritten gegenüber einem Ehegatten . . . . . . 280 I. Haftung des Dritten bei Ehestörung . . . . . . . . . . . . . 280 II. Verletzung sonstiger Rechtsgüter eines Ehegatten . . . . . . 281 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 E. Haftung eines Ehegatten gegenüber einem vom anderen Ehegatten geschädigten Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 I.

Historische Hintergründe der Haftung für den anderen im ­Eheverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 II. Vertragliche Mithaftung im Rahmen von Geschäften zur Deckung des Lebensbedarfs gemäß §  1357 BGB . . . . . . . 345 III. Haftung aus ausgenutzter familiärer Solidarität . . . . . . . 350 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356

Kapitel 4:  Verlöbnis und nichteheliche Lebensgemeinschaft 359 A. Haftung kraft schuldrechtlicher Sonderverbindung . . . . . . 359 I. Verlöbnis als schuldrechtliche Sonderverbindung? . . . . . . 359 II.

Pflicht zur Rücksichtnahme kraft schuldrechtlicher ­Sonderverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 III. Haftungsprivilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

B. Haftung kraft schutzwürdigen Vertrauens . . . . . . . . . . . 370 I. Ersatzpflicht bei Rücktritt gemäß §§  1298 f. BGB . . . . . . 370 II. Pflicht zur Rückgabe von „Geschenken“ gemäß §  1301 BGB . 381 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392

Inhaltsübersicht

IX

C. Haftung eines Dritten gegenüber einem Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 I. II.

Eigene Ansprüche des geschädigten Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten . . . . . . . . . . . . . . . 393 Ansprüche des Verlobten oder Lebensgefährten des Geschädigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393

D. Haftung eines Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten gegenüber einem vom Partner geschädigten Dritten . . . . . 397

Kapitel 5:  Gemeinsame Elternschaft . . . . . . . . . . . . . 399 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 B. Haftung bei schuldhafter Beeinträchtigung des Umgangsrechts 400 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 II. Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 III. Haftung kraft schuldrechtlicher Sonderverbindung . . . . . 402 IV. Umfang des Schadensersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . 428 V. Haftungsprivilegierung analog §§  1359, 1664 BGB? . . . . . 431 C. Haftung bei schuldhafter Nichtausübung des Umgangs . . . . 432 D. Haftung bei schuldhafter Sorgerechtsverletzung . . . . . . . . 433

Kapitel 6:  Kollisionsrechtliche Qualifikation der Haftungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 A. Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verletzung einer schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflicht . . . . . . . . . . . . 435 I. Abgrenzung zum Vertragsstatut (Rom I-VO) . . . . . . . . 435 II.

Qualifikation als „außervertragliches Schuldverhältnis“ im Sinne der Rom II-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437

B. Ansprüche nach Auflösung eines Verlöbnisses . . . . . . . . . 442 I. Ersatzansprüche bei Rücktritt, §§  1298 f. BGB . . . . . . . . 442 II. Anspruch auf Rückgabe von Geschenken . . . . . . . . . . 444 C. „Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch“ zwischen Eltern eines gemeinsamen Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444

X

Inhaltsübersicht

Kapitel 7:  Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . 447 A. Ergebnisse zur Haftung im Innenverhältnis . . . . . . . . . . 447 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 II. Haftung zwischen Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 III. Besonderheiten im Schuldverhältnis zwischen Verlobten und nichtehelichen Lebensgefährten . . . . . . . . . . . . . . . 453 IV. Besonderheiten im Schuldverhältnis zwischen Eltern eines ­gemeinsamen Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455

B. Ergebnisse zur Haftung im Außenverhältnis . . . . . . . . . . 455 C. Kollisionsrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . 459 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 Normenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495

Inhaltsverzeichnis Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V Inhaltsübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXIII

Kapitel 1:  Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1 Kapitel 2:  Grundlagen der Haftung im Familienrecht . . 7 A. Schuld und Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 I. Schuld und Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7 1. Anspruch und Forderung . . . . . . . . . . . . . . . . . 8 2. Schuld und Verbindlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . 10 II. Haftung und Rechtszwang . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 1. Haftungsbegriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 a) Bedeutungsvielfalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 b) Haftung als Synonym für die Primärschuld . . . . . . 11 c) Haftung als sekundärrechtliche Verantwortlichkeit . . 12 d) Haftung als Einstehenmüssen mit dem eigenen Vermögen ­gegenüber dem Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . 12 e) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14 2. Realisierung der Haftung durch Rechtszwang . . . . . . 15 a) Prozessuale Anspruchsdurchsetzung . . . . . . . . . . 15 b) Materiell-rechtliche Anspruchsdurchsetzung . . . . . 15 3. Ausschluss der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 a) Erhebung einer Einrede . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 (1) Grundsätzliches . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 (2) Arten von Einreden . . . . . . . . . . . . . . . . 17 (a) Dauernde Einreden . . . . . . . . . . . . . . . 17 (b) Aufschiebende Einreden . . . . . . . . . . . . 17 (c) Anspruchsbeschränkende Einreden . . . . . . . 18 (3) Auswirkungen auf die Haftung . . . . . . . . . . . 18 b) Pactum de non petendo . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 (1) Bedeutung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 (2) Ausschluss der prozessualen Klagbarkeit . . . . . . 23

XII

Inhaltsverzeichnis

(3) Ausschluss der materiell-rechtlichen Durchsetzbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 III. Verhältnis von Schuld und Haftung . . . . . . . . . . . . . 27 1. Haftung ohne Schuld . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 a) Grundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 b) Dingliche Verwertungsrechte . . . . . . . . . . . . . . 27 c) Haftungserweiternde Verträge . . . . . . . . . . . . . 28 2. Schuld ohne Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 a) Erhobene Einreden bzw. fehlende Durchsetzungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . 29 b) „Unvollkommene Verbindlichkeiten“ . . . . . . . . . 30 (1) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 (2) Verjährte und infolge Restschuldbefreiung undurchsetzbar gewordene Ansprüche . . . . . . . 31 (3) Unverbindliche Zusagen . . . . . . . . . . . . . . 32 (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 c) Beschränkte Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 IV. Verhältnis von Haftung und Rechtsgrund zum Behaltendürfen (Nachwirkung der Haftung) . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 V. Gegenstand der Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 1. Grundsatz der unbeschränkten Haftung . . . . . . . . . 40 2. Scheinbare Ausnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Beschränkte Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 VI. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

B. Verhältnis von allgemeinem Schuldrecht und Familienrecht . 43 I. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 II. Abgrenzung von Schuldverhältnis und Rechtsverhältnis . . . 44 1. Das Schuldverhältnis als Gegenstand des Schuldrechts . . 44 a) Schuldverhältnis im engeren Sinne . . . . . . . . . . . 44 b) Schuldverhältnis im weiteren Sinne . . . . . . . . . . . 45 (1) Begriffsbestimmung und Inhaltsbeschreibung . . . 45 (2) Funktionen des Schuldverhältnisses . . . . . . . . 48 (a) Leistungszweck . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 (b) Schutzzweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 (3) Legitimation der Pflichten als Rechtsfolgen des ­Schuldverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 (a) Allgemeine Überlegungen . . . . . . . . . . . . 49 (b) Erhöhte Einwirkungsmöglichkeiten . . . . . . 50 (c) Eingeschränkte Verteidigungsmöglichkeiten . . 51

Inhaltsverzeichnis

XIII

(d) Gewährleistung eines vertrauensvollen Miteinanders . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 2. Begriff und Funktion des Rechtsverhältnisses . . . . . . . 55 III. Anwendbarkeit des allgemeinen Schuldrechts auf familienrechtliche Verhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . 55 1. Darstellung des Meinungsstands . . . . . . . . . . . . . 56 a) Familienrechtliche Rechtsverhältnisse seien keine ­Schuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 b) Das familienrechtliche gesetzliche Schutzverhältnis . . 57 c) Das gesetzliche Rechtsverhältnis familienrechtlicher Art 60 (1) Die Entscheidung des BGH von 2002 zum Schadensersatz bei Umgangsvereitelung . . . . . . 60 (a) Problembeschreibung und Entscheidungsgründe 60 (b) Kritik in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . 61 (c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (2) Die Entscheidung des BGH von 2013 zum Schadensersatz wegen Unterhalts für ein scheineheliches Kind . . . . . . . . . . . . . . . . 64 d) Familienrechtliche Verhältnisse seien (gesetzliche) ­Schuldverhältnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 2. Systematische Stellung und historische Entwicklung . . . 66 3. Charakterisierung familienrechtlicher Rechtsverhältnisse 71 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

C. Haftungsfragen im Familienrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 75

Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft . . . . . . . . . . . 77 A. Überblick über die Haftungskonstellationen im Innen- und ­Außenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 B. Haftung im Innen- und Außenverhältnis nach Maßgabe des Deliktsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 I. Anwendbarkeit des Deliktsrechts bei Ehestörungen . . . . . 79 II. Meinungsstand in der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . 81 III. Stimmen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 IV. Die Ehe als absolut geschütztes „sonstiges Recht“ im Außenverhältnis zum Ehestörer? . . . . . . . . . . . . . . . 94 1. Grundgedanken des deliktischen Haftungssystems . . . . 94 2. Das „sonstige Recht“ i. S. v. §  823 Abs.  1 BGB . . . . . . . 96 a) Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion . . . . . . 96

XIV

Inhaltsverzeichnis

b) Sozialtypische Offenkundigkeit (Fabricius) . . . . . . 98 c) Funktional-teleologische Begriffsbestimmung . . . . . 100 3. Die Ehe als „sonstiges Recht“ . . . . . . . . . . . . . . . 101 4. Der „räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe“ als „sonstiges Recht“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 V. Die Ehe als absolut geschütztes „sonstiges Recht“ im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten? . . . . . . . . . . 104 VI. Ehe(status) als absolut geschütztes Rechtsgut (Martin Lipp) . 105 VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111

C. Haftung kraft schuldrechtlicher Sonderverbindung zwischen den Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 I. Vorüberlegungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 II.

Eheliche Lebensgemeinschaft als schuldrechtliche Sonderverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 1. Der Begriff der „Sonderverbindung“ . . . . . . . . . . . 112 2. Ehelehren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Institutionelle Ehelehre . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Interindividuelle Ehelehre . . . . . . . . . . . . . . . 116 c) Ehe als soziale Verhaltensform . . . . . . . . . . . . . 118 d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 3. Das Verständnis der ehelichen Lebensgemeinschaft nach dem 1. EheRG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 a) Der Primat der Autonomie der Ehegatten . . . . . . . 120 b) Eheliche Lebensgemeinschaft als Statusverhältnis . . . 121 (1) Der Statusbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (a) Statuskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 (2) Formales Statusrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 128 (3) Materielles Statusrecht . . . . . . . . . . . . . . . 130 (4) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 4. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 III. Rechtspflichten in der ehelichen Lebensgemeinschaft . . . . 133 1. Anerkannte Leistungspflichten . . . . . . . . . . . . . . 133 a) Unterhaltspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 b) Pflicht zum Ausgleich des Zugewinns . . . . . . . . . 136 c) Versorgungsausgleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 d) Pflicht zur Überlassung von Ehewohnung und ­Haushaltsgegenständen für die Zeit der Trennung und nach der Scheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 e) Auskunftspflicht über Vermögensverhältnisse . . . . . 138

Inhaltsverzeichnis

XV

2. Rechtspflichten gemäß §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB? . . . . . . 140 a) Qualifikation der „Pflicht“ zur ehelichen Lebensgemeinschaft gemäß §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  1 BGB 141 (1) Generalklausel statt enumerative Aufzählung der ehelichen „Pflichten“ . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (2) „Sittliches Wesen der Ehe“ . . . . . . . . . . . . . 142 (3) „Pflicht“ zur ehelichen Lebensgemeinschaft als echte Rechtspflicht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (a) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 (b) Kennzeichen einer Rechtspflicht im Allgemeinen 146 (i) Äußeres Verhalten . . . . . . . . . . . . . 146 (ii) Sanktionierung . . . . . . . . . . . . . . . 147 (iii) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . 151 (c) Wortlaut von §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  1 BGB und ­Rechtfolgen bei Verstößen . . . . . . . . . . . . 151 (4) Der Gewährleistungsgehalt von Art.  6 Abs.  1 GG als Maßstab für die einfach-rechtliche Ausgestaltung . 154 (a) Die Ehe als Grundrecht und ausgestaltungsbedürftiges Rechtsinstitut . . . . 154 (i) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 (ii) Wertentscheidende Grundsatznorm . . . . 157 (iii) Institutsgarantie . . . . . . . . . . . . . . 158 a. Wesentliche Strukturelemente . . . . . . 158 b. Individuumsbezogenes Verständnis . . . 162 (iv) Freiheitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . 169 (v) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (b) Der rechtsfreie Raum – die Lehre vom „Schwellenrecht“ . . . . . . . . . . . . . . . . 175 (i) Die „Normativität“ des rechtsfreien Raums 176 (ii) Die Kriterien zur Abgrenzung des rechtlichen vom rechtsfreien Raum – das sog. „Schwellenrecht“ . . . . . . . . . . . . . . 178 (iii) Die „Relativität“ des rechtsfreien Raums . 180 (c) Rechtsfreier Raum im Ehepersonenrecht – Analyse der geläufigsten Einzelausprägungen des §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB . . . . . . . . . . . . 181 (i) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 (ii) Insbesondere: Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft . . . . . . . . . . . . . . . 184 (iii) Insbesondere: Pflicht zur ehelichen Treue . 186 (iv) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 (d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190

XVI

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(5) Einfach-rechtliche Ausgestaltung der Ehe auf der ­Grundlage eines individuumsbezogenen Verständnisses der Institutsgarantie . . . . . . . . 190 (6) Abgrenzung des rein persönlichen vom sozialen und vermögensrechtlichen Bereich . . . . . . . . . . . 194 b) Schlussfolgerung für die Frage der Haftung kraft ­Sonderverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 3. Pflicht zur Rücksichtnahme kraft ehelicher Sonderverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 (1) Gesetzliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . 197 (2) Inhalt und Umfang . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 (3) Insbesondere: Aufklärungspflicht . . . . . . . . . 200 (a) Definition und Abgrenzung . . . . . . . . . . . 200 (b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 201 (c) Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 (d) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 (4) Eingrenzung der weiteren Untersuchung . . . . . . 205 b) Vermögensangelegenheiten . . . . . . . . . . . . . . . 206 (1) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 (2) Steuerliche Mitwirkung . . . . . . . . . . . . . . . 207 (3) Gestattung der Mitbenutzung von Ehewohnung und Haushaltsgegenständen . . . . . . . . . . . . . . . 208 (4) Mitarbeit im Gewerbe des anderen Ehegatten . . . 209 (5) Nachwirkende Rücksichtnahmepflicht . . . . . . . 210 c) Familienplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 (2) Relevante Pflichtverletzung . . . . . . . . . . . . . 213 (3) Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 d) „Seitensprung“ und Unterhaltsregress . . . . . . . . . 217 (1) Überblick über die Rechtslage . . . . . . . . . . . 218 (2) Auskunftsanspruch gegenüber der Mutter . . . . . 222 (a) Meinungsstand in der Rechtsprechung . . . . . 222 (b) Kritische Stimmen in der Literatur . . . . . . . 228 (c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 (d) Reformpläne . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 (e) Eigener Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . 237 (3) Aufklärungspflichtverletzung der Mutter . . . . . 238 (4) Schadensersatzanspruch gegenüber der Mutter wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht . . . . . . . . 244 (a) Meinungsstand in der Rechtsprechung . . . . . 244 (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

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(c) Kausalität – Vermutung „aufklärungsrichtigen ­Verhaltens“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 (d) Umfang des Schadensersatzanspruchs . . . . . 249 (e) Verjährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (5) Schlussfolgerung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 e) Ansteckende Krankheiten . . . . . . . . . . . . . . . 252 f) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 4. Rechtspflichten kraft Parteivereinbarung? . . . . . . . . 254 a) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 b) Meinungsstand zur Rechtsnatur des ehelichen Einvernehmens im Hinblick auf die Begründung rechtlicher Pflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 (1) Rechtsgeschäftliche Natur . . . . . . . . . . . . . 255 (2) Vertrauenstatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . 257 (3) Ablehnung einer rechtlichen Verbindlichkeit . . . . 257 (4) Theorie der normativen Verbindlichkeit nach Hepting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 (1) Rechtsfreier Raum und privatautonome Rechtsetzung 260 (2) Der einvernehmlich zu gestaltende Lebensbereich der Ehegatten als dispositiv rechtsfreier Raum . . . 262 d) Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 5. Vorschlag für eine Neuregelung des §  1353 BGB de lege ferenda . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 IV. Haftungsprivilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 1. Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 2. Diligentia quam in suis . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 a) Haftungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 b) Disponibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 3. Reichweite . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 a) Verpflichtung aus dem ehelichen Verhältnis . . . . . . 271 b) „Konkurrierende Deliktshaftung“ . . . . . . . . . . . 272 c) Insbesondere: Verkehrsunfälle . . . . . . . . . . . . . 273 (1) Meinungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 (2) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 (3) Teleologische Reduktion von §  1359 BGB bei ­Versicherungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . 277 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279

D. Haftung eines Dritten gegenüber einem Ehegatten . . . . . . 280 I. Haftung des Dritten bei Ehestörung . . . . . . . . . . . . . 280 II. Verletzung sonstiger Rechtsgüter eines Ehegatten . . . . . . 281

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1. Eigene Ansprüche des durch einen Dritten geschädigten ­Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 a) Mitwirkendes Verschulden des anderen Ehegatten . . . 281 b) Anspruchsreduzierung nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld . . . . . . . . . . . . . . . . 283 (1) Problemstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 (2) Lösungsmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . 286 (a) Fingiertes Gesamtschuldverhältnis . . . . . . . 286 (b) Regresskreisel . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 (c) Absolute Außenwirkung der Privilegierung . . 287 (d) Rechtsprechung des BGH . . . . . . . . . . . . 287 (3) Interessenbewertung . . . . . . . . . . . . . . . . 289 (4) Exkurs: §  1664 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 2. Ansprüche des Ehegatten des Geschädigten . . . . . . . 292 a) Grundsatz und ausnahmsweise Ersatzfähigkeit „mittelbarer Schäden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 b) Mitwirkendes Verschulden des Geschädigten (§  846 BGB) 293 c) Schadensersatz und Schmerzensgeld für Schockschäden 296 (1) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 (2) Richterrechtliche Einschränkungen . . . . . . . . 297 (a) Besondere zusätzliche Voraussetzungen der ­Ersatzfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 (c) Relevanz als Kriterien im Rahmen der Zurechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 (3) Berücksichtigung eines Mitverschuldens des unmittelbar Verletzten oder Getöteten . . . . . . . 303 (a) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 (b) Kritik aus der Literatur . . . . . . . . . . . . . 304 (c) Analoge Anwendbarkeit von §  846 BGB . . . . 306 (4) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 d) Angehörigenschmerzensgeld . . . . . . . . . . . . . . 309 (1) Problemaufriss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309 (2) Rechtslage in Deutschland . . . . . . . . . . . . . 310 (3) Rechtsvergleichende Umschau in Europa . . . . . 314 (a) Inhaltliche Gestaltung in einigen europäischen ­Sachrechten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 314 (b) Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . 318 (4) Argumente pro und contra ein ­Angehörigenschmerzensgeld . . . . . . . . . . . . 319 (5) Funktion des Angehörigenschmerzensgeldes . . . . 322

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(6) Ausgestaltung des Angehörigenschmerzensgeldes (de lege ferenda) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 (7) Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 e) Rettungs- und Nothilfeversuche . . . . . . . . . . . . 329 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 332

E. Haftung eines Ehegatten gegenüber einem vom anderen Ehegatten geschädigten Dritten . . . . . . . . . . . . . . . . . 332 I.

Historische Hintergründe der Haftung für den anderen im ­Eheverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 1. Common Law-Tradition: Mann und Frau als eine rechtliche Identität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 2. Historische Funktion der Familie als Haftungsverband . 338 a) Max Webers Forschungen zu den Haushalts- und ­Erwerbsgemeinschaften . . . . . . . . . . . . . . . . 338 b) Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland . 343 II. Vertragliche Mithaftung im Rahmen von Geschäften zur Deckung des Lebensbedarfs gemäß §  1357 BGB . . . . . . . 345 III. Haftung aus ausgenutzter familiärer Solidarität . . . . . . . 350 1. Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 2. Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen die guten Sitten . . . . 351 3. Anfechtbarkeit wegen widerrechtlicher Drohung . . . . . 354 4. Erwirkung unmittelbarer Erfüllungshandlungen . . . . . 356 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356

Kapitel 4:  Verlöbnis und nichteheliche Lebensgemeinschaft 359 A. Haftung kraft schuldrechtlicher Sonderverbindung . . . . . . 359 I. Verlöbnis als schuldrechtliche Sonderverbindung? . . . . . . 359 1. Verlobung und zugrundeliegendes Rechtsverhältnis . . . 359 2. Rechtsnatur der Verlobung . . . . . . . . . . . . . . . . 360 a) Theorienstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 II.

Pflicht zur Rücksichtnahme kraft schuldrechtlicher ­Sonderverbindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 III. Haftungsprivilegierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

B. Haftung kraft schutzwürdigen Vertrauens . . . . . . . . . . . 370 I. Ersatzpflicht bei Rücktritt gemäß §§  1298 f. BGB . . . . . . 370 1. Gesetzliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 2. Wichtiger Grund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 a) Scheitern der Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . 372

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b) „Verschulden“ eines Verlobten . . . . . . . . . . . . . 373 c) Unverschuldete nachträglich entstehende oder bekannt werdende Umstände . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 4. Übertragbarkeit auf andere Lebensgemeinschaften? . . . 380 II. Pflicht zur Rückgabe von „Geschenken“ gemäß §  1301 BGB . 381 1. Gesetzliche Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 2. Zuwendungsausgleich als Ausdruck des Vertrauensgrundsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 a) Dogmatische Einordnung als Wegfall der Geschäftsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 382 b) Anspruchsbeschränkung auf unbenannte, verlöbnisbezogene Zuwendungen . . . . . . . . . . . 383 3. Übertragbarkeit auf andere Lebensgemeinschaften . . . . 387 a) Vertrauensgrundsatz als Richtschnur für den Ausgleich unbenannter Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . 387 b) Kein Vertrauensschutz bei gemeinschaftsübersteigenden Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 390 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 392

C. Haftung eines Dritten gegenüber einem Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten . . . . . . . . . . . . . . . . . 392 I. II.

Eigene Ansprüche des geschädigten Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten . . . . . . . . . . . . . . . 393 Ansprüche des Verlobten oder Lebensgefährten des Geschädigten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 1. Grundsatz und ausnahmsweise Ersatzfähigkeit „mittelbarer Schäden“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 2. Mitwirkendes Verschulden des Geschädigten (§  846 BGB) 394 3. Schadensersatz und Schmerzensgeld für Schockschäden . 395 4. Angehörigenschmerzensgeld . . . . . . . . . . . . . . . 396 5. Rettungs- und Nothilfeversuche . . . . . . . . . . . . . 396

D. Haftung eines Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten gegenüber einem vom Partner geschädigten Dritten . . . . . 397

Kapitel 5:  Gemeinsame Elternschaft . . . . . . . . . . . . . 399 A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 B. Haftung bei schuldhafter Beeinträchtigung des Umgangsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400 I. Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400

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II. Deliktische Haftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 III. Haftung kraft schuldrechtlicher Sonderverbindung . . . . . 402 1. Gemeinsame Elternschaft als schuldrechtliche Sonderverbindung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 402 a) Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . 402 b) Qualifikation als „mittreuhänderisches“ Schuldverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 2. Schuldrechtliche Rechtspflichten . . . . . . . . . . . . . 407 a) §  1684 Abs.  2 BGB als lex specialis zu §  241 Abs.  2 BGB 408 b) Allgemeine Rücksichtnahmepflicht gemäß §  241 Abs.  2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 414 c) Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch . . . . . . . . 415 (1) Entstehungsgeschichte und Voraussetzungen . . . . 415 (2) Praktische Relevanz . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 (3) Dogmatische Begründung als cessio legis . . . . . . 419 (a) Mögliche Anspruchsgrundlagen . . . . . . . . 419 (b) Gesetzlicher Forderungsübergang analog §  1607 Abs.  3 S.  1 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . 421 (i) Vorrang der Analogie . . . . . . . . . . . 421 (ii) Planwidrige Regelungslücke . . . . . . . . 421 (iii) Vergleichbarkeit der Interessenlage . . . . 422 (c) Vorteile der cessio legis . . . . . . . . . . . . . 426 (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 427 IV. Umfang des Schadensersatzanspruchs . . . . . . . . . . . . 428 1. Vergebliche Aufwendungen als ersatzfähige Schadensposten? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 2. Schutzzweck der verletzten Norm bzw. Pflicht . . . . . . 429 V. Haftungsprivilegierung analog §§  1359, 1664 BGB? . . . . . 431

C. Haftung bei schuldhafter Nichtausübung des Umgangs . . . . 432 D. Haftung bei schuldhafter Sorgerechtsverletzung . . . . . . . . 433

Kapitel 6:  Kollisionsrechtliche Qualifikation der Haftungsansprüche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 435 A. Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verletzung einer schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflicht . . . . . . . . . . . . 435 I. Abgrenzung zum Vertragsstatut (Rom I-VO) . . . . . . . . 435 II.

Qualifikation als „außervertragliches Schuldverhältnis“ im Sinne der Rom II-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437

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1. Bereichsausnahme für außervertragliche Schuldverhältnisse aus einem Familienverhältnis oder Verhältnissen mit ­vergleichbaren Wirkungen gemäß Art.  1 Abs.  2 lit.  a Rom II-VO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 2. Unerlaubte Handlung gemäß Art.  4 Rom II-VO . . . . . 439 3. Anwendbares Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 4. Geltungsbereich des anwendbaren Rechts . . . . . . . . . 441

B. Ansprüche nach Auflösung eines Verlöbnisses . . . . . . . . . 442 I. Ersatzansprüche bei Rücktritt, §§  1298 f. BGB . . . . . . . . 442 II. Anspruch auf Rückgabe von Geschenken . . . . . . . . . . 444 C. „Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch“ zwischen Eltern eines gemeinsamen Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444

Kapitel 7:  Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . 447 A. Ergebnisse zur Haftung im Innenverhältnis . . . . . . . . . . 447 I. Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 II. Haftung zwischen Ehegatten . . . . . . . . . . . . . . . . . 448 III. Besonderheiten im Schuldverhältnis zwischen Verlobten und nichtehelichen Lebensgefährten . . . . . . . . . . . . . . . 453 IV. Besonderheiten im Schuldverhältnis zwischen Eltern eines ­gemeinsamen Kindes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455

B. Ergebnisse zur Haftung im Außenverhältnis . . . . . . . . . . 455 C. Kollisionsrechtliche Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . 459 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 461 Normenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 487 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere(r) Ansicht a. a. O. am angegebenen Ort ABGB Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch ABl.EG Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft (bis Januar 2003) ABl.EU Amtsblatt der Europäischen Union (seit Februar 2003) Abs. Absatz AcP Archiv für die civilistische Praxis a. E. am Ende a. F. alte Fassung Ag. Antragsgegner AG Amtsgericht AGB Allgemeine Geschäftsbedingungen allg. M. allgemeine Meinung Alt. Alternative AnfG Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (Anfechtungs­ gesetz) Anh. Anhang Anm. Anmerkung arg. argumentum Art. Artikel Ast. Antragsteller AT Allgemeiner Teil Aufl. Auflage BauR Baurecht BayVBl Bayerische Verwaltungsblätter Bd. Band BeckRS Beck online Rechtsprechung Begr. Begründung Bekl. Beklagte/r BG Bundesgericht (Schweiz) BGB Bürgerliches Gesetzbuch BGBl. Bundesgesetzblatt BGE Index der Bundesgerichtsentscheide (Schweiz) BGH Bundesgerichtshof BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bl. Blatt BMJ Bundesministerium der Justiz BR-Drucks. Drucksachen des Bundesrats

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Abkürzungsverzeichnis

Bsp. Beispiel BT-Drucks. Drucksachen des Bundestags Buff. L. Rev. Buffalo Law Review BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bzw. beziehungsweise CC Code Civile CEFL Commission on European Family Law d. der/die/das/des DAR Deutsches Autorecht DCFR Draft Common Frame of Reference ders. derselbe d. h. das heißt dies. dieselbe(n) Diss. Dissertation DJT Deutscher Juristentag DM Deutsche Mark DNotZ Deutsche Notar-Zeitschrift DZWIR Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht ed. edition EG Europäische Gemeinschaft EGBGB Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch 1. EheRG 1977 Erstes Gesetz zur Reform des Ehe und Familienrechts vom 14.6.1976, BGBl. I, S.  1421 Einf v Einführung vor Einl. Einleitung Einl. v. Einleitung vor E-Mail electronic mail Entw. Entwurf etc. et cetera EU Europäische Union EuGH Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften EUR Euro EuUntVO Verordnung (EG) Nr.  4/2009 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhaltssachen v. 18.12.2008, ABl.EU 2009 Nr. L 7/1. f. folgende(r/s) FamFG Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit FamRZ Zeitschrift für das gesamte Familienrecht ff. fortfolgende FF Forum Familienrecht Fn. Fußnote FPR Familie, Partnerschaft, Recht FuR Familien und Recht FS Festschrift Ga. L. Rev. Georgia Law Review

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gem. gemäß GewSchG Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen GG Grundgesetz ggf. gegebenenfalls GleichberG Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts (Gleichberechtigungsgesetz) GPS Global Positioning System grds. grundsätzlich GS Gedächtnisschrift Harv. L. Rev. Harvard Law Review HAVE Haftung und Versicherung HGB Handelsgesetzbuch h. M. herrschende Meinung Hrsg. Herausgeber hrsg. herausgegeben Hs. Halbsatz HUntP 2007 Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht, ABl.EU 2009 Nr. L 331/19 i. e. S. im engeren Sinne i. R. d. im Rahmen der/des insb. insbesondere InsO Insolvenzordnung IPR Internationales Privatrecht IPRax Praxis des Internationalen Privat- und Verfahrensrechts i. S. d. im Sinne der/s i. S. e. im Sinne einer/s i. V. m. in Verbindung mit i. w. S. im weiteren Sinne JA Juristische Arbeitsblätter JherJhrb Jherings Jahrbücher JR Juristische Rundschau Jura Juristische Ausbildung JurBüro Das juristische Büro jurisPR-FamR juris PraxisReport Familienrecht JuS Juristische Schulung Justiz Die Justiz, Amtsblatt des Justizministeriums Baden-Württemberg JW Juristische Wochenschrift JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KfZ Kraftfahrzeug KG Kammergericht Kl. Kläger KreisG Kreisgericht krit. kritisch Lit. Literatur

XXVI

Abkürzungsverzeichnis

LG Landgericht LM Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, Lindemeier-Möhring LMK Kommentierte BGH-Rechtssprechung Lindenmaier-Möhring LPartG Gesetz über die Eingetragene Lebenspartnerschaft Ls Leitsatz m. mit m. abl. Anm. mit ablehnender Anmerkung m. Anm. mit Anmerkung MarkenG Gesetz über den Schutz von Marken und sonstigen Kennzeichen m. a. W. mit anderen Worten MDR Monatsschrift für deutsches Recht m. E. meines Erachtens m. krit. Anm. mit kritischer Anmerkung Mod. L. Rev. Modern Law Review m. w. N. mit weiteren Nachweisen m. W. v. mit Wirkung von m. zust. Anm. mit zustimmender Anmerkung Nachw. Nachweis/e/n n. Chr. nach Christus n. F. neue Fassung NJ Neue Justiz NJW Neue Juristische Wochenschrift NJW-RR NJW-Rechtsprechungs-Report Nr. Nummer NVwZ Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht N.Y.U. L. Rev. New York University Law Review NZFam Neue Zeitschrift für Familienrecht NZV Neue Zeitschrift für Verkehrsrecht OGH Oberster Gerichtshof (Österreich) ÖJT Österreichischer Juristentag OLG Oberlandesgericht OLGZ Entscheidungen der Oberlandesgerichte auf dem Gebiete des Zivilrechts OR Obligationenrecht (Schweiz) PatG Patentgesetz PETL Principles of European Tort Law Prot Protokoll PStG Personenstandsgesetz RabelsZ Rabels Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht RegE Regierungsentwurf RG Reichsgericht RGBl. Reichsgesetzblatt RGZ Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen RIW Recht der internationalen Wirtschaft Rn. Randnummer

Abkürzungsverzeichnis

Rom I–VO

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Verordnung (EG) Nr.  593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17.6.2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Rom II-VO Verordnung (EG) Nr.  864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht Rpfleger Der Deutsche Rechtspfleger Rs. Rechtssache Rspr. Rechtsprechung RVG Rechtsanwaltsvergütungsgesetz RVO Reichsversicherungsordnung S. Satz oder Seite SavignyZ Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte – Romanistische Abteilung 1921 SchuldR Schuldrecht Sect. Section SeuffArch Seufferts Archiv für Entscheidungen der obersten Gerichte in den deutschen Staaten SGB VII Siebtes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung sms short message service sog. so genannte(r/s) StAZ Zeitschrift für Standesamtswesen StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung st. Rspr. ständige Rechtsprechung str. streitig StVG Straßenverkehrsgesetz SVR Straßenverkehrsrecht TSG Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz) TV Television u. und/unten/unter umstr. umstritten UN-Charta Charta der Vereinten Nationen u. U. unter Umständen v. vom/n oder versus Var. Variante VersAusglG Gesetz über den Versorgungsausgleich VersR Versicherungsrecht vgl. vergleiche Vill. L. Rev. Villanova Law Review VO Verordnung Vorbem. Vorbemerkungen VVG Gesetz über den Versicherungsvertrag WM Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht – Wertpapiermitteilungen www. world wide web

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Abkürzungsverzeichnis

z. zu/zum/zur zahlr. zahlreich/e/n z. B. zum Beispiel ZEuP Zeitschrift für Europäisches Privatrecht ZFE Zeitschrift für Familien- und Erbrecht ZfPW Zeitschrift für die gesamte Privatrechtswissenschaft ZfRV Zeitschrift für Rechtsvergleichung, Internationales Privatrecht und Europarecht zfs Zeitschrift für Stiftungswesen ZfSch Zeitschrift für Schadensrecht ZGS Zeitschrift für das gesamte Schuldrecht ZHR Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht zit. zitiert ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik zust. zustimmend ZVR Zeitschrift für Verkehrsrecht ZZP Zeitschrift für Zivilprozess

Kapitel 1

Einleitung „Das Recht kann die Moral nur ermöglichen, nicht erzwingen, weil die moralische Tat begriffsnotwendig nur eine Tat der Freiheit sein kann; weil es aber die Moral nur ermöglichen kann, muß es unumgänglich auch die Unmoral ermöglichen.“1

Dass diese rechtsphilosophische Erkenntnis von Gustav Radbruch für Juristen äußerst unbefriedigend und schwer zu akzeptieren scheint, zeigt sich an der im Familienrecht seit Jahrzehnten in Rechtsprechung und Literatur geführten Diskussion zur Haftung bei Verletzung persönlicher „Pflichten“, wie insbesondere der Pflicht zur ehelichen Treue. Auch wenn die vor allem in den 60er und 70er Jahren ausgetragene Debatte zu den vermögensrechtlichen Konsequenzen von Ehestörungen im Innen- und Außenverhältnis heute „aktuelleren“ Fragen, wie etwa den abstammungsrechtlichen Konsequenzen der Reproduktionsmedizin in In- und Auslandsfällen, weichen musste, hat die Problematik für die praktisch Betroffenen nichts an ihrer Brisanz verloren, zumal eine interessengerechte und dogmatisch überzeugende Lösung bisher nicht gefunden scheint. So hat der BGH 2 im Jahr 2013 beispielsweise erneut die Schadensersatzklage eines betrogenen Ehemanns, der erst 44 Jahre nach der Geburt des Kindes erfuhr, dass er nicht dessen leiblicher Vater ist, und 29 Jahre für das scheineheliche Kind Unterhalt gezahlt hatte, gegen dessen Ehefrau (auch im Hinblick auf die nicht verjährten Zahlungen) abgewiesen und den Scheinvater damit – über das seelische Leid hinaus – auch noch mit den finanziellen Konsequenzen des „Fehlverhaltens“ der Frau belastet – ein Ergebnis, das alles andere als „gerecht“ erscheint. Nach wie vor gehören die Voraussetzungen und der Inhalt vermögensmäßiger Ausgleichsansprüche nach dem Scheitern personaler Näheverhältnisse zu den schwierigsten Fragen im Schnittbereich von Familienrecht und Schuldrecht. Wenig problematisch sind dabei die haftungsrechtlichen Folgen von Pflichtverletzungen im Rahmen des Scheidungsfolgenrechts, wie etwa die schuldhafte Nichterfüllung nachehelicher Unterhalts- oder Zugewinnausgleichspflichten. In diesen Fällen ist eine Haftung bei (regelmäßig vorsätzlicher) Pflichtverletzung neben etwaigen Straftatbeständen (vgl. §  170 StGB) ohne Weiteres gegeben 1  2 

Radbruch, Rechtsphilosophie, 8.  Aufl. 1973, S.  137. BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108.

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Kapitel 1:  Einleitung

und aus wissenschaftlicher Sicht nicht weiter erörterungswürdig. Ungleich interessanter ist die Frage der Haftung in familienrechtlichen Paarbeziehungen in Bezug auf persönliche „Pflichten“, auf die sich die vorliegende Arbeit konzentriert. Lange Zeit beschränkte sich die familienrechtliche Diskussion zur Haftung bei Verletzung persönlicher „Pflichten“ auf die Einschlägigkeit deliktischer Haftungsgrundlagen. In jüngerer Zeit wird jedoch zunehmend auch die Möglichkeit einer außerdeliktischen schuldrechtlichen Haftung erwogen. Während namhafte Literaturstimmen die Anwendung der Vorschriften aus dem allgemeinen Schuldrecht auf familienrechtliche Rechtsverhältnisse wegen der Gefahr der „Verschuldrechtlichung des Familienrechts“ strikt ablehnen,3 mehren sich die Vertreter der Ansicht, die einen (eingeschränkten) Rückgriff auf allgemein schuldrechtliche Regelungen (im Folgenden verstanden als die – in Abgrenzung zum Deliktsrecht – auf Sonderverbindungen anwendbaren schuld­ rechtlichen Regelungen) zulassen wollen.4 Ziel dieser Arbeit ist es, die dogmatischen Grundlagen einer möglichen Haftung im Innen- und Außenverhältnis zu eruieren und eine übergreifende Basis bzw. Legitimation der Haftung im Familienrecht zu finden, die für alle Paarbeziehungen eine einheitliche, stringente und kohärente Lösung liefern kann. Zu den familienrechtlichen Paarbeziehungen 5 zählen die Ehe bzw. eingetragene Partnerschaft, das Verlöbnis als Vorstufe der Ehe einschließlich der nichtehe­ lichen Lebensgemeinschaft und die rechtliche Beziehung zwischen Eltern eines gemeinsamen Kindes. Im Innenverhältnis der familienrechtlichen Paarbeziehungen stellt sich dabei vor allem die Frage, ob und in welchen Fällen es überhaupt eine Haftung geben kann und wo die Grenzen der Haftung verlaufen. Um dies beantworten zu können, muss zunächst die grundlegende Voraussetzung jeder Haftung geklärt werden, inwieweit das (geschriebene und ungeschriebene) Recht zwischen Partnern einer Lebensgemeinschaft oder sonstigen familienrechtlichen Nähebeziehung echte Rechtspflichten statuiert bzw. statuieren darf, deren Verletzung erst eine schadensrechtliche Haftung begründen kann. Hier gelangt man im familienrechtlichen Kontext schnell in eine Grauzone zwischen Recht und Moral, zwischen rechtlich determinierbarem und nur moralisch wünschenswertem Verhalten, zwischen rechtlich geregelten Verhaltensgeboten und dem rechtsfreien Raum. Aufbauend auf der Radbruch’schen Erkenntnis liegt die 3  Schwab, FamRZ 2002, 1297; ebenso ablehnend Coester-Waltjen, FS Canaris (2007), S.  131 (134 ff.); Erbarth, NJW 2013, 3478. 4  Löhnig/Preisner, FamRZ 2012, 489; Petersen, Jura 1998, 399; Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, passim; Wellenhofer, Familienrecht, §  11 Rn.  8 , §  33 Rn.  24. 5  Zu Paarbeziehungsregimen jenseits der Ehe aus rechtsvergleichender und rechtspolitischer Perspektive siehe Dutta, AcP 216 (2016), 609 ff.

Kapitel 1:  Einleitung

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Schwierigkeit vor allem darin, zu bestimmen, welches Verhalten einer rechtlichen Regelung zugänglich ist und welches allenfalls einer moralisch-ethischen Bewertung ohne rechtliche Konsequenzen unterzogen werden kann. Haftungsrechtliche Folgen kann jedenfalls nur ein solches Verhalten haben, das nach dem Maßstab rechtlicher Vorgaben als Fehlverhalten zu qualifizieren ist, nicht indes ein solches, das lediglich moralisch verwerflich erscheint. Überraschenderweise wird dieser Abgrenzung in der familienrechtlichen Literatur und Rechtsprechung kaum Beachtung geschenkt. Überwiegend werden im Grundsatz auch im (höchst-)persönlichen Bereich familienrechtlicher Paarbeziehungen sehr weitgehend rechtliche Pflichten angenommen und wird erst auf der Ebene der Zwangsvollstreckung eingeräumt, dass ein Großteil der behaupteten „Rechtspflichten“ letztlich nicht mit Zwangsmitteln durchsetzbar sei. Die sehr weit­ reichende Anerkennung familienrechtlich zu qualifizierender Rechtspflichten im (höchst-)persönlichen Bereich erscheint genauso wenig überzeugend wie die Ablehnung jeglicher Schadensersatzansprüche des Scheinvaters gegen die Mutter durch die Rechtsprechung des BGH. Solche Unstimmigkeiten geben Anlass, die Fragen der Haftung in familienrechtlichen Paarbeziehung bei (in weitestem Sinne verstandenem) „Fehlverhalten“ grundlegend und über die genannten Konstellationen hinaus zu überdenken. In vielen Fällen (wie beispielsweise bei einem Seitensprung) erscheint es zudem nicht gerechtfertigt, das Bestehen einer Haftung bei identischem Fehlverhalten in ehelichen oder lebenspartnerschaftlichen Paarbeziehungen anders zu beurteilen als im Rahmen nichtehelicher Lebensgemeinschaften. Da die nichteheliche Lebensgemeinschaft keine eigenständige gesetzliche Regelung erhalten hat, liegt im Ausgangspunkt die Überlegung nahe, Fehlverhalten in ­persönlichen Näheverhältnissen – sofern dadurch überhaupt gegen rechtliche Pflichten verstoßen wird – nicht spezifisch familienrechtlich, sondern allgemein schuldrechtlich zu qualifizieren. Vor dem Hintergrund solcher Überlegungen ist die in der nachfolgenden Arbeit zu überprüfende These entstanden, dass familienrechtliche Näheverhältnis­ se „normale“ Schuldverhältnisse darstellen und im Grundsatz gleichermaßen wie Rechtsgeschäfte über die deliktische Haftung hinausgehende schuldrecht­ liche Pflichten begründen können, deren Verletzung eine Haftung im Innenverhältnis zur Folge haben kann. Durch eine solche Qualifikation ließen sich nicht nur die Schwierigkeiten vermeiden, die der Rechtsprechung und Literatur bei der Begründung einer deliktischen Haftung in den hier interessierenden Kon­ stellationen begegnen, sondern ließen sich in vielen Fällen auch die als ungerecht erscheinenden Rechtsschutzlücken schließen. Möglich wäre dann ein Rückgriff auf die Rücksichtnahmepflichten aus §  241 Abs.  2 BGB, deren Konkretisierung eine Berücksichtigung der Besonderheiten der zugrundeliegenden familienrechtlichen Rechtsverhältnisse erlaubt. Sofern sich familienrechtliche Paar­ beziehungen als schuldrechtliche Sonderverbindung qualifizieren lassen, ließe

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Kapitel 1:  Einleitung

sich überdies die tradierte Argumentation des BGH entkräften, dass eine Haftung nach allgemeinen schuldrechtlichen Vorschriften bei Verletzung persön­ licher Pflichten im familienrechtlichen Kontext generell ausscheide, weil das Familienrecht insofern ein abgeschlossenes Regelwerk vorsehe. 6 Hinzu kommt, dass eine dogmatisch klare Einordnung und Bewertung der Haftung in familienrechtlichen Paarbeziehungen in das Familien- oder Schuldrecht auch in grenz­ überschreitenden Fällen von ausschlaggebender Bedeutung ist, und zwar nicht nur für die Ermittlung des anwendbaren Rechts,7 sondern auch, um auf europäischer Ebene bei der fortschreitenden Rechtsvereinheitlichung einen klaren Standpunkt vertreten zu können. Darüber hinaus soll das Außenverhältnis zu Dritten mit in den Blick genommen und untersucht werden, ob eine Haftung im Zusammenhang mit familienrechtlichen Paarbeziehungen durch übergreifende Kriterien beeinflusst wird. Zum einen stellt sich dabei die Frage, ob die Angehörigeneigenschaft bzw. die familiäre Verbundenheit eine Beschränkung der Haftung eines Dritten als Schädiger begründen kann, weil sich der Geschädigte ein Mitverschulden seines ­Familienangehörigen anrechnen lassen muss, oder sogar eine Ausweitung der Haftung des Dritten auf nicht unmittelbar vom schädigenden Ereignis betroffene Angehörige rechtfertigt. Insbesondere in der immer wieder aufflammenden Diskussion um die Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes in Deutschland zeigt sich sehr deutlich, dass die familiäre Verbundenheit zwischen Menschen zusehends zu merkantilisieren und vermögensrechtlich zu fassen versucht wird. Zum anderen ist fraglich, ob die familiäre Solidarität einen haftungsbegründenden Umstand zulasten eines Angehörigen darstellen kann, der einem dritten Gläubiger als ein weiterer Schuldner wie der Primärschuldner haftet. Bevor auf die Haftung in den jeweiligen familienrechtlichen Paarbeziehungen im Einzelnen eingegangen wird, sollen jedoch in Kapitel 2 zunächst die Grundlagen der Haftung im Familienrecht dargelegt werden. Hier wird nicht nur ausgeführt, welches Verständnis von dem Begriff der „Haftung“ dieser Arbeit zugrunde gelegt wird,8 sondern insbesondere das Verhältnis von allgemeinem Schuldrecht und Familienrecht untersucht,9 um herauszufinden, ob und inwieweit das allgemeine Schuldrecht auf familienrechtliche Verhältnisse anwendbar ist.10 In Kapitel 3 wird die Haftung im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft erörtert. Ausgehend vom bisherigen Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur soll hier zunächst auf die Haftung im Innen- und Außenverhältnis nach

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Dazu Kap.  3 B.II., S. 81 ff. Dazu Kap.  6 , S. 435 ff. 8  Dazu Kap.  2 A., S. 7 ff. 9  Dazu Kap.  2 B., S. 43 ff. 10  Dazu Kap.  2 B.III., S. 55 ff. 7 

Kapitel 1:  Einleitung

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Maßgabe des Deliktsrechts eingegangen werden (Abschnitt B).11 Schwierigkeiten bereitet dabei vor allem die Frage, ob und wie den Besonderheiten des ehelichen Lebensverhältnisses im Rahmen des Deliktsrechts ausreichend Rechnung getragen werden kann. Diese Probleme lassen sich vermeiden, wenn man der hier aufgestellten These folgt und eine Haftung kraft schuldrechtlicher Sonderverbindung zwischen Ehegatten in Erwägung zieht.12 Abschnitt C setzt sich intensiv mit der Frage auseinander, ob und welche Rechtspflichten in der ehelichen Lebensgemeinschaft bestehen.13 Neben den anerkannten Leistungspflichten wird hier zu untersuchen sein, ob die „Pflicht“ zur ehelichen Lebensgemeinschaft gemäß §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  1 BGB mit der herrschenden Meinung eine echte Rechtspflicht ist,14 wobei auch die durch Art.  6 Abs.  1 GG vorgegebenen verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen zu berücksichtigen sein werden.15 Ferner wird ein Schwerpunkt der Untersuchung in der Prüfung liegen, ob sich aus der ehelichen Sonderverbindung eine Pflicht zur Rücksichtnahme aus §  241 Abs.  2 BGB ableiten und wie sich diese gegebenenfalls auf einzelne Fallkonstellationen für die Praxis handhabbar konkretisieren lässt.16 Hier soll versucht werden, durch die Herausarbeitung der relevanten schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflicht eine dogmatisch überzeugende Anknüpfung für eine sachgerechte, aber nicht ausufernde Haftung im Innenverhältnis der ehelichen Lebensgemeinschaft zu finden, die sich auf andere schuldrechtliche Paarbeziehungen übertragen lässt. Des Weiteren wird überlegt, ob sich im persönlichen Bereich der ehelichen Lebensgemeinschaft Rechtspflichten kraft Parteivereinbarung begründen lassen,17 bevor im Hinblick auf die zuvor ermittelten, „sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen“ die Haftungsprivilegierung gemäß §  1359 BGB sowie deren Zweck und Reichweite diskutiert werden.18 Anschließend behandeln die Abschnitte D und E in Kapitel 3 das haftungsrechtliche Außenverhältnis bei der ehelichen Lebensgemeinschaft, namentlich die Haftung eines Dritten gegenüber dem geschädigten Ehegatten sowie gegenüber dem Ehegatten des Geschädigten19 sowie die Haftung eines Ehegatten für die Verbindlichkeiten des anderen gegenüber einem Dritten.20 In Kapitel 4 werden die Haftungsfragen im Zusammenhang mit dem Verlöbnis sowie der nichtehelichen Lebensgemeinschaft genauer untersucht. Auch hier wird zunächst auf das Innenverhältnis zwischen den Verlobten bzw. nicht­ 11 

Dazu Kap.  3 B., S. 79 ff. Dazu Kap.  3 C., S. 111 ff. 13  Dazu Kap.  3 C.III., S. 133 ff. 14  Dazu Kap.  3 C.III.2., S. 140 ff. 15  Dazu Kap.  3 C.III.2.a)(4), S. 154 ff. 16  Dazu Kap.  3 C.III.3., S. 197 ff. 17  Dazu Kap.  3 C.III.4., S. 254 ff. 18  Dazu Kap.  3 C.IV., S. 267 ff. 19  Dazu Kap.  3 D.II.1. und 2., S. 281 ff. und S. 292 ff. 20  Dazu Kap.  3 E., S. 332 ff. 12 

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Kapitel 1:  Einleitung

ehelichen Lebensgefährten eingegangen und die Haftung kraft schuldrecht­ licher Sonderverbindung erörtert, 21 bevor die speziellen Tatbestände des Ver­ löbnisrechts in §§   1298 ff. BGB analysiert werden, die eine Haftung kraft schutzwürdigen Vertrauens normieren.22 Ferner stellen sich auch hier ähnliche Fragen im Außenverhältnis wie bei Ehegatten, so dass die Haftung eines Dritten gegenüber einem Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten 23 sowie die Haftung eines Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten gegenüber einem vom Partner geschädigten Dritten 24 dargestellt werden soll, wobei insbesondere zu überlegen sein wird, ob sich die für Ehegatten gefundenen Ergebnisse auf das Verlöbnis bzw. die nichteheliche Lebensgemeinschaft übertragen lassen. Kapitel 5 setzt sich mit den haftungsrechtlichen Fragen im Rahmen gemeinsamer Elternschaft auseinander, die sich in der Praxis insbesondere bei schuldhafter Beeinträchtigung des Umgangsrechts eines Elternteils durch den anderen ergeben.25 Da das Umgangsrecht ebenso wie das elterliche Sorgerecht nach fast einhelliger Meinung ein absolut geschütztes „sonstiges Recht“ im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB darstellt, lassen sich viele Schäden über eine deliktische Haftung erfassen. Dennoch wird zu untersuchen sein, ob die These von einer schuld­ rechtlichen Haftung auch für dieses familienrechtliche (zumindest faktische) Näheverhältnis zutrifft 26 und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.27 Denkbar ist hier des Weiteren eine Haftung bei schuldhafter Nichtausübung des Umgangs28 oder bei schuldhafter Sorgerechtsverletzung.29 Das sechste Kapitel widmet sich der kollisionsrechtlichen Qualifikation der (bestehenden) Haftungsansprüche in familienrechtlichen Paarbeziehungen, wenn es um Fälle mit Auslandsbezug geht, bei denen das anwendbare Recht ermittelt werden muss.30 Schließlich werden im Kapitel 7 die Ergebnisse zusammengefasst.31

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Dazu Kap.  4 A., S. 359 ff. Dazu Kap.  4 B., S. 370 ff. 23  Dazu Kap.  4 C., S. 392 ff. 24  Dazu Kap.  4 D., S. 397 ff. 25  Dazu Kap.  5 B., S. 400 ff. 26  Dazu Kap.  5 B.III., S. 402 ff. 27  Dazu Kap.  5 B.IV. und V., S. 428 ff. und S. 431 f. 28  Dazu Kap.  5 C., S. 432 f. 29  Dazu Kap.  5 D., S. 433. 30  Dazu S. 435 ff. 31  Dazu S. 447 ff. 22 

Kapitel 2

Grundlagen der Haftung im Familienrecht A. Schuld und Haftung Um die Grundlagen der Haftung im Familienrecht untersuchen zu können, muss man sich zunächst über den Begriff der „Haftung“ Klarheit verschaffen. Die Haftung ist abhängig von einer rechtlichen Pflicht bzw. Schuld, lässt sich also nicht abstrakt darstellen, weshalb in der Literatur die Begriffe „Schuld und Haftung“ häufig gegenüber gestellt werden.1 Mit der „Schuld“ bzw. Verbindlichkeit auf der Schuldnerseite korrespondiert auf Gläubigerseite der Anspruch bzw. die Forderung als subjektives Recht. Wie sich die „Haftung“ in dieses ­System an Begrifflichkeiten einfügt, bereitet schon deshalb Schwierigkeiten, weil der Begriff „Haftung“ je nach Kontext mit unterschiedlicher Bedeutung verwendet wird. Für die vorliegende Arbeit soll im Folgenden zunächst das hier zugrunde gelegte Verständnis von den im Zusammenhang mit der „Haftung“ verwendeten Begrifflichkeiten geklärt und damit die Grundlage für die weitere Untersuchung der Haftungsfragen im Familienrecht gelegt werden.

I. Schuld und Anspruch In der Literatur finden sich zahlreiche Stellungnahmen zum Begriff des subjektiven Rechts, der Forderung und des Anspruchs, die allesamt die Gläubigerseite betreffen. Demgegenüber werden die Begriffe der Schuld, der Verbindlichkeit und der Rechtspflicht auf Schuldnerseite erstaunlicherweise recht stiefmütterlich behandelt. Möglicherweise lässt sich dies damit begründen, dass Anspruch und Schuld Komplementärbegriffe sind, „die denselben Inhalt lediglich aus unterschiedlicher Perspektive beschreiben und jederzeit ausgetauscht werden können.“2 Dass Schuld und Anspruch letztlich nur zwei Seiten ein und derselben Medaille sind, zeigt sich auch an der gesetzlichen Regelung in §  241 BGB, die unter der Überschrift „Pflichten aus dem Schuldverhältnis“ in Absatz 1 allein die Berechtigung des Gläubigers regelt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern, und die entsprechende Leistungspflicht des Schuldners dabei schlicht 1  Vgl. MüKoBGB/Ernst, Einl. v. §  241 Rn.  31 ff.; Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4, S.  63 ff.; Jauernig/Mansel, §  241 BGB Rn.  18 f.; Staudinger/Olzen, Einl. v. §  241 Rn.  239 ff. 2  Gernhuber, Schuldverhältnis, §  3 I 1, S.  30.

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Kapitel 2:  Grundlagen der Haftung im Familienrecht

voraussetzt.3 Hier soll trotzdem auch und gerade die Schuldnerseite beleuchtet werden, auf der die hier interessierende Haftung zum Tragen kommt (dazu I.2., II.–V.); dennoch kommt man aufgrund des korrespondierenden Verhältnisses zwischen Gläubiger- und Schuldnerseite nicht umhin, sich gleichermaßen über die Rechtsposition des Gläubigers Klarheit zu verschaffen (dazu I.1.). 1. Anspruch und Forderung Ein Anspruch ist gemäß der Legaldefinition in §  194 Abs.  1 BGB das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen. Ähnlich formuliert §  241 Abs.  1 BGB, dass der Gläubiger kraft des Schuldverhältnisses berechtigt ist, vom Schuldner eine Leistung zu „fordern“, die auch in einem Unterlassen bestehen kann. Daraus wird gefolgert, dass der Anspruch der umfassendere Begriff und die Forderung letztlich der „schuldrechtliche Anspruch“ sei.4 Der Begriff „schuldrechtlicher Anspruch“ als Synonym für die Forderung ist allerdings zumindest ungenau, jedenfalls verwirrend. Richtig ist der Ausgangspunkt, dass der im allgemeinen Teil des BGB geregelte Anspruch der weitergehende Oberbegriff ist und die Forderung nur einen besonderen Unterfall eines Anspruchs beschreibt: Forderungen sind nach hier vertretener Ansicht nur diejenigen Ansprüche, die durch Rechtsgeschäft begründet werden,5 während alle anderen Ansprüche kraft Gesetzes entstehen. Zu berücksichtigen ist dabei, dass jedem Anspruch, sei er kraft Gesetzes oder kraft Rechtsgeschäfts (dann Forderung) entstanden, ein Schuldverhältnis (im weiteren Sinne) 6 zugrunde liegt, das entweder gesetzlich oder rechtsgeschäftlich begründet wurde. Insofern ist jeder Anspruch „schuldrechtlich“. Die Forderung unterscheidet sich von sonstigen Ansprüchen nur dadurch, dass sie durch Parteivereinbarung begründet wurde. Bei diesem Begriffsverständnis bereitet es keine Schwierigkeiten, dass es auch im Sachen-, Familien- und Erbrecht Schuldverhältnisse gibt, aus denen in erster Linie Ansprüche – regelmäßig aber keine Forderungen – folgen. Dem steht nicht entgegen, dass nach §  398 BGB nur „Forderungen“ abgetreten werden können, obwohl unstreitig auch eine Abtretung der „Ansprüche“ aus §  823 BGB oder §  812 BGB möglich ist, denn nach §  413 BGB finden die Vorschriften über die Übertragung von Forderungen auf die Übertragung anderer Rechte, und damit auch Ansprüche, entsprechende Anwendung. Allerdings ist einzuräumen, dass die Unterscheidung von Anspruch und Forderung entsprechend 3 

Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn.  7. §  241 Rn.  6 ; Gernhuber, Schuldverhältnis, §  3 I 5, S.  35; Medicus/­ Lorenz, Schuldrecht I, Rn.  6 ; Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  113. 5  A. A. Westermann/Bydlinski/Weber, Schuldrecht AT, Rn.  1/8: Forderungen seien diejenigen Ansprüche, die auf Geldzahlung gerichtet sind. 6  Zum Begriff des Schuldverhältnisses im engeren und weiteren Sinne vgl. statt vieler Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  36 ff. Dazu auch noch unten Kap.  2 B.II.1.a) und b), S. 44 und S. 45 ff. 4 MüKoBGB/Bachmann,

A. Schuld und Haftung

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dem hier befürworteten Verständnis im Gesetz nicht konsequent durchgehalten ist, wenn beispielsweise §  2176 BGB von der „Forderung des Vermächtnisnehmers“ spricht, dem eigentlich – folgt man der hier vertretenen Auffassung – „nur“ ein Anspruch gegen den Beschwerten zusteht. Während ein (einer Forderung zugrundeliegendes) rechtsgeschäftliches Schuldverhältnis auf eine Vereinbarung zwischen mindestens zwei Beteiligten zurückzuführen ist, entstehen (anspruchsbegründende) gesetzliche Schuldverhältnisse dadurch, dass ein gesetzlicher Tatbestand verwirklicht wird (wie beispielsweise die Beeinträchtigung eines subjektiven Rechts) 7, an den das Gesetz als Rechtsfolge einen (relativen) Anspruch des Gläubigers gegen den Schuldner knüpft, durch den die Beteiligten in einem gesetzlichen Schuldverhältnis miteinander verbunden werden. Ein Anspruch ist ohne zugrundeliegendes Schuldverhältnis nicht denkbar. Das gilt auch für sog. Rechtsverwirklichungsansprüche, die der Verwirklichung eines dahinter stehenden absoluten Rechts dienen, wie etwa die Herausgabeansprüche gemäß §  985 BGB oder §  1632 BGB oder der Unterlassungsanspruch gemäß §  1004 BGB. Sie sind untrennbar mit dem zugrundeliegenden subjektiven Recht verbunden und können deshalb nicht isoliert abgetreten werden. Auch diese Ansprüche basieren auf einem gesetzlichen Schuldverhältnis und berechtigen den Gläubiger, vom Schuldner ein Tun, nämlich die Herausgabe der Sache bzw. des Kindes, oder ein Unterlassen zu verlangen.8 Bedient sich der Schuldner zur Erfüllung einer solchen Schuld eines Gehilfen, so gibt es keinen Grund, ein diesem unterlaufendes Verschulden nicht nach §  278 BGB dem Schuldner zuzurechnen. Inwieweit im Übrigen auf gesetzlich begründete Schuldverhältnisse die allgemeinen Vorschriften des Schuld­ rechts angewendet werden können, wird noch genauer zu untersuchen sein.9 Jedenfalls kann schon hier konstatiert werden, dass nicht alle Regelungen des allgemeinen Schuldrechts unbesehen Anwendung finden können: Es bedarf wohl keiner näheren Erläuterung, dass beispielsweise bei dem Anspruch der Eltern auf Herausgabe ihres Kindes aus §  1632 BGB nicht etwa nach erfolgloser Fristsetzung Schadensersatz statt der Leistung gemäß §§  280 Abs.  1, Abs.  3, 281

7  Wird etwa das Eigentum als (absolut geschütztes) subjektives Recht von jemandem beeinträchtigt, so konkretisiert der aus dem entstehenden gesetzlichen Schuldverhältnis resultierende Anspruch das (potentiell gegenüber jedermann bestehende) subjektive Recht für eine konkrete relative Rechtsbeziehung zwischen dem Eigentümer und dem Täter; gleichermaßen kann sich im Familienrecht aus dem subjektiven Recht der elterlichen Sorge ein konkreter relativer Anspruch auf Herausgabe des Kindes gegen jeden ergeben, der den Eltern das Kind widerrechtlich vorenthält. Die Forderung wird demgegenüber durch eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung begründet und ist von vorneherein ein relatives subjektives Recht als Spezialfall eines Anspruchs. 8  A. A. – ohne Begründung – MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  9 : „Keine Schuldverhältnisse sind die auf Rechtsverwirklichung gerichteten Ansprüche“. 9  Dazu unten Kap.  2 B.III., S. 55 ff.

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Kapitel 2:  Grundlagen der Haftung im Familienrecht

Abs.  1 BGB verlangt werden kann. Daraus folgt aber nicht, dass das allgemeine Schuldrecht generell nicht anwendbar wäre. Jeder Anspruch, dem weder rechtshindernde oder rechtsvernichtende Einwendungen noch rechtshemmende Einreden entgegenstehen, ist durchsetzbar und verleiht dem Gläubiger daher unter anderem10 die Befugnis, den Anspruch mit Rechtszwang zu verwirklichen, wenn der Schuldner nicht freiwillig leistet. Die Rechtsordnung stellt ihm dazu sowohl prozessuale als auch materiell-rechtliche Möglichkeiten des Rechtszwangs zur Verfügung. Dazu zählen zum einen die Klage- und Vollstreckungsmöglichkeit, zum anderen materiell-rechtliche Durchsetzungsmechanismen, wie insbesondere die Aufrechnung.11 Alle Mittel des Rechtszwangs zur Durchsetzung eines Anspruchs stehen jedoch außerhalb des Anspruchs,12 sie setzen lediglich dessen Bestand und bestimmte Eigenschaften des Anspruchs, namentlich seine Durchsetzbarkeit, voraus, und knüpfen daran die Durchsetzungs- bzw. Verfolgungsbefugnis. Fehlt dem Anspruch die Durchsetzbarkeit, ändert das nichts an seinem Bestand, sondern nur an den sich anschließenden Gläubigerbefugnissen. 2. Schuld und Verbindlichkeit Mit dem Anspruch auf Gläubigerseite korrespondiert die Schuld auf Schuld­ nerseite, die im Falle einer rechtsgeschäftlich begründeten Schuld auch Verbindlichkeit genannt wird. Vielfach wird die Schuld mit „rechtlichem Sollen“ umschrieben.13 Die „Schuld“ bedeutet nichts anderes als die Rechtspflicht des Schuldners gegenüber dem Gläubiger, die versprochene oder kraft Gesetzes geschuldete Leistung zu erbringen. Nicht gemeint ist mit „Schuld“ hingegen die zivil- oder strafrechtliche Vorwerfbarkeit im Sinne des Verschuldens verstanden als ein vom erwarteten Standard abweichendes Verhalten, auch wenn das Verschulden durchaus für das Entstehen eines (gesetzlichen) Schuldverhältnisses bzw. das Einstehenmüssen für eine Schuld eine Rolle spielen kann.

10  Zu den weiteren Befugnissen, die aus einem Anspruch bzw. einer Forderung fließen, vgl. Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn.  18 ff.; Schulze, Naturalobligation, S.  186 Fn.  776, 461 ff. 11  Dazu unten Kap.  2 A.II.2., S. 15 f. 12  Gernhuber, Schuldverhältnis, §   4 I 5 c, S.  69; Larenz, Schuldrecht AT, §  2 III, S.  20; Schulze, Naturalobligation, S.  185 (das Fehlen von Zwangsbefugnissen sei ein Mangel der Rechtschutzgarantie, aber kein Mangel des Rechts), S.  271, zur Unabhängigkeit des Forderungsrechts von Zwangsbefugnissen eingehend S.  504 ff., 431 ff.; zur Aufrechnungsbefugnis ebenso Eichel, Künftige Forderungen, S.  76 f. A. A. Thomale, AcP 212 (2012), 920 (930), der die Durchsetzungs- bzw. Verfolgungsbefugnis mit dem Anspruch gleichsetzt. 13  Brox/Walker, SchuldR AT, §   2 Rn.  19; Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 I 1, S.  63 f.; Schwab/Löhnig, Einführung in das Zivilrecht, Rn.  184.

A. Schuld und Haftung

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Die Schuld steht vielmehr für „einem anderen rechtlich zu etwas verpflichtet sein“, eben etwas „schulden“.14 Eine Rechtspflicht in diesem Sinne kann auf ein aktives Tun oder ein Unterlassen gerichtet sein.15 Voraussetzung für das Entstehen und Bestehen der Rechtspflicht ist, dass ihr keine rechtshindernden oder rechtsvernichtenden Einwendungen entgegenstehen. Unerheblich für den Bestand der Schuld ist, ob dem Schuldner rechtshemmende (dilatorische oder peremptorische) Einreden zustehen; 16 diese beeinflussen lediglich die Eigenschaften der Schuld. Solange der Schuldner etwaige Einreden allerdings nicht ausgeübt hat, ändert das bloße Bestehen einer Einredelage nichts daran, dass er zur Erbringung der geschuldeten Leistung rechtlich verpflichtet ist. Erst die Erhebung einer Einrede führt dazu, dass der Schuldner berechtigt ist, die geschuldete Leistung (vorübergehend oder dauerhaft) zu verweigern; sie stellt also ein Verteidigungsmittel gegen den mit der Verpflichtung verbundenen Leistungsbefehl dar und rechtfertigt die Nichtleistung trotz Bestehens der Schuld, weil dieser fortan die Eigenschaft der Durchsetzbarkeit fehlt. Stehen dem Schuldner keine Einreden zu, auf die er sich zur Verteidigung berufen kann, hat die Schuld die Haftung des Schuldners zur Folge, welche letztlich das Pendant zur Befugnis des Gläubigers zum Rechtszwang bildet.

II. Haftung und Rechtszwang 1. Haftungsbegriffe a) Bedeutungsvielfalt Während über den Begriff der „Schuld“ noch weitgehend Einigkeit besteht, trifft man bei dem Begriff der „Haftung“ auf eine Vielfalt unterschiedlicher Bedeutungen. Wenn von „Haftungsrecht“, „Verschuldens-“ oder „Gefährdungshaftung“, „gesamtschuldnerische Haftung“, „Organhaftung“ oder der „Haftung des Bürgen“ (vgl. §  767 Abs.  2 BGB) die Rede ist, ist je nach Kontext Unterschiedliches gemeint. Im Wesentlichen lassen sich drei verschiedene Bedeutungsgehalte ausmachen: Haftung als Synonym für die Primärschuld, Haftung als sekundärrechtliche Verantwortlichkeit und Haftung als Einstehenmüssen mit dem eigenen Vermögen gegenüber dem Gläubiger. b) Haftung als Synonym für die Primärschuld Der Ausdruck „Haften“ wird im allgemeinen Sprachgebrauch ebenso wie in der Gesetzessprache häufig schlicht als Synonym für die Schuld im Sinne von „Leisten müssen“ verwendet (vgl. z. B. §§  179 Abs.  3, 427, 431, 528 Abs.  2, 563b Abs.  1, 14 

Looschelders, Schuldrecht AT, Rn.  9 ; Schmidt, Schuldverhältnis, Rn.  3. Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, §  19 Rn.  31. 16  Dazu unten Kap.  2 A.II.3.a), S. 16 ff. 15 

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613a Abs.  2, 651b Abs.  2, 733 Abs.  1 S.  1, 755 Abs.  1, 767 Abs.  2, 769, 774 Abs.  2, 778 BGB). In aller Regel hat dies rein sprachliche Gründe, um ansprechender Formulieren zu können.17 Der auch hier befürwortete und noch im Einzelnen darzulegende sachliche Unterschied zwischen „Schulden“ und „Haften“ wird dadurch freilich nivelliert, was zu vermeidbaren Unklarheiten führt. c) Haftung als sekundärrechtliche Verantwortlichkeit Von Haftung wird zum anderen auch im Sinne von Verantwortlichkeit für eigenes oder fremdes Fehlverhalten gesprochen (vgl. §§  31a Abs.  1 S.  1 und 2, 31b Abs.  1 S.  1, 53 Hs.  2, 54 S.  2, 287, 436, 496, 566 Abs.  2 S.  1, 567 S.  2, 701, 840 Abs.  1 BGB). In diesem Zusammenhang bedeutet Haftung nichts anderes als das Einstehenmüssen für die Folgen verschuldeter eigener oder fremder Pflichtverletzungen.18 Spricht man von der Haftung für Vorsatz, Fahrlässigkeit oder Zufall oder der Haftung aus einer Garantie, ist damit die Verpflichtung zum Ersatz des Schadens gemeint, den der Schuldner durch sein Verhalten verursacht und zu vertreten hat.19 Auch hier wird der Begriff der „Haftung“ lediglich dazu benutzt, eine bestimmte (meist sekundärrechtliche) Schuld zu umschreiben, ohne ihm einen eigenständigen Bedeutungsgehalt zuzumessen. Zu welch unglücklichen terminologischen Konsequenzen die Verwendung des Haftungsbegriffs sowohl zur Umschreibung der Primärleistungspflicht als auch einer etwaigen (sekundärrechtlichen) Schadensersatzpflicht führt, sieht man daran, dass bei letzteren „genau genommen, von einer ‚Haftung wegen Haftung‘ gesprochen werden [müsste], was nicht gerade für begriffliche Klarheit sorgt.“20 d) Haftung als Einstehenmüssen mit dem eigenen Vermögen gegenüber dem Gläubiger Nach einer weiteren, von Andreas von Tuhr herausgearbeiteten Ansicht, ist die Unterscheidung zwischen „Schuld“ und „Haftung“ anhand des jeweiligen Bezugsobjekts vorzunehmen.21 Während sich die Schuld allein auf die Person des Schuldners beziehe, sei Gegenstand der Haftung allein das Schuldnervermögen: „[V]erpflichtet (zur Erfüllung resp. zur Leistung des Schadensersatzes) ist der Schuldner, auch Klage und Urteil wenden sich an ihn. Die Haftung aber trifft nicht ihn, sondern sein Vermögen.“22 Leistet der Schuldner nicht freiwillig, dürfe der Gläubiger in der Zwangsvollstreckung unabhängig vom Willen des Schuldners auf dessen gesamtes Vermögen – mit Ausnahme der unpfänd­ 17 

Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 I 2, S.  6 4. Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 I 2, S.  65. 19  von Tuhr, AT, S.  109. 20  Nunner-Krautgasser, Schuld, Vermögenshaftung und Insolvenz, S.  124. 21  von Tuhr, AT, S.  110 ff. 22  von Tuhr, AT, S.  110. 18 

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baren Gegenstände – zugreifen. Haftung bezeichnet nach dieser Ansicht also die Rechtslage des dem Zugriff des Gläubigers in der Zwangsvollstreckung ausgesetzten Vermögens.23 Zustimmung verdient diese Ansicht, soweit sie das Bezugsobjekt der Haftung klarstellt. In unserem heutigen Rechtssystem ist eine Haftung in Person nicht mehr vorgesehen.24 Die in §§  888 Abs.  1, 890 Abs.  1 ZPO geregelte Zwangshaft bzw. Ordnungshaft dient allein der Willensbeugung, nicht aber der unmittelbaren Durchsetzung des Anspruchs.25 Nicht überzeugend ist hingegen die Beschränkung des Haftungsbegriffs auf den zwangsweisen Zugriff in der Zwangsvollstreckung. Zwar wird der Gläubiger häufig zur Durchsetzung seines Anspruchs auf staatliche Hilfe zurückgreifen, daneben ist er jedoch nicht selten in der Lage, den Anspruch nach materiellem Recht schon durch eigenes Handeln durchzusetzen, z. B. durch Erklärung der Aufrechnung, sofern eine Aufrechnungslage besteht (§§  389, 387 BGB).26 Auch bei Rückgriff auf materiell-rechtliche Rechtsdurchsetzungsmöglichkeiten wird die Forderung des Gläubigers zulasten des Vermögens des Schuldners durchgesetzt. Es erscheint nicht überzeugend, diese Fälle vom Haftungsbegriff auszunehmen und hier nicht von Haftung des Schuldners zu sprechen. Gernhuber hat deshalb vorgeschlagen, als Haftung den sanktionierenden Rechtszwang zu bezeichnen.27 In der Sache ist mit dieser Umschreibung das Richtige gemeint, die Formulierung differenziert allerdings nicht hinreichend zwischen der Gläubiger- und Schuldnerseite. Präzise ausgedrückt korrespondiert die Haftung des Schuldners mit der Befugnis des Gläubigers zur Anwendung von materiell-rechtlichem oder prozessualem Rechtszwang zur Eintreibung eines durchsetzbaren Anspruchs. „Die Haftung ist nichts anderes als die passive Seite des Zugriffsrechts, m. a. W. der Rechtszustand, daß die Gegenstände dem Zugriffsrecht ausgesetzt sind.“28 Freilich sind der Begriff der Haftung und deren Voraussetzungen damit immer noch nicht definiert.

23 MüKoBGB/Ernst, Einl. v. §  241 Rn.  33; Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn.  30; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn.  19; von Tuhr, AT, S.  110 f. 24  Im römischen und germanischen Recht musste ein Schuldner demgegenüber für seine Schulden primär mit seiner Person einstehen. Zur historischen Entwicklung des Haftungs­ objekts siehe Larenz, Schuldrecht AT, §  2 IV, S.  23 f. 25  Gleiches gilt für den persönlichen Sicherungsarrest gemäß §  918 ZPO, der nur stattfindet, „wenn er erforderlich ist, um die gefährdete Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners zu sichern“, nicht aber um den Anspruch durchzusetzen. 26 So auch Gernhuber, Schuldverhältnis, §   4 I 3, S.  66. MüKoBGB/Ernst, Einl. v. §  241 Rn.  33, hält diese Möglichkeit hingegen für eine Ausnahme. 27  Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 I 2, S.  65. Gegen diese Ansicht spricht sich von Tuhr, AT, S.  109 f., aus, der die Klagbarkeit und Erzwingbarkeit eines Rechts, dem eine Verpflichtung gegenübersteht, für selbstverständlich hält; die wenigen Fälle einer Schuld ohne Haftung hält er für vernachlässigbar (vgl. dazu Kap.  2 A.III.2, S. 29 ff.). 28  Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, §  2 , S.  10.

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e) Stellungnahme Nach hier vertretener Ansicht bedeutet Haftung die an eine einredefrei bestehende Schuld anschließende, aber außerhalb von ihr stehende Pflicht des Schuldners zur Duldung des zwangsweisen Zugriffs des Gläubigers auf sein Vermögen zur Befriedigung des Anspruchs, 29 d. h. das Einstehenmüssen des Schuldners mit dem eigenen Vermögen im Falle der Nichterfüllung einer solchen Schuld. Ebenso wie die Durchsetzungsbefugnis kein konstitutives Element des Anspruchs ist, ist die Haftung kein konstitutives Element der Schuld,30 sondern lediglich die Rechtsfolge, die der Gesetzgeber an eine bestehende und nicht einredebehaftete Schuld knüpft. Erfüllt der Schuldner einen durchsetzbaren Anspruch nicht freiwillig, verletzt er also seine Pflicht zur Leistung, haftet er, weil der einforderungsbefugte Gläubiger in diesem Fall berechtigt ist, seinen Anspruch mit Rechtszwang durchzusetzen. Voraussetzung der Haftung ist demnach die zu vertretende (nicht unbedingt schuldhafte) Verletzung einer einredefrei bestehenden Rechtspflicht aus einem Schuldverhältnis, wobei eine solche Verletzung schon dann vorliegt, wenn im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht geleistet wird und keine Einreden bestehen bzw. erhoben wurden. Bei diesem Begriffsverständnis wird außerdem deutlich, dass sich eine Haftung immer nur an einen auf Geld gerichteten Anspruch des Gläubigers bzw. einen solchen, der in eine Geldforderung überführbar ist, anschließen kann, weil nur in diesem Fall eine Befriedigung durch zwangsweisen Zugriff auf das Vermögen des Schuldners in Betracht kommt. Rechtspflichten, die nicht auf Geld gerichtet sind, sondern eine persönlich zu erbringende unvertretbare Handlung zum Gegenstand haben, ziehen unmittelbar keine Haftung nach sich, da sie weder durch materiell-rechtlichen Rechtszwang (eine Aufrechnung scheitert an der fehlenden Gleichartigkeit) noch auf prozessualem Wege durchgesetzt werden können, wenn der Schuldner partout nicht freiwillig leistet. Nach §  888 ZPO kann er zwar mit Zwangsgeld und Zwangshaft zur Leistung angehalten werden, die eigentliche Leistung kann dadurch aber nur erzwungen werden, wenn es gelingt, den Schuldnerwillen zu beugen. Eine Haftung trifft den Schuldner erst dann, wenn der Gläubiger seinen Primärleistungsanspruch in einen sekundärrechtlichen Schadensersatzanspruch umgestellt hat, für den der Schuldner mit seinem gesamten Vermögen einstehen muss. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass die beeinträchtigte Rechtsposition einen in Geld messbaren Vermögenswert haben muss, bilden lediglich die besonderen Fälle des immateriellen Schadensersatzes im Sinne von §  253 BGB, in denen ausnahmsweise auch bei Beeinträchtigungen von Rechtspositionen, die 29  Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 I 3, spricht die Perspektive des Schuldners nur am Rande an und definiert Haftung dann „als Wehrlosigkeit gegenüber vollstreckenden Rechtsakten des Gläubigers“. 30  Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 I 5 b, S.  68 f.

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keinen bezifferbaren (sondern nur einen ins Ermessen des Richters gestellten) Vermögenswert aufweisen, ein Ausgleich in Geld vorgesehen ist. 2. Realisierung der Haftung durch Rechtszwang Die Möglichkeiten des Rechtszwangs zur Realisierung der Haftung sind vielgestaltig. Es wäre deshalb falsch, zu glauben, dass dem Gläubiger die Befugnis zur zwangsweisen Durchsetzung seiner Forderung nur ganz oder gar nicht zusteht.31 Während ihm einzelne Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung offen stehen können, können ihm andere versagt sein. So bedeutet etwa ein materiell-rechtlicher Aufrechnungsausschluss nicht automatisch, dass dem Gläubiger auch eine klageweise Geltendmachung seines Anspruchs versagt ist; das Gleiche gilt, wenn die Voraussetzungen einer Aufrechnungslage nicht gegeben sind. Manche Ansprüche können zwar eingeklagt, nicht aber vollstreckt werden (vgl. §  888 Abs.  3 ZPO, §  120 Abs.  3 FamFG); umgekehrt können andere Ansprüche ohne vorangehendes Erkenntnisverfahren vollstreckt werden (vgl. §  794 Abs.  1 Nr.  5 ZPO). Im Grundsatz kann eine Anspruchsdurchsetzung jedoch sowohl auf prozessualem als auch materiell-rechtlichem Wege erfolgen. a) Prozessuale Anspruchsdurchsetzung Kommt der Schuldner seiner Verbindlichkeit nicht freiwillig nach, kann der Gläubiger Klage erheben oder ein Mahnverfahren einleiten und dann die Zwangsvollstreckung betreiben. Diese Befugnis, staatliche Hilfe zur Durch­ setzung subjektiver Rechte in Anspruch zu nehmen, folgt nicht aus dem durchzusetzenden Anspruch,32 sondern aus dem (öffentlich-rechtlichen) Anspruch des Gläubigers gegen den Staat auf Justizgewährung, der aus dem Rechtsstaats­ prinzip herzuleiten ist.33 Im Gegenzug für den Verzicht der Bürger auf die Ausübung von Selbstjustiz stellt der Staat einem Anspruchsinhaber seine Gerichte als neutrale Institutionen zur Verfügung und gewährt jedem Bürger unter den gleichen Bedingungen Zugang.34 b) Materiell-rechtliche Anspruchsdurchsetzung Ohne staatliche Hilfe kann der Gläubiger seine Forderung auf privatrecht­ lichem Wege durch Erklärung der Aufrechnung durchsetzen (§§  387 ff. BGB), 31 Richtig

Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 I 4, S.  67. So schon Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, §  2, S.  10. 33  Zur Herleitung Stein/Jonas/Brehm, Vor §  1 ZPO Rn.  287; Musielak/Musielak, Einl. vor §  1 ZPO Rn.  6 ; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, §  3 Rn.  4; Schilken, Gerichtsverfassungsrecht, Rn.  87. 34 Stein/Jonas/Brehm, Vor §  1 ZPO Rn.  284, 289; Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 I 5 c, S.  69; Musielak/Musielak, Einl. vor §  1 ZPO Rn.  6 . 32 

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sofern seiner Gegenforderung eine gleichartige Hauptforderung des Schuldners gegenübersteht.35 Für sonstige Ansprüche (mit Ausnahme der Rechtsverwirklichungsansprüche) 36 gelten die Vorschriften über die Forderungsaufrechnung analog §  413 BGB entsprechend. Auch die Aufrechnungsbefugnis ist kein Inhalt der Forderung,37 sondern lediglich eine aus dem Schuldverhältnis im weiteren Sinne folgende, forderungsbezogene Rechtsposition, die entsteht, wenn die Forderung des Gläubigers mit derjenigen des Schuldners in eine Aufrechnungslage eintritt. Auch dabei handelt es sich um eine Ausprägung des Justizgewährungsanspruchs, der an das Bestehen eines durchsetzbaren Anspruchs anknüpft („…sobald er die ihm gebührende Leistung fordern…kann“, §  387 Abs.  1 BGB aE) und (neben der Tilgung der Hauptforderung jedenfalls auch) der Realisierung des eigenen Gegenanspruchs dient. Zurückbehaltungsrechte helfen demgegenüber nicht zur Durchsetzung eines Anspruchs, weil damit lediglich Druck auf den Schuldner ausgeübt werden kann, seinerseits zu leisten.38 Auch das Selbsthilferecht i. S. v. §  229 BGB ist kein Instrument privater Zwangsvollstreckung, da sie gemäß §  230 BGB lediglich zur Sicherung des Anspruchs – und gerade nicht zu seiner Befriedigung – führt. Anders ist das nur beim Recht der Besitzkehr nach §  859 BGB, wonach sich der Besitzer verbotener Eigenmacht mit Gewalt erwehren und eine weggenommene Sache mit Gewalt wieder an sich nehmen darf. 3. Ausschluss der Haftung a) Erhebung einer Einrede (1) Grundsätzliches Sofern und solange der Gläubiger berechtigt ist, seinen Anspruch mit Rechtszwang durchzusetzen, korrespondiert damit eine Haftung des Schuldners. Ausgeschlossen werden kann die Haftung im Falle bestehender Schuld jedoch, wenn dem Schuldner eine materiell-rechtliche Einrede zusteht. Einreden sind (rechtsgestaltende) 39 Gegenrechte des Schuldners, deren Erhebung die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen dauernd oder vorübergehend ausschließen. Ein­ reden beeinflussen die Qualität bzw. die Eigenschaften der Schuld, indem sie 35  Sind Haupt- und Gegenforderung nicht gleichartig, kann dennoch eine Verrechnung über Aufrechnungsverträge erfolgen, die jedoch die freiwillige Mitwirkung beider Beteiligter erfordert, umfassend dazu Berger, Aufrechnungsvertrag, S.  1 ff. 36  Vgl. dazu oben Kap.  2 A.I.1., S. 9. 37  Wie hier Eichel, Künftige Forderungen, S.  76 f.; Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 I 5 c, S.  70. A. A. von Tuhr, AT, §  15 II, S.  242; ebenso Köhler, BGB AT, §  17 Rn.  33; Schulze, Naturalobligation, S.  461 ff.; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, §  19 Rn.  23. 38 Anders Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 I 5 c, S.  70, der auch Zurückbehaltungsrechte dem privaten Rechtszwang zuordnet. 39  Dazu, dass Einreden Gestaltungsrechte sind, ausführlich Thomale, AcP 212 (2012), 920 ff.

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der Schuld die Durchsetzbarkeit bzw. Zwangsbewehrung nehmen. Genau diese Eigenschaft ist essentiell für die Haftung: nur einredefreie Schulden bzw. durchsetzbare Ansprüche führen zu einer Haftung des Schuldners. Durch die Ausübung der Einrede kann der Schuldner seine Haftung mithin aufschieben oder sogar ganz ausschließen, ohne dass dadurch der Bestand oder die Fälligkeit des Anspruchs geändert würde.40 Dementsprechend spricht das Gesetz auch häufig davon, dass der Schuldner lediglich berechtigt ist, die geschuldete Leistung zu „verweigern“ (vgl. z. B. §  214 Abs.  1, §  273 Abs.  1, §  320 Abs.  1 S.  1, §  321 Abs.  1, §  2083 BGB). Eine Leistung auf die unverändert fortbestehende, wenn auch einredebehaftete Schuld ist ein erfüllender Rechtsakt und eine Kondiktion des in Unkenntnis der Einrede Geleisteten nur in den in §  813 BGB genannten Fällen möglich.41 Einreden sind ebenso wie Einwendungen Verteidigungsmittel, für deren tatbestandsmäßiges Vorliegen der Schuldner die Beweislast trägt.42 Im Prozess werden (rechtshindernde und rechtsvernichtende) Einwendungen von Amts wegen berücksichtigt, sofern die einwendungsbegründenden Tatsachen in den Prozess eingeführt wurden und entweder unbestritten oder bewiesen sind, wohingegen Einreden vom Schuldner geltend gemacht werden müssen, damit sie ihre Wirkung entfalten können. (2) Arten von Einreden Unterschieden wird zwischen dauernden, aufschiebenden und anspruchsbeschränkenden Einreden.43 (a) Dauernde Einreden Steht dem Schuldner eine dauernde oder „peremptorische“ Einrede zu, wird durch deren Erhebung die Durchsetzbarkeit der Forderung endgültig gehemmt und damit ausgeschlossen. Eine verjährte Forderung kann beispielsweise dauerhaft nicht mehr durchgesetzt werden, wenn sich der Schuldner auf die Verjährung beruft (§  214 Abs.  1 BGB). Klagt der Gläubiger trotz erhobener Einrede seine Forderung ein, wird die Klage als unbegründet abgewiesen. (b) Aufschiebende Einreden Aufschiebende bzw. „dilatorische“ Einreden führen im Falle ihrer Geltendmachung nur dazu, dass die Forderung vorübergehend nicht durchgesetzt werden kann, bis das Durchsetzungshindernis entfallen ist. Haben die Parteien zum 40 

Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, §  21 Rn.  13, 20. Dazu unten Kap.  2 A.IV., S. 37 ff. 42  Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, §  21 Rn.  11. 43  Vgl. dazu Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, §  21 Rn.  21 ff. 41 

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Beispiel eine Stundung der Zahlungsverbindlichkeit vereinbart, so kann die korrespondierende Forderung während des Stundungszeitraums mangels Fälligkeit nicht durchgesetzt werden. Eine Klage würde als derzeit unbegründet abgewiesen, könnte jedoch nach Wegfall der Einrede erneut erhoben werden. (c) Anspruchsbeschränkende Einreden Bei den anspruchsbeschränkenden Einreden wird die Durchsetzbarkeit der Forderung als solche nicht eingeschränkt, aber nur unter bestimmten Voraussetzungen zugelassen. Deshalb besteht in diesen Fällen ein (einklagbarer) Anspruch. Die Geltendmachung einer anspruchsbeschränkenden Einrede, wie etwa derjenigen aus §  273 BGB, §  320 BGB oder §  1000 BGB, führt jedoch dazu, dass nur eine Verurteilung zur Leistung Zug-um-Zug erfolgt. (3) Auswirkungen auf die Haftung Auf die Haftung wirken sich konsequenterweise nur peremptorische und dilatorische Einreden aus, denn anspruchsbeschränkende Einreden ändern nichts an der Eigenschaft der Durchsetzbarkeit der Schuld bzw. daran, dass den Schuldner eine Rechtspflicht trifft, für die er in vollem Umfang haftet, wenn auch nur unter gewissen Voraussetzungen, namentlich nur Zug-um-Zug gegen Erbringung der Gegenleistung. Fraglich ist, wie sich das Bestehen einer Einredelage und die Erhebung einer peremptorischen oder dilatorischen Einrede auf die Haftung auswirkt. Diskutiert wird die Problematik der Auswirkungen des Bestehens bzw. Entstehens von Einreden üblicherweise im Zusammenhang mit dem Schuldnerverzug.44 Einem Schuldner, der eine einredebehaftete Schuld nicht rechtzeitig begleicht, kann an sich kein Vorwurf gemacht werden, da er überhaupt nicht mehr oder zumindest vorübergehend nicht zu leisten braucht.45 Hier ist sehr umstritten, wie sich eine Einrede auf den Eintritt bzw. den Fortbestand des Schuldnerverzugs auswirkt. Denkbar sind vier verschiedene Lösungen: (1) der Schuldnerverzug wird bereits allein durch das Bestehen der Einredelage ausgeschlossen,46 44  Ausführlich dazu Huber, Leistungsstörungen, §  12 II, S.  303 ff.; Roth, Die Einrede des Bürgerlichen Rechts, §  11. 45 MüKoBGB/Ernst, §  286 Rn.  2 2. 46  So die wohl h. M., wobei sich die Begründungen unterscheiden: teilweise wird die Fälligkeit des Anspruchs, deren Wirksamkeit oder Durchsetzbarkeit verneint, teilweise ein Verschulden des Schuldner abgelehnt; Soergel/Benicke/Nalbantis, §  286 Rn.  43 ff.; Brox/Walker, SchuldR AT, §  23 Rn.  6 ; Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, §  51 II 1, S.  218; Palandt/ Grüneberg, §  286 Rn.  10; Huber, Leistungsstörungen, §  12 III, §  13 I 1, S.  306 ff.; MüKoBGB/ Ernst, §  286 Rn.  22, 23 m. w. N.; BeckOK-BGB11.2015/Lorenz, §  286 Rn.  11 f.; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn.  554 mit Rn.  4 48; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.  219a; Jauernig/Stadler, §  286 Rn.  13. Vgl. auch die Nachweise bei Roth, Die Einrede des Bürgerlichen Rechts, §  11 I, S.  151 Fn.  3.

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(2) erst die Erhebung der Einrede lässt den Verzug entfallen, dies allerdings rückwirkend auf den Zeitpunkt der Entstehung der Einredelage,47 (3) die Erhebung der Einrede beendet den Verzug nur mit Wirkung für die Zukunft,48 und (4) sogar die Erhebung der Einrede ist auf den Verzug gänzlich ohne Einfluss.49 Bedenkt man die Natur der Einrede als Gestaltungsrecht und dass sie ihre Wirkungen nur dann entfaltet, wenn sie tatsächlich erhoben wird, ist schwer zu begreifen, warum die immer noch überwiegende erste Ansicht allein den Bestand der Einredelage als verzugsausschließend wertet. Solange die Rechtslage vom Schuldner nicht umgestaltet wurde, bleibt der Anspruch durchsetzbar und der Schuldner zur Leistung verpflichtet.50 Ab Fälligkeit und Mahnung kommt der Schuldner daher mit der geschuldeten Leistung in Verzug (vgl. §  286 BGB). Würde man allein das Bestehen der Einrede für einen Ausschluss des Schuldnerverzugs genügen lassen, hätte dies die widersprüchliche und unhaltbare Konsequenz, dass eine gerichtliche Entscheidung den Hauptanspruch mangels Erhebung der Einrede voll zusprechen, geltend gemachte Verzugsansprüche hingegen abweisen müsste, sofern sich das Bestehen der Einredelage aus dem vorgetragenen Sachverhalt ergibt.51 Diese Folge vermeidet Larenz,52 der zwar ebenfalls die Auffassung vertritt, dass allein das Bestehen der Einredelage verzugsausschließend wirkt, da ein Schuldner, der durch Ausübung der Einrede die Hemmung des Anspruchs herbeiführen könne, auch das Recht habe, nicht zu leisten. Allerdings müsse sich der Schuldner, sofern er die Einrede nicht spätestens in der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz erhebe, so behandeln lassen, als wäre er in Verzug gekommen.53 Er sei nur wegen des Einrederechts und nur für den Fall von dessen Ausübung, also nur vorläufig und bedingt, zur Nichtleistung berechtigt gewesen. Diese Ansicht gewährleistet, dass das Gericht über Haupt- und Nebenforderung widerspruchsfrei entscheiden kann, setzt allerdings voraus, dass es irgendwann zu einem Prozess kommt; 47 Erman/Hager, §  286 Rn.  21; Jahr, JuS 1964, 293 (301 f.); Staudinger/Löwisch/ Feldmann, §  286 Rn.  14; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn.  463; Oertmann, ZHR 78 (1916), 1 (11 ff., 23); Roth, Die Einrede des Bürgerlichen Rechts, §  11 V, S.  157 ff.; von Tuhr, AT, §  17 III 3, S.  295. 48  Gröschler, AcP 201 (2001), 48 (74 ff., 80). 49  von Tuhr, AT, §  17 III 3, S.  295 Fn.  2 2a (zu §  320 BGB); Schreiber, Schuld und Haftung, S.  235 ff. (238). 50  Jahr, JuS 1964, 293 (302): „[W]er leisten muß, aber hemmen darf, soll entweder tun, was er muß, oder tun, was er darf; tertium non datur.“ Ähnlich Canaris, FS Koziol (2010), S.  45 (56). 51  Gröschler, AcP 201 (2001), 48 (75); Jahr, JuS 1964, 293 (301); Larenz, Schuldrecht AT, §  23 I c, S.  350; Staudinger/Löwisch/Feldmann, §  286 Rn.  14; Oertmann, ZHR 78 (1916), 1 (14 f.); Roth, Die Einrede des Bürgerlichen Rechts, §  11 I/V, S.  151, 157; von Tuhr, AT, §  17 III 3, S.  295. 52  Larenz, Schuldrecht AT, §  23 I c, S.  350 ff. 53 Ebenso Soergel/Benicke/Nalbantis, §  286 Rn.  46 f.; Brox/Walker, SchuldR AT, §   23 Rn.  6 ; MüKoBGB/Ernst, §  286 Rn.  28; Palandt/Grüneberg, §  286 Rn.  10; BeckOK-BGB11.2015/ Lorenz, §  286 Rn.  12; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.  219a.

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erst und nur dann steht (unter Umständen erst Jahre später) abschließend fest, ob der Schuldner in Verzug gekommen ist (bzw. sich so behandeln lassen muss) oder eben nicht. Gegen diese Auffassung lässt sich einwenden, dass die materiell-rechtliche Frage des Eintritts des Schuldnerverzugs nicht davon abhängen kann, ob und wann es zwischen den Parteien zu einem gerichtlich ausgetragenen Rechtsstreit kommt, vielmehr muss dies nach materiell-rechtlichen Maß­ stäben beurteilt werden und werden können.54 Entgegen der vierten Auffassung kann die Erhebung einer Einrede auf den Schuldnerverzug aber auch nicht gänzlich ohne Einfluss sein, da der Anspruch seine Durchsetzbarkeit verliert, sobald die Einrede erhoben wird. Fraglich kann daher nur sein, ob die Erhebung der Einrede mit der dritten Auffassung lediglich für die Zukunft wirkt, so dass der Schuldner zunächst in Schuldnerverzug kommt und alle bis zur Einredeerhebung daraus folgenden Konsequenzen tragen muss, oder ob ihr mit der zweiten Ansicht Rückwirkung zukommt, so dass der Schuldnerverzug mit all seinen Folgen rückwirkend wieder entfällt. Diese Frage lässt sich nicht pauschal für alle Einreden, sondern nur anhand des Sinn und Zwecks der jeweiligen Einrede beantworten.55 Für peremptorische oder dilatorische Einreden 56 überzeugt jedoch allein die Ansicht, die die Wirkungen von Einreden im Falle der Einredeerhebung rückwirkend zu dem Zeitpunkt eintreten lässt, in dem die Einredelage entstanden ist. Die vorübergehende Einrede der Stundung lässt beispielsweise die Fälligkeit des Anspruchs entfallen, so dass der Schuldner ab dem Zeitpunkt der vereinbarten Stundung auch nicht in Verzug geraten kann. Für die Zeit der Stundung fallen also keine Verzugszinsen an; bis zum Stundungszeitpunkt aufgelaufene Zinsen entfallen indes nicht. Bei den dauernden Einreden aus §  275 Abs.  2, 3 BGB spricht schon die funktionale Nähe zur Unmöglichkeit nach §  275 Abs.  1 BGB sowie der zugrundeliegende Gedanke des Rechtsmissbrauchs bzw. der Unzumutbarkeit für eine Rückwirkung.57 Und auch die Einrede der Verjährung (§  214 BGB) wirkt zurück: 58 Ab dem Zeitpunkt der Verjährung darf der Schuldner die Leistung verweigern, auch wenn er sich erst später darauf beruft. Es erscheint nicht gerechtfertigt, den Schuldner im Hinblick auf Nebenansprüche, wie die Verzugsfolgen, über diesen Zeitpunkt hinaus so zu behandeln, als müsste er noch leisten, und umgekehrt den Gläubi54 

Kritisch auch Gröschler, AcP 201 (2001), 48 (75). Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn.  463. 56  Anspruchsbeschränkende Einreden werden mangels Haftungsrelevanz hier außer Betracht gelassen, siehe dazu Canaris, FS Koziol (2010), S.  45 (57 ff., 61); Roth, Die Einrede des Bürgerlichen Rechts, §  25 I, S.  234 f. 57  Canaris, FS Koziol (2010), S.   45 (60); MüKoBGB/Ernst, §  275 Rn.  99 m. w. N. A. A. ­Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn.  463. 58  Canaris, FS Koziol (2010), S.   45 (59 f.); Huber, Leistungsstörungen, §  13 I 1, S.  317; ­Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn.  463. A. A. Gröschler, AcP 201 (2001), 48 (80), mit dem nicht überzeugenden Argument, der Schuldner habe durch Nichtausübung der Einrede einen Vertrauenstatbestand geschaffen. 55 

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ger weiterhin in den Genuß von Verzugszinsen für einen Zeitraum kommen zu lassen, in dem er die Hauptleistung nicht mehr beanspruchen konnte. Gemäß §  217 BGB verjährt mit dem Anspruch auf die Hauptleistung außerdem auch der Anspruch auf die von ihm abhängigen Nebenleistungen, und zwar selbst dann, wenn die für diesen Anspruch geltende besondere Verjährung noch nicht eingetreten ist.59 Zu diesen Nebenleistungen gehören anerkanntermaßen auch Verzugszinsen und Verzugsschäden, auch wenn sie bereits vor Eintritt der Verjährung entstanden waren. 60 Durch die Verjährung soll endgültig Rechtsfrieden hergestellt werden, und daher soll die Streitigkeit auch nicht über Nebenansprüche fortgeführt werden können. Ausnahmsweise werden daher durch die spätere Einredeerhebung selbst solche Ansprüche aus Verzug rückwirkend ausgeschlossen, die vor der Einredelage entstanden sind. Eine derart weitgehende Rückwirkung rechtfertigt sich nur aus der Funktion der Verjährung, Rechtsfrieden herzustellen, und lässt sich daher nicht auf andere Einreden übertragen. 61 Soweit eine Rückwirkung in Betracht kommt, wirkt diese im Grundsatz nur auf den Zeitpunkt des Entstehens der Einredelage zurück. 62 Für den Schuldnerverzug63 bedeutet dies, dass ein Schuldner trotz Bestehens einer dauernden oder vorübergehenden Einrede zwar zunächst in Schuldnerverzug kommt, dieser jedoch durch die Geltendmachung der Einrede rückwirkend mit allen daran anknüpfenden Folgen (z. B. Verzugszinsen; Schadensersatzpflichten) ab dem Zeitpunkt der Entstehung der Einredelage (und solange diese gegebenenfalls besteht) ganz oder teilweise wieder entfällt, je nachdem ob der Tatbestand der Einrede bereits vor Eintritt des Schuldnerverzugs oder erst währenddessen entstanden ist. Schwierigkeiten bereitet bei dieser Auffassung auch nicht die Frage, wie die Rechtsfolgen bei zwischenzeitlicher Ausübung eines Gestaltungsrechts durch den Gläubiger, wie insbesondere die Erklärung des Rücktritts wegen nicht (rechtzeitiger) Leistung, zu bewältigen sind. Solange die Einrede nicht erhoben wurde und sich der Schuldner mithin im Schuldnerverzug befindet, ist der Gläubiger zum Rücktritt berechtigt; diese Berechtigung würde bei Rückwirkung der Einredeerhebung an sich entfallen. Lösen lässt sich die Problematik jedoch durch eine analoge Anwendung von §  352 BGB, demzufolge ein Rück59 Etwas anderes gilt nur, wenn der Gläubiger seinen Anspruch auf die Nebenleistung bereits eingeklagt oder sonst für eine Verjährungsunterbrechung gesorgt hat, vgl. BGH v. 23.11.1994 – XII ZR 150/93, NJW 1995, 252. 60  Canaris, FS Koziol (2010), S.  45 (59 f.); Palandt/Ellenberger, §  217 Rn.  1; Gröschler, AcP 201 (2001), 48 (82 f.); MüKoBGB/Grothe, §  217 Rn.  1; Huber, Leistungsstörungen, §  13 I 1 b, S.  320 (zu §  224 BGB a. F.). 61  Canaris, FS Koziol (2010), S.  45 (60); Gröschler, AcP 201 (2001), 48 (83 f.). A. A. Roth, Die Einrede des Bürgerlichen Rechts, S.  161. 62  Zu den anspruchsbeschränkenden Einreden gemäß §   273 BGB und §  320 BGB, siehe Canaris, FS Koziol (2010), S.  45 (57 f., 61). 63  Für einen Schadensersatzanspruch statt der Leistung (§  281 Abs.  1 BGB) gilt Entsprechendes.

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tritt wegen Nichterfüllung unwirksam wird, wenn der Schuldner sich von der Verbindlichkeit durch Aufrechnung befreien konnte und unverzüglich nach dem Rücktritt die Aufrechnung erklärt. Nichts anderes kann für andere Ge­ staltungsrechte sowie rechtsgestaltende Einreden gelten, sofern die Einredelage bereits im Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bestand und der Schuldner die Einrede unverzüglich nach dem Rücktritt erhebt. 64 Für die Haftung gilt nichts anderes: Bei dilatorischen Einreden ist die Haftung im Falle der Einredeerhebung für die Zeit des Aufschubs der Durchsetzbarkeit rückwirkend ab Bestehen der Einredelage vorübergehend ausgeschlossen. Sobald der Hemmungstatbestand beendet ist, lebt die Haftung wieder auf. Wird eine dauernde Einrede rechtzeitig erhoben, fällt die Haftung rückwirkend ab Entstehen der Einredelage endgültig weg, denn mangels Durchsetzbarkeit kann der Gläubiger seinen Anspruch nicht mehr geltend machen und folglich auch nicht mehr mit Rechtszwang eintreiben. Der Schuldner muss einen zwangsweisen Zugriff auf sein Vermögen nicht mehr dulden. Ob er eine Leistung, die er in Unkenntnis des Bestehens der Einrede erbracht hat, wieder zurückverlangen kann, hängt davon ab, ob dem Gläubiger ein Rechtsgrund zum Behaltendürfen zusteht. 65 b) Pactum de non petendo (1) Bedeutung Auch ein pactum de non petendo bzw. Stillhalteabkommen zwischen den Parteien kann zu einem vorübergehenden oder dauerhaften Ausschluss der Haftung des Schuldners führen. Die Einordnung und die Rechtswirkungen dieser Rechtsfigur sind jedoch seit jeher umstritten, und so führt sie bis heute „eine schillernde Existenz zwischen materiellem Recht und Prozessrecht“.66 Vielfach wird darunter eine Vereinbarung des Inhalts verstanden, eine Forderung nicht oder zumindest vorübergehend nicht (klageweise) geltend zu machen. Die Abrede soll dem Schuldner eine materiell-rechtliche Einrede gewähren, die bei Erhebung im Prozess allerdings zur Abweisung der Klage als unzulässig führen soll. 67 Schon Wagner68 hat darauf hingewiesen, dass es inkonsequent ist, wenn von einem materiell-rechtlichen Leistungsverweigerungsrecht auf einen prozessualen Mangel geschlossen wird, der zur Unzulässigkeit der Klage führt. Zu 64  In der Sache ebenso Canaris, FS Koziol (2010), S.  45 (53); Oertmann, ZHR 78 (1916), 1 (36 ff.); Roth, Die Einrede des Bürgerlichen Rechts, S.  159 f.; vgl. auch Gröschler, AcP 201 (2001), 48 (87 ff.). 65  Dazu unten Kap.  2 A.IV., S. 37 ff. 66  Wagner, Prozeßverträge, S.  396. 67 BGH v. 14.6.1989 – IVa ZR 180/88, NJW-RR 1989, 1048 (1049); Erman/Artz, §  271 Rn.  13; Soergel/Forster, §  271 Rn.  15; Palandt/Grüneberg, §  271 Rn.  13; BeckOK-BGB11.2015/ Lorenz, §  271 Rn.  12; BeckOK-BGB3.2011/Unberath, §  271 Rn.  12. 68  Wagner, Prozeßverträge, S.  416 ff.

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einem Prozessurteil kann ein pactum de non petendo nur dann führen, wenn es sich auf den Ausschluss der Klagbarkeit eines Anspruchs beschränkt; ein solcher reiner Prozessvertrag kann dann aber keine materiell-rechtlichen Wirkungen zeitigen. Begründet die Vereinbarung dagegen – wie überwiegend angenommen – ein materiell-rechtliches Leistungsverweigerungsrecht, muss die Berufung auf diese Einrede im Prozess zu einer Abweisung der Klage als unbegründet führen. 69 (2) Ausschluss der prozessualen Klagbarkeit Aus der Privatautonomie folgt, dass die Parteien den Inhalt ihrer Vereinbarung nach ihrem Willen bestimmen können. Dementsprechend ist es nicht ausgeschlossen, dass die Parteien einem Anspruch lediglich die Klagbarkeit entziehen wollen und man eine solche Vereinbarung als pactum de non petendo bezeichnet. Problematisch ist dabei allerdings, dass der Begriff „Klagbarkeit“ nicht einheitlich verwendet wird und teilweise als materiell-rechtliche Eigenschaft des Anspruchs,70 teilweise als prozessuales Kriterium angesehen wird.71 Nach hier vertretener Ansicht erscheint es überzeugender, die Klagbarkeit eines geltend gemachten Rechts dem Prozessrecht zuzuordnen. Fehlt sie, ist lediglich die ­prozessuale Geltendmachung, d. h. das objektive Recht auf Zugang zu Gericht ausgeschlossen,72 während materiell-rechtlich ein „vollwertiger“ Anspruch exis­tiert.73 Ein Ausschluss der Klagbarkeit und damit der gerichtlichen Zwangsbewährung stellt daher eine Disposition über die verfassungsrechtlich garantierte Rechtsschutzgarantie dar.74 Ob die Klagbarkeit in diesem Sinne durch Parteivereinbarung ausgeschlossen werden kann, erscheint zweifelhaft, dürfte aber zumindest bei nur zeitweisem Ausschluss zulässig sein.75 Unzulässig ist jedoch eine Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wonach der andere Vertragsteil seine Ansprüche gegen den Klauselverwender gerichtlich nur geltend machen darf, nachdem er eine gütliche Einigung in einem Verfahren zur außergerichtlichen Streitbeilegung versucht hat (§  309 Nr.  14 BGB). Eine 69 Richtig differenzierend auch Staudinger/Bittner, §   271 Rn.   18; MüKoBGB/Krüger, §  271 Rn.  18. 70  So etwa Eichel, Künftige Forderungen, S.  26; Stein/Jonas/Roth, Vor §  253 Rn.  121, 126. 71 So etwa Wieczorek/Schütze/Assmann, Vor §   253 ZPO Rn.  60; Stech, ZZP (77) 1964, 161 ff. 72 Demgegenüber regelt die (subjektive) Klagebefugnis die Frage, wer ein bestimmtes Recht klageweise geltend machen darf. 73 Wieczorek/Schütze/Assmann, Vor §  253 ZPO Rn.  60; Stech, ZZP (77) 1964, 161 (162). 74  Stech, ZZP (77) 1964, 161 (162): „Da in der Gewährung des Rechtsschutzes durch Klage die staatliche Garantie der Privatrechtsordnung überhaupt zu sehen ist, mag man bei den echten unklagbaren Ansprüchen von einem ‚Mangel der Rechtsgarantie‘ sprechen. Wird ein unklagbarer Anspruch eingeklagt, so kann keine Abweisung durch Sachurteil als unbegründet erfolgen, denn der Anspruch besteht. Vielmehr ist die Klage als unzulässig abzuweisen.“ 75 So auch Wieczorek/Schütze/Assmann, Vor §   253 ZPO Rn.  147 ff.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn.  27; Staudinger/Peters/Jacoby, §  205 Rn.  15 (in AGB jedoch unzulässig).

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trotz wirksamen Ausschlusses der Klagbarkeit erhobene Klage ist als unzulässig abzuweisen; ein abweisendes Sachurteil darf schon deshalb nicht ergehen, weil ein „nur“ unklagbarer Anspruch – im Gegensatz zu unvollkommenen Verbindlichkeiten76 – materiell-rechtlich einwandfrei besteht.77 Dies hat freilich zur Konsequenz, dass eine außergerichtliche Durchsetzung des Anspruchs, z. B. im Wege der Aufrechnung, uneingeschränkt möglich bleibt,78 und damit auch die Haftung des Schuldners durch einen reinen Prozessvertrag über den Ausschluss der Klagbarkeit nicht berührt wird. Diese Folge ist in aller Regel von den Parteien nicht gewollt: Erreicht werden soll durch die Vereinbarung eines pactum de non petendo vielmehr, dass der Gläubiger den „unklagbar“ gestellten Anspruch weder durch Klage noch außerprozessual geltend machen kann. Dies lässt sich aber nur dadurch erreichen, dass man dem Schuldner (zumindest auch) eine materiell-rechtliche Einrede einräumt, die nicht nur der prozessualen Durchsetzung mittels Klage und Zwangsvollstreckung entgegensteht, sondern auch der materiell-rechtlichen, insbesondere durch Aufrechnung (vgl. §  390 BGB). Darüber hinaus würde der bloße Ausschluss der prozessualen Klagbarkeit nichts am Fortlauf der Verjährungsfrist ändern. Erreichen lässt sich dies allein über ein materiell-rechtliches Leistungsverweigerungsrecht (vgl. §  205 BGB), das durch ein pactum de non petendo begründet werden kann. Der BGH sieht die Begründung eines Leistungsverweigerungsrechts sogar als wesens- und inhaltsbestimmend für ein pactum de non petendo an.79 Auch wenn die Parteien primär eine gerichtliche Auseinandersetzung verhindern wollen, wird sich der Parteiwille in aller Regel nur dann umfassend realisieren lassen, wenn man in der Vereinbarung auch die Einräumung eines Leistungsverweigerungsrechts geregelt sieht. 80 So ist beispielsweise bei Musterprozessabreden selbstverständliches Regelungsziel, dass die Ansprüche der Gläubiger, die sich für die Dauer des Musterprozesses bereit erklären, ihre Ansprüche nicht geltend zu machen, in dieser Zeit nicht verjähren.81 Diese materiell-rechtliche Wirkung lässt sich allein durch den Ausschluss der Klagbarkeit auf prozessualer Ebene nicht erreichen. 76 

Dazu unten Kap.  2 A.III.2.b), S. 30 ff. Vor §  253 ZPO Rn.  60; Stech, ZZP (77) 1964, 161 (162). 78 Wieczorek/Schütze/Assmann, Vor §  253 ZPO Rn.  60; Reichel, JherJhrb 59 (1911), 409 (415 f.); Stech, ZZP (77) 1964, 161 (164). 79  BGH v. 5.3.2015 – IX ZR 133/14, NJW 2015, 1672 (1675); BGH v. 29.6.1999 – XI ZR 10/98, NJW 1999, 2584 (2585); BGH v. 22.10.1998 – VII ZR 99/97, NJW 1999, 51 (52 f.); BGH v. 23.4.1998 – III ZR 7/97, NJW 1998, 2274 (2277); BGH v. 21.2.1983 – VIII ZR 4/82, NJW 1983, 2496 (2497). 80  A. A. offenbar Staudinger/Peters/Jacoby, §  205 Rn.  15 („…braucht es … nicht in allen Fällen des pactum de non petendo zu einem Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners zu kommen und braucht jedenfalls der Wille der Parteien auf diese materielle Rechtsfolge nicht gerichtet zu sein.“). 81  BGH v. 23.4.1998 – III ZR 7/97, NJW 1998, 2274 (2276 f.); Jacoby, Musterprozessvertrag, S.  173, 174; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, §  47 Rn.  20. 77 Wieczorek/Schütze/Assmann,

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(3) Ausschluss der materiell-rechtlichen Durchsetzbarkeit Dem entspricht es, dass die ganz h. M. dem pactum de non petendo jedenfalls auch materiell-rechtliche Wirkungen zuspricht und davon ausgeht, dass dadurch ein Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners begründet wird. Versteht man das pactum de non petendo mit der auch hier befürworteten Ansicht als eine allein materiell-rechtliche Vereinbarung, durch die auf der einen Seite der Gläubiger verpflichtet wird, seine Forderung zeitweise oder dauerhaft nicht geltend zu machen, und auf der anderen Seite dem Schuldner ein dementsprechendes Leistungsverweigerungsrecht eingeräumt wird, so führt die Erhebung der Einrede dazu, dass der Anspruch seine materiell-rechtliche Durchsetzbarkeit vorübergehend oder dauerhaft verliert und folglich auch die Haftung des Schuldners entsprechend ausgeschlossen wird. Diese Rechtsfolge des Haftungsausschlusses ist unabhängig davon, welche Ausgangskonstellation dem Stillhalteabkommen zugrunde liegt: Sind sich die Parteien über den Bestand des Anspruchs einig und wollen nur nachträglich dessen Fälligkeit hinausschieben, handelt es sich um ein pactum de non petendo ad tempus, das mit einer Stundungsvereinbarung identisch ist. 82 Eine solche nachträgliche Stundung enthält regelmäßig, wenn auch nicht zwingend, auf Schuldnerseite ein (konkludentes) Anerkenntnis der Schuld, 83 das die Verjährung neu beginnen lässt (§  212 Abs.  1 Nr.  1 BGB).84 Im Regelfall eines pactum de non petendo ist das Bestehen des Anspruchs des Gläubigers jedoch umstritten.85 Dies schließt die Annahme einer Stundung (für den vom Schuldner bestrittenen Fall der Existenz des Anspruchs) zwar nicht aus, dennoch wird eine Stundungsvereinbarung häufig den Gläubigerinteressen nicht entsprechen, da er in diesem Fall auf (Fälligkeits-) Zinsen und andere Verzugsfolgen verzichten müsste. Sach- und interessengerecht erscheint es daher, die durch das pactum de non petendo begründete Einrede so auszulegen, dass dadurch an der Fälligkeit des Anspruchs nichts geändert, sondern lediglich die materielle Einforderungsbefugnis des Gläubigers eingeschränkt wird. Eine dahingehende Einrede, die die Durchsetzbarkeit des Anspruchs hindert, ist ausreichend, um gemäß §  205 BGB eine Verjährungshemmung zu erreichen. Die fehlende Bereitschaft auf Gläubigerseite, die Fälligkeit des Anspruchs hinauszuschieben, und die fehlende Bereitschaft auf Schuldnerseite, den Anspruch des Gläubigers anzuerkennen, machen das pactum de non petendo zum Hauptanwendungsfall des §  205 BGB.86 Auch eine Muster82 So Gernhuber, Erfüllung, §  3 V 2, S.  76; von Tuhr, AT, §  17 VI 1, S.  305; Wagner, Prozeßverträge, S.  418 f.; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, §  22 Rn.  46; ähnlich Staudinger/Peters/­ Jacoby, §  205 Rn.  15 („Abgrenzung … von der Stundung ist schwierig und kaum möglich“). 83  Liegt kein Anerkenntnis vor, so führt die Stundungsabrede „nur“ zu einer Hemmung der Verjährung nach §  205 BGB, siehe statt vieler MüKoBGB/Grothe, §  205 Rn.  3. 84  Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, §  2 2 Rn.  46. 85 MüKoBGB/Grothe, §  205 Rn.  5 ; Staudinger/Peters/Jacoby, §  205 Rn.  15. 86  Vgl. BT-Drucks. 14/6040, S.  118; Staudinger/Peters/Jacoby, §  205 Rn.  15.

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prozessabrede lässt sich bei diesem Verständnis ohne Schwierigkeiten als materiell-rechtliches pactum de non petendo verstehen. 87 Haben die Parteien vereinbart, dass der Gläubiger seinen Anspruch dauerhaft nicht mehr geltend macht, kann darin entweder ein zum Erlöschen der Schuld führender Erlassvertrag oder ein unbefristeter Einforderungsverzicht liegen.88 Während ersterer eine Einwendung begründet, führt letzterer nur zu einer peremtorischen Einrede des Schuldners. Welche Gestaltung von den Parteien gewollt ist, muss durch Auslegung ermittelt werden. Für die Haftung ergeben sich keine Unterschiede, abgesehen davon, dass diese im Fall des peremtorischen Einforderungsverzichts nur und erst dann ausgeschlossen wird, wenn der Schuldner sich auf die Einrede beruft. Diese materiell-rechtliche Deutung des pactum de non petendo führt auf prozessualer Ebene konsequenterweise zu einer Klageabweisung als (derzeit) unbegründet. Warum die Vereinbarung daneben auch noch eine prozessuale Wirkung im Sinne eines Ausschlusses der Klagbarkeit haben soll, erschließt sich nicht. Es ist zwar richtig, dass die Parteien mit ihrer Vereinbarung eine prozessuale Auseinandersetzung von vornherein vermeiden wollen. Klagt der Gläubiger seinen vermeintlichen Anspruch allerdings vereinbarungswidrig dennoch ein oder setzt er einen bereits anhängigen Prozess fort, so muss das Gericht in jedem Fall die Wirksamkeit der Vereinbarung prüfen, unabhängig davon, ob dies für die Zulässigkeit oder Begründetheit entscheidungserheblich ist. Welchen Vorteil die Parteien, namentlich der Schuldner, davon haben sollen, dass man deren Vereinbarung als Ausschluss der Klagbarkeit versteht, so dass die Klage durch Prozessurteil als unzulässig, anstatt durch Sachurteil als (derzeit) unbegründet abgewiesen wird, ist nicht erkennbar, zumal sich durch ein Prozessurteil im Hinblick auf die Vereinbarung weder eine schnellere Entscheidung noch eine Kostenersparnis erreichen lässt. Ein Sachurteil als (derzeit) unbegründet hat demgegenüber den Vorteil, dass im Hinblick auf das pactum de non petendo Rechtskraft eintritt und der Schuldner nicht befürchten muss, dass der Kläger seinen Anspruch abredewidrig erneut vorzeitig klageweise verfolgt und ein anderes Gericht im Hinblick auf Regelungsgehalt und Wirksamkeit der Vereinbarung zu einem abweichenden Ergebnis gelangen könnte.

87  A. A. Wagner, Prozeßverträge, S.  424 ff., der diese Abreden rein prozessual als „dilatorische Disposition über die Klagebefugnis“ versteht, die daraus folgende Problematik der Verjährung dann aber über eine analoge Anwendung von §  202 BGB a. F. (entspricht §  205 BGB) lösen will (S.  432 f.). 88  Gernhuber, Erfüllung, §  16 I 2, S.  368 ff. (mit Beispielen zur praktischen Relevanz des unbefristeten Einforderungsverzichts, insbesondere bei einem Verzicht zugunsten Dritter); ebenso BeckOK-BGB/Dennhardt, §  397 Rn.  2; Palandt/Grüneberg, §  397 Rn.  4 f.; Larenz, Schuldrecht AT, §  19 I a, S.  270; Staudinger/Rieble, §  397 Rn.  28; Hk-BGB/Schulze, §  397 Rn.  7; Wagner, Prozeßverträge, S.  419, der von einem formlosen Erlass spricht, damit aber einen Verpflichtungsvertrag meint.

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All dies spricht deshalb dafür, ein pactum de non petendo rein materiell-rechtlich zu qualifizieren, durch das dem Schuldner eine Einrede gewährt wird, die im Falle der Erhebung zum (zeitweisen oder vollständigen) Ausschluss der Haftung führt.

III. Verhältnis von Schuld und Haftung 1. Haftung ohne Schuld a) Grundsatz Versteht man Haftung richtigerweise als Einstehenmüssen für eine Schuld (i. S. e. Rechtspflicht) mit dem eigenen Vermögen, ergibt sich daraus, dass es eine Haftung ohne Schuld schon definitionsgemäß nicht geben kann. 89 Das Be­stehen einer Schuld ist notwendige, aber nicht hinreichende Voraussetzung der Haftung. Vielmehr muss hinzutreten, dass die Schuld einredefrei ist und der Schuldner den durchsetzbaren Anspruch des Gläubigers im Zeitpunkt der Fälligkeit nicht freiwillig erfüllt. Besteht aufgrund von rechtshindernden oder rechts­ vernichtenden Einwendungen keine Schuld, ist der Schuldner schon nicht zur Leistung verpflichtet und haftet folglich auch nicht mit seinem Vermögen. b) Dingliche Verwertungsrechte Dennoch werden in der Literatur einige Konstellationen unter dem Stichwort „Haftung ohne Schuld“ diskutiert. Angeführt werden beispielsweise dingliche Verwertungsrechte,90 wie etwa ein Pfandrecht an einer beweglichen Sache oder eine Hypothek, die als Fälle der reinen Sachhaftung angesehen werden.91 Sofern der Schuldner eine solche Sicherheit selbst stellt, dient sie freilich nur dazu, die eigene bestehende Schuld abzusichern; letztlich erleichtert sie dem Gläubiger lediglich die Forderungsdurchsetzung, indem sie ihm eine spezielle Zugriffsmöglichkeit auf das haftende Schuldnervermögen verschafft.92 Gemeint sein können deshalb nur solche Fälle, in denen ein Dritter für eine fremde Schuld ein dingliches Verwertungsrecht an einem eigenen Vermögensgegenstand begründet. Da die Haftung kein Element der Schuld ist, ist es un89 Richtig Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 VI 1, S.  87 f., der betont, dass es Haftung ohne Schuld allenfalls auf der Basis eines anderen Haftungsbegriffs geben kann; ebenso Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, §  2 III 3 e), S.  13. 90  Bei persönlichen Sicherheiten, wie der Bürgschaft, stellt sich diese Frage schon deshalb nicht, weil der Bürge mit dem Bürgschaftsvertrag eine eigene Verbindlichkeit begründet, die allerdings erst dann eine Haftung des Bürgen nach sich zieht, wenn weder aus dem Bürgschaftsvertrag noch aus dem Hauptschuldverhältnis Einwendungen oder Einreden abgeleitet werden können (vgl. §§  767 Abs.  1 S.  2, 768, 770 BGB). 91  Siehe Staudinger/Olzen, Einl. v. §  241 Rn.  253. 92  Zur gegenständlich beschränkten Haftung siehe noch unten Kap.  2 A.V.3, S. 41 f.

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problematisch denkbar, dass jemand die Haftung für eine fremde Schuld übernimmt, also mit dem eigenen Vermögen für die Schuld eines anderen einsteht. Haftender und Schuldner müssen nicht ein und dieselbe Person sein, allerdings setzt die Haftung auch in diesem Fall im Grundsatz eine einredefreie Schuld voraus, die der Schuldner nicht erfüllt.93 Erst dann muss derjenige, der die Haftung für diese Verbindlichkeit übernommen hat, mit dem bereitgestellten Vermögensgegenstand einstehen und den zwangsweisen Zugriff des Gläubigers dulden. Insofern handelt es sich auch bei dinglichen Verwertungsrechten nicht um eine Haftung ohne Schuld, sondern vielmehr um eine Haftung für fremde Schuld. Unerheblich ist dabei, ob es sich bei dem dinglichen Verwertungsrecht um ein akzessorisches oder ein nicht akzessorisches Sicherungsmittel handelt: Bei ersterem ist die zwingende Abhängigkeit der Haftung von der (fremden) Schuld schon durch die Akzessorietätsvorschriften im Gesetz geregelt, und bei den nicht akzessorischen Sicherungsmitteln, wie etwa der Grundschuld, wird über den Sicherungsvertrag gewährleistet, dass der Gläubiger nicht unabhängig von seinem Anspruch gegen den persönlichen Schuldner auf den Sicherungsgegenstand des dinglich Haftenden zugreifen darf. c) Haftungserweiternde Verträge Eine Haftung ohne Schuld ließe sich allenfalls über eine entsprechende Vereinbarung erzielen, durch die die Zugriffsbefugnisse des Gläubigers auf das Vermögen des Schuldners vom einredefreien Bestand des Anspruchs und damit der Schuld gelöst werden. Die Zulässigkeit derartiger Verträge begegnet jedoch erheblichen Bedenken. Für vollstreckungserweiternde Verträge entspricht es allgemeiner Meinung, dass solche Abreden unzulässig sind, da die Bestimmungen des Zwangsvollstreckungsverfahrens, insbesondere die schuldnerschützenden Vorschriften, grundsätzlich94 zwingendes Recht sind,95 und in aller Regel nicht nur im Interesse des Schuldners, sondern zumindest auch im Interesse der Allgemeinheit bestehen.96 Nichts anderes kann für sonstige haftungserweiternde Verträge gelten. Eine Vereinbarung, die die Haftung von der Schuld löst, erweckt stets den Anschein einer Übervorteilung des Schuldners, die das Geschäft sittenwidrig macht (§  138 Abs.  1 BGB). Kein vernünftiger Schuldner 93 Ausnahmen sind etwa denkbar in den Konstellationen der „forderungsentkleideten Hypothek“, vgl. dazu Wolf/Wellenhofer, Sachenrecht, §  27 Rn.  50. 94  Ausnahmen sind etwa: §§  816 Abs.  1, Abs.  2 , 843, 873 S.  3 ZPO. 95  RG v. 28.2.1930 – VII 645/29, RGZ 128, 81 (85); BGH v. 2.2.2012 – I ZB 95/10, WM 2012, 1489 (1490); Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  10.1, 10.3; Prütting/ Gehrlein/Kroppenberg, vor §§  704 ff. ZPO Rn.  20; Musielak/Lackmann, Vor §  704 ZPO Rn.  17; Philipp, Rpfleger 2010, 456 (461 ff.); Zöller/Stöber, Vor §  704 ZPO Rn.  24, 26. Differenzierend, im Ergebnis aber ebenso, Gaul/Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, §  33 Rn.  21 ff. 96  Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.   203; Stein/Jonas/Münzberg, Vor §  704 ZPO Rn.  100; Staudinger/Olzen, Einl. v. §  241 Rn.  254.

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wird dem Gläubiger unabhängig vom einredefreien Bestand einer Schuld den zwangsweisen Zugriff auf das eigene Vermögen erlauben. Tut er es doch, so wird dies regelmäßig auf subjektiven Schwächen beruhen, die dem Gläubiger eine überlegene Verhandlungsposition verschaffen, deren Ausnutzung rechtlich zu missbilligen ist. Davon macht auch die Bürgschaft auf erstes Anfordern keine Ausnahme: Bei dieser muss der Bürge zwar ohne Rücksicht auf die materielle Berechtigung des Gläubigers allein auf eine formalisierte Zahlungsaufforderung des Gläubigers hin leisten, allerdings können alle bestehenden Einwendungen und Einrede, die dem Hauptschuldner gegen die Hauptforderung zustehen, in einem Rückforderungsprozess geltend gemacht werden.97 Die Haftung wird dadurch nicht von der Schuld gelöst, weil jene nicht endgültig ist. Es wird lediglich das Risiko des Nichtbestehens der Schuld verlagert, weil der Bürge im formellen Bürgschaftsfall ohne Nachweis oder auch nur schlüssige Darlegung des Bestehens der Schuld vorläufig zur Zahlung verpflichtet ist. In der Regel trifft das Risiko letztlich den Hauptschuldner, da der Bürge unmittelbar nach seiner Inanspruch­ nahme durch den Gläubiger vom Hauptschuldner, dessen Solvenz vorausgesetzt, Aufwendungsersatz verlangen kann; erst im Rückforderungsprozess zwischen Hauptschuldner und Gläubiger wird das Bestehen der Schuld geklärt. Über den bereicherungsrechtlichen Rückzahlungsanspruch gemäß §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB wird gewährleistet, dass auch bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern keine Haftung ohne Schuld entsteht, denn nur eine bestehende Schuld, die einmal durchsetzbar war, begründet – wie noch zu zeigen sein wird98 – einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen. 2. Schuld ohne Haftung a) Erhobene Einreden bzw. fehlende Durchsetzungsbefugnis Demgegenüber ist eine Schuld ohne Haftung durchaus möglich99 und immer dann gegeben, wenn der Schuld aufgrund erhobener Einreden die Durchsetzbarkeit fehlt; dem Gläubiger fehlt dann die Einforderungs- bzw. Durchsetzungsbefugnis. Es ist daher zumindest ungenau, wenn eine weit verbreitete Ansicht davon spricht, dass jede Schuld automatisch auch eine Haftung nach sich ziehe,100 bzw. die Haftung der Schuld gleichsam wie ein Schatten nachfolge.101 97 

Vgl. dazu Mayer, Sicherheitsleistung durch Bankbürgschaft im Zivilprozess, S.  24. Vgl. unter Kap.  2 A.IV., S. 37 ff. (39 f.). 99  A. A. Husserl, FS Pappenheim (1931), S.  87 (123 f.): Eine Schuld ohne Haftung im Sinne einer Rechtspflicht zur Leistung ohne Zugriffsmacht des Gläubigers sei als dem Wesen des Schuldverhältnisses widersprechend abzulehnen. 100  So aber die wohl überwiegende Ansicht in der Literatur, Staudinger/Olzen, Einl. v. §  241 Rn.  239 f.; Larenz, Schuldrecht AT, S.  23 („Wer schuldet, haftet auch.“). 101 So Larenz, Schuldrecht AT, S.   23 f.; ebenso MüKoBGB/Ernst, Einl. v. §  241 Rn.  33; 98 

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Diese Metapher stimmt nur für Schulden, die nicht mit einer Einrede abgewehrt werden können. Solange der Anspruch des Gläubigers dagegen nicht durchsetzbar ist, zieht die korrespondierende Schuld auch keine Haftung des Schuldners nach sich. Dass die Rechtsordnung dem Schuldner ein rechtliches Sollen vorgeben kann, ohne für den Fall einer Missachtung des Gebots zwingend eine Sanktion (in Form der Haftung) bereit zu halten, ist kein Widerspruch.102 Die Rechtsordnung kann durchaus einen Leistungsbefehl an den Schuldner richten, den sie – angesichts der Möglichkeit von etwaigen Gegenrechten des Schuldners gegen den Anspruch – nur dann im Falle der Missachtung mit Sanktionen versieht, wenn der Schuldner sich nicht auf Gegenrechte beruft bzw. berufen kann. Steht dem Schuldner beispielsweise die dauernde Einrede der Verjährung gegen den Anspruch zu, so schuldet er zwar weiterhin, haftet aber nicht mehr, vorausgesetzt er erhebt die Verjährungseinrede. Alle Fälle, in denen dem Gläubiger die Durchsetzungsbefugnis für seinen Anspruch dauernd oder vorübergehend fehlt, sind mithin Paradebeispiele für eine Schuld ohne Haftung, wobei die Haftung je nach erhobener Einrede dauerhaft oder nur zeitweilig ausgeschlossen sein kann. b) „Unvollkommene Verbindlichkeiten“ (1) Einführung Neben den klassischen Verpflichtungen, die bei Nichterfüllung durch Klage und Zwangsvollstreckung bzw. Aufrechnung durchgesetzt werden können, kennt die Rechtsordnung auch sog. „unvollkommene Verbindlichkeiten“, die zwar freiwillig erfüllt, aber nicht gegen den Willen des Schuldners erzwungen werden können. Deswegen werden sie regelmäßig im Zusammenhang mit der Kategorie „Schuld ohne Haftung“ diskutiert.103 Konkret werden zu den „unvollkommenen Verbindlichkeiten“ verjährte Ansprüche, Ansprüche, die infolge einer Restschuldbefreiung undurchsetzbar geworden sind, Ansprüche aus Ehevermittlungsverträgen, Ansprüche aus Spiel und Wette sowie Ansprüche infolge eines Verlöbnisses gezählt.104 Begrifflich werden diese Ansprüche auch ­Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn.  19. Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 I 5 b, S.  68 f., ist zwar – wie hier – der Ansicht, dass die Haftung nicht Begriffselement der Schuld ist, trotzdem hat er keine Bedenken, die Haftung als ‚Schatten der Schuld‘ zu bezeichnen, da auch der Schatten nicht zum Begriff des Gegenstandes gehöre, der ihn wirft. 102 Richtig Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 I 5 a, S.  67 f. 103  Vgl. MüKoBGB/Ernst, Einl. v. §  241 Rn.  35; Fuchs, FS Medicus (1999), S.  123 (135 ff.); Staudinger/Olzen, Einl. v. §  241 Rn.  248; Schulze, Naturalobligation, S.  155 ff., 161, 190 f.; BeckOK-BGB/Sutschet, §  241 Rn.  24. A. A. Erman/Armbrüster, Einl. v. §§  145 ff. Rn.  19, der unter „unvollkommenen Verbindlichkeiten“ solche Verbindlichkeiten versteht, denen durch Vereinbarung die Klagbarkeit entzogen wurde (pactum de non petendo); dazu – mit anderem Verständnis – schon oben Kap.  2 A.II.3.b), S. 22 ff. 104 Palandt/Grüneberg, Einl. v. §  241 Rn.  12; BeckOK-BGB/Sutschet, §  241 Rn.  24; Erman/ Westermann, Einl. v. §§  241 ff. Rn.  21 ff.; Schmidt, Obliegenheiten, S.  41 ff. Daneben ist aner-

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„Naturalobligationen“ genannt.105 Daneben gibt es allerdings eine Vielfalt an unterschiedlichen Umschreibungen,106 die eine dogmatische Erfassung der „unvollkommenen Verbindlichkeiten“ erheblich erschweren. Die uneinheitliche Terminologie rührt freilich nicht zuletzt daher, dass auch über die Bedeutung der „unvollkommenen Verbindlichkeiten“ Uneinigkeit besteht, und jeder Definitionsversuch von allgemeiner Anerkennung weit entfernt ist. Es soll hier nicht unternommen werden, den Meinungsstand umfassend wiederzugeben.107 Vielmehr soll aufbauend auf den bisher gefundenen Erkenntnissen eine stimmige Einordnung der „unvollkommenen Verbindlichkeiten“ versucht und deren Verhältnis zur Haftung geklärt werden. Als gemeinsames Merkmal der „unvollkommenen Verbindlichkeiten“ wird stets herausgestellt, dass sie einen Behaltensgrund darstellen, so dass freiwillig Geleistetes nicht über das Bereicherungsrecht gemäß §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB zurückgefordert werden kann. Diese Rechtsfolge ist in der Tat allen genannten Fällen gemeinsam. Dennoch überzeugt es nicht, sie alle unter dem Oberbegriff „unvollkommene Verbindlichkeiten“ zusammenzufassen, denn sie unterscheiden sich tatbestandlich in wesentlichen Punkten: als „unvollkommen“ lassen sich lediglich die einredebehafteten Schulden umschreiben (dazu (2)), während in den eigentlichen Hauptfällen der „unvollkommenen Verbindlichkeiten“ schon überhaupt keine Schuld, nicht nur eine „unvollkommene“, begründet wird (dazu (3)). (2) Verjährte und infolge Restschuldbefreiung undurchsetzbar gewordene Ansprüche Im Hinblick auf verjährte und infolge Restschuldbefreiung undurchsetzbar gewordene Ansprüche ist die Bezeichnung der korrespondierenden Schulden als „unvollkommene Verbindlichkeiten“ in der Sache zutreffend. Die Durchsetzbarkeit eines Anspruchs ist eine Eigenschaft desselben, auch wenn die daran anschließende Befugnis zur Zwangsanwendung außerhalb des Anspruchs steht. Es ist daher durchaus gerechtfertigt, einen nicht durchsetzbaren Anspruch als „unvollkommen“ oder „unvollständig“108 zu bezeichnen, so dass auf Schuldnerseite auch eine einredebehaftete Schuld als „unvollkommen“ angesehen werkannt, dass auch durch Vertrag unvollkommene Verbindlichkeiten begründet werden können, sofern nicht §  138 BGB der Wirksamkeit entgegensteht, vgl. OLG Celle v. 5.4.1968 – 13 U 318/67, OLGZ 69, 1; Palandt/Ellenberger, §  138 Rn.  94; BeckOK-BGB/Sutschet, §  241 Rn.  24. 105  BGH v. 25.5.1983 – IVa ZR 182/81, NJW 1983, 2817; Staudinger/Olzen, Einl. v. §  241 Rn.  248; Schulze, Naturalobligation. 106  Vgl. nur die Aufzählung bei Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.  433 (im Kontext des Spielvertrags); Schulze, Naturalobligation, S.  176 ff. [Meinungsüberblick], 188 ff., 262 ff. 107  Hierzu sei verwiesen auf die Ausführungen von Schulze, Naturalobligation, S.  188 ff., 262 ff. 108 So Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn.  24 ff.

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den kann.109 Einreden ändern zwar nichts am Bestand, aber an der Qualität bzw. an den Eigenschaften der Schuld, die ausschlaggebend für die daran anknüpfende Frage der Haftung sind. Fehlt die Durchsetzbarkeit, fehlt der Schuld eine für die Haftung wesentliche Eigenschaft, die sowohl die Schuld als auch den Anspruch „unvollkommen“ macht. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass andere Eigenschaften der Schuld und des Anspruchs erhalten bleiben und auch verjährte oder durch Restschuldbefreiung gehemmte Ansprüche weiterhin als Grundlage für etwaige, bereits bestellte Sicherheiten dienen können (vgl. §  216 BGB), durch (akzessorische) Sicherungsmittel gesichert und ihrerseits ver- und gepfändet oder abgetreten werden können; denn Voraussetzung dafür ist lediglich der Bestand des Anspruchs, nicht aber seine „vollkommenen“ Eigenschaften. Dies gilt allerdings nicht nur für die dauernden Einreden der Verjährung und der Restschuldbefreiung, die im Zusammenhang mit „unvollkommenen Verbindlichkeiten“ Erwähnung finden, sondern für alle klassischen Fälle einer „Schuld ohne Haftung“, in denen sich der Schuldner mit der Geltendmachung einer Einrede, sei sie peremptorisch oder dilatorisch, gegen seine Inanspruchnahme verteidigt hat.110 Es lässt sich dogmatisch nicht schlüssig erklären, warum nur die Verjährungs- und Restschuldbefreiungseinrede zur Unvollkommenheit des Anspruchs führen sollen, andere dauernde (z. B. aus §  821 BGB oder §  853 BGB) oder vorübergehende Einreden hingegen nicht, obwohl sie alle die für eine Haftung wesentliche Eigenschaft der Durchsetzbarkeit gänzlich oder zeitweise ausschließen. Vorzugswürdig ist es daher, sämtliche einredebehafteten Schulden der Kategorie der „unvollkommenen Verbindlichkeiten“ und damit der „Schuld ohne Haftung“ zuzuordnen. (3) Unverbindliche Zusagen Bei allen anderen, den „unvollkommenen Verbindlichkeiten“ zugerechneten Fällen liegt dagegen nach hier vertretener Ansicht überhaupt keine Schuld vor, sondern schlicht eine unverbindliche Zusage. Der Gesetzgeber verwendet den Begriff der unvollkommenen Verbindlichkeiten lediglich im Zusammenhang mit Spiel und Wette.111 Gemäß §  762 Abs.  1 S.  1 BGB wird „durch Spiel oder durch Wette (…) eine Verbindlichkeit nicht begründet“. Die gleiche Formulie109  A. A. Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 V 2, S.  85, demzufolge es nur vollkommene Verbindlichkeiten mit möglicherweise unvollkommener oder gar ohne Haftung geben kann: „Wenn volle Haftung nicht zum Begriff der Schuld gehört, kann ein Haftungsdefizit auch keine Unvollkommenheit der Schuld begründen.“ Dem lässt sich entgegen halten, dass durchaus zwischen dem Begriff (bzw. dem Bestand) der Schuld und deren Eigenschaften unterschieden werden kann, und die Haftung eben nicht nur an den Bestand der Schuld, sondern an gewisse Eigenschaften derselben anknüpft. 110  Siehe oben Kap.  2 A.III.2.a), S. 29 f. 111  Siehe die amtliche Überschrift vor §  762 BGB. Die amtliche Überschrift wurde im Rahmen der Schuldrechtsreform 2001 ohne nähere Begründung ins Gesetz aufgenommen, vgl.

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rung findet sich in §  656 Abs.  1 BGB, demzufolge durch das Lohnversprechen gegenüber einem Ehemakler „eine Verbindlichkeit nicht begründet wird“. Ob dadurch schon gar keine Schuld entsteht oder nur die Haftung für die durch die Spiel- oder Wettabrede bzw. den Ehemaklervertrag begründete Verbindlichkeit ausgeschlossen wird, ist umstritten,112 mangels praktischer Konsequenzen wird die Frage jedoch meist offengelassen. Dies verwundert umso mehr, als über die sonstigen Rechtsfolgen weitgehend Einigkeit besteht, und daraus letztlich nur der Schluss gezogen werden kann, dass schon keine Schuld im Rechtssinne begründet wird: 113 So entspricht es einhelliger Meinung, dass eine i. S. v. §  762 Abs.  1 S.  1 BGB „unverbindliche“ Spiel- oder Wettabrede weder den Schuldner verpflichtet, die „Spiel-“ oder „Wettschuld“ zu erfüllen, noch den Gläubiger berechtigt, die Leistung zu verlangen.114 Da der Spiel- oder Wetteinwand im Streitfall vom Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen ist, auch wenn sich der Beklagte nicht darauf beruft,115 handelt es sich um eine rechtshindernde Einwendung. Folglich darf auch kein Versäumnisurteil zulasten des Beklagten ergehen, und selbst ein gerichtliches Anerkenntnis einer „Spiel-“ oder „Wettschuld“ bildet keine ausreichende Grundlage für ein Anerkenntnisurteil.116 Mangels Primärleistungspflicht besteht außerdem kein Anspruch des Gläubigers, der wirksam gesichert werden könnte. Die Übernahme einer Bürgschaft117 für eine „Spiel-“ oder Begr. zum Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts, BT-Drucks. 14/6040. 112  Zur dogmatischen Einordnung der Regelungen in §§  762 ff. BGB umfassend Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.  432 ff. 113  So auch Brox/Walker, SchuldR AT, §  2 Rn.  25, 26; Flume, Allgemeiner Teil, §  7.8, S.  95; MüKoBGB/Habersack, §  762 Rn.  3; Soergel/Häuser/Welter, Vor §  762 Rn.  2, §  762 Rn.  4 f.; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.  432 ff.; BeckOK-BGB/Janoschek, §  762 Rn.  6 ; ­L arenz, Schuldrecht AT, §  2 III, S.  20 f.; Erman/Müller, §  762 Rn.  1; Reichel, JherJhrb 59 (1911), 409 (425); Palandt/Sprau, §  762 Rn.  1, 5, 5a; Jauernig/Stadler, §  762 Rn.  6 ; Wolf, FS Herrfahrdt (1961), S.  197 (207); KG v. 8.1.1988 – 17 U 6019/86, BeckRS 1988, 06916 Rn.  58. A. A. für „unvollkommene Verbindlichkeit“ Staudinger/Engel, Vorbem. zu §§  762 Rn.  3 f. (sehr missverständlich allerdings bei §  762 Rn.  8, 14: „hindert bereits das Entstehen einer klagbaren Verbindlichkeit“); RGRK/Seibert, §  762 Rn.  1, 6; KG v. 12.6.1980 – 20 U 599/80, NJW 1980, 2314 (2315). 114 Staudinger/Engel, §   762 Rn.  8; MüKoBGB/Habersack, §  762 Rn.  18; BeckOK-BGB/­ Janoschek, §  762 Rn.  6 ; Palandt/Sprau, §  762 Rn.  5 ; Jauernig/Stadler, §  762 Rn.  7. 115  BGH v. 16.3.1981 – II ZR 110/80, NJW 1981, 1897; RG v. 27.5.1930 – VII 521/29, RGZ 129, 134 (141  f.); Staudinger/Engel, §   762 Rn.   14; MüKoBGB/Habersack, §  762 Rn.  18; BeckOK-BGB/Janoschek, §  762 Rn.  6; Palandt/Sprau, §  762 Rn.  5a; Jauernig/Stadler, §  762 Rn.  7. 116 Soergel/Häuser/Welter, §   762 Rn.  31; BeckOK-BGB/Janoschek, §  762 Rn.  7, der auch eine Gerichtsstandsvereinbarung oder Schiedsklausel in einem Spielvertrag für unwirksam hält; ebenso Staudinger/Engel, §  762 Rn.  13–14. Vgl. auch Stein/Jonas/Leipold, §  307 Rn.  34. 117  RG v. 25.10.1902 – I 143/02, RGZ 52, 362 (364); RG v. 18.6.1902 – I 74/02, RGZ 52, 39 (40); OLG Düsseldorf v. 16.2.1983 – 17 U 53/82, WM 1983, 1366 (1368); KG v. 8.1.1988 – 17 U 6019/86, BeckRS 1988, 06916 Rn.  58; KG v. 19.3.1956 – 4 U 2415/55, NJW 1956, 1481 (1482); Staudinger/Engel, §  762 Rn.  11; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.  466; BeckOK-

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„Wettschuld“ ist ebenso unwirksam (vgl. §  767 Abs.  1 S.  1 BGB) wie die Bestellung eines Pfandrechts (vgl. §  1210 Abs.  1 S.  1 BGB).118 Gleiches gilt für eine Schuld(mit)übernahme durch einen Dritten (vgl. §  417 Abs.  1 S.  1 BGB).119 Ein Bürge, der eine „Spiel-“ oder „Wettschuld“ freiwillig begleicht, bringt – insofern entgegen manchen Stimmen120 – die Hauptschuld nicht zum Erlöschen, da eine solche überhaupt nicht besteht; dementsprechend scheidet auch ein Rückgriffsanspruch nach §  774 Abs.  1 S.  1 BGB aus, da dem Gläubiger kein Anspruch zusteht, der auf den zahlenden Bürgen übergehen könnte.121 Gleichermaßen kann nach h. M. eine zur Sicherung einer „Spiel-“ oder „Wettschuld“ bestellte Hypothek aufgrund deren Akzessorietät keinen Bestand haben; sie steht nach §  1163 Abs.  1 S.  1 BGB dem Eigentümer zu und verwandelt sich dadurch in eine Grundschuld, §  1177 Abs.  1 BGB.122 Bei nicht akzessorischen Sicherungsrechten, wie etwa einer Sicherungsgrundschuld, besteht mangels einer zu sichernden Forderung ein Rückgewähranspruch aus dem Sicherungsvertrag.123 Gleiches gilt im Falle der Sicherungsübereignung und -abtretung.124 Darüber hinaus kann mit einer rechtlich unverbindlichen „Spiel-“ oder „Wettschuld“ nicht gegen eine andere Forderung aufgerechnet werden,125 und genauso wenig kann sie als Basis für ein Zurückbehaltungsrecht dienen.126 Dass bei einer Spiel- oder Wettabrede von Anfang an weder eine Verbindlichkeit noch eine Forderung entsteht, belegt ferner der Umstand, dass man „Forderungen“ aus Spiel und Wette weder wirksam abtreten, noch als Sicherungsmittel verpfänden kann.127 BGB/­Janoschek, §  762 Rn.  7; Palandt/Sprau, §  762 Rn.  5a, §  765 Rn.  28; Jauernig/Stadler, §  762 Rn.  8. 118  RG v. 25.10.1902 – I 143/02, RGZ 52, 362 (364); RG v. 25.4.1900 – I 49/00, RGZ 47, 48 (52) m. w. N.; Staudinger/Engel, §  762 Rn.  11; MüKoBGB/Habersack, §  762 Rn.  18; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.  466; BeckOK-BGB/Janoschek, §  762 Rn.  7; Palandt/Sprau, §  762 Rn.  5a; Jauernig/Stadler, §  762 Rn.  8. 119 MüKoBGB/Habersack, §  762 Rn.  18; BeckOK-BGB/Janoschek, §  762 Rn.  7. 120  Vgl. Staudinger/Engel, §  762 Rn.  11; BeckOK-BGB/Janoschek, §  762 Rn.  7. 121  RG v. 10.10.1896 – I 168/96, RGZ 38, 251 (252); KG v. 8.1.1988 – 17 U 6019/86, BeckRS 1988, 06916 Rn.  58; Staudinger/Engel, §  762 Rn.  11; BeckOK-BGB/Janoschek, §  762 Rn.  7. Möglicherweise steht dem Bürgen jedoch aus dem Innenverhältnis ein Anspruch gegen den Schuldner zu, RG v. 25.10.1902 – I 143/02, RGZ 52, 362 (364). 122 Staudinger/Engel, §  762 Rn.  11; MüKoBGB/Habersack, §  762 Rn.  18; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.  466; BeckOK-BGB/Janoschek, §  762 Rn.  7; Palandt/Sprau, §  762 Rn.  5a; Jauernig/Stadler, §  762 Rn.  8. 123 Staudinger/Engel, §  762 Rn.  11; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.   466; BeckOK-BGB/Janoschek, §  762 Rn.  7, jeweils auf §  812 Abs.  1 S.  1 BGB abstellend. 124 Staudinger/Engel, §  762 Rn.  11; MüKoBGB/Habersack, §  762 Rn.  18; Jauernig/Stadler, §  762 Rn.  8. 125 BGH v. 16.3.1981 – II ZR 110/80, NJW 1981, 1897; Staudinger/Engel, §  762 Rn.  9 ; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.  466; Palandt/Sprau, §  762 Rn.  5a. 126 Staudinger/Engel, §  762 Rn.  10; MüKoBGB/Habersack, §  762 Rn.  18; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.  466; BeckOK-BGB/Janoschek, §  762 Rn.  7; Jauernig/Stadler, §  762 Rn.  7. 127 Palandt/Bassenge, §  1204 Rn.  10.

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Auch Sekundäransprüche gerichtet auf Schadensersatz statt der Leistung sind mangels Bestehens einer Primärleistungspflicht konsequenterweise im Fall der Nichterfüllung einer „Spiel-“ oder „Wettschuld“ ausgeschlossen.128 Schließlich ist das Versprechen einer Vertragsstrafe für diesen Fall unwirksam.129 Un­ berührt bleiben allerdings Schadensersatzansprüche wegen Verletzung von Schutz- und Rücksichtnahmepflichten.130 Letzteres ist freilich unabhängig davon möglich, ob Primärleistungspflichten bestehen oder – wie in den hier interessierenden Fällen – nicht bestehen (vgl. §  241 Abs.  2 BGB). Wie angesichts all dieser unstreitigen Rechtsfolgen einer „Spiel- oder Wettschuld“ noch ernsthaft davon gesprochen werden kann, dass eine Verbindlichkeit zwar begründet würde, diese aber „unvollkommen“ sei, weil sie nicht durchgesetzt werden könne, ist nicht nachvollziehbar und abzulehnen. Bei Spiel- und Wettabreden sowie Ehemaklerverträgen werden letztlich nur unverbindliche Zusagen gemacht, die weder eine Verbindlichkeit noch eine Forderung begründen. Hätte der Gesetzgeber keinerlei Regelungen im Gesetz vorgesehen, so wäre eine dennoch erfolgte Leistung nach §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB rückforderbar, es sei denn der Leistende wusste, dass er zur Leistung nicht verpflichtet war (§  814 Alt.  1 BGB). §  814 Alt.  1 BGB ist Ausdruck des Verbots widersprüchlichen Verhaltens.131 Wer die Rechtsgrundlosigkeit seiner Leistung kennt, verhält sich widersprüchlich, wenn er später das Geleistete zurückverlangt. Derselbe Grundgedanke und Normzweck liegt auch den §  762 Abs.  1 S.  2 und §  656 Abs.  1 S.  2 BGB zugrunde. Dennoch sind diese Regelungen bei richtigem Verständnis neben §  814 BGB nicht überflüssig: 132 §  814 BGB schließt den Rückforderungsanspruch nach §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB nämlich dann nicht aus, wenn sich der Leistende schuldhaft oder entschuldbar in einem Irrtum über seine Leistungspflicht befand. Durch die Regelung in §  762 Abs.  1 S.  2 BGB und §  656 Abs.  1 S.  2 BGB wollte der Gesetzgeber darüber hinausgehend erreichen, dass der Leistende in keinem Fall und ausnahmslos seine freiwillig erbrachte Leistung nicht zurückfordern können soll. „§  762 Abs.  1 S.  2 BGB verwirklicht 128  RG v. 5.4.1902 – I 422/01, RGZ 51, 156 (159); RG v. 6.11.1897 – I 229/97, RGZ 40, 256 (259); BGH v. 8.7.1957 – II ZR 57/56, NJW 1957, 1356 (1357); Staudinger/Engel, §  762 Rn.  8 ; MüKoBGB/Habersack, §  762 Rn.  18; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.   466; BeckOK-BGB/Janoschek, §  762 Rn.  6 ; Jauernig/Stadler, §  762 Rn.  7. 129 Staudinger/Engel, §  762 Rn.  10; MüKoBGB/Habersack, §  762 Rn.  18; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.  467; BeckOK-BGB/Janoschek, §  762 Rn.  7; Palandt/Sprau, §  762 Rn.  5 ; Jauernig/Stadler, §  762 Rn.  8. 130  BGH v. 6.4.1981 – II ZR 84/80, NJW 1981, 1440 (1441); BGH v. 16.2.1981 – II ZR 179/80, NJW 1981, 1266 (1267); Staudinger/Engel, §  762 Rn.  8 ; MüKoBGB/Habersack, §  762 Rn.  19 f. (einschränkend für Aufklärungspflichten); Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.  469; BeckOK-BGB/Janoschek, §  762 Rn.  6 . 131  Statt vieler: BGH v. 11.12.2008 – IX ZR 195/07, NJW 2009, 363 (365); Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, §  68 III 1 a), S.  160. 132  Ausführlich zu §  762 Abs.  1 S.  2 BGB Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.  435 ff. (437 f.).

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den Gedanken des ‚volenti non fit injuria‘ in einer über §  814 BGB hinausgehenden, besonders strikten Form.“133 Ebenso wie Spiel und Wette ist auch das Verlöbnis lediglich eine unverbindliche Zusage, die keine mit einem Anspruch korrespondierende Schuld begründet. Nach §  1297 BGB a. F. kann aus einem Verlöbnis nicht auf Eingehung der Ehe „geklagt“ werden. Der Gesetzgeber hat offengelassen, ob die Gesetzesfassung auch eine Verpflichtung zur Eheschließung anerkennt oder nicht.134 Auch wenn nach dem Wortlaut des Gesetzes nur bzw. erst die „Klagbarkeit“ (bzw. Durchsetzbarkeit) des Eheversprechens ausgeschlossen ist, so erlaubt es die verwendete Terminologie durchaus, bereits eine Stufe früher anzusetzen und schon das Entstehen einer Verbindlichkeit zu verneinen.135 Der Gesetzgeber hat auch an anderen Stellen des Gesetzes Redundanzen geregelt, weil er sich über die dogmatische Konzeption (noch) nicht im Klaren war. So normiert das Gesetz an manchen Stellen Rechtsfolgen, die sich schon daraus ergeben, dass eine vorgelagerte Voraussetzung nicht erfüllt ist: die Übertragbarkeit eines Gesellschafts­ anteils bzw. eines Miterbenanteils scheitert beispielsweise nicht erst daran, dass das Gesetz dies in §  719 Abs.  1 BGB bzw. §  2033 Abs.  2 BGB angeordnet, sondern schon daran, dass es einen derartigen Anteil überhaupt nicht gibt; gleiches gilt für §  194 Abs.  2 BGB im Hinblick auf §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB, der nach hier vertretener Ansicht – wie noch ausführlich zu zeigen sein wird – keinen Anspruch begründet und damit logischerweise auch nicht verjähren kann. Da jeder potentielle Ehegatte bis zur Eheschließung in seiner Entscheidung frei bleiben soll, ob er tatsächlich diesen „Bund fürs Leben“ schließen will, folgt aus dem Verlöbnis keine Rechtspflicht zur Eingehung der Ehe.136 Ebenso wie bei der „Spiel-“ und „Wettschuld“ handelt es sich beim Verlöbnis daher nicht um einen Fall der Schuld ohne Haftung, sondern um einen Fall gänzlich fehlender Schuld. (4) Ergebnis Wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben, fehlt es bei den klassischen Fällen „unvollkommener Verbindlichkeiten“ schon am Bestehen einer Schuld. Sowohl die „Spiel-“ und „Wettschulden“ als auch die „Verbindlichkeiten“ aus Ehevermittlungsverträgen sowie das Verlöbnis stellen lediglich unverbindliche 133 

Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.  435 ff. (438). Entstehungsgeschichte siehe Reichel, JherJhrb 59 (1911), 409 (425 f.): „Die Gesetzesworte ergeben also nichts – ja man darf sagen, sie wollen nichts ergeben“; Schulze, Natural­ obligation, S.  174 f.; Stech, ZZP (77) 1964, 161 (178 f.). 135  Wie hier Canaris, AcP 165 (1965), 1 (10 ff.); Reichel, JherJhrb 59 (1911), 409 (425 f.); Stech, ZZP (77) 1964, 161 (182). A. A. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  3 Rn.  38 (klagloser Anspruch); Schulze, Naturalobligation, S.  252, 525 ff., 665 f., der das Verlöbnis zwar als Naturalobligation deutet, aber mit der Vertragstheorie [dazu unten Kap.  4 A.I.2.a), S. 361] davon ausgeht, dass gegenseitige Forderungen auf Eingehung der Ehe begründet werden, die nicht durchsetzbar sind. 136  Dazu noch ausführlich unten Kap.  4 A.I.2.b), II, S. 362 ff., 366 ff. 134  Zur

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Zusagen dar, die keine primären Rechtspflichten begründen und damit zwangsläufig auch keine Haftung nach sich ziehen können. Als „unvollkommen“ lassen sich allenfalls die einredebehafteten Schulden beschreiben, da ihnen die für eine Haftung wesentliche Eigenschaft der Durchsetzbarkeit fehlt. Nur sie können der Kategorie der Schuld ohne Haftung zugerechnet werden. c) Beschränkte Haftung Daneben gibt es außerdem Fälle der beschränkten Haftung, in denen der Umfang der Haftung hinter dem Umfang der Schuld zurückbleibt. Auch hier kann insoweit von einer Schuld ohne Haftung gesprochen werden, da diese die Schuld jedenfalls nicht vollumfänglich absichert. Darauf wird bei der Darstellung des Gegenstands der Haftung zurückzukommen sein.137 3. Fazit Im Ergebnis kann festgehalten werden, dass eine Haftung zwar stets eine Schuld voraussetzt, nicht jede Schuld jedoch im Falle ihrer Nichterfüllung bzw. Verletzung eine Haftung nach sich zieht. Nur wenn die Schuld als Rechtspflicht nicht einredebehaftet und damit durchsetzbar ist, haftet der Schuldner mit seinem Vermögen. Hinzukommt, dass eine Haftung im Regelfall nur dann möglich ist, wenn die Schuld inhaltlich auf einen Geldwert gerichtet ist, da nur in diesem Fall durch einen wertmäßigen Ersatz aus dem Vermögen des Schuldners ausgleichende Gerechtigkeit für die Rechtsverletzung geschaffen werden kann.138 Daran wird deutlich, dass die beeinträchtigte Rechtsposition einen in Geld messbaren Vermögenswert haben muss.

IV. Verhältnis von Haftung und Rechtsgrund zum Behaltendürfen (Nachwirkung der Haftung) Grundsätzlich umfasst der Anspruch des Gläubigers auch die Befugnis, das vom Schuldner zur Erfüllung der Verbindlichkeit Geleistete zu behalten. Besteht kein Anspruch bzw. keine Schuld, besteht auch kein Rechtsgrund zum Behaltendürfen,139 der eine Leistungskondiktion nach §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB ausschließt. Das legt den Schluss nahe, dass der Anspruch (bzw. die Schuld) den „rechtlichen Grund“ im Sinne von §  812 Abs.  1 S.  1 BGB bildet.140 An der Richtigkeit dieser Annahme ergeben sich allerdings Zweifel, wenn man 137 

Siehe unten Kap.  2 A.V.3., S. 41 f. Unberath, Vertragsverletzung, S.  288, 338. 139 Wie hier: Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, §   19 Rn.  2. A. A. Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, S.  11, die das Schuldverhältnis im weiteren Sinne als Rechtsgrund ansieht. 140 So Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn.  23; Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, Rn.  1133 ff. 138 

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Kapitel 2:  Grundlagen der Haftung im Familienrecht

§  813 S.  1 BGB liest: Danach kann das zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit Geleistete auch dann zurückgefordert werden, wenn dem Anspruch eine Einrede entgegenstand, durch welche die Geltendmachung des Anspruchs dauernd ausgeschlossen wurde. Da auch dauernde Einreden den Bestand des Anspruchs (bzw. der Schuld) unberührt lassen, folgt aus der Re­ gelung in §  813 BGB, dass allein das Bestehen eines Anspruchs offenbar noch keinen Rechtsgrund zum Behaltendürfen bildet, es vielmehr auch auf dessen Eigenschaften – insbesondere die auch für die Haftung wesentliche Durchsetzbarkeit – ankommt. Dass der Rechtsgrund zum Behaltendürfen andererseits jedoch nicht davon abhängt, dass der Anspruch im Zeitpunkt der Leistung (noch) durchsetzbar ist, ergibt sich nicht nur daraus, dass §  813 S.  1 BGB nur im Falle von peremptorischen Einreden gilt, sondern auch aus der Regelung in §  813 S.  2 BGB i. V. m. §  214 Abs.  2 BGB, die eine Rückforderung des Geleisteten wiederum ausschließt, wenn dem Schuldner im Zeitpunkt der Leistung die Einrede der Verjährung zustand. Obwohl es sich auch bei der Verjährung um eine dauernde Einrede handelt, begründet die verjährte Forderung also weiterhin einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen, wenn der Schuldner freiwillig zahlt, obwohl er im Falle der Nichtleistung für diese Schuld nicht mehr haftet. Diese Ausnahme zu §  813 S.  1 BGB wird dadurch zu rechtfertigen versucht, dass die Verjährung Rechtsfrieden schaffen wolle und es diesem Zweck widerspreche, wenn nach einer Leistung erneut um die Rückforderung gestritten werden könnte,141 und dass der Gläubiger durch die freiwillige Leistung des Schuldners nur das erhalten hat, worauf er einst einen Anspruch hatte.142 Das ist zwar richtig, allerdings berücksichtigt erstere Meinung nicht, dass der Rückforderungsanspruch inhaltlich vom verjährten Anspruch unabhängig ist (insofern also Rechtsfrieden eintreten kann) und einer eigenen Verjährungsfrist unterliegt; und das zweite Argument erklärt noch nicht den Unterschied zu den sonstigen dauernden Einreden, die den Anspruch als solchen ebenfalls unberührt lassen. Der entscheidende Unterschied liegt nach hier vertretener Ansicht in der – schon diskutierten – Rückwirkung der Einredeerhebung: 143 Während bei allen dauernden Einreden im Sinne von §  813 S.  1 BGB der Entstehungszeitpunkt der Einredelage mit dem Entstehungszeitpunkt des Anspruchs identisch ist, und dem Gläubiger deshalb infolge der rückwirkenden Erhebung der Einrede nie ein durchsetzbarer Anspruch zustand, besaß er im Falle des §  813 S.  2 BGB bis zum Eintritt der Verjährung zunächst einen durchsetzbaren Anspruch, für den der Schuldner mit seinem Vermögen haftete. Wenn der Schuldner in einem solchen Fall freiwillig – wenn auch in Unkenntnis der nachträglich entstandenen Einrede und des Wegfalls seiner Haftung – leistet, so bleibt der Gläubiger be141 

Medicus/Lorenz, Schuldrecht II, Rn.  1135. §  214 Rn.  9 ; Staudinger/Peters/Jacoby, §  214 Rn.  37. 143  Siehe oben Kap.  2 A.II.3.a)(3), S. 18 ff. 142 MüKoBGB/Grothe,

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rechtigt, die Leistung zu behalten, da er seinen darauf gerichteten Anspruch zu einem früheren Zeitpunkt uneingeschränkt hätte durchsetzen können. Es widerspricht daher nicht unserer Rechtsordnung, wenn der Gläubiger die frei­ willig erbrachte Leistung behält. Mit anderen Worten führt der Umstand, dass der Schuldner irgendwann einmal für eine Schuld haftete, dazu, dass der Gläubiger eine Leistung auch dann behalten darf, wenn sie in einem Zeitpunkt erbracht wurde, in dem der Schuldner nicht mehr mit seinem Vermögen für die Schuld einstehen musste. Der Gläubiger darf seinen Anspruch zwar nicht mehr mit Rechtszwang durchsetzen, leistet der Schuldner indes freiwillig, erhält der Gläubiger nur das, was er irgendwann einmal rechtmäßig mit Rechtszwang ­hätte eintreiben dürfen. Im Ergebnis akzeptiert unsere Rechtsordnung daher eine Vermögensverschiebung, die der Gläubiger irgendwann einmal rechtmäßig ­hätte herbeiführen können. Dementsprechend schließt auch §  301 Abs.  3 InsO das Rückforderungsrecht des Schuldners aus, wenn er freiwillig leistet, obwohl er infolge der Restschuldbefreiung berechtigt gewesen wäre, die Leistung dauerhaft zu verweigern. Durch die Restschuldbefreiung wird der Schuldner von seinen im Insolvenzverfahren nicht befriedigten Schulden befreit, §  286 InsO. Die Ansprüche bleiben aber bestehen und können vom Schuldner weiterhin erfüllt werden, nur die Gläubiger sind endgültig nicht mehr berechtigt, ihre Ansprüche durchzusetzen.144 Da die Ansprüche jedoch irgendwann einmal durchsetzbar waren, gewähren sie jedem Gläubiger noch immer einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen, wenn der Schuldner freiwillig leistet.145 Letztlich bestätigt die Regelung in §  813 BGB damit die These, dass das Bestehen einer (peremptorischen) Einrede nichts am (Fort-)Bestand eines Anspruchs bzw. einer Schuld, sondern nur dessen bzw. deren Eigenschaften ändert: Würde eine peremptorische Einrede dazu führen, dass überhaupt kein Anspruch entsteht oder dieser wieder entfällt, wäre die Regelung in §  813 BGB überflüssig, denn eine Rückforderung wäre dann schon über die conditio indebiti möglich. Gleichzeitig folgt aus §  813 BGB, dass der Gesetzgeber für einen Behaltensgrund nicht jeden bestehenden Anspruch genügen lässt. Die Norm konkretisiert, welche Ansprüche (mit welchen Eigenschaften) der Gesetzgeber im Bereicherungsrecht als Rechtsgrund anerkennt.146 Das sind nur all jene Ansprüche, die irgend144  Hess, InsO, §  301 Rn.  10. In der Sache ebenso, Braun/Lang, InsO, §  301 Rn.  1; Nerling/ Römermann, InsO, §  301 Rn.  3, 21; MüKoInsO/Stephan, §  301 Rn.  18; Uhlenbruck/Vallender, InsO, §  301 Rn.  10. 145 Braun/Lang, InsO, §  301 Rn.  10; Nerling/Römermann, InsO, §  301 Rn.  21. Im Ergebnis ebenso MüKoInsO/Stephan, §  301 Rn.  35, der §  301 Abs.  3 InsO jedoch – sich selbst widersprechend – als Ergänzung zu §  814 Alt.  1 BGB ansieht, der eine Rückforderung ausschließt, wenn der Leistende in positiver Kenntnis auf eine Nichtschuld leistet. Hier besteht jedoch die Verbindlichkeit weiterhin, sie ist nur dauerhaft nicht mehr durchsetzbar. 146  Neben Ansprüchen gibt es freilich auch andere Tatbestände, die einen Rechtsgrund bilden können, wie etwa die Handschenkung im Sinne von §  516 BGB, bei der mit der Einigung keine Verpflichtung mit korrespondierender Forderung begründet wird, sondern ledig-

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wann einmal vom Gläubiger mit Rechtszwang hätten durchgesetzt werden können bzw. für die der Schuldner irgendwann einmal mit seinem Vermögen haftete. Eine einmal bestandene Haftung kann daher für die Frage des bereicherungsrechtlichen Behaltensgrundes Nachwirkungen entfalten. Nur scheinbare Ausnahmen davon bilden die Fälle, in denen der Gesetzgeber ausdrücklich geregelt hat, dass der Schuldner nicht berechtigt ist, das Geleistete zurückzuverlangen. Fehl geht jedenfalls der Schluss vom Behaltendürfen des Gläubigers auf die Existenz einer Haftung und damit einer Schuld. Denn „[w]as mit den Mitteln des Rechts nicht zurückgefordert werden kann, ist deshalb (…) noch nicht von Rechts wegen geschuldet.“147 Gemeint sind zum einen die Fälle der unverbindlichen Zusagen,148 bei denen der Gesetzgeber zwar das Entstehen einer Schuld missbilligt, aber die dennoch erbrachte Leistung toleriert (vgl. §  656 Abs.  1 S.  2, §  762 Abs.  1 S.  2 BGB), zum anderen Leistungen, die einer sittlichen Pflicht oder einer auf den Anstand zu nehmenden Rücksicht entsprechen (vgl. §  814 Alt.  2 BGB). Bei diesen Fällen besteht richtigerweise von Rechts wegen überhaupt kein Anspruch, der einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen bilden könnte,149 so dass sich ein Rückforderungsanspruch an sich über die con­ dictio indebiti ergeben würde. Da der Gesetzgeber in diesen Fällen jedoch aus verschiedenen Gründen eine Rückabwicklung trotz Fehlens eines rechtlichen Grundes (in dem beschriebenen Sinne) verhindern will, schließt er den Rückforderungsanspruch durch entsprechende Normen explizit aus.

V. Gegenstand der Haftung 1. Grundsatz der unbeschränkten Haftung Gegenstand der Haftung ist grundsätzlich das gesamte Vermögen des Schuldners mit Ausnahme der unpfändbaren Sachen und Forderungen (§§  811 ff., 850 ff. ZPO).150 Dem Gläubiger steht es frei, zu entscheiden, welchen Vermölich ein schuldrechtlicher Rechtsgrund für die mit der Zuwendung bewirkte Bereicherung (causa donandi), RG v. 25.6.1925 – IV 39/25, RGZ 111, 151 (152 f.); Staudinger/Chiusi, §  516 Rn.  1; MüKoBGB/Koch, §  516 Rn.  2 ; Larenz, Schuldrecht II/1, §  47 I, S.  200; Jauernig/Mansel, §  516 Rn.  2. 147  Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 III 1, S.  7 7. 148  Siehe oben Kap.  2 A.III.2.b)(3), S. 32 ff. 149  Gernhuber, Schuldverhältnis, §   5, S.  89 ff., fasst diese Fälle zusammen mit den sog. „Handgeschäften“ als Erwerbsgründe (besser: Erwerbsrechtfertigungsgründe) auf. Praktisch ist es zwar gleichgültig, ob man dem Gläubiger positiv einen Erwerbsgrund zuspricht oder dem Schuldner negativ den Rückforderungsanspruch versagt, denn in jedem Fall wird die Leistung nicht rückgängig gemacht. Dogmatisch macht dies jedoch einen bedeutsamen Unterschied, zumal auch der Gesetzgeber danach differenziert, ob eine Leistung „ohne rechtlichen Grund“ erfolgte, oder ob das Geleistete „nicht zurückgefordert werden“ kann. 150  Gernhuber, Schuldverhältnis, §   4 II 1 u. 2, S.  70 f.; Staudinger/Olzen, Einl. v. §  241 Rn.  242.

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gensgegenstand des Schuldners er heranziehen will, um sich im Hinblick auf seine Forderung durch Aufrechnung oder im Wege der Zwangsvollstreckung zu befriedigen. 2. Scheinbare Ausnahmen Eine nur scheinbare Ausnahme vom Grundsatz der unbeschränkten Haftung stellt die rechnerisch beschränkte Haftung dar. In §  12 StVG kennt das Gesetz beispielsweise „Haftungshöchstgrenzen“, §  171 HGB regelt eine Beschränkung der „Haftung“ des Kommanditisten auf die Höhe seiner Einlage und auch der Gastwirt „haftet“ nur bis zu einem Maximalbetrag von 3.500 A (§  702 BGB). In der Sache handelt es sich hier jedoch nicht um eine Beschränkung der Haftung, sondern vielmehr um eine Begrenzung der Schuld, für die der Schuldner wiederum mit seinem gesamten Vermögen unbeschränkt haftet.151 3. Beschränkte Haftung Eine wirkliche Ausnahme vom Grundsatz der unbeschränkten Haftung stellt die gegenständlich beschränkte Haftung dar.152 Diese kann sich entweder aus dem Gesetz ergeben oder vertraglich vereinbart werden und führt regelmäßig zu einer Beschränkung der Haftung auf ein Sondervermögen.153 Derartige Haftungsbeschränkungen können den wirtschaftlichen Wert des Anspruchs mindern, ändern aber weder am Bestand noch am Umfang und den Eigenschaften der Schuld etwas. Dementsprechend bildet der durchsetzbare Anspruch selbst dann einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen, wenn der Schuldner seine Verpflichtung aus einem nicht haftenden Teil seines Vermögens begleicht.154 Rechtsgeschäftliche Haftungsbeschränkungen sind ohne weiteres möglich und zulässig. Da der Gläubiger auf die Ausübung von Rechtszwang zur Durchsetzung seiner Forderung auch ganz verzichten kann, ist es ihm unbenommen, den gegenständlichen Bereich einzugrenzen, auf den er gegebenenfalls zugreifen darf.155 Für vollstreckungsbeschränkende Vereinbarungen entspricht dies ganz herrschender Meinung.156 151  Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, §  2 III 3 a, S.  12; Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 II 3, S.  71 f.; Staudinger/Olzen, Einl. v. §  241 Rn.  245. 152 Ausführlich Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 II 4, S.  72 ff. 153  Zur Beschränkung der Haftung ex lege auf einen einzelnen Gegenstand s. Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 II 4, S.  74. 154  Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 V, S.  84. 155  Gernhuber, Schuldverhältnis, §  4 II 4, S.  73; Staudinger/Olzen, Einl. v. §  241 Rn.  247. 156  BGH v. 2.2.2012 – I ZB 95/10, WM 2012, 1489 (1490 Rn.  13); BGH v. 2.4.1991 – VI ZR 241/90, NJW 1991, 2295 (2296); Baur/Stürner/Bruns, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  10.2, 10.7, 10.9; Brox/Walker, Zwangsvollstreckungsrecht, Rn.  201 f.; Gaul/ Schilken/Becker-Eberhard, Zwangsvollstreckungsrecht, §  33 Rn.  35 ff.; Prütting/Gehrlein/ Kroppenberg, vor §§  704 ff.

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Kraft Gesetzes ist eine Haftungsbeschränkung auf ein bestimmtes Sondervermögen etwa im Zusammenhang mit der Testamentsvollstreckung, Nachlassverwaltung und Insolvenzverwaltung vorgesehen. Für Verbindlichkeiten, die ein Testamentsvollstrecker (§   2206 Abs.   1 BGB), Nachlassverwalter (§   1985 Abs.  1 BGB) oder Insolvenzverwalter (§  55 Abs.  1 Nr.  1 InsO) begründet, haftet den Gläubigern nur das Sondervermögen (d. h. der Nachlass bzw. die Insolvenzmasse), obwohl die Träger des haftenden Vermögens (der Erbe bzw. Insolvenzschuldner) unbeschränkt verpflichtet werden. Außerdem kann ein Erbe, der zunächst im Wege der Universalsukzession vollständig in die Schuldner­ position des Erblassers einrückt (§§  1922, 1967 BGB) und daher für die Nachlassverbindlichkeiten mit seinem gesamten Vermögen unbeschränkt haftet, seine Haftung auf den Nachlass beschränken, indem er eine Nachlassverwaltung oder die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens beantragt, §§  1975 ff. BGB. Um sich in der Zwangsvollstreckung auf die beschränkte Haftung berufen zu können, muss sich der Erbe dies jedoch im Urteil vorbehalten lassen (§  780 Abs.  1 ZPO). Liegen die Voraussetzungen für die Anordnung der Nachlassverwaltung oder die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens wegen Mangels einer den Kosten entsprechenden Masse nicht vor, so kann sich der Erbe mit der Dürftigkeitseinrede gemäß §  1990 BGB gegen Forderungen von Nachlassgläubigern verteidigen, sofern er nicht ausnahmsweise doch gegenüber allen (§  1994 Abs.  1 S.  2 ; §  2005 Abs.  1 BGB) oder einzelnen Nachlassgläubigern (§  2006 Abs.  3 BGB; infolge eines Verzichts auf die Haftungsbeschränkungsmöglichkeit) unbeschränkt haftet.

VI. Zusammenfassung Festzuhalten bleibt, dass Haftung das Einstehenmüssen mit dem eigenen Vermögen für eine einredefrei bestehende (eigene oder fremde) Schuld bedeutet. Auf Gläubigerseite korrespondiert die Haftung mit der Befugnis zur zwangsweisen Durchsetzung des Anspruchs. Im Grundsatz ist die Haftung gegenständlich unbegrenzt, sofern sich nicht aus dem Gesetz oder einer entsprechenden Vereinbarung ergibt, dass der Schuldner nur mit einem bestimmten Teil seines Vermögens für die Schuld haftet. Ausgeschlossen ist die Haftung, wenn der Schuldner eine Einrede erhebt, die die Durchsetzbarkeit des Anspruchs vor­übergehend oder dauerhaft hindert, ohne am Bestand des Anspruchs oder der Schuld etwas zu ändern. Auch in diesem Fall kann jedoch ein Anspruch, der irgendwann einmal durchsetzbar war und auf Schuldnerseite eine Haftung ausgelöst hat, einen Rechtsgrund zum Behaltendürfen im Hinblick auf eine in Unkenntnis der Einrede freiwillig erbrachte Leistung bilden. Rn.  19; Musielak/Lackmann, Vor §  704 Rn.  17; Philipp, Rpfleger 2010, 456 (460 f.); Zöller/ Stöber, Vor §  704 ZPO Rn.  24 f.

B. Verhältnis von allgemeinem Schuldrecht und Familienrecht

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B. Verhältnis von allgemeinem Schuldrecht und Familienrecht I. Einführung Das Verhältnis von allgemeinem Schuldrecht und Familienrecht hat in letzter Zeit – nicht zuletzt als Folge einiger BGH-Entscheidungen157 – vermehrt für Aufmerksamkeit gesorgt.158 Bedenken werden insbesondere gegen die Quali­ fikation von familienrechtlichen Rechtsverhältnissen als Schuldverhältnisse ­erhoben, und es wird vor einer „Verschuldrechtlichung des Familienrechts“ ­gewarnt.159 Im Wesentlichen richtet sich die Kritik gegen die Konsequenz, höchstpersönliche Beziehungen zu „verrechtlichen“ bzw. vermögensrechtlichen Abwicklungsmechanismen zu unterstellen und damit personale Pflichten mit wirtschaftlichen Sanktionen, insbesondere einer Haftung, zu flankieren. Man versucht daher, durch die Herausarbeitung vermeintlich genuin familienrechtlicher Konstrukte einen Rückgriff auf Normen des zweiten Buchs zu vermeiden. Umso mehr verwundert es, dass letztlich alle Ansichten zumindest eine analoge Anwendung der allgemeinen Schuldrechtsnormen doch wieder bejahen, soweit keine vorrangigen familienrechtlichen Vorschriften oder Besonderheiten entgegenstehen.160 Im Ergebnis ist man sich einig, dass auch in familienrechtlichen Beziehungen Schutz- und Rücksichtnahmepflichten gelten, umstritten ist nur, ob es sich dabei um schuldrechtliche Ausprägungen handelt oder diese rein familienrechtlich zu qualifizieren sind. Die Scheu vor einem Rückgriff auf §  241 Abs.  2 BGB im Hinblick auf derartige Pflichten ist angesichts des Fehlens familienrechtlicher Spezialregelungen nach hier vertretener Ansicht unbegründet. Bevor jedoch die Anwendbarkeit des allgemeinen Schuldrechts auf familienrechtliche Verhältnisse untersucht werden kann (dazu III.), muss vorab geklärt werden, ob es sich bei diesen wirklich um Schuldverhältnisse handelt. Dazu bedarf es zunächst einer Abgrenzung von Schuld- und Rechtsverhältnissen nach deren Inhalt und Funktion (dazu II.), damit im Anschluss daran die familienrechtlichen Verhältnisse zugeordnet werden können.

157 BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108; BGH v. 19.6.2002 – XII ZR 173/00, NJW 2002, 2566. 158 Vgl. Coester-Waltjen, FS Canaris (2007), S.   131; Erbarth, NJW 2013, 3478; Löhnig/Preisner, FamRZ 2012, 489; Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, S.  7 ff. 159  Schwab, FamRZ 2002, 1297; kritisch auch Henrich, JZ 2003, 49 (50), der – zu Unrecht – im Zusammenhang mit dem Umgangsrecht eine davon zu unterscheidende Umgangspflicht zwischen den Elternteilen ablehnt; dazu noch ausführlich unten Kap.  5 B. und C., S. 400 ff., 432 f. 160  Vgl. unten Kap.  2 B.III.1.a) und b), S. 56 f., 57 ff.; Muscheler, Familienrecht, Rn.  34.

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II. Abgrenzung von Schuldverhältnis und Rechtsverhältnis 1. Das Schuldverhältnis als Gegenstand des Schuldrechts Der Begriff „Schuldverhältnis“ wird im BGB nicht einheitlich verwendet.161 Teilweise meint das Gesetz damit lediglich die Beziehung zwischen Gläubiger und Schuldner im Hinblick auf einen einzelnen Anspruch (Schuldverhältnis im engeren Sinne), teilweise aber auch die Gesamtheit der rechtlichen Beziehungen zwischen Gläubiger und Schuldner (Schuldverhältnis im weiteren Sinne).162 Mit welcher Bedeutung der Terminus in einer einzelnen Vorschrift verwendet wird, muss durch Auslegung ermittelt werden, bereitet in aller Regel aber keine Schwierigkeiten. a) Schuldverhältnis im engeren Sinne Mit dem Schuldverhältnis im engeren Sinne ist die einzelne relative rechtliche Anspruchsbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner gemeint.163 Schon der historische Gesetzgeber verstand unter dem Begriff „Schuldverhältnis“ im Anschluss an das im römischen Recht als Obligation (lat. obligare: verpflichten, verbinden) bezeichnete Rechtsverhältnis „das gesammte obligatorische Verhältnis, Forderungsrecht und entsprechende Verbindlichkeit“.164 In diesem engen Sinne verwendet das Gesetz den Ausdruck „Schuldverhältnis“ auch heute noch etwa in §§  362, 364, 397 BGB.165 Durch die Erfüllung der Forderung bzw. des Anspruchs oder den Erlass der Verbindlichkeit bzw. Schuld wird „nur“ der einzelne Anspruch zum Erlöschen gebracht, während das Schuldverhältnis im weiteren Sinne, d. h. die dem Anspruch zugrunde liegende umfassendere Rechtsbeziehung zwischen Gläubiger und Schuldner, bestehen bleibt und Grundlage für weitere Rechte und Pflichten sein kann.

161  Zu den historischen Ursachen siehe Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  37 f.; ausführlich auch Bucher, FS Wiegand (2005), S.  93 (108 ff.). 162  Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, §  1 III, S.  5 ; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn.  7. Bucher, FS Wiegand (2005), S.  93 (125 ff.), geht jedoch davon aus, dass die Schuldrechtsreform dem Terminus „Schuldverhältnis“ mit der Einführung der §  311 Abs.  2 und 3 BGB einen weiteren, dritten Sinngehalt beigefügt habe; ebenso Erbarth, NJW 2013, 3478 (3479). Dem ist nicht zuzustimmen, da auch das vorvertragliche Schuldverhältnis im Sinne von §  311 Abs.  2 und 3 BGB ein Schuldverhältnis im weiteren Sinne ist, dessen Pflichten sich lediglich auf Rücksichtnahmepflichten im Sinne von §  241 Abs.  2 BGB beschränken. 163 MüKoBGB/Ernst, Einl. v. §  241 Rn.  10; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn.  7; Medicus/ Lorenz, Schuldrecht I, Rn.  8 ; Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  36. 164  Mugdan, Motive zum BGB II, S.  1. 165  Weitere Beispiele bei Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  36.

B. Verhältnis von allgemeinem Schuldrecht und Familienrecht

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b) Schuldverhältnis im weiteren Sinne (1) Begriffsbestimmung und Inhaltsbeschreibung Was unter einem Schuldverhältnis im weiteren Sinne zu verstehen ist, wird ­unterschiedlich beurteilt. Eine Definition ist im Gesetz nicht vorgesehen; der historische Gesetzgeber hat eine Begriffsbestimmung bewusst der Wissenschaft überlassen.166 In §  241 BGB sieht das Gesetz lediglich eine Umschreibung des Rechte- und Pflichtenkanons zwischen den am Schuldverhältnis Beteiligten vor. Danach ist der Gläubiger kraft des Schuldverhältnisses berechtigt, von dem Schuldner eine Leistung zu fordern, wobei die Leistung auch in einem Unterlassen bestehen kann (§  241 Abs.  1 BGB). Außerdem kann das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, die Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten (§  241 Abs.  2 BGB). §  241 Abs.  1 BGB meint damit das Schuldverhältnis im engeren Sinne; Abs.  2 liegt hingegen ein umfassenderes Verständnis mit mehreren Pflichten zugrunde. Versuche, das Schuldverhältnis im weiteren Sinne zu definieren, hat es in der Literatur schon unzählige gegeben.167 Es wird charakterisiert als „Quelle“ und „anspruchserzeugender Tatbestand“,168 als „Organismus“,169 als „Inbegriff von konkreten Rechtsfolgen“, als „sinnhaftes Gefüge“ und ein „in der Zeit verlaufende[r] Prozeß“.170 Zielführender als eine pedantische Analyse171 aller Versuche einer Begriffsbestimmung mit ihren feinsinnigen Nuancen erscheint freilich, den Sinn und Zweck der als Schuldverhältnisse bezeichneten rechtlichen Beziehungen zu verstehen und die Unterschiede zum allgemeineren Rechtsverhältnis herauszuarbeiten. Das BGB verwendet den Begriff „Schuldverhältnis“ an vielen Stellen in einem umfassenden, über die einzelne Anspruchsbeziehung hinausgehenden Sinn, wie insbesondere im Titel des achten Abschnitts des zweiten Buches „Einzelne Schuldverhältnisse“, aber auch in §  241 Abs.  2 BGB. Das Schuldverhältnis im weiteren Sinne bezeichnet letztlich eine rechtlich gere166  Mugdan, Motive zum BGB II, S.  2 : „Der Entw. enthält sich einer Begriffsbestimmung des Schuldverhältnisses (…). Eine solche aufzustellen ist nicht Sache des Gesetzes, bleibt vielmehr der Wissenschaft überlassen. Es wäre höchst gefährlich, durch einen gesetzlichen Ausspruch dem über den Begiff und das Wesen des Schuldverhältnisses in der Wissenschaft bestehenden Streite vorzugreifen.“ 167  Siehe nur die Zusammenstellung bei Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  39. 168  Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, §  1 III, S.  5. 169  Siber, Schuldrecht, §  1 I 1, S.  1. 170  Larenz, Schuldrecht AT, §  2 V, S.  26 ff. 171  So mit teilweise unangemessener Kritik an – aus dem Zusammenhang gerissenen – Formulierungen von namhaften Schuldrechtlern Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, S.  13 ff., 22 ff., die bezeichnenderweise nach einer gut 100 Seiten umfassenden dogmengeschichtlichen Analyse der Begriffsbestimmungen seit der Kodifikation im BGB von 1900 bis heute im Ergebnis auch nichts anderes als eine Umschreibung dessen liefern kann, was man heute unter einem Schuldverhältnis i. w. S. versteht, siehe S.  116.

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Kapitel 2:  Grundlagen der Haftung im Familienrecht

gelte Sonderverbindung zwischen mindestens zwei Personen, kraft deren eine der anderen etwas schuldet.172 Die Begründung der rechtlichen Sonderverbindung kann auf einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung oder einem gesetzlichen Tatbestand beruhen. Schon daraus folgt, dass die zugrundeliegenden Sachverhalte, aus denen sich kraft Gesetzes oder Vereinbarung ein Schuldverhältnis ergibt, sehr heterogen und vielgestaltig sind, was eine allgemeingültige Definition erschwert. Wirklich „[e]rfassen lässt sich das Phänomen [daher wohl nur] rein deskriptiv.“173 Das Schuldverhältnis lässt zwischen den Beteiligten ein relatives Rechte- und Pflichtengefüge entstehen, durch das deren Rechtsbeziehung – im Verhältnis zu den allgemeinen (deliktsrechtlich sanktionierten) Rechtspflichten, die gegenüber jedermann bestehen – konkretisiert und „aus der Anonymität des allgemeinen Nebeneinanders“174 sämtlicher Rechtssubjekte herausgehoben wird. Das im Rahmen eines Schuldverhältnisses Geschuldete kann gemäß §  241 BGB sowohl in einer (vertraglich vereinbarten oder im Gesetz bestimmten) Leistung bestehen, die nicht nur in einem aktiven Tun, sondern auch in einem Dulden175 oder Unterlassen bestehen kann (Abs.  1), als auch schlicht in der Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils (Abs.  2).176 Absatz 2 wurde erst durch die Schuldrechtsreform177 im Jahr 2002 in §  241 BGB aufgenommen,178 obwohl derartige Rücksichtnahmepflichten schon lange vorher im Zusammenhang mit dem Institut der positiven Forderungs- bzw. Vertragsverletzung anerkannt waren.179 Ursprünglich wurde vorgeschlagen, Ab172  Statt vieler, in der Sache ebenso, Larenz, Schuldrecht AT, §   2 I, S.  6 f.; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn.  3, 8 f.; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn.  1 ff.; Schmidt, Schuldverhältnis, Rn.  4 ff. Ähnlich Gernhuber, Schuldverhältnis, §  2 I 6, S.  12: „Das Recht der Schuldverhältnisse umfaßt dann alle Rechtsverhältnisse, die relative Rechte und Pflichten zwischen zumindest zwei Personen begründen, sofern eine Pflicht zur Leistung von vornherein vorhanden ist oder später zur Entstehung gelangen kann.“ 173  Gernhuber, Schuldverhältnis, §  2 I 3 b, S.  9. 174  Schmidt, Schuldverhältnis, Rn.  4, 15. 175  Das Dulden ist in §  241 Abs.  1 BGB zwar nicht ausdrücklich erwähnt, das Unterlassen umfasst jedoch das Dulden, „denn Dulden bedeutet das Unterlassen von Widerspruch oder Hinderung“, Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, §  4 I, S.  17. 176  Freilich kann man auch die Pflicht zur Rücksichtnahme als eine Leistungspflicht ansehen, nämlich die Pflicht zur Unterlassung schädigenden Verhaltens und gar zur Abwendung drohender Schäden. Angesichts der Differenzierung in §  241 Abs.  1 und Abs.  2 BGB wird im Folgenden jedoch zwischen Leistungspflichten im Sinne von §  241 Abs.  1 BGB und Rücksichtnahmepflichten im Sinne von §  241 Abs.  2 BGB unterschieden. 177  Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26.11.2001, BGBl. I 2001, S.  3138; zu den Materialien siehe den Gesetzesentwurf in BT-Drucks. 14/6040. 178  §  241 Abs.  1 BGB übernahm unverändert den bisherigen Inhalt von §  241 BGB a. F. 179 Grundlegend Kress, Lehrbuch des allgemeinen Schuldrechts, 1929, S.   578 ff., 589 ff.: „Zusammenfassend werden sich die folgenden Sätze aufstellen lassen: Der Schuldner wie der Gläubiger haben ihr Verhalten so einzurichten, daß die bei der Abwicklung der schuldrechtlichen Beziehungen berührten Interessen (Güter) des anderen Teiles nicht verletzt werden; für den Einzelfall kann aber letzten Endes die Entscheidung nur nach Treu und Glauben getrof-

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satz 2 wie folgt zu fassen: „Das Schuldverhältnis kann unter Berücksichtigung seines Inhalts und seiner Natur jeden Teil zu besonderer Rücksicht auf die Rechte und Rechtsgüter des anderen Teils verpflichten. Hierauf kann sich das Schuldverhältnis beschränken.“180 Satz  2 wurde (neben anderen Aspekten) 181 zwar im weiteren Gesetzgebungsverfahren gestrichen, weil dessen Aussage als selbstverständlich angesehen wurde; inhaltlich sollte dadurch allerdings nichts geändert werden.182 Ein Schuldverhältnis kann sich deshalb – wie sich nicht zuletzt auch aus §  311 Abs.  2 und 3 BGB ergibt – auf die Begründung von Rücksichtnahmepflichten beschränken. Die anstelle der Begriffe „Gläubiger“ und „Schuldner“ verwendeten Bezeichnungen der Beteiligten als „jeder Teil“ und „der andere Teil“ sollen klarstellen, dass unabhängig von der Rollenverteilung auf Leistungsebene, und selbst wenn keine Leistungspflichten bestehen, alle Beteiligten Rücksichtnahmepflichten unterliegen können. Die weite Formulierung in §  241 Abs.  2 BGB lässt außerdem erkennen, dass der Gesetzgeber nicht nur leistungsbezogene Nebenpflichten, sondern auch leistungsunabhängige Schutzpflichten im Gesetz verankern wollte, die der Erhaltung des bereits ­vorhandenen Rechts- und Vermögensbestandes des jeweils anderen dienen.183 Die schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflichten gehen daher weit über die von §  823 BGB erfassten deliktischen Pflichten hinaus und schützen insbesondere auch reine Vermögensinteressen sowie sonstige schutzwürdige Interessen, wie etwa die Entscheidungsfreiheit.184 Inwiefern und welche Rücksichtnahmepflichten in einem konkreten Schuldverhältnis bestehen, lässt sich jedoch – anders als die Pflichten aus einer bestimmten Leistungsbeziehung (z. B. bei einem Kauf-, Miet- oder Darlehensvertrag oder einem bereicherungsrechtlichen Rückabwicklungsverhältnis) – nicht generell-abstrakt bestimmen; vielmehr muss dies je nach Intensität des Kontaktes und der Art und des Ausmaßes der jeweiligen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Spähre des anderen Teils im Einzelfall ermittelt werden. Festzuhalten bleibt damit, dass das kraft Gesetzes oder vertraglicher Vereinbarung entstandene Schuldverhältnis im weiteren Sinne die Grundlage für ein fen werden.“ (S.  582); darauf aufbauend Stoll, Die Lehre von den Leistungsstörungen, 1939, S.  26 ff. Vgl., statt vieler, auch Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, §  4 II, S.  18 ff.; Gernhuber, Schuldverhältnis, §  2 III, IV, S.  15 ff., 21 ff.; Krebs, Sonderverbindung, passim; Larenz, Schuldrecht AT, §§  2 I, 9, 10; letztere machten die Rücksichtspflichten allesamt normativ an §  242 BGB fest. Zur historischen Entwicklung der Lehre von den Schutzpflichten ausführlich HKK/Dorn, §  241 Rn.  95 ff. 180  Siehe den Abschlussbericht der Kommission zur Überarbeitung des Schuldrechts, hrsg. vom BMJ, 1992, S.  113 mit Begründung. 181  Zu weiteren Änderungen im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens mit kritischer Bewertung HKK/Dorn, §  241 Rn.  105 ff. 182 MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  47; kritisch zur Streichung von Satz  2 HKK/Dorn, §  241 Rn.  107. 183  So auch MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  48. 184  BT-Drucks. 14/6040, S.  126; vorgeschlagen von Canaris, JZ 2001, 499 (519).

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Bündel von Rechten (im Sinne von Ansprüchen) und Rechtspflichten (im Sinne von Schulden) bildet, namentlich (wenn auch nicht zwingend) bestimmter Leistungspflichten des Schuldners sowie Rücksichtnahmepflichten aller Beteiligten,185 wobei sich das Schuldverhältnis auf letztere beschränken kann. (2) Funktionen des Schuldverhältnisses Das Gesetz lässt immer dann ein (vertragliches oder gesetzliches) Schuldverhältnis entstehen, wenn es mithilfe der damit verbundenen Rechtspflichten samt daran anknüpfender Haftung einen positiven Zweck erreichen will, sei es die Herstellung bzw. Wiederherstellung eines bestimmten Leistungserfolges und/oder die Bewahrung des status quo der Beteiligten (Integritätsschutz). Ein solcher positiver Zweck besteht nicht nur, wenn er von den Beteiligten vereinbart und einvernehmlich verfolgt wird, sondern auch dann, wenn das Gesetz einer rechtlichen Beziehung einen besonderen Zweck zuweist.186 Diese Zweckrichtung bildet den wesentlichen Unterschied zu den reinen Rechtsverhältnissen, die lediglich die Rechtssphären zweier Personen voneinander abgrenzen und das rechtliche Verhältnis zueinander deskriptiv beschreiben.187 (a) Leistungszweck Sofern als positiver Zweck ein bestimmter Leistungserfolg erreicht werden soll, sieht das BGB ein Schuldverhältnis mit unmittelbar durchsetzbaren Leistungspflichten vor (§  241 Abs.  1 BGB), die sich entweder aus einer Parteivereinbarung oder einer gesetzlichen Regelung ergeben. Entsprechend der Vielfalt an gewünschten Leistungszwecken sind im BGB zahlreiche Lebenssachverhalte geregelt, die zu einem vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnis mit entsprechenden Leistungspflichten führen. Abgesichert wird die Zweckerreichung vor allem dadurch, dass eine Verletzung der Leistungspflicht Schadensersatz­ ansprüche begründet (§§  280 ff. BGB), für die der Schuldner mit seinem Vermögen haftet.

185 MüKoBGB/Ernst, Einl. v. §  241 Rn.  10; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn.  2. Jedenfalls seit der Schuldrechtsreform lässt sich aus §  241 Abs.  2 BGB folgern, dass der Gesetzgeber gewisse Rücksichtnahmepflichten aus dem Schuldverhältnis ableitet. Der dem „Henne-und-­EiProblem“ ähnliche frühere Streit darum, ob das Schuldverhältnis nur als Summe aller Einzelelemente anzusehen ist (so insbesondere Gernhuber, Schuldverhältnis, §  2 I 3 b, S.  9 f.), oder vielmehr als Quelle der Einzelforderungen, als anspruchserzeugender Tatbestand (so insbesondere Enneccerus/Lehmann, Schuldverhältnisse, §  1 III, S.  5), ist daher heute wohl überholt; ebenso Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  40 ff., 44 m. w. N. 186 Instruktiv Krebs, Sonderverbindung, S.  2 21. 187  Dazu sogleich Kap.  2 B.II.2., S. 55.

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(b) Schutzzweck Daneben gibt es auch Sonderverbindungen, die keinen Leistungszweck verfolgen, aber dennoch über ein reines Rechtsverhältnis zwischen zwei Personen hinausgehen. Dies gilt etwa für das nachbarschaftliche Gemeinschaftsverhältnis, Spiel- und Wettabreden188 oder auch Gefälligkeitsverhältnisse i. S. v. §  311 Abs.  2 Nr.  3 BGB (str.) 189. Hier ergibt sich schon aus der örtlichen oder persönlichen Nähe bzw. dem gesteigerten sozialen Kontakt ein Bedürfnis für besondere Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen. Ein wesentlicher rechtlicher Zweck solcher Beziehungen liegt daher im Integritätsschutz. Schuldverhältnisse mit Pflichten im Sinne von §  241 Abs.  2 BGB, die nötigenfalls kraft Gesetzes entstehen und vom Inhalt des jeweiligen Schuldverhältnisses bestimmt werden, dienen jedenfalls dem Schutz der Rechtsgüter, Rechte und Interessen des Einzelnen vor ungewollten Beeinträchtigungen.190 Erreicht wird dieser Zweck – soweit keine spezielleren Normen vorhanden sind (wie etwa in §  618 BGB) – durch die in §  241 Abs.  2 BGB für alle Schuldverhältnisse vorgesehenen Rücksichtnahmepflichten sowie die im Falle der Pflichtverletzung daran anknüpfende Haftung für sekundäre Schadensersatzpflichten (§   280 Abs.   1 BGB). Der Schutz des Integritätsinteresses durch die Begründung eines (gesetzlichen) Schuldverhältnisses kann unabhängig vom Bestehen etwaiger Leistungspflichten vom Gesetz bezweckt sein. Insofern stellt sich jedoch die Frage, aus welchen Gründen der Gesetzgeber in bestimmten Situationen einen über die deliktischen Ansprüche hinausgehenden Schutz für erforderlich erachtet. Die Legitimation von Schutzpflichten ist vor allem deshalb von Bedeutung, weil sie Rückschlüsse darauf zulässt, in welchen Sachverhaltskonstellationen die Annahme eines Schuldverhältnisses mit Rücksichtnahmepflichten gerechtfertigt und geboten ist, und ob dies gerade auch für familienrechtliche Verhältnisse zutrifft. (3) Legitimation der Pflichten als Rechtsfolgen des Schuldverhältnisses (a) Allgemeine Überlegungen Die Legitimation von Schuldverhältnissen, mit denen ein konkreter Leistungserfolg erreicht werden soll, ergibt sich ohne weiteres aus der Privatautonomie bzw. den gesetzlichen Wertungen hinter einer Leistungspflicht (z. B. der Pflicht zur Rückgewähr einer ungerechtfertigten Bereicherung in den Fällen des §  812 BGB). 188 Soergel/Häuser/Welter, §  762 Rn.  4 ; Henssler, Risiko als Vertragsgegenstand, S.   469. A. A. Erman/Müller, §  762 Rn.  1 (kein Schuldverhältnis). 189 Wie hier Staudinger/Bork, Vorbem. zu §§   145  ff. Rn.   85; Staudinger/Feldmann/­ Löwisch, §  311 Rn.  109; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn.  98; Jauernig/Mansel, §  241 Rn.  25; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.  368; BeckOK-BGB/Sutschet, §  241 Rn.  23 (eine weitergehende Vertrauenshaftung kraft sozialen Kontakts hingegen ablehnend). 190 MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  48; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn.  6 .

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Schwieriger zu beurteilen ist die Frage, welche Ausgangssituationen Schutzmechanismen zugunsten des Integritätsinteresses rechtfertigen und damit die Annahme eines Schuldverhältnisses legitimieren, damit durch die schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflichten gemäß §  241 Abs.  2 BGB sowie die daran anknüpfende Haftung im Falle der Pflichtverletzung der Schutzzweck erreicht und gewährleistet werden kann. Dieser Frage hat sich – noch vor der Schuld­ rechtsreform und der Normierung der Rücksichtnahmepflichten in §  241 Abs.  2 BGB – ausführlich Krebs in seiner Habilitationsschrift „Sonderverbindung und außerdeliktische Schutzpflichten“ gewidmet.191 Er ging davon aus, dass das von ihm als Sonderverbindung bezeichnete Rechtsverhältnis gerade dadurch gekennzeichnet sei, dass in ihm Schutzpflichten bestehen, die über die allgemeinen deliktischen Schutzpflichten hinausgehen, indem sie im Rahmen der Sonderverbindung auch das allgemeine Vermögen gegen Schädigungen schützen. Außerdem weise die Sonderverbindung die Besonderheit auf, dass sie eine gegenüber dem Deliktsrecht erweiterte und an die Umstände der Beziehung angepasste und ausdifferenzierte Haftungsordnung aufweise; dies betreffe z. B. die unterschiedlichen Anforderungen an den Sorgfaltsmaßstab und die Verjährung.192 Dies entspricht dem Verständnis, das heute für das Schuldverhältnis mit Rücksichtnahmepflichten im Sinne von §  241 Abs.  2 BGB besteht. Deshalb sind Krebs’ Überlegungen zur Legitimation einer „Sonderverbindung“ noch heute wegweisend und auf das Schuldverhältnis im Sinne von §  241 Abs.  2 BGB übertragbar. (b) Erhöhte Einwirkungsmöglichkeiten Nach Krebs dient die Sonderverbindung mit ihren spezifischen Rechtsfolgen (d. h. den Schutzpflichten und der Schutzpflichthaftung) mehreren Zwecken, die er zugleich als Legitimationsbasis der Sonderverbindung versteht.193 Zum einen dienen nach Ansicht von Krebs die Schutzpflichten samt der Schutzpflichthaftung und damit die Sonderverbindung insgesamt der Kompensation spezifischer Einwirkungs- und damit Schädigungsmöglichkeiten. Mit allen Verhältnissen, die als Sonderverbindungen diskutiert würden, seien grundsätzlich erhöhte Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechtsgüter eines anderen verbunden, die bei dem Gefährdeten ein vermehrtes Schutzbedürfnis erzeugten, welches wiederum eine notwendige Voraussetzung für die Angemessenheit einer Schutzpflichthaftung darstelle. Diese Überlegungen verdienen Zustimmung194 und treffen gleichermaßen auf das Schuldverhältnis zu. Unabhängig davon, ob es kraft Vereinbarung oder 191 

Krebs, Sonderverbindung, S.  210 ff. Krebs, Sonderverbindung, S.  211. 193  Dazu und zum Folgenden Krebs, Sonderverbindung, S.  212. 194 Ebenso Grigoleit, FS Canaris (2007), S.  275 (283): „Die Pflicht zur Rücksichtnahme ist 192 

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kraft Gesetzes entstanden ist, stehen sich die Beteiligten eines Schuldverhältnisses tatsächlich besonders nahe und haben dadurch – wenn auch je nach Schuldverhältnis in unterschiedlichem Ausmaß – erhöhte Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechtsgüter, Rechte und Interessen des anderen. Damit korrespondiert eine erhöhte Gefahr von Schädigungen, die auch allein das Vermögen betreffen können und es rechtfertigen, in solchen Beziehungen zum Schutz der Beteiligten über die Deliktshaftung hinausgehende rechtliche Schutzpflichten vorzusehen, um die Beteiligten schon präventiv zu rücksichtsvollem Verhalten anzuhalten. Dies trifft in besonderem Maße auch für familienrechtliche Verhältnisse zu, in denen schon aufgrund der persönlich-emotionalen Nähe, häufig aber auch aufgrund des örtlichen Zusammenlebens ein gesteigerter sozialer Kontakt mit erheblichen Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechtsphäre des anderen besteht, die ein Bedürfnis für besondere Rücksichtnahme und Integritätsschutz hervorrufen. (c) Eingeschränkte Verteidigungsmöglichkeiten Als weiteren Zweck der Sonderverbindung hat Krebs die Kompensation der eingeschränkten Verteidigungsfähigkeit des Vermögensinhabers herausgearbeitet.195 Wenn der Vermögensinhaber aufgrund der Sonderverbindung zur Verteidigung seines Vermögens nicht in der Lage sei, wie z. B. im Falle staatlich eingesetzter Vermögensverwaltung oder bei elterlicher Vermögenssorge, stünde seines Erachtens ohne Haftungsandrohung eine unbegrenzte Vermögensschädigung zu befürchten. Nur eine Haftung vermag seines Erachtens Schädigungen zu verhindern und eingetretene Schäden auszugleichen, wenngleich er eingesteht, dass derartige Fälle der absoluten Verteidigungsunfähigkeit eher selten sind. Krebs legt jedoch weiter dar, dass jede Sonderverbindung die Verteidigungsfähigkeit des Vermögensinhabers, wenn auch nicht ganz beseitigt, so doch zumindest einschränkt, auch wenn der Einfluss der Sonderverbindung auf dessen Verteidigungsfähigkeit je nach Art der Verbindung variiert. Anschaulich werde dies, wenn man die Sonderverbindung als Rechtskreisöffnung bzw. Rechtskreisüberschneidung verstehe: Wer den eigenen Rechtskreis gegenüber der Gegenseite öffne, verzichte auf eine abwehrbereite Isolation. Seine Verteidigungsfähigkeit bleibe zwangsläufig hinter der bei einem geschlossenen Rechtskreis zurück, denn die Öffnung des eigenen Rechtskreises lasse sich nicht auf Handlungen der Gegenseite beschränken, von denen keine schädigenden Wirkun­gen ausgehen könnten. Die eingeschränkte Verteidigungsfähigkeit in Sonderverbindungen stehe zudem in Beziehung zu den erhöhten Einwirkungsmöglichkeiten auf das Vermögen. Denn mit der Erhöhung der Schädigungsdas Korrelat dieser erhöhten Einwirkungsmöglichkeiten.“; Riehm, FS Coester-Waltjen (2015), S.  1169 (1176). 195  Dazu und zum Folgenden Krebs, Sonderverbindung, S.  212 f.

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möglichkeiten sinken, so Krebs, grundsätzlich die Möglichkeiten, die eigenen Rechtsgüter zu verteidigen. Hinzu kommt, dass nicht nur die Möglichkeit, sondern auch die Wachsamkeit und Motivation, die eigenen Rechtsgüter vor Beeinträchtigungen zu bewahren, in Sonderbeziehungen geringer ist, da dem anderen in den typischen Konstellationen von Schuldverhältnissen häufig besonderes Vertrauen entgegen gebracht wird. Je mehr man sich darauf verlässt, dass der andere die eigenen Rechtsgüter achtet, desto weniger kümmert man sich selbst um Schutz und Abwehr. Je weniger man sich allerdings selbst vor potentiellen Schädigungen in Acht nimmt, desto höher ist das Schutzbedürfnis, dem die Rücksichtnahmepflichten in §  241 Abs.  2 BGB nachkommen wollen. Der Zweck, eingeschränkte Verteidigungsmöglichkeiten auszugleichen, ergänzt mithin den Zweck der Kompensation spezifischer Einwirkungsmöglichkeiten; 196 zusammen tragen die beiden Zwecke dem erhöhten Schutzbedürfnis des potentiell Geschädigten Rechnung und legitimieren damit die in §  241 Abs.  2 BGB normierten Rechtspflichten zur Rücksichtnahme sowie die Ausweitung der daran anknüpfenden Haftung des Schädigers gegenüber dem Deliktsrecht auf reine Vermögensschädigungen.197 Auch dieser Aspekt wird in besonderem Maße in familienrechtlichen Verhältnissen relevant, in denen jeder Beteiligte dem jeweils anderen seinen Rechtskreis öffnet und Überschneidungen entstehen, durch die jeder in seinen Verteidigungsmöglichkeiten eingeschränkt ist. Das enge Zusammenleben bringt infolge der natürlichen menschlichen Unzulänglichkeiten zwangsläufig eine erhöhte Gefahr von Schädigungen für den Rechtskreis des anderen mit sich, gegen die sich kein Familienmitglied mit gleicher Wachsamkeit wie gegen externe Einwirkungen verteidigen kann, zumal im Regelfall ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Familienmitgliedern besteht, das die eigene Verteidigungsbereitschaft deutlich einschränkt. (d) Gewährleistung eines vertrauensvollen Miteinanders Die über den deliktischen Schutz hinausgehenden haftungsbewehrten Rücksichtnahmepflichten eines Schuldverhältnisses tragen schließlich zu einem vertrauensvollen Miteinander zwischen den Beteiligten bei,198 was wiederum der Förderung des etwaigen Leistungszwecks bzw. der Stabilisierung des Schuld196 

Krebs, Sonderverbindung, S.  213. Krebs, Sonderverbindung, S.  214, hält die Haftung für reine Vermögensschäden im Rahmen der Sonderverbindung aufgrund der Beschränkung des Risikopotentials auf die an der Sonderverbindung Beteiligten sowie deren bessere Erkennbarkeit und Vermeidbarkeit für eher zumutbar als eine umfassende Haftung für reine Vermögensschäden gegenüber jedermann im deliktischen Bereich. 198  Grigoleit, FS Canaris (2007), S.  275 (283); Krebs, Sonderverbindung, S.  216; Riehm, FS Coester-Waltjen (2015), S.  1169 (1176). 197 

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verhältnisses dient. Dies liegt zum einen an der präventiven Wirkung von Rücksichtnahmepflichten, durch welche Schädigungen innerhalb der Beziehung vielfach von vorneherein verhindert werden, zum anderen daran, dass sie in einem gleichwohl eintretenden Schadensfall für einen finanziellen Ausgleich sorgen. Das Bewusstsein der Beteiligten, dass der jeweils andere Teil rechtlich verpflichtet ist, auf die eigenen Rechtsgüter besondere Rücksicht zu nehmen und für schuldhaft verursachte Schäden einzustehen, fördert das Vertrauen zwischen den Beteiligten und damit das Gelingen der – vom Gesetz als wünschens- und unterstützenswert oder sogar erforderlich angesehenen – Sonderverbindung. Freilich ist zugleich zu berücksichtigen, dass jeder am Schuldverhältnis Beteiligte nicht nur potentiell Geschädigter, sondern auch potentieller Schädiger ist; ein zu hohes Haftungsrisiko für (einfach) fahrlässig verursachte Schädigungen kann wegen der erhöhten Einwirkungsmöglichkeiten deshalb abschreckend wirken bzw. einem entspannten Umgang entgegenstehen. Gerade in engen persönlichen Beziehungen, wie innerhalb der Familie, ist der allgemeine Haftungsmaßstab (§  276 BGB) oft unangemessen streng. Um neben den Interessen des potentiell Geschädigten auch die Interessen des potentiellen Schädigers hinreichend zu gewährleisten, sieht das Gesetz daher in bestimmten Sonderverbindungen je nach Art der vor der Schädigung bestehenden Beziehung einen reduzierten Sorgfaltsmaßstab vor (vgl. §§   690, 708, 1359, 1664, 2131 BGB, §   4 LPartG).199 Während also das Bestehen von besonderen (über die deliktsrechtlich bewehrten Pflichten hinausgehenden) Rücksichtnahmepflichten dem potentiell Geschädigten eine Sicherheit bzw. Vertrauensbasis dafür gibt, sich auf das Schuldverhältnis einzulassen, obwohl durch die erhöhten Einwirkungsmöglichkeiten und die beschränkten Verteidigungsmöglichkeiten das Risiko von Schädigungen größer ist, ist der reduzierte Haftungsmaßstab ein Zugeständnis gegenüber dem potentiellen Schädiger, damit auch dieser trotz des mit einer schadensstiftenden Pflichtverletzung verbundenen erhöhten Haftungsrisikos nicht davor zurückschreckt, das Schuldverhältnis einzugehen, und auch nicht befürchten muss, dass er im Rahmen des Schuldverhältnisses selbst bei Anwendung der eigenüblichen Sorgfalt in die Haftung geraten kann.200 Allerdings wird das Haftungsrisiko dadurch nur begrenzt, nicht aber gänzlich ausgeschlossen. Insofern könnte man einwenden, dass die (gegebenenfalls sogar gerichtliche) Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in Fällen, in denen dennoch ein Schaden wegen zu verantwortender Pflichtverletzung eingetreten ist, dem Vertrauen zwischen den Beteiligten und dem zukünftigen Gelingen der Sonderbeziehung wohl eher abträglich als zuträglich ist. Dies nimmt der Gesetzgeber in den meisten Fällen in Kauf, speziell für familienrechtliche Son199 Dazu

Krebs, Sonderverbindung, S.  214 ff., 510 ff. Zur Zumutbarkeit der Haftung und den sonderverbindungsspezifischen Kriterien, die eine mildere oder verschärfte Haftung gebieten können, siehe Krebs, Sonderverbindung, S.  215. 200 

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derverbindungen hat er jedoch durch eine besondere Verjährungshemmung (vgl. §  207 BGB) einen Anreiz geschaffen, Schadensersatzansprüche während des Fortbestehens der Sonderverbindung nicht geltend zu machen, damit kein unerwünschter Streit in die Beziehung getragen wird, ohne dass dem Geschädigten jedoch der Ausgleichsanspruch infolge Zeitablaufs verfällt. Das den Schutz des Integritätsinteresses bezweckende Schuldverhältnis nimmt also auf der Rechtsfolgenseite auch auf die berechtigten Interessen des potentiellen Schädigers Rücksicht, indem die Zumutbarkeit der Haftung im Einzelfall durch einen geringeren Sorgfaltsmaßstab gewährleistet wird. Nicht überzeugend ist es allerdings, aus diesem Grund die Zumutbarkeit der Haftung für den Schädiger zu einem separaten Zweck der Sonderverbindung zu erklären.201 Bezweckt wird vom Schuldverhältnis allein der Schutz des potentiell Geschädigten, wobei auf Rechtsfolgenseite allerdings auch sonderverbindungsspezifische Besonderheiten zugunsten des potentiellen Schädigers berücksichtigt werden. (4) Zusammenfassung Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass Schuldverhältnisse die Besonderheit aufweisen, dass die Beteiligten erhöhte Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen haben, während die Verteidigungsmöglichkeiten gleichzeitig geringer sind. Dadurch steigt die Gefahr von (einfach) fahrlässig verursachten Schädigungen, die nicht nur über das Deliktsrecht hinausgehende Rücksichtnahmepflichten zugunsten des potentiell Geschädigten rechtfertigen, sondern in besonderen personalen Näheverhältnissen auch einen milderen Haftungsmaßstab zugunsten des potentiellen Schädigers. Gleichzeitig fördern die Rücksichtnahmepflichten sowie die Ausgestaltung der Haftung ein vertrauensvolles Miteinander, das zum Erreichen des Leistungszwecks bzw. dem Gelingen des Schuldverhältnisses beiträgt. Deshalb rechtfertigen die genannten Legitimationsgründe die Ergänzung eines etwaigen vertraglich oder gesetzlich geregelten Leistungsprogramms in Schuldverhältnissen durch gesetzliche Schutz- bzw. Rücksichtnahmepflichten.202 Immer dann, wenn in einer Sonderverbindung erhöhte Einwirkungsmöglichkeiten und eingeschränkte Verteidigungsmöglichkeiten ein besonderes Schutzbedürfnis der Beteiligten gebieten und zugleich ein vertrauensvolles Miteinander für das Gelingen der Sonderverbindung von besonderer Bedeutung ist, kann die Annahme eines Schuldverhältnisses mit besonderen Rücksichtnahmepflichten und unter Umständen einem spezifischen Haftungsmaßstab für einen gerechten Interessenausgleich zwischen den Beteiligten sorgen. Auch in familienrechtlichen Verhältnissen kommt der Sinn und Zweck von Rücksichtnahmepflichten voll zum Tragen, was dafür spricht, auch diese als „normale“ Schuldverhältnisse einzuordnen. 201 So 202 

Krebs, Sonderverbindung, S.  215 f. So auch Grigoleit, FS Canaris (2007), S.  275 (283).

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2. Begriff und Funktion des Rechtsverhältnisses Der Begriff des Rechtsverhältnisses ist demgegenüber weiter als derjenige des Schuldverhältnisses. Ein Rechtsverhältnis ist jede rechtlich geregelte Beziehung zwischen zwei Rechtssubjekten in Bezug auf einen bestimmten Lebenssachverhalt.203 Ein Rechtsverhältnis besteht sehr viel eher zwischen zwei Personen als ein Schuldverhältnis, weil es auch schlicht feststellend regeln kann, wem von zwei Beteiligten z. B. das Eigentum an einer Sache zusteht, wer einen Nachlass geerbt hat, oder welche familienrechtlichen Beziehungen zwischen ihnen bestehen, ohne dass es dabei auf Ansprüche oder Schulden ankommt. Ein Rechtsverhältnis verfolgt nicht zwingend einen positiven Zweck, der erreicht werden soll; vielmehr können auch nur deskriptiv die jeweiligen Rechtssphären der Beteiligten voneinander abgegrenzt und die rechtliche Beziehung zueinander in persönlicher Hinsicht oder in Bezug auf einen Gegenstand feststellend geregelt werden. Umgekehrt ist freilich jedes Schuldverhältnis auch ein Rechtsverhältnis, da schuldrechtliche Beziehungen rechtlichen Regelungen unterworfen sind. Das Schuldverhältnis setzt nur zusätzlich zwingend voraus, dass eine Schuld im Sinne einer (primären oder sekundären) Rechtspflicht besteht, mit der ein positiver Zweck verfolgt wird und deren Erfüllung vom Begünstigten (bei Fehlen etwaiger Einreden) aufgrund eines mit der Schuld korrespondierenden Anspruchs eingefordert werden kann (§  241 BGB). Anders formuliert kann sich jedes Rechtsverhältnis zu einem Schuldverhältnis entwickeln, sobald zwischen den am Rechtsverhältnis Beteiligten konkrete relative Ansprüche entstehen. Dementsprechend kann das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses mithilfe einer Feststellungsklage gemäß §  256 ZPO gerichtlich festgestellt werden, sofern der Kläger ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung hat. An letzterem fehlt es insbesondere dann, wenn dem Kläger ein Leistungsanspruch gegen den Beklagten zusteht: Obwohl auch das Schuld­ verhältnis im engeren Sinne ein Rechtsverhältnis ist, fehlt dem Kläger für eine Klage auf Feststellung des Bestehens eines behaupteten Anspruchs das Rechtsschutzbedürfnis, denn er kann in diesem Fall eine weitergehende Leistungs­ klage erheben, durch die er – anders als bei der Feststellungsklage – einen vollstreckungsfähigen Titel erwirken kann.

III. Anwendbarkeit des allgemeinen Schuldrechts auf familienrechtliche Verhältnisse Ausgehend von den Funktionen eines Schuldverhältnisses spricht nach den vorstehenden Ausführungen mithin alles dafür, dass es sich auch bei familienrechtlichen Rechtsverhältnissen um Schuldverhältnisse handeln kann. Nichtsdesto203 

Medicus, AT, Rn.  54–58; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, Vor §  19 Rn.  1.

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trotz stößt diese Annahme vor allem in der Literatur (immer noch) auf deutliche Kritik, die sich gegen eine (unmittelbare) Anwendung des allgemeinen Schuld­ rechts auf Familienverhältnisse ausspricht, wobei eine analoge Anwendung überraschender- und bemerkenswerterweise wiederum befürwortet wird. Die Rechtsprechung ist insofern sehr zurückhaltend und hat sich bisher einer eindeutigen Positionierung enthalten. Im Folgenden soll daher nach einer Auseinandersetzung mit den vertretenen Meinungen dargelegt werden, dass im Grund­ satz das allgemeine Schuldrecht auch im Familienrecht anwendbar ist, soweit sich im vierten Buch des BGB keine Spezialvorschriften finden und die allgemeinen Vorschriften nach ihrem Sinn und Zweck auch für familienrechtliche Rechtsverhältnisse passen. 1. Darstellung des Meinungsstands a) Familienrechtliche Rechtsverhältnisse seien keine Schuldverhältnisse „Die Ehe ist kein Schuldverhältnis“ – mit dieser provokanten Überschrift nimmt Erbarth Stellung zu der Frage der Abgrenzung familienrechtlicher Verhältnisse von Schuldverhältnissen. Durch die Einordnung familiärer Rechtsverhältnisse als Schuldverhältnisse werden seiner Meinung nach „die gravierenden Unterschiede“ zwischen diesen Rechtsverhältnissen „ebenso verschleiert wie die Fragen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen bei Pflichtverletzungen im Rahmen familienrechtlicher Rechtsverhältnisse §  280 I BGB angewendet werden kann“.204 Schon die Überschrift und Einleitung versprechen mithin ein leidenschaftliches Plädoyer gegen die Anwendbarkeit des allgemeinen Schuldrechts auf familienrechtliche Rechtsverhältnisse, doch weit gefehlt: Im Ergebnis bejaht Erbarth zwar keine direkte, aber doch eine analoge Anwendung der Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts. Bedenkt man, dass für eine Analogie eine Vergleichbarkeit des geregelten mit dem ungeregelten Fall erforderlich ist, können die Unterschiede kaum so „gravierend“ sein. Dennoch lehnt Erbarth es ab, die Ehe als schuldrechtlichen Vertrag anzusehen, da ein Schuldverhältnis nach seiner Definition zwingend eine Pflicht zur Leistung, verstanden als die bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens, voraussetze, die entweder von vornherein vorhanden sein oder später zur Entstehen gelangen könne.205 Die Einigung im Rahmen des Eheschlusses habe demgegenüber eine personenrechtliche Zuordnung zum Gegenstand und gerade keine Leistung in dem genannten Sinne. Daran ist freilich schon die Prämisse falsch, dass ein Schuldverhältnis stets eine Leistungspflicht zum Gegenstand haben muss. Erbarth beruft sich für seine Definition auf Gernhuber,206 204 

Erbarth, NJW 2013, 3478. Erbarth, NJW 2013, 3478 (3479). 206  Gernhuber, Schuldverhältnis, §  2 I 6, S.  12. 205 

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dessen Stellungnahme sich allerdings auf eine Rechtslage lange vor der Schuld­ rechtsreform bezieht, als es eine dem §  241 Abs.  2 BGB entsprechende Regelung im Gesetz noch nicht gab. Nach heutiger Rechtslage kann es auch Schuldverhältnisse ohne Leistungspflichten geben (siehe nur §§  311 Abs.  2, 3, 241 Abs.  2 BGB), weshalb deren Fehlen keinen Rückschluss darauf zulässt, ob das zugrunde liegende Rechtsverhältnis ein Schuldverhältnis ist oder nicht. Um seine These konsequent durchzuhalten, lässt sich Erbarth sogar zu der unhaltbaren Äußerung hinreißen, dass selbst Unterhaltsansprüche nach §§  1361 Abs.  1, 1570 ff. BGB nicht zu einer Leistung verpflichten würden, da sie nicht der Mehrung fremden Vermögens dienten.207 Es erscheint als Schlussfolgerung durchaus gewagt, auf dieser Basis „die Einordnung des familienrechtlichen Rechtsverhältnisses Ehe als Schuldverhältnis oder auch nur die Einordnung einzelner Rechte und Pflichten als schuldrechtliche (…)“ für überholt und „nicht mehr der aktuellen Dogmatik im Familienrecht“208 entsprechend anzusehen, zumal wenn der Autor im Widerspruch dazu wenig später schreibt, dass zwischen den Ehe­ gatten ein „familienrechtliches gesetzliches Schuldverhältnis“209 bestehe. Wenig konsequent erscheint es außerdem, wenn Erbarth auf die Verletzung von Schutz­ pflichten §  280 Abs.  1 BGB zwar nicht unmittelbar, aber dann doch im Wege der Analogie anwenden will, und zwar mit der Begründung, dass „[h]insichtlich der Schutzpflichten (…) der familien- und schuldrechtsübergreifende Grundsatz [bestehe], dass die Pflichtverletzung einer Schutzpflicht in einem Rechtsverhältnis durch Schadensersatzansprüche sanktioniert ist.“210 Damit schließt er sich der im Folgenden zu untersuchenden Auffassung von Coester-Waltjen an, die allerdings – wie zu zeigen sein wird – ebenfalls keine überzeugende Begründung dafür liefern kann, warum familienrechtliche Rechtsverhältnisse im Hinblick auf Schutz- und Rücksichtnahmepflichten keine Schuldverhältnisse sein sollen. b) Das familienrechtliche gesetzliche Schutzverhältnis Coester-Waltjen vertritt die These, dass „in allen familienrechtlichen Rechtsverhältnissen ein allgemeines gesetzliches Schutzverhältnis mit entsprechenden Schutzpflichten aus dieser Sonderverbindung enthalten ist“211. Die Verhaltensanforderungen, die sich aus diesen Schutzpflichten ergeben, könnten je nach Art des entsprechenden Rechtsverhältnisses in Intensität und Ausgestaltung variieren. Nach Ansicht von Coester-Waltjen gehe es um gesetzlich vorgesehene Schutzpflichten, die aus der Sonderbeziehung zwischen zwei Menschen erwach207 So

Erbarth, NJW 2013, 3478 (3480). Erbarth, NJW 2013, 3478 (3481). 209 So Erbarth, NJW 2013, 3478 (3483), der damit Coester-Waltjen, FS Canaris (2007), S.  131 (139 f.) zitiert. 210  Erbarth, NJW 2013, 3478 (3480, 3483). 211  Coester-Waltjen, FS Canaris (2007), S.  131 (134). 208 

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sen und aus dieser legitimiert werden, die gesondert vom sonstigen Rechte- und Pflichtengefüge des familienrechtlichen Rechtsverhältnisses bestehen und daher auch in ihrer Sanktionierung unterschiedlichen Grundsätzen unterliegen können. Es könne sich dabei um ein Schutzverhältnis handeln, das neben ein gesetzliches, vertragliches oder vertraglich modifiziertes Rechte- und Pflichtennetz trete. Es könne aber auch ein nur aus Schutzpflichten bestehendes Rechtsverhältnis sein.212 Für das Innenverhältnis sei es unerheblich, ob das familienrechtliche Rechtsverhältnis als absolutes Recht geschützt sei, weil dies allenfalls im Außenverhältnis eine Rolle spiele.213 Entscheidend sei vielmehr, ob und wieweit sich innerhalb der familienrechtlichen Beziehung aus den gesetz­lichen Schutzpflichten die Pflicht zu einem bestimmten positiven Tun oder Unterlassen zu einer Rechtspflicht verdichte.214 Anders als die überwiegenden Stimmen in der familienrechtlichen Literatur, die derartige Schutzverhältnisse als Schuldverhältnisse einordnen, sich dann aber teilweise an der Anwendung schuldrechtlicher Regelungen stören (dazu gleich), geht Coester-Waltjen davon aus, „dass die aus familienrechtlichen Sonderbeziehungen erwachsenden Schutzverhältnisse gerade keine Schuldverhältnisse, sondern Schutzverhältnisse eigener Art sind, für die in erster Linie familienrechtliche Regelungen gelten, für die aber auch – soweit mit dem familienrechtlichen Charakter vereinbar – auf allgemeine Regelungen und damit auch auf einige Bestimmungen des Allgemeinen Schuld­ rechts zurückgegriffen werden kann.“ Eine „Verschuldrechtlichung“ der Schutz­ pflichten sei dazu weder erforderlich noch passend. Letzteres zeige sich deutlich an dem „völlig unterschiedlichen Charakter der Sonderverbindungen im Familienrecht einerseits und der im Schuldrecht verankerten Vertrauenshaftung, die für rechtsgeschäftliche Tatbestände entwickelt wurde.“215 Diese Ansicht überzeugt ebenfalls wenig. Die wesentlichen Unterschiede zwischen dem von Coester-Waltjen kreierten gesetzlichen Schutzverhältnis und dem „schuldrechtlichen Schuldverhältnis“ sieht sie zum einen darin, dass die familienrechtlichen Rechtsverhältnisse in den meisten Fällen ohnehin gesetzlicher und gerade nicht vertraglicher Art seien, weshalb insofern ein gesetzliches Schuldverhältnis neben ein ohnehin gesetzlich geregeltes Rechtsverhältnis gestellt oder in ein solches integriert würde.216 Inwiefern der Aspekt, dass ein Rechtsverhältnis kraft Gesetzes entstanden ist, der Annahme eines (gesetzlichen) Schuldverhältnisses entgegenstehen soll, wird bezeichnenderweise nicht näher begründet und bleibt rätselhaft. Schon die Tatsache, dass man im Schuld­ recht in der Lage ist, zwischen vertraglichen und gesetzlichen Schuldverhältnis-

212 

Coester-Waltjen, FS Canaris (2007), S.  131 (134 f.). Coester-Waltjen, FS Canaris (2007), S.  131 (135 f.). 214  Coester-Waltjen, FS Canaris (2007), S.  131 (136). 215  Coester-Waltjen, FS Canaris (2007), S.  131 (136). 216  Coester-Waltjen, FS Canaris (2007), S.  131 (137). 213 

B. Verhältnis von allgemeinem Schuldrecht und Familienrecht

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sen zu unterscheiden, belegt, dass die gesetzliche Natur eines Rechtsverhältnisses die Qualifikation als Schuldverhältnis nicht ausschließt. Zum anderen liegt nach Ansicht von Coester-Waltjen ein bedeutsamer Unterschied darin, dass im rechtsgeschäftlichen Verkehr neben die gesetzlichen Schutzpflichten Leistungspflichten träten, die in der Regel leicht gegenüber den Schutzpflichten abgrenzbar seien, während familienrechtliche Rechtsverhältnisse häufig gerade durch personale Rechte und den ihnen inhärenten Schutz von Rechtspositionen geprägt seien, die sich nicht leicht von den Schutzpflichten sondern ließen.217 Auch dieses Argument kann jedoch nicht überzeugend begründen, warum familienrechtliche Rechtsverhältnisse keine Schuldverhältnisse sein sollten: Auch in familienrechtlichen Rechtsverhältnissen gibt es neben Schutzpflichten Leistungspflichten, namentlich die Unterhaltspflichten, die von den personalen und vermögensrechtlichen Schutz- und Rücksichtnahmepflichten leicht abgegrenzt werden können, ganz abgesehen davon, dass es auch Schuldverhältnisse ohne primäre Leistungspflichten gibt (§§  311 Abs.  2, 3, 241 Abs.  2 BGB). Deshalb sagt das Bestehen von Leistungspflichten – wie schon mehrmals ausgeführt – nichts darüber aus, ob ein Schuldverhältnis vorliegt oder nicht. Und dass sich in familienrechtlichen Rechtsverhältnissen personale Pflichten nicht leicht von Schutzpflichten trennen lassen, weil diese zum Teil ineinander übergehen oder sogar identisch sind, spricht nicht gegen, sondern vielmehr für die Annahme eines Schuldverhältnisses (mit lediglich besonderen zusätzlichen Pflichten), jedenfalls soweit es sich bei den personalen (Schutz-) Pflichten um echte Rechtspflichten handelt. Schließlich rechtfertigt sich die (ohnehin unklare) „gedankliche Trennung dieser unterschiedlichen Rechtsverhältnisse“218 auch nicht – wie Coester-Waltjen meint – dadurch, dass nur so „den besonderen Eigenarten der Sanktionierung von Pflichtverletzungen und den begrenzten Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung im Familienrecht Rechnung“219 getragen werden könne. Auch bei Annahme eines Schuldverhältnisses, auf das im Grundsatz die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts anwendbar sind, können und müssen selbstverständlich die Besonderheiten des jeweiligen Rechtsverhältnisses berücksichtigt ­werden. Dementsprechend kennt auch das Schuldrecht Privilegierungen im Hinblick auf den Sorgfaltsmaßstab, wie etwa im Rahmen des gesetzlichen Rückgewährschuldverhältnisses in §  346 Abs.  3 Nr.  3 BGB oder der Gesellschaft bürgerlichen Rechts in §  708 BGB. Derartige Spezialregelungen, wie sie auch das Familienrecht in §§  1359, 1664 BGB kennt, haben selbstverständlich als ­leges speciales Vorrang vor den allgemeinen Regeln (§§  276 ff. BGB); dafür bedarf es der von Coester-Waltjen vorgeschlagenen gedanklichen Trennung nicht. 217 

Coester-Waltjen, FS Canaris (2007), S.  131 (137). Coester-Waltjen, FS Canaris (2007), S.  131 (137). 219  Coester-Waltjen, FS Canaris (2007), S.  131 (137). 218 So

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Kapitel 2:  Grundlagen der Haftung im Familienrecht

Außerdem sind gerade die Rücksichtnahmepflichten gemäß §  241 Abs.  2 BGB in einer Generalklausel umschrieben, deren Auslegung und Anwendung im Einzelfall genug Raum für die Berücksichtigung der Besonderheiten des jeweiligen Schuldverhältnisses lässt. Der Umstand, dass auch Coester-Waltjen letztlich eine analoge Anwendung der Regelungen des allgemeinen Schuldrechts – insbesondere eine Schadensersatzpflicht im Fall der schuldhaften Verletzung einer Schutzpflicht220 – befürwortet,221 zeigt deutlich, dass die Annahme eines besonderen familienrechtlichen gesetzlichen Schutzverhältnisses, das etwas anderes als ein Schuldverhältnis sein soll, mehr Wort- und Begriffsspielerei als eine in der Sache überzeugende Differenzierung darstellt. c) Das gesetzliche Rechtsverhältnis familienrechtlicher Art (1) Die Entscheidung des BGH von 2002 zum Schadensersatz bei Umgangsvereitelung (a) Problembeschreibung und Entscheidungsgründe Im Jahr 2002 hatte der BGH 222 einen Fall zu entscheiden, bei dem es um die rechtliche Frage ging, ob ein umgangsberechtigter Vater im Fall der Nichtbefolgung einer gerichtlichen Umgangsregelung durch die sorgeberechtigte Mutter die ihm dadurch entstandenen Mehrkosten über einen Schadensersatzanspruch von der Mutter erstattet verlangen kann. Er hat entschieden, dass das jedem Elternteil nach §  1684 Abs.  1 BGB eröffnete Recht zum Umgang mit dem Kind zwischen dem Umgangsberechtigten und dem zur Gewährung des Umgangs Verpflichteten ein „gesetzliches Rechtsverhältnis familienrechtlicher Art“ begründe, das durch §  1684 Abs.  2 S.  1 BGB näher ausgestaltet werde und an dem das Kind als Begünstigter teilhabe. „Da die mit der Ausübung des Umgangsrechts verbundenen Kosten grundsätzlich vom Umgangsberechtigten zu tragen sind (…), umfasst dieses gesetzliche Rechtsverhältnis die – auch im wohl­ verstandenen Interesse des Kindes liegende – Pflicht, bei der Gewährung des Umgangs auf die Vermögensbelange des Umgangsberechtigten Bedacht zu neh220  Siehe nur Coester-Waltjen, FS Canaris (2007), S.  131 (132): „Es ist evident, dass auch in familienrechtlichen Verhältnissen ein legitimes Bedürfnis bestehen kann, das nicht pflichtgemäße Verhalten eines Teils durch Schadensersatzansprüche bezüglich der aus diesen Pflichtwidrigkeiten entstehenden Vermögensschäden zu sanktionieren, obwohl das Familienrecht selbst dafür jedenfalls ausdrücklich keine Anspruchsgrundlage vorsieht.“ (…) „Es liegt nahe, hier [d. h. für die Behandlung von Schadensersatzansprüchen] Lösungen in Anlehnung an das Allgemeine Schuldrecht zu suchen, soweit dieses auch auf familienrechtliche Schutzverhältnisse passende Regelungen enthält“ (S.  141). 221  Coester-Waltjen, FS Canaris (2007), S.   131 (139 ff.); ebenso in Gernhuber/Coester-­ Waltjen, Familienrecht, §  3 Rn.  35. 222  BGH v. 19.6.2002 – XII ZR 173/00, NJW 2002, 2566; zustimmend Henrich, JZ 2003, 49; Hohloch, FF 2004, 202; Hohloch, LM 2002, §  1634 BGB Nr.  14; Löhnig, JA 2003, 102; Rakete-Dombek, FF 2002, 210; Weychardt, FamRZ 2003, 927.

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men und diesem die Wahrnehmung seines Umgangsrechts mit dem Kind nicht durch die Auferlegung unnötiger Vermögensopfer zu erschweren oder gar – dem ­K indeswohl und Kindesrecht zuwider – für die Zukunft zu verleiden. Eine ­Ver­letzung dieser Verpflichtung kann – unter Heranziehung der zur positiven Forderungsverletzung entwickelten Grundsätze – Schadensersatzpflichten des Verletzers gegenüber dem umgangsberechtigten Elternteil auslösen.“223 Ein Schwerpunkt der Erörterungen des BGH liegt dann auf der Begründung des Vorliegens einer Pflichtverletzung der sorgeberechtigten Mutter wegen der Miss­ achtung der familiengerichtlichen Umgangsrechtsentscheidung, was an dieser Stelle nicht weiter vertieft werden soll.224 (b) Kritik in der Literatur Diese Entscheidung ist in der familienrechtlichen Literatur als eine „,Verschuld­ rechtlichung‘ persönlicher Pflichten des Familienrechts“ zum Teil stark kritisiert worden.225 Im Wesentlichen bestehen die Bedenken gegen die Anwendung schuldrechtlicher Regelungen auf personale familienrechtliche Pflichten wegen der befürchteten Gefahr ausufernder Ersatzpflichten zwischen Familienmitgliedern sowie der Sanktionierung von höchstpersönlichen Pflichten aus dem inneren Bereich des Privat- und Familienlebens. Die lange Zeit vorherrschende Rechtsauffassung hielt die Anwendung von schuldrechtlichen Regeln auf personale familienrechtliche Pflichten für unangemessen. Insbesondere Schwab226 ist der Ansicht, dass §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2, 311 Abs.  2 und 3 BGB keine taugliche Rechtsgrundlage für Schadensersatzansprüche bilden. Seines Erachtens gibt es im deutschen Familienrecht gerade keinen allgemeinen Satz, der da lautet: „Wer gegen familienrechtliche Pflichten verstößt, ist dem Pflichtbegünstigten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet“.227 Er folgt dem BGH zwar hinsichtlich der Annahme, dass auch zwischen Eltern ein gesetzliches Rechtsverhältnis bestehe, schuldrechtliche Regeln seien allerdings nur auf Leistungspflichten anwendbar, die wirtschaftlicher Natur seien; personale familienrechtliche Pflichten unterstünden hingegen nicht der Ordnung vermögensrechtlicher Abwicklungsmechanismen.228 Dass höchstpersönliche Pflichten 223 

BGH v. 19.6.2002 – XII ZR 173/00, NJW 2002, 2566. Zu diesem Problem noch ausführlich unten Kap.  5 B., S. 400 ff. 225  Ausdruck von Schwab, FamRZ 2002, 1297; vorsichtiger schon in Schwab, Familienrecht, Rn.  734 (es sei „problematisch, die primär persönlich geprägten familienrechtlichen Beziehungen in ihrem Kern dem Schuldrecht zuzuordnen“); ebenfalls kritisch Heiderhoff, FamRZ 2004, 324; Johannsen/Henrich/Jaeger, §  1684 BGB Rn.  30a (allenfalls Schadensersatz aus §  826 BGB); Schlüter, Familienrecht, Rn.  412 („Ob die Heranziehung der Grundsätze der positiven Forderungsverletzung für die Verletzung personaler familienrechtlicher Pflichten zulässig ist, erscheint … als sehr problematisch“). 226  Schwab, FamRZ 2002, 1297. 227  Schwab, FamRZ 2002, 1297 (1298). 228  Schwab, FamRZ 2002, 1297 (1298 f., 1303). 224 

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Kapitel 2:  Grundlagen der Haftung im Familienrecht

nicht mit unmittelbarem Zwang durchsetzbar sein sollen, zeige schon §  888 Abs.  3 ZPO a. F. (heute: §  120 Abs.  3 FamFG). Seine Befürchtung ist vor allem, dass durch die Rechtsprechung des BGH nun sämtliche höchstpersönlichen familienrechtlichen Pflichten mit der Begründung, sie bestünden auch um der Vermögensinteressen eines anderen Familienmitglieds willen, dem Recht der gestörten Schuldverhältnisse unterworfen werden können.229 (c) Stellungnahme Diese Bedenken sind unbegründet. Kritisieren mag man an der BGH-Entscheidung allenfalls, dass er keine Anspruchsgrundlage für den bejahten Schadens­ ersatzanspruch benennt und sich ersichtlich scheut, das familienrechtliche Rechtsverhältnis als Schuldverhältnis mit den dort vorhandenen Anspruchsgrundlagen zu qualifizieren. Da er diesen Schritt in dieser Entscheidung (noch) nicht explizit gehen wollte, erfand er das „gesetzliche Rechtsverhältnis fami­ lienrechtlicher Art“, aus dem sich bestimmte Pflichten ergeben, die im Falle der Verletzung Schadensersatzpflichten nach sich ziehen. Entgegen der Kritik in der Literatur geht es in dem vom BGH entschiedenen Fall nicht darum, ein spezifisch familienrechtliches Problem zu „verschuld­ rechtlichen“, obwohl dieses eigentlich – wenn überhaupt – im Familienrecht ­geregelt sein müsste, sondern vielmehr um die Beurteilung der rechtlichen Konsequenzen einer schädigenden Beeinträchtigung einer familienrechtlichen Rechtsposition.230 Dass das Umgangsrecht und die daraus fließenden Berechtigungen und Verpflichtungen zur Kooperation und Zusammenarbeit im Verhältnis zum anderen Elternteil familienrechtlichen Charakter haben, ist unstreitig. Die hier interessierenden schadensrechtlichen Rechtsfolgen im Falle einer Beeinträchtigung von anerkannten Rechtspositionen richtet sich jedoch – egal ob die beeinträchtigte Rechtsposition schuld-, sachen-, familien- oder erb­rechtlicher Natur ist – nach den allgemeinen Vorschriften des Schadensrechts, die für alle Rechtspositionen im allgemeinen Schuldrecht geregelt sind. Die Besonderheiten des Familienrechts können und müssen allein im Rahmen der Tatbestandsvoraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nach §  280 Abs.  1 BGB – namentlich der Pflichtverletzung und des Verschuldens – berücksichtigt werden. Steht als Pflichtverletzung die Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht im Sinne von §  241 Abs.  2 BGB im Raum, muss stets einzelfall- und situationsbezogen ermittelt werden, inwieweit eine solche tatsächlich 229  Schwab, FamRZ 2002, 1297 (1303). Auch Heiderhoff, FamRZ 2004, 324 (326), lehnt die Entscheidung des BGH ab, wendet sich dabei aber vor allem gegen die grundsätzliche An­ nahme einer Pflichtverletzung durch den BGH im Falle der Missachtung einer gerichtlichen Umgangsrechtsentscheidung, unabhängig davon, aus welchen Gründen der sorgeberechtigte Elternteil von der Umgangsanordnung abweicht; sie befürchtet dadurch eine Beeinträchtigung der Kindesinteressen. 230 Richtig Hohloch, FF 2004, 202 (206).

B. Verhältnis von allgemeinem Schuldrecht und Familienrecht

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besteht. Dabei ist der familienrechtliche Kontext zu berücksichtigen. Dementsprechend darf die Entscheidung des BGH nicht dahin verstanden werden, dass im Falle einer gerichtlichen Umgangsrechtsentscheidung auch dann eine Pflichtverletzung des sorgeberechtigten Elternteils anzunehmen ist, wenn im Einzelfall das Kindeswohl (z. B. wegen Erkrankung des Kindes) einer Befolgung der Umgangsanordnung entgegensteht, 231 wofür freilich der sorgeberechtigte Elternteil die Beweislast trägt.232 Es ging dem BGH offensichtlich nur darum zu verhindern, dass der sorgeberechtigte Elternteil, der mit einer Umgangsrechtsentscheidung grundsätzlich nicht einverstanden ist, die gerichtliche Anordnung einfach unter Berufung auf das – nach eigener Einschätzung beeinträchtigte – Kindeswohl unterlaufen kann. Das schließt nicht aus, dass an einzelnen Umgangsrechtstagen die konkrete Situation eine von der gerichtlichen Anordnung abweichende Beurteilung durch den sorgeberechtigten Elternteil unter Kindeswohlgesichtspunkten erlaubt; 233 die Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem umgangsberechtigten Elternteil verlangt in diesem Fall jedoch eine rechtzeitige Mitteilung und Unterrichtung über die Gründe, die bei Zweifeln des umgangsberechtigten Elternteils vom sorgeberechtigten Elternteil nachgewiesen werden müssen (z. B. durch ein ärztliches Attest). Durch die Anwendung des allgemeinen Schadensausgleichsrechts und folglich des allgemeinen Schuldrechts droht mithin keine unreflektierte „Verschuld­ rechtlichung“ personaler familienrechtlicher Pflichten. Dass eine schuldhafte Pflichtverletzung bei verursachten Schäden zu Schadensersatzansprüchen führt, gilt für das gesamte BGB. Davon sind mangels anderslautender Regelung auch familienrechtliche Pflichten nicht ausgenommen; im Gegenteil kann man §§  1359, 1664 BGB entnehmen, dass auch die Verletzung der sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen sowie der Pflicht zur elterlichen Sorge Schadensersatzansprüche zur Folge haben können. Lehnt man richtigerweise die Ansicht ab, die in §  1664 BGB eine eigene Anspruchsgrundlage und 231 

So aber Heiderhoff, FamRZ 2004, 324 (326). Wie hier Schwab, FamRZ 2002, 1297 (1301). Befürchtung von Heiderhoff, FamRZ 2004, 324 (326), dass der sorgeberechtigte Elternteil wegen des Risikos, dass seine persönliche Beurteilung des Kindeswohls der des Gerichts nicht entspricht, unter Druck geraten würde, der ihn leicht von einer Berücksichtigung der Kindesinteressen abhalten kann, ist nicht berechtigt. Wenn sich der sorgeberechtigte Elternteil unsicher ist, ob das Wohl des Kindes durch eine Befolgung der Umgangsrechtsentscheidung ernsthaft beeinträchtigt ist, muss er Spezialisten (z. B. einen Arzt) zu Rate ziehen. Der Schutz der berechtigten Interessen des umgangsberechtigten Elternteils gebietet hier einen eher strengen Maßstab, damit sein Umgangsrecht nicht einfach mittels unbegründeter Vorwände unterlaufen werden kann. 233  Dafür ist auch nicht die Einholung einer einstweiligen Anordnung erforderlich. Der Hinweis des BGH v. 19.6.2002 – XII ZR 173/00, NJW 2002, 2566 (2567), auf die Möglichkeit, dass das Beschwerdegericht durch einstweilige Anordnung die Vollziehung der familiengerichtlichen Entscheidung aussetzen oder diese durch eine eigene vorläufige Regelung modifizieren könne, bezieht sich ebenfalls nur auf Sachverhaltskonstellationen, in denen der sorgeberechtigte Elternteil eine grundsätzliche Änderung der Umgangsrechtsentscheidung begehrt. 232  Die

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Kapitel 2:  Grundlagen der Haftung im Familienrecht

nicht nur eine Vorschrift zum Haftungsmaßstab sieht, so bleibt als Anspruchsgrundlage nur ein Rückgriff auf §  280 Abs.  1 BGB. Entgegen der Ansicht von Schwab muss also nicht etwa die Schadensersatzpflicht positiv im Familienrecht normiert werden, sondern müsste umgekehrt die Ausnahme von dem allgemeinen Grundsatz, dass derjenige, der gegen (familienrechtliche) Pflichten verstößt, dem Begünstigten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet ist, im Familienrecht geregelt sein. (2) Die Entscheidung des BGH von 2013 zum Schadensersatz wegen Unterhalts für ein scheineheliches Kind In einer weiteren Entscheidung des BGH aus dem Jahr 2013234 ging es um die Frage, ob eine Frau, die ihrem Ehemann verschwiegen hat, dass das während der Ehe gezeugte Kind nicht von ihm abstammt, für die vom Scheinvater für das Kind aufgewendeten Unterhaltsleistungen schadensersatzpflichtig ist. Der BGH lehnte zunächst deliktische Ansprüche ab, 235 bevor er im Hinblick auf schuld­ rechtliche Ansprüche ausführte: „Als Anspruchsgrundlage für einen ent­ sprechenden Schadensersatzanspruch käme allenfalls §  280 BGB in Betracht“, wobei er auf seine Entscheidung aus dem Jahr 2002 zum Schadensersatz bei Umgangsvereitelung verwies. Da der BGH jedoch der Ansicht war, dass der Scheinvater (im Fall: dessen Erbin) die Schadensentstehung sowie den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nicht ausreichend dargelegt habe, konnte er dahinstehen lassen, ob §  280 BGB überhaupt anwendbar ist.236 Nichtsdestotrotz kann man auch dieser Entscheidung des BGH entnehmen, dass er einen Rückgriff auf das allgemeine Schuldrecht für gangbar hält, auch wenn er sich bisher scheut, die Qualifikation familienrechtlicher Rechtsverhältnisse beim Namen zu nennen und von einem Schuldverhältnis zu sprechen. In dieser Entscheidung hat er den Prüfungspunkt „Schuldverhältnis“ in §  280 Abs.  1 BGB geflissentlich übergangen und unmittelbar die Pflichtverletzung angesprochen, die er – gestützt auf eine frühere Entscheidung237 – bejahte, da zwischen den Ehegatten ein „sonstiges familienrechtliches Verhältnis“ bestünde, kraft dessen die Ehefrau verpflichtet sei, ihrem (Ex-)Ehemann Auskunft über den biologischen Vater zu geben.238

234 

BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108. Dazu noch ausführlich unten Kap.  3 C.III.3.d), S. 217 ff. 236  Kritisch dazu noch unten Kap.  3 C.III.3.d)(4)(a), S. 244 ff. 237  BGH v. 9.11.2011 – XII ZR 136/09, NJW 2012, 450. 238  Ausführlich zu dieser Entscheidung und der relevanten Pflichtverletzung noch unten Kap.  3 C.III.3.d)(2)(a), (c), (3), (4), S. 222 ff., 232 ff., 238 ff., 244 ff. 235 

B. Verhältnis von allgemeinem Schuldrecht und Familienrecht

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d) Familienrechtliche Verhältnisse seien (gesetzliche) Schuldverhältnisse Auch wenn der BGH bei familienrechtlichen Rechtsverhältnissen bisher (noch) nicht von Schuldverhältnissen spricht, so hat er in der Sache mit den genannten Entscheidungen anerkannt, dass die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts – insbesondere §  280 Abs.  1 BGB – auch auf familienrechtliche Rechtsverhältnisse anwendbar sind. Dies entspricht einer in der Literatur immer stärker werdenden Ansicht, die familienrechtliche Rechtsverhältnisse (auch) als Schuldverhältnisse qualifiziert. Schon Petersen hat in einem didaktischen Beitrag zur Rechtslage vor der Schuldrechtsreform herausgearbeitet, dass „das familienrechtliche Schutzverhältnis“ ein gesetzliches Schuldverhältnis sei.239 Petersen lehnt die h. M. ab, die in §  1664 BGB eine Anspruchsgrundlage sieht, und befürwortet eine Lösung, die die Grundsätze zur früheren positiven Forderungsverletzung in das Familienrecht überträgt. Zwischen Eltern und ihren Kindern bestehe ein gesetzliches Schuldverhältnis, aus dem umfangreiche Schutzpflichten resultierten. Ähnlich wie beim Verlöbnis handele es sich um ein „gesetzliche(s) Rechtsverhältnis ohne primäre Leistungspflichten.“240 Anspruchsgrundlage für Schadensersatz­ ansprüche bei Schutzpflichtverletzungen ist seines Erachtens mithin eine positive Forderungsverletzung des gesetzlichen Schuldverhältnisses, sofern nicht die Haftungsprivilegierung des §  1664 BGB einem Anspruch entgegenstehe.241 Auch Preisner kommt in ihrer Dissertation zu dem Ergebnis, dass die gemeinsame Elternschaft die Eltern eines Kindes zu einem gesetzlichen (mit­ treuhänderischen) Dauerschuldverhältnis verbindet.242 Gleichermaßen ist in den großen Lehrbüchern zum Familienrecht sowie den Kommentierungen zu lesen, dass „(d)ie Bestimmungen des (allgemeinen Teils) des Schuldrechts (…) grundsätzlich ebenfalls auf familienrechtlich begründete Schuldverhältnisse anwendbar“ sind.243 Wellenhofer spricht ausdrücklich davon, dass es sich beim Sorgerechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern um gesetzliche Schuld­ verhältnisse handele, so dass §  280 Abs.  1 BGB im Grundsatz anwendbar sei; das Gleiche vertritt sie im Hinblick auf die eheliche Lebensgemeinschaft, zu239 

Petersen, Jura 1998, 399. Petersen, Jura 1998, 399 (400). 241  Petersen, Jura 1998, 399 (400), wobei er die positivrechtliche Grundlage für das Schuldverhältnis in §  1664 Abs.  1 i. V. m. §  1618a BGB sieht. 242  Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, S.  277 ff. Zur Kritik an deren Auffassung siehe noch unten Kap.  5 B.III.1.b), S. 404 ff. 243  Rauscher, FamR, Rn.  61. Ebenso MüKoBGB/Koch, Einl. zum Familienrecht, Rn.  63. Etwas knapp und unklar – im Ergebnis aber wohl ebenso – Staudinger/Voppel, Einl. zum Familienrecht Rn.  38. Muscheler, Familienrecht, Rn.  34, plädiert hingegen – ebenso wie Coester-­Waltjen, FS Canaris (2007), S.   131 (139 ff.; dazu bereits oben Kap.   2 B.III.1.b), S. 57 ff.; siehe auch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  3 Rn.  35) – für eine nur analoge Anwendbarkeit der Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts. 240 

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Kapitel 2:  Grundlagen der Haftung im Familienrecht

mindest soweit es sich um Streitigkeiten vermögensrechtlicher Art handelt.244 Diese Ansicht verdient Zustimmung. 2. Systematische Stellung und historische Entwicklung Sieht man sich die systematische Stellung sowie die historische Entwicklung des Familienrechts etwas genauer an, so lassen sich auch unter diesen Aspekten für die zuletzt genannte Meinung einige Argumente finden. Das Familienrecht ist ein zentraler Bestandteil des Bürgerlichen Gesetzbuchs und heute wieder einheitlich im vierten Buch normiert, nachdem wesentliche Teilbereiche, namentlich das Recht der Eheschließung, der Ehehindernisse einschließlich der Folgen von Mängeln sowie das Ehescheidungsrecht, infolge der Rasseideologie des Nationalsozialismus 1938 in das Ehegesetz ausgegliedert worden waren. Ab 1945 begannen die Besatzungsmächte jedoch, die bestehenden Vorschriften von na­ tionalsozialistischem Gedankengut zu befreien. In Bezug auf das Familienrecht entschloss sich der Alliierte Kontrollrat, das Ehegesetz bereinigt von den rasse­ ideologischen Verirrungen mit Wirkung zum 1.3.1946 in neuer Fassung in Kraft zu setzen. Damit blieb das Ehegesetz von 1938 in der Kontrollratsfassung noch lange Zeit nach dem Krieg in Geltung, und zwar das Scheidungsrecht bis 1977245 und das Eheschließungsrecht sogar bis 1998246 . Erst in diesem Jahr wurde durch die Reintegrierung des Eheschließungsrechts in das vierte Buch des BGB der ursprüngliche Zustand von 1900 wieder hergestellt.247 Die uns heute geläufige Systematik des BGB mit seiner Einteilung in fünf Bücher geht auf das Pandektensystem zurück. Dieser Aufbau ist keineswegs selbstverständlich, wie ein Blick in die Geschichte zeigt. Im Laufe der rechtshistorischen Entwicklung haben sich im Hinblick auf die systematische Anordnung des bürgerlich-rechtlichen Rechtsstoffes im Wesentlichen drei unterschiedliche Systeme herausgebildet: das Institutionensystem, das naturrechtliche System und das Pandektensystem.248 Das Institutionensystem, das auf den ca. 160 n.Chr. entstandenen Institutiones, einem Anfängerlehrbuch des römischen 244 

Wellenhofer, Familienrecht, §  11 Rn.  8 , §  33 Rn.  24. Gesetz zur Reform des Ehe- und Familienrechts (1. EheRG) vom 14.6.1976 (BGBl. I 1976, S.  1421), durch das ein neues Scheidungsrecht auf der Grundlage des Zerrüttungsprinzips eingeführt wurde. 246 Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (Eheschließungsrechtsgesetz – Eheschl­RG) vom 4.5.1998 (BGBl. I 1998, S.  833), durch das das Ehegesetz von 1938 aufgehoben (Art.  14 Nr.  1) und das Eheschließungsrecht neu gestaltet wurde. 247  Zur historischen Entwicklung des Familienrechts im BGB siehe Schwab, in: Görtemaker/­ Safferling, Die Rosenburg, S.  296 ff.; Finger, Familienrecht, S.  67–98; Meder, Familienrecht – Von der Antike bis zur Gegenwart, S.  189 ff. 248 Ausführlich Schwarz, SavignyZ 42 (1921), 578 ff.; siehe auch Bextermöller, Das Familienrecht in den Systemen der Pandektistik des 19. Jahrhunderts, 1970, S.  3 ff.; Staudinger/Boehmer, Band  5 – Erbrecht, 11.  Aufl. 1954, Einl. Erbrecht, §  1 Rn.  4 ff.; Muscheler, Familienrecht, Rn.  9 ff. 245 Erstes

B. Verhältnis von allgemeinem Schuldrecht und Familienrecht

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Juristen Gaius, basierte, kannte lediglich eine Dreiteilung des Rechtsstoffes in (1) das allgemeine Personenrecht, (2) das Vermögensrecht und (3) das Zivilprozessrecht: personae – res – actiones. Das Familienrecht wurde, soweit es um personenrechtliche Fragen ging (etwa der Einfluss des Status auf die Rechtsfähigkeit), im ersten Teil mitbehandelt, der das Recht der einzelnen Person zum Gegenstand hatte. Das Familienstatusrecht war daher individualistisch konzipiert. Die vermögensrechtlichen Aspekte familiärer Beziehungen, insbesondere das Ehegüterrecht, wurden demgegenüber im Vermögensrecht behandelt. Gleichermaßen wurde auch das Erbrecht, das zu den besonderen Eigentumserwerbsgründen gezählt wurde, im zweiten Teil erfasst. Eine vergleichbare Einteilung in drei Teile findet sich – teils etwas abgewandelt – auch heute noch in einigen, vor allem romanischen Rechtsordnungen, wie dem französischen Code Civil, aber auch dem österreichische ABGB, das im Ersten Teil (Von dem Personen-Rechte) auch Ehe und Verwandtschaft sowie die daraus jeweils folgenden personenrechtlichen Rechte behandelt, während Eheverträge, das Güterstandsrecht sowie das Erbrecht im zweiten Teil (Von dem Sachenrechte) erfasst werden, das sich neben Eigentums- und Besitzfragen auch dem Schuld- und Obligationenrecht widmet. Die deutsche Rechtswissenschaft ist noch im 16.–17. Jahrhundert weitgehend dem Institutionensystem gefolgt. Dennoch entwickelte sich in dieser Zeit ein – gegenüber der an überlieferte Vorbilder angelehnten Rechtswissenschaft der Vertreter des Institutionensystems – selbständigeres System, das vor allem von den Anhängern des Naturrechts vertreten wurde. Grundlegend war etwa das System von Samuel Pufendorf,249 dessen Darstellung vom Recht des Individuums, seiner Person und seinem Vermögen, ausging und dann zum Recht immer größerer sozialer Gemeinschaften fortschritt, über das Recht der Familie zum Recht des Staates bis hin zum Völkerrecht.250 Durch ihn wurde erstmals das Familienrecht als Recht der Familie vom individuellen Personen- und Vermögensrecht getrennt.251 Das Pandektensystem, wie es erstmals von Gustav Hugo aufgestellt, 252 endgültig aber erst von Georg Arnold Heise 253 durchgesetzt und von Friedrich Carl von Savigny 254 fortgeführt wurde, brachte dann die uns heute geläufige Eintei249 

Pufendorf, De iure naturae et gentium libri octo, 1672. Meder, Rechtsgeschichte, S.  349 f.; Muscheler, Familienrecht, Rn.  10; Schwarz, SavignyZ 42 (1921), 578 (584 f., 603 f.). 251  Muscheler, Familienrecht, Rn.  10. 252  Hugo, Institutionen des heutigen römischen Rechts, 1789; in späteren Auflagen hat Hugo diese Einteilung jedoch wieder aufgegeben und ist zum Institutionensystem zurück­ gekehrt; vgl. Bextermöller, Das Familienrecht in den Systemen der Pandektistik des 19. Jahrhunderts, 1970, S.  8. 253  Heise, Grundriß eines Systems des gemeinen Civilrechts zum Behuf von Pandecten-­ Vorlesungen, 1819. 254  von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, 1840. 250 

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Kapitel 2:  Grundlagen der Haftung im Familienrecht

lung des BGB in fünf Bücher. Den Besonderen Teilen wurde erstmals ein Allgemeiner Teil vorangestellt, das Erbrecht wurde aus dem Sachenrecht gelöst und das Schuld- und Sachenrecht (deren Reihung noch mehrmals wechselte) wurde vor dem Familien- und Erbrecht angeordnet. Im Anschluss an Zitelmann spricht man insofern heute von der „Kreuzeinteilung“ des BGB: 255 Was darunter zu verstehen ist, wird allerdings oft unklar dargestellt. Nach Zitelmann beruht die Unterscheidung von Schuld- und Sachenrecht auf dem Gegensatz zweier Typen von Rechtswirkungen (sachenrechtlichen und obligationsrechtlichen Wirkungen), wobei seines Erachtens die „‚Systematisierung nach den Rechtswirkungen‘ (…) in der Hauptsache gleichbedeutend [ist] mit ‚Systematisierung nach der Art subjektiver Rechte‘, auf deren Erwerb oder Verlust sich der Rechtssatz bezieht.“ Das Familien- und Erbrecht stelle demgegenüber lediglich alle Rechtsätze zusammen, die sich auf eine besondere Art von Tatsachen beziehen.256 Während sich das Schuldrecht also mit dem subjektiven Recht der Forderung (bzw. des Anspruchs) befasst und dementsprechend regelt, was eine Forderung ist, wie und wann sie entsteht, wem sie zusteht, und auf welche Art und Weise sie wieder zum Erlöschen gebracht werden kann, behandelt das Sachenrecht die subjektiven Rechte an Sachen, wie das Eigentum, Pfandrecht und sonstige dingliche Sicherungsrechte und sieht Regelungen für deren Entstehen und Erlöschen vor. Das Familienrecht knüpft demgegenüber nicht an subjektive Rechte an: Da sämtliche familienrechtliche Vorschriften aus dem allgemeinen Personen- und dem Vermögensrecht gelöst und nunmehr zusammenhängend in einem eigenen Buch geregelt wurden, ist alles, was die Familie und jedes einzelne Familienmitglied betrifft, sei es personen- oder vermögensrechtlich, separat in Buch 4 geregelt. Auch unterhaltsrechtliche Ansprüche sind beispielsweise nicht mehr anknüpfend am subjektiven Recht des Anspruchs im Schuldrecht geregelt, sondern zusammenhängend mit allen anderen familienrechtlichen Fragen im Familienrecht. Dort finden sich nun auch von den schuld- und sachenrechtlichen Regelungen abweichende Spezialvorschriften, wie beispielsweise für den Sorgfaltsmaßstab in §§  1359, 1664 BGB oder den Eigentums­ erwerb bei der Gütergemeinschaft in §  1416 Abs.  1 S.  1 BGB. Gleichermaßen knüpft das fünfte Buch zum Erbrecht nicht an einem bestimmten subjektiven Recht an, sondern es wird vielmehr alles, was im Zusammenhang mit einem Erbfall steht und die Verteilung des Nachlasses entweder nach dem vorrangigen Willen des Erblassers oder nach dem Gesetz betrifft, in einem Buch zusammenhängend geregelt. Dementsprechend ist etwa auch der (schuldrechtliche) An-

255  Zitelmann, Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart 1906, 1 (11); vgl. auch Staudinger/Boehmer, Band  5 – Erbrecht, 11.  Aufl. 1954, §  1 Rn.  14 f., der die Charakteristik Zitelmanns zwar als juristisch zutreffend, aber wenig anschaulich empfindet. 256  Zitelmann, Zeitschrift für das Privat- und Öffentliche Recht der Gegenwart 1906, 1 (10 f.).

B. Verhältnis von allgemeinem Schuldrecht und Familienrecht

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spruch des Vermächtnisnehmers gegen den Erben nicht (mehr) im Schuldrecht, sondern in §  2174 BGB zu finden. Diese unterschiedliche Konzeption des zweiten und dritten Buchs einerseits und des vierten und fünften Buchs andererseits, die man bei diesem Verständnis durchaus mit einer „Kreuzeinteilung“ umschreiben kann, ist somit historisch bedingt und darauf zurückzuführen, dass Schuld- und Sachenrecht auf das römische Institutionensystem zurückzuführen sind, während die Herauslösung des Familien- und Erbrechts auf die naturrechtlichen Systeme zurückgeht.257 Nach dem naturrechtlichen Denken stand das Familienrecht dem Individualrecht gegenüber; „als es in die völlig anders geartete Reihe von Sachenrecht und Schuldrecht hineingestellt wurde, entstand ein unorganisches System.“258 Das bedeutet allerdings nicht, dass – wegen der systematischen Herauslösung des Familienrechts aus dem allgemeinen Personenrecht sowie dem Schuld- und Sachenrecht – im Hinblick auf einzelne Aspekte kein sachlicher Zusammenhang mehr mit den Rechtsgebieten der Bücher 2 und 3 bestünde und deshalb ein Rückgriff auf schuld- und sachenrechtliche Regelungen bei Fehlen speziellerer familienrechtlicher Vorschriften ausgeschlossen wäre. Im Gegenteil folgt aus der systematischen Anordnung nach dem Schuld- und Sachenrecht, dass der Gesetzgeber davon ausgegangen ist, dass auch die familienrechtlichen Beziehungen schuld- und sachenrechtlich geprägt sind. Dies gilt umso mehr, als der größte Teil des Familienrechts heute nicht mehr das Recht der Familie, 259 sondern vielmehr das Recht der einzelnen Familienmitglieder ist und damit wieder überwiegend individuellen Charakter hat. Daraus, dass das Familienvermögensrecht zusammen mit dem Familienstatusrecht in ein und demselben Buch behandelt werden, lässt sich vielmehr ableiten, dass das Familienvermögensrecht nicht zuletzt im Familienstatusrecht seine Grundlage findet und gerade das zugrundeliegende Statusverhältnis die vom zweiten und dritten Buch abweichenden Besonderheiten des Familienvermögensrechts legitimiert.260 Im Übrigen können aufgrund der Anordnung des Familienrechts hinter dem Allgemeinen Teil, dem Schuld- und Sachenrecht, soweit keine Spezialvorschriften im Familienrecht vorgesehen sind, die Regelungen der ersten drei Bücher auch für das Familienrecht herangezogen werden.261 Jedenfalls im Hinblick auf vermögensrechtliche Fragen können deshalb auf relative Beziehungen Regelungen aus dem allgemeinen Teil (etwa über die Verjährung, siehe explizit §§  194 Abs.  2, 207 BGB) sowie dem allgemeinen Schuldrecht angewendet werden.262 Gleichermaßen kann im 257 

Meder, Rechtsgeschichte, S.  349; Schwarz, SavignyZ 42 (1921), 578 (609). Schwarz, SavignyZ 42 (1921), 578 (609). 259  Zu der Frage der Familie als Haftungsgemeinschaft noch ausführlich unten Kap.  3 E.I., II., S. 333 ff., 345 ff. 260  Muscheler, Familienrecht, Rn.  12. 261  Muscheler, Familienrecht, Rn.  12. 262 So auch Muscheler, Familienrecht, Rn.   12 f.; Staudinger/Olzen, Einl. v. §  241 Rn.  11; Rauscher, FamR, Rn.  61. 258 

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Kapitel 2:  Grundlagen der Haftung im Familienrecht

Hinblick auf absolute Rechtspositionen, wie etwa das elterliche Sorgerecht, auf sachenrechtliche Vorschriften zurückgegriffen werden und beispielweise gemäß §  1004 BGB ein vorbeugender Unterlassungsanspruch bestehen.263 Auch aus den Materialien zum BGB lässt sich entnehmen, dass der Gesetz­ geber ganz selbstverständlich von der grundsätzlichen Übertragbarkeit des Schuld­rechts auch auf das Familienrecht ausgegangen ist: „Die allgemeinen Rechtsnormen des 2. Buches gelten, wie schließlich bemerkt werden mag, im Allgemeinen auch für diejenigen Obligationen, welche in sachen-, familien-, erbrechtlichen Verhältnissen entspringen und im Sachen-, Familien- und Erb­ rechte geregelt sind. Sie finden aber auch, wie zum 3. Buche nachgewiesen ist, im Allgemeinen Anwendung auf solche Ansprüche auf eine Leistung, welche lediglich auf einem dinglichen Rechte beruhen und einem dinglich Berechtigten als solchem zustehen.“264 Selbstverständlich muss bei einer Anwendung einer schuldrechtlichen Norm außerhalb des zweiten Buchs jedoch stets im Einzelfall geprüft werden, ob der Sinn und Zweck der Regelung einer solchen Anwendung nicht entgegensteht.265 Viele der auf vertragliche Schuldverhältnisse zugeschnittenen Normen sind deshalb nicht ohne weiteres auf gesetzliche Schuldverhältnisse übertragbar. Stehen in einem gesetzlichen Schuldverhältnis lediglich Schutz- und Rücksichtnahmepflicht im Raum, können nur jene Vorschriften herangezogen werden, die nicht zwingend auf eine Leistungspflicht abstellen, wie etwa §  280 Abs.  1 BGB266 oder die §§  276, 278 BGB; nicht anwendbar sind dagegen insbesondere die Vorschriften über Schadensersatz statt der Leistung, das Leistungsverweigerungsrecht bei synallagmatischen Pflichten oder der Schuldner- und Gläubiger­verzug.267 Be­ rück­sichtigt man bei der Bestimmung der Anwendbarkeit des allgemeinen Schuld­ r­echts den Unterschied zwischen Leistungspflichten einerseits und Schutz- bzw. Rücksichtnahmepflichten 268 andererseits, so lassen sich einzelne Vorschriften 263  Zur Anwendbarkeit des allgemeinen Schuldrechts auf den (quasi-)negatorischen Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch, auch soweit er analog auf familienrechtliche absolute Rechte angewendet wird, ausführlich Riehm, FS Coester-Waltjen (2015), S.  1169 ff. Vgl. auch BGH v. 4.12.2015 – V ZR 202/14, NJW 2016, 2104, zur Anwendung der Vorschriften zum Schuldnerverzug gemäß §§  280 Abs.  1, 2, 286 BGB auf den Anspruch aus §  888 BGB. 264  Mugdan, Motive zum BGB II, S.  4. 265 Staudinger/Olzen, Einl. v. §  241 Rn.  11: „Obwohl der Allgemeine Teil des Schuldrechts auf alle Schuldrechtsverhältnisse außerhalb des 2. Buches und sogar außerhalb des BGB anzuwenden ist (…), muss in einer Einzelbetrachtung der jeweiligen Norm ihre Geltung untersucht werden. … Nicht das systematische Argument allein, sondern va Sinn und Zweck der entsprechenden Norm geben dabei eine Antwort auf die Frage des Geltungsbereichs.“ 266  Vgl. zur Anwendbarkeit von §  280 Abs.  1 BGB im Falle der Verletzung einer Pflicht aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis etwa BGH v. 25.10.2012 – I ZR 162/11, NJW-RR 2013, 1057 (1061); Palandt/Grüneberg, §  280 Rn.  9. 267 Ausführlich hierzu Grigoleit, FS Canaris (2007), S.   275 (279, 288 ff.); Medicus, FS Canaris (2007), S.  835 (841 ff.). 268  Siehe dazu Grigoleit, FS Canaris (2007), S.  275 ff., der sich im Wesentlichen mit den Schutzpflichten im rechtsgeschäftlichen Verkehr beschäftigt, wobei die diesbezüglich gefun-

B. Verhältnis von allgemeinem Schuldrecht und Familienrecht

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insbesondere des Ersten Abschnitt des zweiten Buchs betreffend den Inhalt von Schuldverhältnissen (§§  241–304 BGB) auch in den anderen Büchern auf ge­setz­ liche Schuldverhältnisse anwenden und dementsprechend auch in familienrechtlichen Schuldverhältnissen zur Inhaltsbestimmung der Pflichten heranziehen. 3. Charakterisierung familienrechtlicher Rechtsverhältnisse Die verschiedenen familienrechtlichen Rechtsverhältnisse, zu denen man heute – wenn auch nicht auf ewig abschließend 269 – Verlöbnis, Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft, Verwandtschaft und gemeinsame Elternschaft fasst,270 zeichnen sich durch sehr unterschiedliche Entstehungsgründe aus: Die Ehe oder Lebenspartnerschaft wird durch zwei übereinstimmende, höchstpersönliche Erklärungen der Ehegatten bzw. Lebenspartner geschlossen. Das Eltern-Kind-Verhältnis wird im Verhältnis zur Mutter durch die Geburt (§  1591 BGB), im Verhältnis zum Vater entweder durch dessen Status als Ehemann (§  1592 Nr.  1 BGB), durch eine einseitige, höchstpersönliche und zustimmungsbedürftige Anerkennungserklärung (§  1592 Nr.  2 BGB) oder durch eine gerichtliche Feststellung (§  1592 Nr.  3 BGB) begründet.271 Das Verhältnis zwischen zwei nicht miteinander verheirateten Eltern entsteht demgegenüber durch deren jeweilige rechtliche Verwandtschaft mit dem gemeinsamen Kind. Einheitliche Charakteristika lassen sich aus den Entstehungsgründen daher nicht ableiten. Allerdings zeichnen sich familienrechtliche Rechtsverhältnisse dadurch aus, dass sie zwei Personen in spezifischer Weise einander zuordnen. Man kann insofern auch von einem personenrechtlichen Statusverhältnis sprechen, das zwei Familienmitglieder status- bzw. personenstandsrechtlich miteinander verbindet.272 Welche familienrechtlichen Faktoren statusbestimmend sind, ist abhängig von gesellschaftlichen und rechtspolitischen Wertungen und lässt sich daher nicht für alle Zeiten verallgemeinernd feststellen.273 Charakteristisch für alle Statusverhältnisse ist, dass dadurch unmittelbar weder relative Rechte noch Pflichten begründet werden, so dass insofern nicht von Schuldverhältnissen, sondern nur von besonders stabil ausgestalteten Rechtsverhältnissen gesprochen werden kann. Der Gesetzgeber knüpft in unterschiedlichen Rechtsgebiedenen Ergebnisse seines Erachtens „ceteris paribus auf gesetzliche Schuldverhältnisse übertragbar“ sind. 269  Rauscher, FamR, Rn.  63, der zu Recht klarstellt, dass der Gesetzgeber jederzeit auch andere Beziehungen familienrechtlich qualifizieren kann. 270  Die Vormundschaft, Pflegschaft und Betreuung sind zwar im Familienrecht geregelt, begründen aber kein familienrechtliches Statusverhältnis; sie gehören systematisch zum allgemeinen Personenrecht, das im allgemeinen Teil des BGB geregelt ist. 271  Auch das Verhältnis zwischen in höherem Grad miteinander Verwandten richtet sich nach der rechtlichen Abstammung. 272  Siehe hierzu Rauscher, FamR, Rn.  65. 273  Rauscher, FamR, Rn.  65.

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Kapitel 2:  Grundlagen der Haftung im Familienrecht

ten an Statusverhältnisse an und sieht für diese besondere Regelungen bzw. Rechtsfolgen vor, wie beispielsweise im Erbrecht (gesetzliches Erbrecht der Verwandten und des Ehegatten; Pflichtteilsrecht), im Steuerrecht (besondere Veranlagung der Ehegatten) oder Versicherungsrecht. Daneben ist jedes familienrechtliche Rechtsverhältnis zum einen durch individuelle, teils speziell geregelte personale Rechte und Pflichten (wie etwa im Rahmen der elterlichen Sorge) und zum anderen durch vermögensrechtliche Rechte und Pflichten (wie insbesondere Unterhalts- und güterrechtliche Ansprüche) gekennzeichnet, auch wenn das zugrundeliegende Familienrechtsverhältnis als solches personenrechtlicher Natur ist.274 Teilweise begründen familienrechtliche Rechtsverhältnisse sogar für überobligatorische Leistungen einen Behaltensgrund: so kann im Zweifel für von einem Ehegatten zu viel geleisteten Familienunterhalt kein Ersatz vom anderen Ehegatten verlangt werden (§  1360b BGB); gleichermaßen kann ein volljähriges Kind für Aufwendungen zur Bestreitung der Kosten des elterlichen Haushalts im Zweifel keinen Ausgleich von den Eltern verlangen (§  1620 BGB). Es entspricht einhelliger Ansicht, dass jedenfalls in vermögensrechtlichen Angelegenheiten zwischen Ehegatten oder Eltern und ihren Kindern Rechtspflichten mit korrespondierenden Ansprüchen bestehen, insofern also ein Schuldverhältnis gegeben ist.275 Daneben zeichnen sich familienrechtliche Rechtsverhältnisse aber gerade auch durch die besondere persönliche Beziehung aus, deren Ausgestaltung der Gesetzgeber im Falle der Ehe weitgehend den Ehegatten überlassen hat, während etwa die personale Beziehung zwischen Elternteil und Kind nicht zuletzt zum Schutz des Kindes überwiegend durch indisponible Vorschriften gesetzlich geregelt ist. Auch und gerade in den personenrechtlichen Angelegenheiten, in denen erhöhte Einwirkungs- und eingeschränkte Verteidigungsmöglichkeiten für die Beteiligten bestehen,276 schuldet jeder dem anderen zumindest Rücksichtnahme auf die jeweiligen Rechte, Rechtsgüter und (insbesondere auch wirtschaftlichen) Interessen. Allein das Bestehen einer solchen (aus dem personalen Verhältnis folgenden) Rücksichtnahmepflicht ist ausreichend, um – unabhängig von etwaigen daneben bestehenden Leistungspflichten – ein Schuldverhältnis zwischen den Beteiligten anzunehmen (vgl. §  241 Abs.  2 BGB). Es lassen sich auch einige familienrechtliche Rechtsverhältnisse benennen, die (zumindest phasenweise) nur Schutz- bzw. Rücksichtnahmepflichten erzeugen: Dies trifft beispielsweise auf das Rechtsverhältnis zwischen Eltern und ihren volljährigen Kindern (§  1618a BGB) 277 274 

Rauscher, FamR, Rn.  68. Rauscher, FamR, Rn.  61; Wellenhofer, Familienrecht, §  11 Rn.  8 , §  33 Rn.  24. 276 Zu diesen Legitimationsfaktoren für die gesetzliche Anordnung von Pflichten in Schuldverhältnissen siehe bereits oben Kap.  2 B.II.1.b)(3)(b) und (c), S. 50 f. und S. 51 f. 277  Aus §§  1601 ff. BGB kann sich freilich im Alter ein Anspruch der Eltern gegen ihre volljährigen Kinder auf Elternunterhalt ergeben. 275 

B. Verhältnis von allgemeinem Schuldrecht und Familienrecht

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sowie das Rechtsverhältnis zwischen Geschwistern zu. In diesen Beziehungen beschränkt sich das Pflichtenprogramm auf Rücksichtnahme, Beistand und Kooperation. Da es sich sowohl bei Leistungs- als auch Rücksichtnahmepflichten um echte Rechtspflichten handelt, 278 die im Verletzungsfalle von einer zumindest mittelbaren Sanktion in Form von Schadensersatzansprüchen flankiert sind, sind auch familienrechtliche Rechtsverhältnisse als Schuldverhältnisse zu qualifizieren. Lässt sich eine familienrechtliche „Pflicht“ indes nicht als Rechtspflicht einordnen, weil der Gesetzgeber weder einen durchsetzbaren Anspruch noch eine mittelbare Sanktion bei Zuwiderhandlungen vorsieht, sondern dem Betroffenen lediglich eine Reaktionsmöglichkeit auf ein (wie auch immer zu qualifizierendes) Fehlverhalten des anderen einräumt, liegt diesbezüglich „nur“ ein Rechtsverhältnis vor. Ob und inwieweit familienrechtliche Pflichten echte Rechtspflichten sind und damit im Verletzungsfalle eine Haftung nach sich ziehen können, oder lediglich Verhaltenserwartungen zum Ausdruck bringen, die schon deshalb nicht zwangsweise durchgesetzt werden können, weil der verfolgte Zweck Freiwilligkeit der Beteiligten voraussetzt, wird noch im Einzelnen zu ermitteln sein. Neben vertraglichen Schuldverhältnissen gibt es mithin nicht nur sachenund erbrechtliche, sondern auch familienrechtliche Schuldverhältnisse. Auch der BGB-Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass zwischen Ehegatten sowie zwischen Eltern und ihren Kindern schuldrechtliche Schadensersatzansprüche im Falle einer Pflichtverletzung entstehen können; dies zeigen schon §  1359 BGB und §  1664 BGB, deren Anordnung eines geringeren Sorgfaltsmaßstabs innerhalb dieser familienrechtlichen Rechtsverhältnisse überflüssig wäre, wenn es keine schuldrechtlichen Schadensersatzansprüche bei Verletzung der höchstpersönlichen Pflichten aus dem ehelichen Lebensverhältnis sowie der elter­lichen Sorge geben könnte. Da es gleichzeitig an einer speziellen familienrechtlichen Anspruchsgrundlage für Schadensersatzansprüche fehlt, liegt die allein verbleibende, durch die Materialien zum BGB bestätigte279 Annahme nahe, dass der Gesetzgeber schlicht die allgemeinen schuldrechtlichen Anspruchsgrundlagen (d. h. nunmehr §  280 Abs.  1 BGB) für anwendbar erachtet und im Familienrecht nur dann Spezialvorschriften vorgesehen hat, wenn er Abweichungen von den allgemeinen Vorschriften für geboten hält. Es ist daher erstaunlich, dass §  280 Abs.  1 BGB im Zusammenhang mit §  1359 BGB – soweit ersichtlich – in der Literatur nicht ausdrücklich als Anspruchsgrundlage benannt wird.280 Will man §  1359 BGB mit der herrschenden Meinung richtigerweise nicht selbst als 278 Vgl. zu den Kennzeichen einer Rechtspflicht noch unten Kap.   3 C.III.2.a)(3)(b), S. 146 ff. 279  Siehe oben Kap.  2 B.III.2., S. 70. 280  Siehe aber zur früheren Rechtslage, auf die Grundsätze der positiven Forderungsverletzung abstellend, Diederichsen, 25 Jahre Karlsruher Forum 1983, 141; Petersen, Jura 1998, 399.

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Kapitel 2:  Grundlagen der Haftung im Familienrecht

Anspruchsgrundlage ansehen und nimmt man mit der einhelligen Meinung in der Literatur an, dass die Vorschrift „auch“ für deliktische Ansprüche gilt,281 bleibt nichts anderes übrig, als für daneben nicht geleugnete außerdeliktische Ansprüche auf §  280 Abs.  1 BGB als Anspruchsgrundlage zurückzugreifen. Für §  1664 BGB wird zum Teil sehr deutlich gesagt, dass die Einordnung als Anspruchsgrundlage primär deshalb befürwortet wird, weil allein deliktische Ansprüche dem Schutz des Kindes nicht hinreichend gerecht werden, im Übrigen aber erhebliche Bedenken bestünden, §  280 Abs.  1 BGB auf das persönlich geprägte Eltern-Kind-Verhältnis anzuwenden.282 Diese Bedenken sind unbegründet. Mit der Befürwortung der Anwendbarkeit des allgemeinen Schuldrechts wird nicht geleugnet, dass es sich bei familienrechtlichen Verhältnissen im Kern um personale, sozial geprägte Rechtsverhältnisse handelt und nicht vorrangig um individuell-vermögensrechtliche. Die Besonderheiten des jeweiligen fami­ lienrechtlichen Schuldverhältnisses müssen und können bei der Heranziehung von Vorschriften aus dem allgemeinen Teil sowie dem allgemeinen Schuldrecht hinreichend berücksichtigt werden. Die individuell-persönliche Prägung familienrechtlicher Verhältnisse schließt es deshalb nicht aus, einzelne familienrechtlich begründete Ansprüche als schuldrechtliche zu qualifizieren und darauf schuldrechtliche Vorschriften anzuwenden.

IV. Fazit Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass familienrechtliche Rechtsverhältnisse als Schuldverhältnisse qualifiziert werden können, da in allen familienrechtlichen Verhältnissen zumindest die Rechtspflicht zur Rücksichtnahme zwischen den Beteiligten besteht. Die Regelungen des allgemeinen Schuldrechts sind auf familienrechtliche Schuldverhältnisse im Grundsatz gleichermaßen anwendbar, soweit sich nicht im Familienrecht speziellere Vorschriften finden, die den allgemeinen Regelungen als leges speciales vorgehen. Auch der Sinn und Zweck einer schuldrechtlichen Regelung kann im Einzelfall einer Anwendung auf familienrechtliche Schuldverhältnisse entgegenstehen. Auf die allgemeine Schadensersatznorm des §  280 Abs.  1 BGB ist allerdings auch im Familienrecht stets zurückzugreifen, wenn eine Rechtspflicht, sei sie personen-, vermögens- oder familienrechtlicher Natur, im Verhältnis zu einem Begünstigten verletzt wird. 281 So Soergel/M. Lipp, §   1359 Rn.   3 („Die Haftungsbeschränkung betrifft (…) alle ­ nspruchsgrundlagen, insbesondere auch Deliktsansprüche“); Rauscher, FamR, Rn.   A 301 („die Haftungsmilderung ist jedoch auch auf den deliktischen Anspruch anzuwenden“); ­MüKoBGB/Roth, §  1359 Rn.  7 („Die Haftungserleichterung erstreckt sich auch auf parallel-­ deliktische Ansprüche“); Staudinger/Voppel, §  1359 Rn.  15 („§  1359 (…) modifiziert auch den Haftungsmaßstab evtl konkurrierender Deliktsansprüche“). Ähnlich Gernhuber/Coester-­ Waltjen, Familienrecht, §  22 Rn.  4 („§  1359 gilt auch, (…) wenn der Schadensersatzanspruch aus der Sonderverbindung der Ehegatten mit einem deliktischen konkurriert“). 282  Schwab, Familienrecht, Rn.  733–735.

C. Haftungsfragen im Familienrecht

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C. Haftungsfragen im Familienrecht Jedes familienrechtliche Schuldverhältnis kann sowohl personenrechtliche als auch vermögensrechtliche Rechtspflichten zwischen den Beteiligten begründen. Soweit vermögensrechtliche Pflichten in Rede stehen und dem Gläubiger ein damit korrespondierender durchsetzbarer Anspruch zusteht, kann eine Pflichtverletzung ohne weiteres eine Haftung des Schuldners zur Folge haben. Schwieriger ist das bei „Pflichten“ mit personenrechtlichem Inhalt: Hier kann sich eine Haftung des Schuldners allenfalls in den Fällen ergeben, in denen dem Gläubiger durch die Verletzung einer solchen Pflicht ein ersatzfähiger (Vermögens-)Schaden entstanden ist. Im familienrechtlichen Kontext bereitet allerdings bereits die Antwort auf die vorgelagerte Frage Schwierigkeiten, welche personenrechtlichen „Pflichten“ überhaupt rechtsverbindlich, d.  h. „echte“ Rechtspflichten sind und deshalb im Falle der Verletzung eine Haftung begründen können. Aufgabe und Ziel dieser Arbeit ist es daher, die im Familienrecht anzutreffenden „Pflichten“ einzuordnen, um daraus die notwendigen Konsequenzen für die etwaig daran anknüpfenden Haftungsfragen zu ziehen. Im Familienrecht gibt es einige Primärleistungspflichten, die auf Geld gerichtet sind und im Falle der Nichterfüllung eine Haftung in Höhe des geschuldeten Betrags nach sich ziehen. Dazu zählen insbesondere Unterhaltsansprüche (vgl. §  1361 Abs.  4 S.  1; §  1585 Abs.  1 S.  1; §  1612 Abs.  1 S.  1; §  1615l Abs.  3 S.  1 i. V. m. §  1612 Abs.  1 S.  1 BGB), Zugewinnausgleichsansprüche (vgl. §  1378 Abs.  1 BGB) sowie Ersatzansprüche für (außerhalb der Unterhaltspflicht gemachte) Aufwendungen (vgl. §  1648 BGB). Bei diesen Ansprüchen ergeben sich hinsichtlich der Haftung keine familienrechtlichen Besonderheiten: Kommt ein Unterhaltsoder Zugewinnausgleichsschuldner seiner Verpflichtung nicht nach, darf der Gläubiger seine Forderung einklagen und mit Rechtszwang durchsetzen, indem er auf das gesamte (pfändbare) Vermögen des Schuldners zugreifen kann. §  850d ZPO sieht bei der Zwangsvollstreckung wegen eines Unterhaltsanspruchs sogar höhere Pfändungsgrenzen vor, als für andere Zahlungsansprüche. Interessant sind im Familienrecht deshalb nicht so sehr die Haftungsfragen im Zusammenhang mit der Nichterfüllung von Geldleistungspflichten im Sinne von §  241 Abs.  1 BGB, sondern vielmehr die haftungsrechtlichen Folgen bei Verletzung von personenrechtlichen Pflichten oder Rücksichtnahmepflichten durch die an einem familienrechtlichen Schuldverhältnis Beteiligten. Im rechtsgeschäftlichen Zusammenhang waren die dogmatischen Schwierigkeiten von Nebenleistungs-, Neben- und Schutzpflichtverletzungen schon häufig Gegenstand von wissenschaftlichen Abhandlungen.283 Demgegenüber wurde Haftungsfragen im familienrechtlichen Kontext erstaunlicherweise bisher 283  Krebs, Sonderverbindung, passim; Schur, Leistung und Sorgfalt, S.  9 ff., 95 ff., 331 ff.; Grigoleit, FS Canaris (2007), S.  275, Medicus, FS Canaris (2007), S.  835.

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Kapitel 2:  Grundlagen der Haftung im Familienrecht

nur vereinzelt grundlegende Beachtung geschenkt.284 Im Wesentlichen beschränkte sich die haftungsrechtliche Diskussion ursprünglich auf die in der Praxis in den frühen 1950–1960 aufgetretenen Fälle des Ehebruchs bzw. der Ehestörung, die die Rechtsprechung durch das Konstruieren des „räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe“ als „sonstiges Recht“ im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB zu lösen versuchte.285 Auch wenn heute praktisch kaum mehr Klagen erhoben werden, mit denen wegen einer Beeinträchtigung dieses Lebensbereichs zivilrechtliche Abwehr- und Unterlassungsansprüche analog §  1004 BGB geltend gemacht werden,286 so wirft der Schutzbereich des richterrechtlich begründeten räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe bis heute klärungsbedürftige Fragen auf.287 Neben den klassischen Fragen, wie etwa des Ausgleichs in gestörten Gesamtschuldverhältnissen, die regelmäßig infolge der familienrechtlichen Haftungsprivilegierungen in §§  1359, 1664 BGB entstehen, beschäftigen familienrechtliche Haftungsfragen die Gerichte heute überwiegend im Zusammenhang mit Regress- sowie Schadensersatz- und Auskunftsansprüchen des Scheinvaters eines „Kuckuckskindes“. Der BGH betont dabei bisher, dass allenfalls deliktische Ansprüche in Betracht kämen und das Familienrecht im Übrigen ein abgeschlossenes System von Spezialregelungen enthalte, das einem Rückgriff auf allgemeine Haftungsgrundlagen entgegenstehe, wenn im Familienrecht keine speziellen Anspruchsgrundlagen vorgesehen sind.288 Dem ist schon aufgrund der bisher gefundenen Ergebnisse zu widersprechen. Akzeptiert man mit der hier vertretenen Ansicht, dass es sich auch bei familienrechtlichen Verhältnissen um Schuldverhältnisse handelt, auf die die allgemeinen Vorschriften des Schuldrechts im Grundsatz anwendbar sind, soweit keine vorrangigen Spezialregelungen aus dem Familienrecht existieren, lassen sich sowohl die klassischen als auch die modernen Haftungsfragen im Familienrecht stringent und sachgerecht lösen.

284  Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, 1971; Lipp, Eherechtliche Pflichten, 1988, S.  169 ff. 285  BGH v. 26.6.1952 – IV ZR 228/51, NJW 1952, 975; BGH v. 2.11.1955 – IV ZR 98/55, FamRZ 1956, 50; BGH v. 16.12.1960 – II ZR 162/59, NJW 1961, 504; Deutsch, FS Gernhuber (1993), S.  581 (594). 286 Zu Fragen des Verzugs des Ehestörers und der vollständigen Nichterfüllung siehe Riehm, FS Coester-Waltjen (2015), S.  1169 (1173 f., 1175 f.). 287  Siehe nur BGH v. 19.2.2014 – XII ZB 45/13, NJW 2014, 1243. 288  Vgl. dazu unten Kap.  3 B.II., S. 81 ff.

Kapitel 3

Eheliche Lebensgemeinschaft A. Überblick über die Haftungskonstellationen im Innen- und Außenverhältnis Haftungsfragen im Innen- und Außenverhältnis der ehelichen Lebensgemeinschaft wurden lange Zeit ausschließlich über das Deliktsrecht gelöst. Da zwischen Ehegatten kein klassischer (schuldrechtlicher) Vertrag besteht, liegt es in der Tat zunächst näher, nicht auf die rechtsgeschäftlichen Vorschriften, sondern das Deliktsrecht abzustellen. Die Rechtsprechung hat sich vor allem im Zu­ sammenhang mit Ehestörungen mit der Frage befasst, inwieweit über das Deliktsrecht eine Haftung zwischen den Ehegatten, aber auch dem betrogenen Ehe­gatten und dem Ehestörer besteht, eine solche jedoch – abgesehen von sittenwidrigen Schädigungen gemäß §  826 BGB – abgelehnt, weil die familienrechtlichen Regelungen abschließend seien. Im Ergebnis verdient das Zustimmung, die Begründung überzeugt jedoch nicht. Im folgenden Abschnitt1 soll zunächst dargestellt werden, wie die Rechtsprechung und die Literatur versucht haben, die Besonderheiten des ehelichen Lebensverhältnisses im Rahmen des Deliktsrechts zu berücksichtigen, bevor im Anschluss erläutert wird, dass und warum die Ehe nach hier vertretener Ansicht kein absolut geschütztes „sonstiges Recht“ ist, das deliktischen Schutz genießt, und dass das Deliktsrecht für Ehestörungen daher keine sachgerechten Lösungen parat hält. Folglich stellt sich die Frage, ob es eine Haftung zwischen Ehegatten nicht kraft (schuldrechtlicher) Sonderverbindung geben kann.2 In diesem Zusammenhang wird im Wesentlichen zu untersuchen sein, ob und inwieweit echte Rechtspflichten zwischen Ehegatten im persönlichen Bereich als Voraussetzung einer möglichen Haftung bestehen.3 Neben den anerkannten Leistungspflichten wird es hier vor allem darum gehen, die „Pflicht“ aus §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB zur ehelichen Lebensgemeinschaft genauer zu analysieren, wobei auch die verfassungsrechtlichen Implikationen durch Art.  6 Abs.  1 GG zu berücksichtigen sind. Außerdem wird zu untersuchen sein, welche Rücksichtnahmepflichten gemäß §  241 Abs.  2 BGB im ehelichen Verhältnis anzuerkennen sind, deren Ver1 

Kap.  3 B., S. 79 ff. Dazu Kap.  3 C., S. 111 ff. 3  Dazu Kap.  3 C.III., S. 133 ff. 2 

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

letzung eine Haftung zwischen den Ehegatten nach sich ziehen kann. Hier wird sich zeigen, dass eine schuldrechtliche Wertung der ehelichen Lebensgemeinschaft eine sachgerechte Lösung der aktuellen Haftungsfragen ermöglicht. Schließlich wird zu prüfen sein, ob sich echte Rechtspflichten zwischen Ehe­ gatten auch durch Parteivereinbarung begründen lassen. Soweit echte Rechtspflichten bestehen, kann einer Haftung im Falle einer Pflichtverletzung die Haftungsprivilegierung gemäß §  1359 BGB entgegenstehen, die in der Praxis insbesondere bei Verkehrsunfällen relevant wird.4 Insofern wird eine umfassende Auseinandersetzung mit der Frage erforderlich, ob die Haftungsprivilegierung im Straßenverkehr überhaupt anwendbar ist.5 Abgesehen von den Haftungsfragen im Innenverhältnis der Ehegatten können sich auch Haftungsfragen im Außenverhältnis ergeben, zum einen im Hinblick auf die Haftung eines Dritten gegenüber einem Ehegatten, 6 zum anderen im Hinblick auf die Haftung eines Ehegatten gegenüber einem von anderen Ehegatten geschädigten Dritten.7 Bei der erstgenannten Konstellation ergibt sich etwa das Problem, inwieweit die eigenen Ansprüche des geschädigten Ehegatten durch ein etwaiges Mitverschulden des anderen Ehegatten beeinflusst werden und ob daher eine Anspruchsreduzierung nach den Grundsätze der gestörten Gesamtschuld erfolgen muss. Des Weiteren ist zu untersuchen, ob nicht auch der Ehegatte des Geschädigten eigene Ansprüche gegen den Dritten als Schädiger geltend machen kann; ein Schwerpunkt wird hier auf der Frage der Anerkennung eines Schadensersatzes und Schmerzensgeldes für Schockschäden sowie eines Angehörigenschmerzensgeldes liegen. 8 Eine Untersuchung der Haftung des Ehegatten eines Schädigers gegenüber einem Dritten erfordert zunächst einen Blick in die Geschichte, da die historischen Hintergründe der Haftung für den anderen im Eheverhältnis wesentlich zum Verständnis und der Bewertung der heutigen Rechtslage beitragen.9 Hierbei wird sowohl auf das Rollenbild von Mann und Frau im Common Law einzugehen sein, als auch auf die ursprüngliche Funktion der Familie als Haftungsverband in Kontinentaleuropa. Erst vor diesem Hintergrund lässt sich die noch heute existierende „Schlüsselgewalt“ gemäß §  1357 BGB einordnen und kritisch würdigen.10 Einen weiteren Aspekt bilden die heute nicht seltenen Konstellationen einer Haftung aus ausgenutzter familiärer Solidarität, die insbesondere über Angehörigenbürgschaften oder sonstige Mithaftungsinstrumente herbeigeführt wird. Inwieweit solche Vereinbarungen über eine Mithaf4 

Dazu Kap.  3 C.IV., S. 267 ff. Dazu Kap.  3 C.IV.3.c), S. 273 ff. 6  Dazu Kap.  3 D., S. 280 ff. 7  Dazu Kap.  3 E., S. 332 ff. 8  Dazu Kap.  3 D.II.2.c) und d), S. 296 ff. und S. 309 ff. 9  Dazu Kap.  3 E.I., S. 333 ff. 10  Dazu Kap.  3 E.II., S. 345 ff. 5 

B. Haftung im Innen- und Außenverhältnis nach Maßgabe des Deliktsrechts

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tung rechtlich zu tolerieren bzw. zu missbilligen sind, wird im Abschnitt E.III. ausführlich behandelt.11

B. Haftung im Innen- und Außenverhältnis nach Maßgabe des Deliktsrechts I. Anwendbarkeit des Deliktsrechts bei Ehestörungen Seit langem ist die Frage heftig umstritten, ob Ehegatten im Falle der Verletzung der personalen Ehepflichten, die nach h. M. aus §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB abgeleitet werden, deliktischen Schutz genießen. Gegenstand der Diskussion sind dabei in erster Linie sogenannte Ehestörungen, die vor allem durch sexuelle Untreue eines Ehegatten mit einem Dritten (dem „Ehestörer“) herbeigeführt werden. In der Rechtsprechung und Literatur wird sehr unterschiedlich beantwortet, ob und inwieweit das Verhalten des untreuen Ehegatten sowie des Ehestörers mit einer deliktsrechtlichen Haftung sanktioniert werden kann. Bemerkenswert ist dabei, dass sich die Diskussion bislang fast gänzlich auf das Deliktsrecht konzentriert, während eine Anwendung des allgemeinen Schuld­rechts abgelehnt wird oder zumindest erheblichen Vorbehalten ausgesetzt ist. Dies lässt sich womöglich damit erklären, dass zwischen Ehegatten kein klassischer schuldrechtlicher Vertrag besteht, der einen Rückgriff auf rechtsgeschäftliche Vorschriften (§§  241 ff., §§  280 ff. BGB) nahelegen würde. Mangels spezieller Anspruchsgrundlagen im Ehe- und Familienrecht für Schadensersatzansprüche bei Pflichtverletzungen hat man in der Praxis versucht, die durch Ehestörungen verursachten Probleme rechtlich mit den Vorschriften des Deliktsrechts zu lösen. Schwierigkeiten bereitet dabei vor allem die Frage, ob und wie den Besonderheiten der ehelichen Lebensverhältnisse im Rahmen des Deliktsrechts ausreichend Rechnung getragen werden kann. Unproblematisch und ohne Modifizierungen anwendbar sind die deliktsrechtlichen Vorschriften, soweit eines der in §  823 Abs.  1 BGB explizit genannten oder allgemein anerkannten Rechtsgüter oder Rechte eines Ehegatten durch den anderen verletzt werden; dann entstehen auch zwischen Ehegatten im gleichen Maße wie zwischen Dritten Schadensersatzansprüche aus §  823 Abs.  1 BGB. Die Ehe beseitigt nicht Deliktsschutz für jeden Ehegatten als Individuum.12 Selbstverständlich muss auch der „prügelnde Ehegatte“ für die Heilbehandlungskosten sowie Schmerzensgeldansprüche des verletzten Ehegatten nach Maßgabe des Deliktsrechts einstehen.13 Gleiches gilt für fahrlässige Ver11 

S. 350 ff. Muscheler, Familienrecht, Rn.   312. Ebenso Rolland/Brudermüller, §  1353 Rn.  68 m. w. N.; Dethloff, Familienrecht, §  4 Rn.  16, 74; Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  265, 266 ff. 13  Daneben können in solchen Fällen auch Maßnahmen nach dem Gesetz zum zivilrecht12 

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letzungen, die in der Praxis insbesondere im Rahmen von Kraftfahrzeugunfällen relevant werden, bei denen der verletzte Ehegatte Beifahrer war.14 In diesem Bereich überschneiden sich allgemeine Verhaltenspflichten mit den besonderen Rücksichtnahme-, Schutz- und Fürsorgepflichten aus dem ehelichen Lebensverhältnis. Erstere werden durch letztere aber nicht etwa verdrängt, vielmehr sind beide Regelungskomplexe nebeneinander anwendbar. Dementsprechend ist nach überwiegender und zutreffender Ansicht die zwischen Ehegatten eingreifende gesetzliche Haftungsprivilegierung gemäß §  1359 BGB „auch“ auf die konkurrierende Deliktshaftung anwendbar.15 Bei den Ehestörungen stehen jedoch etwaige – ohne weiteres von §  823 Abs.  1 BGB erfasste – gesundheitliche Beeinträchtigungen regelmäßig nicht im Vordergrund. Umstritten ist vielmehr, ob es jenseits der explizit geschützten Rechtsgüter und Rechte auch absolut geschützte eheliche Interessen gibt. Dies wird von zahlreichen Stimmen bejaht, mit der Folge, dass neben negatorischen Ansprüchen, die (teils räumlich begrenzt) auf Unterlassung ehewidriger Beziehungen gerichtet sind (§  1004 BGB analog),16 auch weitreichende Schadensersatzansprüche gegenüber dem Ehestörer, aber auch dem untreuen Ehegatten anerkannt werden. Als Schadensposten werden dabei – um nur die praktisch relevantesten zu nennen – die anteiligen Kosten für ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren (§  183 FamFG), die Unterhaltszahlungen an das scheineheliche Kind, die Entbindungskosten, etwaige Detektivkosten sowie die anteiligen Kosten für ein Scheidungsverfahren in Betracht gezogen. Auch immaterielle Schäden sind bei Anerkennung einer deliktsrechtlichen Haftung denkbar und aufgrund der Nähe zu Persönlichkeitsrechtsverletzungen, für die unstreitig Schmerzensgeld nach §  253 Abs.  2 BGB gewährt wird, nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Immerhin soll nach ganz überwiegender Meinung das Interesse am Fortbestand der Ehe (z. B. die infolge der Beendigung der Ehe eintretende Schmälerung des Unterhalts; der Wegfall der Teilhabe am Zugewinn des anderen; der Verlust von Einkommen nach Verlassen des Betriebs des Schwiegervaters etc.) nicht ersatzfähig sein.17 Sowohl die Rechtsprechung als auch die Literatur sind ersichtlich bemüht, eine uferlose Haftung zu verhindern, indem lichen Schutz vor Gewalttaten und Nachstellungen (Gewaltschutzgesetz) v. 11.12.2001 (BGBl. I 2001, S.  3513) erlassen werden, die nach Maßgabe der Verordnung (EU) Nr.  606/2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen v. 12.6.2013 (ABl. EU 2013 Nr. L 181/3) europaweit anerkannt und vollstreckt werden können. 14  Dazu noch ausführlich unten Kap.  3 C.IV.3.c), S. 273 ff. 15  Dazu oben Kap.  2 B.III.3., S. 71 ff. bei Fn.  281. 16  Siehe dazu etwa Rolland/Brudermüller, §  1353 Rn.  69 ff.; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  17 Rn.  14 ff.; Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, S.  263 ff.; Magis, Schadensersatz- und Unterlassungsanspruch bei Verletzung der ehelichen Treue, S.  76 ff. 17  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  17 Rn.  26 f.; Dethloff, Familienrecht, §  4 Rn.  14, 16; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.  619; Muscheler, Familienrecht, Rn.  313; Rauscher, FamR, Rn.  249; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  49; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  127.

B. Haftung im Innen- und Außenverhältnis nach Maßgabe des Deliktsrechts

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entweder eine auf den „räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe“ oder eine umfangmäßig beschränkte Haftung angenommen wird. Die vorliegende Arbeit erhebt nicht den Anspruch, die enorme Fülle an zu diesem Themenbereich existierender Literatur und Judikatur, insbesondere der Instanzgerichte, umfassend auszuwerten. Die folgenden Ausführungen beschränken sich vielmehr darauf, die wesentlichen, in der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Lösungsansätze unter kritischer Würdigung darzustellen, bevor aufgezeigt wird, dass und warum das Deliktsrecht nach hier vertretener Ansicht ungeeignet ist, diese Fälle sachgerecht zu lösen.

II. Meinungsstand in der Rechtsprechung Der BGH lehnt Schadensersatzansprüche als Folge von Ehestörungen aus §  823 Abs.  1 BGB bzw. §  823 Abs.  2 i. V. m. Art.  6 GG seit jeher ab,18 obwohl er ein „absolutes Recht auf den Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft“19 bzw. das „Rechtsgut der bestehenden ehelichen Lebensgemeinschaft“20 anerkennt. Das gilt nach seiner Rechtsprechung sowohl für Ansprüche gegen den untreuen Ehegatten 21 als auch für Ansprüche gegen den Ehestörer.22 Zur Begründung der Ablehnung von Schadensersatzansprüchen im Innenverhältnis führte der BGH aus, dass die familienrechtlichen Vorschriften eine abschließende Regelung enthielten, die einem Rückgriff auf das Deliktsrecht entgegenstünde.23 Die Regelung der vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Ehegatten würde bei Anwendung von §  823 BGB in erheblichem Maße ihren Sinn verlieren, weil die deliktische Haftung wesentlich weiter gehe als die eherecht­ lichen Pflichten.24 Eine Verurteilung des untreuen Ehegatten zur Leistung von Schadensersatz wegen des Verstoßes gegen eheliche Pflichten würde der VerKritisch zu dieser – seines Erachtens inkonsequenten – Differnzierung Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  285 ff. 18  Siehe neben den folgenden Ausführungen auch die eingehende Darstellung der Rechtsprechungshistorie bei Löwisch, Der Deliktsschutz relativer Rechte, S.  174 ff. 19  So BGH v. 21.3.1956 – IV ZR 194/55, NJW 1956, 1149 (1150); ähnlich BGH v. 3.11.1971 – IV ZR 86/70, NJW 1972, 199: „die Ehe (gewähre) ein Recht auf Fortbestand oder Ungestörtheit der ehelichen Lebensgemeinschaft“. 20  BGH v. 26.6.1952 – IV ZR 228/51, NJW 1952, 975. 21 BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (Kindesunterhalt); BGH v. 19.12.1989 – IVb ZR 56/88, NJW 1990, 706 (Kindesunterhalt); BGH v. 8.4.1981 – IVb ZR 584/80, NJW 1981, 1445 (Kindesunterhalt); BGH v. 30.1.1957 – IV ZR 279/56, NJW 1957, 670 (Ehelichkeitsanfechtung). 22  BGH v. 22.2.1973 – VI ZR 172/71, NJW 1973, 991 (immaterieller Schaden); BGH v. 3.11.1971 – IV ZR 86/70, NJW 1972, 199 (Ehelichkeitsanfechtung); BGH v. 8.1.1958 – IV ZR 173/57, NJW 1958, 544 (Ehelichkeitsanfechtung); BGH v. 6.2.1957 – IV ZR 263/56, BGHZ 23, 279 (Gesundheitsschäden; Verdienstausfall; Schmerzensgeld); BGH v. 21.3.1956 – IV ZR 194/55, NJW 1956, 1149 (Scheidungskosten). 23  St. Rspr. seit BGH v. 30.1.1957 – IV ZR 279/56, NJW 1957, 670. 24  BGH v. 30.1.1957 – IV ZR 279/56, NJW 1957, 670.

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hängung einer „Scheidungsstrafe“ gleichkommen, die in bewusster Abweichung vom früheren Recht nicht in das BGB aufgenommen wurde.25 Außerdem widerspreche es dem Wesen der Ehe sowie dem sittlichen Empfinden, sie einem vermögensrechtlichen Geschäft gleichzustellen.26 Die Ehe stehe außerhalb der Rechtsverhältnisse, deren Verletzung allgemeine Ansprüche auf Ersatz von Vermögensschäden auslösen könne.27 Ehestörungen berührten unmittelbar die innere Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft der Ehegatten und stellten deshalb einen innerehelichen Vorgang dar, der nicht in den Schutzzweck der deliktischen Haftungstatbestände einbezogen sei.28 Die Erfüllung der persönlichen Pflichten, die aus der ehelichen Lebensgemeinschaft fließen, könnten nur durch die auf freier sittlicher Entscheidung beruhende eheliche Gesinnung gewährleistet werden, während jeder auch indirekte staatliche Zwang, etwa durch eine Vertragsstrafe oder eine Schadensersatzleistung, ausgeschlossen sei.29 Würde man den untreuen Ehegatten durch Geldstrafe zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft anhalten, drohe außerdem eine Umgehung der Vorschriften des Herstellungsverfahrens, insbesondere von §  888 Abs.  2 ZPO a. F. (heute: §  120 Abs.  3 FamFG).30 Ferner könnte die Bejahung von Schadensersatzansprüchen von dem betroffenen Ehegatten aus niedrigen Beweggründen zum Zwecke der eigenen Bereicherung ausgenutzt werden.31 Darüber hinaus besteht nach Ansicht des BGH die Gefahr, dass vor Gericht ausgetragene Rechtsstreitigkeiten zwischen den Ehegatten erheblich zunehmen würden, in denen genaue Feststellungen über den Verlauf der Ehe und das (ehewidrige) Verhalten der Ehegatten erfolgen müssten.32 Hinzukomme, dass gänzlich unklar bleibe, wie der Umfang der Schadensersatzansprüche sinnvoll begrenzt werden könne, weil der schuldlose Ehegatte nach §  249 BGB so zu stellen ist, als wäre das schädigende Ereignis nicht eingetreten, also regelmäßig als wäre die Ehe nicht geschieden worden.33 Schließlich sei – worauf bereits die Motive zum BGB hingewiesen 25  BGH v. 30.1.1957 – IV ZR 279/56, NJW 1957, 670; BGH v. 19.12.1989 – IVb ZR 56/88, NJW 1990, 706. Vgl. auch Mugdan, Motive zum BGB IV, S.  329. 26  BGH v. 30.1.1957 – IV ZR 279/56, NJW 1957, 670 (671). So auch schon Mugdan, Motive zum BGB IV, S.  329: „Zudem widerstrebt es dem Wesen der Ehe, sie einem auf die Erlangung vermögensrechtlicher Vortheile gerichteten Rechtsgeschäft gleichzustellen“. 27  BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2109). 28  BGH v. 19.12.1989 – IVb ZR 56/88, NJW 1990, 706 (707). 29  BGH v. 19.12.1989 – IVb ZR 56/88, NJW 1990, 706; BGH v. 4.11.1987 – IVb ZR 83/86, NJW 1988, 2032 (2033); BGH v. 13.10.1976 – IV ZR 104/74, NJW 1977, 378; ähnlich schon BGH v. 23.1.1967 – II ZR 166/65, NJW 1967, 1081 (1084); BGH v. 14.3.1962 – IV ZR 253/61, NJW 1962, 1244 (1245); BGH v. 16.12.1960 – II ZR 162/59, NJW 1961, 504 (505). 30  BGH v. 14.3.1962 – IV ZR 253/61, NJW 1962, 1244 (1245); BGH v. 30.1.1957 – IV ZR 279/56, NJW 1957, 670 (671). 31  BGH v. 30.1.1957 – IV ZR 279/56, NJW 1957, 670 (671). Diese Befürchtung findet sich ebenfalls schon in den Motiven, vgl. Mugdan, Motive zum BGB IV, S.  329. 32  BGH v. 30.1.1957 – IV ZR 279/56, NJW 1957, 670 (671). 33  BGH v. 30.1.1957 – IV ZR 279/56, NJW 1957, 670 (671).

B. Haftung im Innen- und Außenverhältnis nach Maßgabe des Deliktsrechts

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haben 34 – die Festsetzung einer Entschädigung für den durch das ehewidrige Verhalten und die Scheidung der Ehe entstandenen Schaden immer mehr oder weniger willkürlich, wodurch eine außerordentliche Rechtsunsicherheit erzeugt würde.35 – Aufgrund all dieser Erwägungen sind nach Ansicht des BGH neben den deliktischen auch all jene Ansprüche der Ehegatten gegeneinander ausgeschlossen, bei denen als verletztes Rechtsgut der Kern der Ehe und der mit diesem verfolgte Schutzzweck in Betracht kämen.36 Auch im Außenverhältnis verneint der BGH Schadensersatzansprüche des betrogenen Ehegatten gegen den Ehestörer und ergänzt seine Begründung mit den Argumenten, dass die aus der Ehe herrührenden persönlichen Verpflichtungen nur von den Ehegatten, nicht aber von einem Dritten verletzt werden könnten.37 Da die Ehestörung im Wesentlichen einen innerehelichen Vorgang darstelle, der in den Schutzzweck der deliktischen Haftungstatbestände nicht einbezogen sei, müsse sich dies auch auf die Beteiligung des Dritten auswirken.38 Das Verhalten des untreuen Ehegatten sei so eng mit dem des Dritten verbunden, dass es nicht angehe, die Ehestörung in eine allein eherechtlich zu beurteilende Verfehlung des untreuen Ehegatten und eine Schadensersatzansprüche auslösende unerlaubte Handlung des Dritten aufzuteilen.39 Außerdem würde die Annahme einer Haftung des Ehestörers dazu führen, dass der untreue Ehegatte mittelbar über die Regelungen zum Gesamtschuldnerausgleich doch mit deliktischen Ansprüchen belastet würde, obwohl dies mit der abschließenden Regelung im Ehe- und Familienrecht unvereinbar sei.40 Die Mitwirkung an der „Zerstörung der Ehe“ infolge ehewidriger Beziehungen zu einem Ehegatten sei keine unerlaubte Handlung.41 Nichts anderes soll gelten, wenn sich der betrogene Ehegatte nicht auf eine Verletzung des „Rechts auf Fortbestand und Ungestörtheit der ehelichen Lebensgemeinschaft“ beruft, sondern eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts geltend macht; sofern diese dadurch verwirklicht werde, dass der Ehestörer unter Mitwirkung des anderen Ehegatten in das Recht auf Ungestörtheit der ehelichen Lebensgemeinschaft eingreife, stünden der Bejahung deliktsrechtlicher Folgen die gleichen Gründe entgegen, die gegen eine Haftung als Folge der Ehestörung sprächen.42 Da im 34 

Mugdan, Motive zum BGB IV, S.  329. BGH v. 30.1.1957 – IV ZR 279/56, NJW 1957, 670 (671). 36  BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2109); BGH v. 19.12.1989 – IVb ZR 56/88, NJW 1990, 706 (708). 37  BGH v. 8.1.1958 – IV ZR 173/57, NJW 1958, 544; BGH v. 6.2.1957 – IV ZR 263/56, BGHZ 23, 279. 38  BGH v. 3.11.1971 – IV ZR 86/70, NJW 1972, 199. 39  BGH v. 3.11.1971 – IV ZR 86/70, NJW 1972, 199. 40  BGH v. 3.11.1971 – IV ZR 86/70, NJW 1972, 199; BGH v. 6.2.1957 – IV ZR 263/56, BGHZ 23, 279. 41  BGH v. 6.2.1957 – IV ZR 263/56, BGHZ 23, 279. 42  BGH v. 22.2.1973 – VI ZR 172/71, NJW 1973, 991 (992). 35 

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

Falle eines Ehebruchs regelmäßig das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betrogenen Ehegatten verletzt werde, würde eine darauf abstellende Haftung die Wertung unterlaufen, die aus dem engeren familienrechtlichen Regelungsbereich folge.43 Abhilfe versucht der BGH dadurch zu schaffen, dass er dem betroffenen Ehegatten einige Schadenspositionen durch Rückgriff auf Normen außerhalb des Schadensrechts zuspricht: Die Aufwendungen für den Unterhalt des scheinehelichen Kindes könne der Ehemann nach erfolgter Vaterschaftsanfechtung über den Forderungsübergang gemäß dem heutigen §  1607 Abs.  3 BGB vom biologischen Vater ersetzt verlangen.44 Die Entbindungskosten sollen dem Scheinvater über die Rückgriffskondiktion nach §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 BGB zu ersetzen sein, weil er den biologischen Vater von dessen Pflicht aus §  1615l Abs.  1 S.  2 BGB (§  1715 BGB a. F.) befreit habe.45 Einen Anspruch auf Ersatz des dem Kind für ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren gewährten Verfahrenskostenvorschusses könne der Scheinvater über eine analoge Anwendung von §  1607 Abs.  3 BGB (§  1709 Abs.  2 BGB a. F.) geltend machen, da die Vorschusspflicht Teil des Unterhalts ist (vgl. §  1360a Abs.  4 BGB analog46).47 Darüber hinaus gewährt der BGH dem Scheinvater auch für die eigenen Kosten eines Vaterschaftsanfechtungsverfahrens (vgl. §  183 FamFG) in analoger Anwendung von §  1607 Abs.  3 BGB einen Ausgleichsanspruch gegen den biologischen Vater des Kindes.48 – Diese Anspruchsgrundlagen haben zwar allesamt den Vorzug, dass sie verschuldensunabhängig sind, allerdings sorgen sie nur bedingt für Abhilfe, denn zum einen können Ansprüche gegen den biologischen Vater wegen der Rechtsausübungssperre des §  1600d Abs.  4 BGB erst dann erhoben werden, wenn dieser die Vaterschaft wirksam anerkannt hat oder er rechtskräftig als rechtlicher Vater festgestellt wurde. Zum anderen werden die erfassten Schadensposten umfangmäßig nicht immer vollständig ausgeglichen, denn an das Kind gezahlter Unterhalt, der über den Mindestunterhalt (vgl. §  1612a BGB) hinausgeht, kann vom biologischen Vater nur erstattet verlangt werden, soweit dieser seinerseits leistungsfähig ist. Nicht zum Unterhalt zählende Schäden (wie z. B. Detektivkosten, Gesundheitsschäden) werden überhaupt nicht erfasst und sind allenfalls nach Maßgabe des Schadensrechts ausgleichsfähig.

43 

BGH v. 22.2.1973 – VI ZR 172/71, NJW 1973, 991 (992). BGH v. 8.1.1958 – IV ZR 173/57, NJW 1958, 544. 45  BGH v. 8.1.1958 – IV ZR 173/57, NJW 1958, 544. 46 MüKoBGB/Weber-Monecke, §  1360a Rn.  21. 47  BGH v. 6.5.1964 – IV ZR 82/63, NJW 1964, 2151; BGH v. 10.11.1967 – IV ZR 117/66, NJW 1968, 446. 48  BGH v. 3.11.1971 – IV ZR 86/70, NJW 1972, 199 (200 f.); BGH v. 27.1.1988 – IVb ZR 12/87, NJW 1988, 2604 (2605) m. w. N.; OLG Schleswig v. 19.3.2007 – 13 UF 157/05, FamRZ 2007, 2102. A.  A. bei Scheinvaterschaft durch Vaterschaftsanerkenntnis OLG Celle v. 24.11.2004 – 15 UF 2/04, FamRZ 2005, 1853. 44 

B. Haftung im Innen- und Außenverhältnis nach Maßgabe des Deliktsrechts

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Eine bedeutsame Ausnahme von der grundsätzlichen Ablehnung deliktsrechtlicher Schadensersatzansprüche macht der BGH jedoch für Beeinträchtigungen des sogenannten „räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe“, dem er die Qualität eines absoluten „sonstigen Rechts“ im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB zuerkennt.49 „Das Recht auf den äusseren Lebensbereich“, so der BGH, „ist insoweit ein sich aus dem Familienverhältnis ergebendes absolutes Recht der Ehegatten, mindestens aber ein durch Art.  6 GG in Verbindung mit §  823 Abs.  2 BGB geschütztes Rechtsgut.“50 Der Schutzbereich des „räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe“ beschränkt sich auf den äußeren Bereich der Lebensgestaltung der Ehegatten, der die Grundlage für das gemeinsame Ehe- und Familienleben bildet und zugleich den einzelnen Familienmitgliedern die Entfaltung ihrer Persönlichkeit ermöglichen soll.51 Umfasst ist daher insbesondere die Ehewohnung in dem Bestand, wie sie von den Ehegatten zuletzt gemeinsam genutzt wurde,52 daneben aber auch Geschäftsräume, wenn diese einen Bezug zur Ehe haben und ähnlich wie die eheliche Wohnung zu einem Teil des äußeren gegenständlichen Bereichs der Ehe geworden sind, etwa weil der arglose Ehegatte in diesen Räumen mitgearbeitet oder sonst zur Entwicklung des Geschäfts beigetragen hat.53 Auf eine Verletzung des „räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe“ kann sich der betroffene Ehegatte sowohl gegenüber dem Ehestörer als auch dem anderen Ehegatten berufen. Inhaltlich beschränkt der BGH die Rechtsfolgen jedoch erstaunlicherweise auf einen (quasi-)negatorischen Anspruch auf Unterlassung bzw. Beseitigung der Störung (durch „Entfernung“) gemäß §  1004 BGB analog.54 Schadensersatz (insbesondere wegen immaterieller Schäden) lehnt der BGH aus den bereits genannten Erwägungen auch in diesem Bereich ab. Eine deliktische Haftung wird vom BGH nur ausnahmsweise unter den engen Voraussetzungen des §  826 BGB anerkannt, dann aber sowohl gegenüber dem Ehestörer als auch dem untreuen Ehegatten.55 Die familienrechtlichen 49  BGH v. 26.6.1952 – IV ZR 228/51, NJW 1952, 975; BGH v. 2.11.1955 – IV ZR 98/55, FamRZ 1956, 50; BGH v. 16.12.1960 – II ZR 162/59, NJW 1961, 504 (im konkreten Fall verneint); BGH v. 22.5.1963 – IV ZR 294/62, FamRZ 1963, 553. 50  BGH v. 26.6.1952 – IV ZR 54/52, BeckRS 1952, 31397980. Dazu, dass Art.  6 GG keine taugliche Grundlage einer rechtsdogmatischen Begründung des „räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe“ ist, vgl. unten Kap.  3 B.II., S. 86 und die ausführlich Kritik bei Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  174 ff. 51  BGH v. 19.2.2014 – XII ZB 45/13, NJW 2014, 1243; BGH v. 26.6.1952 – IV ZR 228/51, NJW 1952, 975. 52  BGH v. 19.2.2014 – XII ZB 45/13, NJW 2014, 1243; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  115; MüKoFamFG/Erbarth, §  266 Rn.  78. 53  BGH v. 16.12.1960 – II ZR 162/59, NJW 1961, 504 (505 f.); OLG Köln v. 19.4.1983 – 15 U 118/82, FamRZ 1984, 267; OLG Celle v. 28.3.1963 – 7 U 135/62, FamRZ 1963, 295 (296: Anspruch auf Beendigung der Beschäftigung der Geliebten). 54  Vgl. BGH v. 26.6.1952 – IV ZR 228/51, NJW 1952, 975. 55  Nach RG v. 23.11.1936 – VI 199/36, RGZ 152, 397 (400 f., im konkreten Fall abgelehnt), soll etwa der Ehestörer gemäß §  826 BGB haften, wenn er den Scheinvater in einer gegen die

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

Vorschriften sollen im Bereich der Störung der innerehelichen, geschlechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten, insbesondere durch einen Ehebruch, einem Schadensersatzanspruch aus §  826 BGB dann nicht entgegenstehen, wenn zu dem ehewidrigen Verhalten ein weiteres, sittenwidrig schädigendes Verhalten des untreuen Ehegatten hinzutritt und dieser dabei mit – gegebenenfalls bedingtem – auf eine Schadenszufügung gerichtetem Vorsatz handelt.56 Die Voraussetzungen für die Anwendung von §  826 BGB sollen danach eröffnet sein, wenn sich die Wertmaßstäbe für das Sittenwidrigkeitsurteil nicht aus der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern aus eigenständigen Wertungsbereichen ergeben.57 Dies soll allerdings nicht schon dann anzunehmen sein, wenn die Ehefrau den begangenen Ehebruch nicht von sich aus offenbart und den Ehemann damit in dem Glauben lässt, das Kind stamme von ihm.58 „Allein die Tatsache, dass die Ehefrau den Treuebruch verschwiegen hat, begründet keine sittenwidrig schädigende Handlung i. S. von §  826 BGB.“59 Dies könne jedoch dann anzunehmen sein, wenn die Ehefrau „Zweifel des Ehemanns an der Abstammung des Kindes durch unzutreffende Angaben bzw. durch ausdrückliches Leugnen des Ehebruchs zerstreut oder wenn sie den Ehemann durch eine arglistige Täuschung oder auf andere Weise, etwa auch durch Drohungen, an der Erhebung der Ehelichkeitsanfechtungsklage hindert.“60 Der kritischen, deliktsrechtsfreundlichen Literatur ist zuzustimmen, soweit sie die vom BGH für die Ablehnung von Schadensersatzansprüchen ins Feld geführten Argumente für nicht überzeugend hält. 61 Zweifelhaft ist schon die vom BGH herangezogene Rechtsgrundlage. Soweit er auf §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. Art.  6 GG abstellt,62 ist dies schon deshalb abzulehnen, weil Art.  6 GG kein Schutzgesetz ist: Der verfassungsrechtliche Schutz der Ehe durch Art.  6 GG bezweckt nicht den Schutz vor konkreten (vermögensrechtlichen) Schädiguten Sitten verstoßender Weise daran gehindert hat, das Anfechtungsverfahren rechtzeitig und erfolgreich einzuleiten (str.). 56  BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2109); BGH v. 19.12.1989 – IVb ZR 56/88, NJW 1990, 706 (708); BGH v. 8.4.1981 – IVb ZR 584/80, NJW 1981, 1445; ebenso schon RG v. 23.11.1936 – VI 199/36, RGZ 152, 397; RG 5.6.1905 – IV 65/95, SeuffArch 61, Nr.  38. A. A. noch BGH v. 30.1.1957 – IV ZR 279/56, NJW 1957, 670 (671); BGH v. 30.9.1954 – IV ZR 233/53, NJW 1954, 1801 (für das Außenverhältnis); offenlassend BGH v. 21.3.1956 – IV ZR 194/55, NJW 1956, 1149 (für das Außenverhältnis). 57  BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2109). 58 Zur Lösung dieser Fälle nach hier vertretener Ansicht siehe noch ausführlich unten Kap.  3 C.III.3.d), S. 217 ff. 59  BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2109). 60  BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2109); siehe BGH v. 8.4.1981 – IVb ZR 584/80, NJW 1981, 1445 (Ehefrau hat ihrem Mann bewusst vorgespiegelt, nur er könne der Vater des Kindes sein, und ihn dadurch zur Eheschließung bestimmt). 61  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §   17 Rn.   24; Muscheler, Familienrecht, Rn.  314; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  48 ff. 62  Ebenso deliktischen Schutz der Ehe unter dem Gesichtspunkt des Institutionenschutzes gewährend Raiser, JZ 1961, 465 (470); Hübner, FamRZ 1962, 1 (6 ff.).

B. Haftung im Innen- und Außenverhältnis nach Maßgabe des Deliktsrechts

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gungen durch Privatpersonen, wie er für Schutzgesetze typisch ist, 63 sondern den Schutz vor staatlichen Eingriffen, durch die die Freiheit des Einzelnen zur Eingehung und Ausgestaltung einer Ehe mit einem frei gewählten Partner beeinträchtigt wird, 64 ganz abgesehen davon, dass Art.  6 GG wie alle Grundrechte keine unmittelbare Drittwirkung entfaltet. 65 §  823 Abs.  1 BGB wäre dagegen nur dann einschlägig, wenn man die eheliche Lebensgemeinschaft – was abzulehnen ist66 – den absoluten „sonstigen Rechten“ zuordnet, wovon der BGH ohne nähere Begründung ausgeht. Selbst wenn man von dieser grundlegenden Voraussetzung der Anwendbarkeit von §  823 Abs.  1 BGB zunächst absieht, erweist sich die Argumentation des BGH als wenig stringent, weil die meisten Argumente – wären sie zutreffend – auch für den „räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe“ gelten und dem Rückgriff auf §  826 BGB entgegenstehen würden. Da der BGH zumindest die deliktischen Tatbestände für den Anspruch auf „Entfernung“ und Unterlassung gemäß §  1004 BGB analog heranzieht, kann es sich bei der Ehestörung nicht um einen Vorgang handeln, der in den Schutzzweck der deliktischen Vorschriften nicht einbezogen ist. 67 Seine These, die Ehe stehe außerhalb der Rechtsverhältnisse, deren Verletzung zur Schadensersatzpflicht führen könne, hält er selbst nicht durch, wie die zugelassene Haftung nach §  826 BGB zeigt. Darüber hinaus enthält das Ehe- und Familienrecht keineswegs eine abschließende Regelung in Bezug auf die Folgen von Pflichtverletzungen; einzelne Vorschriften im Ehescheidungsrecht knüpfen zwar an pflichtwidriges Verhalten an (vgl. §§  1381, 1565 Abs.  2, [1361 Abs.  3 i. V. m.] 1579 Nr.  7 BGB, §  27 VersAusglG), das schließt jedoch nicht aus, daneben zum Ausgleich konkreter Schadensposten verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche aus dem Schuldrecht anzuwenden. 68 §  1359 BGB setzt diese Möglichkeit sogar voraus, da im Eherecht insofern eine spezielle Anspruchsgrundlage fehlt. 69 Zu Recht wird in der Literatur darauf hingewiesen, dass kein sachlicher Grund ersichtlich ist, warum nur der zu einer Zahlung (Unterhalt, Zugewinn- oder Versorgungsausgleich) verpflichtete Ehegatte im Wege des Abzugs zu einer Restitution von erlittenen Schäden berech63  Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.   174 ff.; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  17 Rn.  4 ; Muscheler, Familienrecht, Rn.  315; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  48 Fn.  195. Im Ergebnis so auch RGRK/Roth-Stielow, Vor §  1353 Rn.  8. 64  Zum Gewährleistungsgehalt von Art.  6 GG als Freiheitsrecht noch ausführlich unten Kap.  3 C.III.2.a)(4)(a)(iv), S. 169 ff. 65  Beachte Rolland/Brudermüller, §  1353 Rn.  71; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  113. 66  Vgl. unten Kap.  3 B.IV., V, S. 94 ff., 104 ff. 67  Kritisch auch Boehmer, AcP 155 (1956), 181 (189). 68 Rolland/Brudermüller, §  1353 Rn.  85, 89 (abschließender Charakter sei nicht zwingend); Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, S.  256; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  48; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  118; vgl. hierzu auch Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (322 ff.). A. A. Löwisch, Der Deliktsschutz relativer Rechte, S.  189 f. 69 Für die Verwaltung des Gesamtguts sieht jedoch §   1435 S.  3 BGB eine spezielle Anspruchsgrundlage für Schadensersatz vor.

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

tigt sein soll,70 ganz abgesehen davon, dass die genannten Normen einen Abzug nur nach Maßgabe der Billigkeit (nicht nach Maßgabe einer konkreten Vermögenseinbuße) ermöglichen. Die vermögensrechtlichen Vorschriften des Eherechts verfolgen andere Zwecke, die sie nicht verlieren, wenn daneben in wei­ tergehendem Umfang nach deliktsrechtlichen Vorschriften Ausgleich für verursachte Schäden zu leisten ist. Da das Deliktsrecht lediglich Ersatz für real eingetretene Schäden vorsieht, ist es verfehlt, insofern von „Scheidungsstrafe“ zu sprechen; 71 Strafschadensersatzansprüche (sog. punitive damages) sind im deutschen Recht nicht zugelassen. Außerdem wird die Ehe durch die Zubilligung von Schadensersatzansprüchen keineswegs einem „vermögensrechtlichen Geschäft“ gleichgestellt.72 Auch §  120 Abs.  3 FamFG wird durch die Anerkennung von Schadensersatzansprüchen zwischen Ehegatten nicht zwingend umgangen, da diese Norm primär nur unmittelbaren Erfüllungszwang ausschließen will; 73 sekundäre Schadensersatzpflichten sind ganz normal vollstreckbar, wie dies etwa auch bei schuldhaften Verletzungen von Dienstleistungspflichten trotz §  888 Abs.  3 ZPO nicht in Frage gestellt wird.74 Zweifelhaft ist jedoch, ob der mit Schadensersatzansprüchen wegen Ehebruchs verbundene mittelbare Druck zur Einhaltung der „persönlichen Ehepflichten“ zulässig ist und nicht den gesetzgeberischen Wertungen widerspricht? 75 Insofern sind die Bedenken des BGH im Grundsatz durchaus berechtigt. Allerdings rühren diese Zweifel nicht so sehr von einer befürchteten Umgehung des §  120 Abs.  3 FamFG her, sondern vielmehr von der bedenklichen Annahme echter Rechtspflichten im höchstpersönlichen Bereich der Ehe. Hierauf wird noch ausführlich zurückzukommen sein.76 Nicht nachvollziehbar ist das Argument des BGH, der betrogene Ehegatte könnte sich bei Anerkennung von Schadensersatzansprüchen, die nichts anderem als dem Ausgleich erlittener Schäden dienen, ungerechtfertigt bereichern.77 70 

Muscheler, Familienrecht, Rn.  314; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  118. Ergebnis ebenso Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, S.  261; Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  274 ff.; Muscheler, Familienrecht, Rn.  314; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  119; Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (326 f.); von Hippel, NJW 1965, 664 (666). 72  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §   17 Rn.  28 („Der Vorwurf…ist fast absurd“). 73 Rolland/Brudermüller, §  1353 Rn.  89; Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, S.  261; Muscheler, Familienrecht, Rn.  314; Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  270 f.; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  48; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  128. 74  Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (325), unter Auswertung der Materialien zur Civilprozess­ ordnung; ebenso Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, S.  253, 261 f.; Muscheler, Familienrecht, Rn.  314; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  48; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  128. 75  Keine Bedenken hegen Rolland/Brudermüller, §  1353 Rn.  8 0, 89; Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, S.  261 f.; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  128. 76  Vgl. unten Kap.  3 C.III.2., S. 140 ff. 77 Richtig Muscheler, Familienrecht, Rn.  314; Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, S.  261. 71  Im

B. Haftung im Innen- und Außenverhältnis nach Maßgabe des Deliktsrechts

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Fernliegend ist auch die Befürchtung einer Zunahme von Prozessen zwischen Ehegatten, in denen entgegen der vom Gesetzgeber mit der Einführung des Zerrüttungsprinzips verfolgten Intention verschuldensabhängige Internas der Ehe verhandelt werden müssten, zumal auch im Vaterschaftsanfechtungsverfahren notwendigerweise geklärt werden muss, ob die Mutter des Kindes außerehelichen Geschlechtsverkehr gepflegt hat; ebenso müssen im Rahmen von §  826 BGB oder bei Beeinträchtigungen des „räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe“ Feststellungen zum ehewidrigen Verhalten eines Ehegatten getroffen werden. Auch der Umfang etwaiger Schadensersatzansprüche lässt sich ohne Schwierigkeiten anhand des Schutzzwecks der verletzten Pflicht stets sachgerecht und vorhersehbar eingrenzen,78 so dass entgegen der Ansicht des BGH keine Rechtsunsicherheit entsteht, die über das vom Gesetz (im Rahmen von §  253 Abs.  2 BGB) vorgesehene Maß hinausgeht. Die Aussage des BGH, dass die aus der Ehe herrührenden persönlichen Verpflichtungen nur von den Ehegatten, nicht hingegen von einem Dritten verletzt werden können, ist eine Selbstverständlichkeit, begründet aber nicht, warum im Außenverhältnis nicht – gestützt auf die Verletzung eines absolut geschützten Rechts oder Rechtsguts – eine deliktische Haftung in Betracht kommen soll, zumal der BGH ein „absolutes Recht auf den Fortbestand der ehelichen Lebensgemeinschaft“ selbst postuliert.79 Zu widersprechen ist dem BGH ferner in der Annahme, dass das Verhalten des Ehestörers und des untreuen Ehegatten so eng miteinander verbunden sei, dass eine eigenständige rechtliche Bewertung ausscheide; das Verhalten des Dritten kann sehr wohl haftungsrechtlich anders zu beurteilen sein als das Verhalten des Ehegatten, zumal allein den Ehegatten persönliche „Ehepflichten“ treffen und nur diesem die Haftungsprivilegierung des §  1359 BGB zugutekommen kann. Die bei Anerkennung einer deliktischen Haftung des Ehestörers befürchtete Gefahr einer mittelbaren Inanspruchnahme des untreuen Ehegatten über die Vorschriften des Gesamtschuldnerausgleichs besteht nicht, wenn man mit dem BGH eine Haftung des Ehegatten ablehnt. Nur konsequent ist indes die Ablehnung einer deliktischen Haftung des Ehestörers gestützt auf eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des betrogenen Ehegatten, wobei es insofern überzeugender wäre, im Regelfall des Ehebruchs schon generell eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts abzulehnen, 80 weil dadurch im Regelfall keine persönliche Geringschätzung oder Ver78 Rolland/Brudermüller,

§  1353 Rn.  85. So BGH v. 21.3.1956 – IV ZR 194/55, NJW 1956, 1149 (1150); ähnlich BGH v. 3.11.1971 – IV ZR 86/70, NJW 1972, 199: „die Ehe (gewähre) ein Recht auf Fortbestand oder Ungestörtheit der ehelichen Lebensgemeinschaft“. 80  So auch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  17 Rn.  9 m. w. N.: „[D]ie Eigenart des Eheschutzes (schließt) den Rückgriff auf die allgemeinen Regeln des Persönlichkeitsschutzes grundsätzlich (aus). Die Rechtwidrigkeit eines Eingriffs kann nie wie die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in Persönlichkeitsrechte von einer Güterabwägung abhängig sein; der im Persönlichkeitsschutz heute weithin gewährte Ersatz immaterieller Schäden darf nicht 79 

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

achtung des betrogenen Ehegatten zum Ausdruck gebracht wird. Allein die mit dem Gefühl, durch „jemand vermeintlich Besseren ausgetauscht oder ersetzt“ worden zu sein, verbundene und empfundene Kränkung rechtfertigt die Annahme einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts nicht, zumal der deliktische Schutz dieses Rechts weder geeignet noch dazu bestimmt ist, Genugtuung für verlorene Liebe zu gewähren. 81

III. Stimmen in der Literatur Im Schrifttum gehen die Meinungen über das Bestehen, die Grundlage und den Umfang etwaiger Schadensersatzansprüche bei Ehestörungen weit auseinander. Ein Teil der Literatur hat sich zumindest im Ergebnis, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung, der Ansicht des BGH angeschlossen und lehnt Schadensersatzansprüche sowohl gegenüber dem Ehestörer als auch dem untreuen Ehegatten ab.82 Manche stimmen zwar dem Ergebnis des BGH zu, halten aber de lege ferenda eine familienrechtliche Anspruchsnorm für wünschenswert.83 Löwisch geht mit dem BGH davon aus, dass die familienrechtlichen Vorschriften für das Innenverhältnis eine abschließende Regelung getroffen haben, die für die Verletzung der persönlichen Verpflichtungen, vom Unterhalt abgesehen, keine vermögensrechtlichen Sanktionen vorsehen. 84 Seines Erachtens ist „die relative Rechtsbeziehung“ zwischen den Ehegatten jedoch im Außenverhältnis als „sonstiges Recht“ im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB Schutzobjekt einer deliktischen Haftung („relativ-absolute Theorie“); 85 allerdings seien die vermögensrechtlichen Folgen eines Ehebruchs vom Schutzbereich dieses relativen Rechts nicht umfasst, weshalb auch der Ehestörer nicht zum Schadensersatz verpflichtet sein könne. 86 Überwiegend Zustimmung erhielt der BGH für seine restriktive schadensrechtliche Haltung auch von Lipp, der jedoch – anders als der BGH – zumindest für den „räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe“ Schadensersatz­ ansprüche des verletzten Ehegatten im Grundsatz bejaht, weil die Einhaltung der Pflicht zur Achtung dieses Bereichs keine „eheliche Gesinnung“ erfordere. 87 auf den Eheschutz übergreifen; die Ehestörung hat ihren eigenen Unrechtsgehalt, der sie deutlich von allen Spezialtatbeständen der Persönlichkeitsverletzung (etwa der Beleidigung) sondert.“ 81 Siehe Muscheler, Familienrecht, Rn.  314. 82 Erman/Kroll-Ludwigs, §  1353 Rn.  27; Lüke, AcP 178 (1978), 1 (10 f.); Rauscher, FamR, Rn.  254; Schlüter, Familienrecht, Rn.  57, 60; Schwab, Familienrecht, Rn.  145e; Stake, JA 1994, 115 (124). 83  Muscheler, Familienrecht, Rn.  314, 317. 84  Löwisch, Der Deliktsschutz relativer Rechte, S.  188 ff. 85  Löwisch, Der Deliktsschutz relativer Rechte, S.  191 f. Beachte auch die in Fn.  89 genannten weiteren Vertreter. 86  Löwisch, Der Deliktsschutz relativer Rechte, S.  192 f. 87 Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  81. Vgl. zu seiner Ansicht noch ausführlich unten Kap.  3 B.VI., S. 105 ff.

B. Haftung im Innen- und Außenverhältnis nach Maßgabe des Deliktsrechts

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Eine weit verbreitete andere Ansicht befürwortet hingegen generell, wiederum mit unterschiedlicher Begründung, einen weitergehenden Rechtsschutz für den betrogenen Ehegatten und erkennt jedenfalls im Außenverhältnis Schadensersatzansprüche nach §§  823 ff. BGB an, während Schadensersatzansprüche im Innenverhältnis teilweise verneint, 88 teilweise nur gestützt auf §  1353 BGB zugelassen werden,89 wobei für Gesundheitsschäden auch im Verhältnis zum untreuen Ehegatten eine deliktische Haftung nach §  823 Abs.  1 BGB angenommen wird. Andere wollen Ersatzansprüche gegen den Ehegatten erst nach der Scheidung der Ehe zulassen90 – eine Ansicht, die sich nach derzeitiger Rechtslage jedoch nicht begründen lässt.91 Auch die Befürworter einer deliktischen Haftung beschränken den Umfang von Schadensersatzansprüchen jedoch einhellig auf das sog. „Abwicklungs­ interesse“, d. h. auf die durch die Ehestörung eingetretenen Nachteile (Kosten der Vaterschaftsanfechtung, Unterhaltszahlungen an das Kind, Gesundheitsschäden, Scheidungskosten [str.] 92 , Detektivkosten [str.] 93),94 weil anderenfalls die vom Gesetz vorgesehenen Scheidungsfolgen unterlaufen werden könnten. Ausgeklammert bleiben soll dagegen das „Bestandsinteresse“, d. h. die zukünftig entgehenden Vorteile der Ehe (z. B. Unterhaltsansprüche, Mitarbeit des anderen Ehegatten, Ehegattenerbrecht oder Pflichtteilsrecht, Teilhabe am weiteren Zugewinn des anderen Ehegatten). Außerdem wird ein Anspruch auf Schmerzensgeld gemäß §  253 Abs.  2 BGB abgelehnt.95 88  Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.   619; Schwab, NJW 1956, 1150; Schwab, NJW 1957, 869 (870); RGRK/Roth-Stielow, Vor §  1353 Rn.  10, 11. 89  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  17 Rn.  24, 30–32; Rolland/Brudermüller, §  1353 Rn.  89, 91; Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, S.  260; Magis, Schadensersatz- und Unterlassungsanspruch bei Verletzung der ehelichen Treue, S.  26, 33 ff. (gestützt auf §  276 und §  1359 BGB); MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  48; wohl auch Staudinger/ Voppel, §  1353 Rn.  118 ff., 135 f., der die Anspruchsgrundlage für das Innenverhältnis nicht klar angibt. – Kritisch zur Lehre vom „relativ-absoluten“ Charakter des ehelichen Rechtsverhältnisses, die zwischen dem rein relativen Innenverhältnis und dem absoluten Außenverhältnis unterscheidet und deliktischen Rechtsschutz allenfalls im Außenverhältnis zum Ehestörer gewährt, während das Innenverhältnis nur relativer Bewertung zugänglich sein soll, Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  200 ff. 90  Boehmer, AcP 155 (1956), 181 (190 f.); ihm folgend von Hippel, NJW 1965, 664 (665); OLG Celle v. 27.4.1964 – 3 W 48/64, FamRZ 1964, 366 (368). 91  So auch Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  281 ff. m. w. N. 92  Ablehnend Rolland/Brudermüller, §  1353 Rn.  105; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  49. 93 Bejahend Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §   17 Rn.  28 Fn.  40; Staudinger/ Voppel, §  1353 Rn.  127; ablehnend Rolland/Brudermüller, §  1353 Rn.  106. 94 Vgl. Rolland/Brudermüller, §  1353 Rn.  93 ff.; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  17 Rn.  26 ff.; Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, S.  257 ff.; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.  619; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  49 (nur Kosten des Anfechtungsverfahrens und etwaige Gesundheitsschäden); Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  127. 95 Rolland/Brudermüller, §  1353 Rn.  95; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  17 Rn.  27; Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  321 ff.; Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  80; MüKoBGB/­ Roth, §  1353 Rn.  49. A. A. Boehmer, AcP 155 (1956), 181 (194 ff.); Künkel, FamRZ 1966, 176

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

Die Ablehnung der Ersatzfähigkeit von Schadensposten, die aus der vorzeitigen Beendigung der Ehe resultieren, leuchtet unmittelbar ein, da es kein schützenswertes Interesse am Fortbestand der Ehe gibt, und die Vorschriften zu den Scheidungsfolgen die wirtschaftlichen Interessen der Ehegatten für den Fall der Scheidung abschließend regeln. Allerdings bestehen auch in Bezug auf die befürwortete Ersatzfähigkeit des sog. Abwicklungsinteresses Bedenken: In Bezug auf die Scheidungskosten dürfte schon die Kausalität zwischen der Pflichtverletzung (d. h. dem „Ehebruch“) und der nachfolgenden Scheidung schwer nachzuweisen sein, da die Gründe der Zerrüttung häufig vielfältig sind; 96 und im Übrigen ist äußerst zweifelhaft, ob die im Rahmen des Abwicklungsinteresses für ersatzfähig gehaltenen Schadensposten vom Schutzzweck der persönlichen Ehepflichten umfasst sind: Soll die „Treuepflicht“97 – deren Existenz unterstellt – den betrogenen Ehegatten wirklich davor schützen, keine Kosten für einen Detektiv, für ein scheineheliches Kind oder für ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren aufwenden zu müssen? Besteht ihr Zweck wirklich darin, den betrogenen Ehegatten vor gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu bewahren, wenn er von dem Ehebruch des anderen Ehegatten erfährt? Soweit – vor allem im Außenverhältnis – eine deliktische Haftung des Ehestörers bejaht wird, fehlt es nicht an Kreativität für die Bezeichnung des als verletzt angesehenen absolut geschützten „sonstigen Rechts“ im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB. Behauptet werden insofern als Schutzgut ein „Recht auf Ungestörtheit der geschlechtlichen Beziehungen in der Ehe“,98 ein „Recht auf ungestörten Fortbestand der ehelichen Gemeinschaft“,99 die „personenrechtliche Zuordnung als solche“ sowie „die Verbindung der Ehegatten zu geschlechtlicher Treue“,100 der „absolute Kern der Ehe“,101 der (durch Art.  6 GG institutionell geschützte) „Rahmen der Ehe“,102 das „eheliche Verhältnis“ als solches,103 ein „Recht auf Schutz der ehelichen Lebensgemeinschaft“,104 ein „Recht der (179); einschränkend Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, S.  260 („nur in besonders schwerwiegenden Ausnahmefällen“); von Hippel, NJW 1965, 664 (670 f.: „Fälle …, in denen eine besondere Schwere der Verletzung und des Verschuldens vorliegt“). 96  Kritisch auch MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  49. 97  Dazu noch ausfühlich unten Kap.  3 C.III.2.a)(4)(c)(iii), S. 186 ff. 98  Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, S.  254; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  48; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  131. 99  Schwab, Familienrecht, Rn.  145b. 100  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §   17 Rn.  7; Dethloff, Familienrecht, §  4 Rn.  14; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.  619. 101  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  17 Rn.  9. 102  Rauscher, FamR, Rn.  250. 103  Boehmer, AcP 155 (1956), 181 (187): „Der ‚absolute‘ Rechtscharakter des ehelichen Verhältnisses steht heute nach deutschem Recht fest.“ Er betont in diesem Zusammenhang, dass es sich bei der Ehestörung nicht „um Angriffe gegen die persönliche individuelle Integrität eines Ehegatten“ handele, „sondern um Eingriffe in den Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft als solcher, in die ungestörte wechselseitige Wahrung und Achtung der ehelichen Treue“ (S.  185). 104  Schwab, NJW 1956, 1150.

B. Haftung im Innen- und Außenverhältnis nach Maßgabe des Deliktsrechts

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Ehegatten auf die volle und ausschließliche eheliche Lebensgemeinschaft“105 oder die „relative Rechtsbeziehung zwischen den Ehegatten“.106 Teilweise wird auch versucht, durch Rückgriff auf allgemeine, absolut geschützte Interessen, wie den Besitz107 oder das Persönlichkeitsrecht108 , Rechtsschutz über das Deliktsrecht zu begründen oder dogmatisch abzusichern. – Schon diese unklare Terminologie verdeutlicht die Schwierigkeit nicht nur der sprachlichen, sondern auch der exakten rechtlichen Umfassung und Begrenzung des als beeinträchtigt angesehenen Schutzguts und weckt Zweifel an der Richtigkeit der auf §  823 Abs.  1 BGB gestützten Anerkennung deliktischer Schadensersatzansprüche im Falle der Ehestörung. Den Kritikern des BGH ist – wie schon angemerkt – zwar zuzugeben, dass man gedanklich durchaus zwischen dem Anspruch im Innenverhältnis auf Einhaltung etwaiger persönlicher Ehepflichten und einem „Recht auf Ungestörtheit der ehelichen Beziehung“ (oder dergleichen) im Außenverhältnis trennen kann,109 das bedeutet aber nicht, dass ein solches Recht auch tatsächlich als absolut geschütztes „sonstiges Recht“ im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB anzuerkennen ist.110 Zweifelhaft erscheint daran insbesondere, dass im Außenverhältnis ein höheres Schutzniveau für die Ehe bestehen soll als im Innenverhältnis,111 obwohl die besonderen ehelichen Pflichten, allen voran die „Treuepflicht“, allein im Innenverhältnis der Ehegatten existieren. Die Argu105 

Dölle, Familienrecht I, §  32 III, S.  379. Löwisch, Der Deliktsschutz relativer Rechte, S.  192. 107 So Pawlowski, Die „bürgerliche Ehe“ als Organisation, S.  2 2 ff., 27, der aufgrund seines organisationsrechtlichen Eheverständnisses nicht den Ehegatten als Individuen, sondern „der Ehe“ deliktischen Schutz in Bezug auf den „räumlich-gegenständlichen Ehebereich“ zuspricht, den die Ehegatten nur gemeinsam als Mitglieder der „Organisation Ehe“ geltend machen können. Die Geltendmachung dieser Ansprüche erfolge als Maßnahme der (gemein­ samen) Geschäftsführung bzw. in Vertretung der Ehe (S.  17 ff.). Dogmatisch begründet Pawlowski die Schutzansprüche gegen Ehestörungen mit der Annahme „gesamthänderischen Mitbesitzes der Ehegatten“ an dem den „räumlich-gegenständlichen Ehebereich“ konstituierenden „Organisationsbereich der Ehe“ (S.  26 ff.); vgl. auch Pawlowski, Studium der Rechtswissenschaft, S.  313 Fn.  100 („der Ehegatte wird in seinem Hausrecht verletzt, wenn sich Dritte ohne seine Zustimmung in der Ehewohnung aufhalten“). In Argumentation und Ergebnis praktisch identisch Smid, Zur Dogmatik der Klage auf Schutz des „räumlich-gegenständlichen Bereichs“ der Ehe, S.  65 ff., 88 ff., 92, 93 ff., der den gesamthänderischen Besitzschutz am „Betriebsraum“ der Ehe jedoch aus dem „Hausrecht“ ableiten will (S.  65 ff., 83 ff.); Smid, NJW 1990, 1344 ff. Berechtigte Kritik an dieser Ansicht übt Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  195 ff. 108  Coing, JZ 1952, 689 f.; ebenso Boehmer, AcP 155 (1956), 181 (200 f.); für den „räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe“ auch MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  51; Schlüter, Familienrecht, Rn.  52; vgl. auch Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, S.  255; Schwerdtner, Persönlichkeitsrecht, S.  182 f.; aus schweizerischer Sicht Padrutt, Ehestörungsklage, 1954, S.  34 ff. 109 So Muscheler, Familienrecht, Rn.  317; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  48. 110 Überzeugend Schlüter, Familienrecht, Rn.  60. 111 Ähnlich Rauscher, FamR, Rn.  254: „jenseits des Bereichs, in dem sich die eheliche Lebensgemeischaft nach außen erkennbar materialisiert … kann man aber schwerlich Dritten mehr Verantwortung für die Wahrung der ehelichen Lebensgemeinschaft auferlegen, als den Ehegatten selbst.“ 106 

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mentation scheint hier mehr vom Ergebnis aus gedacht zu sein als ausgehend von den Voraussetzungen der Anspruchsgrundlage des §  823 Abs.  1 BGB. Weil man eine Haftung (jedenfalls im Außenverhältnis) für gerechtfertigt hält, wird ohne nähere Begründung schlicht behauptet, dass die Ehe eine absolut geschützte Rechtsposition vermittle. Um diese These fundiert widerlegen zu können, kommt man nicht umhin, sich zunächst mit dem „sonstigen Recht“ im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB näher auseinander zu setzen und sich Klarheit über die allgemeinen Voraussetzungen dieser absolut geschützten Rechtsposition zu verschaffen. Führt man sich die Eigenschaften des „sonstigen Rechts“ vor Augen, wird sehr schnell klar, dass Ehestörungen, insbesondere der „Ehebruch“, sowohl im Außenverhältnis als auch im Innenverhältnis im Deliktsrecht keinen Anknüpfungspunkt finden und folglich auch nicht durch eine auf das Deliktsrecht gestützte Haftung gelöst werden können.

IV. Die Ehe als absolut geschütztes „sonstiges Recht“ im Außenverhältnis zum Ehestörer? 1. Grundgedanken des deliktischen Haftungssystems Die Verfasser des BGB sahen sich in Bezug auf das Recht der unerlaubten Handlung vor die schwierige Aufgabe gestellt, das Spannungsverhältnis zwischen Rechtsgüterschutz und allgemeiner Handlungsfreiheit in einen gerechten Ausgleich zu bringen. Eine zu weit gehende Haftung für jede rechtswidrige und schuldhafte, d. h. auch rein fahrlässige, Schadensverursachung würde den persönlichen und wirtschaftlichen Entfaltungsspielraum jedes Einzelnen massiv einschränken.112 Man war sich deshalb einig, dass die deliktsrechtlichen Vorschriften dazu bestimmt sind, „die Rechtskreise der Einzelnen, innerhalb deren sie ihre individuelle Freiheit entfalten und ihre Interessen verfolgen dürfen, voneinander abzugrenzen.“113 Zur Lösung der Problematik wurde zum einen an das Verschuldensprinzip angeknüpft, zum anderen wurden (verhältnismäßig) klar umgrenzte Haftungstatbestände eingeführt.114 Insbesondere haben sich die Verfasser des BGB bewusst gegen eine „große deliktsrechtliche Generalklausel“ entschieden,115 112 

Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S.  350. Mugdan, Motive zum BGB II, S.  1073. 114  Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S.  350 f., 351 ff., 354 ff. 115  So noch §  704 I im ersten Entwurf des BGB: „Hat Jemand durch eine aus Vorsatz oder Fahrlässigkeit begangene widerrechtliche Handlung – Thun oder Unterlassen – einem anderen einen Schaden zugefügt, … so ist er dem anderen zum Ersatze des durch die Handlung verursachten Schadens verpflichtet, ohne Unterschied, ob der Umfang des Schadens vorauszusehen war oder nicht“. Diese Vorschrift ist von der zweiten Kommission verworfen worden, vgl. Mugdan, Motive zum BGB II, S.  1072 ff. Vgl. zur Entstehungsgeschichte mit zahlreichen Nachweisen Soergel/Spickhoff, Vor §  823 Rn.  3 ff. Speziell zur Gesetzgebungsgeschichte des „sonstigen Rechts“ ausführlich Schiemann, FS Deutsch (2009), S.  895 (897 ff.). 113 

B. Haftung im Innen- und Außenverhältnis nach Maßgabe des Deliktsrechts

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wie sie etwa im französischen Recht vorgesehen ist,116 aber auch von einer enumerativen Auflistung konkreter Einzeltatbestände abgesehen. Stattdessen enthalten die §§  823 ff. BGB ein kombiniertes System aus einerseits drei beschränkten Generalklauseln in §   823 Abs.   1, §   823 Abs.   2 und §   826 BGB117 und andererseits relativ präzisen Einzeltatbeständen in den §§  824, 825, 831–839 BGB. Grundgedanke dieser Konzeption ist der Schutz ganz bestimmter Rechtsgüter und Rechte, während primäre Vermögensverletzungen nur in sehr engen Grenzen deliktische Schadensersatzpflichten auslösen. Die Beschränkung der geschützten Güter ergibt sich vor allem aus dem Grundtatbestand des §  823 Abs.  1 BGB, der nur das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum und „sonstige Rechte“ vor rechtswidrigen und schuldhaften Beeinträchtigungen schützt, wobei die genannten Rechtsgüter und Rechte nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift restriktiv auszu­ legen sind.118 Mit „Freiheit“ ist lediglich die Fortbewegungsfreiheit, nicht etwa die allgemeine Handlungsfreiheit (im Sinne von Art.  2 Abs.  1 GG) gemeint,119 und auch der Eigentumsschutz erstreckt sich gemäß §  903 BGB nur auf das Eigentum an Sachen (§  90 BGB), d. h. an körperlichen Gegenständen. Unter den „sonstigen Rechten“ versteht §  823 Abs.  1 BGB nach überwiegender Ansicht allein absolute, d. h. gegenüber jedermann geschützte Rechte (dazu sogleich). Reine Vermögensschäden, die nicht erst die Folge einer Verletzung der genannten Rechtsgüter oder Rechte sind, werden im Grundsatz von der deliktischen Haftung ausgenommen; sie werden nur unter der zusätzlichen Voraussetzung einer Schutzgesetzverletzung nach §  823 Abs.  2 BGB oder der sittenwidrigen Schädigung nach §  826 BGB erfasst. Daher kann letztlich der Gesetzgeber durch die Schaffung neuer Schutzgesetze im Sinne von §  823 Abs.  2 BGB die Reichweite des primären Vermögensschutzes bestimmen. Diese rechtspolitische Entscheidung für eine Beschränkung des Schutzes auf einige wenige Rechtsgüter und gegen einen generellen deliktsrechtlichen Schutz des Vermögens als solches, die aus rechtsvergleichender Sicht keine Selbstverständlichkeit ist,120 muss bei der Auslegung von §  823 Abs.  1 BGB, insbesondere 116  Art.  1382 Code Civil: „Tout fait quelconque de l’homme, qui cause à autrui un dommage, oblige celui par la faute duquel il est arrivé à le réparer.“ Art.  1383 Code Civil: „Chacun est responsable du dommage qu’il a causé non seulement par son fait, mais encore par sa négligence ou par son imprudence.“ 117  Siehe zu den „drei kleinen Generalklauseln“ und deren Verhältnis zueinander Soergel/ Spickhoff, Vor §  823 Rn.  12 ff. 118  Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S.   375, 385 f., 392; Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (289 f.). 119  Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn.   244; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S.  385 f.; Kötz/Wagner, Deliktsrecht, Rn.  143; Soergel/Spickhoff, §  823 Rn.  53; MüKoBGB/Wagner, §  823 Rn.  161. 120  Die französische Regelung (siehe Fn.  116) geht im Grundsatz von der Ersatzfähigkeit primärer Vermögensschäden aus, sofern der Schaden „eine unmittelbare und direkte Folge des Schädigerverhaltens“ ist, vgl. dazu Zweigert/Kötz, Einführung in die Rechtsverglei-

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

bei der Bestimmung der Reichweite des Schutzes „sonstiger Rechte“, berücksichtigt werden.121 2. Das „sonstige Recht“ i. S. v. §  8 23 Abs.  1 BGB a) Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion Zu den „sonstigen Rechten“, die neben den explizit genannten Rechtsgütern und Rechten deliktsrechtlichen Schutz genießen, zählen nach herrschender Meinung nur solche subjektiven Rechte, die sich gegen jedermann richten und daher absolute Rechte sind.122 Rein relative subjektive Rechte, insbesondere Ansprüche und Forderungen, fallen daher nach herrschender Meinung nicht in den Schutzbereich von §  823 Abs.  1 BGB, wobei nach wie vor sehr umstritten ist, ob nicht die Forderungszuständigkeit als „sonstiges Recht“ geschützt ist.123 Schon das Reichsgericht hat in ständiger Rechtsprechung vertreten, dass unter „sonstigen Rechten“ im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB nur solche Rechte zu verstehen sind, „die mit dem voraufgeführten Eigentum und den weiteren genannten Rechtsgütern Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit das gemeinsam haben, daß sie von jedermann beachtet werden müssen, – ausschließliche Rechte, die alle Personen binden und deshalb auch von allen verletzt werden können.“124 Nicht durchgesetzt hat sich die Auffassung von Liszts125 , demzufolge die Ver­ letzung jedes „fremden rechtlich geschützten Interesses“ nach §  823 Abs.  1 BGB zum Schadensersatz verpflichte; bei dieser Auslegung würden nicht nur die weiteren Deliktstatbestände überflüssig, sondern es würde auch die gesetzgeberische Grundentscheidung gegen eine große deliktsrechtliche Generalklausel unterlaufen.126 chung, §  40 V, S.  631 f. Zu welch weitreichenden Konsequenzen eine „große Generalklausel“ führen würden, zeigt Medicus, Gesetzliche Schuldverhältnisse, S.  13, auf. 121  So auch MüKoBGB/Wagner, §  823 Rn.  207. 122  Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S.  392; Soergel/Spickhoff, §  823 Rn.  86; MüKoBGB/ Wagner, §  823 Rn.  205. A. A. Löwisch, Der Deliktsschutz relativer Rechte, S.  48 ff., der stattdessen für einen abgestuften Schutz nach der Art der Verletzungshandlungen plädiert. 123  Die (noch) h. M. lehnt dies ab, Hammen, AcP 1999, 591 ff.; Medicus, FS Steffen (1995), S.  333 ff.; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.  610; Musielak/Hau, Examenskurs BGB, Rn.  384 f.; Prütting/Wegen/Weinreich/Schaub, §   823 Rn.   57; BeckOK-BGB/Förster, §  823 Rn.  174; Palandt/Sprau, §  823 Rn.  11; Hk-BGB/Staudinger, §  823 Rn.  30; Jauernig/Teichmann, §  823 Rn.  17; Habersack, Die Mitgliedschaft, S.  133 f. – Ein absolutes Recht an der ­Forderung im Gegensatz zum relativen Recht aus der Forderung bejahen hingegen Canaris, FS Steffen (1995), S.  85 ff.; von Caemmerer, FS Rabel I (1954), S.  333 (355); Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn.  255; Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (301 f., 303 f); Koziol, Die Beeinträchtigung fremder Forderungsrechte, S.  140 ff.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S.  397 f.; Picker, FS Canaris (2007), S.  1001 (1016 ff.); Soergel/Spickhoff, §  823 Rn.  88; MüKoBGB/Wagner, §  823 Rn.  224. 124  RG v. 28.4.1919 – VI 34/19, RGZ 95, 283 (284). 125  von Liszt, Deliktsobligationen, 1898, S.  3, 21. 126 Richtig Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (289 f.); ebenso Soergel/Spickhoff, §  823 Rn.  86.

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Die inhaltliche Bestimmung des „sonstigen Rechts“ wird häufig in Anlehnung an das einzige konkret genannte Recht, das Eigentum, vorgenommen,127 und daher wird gefordert, dass das „sonstige Recht“ eigentumsähnlich sein müsse.128 Gemäß §  903 BGB kann der Eigentümer einer Sache mit dieser im Grundsatz „nach Belieben verfahren und andere von jeder Einwirkung ausschließen.“ Daraus wird gefolgert, dass jedes „sonstige Recht“ sich ebenfalls durch eine Zuweisungs- bzw. Nutzungsfunktion (im Sinne eines Herrschaftsrechts) und eine Ausschlussfunktion auszeichnen müsse. Systematische und entstehungsgeschichtliche Gründe sprechen zwar dafür, den Begriff des „sonstigen Rechts“ inhaltlich nicht nur an das Eigentum anzuknüpfen, sondern ihn mit Blick auf alle in §  823 Abs.  1 BGB genannten Rechtsgüter und Rechte zu konkretisieren,129 allerdings werden auch den Rechtsgütern in der Literatur Zuweisungsgehalt und Ausschlussfunktion zugesprochen,130 so dass sich diese beiden Merkmale zur Charakterisierung der absolut geschützten „sonstigen Rechte“ im Ergebnis etabliert haben.131 In vielen Fällen lassen sich die „sonstigen Rechte“ mithilfe der das Eigentum kennzeichnenden Befugnisse im Sinne von §  903 BGB, also der positiven Zuweisungs- und der negativen Ausschlussfunktion, ohne Schwierigkeiten bestimmen, dennoch sind beide Kriterien durchaus berechtigter Kritik ausgesetzt, die Zweifel an deren Eignung wecken, die „sonstigen Rechte“ generell sachgerecht zu definieren. Selbst diejenigen, die eine Charakterisierung absoluter Rechte anhand der beiden Kriterien befürworten, räumen ein, dass die Zuordnungsfunktion „wenig Determinationskraft“ habe, weil auch relative Ansprüche einem Gläubiger eine Rechtsposition zuordnen oder sogar selbst der zugeordnete Gegenstand sein können; 132 von dieser Ansicht wird für die 127  Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn.   248; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S.  373 ff. Nachweise zum Meinungsstand bei Staudinger/Hager, §  823 Rn. B 125. 128  Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.  607. 129  Schiemann, FS Deutsch (2009), S.  895 (899); Zeuner, 25 Jahre Karlsruher Forum 1983, 196; Soergel/Spickhoff, §  823 Rn.  86; vgl. auch Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (290 ff.). 130  Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S.  374. 131 Vgl., statt vieler, Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S.   373 ff.; Canaris, FS Steffen (1995), S.  85 (90); Staudinger/Hager, §  823 Rn. B 124; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.  607; Prütting/Wegen/Weinreich/Schaub, §  823 Rn.  54; Soergel/Spickhoff, §  823 Rn.  86; MüKoBGB/Wagner, §  823 Rn.  205. 132 MüKoBGB/Wagner, §  823 Rn.  205; ähnlich Löwisch, Der Deliktsschutz relativer Rechte, S.  26 f., der argumentiert, dass eine Güterzuordnung in jedem subjektiven Recht zu finden sei. – Wie wenig Determinationskraft der „Zuweisungsgehalt“ einer Rechtsposition hat, verdeutlicht auch die bezeichnende Aussage des BGH v. 18.1.2012 – I ZR 187/10, NJW 2012, 2034 (2036 Rn.  23), zu der von ihm verneinten Frage, ob die Registrierung eines Domainnamens ein absolutes „sonstiges Recht“ begründe: „Der Vertragsschluss mit der Registrierungsstelle begründet allerdings ein relativ wirkendes vertragliches Nutzungsrecht zu Gunsten des ­Domainnamensinhabers, das ihm ebenso ausschließlich zugewiesen ist wie das Eigentum an einer Sache.“ Ähnlich BVerfG v. 24.11.2004 – 1 BvR 1306/02, NJW 2005, 589 (in Bezug auf das Eigentum i. S. von Art.  14 GG).

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Qualifikation einer Rechtsposition als „sonstiges Recht“ deshalb maßgeblich auf die Ausschlussfunktion abgestellt.133 Dies führt in all jenen Fällen zu klaren Lösungen, in denen für bestimmte Rechtspositionen durch gesetzliche Vorschriften außerhalb des Deliktsrechts – wie für das Eigentum in §§  903, 1004 BGB – Abwehransprüche explizit vorgesehen sind. Für beschränkt dingliche Rechte wird beispielsweise vielfach auf die für das Eigentum geltenden Vorschriften verwiesen (vgl. §§  1027, 1065, 1227 BGB), während Spezialgesetze oftmals eigene Abwehransprüche für bestimmte absolute Rechte vorsehen (vgl. etwa §  37 Abs.  2 HGB für die Firma; §  139 PatG für patentierte Erfindungen, §§  14 Abs.  5–7, 15 Abs.  4–5 MarkenG für geschützte Marken).134 Schwierig­ keiten bereiten jedoch Fälle, in denen spezielle positiv-rechtliche Abwehrregelungen fehlen; dann stellt sich nämlich die Frage, ob einer bestimmten Rechtsposition Rechtsschutz über §  823 Abs.  1 BGB sowie §  1004 BGB (analog) zuteil wird. Will man generell bestimmen, welche Rechtspositionen als „sonstige Rechte“ im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB (quasi-)negatorischen Rechtsschutz nach bzw. entsprechend §  1004 BGB (Beseitigungs- und Unterlassungsansprüche) gegenüber jedermann genießen, kann man sich nicht auf eine Definition berufen, die als „sonstige Rechte“ nur solche Rechtspositionen ansieht, die entsprechende Abwehrrechte gegenüber jedermann begründen. Hier läuft das Kriterium der Ausschlussfunktion zur Bestimmung des „sonstigen Rechts“ auf eine petitio principii par excellence hinaus.135 b) Sozialtypische Offenkundigkeit (Fabricius) Als Ausweg wird deshalb von manchen Stimmen in der Literatur im Anschluss an die grundlegenden Ausführungen von Fabricius136 zur Bestimmung des „sonstigen Rechts“ zusätzlich darauf abgestellt, ob der verletzten Rechtsposi­ tion ein gewisses Maß an „sozialtypischer Offenkundigkeit“ zukommt. Fabricius versteht darunter „die aufgrund unserer Sozial- und Kulturauffassung selbstverständliche, d. h. durch einfache, überwiegend auf Gewohnheit und Erfahrung beruhende Gedankenreflexion von einem allgemein sinnlich wahrnehmbaren Gegenstand auf das Vorhandensein eines Rechtsguts begründete, Erkennbarkeit des Rechtsguts“; 137 er beschränkt den deliktischen Schutz mithin auf solche Rechtsgüter, die aufgrund eines sinnlich wahrnehmbaren Bezugsgegenstandes äußerlich erkennbar sind. Allerdings erfordert die sozialtypische Offenkundigkeit eines Rechtsguts nicht notwendig die Verkörperung in einer 133 MüKoBGB/Wagner, §  823 Rn.  205 f. A. A. Habersack, Die Mitgliedschaft, S.  129 ff., der allein auf die Zuordnungsfunktion abstellt. 134  Weitere Nachweise bei MüKoBGB/Wagner, §  823 Rn.  206. 135  So die berechtigte Kritik von Habersack, Die Mitgliedschaft, S.  131; ebenso MüKoBGB/­ Wagner, §  823 Rn.  206. 136  Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (289 ff.); ebenso Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, S.  374. 137  Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (291).

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Sache, vielmehr soll genügen, „daß das betreffende Rechtsgut sozialtypischerweise, d. h. vom Durchschnittstypus der Rechtsgenossen, als schutzbedürftiges Gut empfunden wird.“138 Offenkundigkeit sei also nicht „real-naturwissenschaftlich“, sondern „geistig-soziologisch“ zu verstehen, so dass auch in unserem Kulturbewusstsein verankerte Güter wie Freiheit und Ehre, die „mit der leiblich-geistigen Existenz der Menschen … als unmittelbar verbunden gedacht werden, und daher durch einfache Gedankenreflexion erkennbar sind“, sozialtypisch offenkundig sein könnten.139 Um eine uferlose Ausweitung des Tatbestandes zu vermeiden, soll es nicht darauf ankommen, ob der konkrete Täter die Verletzung habe voraussehen können, sondern ob dies für „den Durchschnittstypus des Rechtsgenossen“ abstrakt erkennbar war.140 Seine Probe aufs Exempel, mit der Fabricius seine These auf die ausdrücklich genannten Rechtsgüter und Rechte sowie die anerkannten „sonstigen Rechte“ anwendet141 und dabei insbesondere mit Blick auf das „Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“, das „Recht am Arbeitsplatz“ und das „Recht auf ungestörten Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft“ überprüft, entbehrt jedoch bestechender Überzeugungskraft und zwingt den Autor in einigen Fällen zu Modifizierungen des eigenen Maßstabs. Seine Ansicht ist deshalb zu Recht überwiegend auf Kritik gestoßen.142 Schon bei den Immaterialgüterrechten, die unstreitig zu den absolut geschützten „sonstigen Rechten“ zählen, würde man den deliktischen Schutz versagen müssen, weil diese nicht sinnlich wahrnehmbar sind und teilweise nicht einmal ­öffentlich registriert werden (z. B. das Urheberrecht).143 Auch im Übrigen ist das Kriterium der sozialtypischen Offenkundigkeit oftmals ungeeignet, weil die Typizität eines Sachverhalts vielfach keinen eindeutigen Schluss auf ein bestimmtes Ergebnis zulässt. Nicht zu überzeugen vermag insbesondere die Annahme von Fabricius, dass das Bestehen einer Ehe üblicherweise durch das Tragen von Eheringen offenkundig würde.144 Die Existenz oder Nichtexistenz von Ringen als sinnlich-wahrnehmbare Gegenstände lässt keinen Rückschluss auf das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zu.145 Im Falle der Einziehung einer Forderung durch den nicht mehr berechtigten Zedenten muss Fabricius selbst 138 

Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (292). Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (294). 140  Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (292). 141  Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (297 ff.). 142 Eingehend Löwisch, Der Deliktsschutz relativer Rechte, S.   41 ff. Ablehnend auch Haber­sack, Die Mitgliedschaft, S.  129 f.; Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  188 ff.; MüKoBGB/ Wagner, §  823 Rn.  206. 143 MüKoBGB/Wagner, §   823 Rn.  206. A. A., speziell zu den Immaterialgüterrechten, ­Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (300 f.). 144  Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (319 f.). 145  Berechtigte Kritik auch bei Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  191; Löwisch, Der Deliktsschutz relativer Rechte, S.  4 4 f. 139 

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von seinem Maßstab abrücken: Obwohl er Forderungen im Grundsatz nicht als „sonstige Rechte“ ansieht, da ihnen die sozialtypische Offenkundigkeit fehlt, bezieht er abgetretene Forderungen in den Schutz von §  823 Abs.  1 BGB mit ein, weil „die typische Kenntnis [des konkreten Täters], daß die Forderung einem anderen zusteht, der sozialtypischen Offenkundigkeit eines Rechtsgutes gleichgestellt werden“ könne.146 Gerade in den strittigen Fällen kommt Fabricius mit seiner typisierenden, vom „Durchschnittstypus des Rechtsgenossen“ ausgehenden Sichtweise nicht weiter und muss auf individuelle Aspekte aus dem Kreis des konkreten Täters ausweichen. Damit werden in systemwidriger Weise Aspekte des Verschuldens bereits im Rahmen der Tatbestandsbestimmung herangezogen und die Anwendbarkeit von §  823 Abs.  1 BGB von der subjektiven Erkennbarkeit einer Rechtsposition für den konkreten Täter abhängig gemacht, obwohl §  823 Abs.  1 BGB gerade keine Grundlage für eine allgemeine Fahrlässigkeitshaftung für die Verursachung von Schäden an (subjektiv erkennbaren) Rechtsgütern und Rechten liefern will.147 Das Kriterium der sozialtypischen Offenkundigkeit ist daher nicht geeignet, dem Begriff des „sonstigen Rechts“ klare(re) Konturen zu verleihen. c) Funktional-teleologische Begriffsbestimmung Zurecht wurde gegen die Ansicht von Fabricius vorgebracht, dass die Funktion der Schutzbereichsdefinition mit Hilfe absoluter Rechte nicht darin bestehe, Schutzgüter auszuzeichnen, die sinnlich wahrnehmbar sind, sondern in der Ausklammerung reiner Vermögensschäden aus der allgemeinen Fahrlässigkeitshaftung.148 Kommt man mit den Kriterien des Zuweisungsgehalts und der Ausschlussfunktion im Einzelfall zu keinem eindeutigen Ergebnis, insbesondere weil es an speziellen Vorschriften zu Abwehransprüchen fehlt, so bleibt nur eine Rückbesinnung auf den Sinn und Zweck von §  823 Abs.  1 BGB, anhand derer die Entscheidung über die Anerkennung einer bestimmten Rechtsposition als „sonstiges Recht“ zu treffen ist. Abgesehen davon, dass §  823 Abs.  1 BGB bewusst nicht als große Generalklausel zum Schutz jeder schuldhaften Vermögensbeeinträchtigung konzipiert ist, sondern nur bestimmte Rechtsgüter und Rechte vor Eingriffen Dritter schützen will, können gegenüber jedermann nur solche Rechte gemäß §  823 Abs.  1 BGB geschützt sein, die in Bezug auf ihren Schutzbereich nicht durch individuelle Parteivereinbarungen beeinflusst werden können, sondern losgelöst vom Einzelfall von der Rechtsordnung anerkannt sind und klar feststehen. Unter diesem Blickwinkel hat die Lehre von der „sozialtypischen Offenkundigkeit“ durchaus in gewisser Weise einen richtigen 146 

Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (303 f.). Löwisch, Der Deliktsschutz relativer Rechte, S.  46 f.; kritisch auch Habersack, Die Mitgliedschaft, S.  129 f.; Medicus, FS Steffen (1995), S.  333 (335 f.). 148 MüKoBGB/Wagner, §  823 Rn.  207. 147 Richtig

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Kern.149 Alle in §  823 Abs.  1 BGB ausdrücklich genannten Rechtsgüter und Rechte zeichnen sich dadurch aus, dass sie inhaltlich und umfangmäßig – wie z. B. für das Eigentum in §  903 BGB – klar festgelegt sind, so dass für jedermann (unabhängig von subjektiver Erkennbarkeit) objektiv feststeht, wo der Schutzbereich beginnt und endet. Auch ein „sonstiges Recht“ muss dementsprechend einen klar umgrenzten Inhalt und Umfang aufweisen und darf nicht der Disposition der Parteien unterliegen bzw. durch privatautonome Absprachen beeinflussbar sein, die zwangsläufig nicht jedermann bekannt sein können. Sofern eine Rechtsposition nicht von der Rechtsordnung eingeräumt und in seinen Grenzen abgesteckt ist, kann es sich nicht um ein absolut geschütztes „sonstiges Recht“ im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB handeln. Dem entspricht die Ansicht des BGH, dass der Inhaber einer Internetdomain durch deren Registrierung lediglich ein relativ wirkendes vertragliches Nutzungsrecht, aber kein absolutes Recht und damit kein „sonstiges Recht“ im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB erwirbt.150 Eine rein faktische Ausschließlichkeit der Stellung des Domaininhabers, die allein technisch bedingt ist, begründe kein absolutes Recht. Voraussetzung für den Schutz als „sonstiges Recht“ sei eine von der Rechtsordnung eingeräumte Rechtsposition. Deshalb sei das Nutzungsrecht des Inhabers eines Domainnamens auch nicht mit dem berechtigten Besitz vergleichbar, der als „sonstiges Recht“ gemäß §  823 Abs.  1 BGB geschützt ist. „Die Ausschließlichkeitsrechte des berechtigten Besitzers werden – anders als diejenigen des Inhabers eines Domainnamens – gerade nicht vertraglich begründet, sondern beruhen auf dem gesetzlich geregelten und gegenüber jedem Dritten wirkenden Besitzschutz gemäß den §§  858 ff. BGB.“151

3. Die Ehe als „sonstiges Recht“ Damit fällt die Begründung nicht mehr schwer, warum die Ehe als solche nicht zu den absolut geschützten „sonstigen Rechten“ im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB zählt.152 Ausgehend von den zwei anerkannten Kriterien zur Bestimmung absoluter Rechtspositionen, kann zunächst konstatiert werden, dass der Ehe keine 149  So auch Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  193, der es jedoch bei dem Kriterium einer „monopolartigen, allgemein anerkannten Zuweisung eines Interesses an den einzelnen als Merkmal des absoluten Rechts“ belassen will. 150  BGH v. 18.1.2012 – I ZR 187/10, NJW 2012, 2034 (2036 Rn.  2 2 ff.) m. w. N. Vgl. auch BVerfG v. 24.11.2004 – 1 BvR 1306/02, NJW 2005, 589: „Das aus dem Vertrag mit der DENIC e.G. folgende Nutzungsrecht an einer Internet-Domain stellt zwar eine eigentumsfähige Position i. S. von Art.  14 Abs.  1 GG dar; der Inhaber erwirbt aber weder das Eigentum an der Internet-Adresse selbst noch ein sonstiges absolutes Recht an der Domain, welches ähnlich der Inhaberschaft an einem Immaterialgüterrecht verdinglicht wäre. Das relativ wirkende, vertragliche Nutzungsrecht ist dem Inhaber der Domain ebenso ausschließlich zugewiesen wie Eigentum an einer Sache.“ 151  BGH v. 18.1.2012 – I ZR 187/10, NJW 2012, 2034 (2036 Rn.  25). 152  Im Ergebnis ebenso Deutsch, FS Gernhuber (1993), S.   581 (594); Schlüter, Familienrecht, Rn.  57, 60; Henrich, Familienrecht, 5.  Aufl. 1995, §  8 I 4, S.  73: Die Ehe „ist überhaupt kein Recht, sondern ein personenrechtliches Gemeinschaftsverhältnis“.

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Zuweisungsfunktion in dem Sinne zukommt, dass ein Ehegatte dem jeweils anderen exklusiv (zu alleinigem „Haben und Nutzen“) rechtlich zugewiesen wäre.153 Die Ehegatten werden einander zwar durch die Rechtsordnung zugeordnet, das bedeutet aber nicht, dass jedem Ehegatten in Bezug auf den anderen ein (den dinglichen Rechten vergleichbares) absolutes Recht – schon gar nicht im Sinne eines Herrschaftsrechts – zustehen würde.154 Mit unserer heutigen Rechts- und Kulturauffassung von der Ehe, die vom Prinzip der Freiheit des Einzelnen ausgeht, ist die Annahme eines irgendwie gearteten (eigentumsähnlichen) Zuweisungsgehalts der Ehe unvereinbar. Zum anderen enthält das Eherecht – anders als etwa das Familienrecht für die elterliche Sorge und das Umgangsrecht in den §§  1626 Abs.  1, 1632 Abs.  1 und 2 BGB bzw. §§  1626 Abs.  3, 1684 BGB155 – keine Vorschriften, die dem einzelnen Ehegatten im Außenverhältnis gegenüber Dritten Abwehrbefugnisse einräumen würden, mit denen andere von jeder Einwirkung auf die eheliche Lebensgemeinschaft ausgeschlossen werden könnten. Ausschlusswirkungen könnten sich also allenfalls aus §  823 Abs.  1 BGB sowie §  1004 BGB analog ergeben, die ihrerseits jedoch voraussetzen, dass die Beeinträchtigung einer absolut geschützten Rechtsposition im Raum steht. Im Eherecht hilft das Kriterium der Ausschlussfunktion mithin nicht weiter, um ermitteln zu können, ob die Ehe ein „sonstiges Recht“ im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB ist. Deshalb muss insofern auf den Sinn und Zweck von §  823 Abs.  1 BGB abgestellt werden. Die Ehe ist zwar keine reine Vermögensposition, so dass sie nicht schon deshalb aus dem Schutzbereich ausscheidet. Allerdings setzt die Qualifikation als „sonstiges Recht“ voraus, dass die in Rede stehende Rechtsposition in Bezug auf ihren Schutzbereich objektiv klar feststeht und nicht durch individuelle Absprachen beeinflusst werden kann. Dies trifft für die Ehe nicht zu.156 Der Gesetzgeber stellt zwar Voraussetzungen für die Ehe auf und geht von einigen Leitprinzipien aus, die konkrete Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft überlässt er jedoch im hier interessierenden persönlichen Bereich – anders als im vermögensrechtlichen Bereich – zu Recht den Ehegatten (vgl. nur §  1356 BGB). Der durch Ehestörungen eines Dritten beeinträchtigte höchstpersönli153  Richtig Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  12, unter Hinweis auf die unvertretbare und abschreckende Konsequenz der Auffassung bei Aden, MDR 1978, 536 (537), der annimmt, dass es „für Deutschland nicht zweifelhaft“ sei, dass Ehegatten durch den Eheschluss ein absolutes „sonstiges Recht“ am Körper des Ehegatten bzw „to the use of eachother’s body“ erwerben würden. 154  Vgl. auch Fabricius, AcP 160 (1961), 273 (316 f.), mit Hinweisen auf die andere Auffassung der Manus-Ehe des altrömischen und der dieser gleichgearteten munt des früheren germanischen Rechts. 155  Sowohl in §  1632 Abs.  2 BGB als auch in §  1684 Abs.  3 BGB wird ausdrücklich erwähnt, dass die Rechte auch gegenüber Dritten Wirkungen entfalten. 156  A. A. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  17 Rn.  4 a. E. („Ein in Art.  6 GG verwurzelter Eheschutz gehört stets zu §  823 Abs.  1 BGB, weil er ein klar umrissenes Schutzobjekt umfassend schützt.“), jedenfalls für den absoluten Kern der Ehe (Rn.  9).

B. Haftung im Innen- und Außenverhältnis nach Maßgabe des Deliktsrechts

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che Intimbereich der Ehegatten entzieht sich sogar aus verfassungsrechtlichen Gründen – wie noch zu zeigen sein wird157 – gesetzgeberischen Vorschriften. Dabei handelt es sich um einen rechtsfreien Raum, in dem die Autonomie des Einzelnen absoluten Vorrang genießt und rechtliche Interventionen durch gesetzliche Bestimmungen unzulässig sind. Es entspricht zwar einem weit verbreiteten, sittlich-moralisch begründeten Verständnis von der Ehe, dass die Ehegatten einander zur (geschlechtlichen) Treue verpflichtet sind, rechtlich wird dies den Ehegatten jedoch vom Gesetz nicht vorgeschrieben und darf ihnen auch nicht vorgeschrieben werden.158 Ob sich die Ehegatten insofern durch Vereinbarung rechtlich binden können, kann hier noch dahinstehen,159 weil eine durch Parteiabreden beeinflusste Rechtsposition ohnehin kein „sonstiges Recht“ sein kann. Wenn es im höchstpersönlichen Bereich der Ehe aber keine rechtlich feststehenden Konturen gibt, die den Schutzbereich der Ehe abstrakt und objektiv abstecken, kann die Ehe nicht als „sonstiges Recht“ qualifiziert werden und eine Ehestörung folglich auch keine deliktische Haftung des Dritten auslösen. Dem BGH ist daher zumindest im Ergebnis zuzustimmen, dass eine deliktische Haftung des Ehestörers gegenüber dem betroffenen Ehegatten ausscheiden muss, auch wenn seine Argumentation nicht überzeugt. 4. Der „räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe“ als „sonstiges Recht“ Nichts anderes gilt für den sog. „räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe“, der sich nach hier vertretener Ansicht ebenfalls nicht als „sonstiges Recht“ qualifizieren lässt,160 da ihm jede rechtliche Determination fehlt. Abgesehen davon, dass der „räumlich-gegenständliche Bereich der Ehe“ nicht nur einem Ehegatten, sondern beiden Ehegatten gleichermaßen als ihr gemeinsamer Wirkungskreis zugewiesen ist,161 so dass jedenfalls nicht der andere Ehegatte – und damit schon nicht „jedermann“ – ohne weiteres von Einwirkungen ausgeschlossen werden kann, hängt die Reichweite des Schutzbereichs von den individuellen tatsächlichen Verhältnissen der Ehegatten ab. Ob es sich bei einer bestimmten Wohnung um eine Ehewohnung handelt, lässt sich nicht objektiv anhand rechtlicher Kriterien bestimmen, sondern hängt von den tatsächlichen Umständen einer konkret gelebten Ehe und den getroffenen Absprachen ab. Um feststellen zu können, ob man in den „räumlich-gegenständlichen Bereich“ einer Ehe eingreift, muss man zunächst deren konkreten Zuschnitt und deren Ausgestaltung durch die Ehegatten ermitteln. Ein „sonstiges Recht“ setzt jedoch voraus, dass 157 

Vgl. Kap.  3 C.III.2.a)(4), S. 154 ff. den persönlichen „Pflichten“ gemäß §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB siehe noch ausführlich unten Kap.  3 C.III.2., S. 140 ff. 159  Siehe dazu unten Kap.  3 C.III.4., S. 254 ff. 160  Eingehend dazu Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  172 ff. 161 Richtig Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  186. 158  Zu

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dessen Schutzbereich von der Rechtsordnung anerkannt und festgelegt ist und – unabhängig von den konkreten Einzelumständen und etwaigen Spezialkenntnissen des Täters – von jedermann festgestellt werden kann. Hinzukommt, dass dem geltend gemachten Anspruch im Falle der Verletzung des „räumlich-gegenständlichen Bereichs der Ehe“ regelmäßig primär ein anderes Interesse und Schutzbedürfnis zugrunde liegt, als der behauptete Schutz der Entfaltung der individuellen Persönlichkeit im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft.162 Soweit es – in der Sache richtig – „nur“ um den Schutz eines bestimmten räumlichen Bereichs vor unliebsamem Eindringen Dritter geht, muss und kann allein mit Hilfe der Vorschriften zum Eigentumsund Besitzschutz Abhilfe geschaffen werden.163 Die Konstruktion eines absolut geschützten Rechts am „räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe“ ist dogmatisch entbehrlich und nicht überzeugend.

V. Die Ehe als absolut geschütztes „sonstiges Recht“ im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten? Lehnt man mit der hier vertretenen Ansicht eine Qualifikation der Ehe als absolut geschütztes „sonstiges Recht“ im Außenverhältnis ab, kann für das Innenverhältnis nichts anderes angenommen werden. Im Ergebnis ist dem BGH daher – wenn auch mit anderer Begründung – auch insofern zuzustimmen, dass eine deliktische Haftung zwischen Ehegatten bei Verletzung der „persönlichen Ehepflichten“ abzulehnen ist.164 Ein Verstoß gegen die eherechtliche „Treuepflicht“ wird zu Recht als rein interne Angelegenheit zwischen den Ehegatten begriffen, die nicht über das Deliktsrecht geahndet werden darf. Diesem Verständnis entspricht es, dass in Deutschland der Straftatbestand des Ehebruchs (§  172 StGB a. F.) bereits 1969 durch das 1. StrRG165 aufgehoben wurde. Zuvor wurde Ehebruch auf Antrag für den „schuldigen Ehegatten, sowie dessen Mitschuldigen mit Gefägniß bis zu sechs Monaten bestraft“, wenn wegen des Ehebruchs die Ehe geschieden wurde; allerdings hatte der Straftat­ bestand seine praktische Bedeutung schon lange vor der Reform verloren.166 162  So auch Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  183, der davon ausgeht, dass es vielmehr um den Schutz der individuellen, personenrechtlichen Stellung der einzelnen Ehegatten (dessen Ehestatus) gehe; dazu sogleich unter Kap.  3 B.VI., S. 105 ff. 163  A. A. Deutsch, FS Gernhuber (1993), S.  581 (594), der diese Fälle über §  826 BGB lösen will. 164 Ebenso Hosemann, FamRZ 2015, 2101 (2105), der dafür plädiert, „den von Teilen der deutschen Literatur immer noch befeuerten Meinungsstreit um die Ehestörerhaftung zu beenden – und dieses Thema fortan der Rechtsgeschichte zu überlassen.“ 165  Erstes Gesetz zur Reform des Strafrechts v. 25.6.1969, BGBl. I 1969, S.  6 45. 166  Vgl. die Protokolle der 119. Sitzung des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform des Deutschen Bundestages der V. Legislaturperiode, Prot. V S.  2372 f. (mit Verurteilungszahlen und den verhängten Strafen in den Jahren 1958–1966); ebenso Sturm, NJW 1969, 1606 f., der von ca. 140 Fällen im Jahr spricht, in denen auffallend niedrige (Geld-) Strafen verhängt wurden.

B. Haftung im Innen- und Außenverhältnis nach Maßgabe des Deliktsrechts

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Man war sich einig, dass das Strafrecht nicht geeignet ist, die Ehe als Institution oder im Einzelfall zu schützen,167 zumal §  172 StGB a. F. immer erst dann zum Zuge kam, wenn die Ehe bereits endgültig gescheitert war. Mit der Stellung des Strafantrags bezweckte der betrogene Ehegatte allzu häufig nur, sich an dem anderen zu rächen oder diesen unter Druck zu setzen. Spätestens seit dem Wegfall des Verschuldensprinzips zum 1.7.1977 durch das 1. EheRG ist es daher nur konsequent, auch im Zivilrecht keine deliktischen Folgen mehr an den Ehebruch zu knüpfen. Die Ehe ist ein durch Vertrag begründetes, gesetzlich ausgestaltetes Schuldverhältnis, das relative Rechte und Pflichten zwischen den Ehegatten entstehen lässt, die von §  823 Abs.  1 BGB nicht geschützt werden.168 Daneben besteht ­weder Anlass noch Bedarf, aus der Ehe bzw. einzelnen Aspekten der Ehe eine absolut geschützte Rechtsposition abzuleiten, die jedem Ehegatten im Innenverhältnis auch Deliktsschutz vermittelt, da im Rahmen der (schuldrechtlichen) Sonderverbindung – wie noch zu zeigen sein wird – ausreichender Schutz gewährleistet werden kann. Außerdem wäre „[e]in absolutes Recht, an dem der Schädiger selbst ‚beteiligt‘ ist“, wie Muscheler zu Recht ausführt, „im Deliktsrecht ein Fremdkörper“.169 Wer dies anders sieht und deliktische Ansprüche im Grundsatz bejaht, müsste konsequenterweise – ebenso wie bei Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – auch Schmerzensgeld gewähren,170 was im Ergebnis zu Recht verneint wird, denn es gehört zum allgemeinen Lebens­ risiko171 jedes Ehegatten, dass sich der andere irgendwann von ihm oder ihr ab- und sich gegebenenfalls jemand anderem zuwendet.172

VI. Ehe(status) als absolut geschütztes Rechtsgut (Martin Lipp) Übereinstimmend mit der hier vertretenen Ansicht ist auch Martin Lipp der Auffassung, dass die dogmatische Struktur des „sonstigen Rechts“ ungeeignet ist, um bei Ehestörungen als Grundlage einer deliktischen Haftung im Außenoder Innenverhältnis zu fungieren. Allerdings negiert er im hier interessierenden Zusammenhang deliktischen Eheschutz nicht vollständig, da er dem – jedem Ehegatten als Einzelperson zugewiesenen – Ehestatus als Rechtsgut absoluten Rechtscharakter zuspricht. Unter „Ehestatus“ versteht Lipp die dem einzelnen 167 

Prot. V, S.  2371 ff., 2400 ff. (Fn.  166). Schlüter, Familienrecht, Rn.  57; Henrich, Familienrecht, 5.  Aufl. 1995, §  8 I 4, S.  73. 169  Muscheler, Familienrecht, Rn.  314. 170 Richtig Muscheler, Familienrecht, Rn.  314, der betont, dass es Schmerzensgeld für verlorene Liebe schon deshalb nicht geben könne, weil niemand ein Recht auf Liebe habe und Geld den Schmerz auch nicht lindern könne, sondern vertiefen würde. 171  Zum „allgemeinen Lebensrisiko“ als negativer Zurechnungsgrund s. Deutsch, FS Jahr (1993), S.  251, insb. S.  262 f. (dort zum Auflösungsrisiko der Ehe) = VersR 1993, 1041 (1045); monographisch Mädrich, Das allgemeine Lebensrisiko, 1980. 172  Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn.  2 26. 168 

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Ehegatten allein aufgrund der objektiven Situation des Verheiratetseins zugewiesene Rechtsstellung, die ihm subjektive Rechte gewähre.173 „Eherechtlicher Status und sein Schutz entwickeln sich“, so Lipp, „als Schutz der Persönlichkeit des je einzelnen Ehegatten; nicht als Schutz eines ‚sonstigen Rechts‘, sondern als Rechtsgüterschutz“.174 Er greife jedoch weiter, da der ehe­liche Status „die allgemeinen subjektiven Persönlichkeitsrechte des einzelnen Gatten“ modifiziere.175 Umfangmäßig soll sich dieser Rechtsschutz auf negatorisch-deliktische Ansprüche beschränken, ohne dem Einzelnen „Erfüllungsansprüche“ gerichtet auf positive „Herstellung“ gegen den anderen Partner zu geben.176 Hintergrund dafür ist, dass Lipp im Ehepersonenrecht generell Rechtspflichten ablehnt,177 denn das Ehepersonenrecht zeichnet sich seines Erachtens dadurch aus, dass die Erfüllung der „persönlichen Pflichten“ stets die sittliche, innere Überzeugung von der Richtigkeit des erwarteten Tuns erfordert. „Während sich Rechtsvorschriften in aller Regel damit begnügen (müssen), dass ihnen (lediglich) im Ergebnis Folge geleistet wird, ohne dass der Einzelne den ihm auferlegten Rechtspflichten auch aus innerer Überzeugung nachkommt (Legalität), umschließt das Eherecht einen Kernbereich, in dem die gesetzlichen (rechtlichen) Anforderungen auch die Überzeugung des Handelnden von der Richtigkeit seines Tuns umschließen („ehelich-sittliche Gesinnung“).“178 Auf Erfüllung gerichtete „Herstellungsansprüche“ seien nicht geeignet, die notwendige innere „eheliche Gesinnung“ herbeizuführen. Wenn aber die Erfüllung des ehelichen Versprechens eine sittliche, d. h. eine in autonomer, freiwilliger Entscheidung vollzogene Aufgabe sein solle, dann sei es undenkbar, diese Erfüllung (durch den anderen) zum Inhalt absoluter Rechtsgüter (der „Ehe“) zu zählen.179 (Delikts-)Rechtlicher Regelung zugänglich seien deshalb nur solche Angelegenheiten und Bereiche der Ehe, bei denen es auf eine „eheliche Ge­ sinnung“ nicht entscheidend ankomme. Dies bejaht Lipp allein für den „Ehe­ status“, der als absolut geschütztes Rechtsgut deliktischer Haftung unterliege. In den Normbereich des absoluten Eheschutzes sei der tatsächlich verwirklichte Ehestatus einbezogen, der inhaltlich durch den ehelichen Istzustand geprägt werde180 und sich letztlich auf den „räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe“ beschränke.181 Die in gegenseitigem Einvernehmen erfolgende Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft konkretisiere den Status der 173 

Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  208. Lipp, §  1353 Rn.  18; Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  207 ff. (zur Abgrenzung zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht als Grundlage des Eheschutzes, siehe S.  218 ff.). 175  Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  209. 176 Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  10, 22. 177 Soergel/M. Lipp, Vor §  1353 Rn.  36, §  1353 Rn.  9, 79. 178 Soergel/M. Lipp, Vor §  1353 Rn.  36. 179  Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  310. 180  Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  212. 181 Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  17, 69 ff. Vgl. auch schon oben bei und in Fn.  87. 174 Soergel/M.

B. Haftung im Innen- und Außenverhältnis nach Maßgabe des Deliktsrechts

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Partner als Ehegatten.182 Absolut geschützt werde grundsätzlich das Recht, sich nach dem status quo der verwirklichten Lebensgemeinschaft betätigen zu dürfen.183 Aus §  1353 Abs.  1 BGB folge in diesem Kontext nicht etwa ein „gegen­ seitiger Erfüllungsanspruch auf (positive) Herstellung der ehelichen Lebens­ gemeinschaft“, sondern die „Verpflichtung zur Achtung des im gegenseitigen Einvernehmen erreichten ehelichen Status quo und demzufolge zur Unter­ lassung (Beseitigung) rechtswidriger Eingriffe (entsprechend §   1004 Abs.   1 ­BGB).“184 Das gegenseitige Einvernehmen schaffe für den einzelnen Ehegatten also einen statusrechtlich geschützten, inhaltlich konkretisierten Persönlichkeits- und Lebensraum, der in Form von durchsetzbaren Unterlassungs- und Beseitigungsansprüchen sowie deliktsrechtlich begründeten Schadensersatz­ ansprüchen Rechtsschutz genieße.185 Die Untersagung und gegebenenfalls schadensrechtliche Sanktion einer ungerechtfertigten Verdrängung eines Ehegatten aus seinem (einvernehmlich gestalteten) Lebensraum fordere vom Partner keine positive innere Einstellung und verlange keine Erfüllung einer Herstellungspflicht, sondern lediglich Unterlassung eines Eingriffs in ein fremdes Recht.186 Die Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in den Schutzbereich (also das einvernehmlich hergestellte Tätigkeitsfeld) soll sich im Innenverhältnis187 – ähnlich wie bei den handlungsbezogenen „Rahmenrechten“ – nicht schon allein aus der Betroffenheit des Normbereichs, sondern erst aus einer umfassenden Interessenabwägung im Einzelfall ergeben.188 Der jeweils geschützte Bestand ehelicher Betätigung sei nicht ein für allemal fixiert; 189 er sei nur im Hinblick auf eine konkrete Situation aus dem Spannungsfeld der unterschiedlichen ehelichen Interessen heraus im Wege einer umfassenden Abwägung zu gewinnen.190 Eine entscheidende Rolle spiele dabei das „gegenseitige Einvernehmen“191 der Ehegatten.192 182 

Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  212. Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  212. 184 Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  17. §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB sei insofern als lex specialis gegenüber §  1004 Abs.  1 BGB (analog) anzusehen (vgl. Rn.  20). 185 Soergel/M. Lipp, §  1356 Rn.  15. 186 Soergel/M. Lipp, §  1356 Rn.  15. 187  Anderes soll im Außenverhältnis gelten, dazu Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  219 f. 188  Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  213 f.; Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  18, 71. 189 Soergel/M. Lipp, Vor §  1353 Rn.  40: Der Ehestatus „hat keinen von Anfang an festgelegten und auf Dauer gleichbleibenden materiell-sachlichen Gehalt. Der rechtlich geschützte Inhalt ergibt sich … aus der konkreten Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft im ‚gegenseitigen Einvernehmen‘ durch die Ehepartner (§  1356 Abs 1 Satz  1) in den definitorischen Grenzen des §  1353 Abs 1.“ 190  Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  213. 191 Nach Soergel/M. Lipp, §   1356 Rn.  12 f., hat das eheliche Einvernehmen zwar keinen rechtsgeschäftlichen Charakter, aber es handele sich um rechtsrelevantes Verhalten, das seine rechtliche Wirkung in der Auseinandersetzung der ehelichen Interessen entfalte. Zur Rechtsnatur des ehelichen Einvernehmens noch ausführlich unten Kap.  3 C.III.4.b) und c), S. 255 ff. und S. 260 ff. 192  Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  214. 183 

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Die der herrschenden Meinung aus der Annahme eines absoluten Eherechts erwachsende Schwierigkeit, die daraus resultierenden Konsequenzen auf der Haftungsebene durch eine (seines Erachtens nicht gerechtfertigte) Differenzierung zwischen Bestands- und Abwicklungsinteresse wieder ausschließen zu müssen,193 lasse sich nach Ansicht von Lipp vermeiden, wenn man das absolut geschützte eherechtliche Interesse im personenrechtlichen Status erkennt, der als ein Rechtsgut den Gatten als Einzelpersonen absolut zugewiesen sei.194 Ausgehend vom „Gegenstand“ des Rechtsguts, dem Integritätsinteresse am ehelichen Status,195 sei eine immanente Grenzziehung gegenüber zwar adäquat ursächlichen, aber nicht mehr vom Normzweck erfassten Schäden zu gewinnen. Sein Sinn sei nicht, Ersatz für die fehlende Lebensgemeinschaft zu gewähren, sondern die Aufwendungen zu ersetzen, die aus der Missachtung des geschützten Interesses resultieren. Deshalb könne es immer nur um solche Schäden gehen, die durch einen Eingriff in den Status des anderen hervorgerufen werden, nie dagegen um Aufwendungen, die Folge der Nichterfüllung der eherechtlichen Verpflichtungen sind.196 Dementsprechend scheiden seines Erachtens deliktische Schadensersatzansprüche nach §  823 Abs.  1 BGB wegen der Ehelichkeitsanfechtungskosten, wegen des dem scheinehelichen Kind gewährten Unterhalts und wegen der Entbindungs- und der Ehescheidungskosten im Ergebnis aus,197 denn ein Ehebruch hindere den betrogenen Gatten nicht, die ihm zukommende, eigene statusrechtliche Stellung auszuüben und im Sinne des einvernehmlich verwirklichten Ehemodells handeln und wirken zu dürfen.198 Solange der Bruch der ehelichen Treue nicht dazu führe, den anderen Partner aus seinem statusrechtlich geschützten Bereich zu drängen, oder ihn darin einzuschränken, so lange sei der Normbereich des absoluten ehelichen Rechtsgüterschutzes nicht verletzt.199 Auf den von §  823 Abs.  1 BGB geschützten „räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe“ übertragen bedeutet dies, dass sich die Ersatzfähigkeit auf das Integritätsinteresse des (statusrechtlich verfestigten) räumlich-gegenständli193 

Vgl. dazu Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  285 f. Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  287. 195 Da Lipp auf den Ehestatus als absolut geschütztes Rechtsgut abstellt, kommt er auch im Rahmen des Verschuldens nicht zu dem Problem, insofern auf innere Umstände rekurrieren zu müssen. Der Gegenstand des Schuldvorwurfs liege in der Verletzung des Integritätsinteresses einer anderen Person, nicht in der mangelnden Bewahrung der (eigenen) ehelichen Gesinnung, vgl. Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  301. 196  Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  288 f. 197  Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  307 ff. Ansprüche gemäß §  826 BGB hält er jedoch für möglich, vgl. S.  310 f.; Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  82. Außerdem stimmt Lipp für die Ehelichkeitsanfechtungskosten sowie die Unterhaltsaufwendungen für das scheineheliche Kind der unterhaltsrechtlichen Lösung des BGH zu (siehe dazu oben im Text nach Fn.  43), so dass insofern der Drittstörer für sämtliche Aufwendungen aufkommen muss. 198  Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  310. 199  Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  310. 194 

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chen Ehebereichs beschränke.200 Ersetzt verlangt werden könnten nur solche Schäden, die durch den Eingriff in diesen Rechtsbereich des anderen Gatten entstehen, nicht dagegen jene, die für diesen aus der Verweigerung einer (positiven) Verwirklichung der Lebensgemeinschaft resultieren.201 Als Beispiel für erstattungsfähige Schäden nennt Lipp etwa die Kosten, die einem Ehegatten entstehen, weil die Aufnahme des oder der Geliebten in die Wohnung ihn zum Auszug zwingt.202 Die von Lipp konsequent durchgehaltene Ansicht stößt jedoch ebenso wie die Befürwortungen einer deliktischen Haftung gestützt auf ein „sonstiges Eherecht“ auf Bedenken. Zweifel bestehen schon daran, einen materiellen „Status“ der Ehegatten zu bejahen, der allein durch die privat-autonomen Vereinbarungen der Ehegatten im Rahmen des gegenseitigen Einvernehmens begründet und ausgestaltet wird. Der „Status“ einer Person ist etwas Verobjektiviertes, rechtlich Vorgegebenes, ein Modell, das der Gesetzgeber schafft und zur Verfügung stellt, das aber nicht zur Disposition der Parteien steht.203 Außerdem widerspricht die Ansicht von Lipp, der zufolge die Ehegatten sich durch gegenseitiges Einvernehmen wechselseitig einen materiell-rechtlichen Status im Sinne eines absoluten Rechtsguts verschaffen, dem (hier vertretenen) Verständnis von absolut geschützten Rechten und Rechtsgütern, nach dem der Schutzbereich eines absoluten Rechts oder Rechtsguts von der Rechtsordnung vorgegeben sein und abstrakt feststehen muss und individuellen Absprachen der Beteiligten, die zwangsläufig nicht jedermann bekannt sein können, nicht zugänglich ist. In der Sache führt der Vorschlag von Lipp überdies dazu, dass derjenige Ehegatte, der in seiner durch das ursprünglich erzielte Einvernehmen zugewiesenen Rolle innerhalb der ehelichen Lebensgemeinschaft beeinträchtigt wird – Lipp nennt als Beispiele die Überlassung der Haushaltsführung an die Geliebte oder die Untersagung des Betretens eines in ehelicher Mitarbeit aufgebauten und betriebenen Geschäfts204 –, den anderen an dem zuletzt erreichten Einvernehmen festhalten kann. In den wenigen danach deliktsrechtlich relevant bleibenden Fällen, in denen der fremdgehende Ehegatten seine/n Geliebte/n die dem anderen Ehegatten zugedachte Funktion oder Rolle übernehmen lässt, werden jedoch durchwegs die Voraussetzungen für ein Getrenntleben im Sinne von §  1567 BGB vorliegen, da der untreue Ehegatte offensichtlich nicht länger an der ehelichen Lebensgemeinschaft festhalten will. Seit Einführung des Zerrüttungsprinzips kann jeder Ehegatte jederzeit das Getrenntleben als Voraussetzung der Scheidung herbeiführen und damit den „Ehestatus“ des anderen „zerstören“. 200 Soergel/M.

Lipp, §  1353 Rn.  81. Lipp, §  1353 Rn.  81. 202 Soergel/M. Lipp, §   1353 Rn.  81, unter Verweis auf die generellen Ausführungen in: Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  266 ff., 273 f., 284 ff. 203  Dazu noch ausführlich unten Kap.  3 C.II.3.b), S. 121 ff. 204  Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  310. 201 Soergel/M.

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

Könnte der betrogene Ehegatte in solchen Fällen – wie Lipp meint – mit Unterlassungs-, Beseitigungs- oder gar Schadensersatzansprüchen gegen seinen Noch-Ehegatten vorgehen, könnte er diesen mittelbar zum Festhalten an der ehelichen Lebensgemeinschaft „zwingen“, was mit der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar ist. Schon daran wird deutlich, dass es sich beim „Ehestatus“ nicht um ein von der Rechtsordnung (absolut) geschütztes Rechtsgut handelt. Selbst wenn der abtrünnige Ehegatte nicht sofort an Scheidung denkt, lässt sich die These von Lipp nicht halten. Er selbst vertritt die Ansicht, dass das gegenseitige Einvernehmen stets situationsbezogen sei und schon ein bloßes Änderungsverlangen beachtet werden müsse.205 Ist der andere Ehegatten mit den gewünschten Änderungen nicht einverstanden, stellt jede einseitige Abweichung vom letzten gemeinsamen Einvernehmen, die sich auf den dadurch geschaffenen „Ehestatus“ des anderen auswirkt, nach Ansicht von Lipp einen Eingriff dar, den der betroffene Ehegatte mit einem Unterlassungsanspruch abwehren können soll.206 Abgesehen davon, dass dies dem harmonischen Fortbestand der Ehe nicht gerade zuträglich ist, kann jeder Ehegatte dadurch an ein einmal erzieltes Einvernehmen gebunden werden; dazu steht im Widerspruch, dass sich jeder Ehegatte nach den Ausführungen von Lipp jederzeit auch einseitig von einer einvernehmlich getroffenen Vereinbarung soll lösen können, und zwar sogar unabhängig davon, ob die Grundlagen, auf welche die alte Vereinbarung gestützt war, weggefallen sind oder sich wesentlich verändert haben. Freilich wird Lipp in vielen Fällen dadurch, dass er sich für das Eingreifen der deliktischen Haftung auf eine Interessenabwägung im Einzelfall beruft, zu keinen abweichenden Ergebnissen kommen, dies ändert jedoch nichts daran, dass seine Auffassung in der Theorie auf Unstimmigkeiten basiert. Letztlich läuft seine Ansicht auf nichts anderes als die Gewährung eines Erfüllungsanspruchs bezogen auf den letzten übereinstimmenden Zuschnitt der Ehe hinaus – und insofern hat Lipp selbst zu Recht geschrieben: „Das Denken in subjektiven Erfüllungsansprüchen vermag nicht zu überzeugen, wo der wesentliche Inhalt eines Anspruchs eine innere Haltung ist. Denn ‚Tugenden, durch Gesetz geboten, hören auf, Tugenden zu sein‘.“207

205 Soergel/M.

Lipp, §  1356 Rn.  14. Unterlassungsanspruch setzt außerdem Wiederholungsgefahr voraus. Wenn der abtrünnige Ehegatte auch in Zukunft nicht freiwillig bereit ist, zum ursprünglichen Einvernehmen zurückzukommen, wird ihn ein durch Ordnungsmittel durchsetzbarer Unterlassungstitel kaum wieder „auf die Spur bringen“. In diesen Fällen ist die vom Gesetz vorgesehene Möglichkeit der Scheidung der einzig vernünftige und gangbare Weg. 207  Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  331. 206 Ein

C. Haftung kraft schuldrechtlicher Sonderverbindung zwischen den Ehegatten

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VII. Ergebnis Über das Deliktsrecht lassen sich – wie die vorstehenden Ausführungen gezeigt haben – die Fälle der Ehestörung nicht lösen, weil es an der Verletzung einer absolut geschützten Rechtsposition fehlt. Ein „sonstiges Recht“ im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB setzt voraus, dass es von der Rechtsordnung anerkannt ist, sein Schutzbereich dementsprechend für jedermann feststeht und nicht durch individuelle Absprachen beeinflusst werden kann. Für die Ehe als solche bzw. sonstige Umschreibungen des ehelichen Schutzguts trifft dies ebenso wenig zu wie für den „räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe“. Außerdem erscheint es unangemessen, den Ehestörer als „externen Dritten“ stärker in die Pflicht zu nehmen als den untreuen Ehegatten, obwohl nur letzterer in einer besonderen persönlichen Verbindung zum Geschädigten steht, die ihn in besonderer Weise verpflichtet. Das allgemeine, für jeden gleichermaßen geltende Deliktsrecht wird den Besonderheiten der ehelichen Lebensgemeinschaft, insbesondere dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen den Ehegatten, nicht gerecht. Zu sach- und interessengerechten Lösungen kommt man nur dann, wenn man erkennt und anerkennt, dass durch die Ehe zwischen den Ehegatten eine (schuld­ rechtliche) Sonderverbindung entsteht, und aus dieser Erkenntnis auch für die Haftung im Innenverhältnis die richtigen rechtlichen Schlüsse zieht. Es wird sich zeigen, dass dem teilweise geäußerten Wunsch, de lege ferenda eine familienrechtliche Anspruchsnorm zu schaffen, 208 bereits nach geltendem Recht Genüge getan werden kann, wenn man den verengten Blick auf das Deliktsrecht löst und auf das Recht der Sonderverbindungen erstreckt.

C. Haftung kraft schuldrechtlicher Sonderverbindung zwischen den Ehegatten I. Vorüberlegungen Die Trennung von Kirche und Staat und die religiöse Neutralität unserer Rechtsordnung sind Grundlage des heutigen profanen Verständnisses der bürgerlichen Ehe als einer auf freier Entschließung beruhenden, rechtlich anerkannten und ausgestalteten gleichberechtigten Verbindung eines Mannes und einer Frau zu einer grundsätzlich unauflöslichen persönlichen Lebensgemeinschaft.209 Dabei sind die vermögens- und güterrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten weitgehend im vierten Buch des BGB geregelt. Allerdings können die Ehegatten, soweit nichts anderes bestimmt ist (vgl. z. B. §§  1360a 208 

Muscheler, Familienrecht, Rn.  314, 317. Zum verfassungsrechtlichen Begriff der Ehe im Sinne von Art.  6 Abs.  1 GG siehe noch unten Kap.  3 C.III.2.a)(4), S. 154 ff. 209 

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

Abs.  3, 1361 Abs.  4 S.  4, 1614 Abs.  1 BGB), davon abweichende Vereinbarungen treffen (vgl. §  1408 Abs.  1 BGB). Für den persönlichen Bereich bestimmt §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB nur, dass die Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft „verpflichtet sind“ und füreinander Verantwortung tragen. Die nähere Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft bleibt jedoch den Ehegatten überlassen, wobei sie insbesondere die Aufgabenverteilung innerhalb der Ehe im gegenseitigen Einvernehmen festlegen (vgl. §  1356 BGB). Nach überwiegender Auffassung wird die Generalklausel des §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB nicht nur als echte Rechtspflicht verstanden,210 sondern es werden aus ihr eine Reihe konkreter Einzelpflichten abgeleitet, deren Umfang und inhaltliche Bestimmung je nach zugrunde gelegtem Eheverständnis divergieren. Für die hier interessierende Frage, ob und inwieweit es im Innenverhältnis der ehelichen Lebensgemeinschaft zu einer Haftung kraft schuldrechtlicher Sonderbeziehung gemäß §  280 Abs.  1 BGB kommen kann, ist das Bestehen und der Umfang etwaiger Rechtspflichten zwischen den Ehegatten von zentraler Bedeutung (dazu III.). Dass es sich bei der ehelichen Lebensgemeinschaft um ein Schuldverhältnis bzw. eine schuldrechtliche Sonderbeziehung handelt, wurde bereits dargelegt, fraglich ist nur, ob und inwieweit das Pflichtenprogramm in der Ehe von den verschiedenen Ehelehren beeinflussen wird (dazu II.). Schließlich stellt sich die Frage, welche Konsequenzen die Haftungsprivilegierung gemäß §  1359 BGB in Bezug auf die anzuerkennenden Rechtspflichten für eine etwaige Haftung eines Ehegatten hat (dazu IV.).

II. Eheliche Lebensgemeinschaft als schuldrechtliche Sonderverbindung 1. Der Begriff der „Sonderverbindung“ Die Idee, dass es sich bei der ehelichen Lebensgemeinschaft um eine schuld­ rechtliche Sonderverbindung handelt, auf die §  280 BGB in Bezug auf Haftungsfragen im Grundsatz anwendbar sind,211 liegt eigentlich nicht fern, denn dass die Ehe durch Vertrag, wenn auch unter staatlicher Mitwirkung, begründet wird, ist unstreitig. Unterschiedliche Ansichten bestehen nur in Bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung der Ehe. Der Begriff der „Sonderverbindung“ wurde herkömmlich zur Umschreibung jeder Beziehung verwendet, „in der (mindestens) eine außerdeliktische Schutzpflicht besteht, deren Verletzung eine (außerdeliktische) Schadensersatzpflicht auslöst.“212 Ungeachtet der Verschiedenheit der Konstellationen ist also entscheidend, dass sich Schädiger und Geschädigter – anders als im Deliktsrecht – 210  Zur Qualifikation der „Pflicht“ zur ehelichen Lebensgemeinschaft ausführlich unten Kap.  3 III.2., S. 140 ff. 211  Siehe dazu schon oben Kap.  2 B.III.3., S. 71 ff. 212  Krebs, Sonderverbindung, S.  6 .

C. Haftung kraft schuldrechtlicher Sonderverbindung zwischen den Ehegatten

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bereits vor dem schädigenden Ereignis nicht beziehungslos gegenüber stehen.213 Seit §  241 Abs.  2 BGB bestimmt, dass das Bestehen von Schutz- bzw. Rücksichtnahmepflichten ausreicht, um ein Schuldverhältnis zu begründen, weicht der Begriff „Sonderverbindung“ inhaltlich nicht (mehr) von einem Schuldverhältnis im Sinne von §  241 Abs.  1 und/oder Abs.  2 BGB ab. Wenn hier dennoch für familienrechtliche Rechtsverhältnisse weiterhin der Begriff „Sonderverbindung“ verwendet wird, soll damit dem Umstand Rechnung getragen werden, dass zwischen Ehegatten kein klassischer (auf wirtschaftlichen Interessen beruhender) Austauschvertrag besteht, sondern primär eine personenrechtliche Beziehung, auf die die schuldrechtlichen Vorschriften zu Austauschverträgen nicht unbesehen übertragen werden können. Angesichts der anerkannten (außerdeliktischen) Leistungspflichten zwischen Ehegatten,214 bei denen es sich unzweifelhaft um echte Rechtspflichten handelt, stellt die eheliche Lebensgemeinschaft eine (schuldrechtliche) Sonderverbindung dar. Schwierigkeiten bereitet lediglich, welche sonstigen Rechtspflichten neben den allgemeinen Leistungspflichten im Rahmen der schuldrechtlichen Sonderverbindung zwischen Ehegatten bestehen, an deren Verletzung sich eine Haftung anschließen kann. Diese Frage könnte in nicht unerheblichem Maße von dem jeweiligen Eheverständnis beeinflusst sein, denn letztlich geht es bei der Diskussion um das „Wesen der Ehe“215 vor allem um die Frage, welche Pflichten sich aus der ehelichen Lebensgemeinschaft ergeben und inwieweit diese zwingend oder dispositiv sind.216 Daher erscheint es geboten, sich zunächst mit den verschiedenen Ehelehren (dazu 2.) sowie dem Verständnis der ehelichen Lebensgemeinschaft seit dem 1. EheRG (dazu 3.) auseinanderzusetzen, bevor auf die einzelnen möglichen Rechtspflichten genauer eingegangen werden kann. 2. Ehelehren Die Ansichten zur Charakterisierung der Ehe und zur Rechtsnatur der ehelichen Pflichten lassen sich im Wesentlichen danach unterscheiden, ob sie auch im Rahmen des Ehepersonenrechts, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung, subjektive Rechte und Pflichten zwischen den Ehegatten bejahen oder ablehnen.217 Traditionellerweise wird zwischen den institutionellen und den interindividuellen Ehelehren unterschieden, die durch ein unterschiedliches, historisch gewachsenes Eheverständnis geprägt sind.218 Das jeweilige Eheverständnis 213 

Krebs, Sonderverbindung, S.  6 . Siehe dazu unten Kap.  3 C.III.1., S. 133 ff. 215  Heute wird dieser Begriff (nur) noch in §  1314 Abs.  2 Nr.  3 BGB verwendet, ohne ihn jedoch zu definieren. 216  Schlüter, Familienrecht, Rn.  11 a. E. 217 Soergel/M. Lipp, Vor §  1353 Rn.  14. 218  Vgl. statt vieler etwa die Ausführungen bei Rolland/Brudermüller, Familienrecht (1993), Vor §§  1353 ff. Rn.  6 ff.; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  4 Rn.  3 ff.; Soergel/­ 214 

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hat Auswirkungen auf den Inhalt der Ehe, also die anerkannten ehelichen Rechte und Pflichten, die von den Ehelehren unterschiedlich beurteilt werden. a) Institutionelle Ehelehre Die Anhänger der institutionellen Ehelehre sehen die Ehe als eine dem positiven Recht vorgelagerte „Einrichtung“ an, die vorwiegend durch den „sittlichen Charakter“ der Ehe geprägt ist und den Ehegatten die inhaltliche Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft zwingend vorgibt. Nach der Vorstellung des historischen Gesetzgebers bildet das „sittliche Wesen der Ehe“ die Grundlage der ehelichen Lebensgemeinschaft, aus dem sich die (nicht disponiblen) gegenseitigen subjektiven Rechte und Pflichten und deren rechtlicher Inhalt sowie die Grenzen des in §  1353 BGB (n. F.) normierten Anspruchs auf Herstellung des ehelichen Lebens ergeben: „Der §  1272219 bezweckt, den rechtlichen Inhalt des durch die Ehe unter den Ehegatten begründeten persönlichen Rechtsverhältnisses durch ein allgemeines Prinzip zum Ausdruck zu bringen. Wenngleich die aus dem Wesen der Ehe sich regelnden persönlichen Rechte und Pflichten der Gatten unter einander in erster Linie sittlicher Natur sind, so haben sie doch auch eine rechtliche Seite. Sie bilden nicht allein die Grundlage des Anspruchs auf Herstellung des ehelichen Lebens (…), sondern ihre Verletzung kann unter Umständen auch das Recht auf Scheidung begründen (…). Den sittlichen Grundgedanken des durch die Ehe unter den Gatten begründeten persönlichen Verhältnisses durch einen leitenden Grundsatz im Gesetze auszusprechen, empfiehlt sich aber namentlich auch um deswillen, weil dadurch die über die rechtlichen Wirkungen der Ehe im Einzelnen gegebenen Vorschriften ihre richtige Beleuchtung gewinnen und zum rechtlichen Ausdrucke gebracht wird, daß (…) im Eherechte das sittliche Wesen der Ehe die Grundlage bildet, von der bei der Auslegung des Gesetzes und der Beurtheilung aller Rechtsverhältnisse der Ehegatten unter einander auszugehen ist.“220

Diese institutionelle Sichtweise, die aus der Sitte zahlreiche sittliche Einzelpflichten ableitet und diese in rechtliche Ehepflichten transformiert, setzt rechtliche und sittliche Pflichten letztlich gleich.221 Für im engeren Sinne sittliche,

M. Lipp, Vor §  1353 Rn.  15 ff.; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  8 ff., jeweils mit zahlreichen Nachweisen. Zur geschichtlichen Entwicklung des Eheverständnisses Hattenhauer, Grundbegriffe des Bürgerlichen Rechts, §  8 ; Müller-Freienfels, Ehe und Recht, S.  4 ff.; Schwab, Stimmen der Zeit 1975, 313 ff. 219  §  1272 a. F. (1. Entwurf) lautete: „Die Ehegatten sind unter einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft berechtigt und verpflichtet.“ 220  Mugdan, Motive zum BGB IV, S.  58. 221  Vgl. Staudinger/Hübner, 10.–11.  Aufl. 1964, §  1353 Rn.  3 („Die sittlichen Pflichten werden durch §  1353 BGB zu Rechtspflichten erhoben.“), Rn.  11 („Die eheliche Lebensgemeinschaft erfaßt alle, auch die nicht im Gesetz besonders hervorgehobenen Pflichten, die sich aus dem sittlichen Wesen der Ehe und aus den persönlichen Beziehungen der Ehegatten zueinander ergeben.“). Kritisch zu dieser unreflektierten Gleichsetzung Hepting, Ehevereinbarungen, S.  183 ff.

C. Haftung kraft schuldrechtlicher Sonderverbindung zwischen den Ehegatten

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d. h. außerrechtliche Pflichten bleibt damit kein Raum.222 Sie wurde in Rechtsprechung223 und Literatur224 bis in die 1980er Jahre vertreten, um die „Besonderheiten“ des Ehepersonenrechts begründen zu können.225 Der Begriff „sittlich“ wird dabei mit unterschiedlichen Bedeutungsgehalten verwendet: Zum einen soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass die Rechte und Pflichten aus der ehelichen Lebensgemeinschaft ihren Inhalt nicht aus einer konkreten Norm erhalten, sondern ausgehend von Sitte und Moral zu bestimmen sind, und deshalb auch nicht bzw. nur bedingt justiziabel sind (vgl. §  888 Abs.  2 ZPO a. F., später Abs.  3, nunmehr §  120 Abs.  3 FamFG).226 Zum anderen soll damit besagt werden, dass eine Kommerzialisierung der ehelichen Beziehung ausgeschlossen ist.227 Gerade im Hinblick auf den Sexualbereich hätte man freilich gut daran getan, die sittlichen Pflichten rein sittlich und damit nicht justiziabel zu belassen, statt sie – aus heutiger Sicht – judiziellen Entgleisungen preiszugeben.228 Aber auch 222 

Hepting, Ehevereinbarungen, S.  185. RG v. 29.4.1915 – IV 567/14, RGZ 87, 56 (61 f.: „Durch die Ehe wird für die Ehegatten die sittliche Pflicht begründet, ihr Verhalten gegeneinander so einzurichten, dass es mit der Liebe, Treue und Achtung, die sie sich gegenseitig schulden, im Einklange steht. Diese sittliche Pflicht hat das BGB zu einer Rechtspflicht erhoben, indem es bei den die Wirkungen der Ehe behandelnden Vorschriften den Grundsatz des §  1353 Abs.  1 an die Spitze stellt, daß die Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet sind.“); BGH v. 26.6.1952 – IV ZR 228/51, BGHZ 6, 360 (364: „Diese besondere Regelung des Eheschutzes beruht auf der Erwägung, daß die Beziehungen der Ehegatten zueinander vorwiegend sittlichen Charakter haben.“); BGH v. 14.3.1962 – IV ZR 253/61, NJW 1962, 1244 („Durch die Ehe wird für die Ehegatten die sittliche Pflicht begründet, ihr Verhalten gegeneinander so einzurichten, daß es mit der Liebe, Treue und Achtung, die sie sich gegenseitig schulden, im Einklang steht. Diese Pflicht ist nach §  1353 Abs.  1 BGB auch eine Rechtspflicht.“); vgl. auch BGH v. 13.10.1971 – IV ZR 12/71, MDR 1972, 33 (es widerspreche „dem sittlichen Wesen der Ehe (…), innere Verhältnisse des Ehelebens außerhalb des Eheprozesses in einen Rechtsstreit hineinzuziehen.“); BGH v. 19.3.1974 – VI ZR 19/73, JZ 1974, 580 (581: „Diese Entscheidung [die Auflösung der Ehe zu betreiben] ist wegen der besonderen Natur der sich aus dem Wesen der Ehe und Familie ergebenden Bindungen und sittlichen Pflichten mit so viel unwägbaren Faktoren behaftet, daß es nicht angängig erscheint, schon an die Absicht, die Scheidung zu betreiben, Rechts­ folgen zu knüpfen …“). 224  Statt vieler Dölle, Familienrecht I, §  5 I, S.  5 4 mit Fn.  20; Hübner, FamRZ 1962, 1 (6 ff.); Larenz, JZ 1968, 96 f.; ähnlich Bosch, FamRZ 1966, 57 (61 f.) m. w. N., der jedoch ein striktes Trennungsdenken (entweder Institution oder nur private interindividuelle Gemeinschaft) ­ablehnt. Weitere Nachweise auch bei Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  5 f. (Fn.  3); Kaufmann, FS Erler, 1976, S.  6 49 (651 ff., 655 ff.). 225 Soergel/M. Lipp, Vor §  1353 Rn.  17. 226  Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, S.  43 f. 227  Vgl. RG v. 26.10.1909 – VII 580/08, RGZ 72, 128 (130 ff.); BGH v. 3.11.1971 – IV ZR 86/70, NJW 1972, 199 m. w. N. („Die Ehe stehe außerhalb der Rechtsverhältnisse, deren Verletzung allgemeine Ansprüche auf Ersatz von Vermögensschäden auslösen könne.“); Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, S.  43. 228  Vgl. nur die viel zitierte Entscheidung des BGH v. 2.11.1966 – IV ZR 239/65, NJW 1967, 1078 (1079): „Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, daß sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen läßt. Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen, zu denen die Unwissenheit der Eheleute gehören kann, versagt bleibt, im eheli223 

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darüber hinaus führt die unkritische und nicht näher konkretisierte Berufung auf das „sittliche Wesen der Ehe“ dazu, dass notwendig subjektive Anschauungen und Werturteile des entscheidenden Richters zur Inhaltsbestimmung der bürgerlichen Ehe herangezogen werden, ohne die (rechtlichen) Kriterien für die Ermittlung des „sittlichen Standards“ und deren normative Qualität darzulegen.229 Dass das Verhalten der Ehegatten zueinander auch von (individuellen) moralischen und sittlichen Wertvorstellungen geprägt ist, soll dabei nicht in Abrede gestellt werden, zumal die Ehe die intensivste, intimste und elementarste Lebensgemeinschaft unserer Gesellschaft ist, welche die gesamte Persönlichkeit der beiden Ehegatten und damit auch deren ethische und moralische Grundeinstellungen umfasst; allerdings sind solche Vorstellungen nicht geeignet, ein allgemeingültiges objektiv-rechtliches Eheverständnis zu begründen.230 b) Interindividuelle Ehelehre Kritik an dem kryptischen Argument des „sittlichen Wesens“ der Ehe und der Verquickung von sittlichen und rechtlichen Pflichten, die in der Rigorosität der institutionellen Lehre im Gesetz keine Grundlage findet, üben vor allem die Vertreter der interindividuellen Ehelehre.231 Sie betonen den Vertragscharakter chen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen. Denn erfahrungsgemäß vermag sich der Partner, der im ehelichen Verkehr seine natürliche und legitime Befriedigung sucht, auf die Dauer kaum jemals mit der bloßen Triebstillung zu begnügen, ohne davon berührt zu werden, was der andere dabei empfindet.“ 229  Kritisch auch Hepting, Ehevereinbarungen, S.  182 ff. (186): „Die unkritische Gleich­ setzung sittlicher und rechtlicher Pflichten fand in der Leerformel vom „sittlichen Wesen der Ehe“ ein willfähriges Vehikel, das das Fehlen präziser rechtlicher Kriterien verschleierte.“ Polemisch hingegen Wolf, JZ 1973, 647 (649): „Die behauptete ‚Institution‘ ist ontologisch und logisch unmöglich, existiert also nicht. Das ohne denkbaren Erkenntnisgrund (pseudomethaphysisch) angenommene ‚Ganze‘ ist eine als apersonaler historischer Bewußtseins­ prozeß aufgefaßte weltanschauliche Totalität, ein Kollektiv, mit dessen Behauptung Realität und Individualität der einzelnen Ehe und der daran beteiligten Gatten abgelehnt werden“; Wolf, JZ 1970, 441 (445): „irreal, apersonal, akausal, teleologisch, nicht empirisch, nicht gesetzlich und alogisch“. 230  A. A. Hübner, FS Baumgärtel, 1990, S.  663 (669 ff.), der sich gegen die (extreme) inter­ individuelle Ehelehre (dazu sogleich im Text) ausspricht und davon ausgeht, dass auch eine liberale Grundüberzeugung nicht auf eine rechtliche Fixierung von Wertvorstellungen verzichten könne. Auch dispositive Regelungen erhalten seines Erachtens einen Wesenskern, der nicht ohne weiteres beiseite geschoben werden könne. Das Gesetz begnüge sich nicht mit unverbindlichen Verhaltensmustern, sondern beschränke die Disponibilität, indem es sittliche Verpflichtungen in Rechtspflichten transformiere. 231  Rauscher, FamR, Rn.  233 f. („Die Gestaltung der Ehegatten ist die Quelle ihrer Pflichtenbindung“, Rn.  234); Streck, Generalklausel, S.  28 ff., 35 ff., 98 ff.; Wolf, in: Wolf/Lüke/Hax, Scheidung und Scheidungsrecht, S.  271 ff.; Wolf, NJW 1968, 1497 ff.; Wolf, JZ 1970, 441 (443 f.); Ramm, Familienrecht I, §  11 V 3c bb, 4a, S.  110 ff.; zur Auseinandersetzung untereinander Ramm, JZ 1973, 722; Wolf, JZ 1973, 647; siehe zu deren Diskussion auch Streck, FamRZ 1970, 9; Struck, FuR 1996, 118 (122 f.). Für weite Dispositionsbefugnis auch Lüke, FS Bosch (1976),

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der Eheschließung und folgern daraus eine weitgehende232 Verfügungs- und Ausgestaltungsfreiheit der Ehegatten. Für Pawlowski ist die Ehe rechtlich nur noch eine besondere Organisationsform, für die sich wie bei anderen Organisationen die Probleme des Haftungsverbandes und der Vertretung sowie der Mitgliedschaftsrechte stellen.233 In ihrer extremsten Form erkennt diese Lehre keinerlei rechtlich vorgegebene Pflichten zwischen den Ehegatten mehr an und negiert damit jeglichen über­ individuell-sittlichen Einfluss. So verstanden ist die Ehe nicht mehr als ein inhaltsloser Rahmen, 234 der allein dem Zweck dient, die persönlichen Erwartungen beider Ehegatten zu erfüllen, und der deshalb nach deren individuellen Vorstellungen gestaltet werden kann. Andere anerkennen immerhin eine rein formale235 Rechtspflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft.236 Nach Ansicht von Streck kommen der Generalklausel in §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB nur zwei Aufgaben zu: zum einen jene ehelichen Einzelpflichten zu begründen, die „aus dem normierten Zweck“ folgen, zum anderen im Sinne einer Billigkeitsklausel „die Gerechtigkeit des Einzelfalles gegenüber allgemeinen Normen zu wahren“.237 Da außerrechtliche Maßstäbe für Streck ausscheiden, muss er die ehelichen Pflichten gestützt auf den positiv normierten Begriff der ehelichen Lebensgemeinschaft formal definieren; 238 letztlich anerkennt er damit nur die formale Pflicht zur gemeinsamen Entscheidung einerseits und die Pflicht zum Leben in räumlicher Zuordnung andererseits.239 Inhaltliche Konturen erhalten die Ehepflichten nach seiner Auffassung durch das ebenfalls aus §  1353 BGB folgende „eherechtliche Treueverhältnis“, das „auf der einen Seite durch das Vertrauen der Ehepartner auf sozialadäquates Verhalten des PartS.  627 (632). Zusammenfassung und Darstellung der interindividuellen Ehelehren bei H ­ epting, Ehevereinbarungen, S.  43 ff. 232  Ausgenommen sein sollen etwa die Unterhaltspflichten, vgl. Pawlowski, Studium der Rechtswissenschaft, S.  326. 233  Pawlowski, Die „bürgerliche Ehe“ als Organisation, passim; Pawlowski, FuR 1990, 213 (215: Ehe „kann für das Recht nicht mehr das sein, was sie sozial sein muß – nämlich Lebensgemeinschaft –, sondern nur noch das formale Gehäuse für diese Gemeinschaft.“) m. w. N. 234  Ähnliche Kritik bei Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  9 („Entmaterialisierung der Ehe“); ähnlich Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  4 Rn.  9 („vollständige Entleerung der Ehe (zur freien Ausgestaltung)“). 235  Der rein formale Charakter ergebe sich daraus, dass jegliche inhaltlichen Maßstäbe darüber fehlen, wie die Lebensgemeinschaft zu führen sei, Streck, Generalklausel, Vor §  1353 Rn.  23. 236  Vgl. nur die unklaren und nichtssagenden Ausführungen von Wolf, NJW 1968, 1497: „In einer Ehe ist ein Gatte dem anderen gegenüber verpflichtet und berechtigt, auf Grund eigenen pflichtgemäßen Ermessens dazu beizutragen, daß der andere entsprechend seinen natürlichen Anlagen und seinen erworbenen Eigenschaften sowie den von ihm getroffenen und zu treffenden Entscheidungen als Mann oder Frau, als Persönlichkeit, existieren kann.“ (ebenso in FamRZ 1968, 493 (496)). 237  Streck, Generalklausel, S.  36 f. 238  Streck, Generalklausel, S.  53 ff. 239  Streck, Generalklausel, S.  55 ff., 58 ff.

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ners bestimmt [werde], auf der anderen Seite durch das Vertrauen auf ein der verwirklichten Lebensgemeinschaft entsprechendes Verhalten.“240 Die „sozial-­ üblichen“ Erwartungen der Partner bzw. deren tatsächlich gelebte Gemeinschaft werden über die Generalklausel zu konkreten Rechtspflichten aufgewertet. Im Ergebnis wird der (rechtsverbindliche) Inhalt der eherechtlichen Pflichten damit vollständig dem Belieben der Ehegatten überantwortet.241 Über das Vertrauensprinzip lässt Streck aber doch wieder (schwer verallgemeinerbare) „sozial-übliche“ Verhaltensnormen und Erwartungen in das Recht einfließen.242 In Anbetracht dessen sind die Unterschiede zwischen dieser Ansicht und der Lehre von der Ehe als sozialer Verhaltensform (dazu sogleich) fließend. c) Ehe als soziale Verhaltensform Die Auffassung von der Ehe als sozialer Verhaltensform versteht die „bürgerliche Ehe“ als eine pragmatische Ehe, „die weder dem Gesetzgeber noch dem entscheidenden Richter die Möglichkeit gewährt, den Ehegatten religiöse oder metaphysische Gehalte aufzunötigen.“243 Die Ehe ist nach dieser Lehre „eine rechtlich geregelte soziale Verhaltensform, die dem Anspruch des Einzelnen auf soziale Verhaltensmuster (…) Genüge tun soll.“244 Dieser Ansatz will einerseits die Schwächen der institutionellen Lehre vermeiden, sich aber zugleich von der interindividuellen Ehelehre abgrenzen, weil er davon ausgeht, dass sich die Ehegatten an tradierten sozialen Verhaltensweisen hergebrachter Ehebilder orientieren, ohne diese Erwartungen ausdrücklich zu regeln. Diese Vorstellungen sollen auch die Rechtssätze zur inhaltlichen Bestimmung der Ehe prägen, so dass gewisse soziale Verhaltensstandards über bestimmte Rechtsnormen oder Generalklauseln in das Eherecht transformiert werden, das trotzdem wandlungsfähig bleibe. Wie wenig auch dieser Ansatz letztlich überzeugen kann, zeigt die prägnante Kritik von Rauscher: „Als Zustandsbeschreibung ist dieser Erklärungsversuch akzeptabel; er bietet aber keine Erklärung dafür, daß sich Ehemodelle wandeln und warum ein solcher Wandel normative Kraft haben sollte. Wollte man diese Deutung als Erklärung normativer Inhalte der Ehe verstehen, also dem sozialen Verhaltensmuster die Bildung und Änderung zwingenden Rechts erlauben, so führte das zu einer Demokratisierung des Ehe­bildes. 240 

Streck, Generalklausel, S.  69. Lipp, Vor §  1353 Rn.  23. 242  Streck, Generalklausel, S.   60 ff., 69 ff. Diese Widersprüchlichkeit bemerken schon Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  4 Rn.  7; Hepting, Ehevereinbarungen, S.  187. 243  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §   4 Rn.   9; ebenso MüKoBGB/Wacke, 4.  Aufl. 2000, §  1353 Rn.  2. 244  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  4 Rn.  9, die jedoch zugestehen, dass die bürgerliche Ehe Sätze zwingenden Rechts niemals vollständig entbehren könne (z. B. nicht im Unterhaltsrecht), §  18 Rn.  13, 16. Ähnlich, aber die rechtliche Natur der Ehe verneinend, schon Kaufmann, FS Erler, 1976, S.  6 49 (662: die Ehe sei „primär kein Rechtsverhältnis, sondern ein faktisches Verhältnis des sozialen Lebens, verwirklichte Lebensgemeinschaft.“). 241 Soergel/M.

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Die Vertreter dieser Lehre streben dieses Ergebnis wohl nicht an; sie verbinden im Gegenteil mit ihrer Orientierung an verbreiteten Verhaltensmustern eher die Erwartung, sittliche Maßstäbe aufgegebener Institutionen im verbreiteten Verhalten wieder zu entdecken und gleichsam durch die Hintertüre in einen Katalog abstrakter und unveräußerlicher ehelicher Pflichten zu schreiben.“245 Letztlich werden auch mit dieser Ansicht außerrechtliche, schwer verifizierbare und vor allem nicht allgemein anerkannte, sondern allenfalls mehrheitlich konsentierte Kriterien zum Inhalt eines rechtsverbindlichen Eheleitbildes gemacht.246 Soziale Standards sind jedoch ebenso wie sittliche Fragen (auch) von subjektiven Anschauungen und Wahrnehmungen abhängig, die kaum geeignet sind, im Rahmen der Generalklausel des §  1353 BGB objektiv-rechtliche Maßstäbe zur Inhaltsbestimmung der ehelichen Pflichten zu setzen.247 d) Stellungnahme Mit diesem jahrhundertealten Meinungsstreit zwischen den verschiedenen Auffassungen über das „Wesen“ der Ehe lassen sich keine konkreten rechtsdogmatischen Erkenntnisse und Aussagen zur Art des Rechtsverhältnisses und zur Konkretisierung des Regelungsgehalts und des Umfangs der Pflichten aus §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB gewinnen.248 Die – durch subjektive Anschauungen geprägte – einseitige Hervorhebung einzelner Aspekte der Ehe durch die Ehe­ lehren verkennt, dass die Ehe sowohl ein interindividuelles, durch Vertrag begründetes Rechtsverhältnis als auch eine überindividuelle Institution ist, die sich an sozialen Verhaltensstandards orientiert,249 dass daraus aber nichts für die konkrete Bestimmung des rechtlichen Gehalts der bürgerlichen Ehe im Sinne der §§  1353 ff. BGB gewonnen werden kann. Es wird der Komplexität der Ehe nicht gerecht, wenn die interindividuellen Ehelehren davon ausgehen, sie sei eine „inhaltslose Hülle, die mit Inhalt zu füllen allein den Ehegatten aufgegeben ist“250 und daher vollumfänglich zur Disposition der Ehegatten stehe. Umgekehrt kann auch die institutionelle Ehelehre schwer leugnen, dass es den 245 

Rauscher, FamR, Rn.  232. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §   4 Rn.   10. Pointiert Rauscher, FamR, Rn.  232: „Nähme man die normative Bedeutung des Verhaltensmusteransatzes ernst, so entschiede das Maß der sozialen Veränderung über den normativen Inhalt der Ehe, an den sich dann auch Minderheiten halten oder die Ehe als solche meiden müßten.“ 247  Kritisch auch Soergel/M. Lipp, Vor §  1353 Rn.  20; wegen des bloß deskriptiven Charakters dieses Ansatzes zweifelt auch Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  11, ob daraus Rechtsfolgen abgeleitet werden können. 248  Ähnlich Soergel/M. Lipp, Vor §  1353 Rn.  15 f. Kritisch zu den Ehelehren auch Röthel, Institution und Intimität, in: Röthel/Löhnig/Helms, Ehe, Familie, Abstammung – Blicke in die Zukunkt, S.  9 (13 f.). 249 Richtig Schlüter, Familienrecht, Rn.  11 a. E. 250  So richtig Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  4 Rn.  9, die die Ehe als soziale Verhaltensform ansehen. 246 

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

Ehegatten obliegt, ihre eheliche Lebensgemeinschaft innerhalb des einfachrechtlich vorgegebenen Rahmens auszugestalten und die Arbeitsteilung einvernehmlich zu regeln (vgl. §  1356 BGB). Diese Ansicht bleibt ebenso wie die Lehre von der sozialen Verhaltensform eine Antwort auf die Frage schuldig, welche rechtlich-normative Qualität den postulierten sittlichen bzw. sozialen Standards zukommt und inwieweit sich an diese Standards Rechtsfolgen anknüpfen können. Aus den Ehelehren kann mithin nicht abgeleitet werden, welche rechtlichen Pflichten zwischen Ehegatten bestehen und sich insbesondere aus der Generalklausel des §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB ergeben, ebenso wenig wie die Rechtsnatur dieser Pflichten oder des „gegenseitigen Einvernehmens“ im Sinne von §  1356 Abs.  1 BGB damit erklärt werden könnten. Schlüter hat deshalb zu Recht betont, dass sich „[d]iese Fragen (…) nur durch eine subtile Analyse der familienrechtlichen Normen des einfachen Rechts und des Verfassungsrechts und der ihnen zu Grunde liegenden Wertvorstellungen ermitteln“ lassen.251 3. Das Verständnis der ehelichen Lebensgemeinschaft nach dem 1. EheRG a) Der Primat der Autonomie der Ehegatten Seit der Einführung des Zerrüttungsprinzips durch das 1. EheRG 1977 sieht das BGB kein inhaltlich rechtsverbindliches Ehemodell bzw. -leitbild mehr vor.252 Insbesondere knüpft die verweltlichte „bürgerliche Ehe“ heutzutage nicht mehr an ein religiöses oder (rein subjektiv geprägtes) weltanschauliches Eheverständnis an (vgl. nur §  1588 BGB).253 Mit §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB gibt das Gesetz allenfalls einen rechtlichen Rahmen im Hinblick auf die persönlichen Ehepflichten vor. Innerhalb dieses Rahmens sind die Ehegatten aber frei, den Inhalt ihrer Ehe im gegenseitigen Einvernehmen selbst zu bestimmen. Anders als früher knüpft das Ehescheidungsrecht nicht mehr an die Regelungen zu den allgemeinen Wirkungen der Ehe an. Bemerkenswert ist insbesondere, dass im Rahmen der Definition des Scheiterns der Ehe in §  1565 Abs.  1 S.  2 BGB nicht mehr wie in §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB generalisierend von der „ehelichen Lebensgemeinschaft“ die Rede ist, sondern nunmehr von der konkret-individuellen „Lebens251  Schlüter, Familienrecht, Rn.  11 a. E. Ähnlich Kappler, Kontrolle von Ehevereinbarungen, S.  39. 252  So wurde beispielsweise das früher in §  1356 Abs.  1 S.  1 BGB (i. d. F. des GleichberG 1957) enthaltene Eheleitbild der Hausfrauenehe aufgegeben, ohne ein neues Leitbild an dessen Stelle zu setzen; vgl. BT-Drucks. 7/650, S.  75: „Es kann nicht die Aufgabe eines zeitgemäßen Eherechts sein, ein bestimmtes Leitbild der Ehe festzulegen; das Gesetz sollte für Fortentwicklung auf diesem Gebiet offenbleiben.“ 253  Ähnlich Soergel/M. Lipp, Vor §  1353 Rn.  19, der die bürgerliche Ehe jedoch auch von politischen Eheverständnissen, -zwecken und -inhalten gelöst sieht; dies überzeugt nicht, da der Gesetzgeber die „bürgerliche Ehe“ einfach-gesetzlich regeln muss und dabei selbstverständlich gesellschaftspolitische Entscheidungen mit einfließen lässt.

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gemeinschaft der Ehegatten“ gesprochen wird. Die Amtliche Begründung zum 1. EheRG 1977 führt dazu aus: „Vorgegeben sind nur die Grundstrukturen der Ehe, nicht jedoch die Art und Weise, in der sich das Zusammenleben der Ehegatten zu vollziehen hat. Nach dem Entwurf soll eine Scheidung nur möglich sein, wenn die dieser Ehe entsprechende Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht und ihre Wiederherstellung nicht mehr zu erwarten ist, nicht aber allein deshalb, weil die Ehegatten eine Form des Zusammenlebens gewählt haben, die nicht den allgemeinen Anschauungen entspricht. Dies wird dadurch erreicht, daß in §  1565 E anstelle der bisherigen Ausdrucksweise nur von der „Lebensgemeinschaft der Ehegatten“ gesprochen wird (…). Ob die Lebensgemeinschaft der Ehegatten noch vorhanden ist, kann nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der Eigenart der Ehegatten, ihrer sozialen und wirtschaftlichen Lage, ihrer sittlichen Einstellung, ihres Alters, ihrer Gesundheit und anderer Umstände beurteilt werden. Der Richter wird daher gehalten sein, die Lebensverhältnisse der Ehegatten im Einzelfall zu prüfen. Er darf daraus, daß einzelne Merkmale üblichen ehelichen Zusammenlebens fehlen, noch nicht schließen, daß die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht; denn es kann sein, daß ein solches Merkmal nicht zur Lebensgemeinschaft dieser Ehegatten gehört.“254

Mit dem 1. EheRG 1977 wurde die Autonomie der Ehegatten im Hinblick auf die Ausgestaltung ihrer Ehe erheblich gestärkt.255 Soweit die Selbstbestimmungsmöglichkeit der Ehegatten reicht, ist ein Richter, der über einen auf §  1353 BGB gestützten Antrag auf Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft zu befinden hat, an die Vereinbarungen der Ehegatten gebunden. Meinungsverschiedenheiten im Laufe der Ehe müssen die Ehegatten selbst klären und eine einvernehmliche Lösung finden. Finden sie keinen Konsens, so bleibt nur die Ehescheidung.256 Fraglich ist nur, wo – auch mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Vorgaben von Art.  6 GG – die Grenzen der Autonomie der Ehegatten verlaufen. Schwab wirft insofern die berechtigte Frage auf: „Wenn die Ehe ein ‚Gefäß ohne Inhalt‘ ist, warum soll nicht Beliebiges hineingefüllt werden können? Sollen nicht auch die ‚Grundstrukturen‘ (was gehört dazu?) dem Einvernehmen der Gatten anheim gestellt sein?“257 b) Eheliche Lebensgemeinschaft als Statusverhältnis Die Antwort auf diese Fragen ergibt sich, wenn man berücksichtigt, dass das Rechtsverhältnis zwischen den Ehegatten ein „Statusverhältnis“ ist. Statusverhältnisse zeichnen sich durch ihre besondere Stabilität und Formalität aus und sind darüber hinaus auch dadurch gekennzeichnet, dass sie großteils indisponibel sind.258 Wie lässt sich dies mit der Autonomie der Ehegatten vereinbaren? 254 

BT-Drucks. 7/650, S.  105 (Hervorhebung nicht im Original).

255 Dazu Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  13 ff.; Lüke, AcP 178 (1978), 1 ff. 256 

Hepting, Ehevereinbarungen, S.  92. Schwab, DNotZ-Sonderheft 2001, 9 (10). 258 Vgl. zu weiteren Kennzeichnen von Statusverhältnissen Muscheler, Familienrecht, Rn.  183 ff. 257 

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

Statusrechtliche Verfasstheit der ehelichen Lebensgemeinschaft bedeutet nicht, dass die Ehegatten den Inhalt des Statusverhältnisses auf keine Weise beeinflussen können. Dabei muss zwischen formalem und materiellem Statusrecht unterschieden werden, was zunächst eine Klärung des Begriffs „Status“ voraussetzt. (1) Der Statusbegriff (a) Statuskonzepte Der Begriff „Status“ wird vielfältig verwendet, spielt heute aber vor allem im Familienrecht eine Rolle: 259 Nicht selten wird das Familienrecht sogar als Statusrecht bezeichnet.260 Was aber versteht man unter dem „familienrechtlichen Status“? Bemerkenswert ist, dass der Begriff „Status“ trotz seiner Bedeutung im BGB nicht verwendet wird. In den Sozialwissenschaften und häufig auch im normalen Sprachgebrauch wird mit dem Status eines Menschen dessen soziale Position innerhalb einer sozialen Struktur bzw. einem gesellschaftlichen System sozialer Rangordnungen beschrieben.261 Diese Definition unterscheidet sich jedoch von dem heutigen zivilrechtlichen Verständnis, wenn im Familienrecht von Status gesprochen wird. Schon im römischen Recht wurde der Begriff „Status“ verwendet. Damals verstand man unter Status „eine Eigenschaft, vermöge deren ein Mensch ge­ wisse Rechte hat.“262 Der Begriff beschrieb letztlich den Umfang der Rechtsund Handlungsfähigkeit, die von der durch Geburt vermittelten Stellung des Einzelnen in der Familie und in der Gesellschaft abhing. Es wurde zwischen status libertatis, status civitatis und status familiae263 unterschieden, wobei „[d]as Eigenthümliche (…) dieser drey Eintheilungen der Menschen (…) nicht etwa in ihrer allgemeinen, alle anderen Unterschiede übertreffenden Wichtigkeit [besteht], sondern darin, daß durch sie der verschiedene Grad der Rechts­ fähigkeit jedes einzelnen Menschen bestimmt wird.“264 Der status libertatis un259  So schon von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, Beilage VI S.  460; ebenso für die heutige Rechtslage Muscheler, Familienrecht, Rn.  96. 260  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  1 Rn.  40 ff.; Hohloch, Familienrecht, Rn.  5 ; siehe zum Status als familienrechtlicher Begriff auch Muscheler, Familienrecht, Rn.  9 0 f. 261  Rössel, in: Endruweit/Trommsdorff/Burzan, Wörterbuch der Soziologie, Stichwort „Status“, S.  517; Fuchs-Heinritz/Lautmann/Rammstedt u. a., Lexikon zur Soziologie, Stichwort „Status“, S.  632; Windel, Status und Realbeziehung, in: Lipp/Röthel/Windel, Familienrechtlicher Status und Solidarität, S.  1 (6); Windel, StAZ 2006, 125 (128). 262  Vgl. die Darstellung und Ablehnung der Definition bei von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, Beilage VI S.  4 44 ff. 263  von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, §  68 S.  60, betont jedoch, dass es sich bei diesen Bezeichnungen nicht um quellenmäßig belegte Ausdrücke handelt, die er deshalb vermeidet. Da sie dennoch weit verbreitet sind und die Einteilung der Rechtsfähigkeiten gut verdeutlichen, werden die Begriffe hier verwendet. 264  von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, §  6 4 S.  23 f.

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terschied die freien von den unfreien Menschen,265 während der status civitatis die römischen Bürger mit vollen Teilhaberechten am politischen und privaten Rechts­leben von den Fremden und Nichtbürgern abgrenzte.266 Der status familiae bestimmte dagegen die Rechtsstellung der einzelnen Familienmitglieder innerhalb des Familienverbandes.267 Das Familienoberhaupt war der pater familias mit der umfassendsten Rechtsstellung; ihm waren die Ehefrau sowie die Hauskinder und das Dienstgesinde unterworfen. Von entscheidender Bedeutung war innerhalb des status familiae, ob jemand sui iuris (gewaltfrei, d. h. der Gewalt des pater familias nicht unterworfen) oder alieni iuris (gewaltunterworfen) war. Gewaltunterworfene waren ursprünglich selbst nicht vermögensfähig, sondern handelten nur mit Wirkung für den pater familias. Je nachdem, inwieweit eine Person in ihrer Rechtsfähigkeit beschränkt und damit keinen vollumfänglichen Status hatte, sprach man von capitis deminutio maxima (Fehlen/ Verlust der Freiheit; Sklaven hatten mithin überhaupt keinen Status und waren daher rechtsunfähig), capitis deminutio media (Fehlen/Verlust der Bürgerrechte) oder capitis deminutio minima (Fehlen/Verlust der [bisherigen] Stellung in der Familie).268 Diese Vorstellung vom Status als Gradmesser der Rechtsfähigkeit kann freilich als überwunden gelten. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts hat Friedrich Carl von Savigny die familienrechtliche Bedeutung von „Status“ herausgearbeitet, indem er den Beweis unternommen hat, dass – entgegen der seinerzeit herrschenden Meinung – „die Römischen Juristen unter den (privatrechtlichen) Status nichts Anderes verstanden haben, als das hier Vorausgesetzte, nämlich: die Stellung, welche der einzelne Mensch in den verschiedenen Arten des Familienverhältnisses einnimmt.“269 Zum gleichen Ergebnis kam der englische Jurist und Rechtshistoriker Henry Sumner Maine, der sich in seinem rechtshistorischen, rechtsvergleichenden und rechtssoziologischen Werk „Ancient Law“270 im fünften Kapitel „Primitive society and ancient law“ sehr intensiv mit den Veränderungen der gesellschaftlichen Strukturen und der damit zusammenhängenden Fortentwicklung des (römischen) Rechts beschäftigt hat. Maine erklärt, dass die „archaische Gesellschaft“ zunächst als Ansammlung von Fami­ 265 Siehe

von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, §  65 S.  30 ff. von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, §  66 S.  38 ff. 267 Siehe von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, §  67 S.  49 ff. 268  von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, §§  6 4–68, insb. §  68 S.  60 ff., sowie Beilage VI S.  4 43 ff. 269  von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 2, Beilage VI S.  460; so auch von Savigny, System des heutigen römischen Rechts, Bd. 1, §  54 S.  350 Fn. e: „Es gehören also die Familienverhältnisse vorzugsweise dem jus publicum, d. h. dem absoluten Rechte (…) an. (…) Darum heißt auch jedes Familienverhältniß eines Menschen vorzugsweise ein status desselben, das heißt seine Stellung oder sein Dasein im Verhältniß zu bestimmten anderen Menschen.“ 270  Maine, Ancient Law, 1.  Aufl. 1861; zitiert aus dem Nachdruck (Tucson, Arizona 1986). Deutsche Übersetzung von Dahle, Das alte Recht, 1997. 266 Siehe

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lien, nicht etwa von einzelnen Individuen, angesehen wurde. „Der Gegensatz kann am deutlichsten so ausgedrückt werden, daß die Einheit der antiken Gesellschaft die Familie271 war und die der modernen Gesellschaft das Individuum ist.“272 Zunächst beschreibt er die Familie in der „primitiven Gesellschaft“, bevor er im Detail die rechtliche Stellung des unter der patria potestas 273 stehenden Sohnes274, der Frauen 275 und der Sklaven 276 analysiert. Vor diesem Hintergrund des römischen Personenrechts erklärt er, wie und warum sich die Gesellschaft immer mehr zu einer progressiven Gesellschaft entwickelt hat. Der Verlauf dieser Bewegung war nach Maine gekennzeichnet „durch die allmähliche Auflösung der Abhängigkeit von der Familie und das Anwachsen der an ihre Stelle tretenden Verantwortlichkeit des Individuums (…). Das Individuum tritt konsequent als Einheit, auf die sich das bürgerliche Recht bezieht, an die Stelle der Familie.“277 Das neue „Band zwischen Mensch und Mensch (…), das nach und nach die Formen der Gegenseitigkeit von Rechten und Pflichten ersetzt, die ihren Ursprung in der Familie haben“278 , ist seines Erachtens der Vertrag. Diese von ihm festgestellten gesellschaftlichen Veränderungen fasst er am Ende des Kapitels in der berühmt gewordenen Formel „from status to contract“ zusammen, wobei er den Begriff „status“ zur Kennzeichnung nur derjenigen personalen Verhältnisse verwendet, in denen die Rechtsstellung des Einzelnen von den in der Familie angesiedelten Machtbefugnissen und Privilegien abhängt, um sie von solchen Verhältnissen abzugrenzen, die lediglich das unmittelbare oder mittelbare Ergebnis einer Vereinbarung sind: „if then we employ Status, … to signify these personal conditions only, and avoid applying the term to such conditions as are the immediate or remote result of agreement, we may say that the movement of the progressive societies has hitherto been a movement from Status to Contract“. 279

Seither hat es nicht an Stellungnahmen zur Definition des familienrechtlichen Status gefehlt. Heute wird in der Literatur teilweise eine Annäherung an die Begriffsbestimmung dadurch zu erreichen versucht, dass man drei unterschiedliche Perspektiven unterscheidet: 280 Die erste Sichtweise geht vom Kollektiv, 271 

Dazu, was man unter Familie versteht, ausführlich Dahle, Das alte Recht, 1997, S.  95 ff. Dahle, Das alte Recht, 1997, S.  91. 273  D. h. der uneingeschränkten Verfügungsgewalt (potestas) des ältesten männlichen Familienoberhaupts (des pater familias). 274  Dahle, Das alte Recht, 1997, S.  96 ff. 275  Dahle, Das alte Recht, 1997, S.  105 ff. 276  Dahle, Das alte Recht, 1997, S.  110 ff. 277  Dahle, Das alte Recht, 1997, S.  113. 278  Dahle, Das alte Recht, 1997, S.  114. 279  Maine, Ancient Law, Nachdruck von 1986, S.  165. 280  Windel, Status und Realbeziehung, in: Lipp/Röthel/Windel, Familienrechtlicher Status und Solidarität, S.  1 (6 f.); Windel, StAZ 2006, 125 (128); ähnlich Muscheler, Familienrecht, Rn.  93, der zur Bestimmung des materiellen Statusbegriffs (inhaltlich praktisch iden272 

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d. h. der Familie als einer Gruppe von Menschen, aus und weist dem Einzelnen mit dem Status einen festen Platz im Kollektiv der Familie zu. Der zweite Ansatz geht vom Individuum aus und sieht im Status einen Inbegriff an personenrechtlichen „Eigenschaften“ bzw. „Fähigkeiten“ (im Sinne von Rechts- und Handlungsfähigkeit [Geschäfts- und Deliktsfähigkeit], Ehefähigkeit bzw. -mündigkeit, Testierfähigkeit, Persönlichkeitsrechten sowie Zugehörigkeiten, z. B. Geschlechts-, Rasse-, Religionszugehörigkeit).281 Der relationale Ansatz versteht unter Status schließlich das familienrechtliche „Verhältnis“ einer Person zu einer anderen in all seinen Bezügen. (b) Stellungnahme Es ist fraglich, inwieweit diese Kategorisierung zum Begriffsverständnis viel beitragen kann, denn vielfach erweist es sich als sehr schwierig, die in der Literatur zum Status-Begriff zu findenden Definitionsversuche einer der drei Sichtweisen eindeutig zuzuordnen. Letztlich kommt man also nicht umhin, die einzelnen Stellungnahmen für sich zu betrachten. Muscheler kommt etwa zu dem Ergebnis, dass „Status (…) eine durch Familienrecht attribuierte zentrale rechtliche Eigenschaft einer natürlichen Person [ist] (qualitas personae),282 die auf längere Zeit angelegt ist, dem Verkehr in irgendeiner Weise erkennbar gemacht wird, in den verschiedensten Rechtsgebieten Rechtsfolgen auslösen kann und der Person (in der Regel) einen Inbegriff von subjektiven Rechten und Pflichten vermittelt.“283 Nach Windel betrifft der Status demgegenüber nicht die einzelne Person als dieser zukommende rechtliche Eigenschaft, sondern vielmehr die familienrechtlichen Verhältnisse der individuell beteiligten Personen zueinander. Er umschreibt das Charakteristische des Status damit, dass „der familienrechtliche Status dem jeweiligen Rechtsverhältnis zuzurechnen [ist], das die beteiligten Personen verbindet. Diese Rechtsverhältnisse (i. w. S.) sind als umfassende zu verstehen, sodass die im Status zum Ausdruck kommende Zuordnung der Subjekte nur einen – wenn auch wesent­ lichen – Aspekt des Gesamtrechtsverhältnisses darstellt. (…) Der Status ist als besonderer Aspekt eines Rechtsverhältnisses dem subjektiven Recht, etwa dem tisch, wenn auch terminologisch verschieden) zwischen der realen, der personalen und der relationalen Perspektive unterscheidet. 281  So etwa noch Pawlowski, BGB AT, §   2 ; zu Recht kritisch zu dieser zivilrechtlichen Statuslehre bzw. der Auffassung des Status als zivilrechtlichem Grundbegriff Muscheler, ­Familienrecht, Rn.  97 ff.; Windel, Status und Realbeziehung, in: Lipp/Röthel/ Windel, Familienrechtlicher Status und Solidarität, S.  1 (8 ff.). 282  Muscheler, Familienrecht, Rn.  95, ordnet seine Auffassung dem personalen Ansatz zu, grenzt sich gleichzeitig aber von dem v. a. im 19. Jahrhundert vorherrschenden Verständnis (siehe Rn.  96) sowie dem vom Pawlowski (bei und in Fn.  281) vertretenen Ansatz (siehe Rn.  97) ab. Schon daran sieht man, dass selbst den drei gebildeten Kategorien kein einheitliches Verständnis zugrunde liegt. 283  Muscheler, Familienrecht, Rn.  95; ebenso Muscheler, StAZ 2006, 189 (197).

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Anspruch, zwar vergleichbar. Aber der Status ist weder ein einzelnes subjektives Recht noch ein Inbegriff von Rechten (und Pflichten), sondern eine eigenständige Kategorie unter den besonders hervorgehobenen Aspekten eines Rechtsverhältnisses.“284 Rauscher und Röthel setzen den familienrechtlichen Status im Wesentlichen mit dem Personenstand gleich und charakterisieren ihn inhaltlich als unveränderbare oder zumindest stark stabilisierte Rechtsstellung des Einzelnen im Verhältnis zu einer anderen Person bzw. im System familienrechtlicher Beziehungen.285 Die Schwierigkeiten, all diese Stellungnahmen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen bzw. den „richtigen“ Statusbegriff herauszufiltern, resultieren in erster Linie daraus, dass keine dieser Ansichten hinreichend zwischen formellen und materiellen Kriterien des Statusrechts unterscheidet, 286 weshalb sie an Überzeugungskraft verlieren. Das formelle Statusrecht wird bestimmt durch die im Personenstandsgesetz enthaltenen Vorschriften zum Personenstand, in denen sich die besondere formale personenrechtliche Zuordnung zwischen zwei Personen ausdrückt (dazu (2)). Das materielle Statusrecht ist dagegen gekennzeichnet durch die besonderen personen- und vermögensrechtlichen Folgen, die das Bürgerliche Gesetzbuch an formelle Status-Rechtsverhältnisse anknüpft (dazu (3)). Ausgehend von dieser Unterscheidung lassen sich die verschiedenen Stellungnahmen in der Literatur bewerten: Windel ist insofern zuzustimmen, als es sich bei dem Status – verstanden als formeller Status – richtigerweise um einen wesentlichen Aspekt mancher familienrechtlicher Rechtsverhältnisse handelt. Während in materieller Hinsicht aus einem Rechtsverhältnis Rechte und Pflichten folgen (können), knüpft der Gesetzgeber an bestimmte familienrechtliche Rechtsverhältnisse den zusätzlichen formellen Aspekt eines Status. Nicht überzeugend ist die Ansicht von Windel jedoch, soweit er es ablehnt, den (formellen) Status als eine der einzelnen Person zukommende zentrale rechtliche Eigenschaft anzusehen, und stattdessen davon ausgeht, dass der Status allein das ­familienrechtliche Verhältnis der individuell beteiligten Personen zueinander betreffe. Dies wird besonders bei dem von ihm herangezogenen Beispiel der Ehe deutlich, mit dem er sich zu seiner eigenen Grundaussage in Widerspruch setzt: Seines Erachtens umfasst das eheliche Rechtsverhältnis (i. w. S.) die Regelung der gesamten Rechtsfragen einer gelebten Ehe, während der Status sich auf das Verheiratetsein als solches beschränke.287 Das ist richtig, allerdings ist das Verheiratetsein als solches kein (Rechts-)Verhältnis; vielmehr umschreibt der Zu284  Windel, Status und Realbeziehung, in: Lipp/Röthel/Windel, Familienrechtlicher Status und Solidarität, S.  1 (10 f.). 285  Rauscher, FamR, Rn.  65; Röthel, StAZ 2006, 34 (41). 286  Zutreffend und sehr strukturiert hingegen Soergel/M. Lipp, Vor §  1353 Rn.  31 ff. 287  Windel, Status und Realbeziehung, in: Lipp/Röthel/Windel, Familienrechtlicher Status und Solidarität, S.  1 (11); Windel, StAZ 2006, 125 (129).

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stand des Verheiratetseins nichts anderes als eine höchstpersönliche rechtliche Eigenschaft der betreffenden Person, die deren Personenstand (i. S. d. Personenstandsgesetzes) bestimmt. Auf das Eltern-Kind-Verhältnis übertragen ist das Verwandtschaftsverhältnis das Rechtsverhältnis (i. w. S.) und das Vater-/Mutter-/Sohn-/Tochtersein der jeweilige Status der am Verwandtschaftsverhältnis Beteiligten. Deshalb verdient in diesem Punkt die Ansicht von Muscheler Zustimmung, der den Status – nach hier vertretener Ansicht in seiner formellen Ausprägung – als eine der einzelnen Person durch das Familienrecht zuteilwerdende rechtliche Eigenschaft ansieht.288 Ergänzend ist hinzuzufügen, dass der formelle Status als höchstpersönliche personenstandsrechtliche Eigenschaft mit Rauscher und Röthel – abgesehen vom Tod eines Menschen – relational zu verstehen ist, da sie die besonders verfestigte Zuordnung zweier Personen zueinander verdeutlicht; der Status steht einer Person also immer nur in Bezug auf eine andere Person zu. Soweit Muscheler jedoch davon spricht, dass der Status der Person in der Regel einen „Inbegriff von subjektiven Rechten und Pflichten“ vermittle, kann dem nicht gefolgt werden.289 Erst recht stellt der Status selbst kein subjektives Recht da.290 Rechte und Pflichten folgen im Verhältnis der Beteiligten zueinander – wie Windel zurecht betont – allein aus dem Rechtsverhältnis (i. w. S.), auch wenn sie inhaltlich von dem Umstand beeinflusst werden, dass es sich bei dem Rechtsverhältnis (formal) um ein Statusrechtsverhältnis handelt. Deswegen kann man insofern auch von materiellem Statusrecht sprechen. Es ist allerdings nicht der (formelle?) Status, der diese (personen- und vermögensrecht­lichen) Rechte und Pflichten begründet oder beinhaltet, sondern allein das zugrundeliegende Rechtsverhältnis. Dementsprechend ist der Bestand des Status unabhängig davon, ob das familienrechtliche Rechtsverhältnis daneben überhaupt Rechts­ wirkungen in Form von Rechten und Pflichten zeitigt.291 So endet beispiels­ weise der Status des Kindes im Verhältnis zu seinen Eltern nicht mit Eintritt der Volljährigkeit, auch wenn dadurch womöglich die Unterhaltspflicht der Eltern entfallen kann.

288  Eine ähnliche Auffassung kommt in der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes zur Reform des Kindschaftsrechts vom 13.6.1996 zum Ausdruck, in der es heißt: „Die ‚Ehelichkeit‘ bzw. ‚Nichtehlichkeit‘ eines Kindes soll künftig kein der Person anhaftendes Statusmerkmal mehr sein“ (Hervorhebung nicht im Original), BT-Drucks. 13/4899, S.  51. 289  So allerdings auch Hohloch, Familienrecht, Rn.  5. 290  So aber Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  207 ff.; siehe ferner die Ausführungen oben unter Kap.  3 B.VI., S. 105 ff., zur Frage, ob der Ehestatus ein absolut geschütztes Rechtsgut ist. Richtig hingegen Windel, Status und Realbeziehung, in: Lipp/Röthel/Windel, Familienrechtlicher Status und Solidarität, S.  1 (11). 291 Richtig Windel, Status und Realbeziehung, in: Lipp/Röthel/Windel, Familienrechtlicher Status und Solidarität, S.  1 (11); Windel, StAZ 2006, 125 (129).

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(2) Formales Statusrecht Alle Statusverhältnisse zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Beteiligten durch eine rechtlich verfasste Beziehung einander personenrechtlich in besonderer Weise zuordnen. Diese rechtliche Verfasstheit der Beziehung hebt Statusverhältnisse von anderen Rechtsverhältnissen, insbesondere nicht rechtlich verfassten Lebensgemeinschaften, ab.292 Welche Rechtsverhältnisse in unserer Rechtsordnung als Statusverhältnisse ausgestaltet sind, bestimmt das positive Recht, namentlich das Personenstandsrecht. Danach werden nach derzeitiger Rechtslage (nur) das Rechtsverhältnis der Ehe, der (eingetragenen) Lebenspartnerschaft sowie der rechtlichen Verwandtschaft ersten Grades als Statusverhältnisse angesehen (vgl. §  1 Abs.  1 S.  2 PStG). Das Standesamt ist dementsprechend nach §  3 Abs.  1 S.  1 PStG verpflichtet, ein Eheregister, ein Lebenspartnerschaftsregister sowie ein Geburtenregister zu führen, wobei in letzteres neben Vorund Nachname, Geschlecht des Kindes, Ort, Tag, Stunde und Minute der Geburt auch die Vor- und Familiennamen der rechtlichen Eltern einzutragen sind. Dem Gesetzgeber steht es allerdings frei, über den aktuellen Kreis von Statusverhältnissen hinaus neue Statusverhältnisse zu kreieren bzw. derzeit noch als Realverhältnisse angesehene Rechtsverhältnisse zu Statusverhältnissen aufzuwerten.293 Der Kreis an Statusverhältnissen ist mithin wandelbar und nicht auf ewig abschließend.294 Dementsprechend kann der Gesetzgeber gesellschaftliche Entwicklungen berücksichtigen und auf veränderte Anschauung und Moralvorstellungen reagieren. So war das Kriterium der Ehelichkeit bzw. Nichtehelichkeit eines Kindes früher beispielsweise ein Statusmerkmal,295 das wesent­ liche Auswirkungen im Erbrecht hatte; heute ist dieses Kriterium rechtlich unerheblich.296 Gleichermaßen wäre es vor ein paar Jahren noch undenkbar gewesen, gleichgeschlechtlichen Paaren den gleichen Status wie Ehegatten zuteil werden zu lassen; mit dem Lebenspartnerschaftsgesetz von 2001297 hat der deutsche Gesetzgeber jedoch die eingetragene Lebenspartnerschaft geschaffen, die den Lebenspartnern personenstandsrechtlich einen ehegleichen Status verschafft hat; in nachfolgenden Gesetzen wurden schließlich auch die im materi-

292 Soergel/M.

Lipp, Vor §  1353 Rn.  32. Beachte jedoch Dutta, AcP 216 (2016), 609 (629 ff., 669 ff.), der von der Einführung einer „Ehe light“ nach dem französischen Vorbild des pacte civil de solidarité als eigenständiges und inhaltlich unterhalb der Ehe angesiedeltes Alternativregime – nicht zuletzt wegen verfassungsrechtlicher Bedenken – abrät. 294  Rauscher, FamR, Rn.  63. 295  Rauscher, FamR, Rn.  65; Hohloch, Familienrecht, Rn.  142. 296  Gemäß Art.  6 Abs.  5 GG ist die Gleichstellung von nichtehelichen und ehelichen Kindern sogar verfassungsrechtlich verankert. Anders in Österreich, wo immer noch an dieser Unterscheidung festgehalten wird (vgl. etwa §§  21–26 IPR-Gesetz). 297  Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften v. 16.2.2001, BGBl I 2001, S.  266. 293 

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ellen Statusrecht zunächst noch bestehenden Unterschiede beseitigt.298 In einigen europäischen Ländern steht homosexuellen Paaren demgegenüber schon längst die Ehe offen,299 und es wird vermutlich nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sich Deutschland diesem allgemeinen Trend anschließen wird.300 Über eine Beseitigung der verbleibenden materiell-rechtlichen Unterschiede zwischen eingetragenen Lebenspartnern und Ehegatten wird auf politischer Ebene bereits diskutiert.301 Alle Statusverhältnisse zeichnen sich aufgrund der besonderen rechtlichen Zuordnung zweier Personen zueinander durch einige Gemeinsamkeiten aus,302 die es rechtfertigen würden, auch andere Rechtsverhältnisse als Statusverhältnisse anzuerkennen. So wird beispielsweise in der Literatur seit längerem dafür plädiert, auch dem rein biologischen Vater neben dem rechtlichen Vater die Möglichkeit zu geben, ein Rechtsverhältnis zu dem Kind zu etablieren, das ­Statuswirkungen zeitigt.303 Generell wird in unserer heutigen Gesellschaft zu298  Siehe das Gesetz zur Bereinigung des Rechts der Lebenspartner v. 20.11.2015, BGBl. I 2015, S.  2010. 299  Niederlande (seit 1.4.2001; Wet openstelling huwelijk, Staatblad 2001, 145); Belgien (seit 1.6.2003; Wet tot openstelling van het huwelijk voor personen van hetzelfde geslacht en tot wijziging van een aantal bepalingen van het Burgerlijk Wetboek, Moniteur Belge, 28.2.2003, Ed. 3, Belgisch Staatsblad, 9880); Spanien (seit 3.7.2005; Ley 13/2005, Boletín Oficial del Estado, núm. 157, 2.7.2005, páginas 23632a 23634); Schweden (seit 1.5.2009; Lag om ändring i äktenskapsbalken, SFS 2009:253); Portugal (seit 5.6.2010; Lei n.°9/2010, Diário da República, 1.ª série, N.º105, 31.5.2010); Dänemark (seit 15.6.2012; LOV nnr 532 af 12/06/2012 (Gældende)); Frankreich (seit 18.5.2013; LOI n° 2013-404 du 17 mai 2013 ouvrant le mariage aux couples de personnes de même sexe, JORF n°0114 du 18 mai 2013, page 8253); Vereinigtes Königreich (in England und Wales können gleichgeschlechtliche Paare seit 13.3.2014 Ehen schließen [Marriage (Same Sex Couples) Act 2013]; in Schottland seit 16.12.2014 [Marriage and Civil Partnership (Scotland) Act 2014]; und auf den Pitcairninseln seit 14.5.2015 [Same Sex Marriage and Civil Partnership Ordinance 2015]; in Nordirland und den Überseegebieten sind im Übrigen keine gleichgeschlechtlichen Eheschließungen möglich); Luxemburg (seit 1.1.2015; Réforme du Mariage, Loi du 4 juillet 2014, Mémorial A n° 125 de 2014, 1797); Irland (seit 16.11.2015; Marriage Act 2015, No 35 of 2015). 300  Dethloff, FamRZ 2016, 351 ff.: die Öffnung der Ehe sei verfassungsrechtlich nicht nur zulässig, sondern sogar geboten. 301  Vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts, BT-Drucks. 18/6665, sowie die Entschließung des Bundes­ rates: „Ehe für alle – Entschließung für eine vollständige Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Paaren“, BR-Drucks. 274/15. 302  Zu den einzelnen charakteristischen Aspekten des Status vgl. Muscheler, Familienrecht, Rn.  183 ff. 303 So Helms, FamRZ 2010, 1; zustimmend Coester-Waltjen, FamRZ 2010, 1693 (1699). Auch die in Deutschland noch unangetastete Zwei-Elternschaft ist nicht in Stein gemeißelt: Andere Rechtsordnungen diskutieren bereits die Möglichkeit, rechtlich drei Elternteile zu akzeptieren (so die Niederlande, vgl. Reuß, Künstliche Fortpflanzung im niederländischen Recht, in: Dutta, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, S.  127 ff., und England/Wales, vgl. Scherpe, Künstliche Fortpflanzung im Recht von England und Wales, in: Dutta, Künstliche Fortpflanzung und europäisches Familienrecht, S.   295 ff.); vgl. auch ­Henrich, RabelsZ 79 (2015), 752 (756 ff.).

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sehends das Bedürfnis laut, auch und gerade im Bereich der partnerschaftlichen Lebensformen mehr Gestaltungsfreiheit zu haben und über den herkömmlichen numerus clausus an Statusverhältnissen hinaus aus einem größeren Angebot an vorgefertigten Typen von Lebensformen mit Statuswirkungen auswählen zu können.304 Der Gesetzgeber hat diese Appelle bisher jedoch zu Recht nicht aufgegriffen. Durch vorgegebene Limitierung erlangen Statusverhältnisse eine Monopolstellung und Exklusivität gegenüber anderen familienrechtlichen Rechtsverhältnissen,305 zumal nur an Statusverhältnisse ein rechtlich vorgefasstes materielles Statusrecht anknüpft, das weitgehend zwingend ist. Paare, die für ihre Lebensgemeinschaft die Ehe als Lebensform wählen, entscheiden sich damit zugleich für das an die (formelle) Eheschließung anknüpfende materielle Rechtsregime; wollen sie dieses Regime in wesentlichen Punkten nicht, bleibt ihnen als alternative die nichteheliche Lebensgemeinschaft, die sie nach Maßgabe des Vertragsrechts sehr viel weitgehender nach eigenem Belieben ausgestalten können.306 Mit den Statusverhältnissen gibt der Gesetzgeber also gerade für Paarbeziehungen bestimmte gesellschaftlich akzeptierte und rechtlich bereits generell ausgestaltete Lebensmodelle vor, denen sich Paare bedienen können, ohne alle Einzelheiten individuell regeln zu müssen. (3) Materielles Statusrecht Schon daraus ergibt sich, dass das eheliche Statusrecht nicht auf das formelle Personenstandsrecht beschränkt ist, sondern darüber hinaus „inhaltlich-materiellen Gehalt“ aufweist, „der die Ehegatten im Unterschied zu anderen Formen nichtehelicher Paarbeziehungen in eine besondere (nach herrschender Meinung grundsätzlich lebenszeitliche, §  1353 Abs.  1 S.  1 BGB) rechtliche Verantwortung stellt.“307 Für die eheliche Lebensgemeinschaft ergibt sich die Notwendigkeit der einfachgesetzlichen, statusrechtlichen Ausgestaltung bereits aus der Institutsgarantie der „Ehe“ gemäß Art.  6 Abs.  1 GG.308 Nach Ansicht des BVerfG setzt die Institutsgarantie einfachgesetzliche Regelungen „geradezu voraus“ und verlangt „notwendig eine rechtliche Ordnung“ der Ehe.309 Die konkrete inhaltliche Ausgestaltung wird dem Gesetzgeber allerdings nicht von der Verfassung 304 

Röthel, StAZ 2006, 34. Lipp, Vor §  1353 Rn.  32. 306  Schwab, DNotZ-Sonderheft 2001, 9 (42): „Im Bereich der nicht registrierten Gemeinschaften sollte indes der Weg ‚from contract to status‘ nicht konzeptlos fortgesetzt werden. In einer freien Gesellschaft ergibt es einen guten Sinn, den Menschen die Wahl zwischen gesetzlich vorgeprägten und freien Formen des Zusammenlebens zu belassen.“ 307 Soergel/M. Lipp, Vor §  1353 Rn.  35. 308 Soergel/M. Lipp, Vor §  1353 Rn.  33; Papier, NJW 2002, 2129. 309  BVerfG v. 4.5.1971 – 1 BvR 636/68, NJW 1971, 1509 f.; vgl. BVerfG v. 28.2.1980 – 1 BvL 136/78, NJW 1980, 689: „Das Schutzgebot der Verfassung gewährleistet daher die lebenslange Ehe nicht abstrakt, sondern in der Ausgestaltung, wie sie den herrschenden, in der gesetz305 Soergel/M.

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vorgeschrieben. Art.  6 Abs.  1 GG steht auch einer Anpassung des Eherechts an ein sich im Laufe der Zeit wandelndes Eheverständnis bzw. an veränderte tatsächliche oder gesellschaftliche Verhältnisse nicht entgegen. Geschützt und gewährleistet wird von der Institutsgarantie lediglich ein „Normenkern des Eheund Familienrechts“,310 „der Kern der das Familienrecht bildenden Vorschriften insbesondere des bürgerlichen Rechts“ und „die bestimmenden Merkmale des Bilds von (Ehe und) Familie, das der Verfassung zu Grunde liegt“. Welche Normen zu diesem verfassungsfesten Wesensgehalt des Ehe- und Familienrechts zählen, ist damit freilich noch nicht gesagt; 311 darauf wird noch näher einzugehen sein.312 Der Gesetzgeber hat die inhaltliche Ausgestaltung des Eherechts in den §§  1353 ff. BGB vorgenommen und schon mehrfach geändert. Gleichgeblieben ist jedoch die grundsätzliche Einteilung des Eherechts (und auch des gesamten Familienrechts) in das Personen- und das Vermögensrecht.313 Unstreitig gehören das Ehegüterrecht (§§  1363 ff. BGB) sowie das Unterhaltsrecht (§§  1360 ff., 1361, 1569 ff. BGB) zum Vermögensrecht, während die „Pflicht“ zur ehelichen Lebensgemeinschaft (§  1353 Abs.  1 S.  2 BGB) zum Kern des Ehepersonenrechts gezählt wird. Diese klare Unterscheidung stößt jedoch schnell und vielfach an ihre Grenzen, weil es zwischen den Teilbereichen Überschneidungen gibt: So wird beispielsweise gerade aus der personenrechtlichen „Pflicht“ zur Herstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft ein Anspruch auf Mitwirkung an einer gemeinsamen Steuerveranlagung hergeleitet, mit dem in erster Linie finanzielle Interessen verfolgt werden.314 Das Ehevermögensrecht folgt im Wesentlichen dem allgemeinen Anspruchsmodell, begründet also echte Rechtspflichten mit korrespondierenden Ansprüchen, die klagbar und vollstreckbar sind. Die vermögensrechtlichen Ansprüche begründen ein normales Schuldverhältnis – und damit eine schuldrechtliche Sonderverbindung – zwischen den Ehegatten, auf das die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts ohne Einschränkungen angewendet werden können, soweit im Familienrecht keine Spezialvorschriften vorgesehen sind (z. B. Verbot eines Verzichts für die Zukunft, §  1614 BGB). Schwieriger zu beurteilen ist dies hingegen bei Verstößen gegen personenrechtliche Vorschriften. Hier ist teils schon die „Klagbarkeit“ bzw. die Möglichlichen Regelung maßgebend zum Ausdruck gelangten Anschauungen entspricht. Danach liegt der Verfassung das Bild der „verweltlichten“ bürgerlichrechtlichen Ehe zugrunde…“ 310  BVerfG v. 17.1.1957 – 1 BvL 4/54, NJW 1957, 417 (418). 311  Papier, NJW 2002, 2129 (2130). 312  Siehe unter Kap.  3 C.III.2.a)(4), S. 154 ff. 313 Soergel/M. Lipp, Vor §  1353 Rn.  35. 314  BGH v. 18.5.2011 – XII ZR 67/09, NJW 2011, 2725 Rn.  15 („aus dem Wesen der Ehe“); ebenso BGH v. 18.11.2010 – IX ZR 240/07, FamRZ 2011, 210; BGH v. 18.11.2009 – XII ZR 173/06, NJW 2010, 1879 (1880 Rn.  11); BGH v. 23.5.2007 – XII ZR 250/04, NJW 2007, 2554 Rn.  10; BGH v. 25.6.2003 – XII ZR 161/01, NJW 2003, 2982.

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keit der Antragstellung (vgl. §  1297 Abs.  1 BGB) oder zumindest die Vollstreckbarkeit (vgl. §  120 Abs.  3 FamFG) kraft Gesetzes ausgeschlossen. Freilich stellt sich insofern – unabhängig vom Ausschluss der Möglichkeit der Antragstellung und der Vollstreckbarkeit – schon die vorgelagerte Frage, ob und inwieweit hier überhaupt „Rechtspflichten“ vorliegen.315 (4) Zusammenfassung Es bleibt festzuhalten, dass es familienrechtliche Rechtsverhältnisse gibt, die den Beteiligten eine personenstandsrechtliche Eigenschaft, den formellen Status, zuweisen, der die besondere personale Verbindung zwischen den Beteiligten zum Ausdruck bringt, das Rechtsverhältnis in besonderer Weise charakterisiert und die aus dem Rechtsverhältnis folgenden Rechte und Pflichten – also das materielle Statusrecht – inhaltlich beeinflusst, ohne diese jedoch zu determinieren und der Autonomie der Ehegatten keinen Raum mehr zu lassen. Solche Rechtsverhältnisse werden hier Statusverhältnisse genannt, während mit Status lediglich die besondere, relational zu verstehende personenstandsrecht­ liche Eigenschaft jedes am Statusverhältnis Beteiligten (i. S. d. formellen Statusbegriffs) bezeichnet wird. 4. Fazit Aus diesem Verständnis des Statusbegriffs folgt zugleich, dass es für die in dieser Arbeit interessierende Frage der Haftung in familienrechtlichen Rechtsverhältnissen nicht darauf ankommt, ob es sich um ein Statusverhältnis oder ein sonstiges familienrechtliches Rechtsverhältnis handelt, da es gerade nicht der Status als solcher ist, der Rechte und Pflichten begründet, sondern allein das Rechtsverhältnis (i. w. S.). Allein der Umstand, dass ein familienrechtliches Rechtsverhältnis – anders als die Ehe – kein Statusverhältnis ist, schließt also die Annahme einer schuldrechtlichen Sonderverbindung ebenso wenig aus wie es einen Rückschluss auf die Möglichkeit einer Haftung zulässt. Entscheidend ist allein, ob ein Schuldverhältnis bzw. eine schuldrechtliche Sonderbeziehung mit echten Rechtspflichten in Rede steht, deren Verletzung eine schadensrechtliche Haftung nach sich ziehen kann. Für die Ehe folgt dies – wie schon eingangs festgestellt – aus dem Bestehen der anerkannten Leistungspflichten. Im Übrigen ist der Pflichtenumfang zwischen Ehegatten jedoch umstritten, wobei sich – wie gezeigt – aus den traditionellen Ehelehren und dem Verständnis der Ehe als Statusverhältnis nichts zur Konkretisierung der inhaltlichen Ausgestaltung der Ehe herleiten lässt. Als Grundvoraussetzung einer Haftung ist daher im Folgenden genauer zu untersuchen, ob und welche Rechtspflichten sich zwischen Ehegatten rechtsdogmatisch begründen lassen. Generell gilt, dass im Rahmen 315 

Dazu Kap.  3 C.III., S. 133 ff.

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jedes Schuldverhältnisses – gegebenenfalls unter Berücksichtigung des Umstandes, dass es sich um ein besonders beständiges Statusverhältnis handelt – der Inhalt der Rechtspflichten typisierend nach dem jeweiligen Schuldverhältnis zu ermitteln ist.

III. Rechtspflichten in der ehelichen Lebensgemeinschaft 1. Anerkannte Leistungspflichten Neben den bereits erörterten allgemeinen Pflichten aus §  823 BGB, die auch zwischen Ehegatten gelten, sieht das Gesetz jedenfalls im Bereich des Ehevermögensrechts gewisse Leistungspflichten zwischen Ehegatten vor, deren Bestand und Umfang unstreitig und allgemein anerkannt sind. Im Vergleich zum Ehepersonenrecht ist das Ehevermögensrecht detailliert geregelt. Hier sieht der Gesetzgeber echte Rechtspflichten zugunsten des jeweils anderen Ehegatten vor, die im Streitfall auch zwangsweise durchgesetzt werden können, da das gebotene Handeln nicht zum höchstpersönlichen (rechtsfreien) Bereich gehört.316 Soweit die Unterhaltspflichten (§§  1361 Abs.  4 S.  1, 1585 Abs.  1 S.  1 BGB) bzw. die Pflicht zum Ausgleich eines Zugewinns (§  1378 Abs.  1 BGB) oder zum schuld­rechtlichen Versorgungsausgleich (§  1587 BGB i. V. m. §§  20 ff. VersAusglG) auf eine Geldzahlung gerichtet sind, ist eine Haftung für den Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung unproblematisch. Der berechtigte Ehegatte kann einen Zahlungstitel erwirken und daraus in das Vermögen des anderen Ehegatten voll­strecken. Nichts anderes gilt, wenn ein tatsächliches Verhalten (z. B. im Rahmen des Familienunterhalts, die Überlassung der Ehewohnung oder von Haushaltsgegenständen für die Zeit der Trennung und nach der Scheidung oder die Erteilung einer Auskunft über die Vermögensverhältnisse) geschuldet wird und dem Berechtigten aus einer schuldhaften Verletzung dieser Pflichten ein Schaden entsteht. a) Unterhaltspflichten Jeder Ehegatte ist dem anderen verpflichtet, durch seine Arbeit und mit seinem Vermögen zum Unterhalt der Familie beizutragen, §  1360 S.  1 BGB. Die Unterhaltspflicht kann durch Naturalleistungen erbracht werden und umfasst den gesamten Bedarf der Familie (§  1360a Abs.  1 BGB), also Wohnung, Verpflegung, Bekleidung und sonstige Bedürfnisse der Familie. Wer in welcher Weise, also durch Erwerbstätigkeit, die Führung des Haushalts, durch Kinderbetreuung etc., zum Lebensunterhalt der Familie beiträgt, bestimmen die Ehegatten im gegenseitigen Einvernehmen (§  1356 BGB). Das Gesetz gibt nur vor, dass die 316 Zu den Kennzeichen einer echten Rechtspflicht noch unten Kap.   3 C.III.2.a)(3)(b), S. 146 ff.

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Ehegatten gegenseitig verpflichtet sind, die zum gemeinsamen Unterhalt der Familie erforderlichen Mittel für einen angemessenen Zeitraum im Voraus zur Verfügung zu stellen, §  1360a Abs.  2 S.  2 BGB. Es hält jedoch keinen Ehegatten verbindlich an der (einvernehmlich erfolgten) Aufteilung der Beiträge zum Familienunterhalt fest. Dementsprechend hat keiner der Ehegatten einen (einklagbaren) Anspruch darauf, dass der andere – entsprechend dem ursprünglichen Einvernehmen – erwerbstätig bleibt oder den Haushalt weiterführt und gerade dadurch zum Familienunterhalt beiträgt. Dies gibt weder der Gesetzgeber vor, noch können sich die Ehegatten diesbezüglich rechtsgeschäftlich binden,317 denn bei der Art des zu erbringenden Beitrags handelt es sich um eine stets änderbare, höchstpersönliche und daher dem rechtsfreien Bereich318 zuzuordnende (Lebens-)Entscheidung, die nicht durch heteronome (gesetzliche) Vorschriften determiniert werden darf. Sobald ein Ehegatte seiner im Rahmen des Einvernehmens erteilten Zusage in Bezug auf seinen Beitrag zum Familienunterhalt nicht mehr freiwillig nachkommt, ist damit auch das bisherige Einvernehmen hinfällig. Gleichwohl prägt natürlich die einvernehmliche Aufgabenteilung die ehelichen Lebensverhältnisse und damit auch den Unterhaltsbedarf der Familie. In Orientierung an §  1578 BGB kann der Anspruch auf Familienunterhalt deshalb – insbesondere wenn er in Konkurrenz zu anderen Unterhaltsansprüchen tritt – durchaus mit einem Geldwert bemessen werden.319 Nur darauf, einen bestimmten Geldbetrag wertmäßig zum Familienunterhalt beizusteuern, könnte ein verfahrensrechtlicher (Leistungs-)Antrag gerichtet werden.320 Nicht zuletzt deshalb ist die Verpflichtung gemäß §§  1360, 1360a BGB in der Praxis sehr selten 321 Gegenstand einer gerichtlichen Auseinandersetzung. 317 

Dazu noch unten Kap.  3 C.III.4., S. 254 ff. rechtsfreien Raum siehe unten Kap.   3 C.III.2.a)(4)(b) und (c), S. 175 ff. und S. 181 ff. 319  BGH v. 12.12.2012 – XII ZR 43/11, NJW 2013, 686 (688); BGH v. 21.1.2009 – XII ZR 54/06, NJW 2009, 1742 (1744); BGH v. 30.7.2008 – XII ZR 177/06, NJW 2008, 3213 (2315); BGH v. 25.4.2007 – XII ZR 189/04, NJW 2007, 2412 (2413 f.); BGH v. 29.10.2003 – XII ZR 115/01, NJW 2003, 3770 (3771) (Leistungsfähigkeit gegenüber Dritten kann durch einen Anspruch auf Familienunterhalt gegen den anderen Ehegatten gegeben sein); BGH v. 22.1.2003 – XII ZR 2/00, NJW 2003, 1112 (1115) m. w. N.; BeckOK-BGB/Beutler, §  1360 Rn.  6 ; Palandt/ Brudermüller, §  1360 Rn.  8. 320  A. A. Staudinger/Voppel, §  1360 BGB Rn.  74, der zwar – wie hier – einen allgemeinen Leistungsantrag bejaht, soweit Geldleistungen (z. B. Wirtschaftsgeld, Taschengeld) beansprucht werden, daneben jedoch auch für nicht vertretbare Unterhaltsleistungen (wie etwa die Haushaltsführung oder Kinderbetreuung) einen Herstellungsantrag für zulässig hält, der jedoch gemäß §  120 Abs.  3 FamFG nicht vollstreckt werden könne. 321  Durchaus praxisrelevant werden die genannten Anspruchsgrundlagen für den in der Rechtsprechung anerkannten Anspruch auf Taschengeld (vgl. nur BGH v. 27.4.2016 – XII ZB 485/14, NJW 2016, 2122 (2123); BGH v. 16.3.2016 – XII ZR 148/14, NJW 2016, 1961 (1962); BGH v. 12.12.2012 – XII ZR 43/11, NJW 2013, 686; BGH v. 15.10.2003 – XII ZR 122/00, NJW 2004, 674 (676 f.)), der jedoch in aller Regel nur zugunsten eines Gläubigers eines Ehegatten, nicht so sehr im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten eine Rolle spielt (vgl. die diesbezügliche Kritik bei Braun, AcP 195 (1995), 311; Braun, NJW 2000, 97). 318 Zum

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Letztlich liegt dies aber wohl vor allem daran, dass ein Streit zwischen den Ehegatten über die Beiträge zum Familienunterhalt, der gerichtlich ausgetragen werden muss, in aller Regel mit einer Trennung einhergeht. Dadurch ändert sich der Streitgegenstand, denn Familien-, Trennungs- und Scheidungsunterhalt sind nicht identisch: 322 Ab der Trennung der Ehegatten wandelt sich die auf Naturalleistung gerichtete Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, in eine Pflicht des Unterhaltsschuldners zur Zahlung einer monatlich im Voraus fälligen Geldrente an den bedürftigen Unterhaltsberechtigten (vgl. §§  1361 Abs.  4 S.  1 und 2, 1585 Abs.  1 S.  1 und 2 BGB). Erfüllt ein Ehegatte seine Unterhaltspflichten nicht ordnungsgemäß, kommt ein Rückgriff auf allgemeine schuldrechtliche Regelungen nur in Betracht, soweit keine spezifischen ehevermögensrechtlichen Regelungen als leges speciales vorhanden sind. Deshalb scheiden insbesondere Schadensersatzansprüche für rückständige Unterhaltsleistungen nach §§  280 ff. BGB unabhängig von einem Verschulden des Unterhaltsverpflichteten aus, denn §  1613 BGB sieht dafür eine spezielle Regelung vor, die für den Familienunterhalt gemäß §  1360a Abs.  3 BGB, für den Trennungsunterhalt gemäß §§  1361 Abs.  4 S.  4, 1360a Abs.  3 BGB und für den nachehelichen Unterhalt gemäß §  1585b BGB323 entsprechend gilt. Danach kann der Berechtigte für die Vergangenheit Erfüllung oder Schadens­ ersatz nur von dem Zeitpunkt an fordern, zu welchem der Verpflichtete zur Erteilung von Auskunft über seine Einkünfte und sein Vermögen aufgefordert worden ist, zu welchem er in Verzug gekommen oder zu welchem der Unterhaltsanspruch rechtshängig geworden ist. Dieser Regelung liegt – dem Sinn und Zweck von Unterhaltsansprüchen entsprechend – der Gedanke zugrunde, dass für einen zurückliegenden Zeitraum die Befriedigung von Bedürfnissen nicht möglich ist (in praeteritum non vivitur), weshalb der Gesetzgeber – von Sonderbedarf und den Verfügungshindernissen i. S. d. §  1613 Abs.  2 Nr.  2 BGB abge­ sehen – keine Notwendigkeit gesehen hat, nicht rechtzeitig geltend gemachte Unterhaltsansprüche fortbestehen zu lassen.324 Dieser Ausschluss von Unterhaltsansprüchen für die Vergangenheit hat vor allem Schutzfunktion für den Verpflichteten, der sich auf die von ihm zu erfüllende Unterhaltspflicht einstellen können und nicht im Nachhinein mit ungewissen Unterhaltsrückständen konfrontiert werden soll.325 Neben den im Grundsatz abschließenden unterhaltsrechtlichen Vorschriften ist jedoch der allgemeine Teil des BGB ergänzend anwendbar, weshalb insbesondere die Verjährungsregelungen zur Anwendung kommen. Unterhaltsansprüche verjähren in der regelmäßigen Verjährungsfrist 322 MüKoBGB/Weber-Monecke,

§  1360 Rn.  27. Abs.  2 und 3 BGB gilt für den schuldrechtlichen Versorgungsausgleichsanspruch und den verlängerten schuldrechtlichen Versorgungsausgleichsanspruch entsprechend (§§  20 Abs.  3, 25 Abs.  4 VersAusglG). 324 MüKoBGB/Born, §  1613 Rn.  1. 325 MüKoBGB/Born, §  1613 Rn.  2. 323 §   1585b

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von drei Jahren (§§  195, 197 Abs.  2, 199 Abs.  1 BGB), wobei die Verjährung von Ansprüchen zwischen Ehegatten gehemmt ist, solange die Ehe besteht (§  207 Abs.  1 S.  1 BGB). b) Pflicht zum Ausgleich des Zugewinns Derjenige Ehegatte, der während der Ehezeit einen höheren Zugewinn erzielt hat, ist gemäß §  1378 Abs.  1 BGB zum hälftigen Ausgleich der Differenz der Zugewinne verpflichtet. Nach §  1378 Abs.  3 S.  1 BGB entsteht die Ausgleichsforderung mit der Beendigung des Güterstands, d. h. der Rechtskraft des Scheidungsbeschlusses (vgl. §  1564 S.  2 BGB), und ist von diesem Zeitpunkt an vererblich und übertragbar. Da die spezielle Verjährungsvorschrift in §  1378 Abs.  4 BGB a. F. mit Wirkung zum 1.1.2010 durch das Gesetz zur Änderung des Erbund Verjährungsrechts326 gestrichen wurde, gilt auch hier nunmehr die allgemeine Verjährung gemäß §§  195, 199 BGB.327 Kommt der Schuldner seiner Verpflichtung zum Ausgleich des Zugewinns nicht freiwillig nach, haftet er mit seinem ganzen Vermögen, in das der Gläubiger vollstrecken kann, sobald er einen entsprechenden Leistungstitel erwirkt hat. Außerdem kann er in Schuldnerverzug geraten, so dass eine Haftung für Verzugszinsen und Verzugsschaden hinzutreten kann. c) Versorgungsausgleich Ebenso wie der nacheheliche Unterhalt und der Zugewinnausgleich ist auch der Versorgungsausgleich materiell-rechtlich eine Scheidungsfolge (§  1587 BGB). Er unterscheidet sich jedoch darin, dass er zum Großteil keinen Anspruch des ausgleichsberechtigten gegen den ausgleichspflichtigen Ehegatten im Sinne von §  194 BGB gewährt. Das Gesetz spricht in Bezug auf den Versorgungsausgleich bei der Scheidung (§§  9 ff. VersAusglG; siehe auch die gesetzliche Überschrift des zweiten Abschnitts) nur davon, dass Anrechte aus der gesetzlichen Rentenversicherung, aus anderen Regelsicherungssystemen wie der Beamtenversorgung oder der berufsständischen Versorgung, aus der betrieblichen Altersversorgung oder aus der privaten Alters- und Invalidenvorsorge auszugleichen sind. Dies geschieht dadurch, dass die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechten jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen sind (§  1 Abs.  1 VersAusglG). Da der ausgleichspflichtige Ehegatte diese Ausgleichung aber real nicht selbst durchführen kann, wäre es nicht zielführend, dem ausgleichsberechtigten Ehegatten einen Anspruch (i. S. v. §  194 BGB) gegen jenen einzuräumen. Stattdessen erfolgt die Ausgleichung im Wege interner (§§  9 Abs.  2, 10 ff. VersAusglG) 326 

327 

BGBl. I 2009, S.  3142. Dazu MüKoBGB/Koch, §  1378 Rn.  30 ff.

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oder externer Teilung (§§  9 Abs.  3, 14 ff. VersAusglG), die durch eine rechts­ gestaltende Entscheidung des Gerichts herbeigeführt wird, das über den Versorgungsausgleich als zwingende Scheidungsfolgesache von Amts wegen, also unabhängig von einem Antrag,328 zu entscheiden hat (§  137 Abs.  1, Abs.  2 S.  1 Nr.  1 und S.  2 FamFG). Wegen der rechtsgestaltenden Wirkung wird der gerichtliche Beschluss erst mit Rechtskraft wirksam, §  224 Abs.  1 FamFG.329 Ein echter Anspruch steht dem ausgleichsberechtigten Ehegatten gegen den ausgleichspflichtigen nur bei einem schuldrechtlichen Versorgungsausgleich nach der Scheidung (§§  20 ff. VersAusglG) zu. Dieser kommt nur ausnahms­ weise und nur nachrangig zu dem Wertausgleich bei der Scheidung zum Tragen. Er ist insbesondere in Bezug auf die noch nicht ausgleichsreifen Anrechte nach §  19 Abs.  2 VersAusglG möglich, aber etwa auch, wenn sich die Ehegatten dies vertraglich vorbehalten haben (§  6 Abs.  1 S.  2 Nr.  3 VersAusglG). Voraussetzung ist zum einen, dass der ausgleichspflichtige Ehegatte eine laufende Rente aus einem noch nicht ausgeglichenen Anrecht bezieht (§  20 Abs.  1 S.  1 VersAusglG), und zum anderen, dass der ausgleichsberechtigte Ehegatte entweder gleichfalls Bezieher einer Versorgung ist oder die Voraussetzungen erfüllt, die für den Bezug einer Versorgung erforderlich sind (§  20 Abs.  2 VersAusglG).330 In diesem sog. doppelten Rentenfall hat der ausgleichsberechtigte Ehegatte gemäß §  20 Abs.  1 VersAusglG einen schuldrechtlichen Anspruch auf Leistung einer Geldrente in Höhe des Ausgleichswerts (vgl. die Legaldefinition in §  1 Abs.  2 S.  2 ­VersAusglG), jedoch gemindert um die auf diesen Wert entfallenden Sozialversicherungsbeiträge. Anders als beim Versorgungsausgleich bei der Scheidung werden Ansprüche auf eine schuldrechtliche Ausgleichsrente vom Familiengericht nur auf Antrag berücksichtigt, §  223 FamFG. Da der gerichtliche Beschluss insoweit nicht gestaltend wirkt, sondern eine Zahlungspflicht tituliert,331 ist §  224 Abs.  1 FamFG richtigerweise nicht anwendbar, so dass sich die Wirksamkeit der Endentscheidung nach §  40 Abs.  1 FamFG richtet.332 Danach werden Beschlüsse bereits mit Bekanntgabe an den Beteiligten, für den er seinem wesentlichen Inhalt nach bestimmt ist, wirksam. Die Vollstreckung richtet sich nach §§  86 ff. FamFG, wobei §  95 Abs.  1 Nr.  1 FamFG für die Vollstreckung wegen einer Geldforderung auf die entsprechenden Vorschriften der ZPO verweist. 328  Ausnahme: Bei einer Ehezeit von bis zu drei Jahren erfolgt der Ausgleich nur auf Antrag, §  3 Abs.  3 VersAusglG. 329 Musielak/Borth/Grandel, FamFG, §   224 Rn.   2; MüKoFamFG/Stein, §  224 Rn.  57. Wird über den Versorgungsausgleich im Verbund mit der Scheidungssache entschieden, wird die Entscheidung über die Folgesache Versorgungsausgleich jedoch nicht vor Rechtskraft des Scheidungsausspruchs wirksam, §  148 FamFG. 330 MüKoBGB/Ackermann-Sprenger, §   20 VersAusglG Rn.   6; vgl. auch BT-Drucks. 16/10144, S.  63 f. 331 Zur Fassung der Beschlussformel siehe Musielak/Borth/Grandel, §   224 FamFG Rn.  26 ff.; MüKoFamFG/Stein, §  224 Rn.  47. 332 Musielak/Borth/Grandel, §  2 24 FamFG Rn.  3.

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

d) Pflicht zur Überlassung von Ehewohnung und Haushaltsgegenständen für die Zeit der Trennung und nach der Scheidung Die Rechtspflicht zur Überlassung der Ehewohnung und der Haushaltsgegenstände ist für die Zeit der Trennung in §§  1361a und b BGB geregelt und für die Zeit nach der Scheidung in §§  1568a und b BGB.333 Die vorübergehende oder endgültige (gerichtliche) Zuteilung erfolgt im Wesentlichen nach Billigkeitsgesichtspunkten, wobei das Gericht gegebenenfalls auch eine angemessene Benutzungsvergütung (§§  1361a Abs.  3 S.  2, 1361b Abs.  3 S.  2 BGB) oder eine Ausgleichszahlung (§  1568b Abs.  3 BGB) festsetzen kann. Muss der Ehegatte die Ehewohnung, die ihm zu Eigentum gehört, dem anderen Ehegatten nach der Scheidung überlassen, so hat er nach §  1568a Abs.  5 S.  1 BGB einen Anspruch auf Begründung eines Mietverhältnisses mit dem berechtigten Ehegatten. Der Anspruch erlischt jedoch ein Jahr nach Rechtskraft der Endentscheidung in der Ehescheidungssache, wenn er nicht vorher rechtshängig gemacht worden ist, §  1568a Abs.  6 BGB. Auch insofern gilt, dass schuldhafte Verletzungen der Pflicht zur Überlassung der Ehewohnung oder von Haushaltsgegenständen zur Haftung führen, sofern dem anspruchsberechtigten Ehegatten ein Vermögensschaden entsteht. e) Auskunftspflicht über Vermögensverhältnisse Aus §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB wird seit langem auch die Pflicht jedes Ehegatten abgeleitet, den anderen über sein Einkommen und den wesentlichen Bestand seines Vermögens sowie etwaiger Veränderungen zu unterrichten.334 Im Scheidungsfolgenrecht sind spezielle Auskunftspflichten geregelt, für den Zugewinn­ ausgleich in §  1379 BGB und das Unterhaltsrecht in §  1361 Abs.  4 S.  4 i. V. m. §  1605 BGB bzw. §  1580 i. V. m. §  1605 BGB. Neben diesen Spezialregelungen spielt der allgemeine Auskunftsanspruch nur eine untergeordnete Rolle,335 bedeutsam ist er aber vor allem für den Familienunterhalt nach §§  1360, 1360a BGB.336 333  Zur Frage, ob während bestehender Ehe ein Anspruch auf Mitbenutzung der Ehewohnung und der Haushaltsgegenstände gegeben ist, siehe unten Kap.  3 C.III.3.b)(3), S. 208 f. 334  BGH v. 17.9.2014 – XII ZB 604/13, NJW 2015, 154 (155); BGH v. 15.8.2012 – XII ZR 80/11, NJW 2012, 3635 (3638); BGH v. 2.6.2010 – XII ZR 124/08, NJW 2011, 226 (228) m. w. N.; BGH v. 25.6.1976 – IV ZR 125/75, FamRZ 1978, 677; Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  60; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  38 jew. m. w. N. Vgl. auch das Prinzip 4:8 der von der CEFL vorgeschlagenen Regelungen für ein einheitliches Ehegüterrecht in Europa, in: Boele-Woelki/ Ferrand/González Beilfuss u. a., Principles, S.  87 ff. 335  Vgl. für den Zugewinnausgleich jedoch BGH v. 17.9.2014 – XII ZB 604/13, NJW 2015, 154 (§  1385 Nr.  4 BGB knüpfe an die allgemeine Auskunftspflicht aus §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB an). 336  BGH v. 2.6.2010 – XII ZR 124/08, NJW 2011, 226. Vgl. auch BGH v. 7.5.2003 – XII ZR 229/00, NJW 2003, 3624, für den Auskunftsanspruch zwischen Geschwistern, die gegenüber ihren Eltern unterhaltspflichtig sind.

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Entgegen der herrschenden Meinung ergibt sich die Anspruchsgrundlage für den allgemeinen Auskunftsanspruch jedoch nicht aus §  1353 BGB, der nur das relevante Rechtsverhältnis kennzeichnet (dazu ausführlich sogleich), sondern aus §  242 BGB.337 Dass die Generalklausel zum Grundsatz von Treu und Glauben trotz ihrer Unbestimmtheit als Anspruchsgrundlage für Auskunftsansprüche herangezogen werden kann, wenn zwischen den Beteiligten besondere schuldrechtliche Beziehungen vertraglicher oder außervertraglicher Art bestehen, die es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte unverschuldet über Bestand und Umfang seines Rechts im Unklaren ist und der Verpflichtete ohne Schwierigkeiten die erforderlichen Informationen liefern kann, hat das BVerfG abgesegnet.338 Solange auf Seiten des Auskunftspflichtigen keine gewichtigen Grundrechtspositionen für ein Geheimhaltungsinteresse streiten und die geforderte Auskunft lediglich die Art und den Umfang der finanziellen Verhältnisse betrifft, ist eine Heranziehung von §  242 BGB als Anspruchsgrundlage für Auskunftsansprüche zwischen Ehegatten aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden. Es handelt sich insofern bereits um Gewohnheitsrecht. Inhaltlich ist die Unterrichtungspflicht während bestehender Ehe unabhängig von der Art des Güterstands darauf gerichtet, sich gegenseitig „wenigstens in groben Zügen“ über das Einkommen und den Bestand des jeweiligen Vermögens zu informieren.339 Im Zusammenhang mit dem Familienunterhalt hat der BGH jedoch darüber hinausgehend an die Auskunftspflicht denselben Maßstab angelegt wie im Rahmen von §  1605 BGB: Der Anspruch auf Familienunterhalt könne nur bei genauer Kenntnis der Einkommensverhältnisse des anderen Ehegatten beziffert werden. Seinem Umfang nach gehe dieser Anspruch daher nicht 337  Richtig Palandt/Brudermüller, §  1360 Rn.  15: „Im Rahmen des Familienunterhalts ergibt sich die wechselseitige Auskunftspflicht der Ehegatten aus §  242.“ 338  BVerfG v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, NJW 2015, 1506 (1508): „Die Zivilgerichte leiten den geltend gemachten Auskunftsanspruch aus §  242 BGB ab. Sie stützen sich dabei auf die ursprünglich zu anderen Rechtsverhältnissen begründete ständige Rechtsprechung, nach der Treu und Glauben grundsätzlich gebieten, dem Anspruchsberechtigten einen Auskunftsanspruch zuzubilligen, wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der Anspruchsberechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen. Gegen die gerichtliche Begründung von Auskunftsansprüchen in Sonderverbindungen aufgrund der Generalklausel des §  242 BGB ist verfassungsrechtlich im Grundsatz nichts einzuwenden…“ 339  BGH v. 17.9.2014 – XII ZB 604/13, NJW 2015, 154 (155 Rn.  16, 27: „Der aus §  1353 I 2 BGB abgeleitete wechselseitige Unterrichtungsanspruch besteht unabhängig vom Güterstand und ist darauf gerichtet, den Ehegatten während bestehender Ehe die notwendigen Informationen zu verschaffen, um die wirtschaftliche Grundlage der Ehe beurteilen zu können (…). Inhaltlich beschränkt sich der Anspruch auf einen Überblick, der dem anderen Ehegatten ein ungefähres Bild vom gegenwärtigen Stand des Vermögens vermittelt. Der unterrichtungspflichtige Ehegatte schuldet weder detaillierte Ausführungen zu seinen Vermögensverhältnissen noch ist er zur Erstellung eines Vermögensverzeichnisses oder zur Vorlage von Belegen und Geschäftsbüchern verpflichtet“).

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nur auf eine Unterrichtung in groben Zügen, da eine derart eingeschränkte Kenntnis den Ehegatten nicht in die Lage versetzen würde, den ihm zustehenden Unterhalt zu ermitteln. Geschuldet werde deshalb die Erteilung von Auskunft in einer Weise, wie sie zur Feststellung des Unterhaltsanspruchs erforderlich ist, und dies entspreche der Auskunftspflicht, wie sie nach §  1605 Abs.  1 S.  1 BGB bestehe.340 Die Vorlage von Belegen oder eine Versicherung an Eides statt wird jedoch nicht geschuldet.341 Kommt der auskunftspflichtige Ehegatte einem Auskunftsverlangen in zu verantwortender Weise nicht, zu spät oder nicht hinlänglich nach, so besteht nach den allgemeinen Regeln des §  280 BGB und §  286 BGB (möglicherweise auch nach §  826 BGB) eine Schadensersatzpflicht.342 2. Rechtspflichten gemäß §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB? Inwieweit neben diesen anerkannten Leistungspflichten weitere Rechtspflichten im Bereich des Ehepersonenrechts bestehen, wird seit langem intensiv diskutiert. Die „Wirkungen der Ehe im Allgemeinen“ sind denkbar knapp in den §§  1353 ff. BGB geregelt. Von den zwölf Vorschriften betreffen vier das Unterhaltsrecht (§§  1360–1361 BGB) und weitere vier die Vermögenszuordnung im weiteren Sinne (§§  1357, 1361a-1362 BGB). Nur die verbleibenden vier Vorschrif­ ten konstituieren das Ehepersonenrecht, wobei §  1359 BGB einen besonderen Sorgfaltsmaßstab zwischen den Ehegatten regelt.343 Konkrete Einzelpflichten sind in den §§  1353, 1355, 1356 BGB344 in Bezug auf das Ehepersonenrecht nicht normiert, entnehmen lässt sich diesen Regelungen lediglich die gemeinsame Wertung der formalen Gleichberechtigung der Ehegatten, die schon mit dem 1. EheRG 1977 angestrebt wurde: 345 Die Ehegatten bestimmen den Ehenamen gemeinsam; selbst bei Uneinigkeit gibt das Gesetz keinen Ehenamen vor. Auch die Haushaltsführung regeln die Ehegatten im gegenseitigen Einvernehmen, ohne dass das Gesetz eine heteronome Ersatzregelung bereitstellt, und beide Ehegatten sind gleichermaßen berechtigt, erwerbstätig zu sein, §  1356 Abs.  2 S.  1 BGB. Im Übrigen wird das Ehepersonenrecht von der Generalklausel des §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB bestimmt, der zufolge die Ehegatten einander zur ehe­ 340 

BGH v. 2.6.2010 – XII ZR 124/08, NJW 2011, 226 (228). v. 2.6.2010 – XII ZR 124/08, NJW 2011, 226 (228); MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  38 („Unvereinbarkeit solcher Ansprüche mit dem ehelichen Vertrauen“); Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  60; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  97. 342 Zu §   1605 BGB Palandt/Brudermüller, §   1605 Rn.   15; Staudinger/Engler, §  1605 Rn.  57 ff.; Hk-BGB/Kemper, §  1605 Rn.  7. 343  Dazu noch ausfühlich unten Kap.  3 C.IV., S. 267 ff. 344  §  1354 BGB wurde durch das GleichberG v. 18.6.1957 gestrichen; Abs.  1 der Norm lautete: „Dem Manne steht die Entscheidung in allen das gemeinschaftliche eheliche Leben betreffenden Angelegenheiten zu; er bestimmt insbesondere Wohnort und Wohnung.“ 345  BT-Drucks. 7/650, S.  1, 59, 71, 75, 95 ff. 341 BGH

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lichen Lebensgemeinschaft verpflichtet sind und füreinander Verantwortung tragen. Die Qualifikation und Konkretisierung dieser Norm bereitet allerdings erhebliche Schwierigkeiten. a) Qualifikation der „Pflicht“ zur ehelichen Lebensgemeinschaft gemäß §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  1 BGB (1) Generalklausel statt enumerative Aufzählung der ehelichen „Pflichten“ Nach §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  1 BGB sind die Ehegatten einander zur ehelichen Lebensgemeinschaft verpflichtet. Im Unterschied zu früheren Rechtsordnungen, die die Rechte und Pflichten zwischen Ehegatten enumerativ aufzählten,346 begnügt sich das BGB im Hinblick auf die persönlichen Pflichten mit einer Generalklausel, die weder fest umrissene Eheinhalte vorschreibt noch auch nur leitbildartig empfiehlt. Schon die Motive zum BGB hielten „[e]ine solche Spezialisirung (…) einerseits (für) entbehrlich, da die in den Gesetzen 347 speziell hervorgehobenen Pflichten (zu gegenseitiger Treue, zu gegenseitigem Beistande, zum Zusammenleben und zur Leistung der ehelichen Pflicht) sich aus dem Begriffe der ehelichen Lebensgemeinschaft von selbst ergeben, andererseits (für) auch nicht zweckmäßig, weil dadurch der sittliche Inhalt der Ehe doch nicht erschöpfend bezeichnet wird und das richtige Verständniß und die richtige Begrenzung der hervorgehobenen einzelnen Pflichten doch nur durch ein Zurückgehen auf den allgemeinen Grundsatz des §  1272 (heute: §  1353) gewonnen werden kann.“348

Auch der Gesetzgeber des 1. EheRG 1977 folgte Vorschlägen nicht, die die wichtigsten Einzelpflichten zur Präzisierung und Konkretisierung der ehelichen Lebensgemeinschaft ausdrücklich im Gesetz normieren wollten, und zwar aufgrund der Befürchtung, eine solche Festschreibung könnte zu einer inhaltlichen Einengung führen und eine an der gesellschaftlichen Entwicklung orientierte Rechtsauslegung und Rechtsfortbildung behindern.349 Die Zurückhaltung des Gesetzgebers bei der Konkretisierung der ehelichen Pflichten stößt in der Literatur weitgehend auf Zustimmung, da eine Aufzählung der Einzelpflichten stets unvollständig bleiben müsste und es den Ehegatten überlassen bleiben soll, die Ausgestaltung ihrer Lebensgemeinschaft im gegenseitigen Ein346 Vgl. Allgemeines Preußisches Landrecht Teil II, Titel 1, Abschnitt 4, §§  174–183: Gemeinschaftliche Rechte und Pflichten der Ehegatten, §§  184–191: Rechte und Pflichten des Mannes, §§  192–204: Rechte und Pflichten der Frau. Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis (1756), Teil 1, Kapitel 6, §  12. Sächsisches Bürgerliches Gesetzbuch, §§  1630–1637: Wirkungen der Ehe in Beziehung auf die Personen der Ehegatten. Weiterhin in Geltung: Code Civil, Buch 1, Titel 5, Kapitel 6, Art.  212–226. Österreichisches Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch, Teil 1, Hauptstück 2, §§  40, 90. 347  Siehe Fn.  346. 348  Mugdan, Motive zum BGB IV, S.  58 f. 349  Zweiter Bericht des Rechtsausschusses zum Entwurf des 1. EheRG, BT-Drucks. 7/4361, S.  7.

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vernehmen zu bestimmen.350 Dennoch werden in der Literatur aus der Generalklausel zahlreiche persönliche und vermögensrechtliche Einzelpflichten abgeleitet, die das Ehebild unseres Kulturkreises ausmachen sollen. Wie noch zu zeigen sein wird, sind viele dieser Einzelpflichten jedoch sinnvollerweise nicht bei der Generalklausel zu verorten, sondern allenfalls auf andere Pflichttatbestände zu stützen. (2) „Sittliches Wesen der Ehe“ Noch heute wird – wie schon in den Motiven zum BGB – vielfach zur Begründung mancher Ergebnisse im Eherecht auf das „sittliche Wesen der Ehe“ rekurriert.351 Sitte und Moral sind jedoch ungeeignet,352 den rechtlichen Gehalt und Inhalt von §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  1 BGB zu bestimmen.353 Anders als für Rechtsgeschäfte in §  138 BGB hat der Gesetzgeber dem Inhalt und der Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft keine Grenze durch die „guten Sitten“ gesetzt. Das Verhalten des einzelnen Ehegatten im Verhältnis zum anderen findet nur dort seine sittliche Grenze, wo eine sittenwidrige vorsätzliche Schädigung im Sinne von §  826 BGB im Raum steht. Gerade mit diesen Normen bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass er durchaus zwischen Recht und Sitte unterscheidet und die in unserem Kulturkreis vorherrschenden gesellschaftlichen Moralvorstellungen sowie das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden anerkennt, ihnen aber nur in begrenztem Umfang rechtliche Wirkungen zuerkennt.354 Im Umkehrschluss kann man daraus entnehmen, dass Sitte, Moral und Ethik im Übrigen außerhalb des Rechts stehen,355 und damit im Widerspruch stehendes (Fehl-)Verhalten – sofern nicht §  826 BGB einschlägig ist – nicht durch rechtliche Normen (haftungsrechtlich) sanktioniert wird. Ebenso wenig überzeugt es, wenn mit dem „sittlichen Wesen“ der Ehe ein (objektiver) Verhaltensmaßstab im ehepersonenrechtlichen Bereich zu begründen versucht wird,356 der mit dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß 350  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  38; BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  2 ; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  18; Schlüter, Familienrecht, Rn.  40; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  17. 351  Vgl. nur Mugdan, Motive zum BGB IV, S.  60 f.; BGH v. 26.6.1952 – IV ZR 227/51, BeckRS 1952, 31397972; BGH v. 26.6.1952 – IV ZR 228/51, NJW 1952, 975. Vgl. auch die institutionelle Ehelehre oben Kap.  3 C.II.2.a), S. 114 ff. 352  Kritisch gegenüber der „Entmoralisierung des Scheidungsrechts“ und des Rechts allgemein aus jüngerer Zeit etwa Blüm, Einspruch! Wider die Willkür an deutschen Gerichten – eine Polemik, 2014, S.  121 (153 ff.). 353  Streck, Generalklausel, S.  30 f. 354  Die Sittenordnung ist auch in Art.  2 Abs.  1 GG in Bezug genommen und daher kein gänzlich außerhalb der Rechtsordnung stehender Begriff. 355 Vgl. Hepting, Ehevereinbarungen, S.   182: „Daß Rechtspflichten nur im Bereich des Rechts bestehen können, schließt also die Existenz sittlicher oder moralischer Pflichten außer­halb dieses Bereichs nicht aus.“ 356  So zu Recht Soergel/M. Lipp, Vor §  1353 Rn.  36.

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§  242 BGB und dessen Funktion im allgemeinen Schuldrecht verglichen wird.357 Der in §  242 BGB normierte Grundsatz von „Treu und Glauben“ bemisst sich nicht nach sittlich-moralischen Vorstellungen, sondern nach dem objektiven Maßstab der Verkehrsanschauung (auch „Verkehrssitte“ genannt), d. h. nach ungeschriebenen Rechtsgrundsätzen, die sich im Rechtsverkehr bei der Abwicklung von Rechtsgeschäften herausgebildet haben.358 Das Ehepersonenrecht betrifft jedoch die intimste, persönliche Lebensgemeinschaft in unserer Gesellschaft, deren Inhalt die Ehegatten – im Rahmen etwaiger von §  1353 Abs.  1 BGB vorgegebenen objektiv-verbindlichen Eckpfeilern, die es noch zu konkretisieren gilt – nach ihren individuellen Vorstellungen im gegenseitigen Einvernehmen bestimmen. Für eine inhaltliche Konkretisierung nach der Verkehrsanschauung ist in diesem Privat- und Intimbereich kein Raum. Die individuelle sittliche Einstellung und Haltung zweier Ehegatten lässt sich rechtlich nicht zur Pflicht erheben, denn eine dementsprechende „eheliche Gesinnung“ setzt die innere Überzeugung jedes Ehegatten von der Richtigkeit seines Verhaltens voraus.359 Während Rechtsvorschriften im Allgemeinen nicht darauf angewiesen sind, dass der Rechtsunterworfene von der Richtigkeit und Gerechtigkeit des gesetzlichen Befehls überzeugt ist, sondern sich damit begnügen und begnügen müssen, dass dem Gebot oder Verbot tatsächlich Folge geleistet wird, kann eine Ehe in persönlicher Hinsicht nur gelingen, wenn und solange beide Ehegatten im Hinblick auf ihr Verhalten innerhalb der Lebensgemeinschaft von der gleichen ehelichen Gesinnung geleitet werden und von der Richtigkeit ihres Handelns überzeugt sind.360 Diese eheliche Gesinnung ist im Wesentlichen von subjektiven moralischen und sittlichen Anschauung geprägt, kann den Ehegatten aber nicht durch Rechtsnormen verbindlich vorgeschrieben werden. Schon Gustav Radbruch hat dies aus rechtsphilosophischer Sicht361 mit dem eingangs zitierten Diktum treffend umschrieben. Damit ist freilich noch nicht gesagt, dass im Ehepersonenrecht überhaupt keine rechtlichen Pflichten bestehen können, die den Ehegatten unabhängig von einer ehelichen Gesinnung rechtsverbindlich vorgeschrieben sind. Dabei kann es sich dann allerdings nicht um Ausprägungen von sittlichen und moralischen Vorstellungen handeln, sondern nur um rein äußerliche Verhaltensgebote, wie sie auch das Ehevermögensrecht vorsieht. Hier setzen die Rechtsfolgen keine innere Überzeugung des Ehegatten von der Richtigkeit der gesetzlich vorgese357  Auf diesen Vergleich stützen sich Mugdan, Motive zum BGB IV, S.  58; vgl. auch schon RG v. 1.3.1923 – 249/22 IV, JW 1924, 678 (679). Aus heutiger Zeit Palandt/Brudermüller, §  1353 Rn.  2 ; BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  2 ; Streck, Generalklausel, S.  60 ff.; Staudinger/ Voppel, §  1353 Rn.  18. 358 Soergel/M. Lipp, Vor §  1353 Rn.  36. 359 Soergel/M. Lipp, Vor §  1353 Rn.  36. 360  Diesen Gedanken überzeugend formulierend Soergel/M. Lipp, Vor §  1353 Rn.  36. 361  Zur Diskussion der Rechtspflicht aus rechtsphilosophischer Sicht mit Darstellung der unterschiedlichen Lehren vgl. nur Kubeš, Rechtspflicht, passim.

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henen Verpflichtung voraus; deshalb können vermögensmäßige bzw. „geschäfts­ mäßige“ Handlungen der Ehegatten ohne weiteres von allgemeingültigen ­Bestimmungen rechtlich verbindlich geregelt werden, ohne dass deren Geltungsgrund darauf angewiesen wäre, dass der Normadressat von der inhalt­ lichen Richtigkeit der Regelung überzeugt ist: 362 „Diese Grenzziehung betrifft die Trennung zwischen Legalität und Moralität, zwischen gesetzmäßigem und sittlichem Handeln. Gesetzmäßiges Verhalten hat nur die Übereinstimmung des äußeren Handels mit der Rechtsnorm im Auge, sittliches Verhalten verlangt die innere, freie Überzeugung als ‚Triebfeder‘ für die äußere Handlung.“363

Zu weit geht Lipp allerdings, wenn er meint, dass sich das gesamte Ehepersonenrecht dadurch auszeichne, „dass der Inhalt des ‚Anspruchs‘ (…) stets die sittliche, innere Überzeugung von der Richtigkeit des erwarteten Tuns mit in sich schließt. Mit anderen Worten: Herstellung der Ehe im Sinne einer personal-intimen Lebensgemeinschaft (§  1353 Abs.  1 Satz  2) ist keine ‚Herstellung‘, wenn die äußeren Handlungen nicht von innerer, ‚ehelicher Gesinnung‘ getragen werden.“ Ein Anspruch kann schon definitionsgemäß (vgl. §  194 Abs.  1 BGB) nur auf ein äußeres Tun oder Unterlassen, nicht hingegen auf eine bestimmte Gesinnung, gerichtet sein, und dass dies nach der gesetzgeberischen Intention auch auf die Kehrseite der „Pflicht“ aus §  1353 BGB zutrifft, folgt schon aus der verjährungsrechtlichen Spezialregelung in §  194 Abs.  2 BGB. Daraus lässt sich folgern, dass nach der Intention des Gesetzgebers auch die „Pflicht“ zur ehelichen Lebensgemeinschaft einen gewissen zwingenden rechtlichen Inhalt hat, der sich auf ein äußeres Tun oder Unterlassen beschränkt und mit dem „sittlichen Wesen der Ehe“ nicht begründet werden kann. (3) „Pflicht“ zur ehelichen Lebensgemeinschaft als echte Rechtspflicht? (a) Meinungsstand Dem entspricht es, dass die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur auch heute noch davon ausgeht, dass §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  1 BGB eine echte Rechtspflicht der Ehegatten zur ehelichen Lebensgemeinschaft statuiert.364 Auch der Gesetzgeber hält an diesem traditionellen Verständnis von 362 Soergel/M.

Lipp, Vor §  1353 Rn.  36. Lipp, Vor §  1353 Rn.  36. 364  BGH v. 4.11.1987 – IVb ZR 83/86, NJW 1988, 2032 (2033); BGH v. 14.3.1962 – IV ZR 253/61, NJW 1962, 1244; Palandt/Brudermüller, §  1353 Rn.  2 ; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  41, 46 ff.; BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  2 ; Erman/Kroll-Ludwigs, §  1353 Rn.  5 ; Löwisch, Der Deliktsschutz relativer Rechte, S.  184; Lüke, AcP 178 (1978), 1 (4); Muscheler, Familienrecht, Rn.  284; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  20; Schwab, Familienrecht, Rn.  107; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  18–21; MüKoBGB/Wacke, 4.  Aufl. 2000, §  1353 Rn.  14; NK-BGB/Wellenhofer, §  1353 Rn.  4. Ähnlich Rauscher, FamR, Rn.  238, der zwar eingesteht, dass das Postulat echter Rechtspflichten an Bedeutung verloren hat, diese Annahme aber auch im nicht durchsetzbaren persönlichen Bereich als Appell an beide Ehegatten, die gemeinsam 363 Soergel/M.

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§  1353 BGB fest, wenn er über den Wortlaut der Norm hinaus (dazu sogleich) auch in §  1314 Abs.  2 Nr.  5 BGB einen Grund für die Aufhebung einer Ehe darin sieht, dass die Ehegatten „keine Verpflichtung gemäß §  1353 Absatz 1“ begründen wollten. Außerdem hält er ein gerichtliches Eheherstellungsverfahren bereit (vgl. §  266 Abs.  1 Nr.  2 FamFG), mit dem nach überwiegender Meinung alle, die eheliche Lebensgemeinschaft betreffende „Verpflichtungen“ im Falle der Nichterfüllung gerichtlich geltend gemacht werden können. Ausgeschlossen ist lediglich die zwangsweise Durchsetzung einer Entscheidung, §  120 Abs.  3 FamFG. Dies geht schon auf die Motive zum BGB zurück, die betonten, dass die Anwendung von Zwangsmaßnahmen zur Herstellung des ehelichen Lebens mit dem Wesen der Ehe als eines vorwiegend sittlichen, auf der ehe­ lichen Gesinnung beruhenden Verhältnisses nicht vereinbar sei.365 Auch der BGH geht von echten Rechtspflichten zwischen Ehegatten aus, allerdings könne deren Erfüllung „nur gewährleistet werden (…) durch die auf der freien sittlichen Entscheidung beruhende eheliche Gesinnung“, die nicht ersetzt werden könne „durch staatliche Zwangsgewalt, deren Anwendung die Zerstörung der sittlichen Grundlagen der Ehe bedeuten würde.“366 Dementsprechend lehnt er auch Schadensersatzansprüche im Falle der Verletzung der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft ab, „weil die Erfüllung der persönlichen Pflichten, die aus der ehelichen Lebensgemeinschaft fließen, nur durch die aus freier sittlicher Entscheidung beruhende eheliche Gesinnung gewährleistet werden kann.“367 Damit sei jeder auch indirekte staatliche Zwang, etwa durch eine Vertragsstrafe oder eine Schadensersatzleistung, unvereinbar.368 Das BVerfG hat die Einordnung als Rechtspflicht in Bezug auf die Beistandspflicht jüngst bestätigt: „§  1353 Abs.  1 Satz  2 BGB hält die Ehegatten an, füreinander Verantwortung zu tragen. Diese Pflicht beinhaltet wechselseitigen Beistand in Zeiten der Bedrängnis und insbesondere in Zeiten besonderer körperlicher und seelischer Belastungen. Der Gesetzgeber hat diese Beistandspflicht als Rechtspflicht ausgestaltet, deren näherer Inhalt von der jeweiligen konkreten Situation abhängig ist (…).“369

übernommene Lebensgestaltung in Verantwortung füreinander ernst zu nehmen, weiter für sinnvoll hält. A. A. Dethloff, Familienrecht, §  4 Rn.  9. 365  Mugdan, Motive zum BGB IV, S.  60 f. 366  BGH v. 26.6.1952 – IV ZR 227/51, BeckRS 1952, 31397972; vgl. auch BGH v. 26.6.1952 – IV ZR 228/51, NJW 1952, 975. 367  BGH v. 4.11.1987 – IVb ZR 83/86, NJW 1988, 2032 (2033) m. w. N., allerdings soll dies nur für Pflichten gelten, die dem eigentlichen, höchstpersönlichen Bereich der Ehe angehören, nicht für rein geschäftsmäßige Handlungen; vgl. auch BGH v. 19.12.1989 – IVb ZR 56/88, NJW 1990, 706 (707) m. w. N. (Vermögensschäden infolge Ehebruchs) einerseits, BGH v. 14.3.1962 – IV ZR 253/61, NJW 1962, 1244 (zur Durchsetzung vermögensrechtlicher Ansprüche zwischen Ehegatten) andererseits. 368  Vgl. dazu schon oben Kap.  3 B.II., S. 81 ff. 369  BVerfG v. 17.5.2011 – 2 BvR 1367/10, FamRZ 2011, 1133 (1134; Hervorhebung nicht im Original), unter Verweis auf BVerfG v. 28.2.2007 – 1 BvL 5/03, NJW 2007, 1343 (1344).

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Bemerkenswert ist allerdings, dass keine dieser Stellungnahmen begründet, warum es sich bei §  1353 BGB um eine echte Rechtspflicht handele. (b) Kennzeichen einer Rechtspflicht im Allgemeinen Um beantworten zu können, ob bzw. inwieweit es sich bei den aus §  1353 BGB abgeleiteten persönlichen „Pflichten“ zwischen Ehegatten um echte Rechtspflichten handelt, muss zunächst ermittelt werden, durch was sich Rechtspflichten im Allgemeinen auszeichnen. (i) Äußeres Verhalten Rechtlich verpflichtet sein kann man – als Kehrseite des Anspruchs – nur zu einem äußeren Verhalten, einem Tun oder Unterlassen. Das Recht kann nur objektive Verhaltensanforderungen stellen und dem Einzelnen ein bestimmtes Verhalten zur Pflicht machen. Dabei ist an sich unerheblich, ob der Verpflichtete von der Richtigkeit des gebotenen Verhaltens innerlich überzeugt ist, denn der Maßstab rechtlicher Pflichten ist objektiv und allgemeingültig zu bemessen. Dem entspricht es, dass §  276 BGB für die rechtliche Verantwortlichkeit bei einer Pflichtverletzung einen objektiven Verschuldensmaßstab zugrunde legt, indem er an die im Verkehr erforderliche Sorgfalt anknüpft. Entscheidend für das Vertretenmüssen ist nicht, ob der Verpflichtete diesen objektiven Maßstab subjektiv für geboten erachtet und innerlich billigt, sondern nur, dass er hinter dem erwarteten Verhalten zurückgeblieben ist. Im Ehepersonenrecht stößt man jedoch auf die Schwierigkeit, dass für eine „erfolgreiche“ eheliche Lebensgemeinschaft in der Realität ein rein äußeres Verhalten nicht genügt, sondern eine dem Verhalten zugrundeliegende übereinstimmende „eheliche Gesinnung“ der Ehegatten hinzutreten muss. Wie in jeder auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft bleiben auch zwischen Ehegatten gelegentliche Streitigkeiten und Meinungsverschiedenheiten nicht aus. Führt dies dazu, dass „die Chemie zwischen den Ehegatten“ nicht mehr stimmt, man sich auseinanderlebt oder Sympathie sogar in Antipathie, Missgunst oder Abneigung umschlägt, so kann die Ehe nicht mehr funktionieren. Gefühle, Emotionen, Wohlwollen und Zuneigung kann der Gesetzgeber nicht vorschreiben, denn auch rechtliche Pflichten können nicht für die Wiederherstellung einer harmonischen Ehe sorgen. Diese Probleme liegen außerhalb des gesetzgeberisch-normativen Zugriffs und sind allein dem nicht justiziablen zwischenmenschlichen Bereich zugewiesen. Der (kluge) Gesetzgeber tut deshalb gut daran, eine bestimmte innere Einstellung nicht zu einer – notwendig auf Legalität beschränkten – rechtlichen Verpflichtung zu machen.370 „Ein (staatliches) ‚Ge370  A. A. Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  57 f.: „Dieses Bewußtsein aufzubringen, macht das Gesetz den Partnern zur Rechtspflicht. Das „Leistungsverhalten“ setzt hier nicht nur eine

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sinnungseherecht‘ ist dem Gesetzgeber ebenso verwehrt wie ein Gesinnungsstrafrecht.“371 Dementsprechend kann der „Verlust“ der ehelichen Gesinnung bzw. eine Änderung der inneren Haltung eines Ehegatten dem anderen gegenüber nicht Grundlage eines haftungsrechtlich relevanten (Schuld-)Vorwurfs sein, denn in diesem Fall ist der Ehegatte nicht hinter einem objektiv verbindlichen, äußeren Verhalten zurückgeblieben. Dessen ungeachtet wird eine eheliche Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft daneben aber (auch) durch ein äußeres Verhalten der Ehegatten bestimmt, in Bezug auf das der Gesetzgeber den Ehegatten rechtliche Pflichten auferlegen kann. Fraglich ist nur, welchen Inhalt diese Verhaltenspflichten haben. (ii) Sanktionierung Abgesehen davon, dass Rechtspflichten allein auf ein äußeres Verhalten gerichtet sein können, liegt außerdem die Annahme nahe, dass man nur dann einem Anderen zu etwas rechtlich verpflichtet ist, wenn das geschuldete Verhalten nötigenfalls zwangsweise durchgesetzt werden kann. Allerdings ist in der familienrechtlichen Literatur häufig die pauschale Behauptung zu lesen, dass Rechtspflichten nicht unbedingt einer Sanktion bedürfen.372 Mangels einer Begründung begegnet diese Annahme zunächst Zweifeln, zumal man sich schwer tut, Beispiele materieller Rechtspflichten zu finden, die nicht sanktioniert sind. Selbst völkerrechtliche Pflichten sind durch Sanktionen abgesichert: zum einen besteht hier seit jeher die Befugnis zur Selbstdurchsetzung von Rechten und der selbständigen Ausübung von Notwehr gegen einen völkerrechtswidrig handelnden Staat (vgl. Art.  51 UN-Charta: „naturgegebene(s) Recht zur individuellen und kollektiven Selbstverteidigung“), zum anderen hat sich die Völker­ gemeinschaft auf gewisse kollektive Repressalien bei Verstößen gegen die Völkerrechtsordnung verständigt (vgl. Kap.  V II der UN-Charta).373

(außerhalb der Obligation stehende) persönliche Fähigkeit oder Disposition voraus, die dann zur Vollstreckungsunfähigkeit des Anspruchs führt – vielmehr wird von §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB diese innere, eheliche Haltung selbst zum Inhalt einer Rechtspflicht gemacht.“ 371  So nunmehr auch Soergel/M. Lipp, Vor §  1353 Rn.  38. 372  So etwa Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  7; Grziwotz, DNotZ-Sonderheft 1998, 228 (280); Hepting, Ehevereinbarungen, S.  204; Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  6 ; MüKoBGB/Roth, §   1353 Rn.   20; Staudinger/Voppel, §   1353 Rn.   19; MüKoBGB/Wacke, 4.  Aufl. 2000, §  1353 Rn.  14; in der Sache so auch Rauscher, FamR, Rn.  238; Schwab, Familienrecht, Rn.  107. Unklar Erman/Kroll-Ludwigs, §  1353 Rn.  5 (§  1353 Abs.  1 S.  2 BGB habe die Qualität von Rechtspflichten, sei aber nicht als Rechtspflicht i. e. S. anzusehen). 373  Die Kollektivdurchsetzung von Völkerrecht erlaubt beispielsweise die Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen, des Eisenbahn-, See- und Luftverkehrs, der Post-, Telegraphenund Funkverbindungen oder den Abbruch diplomatischer Beziehungen (siehe Art.   41 UN-Charta); sind „friedliche Sanktionen“ in diesem Sinne nicht ausreichend, kann sogar der Einsatz von Luft-, See- oder Landstreitkräften angeordnet werden (siehe Art.  42 UN-Charta). Vgl. etwa Doehring, Völkerrecht, §  1 Rn.  35 ff.

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Um die Frage beantworten zu können, ob die Sanktionierung ein Wesens­ element einer Rechtspflicht ist, ist es hilfreich, sich zu überlegen, welche Intention der Gesetzgeber verfolgt. Mit Rechtspflichten will der Gesetzgeber erreichen, dass sich der Verpflichtete den gesetzlichen Regelungen entsprechend verhält; er wirkt also motivsetzend auf den Willen des Verpflichteten ein, damit dieser „ein der Rechtsordnung erwünschtes und für ein anderes Subjekt günstiges Resultat durch seine Handlung“ herbeiführt.374 Eine effektive Verhaltenssteuerung375 kann das Recht, das vor allem Gerechtigkeit inter partes gewährleisten soll, in erster Linie dadurch erreichen, dass pflichtwidriges Fehlverhalten sanktioniert wird. Von einer Rechtspflicht kann mithin immer dann ausgegangen werden, wenn das Gesetz für den Fall der Nichtbefolgung eines Gebots oder Verbots eine unmittelbare oder mittelbare Sanktion vorsieht, durch die der Verpflichtete zu pflichtgemäßem Verhalten angehalten wird. Es erschiene auch widersprüchlich, wenn die Rechtsordnung zwar verbindliche Gebote und Verbote mit unbedingtem Geltungsanspruch aufstellt, Verstöße dagegen aber nicht ahndet und damit deren faktische Unverbindlichkeit demonstriert. Solche Normen können an sich nicht mehr als unverbindliche gesetzgeberische Appelle, Leitmodelle oder Richtnormen sein. Die Verbindlichkeit einer Norm fehlt beispielsweise schon dann, wenn ein Verstoß gegen eine Gesetzesbestimmung „lediglich“ eine Verschlechterung der Rechtsposition des normwidrig Handelnden zur Folge hat. Bei solchen rechtlichen Geboten, deren Erfüllung primär im eigenen Interesse des Normadressaten liegt, will dieser die rechtlichen Nachteile im Falle einer Rechtsverletzung vermeiden, handelt es sich um Obliegenheiten. Es ist umstritten, ob auch diese der Kategorie der Rechtspflichten zuzuordnen sind. Teilweise wird dies bejaht376 oder werden Obliegenheiten zumindest als Rechtspflichten geringerer Intensität angesehen,377 während andere Stimmen eine solche Qualifikation strikt ablehnen.378 Der Gesetzgeber wirkt zwar auch mit der Anordnung von Obliegenheiten motivsetzend auf den Willen des Belasteten ein, indem er mit den drohenden Rechtsnachteilen Anreize für ein bestimmtes Verhalten schafft; von dieser Lenkungsfunktion abgesehen, ist dem Gesetz aber nicht zwingend daran gelegen, dass Obliegenheiten befolgt werden, zumal sie nicht dazu die374 

von Tuhr, AT, §  4 S.  96. Zu dieser Funktion von Normen statt vieler Muthorst, Grundlagen der Rechtswissenschaft, §  5 Rn.  9 f.; allgemein zu den Funktionen des Rechts ders., §  2 Rn.  8. 376  Fikentscher/Heinemann, Schuldrecht, Rn.  70; Schwab/Löhnig, Einführung in das Zivilrecht, Rn.   186; offenlassend Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, §   19 Rn.   35 („Ob…eine ‚Pflicht‘ begründet wird, hängt vom jeweiligen Begriffsverständnis ab.“). 377  Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn.  567; MüKoBGB/Kramer, 5.  Aufl. 2007, Einl. v. §  241 Rn.  50; Schmidt, Obliegenheiten, S.  314 f.; Jauernig/Teichmann, §  254 Rn.  1; Soergel/ Teichmann, 12.  Aufl. 1990, vor §  241 Rn.  7. 378  Brox/Walker, SchuldR AT, §  31 Rn.  37; Henß, Obliegenheiten, S.  97 ff.; von Tuhr, AT, §  4 S.  99 ff.; Larenz, Schuldrecht AT, §  31 I a, Fn.  2. 375 

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nen, durch deren Befolgung ein für ein anderes Rechtssubjekt günstiges Resultat herbeizuführen.379 Zu einem Verhalten, das jemandem als Obliegenheit ­abverlangt wird, ist man gerade nicht „verpflichtet“, sondern eben „nur“ im ­eigenen Interesse gehalten. Dies alles spricht dafür, Obliegenheiten nicht als Rechtspflichten einzuordnen. Im Rahmen von Schuldverhältnissen wird die Erfüllung einer Rechtspflicht dadurch sichergestellt, dass dem Gläubiger ein mit der Pflicht korrespondierender Anspruch zusteht, der mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden kann,380 sofern ihm keine Einreden entgegenstehen. Eine Verbindlichkeit, der auf Seiten des Gläubigers ein Anspruch im Sinne von §  194 Abs.  1 BGB gegenübersteht, bedeutet untechnisch gesprochen nichts anderes als „Leistenmüssen“.381 Umstritten ist, ob auch den Rücksichtnahmepflichten gemäß §  241 Abs.  2 BGB ein Erfüllungsanspruch auf Seiten des Gläubigers gegenübersteht. Die Schwierigkeit besteht hier darin, dass der Begünstigte normalerweise der Pflichtverletzung erst mit Schadenseintritt gewahr wird. Außerdem wird es in aller Regel sehr schwer sein, das zu unterlassende rücksichtslose bzw. das gewünschte rücksichtsvolle Verhalten so konkret in einer vorbeugenden Klage zu umschreiben, dass die Anforderungen von §  253 Abs.  2 ZPO gewahrt sind.382 Die prak­ tischen Schwierigkeiten bei der (prozessualen) Geltendmachung eines auf §  241 Abs.  2 BGB gestützten (vorbeugenden) Erfüllungsanspruchs rechtfertigen allerdings nicht, schon materiell-rechtlich einen Anspruch auf Rücksichtnahme zu negieren.383 Schließlich wird ganz zu Recht auch der bindende Charakter der Norm im Sinne einer Rechtspflicht von niemandem in Frage gestellt. Dieser ergibt sich daraus, dass das Gesetz für Verletzungen der Rücksichtnahmepflicht zumindest eine mittelbare Sanktion auf Sekundärebene in Form von Schadensersatzansprüchen gemäß §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB vorsieht.384 Durch die Anknüpfung der Sekundäransprüche an die Verletzung der Rücksichtnahmepflichten wird deren unbedingte Geltung zum Ausdruck gebracht. Dass die ­Sekundäransprüche neben der Pflichtverletzung noch von weiteren Voraus­ 379  Es ist gerade umgekehrt die Nichtbeachtung einer Obliegenheit unter Umständen für einen anderen günstig, vgl. z. B. den Mitverschuldenseinwand gemäß §  254 BGB; dazu umfassend Looschelders, Mitverantwortlichkeit, passim. 380  Speziell für §   1353 BGB Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  7 (Die Bürgerliche Ehe stelle an die Partner wechselseitige Verhaltensanforderungen, „die insoweit als Rechtspflichten zu qualifizieren sind, als ihre Erfüllung gefordert werden kann.“); ebenso Kappler, Kontrolle von Ehevereinbarungen, S.  32 Fn.  226 („Maßgeblich für die Qualifizierung als Rechtspflicht ist, dass ein Ehegatte die Erfüllung fordern kann“). 381 MüKoBGB/Ernst, Einleitung vor §  241 Rn.  33; Staudinger/Olzen, Einl. v. §  241 Rn.  239; für diesen Fall eine echte Pflicht annehmend schon von Tuhr, AT, §  4, S.  97 f. 382  Zur Unklagbarkeit von Schutzpflichten ausführlich Krebs, Sonderverbindung, S.  5 47 ff.; vgl. auch noch unten Kap.  3 C.III.3.a)(2), S. 199. 383  So aber Palandt/Grüneberg, §  241 Rn.  7, §  242 Rn.  25; Schwab/Löhnig, Einführung in das Zivilrecht, Rn.  185. 384  Schwab/Löhnig, Einführung in das Zivilrecht, Rn.  185.

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setzungen abhängen (Schaden, Kausalität, Zurechnungszusammenhang, Verschulden), zieht die Verbindlichkeit der Rücksichtnahmepflichten nicht in Zweifel; selbst wenn kein Schaden verursacht wird, handelt derjenige, der die gebotene Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils vermissen lässt, pflichtwidrig. Auch durch bloß mittelbare Sanktionen, die von weiteren Voraussetzungen abhängen, kann der Verpflichtete zu pflichtgemäßem Verhalten angehalten werden. Knüpft der Gesetzgeber mithin an die Verletzung eines gesetzlichen Gebots oder Verbots eine unmittelbare oder mittelbare Sanktion, steht der Charakter der jeweiligen Norm als echte Rechtspflicht außer Frage. Dann ist ohne weiteres aus der vorgesehenen Rechtsfolge der Rückschluss möglich, dass der Gesetzgeber zugunsten bzw. zum Schutz eines anderen ein verbindliches Gebot oder Verbot aufstellen wollte. Dennoch ist damit nicht zwingend auch der umgekehrte Schluss bewiesen, dass eine Norm nur dann eine Rechtspflicht ist, wenn eine Verletzung Sanktionen nach sich zieht. Insofern darf Ursache und Wirkung nicht verwechselt werden. „Verhaltenspflichten“ in der Ehe sind nicht etwa wegen ihrer Sanktionslosigkeit automatisch als rein sittliche Pflichten zu qualifizieren, sondern allenfalls deshalb sanktionslos, weil es sich um sittliche Pflichten handelt: „Die Feststellung, ob eine Pflicht rechtlich oder sittlich ist, ist der Frage nach der Sanktion vorgeordnet.“385 Erst wenn feststeht, dass eine bestimmte Pflicht rechtsverbindlich ist, kann im Anschluss der hier interessierenden Frage nachgegangen werden, ob eine Verletzung der Pflicht haftungsrechtliche Folgen haben kann. Im Regelfall wird die Einhaltung von Rechtspflichten zwar durch Primär- oder Sekundäransprüche des Berechtigten sichergestellt, es ist aber nicht ausgeschlossen, dass der Gesetzgeber ausnahmsweise aus guten Gründen an eine Rechtspflicht im Verletzungsfall keine Sanktionen knüpft; 386 dann scheidet freilich eine Haftung aus. Eine Sanktion ist folglich kein ausnahmslos zwingendes Wesenselement einer Rechtspflicht, aber doch die Regel. Die Schwierigkeit im Eherecht besteht vor allem darin, herauszufinden, welche Pflichten nicht nur sittlich, sondern rechtlich zu qualifizieren sind und deshalb eine Haftung als Sanktion nach sich ziehen können.

385 

Hepting, Ehevereinbarungen, S.  204 f. So ist beispielsweise ein Schwangerschaftsabbruch, der allein über die Beratungs- und Fristenlösung des §  218a Abs.  1 StGB erfolgen soll, nicht rechtmäßig, aber trotzdem straffrei. Rechtmäßig ist ein Schwangerschaftsabbruch nur, wenn medizinische oder kriminologische Gründe dafür vorliegen. Im Falle der Beratungs- und Fristenlösung besteht daher kein Schadensersatzanspruch gegenüber einem Arzt, der eine Schwangerschaft nicht erkennt und so deren Abbruch innerhalb der Frist verhindert, weil auch bei Erkennen der Schwangerschaft ein Abbruch zwar straflos möglich, aber trotzdem rechtswidrig gewesen wäre, OLG Oldenburg v. 18.11.2014 – 5 U 108/14, NJW 2015, 1832. 386 

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(iii) Zwischenergebnis Entscheidend für die Qualifikation einer Norm als Rechtspflicht ist mithin, ob der Gesetzgeber eine Norm, mit der zugunsten eines anderen ein bestimmtes äußeres Verhalten ge- oder verboten wird, mit unbedingtem Geltungsanspruch versehen hat. Dafür ist es ein entscheidendes Indiz, wenn ein Normverstoß mit Sanktionen geahndet wird. In Ausnahmefällen kann der Gesetzgeber von einer Sanktionierung jedoch auch absehen, obwohl er eine Vorschrift als rechtlich verbindlich verstanden wissen will. Eine Haftung stellt eine Möglichkeit der Sanktionierung einer Pflichtverletzung dar und setzt daher in jedem Fall eine Rechtspflicht voraus, die in zurechenbarer Weise verletzt wurde. Für das Ehepersonenrecht stellt sich daher nunmehr die Frage, ob und inwieweit sich ein solcher unbedingter Geltungswille der „Pflicht“ zur ehelichen Lebensgemeinschaft ausmachen lässt. (c) Wortlaut von §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  1 BGB und Rechtfolgen bei Verstößen Nach dem Wortlaut von §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  1 BGB sind die Ehegatten zur ehelichen Lebensgemeinschaft „verpflichtet“. Dies deutet darauf hin, dass es sich um eine Rechtspflicht mit unbedingtem Geltungswillen handelt, denn das positive Recht statuiert, was es als „Recht“ – im Unterschied zum „Unrecht“ – ansieht und dessen Einhaltung es den Bürgern zur Pflicht macht. Zwingend ist dies jedoch nicht, wie nicht zuletzt ein Vergleich mit dem Wortlaut von §  1353 Abs.  1 S.  1 BGB zeigt, der ungeachtet der allseits bekannten Scheidungsmöglichkeit das Lebenszeitprinzip der Ehe postuliert und damit eher appellierend die Wunschvorstellung des Gesetzgebers als die Realität widerspiegelt.387 Jedenfalls ist das Wortlautargument bei der rechtlichen Qualifikation von §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  1 BGB heute nicht mehr in gleichem Maße tragfähig wie in früheren Zeiten. Betrachtet man die Normgeschichte von §  1353 BGB, wird deutlich, dass diese Vorschrift ursprünglich unzweifelhaft als Rechtspflicht ausgestaltet war. Das ergab sich daraus, dass die Verletzung der Pflicht aus §  1353 BGB bis ins Jahr 1938 Anknüpfungspunkt für den damals geltenden Scheidungsgrund der „böslichen Verlassung“ gemäß §  1567 Abs.  1, Abs.  2 BGB a. F. war: Hatte ein Ehegatte ein Jahr lang gegen den Willen des anderen Ehegatten einer rechtskräftigen Verurteilung zur Herstellung der häuslichen Gemeinschaft in böslicher Absicht nicht Folge geleistet, berechtigte dies den anderen dazu, Scheidungsklage zu erhe-

387  Überspitzt formuliert Struck, FuR 1996, 118 (123): „Die Norm (gemeint: §  1353 Abs.  1 S.  1 BGB) ist also gesetzgeberische Rhetorik, Appell und Wunschdenken. Die politische Führung dieses Landes hat ihre Wunschvorstellung vom Verhalten der Bürger in das Bundes­ gesetzblatt drucken lassen. Als Gesetzgeber hat sie zu erkennen gegeben, daß daraus keine Rechtsfolge herzuleiten ist.“; ähnlich Dethloff, FamRZ 2016, 351 (353: „kaum mehr als ein Lippenbekenntnis“).

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ben.388 Auch während der Geltung des EheG 1938389 sowie des EheG 1946390 bis zum Inkrafttreten des 1. EheRG 1977 begründete die Nichtbefolgung eines rechtskräftigen Herstellungsurteils eine „schuldhafte schwere Eheverfehlung“ (§  49 EheG 1938391 ; §  43 EheG 1946392) und damit einen Scheidungsgrund. Für denjenigen Ehegatten, der das Scheitern der Ehe allein oder überwiegend verschuldet hatte, bedeutete dies, dass er selbst keinen Anspruch auf Unterhalt hatte,393 sondern umgekehrt dem anderen Ehegatten gegenüber unterhaltspflichtig werden konnte (vgl. §§  1578–1579 BGB a. F.; §§  66–68 EheG 1938; §§  58–60 EheG 1946) und Nachteile bei der Zuweisung der elterlichen Sorge für die Kinder (vgl. §  1635 BGB a. F.394 ; zurückhaltender §  81 Abs.  3 EheG 1938395 ; §  74 Abs.  4 EheG 1946), bei der Zuteilung des Hausrats und der Ehewohnung sowie bei der Witwenversorgung zu erwarten hatte.396 Im heutigen Recht findet sich kein vergleichbarer Scheidungsgrund mehr. Seit der Umstellung vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip durch das 1. EheRG 1977 knüpft das Gesetz an eine schuldhafte Verletzung von §  1353 BGB keine unmittelbaren und im Grundsatz auch keine mittelbaren Folgen mehr im Scheidungs- und Scheidungsfolgenrecht. Die Einhaltung der „Pflicht“ aus §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB ist nicht erzwingbar: Jeder Ehegatte hat nach herr388  §  1567 BGB a. F. lautete: „(1) Ein Ehegatte kann auf Scheidung klagen, wenn der andere Ehegatte ihn böslich verlassen hat. (2) Bösliche Verlassung liegt nur vor: 1. wenn ein Ehegatte, nachdem er zur Herstellung der häuslichen Gemeinschaft rechtskräftig verurtheilt worden ist, ein Jahr lang gegen den Willen des anderen Ehegatten in böslicher Absicht dem Urtheile nicht Folge geleistet hat; 2. wenn ein Ehegatte sich ein Jahr lang gegen den Willen des anderen Ehegatten in böslicher Absicht von der häuslichen Gemeinschaft fern gehalten hat und die Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung seit Jahresfrist gegen ihn bestanden haben. (…).“ 389  Gesetz zur Vereinheitlichung des Rechts der Eheschließung und der Ehescheidung im Lande Österreich und im übrigen Reichsgebiet vom 6.7.1938, RGBl. I, S.  807. 390  Gesetz Nr.  16 – Ehegesetz vom 20.2.1946, Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, S.  77, 294. 391 §   49 EheG 1938 lautete: „Ein Ehegatte kann Scheidung begehren, wenn der andere durch eine sonstige schwere Eheverfehlung oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten die Ehe schuldhaft so tief zerrüttet hat, daß die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebengemeinschaft nicht erwartet werden kann. (…).“ 392 §   43 EheG 1946 lautete: „Ein Ehegatte kann Scheidung begehren, wenn der andere durch eine schwere Eheverfehlung oder durch ehrloses oder unsittliches Verhalten die Ehe schuldhaft so tief zerrüttet hat, daß die Wiederherstellung einer ihrem Wesen entsprechenden Lebensgemeinschaft nicht mehr erwartet werden kann. (…).“ 393  Zum EheG 1938 siehe Großdeutsches Eherecht/Rerroth, §  66, S.  255. 394  §  1635 BGB a. F. lautete: „Ist die Ehe aus einem der in den §§  1565 bis 1568 bestimmten Gründe geschieden, so steht, solange die geschiedenen Ehegatten leben, die Sorge für die Person des Kindes, wenn ein Ehegatte allein für schuldig erklärt ist, dem anderen Ehegatten zu; (…).“ 395 §   81 Abs.  3 EheG 1938 lautete: „Einem Ehegatten, der allein oder überwiegend für schuldig erklärt ist, soll die Sorge nur übertragen werden, wenn dies aus besonderen Gründen dem Wohl des Kindes dient.“ 396  BT-Drucks. VI/2577, S.  19, 20, 23, 30.

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schender Meinung zwar in den Grenzen des Abs.  2 einen dahingehenden Anspruch, der mit einem Antrag auf Herstellung des ehelichen Lebens gerichtlich geltend gemacht werden kann (vgl. §§  111 Nr.  10, 266 Abs.  1 Nr.  2 FamFG).397 Eine stattgebende Entscheidung betreffend die persönlichen Pflichten ist allerdings nicht vollstreckbar (§  120 Abs.  3 FamFG) und hat daher allenfalls in die Zukunft gerichtete klarstellende Funktion. Es überrascht daher nicht, dass solche Anträge seit Einführung des Zerrüttungsprinzips erheblich an praktischer Bedeutung verloren haben, ganz abgesehen davon, dass sie sich im Übrigen hauptsächlich auf vermögensrechtliche Aspekte beschränken, die gerade nicht vom Vollstreckungsausschluss des §  120 Abs.  3 FamFG erfasst sind; 398 zum Teil werden sie sogar als Anachronismus bezeichnet.399 Im Scheidungsfolgenrecht kann sich ein Verstoß gegen §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB unter Umständen im Rahmen der Billigkeitsklauseln (§§  1381, 1565 Abs.  2, [1361 Abs.  3 i. V. m.] 1579 Nr.  7 BGB, §  27 VersAusglG) auswirken. Dafür genügt allerdings nicht jeder beliebige Verstoß, sondern es muss sich um eine besonders schwerwiegende Eheverfehlung handeln, die nicht nur ehezerstörend wirkt, sondern in aller Regel auch negative Folgen für das Vermögen des schuldlosen Ehegatten haben muss.400 Trotz der Änderungen im Scheidungsrecht hat es der Gesetzgeber unterlassen, den Wortlaut von §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  1 BGB zu ändern.401 Die Generalklausel habe zwar „eine ihrer Funktionen“ verloren, sie sei dadurch aber „nicht bedeutungslos“ geworden. Die Vorschrift könne „wörtlich übernommen werden, denn die Ehegatten bleiben gehalten, ihre freiwillig übernommenen und nicht erzwingbaren Pflichten in der Ehe zu erfüllen, wenn die Ehe auf Dauer Bestand haben soll.“402 Diese Stellungnahme in den Gesetzgebungsmaterialien deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber die „Pflicht“ zur ehelichen Lebensgemeinschaft – trotz Fehlens der Möglichkeit einer zwangsweisen Durchsetzung oder der allgemeinen Sanktionierung eines Verstoßes – weiterhin als unbedingt verbindlich und daher als echte Rechtspflicht ansieht. Dafür spricht auch die Verjährungsvorschrift des §  194 Abs.  2 BGB, die von echten Ansprüchen auf „Herstellung des dem Verhältnis entsprechenden Zustands für die Zukunft“ ausgeht. Eine Begründung, warum die Ehegatten auch nach der Reform des Eherechts rechtlich „gehalten bleiben“, ihre persönlichen „Pflichten in der Ehe“ zu erfüllen, und welchen konkreten Inhalt diese „Pflichten“ haben, liefert der Gesetzgeber nicht. 397 Palandt/Brudermüller,

§  1353 Rn.  3 ; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  137. §  120 Rn.  18; Saenger/Kemper, §  120 FamFG Rn.  13; Bumiller/ Harders/Schwamb/Kemper, §  120 FamFG Rn.  7. 399 MüKoFamFG/Fischer, §  120 Rn.  18; Stein, FPR 2011, 85 (86). Vgl. auch BT-Drucks. 16/6308 S.  226 („Die Herstellungsklage wird als Anachronismus empfunden“). 400 MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  19. 401 Auch Inhalt und Umfang der ehelichen Lebensgemeinschaft sollten durch das 1. EheRG 1977 nicht geändert werden, BT-Drucks. VI/2577, S.  37. 402  BT-Drucks. VI/2577, S.  37. 398 MüKoFamFG/Fischer,

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Es stellt sich daher nicht nur die Frage, inwieweit es tatsächlich sinnvoll ist, im Ehe- und Familienrecht durch (nicht sanktionierte), den persönlichen Bereich betreffende Rechtspflichten motivsetzend auf die Ehegatten oder ein Familienmitglied einzuwirken, sondern vor allem, ob dies überhaupt (verfassungsrechtlich) zulässig ist oder ob hier nicht die von den Grundrechten gesteckte Grenze zum rechtsfreien Raum überschritten wird. Daher soll im Folgenden der verfassungsrechtliche Gewährleistungsgehalt von Art.  6 Abs.  1 GG ermittelt werden, dessen einfach-rechtlicher Umsetzung §  1353 BGB dient. Dabei wird auch untersucht, ob der grundgesetzlich vorgegebene besondere Schutz der Ehe gebietet, dass die Ehegemeinschaft als solche vor internen Störungen durch „Fehlverhalten“ eines Ehegatten bewahrt wird,403 indem den Ehegatten auch im höchstpersönlichen Bereich einfach-rechtlich wechselseitige Pflichten auferlegt werden. Sodann soll eine Neubestimmung der Qualifikation der „Pflicht“ zur ehelichen Lebensgemeinschaft im Sinne von §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  1 BGB erfolgen, um daraus Rückschlüsse für die materiell-rechtliche Deutung der Generalklausel ziehen zu können. (4) Der Gewährleistungsgehalt von Art.  6 Abs.  1 GG als Maßstab für die einfach-rechtliche Ausgestaltung (a) Die Ehe als Grundrecht und ausgestaltungsbedürftiges Rechtsinstitut (i) Überblick Art.  6 Abs.  1 GG „stellt die Ehe unter den besonderen Schutz des Staates. Damit sind Bestimmungen unvereinbar, die die Ehe schädigen, stören oder sonst beeinträchtigen könnten (…). Jedoch hat der Gesetzgeber das Rechtsinstitut der Ehe in einer seiner Natur und Funktion entsprechenden Weise auszugestalten.“404 In dieser Beschreibung des BVerfG wird das komplexe Zusammenspiel der unterschiedlichen Grundrechtswirkungen von Art.  6 GG deutlich. Das Grundgesetz räumt der Ehe (ebenso wie der Familie) als besonderer Beistandsund Verantwortungsgemeinschaft405 eine Sonderstellung gegenüber allen anderen Formen des menschlichen Zusammenlebens ein, indem es sie – wie kein anderes Grundrecht – schon nach dem Wortlaut „unter den besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“ stellt. Dabei setzt das Grundgesetz die Begriffe „Ehe“ und „Familie“ voraus, ohne sie selbst zu definieren oder zu konkretisieren. Das 403  So Dreier/Brosius-Gersdorf, Art.  6 GG Rn.  48: „Art.  6 I GG entfaltet seinen Schutz nicht nur gegenüber Bedrohungen der Ehe „von außen“, sondern auch gegenüber Gefährdungen „von innen“, die von einem Ehegatten ausgehen.“ Wie hier Hosemann, FamRZ 2015, 2101 (2105). 404  BVerfG v. 3.10.1989 – 1 BvL 78/86 u. a., NJW 1990, 175. 405 BVerfG v. 7.5.2013 – 2 BvR 909/06 u. a., NJW 2013, 2257 (2260 Rn.   91); BVerfG v. 10.8.2009 – 1 BvL 15/09, FamRZ 2009, 1653 (1654); BVerfG v. 27.5.2008 – 1 BvL 10/05, NJW 2008, 3117 ff. (Rn.  57, 59, 63, 68); BVerfG v. 9.4.2003 – 1 BvR 1493/96 u. a., NJW 2003, 2151 (2154).

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BVerfG definiert die Ehe in ständiger Rechtsprechung (bei im Detail wechselnden Formulierungen) als „Vereinigung eines Mannes mit einer Frau zu einer auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft (…), begründet auf freiem Entschluss unter Mitwirkung des Staates, in der Mann und Frau in gleichberechtigter Partnerschaft zueinander stehen und über die Ausgestaltung ihres Zusammenlebens frei entscheiden können“.406 Ebenso wie die Familie hat die Ehe die Funktion einer Beistands- und Verantwortungsgemeinschaft, durch die sie den Staat entlastet. Reproduktive Funktion kommt jedoch nur der Familie zu.407 Mit dem im zweiten Satz des Eingangszitats formulierten Verbot von Regelungen, die die Ehe schädigen, stören oder beeinträchtigen können, umschreibt das BVerfG die individuelle Abwehrfunktion der verfassungsrechtlichen Gewährleistung gegenüber belastenden oder eingreifenden staatlichen Maßnahmen. Gleichzeitig kommt in der zitierten Entscheidung zum Ausdruck, dass das Rechtsinstitut der Ehe – auf das sich das Grundrecht bezieht, nicht hingegen das Grundrecht als solches – ausgestaltungsbedürftig ist.408 Während der Gesetzgeber Eingriffe in das Freiheitsrecht und die konkret gelebte Ehe zu unterlassen hat, ist er andererseits gehalten, die Institution der Ehe einfach-rechtlich auszugestalten; diese Ausgestaltungsbedürftigkeit spricht dafür, Art.  6 Abs.  1 GG – ähnlich wie Art.  14 GG409 – als normgeprägtes Grundrecht anzusehen.410 Allerdings muss der Gesetzgeber – so das BVerfG411 – bei der Ausgestaltung die „Natur und Funktion“ des Rechtsinstituts beachten, ist also an gewisse vorrechtliche Kriterien gebunden, die dem grundgesetzlichen Verständnis der Ehe zugrunde liegen. Damit ist ein Verständnis unvereinbar, das die Bestimmung der Inhalte des Rechtsinstituts gänzlich dem Gesetzgeber überlässt und Art.  6 GG als rein rechtsgeprägte Institutsgarantie ansieht. Die Ehe hat als soziale Institution eine lange Tradition und ist ein über viele Jahrhunderte gewachsener zentraler Bestandteil unserer Kultur. Daran knüpft das Recht an; es hat die soziale Institution zu einer Rechtseinrichtung gemacht, indem es sie rechtlich ausgeformt und determiniert hat. Auch das Grundgesetz geht von einem im Zeitpunkt der Entstehung der Verfassung allgemein geteilten, dem damals schon bestehenden einfach-gesetzlichen Ehe- und Familienrecht zugrundeliegenden Eheverständnis aus, bleibt aber – in gewissen Grenzen – offen für eine am gesellschaftlichen Wandel orientierte Interpretation und sich ändernde legislative Ausgestaltungen.412 Dementsprechend betont das BVerfG 406 

BVerfG v. 17.7.2002 – 1 BvF 1/01 u. a., NJW 2002, 2543 m. zahlr. w. Nachw. Art.  6 GG Rn.  43. 408  Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S.  338. 409  Die Eigentumsgarantie statuiert jedoch explizit, dass „Inhalt und Schranken (…) durch die Gesetze bestimmt“ werden, Art.  14 Abs.  1 S.  2 GG. Eine entsprechende Norm fehlt bei Art.  6 GG. 410  So Dreier/Brosius-Gersdorf, Art.  6 GG Rn.  49, 74. 411  Vgl. Fn.  404. 412  Bonner Kommentar-GG/Seiler, Art.  6 Abs.  1 GG Rn.  56. 407 Dreier/Brosius-Gersdorf,

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regelmäßig, dass das Grundgesetz das Institut der Ehe nicht abstrakt gewährleistet, sondern in der Ausgestaltung, wie sie den jeweils herrschenden, in der gesetzlichen Regelung maßgebend zum Ausdruck gelangten Anschauungen entspricht.413 Allerdings sei der Gesetzgeber bei der Ausformung der Ehe an die wesentlichen Strukturprinzipien der verfassungsrechtlichen Gewährleistung gebunden, die sich „aus der Anknüpfung des Art.  6 Abs.  1 GG an vorgefundene, überkommene Lebensformen in Verbindung mit dem Freiheitscharakter des verbürgten Grundrechts und anderen Verfassungsnormen“ ergeben.414 Auch wenn die Verwirklichung des verfassungsrechtlichen Schutzes somit einfach-gesetzlicher Regelungen bedarf, die zum einen bestimmen, welche Lebensgemeinschaft als Ehe den Schutz der Verfassung genießt, und zum anderen diese Lebensgemeinschaft näher ausgestalten, um sie von anderen (unverbindlichen) Formen des Zusammenlebens abzugrenzen,415 muss der Gesetzgeber dabei stets die wesensmäßigen Merkmale der Ehe im verfassungsrechtlichen Sinne beachten und gewährleisten. Die Schwierigkeit besteht freilich darin, die verschiedenen Grundrechtswirkungen und -funktionen zu ermitteln, die den Gesetzgeber bei der einfachrechtlichen Ausgestaltung des Rechtsinstituts binden. Neben einem klassischen subjektiven Abwehrrecht enthält Art.  6 Abs.  1 GG nicht nur eine Institutsgarantie, die die Ehe und Familie in ihren wesentlichen Grundstrukturen sichert, sondern auch eine wertentscheidende Grundsatznorm.416 In dieser Funktion trifft die Regelung eine verbindliche Wertentscheidung für den gesamten Bereich des Ehe und Familie betreffenden privaten und öffentlichen Rechts. Während die Unterscheidung dieser verschiedenen Gewährleistungsdimensionen durchaus zum klareren Verständnis der Wirkungsweisen von Art.  6 GG beitragen, darf nicht übersehen werden, dass die unterschiedlichen Dimensionen ineinander greifen und sich gegenseitig bedingen. Mit der Feststellung des mehrdimensionalen Charakters der Verfassungsgarantie der Ehe ist es also nicht getan; vielmehr muss auch das Verhältnis der einzelnen Dimensionen zueinander und deren wechselseitige Gewichtung berücksichtigt werden,417 um ermitteln zu können, inwieweit sich aus Art.  6 GG bindende Maßstäbe für den Gesetzgeber bei der einfach-rechtlichen Ausgestaltung ergeben. 413  BVerfG v. 17.7.2002 – 1 BvF 1/01 u. a., NJW 2002, 2543 (2547); BVerfG v. 4.5.1971 – 1 BvR 636/68, NJW 1971, 1509 (1510). 414  BVerfG v. 17.7.2002 – 1 BvF 1/01 u. a., NJW 2002, 2543 (2547); BVerfG v. 4.5.1971 – 1 BvR 636/68, NJW 1971, 1509 (1510); vgl. auch BVerfG v. 3.10.1989 – 1 BvL 78/86 u. a., NJW 1990, 175. 415  BVerfG v. 17.7.2002 – 1 BvF 1/01 u. a., NJW 2002, 2543 (2547); BVerfG v. 14.11.1973 – 1 BvR 719/69, NJW 1974, 545 (546); BVerfG v. 4.5.1971 – 1 BvR 636/68, NJW 1971, 1509 (1509 f.). 416  Grundlegend BVerfG v. 17.1.1957 – 1 BvL 4/54, NJW 1957, 417 (418). Maunz/ Dürig/ Badura, Art.  6 Rn.  6 ff.; Sachs/von Coelln, Art.  6 GG Rn.  1, 22 ff., 31 ff., 34 ff.; Bonner Kommentar-GG/Seiler, Art.  6 GG Rn.  53. 417  So schon Friauf, NJW 1986, 2595 (2599 f.), vor dem Hintergrund der Frage, inwieweit Art.  6 Abs.  1 GG offen ist für gesellschaftlichen und sozialen Wandel.

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(ii) Wertentscheidende Grundsatznorm In seiner weitreichendsten, in der Rechtsprechung vielfach bemühten Dimension als wertentscheidende Grundsatznorm bindet Art.  6 Abs.  1 GG den Gesetzgeber und die Gerichte für die gesamte Rechtsordnung an die verfassungsrechtlichen Gewährleistungsgehalte und verbindlichen Wertentscheidungen der Ehegarantie. Hieraus resultiert für den Staat sowohl ein Gebot, Ehe und Familie durch geeignete Maßnahmen zu fördern und vor Beeinträchtigungen zu schützen, als auch das Verbot, Ehe und Familie zu beeinträchtigen oder zu benachteiligen.418 In dieser Funktion kommt Art.  6 GG mithin eine positive und negative Schutzdimension zu. Die Schutz- und Förderpflicht bzw. das Benachteiligungsverbot wird insbesondere in Verbindung mit dem gleichheitsrechtlichen Maßstab des Art.  3 Abs.  1 GG relevant: Werden Ehegatten im Vergleich zu anderen Lebensgemeinschaften schlechter behandelt, so „ist bei der Prüfung am Maßstab des Art.  3 Abs.  1 GG zu beachten, daß die dem Gesetzgeber zustehende Gestaltungsfreiheit durch die besondere Wertentscheidung des GG in Art.  6 Abs.  1 GG beschränkt ist.“419 Problematisch ist die genaue Abgrenzung der wertentscheidenden Grundsatznorm von der Bedeutung und Funktion der Institutsgarantie.420 Auch die Institutsgarantie hat sowohl eine negative als auch positive Schutzfunktion, da sie einerseits der Bewahrung eines Kernbestands des Ehe- und Familienrechts dient, andererseits aber auf eine einfach-rechtliche Ausgestaltung durch das bürgerliche Ehe- und Familienrecht angewiesen ist.421 Die Abgrenzung muss daher anhand anderer Merkmale vorgenommen werden, auch wenn eine klare Grenze nicht immer eindeutig auszumachen ist. Der entscheidende Unterschied liegt im Regelungsgegenstand: Während die Institutsgarantie das Eherecht im engeren Sinne betrifft und dort einen Kern an rechtlichen Bestimmungen über die Definition der Ehe sowie über die Voraussetzungen der Begründung und Beendigung dieser Lebensgemeinschaft garantiert, wirkt Art.  6 GG in seiner Dimension als wertentscheidende Grundsatznorm als Maßstab für alle anderen 418  BVerfG v. 17.1.1957 – 1 BvL 4/54, NJW 1957, 417 (418: „[d]er in Art.  6 Abs.  1 GG statuierte besondere Schutz der staatlichen Ordnung umschließt (…) zweierlei: positiv die Aufgabe für den Staat, Ehe und Familie nicht nur vor Beeinträchtigungen durch andere Kräfte zu bewahren, sondern auch durch geeignete Maßnahmen zu fördern, negativ das Verbot für den Staat selbst, die Ehe zu schädigen oder sonst zu beeinträchtigen.“); BVerfG v. 18.3.1970 – 1 BvR 498/66, NJW 1970, 1176; BVerfG v. 12.5.1987 – 2 BvR 1226/83 u. a., NJW 1988, 626 (627); BVerfG v. 18.4.1989 – 2 BvR 1169/84, NJW 1989, 2195 (2196); BVerfG v. 10.11.1998 – 2 BvR 1057/91 u. a., NJW 1999, 557 (558); BVerfG v. 19.6.2012 – 2 BvR 1397/09, NVwZ 2012, 1304 (1307 Rn.  66); BVerfG v. 7.5.2013 – 2 BvR 909/06 u. a., NJW 2013, 2257 (2259 Rn.  81). 419  BVerfG v. 26.11.1964 – 1 BvL 14/62, NJW 1965, 195 (196); s. auch BVerfG v. 14.7.1970 – 1 BvL 10/67, NJW 1970, 1680 (Ls); BVerfG v. 7.7.1992 – 1 BvL 51/86, NJW 1992, 2213; ­BVerfG v. 3.4.2001 – 1 BvR 1629/94, NJW 2001, 1712. 420  Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S.  349. 421  Vgl. auch Kingreen/Poscher, Grundrechte, Rz. 724 ff. („definierende vs. eingreifende Regelungen“).

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Regelungsbereiche, die an die Ehe anknüpfen und damit das Institut im weiteren Umfeld rechtlich mitgestalten (z. B. im Erb-, Steuer-, Sozial- oder Ausländerrecht).422 Über die Figur der wertentscheidenden Grundsatznorm ist es dem BVerfG gelungen, das Fördergebot sowie das Benachteiligungsverbot über das Ehe- und Familienrecht hinaus auszudehnen und für die gesamte Rechtsordnung als bindende Wertentscheidung zu etablieren.423 In dieser Dimension drückt sich somit zwar die Wirkungsrichtung und Wirkungsweise des Grundrechts auf andere und in anderen Rechtsgebieten aus,424 verfassungsrechtliche Vorgaben für die Bestimmung des materiellen Eherechts im engeren Sinne folgen aber primär aus der Institutsgarantie sowie dem Freiheitsgrundrecht. (iii) Institutsgarantie a. Wesentliche Strukturelemente In der Funktion als Instituts- bzw. Einrichtungsgarantie sichert Art.  6 Abs.  1 GG Ehe und Familie in ihrer wesentlichen Struktur und schützt „einen Normenkern des Ehe- und Familienrechts“ vor der Aufhebung oder grundlegenden Veränderung durch den einfachen Gesetzgeber. Die von Martin Wolff 425 begründete und von Carl Schmitt426 ausgebaute Figur der Einrichtungsgarantie wurde in der Weimarer Republik entwickelt, um den Gesetzgeber in effektiver Weise an die Verfassung zu binden und ihn daran zu hindern, bestimmte Rechts­ institute in ihren Grundstrukturen einfachrechtlich auszuhöhlen oder abzuschaffen.427 In der Weimarer Reichsverfassung blieb die Frage einer unmittelbaren Bindung des Gesetzgebers an die Grundrechte in der Schwebe, weil ein klarstellender Artikel fehlte.428 Diese Funktion übernimmt heute weitgehend Art.  1 Abs.  3 GG, weshalb die Institutsgarantien ihre ursprüngliche Bedeutung verloren haben.429 Sie entfalten aber weiterhin negatorische bzw. bei einer den Grundstrukturen zuwiderlaufenden Rechtsetzung sogar derogierende Wirkung. Darüber hinaus setzen Einrichtungsgarantien voraus, dass im einfachen Recht ein Normkomplex existiert, mit dem die verfassungsrechtliche Gewähr422 

So auch die Abgrenzung bei Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S.  349 f. Bumke, Institution und Intimität, in: Begegnungen im Recht (2011), S.  155 (160). 424  Friauf, NJW 1986, 2595 (2600). 425  Wolff, Festgabe Kahl (1923), S.  1 (5 f.). 426  Schmitt, Verfassungsrechtliche Aufsätze, Freiheitsrechte und institutionelle Garantien der Reichsverfassung, S.  140 (160 ff.); vgl. auch Klein, Institutionelle Garantien und Rechtsinstitutsgarantien, 1934, S.  1 ff., 11 ff. 427  Alexy, Theorie der Grundrechte, S.  2 21, 441 f.; Bumke, Institution und Intimität, in: Begegnungen im Recht (2011), S.  155 (162); Friauf, NJW 1986, 2595 (2600); Hufen, Staatsrecht II, §  5 Rn.  17. Zum entstehungsgeschichtlichen Hintergrund der Einrichtungsgarantien monographisch Mager, Einrichtungsgarantien, S.  6 ff. 428  Vgl. Maunz/Dürig/Herdegen, Art.  1 Abs.  3 GG Rn.  7. 429  Wegen der Existenz von Art.  1 Abs.  3 GG generell skeptisch gegenüber Einrichtungsgarantien Hufen, Staatsrecht II, §  5 Rn.  18. 423 

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leistung ausgestaltet wird.430 Daraus folgt für den Gesetzgeber der Auftrag zur Ausgestaltung des Rechtsinstituts. Schon daran wird das Dilemma deutlich, nämlich dass der Gesetzgeber scheinbar an einen Normenkern des Ehe- und Familienrechts gebunden ist, den er selbst geschaffen und inhaltlich ausgestaltet hat.431 Diesem Zirkelschluss entkommt man nur dann, wenn man das, was zum änderungsfesten Wesenskern des Ehe- und Familienrechts gehört, nicht „ohne einen jedenfalls in den Strukturelementen selbständigen verfassungsrechtlichen Begriff von Ehe und Familie“ bestimmt.432 Dem entspricht es, dass die Institutsgarantie des Art.  6 Abs.  1 GG nach Auffassung des BVerfG nicht nur dadurch verletzt werden kann, dass der Kernbestand des bürgerlichen Ehe- und Familienrechts aufgehoben oder strukturell umgestaltet wird, sondern auch „wenn bestimmende Merkmale des Bildes von Ehe und Familie, das der Verfassung zugrunde liegt, mittelbar beeinträchtigt werden.“433 Diese, dem grundgesetzlichen Verständnis der Ehe zugrunde liegenden Merkmale begrenzen den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der einfachrechtlichen Ausgestaltung der Ehe, denn die einzelnen Regelungen des bürgerlichen Rechts müssen stets an Art.  6 Abs.  1 GG als vorrangiger, selbst die Grundprinzipien enthaltender Leitnorm gemessen werden.434 Über den Inhalt der institutionell gewährleisteten Grundstrukturen besteht seit jeher weitgehende Einigkeit: Grundsatz lebenslanger Partnerschaft in gegenseitiger Verantwortung, Monogamie, Verschiedengeschlechtlichkeit, Freiwilligkeit der Eheschließung, Formalisierung bzw. Öffentlichkeit der Ehe sowie autonome Gestaltung der Lebensgemeinschaft.435 Wie bzw. woraus diese begriffskonstituierenden Merkmale der Institution Ehe erschlossen werden ­ ­können, die als bindender Maßstab für den Gesetzgeber fungieren, ist damit allerdings noch nicht geklärt. Laut BVerfG ergeben sich die durch die Instituts­ garantie gewährleisteten wesentlichen Strukturprinzipien „aus der Anknüpfung des Art.  6 Abs.  1 GG an vorgefundene, überkommene Lebensformen in Verbindung mit dem Freiheitscharakter des verbürgten Grundrechts und anderen Ver-

430 

Vgl. dazu Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S.  494 ff. Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S.  497 f., sieht darin das „Kernproblem der Ausgestaltungsdogmatik“. 432  Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S.  340. 433  BVerfG v. 12.5.1987 – 2 BvR 1226/83, NJW 1988, 626 (629); s. auch BVerfG v. 18.4.1989 – 2 BvR 1169/84, NJW 1989, 2195 (2196): „Art.  6 Abs.  1 GG sichert als Institutsgarantie den Kern der das Familienrecht bildenden Vorschriften insbesondere des bürgerlichen Rechts gegen eine Aufhebung oder wesentliche Umgestaltung und schützt gegen staatliche Maßnahmen, die bestimmende Merkmale des Bildes von der Familie, das der Verfassung zugrunde liegt, beeinträchtigen.“ 434  BVerfG v. 4.5.1971 – 1 BvR 636/68, NJW 1971, 1509 (1510). 435  A. A. in Bezug auf die Kriterien der Mitwirkung des Staates, der Einehe, des Lebenszeitprinzips und der Verschiedengeschlechtlichkeit allerdings Dreier/Brosius-Gersdorf, Art.  6 GG Rn.  50. 431 

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fassungsnormen.“436 Durch diese dreifache Fundierung werden die inhaltlichen Grundstrukturen zwar weniger eindeutig bestimmbar, dafür aber anpassungsfähig an ein gewandeltes Verfassungsverständnis, ohne die über Jahrhunderte tradierten Wesensmerkmale der Lebensform der Ehe preiszugeben.437 Nicht aus den Augen verloren werden darf dabei die Funktion der Ehe als Beistands- und Verantwortungsgemeinschaft,438 die durch die unabdingbaren Strukturprinzipien gewährleistet werden soll. Angesichts dessen erscheint das Kriterium der Verschiedengeschlechtlichkeit heute nicht mehr zwingend, sondern im Gegenteil sehr zweifelhaft. Es handelt sich zwar um ein seit jeher tradiertes Strukturprinzip der Ehe im Sinne von Art.  6 Abs.  1 GG, an dem die Rechtsprechung des BVerfG bisher festhält; da homosexuelle Partner einander jedoch den gleichen materiellen und immateriellen Beistand gewähren und Verantwortung füreinander übernehmen können wie heterosexuelle Paare, darf bestritten werden, ob die Geschlechtsverschiedenheit auch heute noch zum verfassungsrechtlich gewährleisteten Kern der Institution Ehe zu rechnen ist.439 Dass selbst das BVerfG einen Wandel des verfassungsrechtlichen Eheverständnisses insofern nicht für ausgeschlossen erachtet, wird schon in einem Beschluss aus dem Jahr 1993 erkennbar: Damals hatte das Gericht die Verfassungsbeschwerde eines homosexuellen Paares, dem die standesamtliche Trauung verweigert worden war, noch mit der Begründung zurückgewiesen, dass keine „hinreichende(n) Anhaltspunkte für einen grundlegenden Wandel des Eheverständnisses in diesem Sinne (erkennbar seien), dass der Geschlechtsverschiedenheit keine prägende Bedeutung mehr zukäme.“440 Zwanzig Jahre später wird man einen solchen Verständniswandel jedoch kaum mehr leugnen können.441 Diese Einschätzung teilt auch der Gesetzgeber, der „nun hinreichende Anhaltspunkte für einen grundlegenden Wandel des traditionellen Eheverständnisses“ sieht, „die angesichts der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers die Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts verfassungsrechtlich zulassen“.442 Im Jahr 2015 wurde deshalb ein Gesetzentwurf vorgelegt, demzufolge §  1353 Abs.  1 BGB wie folgt neu gefasst werden soll: „Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen.“ In der Gesetzesbegründung wird ausführlich dargelegt, wor436  BVerfG v. 17.7.2002 – 1 BvF 1/01 u. a., NJW 2002, 2543 (2547); BVerfG v. 4.5.1971 – 1 BvR 636/68, NJW 1971, 1509 (1510, Beispiel: das Prinzip der Einehe); vgl. auch BVerfG v. 3.10.1989 – 1 BvL 78/86 u. a., NJW 1990, 175. 437  Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S.  341 f. 438  Vgl. die Nachweise in Fn.  405. 439  So auch Dethloff, FamRZ 2016, 351 ff., die eine Öffnung der Ehe im Sinne von Art.  6 Abs.  1 GG nicht nur für verfassungsrechtlich zulässig, sondern sogar geboten erachtet. 440  BVerfG v. 4.10.1993 – 1 BvR 640/93, NJW 1993, 3058. 441  Dethloff, FamRZ 2016, 351 (353); BT-Drucks. 18/6665, S.  1, 7 ff. (auch mit rechtsvergleichenden Hinweisen auf die Entwicklungen in anderen Rechtsordnungen). 442  BT-Drucks. 18/6665, S.  7.

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an der Gesetzgeber den gesellschaftlichen Wandel des Eheverständnisses festmacht. Während zur Zeit der Verabschiedung des Grundgesetzes Homo­ sexualität noch als sittenwidrig galt und gemäß §§  175 f. StGB verboten war,443 änderte sich seit der Aufhebung des strafrechtlichen Totalverbots von männlicher Homosexualität im Jahre 1969444 nicht nur die rechtliche Praxis, sondern nahm auch die gesellschaftliche Stigmatisierung immer mehr ab.445 In jüngerer Zeit spiegelt sich das grundlegende Umdenken in der Gesellschaft auf recht­ licher Ebene, worauf die Gesetzesbegründung zutreffend hinweist,446 in der Einführung des Rechtsinstituts der Lebenspartnerschaft 2001, der darauf bezogenen Rechtsprechung des BVerfG, mit der verbliebene Unterschiede im materiellen Recht Schritt für Schritt für verfassungswidrig erklärt wurden,447 sowie in den rechtlichen Konsequenzen der Änderung des Transsexuellengesetzes (TSG) wider,448 durch die erreicht wurde, dass eine Ehe auch nach der Geschlechtsumwandlung eines Ehegatten unter den dann gleichgeschlechtlichen Partnern fortgesetzt werden kann; infolgedessen gibt es schon de lege lata le­gale gleichgeschlechtliche Ehen in Deutschland.449 Im Übrigen verweist die Ge­ setzesbegründung darauf, dass allgemein der gesellschaftliche Wandel bei Auslegung von Art.  6 Abs.  1 GG zu berücksichtigen sei, wobei auch die Entwicklungen in anderen (europäischen) Rechtsordnungen450 „weitere Anhaltspunkte dafür (böten), dass das Konzept der Geschlechtsverschiedenheit der Ehegatten überholt“ und mit den verfassungsrechtlichen Prinzipien des Respekts vor der 443  §  175 Abs.  1 StGB i. d. F. vom 1.9.1935 lautete: „Ein Mann, der mit einem anderen Mann Unzucht treibt oder sich von ihm zur Unzucht mißbrauchen läßt, wird mit Gefängnis bestraft.“ Die Vorschrift wurde zweimal in den Jahren 1969 und 1973 geändert und erst 1994 gänzlich gestrichen (vgl. Fn.  4 44). 444  Durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 25.6.1969 (1. StrRG, BGBl. I 1969, S.  645) wurde §  175 StGB dahingehend geändert, das „Unzucht zwischen Männern“ fortan „nur“ noch bei Erwachsenen mit unter 21-Jährigen, in verschiedenen Autoritätsverhältnissen und im Fall der Prostitution strafbar war. Durch das Vierte Gesetz zur Reform des Strafrechts vom 23.11.1973 (4. StrRG, BGBl. I 1973, S.  1725) wurde die Strafbarkeit wegen homosexueller Handlungen nach §  175 StGB auf das Verhältnis von Erwachsenen zu Jugendlichen beschränkt. Mit dem 29. Strafrechtsänderungsgesetz vom 31.5.1994 (BGBl. I 1994, S.  1168) wurde §  175 StGB aufgehoben. 445  BT-Drucks. 18/6665, S.  7. 446  BT-Drucks. 18/6665, S.  7 ff. 447  BVerfG v. 7.7.2009 – 1 BvR 1164/07, NJW 2010, 1439 – betriebliche Hinterbliebenenversorgung; BVerfG v. 21.7.2010 – 1 BvR 611/07, NJW 2010, 2783 – erbschaftsteuerrechtliche Schlechterstellung; BVerfG v. 19.6.2012 – 2 BvR 1397/09, NVwZ 2012, 1304 – beamtenrechtlicher Familienzuschlag; BVerfG v. 18.7.2012 – 1 BvL 16/11, NJW 2012, 2719 – Grunderwerbsteuer; BVerfG v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847 – Sukzessivadoption; BVerfG v. 7.5.2013 – 2 BvR 909/06, NJW 2013, 2257 – Ehegattensplitting. Siehe dazu auch noch unten S. 165 ff. 448  Gesetz zur Änderung des Transsexuellengesetzes v. 17.7.2009 (BGBl. I 2009, S.  1978). Durch dieses Gesetz wurde §  8 Abs.  1 Nr.  2 TSG ersatzlos gestrichen, weil das BVerfG die Regelung für nichtig erklärt hatte, BVerfG v. 27.5.2008 – 1 BvL 10/05, NJW 2008, 3117. 449  BT-Drucks. 18/6665, S.  7 f. 450  Vgl. schon Fn.  299.

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Privatautonomie und der Gleichheit vor dem Gesetz unvereinbar sei.451 Die Gesetzbegründung kommt daher zu dem Schluss: „Abgesehen von den theoretischen Bedenken bezüglich der Einhaltung der Strukturprinzipien eines sich wandelnden familienrechtlichen Instituts kann eine einfachgesetzliche Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts die im Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes verankerte Institutionsgarantie nicht antasten. Es gibt keine Dimension dieses Grundrechts, die damit verletzt wird, insoweit darf die objektive Funktion des Artikels 6 des Grundgesetzes ebenso wenig gegen subjektive Rechte anderer Grundrechtsträger instrumentalisiert und missbraucht werden.“452

In der Literatur wird der Gesetzesvorschlag zur Änderung des materiellen Familienrechts indes für mit der Institutsgarantie unvereinbar und daher verfassungswidrig gehalten; eine Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare sei nur durch eine Verfassungsänderung möglich.453 Dagegen ist jedoch einzuwenden, dass der gesetzgeberische Vorschlag nicht den Verfassungsbegriff der Ehe einfach-rechtlich bestimmt. Vielmehr ergibt bereits eine vom materiellen Recht losgelöste Interpretation des Verfassungsbegriffs der Ehe angesichts der grundlegenden Veränderungen in der Gesellschaft, dass darunter mittlerweile auch gleichgeschlechtliche Beziehungen gefasst werden können und sollten, da ihnen der gleiche verfassungsrechtliche Schutz über Art.  6 Abs.  1 GG gebührt. Diesen vorgelagerten Schritt vollzieht der Gesetzgeber mit der vorgeschlagenen Gesetzesänderung lediglich nach, indem er das – der Ausgestaltung von Art.  6 Abs.  1 GG dienende – materielle Recht an das gewandelte Verfassungsverständnis anpasst. Auch wenn dieser Schritt der Gleichstellung verfassungsrechtlich (noch?) nicht zwingend geboten erscheint, so liegt es jedenfalls innerhalb der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, die Ehe auch für homosexuelle Paare zu öffnen. Demgegenüber ist am Lebenszeitprinzip schon deshalb festzuhalten, weil dies die besondere Beständigkeit der Ehe sichert und damit Vertrauensgrund­ lage für die Ehegatten ist, sich emotional und finanziell vorbehaltlos aufeinander einzulassen.454 b. Individuumsbezogenes Verständnis Wichtig ist außerdem, dass der Inhalt der Institutsgarantie auch dem grundrechtlichen Freiheitscharakter verpflichtet ist und zudem in den Kontext der übrigen Verfassungsnormen gestellt wird,455 mit deren Schutzgehalt sie abge451 

BT-Drucks. 18/6665, S.  8 f. BT-Drucks. 18/6665, S.  9. 453  Görisch, DER STAAT 54 (2015), 591 (592 ff., 611 ff.). 454  A. A. Dreier/Brosius-Gersdorf, Art.  6 GG Rn.  8 0, die allerdings zugesteht, dass lebenslange Ehen „unter dem Gesichtspunkt der Beistands- und Verantwortungsleistungen der Ehegatten sowie der damit verbundenen Entlastung des Staates größeren Schutz und Förderung als befristete Ehen“ verdienen. 455  Vgl. bei Fn.  436. Deshalb ist, entgegen der Ansicht von Dreier/Brosius-Gersdorf, Art.  6 452 

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stimmt werden muss.456 Daran erkennt man, dass der Schutz des Instituts „Ehe“ keinem Selbstzweck, sondern nur dazu dient, dem einzelnen Grundrechtsträger einen bestimmten Freiheitsbereich zu gewährleisten, auf den sich das individuelle Grundrecht in seiner freiheitssichernden Funktion bezieht. Dieses individuumsbezogene, freiheitsrechtliche Verständnis der Institutsgarantie ist jedoch keine Selbstverständlichkeit. Obwohl deren Funktion und Bedeutung als Gewährleistung eines Kerngehalts des Ehe- und Familienrechts seit jeher in der Rechtsprechung des BVerfG unverändert geblieben ist, hat sich unterhalb der abstrakten Maßstabsebene im Laufe der Zeit ein fundamentaler Verständniswandel von einer gemeinschaftsbezogenen hin zu einer individuumsbezogenen Sichtweise vollzogen,457 der durch schleichende Veränderungen des normativen Umfelds von Art.  6 GG begleitet wurde.458 In früheren Entscheidungen hat das BVerfG die eheliche Lebensgemeinschaft bzw. die Familiengemeinschaft in den Vordergrund gerückt und primär dieser Gemeinschaft den verfassungsrechtlichen Schutz zukommen lassen, während die Schutzinteressen der beteiligten Individuen dahinter zurücktreten mussten. Besonders deutlich wird dies in einer Entscheidung des BVerfG zum Ehenamensrecht, in der das Gericht ausführte, dass der Gesetzgeber „[f]ür den mit §  1355 Abs.  1 und Abs.  2 S.  1 BGB verfolgten Zweck, die Zusammengehörigkeit der Familienmitglieder auch äußerlich sichtbar zu machen (…), (…) an die Wertungen des Art.  6 Abs.  1 GG anknüpfen (konnte), der das Prinzip der Einheit der Familie gewährleistet (…) und dabei die Familiengemeinschaft, nicht die einzelnen Familienangehörigen in ihrer Individualität schützt (…).“459 Diese gemeinschaftsbezogene Rechtsprechung ist – einem allgemeinen Trend entsprechend – durch die nachfolgenden Änderungen des Namensrechts jedoch relativiert worden. Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Neuordnung des Familiennamensrechts im Jahr 1994460 steht es den Ehegatten frei, ob sie einen gemeinsamen Familiennamen wählen oder nicht. Seither wird dem individuellen Persönlichkeitsrecht jedes EhegatGG Rn.  79, auch an dem Kriterium der Einehe festzuhalten, da Vielehen – wie sie selbst einräumt – mit dem Gleichberechtigungsgebot aus Art.  3 Abs.  2 S.  1 GG in Konflikt geraten. 456  Dies gilt insbesondere in Bezug auf das Gebot der Gleichberechtigung von Mann und Frau gemäß Art.  3 Abs.  2 GG. 457  Zum Verständniswandel in Bezug auf das Verhältnis von Ehe und Familie vgl. statt vieler Bumke, Institution und Intimität, in: Begegnungen im Recht (2011), S.  155 (162); Dreier/Brosius-Gersdorf, Art.  6 GG Rn.  43 ff. 458  Kritisch zu dieser Entwicklung Seiler, Ehe und Familie - noch besonders geschützt? in: Uhle (Hrsg.), Zur Disposition gestellt?, S.  37 (43 ff.); Di Fabio, NJW 2003, 993 ff. 459  BVerfG v. 8.3.1988 – 1 BvL 9/85, 1 BvL 43/86, NJW 1988, 1577. S. etwa auch BVerfG v. 29.7.1968 – 1 BvL 20/63 u. a., NJW 1968, 2233: „In allen diesen Beziehungen ist die Familie als ein geschlossener, eigenständiger Lebensbereich zu verstehen; die Verfassung verpflichtet den Staat, diese Einheit und Selbstverantwortlichkeit der Familie zu respektieren und zu fördern.“ 460  BGBl. I 1993, S.  2054; Gesetz aufgelöst durch Art.  23 des Gesetzes v. 23.11.2007, BGBl. I 2007, S.  2614 m. W. v. 30.11.2007.

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ten, das im Namen eine seiner Ausprägungen findet, mehr Gewicht eingeräumt als dem Prinzip der Einheit der Familie, das sich bis dato in einem zwingenden gemeinsamen Familiennamen ausdrückte. Der Gesetzgeber ging bei dieser ­Prioritätenverschiebung davon aus, dass der vom BVerfG betonten Wertung des Art.  6 GG zugunsten der Einheit der Familie durch die gewählte Formulierung in §  1355 Abs.  1 BGB n. F. („Die Ehegatten sollen einen gemeinsamen Familiennamen bestimmen“) weiterhin hinreichend Rechnung getragen und die Integrationsfunktion des Ehenamens, wenn auch fortan ohne Rechtszwang, für die Zukunft bewahrt werde.461 Das kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass den Rechten und Interessen des einzelnen Ehegatten im Namensrecht seither Vorrang vor den Interessen der Gemeinschaft eingeräumt wird. Nur aus einer gemeinschaftsbezogenen Betrachtungsweise erklärt sich des Weiteren, dass das BVerfG in seinem Urteil zum Stichentscheid des Vaters noch geprüft hatte, ob die dadurch eintretende Benachteiligung der Mutter durch den übergreifenden verfassungsrechtlichen Grundsatz der „Einheit der Familie“ gerechtfertigt werden könnte.462 Teilweise wird auch die Entscheidung des BVerfG zu §  1568 Abs.  2 BGB a. F. als Beleg für eine gemeinschaftsbezogene Auslegung herangezogen, mit der das Gericht die Regelung zur Befristung des Härteeinwands gegen einen Scheidungsantrag als verfassungswidrig verworfen hat.463 Nach §  1568 Abs.  2 BGB a. F. konnte ein Härteeinwand im Sinne von Abs.  1 einem Scheidungsantrag nicht mehr entgegen gehalten werden, wenn die Ehegatten länger als fünf Jahre getrennt lebten. Ein durch die Nichtigerklärung dieser Vorschrift herbeigeführter dauerhafter Vorrang der Interessen des nicht scheidungswilligen Ehegatten vor denjenigen des antragstellenden Ehegatten sei nur möglich, wenn die Aufrechterhaltung einer Ehe trotz ihres Scheiterns als gemeinschaftsbezogener Wert anerkannt und in die Abwägung einbezogen werde.464 Es erscheint jedoch zweifelhaft, ob das BVerfG mit dieser Entscheidung wirklich primär den Schutz der Ehegemeinschaft als solcher im Blick hatte. Näher liegt eine Deutung, die davon ausgeht, dass das BVerfG in Härtefallsituationen im Sinne von §  1568 Abs.  1 BGB schlicht den individuellen Interessen des sich auf einen Härtefall berufenden Ehegatten Vorrang vor den individuellen Interessen des scheidungswilligen Ehegatten eingeräumt hat. Für gemeinschaftsbezogene Erwägungen ist im Fall des Scheiterns der Ehegemeinschaft ohnehin kein Raum mehr, denn an einer rein formalen Aufrechterhaltung der Ehegemeinschaft („auf dem Papier“) 461 

BT-Drucks. 12/3163, S.  11. BVerfG v. 29.7.1959 – 1 BvR 205/58 u. a., NJW 1959, 1483 (1485 f.). 463  BVerfG v. 21.10.1980 – 1 BvR 1284/79, NJW 1981, 108. A. A., aber nur obiter, noch BVerfG v. 28.2.1980 – 1 BvL 136/78, NJW 1980, 689, wobei schon damals vier Richter die Verfassungsgemäßheit bezweifelten, die mangels Mehrheit im Senat aber nicht festgestellt werden konnte, vgl. §  15 Abs.  4 S.  3 BVerfGG. 464 So Bumke, Institution und Intimität, in: Begegnungen im Recht (2011), S.  155 (163 f.). 462 

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kann die Verfassung nicht interessiert sein.465 Der ehelichen Lebensgemeinschaft kommt zwar auch soziale und gesellschaftliche Funktion zu, sie erfüllt allein deshalb aber keinen Selbstzweck, sondern dient der individuellen Persönlichkeitsentfaltung der Ehegatten im Rahmen der selbstgewählten Lebensgemeinschaft. Die unterschiedlichen Verständnisweisen der Institutsgarantie des Art.  6 GG zeigten sich auch in der Entscheidung des BVerfG zum LPartG.466 Während die Senatsmehrheit – ausgehend von einem individuumsbezogenen Verständnis – die Institutsgarantie durch das LPartG als gar nicht tangiert ansah, wandte die Minderheit in ihren Sondervoten ein, dass der Senat einen Etikettenschwindel betreibe und die gebotene Auseinandersetzung mit der Einrichtungsgarantie vermissen lasse. Diese Ansicht der Senatsminderheit wird nur bei einer gemeinschaftsbezogenen Sichtweise verständlich, wenn man Art.  6 GG so interpretiert, dass mit dieser Garantie die Ehe mit ihren verfassungsrechtlich gewährleisteten Kerngehalten, zu denen auch die Verschiedengeschlechtlichkeit gehöre, als allein legitime Form des partnerschaftlichen Zusammenlebens festgeschrieben werden sollte. Nach diesem Verständnis werden andere Lebensgemeinschaften neben der Ehe nicht akzeptiert und dürfen deshalb auch nicht auf eine rechtliche Grundlage gestellt werden: Schaffe der Gesetzgeber eine Rechtsform partnerschaftlichen Zusammenlebens, die der Ehe vergleichbar ist, sei er nach Ansicht der Minderheit an die Strukturprinzipien des Art.  6 GG gebunden. Allein eine andere Bezeichnung für die neu geschaffene Rechtsform der Lebens­ partnerschaft könne es nicht rechtfertigen, die Institutsgarantie des Art.  6 Abs.  1 GG für nicht einschlägig zu erachten. Denn das in Art.  6 Abs.  1 GG gewähr­ leistete Institut der Ehe sei nicht nur dem Namen nach, sondern in seinen ­strukturbildenden Merkmalen vor beliebigen Dispositionen des Gesetzgebers geschützt.467 Bei diesem Verständnis ist der Gesetzgeber also gehindert, einfach-­ rechtlich eine Lebensgemeinschaft zu schaffen und auszugestalten, die das

465  Siehe BVerfG v. 28.2.1980 – 1 BvL 136/78, NJW 1980, 689 (690): „Die unbefristete Aufrechterhaltung solcher Ehen läßt sich aus Art.  6 I GG auch insoweit nicht herleiten, als dieses Grundrecht die Ehe als Rechtseinrichtung garantiert. Diese Garantie verpflichtet zwar den Gesetzgeber, die Ehe in Gestalt einer auf Lebenszeit angelegten Gemeinschaft als Bestandteil der Privatrechtsordnung zu gewährleisten. Auch die Ehe als Rechtseinrichtung darf aber nicht losgelöst davon gesehen werden, daß es sich um eine Lebensgemeinschaft zweier Partner handelt, daß sie auf deren Konsens beruht und daß zu ihrem Wesen die gelebte Verwirklichung der ehelichen Gemeinschaft gehört. Angesichts dieses starken personalen Bezugs der Institutsgarantie läßt sich aus Art.  6 I GG keinesfalls die Pflicht herleiten, gescheiterte Ehen als Zwangsgemeinschaft gegen die nachhaltige Ablehnung eines der beiden Ehegatten dauernd aufrechtzuerhalten und diesem auf Lebenszeit ein Wiederverheiratungsverbot aufzuerlegen.“ 466  BVerfG v. 17.7.2002 – 1 BvF 1/01 u. a., NJW 2002, 2543. 467 So Papier, NJW 2002, 2543 (2551), und Haas, NJW 2002, 2543 (2552), in ihren abweichenden Meinungen.

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(mittlerweile ohnehin zweifelhafte) 468 Kriterium der Verschiedengeschlechtlichkeit (oder sonstige Strukturprinzipien der Ehe) nicht erfüllt. Diese Ansicht überzeugt nicht und wird den heutigen gesellschaftlichen Realitäten nicht gerecht. Das Mehrheitsvotum im Senat, das den personalen Bezug der Institutsgarantie berücksichtigt, verdient daher Zustimmung. Danach schützt Art.  6 Abs.  1 GG bei traditionellem Verständnis nur solche Personen, die eine auf Dauer angelegte heterosexuelle Partnerschaft eingehen wollen. Für diese Personengruppe wird durch die Einführung der Regelungen zur eingetragenen Lebenspartnerschaft die Rechtslage betreffend das Institut Ehe nicht verändert: es gelten weiterhin die gleichen Rechte und Pflichten, die Voraussetzungen für die Eheschließung und deren Auflösung sind unverändert geblieben und auch im Übrigen wird die Ehe durch die Regelungen im LPartG nicht tangiert. Die Lebenspartnerschaft ist ein aliud zur Ehe, weil sie Personen betrifft, die keine Ehe schließen können; schon deshalb fällt sie nicht in den Anwendungsbereich des Art.  6 Abs.  1 GG und kann vom Gesetzgeber frei ausgestaltet werden. Dabei muss er nur beachten, dass homosexuelle Paare rechtlich nicht besser gestellt werden als Ehegatten, da er sonst die Ehegatten benachteiligt und dadurch gegen Art.  6 Abs.  1 GG verstößt. Zu Recht geht die Senatsmehrheit deshalb davon aus, dass die Institutsgarantie des Art.  6 Abs.  1 GG durch das LPartG nicht berührt ist.469 In nachfolgenden Entscheidungen hat das BVerfG bereits mehrmals dieses individuumsbezogene Verständnis bestätigt und betont, dass die am Maßstab von Art.  3 Abs.  1 GG zu beurteilende Ungleichbehandlung von Lebenspartnern nicht durch den bloßen Verweis auf die Ehe gerechtfertigt werden kann, insbesondere enthalte das aus Art.  6 Abs.  1 GG folgende Fördergebot nicht zugleich ein Benachteiligungsgebot zulasten anderer Lebensgemeinschaften: „Geht die Privilegierung der Ehe mit einer Benachteiligung anderer Lebensformen einher, obgleich diese nach dem geregelten Lebenssachverhalt und den mit der Normierung verfolgten Zielen der Ehe vergleichbar sind, rechtfertigt der bloße Verweis auf das Schutzgebot der Ehe eine solche Differenzierung nicht. Denn aus der Befugnis, in Erfüllung und Ausgestaltung des verfassungsrechtlichen Förderauftrags die Ehe gegenüber anderen Lebensformen zu privilegieren, lässt sich kein in Art.  6 Abs.  1 GG enthaltenes Gebot herleiten, andere Lebensformen gegenüber der Ehe zu benachteiligen. Es ist verfassungsrechtlich nicht begründbar, aus dem besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, dass andere Lebensgemeinschaften im Abstand zur Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten zu versehen sind (…). Hier bedarf es jenseits der bloßen Berufung auf Art.  6 Abs.  1 GG eines hinreichend gewichtigen Sachgrundes, der gemessen am jeweiligen Regelungsgegenstand und -ziel die Benachteiligung anderer Lebensformen rechtfertigt.“470 468 

Siehe dazu schon oben S. 160 ff. Bedenken gegen ehegleich ausgestaltete Ersatzregime, wie etwa in Form einer eingetragenen Partnerschaft, hat vor rechtsvergleichendem Hintergrund auch Dutta, AcP 216 (2016), 609 (622 ff., 626 ff.). 470  BVerfG v. 7.7.2009 – 1 BvR 1164/07, NJW 2010, 1439 (1442 Rn.  105) – betriebliche Hin469  Keine

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In einer weiteren Entscheidung zum LPartG ging das BVerfG sogar noch einen Schritt weiter: Obwohl es dem Gesetzgeber wegen des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe grundsätzlich nicht verwehrt ist, die Ehe gegenüber anderen (durch ein geringeres Maß an wechselseitiger Pflichtbindung geprägten) Lebensformen zu begünstigen,471 hat das BVerfG in Bezug auf Lebensformen, die wie die eingetragene Lebenspartnerschaft in vergleichbarer Weise rechtlich verbindlich verfasst sind, nicht nur eine Benachteiligung verboten, sondern sogar eine rechtliche Gleichstellung gefordert: „Der besondere Schutz, unter den Art.  6 Abs.  1 GG die Ehe als besondere Verantwortungsbeziehung stellt, rechtfertigt Besserstellungen der Ehe im Verhältnis zu ungebundenen Partnerbeziehungen (…), nicht aber ohne Weiteres auch im Verhältnis zu einer rechtlich geordneten Lebensgemeinschaft, die sich von der Ehe durch die Gleichgeschlechtlichkeit der Partner unterscheidet, wegen dieses Unterschieds mit der Ehe nicht konkurriert und dem Institut der Ehe daher auch nicht abträglich sein kann, sondern es gerade auch Personen, die wegen ihres gleichen Geschlechts eine Ehe nicht eingehen können, ermöglichen soll, eine im Wesentlichen gleichartige institutionell stabilisierte Verantwortungsbeziehung einzugehen (…).472

Die Tendenz, die gemeinschaftsbezogene Sichtweise zugunsten einer Perspek­ tive zurückzustellen, die den personalen Bezug der Institutsgarantie betont, lässt sich – neben dem schon erwähnten Beispiel des fakultativ gewordenen Familiennamens – auch an weiteren Entwicklungen im einfachen Gesetzesrecht erkennen. Ein Beispiel ist die Reform des Unterhaltsrechts 2008, wodurch die Eigenverantwortung der Partner nach Scheidung der Ehe erheblich gegenüber dem Prinzip der nachehelichen Solidarität gestärkt wurde. Der fortwirkende Gemeinschaftsgedanke verliert nachehelich an Gewicht, während die Interessen des einzelnen (scheidungswilligen) Ehegatten an Bedeutung gewinnen. Der Gesetzgeber wollte mit dieser Neuausrichtung explizit auf gesellschaftliche Veränderungen und gewandelte Wertvorstellungen reagieren.473 Im Grundsatz obliegt es seither jedem Ehegatten, nach der Ehe selbst für seinen Unterhalt zu terbliebenenversorgung. Vgl. auch BVerfG v. 21.7.2010 – 1 BvR 611/07, NJW 2010, 2783 (2785 Rn.  91) – erbschaftsteuerrechtliche Schlechterstellung; BVerfG v. 19.6.2012 – 2 BvR 1397/09, NVwZ 2012, 1304 (1307 f. Rn.  68) – beamtenrechtlicher Familienzuschlag; BVerfG v. 18.7.2012 – 1 BvL 16/11, NJW 2012, 2719 (2721 Rn.  48) – Grunderwerbsteuer; BVerfG v. 19.2.2013 – 1 BvL 1/11, 1 BvR 3247/09, NJW 2013, 847 (854 f. Rn.  98) – Sukzessivadoption; BVerfG v. 7.5.2013 – 2 BvR 909/06, NJW 2013, 2257 (2259 Rn.  84) – Ehegattensplitting. 471  So hat das BVerfG etwa eine Bevorzugung der Ehe bei der sozialrechtlichen Finanzierung einer künstlichen Befruchtung insbesondere mit Rücksicht auf die rechtlich gesicherte Verantwortungsbeziehung und Stabilitätsgewähr der Ehe als gerechtfertigt angesehen, vgl. BVerfG v. 28.2.2007 – 1 BvL 5/03, NJW 2007, 1343 (1344). 472  BVerfG v. 7.5.2013 – 2 BvR 909/06, NJW 2013, 2257 (2259 Rn.  85) – Ehegattensplitting; ebenso BVerfG v. 19.6.2012 – 2 BvR 1397/09, NVwZ 2012, 1304 (1307 f. Rn.  68). 473  BT-Drucks. 16/1830, S.  12. Der Gesetzgeber ging dabei davon aus, dass der Grundsatz der Eigenverantwortung nach der Ehe in der Bevölkerung auf eine immer größere Akzeptanz stoße; damit korrespondiere, dass ein Hauptmotiv für die Scheidung gerade bei Frauen der Wunsch nach größerer Unabhängigkeit sei.

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sorgen (§  1569 S.  1 BGB); nur in den im Gesetz genannten Fällen und unter engeren Voraussetzungen als vormals besteht ein Anspruch des bedürftigen Ehegatten auf nachehelichen Unterhalt, der sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen bemisst, aber gemäß §  1578b BGB nach Billigkeitsgesichtspunkten auf den angemessenen Lebensbedarf herabgesetzt und zeitlich befristet werden kann. Mit dieser Neuausrichtung des Unterhaltsrechts wird nicht nur ein Werte­wandel in der Gesellschaft aufgegriffen, sondern mittelbar zugleich ein neues Rollenleitbild der Ehe kreiert, das davon ausgeht, dass beide Ehegatten während bestehender Ehe erwerbstätig sind und mit Blick auf eine nie auszuschließende Scheidung ihre finanzielle Unabhängigkeit nach Möglichkeit bewahren sollten.474 Damit einher geht die Vorstellung, dass jeder Ehegatte seine individuellen (finanziellen) Interessen nicht zugunsten der Ehe- oder Familiengemeinschaft zurückstellen sollte.475 Vor dem Hintergrund steigender Scheidungsraten,476 der zunehmenden Zahl an Patchworkfamilien und Mehrfachheiraten erscheint dies nur vernünftig, auch wenn dieser Trend dazu beiträgt, dass das wechselseitige Vertrauen der Partner zueinander geschwächt wird. Die Stärkung der Eigenverantwortung im nachehelichen Unterhaltsrecht spiegelt jedenfalls beispielhaft einen allgemeinen Wandel der Einstellung zur Ehe wider, die das Individuum und nicht mehr das Kollektiv in den Vordergrund rückt.477 Im Familienrecht zeigen sich ähnliche Tendenzen: So werden die Beurteilung und Wahrnehmung des Kindeswohls immer mehr dem Wächteramt des Staates (Art.  6 Abs.  2 S.  2 GG) überantwortet und damit die Kompetenzen und die Beurteilungsprärogative der familiären Gemeinschaft geschwächt. Durch das Gesetz zur Erleichterung familiengerichtlicher Maßnahmen bei Gefährdung des Kindeswohls wurden etwa die staatlichen Eingriffsbefugnisse zu Lasten der Familie erweitert, indem der Tatbestand des neu gefassten §  1666 Abs.  1 BGB fortan auf die Voraussetzung eines „elterlichen Erziehungsversagens“ verzichtet.478 Wird das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes gefährdet und sind seine Eltern nicht gewillt oder nicht in der Lage, die Gefahr abzuwen474  Zu diesem „verschwiegenen Rollenleitbild“ Röthel, Institution und Intimität, in: Röthel/Löhnig/Helms, Ehe, Familie, Abstammung – Blicke in die Zukunkt, S.  9 (14 ff.); vgl. auch Helms, FS Spellenberg (2010), S.  27 (35 ff.). 475  Dies polemisch kritisierend Blüm, Einspruch! Wider die Willkür an deutschen Gerichten – eine Polemik, S.  121 (137 ff.). 476  Ehescheidungsanträge sind so gut wie immer „erfolgreich“; nur in ein bis zwei von eintausend Fällen wird in Deutschland ein Scheidungsantrag abgewiesen; vgl. Statistisches Bundesamt, Bevölkerung und Erwerbstätigkeit – Statistik der rechtskräftigen Beschlüsse in Eheauflösungssachen (Scheidungsstatistik), Fachserie 1 Reihe 1.4 (2013), unter 2.3: 170.033 gerichtliche Ehelösungen, 272 Abweisungen. 477  Kritisch dazu Seiler, Ehe und Familie - noch besonders geschützt? in: Uhle (Hrsg.), Zur Disposition gestellt?, S.  37 (47): „Die Perspektive verschiebt sich von der ehelichen Gemeinschaft hin zum (temporären) Miteinander, womöglich auch Nebeneinander zweier Individuen“. 478  Vgl. BT-Drucks. 16/6815, S.  7 ff.

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den, so hat das Familiengericht die Maßnahmen zu treffen, die zur Abwendung der Gefahr erforderlich sind. Durch den Verzicht auf ein konkretes Fehlverhalten und dessen Kausalität für die Kindeswohlgefährdung sollten insbesondere die Möglichkeiten zu präventivem Einschreiten bereits im Vorfeld konkreter Gefährdungen des Kindeswohls ausgeweitet werden, um dem staatlichen Wächteramt mit weniger eingriffsintensiven Maßnahmen als dem sofortigen Entzug des Sorgerechts gerecht zu werden. Im Ergebnis führt dies dazu, dass der Schutz der Familie in den erfassten Fällen zu Recht hinter den Schutz eines einzelnen Familienmitglieds zurückgestellt wird, dessen Rechte durch ein bloß repressives Einschreiten bei eingetretenem Versagen der Erziehungsberechtigten nicht hinreichend gewahrt werden würden.479 In die gleiche Richtung weist die Stärkung der Rechtsstellung des biologischen, nicht rechtlichen Vaters gegenüber der sozialen Familie durch die Einführung eines Umgangs- und Auskunftsrechts gemäß §  1686a BGB.480 Auch hier wird individuellen Rechtspositionen Vorrang vor gemeinschaftsbezogenen Interessen eingeräumt. Die Grundtendenz der neueren Gesetzgebung ist unverkennbar: Sie ist gerichtet auf zunehmende Individualisierung und versteht die Ehe und Familie immer weniger als eine Einheit, sondern als ein System von Individualbeziehungen und individuellen Rechtspositionen, das von der Institutsgarantie in seinem Kern gewährleistet wird und auf das sich das durch Art.  6 GG geschützte subjektive Freiheitsrecht bezieht. (iv) Freiheitsrecht In seiner Dimension als Freiheitsrecht enthält Art.  6 Abs.  1 GG neben den objektiv-rechtlichen Gewährleistungen auch ein subjektives Schutz- und Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe. Gewährleistet wird insbesondere die Freiheit der Entscheidung zur Eheschließung, die freie Wahl des Partners481 und die Freiheit der Ehegestaltung. Seinen spezifischen Eigenwert erlangt das Grundrecht durch die Möglichkeit der freien Entfaltung der Persönlichkeit in der Gemeinschaft bzw. in wechselseitiger Selbstbindung durch gegenseitige Verantwortungsübernahme.482 Charakteristisch für den subjektiven Schutzgehalt von Art.  6 Abs.  1 GG ist gerade die Gewährleistung der Freiheit in der Institution 479  Skeptisch gegenüber einem zu großen Vertrauen in die Leistungsfähigkeit staatlicher Interventionen zum Wohl des Kindes Seiler, Ehe und Familie - noch besonders geschützt? in: Uhle (Hrsg.), Zur Disposition gestellt?, S.  37 (50 f. m. w. N.). 480  Vgl. dazu BGH v. 5.10.2016 – XII ZB 280/15. 481 BVerfG v. 4.5.1971 – 1 BvR 636/68, NJW 1971, 1509 m. w. N. Zur Problematik der Zwangsehen siehe Gesetz zur Bekämpfung der Zwangsheirat und zum besseren Schutz der Opfer von Zwangsheirat sowie zur Änderung weiterer aufenthalts- und asylrechtlicher Vorschriften v. 23.6.2011, BGBl. I 2011, S.  1266. Dazu Eichenhofer, NVwZ 2011, 792; Sering, NJW 2011, 2161. 482  Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S.  345.

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Ehe bzw. mit Hilfe der Institution Ehe.483 Teilweise wird zwar die Ansicht vertreten, dass „in den Fällen, in denen eine Norm gleichzeitig eine Institutsgarantie enthält und subjektive Rechte begründet, die Institutsgarantie den Umfang subjektiver Rechte auf den Bereich der wesentlichen Strukturmerkmale des Instituts“ begrenze,484 bzw. dass die Ehe „nicht im Interesse der individuellen Freiheit der Ehepartner“ geschützt werde, sondern die Ehegemeinschaft im Schutzzentrum stünde.485 Dieser Ansicht, die das Schutzobjekt zum Kerngehalt des verfassungsrechtlichen Ehe- und Familienschutzes und damit zur Leitlinie der einfachrechtlichen Ausformung erklärt,486 kann jedoch nicht gefolgt werden. Die Grundrechte existieren in erster Linie im personalen Interesse der Grundrechtsträger. Beinhaltet ein Grundrecht zugleich eine Einrichtungs­ garantie, soll der Gesetzgeber dadurch zwar daran gehindert werden, die privatrechtliche Einrichtung, auf die sich der grundrechtliche Gewährleistungsgehalt bezieht, zu beseitigen oder grundlegend zu verändern, es soll jedoch nicht der Umfang und die Reichweite des Grundrechts als Freiheits- und Abwehrrecht eingeschränkt werden. Wie das BVerfG betont hat, sind die Grundrechte „[n]ach ihrer Geschichte und ihrem heutigen Inhalt (…) in erster Linie individuelle Rechte, Menschen- und Bürgerrechte, die den Schutz konkreter, besonders gefährdeter Bereiche menschlicher Freiheit zum Gegenstand haben. Die Funktion der Grundrechte als objektiver Prinzipien besteht in der prinzipiellen Verstärkung ihrer Geltungskraft (…), hat jedoch ihre Wurzel in dieser primären Bedeutung.“487 Mit der historischen Funktion und Zweckrichtung der Institutsgarantie488 wäre es unvereinbar, ihr heute eine den Schutzbereich eines Grundrechts einschränkende Wirkung beizumessen. Sie garantiert zwar den unveränderten Bestand gewisser privatrechtlicher Einrichtungen in ihren Kernstrukturen, die auch der Disposition der Ehegatten entzogen sind, soll damit aber nur dem einzelnen Grundrechtsträger einen Lebensbereich gewährleisten, in dem er eine bestimmte, verfassungsrechtlich geschützte Freiheit individuell ausleben und ausgestalten kann. Zweck der Institutsgarantie ist mithin nicht der Schutz der Institution als solcher, sondern der Schutz der einzelnen Grundrechtsträger in dem institutionell gewährleisteten Freiheitsbereich.489 „Dem 483 

Hufen, Staatsrecht II, §  5 Rn.  18. So Maunz/Dürig/Maunz, 18. Ergänzungslieferung 1980, Art.  6 GG Rn.  1. 485 Dreier/Brosius-Gersdorf, Art.  6 GG Rn.  48. 486  In diese Richtung aus jüngerer Zeit aber auch Seiler, Ehe und Familie - noch besonders geschützt? in: Uhle (Hrsg.), Zur Disposition gestellt?, S.  37 (38). 487  BVerfG v. 1.3.1979 – 1 BvR 532 u. a., NJW 1979, 699 (702) m. w. N.; vgl. auch BVerfG v. 4.4.2006 – 1 BvR 518/02, NJW 2006, 1939 (1945 Rn.  129). 488  Siehe oben Kap.  3 C.III.2.a)(4)(a)(iii), S. 158 f. 489  Vgl. auch Alexy, Theorie der Grundrechte, S.  4 41 ff., der ein subjektives Recht auf die Existenz privatrechtlicher Rechtsinstitute annimmt und eine derartige „Subjektivierung“ sogar für grundrechtlich geboten erachtet: „Es gibt nicht erstens objektive Institutsgarantien, die durch die Sicherung eines Grundbestandes von Normen der Sicherung von Grundrechten dienen, und zweitens Grundrechte als subjektive Rechte, die auf diese Weise gesichert wer484 

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Grundgedanken der institutionellen Garantie und der individualrechtlichen Ausrichtung des Grundrechtsschutzes wird (…) nur derjenige gerecht, der strikt den Schutz des Individuums in der Institution in den Mittelpunkt stellt.“490 Dieses individuumsbezogene Verständnis von Art.  6 Abs.  1 GG, das sich – wie gezeigt – auch in der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und im einfachen Gesetzesrecht immer mehr durchsetzt, entspricht dem der Würde und Freiheit des Menschen verpflichteten Grundkonzept der Verfassung.491 Dabei darf allerdings nicht übersehen werden bzw. in Vergessenheit geraten, dass das individuelle Grundrecht seinen vollen Wert nur dann entfalten kann, wenn der Gegenstand, auf den sich das Grundrecht bezieht, d. h. die Ehe als Institution, in ihren Grundstrukturen ebenfalls geschützt wird. Durchaus bemerkenswert ist außerdem, dass der freiheitliche Grundrechtsschutz nicht nur gegen konkret-individuelle Akte der Rechtsprechung oder Verwaltung gerichtet ist, sondern auch gegen eingreifende Gesetze, die mit den Schutzgehalten und bindenden Strukturmerkmalen von Art.  6 Abs.  1 GG unvereinbar sind. Eine Missachtung der objektiven Garantiebindung durch den Gesetzgeber kann der Einzelne aber nur geltend machen, wenn er eine eigene Betroffenheit durch eine bestimmte generell-abstrakte Regelung nachweisen kann. Daran fehlt es in Bezug auf solche gesetzlichen Vorschriften, die lediglich begriffskonstituierende Merkmale der Ehe im Sinne von Art.  6 Abs.  1 GG umsetzen und die geschützte Lebensform in ihren tatbestandlichen Voraussetzungen absteckt, wie etwa der Grundsatz der Lebenslänglichkeit (§  1353 Abs.  1 S.  1 BGB) oder die Prinzipien der Einehe (§  1306 BGB) und (nach h. M.) der Verschiedengeschlechtlichkeit (arg. e contrario: LPartG).492 Praktisch relevant wird das abwehrrechtliche Freiheitsrecht daher in erster Linie, wenn es um die grundrechtliche Gewährleistung des Art.  6 GG in ihrem Schutzgehalt auf autonome Inhaltsgestaltung der ehelichen Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft geht. Art.  6 Abs.  1 GG garantiert als Abwehrrecht „die Freiheit, über die den, sondern auf die Geltung der privatrechtlichen Normen, die notwendig sind, damit das, was das Grundrecht garantiert, möglich ist, besteht ein subjektives Recht. Institutsgarantien erweisen sich damit als dogmatisch überflüssige Konstruktionen…Die dargelegte Auffassung führt also nicht zu einem weniger an grundrechtlicher Absicherung privatrechtlicher Rechtsinstitute. Sie fügt der bloß objektiven Absicherung die Subjektivierung hinzu. Diese Hinzufügung ist unerläßlich, wenn Grundrechte als individuelle Rechte ernst genommen werden sollen“, S.  4 43 f. 490  Hufen, Staatsrecht II, §  5 Rn.  18. Ebenso für ein individuumsbezogenes Verständnis Bumke, Institution und Intimität, in: Begegnungen im Recht (2011), S.  155 (165 f.); Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S.  345; Friauf, NJW 1986, 2595 (2600 f.); Hufen, Staatsrecht II, §  5 Rn.  18; für ein freiheitlich-liberales Grundverständnis auch Rauscher, FamR, Rn.  231. Für ein gemeinschaftsbezogenes Verständnis hingegen Dreier/Brosius-Gersdorf, Art.  6 GG Rn.  48 („Die Ehe ist nicht im Interesse der individuellen Freiheit der Ehepartner geschützt, sondern im Schutzzentrum steht die Ehegemeinschaft.“); Seiler, Ehe und Familie - noch besonders geschützt? in: Uhle (Hrsg.), Zur Disposition gestellt?, S.  37 (43 ff.). 491  Bumke, Institution und Intimität, in: Begegnungen im Recht (2011), S.  155 (166). 492  Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S.  343 f.

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Art und Weise der Gestaltung des ehelichen und familiären Zusammenlebens selbst zu entscheiden. Deshalb hat der Staat die Ehe- und Familiengemeinschaft sowohl im immateriell-persönlichen als auch im materiell-wirtschaftlichen Bereich in ihrer jeweiligen eigenständigen und selbstverantwortlichen Ausgestaltung zu respektieren.“493 Die Ehegatten bestimmen in gleichberechtigter Partnerschaft ihre persönliche und wirtschaftliche Lebensführung; auch die Aufgabenverteilung in der Ehe unterliegt ihrer freien Entscheidung.494 Diese dem freiheitsrechtlichen Charakter von Art.  6 Abs.  1 GG entspringende Kompetenz zur eigenverantwortlichen Ausgestaltung ihrer Lebensgemeinschaft tritt offensichtlich in Konkurrenz und bisweilen in Konflikt mit dem aus der Institutsgarantie folgenden Ausgestaltungsauftrag an den Gesetzgeber. Hier wird die Komplexität der verschiedenen Grundrechtsdimensionen besonders augenfällig: Inwieweit darf der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich zulässiger oder sogar gebotener Weise zur Ausgestaltung des Instituts der Ehe einfach-rechtliche Regelungen schaffen bzw. wo ist die Schnittstelle, ab der gesetzliche Vorschriften eine unzulässige und damit verfassungswidrige Beschränkung der individuellen Freiheit bewirken? Ein Ausgestaltungsmonopol steht dem Gesetzgeber nicht nur im Hinblick auf die einfach-rechtliche Konkretisierung der den verfassungsrechtlichen Ehebegriff konstituierenden Merkmale zu, sondern auch in Bezug auf die Zugangsvoraussetzungen zur Ehe, einschließlich der Eheverbote. Hier hat der Gesetzgeber einen erheblichen Gestaltungsspielraum, z. B. bei der Regelung der Form der Eheschließung (§§  1310–1312 BGB), der Ehemündigkeit und der Voraussetzungen der Auflösung der Ehe. Dennoch können „zu strenge oder zu geringe Sach- oder Formvoraussetzungen der Eheschließung mit der Freiheit der Eheschließung oder anderen sich aus der Verfassung selbst ergebenden Strukturprinzipien der Ehe unvereinbar sein.“495 Da den Ehegatten insofern kein Recht zur eigenständigen Gestaltung zukommt, stellt sich hier allein die Frage, wann der Gesetzgeber noch rein umsetzend tätig wird und welche Regelungen bereits in das vorbehaltlos gewährleistete Freiheitsrecht auf Zugang zur Ehe eingreifen, die nur zulässig sind, wenn sie aufgrund verfassungsimmanenter Schranken gerechtfertigt sind. Dabei wird man all jene Regelungen, die Strukturprinzipien umsetzen und die Funktion der Ehe als Beistands- und Verantwortungsgemeinschaft gewährleisten wollen, als zulässige Ausgestaltungsnormen ansehen 493  BVerfG v. 9.11.2011 – 1 BvR 1853/11, NJW 2012, 214 (215 Rn.  12); ebenso BVerfG v. 6.6.2011 – 1 BvR 2712/09, NJW 2011, 2869 (2870 Rn.  9); BVerfG v. 17.5.2011 – 2 BvR 1367/10, NVwZ-RR 2011, 585 (586); BVerfG v. 3.11.1982 – 1 BvR 620/78 u. a., NJW 1983, 271 (272); BVerfG v. 18.7.1979 – 1 BvR 650/77, NJW 1980, 514 (515); BVerfG v. 28.2.1980 – 1 BvL 17/77 u. a., NJW 1980, 692 (694). 494  BVerfG v. 17.5.2011 – 2 BvR 1367/10, NVwZ-RR 2011, 585 (586); BVerfG v. 3.11.1982 – 1 BvR 620/78 u. a., NJW 1983, 271 (272); BVerfG v. 28.2.1980 – 1 BvL 17/77 u. a., NJW 1980, 692 (694). 495  BVerfG v. 4.5.1971 – 1 BvR 636/68, NJW 1971, 1509 (1510).

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müssen (z. B. Ehefähigkeit, §§  1303 f. BGB, Eheverbot der Mehrehe, §  1306 ­BGB).496 Sobald mit gesetzlichen Regelungen jedoch Zwecke verfolgt werden, die nicht nur das Zustandekommen einer dem verfassungsrechtlichen Verständnis entsprechenden ehelichen Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft sicherstel­len wollen (z. B. die Eheverbote der §§  1307 f. BGB), greifen sie in die Eheschließungsfreiheit der Grundrechtsträger ein und müssen zum Schutze kollidierender Grundrechte Dritter oder anderer wichtiger Verfassungsgüter gerechtfertigt sein.497 Weitaus schwieriger ist demgegenüber die Auflösung des Kompetenzkonflikts zwischen eigenverantwortlicher und gesetzlicher Ausgestaltung in Bezug auf den Inhalt der ehelichen Lebensgemeinschaft. Virulent wird hier das Verhältnis zwischen dem subjektiven Freiheitsrecht auf der einen Seite und der Institutsgarantie als objektiv-rechtlicher Gewährleistungsdimension auf der anderen Seite. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Grundsatz der Autonomie in Bezug auf die inhaltliche Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft zugleich ein institutionell abgesichertes Strukturprinzip der Gewährleistung aus Art.  6 Abs.  1 GG ist, an das der Gesetzgeber gebunden ist; andererseits muss er durch die einfach-rechtlichen Vorschriften gewährleisten, dass die Ehe auch nach einer individuellen inhaltlichen Ausgestaltung dem verfassungsrecht­lichen Grundverständnis und ihrer Funktion entsprechend eine Verantwortungsgemeinschaft bleibt. Den Ehegatten insofern völlig freie Hand zu lassen, so dass auch das Charakteristikum der Verantwortungsgemeinschaft zur Disposition der Ehegatten gestellt wäre, würde die Institutsgarantie verletzen. Die „spezifische Eigenart der Freiheit in der Ehe, die gerade in der gegenseitigen Selbstbindung und Verantwortungsübernahme liegt,“498 kann nicht so weit gehen, dass die übernommene Verantwortung kraft einvernehmlicher Ausgestaltung der Ehegatten auf Null reduziert werden kann. Deshalb ist der Gesetzgeber nicht nur berechtigt, sondern sogar durch die Institutsgarantie verpflichtet, gewisse, nicht derogierbare Pflichtbindungen zwischen den Ehegatten gesetzlich vorzuschreiben, die dem verfassungsrechtlichen Verständnis der Ehe als Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft Rechnung tragen. Namentlich die gesetzliche Unterhaltspflicht zwischen Ehegatten (§§  1360 ff. BGB) stellt deshalb nicht etwa einen Eingriff in das Freiheitsrecht, sondern eine zulässige Inhaltsbestimmung in Ausgestaltung des Instituts dar,499 das die Ehe als Statusverhältnis von unverbindlichen Formen des Zusammenlebens unterscheidet und abgrenzt. Auch im persönlichen Bereich entspricht es freilich dem Verfassungsverständnis von der Ehe, dass die Ehegatten einander in gelebter gegenseitiger Verantwortung Beistand leisten (was sich einfach-rechtlich etwa in der strafrechtli496 

So auch Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S.  346. Im Ergebnis ebenso Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S.  346. 498  Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S.  347. 499 Ebenso Rauscher, FamR, Rn.  234. 497 

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chen Garantenstellung niederschlägt) 500 . Allerdings ist zu berücksichtigen, dass bei der Konkretisierung des institutionell abgesicherten Strukturprinzips der Verantwortungsgemeinschaft auch der Freiheitscharakter des Grundrechts und die übrigen Verfassungsbestimmungen in den Blick genommen werden müssen.501 Für den höchstpersönlichen Bereich folgt aus Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG nach der Sphärentheorie des BVerfG, dass jegliche staatlichen Interventionen in die Intimsphäre untersagt sind und im Bereich der Privatsphäre nur ausnahmsweise – keinesfalls aber abstrakt-generell – gerechtfertigt sein können. Im persönlichen Bereich kann das grundrechtliche Bild der Verantwortungsgemeinschaft daher nicht mehr als eine Verfassungserwartung sein, die der Gesetzgeber nicht durch konkrete Inhaltsbestimmungen verbindlich machen kann. Beschränkt auf den personenrechtlichen Bereich ist Matthias Cornils daher zuzustimmen, dass das Wesenselement der gegenseitigen Selbstbindung in der Ehegemeinschaft „und damit zugleich das Gelingen der Lebensform Ehe – jedenfalls in einer auf Freiheitlichkeit angelegten Ordnung – durch die staatliche Gemeinschaft und ihre Verfassung nicht garantiert und schon gar nicht vorgeschrieben, sondern als Verfassungserwartung nurmehr erhofft werden kann.“502 Ihm ist jedoch aus den genannten Gründen zu widersprechen, soweit er uneingeschränkt, also auch für die vermögensrechtlichen Pflichtbindungen, davon ausgeht, dass das Autonomieprinzip die Erfüllung der für die Ehe charakteristischen Verantwortungsdimension der individuellen Gestaltung durch die Grundrechtsberechtigten vorbehält und den Staat insoweit zur Enthaltsamkeit verpflichtet.503 In dem dargelegten Umfang findet vielmehr die individuelle Ausgestaltung ihre Grenzen in dem verfassungsrechtlichen Rahmen, ebenso wie die individuelle Freiheit jedes Ehegatten an den zwingenden einfach-rechtlichen Normen sowie den wechselseitig gesetzten Pflichten und Erwartungen der Ehegatten 504 ihre Schranken findet.505 Es kann also festgehalten werden, dass Art.  6 Abs.  1 GG in seiner freiheitsrechtlichen Dimension den Ehegatten die Ausgestaltung der Ehe im persönlichen Innenbereich nach individuellen Vorstellungen vorbehält, während der Gesetzgeber unter Rückgriff auf die Institutsgarantie inhaltsbestimmend tätig werden darf, um über vermögensmäßige Pflichten die Ehe als Verantwortungsgemeinschaft zu gewährleisten.506 An diesem Maßstab müssen sich die beste500 

Dazu umfassend Geilen, FamRZ 1961, 147. Vgl. oben bei Fn.  436. 502  Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S.  348. 503  Cornils, Ausgestaltung der Grundrechte, S.  347 f. 504  Zum gegenseitigen Einvernehmen siehen noch unten Kap.  3 C.III.4., S. 254 ff. 505 Ebenso Rauscher, FamR, Rn.  233 f., der darauf gestützt ein interindividuelles Eheverständnis vertritt. 506  Friauf, NJW 1986, 2595 (2601): „Der staatliche Einfluß auf die konkrete Ausgestaltung einer Ehe reicht indessen nicht weiter, als das durch die Wahrung der formalisierten, instituts501 

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henden einfach-rechtlichen Regelungen zur Pflichtbindung in der ehelichen Lebensgemeinschaft messen lassen. (v) Fazit Aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben lässt sich ableiten, dass die einfach-rechtliche Ausgestaltung des Instituts Ehe nicht dem Schutz der Ehegemeinschaft als solcher, sondern dem Schutz der Grundrechtsberechtigten verpflichtet ist. Es lässt sich daher nicht überzeugend argumentieren, dass es im Innenverhältnis selbst im höchstpersönlichen Bereich Rechtspflichten zwischen den Ehegatten geben müsste, um die Ehegemeinschaft vor internen Gefährdungen zu schützen; 507 im Gegenteil wäre dies nach hier vertretenem Verständnis – wie gezeigt – verfassungswidrig. Art.  6 Abs.  1 GG ist ein Individualrecht, das zwar u. a. auch auf Schutz und Förderung der Gemeinschaft gerichtet ist, aber nicht die Gemeinschaft unabhängig von den beteiligten bzw. sogar vor den beteiligten Ehegatten schützt.508 Die Aufrechterhaltung einer Lebensgemeinschaft, die von den Ehegatten nicht (mehr) gewollt und gelebt wird, ist nicht im Interesse der Verfassung.509 Vielmehr garantiert Art.  6 Abs.  1 GG dem Einzelnen die Freiheit, nach Maßgabe des einfachen Gesetzesrechts eine für besonders schutz- und förderwürdig angesehene Lebensgemeinschaft eingehen zu können, die in ihren Grundstrukturen gewährleistet und vorgegeben wird, aber innerhalb dieses institutionell verbindlich vorgegebenen Rahmens – jedenfalls was den höchstpersönlichen Bereich anbelangt – von den Ehegatten im gegenseitigen Einvernehmen und nach deren individuellem Selbstverständnis ausgestaltet werden kann.510 (b) Der rechtsfreie Raum – die Lehre vom „Schwellenrecht“ Vor dem Hintergrund des Gewährleistungsgehalts von Art.  6 Abs.  1 GG wird deutlich, dass es im Ehe- und Familienrecht einen heteronom rechtsfreien Bereich geben muss, in den „Gesetzgebung und Rechtsprechung weder aus eigener Befugnis noch im Willen des oder der Beteiligten eingreifen dürfen.“511 Zu ­diesem Ergebnis – wenn auch mit anderer Begründung – sind bereits Comes512 und – ihm folgend, seine Überlegungen aber speziell für Ehevereinbarungen mäßig vorgegebenen Ehekriterien bedingt ist (…) Darüber hinaus darf der verfassungsmäßige Ehebegriff jedoch nicht inhaltlich materialisiert oder funktionalisiert werden.“ 507  Vgl. oben Fn.  403. 508  A. A. Dreier/Brosius-Gersdorf, Art.  6 GG Rn.  48. 509  A. A. noch BGH v. 26.6.1952 – IV ZR 228/51, NJW 1952, 975. 510  In diesem Sinne auch Rauscher, FamR, Rn.  233 f. 511  So die Definition des rechtsfreien Bereichs bei Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  48, wo also „die Autonomie des einzelnen unbedingt vorgeht, wo keine oder im Verhältnis dazu nur ganz geringe Fremdbetroffenheit auszumachen ist.“ 512  Comes, Der rechtsfreie Raum, passim.

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fortentwickelnd – Hepting513 gekommen, die versucht haben, die Grenze zwischen Recht und rechtsfreiem Bereich samt der dazwischen liegenden Abstufungen anhand des sogenannten „Schwellenrechts“ zu ziehen. Deren Überlegungen, die vor allem aus rechtstheoretischer Sicht interessant sind, lassen sich rechtsdogmatisch jedoch nur mit den dargelegten verfassungsrechtlichen Grundsätzen begründen und rechtfertigen. Denn die Aufgabe, einen „rechtsfreien Raum“ zu definieren, fällt nicht der Rechtstheorie, sondern allein dem Verfassungsrecht zu, im Ehe- bzw. Familienrecht also namentlich der Interpretation von Art.  6 GG und Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG. Im Folgenden sollen deshalb die gefundenen Ergebnisse zum Gewährleistungsgehalt von Art.  6 Abs.  1 GG unter Darstellung der wesentlichen Argumentationslinien der Lehre vom „Schwellenrecht“ auf die Probe gestellt werden. (i) Die „Normativität“ des rechtsfreien Raums Schon Larenz hat den rechtsfreien Raum (verstanden als einen dem einfachen Gesetzgeber nicht zugänglichen Bereich) „in einem normativen Sinn“ definiert als einen Lebensbereich, der nicht etwa nur tatsächlich rechtlich (noch) nicht geregelt ist, sondern der einer rechtlichen Regelung seiner Natur nach nicht zugänglich ist, oder von einer solchen doch freigehalten werden sollte.514 Daraus ließen sich die zwei wesentlichen Gesichtspunkte ableiten, welche die Existenz rechtsfreier Räume rechtfertigen: die Unmöglichkeit und die Ungeeignetheit einer gesetzlichen Normierung.515 „Unmöglich“ soll eine rechtliche Regelung in Bezug auf „(r)ein innerseelische Vorgänge und Verhaltensweisen, Gedanken, Empfindungen, Meinungen, Glaubensüberzeugungen, Sympathien und Antipathien“ sein, da diese „ihrer Natur nach einer rechtlichen Regelung nicht zugänglich [sind]. Sie können zwar in Verbindung mit solchen Handlungen, in denen sie sich äußern, von der Rechtsordnung gewertet werden,516 sind aber als solche kein Gegenstand rechtlicher Regelung.“517 Gemeint ist damit keine ontologische Unmöglichkeit, die es selbst dem unklugen Gesetzgeber faktisch verwehrt, rechtliche Regelungen aufzustellen, sondern eher ein „Nicht-Dürfen“ von zwingender Evidenz,518 die den klugen Gesetzgeber von rechtlichen Regelungen absehen lässt. Der zweite Gesichtspunkt der Ungeeignetheit bezieht sich dagegen auf Sachverhalte und Verhaltensweisen, die zwar zwischenmenschliche Beziehungen betreffen und insofern nicht a priori einem gesetzlichen Zugriff entzogen sind, aber „nach der Anschauung der jeweiligen Rechts- und Kultur513 

Hepting, Ehevereinbarungen, S.  190 ff. Larenz, Methodenlehre, S.  371. 515  Hepting, Ehevereinbarungen, S.  191. 516  Beispiel: Bewertung als Mord bei Tötung aus niedrigen Beweggründen in §  211 Abs.  2 StGB (Fußnote nicht im Original). 517  Larenz, Methodenlehre, S.  371. 518 Richtig Hepting, Ehevereinbarungen, S.  190 Fn.  59. 514 Vgl.

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gemeinschaft entweder ungeregelt oder der Regelung durch andere Sozialnormen, etwa der Sitte oder des Anstandes, überlassen“ bleiben sollen. „Der Versuch, hier mit rechtlichen Regelungen einzugreifen, würde die mit diesen Worten gemeinten menschlichen Werte geradezu zerstören.“519 Diese normative Sichtweise soll es nach der Lehre vom „Schwellenrecht“ ermöglichen, mit Hilfe allgemeiner Wertentscheidungen und Grundsätze, die ihrerseits Bestandteil des Rechts sind, Abgrenzungskriterien zu ermitteln, die den rechtsfrei-sittlichen vom rechtlich determinierten Raum trennen. Ungenügend soll eine rein empirische Herangehensweise sein, denn bei der Definition des „rechtsfreien Raums“ gehe es nicht darum, herauszufinden, in welchen Lebensbereichen eine Regelungslücke besteht,520 sondern darum, welche Sachverhalte und Lebensverhältnisse von rechtlichen Regelungen freizuhalten oder zu befreien sind, weil sie dem Recht generell nicht zugänglich sind oder das Recht ungeeignet ist, sie sachgerecht zu erfassen. Comes führt dazu aus: „Die empirische Untersuchung mag zu dem Ergebnis kommen, daß eine Norm bisher nicht vorhanden ist. Sie sagt aber nichts darüber aus, ob der Gesetzgeber den Bereich, den noch rechtsleeren Raum regeln darf oder nicht, ob der Richter in ihn hineinjudizieren darf oder nicht, ob dort eine privatautonome Rechtsetzung (durch Verträge) zulässig ist oder nicht. Das ist vielmehr Sache einer normativen Fragestellung und eines normativen Urteils. Dabei ist auch die Feststellung nicht ausgeschlossen, daß zwar eine Rechtsnorm vorliegt, daß diese aber nicht zulässig ist, weil sie in einen rechtsfreien Raum hineinragt.“521 Genau dies gilt es insbesondere für §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB herauszufinden, wobei die für die Definition bzw. Bestimmung des rechtsfreien Raums maßgeblichen Wertentscheidungen und Grundsätze nach hier vertretener Ansicht allein aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben abgeleitet werden können. Als Ausfluss des Grundrechtskatalogs sind die normativen Wertungen ihrerseits Bestandteil des Rechts. Recht in diesem Sinne meint nicht das Sachrecht, das als „Komplementärbegriff“522 gleichgeordnet neben dem rechtsfreien Raum steht und die Summe aller rechtlichen Vorschriften bildet, die bestimmte Fragen und Problemkomplexe in der Sache rechtlich regeln. Gemeint sind vielmehr jene aus der Verfassung abzuleitenden normativen Wertungen unserer Rechtsordnung, mit deren Hilfe sich die Grenze zwischen den beiden Bereichen bestimmen lässt.

519 

Larenz, Methodenlehre, S.  371. Monographisch dazu Canaris, Feststellung von Lücken im Gesetz, passim. 521  Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  21 f., siehe auch S.  107: „Ein nicht normativer, rein empirischer rechtsfreier Raum wäre … bloß noch ein ‚Nicht‘-, oder besser: ein ‚Noch-Nicht‘-, nur negativ bestimmbar, jederzeit vom Recht ausfüllbar und damit aufhebbar, dessen Übergriffen wehrlos ausgesetzt.“ 522  Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  23; Hepting, Ehevereinbarungen, S.  192. 520 

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(ii) Die Kriterien zur Abgrenzung des rechtlichen vom rechtsfreien Raum – das sog. „Schwellenrecht“ Auch Comes und Hepting bestimmen den rechtsfreien Raum anhand normativer Wertentscheidungen, wobei Hepting diesen (er spricht – in der Sache zu eng – von „Normen“) die Funktion von „Kollisionsnormen“ zuweist, wie sie aus dem Internationalen Privatrecht bekannt sind.523 Es handele sich um übergeordnete rechtliche Maßstäbe, die nicht in einem Konkurrenz-, sondern in einem Abhängigkeitsverhältnis stünden, und die bestimmten, welche Sachverhalte dem rechtsfrei-sittlichen Bereich zuzurechnen und welche rechtlicher Regelung zugänglich sind. Comes524 und – ihm folgend – Hepting525 sprechen insofern von „Schwellenrecht“: „Die Existenz eines Schwellenrechts entspricht der Erkenntnis, daß man einen rechtsfreien Raum nicht aus sich selbst heraus, insbesondere nicht aus den ihn ausfüllenden außerrechtlichen sozialen Normen selbst rechtfertigen und abgrenzen kann, sondern daß seine Bestimmung ein Rechtsproblem ist.“526 Die Lehre vom „Schwellenrecht“ sieht sich jedoch vor die erhebliche Schwierigkeit gestellt, die normativen Wertungen dogmatisch fundiert herauszuarbeiten, anhand derer die Abgrenzung des rechtsfreien vom rechtlich determinierten Bereich zu erfolgen hat. Nach Canaris soll Maßstab dieser Wertungen nur der „Wille der gesamten Rechtsordnung sein.“ Daraus folgert er, dass „die Grenze zwischen beiden Bereichen durch das positive Recht jeweils verschoben werden kann, daß dieses also die Macht hat, das Gebiet des rechtlich Irrelevanten zu vergrößern oder zu verkleinern.“527 Diese Sichtweise berücksichtigt jedoch zu wenig, dass die Grenzziehung nicht erst durch den einfachen Gesetzgeber, sondern richtigerweise bereits durch die Wertungen des Grundrechtskatalogs erfolgt, an die der einfache Gesetzgeber gebunden ist; überschreitet er die verfassungsrechtlich vorgegebenen Grenzen durch gesetzliche Normsetzung im an sich rechtsfreien Raum, so handelt er rechts- bzw. verfassungswidrig. Comes hat einzelne Leitgedanken herausgearbeitet, mit deren Hilfe das „Schwellenrecht“ die Grenze zwischen Recht und rechtsfreiem Bereich normativ ziehen könne. Nach seiner Ansicht tun sich rechtsfreie Räume dort auf, „wo die Erfordernisse des Zusammenlebens zurücktreten hinter dem Gegengewicht, das der Aufgabe des Rechts Grenzen setzt: der Autonomie des Individuums.“528 Er ordnet den beiden gegeneinander abzugrenzenden Bereichen also zwei korrespondierende materielle Prinzipien zu, nämlich einmal den ausrei523 

Hepting, Ehevereinbarungen, S.  192. Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  22, 107 f. 525  Hepting, Ehevereinbarungen, S.  191 ff. 526  Hepting, Ehevereinbarungen, S.  192 (Hervorhebung im Original). 527  Canaris, Feststellung von Lücken im Gesetz, S.  43. 528  Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  39. 524 

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chenden „Sozialbezug“529, der rechtliche Regelungen legitimiert, und zum anderen die „individuelle Autonomie“, die im Falle ihres Dominierens einen rechtsfreien Raum begründet. Mit dieser Gegenüberstellung ist allerdings noch nichts dazu ausgesagt, wie bzw. anhand welcher Kriterien diese materiellen Leitgedanken der Abgrenzung ihrerseits zu quantifizieren sind, um eine Abwägung vornehmen zu können. Insofern stellt Comes vor allem „auf die jeweiligen Auswirkungen des fraglichen Sachverhaltes einerseits, der (potentiellen) rechtlichen Regelung andererseits“ sowie die daraus resultierenden Betroffenheiten ab.530 Maßgeblich sei auf der einen Seite die individuelle Betroffenheit, auf der anderen Seite die Fremdbetroffenheit, die in jedem Fall eigenständig zu bewerten seien, und zwar sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht. Es gehe nicht etwa darum, bestimmte persönliche Verhältnisse, Lebensbereiche oder soziale Erscheinungen generell dem einen oder anderen Bereich zuzuordnen, entscheidend sei vielmehr, wie (intensiv) die Beteiligten von einem Sachverhalt bzw. einer (potentiellen) gesetzlichen Vorschrift konkret betroffen sind. Dabei sei die Intensität der individuellen Betroffenheit umso größer, je stärker in den persönlichen Autonomiebereich eingegriffen wird. Im höchstpersönlichen Bereich stehen das Selbstbestimmungsrecht, die individuelle Persönlichkeit, die „Unantastbarkeit der existentiellen Integrität“531 im Regelfall derart im Vordergrund, dass eine etwaige Betroffenheit eines anderen dahinter gänzlich zurücktritt und sich eine heteronome rechtliche Regelung verbietet.532 Die von Comes vorgeschlagene Abwägung läuft in der Sache auf eine Abwägung der im Einzelfall betroffenen Grundrechtspositionen der Beteiligten hinaus. Das Recht hat „lediglich“ die Aufgabe, in Fällen gegenläufiger Interessen für Gerechtigkeit inter partes zu sorgen sowie sozialschädliches Verhalten zu unterbinden; insofern darf es vor allem dann in Grundrechtspositionen eingreifen, wenn dies zum Schutz der Interessen eines Individuums geboten erscheint. Das gilt insbesondere im vermögensrechtlichen Bereich, der sich – anders als die komplexen individuell-persönlichen Betroffenheiten – durch das Sachrecht objektiv-abstrakt bewerten lässt; hier muss ein gerechter und verlässlicher Ausgleich zwischen den beteiligten Interessen geschaffen werden. Wenn jedoch allein höchstpersönliche Fragen in Rede stehen, geht die durch Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG geschützte Autonomie des Individuums grundsätzlich vor, und zwar selbst dann, wenn mittelbar auch jemand anderes betroffen ist oder sich betroffen fühlt; denn in die höchstpersönliche Sphäre eines Menschen darf nicht durch staatliche Eingriffe eingedrungen werden. In solchen Konstellationen verbieten die Grundrechte eine heteronome rechtliche Regelung und 529 Dazu

Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  41 ff. Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  41. 531  Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  99. 532  Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  58 ff., 99 ff. 530 

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begründen damit einen rechtsfreien, für den einfachen Gesetzgeber unzugänglichen Raum. Das bedeutet allerdings nicht, dass der rechtsfreie Raum deshalb ein Vakuum wäre: „Der rechtsfreie Raum ist … nicht bloße Negation, kein reines Nichts. Es wimmelt darin von anderen Verhaltensnormen, Wertordnungen“,533 insbesondere solchen der Sitte und Moral, die jedoch rechtlich nicht relevant sind. Diese Differenzierung fällt nicht immer leicht, sie ist aber gerade im Ehe- und Fami­ lienrecht von entscheidender Bedeutung. Das Verhalten eines Ehegatten kann moralisch zutiefst verwerflich und zu missbilligen sein, während sich das Recht einer Bewertung zu enthalten hat. In der Konsequenz gewinnt die eigenverantwortliche Entscheidung des Individuums im rechtsfreien Bereich mehr Raum.534 Sobald dadurch jedoch grundrechtlich geschützte Interessen des jeweils anderen Ehegatten beeinträchtigt werden, also mit den Worten vom Comes ein hinreichender Sozialbezug entsteht, darf das Recht zum Schutz dieser Interessen eingreifen. (iii) Die „Relativität“ des rechtsfreien Raums Wie bei allen Wertungs- und Abwägungsentscheidungen ist auch die Abgrenzung des rechtsfreien vom rechtlichen Bereich – selbst wenn man diese Aufgabe mit der hier vertretenen Ansicht dem Verfassungsrecht zuweist – stets mit Unsicherheiten behaftet, zumal die Grenze nicht klar zwischen Schwarz und Weiß trennt, sondern es einen erheblichen Graubereich gibt.535 Hinzu kommt außerdem, dass es eine „völlige“ Rechtsfreiheit wohl in keinem Bereich gibt, was die Nachvollziehbarkeit des rechtsfreien Raums zusätzlich erschwert. Eingängiger wird das Phänomen, wenn man sich die Relativität das rechtsfreien Raums vor Augen führt: „je nachdem, von welchem Standpunkt – innerhalb der Rechtsordnung – man eine Frage beurteilt, kann sie [rechtlich] erheblich oder unerheblich sein.“536 Einige Beispiele mögen dies verdeutlichen: So gibt es etwa Sachverhalte, die zwar zivilrechtlich erfasst werden, strafrechtlich hingegen rechtsfrei sind (z. B. der Tatbestand des Familiendiebstahls, §  823 Abs.  1 BGB vs. §  247 StGB). Nach der Rechtsprechung und Literatur existieren persönliche Ehepflichten, die allerdings nicht mit staatlichem Zwang durchgesetzt werden können; damit werden zwar „rechtszwangfreie“, aber nicht „rechtsnormfreie“ Räume in der Ehe geschaffen.537 Selbst innerhalb des Bürgerlichen Rechts zeigt 533 

Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  23. Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  23. 535  Auf die Frage, ob die Ehegatten die Grenze zwischen rechtlichem und rechtsfreiem Bereich durch autonomen Akt in die eine oder andere Richtung verschieben können, wird im Rahmen des ehelichen Einvernehmens noch eingegangen, vgl. Kap.  3 C.III.4., S. 254 ff. 536  Canaris, Feststellung von Lücken im Gesetz, S.  41, der dem Begriff „rechtsfreier Raum“ die Funktion einer negativen Prozessvoraussetzung zuweist. 537 So Hepting, Ehevereinbarungen, S.  200. 534 

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sich die Relativität des rechtsfreien Raums beispielsweise daran, dass auch in höchstpersönlichen Beziehungen, wie etwa Freundschaften, aus denen sich der Gesetzgeber inhaltlich-gestalterisch herauszuhalten hat, selbstverständlich das Deliktsrecht eingreift, wenn absolut geschützte Rechtsgüter in Gefahr geraten.538 Der rechtsfreie Raum knüpft mithin innerhalb ein und desselben Sachverhalts relativ anders an als der rechtliche Bereich; welcher maßgeblich ist, muss für jeden Einzelaspekt eines Sachverhalts jeweils eigenständig anhand der grundrechtlichen Wertungen untersucht werden.539 Deshalb kann auch zusammengehöriges Verhalten unter einem Aspekt rechtlicher Bewertung zugänglich, unter einem anderen Aspekt hingegen rechtsfrei sein. Der „völlig“ rechtsfreie Raum ist mithin wohl „nicht mehr als ein Idealtypus“,540 der die Komplexität der Lebenswirklichkeit und unseres Rechtssystems nicht hinreichend widerspiegelt. Denn „[d]ie verschiedensten Lebensbereiche, Handlungsfelder, Betroffenheiten können ineinander übergreifen. Ihre Überlagerungen, Durchdringungen, Interaktionen haben die Relativität rechtsfreier Räume … zur Folge.“541 Diese Erkenntnis wird bei der Analyse des Eherechts noch besonders hilfreich sein, denn sie beschränkt den rechtsfreien Bereich wirklich nur auf diejenigen Aspekte, in denen die individuelle Autonomie (Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG) Vorrang genießt, ohne gleich den ganzen Sachverhalt dem Recht zu entziehen. (c) Rechtsfreier Raum im Ehepersonenrecht – Analyse der geläufigsten Einzelausprägungen des §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB (i) Überblick Mit Hilfe dieser bisher gewonnenen Erkenntnisse soll nun versucht werden, das heteronome Pflichtenprogramm der Ehe gemäß §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB in das Spannungsfeld von Recht und rechtsfreiem Raum einzuordnen.542 Seit jeher werden aus der Generalklausel des §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB eine Reihe von Einzelpflichten abgeleitet. Schon die Materialien zum BGB gingen davon aus, dass sich die Pflichten „zu gegenseitiger Treue, zu gegenseitigem Beistande, zum Zusammenleben und zur Leistung der ehelichen Pflicht (…) aus dem Begriffe der ehelichen Lebensgemeinschaft von selbst ergeben“.543 Auch der Gesetzgeber des 1. EheRG 1977 ging davon aus, dass die Ehegatten nicht nur zur häuslichen Gemeinschaft, sondern auch „zu gegenseitiger Achtung und zu ehelicher Treue verpflichtet“ sowie gehalten sind, „sich allen wichtigen gemeinsamen Angele538 

So auch Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  19, 110; Hepting, Ehevereinbarungen, S.  194. Hepting, Ehevereinbarungen, S.  193. 540  Hepting, Ehevereinbarungen, S.  194. 541  Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  110. 542  Siehe dazu auch Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  73 ff. 543  Mugdan, Motive zum BGB IV, S.  58. 539 

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genheiten in partnerschaftlichem Zusammenstehen zu widmen, um Zustimmung des anderen und Gemeinsamkeit bemüht zu sein und einander nach Kräften beizustehen und zu helfen.“544 Schaut man in die heutige Kommentarliteratur und Rechtsprechung, so werden neben der Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft545 und der Pflicht zur ehelichen Treue546 noch weitere Einzelpflichten auf §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB zurückgeführt, wie namentlich, wenn auch ohne Anspruch auf Vollständigkeit: 547 die Pflicht zur Geschlechtsgemeinschaft,548 die Pflicht zur gegenseitigen Liebe und Achtung,549 die Pflicht zum Festhalten an Absprachen über die Familienplanung,550 die Pflicht zur einvernehmlichen Funktionsteilung (Haushaltsführung/Berufstätigkeit),551 die Pflicht zur Verständigungsbereitschaft in allen gemeinschaftlichen Angelegenheiten,552 die 544 Bericht des Rechtsauschusses zum Entwurf eines 1. EheRG vom 28.11.1975, BTDrucks. 7/4361, S.  6 , 7. 545  BGH v. 13.12.1989 – IVb ZR 79/89, NJW 1990, 1847 (1849); Jauernig/Budzikiewicz, §  1353 Rn.  3 ; Palandt/Brudermüller, §  1353 Rn.  6 ; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  51 f.; BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  5 ff.; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  34; Schwab, Familienrecht, Rn.  108; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  69 ff. 546 Jauernig/Budzikiewicz, §  1353 Rn.  3 ; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  4 –6 (auch jeder Umgang, der nur den „bösen Schein“ eines Treubruchs hervorruft, sei unzulässig), Rn.  41 („Fundamentalpflicht“); BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  9 ; Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  41; Lüke, AcP 178 (1978), 1 (6); MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  40; Schwab, Familienrecht, Rn.  108; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  25a, 29 ff. Zweifelnd Palandt/Brudermüller, §  1353 Rn.  7. 547  Dabei gibt es teilweise inhaltliche Überschneidungen der Einzelpflichten, die nicht zuletzt durch unterschiedliche Formulierungen bei inhaltlicher Übereinstimmung entstehen. 548 Jauernig/Budzikiewicz, §   1353 Rn.   3; Rolland/Brudermüller, Familienrecht (1993), §  1353 Rn.  9 (unter Hinweis darauf, dass diese Streitfrage praktisch dahinstehen könne, weil die Rechtspflicht zur Geschlechtsgemeinschaft ohnehin nicht Gegenstand einer Herstellungsklage sein könne); BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  9 (sofern keine anderweitige Vereinbarung oder Rücksichtnahme gebietenden Gründe bestehen); Schwab, Familienrecht, Rn.  108. Zweifelnd Palandt/Brudermüller, §  1353 Rn.  7. Eine Pflicht wohl ablehnend, aber dennoch rechtliche Folgen an eine willkürliche Verweigerung knüpfend Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  33 ff. Eine Pflicht ablehnend Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  40; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  41. 549 Jauernig/Budzikiewicz, §  1353 Rn.  3 ; Lüke, AcP 178 (1978), 1 (6); Stake, JA 1994, 115 (116). A. A. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  50; Grziwotz, DNotZ-Sonderheft 1998, 228 (279); MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  26. 550  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  5 4 f.; Grziwotz, FamRZ 2002, 1154 (1156); BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  11, 13 (Vereinbarung sei zwar unverbindlich, deshalb fehle solchen Abreden jedoch nicht jegliche Rechtswirkung; Handeln entgegen der Abrede sei daher pflichtwidrig, ziehe aber keine Sanktionen nach sich); ebenso MüKoBGB/ Roth, §  1353 Rn.  42; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  38 ff. A. A. Palandt/Brudermüller, §  1353 Rn.  7; Soergel/M. Lipp, §   1353 Rn.   42. Dazu noch ausführlich unten Kap.   3 C.III.3.c), S. 211 ff. 551 Palandt/Brudermüller, §  1353 Rn.  8 ; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  27; Schwab, Familien­ recht, Rn.  116 ff. 552 Jauernig/Budzikiewicz, §  1353 Rn.  3 ; Palandt/Brudermüller, §  1353 Rn.  8 ; Gernhuber/ Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  50; BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  30; MüKoBGB/­ Roth, §  1353 Rn.  27; Schwab, Familienrecht, Rn.  109; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  63 ff.

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Pflicht zur Mitarbeit im Beruf oder Geschäft des anderen Ehegatten,553 die Pflicht zur Gestattung der Mitbenutzung von Wohnung und Hausrat,554 die Pflicht zur Kindererziehung/-betreuung,555 die Pflicht zu gegenseitigem Beistand,556 die Pflicht zur Verhinderung von Straftaten,557 die Pflicht zu Verständnis- und Kompromissbereitschaft,558 die Pflicht zur Achtung der Persönlichkeit des anderen,559 die Pflicht zur Respektierung der Privatsphäre des anderen,560 die Pflicht zur Respektierung der religiösen, weltanschaulichen und politischen Anschauung des anderen,561 die Pflicht zur Rücksichtnahme,562 auch auf Verwandte des anderen Ehegatten,563 die Pflicht zur Mitwirkung in vermögensrechtlichen Fragen,564 die Pflicht zur Unterrichtung und Auskunftserteilung über die finanziellen Verhältnisse.565 553 Jauernig/Budzikiewicz, §  1353 Rn.  5 ; Palandt/Brudermüller, §  1353 Rn.  8 ; Gernhuber/ Coester-Waltjen, Familienrecht, §  20 Rn.  17 ff.; BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  31; Soergel/­ M. Lipp, §  1353 Rn.  55. Einschränkend Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  86 (nur in eng begrenzten Ausnahmefällen, d. h. Notsituationen). 554 Jauernig/Budzikiewicz, §  1353 Rn.  4 ; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  19 Rn.  24; Dethloff, Familienrecht, §  4 Rn.  22 ff.; Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  37; MüKoBGB/ Roth, §  1353 Rn.  35 f.; Schwab, Familienrecht, Rn.  110 f.; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  79 ff. 555 Palandt/Brudermüller, §  1353 Rn.  8 (auch solcher Kinder, die aus einer anderen Beziehung stammen und einvernehmlich in die Gemeinschaft aufgenommen wurden). 556 Jauernig/Budzikiewicz, §  1353 Rn.  3 ; Palandt/Brudermüller, §  1353 Rn.  9 m. zahlr. Beispielen; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  49; BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  15 ff.; Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  43; Lüke, AcP 178 (1978), 1 (6); MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  31; Schwab, Familienrecht, Rn.  112; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  53 ff. 557  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  49; BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  17; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  32. 558  Relativierend MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  26 („Letztlich drückt sich allerdings auch hier eher ein Appell aus als eine Rechtspflicht“). 559 Palandt/Brudermüller, §   1353 Rn.  10; Soergel/ M. Lipp, §  1353 Rn.  49; MüKoBGB/ Roth, §  1353 Rn.  29; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  46. 560 Jauernig/Budzikiewicz, §   1353 Rn.   3; MüKoBGB/Roth, §   1353 Rn.   29; Staudinger/­ Voppel, §  1353 Rn.  47. 561  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  2–3; BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  28; Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  51; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  30; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  50 ff. 562 Palandt/Brudermüller, §  1353 Rn.  10; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  50; BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  26; Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  50; Schwab, Familien­ recht, Rn.  113; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  43 ff. 563 Jauernig/Budzikiewicz, §  1353 Rn.  3 ; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  53; BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  19 (bzgl. (Stief-)Kindern); Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  47; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  28; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  4 4 f. 564 Jauernig/Budzikiewicz, §  1353 Rn.  4 ; Palandt/Brudermüller, §  1353 Rn.  11 f.; BeckOKBGB/Hahn, §  1353 Rn.  20; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  37 ff.; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  88 ff. (vermögensrechtliche Rücksichtnahme). 565 Ausführlich Erbarth, FamRZ 2015, 1944 ff.; siehe auch Jauernig/Budzikiewicz, §  1353 Rn.  4 ; Palandt/Brudermüller, §  1353 Rn.  13; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  41, §  19 Rn.  17 f.; BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  21 f.; Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  60; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  38; Schwab, Familienrecht, Rn.  114; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  97 f.

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Diese akribische Verrechtlichung des großteils höchstpersönlichen Bereichs dürfte bei vielen Nichtjuristen zumindest Unbehagen auslösen, entspricht es doch eher dem Verständnis eines Laien, die Ehe – außerhalb von finanziellen Fragen – als Ort der privaten, individuellen und autonomen Selbstverwirklichung der Ehegatten zu verstehen. Allerdings ist die Ehe als solche – einschließlich ihres Pflichtenkanons – ein rechtliches Konstrukt, das nicht zuletzt unter dem „besonderen Schutze der staatlichen Ordnung“ steht (Art.  6 Abs.  1 GG). Schon deshalb kann sie – wie ausgeführt – nicht allein der Autonomie und Privatheit der Ehegatten überlassen werden. Dennoch stößt sie gerade im Ehe­ personenrecht an die Grenze zum rechtsfreien Bereich. Wo die Grenzlinie ­zwischen Recht und rechtsfreier Privatsphäre verläuft, muss anhand der grundrechtlichen Vorgaben von Art.  6 GG und Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG eruiert werden. Angesichts der Tatsache, dass der Gesetzgeber bewusst auf eine detaillierte einfach-gesetzliche Ausgestaltung der „Pflicht“ zur ehelichen Lebensgemeinschaft verzichtet hat, begegnet es zumindest Skepsis, dass die Literatur im Wege der Auslegung doch wieder unzählige Einzelpflichten in §  1353 BGB hineinliest. Im Folgenden soll daher beispielhaft untersucht werden, ob sich die praktisch einhellig zum unantastbaren Kerngehalt und „Minimalinhalt“ der bürgerlichen Ehe gerechneten beiden Pflichten der Ehegatten zur häuslichen Gemeinschaft und zur ehelichen Treue – vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Erwägungen – begründen lassen oder ob diese die Grenzen zum rechtsfreien, dem einfachen Gesetzgeber unzugänglichen Raum überschreiten. (ii) Insbesondere: Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft Ein Leben in häuslicher Gemeinschaft wird als prägendes Element der Ehe angesehen. Die eheliche Lebensgemeinschaft könne sich grundsätzlich nur in häuslicher Gemeinschaft verwirklichen; aus §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB folge grundsätzlich die Verpflichtung der Ehegatten, die häusliche Gemeinschaft zu begründen.566 Schon durch die wiederholte Verwendung des Wortes „grundsätzlich“ wird jedoch angedeutet, dass es davon Ausnahmen geben muss. Eine Lebensgemeinschaft liegt in der Tat nur vor, wenn die Beteiligten ihr Leben miteinander teilen, und es lässt sich nicht bestreiten, dass ein getrenntes Wohnen zwangsläufig zumindest Teilbereiche des privaten Lebens aus der Beziehung zum anderen Ehegatten ausklammert.567 Allerdings lässt sich dem entgegnen, dass eine „vollwertige“ Lebensgemeinschaft auch dann bestehen kann, wenn die Ehegatten nicht jeden Teilbereich ihres privaten Lebens miteinander teilen; schließlich bleibt jeder Ehegatte auch nach der Heirat eine selbständige Persönlichkeit mit individuellen Interessen und Bedürfnissen. Angesichts der Vielfalt 566 

So etwa Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  70 m. w. N. Kappler, Kontrolle von Ehevereinbarungen, S.  42 Fn.  280.

567 So

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der Ausgestaltungsmöglichkeiten des Ehelebens kommt es in der heutigen Gesellschaft nicht selten vor, dass insbesondere aus beruflichen Gründen ein Zusammenleben „unter einem Dach“ nicht immer möglich ist. Selbst wenn ein Ehegatte ein räumliches Getrenntleben ablehnt, sind die individuellen Interessen jedes Ehegatten an beruflicher Selbstverwirklichung oder sonstige Gründe, die einem häuslichen Zusammenleben entgegenstehen, zu respektieren (Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG).568 Eine eheliche Lebensgemeinschaft kann ­deshalb auch dann bestehen, wenn die Ehegatten etwa zeitweise (z. B. an den Wochenenden) zusammenleben und/oder jedenfalls eine mentale Beistandsgemeinschaft bilden, zumal die heutigen Fernkommunikationsmittel auch bei räumlicher Distanz eine (emotionale) Teilhabe am Leben des anderen ermöglichen. Ob bei Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft die zwischen den Ehegatten gewählte Ausgestaltung ihres Zusammenlebens, die nach dem verfassungsrechtlichen Gewährleistungsgehalt von Art.  6 Abs.  1 GG allein ihnen obliegt, das Kriterium einer Lebensgemeinschaft erfüllt, ist eine Frage des Einzelfalls,569 wobei auch die subjektive Einstellung der Ehegatten eine gewichtige Rolle spielt. Die maßgeblichen Kriterien hat das Bundesverwaltungsgericht – im Zusammenhang mit aufenthaltsrechtlichen Fragen – wie folgt zusammengefasst: „Selbst wenn Eheleute typischerweise ihren Lebensmittelpunkt in einer gemeinsamen Wohnung haben, kann eine eheliche Lebensgemeinschaft auch dann bestehen, wenn die Eheleute – etwa aus beruflichen Gründen – in getrennten Wohnungen leben oder aus gewichtigen Gründen – Berufstätigkeit, Inhaftierung – wenig persönlichen Kontakt haben. In einem derartigen Fall ist allerdings erforderlich, dass das Bestehen einer über eine bloße Begegnungsgemeinschaft hinausreichenden familiären Beistandsgemeinschaft auf andere Weise erkennbar sichergestellt ist, etwa durch eine jedenfalls erforderliche intensive Kommunikation zwischen den Eheleuten als Indiz für eine gemeinsame Lebensgestaltung, durch Beistandsleistungen oder Besuche im Rahmen des Möglichen (…). Maßgeblich ist der nachweisbar betätigte Wille, mit der Partnerin bzw. dem Partner als wesentlicher Bezugsperson ein gemeinsames Leben zu führen. Ob dieser Wille vorliegt und praktiziert wird, ist allerdings eine Frage des jeweiligen Einzelfalls; die abstrakte Festlegung weiterer (…) Kriterien für das Maß an tatsächlicher Verbundenheit zwischen den Eheleuten ist nicht möglich.“570

Von einer rechtlichen Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft kann im Rahmen von §  1353 BGB daher keine Rede sein, wovon offensichtlich auch der Gesetz568  Zur Weigerung eines Ehegatten zur Begründung eines gemeinsamen Wohnsitzes unter dem Gesichtspunkt eines ehelichen Fehlverhaltens im Sinne von §§  1353 Abs.  1 S.  2, 1579 Nr.  6 a. F. (Nr.  7 n. F.) BGB siehe BGH v. 11.2.1987 – IVb ZR 15/86, NJW 1987, 1761 (1762): „Kommt es zu keinem Einvernehmen (in Bezug auf die Wahl eines gemeinsamen Wohnsitzes), weil sich beide Seiten auf beachtliche Gründe für die Beibehaltung ihres bisherigen Wohnsitzes berufen, haben sie das grundsätzlich gegenseitig hinzunehmen.“ 569  Diese Frage kann mit einem Herstellungsantrag im Rahmen eines Verfahrens in sonstigen Familiensachen gemäß §  266 Abs.  1 Nr.  2 FamFG klarstellend geklärt werden. Wo die Grenzen verlaufen, lässt sich jedoch nicht pauschal beantworten. 570  BVerwG v. 22.5.2013 – 1 B 25/12, BayVBl 2014, 56 (57).

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geber ausgeht: Nach der gesetzlichen Regelung zum Getrenntleben im Sinne von §  1567 Abs.  1 S.  1 BGB, leben die Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und (!) ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will. Allein die Existenz dieser Norm lässt darauf schließen, dass der Gesetzgeber zwar im Regelfall von einer häuslichen Gemeinschaft ausgeht, deren Nichtbestehen als solches jedoch der Annahme einer intakten Ehe nicht entgegensteht, solange beide Ehegatten an der ehelichen Lebensgemeinschaft festhalten. Hier zeigt sich deutlich, wie gewisse gesellschaftliche Vorstellungen von der Ehe, die einem verbreiteten Selbstverständnis von dieser Paarbeziehung entsprechen mögen, unreflektiert auf die rechtliche Ebene übertragen werden, obwohl es bei der konkreten Ausgestaltung einer gelebten Beziehung um höchstpersönliche Fragen geht, die außer den Beteiligten niemanden – und schon gar nicht den Gesetzgeber – etwas angehen. (iii) Insbesondere: Pflicht zur ehelichen Treue Noch deutlicher wird dies bei der „Pflicht“ zur ehelichen Treue, die in unserem Kulturkreis nach laienmäßigem Verständnis von der Ehe wohl am weitesten konsensfähig ist. Jedenfalls entspricht es dem Selbstverständnis vieler Ehegatten, dass ihre Beziehung eine exklusive Lebens- und Intimgemeinschaft ist. Rechtfertigt dies jedoch die Annahme, dass es sich bei der ehelichen Treue um eine rechtliche Pflicht handelt, die gegebenenfalls sogar vor einem Richter zu verantworten sein soll? Soll es wirklich Sache eines Gerichts sein, Maßstäbe für den ehelichen Geschlechtsverkehr zu setzen? Keinesfalls überzeugt es, die eheliche Treue als indisponible eheliche Pflicht anzusehen.571 Dies mag zwar im Regelfall (stillschweigende) Übereinkunft bzw. Erwartung der Ehegatten bei Eheschließung sein, es wäre jedoch realitätsfremd, den Ehegatten gesetzlich zu verbieten, diesbezüglich eine abweichende Vereinbarung zu treffen. Sind beide Ehegatten einverstanden, dass sie eine „offene Ehe“ führen, so kann dennoch zwischen ihnen eine harmonische und innige eheliche Lebensgemeinschaft bestehen, die vielleicht sogar glücklicher und zufriedener ist als so manch „klassische Ehe“. Aber auch, wenn die Ehegatten diesbezüglich keine Abrede treffen, ist es fraglich, ob es Sache des Rechts ist, den Ehegatten in diesem Punkt Vorschriften zu machen. Nicht mehr vertretbar ist es heute jedenfalls, aus der ehelichen Lebensgemeinschaft eine rechtliche Pflicht zum Geschlechtsverkehr mit dem anderen Ehegatten zu folgern.572 Wie schon dargelegt, führt selbst die umfassende 571  Ebenso Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  40; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  41; Kappler, Kontrolle von Ehevereinbarungen, S.  43. 572  So aber noch die in Fn.  2 28 zitierte Entscheidung des BGH v. 2.11.1966 – IV ZR 239/65, NJW 1967, 1078 (1079). Eine dauerhafte Verweigerung des Geschlechtsverkehrs kann allerdings ebenso wie die Unterhaltung einer außerehelichen Sexualbeziehung zum Scheitern der Ehe i. S. v. §  1565 Abs.  1 S.  2 BGB führen.

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eheliche Lebensgemeinschaft nicht dazu, dass die Beteiligten ihre Individualität und ihr Selbstbestimmungsrecht in höchstpersönlichen Angelegenheiten, insbesondere der Intimsphäre, verlieren. Die Intimsphäre ist der Wesensgehalt des aus Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG abgeleiteten allgemeinen Persönlichkeitsrechts und kennzeichnet den unantastbaren Bereich der Persönlichkeit, der jeglichem Eingriff durch die öffentliche Gewalt verschlossen ist.573 Im Bereich der Intimsphäre ist deshalb nur in sehr engen Grenzen denkbar, dass es ein berechtigtes Interesse des Staates gibt, den Ehegatten irgendwelche Verhaltens­ vorschriften zu machen,574 zumal eine Abwägung mit öffentlichen Interessen nicht stattfindet.575 Eine gesetzliche Verpflichtung zur Geschlechtsgemeinschaft wür­de daher gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Ehegatten verstoßen. Der Intimbereich steht außerhalb des gesetzlichen Pflichtenverhältnisses zwischen den Ehegatten. Dementsprechend entzieht sich auch die eheliche Treue einer verbindlichen rechtlichen Regelung. Es fällt in den höchstpersönlichen Autonomiebereich ­jedes Ehegatten und damit den Schutzbereich von Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG, ob und mit wem er eine Sexualbeziehung unterhält, auch wenn der andere Ehegatte davon mittelbar mit betroffen ist. Hinzu kommt, dass rechtliche Ge- und Verbote ungeeignet sind, derartige zwischenmenschliche Konflikte zu lösen.576 Verhaltensregeln im höchstpersönlichen Bereich, wie die eheliche Treue, werden von Ehegatten nicht deshalb befolgt, weil sie das Gesetz dazu formal verpflichtet, sondern weil und solange das entsprechende Verhalten dem Selbstverständnis und der inneren Überzeugung der Ehegatten entspricht. „Treueschwüre mögen noch so ernst gemeint sein; sie sind wertlos, sobald ihre seelisch-gefühlsmäßige Grundlage zerstört ist.“577 Woher das Selbstverständnis kommt und wie weit das Selbstverständnis in konkreten Situationen reicht, hängt maßgeblich von subjektiven Prägungen und Einstellungen und nicht zuletzt auch von der „Qualität“ der Beziehung zum anderen Ehegatten ab. Die Inhalte, die Ehegatten ihrer Lebensgemeinschaft im höchstpersönlichen Bereich geben, sind heutzutage so vielgestaltig und individuell geworden wie die 573  BVerfG v. 16.1.1957 – 1 BvR 253/56 (Elfes), NJW 1957, 297 (298); BVerfG v. 5.6.1973 – 1 BvR 536/72 (Lebach), NJW 1973, 1226 (1230); BVerfG v. 14.9.1989 – 2 BvR 1062/87, NJW 1990, 563 m. w. N. (Verwertung tagebuchähnlicher Aufzeichnungen). 574  Unbedenklich sind etwa die strafrechtlichen Bestimmungen zur sexuellen Nötigung und Vergewaltigung (§§  177 ff. StGB), die selbstverständlich auch zwischen Ehegatten gelten und dem Schutz der sexuellen Selbstbestimmung des Opfers dienen. 575 Legitime öffentliche Interessen an rechtlichen Regeln bestehen erst und allenfalls, wenn finanzielle Interessen ins Spiel kommen. 576  Comes, Der rechtsfreie Raum, S.   89: „[W]egen der überragenden Autonomieforderung, mangels vergleichsweise erheblicher sozialer Erfordernisse und mangels Eignung des rechtlichen Instrumentariums kann es nicht Sache des Rechts sein, eheliche Treue durchzusetzen oder auch nur zu befehlen.“ 577  Hepting, Ehevereinbarungen, S.  209.

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Gründe für oder gegen die Eingehung einer Ehe.578 Verobjektivierbare, allgemeingültige und allgemein akzeptierte Erwartungen an das Intimverhältnis der Ehegatten lassen sich heute kaum noch formulieren und dürfen deshalb auch nicht in die Generalklausel hineingelesen werden. „Die perfekteste Regelung wäre grobschlächtig gegenüber den wirklich entscheidenden Motivationen, Umständen, Reaktionen, den ‚seelischen Imponderabilien‘. Die gesetzestreueste, jeder ‚Verfehlung‘ bare Ehe kann doch eine sehr unglückliche Ehe sein. Das Recht ist nicht in der Lage, glückliche und gute Ehen zu schaffen oder nur zu erhalten, nicht das Gesetzesrecht und – vielleicht erst recht – nicht das regel­ mäßig erst ‚hinterherkommende‘ Richterrecht.“579 Die eheliche Treue ist eben „nur“ eine sittlich-moralische Verpflichtung der Ehegatten, die mit den Kategorien des Rechts nicht vorgeschrieben und erst recht nicht durchgesetzt werden kann. „Denn dort, wo freie sittliche Entscheidung und eine eheliche Gesinnung notwendig sind, haben bereits die Gebote des staatlichen Rechts keinen Raum – nicht erst der Zwang rechtlicher Sanktionen. Eine ‚freie‘ sittliche Entscheidung [rechtlich] zu gebieten, ist ein Widerspruch in sich.“580 (iv) Fazit Selbst wenn man es prinzipiell für sinnvoll erachten würde, dass die Rechtsordnung den Ehegatten ein verabsolutiertes Lebensideal der lebenslangen Partnerschaft in häuslicher Gemeinschaft und ehelicher Treue vorgibt, so würden dahingehende Rechtspflichten, die im Streitfall nicht durchgesetzt werden könnten (vgl. §  120 Abs.  3 FamFG), allenfalls als rechtliche Appelle wirken.581 Anne ­Röthel hat diesen Gedanken konsequent zu Ende geführt und daraus den richtigen Schluss gezogen, dass eine Rechtsordnung, die den Ehegatten im höchstpersönlichen Bereich rechtliche Pflichten allein „um der Ehe willen“ auferlegt, 578  Röthel, Institution und Intimität, in: Röthel/Löhnig/Helms, Ehe, Familie, Abstammung – Blicke in die Zukunkt, S.  9 (28). 579  Comes, Der rechtsfreie Raum, S.   80, 90: „Die vielberufene ‚Objektivität‘ ist ein zu zweifelhafter Maßstab zur Beurteilung von Zerrüttungen, von Eheverfehlungen, von Verschulden gar, kurz: für die Bestimmung von Eheinhalten nicht geeignet. Die wesentlichen Wertungen können und sollen nur von den unmittelbar Beteiligten getroffen werden. Wendet man demgegenüber ein, daß gerade die Beteiligten manches einseitig, verzerrt, zu vorbelastet, im Ergebnis also falsch sehen, so ist das nicht ganz richtig, weil für das persönliche Zweierverhältnis Ehe gerade diese Sicht entscheidend ist, in die hinein das Verhalten des Partners wirkt und aus der heraus die Reaktionen erfolgen. Es geht nicht an, demgegenüber ein vorgeblich objektives Ehemodell durchzusetzen, das im Grund nichts anderes als fremde Wertungen enthält: die Wertungen der Durchsetzenden, insbesondere der entscheidenden Richter.“ 580  Hepting, Ehevereinbarungen, S.   201. Seiner eigenen Argumentation widersprechend zählt er die Pflicht zur sexuellen Treue (neben dem Lebenszeitprinzip und der prinzipiellen Gleichrangigkeit der Ehegatten) jedoch letztlich dennoch zum Bereich zwingenden Rechts (S.  224). 581  Röthel, Institution und Intimität, in: Röthel/Löhnig/Helms, Ehe, Familie, Abstammung – Blicke in die Zukunkt, S.  9 (28).

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langfristig totes Recht erzeugen wird.582 Dies bestätigt sich daran, dass es in der Praxis seit der Einführung des Zerrüttungsprinzips keine veröffentlichten Herstellungsklagen gestützt auf §  1353 BGB mehr gab, die rein personenrechtliche Pflichten zum Gegenstand haben.583 Es erscheint auch wenig sinnvoll, in diesen Fällen eine Klagemöglichkeit bereit zu halten. Sind die Meinungsverschiedenheiten zwischen den Ehegatten in Bezug auf den Bestand oder Umfang einer persönlichen Ehepflicht so groß geworden, dass einer sich zur Klageerhebung entschließt, wird eine Zerrüttung der Ehe nicht mehr fern sein, die einen Herstellungsanspruch gemäß §  1353 Abs.  2 BGB ausschließt. Erreicht werden könnte lediglich die Feststellung bzw. Klarstellung, ob und inwieweit der andere Ehegatte seinen „ehelichen Pflichten“ zuwider gehandelt hat – wofür dem Richter aber rechtliche Maßstäbe und Richtlinien fehlen. Ist ein Ehegatte nicht freiwillig bereit, den Wünschen des anderen entsprechend z. B. eine außereheliche Sexualbeziehung zu unterlassen, so wird er sich kaum von einer nicht durchsetzbaren Gerichtsentscheidung eines Besseren belehren lassen. Eine Auslegung von §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB, die auch im höchstpersönlichen Bereich echte Rechtspflichten zwischen den Ehegatten annimmt, überschreitet die grundrechtlich abgesteckten Grenzen zum rechtsfreien Raum und ist daher unzulässig. Das gilt nicht nur für die untersuchten, nach weit verbreiteter Ansicht zum indisponiblen Kerngehalt der ehelichen Lebensgemeinschaft gehörenden „Pflichten“ zur häuslichen Gemeinschaft und zur ehelichen Treue, sondern für alle ehelichen „Rechte“ und „Pflichten“, die an der von Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG geschützten Persönlichkeit und individuellen Autonomie des einzelnen Ehegatten rütteln. Auch wenn man mit der hier vertretenen Ansicht ehespezifisches, den höchstpersönlichen Bereich betreffendes Verhalten dem rechtsfreien Bereich zuordnet, so bedeutet dies allerdings nicht, dass damit in unmittelbarem Zusammenhang stehendes Verhalten im Rahmen eines zu beurteilenden Sachverhalts ebenfalls rechtlicher Bewertung entzogen wäre, denn die Relativität des rechtsfreien Raums ermöglicht eine differenzierte Beurteilung. Insbesondere dann, wenn ein Verhalten (auch) vermögenswerte Interessen des anderen Ehegatten (mit-) betrifft, besteht ein hinreichender Sozialbezug, der eine Interessenabwägung und in der Folge eine rechtliche Regelung zum Schutz des (finanziell) betroffenen Ehegatten gebieten kann.584 582  Röthel, Institution und Intimität, in: Röthel/Löhnig/Helms, Ehe, Familie, Abstammung – Blicke in die Zukunkt, S.  9 (28), formuliert in Bezug auf die eheliche Treue. 583  In der Rechtsprechung wird §  1353 BGB nur im Zusammenhang mit vermögensrechtlichen Aspekten praktisch relevant, z. B. als Grundlage der Pflicht zur Mitwirkung an einer gemeinsamen steuerlichen Veranlagung, vgl. etwa BGH v. 18.11.2009 – XII ZR 173/06, NJW 2010, 1879 m. w. N. 584  Zum Eingreifen von Rücksichtnahmepflichten im Sinne von §   241 Abs.  2 BGB siehe unten Kap.  3 C.III.3., S. 197 ff.

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(d) Ergebnis Mit Comes bleibt festzuhalten, dass „[d]as Recht (…) seine Grenzen nicht erst (dann überschreitet), wenn es ‚eheliche Gesinnung‘ oder gar Liebe befiehlt.585 Es hat vielmehr in allen überwiegend persönlichen Fragen die [zu ergänzen ist: von Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  2 GG geschützte] 586 Autonomie der Partner zu respektieren, d. h. deren Freiheit von fremder Setzung der Eheinhalte, aber auch von staatlicher Festschreibung der selbst gesetzten Inhalte. Weder die Vereinbarung einer bestimmten Gestaltung der Ehe, noch ein längeres Verhalten und darauf gründende Gewohnheiten, Vertrauenstatbestände usw. können eine rechtliche Bindung in diesen Bereichen legitimieren. Die Gestaltungsfreiheit umfaßt auch die heute und morgen zu fällenden Entscheidungen, ist auf die Dauer, die Entwicklung der Ehe gerichtet und nicht durch deren Vergangenheit begrenzt. Diese Ehe und diese Freiheiten in der Ehe sind gemäß Art.  6 Abs.  1 GG Gegenstand staatlichen Schutzes.“587 Dies ist bei der Deutung der einfachrechtlichen Umsetzung und Ausgestaltung der Ehe zu berücksichtigen. (5) Einfach-rechtliche Ausgestaltung der Ehe auf der Grundlage eines individuumsbezogenen Verständnisses der Institutsgarantie Die Ausführungen zu den verfassungsrechtlichen Vorgaben haben gezeigt, dass bei einem individuumsbezogenen Verständnis der Institutsgarantie die inhalt­ liche Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft im höchstpersönlichen Bereich der Autonomie der Ehegatten überlassen werden muss. Art.  6 Abs.  1 GG verbürgt den Ehegatten insofern einen Freiheitsraum, den der Gesetzgeber nicht durch verbindlich vorgegebene Rechtspflichten ausgestalten darf. Gleichwohl normiert §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB gerade für den (höchst)persönlichen Bereich die „Pflicht“ zur ehelichen Lebensgemeinschaft. Bezeichnenderweise hat der Gesetzgeber jedoch weder näher konkretisiert, was er unter einer ehelichen Lebensgemeinschaft versteht, noch zu welchem konkreten Verhalten die Ehegatten durch die Generalklausel „verpflichtet“ werden sollen. Nach dem BVerfG ist die Ehe schon definitionsgemäß eine Lebensgemeinschaft zwischen Mann und Frau, die durch die formgerechte Eheschließung entsteht. Die „Lebensgemeinschaft“ ist demzufolge zwingendes Wesenselement und Tatbestandsmerkmal des Rechtsbegriffs der Ehe. Ohne Lebensgemeinschaft ist die Verbindung zwischen Mann und Frau keine Ehe, weil ein konstitutives Tatbestandsmerkmal fehlt. Entgegen dem Wortlaut von §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB und der Intention des Gesetzgebers588 ist die eheliche Lebensgemeinschaft keine gegenseitige Pflicht der Ehegatten, mit der ein subjektives Recht korres585 

So auch Streck, Generalklausel, S.  34 m. w. N. Einschub nicht im Original. 587  Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  9 0 f. 588  Siehe schon oben bei Fn.  5 44. 586 

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pondiert, sondern „lediglich“ konstitutives Tatbestandsmerkmal dieser besonderen Paarbeziehung. Soweit von der Rechtsprechung und Literatur darüber hinausgehend konkrete „persönliche Ehepflichten“ in §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB hinein gelesen werden,589 verstößt dies gegen die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen des Art.  6 Abs.  1 GG. Hier besteht ein rechtsfreier Raum, der sich rechtlicher Intervention entzieht. Im höchstpersönlichen Bereich sind „eheliche Pflichten“ allenfalls sittlich-moralischer Natur. Für die „Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft“ wurde schon gezeigt, dass diese selbst vom Gesetzgeber nicht als zwingende Rechtspflicht verstanden wird,590 und die vielfach angenommene „Pflicht zur ehelichen Treue“ ist, selbst wenn der Gesetzgeber §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB insofern als echte Rechtspflicht verstanden wissen wollte, nicht nur praktisch „totes Recht“,591 sondern – wie die vorstehenden Überlegungen verdeutlicht haben – auch verfassungswidrig. Das bürgerlich-rechtliche Eherecht zeichnet sich heute dadurch aus, dass sich zwei Personen gegenüber stehen, die aus freien Stücken eine gleichberechtigte Partnerschaft eingehen und ihr persönliches Verhältnis eigenverantwortlich regeln (können).592 Hier ist es weder erforderlich noch aus freiheitsrechtlicher Sicht zulässig, durch gesetzliche Ge- oder Verbote zum Schutz des einen oder anderen einzugreifen. Dies wird erst dann notwendig, wenn Zweifel an der Autonomie und der paritätischen Verhandlungsposition eines Ehegatten bestehen.593 Demzufolge ist der Regelungsgehalt von §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB auf die Festschreibung eines konstitu­ tiven Tatbestandsmerkmals zu reduzieren mit der Folge, dass sich aus der Ge­ neralklausel keine subjektiven Rechte und Pflichten im höchstpersönlichen Bereich ableiten lassen. Diesem Verständnis steht nicht entgegen, dass §  194 Abs.  2 BGB davon ausgeht, dass in familienrechtlichen Verhältnissen „Ansprüche“ auf Herstellung des dem Verhältnis entsprechenden Zustands für die Zukunft bestehen. Auch an anderen Stellen im Gesetz wird deutlich, dass der Gesetzgeber sich über die Wirkungsweise mancher Rechtsinstitute oder die Rechtsnatur mancher Normen keine klare Vorstellung gemacht hat. Es ist beispielsweise allgemein anerkannt, dass das den Gesellschafter einer Personengesellschaft gemäß §  719 Abs.  1 Hs.  1 BGB einschränkende Verfügungsverbot in Bezug auf einzelne zum Gesellschaftsvermögen gehörende Gegenstände schon daran scheitert, dass es derartige Einzelberechtigungen der Gesellschafter an den zum Gesamthandsvermögen gehörenden Gegenständen nicht gibt und auch nicht geben kann.594 589 

Vgl. oben Kap.  3 C.III.2.a)(4)(c)(i), S. 181 ff. Vgl. oben Kap.  3 C.III.2.a)(4)(c)(ii), S. 184 ff. 591  Vgl. oben Kap.  3 C.III.2.a)(4)(c)(iii), S. 186 ff., und (iv), S. 188 f. bei Fn.  582. 592  Siehe auch Henrich, RabelsZ 79 (2015), 752 (753 f.). 593  Vgl. die Rechtsprechung zur Inhaltskontrolle von Eheverträgen, die jedoch ebenfalls hauptsächlich finanzielle Übervorteilungen ausgleicht; statt vieler Palandt/Brudermüller, §  1408 Rn.  7 ff. m. zahlr. Nachw. 594 MüKoBGB/Schäfer, §  719 Rn.  8 ; Palandt/Sprau, §  719 Rn.  1. 590 

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Das gleiche gilt für das die Miterben einschränkende Verfügungsverbot gemäß §  2033 Abs.  2 BGB.595 Allerdings stellt sich die Frage, ob bei diesem Verständnis von §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  1 BGB noch eine hinreichende Abgrenzung der Ehe zu unverbindlichen nichtehelichen Lebensgemeinschaften möglich ist.596 Es liegt durchaus nahe, den wesentlichen Unterschied gerade darin zu sehen, dass die Lebensgemeinschaft für Ehegatten verpflichtend ist, während die nichteheliche Lebensgemeinschaft nur ein unverbindliches Zusammenleben darstellt, das jederzeit beendet werden kann. Dem kann jedoch entgegen gehalten werden, dass dieser wesentliche Unterschied zwischen Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft nicht verwischt wird, da die Ehe gerade nicht jederzeit beendet werden kann, sondern eine Scheidung nur nach Maßgabe der engen Vorschriften der §§  1565 ff. BGB möglich ist.597 Zum anderen ist sie nicht nur eine Lebens-, sondern zugleich eine rechtliche Verantwortungsgemeinschaft und unterscheidet sich gerade in diesem Punkt hinreichend deutlich von der nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Insofern trägt auch die einfach-rechtliche Formulierung in §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  2 BGB dem Umstand Rechnung, dass die Verantwortungsgemeinschaft ein Strukturprinzip der Institutsgarantie des Art.  6 Abs.  1 GG ist; denn anders als in Bezug auf die Lebensgemeinschaft spricht das Gesetz in §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  2 BGB nicht davon, dass die Ehegatten verpflichtet seien, füreinander Verantwortung zu tragen, sondern schlicht davon, dass sie füreinander Verantwortung tragen. Der zweite Halbsatz von §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB wurde durch das Eheschließungsrechtsgesetz 1998 in das BGB eingefügt; 598 er soll laut Gesetzesbegründung den Unterschied der Ehe zu anderen Lebensgemeinschaften verdeutlichen. Mit der Eheschließung gehen die Ehegatten „wechselseitig rechtliche Bindungen ein, die das Verhältnis der Ehegatten zueinander zu einer Verantwortungsgemeinschaft werden lassen.“599 Rechtliche Pflichtbindungen in diesem Sinne bestehen insbesondere im Ehevermögensrecht, namentlich in der Unterhaltspflicht sowie den Vorschriften zum Versorgungs- und Zugewinn­ ausgleich. Eine freiwillige Selbstbindung an diese finanziellen Pflichten wollen nichteheliche Lebensgefährten gerade vermeiden, während sie in persönlicher Hinsicht durchaus der Ehe vergleichbare Erwartungen an ihre Lebensgemeinschaft stellen können, zumal das Recht hier auch den Ehegatten keine verbindlichen Vorschriften machen kann. Verantwortung füreinander im Sinne von 595 MüKoBGB/Gergen,

§  2033 Rn.  38; Palandt/Weidlich, §  2033 Rn.  19. insofern nötigen Abstandsgebot siehe Maunz/Dürig/Badura, Art.  6 GG Rn.  56; BeckOK-GG/Uhle, Art.  6 Rn.  36, 38. 597 Der Trend geht in Europa allerdings dahin, immer mehr auch die einverständliche Scheidung zuzulassen, vgl. Henrich, RabelsZ 79 (2015), 752 (754 ff.) mit Nachweisen zur Rechtslage in anderen EU-Ländern. 598  Gesetz zur Neuordnung des Eheschließungsrechts (EheschlRG) v. 4.5.1998, BGBl. I 1998, S.  833. 599  BT-Drucks. 13/9416, S.  29. Dazu Muscheler, Familienrecht, Rn.  282. 596  Zum

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§  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  2 BGB bedeutet wechselseitigen Beistand und Fürsorge. Daran knüpft etwa das Strafrecht an, indem die Ehegatten eine Garantenstellung trifft. 600 Außerhalb des strafrechtlichen Bereichs kann der Gesetzgeber Beistands- und Fürsorgeleistungen in persönlich-emotionaler Hinsicht jedoch auch den Ehegatten – aus den schon zu §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  1 BGB angeführten Gründen – nicht zur rechtlichen Pflicht machen. 601 Seine Regelungskompetenz beschränkt sich zivilrechtlich vielmehr auf den ehevermögensrechtlichen Bereich, in dem durch gesetzliche Vorschriften zu gewährleisten ist, dass die Ehe – in Abgrenzung zu nichtehelichen Lebensgemeinschaften – ihrem Charakter als Verantwortungsgemeinschaft gerecht wird. Versteht man §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  1 BGB demzufolge richtigerweise nicht als echte Rechtspflicht, sondern „nur“ als eine das Wesen der ehelichen Gemeinschaft beschreibende Norm, so ist es selbstverständlich, dass die Ehegatten davon keine abweichenden Vereinbarungen treffen können, da der Rechtsbegriff der Ehe nicht zur Disposition der Einzelnen steht. 602 Könnten die Ehegatten einvernehmlich auf die eheliche Lebensgemeinschaft i. S. v. §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB verzichten, könnten sie über das Institut „Ehe“ verfügen. Sind die Ehegatten von Anfang an nicht gewillt, ihr Leben im Rahmen einer „ehelichen Lebensgemeinschaft“603 miteinander zu teilen, so darf der Standesbeamte bei rechtzeitiger Kenntniserlangung die Partner nicht trauen oder es liegt eine Scheinehe vor, die auf Antrag eines Ehegatten oder der zuständigen Verwaltungsbehörde aufgehoben werden kann (vgl. §§  1314 Abs.  2 Nr.  5, 1316 Abs.  1 Nr.  1, Abs.  3 BGB). Für den Aufhebungstatbestand ist es nicht erforderlich, dass eine „Pflicht“ zur ehelichen Lebensgemeinschaft besteht. Wird die Form der Ehe von zwei Personen nur gewählt, um die daran anknüpfenden Rechtsfolgen (z. B. Aufenthaltserlaubnis oder Steuervergünstigungen) nutzen zu können, ohne die Tatbestandsvoraussetzung einer ehelichen Lebens- und Verantwortungsgemeinschaft erfüllen zu wollen, so liegt ein Rechtsformmissbrauch vor. Dieser rechtfertigt ein staatliches Einschreiten in Form eines behördlichen Aufhebungsantrags. Kommen die Ehegatten erst im Laufe der bestehenden Ehe überein, dauerhaft keine Lebensgemeinschaft mehr zu führen, wirkt sich dies in Bezug auf den Bestand der Ehe zunächst nicht aus, denn in diesem Fall wurde die Form der Ehe nicht zu sachwidrigen Zwecken missbraucht. Hier gilt der 600 

Vgl. dazu schon bei und in Fn.  500. Soweit Beistands- und Fürsorgeleistungen jedoch als Teil der Unterhaltspflicht angesehen werden können, sind die Ehegatten wechselseitig verpflichtet. Hier wird erneut die Relativität des rechtsfreien Raums deutlich, vgl. dazu oben Kap.  3 C.III.2.a)(4)(b)(iii), S. 180 f. 602  Im Ergebnis ebenso, aber ohne Rückgriff auf das Verfassungsrecht, Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  10 ff.: „Daß den Partnern der Rechtsbegriff der Ehe nicht zur Disposition steht, ist kein Spezifikum des Eherechts, sondern entspricht allgemeiner Zivilrechtsdogmatik.“ (S.  15). 603  Dies muss aus objektiver Sicht ermittelt werden; zu den maßgeblichen Kriterien siehe die Entscheidung des BVerwG bei Fn.  570. 601 

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Grundsatz: Wo kein Kläger, da kein Richter. In finanzieller Hinsicht bleibt die Verantwortungsgemeinschaft so lange bestehen, bis ein Ehegatte wegen Scheiterns der Ehe die Scheidung nach Maßgabe der §§  1564 ff. BGB beantragt. Hervorzuheben ist schließlich, dass keineswegs der generelle Schluss erlaubt ist, in höchstpersönlichen Angelegenheiten könne es keine gesetzlichen Rechtspflichten geben. Gerade im Kindschaftsrecht mag dies durchaus anders zu bewerten sein, wenn die Interessen eines Kindes gegenüber den Eltern zu berücksichtigen und staatlicherseits zu schützen sind. 604 Bestes Beispiel ist die elterliche Sorge, die nicht nur ein subjektives Recht der Eltern, sondern zugleich echte Rechtspflicht gegenüber dem Kind ist (§  1626 Abs.  1 S.  1 BGB), die gegebenenfalls auch zwangsweise durchgesetzt werden kann, sofern das Kindeswohl nicht entgegensteht. 605 Im Eherecht bedarf es dieser Kontrolle bzw. Intervention indes nicht, weil hier davon auszugehen ist, dass Ehegatten normalerweise eine gleiche Verhandlungsposition einnehmen und daher ihre Ehegemeinschaft selbstbestimmt und eigenverantwortlich ausgestalten können. (6) Abgrenzung des rein persönlichen vom sozialen und vermögensrechtlichen Bereich Auch wenn man sich der hier vertretenen Ansicht anschließt, dass im höchstpersönlichen Bereich der Ehe keine Rechtspflichten bestehen, ergibt sich die Schwierigkeit, den höchstpersönlichen, rechtsfreien von dem rechtlichen, insbesondere vermögensrechtlichen Bereich abzugrenzen, in dem es echte Rechtspflichten gibt. Das liegt vor allem daran, dass das Verhalten der Ehegatten häufig sowohl persönliche als auch finanzielle Aspekte in sich vereinen kann, die sich häufig nur schwer voneinander trennen lassen. Die Abgrenzung des rein persönlichen vom (vermögens-)rechtlichen Bereich ist für die hier interessierende Frage von wesentlicher Bedeutung, denn nur wo echte Rechtspflichten existieren, kann sich im Fall der Verletzung eine Haftung anschließen. Hier hilft das Verständnis von der Relativität des rechtsfreien Raums, das es ermöglicht, einen Sachverhalt differenziert zu betrachten und diesen nur insoweit dem rechtsfreien Raum zu unterstellen, als sich ein Verhalten auf den Autonomie­ bereich eines Ehegatten bezieht. Verhalten, das die Persönlichkeits-, Privat- und Intimsphäre betrifft und der Selbstverwirklichung und Persönlichkeitsentfaltung des Einzelnen dient, ist heteronomen Bestimmungen entzogen, auch wenn dadurch mittelbar Dritte beeinträchtigt werden. Soweit ein Verhalten jedoch außerhalb dieses geschützten Bereichs liegt und die schutzwürdigen Interessen eines anderen tangiert, weist es einen hinreichenden Sozialbezug auf und ver604  Hier steht der Sozialbezug eines Verhaltens derart im Vordergrund, dass etwaige Autonomieerwägungen zurücktreten müssen. 605  Vgl. BVerfG v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, NJW 2008, 1287 (zur zwangsweisen Durchsetzung der Umgangspflicht).

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lässt damit den rein individuellen Autonomiebereich des handelnden Ehegatten mit der Folge, dass es rechtlicher Bewertung zugänglich wird. 606 Maßgeblich ist also nicht so sehr, welche Interessen (persönliche oder finanzielle) von einem Verhalten betroffen sind, sondern wie das in Rede stehende (die Interessen des anderen Ehegatten beeinträchtigende) Verhalten einzuordnen ist. Dies ist letztlich eine Wertungsfrage und soll anhand eines Beispiels verdeutlicht werden: Erleidet ein Ehemann einen Hörsturz, nachdem er von dem „Seitensprung“ seiner Ehefrau erfährt, der ärztlich behandelt werden muss und einen erheb­ lichen Verdienstausfall zur Folge hat, kann er trotz dieser finanziellen Beeinträchtigungen insofern keinen Schadensersatz von seiner Ehefrau verlangen, weil deren den Schaden verursachendes Verhalten dem rechtsfreien Bereich zuzurechnen ist. 607 Das Sexualverhalten ist ausschließlich dem höchstpersönlichen Bereich jedes Ehegatten zuzurechnen, auch wenn es, wie in dem Beispiel, sowohl die persönlichen als auch finanziellen Interessen des betrogenen Ehegatten tangiert. Da es sich bei der „Treuepflicht“ nicht um eine Rechtspflicht handelt und ein Seitensprung mithin lediglich sittlich-moralisch zu missbilligen ist, fehlt es für eine Haftung an der erforderlichen rechtlich-relevanten Pflichtverletzung. – Anders sieht das Ergebnis aus, wenn etwa die Ehefrau für das Treffen mit ihrem Geliebten ein Hotelzimmer gebucht und dieses mit der Kreditkarte ihres Ehemannes bezahlt hat. Dieses Verhalten ist nicht dem höchstpersön­ lichen, sondern dem ehevermögensrechtlichen Bereich zuzuordnen und daher rechtlicher Bewertung zugänglich, weil nicht der „Seitensprung“, sondern die unberechtigte Nutzung der Kreditkarte des Ehemannes bewertet wird. b) Schlussfolgerung für die Frage der Haftung kraft Sonderverbindung Die Qualifikation von §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB als Tatbestandsnorm statt als echte Rechtspflicht hat zur Folge, dass ehewidriges Verhalten keine gegen §  1353 BGB verstoßende Pflichtverletzung darstellt und konsequenterweise auch keine darauf gestützte Haftung für Vermögensschäden nach sich ziehen kann. Es überzeugt daher nicht, die „gesamten persönlichen und vermögensrechtlichen Verhältnisse der Ehegatten zueinander“ von der Generalklausel des §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB umfasst anzusehen608 und diese als Grundlage etwaiger – und sei es nur vermögensrechtlicher – Rechtspflichten heranzuziehen. Dies schließt freilich nicht aus, dass ein (ehewidriges) Verhalten unter einem anderen Gesichtspunkt gegen sonstige Rechtspflichten verstoßen kann, die sich auf andere Rechtsgrundlagen als §  1353 BGB stützen lassen. 606 Dazu, dass Rechtspflichten nur ein äußeres Verhalten gebieten können, siehe oben Kap.  3 C.III.2.a)(3)(b)(i), S. 146 ff. 607  Beispiel nach Wellenhofer, Familienrecht, §  11 Rn.  7. 608  So Palandt/Brudermüller, §  1353 Rn.  5 ; ebenso Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, S.  261.

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Neben den im Eherecht geregelten ehespezifischen Leistungspflichten, 609 können sich echte Rechtspflichten allenfalls aus dem zwischen den Ehegatten bestehenden Schuldverhältnis im weiteren Sinne bzw. der schuldrechtlichen Sonderverbindung ergeben. Das bedeutet, dass insbesondere §  241 Abs.  2 BGB Geltung erlangt und auch Ehegatten folglich verpflichtet sind, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen Rücksicht zu nehmen. Diese an sich triviale Erkenntnis hat enorme praktische Bedeutung und ermöglicht – wie noch zu zeigen sein wird – für viele seit langem diskutierte Problemkomplexe im Eherecht eine sachgerechte Lösung. In dem genannten Beispielsfall (S. 195) lässt sich in Bezug auf das Fremdgehen als solches jedoch selbst aus §  241 Abs.  2 BGB keine Pflichtverletzung ableiten, da zwar geschützte Rechtsgüter – die Gesundheit und das Vermögen – verletzt sind, aber die Ehefrau bei einem Verhalten, das ihrem höchstpersönlichen Autonomiebereich zuzurechnen ist, überhaupt keinen rechtlichen Pflichten, auch nicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen Dritter (hier: ihres Ehemannes), ausgesetzt ist. Mangels Verletzung einer rechtlichen Pflicht scheiden Er­ satzansprüche wegen der Behandlungskosten und des Verdienstausfalls folglich generell aus; diese Beeinträchtigungen sind dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen. – In Bezug auf die Hotelkosten liegt dagegen jedenfalls eine Ver­ letzung der Rücksichtnahmepflicht vor (strafrechtliche Gesichtspunkte bleiben hier unberücksichtigt), so dass dem Ehemann insofern ein Schadensersatz­ anspruch aus §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB zusteht. Demzufolge haben die vorstehenden Ausführungen gezeigt, dass haftungsrechtlich nicht an die Verletzung der (nicht existierenden) „Pflicht“ zur ehelichen Lebensgemeinschaft aus §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB angeknüpft werden kann, da diese Norm lediglich das persönliche Wesenselement der Ehe – die Lebensgemeinschaft – als Tatbestandsmerkmal statuiert. Eine Haftung kann es aber auch im Eherecht nur dort geben, wo echte Rechtspflichten zwischen Ehegatten bejaht werden können, auch wenn umgekehrt nicht jede zu verantwortende Verletzung einer Rechtspflicht eine Haftung zur Folge hat. Im persönlichen Bereich kann deshalb allenfalls auf die allgemein schuldrechtliche Pflicht zur Rücksichtnahme aus §  241 Abs.  2 BGB zurückgegriffen werden, die im Folgenden genauer untersucht wird. Schon hier sei jedoch bemerkt, dass diese Pflicht mit all ihren Ausprägungen grundsätzlich gleichermaßen auch im Rahmen anderer (schuldrechtlicher) Lebensgemeinschaften bzw. Paarbeziehungen Geltung erlangt, da es sich nicht um eine spezifisch eherechtliche Pflicht handelt. 610 Beachtet werden muss lediglich, dass sie im hier interessierenden Zusammenhang immer mit Blick auf den eherechtlichen Kontext für den Einzelfall näher zu konkretisieren ist. 609  610 

Siehe dazu oben Kap.  3 C.III.1., S. 133 ff. Siehe noch unter Kap.  4 A.II., S. 366 ff.; Kap.  5 B.III.2.a) und b), S. 408 ff., 414 ff.

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3. Pflicht zur Rücksichtnahme kraft ehelicher Sonderverbindung a) Überblick Das vorstehend gefundene Ergebnis bestätigt sich mit Blick auf die jüngere Rechtsprechung zu §  1353 BGB, in der sich praktisch keine obergerichtliche Entscheidung findet, die sich mit der Verletzung persönlicher Ehepflichten beschäftigt. 611 Neuere Urteile bzw. (seit 1.9.2009) Beschlüsse zur Präzisierung des §  1353 BGB sind selten und betreffen ausschließlich vermögensrechtliche Fragen. So wird etwa sowohl im Rahmen des Zugewinnausgleichs612 als auch des Unterhaltsrechts613 eine Auskunftspflicht auf §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB gestützt; 614 auch die Pflicht zur Zustimmung bzw. Mitwirkung bei der steuerlichen Zusammenveranlagung wird aus §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB abgeleitet.615 Geht man jedoch mit der hier vertretenen Ansicht davon aus, dass §  1353 BGB lediglich das Rechtsverhältnis der Ehegatten (tatbestandlich) näher beschreibt, so müssen sich die ehelichen Rechtspflichten aus anderen gesetzlichen Normen ergeben. Entweder folgen die rechtlichen Pflichten aus den ehespezifischen Leistungspflichten oder aus den allgemeinen schuldrechtlichen Nebenpflichten (§  241 Abs.  2 BGB oder – insbesondere in Bezug auf Auskunftspflichten – §  242 BGB), die auch personenrechtliche Pflichten umfassen, solange sie kein Verhalten gebieten, das dem höchstpersönlichen, rechtsfreien Bereich zuzurechnen ist. (1) Gesetzliche Grundlagen Soweit im Ehe- und Familienrecht keine speziellen ehelichen Pflichten geregelt sind, findet das allgemeine Schuldrecht weitgehend auch auf familienrechtliche Schuldverhältnisse Anwendung, es sei denn der Sinn und Zweck einer rechtsgeschäftlichen Regelung steht dem entgegen. 616 Schon allein wegen der Leistungsansprüche, die mit den aufgezeigten Leistungspflichten korrespondieren, besteht zwischen den Ehegatten ein gesetzliches Schuldverhältnis, das nicht nur den Schuldner zur Leistung (§  241 Abs.  1 BGB), sondern darüber hinaus beide Seiten gemäß §  241 Abs.  2 BGB zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechts­ güter und Interessen des jeweils anderen verpflichtet. Schuldhafte Pflichtverlet611  Anders noch BGH v. 11.2.1987 – IVb ZR 15/86, NJW 1987, 1761 (zur Pflicht zur häuslichen Gemeinschaft). 612  BGH v. 17.9.2014 – XII ZB 604/13, NJW 2015, 154; BGH v. 15.8.2012 – XII ZR 80/11, NJW 2012, 3635. 613  BGH v. 2.6.2010 – XII ZR 124/08, NJW 2011, 226. 614  Dazu schon oben Kap.  3 C.III.1.e, S. 138 ff. 615  BGH v. 18.5.2011 – XII ZR 67/09, NJW 2011, 2725; BGH v. 18.11.2010 – IX ZR 240/07, FamRZ 2011, 210; BGH v. 18.11.2009 – XII ZR 173/06, NJW 2010, 1879; BGH v. 23.5.2007 – XII ZR 250/04, NJW 2007, 2554; BGH v. 3.11.2004 – XII ZR 128/02, NJW-RR 2005, 225; BGH v. 25.6.2003 – XII ZR 161/01, NJW 2003, 2982; BGH v. 12.6.2002 – XII ZR 288/00, NJW 2002, 2319. 616  Siehe dazu oben Kap.  2 B.III., S. 55 ff.

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zungen begründen nach §  280 Abs.  1 BGB einen Schadensersatzanspruch, für den der schuldende Ehegatte mit seinem Vermögen haftet. 617 Auch in der Rechtsprechung ist die Anwendbarkeit von §  280 BGB auf Pflichtverletzungen aus dem ehelichen Verhältnis mittlerweile im Grundsatz anerkannt. 618 (2) Inhalt und Umfang §  241 Abs.  2 BGB enthält eine Generalklausel ohne nähere Konkretisierung des Pflichtengehalts. 619 Dementsprechend ist auch die Terminologie in Bezug auf die in §  241 Abs.  2 BGB enthaltenen Pflichten uneinheitlich. 620 Teilweise wird von „Schutzpflichten“ als Oberbegriff gesprochen,621 die in Obhutspflichten einerseits und Aufklärungspflichten andererseits unterteilt werden. 622 Gebräuchlich sind aber auch die Begriffe Verhaltens- oder (nichtleistungsbezogene) Nebenpflichten (in Abgrenzung zu den Nebenleistungspflichten). 623 Krebs differenziert zwischen dem „Verbot der aktiven Schädigung“, der Pflicht zum „aktiven Schutz der Gegenseite“ und „Informationsschutzpflichten“. 624 Orientiert man sich dagegen am Wortlaut des Gesetzes, so liegt der Oberbegriff der Rücksichts- bzw. Rücksichtnahmepflichten nahe, der hier zugrunde gelegt wird. 625

617  Teilweise wird die Schadensersatzpflicht unmittelbar auf §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB als Anspruchsgrundlage gestützt, was dogmatisch jedoch nicht haltbar ist, so etwa OLG Bremen v. 19.9.2014 – 4 UF 40/14, NJW 2015, 495 (496 Rn.  8 : „Ein Schadensersatzanspruch der Ast. gegen den Ag. lässt sich im vorliegenden Fall zumindest aus §  1353 I 2 BGB herleiten.“). 618  Vgl. OLG Bremen v. 19.9.2014 – 4 UF 40/14, NJW 2015, 495 (496 Rn.  9 ), das jedoch in Bezug auf eine Schadensersatzpflicht nach §  280 BGB von einem konkreten Auftragsverhältnis zwischen den Ehegatten ausging; OLG Dresden v. 14.5.2012 – 21 UF 1337/11, FamRZ 2013, 410 Rn.  16 ff. (eine Pflichtverletzung durch die Ingangsetzung eines gesetzlich geregelten Verfahrens – hier: eines Strafverfahrens – allerdings verneinend); AG Nordenham v. 10.3.2008 – 3 C 264/07, FamRZ 2009, 46. Offen gelassen von BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2110 Rn.  27: „Als Anspruchsgrundlage für einen entsprechenden Schadensersatzanspruch käme allenfalls §  280 BGB in Betracht.“), allerdings unter Verweis auf seine Rechtsprechung zu einem Schadensersatz bei Umgangsvereitelung aus positiver Forderungsverletzung, in der er eine Schadensersatzpflicht nach §  280 BGB bejaht hat (siehe dazu schon oben Kap.  2 B.III.1.c)(2), S. 64 ff.). 619  Zur Kritik an §  241 Abs.  2 BGB siehe Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  561 ff. 620  Zur Schwierigkeit der Terminologie siehe Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  154 ff., 435 m. zahlr. Nachw.; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.  208. 621  Looschelders, Schuldrecht AT, Rn.  19 ff.; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.  208; Reischl, JuS 2003, 40 (42, 45). 622 Hk-BGB/Schulze, §  241 Rn.  4 ff. 623  Grigoleit, FS Canaris (2007), S.   275 (278 ff.); Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.  208. 624  Krebs, Sonderverbindung, S.  504 ff. 625  Wie hier MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  46 f.; Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  155, 435; Stoll, FS Lorenz (2001), S.  287 (293, 295).

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Schutzgegenstand von §  241 Abs.  2 BGB ist das Integritätsinteresse des anderen Teils, d. h. sein personen- und vermögensrechtlicher status quo. 626 Das Integritätsinteresse umfasst nicht nur die von §  823 Abs.  1 BGB geschützten Rechtsgüter, sondern auch das Vermögen und die Entscheidungsfreiheit. 627 Inhalt und Umfang der Rücksichtnahmepflichten bestimmen sich nach dem jeweiligen Schuldverhältnis, insbesondere dessen Zweck,628 sowie der Dauer und Intensität des sozialen Kontaktes. 629 Regelmäßig lässt sich allerdings erst im Nachhinein, wenn die Rücksichtnahmepflicht verletzt wurde, genau benennen, wie sich der Schuldner in der konkreten Situation pflichtgemäß hätte verhalten müssen. Solange nicht feststeht, wie sich der Schuldner verhalten wird, kann auch nicht beurteilt werden, ob dieses Verhalten mit Blick auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils im Sinne von §  241 Abs.  2 BGB pflichtwidrig ist. Da sich der genaue Inhalt der Rücksichtnahmepflicht im konkreten Einzelfall mithin in den meisten Fällen ex ante nicht hinreichend bestimmt umschreiben lässt, sind sie in aller Regel nicht einklagbar. 630 Etwas anderes kann nur ausnahmsweise dann gelten, wenn ein besonderes Präventionsinteresse des Gläubigers vorliegt, das die Klagbarkeit erfordert; ein solches kann gegeben sein, wenn das pflichtwidrige Verhalten des Schuldners hinreichend konkretisiert werden kann und keine Möglichkeit besteht, den drohenden Schaden abzuwenden, insbesondere aber auch dann, „wenn der Schutz gemäß §  823 Abs.  1 BGB deliktisch besonders geschützter Rechtsgüter oder drohende existenzgefährdende Schäden in Rede stehen.“631 Schuldverhältnisse mit starker persönlicher Bindung und Dauerschuldverhältnisse begründen in aller Regel in weiterem Umfang Rücksichtnahmepflichten als dies bei einmaligen Kontakten der Fall ist.632 Gerade in der Ehe als der intimsten bzw. intensivsten, auf gegenseitigem Vertrauen aufbauenden sowie auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft sind die Rücksichtnahmepflichten daher besonders weitreichend. Dies gilt gleichermaßen auch für alle anderen auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaften, sei es eine eingetragene Lebenspartnerschaft oder eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. 626 MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  54; Grigoleit, FS Canaris (2007), S.  275 (277); Palandt/­ Grüneberg, Einl. v. §  241 Rn.  4, §  241 Rn.  6 ; Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  161, 436. 627  BT-Drucks. 14/6040, S.  125 f.; Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  438. 628 MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  52; Palandt/Grüneberg, §  241 Rn.  7; Hk-BGB/Schulze, §  241 Rn.  5. Die Maßstäbe der Verkehrssitte und des redlichen Geschäftsverkehrs, die in der Kommentarliteratur angeführt werden, passen zwar für vertragliche Schuldverhältnisse, aber nicht so sehr für die hier interessierenden gesetzlichen Schuldverhältnisse. 629 Hk-BGB/Schulze, §  241 Rn.  5. 630  So auch Krebs, Sonderverbindung, S.  5 47 ff., unter Verweis auf die funktionale Legitimation der Schutzpflichten. Dazu, dass die fehlende Klagbarkeit allerdings nicht der Annahme eines materiell-rechtlichen Anspruchs auf Rücksichtnahme entgegensteht, schon oben Kap.  3 C.III.2.a)(3)(b)(ii), S. 149. 631  Krebs, Sonderverbindung, S.  552. 632 Hk-BGB/Schulze, §  241 Rn.  5.

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Unter §  241 Abs.  2 BGB fallen im Wesentlichen zwei Arten von Rücksichtnahmepflichten, zum einen die Schutz-, Fürsorge- und Obhutspflichten, mit denen das Integritätsinteresse des jeweils anderen Teils gewahrt werden soll, zum anderen die Aufklärungspflichten, 633 die den Aufklärungsbedürftigen vor Selbstschädigung bewahren sollen634 und daher im weitesten Sinne ebenfalls dem Schutz des status quo dienen.635 Für das hier interessierende Thema der Haftung zwischen Ehegatten spielen die Aufklärungspflichten eine entscheidende Rolle, denen daher besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. (3) Insbesondere: Aufklärungspflicht (a) Definition und Abgrenzung Unter einer aus §  241 Abs.  2 BGB abzuleitenden636 Aufklärungspflicht versteht man „die Pflicht einer Partei, unaufgefordert637 den anderen Teil über erkennbar entscheidungserhebliche Umstände zu informieren“, die ihm verborgen blieben.638 Aufklärungspflichten sind dazu bestimmt, dem Berechtigten eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen. Sie werden – wie alle Rücksichtnahmepflichten, aber im Unterschied zu Auskunftspflichten – retrospektiv relevant: Es geht um Informationen, die einem Teil unbekannt sind, an denen er jedoch – bei rechtzeitiger Kenntnis – sein früheres Verhalten ausgerichtet hätte,639 um eine Selbstschädigung zu vermeiden. In dem Zeitpunkt, in dem die vorenthaltenen Informationen (verspätet) bekannt werden, sind sie für den Betreffenden ohne Wert, weil er sich mangels Kenntnis der aufklärungspflichtigen Umstände in der Vergangenheit bereits ungünstig verhalten hat und es fortan nur noch um die Frage des Ausgleichs der entstandenen Nachteile geht.640 Verfahrensrechtlich 633 MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  110 ff.; Palandt/Grüneberg, §  241 Rn.  7; Staudinger/ Olzen, §  241 Rn.  437 ff., der genereller von Informationspflichten als Oberbegriff für Aufklärungs- und Beratungspflichten spricht; Erman/Westermann, §  241 Rn.  10. 634 MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  53; Krebs, Sonderverbindung, S.   508; Staudinger/­ Olzen, §  241 Rn.  4 41. 635 MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  5 4. 636  Nach früherer Ansicht finden Aufklärungspflichten ihre rechtliche Grundlage in Treu und Glauben (§  242 BGB), siehe etwa Böhme, Aufklärungspflicht, S.  39 ff.; Breidenbach, Informationspflichten, S.  1 f. 637  Böhme, Aufklärungspflicht, S.  9, 65; Breidenbach, Informationspflichten, S.  2 ; Klingler, Aufklärungspflichten, S.  20; Pohlmann, Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten, S.  29. 638 MüKoBGB/Bachmann, §   241 Rn.   110; ähnlich Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  439; ­Hk-BGB/­Schulze, §  241 Rn.  7. 639  Böhme, Aufklärungspflicht, S.   1, 8 f.; Grunewald, AcP 190 (1990), 609 ff.; Klingler, Aufklärungspflichten, S.  21; Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  439; Pohlmann, Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten, S.  29; vgl. auch Hadding, FS Schimansky (1999), S.  67 (73 f.); Werres, Aufklärungspflichten, S.  4. 640 MüKoBGB/Bachmann/Roth, §  241 Rn.  110; Pohlmann, Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten, S.  29.

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stellt sich die Frage nach einer Aufklärungspflicht also immer nur aus einer ex-post-Betrachtung im Hinblick auf eine Schadensersatzhaftung, während das Bestehen der Pflicht allerdings aus der Sicht ex ante zu beurteilen ist. 641 In diesem Punkt unterscheiden sich Aufklärungspflichten wesentlich von Auskunftspflichten, die prospektiv sind und Informationen betreffen, an denen der Betroffene sein zukünftiges Verhalten ausrichten will. Eine Auskunftspflicht muss deshalb auch nicht spontan und unaufgefordert erfüllt werden; 642 als leistungsbezogene Nebenpflicht fällt sie außerdem in den Anwendungsbereich von §  241 Abs.  1 BGB (oder §  242 BGB) und wird daher nicht von §  241 Abs.  2 BGB erfasst.643 Dem­ gegenüber weiß der Aufklärungsberechtigte regelmäßig erst nach Schadenseintritt, dass er über für ihn wesentliche Umstände nicht informiert wurde.644 Er ist darauf angewiesen, dass ihm relevante Informationen ohne vorhergehende Nachfrage oder Aufforderung mitgeteilt werden. Schon aus dieser begrifflichen Unterscheidung wird deutlich, dass aus §  241 Abs.  2 BGB abzuleitende Aufklärungspflichten – anders als Auskunftspflichten – (praktisch) nicht einklagbar sind.645 (b) Voraussetzungen Unter welchen Voraussetzungen in Schuldverhältnissen Aufklärungspflichten anzunehmen sind, bestimmt sich maßgeblich nach der Überlegung, dass der Aufklärungsbedürftige erst durch die relevante Information in die Lage versetzt wird, seine eigenen Interessen richtig einzuschätzen und sein Verhalten darauf einzustellen. Aufklärungspflichten dienen also dazu, ein Wissensgefälle zwischen den Beteiligten auszugleichen, damit jede Partei ihre Belange ausgewogen wahren kann. 646 Voraussetzung einer Aufklärungspflicht ist mithin, dass eine Partei über mehr Informationen verfügt als die andere, obwohl sie auch oder gerade für die unkundige Partei entscheidungserheblich sind.647 Des Weiteren muss für die informierte Partei erkennbar sein, dass die Informationen der anderen Seite nicht bekannt sind bzw. nicht bekannt sein können, aber für ihren Entschluss bzw. ihr weiteres Verhalten oder Vorgehen von wesentlicher Bedeutung sind. 648 Keine Aufklärungspflicht besteht demnach in Bezug auf Umstände, welche die andere Partei unschwer selbst in Erfahrung bringen 641 

Darauf weist Breidenbach, Informationspflichten, S.  2 f., zu Recht hin. Böhme, Aufklärungspflicht, S.  9. 643 Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  439. 644  Pohlmann, Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten, S.  29. 645 Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  439; Klingler, Aufklärungspflichten, S.  20. Dazu noch unten Kap.  3 C.III.3.a)(3)(d), S. 204 f. 646  Grunewald, AcP 190 (1990), 609 (611); Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  4 41; Pohlmann, Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten, S.  104 f. 647 MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  122 ff.; Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  4 47 ff. Zur Wesent­lichkeit der Information als Kriterium für den Umfang von Aufklärungspflichten, Pohlmann, Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten, S.  103 f., 106. 648 Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  450 f. 642 

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könnte. 649 Nach der Rechtsprechung ist eine Rechtspflicht zur unaufgeforderten Aufklärung bei Vertragsverhandlungen dann anzunehmen, wenn „der andere Teil nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung redlicherweise die Mitteilung von Tatsachen erwarten durfte, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Be­ deutung sind.“650 Aber auch nach Vertragsschluss kann eine Aufklärungspflicht insbesondere in Bezug auf solche Umstände bestehen, die den Vertragszweck vereiteln oder erheblich gefährden können. 651 Je mehr eine Information das Vermögen oder andere Rechtsgüter der unwissenden Partei tangiert, desto bedeutsamer ist sie für das Verhalten des Aufklärungsbedürftigen im bestehenden Schuldverhältnis; 652 je wichtiger wiederum der Umstand für die Entscheidungsfindung oder das Verhalten des Aufklärungsbedürftigen ist, desto eher ist eine Aufklärungspflicht anzunehmen. 653 Ein erkennbares Wissensgefälle und der Bedarf an Aufklärung über besonders bedeutsame Umstände rechtfertigt für sich allein allerdings noch keine Aufklärungspflicht; schon wegen des in Schuldverhältnissen (insbesondere Austauschverhältnissen) häufig bestehenden Interessengegensatzes der Beteiligten besteht keine allgemeine Aufklärungspflicht. 654 Vielmehr muss eine solche, auf §  241 Abs.  2 BGB gestützte Pflicht aus besonderen Gründen im konkreten Schuldverhältnis gerechtfertigt sein. 655 Dies ist dann der Fall, wenn einerseits das Interesse des Aufklärungsbedürftigen an der Information besonders schutzwürdig erscheint, andererseits der kundigen Partei die Weitergabe der Information zumutbar ist. 656 Sämtliche diesbezüglich relevanten Umstände sind im Rahmen einer Interessenabwägung zu berücksichtigen und im Verhältnis zueinander zu gewichten. 657 Die Schutzwürdigkeit des Unkundigen kann sich aus den verschiedensten Umständen des Einzelfalls ergeben; dabei sind auch die persönlichen Verhältnisse der Parteien zu berücksichtigen, wie etwa eine erkennbare Unerfahrenheit, körperliche oder geistige Einschränkungen oder Sprachschwierigkeiten des Aufklärungsbedürftigen, aber auch eine besondere Expertise des Aufklärungspflichtigen. 658 649 MüKoBGB/Bachmann,

§  241 Rn.  122a; Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  450. BGH v. 11.8.2010 – XII ZR 192/08, NJW 2010, 3362 Rn.  22 m. w. N.; vgl. auch Grigoleit, Informationshaftung, S.  5 ff.; MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  124; Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  4 47, jew. m. w. N. 651 MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  124a f. („gravierende Umstände“). 652 Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  452; Pohlmann, Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten, S.  106. 653 Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  455. 654 MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  123 f.; Staudinger/Olzen, §   241 Rn.  450; Hk-BGB/ Schulze, §  241 Rn.  7. 655  Zu einzelnen Begründungsansätzen siehe MüKoBGB/Bachmann/Roth, §  241 Rn.  124a ff. 656 Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  453 f. 657 Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  454 ff. 658 MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  129; Hk-BGB/Schulze, §  241 Rn.  7. 650 

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Gleichermaßen hängt die Zumutbarkeit der Informationsweitergabe von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere dem in Rede stehenden Schuldverhältnis ab. Für die Zumutbarkeit und damit für eine Aufklärungspflicht spricht namentlich eine besondere Vertrauensprägung des Schuldverhältnisses, die sich etwa aus einer langjährigen Vertragsbeziehung, einem Dauerschuldverhältnis oder auch einem persönlichen Vertrauensverhältnis der Parteien ergeben kann.659 Durch die Vertrauensprägung des Schuldverhältnisses ist der Interessengegensatz von vorneherein geringer als in anderen Schuldverhältnissen, 660 und es bestehen besondere Rücksichtnahmepflichten, die jede Partei in der Verfolgung der eigenen Interessen einschränken, um einen fairen, vertrauensvollen Umgang zu ermöglichen. Das trifft in besonderem Maße auf die Ehe und sonstige Lebensgemeinschaften zu, die auf Dauer angelegt sind und auf gegenseitigem Vertrauen aufbauen, also gerade nicht wie Austauschverträge auf einem Interessenwiderstreit gründen. Letztlich sind das schutzwürdige Informationsbedürfnis der einen Partei (einschließlich der Relevanz und Entscheidungserheblichkeit der aufklärungsbedürftigen Umstände) einerseits, der Informationsvorsprung der anderen Partei und die Zumutbarkeit der Offenbarung andererseits sowie drittens die besondere Vertrauensprägung des Rechtsverhältnisses gegeneinander abzuwägen. 661 In dieser Abwägung sind auch berechtigte Geheimhaltungsinteressen zu berücksichtigen, die eine Aufklärungspflicht unter Umständen ausschließen können, insbesondere wenn verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen, wie beispielsweise das durch eine Informationspreisgabe tangierte Persönlichkeitsrecht oder die Intimsphäre, mit „nur“ einfachrechtlich geschützten Rechtspositionen zusammentreffen.662 (c) Inhalt Die genannten Voraussetzungen bestimmen auch den Inhalt der Aufklärungspflicht: Aufzuklären ist über alle Umstände, die für den Aufklärungsbedürf­ tigen relevant und von wesentlicher Bedeutung sind, sofern und soweit dem Aufklärungspflichtigen die Offenlegung der Informationen zumutbar ist.663 659 MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  126 ff. m. w. Beispielen. S. auch Böhme, Aufklärungspflicht, S.  68 ff.; Kieninger, AcP 198 (1998), 190 (233 f.); Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  455: „Ein besonderes Näheverhältnis der Parteien eines Schuldverhältnisses spricht für eine Aufklärungspflicht“; Pohlmann, Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten, S.  105 f.; Werres, Aufklärungspflichten, S.  78, 147 ff. (zur Ehe: S.  150). 660 MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  126; Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  455. 661 Vgl. auch Breidenbach, Informationspflichten, S.   61 ff., der von einem „beweglichen System“ zwischen dem Informationsbedarf, der Möglichkeit der Information und dem Funktionskreis spricht, wobei er mit letzterem Kriterium die besondere Vertrauensprägung des Rechtsverhältnisses berücksichtigt. 662  In diese Richtung in Bezug auf allgemeine Grenzen auch MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  138 ff. 663 MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  142; Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  460.

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Konsequenterweise beschränkt sie sich auf das, was dem Aufklärungsbedürftigen eine reflektierte und die eigenen Belange wahrende Entscheidung über das weitere Verhalten ermöglicht. Sind die Voraussetzungen für eine Aufklärungspflicht gegeben, so muss der Verpflichtete nicht nur die Informationen erteilen, sondern die Information muss auch richtig, 664 vollständig und möglichst verständlich sein. 665 (d) Rechtsfolgen Schon aufgrund der hier befürworteten Definition und der geschilderten Voraussetzungen einer Aufklärungspflicht wird deutlich, dass diese – erst im Nachhinein relevant werdende – Pflicht nicht klagbar ist, weil sie unaufgefordert zu erfüllen ist. 666 Erst wenn ein Schaden wegen in der Vergangenheit (pflichtwidrig) nicht erfolgter Aufklärung eingetreten ist, wird dem Geschädigten bewusst, dass ihm erkennbar entscheidungserhebliche Umstände nicht bekannt waren, an denen er sein Verhalten orientiert hätte, und tritt damit die Pflichtverletzung zutage. Mangels Kenntnis von der Existenz aufklärungspflichtiger Umstände ist eine Klage auf Aufklärung nicht möglich; an diesem Punkt wird der Unterschied zu Auskunftsansprüchen deutlich, die erst für das zukünftige Verhalten des Berechtigten relevant sind. Eine schuldhafte Verletzung der Pflicht zur Aufklärung führt gemäß §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB zu einer Schadensersatzhaftung des Verpflichteten auf Ersatz des Vertrauensschadens.667 Der Geschädigte muss so gestellt werden, wie er stünde, wenn er rechtzeitig aufgeklärt worden wäre und sein Verhalten an den offenbarungspflichtigen Umständen hätte ausrichten können (Integritätsinteresse). 668 Den Geschädigten trifft die Beweislast für das Vorliegen einer Aufklärungspflicht und deren Nichterfüllung, wobei der BGH dem Geschädigten diesen Negativbeweis dadurch erleichtert, dass er seiner Darlegungslast zunächst durch die Behauptung genügt, die relevanten Umstände nicht gekannt zu haben. Daraufhin muss der Aufklärungspflichtige substantiiert nachweisen, 664  Krebs, Sonderverbindung, S.  508; Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  462; vgl. auch Klingler, Aufklärungspflichten, S.  21; Werres, Aufklärungspflichten, S.  29 f., 158; Grigoleit, Informa­ tionshaftung, S.  4, 6. 665 MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  142. 666  So die h. M. MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  62, 146; Klingler, Aufklärungspflichten, S.  20; Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  439; Pohlmann, Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten, S.  30, 107. Umstritten ist die Frage der Klagbarkeit jedoch in Bezug auf die Rücksichtspflichten gemäß §  241 Abs.  2 BGB im Allgemeinen, siehe dazu die Ausführungen von Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  554 ff., m. Nachw. zum Meinungsstand. 667 MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  61, 146; Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  463, 550; Pohlmann, Haftung wegen Verletzung von Aufklärungspflichten, S.  107 ff. Generell zur Schadens­ ersatzpflicht bei Verletzung der Rücksichtnahmepflicht aus §  241 Abs.  2 BGB Reischl, JuS 2003, 40 (45 ff.). Zur Rechtslage vor der Schuldrechtsreform Krebs, Sonderverbindung, S.  533 ff. 668 MüKoBGB/Bachmann, §  241 Rn.  61; Staudinger/Olzen, §  241 Rn.  550.

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wie die Aufklärung erfolgt sein soll. Erst diesen Vortrag muss der Geschädigte dann seinerseits widerlegen. 669 Auch in Bezug auf die Kausalität der Nichtaufklärung für den entstandenen Schaden trägt der Geschädigte im Grundsatz die Beweislast, allerdings kommt ihm insofern die Vermutung „aufklärungsrichtigen Verhaltens“ zugute. 670 Hierbei handelt es sich nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung. 671 Voraussetzung für diese Vermutung ist, dass die erfolgte Aufklärung bei verständiger Würdigung nur ein bestimmtes Verhalten (oder im Ergebnis identische Verhaltensalternativen) als Reaktion zur Folge gehabt hätte, durch das der eingetretene Schaden vermieden worden wäre, und vernünftigerweise keine Entscheidungskonflikte aufgetreten wären. 672 (4) Eingrenzung der weiteren Untersuchung Im Folgenden soll anhand ausgewählter Fallgruppen beispielhaft untersucht werden, wo im ehelichen Schuldverhältnis die Rücksichtnahmepflicht relevant wird und inwieweit sie eine Haftung zwischen Ehegatten begründet. Mangels Haftungsrelevanz ausgeklammert bleibt der Aspekt, dass die Rücksichtnahmepflicht gemäß §  241 Abs.  2 BGB auch die Achtung eines persönlichen Freiraums jedes Ehegatten gebietet und dementsprechend Eingriffe in die geschützte Intim­ sphäre und das allgemeine Persönlichkeitsrecht des anderen Ehegatten verbietet, wie etwa die Verletzung des Briefgeheimnisses, das Lesen von Tagebüchern, intolerante Einflussnahme auf die religiösen, politischen oder weltanschaulichen Ansichten und Betätigungen. Auch eine Beschattung durch einen Privatdetektiv, heimliche Tonbandaufnahmen oder die Beobachtung durch Dritte in der Ehewohnung können unzulässig in die Privat- und Intimsphäre des anderen Ehegatten eingreifen673 und im Prozess zu Beweisverwertungsverboten, 674 im 669 

Vgl. dazu noch unten Kap.  3 C.III.3.c)(3) und d)(4)(c), S. 216 f. und S. 247 ff. Eingehend dazu Canaris, FS Hadding, 2004, S.  3 ff. 671  Statt vieler: BGH v. 15.7.2014 – XI ZR 418/13, NJW 2014, 2951 (2953); BGH v. 8.5.2012 – XI ZR 262/10, NJW 2012, 2427 (2429), jew. m. w. N. 672  BGH v. 15.7.2014 – XI ZR 418/13, NJW 2014, 2951 (2953 Rn.  26); BGH v. 13.7.2004 – XI ZR 178/03, NJW 2004, 2967 (2969); BGH v. 7.5.2002 – XI ZR 197/01, NJW 2002, 2703 (2704: „Die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens hat (…) auch dann zu gelten, wenn es für den aufzuklärenden Teil vernünftigerweise zwei Handlungsalternativen gibt, deren Wahrnehmung jeweils geeignet gewesen wäre, den entstandenen Schaden zu vermeiden“); BGH v. 9.6.1998 – XI ZR 220/97, NJW-RR 1998, 1271 (1272); BGH v. 10.5.1994 – XI ZR 115/93, NJW 1994, 2541. Canaris, FS Hadding, 2004, S.  3 (20), hält es für methodenehrlicher, in diesem Fall die Regeln über den Anscheinsbeweis anzuwenden. Zur Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens siehe noch unten Kap.  3 C.III.3.d)(4)(c), S. 247 ff. 673 MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  29 m. w. N.; einschränkend BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  27 (nur bei begründetem Verdacht ehewidriger Beziehung und auch dann nur zeitlich begrenzt). 674  BGH v. 15.5.2013 – XII ZB 107/08, NJW 2013, 2668 (2669 Rn.  12 ff.): Die Kosten für 670 

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Regelfall jedoch nicht zu einer Haftung führen. Sofern das allgemeine Persönlichkeitsrecht betroffen ist, kann jedoch immerhin ein ersatzfähiger immaterieller Schaden im Sinne von §  253 Abs.  2 BGB in Betracht kommen. Auch insofern handelt es sich nicht um ehespezifische, sondern um allgemein schuldrechtliche Verhaltensregeln, die nicht aus §  1353 BGB,675 sondern aus §  241 Abs.  2 BGB folgen und damit für alle Schuldverhältnisse einschließlich der Ehe und sonstigen Lebensgemeinschaften in gleicher Weise gelten. Abgesehen von möglichen Schmerzensgeldansprüchen wird eine Verletzung dieser Aspekte jedoch in den seltensten Fällen zu Vermögensschäden führen,676 die eine Haftung zur Folge haben können, weshalb diese Pflichten hier unberücksichtigt bleiben sollen; stattdessen wird der Fokus auf diejenigen Rücksichtnahmepflichten gerichtet, die eine Haftung begründen können. b) Vermögensangelegenheiten (1) Überblick Dass zwischen Ehegatten in Vermögensangelegenheiten echte Rechtspflichten bestehen, insbesondere zur Rücksichtnahme auf die Vermögensinteressen des jeweils anderen, ist allgemein anerkannt. Überwiegend wird diese Pflicht auf §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB gestützt. 677 Nach hier vertretener Ansicht handelt es sich jedoch um eine allgemein schuldrechtliche Pflicht, die aus §  241 Abs.  2 BGB folgt und inhaltlich durch das jeweilige Schuldverhältnis konkretisiert wird. Im ehelichen Lebensverhältnis ist jeder Ehegatte gehalten, die Vermögensinteressen des anderen Ehegatten nicht zu schädigen und ihn vor finanziellen Lasten zu bewahren, sofern dadurch die eigenen Interessen nicht beeinträchtigt werden. 678 Auch in Vermögensangelegenheiten gebietet die Rücksichtnahmepflicht den Ehegatten gegenseitigen Schutz, Fürsorge und Beistand. So kann etwa die Geltendmachung von vermögensrechtlichen Ansprüchen zwischen den Ehegatten gegen die Rücksichtnahmepflicht verstoßen: Dies beeinen Detektiv, die einer Partei zur Beschaffung von Beweismitteln (hier: zur Feststellung des Bestehens einer verfestigten Lebensgemeinschaft des Unterhaltsberechtigten im Sinne von §  1579 Nr.  2 BGB) entstehen, können zu den erstattungsfähigen Kosten im Sinne von §  91 Abs.  1 S.  1 ZPO gehören, sofern sie im Unterhaltsrechtsstreit verwertbar sind; daran fehlt es, wenn die Kosten auf Erstellung eines umfassenden personenbezogenen Bewegungsprofils mittel eines GPS-Geräts beruhen, eine punktuelle persönliche Beobachtung jedoch ausgereicht hätte. 675  So aber BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  27 ff. 676  Dies ist jedoch nicht ausgeschlossen: Verkauft ein Ehegatte beispielsweise die Lebensgeschichte des anderen, so kann dies Ansprüche auf Schadensersatz und Gewinnherausgabe zur Folge haben (Beispiel von MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  29 Fn.  73). 677 Statt vieler Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  58 ff.; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  37 ff.; Staudinger/­Voppel, §  1353 Rn.  88 ff. 678 BeckOK-BGB/Hahn, §   1353 Rn.   20; MüKoBGB/Roth, §   1353 Rn.   39; Staudinger/­ Voppel, §  1353 Rn.  89.

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deutet nicht, dass ein Ehegatte während bestehender Ehe generell keine Ansprüche gegen den anderen erheben dürfte, sondern nur, dass dies angesichts der ehelichen Lebensgemeinschaft unter Umständen mit Blick auf §  241 Abs.  2 BGB rücksichtslos und damit pflichtwidrig sein kann. In diesem Fall kann der in Anspruch genommene Ehegatte der Forderung mit einer rechtshemmenden Einwendung entgegentreten und dadurch deren Durchsetzbarkeit verhindern. 679 Hat beispielsweise ein Ehegatte dem anderen schuldhaft einen Schaden zugefügt, so kann der geschädigte Ehegatte ganz oder teilweise an der Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs gehindert sein, wenn „sich der schuldige Ehegatte im Rahmen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten in einer der ehelichen Gemeinschaft angepaßten Weise um einen – anderweitigen – Ausgleich des Schadens bemüht.“680 Auch diese Einwendung wird überwiegend aus §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB abgeleitet, nach hier vertretener Ansicht handelt es sich dabei jedoch nur um das Gegenstück zu dem aus §  241 Abs.  2 BGB abzuleitenden Rücksichtnahmegebot. Im Übrigen macht sich ein Ehegatte, der die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Ehegatten in Vermögensangelegenheiten schuldhaft verletzt und dadurch einen Schaden verursacht, nach §  280 Abs.  1 BGB schadensersatzpflichtig. (2) Steuerliche Mitwirkung Praktisch relevant wird vor allem die Pflicht zur Mitwirkung bei der gemein­ samen Steuerveranlagung. 681 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist ein Ehegatte dem anderen gegenüber verpflichtet, in eine von diesem gewünschte Zusammenveranlagung zur Einkommensteuer einzuwilligen, wenn dadurch die Steuerschuld des anderen verringert und der auf Zustimmung in Anspruch genommene Ehegatte keiner zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt wird. 682 Diese Verpflichtung ist klagbar und vollstreckbar.683 Verweigert er die Zustimmung ohne berechtigten Grund, ist er dem anderen zum Schadensersatz

679 Dazu BeckOK-BGB/Hahn, §   1353 Rn.  23; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  9 0 ff. Vgl. auch BGH v. 14.3.1962 – IV ZR 253/61, NJW 1962, 1244 f., der darauf hinweist, dass „die Durchsetzung dieser Ansprüche [jedenfalls] nicht versagt werden [darf], um dadurch gegen den Ehegatten einen wirtschaftlichen Druck auszuüben, der ihn veranlassen soll, seine persönliche Pflicht zu erfüllen, eine dem Wesen der Ehe entsprechende Lebensgemeinschaft herzustellen oder davon abzusehen, sich aus dieser Gemeinschaft zu lösen.“ Nach hier vertretener Ansicht handelt es sich bei den „persönlichen Pflichten“ nicht um echte Rechtspflichten, weshalb diese auch nicht mittelbar durch die Ausübung von Rechtspositionen (hier: einer Einwendung) erzwungen werden können. 680  BGH v. 13.1.1988 – IVb ZR 110/86, NJW 1988, 1208 m. w. N. 681  Siehe die Nachweise in Fn.  615. 682  BGH v. 18.11.2009 – XII ZR 173/06, NJW 2010, 1879 (1880) m. w. N. 683 Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  58; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  39.

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verpflichtet. 684 Davon geht auch die Rechtsprechung aus, obwohl sie im Grundsatz Schadensersatzansprüche bei Verletzung der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft verneint, 685 denn dies soll „nur für Pflichten (gelten), die dem eigentlichen, höchstpersönlichen Bereich der Ehe angehören, nicht dagegen für rein geschäftsmäßiges Handeln, wie es bei der Verweigerung der Zustimmung zur Zusammenveranlagung in Rede steht.“686 (3) Gestattung der Mitbenutzung von Ehewohnung und Haushaltsgegenständen Gleichermaßen ist die allgemein anerkannte Verpflichtung jedes Ehegatten, dem anderen die Mitbenutzung der ihm gehörenden oder von ihm angemieteten ehelichen Wohnung sowie der ihm gehörenden Haushaltsgegenstände zu gestatten,687 vorzugswürdiger Weise in §  241 Abs.  2 BGB zu verorten, dessen Inhalt durch die Besonderheiten des ehelichen Schuldverhältnisses bestimmt wird. Trotz des sachlichen Zusammenhangs mit dem persönlichen Aspekt einer häuslichen Lebensgemeinschaft der Ehegatten hat diese Pflicht überwiegend vermögensrechtlichen Charakter. 688 Dies zeigt sich schon daran, dass sie – insbeson­ dere in Bezug auf den Wohnbedarf – Teil des Familienunterhalts ist. 689 Der Gesetzgeber gibt zwar nicht vor, wie dieser Unterhaltsbedarf zu decken ist (z. B. durch Bereitstellung einer gemeinsamen Ehewohnung oder durch Finanzierung zweier separater Wohnungen); haben die Ehegatten aber die Wohnung eines Ehegatten zur gemeinsamen Ehewohnung bestimmt, so entstehen auch für denjenigen Ehegatten, der nicht Eigentümer ist, berechtigte persönliche und finanzielle Interessen daran, die Ehewohnung selbst nutzen zu dürfen. Auf diese Interessen hat der Eigentümer-Ehegatte gemäß §  241 Abs.  2 BGB Rücksicht zu nehmen, wobei zu berücksichtigen ist, dass die Ehe als zugrundeliegendes Schuldverhältnis eine Verantwortungsgemeinschaft (§  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  2 684  BGH v. 18.11.2009 – XII ZR 173/06, NJW 2010, 1879 (1880); BGH v. 4.11.1987 – IVb ZR 83/86, NJW 1988, 2032 (2033); BGH v. 13.10.1976 – IV ZR 104/74, NJW 1977, 378; zur Schadensberechnung LG Köln v. 2.10.1989 – 34 T 31/89, NJW-RR 1990, 140; Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  58; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  39. 685  Siehe dazu Kap.  3 B.II., S. 81 ff. 686  BGH v. 18.11.2009 – XII ZR 173/06, NJW 2010, 1879 (1880). 687  BGH v. 7.4.1978 – V ZR 154/75, NJW 1978, 1529 (1530): „Aus dem Gebot der ehelichen Lebensgemeinschaft (§  1353 I BGB) ergibt sich die Pflicht der Ehegatten, sich gegenseitig die Benutzung der ehelichen Wohnung zu gestatten, auch wenn ein Ehegatte Alleineigentümer dieser Wohnung ist“; ebenso BGH v. 25.6.2004 – IXa ZB 29/04, NJW 2004, 3041; BGH v. 26.2.1954 – V ZR 135/52, NJW 1954, 918; Dethloff, Familienrecht, §  4 Rn.  22 ff. Aus diesem Anspruch ergibt sich nach h. M. eine Besitzberechtigung des Nichteigentümer-Ehegatten im Rahmen eines gesetzlichen Besitzmittlungsverhältnisses, BGH v. 31.1.1979 – VIII ZR 93/78, NJW 1979, 976; abgelehnt für die nichteheliche Lebensgemeinschaft von OLG München v. 4.7.2013 – 23 U 39950/12, NJW 2013, 3525. 688  So auch Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  37. 689  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  24; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  35.

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BGB) ist. Der Gesetzgeber kann den Eigentümer-Ehegatten zwar nicht gegen seinen Willen verpflichten, seine Wohnung (weiterhin) mit dem anderen Ehegatten zu teilen und mit ihm zusammen wohnen zu bleiben (Autonomie­bereich), aber er kann ihm ein Verhalten untersagen, das auf die schutzwürdigen Interessen des anderen Ehegatten keine Rücksicht nimmt (Sozialbezug). Will der Eigentümer-Ehegatte nicht länger unter einem Dach mit dem anderen in seiner Wohnung leben, muss er dem anderen zumindest eine von den Umständen690 abhängige Übergangsfrist gewähren, damit sich dieser auf die neue Situation einstellen und entsprechend disponieren kann. Eine schuldhafte Verletzung dieser Pflicht löst Schadensersatzansprüche gemäß §  280 Abs.  1 BGB aus, z. B. wenn der Eigentümer-Ehegatte den anderen ad hoc „vor die Tür setzt“ und dieser sich vorübergehend ein Hotelzimmer suchen muss. Nach hier vertretener Ansicht besteht daher auch während bestehender Ehe für den Eigentümer-Ehegatten keine Pflicht zur Gestattung der Mitbenutzung von Ehewohnung und Hausrat, sondern nur die Pflicht, auf die Interessen des anderen Rücksicht zu nehmen, wenn eine einmal (freiwillig) gewährte Mitbenutzung entzogen werden soll. Davon unberührt bleibt selbstverständlich die Unterhaltspflicht nach §  1360 BGB, die auch den Wohnbedarf jedes Ehegatten umfasst (§  1360a Abs.  1 BGB). 691 Praktisch wird die Entscheidung des Eigen­ tümer-Ehegatten, nicht mehr mit dem anderen in den eigenen vier Wänden zusammenleben zu wollen, jedoch ohnehin die Trennung der Ehegatten zur Folge haben. In diesem Fall schützt der Gesetzgeber die Interessen des anderen Ehegatten mit den Vorschriften der §§  1361a, 1361b BGB, wonach ein Ehegatte bei Getrenntleben verlangen kann, dass ihm der andere die Ehewohnung oder einen Teil zur alleinigen Benutzung überlässt, soweit dies auch unter Berücksichtigung der Belange des anderen Ehegatten notwendig ist, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Die Eigentumsverhältnisse sind dabei besonders zu berücksichtigen (§  1361b Abs.  1 S.  3 BGB), außerdem kann nach Billigkeitsgesichtspunkten eine Nutzungsvergütung geschuldet sein (§  1361b Abs.  3 S.  2 BGB). Ein Rückgriff auf allgemein schuldrechtliche Regelungen ist daneben ausgeschlossen. (4) Mitarbeit im Gewerbe des anderen Ehegatten Auch die in Ausnahmefällen bestehende Pflicht zur Mitarbeit im Gewerbe des anderen Ehegatten ist nach vorzugswürdiger Ansicht eine Ausprägung der Pflicht zur Rücksichtnahme in Vermögensangelegenheiten.692 Seit dem 1. EheRG 690  Hier wird sowohl die Dauer der Ehe als auch die persönliche und finanzielle Situation des Nichteigentümer-Ehegatten zu berücksichtigen sein; sind Kinder vorhanden, ist auch die Betreuungssituation für diese mit einzubeziehen. 691  Dazu oben Kap.  3 C.III.1.a), S. 133 ff. 692  Überwiegend wird die Mitarbeitspflicht jedoch auf §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB (allgemeine Beistandspflicht) gestützt, siehe Palandt/Brudermüller, §  1356 Rn.  7; Gernhuber/Coester-­

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1977, durch das §  1356 Abs.  2 BGB a. F. aufgehoben wurde,693 enthält das BGB keine Norm mehr, die Ehegatten zur Mitarbeit im Beruf oder Geschäft des Partners verpflichtet. Dennoch können im Laufe der Ehe Situationen entstehen, in denen ein erwerbstätiger Ehegatte auf Hilfe und Beistand durch den anderen in seinem Betrieb angewiesen ist, vor allem, wenn vorübergehend Personalmangel besteht. Aus §  241 Abs.  2 BGB kann dann die Pflicht zur Mithilfe und Mitarbeit im Betrieb oder Geschäft des anderen folgen, sofern und soweit dies dem anderen Ehegatten unter Berücksichtigung der gewählten Rollenverteilung und der übrigen persönlichen und tatsächlichen Umstände zumutbar ist.694 Dies wird man im Regelfall nur in Notsituationen eines Ehegatten annehmen können. 695 Durch die Mitarbeit leistet der aushelfende Ehegatte nicht nur einen Beitrag zur ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern er erbringt auch einen Teil seiner Unterhaltspflicht gemäß §  1360 BGB. Verweigert er eine ihm zumutbare Mitarbeit ohne berechtigten Grund, kann er sich gemäß §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB schadensersatzpflichtig machen. 696 (5) Nachwirkende Rücksichtnahmepflicht Die vermögensrechtliche Rücksichtnahmepflicht kann auch nach der Trennung bzw. nachehelich noch relevant sein und bei einem Verstoß Schadensersatz­ ansprüche auslösen, so beispielsweise bei einer unberechtigten Verweigerung der Zustimmung zur Übertragung eines Kfz-Schadensfreiheitsrabatts nach der Trennung, der nur formal im Vermögen des einen Ehegatten entstanden ist, während der andere diesen durch die tatsächliche Nutzung des Fahrzeugs während der Ehezeit allein „erzielt“ hat. 697 Gleichermaßen besteht auch nach einer Waltjen, Familienrecht, §  20 Rn.  19; Erman/Kroll-Ludwigs, §  1356 Rn.  14; Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  55; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  86; MüKoBGB/Roth, §  1356 Rn.  20, der jedoch auch auf das Gebot der Rücksichtnahme abhebt. 693  §  1356 BGB a. F. lautete: „(1) Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist. (2) Jeder Ehegatte ist verpflichtet, im Beruf oder Geschäft des anderen Ehe­ gatten mitzuarbeiten, soweit dies nach den Verhältnissen, in denen die Ehegatten leben, üblich ist.“ 694 BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  31; Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  55; MüKoBGB/Roth, §  1356 Rn.  21. 695  So auch Palandt/Brudermüller, §  1356 Rn.  7 („auf extreme Ausnahmefälle beschränkt“); Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  20 Rn.  19 („in extremen Gefährdungssituationen“); Erman/Kroll-Ludwigs, §  1356 Rn.  15 („nur noch in Notfällen“); Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  55 („nur noch in besonderen, außergewöhnlichen Situationen“); MüKoBGB/Roth, §  1356 Rn.  21 („nur noch ausnahmsweise (meist für begrenzte Zeit) zu bejahen“); Staudinger/ Voppel, §  1353 Rn.  86 („in eng begrenzten Ausnahmefällen – Notsituationen“). 696  A. A. Palandt/Brudermüller, §  1356 Rn.  8 , unter Verweis auf BGH v. 30.1.1957 – IV ZR 279/56, BGHZ 23, 215 (217), der sich jedoch mit der Frage von Schadensersatzansprüchen im Falle einer Treuepflichtverletzung befasste. 697  Im konkreten Fall verneint mangels Nachweises der Voraussetzungen für diesen auf Treu und Glauben (§  242 BGB) gestützten Anspruch, OLG Hamm v. 13.4.2011 – 8 WF 105/11,

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Scheidung für beide Ex-Ehegatten die Pflicht, bei der Abwicklung eines gemein­ sam aufgenommenen Kredits mitzuwirken698 oder auf eine Vertragsanpassung (z. B. Mietvertrag; siehe auch §  1568a Abs.  3 und Abs.  5 BGB) hinzuwirken. c) Familienplanung (1) Meinungsstand Auch in Bezug auf die Familienplanung sind beide Ehegatten einander zur gegenseitigen Rücksichtnahme verpflichtet. Noch immer wird in der Literatur behauptet, dass die Ehe „ihrem Wesen nach“ auf die Zeugung und Empfängnis von Kindern angelegt sei, 699 obwohl anerkannt ist, dass auch eine (gewollt oder ungewollt) kinderlose Ehe eine vollwertige Ehe im Sinne von Art.  6 Abs.  1 GG ist.700 Noch weitergehend wird sogar – angelehnt an das Verständnis der katholischen Kirche – angenommen, dass die Ehegatten zur Zeugung oder Empfängnis von Kindern wechselseitig verpflichtet seien, wenn sie nichts Abweichendes vereinbart haben: 701 Wenn ein Ehegatte seinem Partner nicht mitteile, dass er eine kinderlose Ehe führen wolle, so stelle seine spätere Weigerung zur Zeugung oder Empfängnis von Kindern eine Ehepflichtverletzung dar.702 Für möglich und zulässig gehalten wird indes eine einvernehmliche Regelung der Ehegatten über die Frage, ob sie Kinder haben wollen oder nicht. Umstritten ist dabei jedoch wiederum, ob eine solche Vereinbarung über die Familienplanung Bindungswirkung entfaltet. Soweit dies bejaht wird, wird angenommen, dass eine einseitige Lossagung durch einen Ehegatten ehewidrig sei.703 Argumentiert wird von dieser Auffassung, dass eine solche Bindung nicht dem Selbstbestimmungsrecht eines Ehegatten widerspreche, da dieses durch die Ehe und die ge-

NJW-RR 2011, 1227; LG Hildesheim v. 1.9.2008 – 7 S 41/08, NJW-RR 2009, 1446; LG Freiburg v. 15.8.2006 – 5 O 64/06, FamRZ 2007, 146; AG Reutlingen v. 5.9.2003 – 1 C 976/03, NJW-RR 2004, 601. Den Anspruch bejaht LG Flensburg v. 7.6.2006 – 1 T 30/06, NJW-RR 2006, 1300; LG Freiburg v. 3.5.1991 – 5 O 373/90, FamRZ 1991, 1447; AG Olpe v. 7.1.2010 – 22 F 6/10, FamRZ 2010, 919; AG Euskirchen v. 19.12.1997 – 17 C 526/97, FamRZ 1999, 380; MüKoBGB/Roth, §   1353 Rn.   38; Staudinger/Voppel, §   1353 Rn.   89. Anders LG Köln v. 2.2.1977 – 13 T 73/76, NJW 1977, 1969. 698 Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  59; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  38 m. w. N. 699 Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  38. A. A. BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  10. 700 BGH v. 21.2.2001 – XII ZR 34/99, NJW 2001, 1789; Gernhuber/Coester-Waltjen, ­Familienrecht, §  18 Rn.  54; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  42; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  38. 701 Staudinger/Voppel, §   1353 Rn.  39. Eine Rechtspflicht zurecht verneinend hingegen BGH v. 21.2.2001 – XII ZR 34/99, NJW 2001, 1789; Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  42; MüKoBGB/­Roth, §  1353 Rn.  42. 702 Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  39. 703  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  5 4 f.; Grziwotz, FamRZ 2002, 1154 (1156); Rauscher, FamR, Rn.  241; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  38; vgl. Lüke, AcP 178 (1978), 1 (6: „Abreden der Ehegatten über zeitweilige oder endgültige Kinderlosigkeit sind rechtlich möglich; sie verstoßen nicht gegen die guten Sitten“).

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meinsame Verantwortung eingeschränkt sei.704 Nach anderer Ansicht werden solche Vereinbarungen dem rechtsfreien Raum zugeordnet, der rechtsgeschäftlicher Fixierung nicht zugänglich ist. Eine verbindliche Wirkung wird nach dieser Auffassung schon deshalb abgelehnt, weil eine dauerhafte Bindung an Vereinbarungen in höchstpersönlichen Angelegenheiten wie der Gründung einer Familie unzumutbar und ein unwiderruflicher Verzicht auf Kinder mit dem individuellen Selbstbestimmungsrecht sowie dem Wesen der Ehe unvereinbar sei.705 Dementsprechend führt der BGH aus: „Da der Entschluss, zur Entstehung eines neuen Lebens beizutragen und in der Folge für dieses verantwortlich zu sein, für jedes Individuum eine höchstpersönliche Angelegenheit ist, würde eine solche Bindungswirkung die grundrechtlich geschützte personale Würde und das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen (Art.  1 Abs.  1, 2 Abs.  1 GG) verletzen, zu denen es auch gehört, sich jederzeit erneut und frei für oder gegen ein Kind zu entscheiden. Das gilt für Männer und Frauen in gleicher Weise. Ein anderes Verständnis wäre auch mit dem Wesen der Ehe nicht zu vereinbaren, in der sich gleichberechtigte Partner in gegenseitiger Achtung der Person und Respektierung der individuellen Anschauungen des anderen, insbesondere was den engsten persönlichen Intimbereich angeht, zusammenfinden.“706

Nach dieser Ansicht können Abreden über die Familienplanung also jederzeit auch gegen den Willen des anderen einseitig aufgekündigt bzw. widerrufen werden.707 Jedoch müsse ein Sinneswandel dem anderen Ehegatten mitgeteilt werden,708 denn – insofern sind sich die Vertreter beider Ansichten einig – eine einseitige Disposition habe notwendig auch Konsequenzen für den anderen Ehegatten und beeinträchtige diesen in seinem Selbstbestimmungsrecht.709

704 Staudinger/Voppel,

§  1353 Rn.  38. v. 21.2.2001 – XII ZR 34/99, NJW 2001, 1789 (1790) (Durchführung einer invitro-­Fertilisation nach zurückgezogenem Einverständnis des Ehemannes); BGH v. 17.4.1986 – IX ZR 200/85, NJW 1986, 2043 (2045) (Vereinbarung des regelmäßigen Gebrauchs empfängnisverhütender Mittel zwischen nichtehelichen Lebensgefährten); Dethloff, Familienrecht, §  4 Rn.  26; Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  42; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  42 (nicht verbindlich, da solche Abreden den Intimbereich betreffen; trotzdem handele ein Ehegatte, der dagegen verstößt, pflichtwidrig). Im Ergebnis ebenso Palandt/Brudermüller, §  1353 Rn.  7; Streck, Generalklausel, S.  87 ff., 100. 706 BGH v. 21.2.2001 – XII ZR 34/99, NJW 2001, 1789 (1790); ähnlich schon BGH v. 17.4.1986 – IX ZR 200/85, NJW 1986, 2043 (2045). 707 BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  11; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  42. 708  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §   18 Rn.  55 a. E.; BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  11; Rauscher, FamR, Rn.  241; MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  42. A. A. BGH v. 17.4.1986 – IX ZR 200/85, NJW 1986, 2043 (2045), der davon ausgeht, dass der Schutz der Intimsphäre auch eine Verpflichtung ausschließe, den Partner wenigstens über den Sinneswandel zu unterrichten; kritisch Dunz, VersR 1986, 819 (820); Fehn, JuS 1986, 602 ff.; Ramm, JZ 1986, 1008 (1012); Roth-Stielow, JR 1987, 7 (9). 709  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  55; BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  12; Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  42; Rauscher, FamR, Rn.  241; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  38, 40. 705  BGH

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Umstritten ist außerdem die Frage, welche rechtlichen Konsequenzen eine einseitige, absprachewidrige Absetzung eines Verhütungsmittels hat. Teilweise wird die Befolgung einer Abrede über den Gebrauch von empfängnisverhütenden Mitteln als nicht justiziabel angesehen.710 Dementsprechend wird es abgelehnt, im Falle eines abredewidrigen Verhaltens (insbesondere der heimlichen Absetzung der Pille) einen Unterhaltsanspruch (z. B. nach §  1570 BGB) gemäß §  1579 BGB herabzusetzen oder zu versagen.711 Auch Schadensersatzansprüche des Ehemannes wegen der Unterhaltspflicht für das (ungewollt entstandene) Kind können nach weit verbreiteter Ansicht nicht gegenüber der Ehefrau geltend gemacht werden, die die Verhütungsmittel abgesetzt hat,712 wobei die teilweise dafür gegebene Begründung, dass die Zuordnung des Kindes zu beiden Eltern mit allen entsprechenden Rechten und Pflichten für beide Seiten des Eltern-Kind-Verhältnisses existentiell wichtig sei,713 den Ausschluss von Schadensersatzansprüchen kaum zu rechtfertigen vermag, da solche an der abstammungsrechtlichen Zuordnung des Kindes nichts ändern. Nur vereinzelt wird eine Schadensersatzpflicht ausnahmsweise unter den Voraussetzungen des §  826 BGB bejaht.714 (2) Relevante Pflichtverletzung Die Ablehnung von haftungsrechtlichen Konsequenzen einer einseitigen Lossagung von einer Vereinbarung über die Familienplanung vermag nicht zu überzeugen. Haftungsrelevant sind diesbezüglich nur die Konstellationen, in 710 Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  41, 144. A. A. Rauscher, FamR, Rn.  237 Fn.  28, der die Verpflichtung zur Empfängnisverhütung für justiziabel hält, aber die Durchsetzbarkeit verneint (Rn.  241); für rechtliche Relevanz auch Grziwotz, FamRZ 2002, 1154 (1156). 711  BGH v. 21.2.2001 – XII ZR 34/99, NJW 2001, 1789 (1791); BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  13; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  41. A. A. Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  42, der „gegebenenfalls Konsequenzen im nachehelichen Folgerecht“ für möglich hält. 712  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §   18 Rn.  55 mit Fn.  63; BeckOK-BGB/ Hahn, §  1353 Rn.  13; Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  42 (beschränkt auf deliktsrechtliche F ­ olgen); MüKoBGB/Roth, §  1353 Rn.  42; Staudinger/Voppel, §  1353 Rn.  41, 144; ebenso für nichtehe­ liche Lebensgefährten BGH v. 17.4.1986 – IX ZR 200/85, NJW 1986, 2043 (2045). Zweifelnd hingegen Palandt/Brudermüller, §  1353 Rn.  7 (Sanktionslosigkeit sei nicht unbedenklich); Rauscher, FamR, Rn.  241 („ob der Verstoß zum Ersatz des Vertrauensschadens (…) führt, ist fraglich.“). 713 So MüKoBGB/Roth, §   1353 Rn.  42, ebenso Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  55 in Fn.  63: „Ein unbestreitbar in die Ehe geborenes Kind sollte auch mittelbar nicht nur einem Ehegatten zugeordnet werden.“ In diese Richtung auch Dethloff, Familienrecht, §  4 Rn.  26: „Schadensersatz wäre eine durchaus angemessene Sanktion, widerspricht aber regelmäßig den Interessen des Kindes.“ Mit dieser Argumentation kann man freilich sämtliche Ansprüche gegen einen Elternteil durch Dritte ablehnen, weil deren Durchsetzung mittelbar auch dazu führt, dass weniger finanzielle Mittel für das Kind zur Verfügung stehen. 714 Palandt/Brudermüller, Einl. v. §   1297 Rn.  25 (für die nichteheliche Lebensgemeinschaft), §  1353 Rn.  14 (für Ehegatten); Dunz, VersR 1986, 819 (820); Fehn, JuS 1986, 602 (605); Ramm, JZ 1986, 1008 (1012); Roth-Stielow, JR 1987, 7 (9); Wanke, Schadensersatz für Kindesunterhalt, S.  119 ff.

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denen die Frau an der Abrede, empfängnisverhütende Mittel anzuwenden, einseitig nicht mehr festhält. In diesem Fall kann es zur Zeugung eines Kindes kommen, für das der Ehemann als rechtlicher Vater (§  1592 Nr.  1 BGB) gemäß §§  1601 ff. BGB unterhaltspflichtig ist. Der umgekehrte Fall, in dem ein Ehe­ gatte abredewidrig das Zustandekommen einer Schwangerschaft verhindert, ist zwar moralisch verwerflich, hat aber keine finanziellen Konsequenzen, die eine Haftung auslösen könnten.715 Die Entscheidung für oder gegen eigene Kinder ist höchstpersönlich und Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts jedes Ehegatten. Als absolut geschütztes sonstiges Recht im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch zwischen den Ehegatten zu beachten. Jeder Ehegatte kann daher jederzeit frei darüber entscheiden, ob er (weiterhin) Verhütungsmittel nehmen will oder nicht, kann seine frühere Entscheidung also jederzeit ändern. Eine diesbezügliche Vereinbarung zwischen den Ehegatten ist nicht bindend, weil das abgesprochene Verhalten dem rechtsfreien höchstpersönlichen Bereich zuzuordnen ist. Ebenso wenig wie das Gesetz den Ehegatten insofern verbindliche Vorschriften machen kann, können sich die Ehegatten rechtsgeschäftlich selbst binden. Letztlich teilen Abreden über empfängnisverhütende Maßnahmen die Rechtsnatur des „gegenseitigen Einvernehmens“ im Sinne von §  1356 BGB.716 Das bedeutet aber nicht, dass ein heimliches Abrücken von einer solchen Vereinbarung ebenfalls in den rechtsfreien Bereich fällt und daher nicht justiziabel ist. Ganz zu Recht wird einhellig betont, dass durch die Abstandnahme von einer Abrede über die Verwendung von Empfängnisverhütungsmitteln ohne Hinweis gegenüber dem anderen Ehegatten dessen Selbstbestimmungsrecht verletzt wird.717 Ihm wird die Freiheit genommen, über seine Fortpflanzung selbst zu entscheiden, da er auf die weitere Einhaltung der Abrede vertraut, solange ihm der andere Ehegatte einen Sinneswandel nicht kommuniziert.718 Das gleiche gilt für den Fall einer vereinbarten extrakorporalen (homologen) 719 Befruchtung (der sog. In-vitro-Fertilisation), wenn die Ehefrau die Behandlung fortsetzen

715  Zu den Fragen im Zusammenhang mit einer nicht abgesprochenen Sterilisation siehe BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  10, der ganz zu Recht betont, dass sich die Auffassung, wonach ein Ehegatte eine Sterilisation nur mit Zustimmung des anderen durchführen lassen dürfe, nicht mit der Entscheidungsfreiheit über die eigene Fortpflanzung vereinbaren lasse. 716 Soergel/M. Lipp, §  1353 Rn.  42. Siehe dazu noch unten Kap.  3 C.III.4., S. 254 ff. 717  So auch BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  12. 718 Ebenso BeckOK-BGB/Hahn, §   1353 Rn.  11, der jedoch nicht genau herausarbeitet, welche gesetzliche Pflicht in diesem Fall verletzt wird: „Ein Ehegatte kann sich von einer Abrede grds. nicht stillschweigend lösen; wenn er sich nicht länger daran halten will, muss er dies vielmehr zum Ausdruck bringen, da er einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat. Eine Frau, die den vereinbarten Gebrauch empfängnisverhütender Mittel abbricht, handelt daher pflichtwidrig, wenn sie dies ihrem Partner verschweigt.“ 719  Bei der homologen Befruchtung werden Spermien des Ehepartners verwendet, während eine heterologe Insemination mit Spendersamen erfolgt.

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lässt, obwohl der Ehemann sein Einverständnis widerrufen hat.720 Während dem BGH darin zuzustimmen ist, dass sich aus einem Konsens hinsichtlich der Familienplanung keine Bindung auf Dauer ergeben kann, lässt seine Auffassung, dass es keiner Rechtfertigung bedürfe, wenn die Frau ihren entstandenen Kinderwunsch – gegen den Willen des Mannes – verwirklicht,721 die Rechte und Interessen des Mannes gänzlich außer Acht und ist daher abzulehnen. Der relevante rechtliche Vorwurf gegenüber der Frau liegt dabei nicht in einem Verstoß gegen eherechtliche Pflichten oder einem Verstoß gegen die Absprache über die Familienplanung, sondern in einer Verletzung der schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflicht aus §  241 Abs.  2 BGB, wonach sie verpflichtet ist, den Mann über seine Interessen tangierende Umstände aufzuklären. Nicht das Absetzen der Antikonzeptiva als solches, sondern die Nichtaufklärung über diese Maßnahme ist das vorwerfbare rücksichtslose Verhalten,722 das erhebliche Auswirkungen in persönlicher wie finanzieller Hinsicht für den Ehemann hat und deshalb rechtlicher Bewertung zugänglich ist.723 Der Kinderwunsch der Frau hat nicht mehr Gewicht als die Entscheidung des Mannes, keine Kinder bekommen zu wollen; seine Interessen sind aus rechtlicher Sicht gleichermaßen beachtlich. Das Verhalten der Frau betrifft deshalb nicht nur ihre eigene höchstpersönliche Sphäre, sondern auch diejenige des Mannes, und es verursacht zugleich erhebliche vermögensrechtliche Folgen für den Mann in Form von Unterhaltspflichten gegenüber dem Kind. Diese Außenwirkung des Verhaltens der Frau auf die schützenswerten Interessen des Mannes rechtfertigt es, in das eheliche Schuldverhältnis mit rechtlichen Geboten in der Form von Rücksichtnahmepflichten, genauer: Aufklärungspflichten, verhaltenssteuernd einzugreifen. Es kann der Frau von Rechts wegen nicht vorgeschrieben werden, weiterhin – der ursprünglichen Abrede entsprechend – Antikonzeptiva einzunehmen, denn diese Entscheidung fällt in den höchstpersönlichen Autonomiebereich jeder Frau; allerdings kann das Recht die Frau verpflichten, gemäß §  241 Abs.  2 BGB auf die dadurch betroffenen Interessen des Mannes Rücksicht zu nehmen, indem sie ihn über ihre Meinungsänderung rechtzeitig aufklärt. Verletzt die Ehefrau diese Rücksichtnahmepflicht, indem sie sich stillschweigend über eine Abrede zur Empfängnisverhütung hinwegsetzt, macht sie sich nach §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB schadensersatzpflichtig und muss ihren Ehemann von sämtlichen Unterhaltspflichten gegenüber dem Kind befreien.724 Das Argument, dass eine schadensersatzrechtliche Sanktion regelmäßig den In720 

Richtig BeckOK-BGB/Hahn, §  1353 Rn.  12. So BGH v. 21.2.2001 – XII ZR 34/99, NJW 2001, 1789 (1790, unter b). 722 Ähnlich, aber im Zusammenhang mit der Frage eines Sittenverstoßes im Sinne von §  826 BGB, Wanke, Schadensersatz für Kindesunterhalt, S.  122. 723  Zum Kriterium des Sozialbezugs bei der Abgrenzung des rechtsfreien Bereichs vom rechtlichen Bereich siehe oben Kap.  3 C.III.2.a)(4)(b)(ii), S. 178 ff. 724  Zum Schadensersatzanspruch in Form eines Befreiungsanspruchs siehe Mayer, ZfPW 2015, 226 (228, 234 f.). 721 

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teressen des Kindes widerspricht und deshalb offenbar zu versagen sein soll,725 geht fehl, denn mit diesem Argument könnte man sämtliche Ansprüche von Gläubigern gegen einen Elternteil zunichtemachen, weil deren Durchsetzung auch nachteilige Konsequenzen für die finanzielle Situation des Kindes hätte. Stellt man als relevante Pflichtverletzung mit der hier befürworteten Ansicht auf die (bewusste und vorsätzliche) Nichtaufklärung über das Absetzen des Verhütungsmittels ab, so scheidet in diesem Zusammenhang sachgerechter Weise eine Haftung der Frau aus, wenn sie nur versehentlich versäumt hat, die Antikonzeptiva regelmäßig zu nehmen und deshalb ungewollt schwanger wird; es fehlt dann schon an dem für eine Aufklärungspflicht erforderlichen Wissensgefälle.726 Dieses Risiko tragen vielmehr beide Partner gleichermaßen.727 Die vorstehenden Ausführungen gelten gleichermaßen auch im Verhältnis zwischen nichtehelichen Lebensgefährten, denn im Hinblick auf die Interessen des Mannes und die Außenwirkung des Verhaltens der Frau bestehen in diesem Fall keine Unterschiede, weshalb die gleichen Rücksichtnahmepflichten wie im ehelichen Schuldverhältnis bestehen. (3) Beweislast Eine andere Frage ist, wer für die Pflichtverletzung, also die Verletzung der Rücksichtnahmepflicht in Form der Aufklärung, im Streitfall die Beweislast trägt. Nach den allgemeinen Regeln muss im Rahmen von §  280 Abs.  1 BGB der Gläubiger die objektive Pflichtverletzung beweisen; dazu gehört in den Fällen der Verletzung von Schutz- und Rücksichtnahmepflichten die objektive Sorgfaltswidrigkeit des Schuldnerverhaltens sowie dessen Ursächlichkeit für die Schädigung des Gläubigers.728 Das würde im hier interessierenden Zusammenhang bedeuten, dass der Ehemann beweisen muss, dass seine Frau ihn nicht über ihr Verhalten, namentlich das Absetzen der Verhütungsmittel, informiert hat und er bei entsprechender Information eigene Vorsorgemaßnahmen ergriffen hätte. Der Beweis von negativen Tatsachen („Nichtaufklärung“) ist jedoch regelmäßig sehr schwierig, weil es dafür regelmäßig keine „handfesten“ Beweise, auch keine Zeugen gibt. In solchen Fällen kehrt sich zwar nicht die Beweislast um,729 allerdings kommen dem Gläubiger unter Umständen Beweiserleichterungen zugute, wenn die Schadensursache aus dem Gefahren- und Verantwor725 So Dethloff, Familienrecht, §  4 Rn.  26. Ebenso BGH v. 17.4.1986 – IX ZR 200/85, NJW 1986, 2043 (2045), im Zusammenhang mit der Ablehnung deliktsrechtlicher Ansprüche bei heimlichem Absetzen empfängnisverhütender Mittel im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. 726  Zu den Voraussetzungen einer Aufklärungspflicht siehe oben Kap.  3 C.III.3.a)(3)(b), S. 201 ff. 727  Ramm, JZ 1986, 1008 (1013). 728 MüKoBGB/Ernst, §   280 Rn.   33, 143; Palandt/Grüneberg, §   280 Rn.   36; BeckOKBGB3.2011/Lorenz, §  280 Rn.  78. 729 Thomas/Putzo/Reichold, Vorbem. §  284 Rn.  18.

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tungsbereich des Schuldners herrührt. Ist es dem darlegungspflichtigen Kläger nicht möglich oder zumutbar, die für seinen Anspruch notwendigen Tatsachen darzulegen und zu beweisen, weil sie aus der Sphäre des Beklagten stammen, während dieser alle wesentlichen Tatsachen kennt, so genügt nach den Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast, die die Verteilung der Beweislast unberührt lässt, ein einfaches Bestreiten durch den Beklagten nicht, sofern ihm nähere Angaben zumutbar sind; vielmehr muss der Beklagte in diesem Fall die behaupteten Tatsachen substantiiert bestreiten, indem er die für das Gegenteil sprechenden Umstände und Tatsachen vorträgt.730 Geht es auf Seiten des Klägers um negative Tatsachen, so muss er sodann die nach dem substantiierten Vortrag der Gegenpartei für das positive Vorhandensein des tatsächlichen Umstands sprechenden Gründe widerlegen. Auf die hier interessierende Konstellation übertragen bedeutet dies: Wenn der Ehemann im Streitfall vorträgt, dass die Ehefrau ihn nicht darüber aufgeklärt hat, dass sie die Antikonzeptiva absetzt, und er glaubwürdig darlegen kann, dass er keine Kinder wollte und im Falle der Aufklärung dementsprechend seinerseits Verhütungsmaßnahmen ergriffen hätte, so obliegt es der Frau, nachzuweisen, wann und wie sie ihren Ehemann über ihr Verhalten informiert hat und dass er trotz dieser Kenntnis den ungeschützten Geschlechtsverkehr vollzogen hat. Gelingt ihr dieser substantiierte Vortrag, muss der Ehemann ihre (positiven) Behauptungen widerlegen. Kommt die Ehefrau ihrer sekundären Darlegungslast indes nicht oder nicht in ausreichendem Maße nach, so gilt die Behauptung des primär darlegungspflichtigen Mannes trotz fehlender Substantiierung als im Sinne von §  138 Abs.  3 ZPO zugestanden.731 Häufig werden solche Streitfälle mithin letztlich auf der Ebene der Beweiswürdigung danach entschieden werden, welche Partei der Richter für glaubwürdiger erachtet. d) „Seitensprung“ und Unterhaltsregress Besonders praktisch relevant werden Rücksichtnahmepflichten im Sinne von §  241 Abs.  2 BGB im familienrechtlichen Kontext in Fällen, in denen aus einem „Seitensprung“ der Ehefrau ein Kind entsteht, das sie ihrem Ehemann als von ihm abstammend „unterschiebt“. Stellt sich nach mehreren Jahren heraus, dass der Ehemann entgegen seiner Annahme nicht der leibliche Vater des Kindes ist, zu dem er nicht nur eine emotionale Beziehung aufgebaut hat, sondern für das 730  Statt vieler BGH v. 10.2.2015 – VI ZR 343/13, NJW-RR 2015, 1279 (1280) m. w. N.; BGH v. 17.1.2008 – III ZR 239/06, NJW 2008, 982 (984). Zur Beweislast bei §  280 BGB siehe MüKoBGB/Ernst, §  280 Rn.  32 ff.; Palandt/Grüneberg, §   280 Rn.   36; BeckOK-BGB3.2011/­ Lorenz, §  280 Rn.  78 ff. Allgemein zur sekundären Beweislast siehe Zöller/Greger, §  138 ZPO Rn.  8b, Vor §  284 ZPO Rn.  34 ff.; Thomas/Putzo/Reichold, §  138 ZPO Rn.  12, Vorbem. §  284 ZPO Rn.  18, 37; Musielak/Stadler, §  138 ZPO Rn.  10. 731 Zu dieser Rechtsfolge der sekundären Beweislast Zöller/Greger, §   138 ZPO Rn.  8b, Vor §  284 ZPO Rn.  34c; Stein/Jonas/Leipold, §  138 ZPO Rn.  37 ff.

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er auch Unterhaltsleistungen erbracht hat, so ist nur verständlich, wenn er wenigstens seine finanziellen Aufwendungen entweder von der Mutter oder dem biologischen Vater ersetzt haben will. Schadensersatzansprüche gegen die Mutter wegen des „Ehebruchs“ oder des Verschweigens der Nichtvaterschaft lehnt die Rechtsprechung jedoch seit jeher ab. Die Möglichkeiten des Unterhaltsregresses des Scheinvaters gegen den leiblichen Vater nach §  1607 Abs.  3 S.  2 BGB werden dagegen maßgeblich von den abstammungsrechtlichen Vorschriften beeinflusst, die eine rechtliche Zuordnung des Kindes großteils unabhängig von der genetischen Abstammung bewirken.732 Voraussetzung eines Regresses ist freilich, dass dem Scheinvater die Identität des biologischen Vaters bekannt ist, wozu er häufig auf Auskunft von der Mutter angewiesen ist. Zunächst sollen daher die abstammungsrechtliche Ausgangslage sowie die Möglichkeiten und Schwierigkeiten des Unterhaltsregresses gemäß §  1607 Abs.  3 S.  2 BGB dargestellt werden (dazu (1)). Anschließend wird auf die Problematik eines Auskunftsanspruchs des Scheinvaters gegenüber der Mutter eingegangen, der bereits mehrfach Gegenstand der ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung war und künftig gesetzlich geregelt werden soll (dazu (2)). Hier wird aufzuzeigen sein, dass die haftungsrechtlich relevante Pflichtver­letzung nicht in einer Auskunfts-, sondern vielmehr in einer Aufklärungspflichtverletzung der Mutter liegt, was zu einer gänzlich anderen rechtlichen Bewertung führt (dazu (3)). Im Anschluss wird die Frage etwaiger Schadens­ersatzansprüche des Scheinvaters gegenüber der Mutter wegen der an das (untergeschobene) Kind erbrachten Unterhaltsleistungen analysiert (dazu (4) und (5)). (1) Überblick über die Rechtslage Rechtlicher Vater eines Kindes ist gemäß §  1592 Nr.  1 BGB primär der Mann, der zum Zeitpunkt der Geburt mit der Mutter des Kindes verheiratet ist. Das Gesetz vermutet hier, dass der Ehemann in aller Regel auch der leibliche Vater des Kindes ist, obwohl dies in der Realität durchaus anders sein kann. Stellt der Ehemann fest, dass er nicht der biologische Vater des Kindes ist, kann er seine rechtliche Vaterstellung binnen zwei Jahren nach Kenntniserlangung von den Umständen, die gegen seine Vaterschaft sprechen, gemäß §§  1600 Abs.  1 Nr.  1, 1600a, 1600b BGB anfechten. Im Anfechtungsverfahren muss der Scheinvater die Vermutung des §  1600c Abs.  1 BGB widerlegen. Dadurch wird nicht nur die objektive Beweislast, sondern auch die subjektive Beweisführungslast dem Scheinvater aufgebürdet, denn in Abstammungsverfahren gilt nur ein eingeschränkter Amtsermittlungsgrundsatz (§  177 FamFG).733 Im Verfahren auf Anfechtung der Vaterschaft dürfen von den beteiligten Personen nicht vorge732  Siehe zu den abstammungsrechtlichen Fragen Aust, Das Kuckuckskind und seine drei Eltern, passim. 733  Verkannt von MüKoBGB/Wellenhofer, §  1600c Rn.  2.

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brachte Tatsachen nur berücksichtigt werden, wenn sie geeignet sind, dem Fortbestand der Vaterschaft zu dienen, oder wenn der die Vaterschaft Anfechtende einer Berücksichtigung nicht widerspricht. Im Übrigen hat eine förmliche Beweisaufnahme stattzufinden, wobei die Begutachtung durch einen Gerichtssachverständigen durch die Verwertung eines Privatgutachtens über die Abstammung, das von einem Beteiligten mit Zustimmung der anderen Beteiligten eingeholt wurde, ersetzt werden kann, wenn das Gericht keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der im Privatgutachten getroffenen Feststellungen hat und die Beteiligten zustimmen. Regelmäßig wird dem Scheinvater der Beweis seiner Nichtvaterschaft durch ein Vaterschaftsgutachten nicht schwer fallen, denn soweit es zur Feststellung der Abstammung erforderlich ist, hat nach §  178 Abs.  1 FamFG jede Person Untersuchungen, insbesondere die Entnahme von Blutproben, zu dulden, es sei denn, ihr ist die Untersuchung ausnahmsweise unzumutbar. Ist sich der Ehemann in Bezug auf seine genetische Verbindung zum Kind unsicher und möchte er zunächst nur herausfinden, ob das Kind genetisch von ihm abstammt, ohne unmittelbar eine statusrechtliche Veränderung herbeizuführen, kann er nach §  1598a BGB zunächst ein Verfahren auf Klärung der leiblichen Abstammung des Kindes einleiten.734 Durch die Einleitung eines Verfahrens nach §  1598a Abs.  2 BGB wird die Anfechtungsfrist des §  1600b BGB gehemmt (vgl. §  1600b Abs.  5 S.  1 BGB). Stellt sich heraus, dass der Ehemann nicht der leibliche Vater des Kindes ist, kann er im Anschluss an das Klärungsverfahren überlegen, ob er nun seine rechtliche Vaterstellung durch Anfechtung beseitigt. Die fristgerechte Anfechtung der eigenen Vaterschaft führt nicht nur zur rückwirkenden Aufhebung seiner rechtlichen Vaterstellung mit allen daran anknüpfenden rechtlichen Folgen, sondern sie ist auch Voraussetzung, um beim leiblichen Vater im Hinblick auf die an das Kind erbrachten Unterhaltsleistungen Regress nehmen zu können.735 Denn nach §  1607 Abs.  3 S.  2 BGB kann nur „ein Dritter“, der dem Kind „als Vater Unterhalt“ geleistet hat, beim leiblichen Vater Rückgriff nehmen.736 Problematisch ist allerdings, dass Ansprüche gegen den leiblichen Vater gemäß §  1600d Abs.  4 BGB erst von dem Zeitpunkt an geltend gemacht werden können, in dem der leibliche Vater als rechtlicher Vater gerichtlich festgestellt worden ist. Diese Rechtsausübungssperre ist für den Scheinvater vor allem deshalb misslich, weil er für das Vaterschaftsfeststellungsverfahren nach §  1600d BGB, §§  111 Nr.  3, 169 Nr.  1 FamFG nach über734  Zur Unzulänglichkeit des vormaligen Möglichkeiten des rechtlichen Vaters, der Zweifel an seiner genetischen Verbindung zum Kind hat, BVerfG v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05, NJW 2007, 753, auf dessen Anmahnung das Verfahren nach §  1598a BGB eingeführt wurde. 735  BGH v. 11.1.2012 – XII ZR 194/09, NJW 2012, 852 (Rn.  31). 736 Umfassend zum Scheinvaterregress Martiny, Unterhaltsrang und -rückgriff, Bd.  2, S.  966 ff. Ein derartiger Regressanspruch ist im Rechtsvergleich nicht selbstverständlich, vgl. Helms, FamRZ 2013, 943 f.

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wiegender Meinung nicht antragsberechtigt ist. Die Antragsberechtigung ergibt sich heute zwar nicht mehr aus dem Gesetz, weil die frühere Regelung in §  1600e BGB aF737 ersatzlos weggefallen ist.738 Damit wollte der Gesetzgeber allerdings keine Änderung in Bezug auf die Antragsberechtigten herbeiführen,739 vielmehr hielt er die Regelung nach der Überleitung des Verfahrens in ein solches der freiwilligen Gerichtsbarkeit für überflüssig, da nach der Systematik des FamFG das Verfahren durch einen Antragsteller eingeleitet werde.740 Der Kreis der Verfahrensbeteiligten ergibt sich aus §  172 FamFG, wonach das Kind, die Mutter und der potenzielle Vater zu beteiligen sind. Aus der Beteiligtenstellung muss sich zwar kein Antragsrecht ergeben,741 es erscheint jedoch gerechtfertigt, die Antragsberechtigung für die Begründung eines familienrechtlichen Statusverhältnisses als Ausfluss von Art.  6 Abs.  2 GG nur den unmittelbar betroffenen Personen einzuräumen.742 Dies hat in der Praxis jedoch dazu geführt, dass die Antragsberechtigten in „Seitensprung“-Konstellationen das Verfahren nach §  1600d BGB bewusst nicht einleiten, um dem Scheinvater die Möglichkeit des Regresses beim leiblichen Vater zu vereiteln. Bei strikter Anwendung der Rechtsausübungssperre des §  1600d Abs.  4 BGB würde sich der Rückgriffs­ anspruch des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes daher in einer Vielzahl von Fällen als undurchsetzbar erweisen. Deshalb hat der BGH unter engen Voraussetzungen (und in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung 743) ausnahmsweise eine Durchbrechung der Rechtsausübungssperre des §  1600d Abs.  4 BGB durch Inzidentfeststellung der Vaterschaft des biologischen Vaters im Regressprozess zugelassen: 744 Eine solche Ausnahme komme insbesondere in Betracht, wenn davon auszugehen sei, dass ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren auf längere Zeit nicht stattfinden wird, weil die zur Erhebung einer solchen Klage Befugten dies ausdrücklich ablehnen oder von einer solchen Möglichkeit seit längerer Zeit keinen Gebrauch gemacht haben.745 Anders als im Verfahren nach §  1600d BGB hat diese inziden737  §  1600e BGB a. F. lautete: „(1) Das Familiengericht entscheidet über die Feststellung oder Anfechtung der Vaterschaft 1. auf Klage des Mannes gegen das Kind, 2. auf Klage der Mutter oder des Kindes gegen den Mann, …“ 738 Aufgehoben durch Art.   50 Nr.  25 des Gesetzes v. 17.12.2008, BGBl. I 2008, S.  2586, m. W. v. 1.9.2009. 739 MüKoBGB/Wellenhofer, §  1600d Rn.  14. 740  Siehe die Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 16/6308, S.  345. 741  Löhnig, FamRZ 2009, 1798 f.; Erman/Hammermann, §  1600d Rn.  1a mit Beispielen. 742  Ebenso Erman/Hammermann, §  1600d Rn.  1a. 743  BGH v. 17.2.1993 – XII ZR 238/91, NJW 1993, 1195. 744 BGH v. 16.4.2008 – XII ZR 144/06, NJW 2008, 2433 ff. (Rn.   17 ff., 28 ff.); BGH v. 22.10.2008 – XII ZR 46/07, NJW-RR 2009, 505 f. (Rn.  11 ff.); BGH v. 9.11.2011 – XII ZR 136/09, NJW 2012, 450 (451 Rn.  15); BGH v. 11.1.2012 – XII ZR 194/09, NJW 2012, 852 ff. (Rn.  22 ff.). 745  BGH v. 16.4.2008 – XII ZR 144/06, NJW 2008, 2433 (2435 Rn.  29); BGH v. 22.10.2008 – XII ZR 46/07, NJW-RR 2009, 505 (Rn.  12); BGH v. 9.11.2011 – XII ZR 136/09, NJW 2012, 450 (451 Rn.  15).

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te Feststellung im Rahmen von §  1607 Abs.  3 S.  2 BGB keine Statuswirkung erga omnes, sondern sie gilt nur inter partes, erwächst nicht in Rechtskraft und dient allein dazu, dem Scheinvater, der seine rechtliche Vaterschaft rechtzeitig durch Anfechtung beseitigt hat,746 den Regress beim leiblichen Vater zu ermöglichen. Ist die biologische Vaterschaft des potenziellen Erzeugers – wenn auch nur inzident – festgestellt, so bewirkt §  1607 Abs.  3 S.  2 BGB, dass der Unterhalts­ anspruch des Kindes gegen diesen Vater gemäß §§  1601 ff. BGB in demjenigen Umfang auf den Scheinvater übergeht, in dem dieser dem Kind als (vermeintlicher) Vater Unterhalt gewährt hat. Diesen Anspruch kann der Scheinvater zeitlich unbeschränkt auch für die Vergangenheit noch geltend machen, da die Einschränkung des §  1613 Abs.  1 BGB gemäß Abs.  2 Nr.  2 lit.  a für den Zeitraum nicht gilt, in dem er aus rechtlichen Gründen – hier aufgrund der Rechtsausübungssperre des §  1600d Abs.  4 BGB – an der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs gehindert war. Das Gleiche gilt für den Anspruch der Mutter auf Betreuungsunterhalt gemäß §  1615l Abs.  3 S.  1 BGB, der insofern auf die Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten verweist. Der Höhe nach richtet sich der übergehende Anspruch nach den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des leiblichen Vaters. Der Scheinvater kann auf diesem Wege also nicht etwa den Betrag erstattet verlangen, den er an das Kind (entsprechend seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen) geleistet hat, sondern er bekommt nur den – nicht selten geringeren – Betrag, den das Kind vom leiblichen Vater als Unterhalt hätte verlangen können, maximal jedoch den selbst geleisteten Betrag. Im Hinblick auf den darüber hinaus an das Kind gezahlten Unterhalt besteht zwar im Grundsatz ein Bereicherungsanspruch des Scheinvaters gegen das Kind gemäß §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  1 BGB, allerdings ist das Kind im Regelfall entreichert im Sinne von §  818 Abs.  3 BGB. Den Mehr­ betrag bekommt der Scheinvater daher von niemandem erstattet. Ein weiteres Problem ergibt sich für den Scheinvater daraus, dass er nur dann gegen den potenziellen Erzeuger aus §  1607 Abs.  3 S.  2 BGB verfahrensrechtlich vorgehen kann, wenn er dessen Identität kennt (vgl. §§  113 Abs.  1 S.  2, Abs.  5 FamFG, §  253 Abs.  2 Nr.  1 ZPO). Häufig wird er diese nicht aus eigenem Wissen kennen, sondern auf die Auskunft der Mutter angewiesen sein, mit wem sie in der Empfängniszeit geschlechtlich verkehrt hat. Anders als in §  1605 BGB, auf den vielfach verwiesen wird, sieht das Gesetz insofern bislang keinen speziellen Auskunftsanspruch des Scheinvaters vor (zu den gesetzgeberischen Reformplänen s. unten (2)(d)).

746 BGH v. 11.1.2012 – XII ZR 194/09, NJW 2012, 852 (Ls): „Die Durchbrechung der Rechtsausübungssperre im Regressprozess des Scheinvaters gegen den mutmaßlichen Erzeuger des Kindes setzt jedoch voraus, dass der Scheinvater zuvor seine Vaterschaft wirksam angefochten hat. Nach Ablauf der dafür gemäß §  1600b BGB geltenden Frist kommt auch die inzidente Feststellung eines anderen Mannes als Vater nicht mehr in Betracht.“

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(2) Auskunftsanspruch gegenüber der Mutter (a) Meinungsstand in der Rechtsprechung Der BGH hat dem Scheinvater trotz Fehlens einer konkreten Anspruchsgrundlage einen Auskunftsanspruch gegenüber der Mutter zuerkannt, den er auf den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß §  242 BGB stützt.747 Wenn die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen es mit sich bringen, dass der eine Teil in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist, und der andere Teil in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen, so ergebe sich nach Ansicht des BGH aus Treu und Glauben grundsätzlich ein Auskunftsanspruch.748 Erforderlich sei lediglich eine rechtliche Sonderverbindung zwischen den Beteiligten, die sich auch aus einem familienrechtlichen Rechtsverhältnis ergeben könne.749 Schuldner des Auskunftsanspruchs sei zwar regelmäßig der Schuldner des über die Auskunft durchzusetzenden Hauptanspruchs, aus Treu und Glauben könne sich allerdings auch eine Auskunftspflicht Dritter ergeben, die nicht Schuldner des Hauptanspruchs sind.750 Problematisch ist allerdings, dass der Annahme einer Auskunftspflicht das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter entgegenstehen könnte. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 9.11.2011 ausgeführt, dass die Verpflichtung zur Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters des Kindes zwar das Persönlichkeitsrecht der Mutter nach Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG berühre. In Fällen, in denen die Mutter den Mann zur Abgabe eines Vaterschaftsanerkenntnisses veranlasst hatte, wiege ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht aber regelmäßig nicht stärker als der Anspruch des Mannes auf effektiven Rechtsschutz aus Art.  20 Abs.  3 i. V. m. Art.  2 Abs.  1 GG zur Durchsetzung seines Unterhaltsregressanspruchs nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung.751 747  BGH v. 2.7.2014 – XII ZB 201/13, NJW 2014, 2571 (Rn.  12 ff.); BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2110 Rn.  29); BGH v. 9.11.2011 – XII ZR 136/09, NJW 2012, 450 (451 Rn.  17 ff.). Zum Auskunftsanspruch zwischen Ehegatten über ihre Vermögensverhältnisse siehe schon oben Kap.  3 C.III.1.e), S. 138 ff. 748  BGH v. 2.7.2014 – XII ZB 201/13, NJW 2014, 2571 (Rn.  13); BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2110 Rn.  30); BGH v. 9.11.2011 – XII ZR 136/09, NJW 2012, 450 (451 Rn.  20) m. w. N. Einschränkend Rauscher, FamR, Rn.  865: Nur in Fällen, in denen die Mutter im Zusammenwirken mit dem wirklichen Vater ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren nicht betreibe mit dem Ziel, den Unterhaltsrückgriff des Scheinvaters in sittenwidrig schädigender Weise zu verhindern, bestehe ein Auskunftsanspruch gegen die Mutter auf Benennung des biologischen Vaters. 749  BGH v. 2.7.2014 – XII ZB 201/13, NJW 2014, 2571 (Rn.  13); BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2110 Rn.  30); BGH v. 9.11.2011 – XII ZR 136/09, NJW 2012, 450 (451 Rn.  20). 750  BGH v. 9.11.2011 – XII ZR 136/09, NJW 2012, 450 (451 Rn.  21); Palandt/Grüneberg, §  260 Rn.  9. 751  BGH v. 9.11.2011 – XII ZR 136/09, NJW 2012, 450 (452 Rn.  24 ff.); zust. Kloster-Harz, FamFR 2012, 46; Maurer, NJW 2012, 452 f.; Rauscher, LMK 2012, 328635.

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In seinem Beschluss vom 20.2.2013 hat der BGH seine Rechtsprechung ausgedehnt und auch die mit dem Scheinvater verheiratete Mutter verpflichtet, dem (mittlerweile geschiedenen) Ehemann nach erfolgreicher Anfechtung der ehelichen Vaterschaft Auskunft darüber zu erteilen, wer ihr während der Empfängniszeit beigewohnt hat.752 Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Mutter, das auch das Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre umfasse, liege nicht vor, da aufgrund der erfolgreichen Anfechtung der Vaterschaft feststehe, dass die Frau in der Empfängniszeit mit einem anderen Mann geschlechtlich verkehrte und es deshalb „nicht um die Offenbarung eines Ehebruchs (geht), sondern „nur“ noch um die Frage, wer als Vater in Betracht kommt.“753 Daran anschließend hat der BGH – den Auskunftsanspruch im Grundsatz bestätigend – mit Beschluss vom 2.7.2014 allerdings betont, dass der Auskunftsanspruch stets die Zumutbarkeit der Auskunftserteilung, einschließlich der Benennung der konkreten Person des potenziellen Erzeugers, voraussetze und nicht in den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung der Mutter eingreifen dürfe.754 In diesem Rahmen seien das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter und der Anspruch des Scheinvaters auf effektiven Rechtsschutz im Einzelfall gegeneinander abzuwägen, wobei insbesondere der Zweck der Auskunft sowie auf Seiten der Mutter bestehende berechtigte persönliche Geheimhaltungsinteressen einzubeziehen seien.755 Besteht nach dieser Abwägung ein Auskunftsanspruch, ist dieser darauf gerichtet, dem Anspruchsteller Name und Adresse des möglichen Erzeugers mitzuteilen. Mit deren Nennung ist nach Ansicht des BGH der Anspruch erfüllt, ohne dass es auf die Richtigkeit der Auskunft ankomme, denn diese sei vorrangig durch einen Anspruch auf eidesstattliche Versicherung und die diesbezügliche Strafdrohung sicherzustellen.756 Allein die Mitteilung der Mutter, sie könne sich an den Namen des möglichen Erzeugers nicht erinnern, erfüllt den Anspruch laut BGH dagegen nicht. Die Unkenntnis des möglichen Erzeugers bzw. dessen Namens könne von der Mutter nur als eine den Anspruch ausschließende Unmöglichkeit im Sinne von §  275 Abs.  1 BGB eingewandt werden. Als Auskunftsschuldnerin trage sie jedoch die Darlegungs- und Beweislast für die eine Unmöglichkeit begründenden Tatsachen, und zwar nicht nur für ihre Unkenntnis, sondern auch dafür, dass sie die ihr zumutbaren Anstrengungen unternommen habe, um die Erteilung der begehrten Auskunft zu ermöglichen.757 752 

BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2110 Rn.  29 ff.). v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2111 Rn.  34 f.); ebenso OLG Schleswig v. 28.1.2014 – 15 UF 165/13, BeckRS 2014, 17443 Rn.  32. Zur Kritik des BVerfG siehe nachfolgend im Text. 754  BGH v. 2.7.2014 – XII ZB 201/13, NJW 2014, 2571 (2572 Rn.   15); zust. Löhnig, JA 2014, 869 f.; Schwonberg, FamRB 2014, 331 (332); Wellenhofer, FamRZ 2014, 1442 f. 755  BGH v. 2.7.2014 – XII ZB 201/13, NJW 2014, 2571 (2572 Rn.  15). 756  BGH v. 2.7.2014 – XII ZB 201/13, NJW 2014, 2571 (2572 Rn.  23). 757  BGH v. 2.7.2014 – XII ZB 201/13, NJW 2014, 2571 (2572 Rn.  25 f.). 753 BGH

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Ein titulierter Auskunftsanspruch auf Nennung des potenziellen Erzeugers ist in der Regel nach den allgemeinen Vorschriften der §  120 Abs.  1 FamFG, §  888 ZPO vollstreckbar, denn „durch die Vollstreckung (wird) der Eingriff in die Grundrechte der (auskunftspflichtigen Kindesmutter) nicht über das Maß hinaus vertieft …, in dem ihre grundrechtlich geschützten Interessen bereits durch die Verurteilung berührt sind.“758 Das gilt selbst dann, wenn es der Kindesmutter nicht gelingt, den behaupteten Unmöglichkeitseinwand wegen Unkenntnis des potenziellen Erzeugers zu beweisen. Auch in diesem Fall wendet der BGH zutreffender Weise stringent die allgemeinen Regeln des Zwangsvollstreckungsrechts an ohne familienrechtsbedingte Besonderheiten zu konstruieren,759 denn „dass gegen einen Schuldner trotz behaupteter, aber nicht erwiesener Unmöglichkeit vollstreckt werden kann, ist die regelmäßige Folge dessen, dass ihm im Erkenntnisverfahren der Beweis der Unmöglichkeit nicht gelungen ist.“760 Die Zwangsvollstreckung gegen die Mutter als Auskunftsschuldnerin sei im Regelfall auch nicht unverhältnismäßig,761 denn sie werde hinreichend dadurch geschützt, dass selbst das Vollstreckungsgericht im Rahmen von §  120 Abs.  1 FamFG, §  888 ZPO zu prüfen habe, ob die (fortgesetzte) Zwangsvollstreckung im Einzelfall zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in die Grundrechte der Mutter führen und sich aus diesem Grund als unzulässig erweisen kann, während umgekehrt ein nicht vollstreckbarer Anspruch für den Gläubiger letztlich wertlos wäre.762 Diese Rechtsprechung des BGH, wonach dem Scheinvater ein auf §  242 BGB gestützter Auskunftsanspruch gegen die Mutter auf Nennung des mutmaßlichen Erzeugers zusteht, damit dieser seinen Unterhaltsregressanspruch gemäß §  1607 Abs.  3 S.  2 BGB gegen den leiblichen Vater durchsetzen kann, hat das BVerfG allerdings im Jahr 2015 für verfassungswidrig erklärt.763 Dem Verfahren vor dem BVerfG lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die damals zwanzigjährige Beschwerdeführerin führte Anfang der 90er Jahre mit dem Antragsteller des Ausgangsverfahrens – dem späteren Scheinvater – eine „lockere“ Beziehung, während derer sie schwanger wurde. Angesichts dieser Schwangerschaft heirateten die Beschwerdeführerin und der Antragsteller. Das Kind wurde im Oktober 1991 ehelich geboren, so dass der Antragsteller nach §  1592 Nr.  1 BGB rechtlicher Vater des Kindes wurde. Die Beschwerdeführerin erwähnte gegenüber dem Antragsteller nicht, dass auch ein anderer Mann als Erzeuger des Kindes in Betracht kam, behauptete aber auch nicht ausdrücklich, dass der 758 

BGH v. 3.7.2008 – I ZB 87/06, NJW 2008, 2919 (2920 f. Rn.  14). Ebenso zustimmend Löhnig, NJW 2014, 2573 (2574). 760  BGH v. 2.7.2014 – XII ZB 201/13, NJW 2014, 2571 (2573 Rn.  26). 761  BGH v. 3.7.2008 – I ZB 87/06, NJW 2008, 2919 (2921 Rn.  20). 762  BGH v. 2.7.2014 – XII ZB 201/13, NJW 2014, 2571 (2573 Rn.  26). 763  BVerfG v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, NJW 2015, 1506; in diese Richtung auch schon BVerfG v. 3.3.2014 – 1 BvR 472/14, NZFam 2014, 405, im vorgehenden einstweiligen Rechtsschutzverfahren. 759 

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Antragsteller der leibliche Vater sei. Erst im Jahr 1994 teilte sie dem Antragsteller in einem Brief mit, dass das Kind möglicherweise von einem anderen Mann abstamme. Ein Jahr später wurde die Ehe geschieden. Der Antragsteller beantragte das alleinige Sorgerecht für das Kind, das in der Folgezeit teilweise bei ihm lebte, und zahlte ebenso wie die Beschwerdeführerin zeitweise Kindesunterhalt. Nach erfolgreicher Vaterschaftsanfechtung begehrte der Antragsteller zwecks Durchsetzung seines Unterhaltsregressanspruchs aus §  1607 Abs.  3 S.  2 BGB Auskunft darüber, wer der mutmaßliche leibliche Vater des Kindes ist, die die Beschwerdeführerin jedoch verweigerte. Die Zivilgerichte haben die Mutter in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH gemäß §  242 BGB i. V. m. §  1353 BGB zur Auskunft verurteilt.764 Die dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerde hatte jedoch Erfolg. Das BVerfG führte aus, dass sich ein solcher Anspruch auf die Generalklausel des §  242 BGB nicht stützen lasse; die gerichtliche Verpflichtung einer Mutter, zur Durchsetzung eines Regressanspruchs des Scheinvaters Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters des Kindes zu erteilen, verletze die Beschwerdeführerin in ihrem allgemein Persönlichkeitsrecht aus Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG und überschreite die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung, weil es hierfür an einer hinreichend deutlichen Grundlage im geschriebenen Recht fehle.765 Zwar könne das Geheimhaltungsinteresse der Mutter in manchen Konstellationen weniger schutzwürdig sein als das finanzielle Regressinteresse des Scheinvaters,766 weshalb ein Auskunftsanspruch nicht von vornherein verfassungsrechtlich ausgeschlossen sei. Allerdings stelle die gerichtliche Verpflichtung zur Offenbarung geschlechtlicher Beziehungen zu bestimmten Personen eine schwerwiegende Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts der Mutter dar, deren Tragweite die Zivil­ gerichte im Ausgangsverfahren verkannt hätten.767 Insbesondere moniert das BVerfG, dass das Beschwerdegericht keine umfassende Interessenabwägung vorgenommen, sondern angenommen habe, ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter liege hier nicht vor, weil aufgrund der erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung bereits feststehe, dass die Beschwerdeführerin in der Empfängniszeit mit einem anderen Mann geschlechtlich verkehrt habe und es folglich „nur“ noch um die Frage gehe, wer als Vater in Betracht komme. Nach Ansicht des BVerfG verkennt das Beschwerdegericht damit, „dass zur verfassungsrechtlich geschützten Intimsphäre der Mutter gerade auch die Frage 764  Einen Auskunftsanspruch gestützt auf §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  1 BGB bejaht auch E ­ rbarth, FamRZ 2015, 1944 (1949 f.); N. Mayer, Auskunftsansprüche, S.  120 ff. 765  BVerfG v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, NJW 2015, 1506 (Ls). 766  BVerfG v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, NJW 2015, 1506 (1507 Rn.  30), unter beispielhaftem Verweis auf den Fall des BGH v. 9.11.2011 – XII ZR 136/09, NJW 2012, 450, in dem der Scheinvater von der Mutter zur Vaterschaftsanerkennung veranlasst worden war, oder den Fall eines sittenwidrigen Verhaltens der Mutter im Sinne von §  826 BGB. 767  BVerfG v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, NJW 2015, 1506 (Rn.  26 ff.).

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gehört, mit welchem Partner oder welchen Partnern sie eine geschlechtliche Beziehung eingegangen ist. Die Offenbarung und Nennung von Partnern sexueller Kontakte ist mit Blick auf den Schutz der Privatsphäre der betroffenen Frau oftmals sogar noch von größerer Brisanz als der Umstand, dass es überhaupt zur außerehelichen Zeugung eines Kindes gekommen ist. Das durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht spezifisch geschützte Recht der Beschwerdeführerin, geschlechtliche Beziehungen zu einem bestimmten Partner nicht offenbaren zu müssen, war mit der Offenlegung des Mehrverkehrs nicht verbraucht und hätte bei der von den Gerichten vorzunehmenden Interessenabwägung weiter Berücksichtigung finden müssen.“768 Unabhängig von den konkreten Umständen des Falles überschreite die gerichtliche Verpflichtung der Mutter zur Auskunftserteilung über ihre Sexualpartner zudem die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechts­ fortbildung, weil es hierfür an einer hinreichend deutlichen Grundlage im ge­schriebenen Recht fehle.769 Gegen die gerichtliche Begründung von Auskunftsansprüchen in Sonderverbindungen aufgrund der Generalklausel des §  242 BGB sei verfassungsrechtlich im Grundsatz nichts einzuwenden. Aus verfassungsrechtlicher Sicht böten die privatrechtlichen Generalklauseln den Zivilgerichten nicht zuletzt die Möglichkeit, die Schutzgebote der Grundrechte zur Geltung zu bringen und so die gesetzgeberische Erfüllung grundrechtlicher Schutzaufträge zu ergänzen; die Zivilgerichte verhelfen den Grundrechten so in einem Maße zur praktischen Wirkung, das zu leisten der Gesetzgeber im Hinblick auf die unübersehbare Vielfalt möglicher Fallgestaltungen allein kaum in der Lage wäre. Die gerichtliche Rechtsfortbildung aufgrund von Generalklauseln des Privatrechts stoße jedoch an verfassungsrechtliche Grenzen, die sich aus den Grundrechten ergeben. Soweit die vom Gericht im Wege der Rechtsfortbildung gewählte Lösung dazu diene, der Verfassung, insbesondere verfassungsmäßigen Rechten des Einzelnen, zum Durchbruch zu verhelfen, seien die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung weiter, da insoweit eine auch den Gesetzgeber treffende Vorgabe der höherrangigen Verfassung konkretisiert werde. Umgekehrt seien die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung demgemäß bei einer Verschlechterung der rechtlichen Situation des Einzelnen enger gesteckt; die Rechtsfindung müsse sich umso stärker auf die Umsetzung bereits bestehender Vorgaben des einfachen Gesetzesrechts beschränken, je schwerer die beeinträchtigte Rechtsposition auch verfassungsrechtlich wiege. Die grundrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung seien hier enger gesteckt, weil die Auskunftsverpflichtung verfassungsrechtlich geschützte Rechtspositionen in erheblichem Maße beeinträchtige, während die für die Auskunftspflicht 768 

BVerfG v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, NJW 2015, 1506 (1507 Rn.  33). Dazu und zum Folgenden BVerfG v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, NJW 2015, 1506 (1507 f. Rn.  35 ff.). 769 

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ins Feld geführten Gründe hingegen verfassungsrechtlich gering wiegen. Die mit der Auskunftsverpflichtung einhergehende Grundrechtsbeeinträchtigung der Beschwerdeführerin wiege schwer. Dem stehe auf Seiten des Scheinvaters allein das Interesse an einer Stärkung der Durchsetzungsfähigkeit seines einfach-gesetzlichen Regressanspruchs gegenüber. Dass der Gesetzgeber den Regressanspruch durchsetzungsschwach ausgestaltet habe, indem er es unterlassen hat, diesen durch einen entsprechenden Auskunftsanspruch zu flankieren, bedürfe von Verfassungs wegen keiner Korrektur. Wie das Interesse der Mutter an der Geheimhaltung intimer Daten ihres Geschlechtslebens einerseits und das finanzielle Regressinteresse des Scheinvaters andererseits zum Ausgleich gebracht werden, liege im Ausgestaltungsspielraum des Gesetzgebers. Auch der Ausgestaltungsspielraum des Gesetzgebers finde zwar Grenzen in den Grundrechten der Betroffenen. Dass der Gesetzgeber hier durch die Nichtregelung einer den Regressanspruch flankierenden Auskunftsverpflichtung grundrechtliche Mindeststandards zulasten des Scheinvaters unterschritten hätte, sei jedoch – zumal angesichts des hohen verfassungsrechtlichen Stellenwerts des betroffenen Geheimhaltungsinteresses der Mutter – nicht ersichtlich. Danach könnten die Gerichte die Verpflichtung einer Mutter, zur Durchsetzung des Regressanspruchs aus §   1607 Abs.   3 S.   2 BGB Auskunft über frühere Geschlechtspartner zu erteilen, nicht allein auf die Generalklausel des §  242 BGB stützen. Vielmehr setze die gerichtliche Verpflichtung einer Mutter zur Preis­ gabe des Partners oder der Partner geschlechtlicher Beziehungen konkretere gesetzliche Anknüpfungspunkte voraus, aus denen sich ablesen lässt, dass eine Mutter zur Auskunftserteilung der fraglichen Art verpflichtet sei. Solche Anknüpfungspunkte fehlten hier. Die in §  1605 BGB getroffene Regelung von Auskunftsansprüchen im Unterhaltsrecht deute im Gegenteil darauf hin, dass zur Durchsetzung des Unterhaltsregressanspruchs keine Auskunftspflicht bestehen solle. In §  1605 BGB ist die Verpflichtung Verwandter geregelt, einander erforderlichenfalls über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu geben. Eine Verpflichtung der Mutter, Auskunft über geschlechtliche Beziehungen zu einem Partner zu erteilen, finde sich hingegen nicht, obwohl dem Gesetzgeber nicht entgangen sein kann, dass zur Durchsetzung eines Regressanspruchs die Kenntnis des Erzeugers erforderlich sei und dass in vielen Fällen allein die Mutter Hinweise auf die Person des Erzeugers geben könnte. Auch der Anspruchsregelung in §  1607 Abs.  3 BGB selbst könne der erforderliche Anknüpfungspunkt nicht entnommen werden. Die Norm begründe lediglich die materielle Rechtsposition, ohne deren Durchsetzbarkeit zu regeln. Schließlich biete auch die eherechtliche Generalklausel des §  1353 Abs.  1 BGB keinen hinreichend konkreten Anhaltspunkt für eine Auskunftspflicht der Mutter. Auch die angegriffenen Entscheidungen beziehen sich auf §  1353 Abs.  1 BGB lediglich, um die Existenz einer in §  242 BGB vorausgesetzten rechtlichen Sonderverbindung zwischen Beschwerdeführerin und Antragsteller zu begründen. Soll der Re-

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gressanspruch des Scheinvaters gestärkt werden, müsste der Gesetzgeber tätig werden. Er wäre nicht daran gehindert, eine Regelung zum Schutz des Scheinvaters einzuführen, obwohl er hierzu nicht durch das Eingreifen grundrecht­ licher Schutzpflichten angehalten sei. Er könnte einen stärkeren Schutz vorsehen, als ihn die Gerichte durch die Anwendung der bestehenden Generalklausel gewähren können, müsste dabei allerdings dem entgegenstehenden Persönlichkeitsrecht der Mutter Rechnung tragen. (b) Kritische Stimmen in der Literatur Auf den ersten Blick, erscheint das Ergebnis der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung wenig nachvollziehbar, weil der Regressanspruch des Scheinvaters gegen den potenziellen Erzeuger praktisch leer läuft, wenn er dessen Identität mangels eines Auskunftsanspruchs gegen die Mutter nicht in Erfahrung bringen kann.770 Ein Auskunftsanspruch gegen die Mutter lässt sich de lege lata entgegen einer vereinzelt geäußerten Ansicht in der Literatur auch nicht auf §§  1607 Abs.  3 S.  2, 412, 402 BGB i. V. m. §  166 BGB stützen: 771 Nach §  402 BGB, der über §  412 BGB auch beim gesetzlichen Anspruchsübergang gilt, ist zwar das Kind als bisheriger Gläubiger verpflichtet, dem Scheinvater als neuem Gläubiger Auskunft zu erteilen, die Pflicht lässt sich jedoch nicht in unmittelbarer oder analoger Anwendung von §  166 BGB auf die Mutter als gesetzliche Vertreterin des Kindes ausdehnen. §  166 BGB ist eine Spezialvorschrift des Stellvertretungsrechts, die in Bezug auf die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung auf die Kenntnis oder das Kennenmüssen des Vertreters abstellt, da dessen Willenserklärungen für und gegen den Vertretenen wirken (§  164 Abs.  1 BGB), aber dem Vertretenen nicht generell die Kenntnis des Vertreters zurechnet. Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf sog. „Wissensvertreter“ ist zwar im Grundsatz anerkannt, beschränkt sich aber auf „geschäftliches Wissen“, das ein bewusst eingesetzter Vertreter durch die Tätigkeit für den Vertretenen erlangt hat; privates Wissen ist nur ausnahmsweise aus Gründen des Verkehrsschutzes zu berücksichtigen.772 Hier fehlt es schon an der Voraussetzung, dass die Mutter als gesetzliche Vertreterin bewusst eingesetzt worden sein müsste, um im Rahmen der übertragenen Vertretergeschäfte anfallende Informationen zur Kenntnis zu nehmen und gegebenenfalls weiterzuleiten; 773 außerdem liegt kein Rechtsge770  So die Kritik von Muckel, JA 2015, 951 (953 f.); Reuß, NJW 2015, 1509 (1510); Schmidt, NJW 2015, 2693 (2694); Stockmann, jurisPR-FamR 8/2015, Anm.  1. 771 So Fröschle, FamRZ 2015, 1858 (1859). Ähnlich N. Mayer, Auskunftsansprüche, S.  171 ff., die die Auskunftspflicht aus §§  1607 Abs.  3 S.  2, 412, 402 BGB jedoch auf den positiven Kenntnisstand des Kindes begrenzt. 772 Palandt/Ellenberger, §   166 Rn.   6; MüKoBGB/Schubert, §  166 Rn.  27; Wellenhofer, FamRZ 2016, 1717 (1720). 773 MüKoBGB/Schubert, §  166 Rn.  27, siehe auch Rn.  43 ff., dort zur dogmatischen Grund­

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schäft zwischen ihr als gesetzlicher Vertreterin des Kindes und dem Scheinvater vor, in dessen Rahmen ihr Wissen aus Verkehrsschutzgründen dem Kind zugerechnet werden könnte. Vielmehr geht es im Kern um privates Wissen der Mutter, das nicht berücksichtigt werden kann.774 Die Rückforderung von – aus ex post-Sicht – zu Unrecht geleistetem Kindes­ unterhalt wird für Scheinväter zukünftig noch schwieriger. Nicht überzeugend erscheint insbesondere die Einschätzung des BVerfG, dass der Regressanspruch auch ohne flankierenden Auskunftsanspruch nicht nur in Ausnahmefällen durchsetzbar bleibe, „wenn etwa der Scheinvater ohnehin von der Person des tatsächlichen Vaters Kenntnis hat oder von ihm auf Grund einer freiwilligen Information durch die Kindesmutter erfährt.“775 Er wird nunmehr in den meisten Fällen darauf angewiesen sein, dass die Mutter ihm freiwillig Auskunft erteilt, was nicht selten von dem Verhältnis der Mutter zum leiblichen Vater abhängen wird, also davon, ob sie diesen schützen oder ihm schaden will.776 Alternativ bleibt dem Scheinvater nur der mittelbare Weg über das Kind, das ungeachtet der Entscheidung des BVerfG nach herrschender Meinung einen vollstreckbaren Anspruch gegen seine Mutter gemäß §  1618a BGB (i. V. m. §  242 BGB) 777 auf Auskunftserteilung über die Person seines leiblichen Vaters hat.778 Es liegt auf der Hand, dass das Kind in solchen Situationen in eine prekäre Situation gebracht wird und zwischen die Fronten seiner rechtlichen Eltern geraten kann.779 lage der Rechtsprechung zur Wissenszurechnung, die vor allem bei arbeitsteiligen Organisationen relevant wird. 774  In der von Fröschle, FamRZ 2015, 1858 (1859 Fn.  10), in Bezug genommenen Entscheidung des OLG Köln v. 18.3.2002 – 27 WF 41/02, FamRZ 2002, 1214, ging es dagegen um einen Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen das Kind, vertreten durch die Mutter, hinsichtlich der Frage, ob und ggf. wer die Vaterschaft bereits anerkannt hat oder gerichtlich als Vater festgestellt wurde. In diesem Fall handelt es sich bei der Identität des leiblichen Vaters nicht mehr um rein privates Wissen, sondern um Fakten, die sich bereits aus dem Personenstandsregister ergeben. 775  BVerfG v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, NJW 2015, 1506 (1509 Rn.  50). 776  Löhnig, NZFam 2015, 359. 777  Sofern weitgehend gleichgewichtige Grundrechte der Beteiligten berührt sind (wie das Persönlichkeitsrecht des Kindes gegen das Persönlichkeitsrecht der Mutter), wird auch weiterhin bei Fehlen einer gesetzlichen Regelung auf §  242 BGB ein Auskunftsanspruch gestützt werden können, da das BVerfG nur für den Fall, dass die betroffene Grundrechtsposition des Auskunftspflichtigen für deutlich höherwertig erachtet wird, einen Rückgriff auf §  242 BGB untersagt; so auch Rauscher, JZ 2015, 624 (626). 778  BVerfG v. 6.5.1997 – 1 BvR 409/90, NJW 1997, 1769; LG Münster v. 26.8.1998 – 1 S 414/89, FamRZ 1990, 1031; LG Passau v. 26.11.1987 – 1 S 231/87, NJW 1988, 144; Frank, ­FamRZ 2017, 161 f., 164 ff. (mit zutreffender Kritik an der gesetzlichen Umsetzung); Rauscher, FamR, Rn.  757; Wohlgemuth, FuR 2016, 132 (133 ff.). Zum Auskunftsanspruch des durch anonyme Samenspende gezeugten Kindes gegenüber dem Träger der Reproduktionsklinik auf Nennung des Samenspenders siehe BGH v. 28.1.2015 – XII ZR 201/13, NJW 2015, 1098. 779  Insofern zutreffend kritisch Löhnig, NZFam 2015, 359; ähnlich Rauscher, JZ 2015, 624 (627). Vgl. auch Fröschle, FamRZ 2015, 1858 f., der gestützt auf §§  1607 Abs.  3 S.  2, 412, 402 BGB gegenüber einem volljährigen Kind, dem der leibliche Vater bekannt ist, einen Aus-

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Es verwundert daher nicht, dass die Entscheidung des BVerfG in der Literatur überwiegend auf Kritik gestoßen ist.780 Zur Lösung des Dilemmas hat Rauscher vorgeschlagen, dass die Rechtsprechung bis zur Schaffung einer dringend geforderten gesetzlichen Regelung 781 andere Anspruchsgrundlagen zugunsten des Scheinvaters jenseits von §  242 BGB neu bedenken solle.782 Im Zentrum müssten jene Anspruchsgrundlagen stehen, bei denen die Mutter den Sexualpartner nicht offenbaren müsse und deshalb nicht in ihrem Persönlichkeitsrecht betroffen sei, so dass nur finanzielle Interessen der Mutter und des in dieser Konstellation wenig schützenswerten biologischen Vaters in die Abwägung mit dem Regress­ interesse des Scheinvaters einbezogen werden müssten.783 Stockmann erwägt deshalb einen „Anspruch aus §  812 BGB“ und meint damit wohl die Nichtleistungskondiktion gemäß §  812 Abs.  1 S.  1 Var. 2 BGB. Er stützt sich dabei auf die Überlegung, dass nach erfolgter Vaterschaftsanfechtung durch den Scheinvater allein die Mutter für den Unterhalt des Kindes aufkommen muss, solange kein anderer Mann als Vater festgestellt ist, und diese daher in Höhe der vom Scheinvater geleisteten Unterhaltszahlungen bereichert ist. Gegen die Anwendbarkeit der Nichtleistungskondiktion spricht jedoch schon der Vorrang der Leistungsbeziehungen im Verhältnis zwischen Schein­ vater und Kind, an das der Scheinvater im Sinne des Bereicherungsrechts ge­ leistet hat und von dem er wegen §  818 Abs.  3 BGB in aller Regel keine Erstattung verlangen kann.784 Daneben in Bezug auf ein und dieselbe „Leistung“ noch einen Anspruch aus Nichtleistungskondiktion zuzulassen, erscheint nicht überzeugend. kunftsanspruch bejaht, es jedoch zurecht ablehnt, das Kind für verpflichtet zu halten, den ihm aufgrund seines Rechts auf Kenntnis der eigenen Abstammung aus §  1618a BGB i. V. m. Art.  2 Abs.  1, Art.  1 Abs.  1 GG zustehenden Anspruch gegen die Mutter auf Nennung des leiblichen Vaters geltend zu machen. 780  Löhnig, NZFam 2015, 359; Muckel, JA 2015, 951 (953 f.); Rauscher, JZ 2015, 624; Reuß, NJW 2015, 1509 (1510). 781 So Rauscher, JZ 2015, 624 (626); Reuß, NJW 2015, 1509 (1510). Vgl. nunmehr den Gesetzesentwurf zur Reform des Scheinvaterregresses, zur Rückbenennung und zur Änderung des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes vom 16.11.2016, BT-Drucks. 18/10343, dazu unten Kap.  3 C.III.3.d)(2)(d), S. 234 ff. 782  Rauscher, JZ 2015, 624 (627). 783  Rauscher, JZ 2015, 624 (627). 784  Man könnte zwar überlegen, ob die Berufung auf Entreicherung gemäß §§  819 Abs.  1, 818 Abs.  4 BGB ausgeschlossen ist, weil sich ein Minderjähriger jedenfalls bei der Leistungskondiktion die Kenntnis vom „Mangel des rechtlichen Grundes“ des gesetzlichen Vertreters, hier also der Mutter, zurechnen lassen muss. Allerdings bestand im Zeitpunkt des Empfangs der Leistung noch ein „rechtlicher Grund“, weil der Scheinvater damals rechtlicher Vater war, so dass allenfalls auf §  142 Abs.  2 BGB abgestellt werden könnte. Allerdings müsste der Scheinvater dafür beweisen, dass die Mutter positive Kenntnis davon hatte, dass das Kind von einem anderen Mann abstammt, und deshalb auch Kenntnis von der Anfechtbarkeit der rechtlichen Vaterschaft als Grundlage der Unterhaltszahlungen an das Kind hatte. In der Praxis wird dieser Beweis meist nur schwer zu führen sein.

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Schmidt befürwortet eine analoge Anwendung von §  1607 Abs.  3 S.  2 BGB im Verhältnis des Scheinvaters zur Mutter,785 wobei jedoch schon die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke Zweifeln begegnet und die gesetzliche Konstruktion eines Anspruchsübergangs auf den Scheinvater in Bezug auf den Unterhaltsanspruch des Kindes gegen seine Mutter für die Anspruchsbeziehung zwischen Scheinvater und Mutter weder passend noch gewollt ist. Der gesetzliche Forderungsübergang wurde erstmals durch das Gesetz über die rechtliche Stellung der unehelichen Kinder vom 19.8.1969 in den damaligen §  1615b Abs.  1 S.  1, Abs.  2 BGB für Unterhaltspflichten gegenüber unehelichen Kindern eingefügt.786 Ziel der gesetzlichen Regelung war es, zu gewährleisten, dass sich derjenige, der dem Kind zunächst als Vater Unterhalt geleistet hat, wegen seines Ersatzanspruchs ohne weiteres an den wirklichen Vater wenden könne.787 Im Zuge des Kindesunterhaltsgesetzes vom 6.4.1998 wurde die Regelung auf eheliche Kinder durch §  1607 Abs.  3 BGB erstreckt.788 Angesichts dieser Intention liegt die Annahme einer planwidrigen Regelungslücke ebenso wie eine vergleichbare Interessenlage als Voraussetzung einer Ausdehnung der Bestimmung auf das Verhältnis des Scheinvaters zur Mutter im Wege der Analogie fern. Nach Ansicht von Rauscher komme wegen der Ablehnung eines Auskunftsanspruch zwar kein auf die Verletzung der Auskunftspflicht gestützter Schadensersatzanspruch aus §  280 BGB in Betracht, dafür aber „ein Anspruch in entsprechender Anwendung von §§  280, 241 Abs.  2 BGB in Bezug auf die eheliche Lebensgemeinschaft – womöglich auch auf das Verhältnis gemeinsamer rechtlicher Elternschaft – als ein zur vermögensrechtlichen Rücksichtnahme in Ansehung des Kindesunterhalts verpflichtendes schuldrechtsähnliches Verhältnis, das durch eine Regressvereitelung verletzt“ sei.789 Außerdem befürwortet er eine Haftung der Mutter nach §  826 BGB, da es gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoße, wenn eine Frau den Ehemann oder Partner über die rechtlich irrelevante persönliche Treueverletzung hinaus wirtschaftlich schädige, indem sie ihr Geheimhaltungsinteresse über das „gänzlich zweifelsfreie“ Interesse des Mannes am Rückgriff bei dem für den Kindesunterhalt Verantwortlichen stelle.790 Für die Schadensbemessung will er die Leistungsfähigkeit des (unbekannten) biologischen Vaters zumindest in Höhe des Mindestunterhalts gemäß §  1612a BGB vermuten und der Mutter im Wege der 785  Schmidt, NJW 2015, 2693 (2694). Gegen diese Ansicht zu Recht schon Mersch, FPR 2005, 117 ff. 786  BGBl. I 1969, S.  1243 (1246). 787 Entwurf eines Gesetzes über die rechtliche Stellung der unehelichen Kinder v. 7.12.1967, BT-Drucks. V/2370, S.  46. 788  Gesetz zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder v. 6.4.1998 (Kindesunterhaltsgesetz), BGBl. I 1998, S.  666. 789  Rauscher, JZ 2015, 624 (627). 790  Rauscher, JZ 2015, 624 (627). Diese Anspruchsgrundlage zieht auch Stockmann, jurisPR-­FamR 8/2015, Anm.  1, in Betracht.

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Beweislastumkehr den Nachweis eines nicht gesicherten Selbstbehalts auferlegen.791 Schon an dieser unsicheren Schadensberechnung wird deutlich, dass die Lösungsvorschläge von Rauscher für den Scheinvater nur bedingt befriedigende Ergebnisse herbeiführen. Es überzeugt auch wenig, auf der einen Seite (in Konsequenz der Entscheidung des BVerfG) einen Auskunftsanspruch abzulehnen, um auf der anderen Seite an dessen Stelle auf eine „Regressvereitelung“ als vorwerfbare Pflichtverletzung der Mutter abzustellen, die „in entsprechender Anwendung von §§  280, 241 Abs.  2 BGB“ Schadensersatzpflichten auslösen soll. Wenn man die Mutter aufgrund ihrer vorrangigen Grundrechte nicht für auskunftspflichtig hält, kann man ihr die durch ihr Schweigen verursachte Regressvereitelung nicht als Pflichtverletzung vorwerfen. Vielmehr bedarf es eines anderen Anknüpfungspunktes. (c) Stellungnahme Auch wenn das Ergebnis der Entscheidung des BVerfG auf den ersten Blick ungerecht erscheint, so verdient sie bei genauerer Betrachtung der rechtlichen Erwägungen doch Zustimmung. Nicht zu beanstanden sind insbesondere die Ausführungen zu dem Aspekt, dass die Zivilgerichte im konkreten Einzelfall das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter nicht hinreichend gewichtet haben, das ihr das Recht einräumt, selbst darüber zu befinden, ob, in welcher Form und wem sie Einblick in ihre Intimsphäre und ihr Geschlechtsleben gibt.792 Die Ansicht des BGH und der ihm folgenden Instanzgerichte, dass es ohnehin „nur“ noch um die Frage gehe, wer als Vater in Betracht komme, weil durch die Vaterschaftsanfechtung schon feststehe, dass die Mutter während der Empfängniszeit auch mit einem anderen Mann geschlechtlich verkehrt habe, verkennt, dass eine Offenbarungspflicht im Hinblick auf die Identität des Erzeugers zusätzlich und besonders intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter eingreift.793 Dieser Aspekt kann besonderes Konfliktpotential bergen und ist – wie das BVerfG richtig erkennt – „oftmals sogar noch von größerer Brisanz als der Umstand, dass es überhaupt zur außerehelichen Zeugung eines Kindes gekommen ist.“ Die Frage, mit wem die Mutter Geschlechtsverkehr hatte, fällt daher für sich genommen in den verfassungsrechtlichen Schutzbereich der Intimsphäre, die nicht schon deshalb an Schutzwürdigkeit und eigenständiger Bedeutung verliert, weil die Tatsache des Mehrverkehrs bereits bekannt ist. Bemerkenswerterweise geht das BVerfG bei der Analyse der Frage, ob ein Auskunftsanspruch unabhängig von den Umständen des Einzelfalles auf §  242 BGB gestützt werden kann, nicht auf das von den Instanzgerichten ins Feld 791 

Rauscher, JZ 2015, 624 (627). BVerfG v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05, NJW 2007, 753 (756 Rn.  77) m. w. N. 793 Ebenso Rauscher, JZ 2015, 624 (625 f.). 792 

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geführte Recht des Scheinvaters auf effektiven Rechtsschutz ein.794 Es stellt vielmehr darauf ab, dass auf Seiten des Scheinvaters dem Auskunftsbegehren lediglich finanzielle Interessen zugrunde liegen, die hinter dem verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Mutter zurücktreten. Diese Gewichtung der betroffenen Interessen weckt verständliche Zweifel,795 zumal es dem Gerechtigkeitsempfinden widerspricht, wenn die Mutter, die den Scheinvater schon während der Empfängniszeit betrogen hat, ihm nunmehr auch noch die Möglichkeit des einfach-gesetzlich vorgesehenen Regresses beim leiblichen Vater – der ohnehin nur die finanziellen, nicht aber die seelischen und emotionalen Belastungen ausgleichen könnte – vereiteln kann, indem sie die Auskunft über dessen Identität unter Berufung auf ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht verweigert. Allerdings gewährleistet das in Art.  20 Abs.  3 GG verankerte Recht auf effektiven Rechtsschutz ohnehin nur den Zugang zu den Gerichten, eine umfassende Prüfung des Streitgegenstands in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht in einem förmlichen Verfahren sowie eine verbindliche Entscheidung durch ein Gericht in angemessener Zeit,796 um einen nach materiellem Recht bestehenden Anspruch mit staatlicher Hilfe durchsetzen zu können. Dieser Justizgewährungsanspruch kompensiert den Umstand, dass die Bürger in einem Rechtsstaat auf Selbsthilfe verzichten (müssen).797 Voraussetzung dieser Rechtsschutzgarantie ist jedoch, dass das materielle Recht dem Betroffenen eine Rechtsposition einräumt, deren Voraussetzungen vollständig vorliegen. Effektiver Rechtsschutz bedeutet nicht, dass das materielle Recht (Hilfs-)Ansprüche bereitstellen müsste, damit die Voraussetzungen für einen anderen materiellen Anspruch herbeigeführt bzw. ermittelt werden können. Rechtsstaatliche Grundsätze sprechen zwar dafür, dass dem Berechtigten die Geltendmachung eines einfach-rechtlich vorgesehenen Anspruchs möglich sein muss und nicht unzumutbar erschwert werden darf.798 Greift ein (Hilfs-)Anspruch jedoch in geschützte Rechtspositionen eines Dritten ein, so bedarf es einer Abwägung der betroffenen Interessen. Ein Auskunftsanspruch gegen die Mutter in Bezug auf die Identität des leiblichen Vaters zwingt sie zur Offenbarung intimster Fragen und greift erheblich in ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht ein, während dem Auskunftsbegehren auf Seiten des Scheinvaters in der 794  Ob die Feststellung des BVerfG, dass der auf §  242 BGB gestützte Auskunftsanspruch generell die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreitet, Zustimmung verdient, kann hier dahingestellt bleiben. 795  Vgl. nur Rauscher, JZ 2015, 624 (626). 796  BVerfG v. 18.7.2005 – 2 BvR 2236/04, NJW 2005, 2289 (2294). 797  Voßkuhle/Kaiser, JuS 2014, 312. 798  Das Bundesverfassungsgericht betont in ständiger Rechtsprechung, dass die Rechtsschutzgarantie zwar keinen Anspruch auf eine weitere Instanz gewährt, wenn aber die Rechtsordnung ein Rechtsmittel vorsieht, so darf der Zugang dazu nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht zu rechtfertigender Weise erschwert werden, vgl. nur BVerfG v. 25.3.2015 – 1 BvR 2811/14 u. a., WM 2015, 1052.

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Tat „nur“ finanzielle Interessen zugrunde liegen.799 Deshalb begegnet es Bedenken, ob der Gesetzgeber eine – vom BVerfG für möglich gehaltene800 – konkrete Auskunftspflicht der Mutter in Bezug auf die Identität ihrer Sexualpartner zum Schutz der finanziellen Interessen des Scheinvaters einführen könnte, die trotz der Gewichtigkeit des betroffenen Persönlichkeitsrechts der Mutter einer verfassungsrechtlichen Kontrolle standhalten würde. (d) Reformpläne Nichtsdestotrotz plant der Gesetzgeber derzeit eine Reform des Scheinvater­ regresses, mit der in §  1607 Abs.  4 BGB n. F. ein Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Mutter eingefügt werden soll.801 Die geplante Neuregelung lautet: „(4) Die Mutter des Kindes ist verpflichtet, dem Dritten, der dem Kind als Vater Unterhalt gewährt, auf Verlangen Auskunft darüber zu erteilen, wer ihr während der Empfängniszeit beigewohnt hat, soweit dies zur Feststellung des übergegangenen Unterhaltsanspruchs erforderlich ist. Die Verpflichtung besteht nicht, wenn und solange die Erteilung der Auskunft für die Mutter des Kindes unzumutbar wäre.“

Mit dieser Regelung soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass der Scheinvater zur Vorbereitung des Regressverfahrens darauf angewiesen ist, Kenntnis über die Person des mutmaßlichen leiblichen Vaters des Kindes zu erlangen.802 Ferner soll das widerstreitende Recht des Scheinvaters auf effektiven Rechtsschutz und das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Kindesmutter in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden.803 Daneben soll nicht nur vermieden werden, dass der Scheinvater sich durch eigene Recherchen im privaten Umfeld der Mutter, des Kindes sowie gegebenenfalls des mutmaßlichen Vaters die erforderliche Kenntnis selbst zu verschaffen sucht, sondern vor allem auch, dass das Kindeswohl beeinträchtigt wird, indem auf das Kind Druck ausgeübt und dieses in die Auseinandersetzung zwischen Scheinvater und Kindesmutter hineingezogen wird. 804 Entgegen der bisherigen Regelung in §  1613 Abs.  2 Nr.  2 BGB soll außerdem die Möglichkeit einer zeitlich unbeschränkten Geltendmachung der übergegangenen Unterhaltsansprüche für die Vergangenheit auf einen Zeitraum von zwei Jahren vor Einleitung des Verfahrens auf Anfechtung der Vaterschaft bis zum 799  Sein Recht auf Kenntnis der Abstammung eines Kindes von ihm wird bereits durch die Möglichkeiten der Vaterschaftsanfechtung und des §  1598a-Verfahrens gewährleistet. 800  BVerfG v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, NJW 2015, 1506 (1509 Rn.  52). 801  Vgl. den Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Scheinvaterregresses, zur Rückbenennung und zur Änderung des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes v. 2.9.2016, BT-Drucks. 18/10343. 802  BT-Drucks. 18/10343 (Fn.  8 01), S.  1, 15, 19. 803  BT-Drucks. 18/10343 (Fn.  8 01), S.  15, 19. 804  BT-Drucks. 18/10343 (Fn.  8 01), S.  15, 19.

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Abschluss dieses Verfahrens beschränkt werden (vgl. §   1613 Abs.   3 BGB 805 n. F.). Dadurch soll zum einen der Unterhaltsverpflichtete vor unvorhersehbar hohen Nachforderungen geschützt werden. 806 Zum anderen will der Gesetzgeber neuerdings auch das tatsächlich „gelebte Familienleben“ des Scheinvaters mit dem Kind berücksichtigen; in der Entwurfsbegründung heißt es dazu: „Dieses wird durch die bestehende Gesetzeslage allein auf die monetäre Rückabwicklung von Unterhaltsansprüchen und damit auf einen Kostenfaktor reduziert. Es wird ausgeblendet, dass mit der von dem Scheinvater in der Vergangenheit eingenommenen Stellung als Vater mehr verbunden ist als die Gewährung von Kindesunterhalt. Ziel der vorgeschlagenen Änderung ist, den familienrechtlichen Gesichtspunkt der möglichen Teilhabe und des gelebten Familienlebens auch im Rahmen des Regressanspruchs angemessen zu berücksichtigen. Dies soll dadurch geschehen, dass der übergegangene Unterhaltsanspruch nur für einen begrenzten Zeitraum in der Vergangenheit durchsetzbar ist. Für die Zeit bis zu dem Zeitpunkt, zu dem der Scheinvater davon erfährt, dass er (möglicherweise) nicht der Vater ist, kann der Regressanspruch nicht geltend gemacht werden. In dieser Phase handelte es sich aus Sicht des Scheinvaters um ein gewöhnliches Familienleben, das unterhaltsrechtlich nicht rückabgewickelt werden soll. Dieses Familienleben konnte tatsächlich gelebt werden und hierbei verbleibt es. (…) Erfährt der Scheinvater von den Umständen, die gegen seine Vaterschaft sprechen, so beginnt gemäß §  1600d BGB eine Frist von zwei Jahren, binnen der er die Vaterschaft anfechten kann. Während der vollen zweijährigen Überlegungsfrist sowie für die Zeit des folgenden Anfechtungsverfahrens soll es ihm möglich sein, den in dieser Phase der Vergangenheit geleisteten Unterhalt im Rahmen des Regressanspruchs geltend zu machen.“807

Das angestrebte Ziel wird mit der vorgeschlagenen gesetzlichen Regelung zur Geltendmachung des übergegangenen Unterhaltsanspruchs jedoch allenfalls bedingt erreicht. Obwohl der Scheinvater nur „[f]ür die Zeit, in welcher [er] gemäß §  1600d Absatz 1 BGB zur Anfechtung der Vaterschaft berechtigt wäre und für die Zeit des folgenden Anfechtungsverfahrens (…) den in dieser Phase geleisteten Unterhalt im Rahmen des Regressanspruchs herausfordern“808 können soll, weil das vermeintlich heile Familienleben, das bis zu dem Zeitpunkt der Kenntniserlangung von dem Umstand, dass das Kind möglicherweise von einem anderen Mann abstammt, tatsächlich gelebt wurde, nicht monetär rückabgewickelt werden soll, erlaubt §  1613 Abs.  3 BGB n. F. eine Rückforderungen „für den Zeitraum von zwei Jahren vor Einleitung des Verfahrens auf Anfechtung der Vaterschaft“. Wird das Vaterschaftsanfechtungsverfahren zeitnah zu den entstandenen Zweifeln an der eigenen Vaterschaft von dem Schein805 Beachte jedoch die Stellungnahme des Bundesrats, in der er eine Verlängerung der Frist auf sechs Jahre fordert, weil die kurze Zweijahresfrist „dem allgemeinen Gerechtigkeitsgedanken und der Grundidee einer Regressnorm [widerspricht], wonach bei Zahlung auf eine fremde Schuld grundsätzlich ein Rückgriff möglich sein muss“, BR-Drucks. 493/16(B). 806  BT-Drucks. 18/10343 (Fn.  8 01), S.  16. 807  BT-Drucks. 18/10343 (Fn.  8 01), S.  16. 808  BT-Drucks. 18/10343 (Fn.  8 01), S.  21.

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vater eingeleitet, werden regelmäßig auch Zeiträume von den Regressansprüchen erfasst, in denen der Scheinvater noch ein „intaktes Familienleben gelebt“ hat. Hinzu kommt, dass nicht die bestehende Gesetzeslage, sondern gerade erst die vorgeschlagene Regelung das „gelebte Familienleben“ auf einen Kostenfaktor reduziert: Denn das auf den ersten Blick nachvollziehbare Ziel der vorgeschlagenen Änderungen in §  1613 Abs.  3 BGB n. F., „dem familienrechtlichen Gesichtspunkt der Teilhabe und des gelebten Familienlebens auch im Rahmen des Regressanspruchs Geltung zu verschaffen“, indem diese Aspekte unterhaltsrechtlich nicht rückabgewickelt werden sollen, 809 führt nun für den leiblichen Vater faktisch zu einer monetären Abgeltung des Umstands, dass ihm ein solches Familienleben in der Vergangenheit nicht möglich war. Durch die zeitliche Beschränkung des Regressanspruchs des Scheinvaters bzw. den mit §  1613 Abs.  3 BGB n. F. verbundenen „Erlass“ der Unterhaltspflicht des leiblichen Vaters für zurückliegende Zeiträume, in denen ihm kein Familienleben möglich war, wird das familiäre Zusammenleben mit all seinen Rechten und Pflichten nunmehr letztlich wertmäßig mit den Unterhaltspflichten gleichgesetzt und der „Preis“ für die gelebte Zeit als Vater festgelegt bzw. die in der Vergangenheit liegende verlorene Zeit als Vater des Kindes finanziell abgegolten. Damit wird genau das Gegenteil von dem erreicht, was mit der Neuregelung erreicht werden soll, und verkannt, dass manche Bereicherungen des Lebens, wie ein gelebtes Familienleben, die durchaus auch mit Belastungen einhergehen können, mit finanziellen Mitteln nicht – auch nicht symbolisch – bewertet werden können und daher aus rechtlicher Sicht gänzlich unberücksichtigt bleiben müssen. Dies lässt sich nur dadurch erreichen, dass man – wie es die derzeitige Rechtslage im Grundsatz vorsieht – den Regress auf die finanziellen Aspekte der rechtlichen Vaterschaft beschränkt, diese aber – in den Grenzen des Verjährungsrechts – vollständig ausgleicht. Von diesen Kritikpunkten abgesehen, soll die hier primär interessierende Auskunftspflicht der Mutter gemäß §  1607 Abs.  4 S.  1 BGB n. F. nur bestehen, „soweit sie zur Feststellung des übergegangenen Unterhaltsanspruchs erforderlich ist“.810 Außerdem ermöglicht die in Satz  2 vorgesehene Einschränkung eine Abwägung der Interessen im Einzelfall, wobei dem Auskunftsanspruch des Scheinvaters im Grundsatz Vorrang eingeräumt wird, es sei denn die Auskunft ist der Mutter unzumutbar. Mit dem Erforderlichkeits- und Zumutbarkeitskriterium will der Gesetzgeber dem Umstand Rechnung tragen, dass durch die Verpflichtung zur Auskunftserteilung das allgemeine Persönlichkeitsrecht der

809 

BT-Drucks. 18/10343 (Fn.  801), S.  21. soll etwa dann nicht der Fall sein, wenn ein Regressanspruch des Scheinvaters gegen den leiblichen Vater unter keinen Umständen besteht oder wenn ein anderer Mann zwischenzeitlich die Vaterschaft anerkannt hat oder als Vater gerichtlich festgestellt wurde, vgl. BT-Drucks. 18/10343 (Fn.  801), S.  20. 810  Dies

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Mutter erheblich beeinträchtigt wird.811 Die für und gegen die Erforderlichkeit und Zumutbarkeit ins Feld geführten Aspekte812 können den mit der Auskunftspflicht verbundenen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter aus verfassungsrechtlicher Sicht jedoch nicht rechtfertigen. 813 Im Grundsatz gilt, dass ein Grundrechtseingriff nur dann verhältnismäßig und d ­ amit gerechtfertigt ist, wenn ein legitimes Ziel erreicht werden soll und das verwendete Mittel sowohl geeignet als auch erforderlich und angemessen ist. Mag das Ziel, dem Scheinvater effektiven Rechtsschutz in Bezug auf seinen Regressanspruch gegen den biologischen Vater zu gewähren, auch legitim und das Mittel in Form der Statuierung einer mit Einschränkungen versehenen Auskunftspflicht der Mutter sowohl geeignet als auch angemessen sein, weil über das Zumutbarkeitkriterium ein angemessener Interessenausgleich im Einzelfall ermöglicht wird, so ist die geplante Maßnahme doch nach hier vertretener Ansicht schon im Grundsatz nicht erforderlich. Im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erforderlich wäre ein Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Mutter nur dann, wenn es kein milderes Mittel gäbe, das weniger intensiv in die Grundrechte der Mutter eingreift, aber dem Scheinvater gleichermaßen effektiv zu seinem Recht verhilft. Nach dem hier vertretenen Lösungsvorschlag (dazu sogleich) kann dem Scheinvater indes schon nach bestehender Rechtslage effektiver Rechtsschutz gewährt werden, wenn auch auf andere als bisher diskutierte Art und Weise, ohne dass dadurch höherrangige Grundrechte der Mutter, insbesondere ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht, beeinträchtigt werden. (e) Eigener Lösungsvorschlag Das BVerfG hatte sich in seiner Entscheidung vom 24.2.2015814 einzig und allein mit der Frage zu befassen, ob der von den Zivilgerichten gestützt auf §  242 BGB gewährte Auskunftsanspruch des Scheinvaters gegen die Mutter betreffend die Identität des potenziellen Erzeugers des Kindes mit ihren verfassungsrechtlich geschützten Rechten vereinbar ist; es hatte nicht darüber hinausgehend zu be811 

BT-Drucks. 18/10343 (Fn.  801), S.  17. BT-Drucks. 18/10343 (Fn.  801), S.  20. Bei der Zumutbarkeit sei insbesondere das frühere Verhalten der Mutter und des Scheinvaters zu berücksichtigen, und dass die Mutter die finanziellen Nachteile des Scheinvaters mitverursacht habe. Unzumutbar soll die Auskunft sein können, wenn „der Scheinvater die Vaterschaft in Kenntnis des Mehrverkehrs anerkannt oder in sonstiger Weise zu erkennen gegeben hat, dass er die Vaterschaft trotz des Mehrverkehrs und ungeachtet der mutmaßlichen Person des Erzeugers annehmen oder aufrechterhalten will.“ Das Gleiche soll in Betracht kommen, wenn die Mutter darzulegen vermag, dass sie sich durch die Benennung der bestimmten Person selbst der Strafverfolgung aussetzen könnte (z. B. in Fällen von Inzest) oder dass in der Person besondere Merkmale vorliegen, die eine Benennung unzumutbar erscheinen ließen (z. B. in Fällen der Vergewaltung durch Familienangehörige). 813  Kritisch auch Frank, FamRZ 2017, 161 (165). 814  Vgl. oben Kap.  3 C.III.3.d)(2)(a), S. 222 ff. 812  Vgl.

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urteilen, ob dem Scheinvater nach derzeitiger Rechtslage generell effektiver Rechtsschutz in solchen Konstellationen verwehrt ist. Die Versagung eines solchen Auskunftsanspruchs schließt nicht aus, dass den rechtlichen Interessen des Scheinvaters auf anderem Wege gebührend Rechnung getragen und eine rechtsstaatlich faire und gerechte Lösung des Interessenwiderstreits gewährleistet werden kann. Löst man den Blick von den Kategorien, die in den Fällen des Scheinvaterregresses die bisherige Diskussion dominieren, so lässt sich genau dies erreichen, indem man die Mutter nicht (erst) zur Auskunft über die Identität des potenziellen Erzeugers nach Bekanntwerden ihres „Seitensprungs“ verpflichtet, sondern vielmehr schon eine zeitlich viel früher ansetzende Pflicht zur ungefragten Offenbarung der Möglichkeit anerkennt, dass das Kind nicht vom Ehemann abstammen könnte; richtiger Anknüpfungspunkt für eine etwaige Haftung der Mutter ist mithin nicht die Verletzung einer Auskunftspflicht, sondern vielmehr die Verletzung einer Aufklärungspflicht gemäß §  241 Abs.  2 BGB.815 Dass es sich dabei um ein „milderes Mittel“ handelt, das weniger intensiv in die Grundrechte der Mutter eingreift, aber dem Scheinvater gleicher­ maßen effektiven Rechtschutz gewährt, wird im Folgenden zu zeigen sein. (3) Aufklärungspflichtverletzung der Mutter Eine aus der Rücksichtnahmepflicht des §  241 Abs.  2 BGB abzuleitende Aufklärungspflicht ist – wie schon ausgeführt –, anders als eine Auskunftspflichtverletzung, retrospektiv zu beurteilen. Das erforderliche Wissensgefälle liegt zwischen der Mutter und dem arglosen Scheinvater unproblematisch vor, denn dieser wird im Regelfall nichts davon wissen, dass die Mutter während der Empfängniszeit auch noch mit einem anderen Mann oder mehreren anderen Männern geschlechtlich verkehrt hat. Dieser Umstand ist aus Sicht der Mutter auch von erkennbar wesentlicher Bedeutung für ihren Ehemann, denn die Übernahme der Elternverantwortung, einschließlich der Unterhaltsgewährung, für ein Kind nach dessen Geburt ist entscheidend von der (irrigen) Vorstellung geprägt, dass das Kind von ihm abstammt. Der Aspekt, dass in dieser Konstellation sowohl persönliche als auch vermögenswerte Interessen des Scheinvaters betroffen sind, unterstreicht die Entscheidungserheblichkeit der Information. Hinzukommen muss, dass das Interesse des Scheinvaters an der ungefragten Offenbarung dieses Umstandes schutzwürdig und der Mutter die Aufklärung zumutbar ist. Dies lässt sich nur anhand einer umfassenden Interessenabwägung ermitteln, wobei auch die besondere Vertrauensprägung des Rechtsverhältnisses zwischen Ehegatten eine Rolle spielt. 815 Auch Rauscher, JZ 2015, 624 (627), hält eine Aufklärungspflicht der Mutter über die Möglichkeit einer anderweitigen Vaterschaft für „nicht fernliegend“, er folgert daraus jedoch lediglich, dass auch das Unterlassen der gebotenen Aufklärung Arglist im Sinne von §  826 BGB begründen könne.

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Die Annahme einer Verpflichtung zur ungefragten Aufklärung innerhalb eines Schuldverhältnisses ist nach weit verbreiteter Meinung unzumutbar, wenn durch die Offenbarung der relevanten Umstände in das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder die Intimsphäre des Aufklärungspflichtigen eingegriffen wird.816 Allein darüber, dass ein Ehegatte „fremdgeht“ und mit einem Dritten Geschlechtsverkehr hat, muss deshalb der andere Ehegatte nicht aufgeklärt werden, mit der Folge, dass mangels Verletzung einer Rechtspflicht z. B. Detektivkosten, die dem Verdacht schöpfenden Ehegatten zur Verifizierung des Verdachts entstanden sind, nicht als Schadensposten erstattet verlangt werden können.817 Von Unzumutbarkeit einer Aufklärungspflicht der Mutter kann unter Umständen auch dann auszugehen sein, wenn die Mutter Opfer einer Vergewaltigung und möglicherweise dadurch schwanger geworden ist, solange sie durch das Erlebte psychisch traumatisiert ist; 818 auch in solchen Fällen scheidet eine Pflichtverletzung und damit etwaige Schadensersatzpflichten der Mutter aus. 819 Dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter betroffen ist, wenn sie ihren Mann ungefragt darüber aufklären muss, dass möglicherweise ein anderer Mann als Vater des Kindes in Betracht kommt, ist – wie bereits ausgeführt – nicht zu leugnen. Allerdings stehen diesem Recht im hier zu beurteilenden Zusammenhang gleichgewichtige Interessen des Scheinvaters gegenüber, die ebenfalls in die Waagschale geworfen und berücksichtigt werden müssen. Denn ex post betrachtet ist in dem Zeitpunkt, in dem die Aufklärungspflicht relevant wurde, neben den finanziellen Interessen des Scheinvaters auch dessen Recht auf Kenntnis der Abstammung des ihm rechtlich zugeordneten Kindes (Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG) zu beachten. Grundrechte gelten zwar nicht unmittelbar zwischen Privatrechtssubjekten, hier stellt sich jedoch die Frage, ob §  241 Abs.  2 BGB (durch die Gerichte) so ausgelegt werden darf, dass sich daraus eine Verpflichtung der Mutter zur Aufklärung des Scheinvaters über die Möglichkeit einer anderweitigen Abstammung des Kindes ergibt; bei dieser Über­ 816 

Vgl. oben bei Fn.  662. jedoch BGH v. 15.5.2013 – XII ZB 107/08, NJW 2013, 2668, wonach Detektivkosten, die einer Partei zur Beschaffung von Beweismitteln (hier: zur Feststellung des Bestehens einer – die nacheheliche Unterhaltspflicht ausschließenden – verfestigten Lebensgemeinschaft der Ex-Ehefrau gemäß §  1579 Nr.  2 BGB) entstehen, zu den erstattungsfähigen Kosten im Sinne des §  91 Abs.  1 S.  1 ZPO gehören können. 818  Vgl. das Beispiel im Entwurf eines Gesetzes zur Reform des Scheinvaterregresses, zur Rückbenennung und zur Änderung des Internationalen Familienrechtsverfahrensgesetzes v. 16.11.2016, BT-Drucks. 18/10343, S.  20 (im Zusammenhang mit der Unzumutbarkeit der geplanten Auskunftspflicht). Das weitere dort genannte Beispiel für eine Unzumutbarkeit, die dann anzunehmen sei, wenn sich die Mutter durch die Benennung der bestimmten Person selbst der Strafverfolgung aussetzen könnte (etwa in Fällen des Beischlags zwischen Verwandten nach §  173 StGB), spielt nach hier vertretener Ansicht keine Rolle, weil die Aufklärungspflicht – anders als eine Auskunftspflicht – inhaltlich nicht auch darauf gerichtet ist, mit wem die Mutter sexuelle Beziehungen unterhalten hat, vgl. dazu noch unten S. 241. 819  Dazu unten Kap.  3 C.III.3.d)(4), S. 244 ff. 817  Beachte

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legung sind auch die Grundrechte des Vaters mit einzubeziehen, die nach hier vertretener Ansicht schwerer wiegen als das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter und deshalb für eine Aufklärungspflicht sprechen: Im Jahr 2007 hat das BVerfG entschieden, dass der Gesetzgeber verpflichtet ist, zur Verwirklichung des Rechts des rechtlichen Vaters auf Kenntnis der Abstammung seines Kindes von ihm ein geeignetes förmliches Verfahren allein zur Feststellung der Vaterschaft bereitzustellen, ohne dass dadurch die statusrechtliche Zuordnung berührt wird.820 Zum Recht eines Mannes auf Kenntnis, ob ein Kind von ihm abstammt, gehöre auch das Recht, die Möglichkeit eröffnet zu bekommen, in einem Verfahren die Abstammung eines Kindes von ihm klären und feststellen zu lassen. 821 In diesem Abstammungsfeststellungsverfahren kommt gegebenenfalls zwangsläufig ans Tageslicht, dass die Ehefrau des rechtlichen Vaters während der Empfängniszeit mit einem anderen Mann geschlechtlich verkehrt hat. Dem stehen nach Ansicht des BVerfG weder Grundrechts­ positionen des Kindes822 noch der Mutter entgegen, vielmehr hat es dem Klärungsinteresse des Vaters in der Abwägung Vorrang eingeräumt, insbesondere vor dem Recht der Mutter auf Achtung ihres Intimlebens: „Die Klärung, ob ihr Kind von dem Mann abstammt, der als sein rechtlicher Vater gilt, berührt zwar auch das Persönlichkeitsrecht der Mutter aus Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG, das ihr das Recht einräumt, selbst darüber zu befinden, ob, in welcher Form und wem sie Einblick in ihre Intimsphäre und ihr Geschlechtsleben gibt (…). Allerdings ist damit kein unzulässiger Eingriff in den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung der Mutter verbunden. Der Eingriff dient dem vorrangigen Ziel der Klärung, ob das Kind aus ihrer Beziehung mit dem rechtlichen Vater hervorgegangen ist, der wiederum ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Kenntnis hat, ob das Kind aus dieser Beziehung hervorgegangen ist und von ihm abstammt (…). Bei der Abwägung der hier widerstreitenden Grundrechtspositionen ist zudem zu berücksichtigen, dass die Mutter dem Mann schon Zugang zu ihrer Intimsphäre eröffnet hat, ihn an ihrem Geschlechts­ leben hat teilnehmen lassen und dadurch ein Kenntnisinteresse des Mannes an der Abstammung ihres Kindes mitbegründet hat.“823

Der Gesetzgeber hat den Auftrag des BVerfG in §  1598a BGB umgesetzt, wonach der Vater zur Klärung der leiblichen Abstammung des Kindes jeweils von Mutter und Kind (ebenso wie diese jeweils von den anderen beiden) verlangen kann, dass diese in eine genetische Abstammungsuntersuchung einwilligen und die Entnahme einer für die Untersuchung geeigneten genetischen Probe dulden (§  1598a Abs.  1 S.  1 BGB). Aus der darin enthaltenen gesetzlichen Wertung, die sich auch in der dem rechtlichen Vater offenstehenden Möglichkeit eines Vaterschaftsanfechtungsverfahrens wiederfindet (§  1600 Abs.  1 Nr.  1 BGB), lässt sich 820 

BVerfG v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05, NJW 2007, 753. BVerfG v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05, NJW 2007, 753 (754 Rn.  60). 822  Dazu BVerfG v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05, NJW 2007, 753 (755 Rn.  70 ff.). 823  BVerfG v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05, NJW 2007, 753 (756 Rn.  7 7). 821 

C. Haftung kraft schuldrechtlicher Sonderverbindung zwischen den Ehegatten

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der Schluss ziehen, dass das Geheimhaltungsinteresse der Mutter in Bezug auf die Frage, „ob“ sie während der Empfängniszeit mit einem anderen Mann geschlechtlich verkehrt hat, hinter die Interessen des Ehemannes in Bezug auf die Kenntnis der Abstammung des ihm rechtlich zugeordneten Kindes zurücktreten muss. Gleiches muss auch im Rahmen von §  241 Abs.  2 BGB bei der Abwägung gelten, ob die Mutter im Hinblick auf diese Frage eine Aufklärungspflicht trifft.824 Dabei ist zu berücksichtigen, dass eine Aufklärungspflicht – anders als eine Auskunftspflicht – inhaltlich nicht auch darauf gerichtet ist, mit wem die Mutter sexuelle Beziehungen unterhalten hat. Dies geht über das Informationsinteresse des Ehemannes hinaus, denn für die Entscheidung über sein zukünftiges Verhalten in Bezug auf das Kind, namentlich die Frage, ob er trotz allem eine rechtliche Vaterstellung zu ihm begründen bzw. beibehalten sowie Unterhalt für das Kind zahlen will, genügt die Information, dass er möglicherweise nicht der Vater ist. Dann kann er über das Verfahren nach §  1598a BGB die Abstammungsverhältnisse klären lassen und/oder (anschließend) ein Vaterschaftsanfechtungsverfahren durchführen, bevor er finanzielle Aufwendungen für das Kind tätigt. Seine Interessen können dadurch hinreichend gewährleistet werden, während das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter durch einen Aufklärungsanspruch weit weniger intensiv als durch einen Auskunftsanspruch belastet wird. Gleichwohl ist unbestreitbar, dass eine Pflicht zur ungefragten Offenbarung von Umständen, die den Kernbereich des Persönlichkeitsrechts und die Intimsphäre der Mutter betreffen, noch bevor der Ehemann Verdacht schöpft, einen schwererwiegenden Eingriff bedeuten als die aus §  1598a BGB folgende Pflicht, in eine genetische Abstammungsuntersuchung einzuwilligen und die Entnahme einer genetischen Probe zu dulden. Berücksichtigt man jedoch das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Ehegatten und das strukturelle Wissensgefälle in Bezug auf die relevanten Umstände, erscheint es gerechtfertigt, die Mutter im Grundsatz ab dem Zeitpunkt rechtlich in die Verantwortung zu nehmen, in dem sie (aufgrund ihres „Seitensprungs“ und den jeweiligen Umständen) selbst davon Kenntnis erlangt, dass die Vaterschaft eines anderen Mannes zumindest nicht ganz fernliegend erscheint. Von Kenntnis in diesem Sinne ist dabei in sehr weitreichendem Umfang auszugehen, die Mutter kann sich also nicht einfach darauf berufen, sie hätte nie Zweifel an der Vaterschaft ihres Ehemannes gehabt und damit auch keinen Grund für eine Aufklärung gesehen. Im Zusammenhang mit der Frist für eine Vaterschaftsanfechtung nach §  1600b BGB hat der BGH bereits mehrfach und zu Recht entschieden, dass etwa der Umstand, dass beim Geschlechtsverkehr mit einem anderen Mann als dem rechtlichen Vater Kondome benutzt wurden, 824 

So im Ergebnis auch Maurer, NJW 2012, 452 (453); Rauscher, JZ 2015, 624 (627).

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

die Kenntnis der Mutter von der Möglichkeit der Abstammung des Kindes von diesem anderen Mann nicht ausschließe. 825 Gleiches muss erst recht gelten, wenn nicht nur – wie im Rahmen von §  1600b BGB – eigene Rechte der Mutter (hier: ihr Anfechtungsrecht gemäß §  1600 Abs.  1 Nr.  3 BGB), sondern Rechte eines Dritten betroffen sind, der ohne Aufklärung nicht in der Lage ist, seine schutzwürdigen Interessen zu wahren. Bereits ein einmaliger außerehelicher Geschlechtsverkehr während der Empfängniszeit ist ein Umstand, dessen Kenntnis eine Aufklärungspflicht begründet, und zwar selbst dann, wenn der Ehemann innerhalb dieser Zeit der Kindesmutter ebenfalls beigewohnt hat. 826 Darauf, ob die Vaterschaft des Dritten wahrscheinlicher ist als die des Ehemanns kommt es nicht an.827 Bei der Frage, ob die der Mutter bekannt gewordenen Gesamtumstände die Möglichkeit der Vaterschaft eines anderen Mannes als nicht ganz fernliegend erscheinen lassen, ist nach Ansicht des BGH auf die objektive Beurteilung aus der Sicht eines verständigen Betrachters abzustellen; 828 auf den individuellen Bildungsstand der Mutter kommt es ebenso wenig entscheidend an, wie auf eine im Einzelfall bestehende besondere Sorglosigkeit oder Gleichgültigkeit der Mutter. 829 Eine ungefähre Vorstellung vom Versagensrisiko von Kondomen zählt der BGH zum Allgemeinwissen, 830 weshalb in diesen Fällen allein die (nicht bestreitbare) Kenntnis von dem außerehelichen Geschlechtsverkehr eine Aufklärungspflicht begründet. Schwieriger ist die Beurteilung der Kenntnis der Mutter als Voraussetzung der Annahme einer Aufklärungspflicht, wenn sie mit Hilfe der „Pille“ verhütet hat. Nach der Rechtsprechung des BGH besteht nämlich eine Einschränkung, wenn der außereheliche Verkehr unter Begleitumständen stattgefunden hat, nach denen eine Empfängnis in hohem Maße unwahrscheinlich ist.831 Da die Zuverlässigkeit der Empfängnisverhütung durch die „Pille“ deutlich höher ist als diejenige bei Verwendung von Kondomen, muss hier nach den Umständen des Einzelfalls ermittelt werden, ob die Mutter aus objektiver Sicht davon ausgehen durfte, dass kein anderer Mann als ihr Ehemann als Vater in Betracht kommt, und ob ihr dementsprechend die Nichtoffenbarung des „Seitensprungs“ gegenüber ihrem Ehemann zum Vorwurf gemacht werden kann. Meist wird 825 BGH v. 11.12.2013 – XII ZR 58/12, NJW 2014, 629; BGH v. 29.3.2006 – XII ZR 207/03, NJW 2006, 1734. 826  So auch der BGH v. 11.12.2013 – XII ZR 58/12, NJW 2014, 629 (630 Rn.  8 ), für den Beginn der Anfechtungsfrist. 827  BGH v. 11.12.2013 – XII ZR 58/12, NJW 2014, 629 (630 Rn.  8 ); BGH v. 29.3.2006 – XII ZR 207/03, NJW 2006, 1734 (1735 Rn.  18). 828  BGH v. 11.12.2013 – XII ZR 58/12, NJW 2014, 629 (630 Rn.  10); BGH v. 29.3.2006 – XII ZR 207/03, NJW 2006, 1734 (1735 Rn.  22). 829  BGH v. 11.12.2013 – XII ZR 58/12, NJW 2014, 629 (630 Rn.  12). 830  BGH v. 11.12.2013 – XII ZR 58/12, NJW 2014, 629 (630 Rn.  11); BGH v. 29.3.2006 – XII ZR 207/03, NJW 2006, 1734 (1736 Rn.  27). 831  BGH v. 11.12.2013 – XII ZR 58/12, NJW 2014, 629 (630 Rn.  9 ); BGH v. 29.3.2006 – XII ZR 207/03, NJW 2006, 1734 (1735 Rn.  19).

C. Haftung kraft schuldrechtlicher Sonderverbindung zwischen den Ehegatten

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sich an der Beurteilung nichts ändern, jedenfalls dann nicht, wenn die Frau trotz Einnahme der Pille schwanger geworden ist und während der Empfängniszeit auch mit anderen Männern geschlechtlich verkehrt hat; dies könnte womöglich dann anders zu beurteilen sein, wenn sie erst nach dem Seitensprung, durch den sie schwanger geworden ist, die Pille abgesetzt hat und fortan nur noch mit ihrem Ehemann den Geschlechtsverkehr vollzogen hat. Fahrlässige Unkenntnis von der Möglichkeit einer anderweitigen Abstammung des Kindes genügt für die Annahme einer Aufklärungspflicht nicht, denn diese setzt ein Wissensgefälle voraus, an dem es fehlt, wenn die Mutter nachvollziehbar für sich ausschließen konnte, dass ein anderer Mann als Erzeuger in Betracht kommen könnte. Ist die Mutter unsicher, wer der genetische Vater des Kindes ist, weil sie die Vaterschaft eines Dritten zwar nicht gänzlich ausschließen, aber für sehr unwahrscheinlich hält, und will sie den „Seitensprung“ ihrem Ehemann dennoch nicht offenbaren, weil sie ihre Ehe nicht „unnötig“ gefährden will, solange der Ehemann ebenfalls als Vater in Betracht kommt, so ist sie aus rechtlicher Sicht nicht berechtigt, sich durch einen heimlichen Vaterschaftstest Klarheit über die Abstammung zu verschaffen. Ein heimlicher Vaterschaftstest verstößt sowohl gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Kindes sowie des Ehemannes, als auch womöglich gegen das Elternrecht des Ehemannes, sofern er für das Kind sorgeberechtigt ist. Das BVerfG hat dazu ausgeführt: 832 „Das von Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG umfasste Recht auf informationelle Selbstbestimmung schützt die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung seiner persönlichen Daten zu bestimmen (…). Zu diesen grundrechtlich geschützten Daten gehören auch solche, die Informationen über genetische Merkmale einer Person enthalten, aus denen sich in Abgleich mit den Daten einer anderen Person Rückschlüsse auf die Abstammung ziehen lassen (…). Auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist jedoch nicht schrankenlos gewährleistet. Insbesondere muss der Einzelne Einschränkungen dieses Rechts hinnehmen, die im überwiegenden Interesse anderer oder der Allgemeinheit liegen. Solche Beschränkungen bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, aus der sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen ergeben und die dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht (…). … Das informationelle Selbstbestimmungsrecht verpflichtet jedoch die staatlichen Organe, dem Einzelnen Schutz davor zu bieten, dass private Dritte ohne sein Wissen und ohne seine Einwilligung Zugriff auf die seine Individualität kennzeichnenden Daten nehmen. Dies gilt grundsätzlich selbst dann, wenn der Zweck, die Klärung der Abstammung, von einem grundrechtlich geschützten Kenntnisinteresse getragen wird. Die in solchen Fällen vorliegende Grundrechtskollision kann nicht von einem der Grundrechtsträger nach seinem Gutdünken bewältigt, sondern nur durch den Gesetzgeber ­gelöst werden. Ein mit Hilfe von genetischem Datenmaterial heimlich eingeholter Vaterschaftstest basiert auf einer nicht zu rechtfertigenden Verletzung des Rechts des betrof­ fenen Kindes auf informationelle Selbstbestimmung, vor der die staatlichen Organe Schutz zu bieten haben. Vor ungewollten Zugriffen auf das genetische Datenmaterial 832 

BVerfG v. 13.2.2007 – 1 BvR 421/05, NJW 2007, 753 (754 Rn.  65 ff.).

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eines Kindes ist auch dessen sorgeberechtigte Mutter zu schützen. Art.  6 Abs.  2 GG gewährleistet den Eltern das Recht und die Verantwortung, Sorge für ihr Kind zu tragen. Zur elterlichen Sorge gehört auch, im Interesse des Kindes darüber zu entscheiden, ob jemand genetische Daten des Kindes erheben und verwerten darf. Um dem Sorgeberechtigten hierbei den verfassungsrechtlich gebotenen Schutz zukommen zu lassen, kann von der Rechtsordnung nicht toleriert werden, dass ein heimlich eingeholter Vaterschaftstest der Kenntniserlangung über die Abstammung eines Kindes dient.“

Dass sich die Mutter faktisch durch die Möglichkeit eines heimlichen Vaterschaftstest Gewissheit verschaffen und damit die Gefahr der eigenen Haftung (dazu sogleich) reduzieren kann, steht freilich auf einem anderen Blatt. Schließlich sei an dieser Stelle noch darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass in dem der Entscheidung des BVerfG von 2015 zugrunde liegenden Fall833 die sexuellen Beziehungen zu dem leiblichen Vater in einer Zeit unterhalten wurden, in der die Mutter mit dem Scheinvater nicht verheiratet gewesen war, sondern nur in einer „lockeren“ Beziehung gelebt haben,834 nichts an dem hier befürworteten Ergebnis ändert. Denn nach hier vertretener Ansicht liegt das vorwerfbare Fehlverhalten der Mutter nicht in der Verletzung einer ehespezifischen Pflicht, sondern in der Verletzung einer schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflicht, die im Verhältnis zwischen nichtehelichen Lebensgefährten den gleichen Inhalt und Umfang aufweist.835 Zwar handelt es sich bei der nicht­ ehelichen Lebensgemeinschaft nicht um eine Verantwortungsgemeinschaft im Sinne von §  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  2 BGB, dennoch ist sie eine höchstpersönliche Lebensgemeinschaft, die auf wechselseitigem Vertrauen der Partner aufbaut. Auch in diesem Verhältnis ist es gerechtfertigt, die Frau aufgrund ihres überlegenen Wissens gemäß §  241 Abs.  2 BGB für verpflichtet zu halten, den Mann darüber aufzuklären, dass er möglicherweise nicht der Vater des Kindes ist, bevor er finanzielle Dispositionen zu seinen Lasten trifft. (4) Schadensersatzanspruch gegenüber der Mutter wegen Verletzung einer Aufklärungspflicht (a) Meinungsstand in der Rechtsprechung Nach Ansicht des BGH führt jedoch weder ein von der Ehefrau begangener Ehebruch noch das bloße Verschweigen der hieraus folgenden möglichen Nichtvaterschaft gegenüber dem Ehemann zu einer Schadensersatzpflicht der Ehefrau hinsichtlich des von ihm geleisteten Unterhalts für das scheineheliche Kind.836 Er lehnte sowohl deliktische Ansprüche als auch eine Haftung aus 833 

Siehe zum Sachverhalt oben Kap.  3 C.III.3.d)(2)(a), S.  224 ff. die Einlassung der Beschwerdeführerin, siehe die Ausführungen des BVerfG v. 24.2.2015 – 1 BvR 472/14, juris Rn.  13 ff. 835  Siehe dazu noch unten Kap.  4 A.II., S. 366 ff. 836  BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2109 Rn.  13), mit zust. Anm. Helms, FamRZ 2013, 943. 834 So

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§  280 BGB ab. Zur Begründung führt er an, dass die Ehe außerhalb der Rechtsverhältnisse stehe, deren Verletzung allgemeine Ansprüche auf Ersatz von Vermögensschäden auslösen könne. Eine die Lebens- und Geschlechtsgemeinschaft der Ehegatten beeinträchtigende Ehestörung, wie insbesondere ein Ehebruch, stelle einen innerehelichen Vorgang dar. Solche Ehestörungen seien nicht in den Schutzzweck der deliktischen Haftungstatbestände einbezogen; insoweit verdränge das Ehe- und Familienrecht die Deliktsregeln. Neben den deliktischen seien damit auch all jene Ansprüche der Ehegatten gegeneinander ausgeschlossen, bei denen als verletztes Rechtsgut der Kern der Ehe und der mit diesem verfolgte Schutzzweck in Betracht kämen.837 Bei Hinzutreten weiterer schädigender Umstände könne allenfalls die besondere Deliktsregel des §  826 BGB auch im Bereich der Störung der innerehelichen, geschlechtlichen Beziehung zwischen den Ehegatten zur Anwendung kommen.838 Allein die Tatsache, dass die Ehefrau den Treuebruch verschwiegen hat, soll jedoch noch keine sittenwidrig schädigende Handlung im Sinne von §  826 BGB begründen, denn es bestehe keine schadensersatzrechtlich sanktionierte Pflicht, dem anderen Ehegatten einen Ehebruch zu offenbaren. 839 Sittenwidriges Verhalten nimmt der BGH erst dann an, wenn die Ehefrau „Zweifel des Ehemanns an der Abstammung des Kindes durch unzutreffende Angaben bzw. durch ausdrückliches Leugnen des Ehebruchs zerstreut, oder wenn sie den Ehemann durch eine arglistige Täuschung oder auf andere Weise, etwa auch durch Drohungen, an der Erhebung der Ehelichkeitsanfechtungsklage hindert.“840 An diesen Grundsätzen hält der BGH ungeachtet der Tatsache fest, dass er in anderem Zusammenhang an das Verschweigen der möglichen Vaterschaft eines anderen Mannes rechtliche Konsequenzen für die Ehefrau geknüpft hatte. Er sieht in diesem Verhalten der Ehefrau ein offensichtlich schwerwiegendes Fehlverhalten im Sinne von §  1579 Nr.  7 BGB, das zur Versagung nachehelichen Unterhalts führen könne. 841 Lässt eine Ehefrau, die während der Ehe infolge eines Seitensprungs schwanger geworden war, ihren Ehemann in dem Glauben, dass allein er als Vater des Kindes in Betracht komme, so treffe sie ein über den Ehebruch hinausgehender Vorwurf. Gleichermaßen hat der BGH entschieden, dass ein solches Verschweigen auch zu einem Ausschluss des Versorgungsausgleichs führen kann.842 In seinem Urteil vom 27.6.2012 kam der BGH des Weiteren zu dem Ergebnis, dass das Verschweigen der möglichen Nichtvaterschaft des Ehemannes, die Anfechtung einer schenkweisen Zuwendung wegen arglistiger 837  BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2109 Rn.  15), unter Verweis auf BGH v. 19.12.1989 – IVb ZR 56/88, NJW 1990, 706. 838  BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2109 Rn.  16 f.). 839  BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2109 Rn.  17). 840  BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2109 Rn.  18). 841  BGH v. 15.2.2012 – XII ZR 137/09, NJW 2012, 1443 (1444 Rn.  23). 842  BGH v. 21.3.2012 – XII ZB 147/10, NJW 2012, 1446 (1447 Rn.  19).

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Täuschung nach §  123 BGB begründen kann.843 Von diesen Judikaten grenzte der BGH seine Entscheidung zur Ablehnung einer Schadensersatzhaftung der Ehefrau mit dem wenig überzeugenden Argument ab, dass diese Rechtsprechung vor allem auf familienrechtliche Sondervorschriften abstelle (§  1579 Nr.  7 BGB; §  1587h Nr.  1 BGB aF [jetzt: §  27 VersAusglG]) und im Übrigen nichts daran ändern könne, dass das Ehe- und Familienrecht bezogen auf eine Ehe­ störung in Form eines Ehebruchs grundsätzlich allgemeine Schadensersatz­ ansprüche verdränge.844 Die letzte Konstellation der Anfechtung einer schenkweisen Zuwendung wegen arglistiger Täuschung nach §  123 BGB betreffe zwar keine familienrechtliche Sondervorschrift, aber dafür eine Zuwendung an die Ehefrau, die wesentlich von der familiären Verbundenheit der Beteiligten geprägt sei. Davon unterscheide sich nach Ansicht des BGH die Konstellation, in der der Scheinvater wegen der an das Kind gezahlten Unterhaltsleistungen von der Ehefrau Schadensersatz verlangt, deshalb wesentlich, weil der in Streit stehende Kindesunterhalt allein dem Kind zugute gekommen sei.845 Die Wesentlichkeit dieses Unterschieds mag bezweifelt werden, zumal nicht entscheidend ist, wem die durch arglistige Täuschung herbeigeführte Leistung des arglosen Ehemannes zugute gekommen ist, sondern wie das Verhalten der Ehefrau rechtlich zu würdigen ist. Außerdem lehnte der BGH einen Schadensersatzanspruch des betroffenen Ehemannes „aus dem Gesichtspunkt einer Regressvereitelung infolge einer unzureichenden Auskunft nach §§  280, 242 BGB“ ab. Dabei ließ er offen, ob §  280 BGB überhaupt als Anspruchsgrundlage im Verhältnis zwischen Ehegatten anwendbar ist, denn jedenfalls trage der Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast für die Pflichtverletzung, die Schadensentstehung und den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden. Der BGH bejahte zwar – entsprechend seiner jüngst vom BVerfG aufgehobenen Rechtsprechung – noch eine Auskunftspflicht der Ehefrau über den potentiellen Erzeuger, er verneinte jedoch die Voraussetzungen eines Anspruchs aus §  280 BGB, weil der Geschädigte die Schadensentstehung und den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden nicht bewiesen habe. 846 Da ein Schadensersatzanspruch wegen Verhinderung des Regresses des Scheinvaters beim leiblichen Vater jenen nur so stellen könne, wie er stünde, wenn ihm der Scheinvaterregress nach §  1607 Abs.  3 BGB eröffnet wäre, könnte er nur in Höhe des kraft Gesetzes auf ihn übergegangenen Unterhaltsanspruchs des Kindes gegen den leiblichen Vater Schadensersatz verlangen. Die Werthaltigkeit des Unterhaltsanspruchs des Kindes hängt vor allem von der Leistungsfähigkeit des leiblichen Vaters ab. „Um einen Schadensersatzanspruch nach §  280 Abs.  1 BGB 843 

BGH v. 27.6.2012 – XII ZR 47/09, NJW 2012, 2728 (2729 Rn.  26 ff.). BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2110 Rn.  23). 845  BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2110 Rn.  23). 846  BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2111 Rn.  37 ff.). 844 

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schlüssig zu begründen, müsste [der Scheinvater] also darlegen, in welcher Höhe [er] bei dem tatsächlichen Vater hätte Regress nehmen können, was [ihm] freilich ohne die Auskunft [über dessen Identität] nicht möglich ist.“847 (b) Stellungnahme An diesem Ergebnis der Entscheidung des BGH zeigt sich deutlich die Unzulänglichkeit der Anknüpfung an eine Auskunftspflichtverletzung der Ehefrau, ganz abgesehen davon, dass der Scheinvater über den Regress beim leiblichen Vater regelmäßig den von ihm aufgewendeten Betrag für den Kindesunterhalt ohnehin nicht vollständig zurückerhält. Wenn man mit der hier vertretenen Ansicht demgegenüber eine aus §  241 Abs.  2 BGB folgende Aufklärungspflicht der Mutter bejaht, ist rechtliche Konsequenz, dass sie im Falle der Pflichtverletzung nach Maßgabe von §  280 Abs.  1 BGB gegenüber ihrem Ehegatten zum Ersatz eines etwaigen Schadens verpflichtet ist,848 der bei ordnungsgemäßer Aufklärung hätte vermieden werden können. Dadurch wird nicht „der Ehebruch“ der Mutter sanktioniert, sondern allein die Verletzung der Pflicht zur Rücksichtnahme auf die (finanziellen und persönlichen) Interessen des anderen Ehegatten, die sich hier in der Nichtaufklärung über die Möglichkeit einer anderweitigen Vaterschaft ausdrückt. Schwierigkeiten bereitet dabei allerdings zum einen die Frage der Kausalität der Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden, welche im Grundsatz vom Geschädigten bewiesen werden muss (dazu (c)), und zum anderen die Frage, in welchem Umfang Schadensersatz verlangt werden kann (dazu (d)). (c) Kausalität – Vermutung „aufklärungsrichtigen Verhaltens“ Die Verletzung einer Aufklärungspflicht stellt einen Fall des Unterlassens dar. Ein Unterlassen ist für einen eingetretenen Schaden kausal, wenn bei Hinzudenken des geforderten Tuns der Schaden mit Sicherheit entfiele; die bloße Möglichkeit oder eine gewisse Wahrscheinlichkeit genügen nicht.849 Es ist im hier interessierenden Zusammenhang also zu prüfen, ob der Geschädigte im Falle ordnungsgemäßer und rechtzeitiger Aufklärung anders gehandelt und 847 

BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2111 Rn.  42). A. A. Helms, FamRZ 2013, 943, mit dem Argument, dass „Solidarität, Unterstützung und Rücksichtnahme (…) auch nach einer Eheschließung nicht mit Mitteln des Rechts erzwungen werden [können] (vgl. §  120 Abs.  3 Alt.  2 FamFG).“ Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass es hier nicht um ehespezifische Pflichten im Sinne von §  120 Abs.  3 FamFG geht, sondern um allgemeine vermögensrechtliche Pflichten, die sehr wohl auch im Eheverhältnis mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden können. 849  BGH v. 30.1.1961 – III ZR 225/59, NJW 1961, 868 (870); BGH v. 5.7.1973 – VII ZR 12/73, NJW 1973, 1688; BGH v. 19.2.1975 – VIII ZR 144/73, NJW 1975, 824; BGH v. 3.6.1975 – VI ZR 192/73, NJW 1975, 1827 (1829); BGH v. 4.10.1983 – VI ZR 98/82, NJW 1984, 432 (434). 848 

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deshalb keinen Schaden erlitten hätte. Diese Kausalität zu beweisen, obliegt im Grunde dem Geschädigten, allerdings wird ihm das häufig nicht gelingen, denn der Beweis eines hypothetischen Alternativverhaltens lässt sich schwer führen. Nicht selten bestehen mehrere Handlungsalternativen und oftmals kann nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass sich der Geschädigte selbst bei ordnungsgemäßer Aufklärung dennoch in gleicher Weise verhalten hätte. In diesem Fall ist die unterlassene Aufklärung nicht kausal für den eingetretenen Schaden. Gerade in der hier zu beurteilenden „Seitensprung“-Konstellation ist durchaus denkbar, dass sich der betroffene Scheinvater auch bei Aufklärung über die Möglichkeit einer anderweitigen Abstammung des Kindes dafür entschieden hätte, für das ehelich geborene Kind Verantwortung zu übernehmen und Unterhalt zu zahlen. Diese Entscheidung ist von zahlreichen subjektiven und emotionalen Umständen abhängig, die sich einer objektiv-rationalen Beweisführung durch den aufklärungsberechtigten Geschädigten schlicht entziehen. Dadurch droht der Schutzzweck der Aufklärungspflicht leer zu laufen. Aufgrund dieser Beweisschwierigkeiten stellt sich die Frage, ob in Fällen der Aufklärungspflichtverletzung nicht ausnahmsweise eine Beweislastumkehr eingreift. In seiner grundlegenden Entscheidung vom 5.7.1973 hat der 7. Senat des BGH erstmals die Vermutung „aufklärungsrichtigen Verhaltens“ anerkannt und im Leitsatz entschieden: „Wer eine vertragliche Aufklärungs- oder Beratungspflicht verletzt, den trifft die Beweislast dafür, daß der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre, weil sich der Geschädigte über jeden Rat oder Hinweis hinweggesetzt hätte.“850 Dabei stellt der BGH die Unterschiede zwischen einem bloßen Anscheinsbeweis und einer echten Beweislastumkehr heraus und entscheidet sich unter Darstellung der relevanten Wertungsgesichtspunkte überzeugend für letztere: „Dem Ersatzberechtigten wäre wenig damit gedient, wenn er seinen Vertragspartner zwar an sich aus schuldhafter Verletzung einer solchen Hinweispflicht in Anspruch nehmen könnte, aber regelmäßig daran scheitern würde, daß er den meist schwer zu führenden Beweis nicht erbringen könnte, wie er auf den Hinweis reagiert hätte, wenn er gegeben worden wäre. Der Aufklärungspflichtige dagegen hätte nicht viel zu befürchten, wenn er bei der Verletzung seiner Hinweispflicht sich darauf zurückziehen dürfte, daß kaum zu beweisen sei, was der andere Teil auf den Hinweis hin getan hätte. Damit würde der mit der Aufklärungspflicht verfolgte Schutzzweck verfehlt.“851

Allerdings war die weitere Entwicklung der Rechtsprechung des BGH zur Kausalitätsfrage einer Aufklärungspflichtverletzung uneinheitlich und wenig stringent, denn zwischen den Senaten ist streitig, ob es sich dabei um einen An850  BGH v. 5.7.1973 – VII ZR 12/73, NJW 1973, 1688. Vgl. Canaris, FS Hadding, 2004, S.  3 : „Selten läßt sich die Geburtsstunde einer dogmatischen Figur so genau bestimmen wie hinsichtlich der Vermutung „aufklärungsrichtigen Verhaltens.“ 851  BGH v. 5.7.1973 – VII ZR 12/73, NJW 1973, 1688 (1689).

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wendungsfall des auf einem Wahrscheinlichkeitsurteil basierenden Anscheinsbeweises852 oder um eine Umkehr der Beweislast handelt.853 Claus Wilhelm Canaris854 hat überzeugend herausgearbeitet, dass die mit einer echten Beweislastumkehr verbundene Vermutung „aufklärungsrichtigen Verhaltens“ letztlich nur in der Konstellation relevant und gerechtfertigt ist, in der für den Betroffenen ein ernsthafter Entscheidungskonflikt durch die Aufklärung entstanden wäre, es also mehrere ernsthaft in Betracht kommende Handlungsalternativen für den Betroffenen gab, zwischen denen er sich hätte entscheiden müssen. Gerade „weil es hier etwas zu überlegen und zu entscheiden gibt, ist Aufklärung von besonderer Wichtigkeit, um die Entscheidungsfreiheit des anderen Teils zu respektieren.“855 In einer solchen Situation einer echten Handlungsalternative befindet sich auch der Scheinvater, der in Bezug auf die Kausalität der Aufklärungspflichtverletzung seiner Ehefrau auf eine Beweislastumkehr angewiesen ist. Aufgrund der Vermutung „aufklärungsrichtigen Verhaltens“ ist deshalb davon auszugehen, dass der Scheinvater anders reagiert und insbesondere keine finanziellen Aufwendungen zugunsten des Kindes getätigt hätte, wenn er von Anfang an gewusst hätte, dass das Kind möglicherweise nicht von ihm abstammt. Das Gegenteil, also dass der Schaden auch bei ordnungsgemäßer Aufklärung eingetreten wäre, muss in der Konsequenz die Mutter darlegen und beweisen. (d) Umfang des Schadensersatzanspruchs Unterstellt man an dieser Stelle ein Verschulden der Ehefrau, so ist der Scheinvater nach §§  249 ff. BGB so zu stellen, wie er stünde, wenn das zum Schadensersatz verpflichtende Ereignis nicht eingetreten, er also ordnungsgemäß und rechtzeitig aufgeklärt worden wäre (Naturalrestitution). In diesem Fall hätte er auf der Basis der Vermutung „aufklärungsrichtigen Verhaltens“ insbesondere keinen Kindesunterhalt gezahlt; aber auch andere auf das Kind bezogene Aufwendungen, die er aufgrund der irrigen Vorstellung vorgenommen hat, dass das Kind von ihm abstammt, kann er von der Ehefrau ersetzt verlangen. Derartige Vermögensschäden sollen durch die Aufklärungspflicht gerade vermieden wer852  So BGH v. 2.12.1980 – VI ZR 175/78, NJW 1981, 630 (632); BGH v. 28.3.1989 – VI ZR 157/88, NJW 1989, 2320 (2321), mit der Begründung: „Weder schuldeten die Bekl. der Kl. einen konkreten Rat (…), noch gab es für sie nur eine bestimmte Möglichkeit, sich aufgrund der ihr von den Bekl. geschuldeten Information ‚aufklärungsrichtig‘ zu verhalten“; BGH v. 30.9.1993 – IX ZR 73/93, NJW 1993, 3259. 853  So BGH v. 5.7.1973 – VII ZR 12/73, NJW 1973, 1688 (1689); BGH v. 19.2.1975 – VIII ZR 144/73, NJW 1975, 824 (825); BGH v. 22.11.1983 – VI ZR 85/82, NJW 1984, 658 (659 f.); BGH v. 8.7.2010 – III ZR 249/09, NJW 2010, 3292 (3294 Rn.  20); BGH v. 14.4.2011 – III ZR 27/10, NJW-RR 2011, 1139; BGH v. 8.5.2012 − XI ZR 262/10, NJW 2012, 2427 (2429 Rn.  28) m. zahlr. Nachw.; vgl. auch BVerfG v. 8.12.2011 – 1 BvR 2514/11, NJW 2012, 443. 854  Canaris, FS Hadding (2004), S.  3 (18 ff.). 855  Canaris, FS Hadding (2004), S.  3 (23).

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den und sind daher vom Schutzzweck des §  241 Abs.  2 BGB umfasst. Stellt man entgegen der Rechtsprechung nicht auf eine Auskunfts-, sondern eine Aufklärungspflicht ab, so beschränkt sich der Schadensersatzanspruch dem Umfang nach nicht darauf, in welcher Höhe der Scheinvater gemäß §  1607 Abs.  3 BGB beim biologischen Vater Regress nehmen könnte; denn durch die zeitlich viel früher relevant werdende Aufklärungspflichtverletzung wird nicht nur der Regress vereitelt, sondern der Scheinvater überhaupt erst zur Unterhaltszahlung entsprechend seiner eigenen Leistungsfähigkeit veranlasst. Nimmt er die Mutter auf Schadensersatz in voller Höhe seines Schadens in Anspruch, kann diese gemäß §  255 BGB (analog) verlangen, dass ihr Zug-um-Zug der Regressanspruch gegen den leiblichen Vater aus §  1607 Abs.  3 BGB vom Scheinvater als Anspruchsinhaber abgetreten wird. Dadurch kann sie sich in Höhe der Leistungsfähigkeit des biologischen Vaters bei diesem schadlos halten, ohne gegenüber dem Scheinvater offenlegen zu müssen, wer der biologische Vater ist. Auch wenn es daher zunächst nicht als „geringeres Übel“, sondern nur als „anderes Übel“ für die Mutter erscheint, wenn sie nach hier vertretener Ansicht statt zur Auskunftserteilung zum Schadensersatz wegen Verletzung der Aufklärungspflicht verpflichtet wird, so zeigt diese Lösung doch, dass die Mutter auch ­finanziell nicht schlechter steht als im Falle einer Auskunftspflicht, weil sie – erkennt man mit der hier vertretenen Ansicht schon de lege lata eine Auf­ klärungspflicht an – auch bei erteilter Auskunft im Hinblick auf die Differenz zwischen dem vom Scheinvater gezahlten und dem vom biologischen Vater geschuldeten Betrag sowie einem etwaigen Ausfallbetrag im Falle der Insolvenz des letzteren haftungsrechtlich einzustehen hat. Auch unter diesem Gesichtspunkt erweist sich die hier vertretene Lösung mithin als milderes Mittel im Vergleich zu einer gesetzlichen Auskunftspflicht der Mutter. Dass der Mann, während er das Kind als sein eigenes angesehen hat, viele glückliche Stunden mit seiner Familie verbracht hat, ist genauso wenig ein Grund für eine Anspruchskürzung oder gar einen Anspruchsausschluss wie die emotionale Enttäuschung nach Aufklärung des Sachverhalts anspruchserhöhend berücksichtigt werden kann. (e) Verjährung Es stellt sich nur noch die Frage, wann derartige Schadensersatzansprüche wegen Aufklärungspflichtverletzung verjähren. Da die regelmäßige Verjährung von drei Jahren (§  195 BGB) nach §  199 Abs.  1 BGB erst mit Schluss des Jahres beginnt, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, hätte der betrogene Scheinvater ab Kenntniserlangung noch weitere drei Jahre, bis er den gesamten ihm in der Vergangenheit durch Unterhaltszahlungen oder sonstige Aufwen-

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dungen entstandenen Schaden geltend machen kann. Allerdings sieht §  199 Abs.  3 BGB Verjährungshöchstgrenzen für „sonstige Schadensersatzansprüche“ vor, die nicht auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit im Sinne von §  199 Abs.  2 BGB beruhen. Danach verjähren solche Schadensersatzansprüche ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an, d. h. erst mit Eintritt des Schadens, spätestens jedoch und unabhängig von der Kenntnis oder Entstehung des Anspruchs 30 Jahre nach Begehung der Pflichtverletzung. Da in den Fällen des Seitensprungs dem Scheinvater mit jeder Zahlung für das Kind ein Schaden entsteht, kann er letztlich nur für die Schäden Ersatz verlangen, die in den letzten zehn Jahren vor Kenntniserlangung von der ander­ weitigen Abstammung des Kindes entstanden sind (§  199 Abs.  3 S.  1 Nr.  1 BGB). Stellt man mit der hier vertretenen Ansicht auf die Verletzung einer Aufklärungspflicht durch die Frau ab, so führt §  199 Abs.  3 S.  1 Nr.  2 BGB nicht dazu, dass 30 Jahre nach dem Seitensprung alle Ansprüche des Mannes verjährt sind, falls sich der Sachverhalt erst noch später aufklärt: Denn maßgeblich ist nicht die „Treuepflichtverletzung“, sondern die jeden Tag aufs Neue bestehende (und daher als solche unverjährbare) Aufklärungspflichtverletzung, die lediglich seit ihrer ersten Verletzung beim Aufklärungsberechtigten Schäden verursacht hat. Durch die kenntnisunabhängige Verjährungsfrist von zehn Jahren ab Entstehung der Ansprüche wird verhindert, dass die Frau mit einer übermäßigen Schadensersatzforderung für Schäden konfrontiert wird, die sich durch die Unterhaltszahlungen und Aufwendungen des Scheinvaters für das Kind über vielleicht mehrere Jahrzehnte angesammelt haben; außerdem sorgt diese Frist in Bezug auf lange in der Vergangenheit entstandene Ansprüche ungeachtet der Beweislage für Rechtsfrieden. Diese verjährungsrechtliche Anspruchsbegrenzung erscheint auch in den hier interessierenden Fällen angemessen, da sie dem Scheinvater für einen durchaus beträchtlichen zurückliegenden Zeitraum den Regress ermöglicht, aber dennoch die Haftung der Frau nicht unbegrenzt zulässt. (5) Schlussfolgerung Knüpft man die Schadensersatzpflicht mit der hier vertretenen Ansicht nicht an eine „Ehestörung“, die richtigerweise dem rechtsfreien Bereich zuzurechnen ist, sondern an die Verletzung der allgemein schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflicht in Form der Aufklärungspflicht, so lässt sich aufgrund der Relativität des rechtsfreien Raums ohne dogmatische Schwierigkeiten eine Haftung zwischen Ehegatten begründen. Da nicht auf ein ehespezifisches Verhalten abgestellt wird, steht die (zweifelhafte) Rechtsprechung des BGH, wonach „das Ehe- und Familienrecht bezogen auf die hier gegenständliche Ehestörung in

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Form eines Ehebruchs grundsätzlich allgemeine Schadensersatzansprüche“ verdrängen soll, 856 nicht entgegen. Begrenzt wird die Haftung durch die kenntnisunabhängige absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren nach §  199 Abs.  3 S.  1 Nr.  1 BGB. Erfährt der Scheinvater erst später von dem Seitensprung, kann er alle Schäden, die vor mehr als zehn Jahren entstanden sind, nicht mehr von der Frau erstattet verlangen, sofern sich diese auf ihr Leistungsverweigerungsrecht gemäß §  214 Abs.  1 BGB beruft. Natürlich kann man sich fragen, ob eine solche Haftung der Ehefrau überhaupt gewollt ist? De lege lata ist sie jedenfalls im Gesetz vorgesehen und nach hier vertretener Ansicht – auch aus präventiven Gesichtspunkten – gerechtfertigt, da sie die Interessen des „geprellten“ Mannes nicht – wie nach bisheriger Rechtsprechung – gänzlich außer Acht lässt und Anreize für die Frau schafft, den Mann unverzüglich über seine Interessen betreffende Umstände zu informieren. Natürlich ist es für eine Frau unangenehm, wenn sie ihren Fehltritt offenbaren muss und damit möglicherweise eine bis dato „glückliche“ Ehe ins Unglück stürzen muss, aber das wusste sie vor dem Seitensprung, mit dem sie ihre Ehe bereits „aufs Spiel gesetzt“ hat. Nicht rechtens erscheint es jedenfalls, allein den Mann die Nachteile des Seitensprungs seiner Frau tragen zu lassen, indem er – mit der bisherigen Rechtsprechung und Literatur – neben den (nicht ausgleichbaren) emotionalen Belastungen auch noch auf den finanziellen Folgen „sitzen bleibt“. Unsere Rechtsordnung sieht hier ganz zu Recht für die dem Mann infolge bzw. während der Zeit der Nichtaufklärung entstehenden Schäden Ersatzansprüche gegen die Frau vor, die nur in der Rechtsprechung und Literatur bisher nicht gesehen wurden. e) Ansteckende Krankheiten Eine Aufklärungspflicht ist schließlich dann anzunehmen, wenn ein Ehegatte an einer ansteckenden, durch Geschlechtsverkehr übertragbaren Krankheit leidet und er davon Kenntnis hat. In diesen Fälle besteht ein klassisches Wissensgefälle in Bezug auf Umstände, die für den Aufklärungsbedürftigen von wesentlicher Bedeutung sind und deren Offenlegung dem Aufklärungspflichtigen angesichts des Risikos für den Aufklärungsbedürftigen auch zumutbar ist. Unterlässt der Verpflichtete eine Aufklärung bewusst oder fahrlässig und überträgt er in der Folge die Krankheit auf den anderen Ehegatten, so haftet er dem Geschädigten für alle materiellen und immateriellen Schäden (§  253 Abs.  2 BGB) nicht nur wegen (gefährlicher) Körperverletzung gemäß §  823 Abs.  2 BGB i. V. m. §§  223, 224 Abs.  1 Nr.  5 StGB und/oder §  823 Abs.  1 BGB, sondern auch wegen Verletzung seiner Rücksichtnahmepflicht gemäß §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB. 856 

BGH v. 20.2.2013 – XII ZB 412/11, NJW 2013, 2108 (2110 Rn.  23).

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Nicht ganz so einfach begründen lässt sich eine Aufklärungspflicht in Fällen, in denen ein Ehegatte an einer vererblichen Krankheit leidet, die sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % auf etwaige Kinder übertragen kann. Dafür, auch in diesen Konstellationen eine Aufklärungspflicht zu bejahen, spricht, dass es im erkennbaren Interesse des anderen Ehegatten liegt, sich selbständig über die Risiken und die Folgen einer möglichen Erkrankung eines Kindes beraten lassen und gestützt darauf eine informierte Entscheidung darüber treffen zu können, ob er vor diesem Hintergrund ein Kind in die Welt setzen will. Letztlich kann die Frage, ob es sich dabei um eine echte Rechtspflicht (oder nur um eine moralische Pflicht) handelt, hier jedoch dahinstehen, da eine solche Pflicht vom Schutzzweck her den aufzuklärenden Ehegatten jedenfalls nicht vor etwaigen finanziellen Schäden (z. B. durch die Behandlungskosten des erkrankten Kindes) 857 bewahren will, sondern diesem „nur“ eine informierte Entscheidung ermöglichen soll. f) Fazit Echte Rechtspflichten zwischen Ehegatten sind nach den vorstehenden Ausführungen in erster Linie im Ehevermögensrecht anzuerkennen, die im Falle ihrer Verletzung zur Haftung des pflichtwidrig handelnden Ehegatten für Vermögensschäden führen können. Entscheidend ist, dass das Verhalten des schädigenden Ehegatten nicht allein dessen höchstpersönlichem Lebensbereich zuzuordnen ist, sondern einen relevanten Sozialbezug aufweist und dadurch schüt­zenswerte Interessen des anderen Ehegatten beeinträchtigt. Allerdings lassen sich die Rechtspflichten zwischen Ehegatten nicht aus §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB ableiten, da diese Norm lediglich das Rechtsverhältnis zwischen den ­Ehegatten tatbestandlich beschreibt. Vielmehr ergeben sich diese entweder aus fami­ lienrechtlichen Spezialregelungen oder den allgemein schuldrechtlichen Vorschriften. Neben den ehespezifischen Leistungspflichten (Unterhalt, Zugewinnund Versorgungsausgleich, Ehewohnung und Haushaltsgegenstände) sowie den speziellen und allgemeinen Auskunftspflichten sind die Ehegatten einander im vermögensrechtlichen Bereich insbesondere zur Rücksichtnahme gemäß §  241 Abs.  2 BGB verpflichtet. Besondere Relevanz erlangen hier – wie gezeigt – die 857  Das Kind als solches kann keinesfalls als ersatzfähiger Schaden angesehen werden, da die Würde des Menschen (Art.  1 GG) es verbieten, die Existenz des Kindes als Schadensposten einzuordnen; dies hat das BVerfG v. 28.5.1993 – 2 BvF 2/90 u. a., NJW 1993, 1751 (1764), in einem obiter dictum klargestellt; ebenso BGH v. 28.3.1995 – VI ZR 356/93, NJW 1995, 1609, der jedoch zu Recht in st. Rspr. einen Schadensersatzanspruch der Eltern wegen der Unterhaltslast gegenüber dem Kind bei schuldhaften Behandlungsfehlern des Arztes (z. B. fehlgeschlagenem legalem Schwangerschaftsabbruch) bejaht; vgl. auch BGH v. 19.2.2002 – VI ZR 190/01, NJW 2002, 1489 (1490); BGH v. 15.7.2003 – VI ZR 203/02, NJW 2003, 3411; BGH v. 31.1.2006 – VI ZR 135/04, NJW 2006, 1660 (1661). Zur Diskussion um das „Kind als Schaden“ bzw. „wrongful life“ vgl. nur Picker, Schadensersatz für das unerwünschte eigene Leben, passim.; Müller, NJW 2003, 697.

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Aufklärungspflichten, die den Berechtigten in die Lage versetzen sollen, eine sachgerechte und die eigenen (finanziellen) Interessen wahrende Entscheidung zu treffen. Durch Anerkennung einer aus §  241 Abs.  2 BGB ­folgenden Aufklärungspflicht zwischen Ehegatten lassen sich viele Fallkonstellationen, in denen ein Ehegatte Schäden erleidet, sach- und interessengerecht lösen. Inhaltlich muss die Aufklärungspflicht unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Rechtsverhältnisses der Ehe näher konkretisiert werden, das schließt einen Rückgriff auf die allgemein schuldrechtlichen Vorschriften jedoch nicht aus. Die Rücksichtnahmepflicht aus §  241 Abs.  2 BGB muss stets mit Blick auf das jeweilige Rechtsverhältnis näher bestimmt werden; dadurch kann den Eigenarten der Ehe hinreichend Rechnung getragen werden. Über den Schutzzweck der Norm bzw. der jeweils in Rede stehenden Rücksichtnahmepflicht wird außerdem sichergestellt, dass deren Verletzung nur dann eine Haftung nach sich zieht, wenn die verletzte Pflicht zumindest auch dem Schutz des jeweils anderen vor finanziellen Schäden dient. Verletzt ein Ehegatte seine, die finanziellen Interessen des anderen schützende Rücksichtnahmepflicht schuldhaft, haftet er für alle dadurch verursachten Schäden mit seinem gesamten Vermögen. 4. Rechtspflichten kraft Parteivereinbarung? a) Ausgangslage Folgt man der hier vertretenen Ansicht, dass es im höchstpersönlichen Bereich keine gesetzlichen Rechtspflichten zwischen Ehegatten gibt, so ist damit noch nicht geklärt, ob die Ehegatten in diesem Bereich nicht durch Rechtsgeschäft echte Rechtspflichten begründen können. Für die Haushaltsführung bzw. die Aufgabenverteilung in der Ehe ergibt sich aus §  1356 Abs.  1 S.  1 BGB, dass sie im gegenseitigen Einvernehmen geregelt werden. Dieses Prinzip gilt darüber hinaus in allen Bereichen des Eherechts, die der autonomen Gestaltung der Ehegatten unterliegen. Die dogmatische Einordnung bzw. Rechtsnatur des Einvernehmens ist jedoch insbesondere im Hinblick auf seine Bindungswirkung streitig.858 Aus dem Wortlaut lässt sich für oder gegen eine vertraglich bindende oder unverbindliche Rechtsnatur des Einvernehmens nichts herleiten, 859 denn das in §  1356 Abs.  1 S.  2 BGB gewählte Wort „überlassen“ soll lediglich zum Ausdruck bringen, dass es keiner förmlichen Einigung der Ehegatten bedarf, sondern auch die tatsächliche Handhabung ausreicht.860 Selbst die Formularhandbücher zum Familienrecht bezweifeln, dass eine im Grundsatz mögliche Vereinbarung zwischen Ehegatten in diesem Bereich in rechtsverbindlicher Form getroffen 858 Siehe zum Streitstand ausführlich auch Hepting, Ehevereinbarungen, S.  67 ff.; Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  61 ff. 859 Soergel/M. Lipp, §  1356 Rn.  11. 860  BT-Drucks. 7/650, S.  98.

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werden kann: Es sei „eine Frage des Einzelfalls und oft auch der Psychologie“, ob über Bereiche der ehelichen Lebensgemeinschaft, der Lebensplanung und der Rollenverteilung überhaupt ausdrückliche Regelungen vorgenommen werden sollen; die „Durchsetzung einmal getroffener Vereinbarungen gegen den hartnäckig geänderten Willen des anderen Ehepartners wird im Regelfall nicht in Betracht kommen, so dass jede Regelung jeweils nur den Status quo und aktuellen Stand der Übereinstimmung wiedergibt.“861 Diese pragmatische Sicht ist aus rechtswissenschaftlicher Perspektive jedoch unbefriedigend, zumal sie keine Richtlinien dafür nennt, anhand welcher Maßstäbe oder Kriterien im Einzelfall ermittelt werden kann, ob eine Ehevereinbarung – als Ausnahme zum Regelfall – nun rechtlich verbindlich ist oder nicht. b) Meinungsstand zur Rechtsnatur des ehelichen Einvernehmens im Hinblick auf die Begründung rechtlicher Pflichten (1) Rechtsgeschäftliche Natur Angesichts der großen Bedeutung, die die einvernehmliche Regelung der Aufgabenverteilung für die zukünftige Lebensgestaltung der Ehegatten sowohl in wirtschaftlicher als auch persönlicher Hinsicht hat, wird vielfach ein rechts­ geschäftlicher862 bzw. zumindest rechtsgeschäftsähnlicher863 Charakter befürwortet.864 Eine Loslösung von dem Einvernehmen ist nach diesem Ansatz nur möglich, wenn ein Anfechtungsgrund im Sinne der §§  119 ff. BGB vorliegt, oder die Voraussetzungen für einen Wegfall der Geschäftsgrundlage nach §  313 BGB gegeben sind. 865 Andere betonen die „gestaltende“ Wirkung von Ehevereinbarungen. Lüke vertritt etwa die Ansicht, dass das Einvernehmen gleichsam Verfügungscharakter habe, weil es unmittelbar zur Festlegung des Inhalts der ehelichen Lebensgemeinschaft beitrage.866 Da diese Wirkungen gewollt seien, haben die Erklä861 Bergschneider/Kössinger,

Formularbuch Familienrecht, D.I.1. Anm.  1. Diederichsen, NJW 1977, 217 (219); Erman/Gamillscheg, 12.  Aufl. 2008, §  1356 Rn.  4 f.; Haas, FamRZ 2002, 205 (208); Holzhauer, JZ 1977, 729 („konkludentes Rechtsgeschäft“); Kurr, FamRZ 1978, 2 (3 f.); Reinhart, JZ 1983, 184 (186 ff., mit Ausnahme des Kernbereichs der ehelichen Lebensgemeinschaft); Kirchhoff, Ehegestaltungsvereinbarungen, S.  6 ff., 26 ff.; ­Lehmann, Ehevereinbarungen im 19. und 20. Jahrhundert, S.  161 ff. 863 NK-BGB/Wellenhofer, §  1356 Rn.  4 : „Rechtsgeschäftsähnliche Vereinbarung, die zumindest einen Vertrauenstatbestand begründen kann.“ 864 Dagegen Palandt/Brudermüller, §  1356 Rn.  2 ; Pawlowski, Die „bürgerliche Ehe“ als Organisation, S.  39 f.; Schwab, Familienrecht, Rn.  121; Streck, Generalklausel, S.  100. 865  So noch Erman/Gamillscheg, 12.  Aufl. 2008, §  1356 Rn.  6 : „Dabei sind die Fragen der rechtlichen Verbindlichkeit getroffener Regelungen sowie deren Anpassungsmechanismen unter der clausular rebus sic stantibus (§  313) nicht durch eine unbesehene Übertragung der allgemeinen Grundsätze der Rechtsgeschäftslehre und des Rechts der Willenserklärungen zu erreichen“. 866  Lüke, AcP 178 (1978), 1 (13). 862 

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rungen der Ehegatten rechtsgeschäftliche Qualität, so dass grundsätzlich die Vorschriften über Willenserklärungen anwendbar seien.867 Seines Erachtens sind die Ehegatten daher im Grundsatz an das Einvernehmen gebunden; eine Lossagung ist nur bei veränderten Verhältnissen möglich, die auch in der Person des einen oder anderen Ehegatten liegen könnten. 868 In diesem Fall bestehe für beide Ehegatten die (nicht einklagbare) Rechtspflicht, ein neues Einvernehmen zu suchen, das den veränderten Verhältnissen gerecht wird.869 Gegen die Annahme einer Verfügung spricht freilich, dass eine solche eine unmittelbare Rechtsänderung im Sinne einer Rechtsübertragung, -aufhebung, Inhaltsänderung oder Belastung bewirkt, wohingegen die einvernehmliche „Festlegung des Inhalts der ehelichen Lebensgemeinschaft“ nicht auf ein „Recht“ einwirkt, sondern der zukunftsgerichteten Ausgestaltung der Lebensgemeinschaft dient.870 Vereinzelt wird das Einvernehmen auch als „Ordnung“ verstanden, die zwar auf Willenserklärungen der Ehegatten beruht, aber keine Verträge sein sollen und auch keine Schuldverhältnisse begründen. 871 Für die Frage der Bindung wird daraus gefolgert, dass das Einvernehmen durch einseitigen Akt mit Wirkung für die Zukunft nur beseitigt werden könne, wenn ein wichtiger Grund gegeben sei. Andere lehnen die vertragliche Natur des Einvernehmens ab und begreifen dieses als „eine durch parallele Willenserklärungen zu treffende gemeinschaftliche Entscheidung über die konkrete Gestaltung des ehelichen Lebens“,872 die einem Beschluss durch gleichgerichtete Erklärungen näher stehe als einem Vertrag und einen Vertrauenstatbestand begründe.873 Obwohl diese Ansicht einen gegenseitig bindenden Vertrag negiert, soll sich kein Ehegatte willkürlich von der Vereinbarung lösen können, sondern nur im Falle geänderter Umstände eine Änderung der gleichgerichteten Erklärungen verlangen dürfen; 874 eine einseitige Lossagung sei nur bei wichtigem Grund möglich, ansonsten mache sich der Ehegatte schadensersatzpflichtig. 875 867 

Lüke, AcP 178 (1978), 1 (13). Lüke, AcP 178 (1978), 1 (13). 869  Lüke, AcP 178 (1978), 1 (13): „Entscheidend ist, daß es sich bei §  1356 I BGB um für die eheliche Lebensgemeinschaft wesentliche Fragen handelt, so daß die Ehegatten sich freiwillig einigen müssen und im Falle des endgültigen Mißlingens die Ehe als gescheitert anzusehen ist.“ 870  Ebenso kritisch gegenüber der Annahme einer Verfügung Hepting, Ehevereinbarungen, S.  352 f.; Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  76 f. 871  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  19 ff.; Gernhuber, FamRZ 1979, 193 ff. Zu Recht kritisch Hepting, Ehevereinbarungen, S.  121 f., 353; Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  66 ff. 872  Dölle, Familienrecht I, S.   404; in diese Richtung auch NK-BGB/Wellenhofer, §  1356 Rn.  4. Ablehnend Hepting, Ehevereinbarungen, S.  68 f.; Kirchhoff, Ehegestaltungsvereinbarungen, S.  23 ff.; Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  81 f. 873 MüKoBGB/Wacke, 4.  Aufl. 2000, §  1356 Rn.  7. 874  Dölle, Familienrecht I, S.  404; MüKoBGB/Wacke, 4.  Aufl. 2000, §  1356 Rn.  8 . 875 MüKoBGB/Wacke, 4.  Aufl. 2000, §  1356 Rn.  8 . 868 

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(2) Vertrauenstatbestand Von zahlreichen Stimmen in der Literatur wird der Vertrauensgedanke als Anknüpfungspunkt für eine rechtliche Wertung des ehelichen Einvernehmens ins Feld geführt.876 Regelmäßig wird betont, dass nicht davon ausgegangen werden könne, dass sich die Ehegatten gegenseitig auch für die Zukunft rechtlich dazu verpflichten wollten, die einmal gewählte familiäre Aufgabenverteilung beizubehalten. Vielmehr müsse auf geänderte Vorstellungen und Wünsche, nicht nur bei sich ändernden Umständen, Rücksicht genommen und gegebenenfalls ein faires neues Einvernehmen angestrebt werden. 877 Auch eine einseitige Los­ sagung von dem Einvernehmen müsse jederzeit möglich sein, solange sie dem anderen Ehegatten mitgeteilt werde. An einen Änderungswunsch dürften dabei keine hohen Anforderungen gestellt werden, weil es eine dauerhafte Selbst­ bindung im persönlichen Bereich zu vermeiden gelte.878 Eine Pflicht zur Zustimmung zu einer gewünschten Änderung soll sich jedenfalls bei wesentlicher Änderung der tatsächlichen Umstände aus §  1353 Abs.  1 BGB ergeben. 879 Teilweise wird die durch den Vertrauenstatbestand geschaffene Verbindlichkeit des Einvernehmens – ungeachtet der fehlenden Vollstreckungsmöglichkeit (§  120 Abs.  3 FamFG) – darin gesehen, dass sich derjenige Ehegatte, der sich ohne wichtigen Grund einseitig von der Vereinbarung löst, schadensersatzpflichtig macht,880 teilweise wird aber auch angenommen, dass lediglich eine Berücksichtigung im Rahmen der Scheidungsfolgen möglich sei, wenn die einseitige Lossagung zur Unzeit erfolgte.881 (3) Ablehnung einer rechtlichen Verbindlichkeit Wieder andere verneinen jegliche rechtliche Verbindlichkeit des Einvernehmens, weil es an dem für ein Rechtsgeschäft erforderlichen Rechtsbindungswillen für die Zukunft fehle.882 Nicht zu Unrecht wird von dieser Ansicht argu876 Palandt/Brudermüller, §  1356 Rn.  2 ; Dethloff, Familienrecht, §  4 Rn.  31; BeckOK-BGB/­ Hahn, §  1356 Rn.  4; Erman/Kroll-Ludwigs, §  1356 Rn.  4; MüKoBGB/Roth, §  1356 Rn.  7; Staudinger/Voppel, §  1356 Rn.  10. 877 Palandt/Brudermüller, §   1356 Rn.  2; NK-BGB/Wellenhofer, §  1356 Rn.  4; vgl. auch Schwab, DNotZ-Sonderheft 2001, 9 (21). 878  Dethloff, Familienrecht, §  4 Rn.  32 (Erst-Recht-Schluss aus §  1413 BGB; Evaluierung eines „wichtigen Grundes“ sei nicht justiziabel); MüKoBGB/Roth, §  1356 Rn.  8; Erman/ Kroll-Ludwigs, §  1356 Rn.  5. A. A. BeckOK-BGB/Hahn, §  1356 Rn.  6 (nur aus besonderen Gründen). 879 Erman/Kroll-Ludwigs, §  1356 Rn.  5 ; so auch – ohne Nennung einer Anspruchsgrundlage – MüKoBGB/Roth, §  1356 Rn.  8. 880 NK-BGB/Wellenhofer, §  1356 Rn.  4 ; so auch schon Diederichsen, NJW 1977, 217 (219); Erman/Gamillscheg, 12.  Aufl. 2008, §  1356 Rn.  5; MüKoBGB/Wacke, 4.  Aufl. 2000, §  1353 Rn.  9. 881  Dethloff, Familienrecht, §  4 Rn.  32. 882 So Soergel/M. Lipp, §  1356 Rn.  12; Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.   65  ff., 99  f.; ­Pawlowski, Die „bürgerliche Ehe“ als Organisation, S.  39 f.; Streck, Generalklausel, S.  100;

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mentiert, dass das Zugeständnis eines einseitigen Lösungsrechts bzw. eines jederzeitigen „ius variandi“883 die rechtsgeschäftliche Verbindlichkeit selbst in Frage stellt. 884 Während Fenn das Einvernehmen als lediglich faktisch übereinstimmendes Verhalten deutet,885 folgert Lipp aus seinem allgemeinen Befund, dass das Ehepersonenrecht generell obligationsfeindlich sei, dass es sich auch einer rechtsverbindlichen Gestaltbarkeit durch die Ehegatten entziehe. 886 Auch durch eheliche Vereinbarungen könne keine obligatorische Wirkung erreicht werden, da der Inhalt ehelicher Regelungen seines Erachtens allein von einer „ehelichen Gesinnung“ getragen werde, die weder Gegenstand einer gesetzlichen noch einer rechtsgeschäftlichen Verpflichtung sein könne.887 Gegenseitiges Einvernehmen sei stets situationsbezogen und schon ein bloß einseitiges Änderungsverlangen beachtlich, denn wenn es nicht mehr von innerer Überzeugung getragen werde, habe es sich erledigt.888 Das bedeute jedoch nicht, dass das gegenseitige Einvernehmen der Ehegatten rechtsfolgenlos sei; vielmehr handele es sich um rechtsrelevantes tatsächliches Verhalten, an das der Gesetzgeber Rechtsfolgen knüpfe.889 Aus der Generalklausel des §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB folge, so Lipp, die Rechtspflicht, dass jeder Ehegatte die eigenen Entscheidungen in ehelicher Verantwortung zu treffen habe. Bei einem (stets möglichen) Abweichen von dem einvernehmlich geschaffenen Lebensplan erwachse aus der besonderen „Dichte“ ehelicher Verantwortung die Verpflichtung zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Ehegatten.890 Mit dieser Pflicht korrespondiere zwar kein Rechtsanspruch des jeweils anderen, aber es handele sich um eine negatorisch, deliktisch strukturierte Verhaltenspflicht. Diese negatorisch-deliktische Verantwortung sei die rechtliche Relevanz auch des ‚gegenseitigen Einvernehmens‘.891 Es schaffe „für den einzelnen Ehegatten einen statusrechtlich geschützten, inhaltlich konkretisierten Persönlichkeits- und Lebensraum“, an den deliktischer Rechtsschutz in Form von durchsetzbaren Schadensersatz­ Henrich, Familienrecht, 5.  Aufl. 1995, §  6 III 2, S.  54 f. (der jedoch einräumt, dass allenfalls davon gesprochen werden könne, dass ein eheliches Einvernehmen einen Vertrauenstatbestand schaffe); Henrich, FS Müller-Freienfels (1986), S.  289 (303); Fenn, Ehevereinbarungen, in: Bosch, Neuere Entwicklungen im Familienrecht, 1990, S.  37 (44); wohl auch Schwab, Familienrecht, Rn.  121. 883 Vgl. Bosch, FamRZ 1977, 569 (571). 884 Richtig Henrich, Familienrecht, 5.  Aufl. 1995, §  6 III 2, S.  55; Soergel/M. Lipp, §  1356 Rn.  12. 885  Fenn, Ehevereinbarungen, in: Bosch, Neuere Entwicklungen im Familienrecht, 1990, S.  37 (41 ff.). 886  Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  94 ff. 887  So Soergel/M. Lipp, §  1356 Rn.  12. 888 Soergel/M. Lipp, §  1356 Rn.  14; so auch Schwab, Familienrecht, Rn.  121. 889  Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  94 ff.; Soergel/M. Lipp, §  1356 Rn.  15. 890  Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  99. 891  Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  98.

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ansprüchen sowie Beseitigungs- und Unterlassungsansprüchen anknüpfe.892 Dass diese Ansicht nicht überzeugen kann, wurde bereits oben dargelegt.893 Darüber hinaus sieht Lipp im gegenseitigen Einvernehmen einen Rechtsgrund für das Behaltendürfen ehebezogener Zuwendungen, nicht im Sinne einer rechtsgeschäftlichen oder obligatorischen Abrede, sondern als „bloßer, nicht erzwingbarer Behaltensgrund einer Leistung“ entsprechend der Rechtsgrundabrede gemäß §  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  2 BGB.894 In eine etwas andere Richtung weist schließlich der Ansatz von Schwab, der betont, dass das eheliche Zusammenleben nicht von dem Prinzip „pacta sunt servanda“, sondern dem Gebot der Rücksichtnahme bestimmt werde.895 In gewissem Widerspruch dazu steht freilich seine Aussage, dass das eheliche Ein­ vernehmen seine Verbindlichkeit über die allgemeinen Pflichten der ehelichen Lebensgemeinschaft erhalte.896 (4) Theorie der normativen Verbindlichkeit nach Hepting Nach Hepting sind Ehevereinbarungen immer dann, aber auch nur dann rechtsgeschäftlich verbindlich, wenn ein „Spruch der Rechtsordnung bestimmt, daß sie verbindlich sein“ sollen.897 Mit diesem Modell der „normativen Verbindlichkeit kraft Spruchs der Rechtsordnung“, das Hepting898 unter Bezugnahme auf die Schriften von Willoweit 899 und Comes 900 entwickelt hat, erübrigt sich das Erfordernis eines Rechtsbindungswillens als Voraussetzung von Rechtsgeschäf­ ten.901 Ausreichend sei, dass als Grundlage der Selbstbestimmung ein bestimmter „Regelungswille“ der Ehegatten vorhanden ist, an den die Rechtsordnung normativ anknüpft und ihm rechtsgeschäftliche Verbindlichkeit verleiht. Die normative Verbindlichkeit lässt sich nach Hepting allerdings nur anhand eines „offenen Katalogs von Wertungsgesichtspunkten“ ermitteln.902 In diesen Katalog will er alle Gesichtspunkte einbringen, „die Rechtsprechung und Literatur zur Abgrenzung von rechtsgeschäftlichen und nicht rechtsgeschäftlichen Abreden entwickelt haben.“ Sowohl die Rechtsprechung zur Abgrenzung von Ver892 Soergel/M.

Lipp, §  1356 Rn.  15. Vgl. Kap.  3 B.VI., S. 105 ff. 894  Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  156 f. 895  Schwab, Familienrecht, Rn.  121; Schwab, DNotZ-Sonderheft 2001, 9 (13: Nicht „Erfüllung des Versprochenen, sondern gegenseitige Rücksichtnahme bei Gestaltung des Ehe­lebens ist das Gebot.“). Darauf hebt auch Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  96 ff., 99, ab. 896  Schwab, Familienrecht, Rn.  121. 897  Hepting, Ehevereinbarungen, S.  315. 898  Hepting, Ehevereinbarungen, S.  256 ff., 262 ff. 899  Willoweit, Abgrenzung und rechtliche Relevanz nicht rechtsgeschäftlicher Vereinbarungen, S.  102: „Die Rechtsordnung entscheidet, ob der konkrete Wille der Parteien den äußeren Tatbestand des Rechtsgeschäfts erfüllt. Diese Wertung obliegt nicht den Parteien.“ 900  Comes, Der rechtsfreie Raum, passim. 901  Hepting, Ehevereinbarungen, S.  256, 314 ff. 902  Hepting, Ehevereinbarungen, S.  316. 893 

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trag und Gefälligkeit903 als auch die Kriterien des Schwellenrechts von Comes 904 lassen sich seines Erachtens hier berücksichtigen. Spezifisch familienrechtliche Kriterien seien das Gegensatzpaar „höchstpersönlich-vermögensrechtlich“ und die Intensität des Betroffenseins. Ein „realer“ Rechtsbindungswille sei zwar ein gewichtiges Indiz, er werde jedoch ergänzt bzw. sein Fehlen unter Umständen kompensiert durch das Vertrauensprinzip.905 Für jede konkrete Eheverein­ barung wähle das Recht aus den möglichen Formen und Intensitätsstufen der Verbindlichkeit die passendste aus: „Rechtsgeschäftliche Bindung und Ver­ trauenshaftung sind dabei nicht klassenlogische Gegensätze, sondern nur unterschiedliche Typen auf einer Typenreihe zwischen den beiden Polen Selbst­ bestimmung und Vertrauen,“ in die jede Vereinbarung vom Richter je nach Sachverhalt individuell einzuordnen sei.906 c) Stellungnahme (1) Rechtsfreier Raum und privatautonome Rechtsetzung Heptings Modell einer „Skala“ unterschiedlicher Verbindlichkeitsstufen entspricht im Wesentlichen dem abgestuften System vom Comes, der zwischen dem rechtsfreien Raum907 und dem zwingenden Recht als jeweiligen Endpunkten des Spektrums an rechtlich tangierten Lebensbereichen eine nicht unerhebliche, der Gestaltungsmacht der Parteien unterliegende „Grauzone“ anerkennt, die er in den dispositiv rechtsfreien Raum einerseits und den Bereich verabredeter Unverbindlichkeit andererseits unterteilt.908 Auch insofern ist eine dog­ matisch fundierte Definition des „dispositiv rechtsfreien Raums“ und des „Bereichs verabredeter Unverbindlichkeit“ jedoch nur anhand grundrechtlicher Wertungen möglich. Im bereits erörterten rechtsfreien Raum, in dem sich die grundrechtlichen Wertungen von Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG auswirken, ist eine rechtliche Bindung durch privatautonome Absprachen ebenso ausgeschlossen wie eine Bindung durch heteronome Rechtsetzung oder Rechtsprechung, denn in diesem höchstpersönlichen Autonomiebereich darf die Entscheidung des Einzelnen nicht durch rechtliche Vorgaben beeinflusst werden. Auch Comes begründet die Sicherung des Bereichs zwingender Rechtsfreiheit gegen privat­ autonome Rechtsetzung mit Art.  1 Abs.  1, 2 Abs.  1 GG i. V. m. §  134 BGB,909 die 903 

Vgl. hierzu nur BGH v. 23.7.2015 – III ZR 346/14, NJW 2015, 2880. Vgl. dazu oben Kap.  3 C.III.2.a)(4)(b)(ii), S. 178 ff. 905  Hepting, Ehevereinbarungen, S.  280 ff., 316. 906  Hepting, Ehevereinbarungen, S.  318. 907  Vgl. zu den allgemeinen Grundsätzen zum rechtsfreien Raum nach der Systematisierung von Comes schon oben Kap.  3 C.III.2.a)(4)(b), S. 175 ff. 908  Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  5 4 ff., 57 ff. 909  Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  127. Ähnlich Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  18 Rn.  1: „Abreden der Ehegatten, die den Bereich der persönlichen Freiheiten ein904 

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die Grenzen der Privatautonomie abstecken.910 Auch in anderen Zusammenhängen ist anerkannt, dass im höchstpersönlichen Bereich die Entscheidungsfreiheit nicht durch privatautonome Verzichtserklärungen eingeschränkt werden kann: So ist etwa ein Verzicht auf das Recht zur Vaterschaftsanfechtung ebenso wenig möglich911 wie ein Verzicht auf die Einreichung eines Scheidungsantrags.912 Nach der Systematisierung von Comes ist der sich an den höchstpersönlichen Raum anschließende Bereich ebenfalls noch Teil des rechtsfreien Raums und deshalb gleichermaßen zwingend von heteronomer Rechtsetzung ausgenommen; allerdings ist er insofern dispositiv, als eine rechtliche Bindung durch privatautonome Vereinbarungen möglich ist, sofern die Parteien im konkreten Fall mit Rechtsbindungswillen handeln.913 Lässt sich „ein Rechtsbindungswille (Rechtsfolgewille) feststellen, so können sich durchaus klagbare und mit Hilfe der Justizorgane durchsetzbare Ansprüche bzw. Pflichten ergeben.“914 Um eine einvernehmliche Regelung der Ehegatten diesem Bereich zuordnen zu können, muss also festgestellt werden, dass eine Regelungsmaterie in Rede steht, in die Gesetzgebung und Rechtsprechung nicht eingreifen dürfen, weil dies der Autonomie der Beteiligten widersprechen würde (Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG), während eine gewollte Selbstbindung in diesem Bereich durchaus mit der Autonomie des sich Verpflichtenden vereinbar ist, da es nicht um höchstpersönliche und damit indisponible Interessen geht. Demgegenüber sind die Bereiche bloß „verabredeter Unverbindlichkeit“ im System von Comes dem rechtlichen Raum zuzurechnen und einer heteronomen Regelung durch Gesetzgebung und Rechtsprechung nicht verschlossen. Allerdings handelt es sich um Bereiche, die – im Unterschied zu den Gebieten zwinschränken, sind nicht gänzlich ausgeschlossen (mit ihnen können neue Standards ihren Anfang nehmen), aber doch vielfach als sittenwidrige Bindung in einem Raum der Freiheit nichtig (§  138).“ 910  So auch Kappler, Kontrolle von Ehevereinbarungen, S.  56. In Bezug auf die Abgrenzung des dispositiven Bereichs zum zwingenden Recht auch Lipp, Eherechtliche Pflichten, S.  13. 911  BGH v. 10.5.1951 – IV ZR 72/50, NJW 1951, 958 (959); BGH v. 3.11.1978 – IV ZR 199/77, NJW 1979, 418 (419); BGH v. 7.4.1983 – IX ZR 24/82, NJW 1983, 2073 (2074); BGH v. 3.5.1995 – XII ZR 29/94, NJW 1995, 2028 (2030); BGH v. 12.7.1995 – XII ZR 128/94, NJW 1995, 2921 (2922); OLG Stuttgart v. 3.8.2000 – 16 UF 180/00, FamRZ 2001, 246 (249); Jauernig/Budzikiewicz, Anm. zu §§  1599–1600c Rn.  3; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  52 Rn.  102 (mit Hinweis auf die Ausnahme der konsentierten medizinisch unterstützten Zeugung, vgl. §  1600 Abs.  5 BGB); BeckOGK9.2016/Reuß, §  1599 Rn.  55, 95; MüKoBGB/ Wellenhofer, §  1600 Rn.  27; Staudinger/Rauscher, §  1600b Rn.  71. 912  BGH v. 9.4.1986 – IVb ZR 32/85, NJW 1986, 2046; BGH v. 19.12.1989 – IVb ZR 91/88, NJW 1990, 703 (704); BeckOGK4.2016/Coester-Waltjen, §  1564 Rn.  29; Gernhuber/Coester-­ Waltjen, Familienrecht, §  25 Rn.  10 ff.; MüKoBGB/Weber, §  1564 Rn.  24; Staudinger/Rauscher, §  1564 Rn.  41 f. 913  Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  48, 54, 127. 914  Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  48.

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genden Rechts – „noch nicht oder nicht zwingend geregelt sind und nicht unbedingt eine Regelung verlangen. Hier können Vereinbarungen beliebig mit und ohne Rechtscharakter getroffen werden.“915 Aus heutiger Sicht ist damit vor allem der Geltungsbereich des dispositiven Rechts umschrieben. Ausgehend von dieser Systematisierung lassen sich unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben und Grenzen für rechtliche Regelungen im Ehepersonenrecht916 auch Ehevereinbarungen bzw. das gegenseitige Einvernehmen im Sinne von §  1356 BGB dogmatisch stringent erfassen. (2) Der einvernehmlich zu gestaltende Lebensbereich der Ehegatten als dispositiv rechtsfreier Raum Einer einvernehmlichen Regelung im Sinne von §  1356 BGB bedürfen neben der Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit sämtliche, wenn auch nur gemeinschaftliche Angelegenheiten, d. h. solche, die die Gestaltung des ehelichen Lebens betreffen und daher für beide Ehegatten von Bedeutung sind (wie z. B. die Bestimmung des Wohnorts, der Ehewohnung, der Aufgabenverteilung in der Ehe, der Familienplanung [inklusive der Frage über die Verwendung von Verhütungsmitteln], größere Anschaffungen, die nicht von der Schlüsselgewalt nach §  1357 BGB erfasst werden, etc.). Dagegen sind höchstpersönliche Angelegenheiten jedes Ehegatten, die das Individuum und seine Persönlichkeit kennzeichnen und ausmachen (z. B. Sexualität, religiöse oder politische Einstellung, Korrespondenz mit Dritten etc.) und daher in den Schutzbereich von Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG fallen, keiner einvernehmlichen Regelung zugänglich.917 Das gilt insbesondere auch für solche Aspekte, die für den anderen Ehegatten bedeutsam sind, wie beispielsweise die Frage der ehelichen Treue. Entsprechendes Verhalten können die Ehegatten auch nicht durch eine vertragliche Vereinbarung zu einer wechselseitig bindenden Rechtspflicht machen.918 Im Regelfall wird diesbezüglich ohnehin ein Rechtsbindungswille der Ehegatten fehlen, aber selbst wenn ein solcher besteht, stößt der Wille der Ehegatten dort an Grenzen, wo der höchstpersönliche Autonomiebereich tangiert ist, in 915 

Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  48. Dazu Kap.  3 C.III.2.a)(4), S. 154 ff. 917  Ähnlich, aber besonders restriktiv, Kappler, Kontrolle von Ehevereinbarungen, S.  58: „Rechtliche Selbstbindung wird erst dort problematisch, wo sie (…) den einen Ehegatten zum Objekt des anderen macht; erst dann ist die Grenze zur unzulässigen Selbstbindung überschritten.“ 918  Eine etwaige Klage gestützt auf eine Vereinbarung, die den zwingend rechtsfreien Bereich betrifft, wäre durch Sachurteil als unbegründet abzuweisen, so auch Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  124; wohl auch Kappler, Kontrolle von Ehevereinbarungen, S.  60 f. (der Richter sei nicht gehindert, einer Vereinbarung wegen Eingriffs in den rechtsfreien Raum bzw. wegen unzulässiger Beschränkung der höchstpersönlichen Freiheitsphäre die Wirksamkeit zu versagen). Anders Canaris, Feststellung von Lücken im Gesetz, S.  41, der den rechtsfreien Raum als eine negative Prozessvoraussetzung begreift. 916 

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dem eine jederzeit freie Entscheidung möglich sein muss. Davon abgesehen wäre das rechtliche Instrumentarium auch ungeeignet, das gewünschte Ergebnis zu erreichen: Treue gewähren die Ehegatten einander nicht, weil sie sich dazu rechtsgeschäftlich verpflichtet haben, sondern weil und solange es ihrem Selbstverständnis von der Ehe und ihrer inneren Überzeugung entspricht, die sich mit Rechtszwang nicht herstellen lassen. Im Übrigen würde die zwangsweise Durchsetzung einer rechtsgeschäftlich begründeten Pflicht im höchstpersönlichen Bereich an §  120 Abs.  3 FamFG scheitern; mit dieser Vorschrift wären auch etwaige Vertragsstrafeversprechen919 für einen Verstoß gegen das Treueversprechen sowie die Zubilligung von Schadensersatzansprüchen unvereinbar. Der restliche persönliche Ehebereich unterliegt dagegen der autonomen Gestaltungsmacht der Ehegatten, den sie nach dem Gewährleistungsgehalt von Art.  6 Abs.  1 GG einvernehmlich regeln können.920 Da der Gesetzgeber – wie bereits aufgezeigt921 – insofern schon aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht befugt ist, heteronome Vorgaben etwa in Form von rechtlichen Pflichten oder sonstigen Bestimmungen zu machen, weil er dadurch in unzulässigerweise in die Autonomie der Ehegatten eingreifen würde, handelt es sich insofern um einen dispositiv rechtsfreien Bereich. In Bezug auf gemeinsame Angelegen­ heiten, die keine höchstpersönlichen Aspekte des Einzelnen tangieren, können die Ehegatten mithin ausdrücklich oder konkludent Vereinbarungen treffen, die rechtsgeschäftlichen Charakter aufweisen können, aber nicht aufweisen müssen.922 Rechtliche Bindungswirkung entfalten sie nur dann, wenn die Ehegatten eine solche Bindung wirklich wollen, also mit Rechtsbindungswillen handeln. Nicht ausgeschlossen ist beispielsweise eine verbindliche Vereinbarung der Ehegatten dahingehend, dass ein Ehegatte den angenommenen Ehe­ namen nach dem Scheitern der Ehe nicht fortführen darf.923 Sofern und soweit im Einzelfall (ausnahmsweise) ein konkreter Rechtsbindungswille festgestellt werden kann, sollte allerdings nicht mehr nur von einem „Einvernehmen“, son919  Vgl. hierzu Hepting, Ehevereinbarungen, S.  113 („je stärker sie [Strafklauseln] die Persönlichkeitssphäre tangieren, desto unerträglicher und unzulässiger werden wirtschaftliche Druckmittel, und vice versa.“); Grziwotz, MDR 1998, 1075 (1077: selbstständiges Strafversprechen ausgeschlossen, wenn es sich um spezifisch eheliche Pflichten handele). 920  Vgl. dazu oben Kap.  3 C.III.2.a)(4)(a)(iv), S. 171 ff. 921  Vgl. Kap.  3 C.III.2.a)(4), S. 154 ff. 922  So auch BeckOK-BGB/Hahn, §  1356 Rn.  4. Ein nicht unerhebliches Problem des Meinungsstreits zur Rechtsnatur des ehelichen Einvernehmens liegt darin, dass versucht wird, für alle Ehevereinbarungen eine einheitliche Konzeption zu finden. Angesichts der Vielzahl möglicher Regelungsgegenstände kommt es jedoch stets auf die konkrete Vereinbarung und deren Inhalt an, also darauf, ob überhaupt und, wenn ja, welches Verhalten zur Pflicht gemacht werden soll. Darauf weist auch Kappler, Kontrolle von Ehevereinbarungen, S.  21 ff., hin. 923  Kappler, Kontrolle von Ehevereinbarungen, S.  8 . Zur Einbeziehung von vorehelichen Absprachen über die Namensführung in den Begriff der Ehevereinbarungen vgl. Hepting, Ehevereinbarungen, S.  83.

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dern einer rechtsverbindlichen Ehevereinbarung gesprochen werden, aus der sich dann gerichtlich durchsetzbare Ansprüche ergeben. In der ganz überwiegenden Zahl der Fälle werden einvernehmliche Abreden im Anwendungsbereich des §  1356 BGB sowie den übrigen gemeinsamen Angelegenheiten des persönlichen Ehelebens jedoch keinen bindenden Charakter in dem Sinne haben, dass jeder Ehegatte den anderen an dem Einvernehmen – nötigenfalls unter Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe – festhalten kann. Auch wenn aus der einvernehmlichen Absprache im Regelfall keine individuellen Rechte und Pflichten abgeleitet werden können, so wird dadurch dennoch ein Vertrauenstatbestand geschaffen, auf den sich der jeweils andere so lange verlässt, bis ihm der andere Ehegatte mitteilt, dass er an dem Einvernehmen nicht mehr unverändert festhalten will. Außerdem besteht unabhängig von der Unverbindlichkeit des Einvernehmens zwischen den Ehegatten die aus der schuldrechtlichen Sonderverbindung folgende Pflicht gemäß §  241 Abs.  2 BGB zur Rücksichtnahme auf die Interessen des jeweils anderen, die umso gewichtiger sind, je stärker und bedeutsamer der durch das Einvernehmen geschaffene Vertrauenstatbestand ist. Dies gilt insbesondere auch für das Einvernehmen in Bezug auf die Aufgaben­ verteilung in der Ehe. Trotz der unbestreitbaren Bedeutung einer einvernehmlichen Regelung sowohl für den Einzelnen als auch für die Ehe- bzw. Familiengemeinschaft wird zurecht betont, dass sich im Regelfall „[i]m ‚Einvernehmen‘ über die eheliche Lebensführung (…) nicht der Wille (äußert), sich für alle Zukunft zur Übernahme der Rolle der Hausfrau oder des alleinigen ‚Ernährers‘ zu verpflichten.“924 Mit ihrer Entscheidung über die Aufgabenverteilung konkretisieren die Ehegatten zwar ihre Unterhaltspflicht gemäß §  1360 BGB im Hinblick auf das „wie“, Pflichtcharakter hat aber nur die Unterhaltspflicht als solche (das „ob“). Wie die Ehegatten ihrer gegenseitigen Unterhaltspflicht konkret nachkommen, gibt der Gesetzgeber nicht vor, sondern überlässt dies der einvernehmlichen Regelung der Ehegatten, die sich dadurch aber nicht für die Zukunft dem anderen gegenüber rechtlich verpflichten wollen. Ob man erwerbstätig sein oder sich der Haushaltsführung widmen will, ist zunächst eine autonom zu treffende und persönliche Entscheidung, die kein Ehegatte dem anderen rechtsgeschäftlich bindend verspricht. Jeder Ehegatte ist zwar dem anderen gegenüber kraft Gesetzes verpflichtet, zum Familienunterhalt beizutragen, aber nicht, dies durch eine Erwerbstätigkeit oder die Haushaltsführung zu tun, und zwar auch dann nicht, wenn dies den ursprünglichen Absprachen entspricht. Jeder Ehegatte kann jederzeit frei darüber entscheiden, wie er seinen Beitrag zum Familienunterhalt leistet. Dementsprechend kann er auch die Art seines Beitrags jederzeit einseitig ändern, und zwar selbst dann, wenn sich sein Änderungswunsch nachteilig auf das Familieneinkommen auswirkt; auch während bestehender

924 

Schwab, Familienrecht, Rn.  121. Ebenso Soergel/M. Lipp, §  1356 Rn.  12.

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Ehe gibt es keine „Lebensstandardgarantie“.925 Insofern ist es richtig, wenn gesagt wird, dass gegenseitiges Einvernehmen im Sinne von §  1356 BGB stets situationsbezogen ist und dass schon ein Änderungsverlangen beachtlich ist, denn jedes Einvernehmen erledigt sich dadurch, dass es nicht mehr von der inneren Überzeugung eines der Ehegatten getragen wird.926 Dafür spricht auch §  1356 Abs.  2 S.  1 BGB, aus dem sich ergibt, dass beide Ehegatten (also auch der haushaltsführende Ehegatte) jederzeit berechtigt sind, erwerbstätig zu sein. Allerdings muss der änderungswillige Ehegatte dabei auf die Belange des anderen Ehegatten sowie die Interessen der Familie die gebotene Rücksicht nehmen (vgl. §  1356 Abs.  2 S.  2 BGB, §  241 Abs.  2 BGB). Insbesondere derjenige Ehegatte, der selbst auf eine Erwerbstätigkeit verzichtet hat, wird sich nämlich auf die Zusage des anderen verlassen und darauf vertrauen, dass jener durch seine Erwerbsarbeit für den Familienunterhalt sorgt. Schwab kann daher nur zugestimmt werden: „Nicht das Prinzip ‚pacta sunt servanda‘, sondern das Gebot der Rücksichtnahme bestimmt das eheliche Zusammenleben.“927 Zugleich zeigen diese Überlegungen, dass das gegenseitige Einvernehmen, obwohl es keine rechts­ geschäftliche Bindungswirkung entfaltet, dennoch – wie Lipp zurecht betont – rechtliche Relevanz hat,928 denn zum einen konkretisiert es die gesetzliche Unterhaltspflicht und zum anderen schafft es eine Vertrauenssituation zwischen den Ehegatten, an die die (gesetzliche) Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme gemäß §  241 Abs.  2 BGB anknüpft. Solange nichts anderes kommuniziert wird, begründet das Einvernehmen berechtigte Verhaltenserwartungen und einen Vertrauenstatbestand, an dem jeder sein eigenes Verhalten ausrichtet. Insbesondere dann, wenn ein Änderungswunsch in Bezug auf das Einvernehmen im Sinne von §  1356 Abs.  1 S.  1 BGB finanzielle Konsequenzen für die Ehe bzw. Familie nach sich zieht, folgt aus dem personenrechtlichen Schuldverhältnis zwischen den Ehegatten, dass jeder gemäß §  241 Abs.  2 BGB verpflichtet ist, den anderen zumindest rechtzeitig zu informieren, damit sich dieser auf die Veränderung der finanziellen Verhältnisse einstellen kann. Alleingänge können pflichtwidrig sein und im Hinblick auf dadurch kausal verursachte Schäden nach §  280 Abs.  1 BGB Schadensersatzansprüche zur Folge haben. Will ein Partner an einem früheren Einvernehmen nicht länger festhalten und kommt es zu keinem neuen Einvernehmen zwischen den Ehegatten, haben sie das gegenseitig hinzunehmen und die Entscheidung des jeweils anderen zu respektieren. Im Zusammenhang mit Meinungsverschiedenheiten über die Begründung eines gemeinsamen Wohnsitzes hat der BGH ausgeführt, „[d]ie gel925  Zu diesem Begriff, der vorwiegend im Rahmen des nachehelichen Unterhalts verwendet wird, vgl. statt vieler, BGH v. 23.11.2011 – XII ZR 47/10, NJW 2012, 309 (311 Rn.  37: „keine lebenslange Lebensstandardgarantie“). 926 Soergel/M. Lipp, §  1356 Rn.  14. 927  Schwab, Familienrecht, Rn.  121. 928 Soergel/M. Lipp, §  1356 Rn.  15.

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tende Rechtsordnung, die die Ehe als partnerschaftliche Verbindung auf der Grundlage der Gleichberechtigung versteht (…), kennt weder den Stichentscheid eines Ehegatten noch eine Entscheidungskompetenz Dritter. Mißlingt die einvernehmliche Regelung des Wohnsitzes, weil keiner der Ehegatten zum Nachgeben oder Verzicht bereit ist, hat es dabei sein Bewenden.“929 Dies verdient Zustimmung und gilt auch für alle anderen Bereiche des dispositiv rechtsfreien Ehepersonenrechts, in denen eine einvernehmliche Regelung durch die Ehegatten möglich ist. Der verfassungsrechtlich geschützten Garantie, dass die Ehegatten die Ausgestaltung ihrer Lebensgemeinschaft inhaltlich eigenverantwortlich und einvernehmlich regeln dürfen, würde es widersprechen, wenn letztlich ein Richter darüber entscheiden dürfte und müsste, ob ein Ehegatte erwerbstätig sein darf oder sein muss, oder gar noch weitergehend welche Tätigkeit er ausführen muss. Ein fehlendes Einvernehmen kann nicht durch Richterspruch ersetzt werden,930 und das gilt auch im Falle eines Änderungswunsches.931 Diese persönliche Entscheidung, die natürlich auch das Verhältnis der Ehegatten tangiert, entzieht sich einer rechtlichen Determinierung; das Recht setzt erst dort an, wo ein Einvernehmen erzielt wurde, und verpflichtet beide Ehegatten, auf die Interessen und das Vertrauen des anderen Ehegatten Rücksicht zu nehmen. Können die Ehegatten sich nicht mehr einigen, wird dies auf kurz oder lang zum Scheitern der Ehe führen. d) Zusammenfassung Es bleibt also festzuhalten, dass durch alle die eheliche Lebensführung einvernehmlich ausgestaltende Absprachen zwischen Ehegatten keine bindenden Vereinbarungen getroffen werden, sofern nicht ein konkreter Rechtsbindungswille im Einzelfall nachweisbar festgestellt werden kann. Die Beweislast trifft denjenigen Ehegatten, der eine rechtliche Verbindlichkeit der Vereinbarung behauptet. Allerdings begründet das gegenseitige Einvernehmen über die Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft einen Vertrauenstatbestand, der über die Rücksichtnahmepflicht gemäß §  241 Abs.  2 BGB rechtliche Relevanz erlangt. Wenn ein Partner nicht länger an dem bestehenden Einvernehmen festhalten will und dies finanzielle Folgen für die Ehe oder Familie hat, muss er seinen Änderungswunsch rechtzeitig mitteilen, damit sich der andere Ehegatte darauf einstellen kann; anderenfalls handelt er pflichtwidrig mit der Folge, dass er für den durch die Verletzung der Rücksichtnahmepflicht kausal verursachten Schaden haftet. 929  BGH v. 11.2.1987 – IVb ZR 15/86, NJW 1987, 1761 (1762). Ebenso Dölle, Familienrecht I, §  34, S.  403, 406. 930  Hepting, Ehevereinbarungen, S.   87; Lüke, FS Bosch (1976), S.  627 (634); Pawlowski, Die „bürgerliche Ehe“ als Organisation, S.  11; MüKoBGB/Roth, §  1356 Rn.  6; Staudinger/ Voppel, §  1356 Rn.  11. 931 Soergel/M. Lipp, §  1356 Rn.  10, 13.

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5. Vorschlag für eine Neuregelung des §  1353 BGB de lege ferenda Um die bisher gefundenen Ergebnisse auch im Gesetzestext widerzuspiegeln, bedürfte es de lege ferenda einer Neufassung der Generalklausel in §  1353 BGB. Um den Besonderheiten des ehelichen Lebensverhältnisses auch in systematischer Hinsicht besser gerecht werden zu können, wäre es wünschenswert, wenn sich die ehelichen Pflichten einschließlich der Rücksichtnahmepflicht einheitlich aus dem vierten Buch ergeben würden, so dass sich ein Rückgriff auf §  241 Abs.  2 BGB erübrigte. Inhaltlich ergäbe sich zwar kein Unterschied, es könnte aber deutlicher zum Ausdruck gebracht werden, dass die Rücksichtnahmepflichten zwischen Ehegatten mit Blick auf das konkrete Schuldverhältnis „Ehe“ ermittelt werden müssen. Vorgeschlagen wird daher als Neufassung von §  1353 BGB n. F.: (1) 1Die Ehe wird von zwei Personen verschiedenen oder gleichen Geschlechts auf Lebenszeit geschlossen. 2Sie begründet eine eheliche Lebensgemeinschaft, die von den Ehegatten in den persönlichen Angelegenheiten in allen Lebenslagen im gegenseitigen Einvernehmen ausgestaltet wird. 3Die Ehegatten tragen füreinander Verantwortung. (2) Die Ehegatten sind verpflichtet, auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen Ehegatten Rücksicht zu nehmen.

Während §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB in der vorgeschlagenen Fassung lediglich das konstitutive Tatbestandsmerkmal der Ehe – die Lebensgemeinschaft – festschreibt und damit schon nach dem Wortlaut keine „Pflicht“ mehr begründet, dient Absatz 2 der Klarstellung, dass zwischen Ehegatten sehr wohl echte Rechtspflichten bestehen können, die – neben den sich aus dem Eherecht ergebenden ehespezifischen Pflichten – auf Rücksichtnahme gerichtet sind. An die Pflichten aus Absatz 2 kann dann auch §  1359 BGB anknüpfen (dazu sogleich). Eine Folgeänderung ergäbe sich für §  1314 Abs.  2 Nr.  5, der konsequenterweise wie folgt geändert werden müsste: (2) Eine Ehe kann ferner aufgehoben werden, wenn (…) 5. beide Ehegatten sich bei der Eheschließung darüber einig waren, dass eine Lebensund Verantwortungsgemeinschaft gemäß §  1353 Abs.  1 BGB nicht begründet werden soll.

IV. Haftungsprivilegierung Bei der Erfüllung der sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen haben die Ehegatten einander gemäß §  1359 BGB nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen (§  277 BGB). Nach den bisherigen Ergebnissen dieser Arbeit umfassen die sich „aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden Verpflichtungen“ nur die im Eherecht geregelten anerkannten Leistungspflichten sowie die Rücksichtnahmepflicht aus §  241 Abs.  2 BGB. Aus §  1359 BGB folgt für diese Rechtspflichten ein

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privilegierter Haftungsmaßstab im Innenverhältnis der Ehegatten, sofern sich aus einer Anspruchsgrundlage, insbesondere §  280 Abs.  1 BGB, eine Haftung ergibt. Für §  1359 BGB ist unstrittig, dass die Norm selbst keine Anspruchsgrundlage darstellt, sondern nur den Haftungsmaßstab im Vergleich zu der allgemeinen Regelung in §  276 BGB erleichtert. 1. Zweck Die Haftungsprivilegierung geht zurück auf die im gemeinen Recht und den Partikularrechten vorgesehene Haftungsbeschränkung des Ehemannes bei der Verwaltung des von der Ehefrau eingebrachten Vermögens sowie bei der Restitution von Dotalsachen (also der von der Ehefrau als Mitgift in die Ehe eingebrachten Gegenstände, die sie nach der Scheidung zur eigenen Versorgung zurückerhielt).932 Sie sollte den Besonderheiten des ehelichen Verhältnisses und der darauf beruhenden vermögensrechtlichen Beziehungen der Ehegatten untereinander Rechnung tragen.933 Zunächst war die Privilegierung deshalb allein für das Ehegüterrecht und für „Schlüsselgewalt“-Geschäfte gedacht,934 die 2. Kommission erweiterte die Regelung jedoch auf alle Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Lebensverhältnis ergeben, um insbesondere auch die Unterhaltspflicht zu erfassen.935 In dieser umfassenden Formulierung wurde §  1359 BGB schließlich Gesetz, das bis heute unverändert geblieben ist. Gleichwohl sollte §  1359 BGB nichts daran ändern, dass auch zwischen Ehegatten, wenn sie ein besonderes vertragliches Schuldverhältnis untereinander begründen (z. B. ein Arbeits- oder Dienstverhältnis), der jeweilige Haftungsmaßstab des gewählten Schuldverhältnisses gilt; §  1359 BGB soll dann nicht anwendbar sein,936 weil Ehegatten sich im Rahmen von normalen Vertragsverhältnissen wie „x-beliebige Dritte“ gegenüberstünden und daher wie gegenüber jedermann die im Verkehr erforderliche Sorgfalt beachten müssten.937 Die Haftungsprivilegierung des §  1359 BGB beruht auf der Vorstellung, dass Ehegatten sich gegenseitig sorgfältig aussuchen und sich deshalb mit all ihren Schwächen, Charaktereigenschaften und Unzulänglichkeiten so nehmen wie

932 Zur Entstehungsgeschichte vgl. Soergel/M. Lipp, §   1359 Rn.   1; MüKoBGB/Roth, §  1359 Rn.  1. 933  Mugdan, Motive zum BGB IV, S.  67. 934  Mugdan, Motive zum BGB IV, S.  67 f. 935  Mugdan, Motive zum BGB IV, S.  741 f. 936  Mugdan, Motive zum BGB IV, S.   742; ebenso Jauernig/Budzikiewicz, §  1359 Rn.  2 ; Staudinger/Hübner/Voppel, 13. Bearbeitung 2000, §  1359 Rn.  14 (aus steuerrechtlichen Erwägungen). 937  Diederichsen, 25 Jahre Karlsruher Forum 1983, 141 (145). A. A. Gernhuber/Coester-­ Waltjen, Familienrecht, §  19 Rn.  17; Knolle, Haftungsprivileg, S.  58 f.; Müller-Freienfels, FS Nipperdey I (1965), S.  625 (636 f.).

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sie sind.938 Kein Ehegatte kann erwarten, dass der andere im Rahmen der ehe­ lichen Lebensgemeinschaft einen höheren Sorgfaltsstandard an den Tag legt als er ihn in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Freilich lässt sich dagegen einwenden, dass der Gedanke, sich den Partner auswählen zu können, in jedem Dauerschuldverhältnis (wenn nicht sogar jedem Vertragsverhältnis) eine Haftungsprivilegierung rechtfertigen könnte.939 Allerdings lässt sich gerade im ehelichen Verhältnis durch die Haftungsmilderung ein enger vertrauensvoller Umgang erreichen, der durch ein geringeres Haftungsrisiko begünstigt wird. Hinzukommt, dass im Rahmen einer ehelichen Lebensgemeinschaft aufgrund der gemeinsamen Aktivitäten und des regelmäßig engen räumlichen Zusammenlebens ein erhöhtes Risiko besteht, die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Ehegatten zu beeinträchtigen; „dies umso mehr, als eheliches Leben weithin in der Privatsphäre stattfindet, die dem einzelnen auch einen Rückzug von den nach außen bestehenden Verhaltensanforderungen erlauben soll.“940 Letztlich findet die Haftungsprivilegierung ihre Grundlage in der besonderen personalen Verbundenheit941 sowie dem engen Vertrauensverhältnis der Ehegatten.942 Das eheliche Zusammenleben und der Familienfrieden soll bei einfach fahrlässig verursachten Schäden nicht durch etwaige Schadensersatzansprüche belastet werden.943 Obwohl in §  1359 BGB, anders als etwa in §  1357 Abs.  3 BGB oder §  1362 Abs.  1 S.  2 BGB, keine Regelung vorgesehen ist, die die Anwendbarkeit der Vorschrift für die Zeit der Trennung der Ehegatten ausschließt, legt es der Zweck von §  1359 BGB entgegen der wohl h. M.944 nahe, die Haftungsprivi938 Soergel/M. Lipp, §   1359 Rn.  4; Staudinger/Looschelders, §  426 Rn.  170; MüKoBGB/ Roth, §  1359 Rn.  2, 4; Heller, diligentia quam in suis, S.  37, 76 f.; Knolle, Haftungsprivileg, S.  33 ff. 939 So Krebs, Sonderverbindung, S.  516. 940  Rauscher, FamR, Rn.   297; ebenso MüKoBGB/Roth, §  1359 Rn.  4 ; Knolle, Haftungsprivileg, S.  34. 941  Isele, Geschäftsbesorgung, S.  32 f., 55 ff., stellt demgegenüber als Grund für die Haftungsbeschränkung weniger auf die besonders enge persönliche Verbundenheit der Ehegatten ab, sondern darauf, dass der privilegiert Haftende gleichzeitig eigene und fremde Interessen verfolgt und deshalb einerseits unklar ist, wann er für andere tätig wird und deshalb den Anforderungen des Verkehrs gerecht werden muss, und andererseits durch das eigene Interesse genug Anreiz besteht, sorgfältig zu sein. Auch Heller, diligentia quam in suis, S.  71 ff., betont die Interessenverknüpfung als Grundgedanken der Haftungsfigur, stellt daneben aber auch auf das besondere Vertrauensverhältnis und die enge persönliche Verbundenheit ab. 942  Rauscher, FamR, Rn.  297, und Soergel/M. Lipp, §  1359 Rn.  2 , 4, stellen demgegenüber maßgeblich auf die Verpflichtung der Ehegatten zu gegenseitiger Rücksichtnahme ab, die sie aus §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB ableiten. Wenn man mit der hier vertretenen Ansicht §  241 Abs.  2 BGB heranzieht, der in allen Schuldverhältnissen Rücksichtnahmepflichten anordnet, kann darin nicht der legitimierende Zweck für eine besondere Haftungsprivilegierung gesehen werden. 943  Diederichsen, 25 Jahre Karlsruher Forum 1983, 141 (142); Knolle, Haftungsprivileg, S.  33. 944 Rolland/Brudermüller, §  1359 Rn.  5 ; Jauernig/Budzikiewicz, §  1359 Rn.  3 ; Heller, diligentia quam in suis, S.  132 ff.; Erman/Kroll-Ludwigs, §  1359 Rn.  3 ; Soergel/M. Lipp, §  1359 Rn.  4 ; vgl. auch den Sachverhalt bei BGH v. 11.3.1970 – IV ZR 772/68, BGHZ 53, 352.

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legierung während der Trennungszeit nicht mehr anzuwenden,945 wobei es maßgeblich auf den Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses (nicht auf den Zeitpunkt der Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche) ankommt. Sobald die Ehegatten getrennt leben, ist die besondere Vertrauensgemeinschaft gelockert und eine gewisse Distanzierung vom anderen (und dessen Schwächen) eingetreten, die es rechtfertigt, diesem gegenüber fortan die gleichen Sorgfaltsstandards walten zu lassen wie gegenüber Dritten. 2. Diligentia quam in suis a) Haftungsmaßstab Wer nur für die Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten einstehen muss, ist zwar bei einfacher Fahrlässigkeit, nicht jedoch bei Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit von der Haftung befreit (vgl. §  277 BGB). Ist der Schaden durch einfache Fahrlässigkeit verursacht, muss allerdings der Schädiger im Streitfall darlegen und beweisen, dass er sich in eigenen Angelegenheiten gleichermaßen nachlässig verhält, während der Geschädigte die Exkulpation dadurch verhindern kann, dass er nachweist, welch sorgfältiger Mensch der Schädiger normalerweise ist. Teilweise wurde befürwortet, den Haftungsmaßstab des §  1359 BGB normativ dahingehend zu modifizieren, dass es nicht auf die eigenübliche, sondern auf die nach den individuellen Fähigkeiten des Ehegatten eigenmögliche und persönlich zumutbare Sorgfalt ankommen soll.946 Dies ist jedoch abzulehnen, da eine solche Auslegung weder mit dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck der Vorschrift vereinbar ist.947 Ist ein Ehegatte in eigenen Angelegenheiten besonders sorgfältig und wendet einen höheren als den allgemein üblichen Sorgfaltsmaßstab an, so führt §  1359 BGB nicht zu einer Verschärfung des Haftungsmaß­ stabs, die Vorschrift will lediglich eine Privilegierung zwischen Ehegatten erreichen (vgl. „nur“). b) Disponibilität Umstritten ist, ob der Haftungsmaßstab zur Disposition der Ehegatten steht, sie also einen strengeren oder milderen Maßstab vereinbaren können. Nach überwiegender Ansicht kann §  1359 BGB in beide Richtungen – also haftungsverschärfend bzw. haftungserleichernd – abbedungen werden, soweit dies nach 945  So auch Diederichsen, 25 Jahre Karlsruher Forum 1983, 141 (142); Rauscher, FamR, Rn.  304; MüKoBGB/Roth, §  1359 Rn.  8 ; Knolle, Haftungsprivileg, S.  52 f.; Staudinger/Voppel, §  1359 Rn.  14. 946  OLG Hamm v. 21.2.2001 – 13 U 208/00, VersR 2002, 732; MüKoBGB/Wacke, 4.  Aufl. 2000, §  1359 Rn.  4. 947  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  2 2 Rn.  3 ; Heller, diligentia quam in suis, S.  114; Knolle, Haftungsprivileg, S.  29; Rauscher, FamR, Rn.  298; MüKoBGB/Roth, §  1359 Rn.  4 ; Staudinger/Voppel, §  1359 Rn.  10.

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allgemeinem Schuldrecht möglich ist, das insbesondere im Voraus keine Haftungsfreistellung für Vorsatz zulässt (vgl. §  276 Abs.  3 BGB).948 Andere halten eine Haftungsverschärfung (Haftung auch für einfache Fahrlässigkeit) und Haftungsmilderung (Privilegierung auch bei grober Fahrlässigkeit) nur bei Vereinbarungen im Einzelfall für zulässig.949 Teilweise wird §  1359 BGB aber auch als zwingende Norm angesehen, die als Konkretisierung des ehestatusrechtlichen Gebots zu gegenseitiger Rücksichtnahme die zwingende Rechtsnatur von §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB teile.950 Bedenkt man, dass die Ehegatten ihre eheliche Lebensgemeinschaft frei ausgestalten können, so erscheint es mit dieser nicht unvereinbar, wenn die Ehegatten im Innenverhältnis generell oder für einzelne Angelegenheiten eine strengere Haftung explizit vereinbaren.951 Eine generelle Haftungsmilderung, durch die sich die Ehegatten in allen Bereichen auch den groben Fahrlässigkeiten des jeweils anderen aussetzen, begegnet jedoch in der Tat Bedenken, da dies einem Verzicht auf die unabdingbare Rücksichtnahme gleichkäme.952 Dies schließt jedoch Vereinbarungen über eine mildere Haftung für einzelne Bereiche nicht aus, was insbesondere dann sinnvoll sein kann, wenn zweifelhaft ist, ob §  1359 BGB seinem sachlichen Anwendungsbereich nach überhaupt eingreift,953 ob die in Rede stehende Pflichtverletzung also wirklich eine sich „aus dem ehelichen Verhältnis ergebende Verpflichtung“ betrifft. 3. Reichweite a) Verpflichtung aus dem ehelichen Verhältnis In der Sache bezieht sich §  1359 BGB auf die Erfüllung (einschließlich Nichterfüllung und Schlechterfüllung) aller Verpflichtungen, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben. Da nach hier vertretener Ansicht aus §  1353 Abs.  1 BGB keine Verpflichtungen folgen, kommen nur die anerkannten Leistungspflichten und die Rücksichtnahmepflicht in Betracht. Während bestehender Ehe betrifft das zum einen die Unterhaltspflicht gemäß §§  1360 ff. BGB, wobei hier eine einfach fahrlässige Pflichtverletzung (in Form der Nicht- oder Schlecht­leistung) kaum denkbar ist. Möglich erscheint dies allenfalls dann, wenn der erwerbstätige Ehegatte durch fahrlässiges Verhalten seinen Arbeits948 Palandt/Brudermüller, §  1359 Rn.  3 ; Diederichsen, 25 Jahre Karlsruher Forum 1983, 141 f.; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  22 Rn.  9 –11; Rauscher, FamR, Rn.  299; MüKoBGB/Roth, §  1359 Rn.  13. 949 Staudinger/Voppel, §  1359 Rn.  12 f. 950  So Soergel/M. Lipp, §  1359 Rn.  2 , 4. 951 Ebenso Rauscher, FamR, Rn.   299; MüKoBGB/Roth, §   1359 Rn.   13. A. A. Soergel/ M. Lipp, §  1359 Rn.  2 ; Staudinger/Voppel, §  1359 Rn.  11. 952  Rauscher, FamR, Rn.  299; MüKoBGB/Roth, §  1359 Rn.  13, der das Rücksichtnahmegebot allerdings aus §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB ableitet; Heller, diligentia quam in suis, S.  115. 953  Rauscher, FamR, Rn.  299.

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platz verliert oder wenn die Pflicht, zum Familienunterhalt beizutragen, durch Naturalleistungen, z. B. durch die Haushaltsführung (vgl. §  1360 S.  2 BGB), erbracht wird. Haftungsrechtliche Relevanz hat in letzterem Fall primär die Schlechtleistung, die der Sache nach jedoch weniger als Verletzung der Unterhaltspflicht, denn als Verletzung der Rücksichtnahmepflicht gemäß §  241 Abs.  2 BGB zu werten ist. Praktisch relevant wird die Haftungsprivilegierung des §  1359 BGB daher in erster Linie im Hinblick auf Verletzungen der Rücksichtnahmepflicht,954 etwa dann, wenn die geschuldete Rücksichtnahme es einem Ehegatten gebietet, im Betrieb des anderen mitzuarbeiten, wenn ein Ehegatte im Rahmen der „Schlüsselgewalt“ gemäß §  1357 BGB mit Wirkung für und gegen den anderen handelt oder wenn er im Rahmen der ehelichen Lebensgemeinschaft die Ehewohnung oder Haushaltsgegenstände des anderen mitbenutzt. Übernimmt ein Ehegatte freiwillig die Vermögensverwaltung für den Partner (vgl. §  1364 BGB und §  1413 BGB), so wird er dies im Regelfall aus ehelicher Verbundenheit tun,955 und daher ist – mangels entgegenstehender Hinweise für einen konkreten Rechtsbindungswillen – nicht davon auszugehen, dass die Ehegatten ein Auftragsverhältnis mit echten Leistungspflichten begründen wollen; auch wenn ergänzend auf die auftragsrechtlichen Vorschriften zur Rechnungslegung und Herausgabe (§§  666, 667 BGB) zurückgegriffen werden kann, ist der verwaltende Ehegatte primär „nur“ im Rahmen der ehelichen Sonderverbindung gemäß §  241 Abs.  2 BGB zu interessenwahrender Vermögensverwaltung verpflichtet und kann sich daher im Falle einer Verletzung dieser „aus dem ehelichen Verhältnis“ folgenden Pflicht auf den Haftungsmaßstab des §  1359 BGB berufen.956 b) „Konkurrierende Deliktshaftung“ Wird neben Pflichten aus dem ehelichen Verhältnis auch eine allgemeine, insbesondere deliktische Pflicht verletzt, so gilt die Haftungsmilderung auch für konkurrierende Deliktsansprüche; anderenfalls würde §  1359 BGB häufig leer laufen.957 Außerdem schließt die Verletzung allgemeiner Rechtspflichten nicht 954  A. A. Larenz, FS Westermann (1974), S.  299 (301 ff.), der im Rahmen von §  708 BGB die Ansicht vertritt, dass das Haftungsprivileg bei bloßen Schutzpflichtverletzungen nicht eingreift. 955 MüKoBGB/Roth, §  1359 Rn.  14. 956 Im Ergebnis ebenso MüKoBGB/Roth, §   1359 Rn.  11, 14; Staudinger/Voppel, §  1359 Rn.  25. A. A. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  32 Rn.  37, mit dem Argument, es handele sich nicht um Pflichten, die aus dem ehelichen Verhältnis folgen; vielmehr ergäben sich die Pflichten in erster Linie aus der getroffenen Abrede und ergänzend aus dem Auftragsrecht. Dagegen lässt sich jedoch einwenden, dass Ehegatten in derartigen Fällen in der Regel keinen Rechtsbindungswillen für einen Auftrag haben. 957  H.M. BGH v. 1.3.1988 – VI ZR 190/87, NJW 1988, 2667 (2669; zu §  1664 BGB); BGH v. 20.12.1966 – VI ZR 53/65, NJW 1967, 558; Palandt/Brudermüller, §  1359 Rn.  2 ; Gernhuber/ Coester-Waltjen, Familienrecht, §  22 Rn.  4 ; Heller, diligentia quam in suis, S.  92 ff.; Erman/

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aus, dass daneben auch die spezifischen Pflichten zwischen Ehegatten verletzt werden. Im Bereich der Gefährdungshaftung gilt jedoch auch zwischen Ehegatten der allgemeine Haftungsmaßstab (str.), da hier die Haftung an bestimmte besonders gefährliche Situationen anknüpft und nicht etwa an besondere in­ dividuelle Schwächen des haftenden Ehegatten.958 Das wird besonders für die Gefährdungshaftung im Straßenverkehr gemäß §§  7, 18 StVG relevant, die im Folgenden wegen der enormen praktischen Bedeutung genauer beleuchtet werden soll. c) Insbesondere: Verkehrsunfälle (1) Meinungsstand In der Praxis wird die Frage der Haftungsprivilegierung zwischen Ehegatten in erster Linie bei Unfällen im Straßenverkehr relevant. Nach der Rechtsprechung des BGH ist §  1359 BGB im Straßenverkehr sowohl bei unfallbedingten Sachbeschädigungen als auch bei Körperverletzungen nicht anwendbar, weil hier kein Raum sei für die Berufung auf individuelle Sorglosigkeit.959 Der historische Gesetzgeber habe die Entwicklung des Straßenverkehrs nicht vorhergesehen, die es unerlässlich gemacht habe, unabhängig von persönlichen Eigenarten und Gewohnheiten eindeutige und strenge Haftungsmaßstäbe aufzustellen.960 Außerdem rechtfertigt der BGH die Einschränkung des Anwendungsbereichs von §  1359 BGB mit Blick auf die Schwierigkeiten, die sich bei Beteiligung eines Zweitschädigers ergeben, der neben dem schuldigen Ehegatten für den Schaden mitverantwortlich ist. In diesen Fällen hat der BGH dem verantwortlichen Zweitschädiger gegen den ebenfalls schuldigen Ehegatten selbst dann einen Ausgleichsanspruch zuerkannt, wenn im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten wegen der Haftungsprivilegierung nach §  1359 BGB eine SchadenserKroll-Ludwigs, §   1359 Rn.   4; Soergel/M. Lipp, §  1359 Rn.  3 ; Rauscher, FamR, Rn.   301; ­MüKoBGB/Roth, §  1359 Rn.  7; Staudinger/Voppel, §  1359 Rn.  15. A. A. Hauss, FS Möhring (1965), S.  345 S.  345 (357 f.), der den Anwendungsbereich von §  1359 BGB auf die Bereiche der Vermögensverwaltung und -betreuung beschränken will; Stoll, FamRZ 1962, 64 (66), der §  1359 BGB nur auf diejenigen Pflichten anwenden will, die in dem ehelichen Verhältnis ihren Rechtsgrund haben. 958  Wie hier Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  2 2 Rn.  5 (mit Einschränkung für §  833 BGB). A. A. KG v. 6.4.2001 – 9 U 2200/99, MDR 2002, 35 (36; zu §  833 BGB); ­Soergel/­M. Lipp, §  1359 Rn.  6 ; MüKoBGB/Roth, §  1359 Rn.  7. In Fällen des vermuteten Verschuldens (wie etwa §  834 BGB) kann sich der Schädiger gegenüber seinem Ehegatten jedoch schon dann exkulpieren, wenn er die eigenübliche Sorgfalt im Sinne von §§  1359, 277 BGB hat walten lassen. 959  BGH v. 11.3.1970 – IV ZR 772/68, NJW 1970, 1271 (1272); BGH v. 18.6.1973 – III ZR 207/71, NJW 1973, 1654; BGH v. 10.7.1974 – IV ZR 212/72, NJW 1974, 2124 (2126); BGH v. 13.1.1988 – IVb ZR 110/86, NJW 1988, 1208; ebenso für §  708 BGB BGH v. 20.12.1966 – VI ZR 53/65, NJW 1967, 558. 960  BGH v. 11.3.1970 – IV ZR 772/68, NJW 1970, 1271 (1272).

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satzpflicht ausscheidet961 und deshalb an sich überhaupt kein Gesamtschuldverhältnis zwischen den Schädigern besteht.962 Derartige (eine Gesamtschuld fingierende) Konstruktionen lassen sich, so der BGH, vermeiden, wenn man §  1359 BGB im Straßenverkehr nicht anwende.963 Des Weiteren argumentiert er, dass die Anwendung der Haftungsprivilegierung im Straßenverkehr im Ergebnis ohnehin nicht den schädigenden Ehegatten, sondern die Kfz-Haftpflichtversicherung privilegieren würde: Da der schädigende Ehegatte einen Anspruch auf Deckung gegen die Versicherung habe, könne der geschädigte Ehegatte darauf zurückgreifen, ohne dem anderen wirtschaftliche Opfer abzuverlangen. Es bestehe daher kein Grund, sich aus ehelicher Rücksicht im Innenverhältnis Beschränkungen bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufzuerlegen.964 Offen ließ der BGH, ob §  1359 BGB nicht generell im „außerhäus­ lichen Bereich“ unanwendbar sei, auch wenn seiner Ansicht nach gewichtige Gründe dafür sprechen.965 Während eine verbreitete Meinung in der Literatur die gemeinsame Autofahrt als Teil des ehelichen Zusammenlebens und damit als Erfüllung der Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft gemäß §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB ansieht,966 lehnen andere dies ab967 oder verneinen die Anwendbarkeit von §  1359 BGB mit dem Argument, dass es primär um die Verletzung der Vorschriften des Straßenverkehrs gehe, bei denen es sich nicht um Verpflichtungen handele, die sich aus dem ehelichen Verhältnis ergeben.968 Larenz ist dagegen der Ansicht, dass die Teilnahme am Straßenverkehr schon deshalb nicht vom Anwendungsbereich des §  1359 BGB erfasst sei, weil es sich dabei nie lediglich um eine „eigene Angelegenheit“ handele, denn durch sorgloses Verhalten würden immer auch andere Verkehrsteilnehmer gefährdet; schon deshalb müsse eine Haftungsprivilegierung auf die eigenübliche Sorgfalt ausscheiden.969 (2) Stellungnahme Der Ansicht von Larenz lässt sich entgegenhalten, dass §  1359 BGB bei dieser Auslegung leer liefe, weil kein Anwendungsbereich übrig bleibt, wenn man §  1359 BGB auf jene Lebensbereiche begrenzt, in denen nur eigene Angelegen961 

BGH v. 27.6.1961 – VI ZR 205/60, NJW 1961, 1966 (1967). Dies zu Recht kritisierend Dieckmann, FS Reinhardt (1972), S.  51 (57); Prölss, JuS 1966, 400 ff.; Stoll, FamRZ 1962, 64 (65); siehe auch Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  22 Rn.  8. 963  BGH v. 11.3.1970 – IV ZR 772/68, NJW 1970, 1271 (1272). 964  BGH v. 10.7.1974 – IV ZR 212/72, NJW 1974, 2124 (2126). 965  BGH v. 11.3.1970 – IV ZR 772/68, NJW 1970, 1271 (1272) m. w. N. 966 So Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §   22 Rn.  6 Fn.  15; Rauscher, FamR, Rn.  302; Staudinger/Voppel, §  1359 Rn.  22. 967 Soergel/M. Lipp, §  1359 Rn.  6 ; Stoll, FamRZ 1962, 64 (66). 968 So Böhmer, MDR 1963, 885 (886). 969  Larenz, FS Westermann (1974), S.  299 (305), zu §  708 BGB. 962 

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heiten des handelnden Ehegatten betroffen sind. Selbst wenn man Larenz so versteht, dass nur solche Lebensbereiche ausgegrenzt bleiben sollten, in denen mit den aus dem ehelichen Verhältnis herrührenden Pflichten auch allgemeine, gegenüber jedermann bestehende Pflichten zusammentreffen, bliebe für die Haftungsmilderung kaum ein Anwendungsbereich.970 Entscheidend ist freilich, dass der Haftungsmaßstab von §  1359 BGB nicht voraussetzt, dass das haftungsauslösende Verhalten eine rein eigene Angelegenheit ist; es wird lediglich verlangt, dass bei dem relevanten schadensverursachenden Verhalten diejenige Sorgfalt beachtet wurde, die in eigenen Angelegenheiten angewendet wird. Dieser Sorgfaltsmaßstab wird gerade auf Angelegenheiten übertragen, die (auch) den anderen Ehegatten betreffen. Zustimmung verdient jedoch die Literaturmeinung, die davon ausgeht, dass die gemeinsame Autofahrt regelmäßig nicht in Erfüllung eherechtlicher Verpflichtungen erfolgt, zumal im Falle eines Verkehrsunfalls der Verstoß gegen straßenverkehrsrechtliche Vorschriften im Vordergrund steht und diese Pflichten unzweifelhaft nicht im Sinne von §  1359 BGB aus dem ehelichen Verhältnis folgen. Allerdings ändert dies natürlich nichts daran, dass Ehegatten auch im Straßenverkehr – wie generell – einander nach §  241 Abs.  2 BGB zur Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen verpflichtet sind und deshalb eine Haftung im Fall der Verletzung dieser Pflicht, vorbehaltlich der anwendbaren Haftungsprivilegierung gemäß §  1359 BGB, durchaus möglich ist. Sofern die Verletzung dieser Pflicht mit einer Verletzung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften zusammentrifft, muss §  1359 BGB – ebenso wie bei der konkurrierenden Deliktshaftung – auch auf letztere anwendbar sein. Insofern wird sich der schädigende Ehegatte im Falle eines Verstoßes gegen Straßenverkehrsregeln mit dem Nachweis schwer tun, dass sich sein schädigendes Verhalten im Rahmen der von ihm üblicherweise beobachteten Sorgfalt gehalten hat. Die Ansicht des BGH überzeugt dagegen in wesentlichen Punkten nicht, denn die Grundgedanken von §  1359 BGB, dass sich die Ehegatten so akzeptieren wie sie sind und dass der Familienfrieden nicht durch gegenseitige Ansprüche zwischen den Ehegatten belastet werden soll, treffen auch bei Unfällen im Straßenverkehr zu, zumal sich die Privilegierung auf das Innenverhältnis beschränkt und sie die Haftung gegenüber sonstigen Verkehrsteilnehmern nicht beeinträchtigt (dazu sogleich). Insbesondere ist das zentrale Argument des BGH verfehlt, im Straßenverkehr sei kein Raum für individuelle Sorglosigkeit. Es geht hier nicht um die im Straßenverkehr einzuhaltenden Sorgfaltsanforderungen, die durch Vorschriften des Öffentlichen Rechts und des Strafrechts hinreichend sichergestellt sind, sondern um die Frage der zivilrechtlichen Haf-

970 Ebenso

Heller, diligentia quam in suis, S.  169.

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tung gegenüber einer bestimmten Person,971 konkret: dem Ehegatten. Außerdem ist vor dem Hintergrund dieses Arguments des BGH schwer begründbar, warum rechtsgeschäftlich vereinbarte Haftungsausschlüsse auch im Straßenverkehr allgemein anerkannt und als wirksam angesehen werden.972 Für die Gefährdungshaftung nach §  7 StVG folgt die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung schon aus §  8a StVG, der eine solche nur bei entgeltlicher Beförderung ausschließt. Selbst der BGH hat zwar die Anwendung von §  708 BGB im Straßenverkehr mit der dargestellten Argumentation abgelehnt, zugleich aber in ergänzender Vertragsauslegung die Vereinbarung einer auf das gleiche Ergebnis hinauslaufenden Haftungsbeschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit angenommen.973 Berücksichtigt man dann noch, dass zwischen einer vertraglich vereinbarten Haftungsprivilegierung und der gesetzlichen Privilegierung des §  1359 BGB eine erhebliche Nähe besteht, weil beide – wie der BGH selbst einräumt974 – ihre Grundlage (in aller Regel) in der persönlichen Beziehung der Beteiligten zueinander finden, erscheint eine unterschiedliche Behandlung wenig überzeugend. Ist ein Zweitschädiger mit involviert, so können dessen Interessen dadurch gewahrt werden, dass man die gestörte Gesamtschuld zu Lasten des geschädigten Ehegatten löst.975 Nur im Ergebnis überzeugt schließlich das Argument des BGH, dass kein Grund für eine Haftungsprivilegierung im Innenverhältnis der Ehegatten bestehe, weil ja eine Deckung durch den Pflichthaftpflichtversicherer bestehe. Dagegen lässt sich einwenden, dass die Idee einer Versicherung darin besteht, nur und erst dann einzugreifen, wenn der Versicherte tatsächlich haftet. Dem widerspricht es, wenn man sagt, der Versicherte muss haften, weil er versichert ist. Allerdings ist es mit dem Sinn und Zweck von §  1359 BGB unvereinbar, wenn diese Vorschrift dazu führt, dass letztlich der Haftpflichtversicherer von der Haftungsmilderung profitiert.976 Dem kann durch eine teleologische Reduktion von §  1359 BGB Rechnung getragen werden.

971 Überzeugend jurisPK/Faust, §   346 Rn.   77; ähnlich Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.  930; MüKoBGB/Roth, §  1359 Rn.  19. 972  So auch Diederichsen, 25 Jahre Karlsruher Forum 1983, 141 (143); Heller, diligentia quam in suis, S.  171; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.  930; Schmieder, JZ 2009, 189 (192); Staudinger/Voppel, §  1359 Rn.  22. 973 BGH v. 10.2.2009 – VI ZR 28/08, NJW 2009, 1482; vgl. auch OLG Frankfurt v. 24.6.1986 – 8 U 174/85, NJW-RR 1986, 1350 (1351). 974  BGH v. 27.6.1961 – VI ZR 205/60, NJW 1961, 1966 (1967). 975  Vgl. dazu Kap.  3 D.II.1.b), S. 283 ff. 976 Ebenso Dieckmann, FS Reinhardt (1972), S.  51 (60); Diederichsen, 25 Jahre Karlsruher Forum 1983, 141 (144); Deutsch, JuS 1967, 496 (498; zu §  708 BGB i.R.e. Fahrgemeinschaft). A. A. Larenz, FS Westermann (1974), S.  299 (306), der zwar anerkennt, dass eine Begünstigung der Haftpflichtversicherung dem Sinn des §  708 BGB widerspricht, darin aber nur ein Argument mehr dafür sieht, die Privilegierung im Straßenverkehr generell nicht anzuwenden; Brandenburg, JuS 1974, 16 (20).

C. Haftung kraft schuldrechtlicher Sonderverbindung zwischen den Ehegatten

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(3) Teleologische Reduktion von §  1359 BGB bei Versicherungsschutz Manche Stimmen in der Rechtsprechung und Literatur begründen die Nichtanwendbarkeit der Haftungsprivilegierung bei bestehendem Versicherungsschutz mit der Annahme einer stillschweigenden Abbedingung von §  1359 BGB.977 Damit soll vor allem erreicht werden, nur solche Ansprüche zwischen den Ehegatten zuzulassen, die von einer Haftpflichtversicherung gedeckt sind. Für alle anderen wird teilweise, sofern die BGH-Rechtsprechung zur Nichtanwendbarkeit von §  1359 BGB im Straßenverkehr zugrundegelegt wird, ein stillschweigender Haftungsverzicht zwischen den Ehegatten angenommen.978 Die Fiktion einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung zwischen den Ehegatten mit dem Inhalt eines Haftungsverzichtes ist jedoch zu Recht überwiegend auf Ablehnung gestoßen.979 Allein aus dem engen persönlichen Verhältnis zwischen Ehegatten lässt sich eine solche Erklärung jedenfalls nicht folgern.980 Sach- und praxisgerechter erscheint deshalb eine teleologische Reduktion von §  1359 BGB.981 Aus Sicht des Versicherers stellt sich die Regelung in §  1359 BGB als zufällige Haftungsprivilegierung des Versicherungsnehmers gegenüber dem geschädigten Ehegatten dar, obwohl die Versicherung an sich das ­R isiko der Haftung für den eingetretenen Schaden übernommen hat.982 Von 977  OLG Frankfurt v. 24.6.1986 – 8 U 174/85, NJW-RR 1986, 1350 (1352); OLG Karls­r uhe v. 4.10.1962 – 4 U 145/61, VersR 1963, 685; OLG Düsseldorf v. 13.1.1959 – 4 U 218/58, VersR 1959, 568 f.; OLG Stuttgart v. 3.4.1958 – 2 U 177/57, VersR 1958, 891, 892; OLG Naumburg v. 29.3.1938 – 7 U 5/38, JW 1938, 2355 f.; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  22 Rn.  6. 978  OLG Frankfurt v. 24.6.1986 – 8 U 174/85, NJW-RR 1986, 1350 (1352); vgl. auch BGH v. 10.2.2009 – VI ZR 28/08, NJW 2009, 1482 (1483), der die Annahme eines stillschweigenden Haftungsverzichts im Wege ergänzender Vertragsauslegung gerade damit begründet, dass entgegen der Annahme der Mitglieder der Fahrgemeinschaft kein Versicherungsschutz bestand. 979  BGH v 11.2.1964 – VI ZR 271/62, NJW 1964, 860; BGH v. 1.8.1965 – VI ZR 234/63, NJW 1965, 907 („In Wirklichkeit handelt es sich bei dem Zurückgreifen auf den angeblich erklärten Parteiwillen um eine Fiktion, mit der ein vom Richter als angemessen angesehenes Ergebnis begründet werden soll.“); Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, S.  214 f.; Dieckmann, FS Reinhardt (1972), S.  51 (60); Hauss, FS Möhring (1965), S.  345 S.  345 (353); Böhmer, MDR 1963, 885 (886 f.); Böhmer, JR 1969, 54 (55; für Verkehrsstraf­ prozesse); Hartung, VersR 1970, 674; Stoll, JZ 1964, 61 (62 f.). 980  Bern, NZV 1991, 449 (451). 981  So auch Jayme, Die Familie im Recht der unerlaubten Handlungen, S.  218; Heller, diligentia quam in suis, S.  179; Knolle, Haftungsprivileg, S.  62; Diederichsen, 25 Jahre Karls­r uher Forum 1983, 141 (144); Soergel/M. Lipp, §  1359 Rn.  6 . 982  Diese Fallkonstellation hat Ähnlichkeiten mit den Fällen der Drittschadensliquidiation, in denen eine zufällige Schadensverlagerung (vom Anspruchsinhaber hin zu einem wirtschaftlich Geschädigten, der selbst keinen Anspruch hat) nicht zu einer Entlastung des Schädigers führen darf. Auch aus §  843 Abs.  4 BGB folgt der ähnliche Rechtsgedanke, dass der Geschädigte nicht dadurch entlastet werden darf, dass ein Dritter aufgrund einer Unterhaltspflicht bereits für den Schaden aufgekommen ist. Hier geht es zwar nicht um einen Schädiger, aber um eine Person, die als Versicherung bewusst ein bestimmtes Schadensrisiko übernommen hat und deshalb nicht durch für sie zufällige Umstände von der Haftung befreit werden soll, nur weil zugunsten des Versicherungsnehmers im relativen Verhältnis zum Geschädigten

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dieser – auf dem höchstpersönlichen Verhältnis zwischen schädigendem und geschädigtem Ehegatten beruhenden – Privilegierung soll nach dem Sinn und Zweck der Norm nicht die Versicherung profitieren. Natürlich tritt die Ver­ sicherung nur ein, wenn und soweit der Versicherte nach materiellem Recht haftet (vgl. §  100 VVG), allerdings hat die Versicherung für gewisse scha­ densträchtige Situationen generell das Risiko von durch Unzulänglichkeiten des Versicherungsnehmers unverschuldet oder fahrlässig verursachten Schäden übernommen. Aus ihrer Sicht macht es keinen Unterschied, ob der Geschädigte ein fremder Dritter oder der Ehegatte ist. Deshalb wäre es nicht sachgerecht, dass sie von ihrer vertraglich übernommenen Haftung freikommt, nur weil im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten aufgrund der engen persönlichen Beziehung ein unmittelbarer Ersatzanspruch wegen §  1359 BGB ausgeschlossen ist. Ein solches Ergebnis würde über den von §  1359 BGB beabsichtigten Sinn und Zweck weit hinausgehen. Die Haftungsprivilegierung ist deshalb teleologisch auf diejenigen Fälle zu beschränken, in denen eine unmittelbare Haftung im Innenverhältnis der Ehegatten in Rede steht. Ist der eingetretene Schaden hingegen durch eine Versicherung abgedeckt, ist §  1359 BGB unanwendbar.983 Im Ergebnis ist dem BGH daher zuzustimmen, dass §  1359 BGB auf Unfälle im Straßenverkehr nicht anwendbar ist. Grund dafür ist jedoch nicht, dass hier kein Raum für individuelle Sorglosigkeit ist, sondern dass hier eine Pflichthaftpflichtversicherung besteht, die für die im Straßenverkehr verursachten Schäden die Haftung übernommen hat und nicht durch den zufälligen Umstand entlastet werden soll, dass statt einem Dritten der Ehegatte geschädigt wurde.984 Deshalb entstehen auch keine Widersprüche zur Gefährdungshaftung des Kfz-Halters oder Kfz-Fahrers nach §  7 bzw. §  18 StVG, auf die eine Reduzierung des Haftungsmaßstabs nach §  1359 BGB mangels Verschuldenserfordernisses nach hier vertretener Ansicht nicht anwendbar ist.985 Gerade in der Anordnung einer Gefährdungshaftung und der gesetzlich vorgeschriebenen aufgrund einer höchstpersönlichen Privilegierung eine gesetzliche Haftungsmilderung eingreift. 983  BGH v. 12.12.1991 – III ZR 10/91, NJW 1992, 1227 (1228) m. w. N.: „Haftungsbeschrän­ kungen, die aufgrund der ehelichen Beziehungen zu erwägen wären (…), kommen zudem jedenfalls dann nicht in Betracht, wenn der verantwortliche Ehegatte durch eine Haftpflichtversicherung geschützt wird (…). Der tragende Grund für eine denkbare Verpflichtung des verletzten Ehegatten, sich aus ehelicher Rücksicht Beschränkungen bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen aufzuerlegen, entfällt, wenn dem schädigenden Partner letztlich wieder gemeinsam zu tragende wirtschaftliche Opfer nicht abverlangt, die Haftungsfolgen vielmehr durch einen bereitstehenden Versicherungschutz aufgefangen werden.“ So auch LG Wiesbaden v. 17.3.2011 – 9 O 342/08, juris Rn.  33; Böhme/Biela, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, Kap.  1 Rn.  374. 984  Im Ergebnis ebenso Dieckmann, FS Reinhardt (1972), S.  51 (60); Rauscher, FamR, Rn.  303. 985  A. A., nicht überzeugend, Kunschert, NJW 2003, 950, der die persönlichen Haftungsprivilegierungen im Straßenverkehr auf die (nicht durch Verhaltenskomponenten beeinflusste) Gefährdungshaftung anwenden will, nicht hingegen auf die Verschuldenshaftung, da im Straßenverkehr kein Raum für individuelle Sorglosigkeit bestehe.

C. Haftung kraft schuldrechtlicher Sonderverbindung zwischen den Ehegatten

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Pflichthaftpflichtversicherung zeigt sich, dass im Straßenverkehr ein spezifisches Gefahrenpotential vorhanden ist, für das die Versicherung unabhängig von einem Verschulden des Versicherungsnehmers einstehen soll. Diese Gefahr bzw. das versicherte Risiko ist in Straßenverkehrssituationen unabhängig davon, ob ein fremder Dritter oder ein Ehegatte geschädigt wird. Realisiert sich das versicherte Risiko, darf die Einstandspflicht der Versicherung mithin nicht deshalb entfallen, weil im Verhältnis zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Geschädigten (zufällig) aufgrund der persönlichen Beziehung ein milderer Haftungsmaßstab gilt, zumal die Versicherung nach der gesetzlichen Konzep­ tion sogar unabhängig von einem Verschulden des Versicherungsnehmers für den durch einen Versicherungsfall verursachten Schaden aufkommen muss.

V. Ergebnis Aufgrund der zwischen Ehegatten bestehenden schuldrechtlichen Sonderverbindung kommt im Grundsatz eine schuldrechtliche Haftung im Innenverhältnis nach §  280 Abs.  1 BGB in Betracht. Voraussetzung dafür ist die Verletzung einer Rechtspflicht. Entgegen der überwiegenden Ansicht in der Rechtsprechung und Literatur folgen aus §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB keinerlei persönliche Rechtspflichten, und zwar entgegen dem Wortlaut weder zur ehelichen Lebensgemeinschaft, noch zur ehelichen Treue, häuslichen Gemeinschaft oder zu sonstigem Verhalten betreffend den persönlichen Ehebereich. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist zwar ein konstitutives Tatbestandsmerkmal der Ehe, im höchstpersönlichen (Intim-)Bereich jedes Ehegatten ist es dem Gesetzgeber jedoch schon aus verfassungsrechtlichen Gründen verwehrt, echte Rechtspflichten zu statuieren. Ein Ehebruch als solcher verletzt daher keine Rechtspflicht, sondern ist allenfalls moralisch zu missbilligen; durch ein solches Verhalten kausal verursachte Schäden (z. B. Detektivkosten) sind deshalb nicht erstattungsfähig. Im Übrigen obliegt die Ausgestaltung des persönlichen Bereichs der ehelichen Lebensgemeinschaft der einvernehmlichen Regelung durch die Ehegatten selbst; auch in diesem dispositiv rechtsfreien Bereich sind gesetzgeberische Vorgaben in der Form von echten Rechtspflichten unzulässig. Neben den anerkannten Leistungspflichten (wie Unterhalt, Zugewinnausgleich, Versorgungsausgleich, Überlassung von Ehewohnung und Haushaltsgegenständen für die Zeit der Trennung und nach der Scheidung sowie Auskunft über die Vermögensverhältnisse) sind die Ehegatten einander kraft der ehelichen Sonderverbindung „nur“ gemäß §  241 Abs.  2 BGB zur Rücksichtnahme auf die Rechtsgüter, Rechte und Interessen des jeweils anderen verpflichtet. Daraus folgt insbesondere eine Aufklärungspflicht über alle für den anderen erkennbar wesentlichen Umstände. Anknüpfend an die Verletzung einer Aufklärungspflicht lassen sich auch diejenigen Fälle sachgerecht lösen, in denen die Ehefrau absprachewidrig einseitig Verhütungsmittel absetzt oder ihrem Ehemann ein

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im Seitensprung gezeugtes Kind unterschiebt. Daneben können in Bezug auf den persönlichen Ehebereich echte Rechtspflichten zwischen den Ehegatten auch kraft Parteivereinbarung begründet werden (dispositiv rechtsfreier Raum), sofern nicht der zwingend rechtsfreie Bereich betroffen ist; im Regelfall fehlt den Ehegatten jedoch hinsichtlich der einvernehmlich auszugestaltenden Lebensgemeinschaft ein Rechtsbindungswille. Sofern eine Pflichtverletzung zwischen Ehegatten vorliegt, kann eine schuld­ rechtliche Haftung an der Haftungsprivilegierung gemäß §  1359 BGB scheitern, die in allen Lebenslagen anwendbar ist. Das gilt im Grundsatz auch für den Straßenverkehr, sofern eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht in Rede steht, allerdings ist §  1359 BGB immer dann teleologisch zu reduzieren, wenn sich im eingetretenen Schaden ein Risiko realisiert hat, das durch eine Versicherung abgesichert ist. Aufgrund der Kfz-Pflichthaftpflichtversicherung kommt §  1359 BGB daher bei den praktisch relevanten Straßenverkehrsunfällen nicht zum Tragen, und nicht etwa, wie die Rechtsprechung und weite Teile der Literatur meinen, deshalb, weil im Straßenverkehr kein Raum sei für individuelle Sorglosigkeit.

D. Haftung eines Dritten gegenüber einem Ehegatten I. Haftung des Dritten bei Ehestörung Bereits oben wurde ausführlich dargestellt, dass die Ehe als solche kein absolut geschütztes Recht oder Rechtsgut im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB ist,986 so dass deliktische Ansprüche des betrogenen Ehegatten im Außenverhältnis gegenüber dem Ehestörer ebenso ausscheiden wie quasi-negatorische Ansprüche auf Unterlassung gemäß §  1004 BGB analog.987 Daran ändert auch der Umstand nichts, dass im Außenverhältnis das Deliktsrecht als einzig in Betracht kommender Regelungsbereich für die Frage der Haftung des Ehestörers entscheidend ist, weil es insofern an einer schuldrechtlichen Sonderbeziehung zwischen dem betrogenen Ehegatten und dem Ehestörer als alternativem Anknüpfungsgegenstand fehlt. Da der Deliktsschutz jedoch mangels einer „großen Generalklausel“ nicht allumfassend ist, sondern nur ganz bestimmte Rechtsgüter, nicht jedoch das Vermögen als solches gegen Verletzungen schützt, kann der betrogene Ehegatte vom Ehestörer weder für materielle noch für immaterielle Schäden Ersatz verlangen. Vielmehr muss er sich insofern an seinen Ehegatten halten, der an einer Ehestörung mitbeteiligt ist und in dem bereits dargestellten beschränkten Umfang kraft der zwischen Ehegatten bestehenden schuldrechtlichen Sonderbeziehung haften kann, sofern eine Rechtspflicht durch ein Verhalten verletzt wurde, das über den Ehebruch hinausgeht. 986  987 

Siehe Kap.  3 B.IV., S. 94 ff. A. A. Riehm, FS Coester-Waltjen (2015), S.  1169 (1173 f., 1175).

D. Haftung eines Dritten gegenüber einem Ehegatten

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II. Verletzung sonstiger Rechtsgüter eines Ehegatten 1. Eigene Ansprüche des durch einen Dritten geschädigten Ehegatten a) Mitwirkendes Verschulden des anderen Ehegatten Sofern andere (absolut geschützte) Rechtsgüter eines Ehegatten durch einen Dritten geschädigt werden, steht ihm selbstverständlich und unproblematisch ein deliktischer Anspruch auf Schadensersatz zu. Interessant ist dabei jedoch die Frage, inwieweit sich der geschädigte Ehegatte ein mitwirkendes Verschulden bzw. einen mitwirkenden Verursachungsbeitrag seines Ehegatten anspruchskürzend zurechnen lassen muss. Ein eigenes Mitverschulden des geschädigten Ehegatten bei der Schadensentstehung oder Schadensminderung führt gemäß §  254 BGB zu einer anteiligen Schadenskürzung. Über die Verweisung in §  254 Abs.  2 S.  2 BGB, die nach h. M. als selbständiger Absatz 3 zu lesen ist,988 auf §  278 BGB muss sich der Geschädigte außerdem das Verschulden seines Erfüllungsgehilfen oder seines gesetz­ lichen Vertreters zurechnen lassen. Unabhängig davon, ob man diese Verweisung vor allem mit der Rechtsprechung als Rechtsgrundverweisung989 oder mit einem Teil der Literatur als Rechtsfolgenverweisung990 versteht,991 ist ein Ehegatte jedoch kein gesetzlicher Vertreter des anderen und in aller Regel auch nicht Erfüllungsgehilfe im Verhältnis zum schädigenden Dritten. In Betracht kommt jedoch eine Anspruchskürzung über die allgemeinen Grundsätze der sog. Haftungs- bzw. Zurechnungseinheit. Von einer Haftungseinheit im Sinne der von der Rechtsprechung entwickelten Konzeption ist auf Schädigerseite immer dann auszugehen, wenn sich das Verhalten mehrerer Schädiger in ein und demselben Verursachungsbeitrag ausgewirkt hat, bevor der von einem oder mehreren anderen Beteiligten (insbesondere dem Geschädigten selbst) zu vertretende Kausalverlauf hinzugetreten ist.992 In diesem Fall soll der Geschädigte nicht deshalb besser gestellt werden, weil die Schadensursache auf Schädigerseite zufälligerweise nicht nur von einem, sondern von meh-

988  Statt aller, BGH v. 8.3.1951 – III ZR 65/50, NJW 1951, 477; Palandt/Grüneberg, §  254 Rn.  48. 989  St. Rspr. BGH v. 8.3.1951 – III ZR 65/50, NJW 1951, 477; BGH v. 12.11.1991 – VI ZR 7/91, NJW 1991, 560 (563); OLG Frankfurt v. 25.2.2009 – 4 U 210/08, NJW-RR 2009, 894 (896). Ebenso Palandt/Grüneberg, §  254 Rn.  48; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn.  1117 f.; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.  869; MüKoBGB/Oetker, §  254 Rn.  129. 990  Vgl. etwa Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn.  577; ebenso Gernhuber, AcP 152 (1952–1953), 69 ff.; Finger, JR 1972, 406 (409 ff.); Kleindienst, JZ 1957, 457 (458 f.). 991  Differenzierend danach, ob der Geschädigte den Dritten zur Bewahrung des beschädigten Rechtsguts eingesetzt hat oder nicht (so beim gesetzlichen Vertreter), Larenz, Schuld­ recht AT, §  31 I d. 992  BGH v. 16.4.1996 – VI ZR 79/95, NJW 1996, 2023 (2024); MüKoBGB/Oetker, §  254 Rn.  123.

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reren Schädigern gesetzt worden ist,993 obwohl neben dem eigenen Mitverursachungsbeitrag nur eine weitere Ursache zum Schadenseintritt beigetragen hat. Es wäre beispielsweise nicht gerechtfertigt, dem Geschädigten nur einen Mitverschuldensanteil von einem Drittel anzurechnen, wenn und weil auf Schädigerseite zwei Personen zum Schaden beigetragen haben, sofern sich deren Verhalten in ein und demselben Verursachungsbeitrag ausgewirkt hat. Vielmehr muss sich der Geschädigte hier ein Mitverschulden von 50 % anrechnen lassen. Es soll vermieden werden, dass im Wesentlichen identische Verursachungsfaktoren zum Nachteil eines der Beteiligten doppelt zum Ansatz kommen.994 In solchen Konstellationen nimmt die Rechtsprechung daher eine Haftungseinheit auf Schädigerseite an, so dass die Schädiger wie ein Verursacher behandelt werden995 und nur in Höhe der gemeinsam verursachten Schadensquote haften.996 Gleichermaßen kann auch der Geschädigte mit einem von mehreren Schädigern aus rechtlichen oder tatsächlichen997 Gründen eine „Einheit“ bilden, „wenn die vom ‚Erstschädiger‘ und dem Geschädigten zu verantwortenden Kausalbeiträge im Wesentlichen deckungsgleich erscheinen, weil sie gemeinsam eine bereits gefahrbringende Verkehrslage geschaffen haben, zu der dann erst der weitere Schadensbeitrag des zweiten Schädigers hinzugetreten ist“.998 In diesem Fall spricht man nicht von Haftungs-, sondern von Zurechnungseinheit, weil der Geschädigte für seinen eigenen Schaden nicht „haftet“.999 Dogmatisch geht es in dieser Konstellation nicht um die Zurechnung fremden Verschuldens, sondern vielmehr um die richtige Gewichtung des eigenen Verursachungsbeitrags des Geschädigten,1000 bei dem er sich aufgrund der tatsächlichen oder rechtlichen Verschmelzung auch den Verursachungsbeitrag eines der Mitschädiger im Rahmen einer einheitlichen Quote anrechnen lassen muss.1001 Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob der Geschädigte mit einem der Schä993  Dabei ist nach h. M. unerheblich, ob die „einheitliche Verursachung“ auf tatsächlichen oder rechtlichen Gründen beruht. Eine rechtliche Haftungseinheit wird beispielsweise zwischen Fahrer und Halter (vgl. BGH v. 27.10.2010 – IV ZR 279/08, NJW 2011, 447 [449 m. w. N.]) oder zwischen Erfüllungs- oder Verrichtungsgehilfe und Geschäftsherrn (BGH v. 17.12.2009 – VII ZR 172/08, NJW 2010, 1592 [1594]) angenommen. 994  BGH v. 16.4.1996 – VI ZR 79/95, NJW 1996, 2023 (2024); BGH v. 13.12.1994 – VI ZR 283/93, NJW 1995, 1150 (1151). 995  Kirchhoff, NZV 2001, 361. 996 MüKoBGB/Oetker, §  254 Rn.  123. 997 Generell gegen tatsächliche Haftungs- und Zurechnungseinheiten E. Lorenz, Haftungs- und Zurechnungseinheiten, S.  20 ff. 998  BGH v. 16.4.1996 – VI ZR 79/95, NJW 1996, 2023 (2024) m. w. N.; BGH v. 18.4.1978 – VI ZR 81/76, NJW 1978, 2392; BGH v. 18.9.1973 – VI ZR 91/71, NJW 1973, 2022; Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  548. 999  Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  5 47; E. Lorenz, Haftungs- und Zurechnungseinheiten, S.  12; Dunz, NJW 1968, 679 (682). 1000  Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  547 ff.; ebenso Kirchhoff, NZV 2001, 361 (362). 1001  BGH v. 16.4.1996 – VI ZR 79/95, NJW 1996, 2023 (2024), dort auch zu der Folge, dass zwischen einem in der Zurechnungseinheit stehenden „Erstschädiger“ und dem außenhalb

D. Haftung eines Dritten gegenüber einem Ehegatten

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diger, der mit ihm in einer Zurechnungseinheit verbunden ist, verheiratet ist oder nicht. Da insofern keine ehespezifischen Aspekte zu berücksichtigen sind, ist auf diese Möglichkeit der Anspruchskürzung hier nicht näher einzugehen.1002 b) Anspruchsreduzierung nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld Anders ist dies im Hinblick auf die familienrechtlichen Haftungsprivilegierungen, namentlich §  1359 BGB für das Verhältnis der Ehegatten und §  1664 BGB für das Eltern-Kind-Verhältnis, die im Falle mehrerer Schädiger zu einer „gestörten Gesamtschuld“ führen können. Ist neben dem nach §  1359 BGB privilegiert haftenden Ehegatten noch ein außenstehender Dritter für die Schädigung des anderen Ehegatten mitverantwortlich, stellt sich die Frage, wie sich die im Innenverhältnis der Ehegatten bestehende Haftungsprivilegierung auf das Außenverhältnis auswirkt. Nach überwiegender, aber umstrittener Ansicht sind diese Konstellationen dadurch zu lösen, dass der Anspruch des Geschädigten im Außenverhältnis zum nicht privilegiert haftenden Schädiger (im Folgenden: Zweitschädiger) automatisch entsprechend der (fiktiven) Haftungsquote des privilegierten Schädigers (im Folgenden: Erstschädiger) gekürzt wird, die auf diesen im Falle eines gedachten Gesamtschuldverhältnisses zwischen den Schädigern entfallen würde. Hier wird der Umfang der Haftung des Dritten gegenüber dem Geschädigten also davon beeinflusst, dass dieser verheiratet ist und dessen Ehegatte an der Schadensverursachung als Erstschädiger beteiligt ist. (1) Problemstellung Wenn der schädigende Ehegatte dem geschädigten Ehegatten wegen §  1359 BGB nicht haftet, entsteht zwischen dem Dritten und dem schädigenden Ehegatten kein Gesamtschuldverhältnis (§  840 BGB), das einen Ausgleich zwischen den Gesamtschuldnern entsprechend dem jeweiligen Verschuldensanteil nach Maßgabe von §  426 BGB ermöglichen würde. Deshalb spricht man in solchen Fällen von einer „gestörten“ Gesamtschuld,1003 die freilich nicht nur im hier interessierenden Zusammenhang mit §  1359 BGB entsteht, sondern bei allen gesetzlichen oder vertraglich vereinbarten Haftungsbeschränkungen relevant werden kann. Lässt man die Haftungsprivilegierung voll durchgreifen, so würde diese letztstehenden „Zweitschädiger“ ein Gesamtschuldnerausgleich nicht in Betracht kommt (S.  2025); BGH v. 18.9.1973 – VI ZR 91/71, NJW 1973, 2022 (2024). 1002  Näher zu dieser Problematik Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  544 ff.; E. Lorenz, Haftungs- und Zurechnungseinheiten, passim; MüKoBGB/Oetker, §  254 Rn.  119 ff.; Roth, Haftungseinheiten bei §  254 BGB, passim; Staudinger/Schiemann, §  254 Rn.  137 ff.; Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, §  7 IV 7, S.  109 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen zum Schrifttum. 1003 Zur gestörten Gesamtschuld im japanischen Recht siehe Nitta, FS Koziol (2010), S.  333 ff.

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

lich zu Lasten des Zweitschädigers gehen, ein Ergebnis, das ungerecht erscheint und bei vertraglichen Haftungsausschlüssen sogar auf einen unzulässigen Vertrag zulasten Dritter hinauslaufen würde.1004 Schon daran zeigt sich, dass sich eine interessengerechte Lösung der „gestörten Gesamtschuld“ nur finden lässt, wenn man sämtliche Haftungsprivilegierungen mit in den Blick nimmt. Illustriert sei die Problematik anhand eines vom BGH entschiedenen Falls zur Frage des Gesamtschuldnerausgleichs zwischen einem Dritten und einem Ehemann, die beide zu dem der Ehefrau entstandenen Schaden beigetragen haben, wobei inzident geklärt werden musste, ob §  1359 BGB auf die gemeinsame Ausübung von Freizeitsport durch die Ehegatten anwendbar ist: 1005 Der Kläger ist Eigentümer eines Motorboots, mit dem er und das Ehepaar zum Wasserskifahren auf den Gardasee ausgefahren waren. Zum Zeitpunkt des Unfalls hatte die Ehefrau ihre Wasserskifahrt gerade beendet und schwamm auf das von ihrem Ehemann gesteuerte Motorboot zu. Aufgrund eines Warnschreis des Klägers drückte der Ehemann, der mit dem Boot nicht vertraut war, die beiden Gashebel nach vorne; da sich jedoch die Getriebehebel – ohne sein Wissen – in Rückwärtsposition befanden, fuhr das Boot nicht wie beabsichtigt vorwärts, sondern rückwärts. Dadurch geriet seine Ehefrau in die Schraube des Bootes und verletzte sich schwer. Der Kläger wurde als Eigentümer des Motorbootes wegen Verletzung der ihm obliegenden Verkehrssicherungspflicht rechtskräftig zur Zahlung von Schadensersatz an die Ehefrau verurteilt. Im hier interessierenden Verfahren begehrte der Kläger nunmehr im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs vom beklagten Ehemann, ihn zu 80 % von den Schadensersatzansprüchen der Ehefrau freizustellen.

Das Berufungsgericht1006 hat das Freistellungsbegehren mit der Begründung abgewiesen, zwischen den Parteien bestehe keine gesamtschuldnerische Haftung im Sinne von §§  840, 421, 426 BGB, weil der Beklagte als Ehemann der Geschädigten für sein objektiv vorliegendes Fehlverhalten wegen §  1359 BGB nicht verantwortlich sei. Folglich seien auch die Grundsätze des „gestörten Gesamtschuldnerausgleichs“ nicht anwendbar, da der privilegierte Mitschädiger nicht in die Regelung des §  840 Abs.  1 BGB hineinwachse. Die vom BGH entwickelte Ausnahme für den Straßenverkehr, für den der besondere Haftungsmaßstab nicht gelte,1007 sei nicht einschlägig, da es sich um einen Unfall bei der gemeinsamen Freizeitgestaltung der Ehegatten handele. Der Sorgfaltsverstoß des Beklagten überschreite nicht die Schwelle von §  277 BGB. Sein Fehlverhalten sei auf ein Augenblicksversagen in einer Stresssituation zurückzuführen, weil der Warnschrei des Klägers eine Schreckreaktion bei ihm verursacht und ihn dazu veranlasst habe, einen Hebel des Bootes, mit dem er nicht vertraut war, falsch 1004  Statt vieler Soergel/Gebauer, §  426 Rn.  42; Larenz, Schuldrecht AT, §  37 III, S.  6 47. Generell zur Unzulässigkeit von Verträgen zulasten Dritter MüKoBGB/Gottwald, §  328 Rn.  258 ff.; Soergel/Hadding, §  328 Rn.  118 ff. 1005  BGH v. 24.3.2009 – VI ZR 79/08, NJW 2009, 1875. 1006  OLG Nürnberg v. 27.2.2008 – 4 U 863/07, ZfSch 2008, 317. 1007  Dazu ausführlich oben Kap.  3 C.IV.3.c), S. 273 ff.

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umzulegen. Insofern stehe im vorliegenden Fall nicht ein kurzzeitiges „Nichtaufpassen“ des Beklagten, sondern das unheilvolle Zusammenwirken einer ganzen Reihe von Umständen im Vordergrund, welches die persönliche Schuld des Beklagten in einem milderen Licht erscheinen lasse. Der BGH hat die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und eine gesamtschuldnerische Haftung des Ehemannes neben dem Kläger im Grundsatz bejaht.1008 §  1359 BGB sei hier – ebenso wie bei Schadensfällen im Straßenverkehr – nicht anwendbar, da es sich um einen Unfall mit einem motorgetriebenen Fahrzeug von vergleichbarer Gefährlichkeit handele, für dessen Betrieb eine Lizenz erforderlich sei.1009 Auch wenn es sich um die gemeinsame Ausübung von Freizeitsport im Rahmen der ehelichen Lebensgestaltung handelte, komme mithin im Streitfall eine Haftungsmilderung nach §  1359 BGB nicht in Betracht und bestimme sich die Verantwortlichkeit des beklagten Ehemanns nach dem strengeren allgemeinen Haftungsmaßstab des §  276 BGB.1010 Geht man indes mit der hier vertretenen Ansicht davon aus, dass im Innenverhältnis der beiden Ehegatten zueinander stets, und damit im Grundsatz auch im motorisierten Verkehr, die Rücksichtnahmepflicht gemäß §  241 Abs.  2 BGB zu beachten ist, für die §  1359 BGB gilt, und berücksichtigt man außerdem, dass die Haftungsprivilegierung auch auf die konkurrierende Deliktshaftung anwendbar ist, so ist zunächst mit dem Berufungsgericht davon auszugehen, dass sich der Ehemann gegenüber seiner Frau auf den Sorgfaltsmaßstab des §  1359 BGB berufen kann. Allerdings wäre unter den konkreten Umständen des Falles eine teleologische Reduktion der Norm geboten gewesen,1011 da in Italien – anders als in Deutschland – der Abschluss einer Bootshalter-Haftpflichtversicherung verpflichtend ist, über die auch der Bootsführer mitversichert wird.1012 Da es nicht dem Sinn und Zweck der Haftungsprivilegierung entspricht, statt dem Ehegatten eine den konkreten Schaden abdeckende Versicherung zu begünstigen,1013 ist in solchen Fällen §  1359 BGB nicht anwendbar, so dass dem BGH (wenn auch nur) im Ergebnis zuzustimmen ist. Lässt man den Fall jedoch in Deutschland spielen und nimmt an, dass der Ehemann nicht durch eine freiwillig abgeschlossene Versicherung geschützt ist, 1008 

BGH v. 24.3.2009 – VI ZR 79/08, NJW 2009, 1875 Rn.  9 ff. BGH v. 24.3.2009 – VI ZR 79/08, NJW 2009, 1875 (1976 Rn.  12). 1010  BGH v. 24.3.2009 – VI ZR 79/08, NJW 2009, 1875 (1976 Rn.  13). 1011  Siehe dazu oben Kap.  3 C.IV.3.c)(3), S. 277 ff. 1012  OLG Nürnberg v. 27.2.2008 – 4 U 863/07, ZfSch 2008, 317 (Rn.  43). 1013 Nicht überzeugend ist die Argumentation des OLG Nürnberg v. 27.2.2008 – 4 U 863/07, ZfSch 2008, 317 (Rn.  43), das davon ausgeht, dass der bestehende Versicherungsschutz einer Anwendung von §  1359 BGB im konkreten Fall deshalb nicht entgegenstehe, weil die Versicherung aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung des Klägers ohnehin in der Haftung stehe und der Geschädigten deshalb durch die Anwendung von §  1359 BGB kein wirtschaftlicher Nachteil entstehe. Die Frage der Haftung einer Person kann nicht davon abhängig gemacht werden, ob der Schaden im Einzelfall schon von Dritter Seite abgedeckt ist. 1009 

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so scheidet eine teleologische Reduktion von §  1359 BGB – anders als im Straßenverkehr – aus, mit der Folge, dass der Ehemann nur für diejenige Sorgfalt einzustehen hat, die er in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegt. Da seine fatale Reaktion auf den Warnschrei des Klägers unter den gegebenen Umständen wohl kaum als grob fahrlässig gewertet werden kann, liegt auch diesem Fall (anders als das Berufungsgericht meint) die Problemkonstellation einer „gestörten Gesamtschuld“ zwischen dem rechtskräftig verurteilten Schuldner und dem Ehemann der Geschädigten zugrunde, und es stellt sich die Frage, wie diese sachgerecht zu lösen ist. (2) Lösungsmöglichkeiten Lehnt man aus den genannten Gründen ein Ergebnis ab, das bei „gestörten Gesamtschulden“ alleine den nicht privilegierten Schädiger belastet, so kommen letztlich drei Lösungsmöglichkeiten in Betracht.1014 (a) Fingiertes Gesamtschuldverhältnis Naheliegend erscheint zunächst eine Lösung, die der Haftungsprivilegierung nur im Innenverhältnis zwischen den Ehegatten Wirkungen zuspricht, sie jedoch im Verhältnis der Schädiger zueinander gänzlich unberücksichtigt lässt. Der Geschädigte kann hiernach nur den nicht privilegierten Zweitschädiger in voller Höhe in Anspruch nehmen, dieser kann jedoch über ein fingiertes Gesamtschuldverhältnis anteilig Regress beim nur gegenüber dem Geschädigten privilegiert haftenden Erstschädiger nehmen, so als würde die Privilegierung nicht bestehen.1015 Im Ergebnis führt diese Lösung zu einer Schadensverteilung, die durch die „Störung“ der Gesamtschuld nicht beeinflusst wird und die Privilegierung praktisch ignoriert. Wie beim „normalen“ Gesamtschuldnerausgleich kann sich der voll in Anspruch genommene Gesamtschuldner beim anderen anteilig schadlos halten, er trägt insofern lediglich das Insolvenzrisiko. (b) Regresskreisel Will man bei diesem Ergebnis, nach dem der an sich privilegierte Schädiger den Schaden anteilig mit tragen muss, nicht stehen bleiben, sondern die finanzielle Belastung – der Privilegierung entsprechend – auf den Geschädigten verlagern, so muss man dem Erstschädiger einen Ausgleichsanspruch gemäß §  812 Abs.  1 S.  1 Var. 2 BGB gegen den Geschädigten einräumen. Dadurch entsteht letztlich ein Regresskreisel, bei dem jeder Beteiligte ein anderes Insolvenzrisiko trägt: 1014  Nicht überzeugend ist die Ansicht von Janda, VersR 2012, 1078, die eine gänzliche „Überwindung“ des gestörten Gesamtschuldnerausgleichs vorschlägt und meint, mit §  254 Abs.  2 S.  2 BGB sämtliche Konstellationen sachgerecht lösen zu können. 1015 So Muscheler, JR 1994, 441 (443 ff.).

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Der Geschädigte muss sich an den Zweitschädiger halten, dieser kann anteilig beim Erstschädiger Regress nehmen, der sich seinerseits in Höhe seiner Inanspruchnahme beim Geschädigten schadlos halten kann. Im Ergebnis wird hier der Geschädigte entsprechend dem Mitverschuldensanteil des privilegiert haftenden Erstschädigers belastet. (c) Absolute Außenwirkung der Privilegierung Zum gleichen Ergebnis kommt man auch mit der dritten Lösungsmöglichkeit, die darin besteht, den Anspruch des Geschädigten gegenüber dem Zweitschädiger von vornherein um den Verursachungsanteil zu kürzen, der auf den Erstschädiger ohne die Haftungsprivilegierung entfiele.1016 Dem Geschädigten steht also von vornherein kein Anspruch auf den vollen Schaden gegenüber dem Zweitschädiger zu, sondern jener kann diesen nur „auf den Anteil des Schadens in Anspruch nehmen“,1017 der seiner Haftungsquote entspricht; teilweise wird deshalb keine Gesamtschuld, sondern vielmehr eine Teilschuld des nicht privilegierten Schädigers angenommen.1018 Im Ergebnis wird der Haftungsprivilegierung dadurch eine absolute Außenwirkung zulasten des Geschädigten beigemessen, die auch dem Zweitschädiger zugute kommt. Die Schadensabwicklung wird hier allein auf das Verhältnis zwischen Geschädigtem und Zweitschädiger beschränkt.1019 (d) Rechtsprechung des BGH Der BGH hat bei der Beurteilung „gestörter“ Gesamtschuldverhältnisse bisher keine einheitliche Meinung vertreten: Für vertragliche Haftungsfreistellungen fingiert er ein Gesamtschuldverhältnis zwischen den Schädigern und be1016  So etwa Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.  933/934, der diese Lösung bei allen Privilegierungstatbeständen für die gerechteste hält: „Sie belastet denjenigen, dessen Interessen durch den vertraglichen oder gesetzlichen Haftungsausschluss ohnehin abgewertet sind.“; ebenso Brand, ZGS 2010, 265 (267 f.); Hager, NJW 1989, 1640 (1644 f., mit Ausnahme von §  1664 BGB, siehe bei Fn.  1028); Luckey, VersR 2002, 1213 (1216); Mollenhauer, NJ 2011, 1 ff. (mit Vorschlag für einen neu einzuführenden §  840 Abs.  4 BGB); Petersen, Jura 2014, 902 (903 f.); Reschke, DZWIR 2011, 403 (406 f., für §  31a BGB); Schmieder, JZ 2009, 189 ff.; Schreiber, Jura 1989, 353 (358); Stoll, FamRZ 1962, 64 (66); Wurm, JA 1986, 177 (182). Mit Einschränkungen für gesetzliche Haftungsprivilegierungen auch Stamm, NJW 2004, 811 (812 f.); Stamm, BauR 2004, 240 (246 ff.). Dagegen Muscheler, JR 1994, 441 (443). 1017  So BGH v. 1.3.1988 – VI ZR 190/87, NJW 1988, 2667 (2668). 1018 So Costede, JR 2005, 45 (46); Selb, FS W. Lorenz (1991), S.  245 (246 ff.). 1019  Teilweise wird der Begriff der „gestörten Gesamtschuld“ allein für diese Lösungsmöglichkeit verwendet (vgl. Hager, NJW 1989, 1640 [1644 mit Fn.  31]). Hier wird dieser Terminus jedoch in einem weiten Sinne verstanden, der das Problem umschreiben soll, dass von mehreren Schädigern einem eine Haftungsprivilegierung zugutekommt und sie daher nicht in einem „echten“ Gesamtschuldverhältnis zueinander stehen (so auch Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  550 Fn.  219).

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schränkt deren Wirkung damit auf das relative Verhältnis des privilegierten Schädigers zum Geschädigten.1020 Dagegen vertritt er in gefestigter Rechtsprechung in den Fällen, in denen die Störung der Gesamtschuld auf einer sozialversicherungsrechtlichen Haftungsprivilegierung (namentlich §§  104–106 SGB VII; §§  636, 637 RVO a. F.) beruht, die Ansicht, dass Ansprüche des Geschädigten gegen den Zweitschädiger von vornherein auf den Betrag beschränkt sind, der auf diesen im Innenverhältnis zu dem privilegierten Erstschädiger endgültig entfiele, wenn die Schadensverteilung nach §  426 BGB nicht durch eine Haftungsprivilegierung gestört wäre.1021 Als Begründung stützt sich der BGH auf den Gedanken, dass die haftungsrechtliche Privilegierung des einen Schädigers nicht einerseits durch eine Heranziehung im Gesamtschuldnerausgleich unterlaufen werden solle, es aber andererseits angesichts der der Haftungsprivilegierung zugrundeliegenden anderweitigen Absicherung des Geschädigten durch eine gesetzliche Unfallversicherung nicht gerechtfertigt wäre, den Zweitschädiger den Schaden alleine tragen zu lassen. Vielmehr müsse dieser in Höhe des Verantwortungsanteils freigestellt werden, der hinsichtlich der Schadensentstehung auf den Erstschädiger im Innenverhältnis entfiele, wenn man seine Haftungsprivilegierung hinwegdenkt.1022 In Bezug auf die gesetzliche Haftungsprivilegierung des §  1359 BGB hat der BGH zunächst noch die Lösung über ein fingiertes Gesamtschuldverhältnis befürwortet.1023 In einer nachfolgenden Entscheidung hat er sich jedoch für die vergleichbare Regelung im Eltern-Kind-Verhältnis in §  1664 BGB explizit von seiner früheren Ansicht zu §  1359 BGB distanziert und nunmehr die Auffassung vertreten, dass der nach §  1664 BGB privilegiert haftende Mitschädiger schon gar nicht in die Regelung des §  840 Abs.  1 BGB hineinwachse; 1024 es fehle schon an den Grundlagen für ein Gesamtschuldverhältnis, das „gestört“ werden könnte, da dem privilegierten Schädiger die Verursachung des Schadens 1020  So BGH v. 27.2.1989 – II ZR 182/88, NJW 1989, 2386 (2387); BGH v. 9.3.1972 – VII ZR 178/70, NJW 1972, 942 (943); BGH v. 3.2.1954 – VI ZR 153/52, NJW 1954, 875 (876); bestätigt in BGH v. 27.6.1961 – VI ZR 205/60, NJW 1961, 1966 (1967). 1021  Statt vieler BGH v. 18.11.2014 – VI ZR 47/13, NJW 2015, 940 (942); BGH v. 23.9.2014 – VI ZR 483/12, VersR 2014, 1395 (1397); BGH v. 22.1.2008 – VI ZR 17/07, NJW 2008, 2116 (2117); BGH v. 13.3.2007 – VI ZR 178/05, NJW-RR 2007, 1027 (1028); BGH v. 24.6.2003 – VI ZR 434/01, NJW 2003, 2984 (2986); BGH v. 16.4.1996 – VI ZR 79/95, NJW 1996, 2023; BGH v. 23.1.1990 – VI ZR 209/89, NJW 1990, 1361 (1362); BGH v. 23.4.1985 – VI ZR 91/83, NJW 1985, 2261 (2262); BGH v. 12.6.1973 – VI ZR 163/71, NJW 1973, 1648; BGH v. 29.10.1968 – VI ZR 137/67, NJW 1969, 236 (237). 1022  BGH v. 18.11.2014 – VI ZR 47/13, NJW 2015, 940 (942). 1023  BGH v. 27.6.1961 – VI ZR 205/60, NJW 1961, 1966 m. krit. Anm. Stoll, FamRZ 1962, 64; ebenso OLG Frankfurt v. 15.7.1971 – 15 U 192/70, NJW 1971, 1993 f. 1024  BGH v. 1.3.1988 – VI ZR 190/87, NJW 1988, 2667 (2669); vgl. auch BGH v. 15.6.2004 – VI ZR 60/03, NJW 2004, 2892; OLG Bamberg v. 14.2.2012 – 5 U 149/11, NZV 2012, 386; OLG Hamm v. 17.8.1993 – 27 U 144/92, NJW-RR 1994, 415; OLG Hamm v. 20.1.1992 - 6 U 183/91, NJW 1993, 542. Zustimmend Christensen, MDR 1989, 948 ff.; Dunz, JR 1989, 63 (64).

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wegen §  1664 BGB nicht zurechenbar sei.1025 Dies sei ein wesentlicher Unterschied im Vergleich zu vertraglichen Haftungsfreistellungen oder dem gesetzlichen Haftungsausschluss nach §§  104–106 SGB VII,1026 zumal dem Geschädigten hier für einen gekürzten Ersatzanspruch gegen den Zweitschädiger kein Äquivalent in Gestalt einer anderen Ausgleichslösung zuwachse.1027 Im Ergebnis muss also der Zweitschädiger den Schaden alleine tragen, ohne beim freigestellten Erstschädiger Regress nehmen zu können; 1028 für §  1359 BGB muss nach dieser Ansicht wohl das Gleiche gelten.1029 (3) Interessenbewertung Eine sachgerechte Lösung der Problematik der „gestörten Gesamtschuld“ lässt sich nur unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck der „störungsauslösenden“ Privilegierung finden; eine pauschale Antwort über die Vorzugswürdigkeit des einen oder anderen Lösungsmodells ist daher kaum möglich. Im Grundsatz erscheint jedoch die Lösung von der absoluten Außenwirkung der Privilegierung vorzugswürdig, wonach der Anspruch des Gläubigers gegen den Zweitschädiger automatisch um die Haftungsquote des Erstschädigers gekürzt wird. Soweit die Voraussetzungen einer Haftungsprivilegierung gegeben sind, ist im Verhältnis des Geschädigten zum Erstschädiger schon der haftungsbegründende Tatbestand einer Anspruchsgrundlage (z. B. §  823 BGB) nicht erfüllt. Deshalb kann zwischen den beiden Schädigern keine Gesamtschuld entstehen. Sämtliche Lösungen, die dem in Anspruch genommenen Zweitschädiger über ein fingiertes Gesamtschuldverhältnis einen Ausgleichsanspruch gemäß §  426 Abs.  1 BGB1030 oder über die Legalzession des §  426 Abs.  2 BGB gewähren wollen, sind erst dann in Betracht zu ziehen, wenn sich anderenfalls kein interessengerechtes Ergebnis erzielen lässt. Die entscheidende Frage ist mithin, zu wessen Lasten die Haftungsprivilegierung gehen, wer also letztendlich den Schaden tragen soll. Nicht gerechtfertigt erscheint es jedenfalls, wenn die haf1025 

BGH v. 1.3.1988 – VI ZR 190/87, NJW 1988, 2667 (2669). auch Dunz, JR 1989, 63 (64); berechtigte Kritik hingegen von Hager, NJW 1989, 1640 (1644, 1646). 1027  BGH v. 1.3.1988 – VI ZR 190/87, NJW 1988, 2667 (2669); bestätigt BGH v. 15.6.2004 – VI ZR 60/03, NJW 2004, 2892 (2893) m. w. N. auch zur Gegenmeinung. Gegen diese Differenzierung Christensen, MDR 1989, 948 (951 f.); Hager, NJW 1989, 1640 (1644); Lange, JZ 1989, 48 (49); Luckey, VersR 2002, 1213 (1216). 1028  Im Ergebnis so auch Hager, NJW 1989, 1640 (1646 f.). 1029 Palandt/Grüneberg, §  426 Rn.  2 2; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.   932; ­Jauernig/Stürner, §  426 Rn.  25. 1030  Richtigerweise gewährt §  426 Abs.  1 BGB nur einen Befreiungsanspruch des in Anspruch genommenen Gesamtschuldners gegenüber dem anderen Gesamtschuldner, der sich auf die Zeit vor der Befriedigung des Gläubigers beschränkt. Nach der Leistung an den Gläubiger kann der ausgleichsberechtigte Gesamtschuldner nur nach Maßgabe von §  426 Abs.  2 BGB sowie über den Schadensersatz statt der Leistung Ausgleich verlangen; ausführlich dazu Mayer, ZfPW 2015, 226 (235 f.); ebenso schon Stamm, NJW 2004, 811. 1026  So

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tungsrechtliche Privilegierung im Ergebnis zu einer Schlechterstellung des Zweitschädigers führt.1031 Das Argument, dass dieser bei vollständiger Inanspruchnahme ohne Regressmöglichkeit nicht schlechter gestellt werde, als wenn er den Schaden allein verursacht hätte,1032 ist nicht überzeugend, da der Umstand, dass mehrere Schädiger beteiligt sind, nicht einfach unberücksichtigt bleiben darf. Bei vertraglichen Haftungsfreistellungen scheidet eine solche Lösung schon aus dem allgemeinen Grundsatz aus, dass Verträge zulasten Dritter unzulässig sind.1033 Gegen die Lösung über ein fingiertes Gesamtschuldverhältnis spricht, dass die Privilegierung hierbei gänzlich leerlaufen würde; außerdem stünde der Erstschädiger nach dieser Lösung aufgrund der Existenz eines Zweitschädigers schlechter als in Fällen, in denen er alleine für den Schaden verantwortlich wäre.1034 Demgegenüber stimmt eine Lösung zulasten des Geschädigten in Fällen der „gestörten Gesamtschuld“ mit dem vollständigen Anspruchsausschluss bei alleiniger Schädigung durch den privilegierten Schädiger überein,1035 ohne dass der Zweitschädiger infolge der Privilegierung haftungsrechtliche Nachteile erleidet. Zudem steht eine unmittelbare Kürzung des Anspruchs des Geschädigten im Einklang mit der gesetzgeberischen Wertung, dass bei Eingreifen bzw. Hinzutreten eines Privilegierungstatbestands der Geschädigte insofern die negativen Folgen tragen muss. Diese Wertung muss das entscheidende Kriterium bei der Lösung der konfligierenden Interessen sein, wobei im Ergebnis unerheblich ist, ob die Privilegierung auf einer vertraglichen Absprache oder gesetzgeberischen Wertentscheidungen beruht. Dem trägt die herrschende Lehre von der absoluten Außenwirkung der Privilegierung regelmäßig am besten Rechnung. Dies bedeutet freilich nicht, dass diese Lösung nach Maßgabe der absoluten Außenwirkung der Privilegierung ausnahmslos in allen Fallkonstellationen vorzugswürdig ist und einen Rückgriff auf andere Modelle ausschließen würde.1036 Zu Recht wurde gegen die herrschende Lehre eingewandt,1037 dass prozessuale Aspekte dafür sprechen können, dem nicht privilegierten Zweitschädi1031 

Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  554. Vgl. zu diesem Gedanken Christensen, MDR 1989, 948 (951). 1033  Siehe schon bei und in Fn.  1004. 1034  Lange, JZ 1989, 48 (49); Larenz, Schuldrecht AT, §  37 III, S.  6 47; Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  555; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.  931; Preißer, JuS 1987, 710 f.; Schmieder, JZ 2009, 189 (190). 1035  Lange, JZ 1989, 48 (49); Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  555. 1036 Richtig Hager, NJW 1989, 1640 (1645); Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  555 f. 1037 Soergel/Gebauer, §  426 Rn.  43 (der deshalb generell der Lehre von der relativen Außen­ wirkung bzw. dem Regresskreisel den Vorzug einräumt); Larenz, Schuldrecht AT, §  37 III, S.  6 48; Muscheler, JR 1994, 441 (443); Selb, Mehrheiten von Gläubigern und Schuldnern, S.  128 f., der §  426 Abs.  1 BGB im Innenverhältnis der Schuldner nicht über eine fingierte Gesamtschuld, sondern als Ausdruck eines allgemeinen Rechtsgedankens im Rahmen der Teilung einer Gemeinschaft heranziehen will; erkannt auch von Lange, JZ 1989, 48 (49 Fn.  15). 1032 

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ger doch über ein fingiertes Gesamtschuldverhältnis einen Regress beim privilegierten Erstschädiger zu ermöglichen, der sich seinerseits im Wege des Regresskreisels – gestützt auf §  812 BGB – beim Geschädigten (der Privilegierung entsprechend) schadlos halten kann. Abgesehen davon, dass es schwierig sein kann, in dem Prozess zwischen dem Geschädigten und dem Zweitschädiger den Verursachungsbeitrag des Erstschädigers ohne dessen Beteiligung zu ermitteln, wird der in Anspruch genommene Zweitschädiger häufig keine Kenntnis von der Privilegierung des Erstschädigers haben und dies im Prozess deshalb nicht einwenden können; der Geschädigte wird sich im eigenen Interesse hüten, diesen anspruchsbeschränkenden Umstand seinerseits vorzubringen. Wird der Zweitschädiger infolgedessen im Verhältnis zum Geschädigten vollumfänglich zur Zahlung verurteilt, stünde einer Rückforderung des an den Geschädigten zu viel geleisteten Betrags die Rechtskraft des Urteils entgegen; dann wäre es nicht sach- und interessengerecht, wenn sich der Erstschädiger gegenüber einer anteiligen Inanspruchnahme durch den Zweitschädiger im Wege des (fingierten) Gesamtschuldnerausgleichs auf eine an sich nur im Verhältnis zum Geschädigten wirkende Privilegierung berufen könnte. In einem solchen Fall lässt sich nur durch die Lösung über den Regresskreisel ein der gesetzgeberischen Wertung entsprechendes (und insbesondere die Wirkungen eines „Vertrags zulasten Dritter“ vermeidendes) Ergebnis erzielen.1038 Sofern jedoch eine Berücksichtigung im Prozess zwischen dem Geschädigten und dem Zweitschädiger möglich ist, erscheint die weniger aufwendigere Lösung über die anteilige Anspruchskürzung vorzugswürdig.1039 (4) Exkurs: §  1664 BGB Davon ist entgegen der Ansicht des BGH auch für den Fall des §  1664 BGB keine Ausnahme zu machen. Begründen ließe sich die allein zulasten des Zweitschädigers gehende Lösung des BGH nur dann, wenn man §  1664 BGB als eine die Familie vor Ansprüchen Dritter schützende Norm verstünde, was der BGH ohne Begründung voraussetzt.1040 Auch §  1664 BGB beruht auf dem Gedanken, dass Kinder ihre Eltern – auch wenn sie sich ihre Eltern nicht aussuchen können und auf deren Sorgfalt in besonderem Maße angewiesen sind1041 – so nehmen müssen, wie sie sind, und von ihnen keine höhere Sorgfalt erwarten können, als 1038  Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  555 f.; ebenso Hager, NJW 1989, 1640 (1645); Larenz, Schuldrecht AT, §  37 III, S.  6 48; Muscheler, JR 1994, 441 (443). 1039  So auch Larenz, Schuldrecht AT, §  37 III, S.  6 47 f.; Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  555. 1040 Staudinger/Looschelders, §  426 Rn.  172; Looschelders, Schuldrecht AT, Rn.   1298; ­Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn.  9 04; Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, 932. Kritisch Muscheler, JR 1994, 441 (445 f.). 1041  Deshalb grundsätzlich sehr kritisch gegenüber dieser Regelung Gernhuber/Coester-­ Waltjen, Familienrecht, §  57 Rn.  37; MüKoBGB/Huber, §  1664 Rn.  2.

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sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen. Außerdem erhöhen die Dauer und Intensität der Eltern-Kind-Beziehung die Wahrscheinlichkeit, dass es durch Unachtsamkeit eines Elternteils zu Verletzungen von Rechtsgütern des Kindes kommt.1042 Verhindert werden sollen durch die gesetzliche Privilegierung Rechtsstreitigkeiten innerhalb der Familie,1043 zumal die Eltern ohnehin über Unterhaltsleistungen und emotionale Zuwendung einen von ihnen faktisch verursachten materiellen und immateriellen Schaden ausgleichen werden.1044 Aus diesen Wertungen des §  1664 BGB lässt sich aber nicht der Rückschluss ziehen, dass die Familie als „Haftungs- und Schicksalsgemeinschaft“1045 auch im Außenverhältnis zu einem nicht privilegierten Schädiger zu schützen ist, so dass eine alleinige und vollumfängliche Belastung des Zeitschädigers gerechtfertigt wäre.1046 Da der Schaden vom privilegierten Elternteil nach dem für ihn gemäß §  1664 BGB geltenden Sorgfaltsmaßstab nicht in zurechenbarer Weise mitverursacht wurde, scheidet umgekehrt eine Lösung des Interessenkonflikts aus, die diesen mittelbar über die Fiktion eines Gesamtschuldverhältnisses mit einem Teil des Schadens belastet. Vielmehr werden durch §  1664 BGB, ebenso wie bei allen anderen Haftungsmilderungstatbeständen, die Interessen desjenigen Beteiligten (hier des Kindes) abgewertet, demgegenüber die Privilegierung besteht und zu dessen Lasten daher im Ergebnis auch die gestörte Gesamtschuld gelöst werden muss (sei es über die absolute Außenwirkung oder im Wege des Regresskreisels). 2. Ansprüche des Ehegatten des Geschädigten a) Grundsatz und ausnahmsweise Ersatzfähigkeit „mittelbarer Schäden“ Das deutsche Deliktsrecht beruht auf dem schadensrechtlichen Unmittelbarkeitsgrundsatz, wonach der Schädiger nur dem „anderen“, dessen absolut geschützten Rechte oder Rechtsgüter er widerrechtlich und schuldhaft verletzt hat, zum Schadensersatz verpflichtet ist (§  823 Abs.  1 BGB). Mittelbar Geschädigten, die infolge der Verletzung eines Rechts oder Rechtsguts eines anderen finanzielle Nachteile erleiden, steht grundsätzlich kein eigener Anspruch zu. Um Unbilligkeiten zu vermeiden, hat die Rechtsprechung manche Schadensposten, die dem Ehegatten oder einem sonstigen nahen Angehörigen des Geschädigten entstanden sind, als Schaden des Geschädigten selbst angesehen, wie beispielsweise die Fahrtkosten für Krankenhausbesuche einschließlich etwai1042 

Muscheler, JR 1994, 441 (446). §  1664 Rn.  5 ; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  57 Rn.  37: MüKoBGB/Huber, §  1664 Rn.  2. 1044  Muscheler, JR 1994, 441 (446). 1045  So RGRK/Adelmann, §  1664 Rn.  2. Dazu noch unten Kap.  3 E.I., S. 333 ff. 1046  So auch Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.   557; Muscheler, JR 1994, 441 (446). A. A. Hager, NJW 1989, 1640 (1647). 1043 Staudinger/Heilmann,

D. Haftung eines Dritten gegenüber einem Ehegatten

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gen Lohnausfalls für nicht nachholbare Arbeitsstunden oder der entgangene Gewinn bei Selbständigen.1047 Im Übrigen sieht das Deliktsrechts nur ausnahmsweise einen eigenen Anspruch der mittelbar geschädigten nahen Angehörigen für den Wegfall gesetzlicher Unterhaltsansprüche (§  844 Abs.  2 BGB) und gesetzlicher Dienstleistungsansprüche gegenüber dem Verstorbenen (§   845 BGB) sowie für entstandene Beerdigungskosten (§  844 Abs.  1 BGB) vor,1048 wobei ein etwaiges Mitverschulden des unmittelbar Geschädigten nach §  846 BGB anspruchskürzend zu berücksichtigen ist (dazu unter b). Darüber hinaus anerkennt die Rechtsprechung unter engen Voraussetzungen auch einen Anspruch naher Angehöriger auf Ersatz von „Schockschäden“ (dazu unter c). Sowohl die Regelung in §  846 BGB als auch die Anerkennung von Ersatzansprüchen für Schockschäden wird vor allem mit der engen persönlichen Verbindung zwischen Angehörigen begründet. Dies überzeugt für die genannten Fälle wenig, während die Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes bei Verlust eines nahestehenden Menschen auch in Deutschland zu befürworten ist (dazu unter d). b) Mitwirkendes Verschulden des Geschädigten (§  846 BGB) Sofern in den Fällen des §§  844, 845 BGB bei der Entstehung des mittelbaren Schadens, den der Dritte in seinem Vermögen infolge der Verletzung eines Rechtsguts des unmittelbar Geschädigten erleidet, ein Verschulden des unmittelbar Verletzten mitgewirkt hat, findet gemäß §  846 BGB auf den Anspruch des Dritten gegen den Schädiger die Vorschrift des §  254 BGB Anwendung. Diese Sonderregelung wurde für notwendig erachtet, da aus §§  844, 845 BGB – in Ausnahme zum schadensrechtlichen Unmittelbarkeitsgrundsatz – eigene, rechtlich selbständige Ansprüche des mittelbar geschädigten Angehörigen gegen den Schädiger folgen, und §  254 BGB (abgesehen von der Zurechnung eines Mitverschuldens des gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen über §  254 Abs.  2 S.  2 BGB) nur die Anrechnung eines eigenen Verschuldens des anspruchsberechtigten „Beschädigten“ vorsieht. Im Hinblick auf ein Verschulden des unmittelbar Getöteten oder Verletzten ist §  254 BGB in den Fällen der §§  844, 845 BGB deshalb nicht unmittelbar anwendbar. Der Gesetzgeber ist allerdings davon ausgegangen, dass die Verselbständigung der Ansprüche der Angehörigen letztlich nur auf theoretischen Erwägungen beruhe, deren strenge Anwendung zu Ergebnissen führe, die der Gerechtig-

1047  BGH v. 21.5.1985 – VI ZR 201/83, NJW 1985, 2757 (2758); BGH v. 22.11.1988 – VI ZR 126/88, NJW 1989, 766 (der Zeitaufwand für vermehrte elterliche Zuwendung ist dagegen nicht im Rahmen des materiellen Schadensersatzanspruchs eines Kindes ersatzfähig); BGH v. 24.10.1989 – VI ZR 263/88, NJW 1990, 1037 (Babysitterkosten während der Besuche des verletzten Ehegatten erstattungsfähig); OLG Naumburg v. 10.6.2010 – 2 U 7/10, NJW-RR 2011, 245; Palandt/Grüneberg, §  249 Rn.  9. 1048  Ausführlich hierzu Diederichsen, NJW 2013, 641 ff.

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keit und Billigkeit zuwiderliefen.1049 Da der Anspruch der Hinterbliebenen eines Getöteten seinen Grund in der Tötung habe, „liege [es] in der Natur der Sache, daß sie mit Rücksicht auf ihre Beziehungen zu dem Verletzten auch die Folgen aus dessen fahrlässigem Verhalten, insofern dieses den tödtlichen Ausgang herbeigeführt oder beschleunigt habe, auf sich nehmen müßten. Der Gedanke, welcher dem Prinzipe des §  222 [heute: §  254 BGB] zu Grunde liege, passe auch auf die hier in Frage kommenden Fälle“ der §§  844, 845 BGB.1050 Diese Begründung legt den Schluss nahe, dass sich die nach §§  844, 845 BGB anspruchsberechtigten Hinterbliebenen rechtsdogmatisch (neben etwaigem eigenen Mitverschulden bei der Schadensentstehung und -minderung) nicht nur gemäß §  254 Abs.  2 S.  2 BGB das Mitverschulden gesetzlicher Vertreter und Erfüllungsgehilfen anrechnen lassen müssen, sondern auch das Verschulden des unmittelbar Verletzten oder Getöteten,1051 wobei Zurechnungsgrund „ihre Beziehung zu dem Verletzten“ sein soll. Allein die familiäre Verbundenheit als Kriterium ausreichen zu lassen, um fremdes Mitverschulden zuzurechnen, erscheint heutzutage allerdings wenig überzeugend und erinnert an die mittel­ alterliche „Sippenhaftung“1052 . Außerdem hätte es sich bei diesem Verständnis aus systematischen Gründen angeboten, den Regelungsgehalt von §  846 BGB in §  254 BGB zu integrieren, wenn es der Vorschrift allein darum ginge, dass sich der anspruchsberechtigte mittelbar Geschädigte die Verantwortlichkeit eines Dritten für den Schaden zurechnen lassen muss. Ein dahingehender Vorschlag wurde jedoch im Gesetzgebungsverfahren nicht aufgegriffen, weil die Besorgnis bestand, „daß hierdurch das Verständnis des §  222 verdunkelt“ werde und deshalb eine besondere Bestimmung an der vorgesehenen Stelle in §  846 BGB vorzuziehen sei.1053 Dies spricht wiederum dafür, dass §  846 BGB wertungs­ mäßig und von seinem Sinn und Zweck her nicht so sehr der Zurechnung fremder Verantwortlichkeiten dienen soll, sondern eine andere Intention verfolgt. Im Ergebnis erscheint es gerechtfertigt, dass der Schädiger nicht nur für den Schaden des unmittelbar Verletzten oder Getöteten, sondern gleichermaßen auch für den dadurch mittelbar verursachten Schaden bei einem Dritten nur insoweit aufkommen muss, wie seine Verantwortlichkeit reicht. Wertungsmä1049 

Mugdan, Motive zum BGB II, Protokolle zu §  727d, S.  1119. Mugdan, Motive zum BGB II, Protokolle zu §  727d, S.  1119. Die Verfasser des ersten Entwurfs wollten die Entscheidung der Frage, ob sich die mittelbar in ihrem Vermögen geschädigten Hinterbliebenen das Verschulden des unmittelbar Getöteten anrechnen lassen müssen, noch ausdrücklich der Wissenschaft und Praxis überlassen, um der Rechtsentwicklung nicht vorzugreifen (vgl. Mugdan, Motive zum BGB II, S.  431 i. V. m. S.  13). 1051  In dieser Richtung wohl auch Staudinger/Röthel, §  846 Rn.  1: „§  846 dehnt den Anwendungsbereich des §  254 für die Ansprüche aus §§  844, 845 auf das mitwirkende Verschulden des unmittelbar Verletzten aus.“ 1052 Vgl. Schmidt, MDR 1971, 538 (540): „Das BGB kennt keine Sippenverantwortlichkeit.“ 1053  Mugdan, Motive zum BGB II, Protokolle zu §  727d, S.  1119. 1050 

D. Haftung eines Dritten gegenüber einem Ehegatten

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ßig geht es dem §  846 BGB also darum, den Verantwortungsgrad des in Anspruch genommenen Schädigers für den mittelbar verursachten Schaden zu ermitteln. Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der unmittelbar Geschädigte oder Getötete zu dem eigenen Schaden selbst beigetragen hat und insofern mitverantwortlich ist. Wenn der Schädiger für den unmittelbar verursachten Schaden nur anteilig verantwortlich ist, erscheint es freilich nicht gerechtfertigt, ihn für einen dadurch mittelbar verursachten Schaden alleine und in vollem Umfang haften zu lassen.1054 Normalerweise sieht das Gesetz, wenn mehrere für den Schaden eines Dritten verantwortlich sind, eine gesamtschuldnerische Haftung vor (vgl. §  840 Abs.  1 BGB). In den Fällen der §§  844, 845 BGB lässt sich jedoch eine Haftung des unmittelbar Verletzten oder Getöteten gegenüber dem mittelbar in seinem Vermögen Geschädigten nicht begründen, da eine Rechtspflicht des unmittelbaren Opfers, die eigene Tötung oder Verletzung zu vermeiden, damit seine Angehörigen keine finanziellen Nachteile erleiden, nicht anzuerkennen ist.1055 Daher fehlt es an einer Haftung des Verletzten oder Getöteten gegenüber dem mittelbar Geschädigten und kommt ein Gesamtschuldnerausgleich im Innenverhältnis zwischen dem (im Außenverhältnis in voller Höhe in Anspruch genommenen) Schädiger und dem unmittelbar Verletzten bzw. dessen Erben nicht in Betracht. Um den Schädiger nur im Umfang seines Verantwortungsanteils in die Pflicht zu nehmen, bedarf es mithin einer Sonderregelung, wie sie in §  846 BGB vorgesehen ist. Konstruktiv wird dies durch eine Rechtsfolgenverweisung auf §  254 Abs.  1 BGB erreicht: Tatbestandsvoraussetzung ist nach §  846 BGB allein ein mitwirkendes Verschulden des Verletzten bzw. Getöteten bei der Schadensentstehung, während aus dem in Bezug genommenen §  254 BGB die Rechtsfolge einer anteiligen Anspruchskürzung folgt. Es bleibt festzuhalten, dass es der Regelung in §  846 BGB – anders als §  254 BGB – nicht darum geht, dem nach §§  844, 845 BGB anspruchsberechtigten mittelbar Geschädigten ein Mitverschulden des unmittelbar Geschädigten aufgrund familiärer Verbundenheit zuzurechnen, sondern darum, den Verantwortungsgrad des Schädigers auch für die mittelbar verursachten Schäden zu be1054  Daher wirken sich auch Haftungsausschlüsse zwischen dem Schädiger und dem unmittelbar Geschädigten zulasten des mittelbar Geschädigten aus, vgl. Staudinger/Röthel, §  846 Rn.  3 ; gleiches gilt, wenn zugunsten des Schädigers ein Rechtfertigungsgrund eingreift, vgl. – im Zusammenhang mit Schockschäden – E. Lorenz, FS G. Müller (2009), S.  147 (152 f.). 1055  Strittig; wie hier im Zusammenhang mit Schockschäden BGH v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, NJW 1971, 1883 (1886): „Es kann nämlich (…) zwar eine sittliche, nicht aber eine Rechtspflicht anerkannt werden, das eigene Leben und die eigene Gesundheit deshalb zu schonen, weil sonst eine seelische Fehlverarbeitung des Todes oder Unfalls durch Angehörige gewärtigt werden muß; durch die Anerkennung einer solchen Rechtspflicht würde die persönliche Selbstbestimmung in einer der Rechtsordnung fremden Weise eingeschränkt.“; Looschel­ders, Mitverantwortlichkeit, S.  540 Fn.  181. A. A. Schünemann, VersR 1978, 116; kritisch auch Selb, JZ 1972, 124 (126).

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stimmen, und zwar unabhängig davon, ob eine familiäre Verbundenheit zwischen den Geschädigten besteht. Dies wird im Zusammenhang mit den Schockschadensfällen noch erhebliche praktische Bedeutung erlangen.1056 c) Schadensersatz und Schmerzensgeld für Schockschäden (1) Ausgangslage Zumindest faktische Relevanz erlangt die enge emotionale Verbindung zwischen Familienangehörigen und Ehegatten im Hinblick auf „Schockschäden“1057. Aufgrund der affektiven Bindung zwischen Ehegatten hat ein Unfall, bei dem ein Ehegatte getötet oder verletzt wird, nicht selten auch psychisch bedingte gesundheitliche Beeinträchtigungen des nicht unmittelbar betroffenen Ehegatten zur Folge. Regelmäßig geht es dabei um seelische Erschütterungen, die ein naher Angehöriger dadurch erleidet, dass er den Unfall entweder miterleben musste oder die Unfallfolgen zu Gesicht bekommen hat bzw. später hiervon benachrichtigt wurde. Derartige Schockschäden sind im Grundsatz anerkannt, allerdings kann für sie nach der Rechtsprechung des BGH nur unter sehr engen Voraussetzungen Schadensersatz verlangt werden. Die Schwierigkeit der Ersatzfähigkeit von Schockschäden rührt daher, dass das deutsche Deliktsrecht keine allgemeine Generalklausel vorsieht, sondern nur ganz bestimmte Rechte und Rechtsgüter gegen Verletzungen durch Dritte schützt,1058 während mittelbare Schäden, die auf eine Rechtsgutsverletzung eines anderen zurückzuführen sind, von den genannten Ausnahmen der §§  844, 845 BGB abgesehen, als reine Vermögensschäden nicht ersatzfähig sind. Nur sofern der Geschädigte durch den Schock selbst eine pathologisch fassbare Gesundheitsbeeinträchtigung erleidet, also in einem eigenen Rechtsgut verletzt ist, kommt ein Schadensersatz­ anspruch gemäß §  823 Abs.  1 BGB in Betracht.1059 Nach herrschender Ansicht können auch durch ein Unfallgeschehen ausgelöste, traumatisch bedingte psychische Störungen ohne organische Ursache eine Gesundheitsverletzung im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB darstellen, sofern sie Krankheitswert erreichen.1060 1056 

Siehe unten Kap.  3 D.II.2.c)(3)(c), S. 306 ff. Vgl. BGH v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, NJW 1971, 1883 (1884 f.): „Beeinträchtigungen (…), die (…) den Charakter eines solchen ‚schockartigen‘ Eingriffs in die Gesundheit tragen“. Teilweise wird auch von Fernwirkungsschäden gesprochen, vgl., statt vieler, RG v. 15.1.1938 – VI 168/37, RGZ 157, 11 (13 f.); Deubner, JuS 1971, 622. Vgl. auch die rechtshistorische und rechtsvergleichende Untersuchung von Fischer, Schockschaden, 2016. 1058  Siehe dazu schon oben Kap.  3 B.IV.1., S. 94 f. 1059 St. Rspr., vgl. nur BGH v. 27.1.2015 – VI ZR 548/12, NJW 2015, 1451 f.; BGH v. 20.3.2012 – VI ZR 114/11, NJW 2012, 1730 f.; BGH v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, NJW 1971, 1883 (1884). 1060  BGH v. 27.1.2015 – VI ZR 548/12, NJW 2015, 1451; BGH v. 22.5.2007 – VI ZR 17/06, NJW 2007, 2764 (2765); BGH v. 16.1.2001 – VI ZR 381/99, NJW 2001, 1431 (1432); BGH v. 30.4.1996 – VI ZR 55/95, NJW 1996, 2425; BGH v. 12.11.1985 – VI ZR 103/84, NJW 1986, 777 (778); BGH v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, NJW 1971, 1883 (1884). 1057 

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Psychische Folgen einer Verletzungshandlung stehen schadensrechtlich einer physischen Beeinträchtigung gleich und sind ebenso vom Schädiger zu ersetzen, vorausgesetzt es steht mit hinreichender Gewissheit fest, dass die psychisch bedingte Gesundheitsschädigung ohne die Verletzungshandlung nicht eingetreten wäre.1061 Zum Schadensersatz gehört in diesen Fällen – wie auch bei anderen Gesundheitsverletzungen – ein Schmerzensgeld nach §  253 Abs.  2 BGB. Schiemann1062 meint deshalb, dass sich ein Schockschadensersatz bei Unfällen mit letalen Folgen wie ein Schmerzensgeld für den Verlust eines nahen Angehörigen auswirke,1063 obwohl ein solches vom Gesetz gerade nicht vorgesehen sei; dennoch sei weder aus dogmatisch noch rechtspolitischer Sicht gegen ein Schmerzensgeld für Schockschäden etwas einzuwenden, da der Grund des Schmerzens­ geldes (anders als u. U. dessen Höhe) nicht von der Art der Gesundheitsverletzung abhängig sei. Dem ist im Grundsatz zuzustimmen, allerdings ist zu beachten, dass de lege lata bei der Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes wirklich nur die durch die schockbedingt eingetretene Gesundheitsverletzung, nicht auch die durch die Trauer über den Verlust des Angehörigen hervorgerufene Beeinträchtigung der Gesundheit berücksichtigt werden darf.1064 Darauf, dass dies de lege ferenda überdacht werden sollte, wird noch zurückzukommen sein.1065 (2) Richterrechtliche Einschränkungen (a) Besondere zusätzliche Voraussetzungen der Ersatzfähigkeit Obwohl der BGH von dem Grundsatz ausgeht, dass auch psychische Beeinträchtigungen eine deliktsrechtsrelevante Gesundheitsbeschädigung sein können, verlangt er im Falle von Schockschäden praeter legem zusätzliche, die Ersatzfähigkeit signifikant einschränkende Voraussetzungen.1066 Erstens reicht es nach der Rechtsprechung nicht aus, dass die bei Verlust oder schweren Verletzungen eines geliebten Menschen allenthalben entstehenden psychischen Beeinträchtigungen in Form von Trauer, seelischem Schmerz und Niedergeschlagenheit für die körperliche Befindlichkeit medizinisch relevant 1061  BGH v. 27.1.2015 – VI ZR 548/12, NJW 2015, 1451; BGH v. 30.4.1996 – VI ZR 55/95, NJW 1996, 2425 m. w. N. 1062 Staudinger/Schiemann, §  249 Rn.  4 4; ebenso Fischer, Schockschaden, S.  72 ff., 209 ff.. 1063  Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn.  916, folgert daraus, dass sich der Schock­ geschädigte auf den eigenen Schmerzensgeldanspruch ein noch in der Person des unmittelbar Geschädigten entstandenes Schmerzensgeld anrechnen lassen müsste; dagegen zutreffend MüKoBGB/Oetker, §  249 Rn.  150; Staudinger/Schiemann, §  249 Rn.  4 4. 1064  Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §  76 II 1 e, S.  383. 1065  Siehe Kap.  3 D.II.2.d), S. 309 ff. 1066  BGH v. 10.2.2015 – VI ZR 8/14, NJW 2015, 2246 (2247); BGH v. 27.1.2015 – VI ZR 548/12, NJW 2015, 1451; BGH v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, NJW 1971, 1883 (1884). Zur Entstehungsgeschichte seit der Rechtsprechung des Reichsgerichts siehe Fischer, Schockschaden, S.  63 ff.

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sind, vielmehr sollen sie nur dann als Gesundheitsbeschädigung im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB angesehen werden können, „wenn sie pathologisch fassbar sind und über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Hinterbliebene bei der Benachrichtigung von dem Unfall eines nahen Angehörigen oder dem Miterleben eines solchen Unfalls erfahrungsgemäß ausgesetzt sind.“1067 Entscheidend soll dabei nicht allein die medizinische Diagnose, sondern außerdem die Verkehrsauffassung („erfahrungsgemäß“) sein.1068 Seit Neuestem will der BGH bei der Beurteilung der Frage, ob auf den Unfalltod naher Angehöriger zurückzuführende psychische Beeinträchtigungen eine Gesundheitsverletzung im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB darstellen, auch dem Umstand maßgebliche Bedeutung einräumen, ob die Beeinträchtigungen auf die direkte Beteiligung des durch den Schock Geschädigten an dem Unfall oder das Miterleben des Unfalls zurückzuführen sind oder ob sie „nur“ durch eine spätere Unfallnachricht ausgelöst wurden.1069 In früheren Entscheidungen wurde diesem Kriterium allein für die Bestimmung des ersatzberechtigten Personen­ kreises Relevanz zugemessen und Dritten, die keine nahen Angehörigen des unmittelbaren Unfallopfers sind, auch dann kein Schadensersatzanspruch wegen psychischer Beeinträchtigungen zugestanden, wenn die vom BGH an eine schockbedingte Gesundheitsbeschädigung gestellten Anforderungen an sich erfüllt sind, der Dritte jedoch nicht unmittelbar am Unfall beteiligt war.1070 Dem Schädiger sei eine psychisch bedingte Gesundheitsstörung eines Dritten nur dann zuzurechnen, wenn er dem Geschädigten die Rolle eines unmittel­ baren Unfallbeteiligten aufgezwungen habe und dieser das Unfallgeschehen psychisch nicht verkraften konnte.1071 Am Ergebnis ändert sich freilich nichts, wenn man mit der neueren Rechtsprechung bei nicht nahestehenden Dritten in Fällen, in denen sie nicht unmittelbar am Unfallgeschehen beteiligt sind, trotz 1067  BGH v. 10.2.2015 – VI ZR 8/14, NJW 2015, 2246 (2247); BGH v. 27.1.2015 – VI ZR 548/12, NJW 2015, 1451 (1452); BGH v. 20.3.2012 – VI ZR 114/11, NJW 2012, 1730 (1731); BGH v. 6.2.2007 – VI ZR 55/06, NJW-RR 2007, 1395; BGH v. 4.4.1989 – VI ZR 97/88, NJW 1989, 2317; BGH v. 12.11.1985 – VI ZR 103/84, NJW 1986, 777 (778); BGH v. 31.1.1984 – VI ZR 56/82, NJW 1984, 1405; BGH v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, NJW 1971, 1883 (1884). 1068  Grundlegend BGH v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, NJW 1971, 1883 (1884): „Beschränkung auf solche Schäden erforderlich, die nicht nur in medizinischer Sicht, sondern auch nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als Verletzung des Körpers oder der Gesundheit betrachtet werden“. Siehe auch BGH v. 4.4.1989 – VI ZR 97/88, NJW 1989, 2317 (2318); BGH v. 31.1.1984 – VI ZR 56/82, NJW 1984, 1405. 1069  BGH v. 27.1.2015 – VI ZR 548/12, NJW 2015, 1451 (1452), m. krit. Anm. Thora, NJW 2015, 1452 (1453); insofern zust., die Rspr. jedoch insgesamt für zu eng haltend, Zwickel, NZV 2015, 214 (215). 1070  BGH v. 22.5.2007 – VI ZR 17/06, NJW 2007, 2764 (2765) (abgelehnt für Polizisten, die zufällig am Unfallort vorbeikamen und hilflos zusehen mussten, wie die Unfallopfer in den brennenden Fahrzeugen verbrannten); anders hingegen für einen unmittelbar beteiligten Dritten BGH v. 12.11.1985 – VI ZR 103/84, NJW 1986, 777 (778). 1071  BGH v. 22.5.2007 – VI ZR 17/06, NJW 2007, 2764 (2765); BGH v. 12.11.1985 – VI ZR 103/84, NJW 1986, 777 (778 f.).

D. Haftung eines Dritten gegenüber einem Ehegatten

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der entstandenen psychischen Folgen statt der Zugehörigkeit zum ersatzberechtigten Personenkreis schon das Vorliegen einer Gesundheitsschädigung verneint. Unabhängig davon hält die Rechtsprechung zweitens seit jeher daran fest, dass nur nahen Angehörigen des Opfers bzw. solchen Personen, die in einer personalen Sonderbeziehung zum unmittelbar Geschädigten stehen, ein Anspruch auf Ersatz von reinen Schockschäden zusteht.1072 Dazu zählen vor allem Ehegatten,1073 Eltern1074 und Kinder,1075 aber auch Verlobte1076 und Lebens­ gefährten.1077 Das Kriterium der engen persönlichen Verbundenheit dient nach Ansicht des BGH in derartigen Schadensfällen dazu, „den Kreis derer zu beschreiben, die den Integritätsverlust des Opfers als Beeinträchtigung der eigenen Integrität und nicht als ‚normales‘ Lebensrisiko der Teilnahme an den Ereignissen der Umwelt empfinden.“1078 Schließlich und drittens verlangt die Rechtsprechung, dass der Schock (in der geforderten besonderen Schwere) als Reaktion auf den gegebenen Anlass nach allgemeiner Verkehrsauffassung verständlich erscheint, das Ereignis also bei einem durchschnittlich Empfindenden entsprechende Erschütterungen ausgelöst hätte und nicht lediglich dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen ist.1079 Abgelehnt wurde ein Ersatzanspruch deshalb in Fällen, in denen der Schock durch die Nachricht von einem unbedeutenden Sachschaden,1080 vom Tod eines geliebten Tieres1081 oder durch polizeiliche Ermittlungen gegen nahe Angehörige wegen falscher Verdächtigung ausgelöst wurde.1082

1072  BGH v. 20.3.2012 – VI ZR 114/11, NJW 2012, 1730 (1731); BGH v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, NJW 1971, 1883 (1886); OLG Köln v. 16.9.2010 – 5 W 30/10, VersR 2011, 674. In der Entscheidung des BGH v. 12.11.1985 – VI ZR 103/84, NJW 1986, 777 (778), die den Grundsatz bestätigt, ging es um die Sonderkonstellation, dass der Schädiger zugleich der Schock­ geschädigte war. 1073  Siehe nur BGH v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, NJW 1971, 1883. Auch getrennt lebende Ehegatten, vgl. OLG Karlsruhe v. 18.10.2011 – 1 U 28/11, NZV 2012, 41 (42). 1074  Siehe etwa BGH v. 6.2.2007 – VI ZR 55/06, NJW-RR 2007, 1395; BGH v. 4.4.1989 – VI ZR 97/88, NJW 1989, 2317; OLG Frankfurt v. 19.7.2012 – 1 U 32/12, NJW-RR 2013, 140. 1075  Führt der Schockschaden zu einer Frühgeburt, ist auch der dadurch geschädigte nasciturus in den Schutz einbezogen, BGH v. 5.2.1985 – VI ZR 198/83, NJW 1985, 1390. 1076  LG Frankfurt v. 28.3.1969 – 2/12 O 50/67, NJW 1969, 2286. 1077  OLG Köln v. 16.9.2010 – 5 W 30/10, VersR 2011, 674. 1078  BGH v. 20.3.2012 – VI ZR 114/11, NJW 2012, 1730 (1731); BGH v. 14.6.2005 – VI ZR 179/04, NJW 2005, 2614 (2617 f.). 1079  Vgl. die Nachweise in Fn.  1068; vgl. dazu auch die Darstellungen bei Palandt/Grüneberg, Vorb. v. §  249 Rn.  40; Staudinger/Hager, §  823 Rn. B 36; Lange, in: Lange/Schiemann, Schadensersatz, §  3 X 5, S.  149; Staudinger/Schiemann, §  249 Rn.  45. 1080  LG Hildesheim v. 25.10.1968 – 7 S 208/68, VersR 1970, 720 (Ls). 1081  BGH v. 20.3.2012 – VI ZR 114/11, NJW 2012, 1730 (1731 m. w. N.); KreisG Cottbus v. 12.5.1993 – 40 C 124/93, NJW-RR 1994, 804; AG Recklingshausen v. 28.2.1989 – 15 C 754/88, ZfSch 1989, 191; AG Essen-Borbeck v. 2.3.1983 – 6 C 858/82, JurBüro 1986, 1494. 1082  LG Hamburg v. 27.11.1968 – 17 S 158/68, NJW 1969, 615.

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Der BGH begründet diese Einschränkungen damit, dass die generelle Anerkennung psychischer Beeinträchtigungen als ersatzfähige Schäden der gesetz­ geberischen Intention widerspräche, die Deliktshaftung in §  823 Abs.  1 BGB sowohl nach den Schutzgütern als auch den Verhaltenspflichten auf klar um­ rissene Tatbestände zu beschränken und mittelbare Beeinträchtigungen, die nicht mit einer eigene Rechtsgutsverletzung einhergehen, mit Ausnahme der §§  844, 845 BGB, ersatzlos zu lassen.1083 (b) Stellungnahme Die Begründung der praeter legem entwickelten Einschränkungen der Ersatzfähigkeit von schockbedingten Gesundheitsschäden überzeugt nicht. Schockschäden sind nicht wie in den Fällen der §§  844, 845 BGB nur die mittelbare Folge einer Rechtsgutsverletzung bei einem anderen, sondern haben ihre Ursache in einer unmittelbar eigenen Gesundheitsverletzung des Schockgeschädigten, die lediglich über ein Unfallgeschehen „vermittelt“ wird. Von der Konzeption des Gesetzes, das die Deliktshaftung auf eng begrenzte Tatbestände beschränkt, wird durch die Anerkennung der Ersatzfähigkeit von Schockschäden als „normale“ Gesundheitsschäden nicht abgewichen. Nicht erfasst werden sollen von der deliktischen Haftung nur solche „mittelbaren Schädigungen“, die keine eigene Rechtsguts-, sondern eine reine Vermögensverletzung darstellen. Die Ausklammerung derartiger „mittelbarer Schäden“ rechtfertigt jedoch keine teleologische Reduktion von §  823 Abs.  1 BGB in Fällen, in denen eine eigene Rechtsgutsverletzung nur mittelbar auf die Verletzungshandlung des Schädigers zurückzuführen ist, weil der Kausalverlauf eine weitere unmittelbare Rechtsgutsverletzung eines anderen einschließt.1084 Darüber hinaus sind aber auch die einzelnen einschränkenden Voraussetzungen für die Ersatzfähigkeit von Schockschäden nicht überzeugend. Häufig werden sie als Ausdruck der Tatsache verstanden, dass das Erleiden eines Schocks im Grundsatz zum „allgemeinen Lebensrisiko“ gehöre.1085 Dem kann jedenfalls insoweit nicht zugestimmt werden, als es sich um Beeinträchtigungen von Krankheitswert handelt, was bei Schockschäden Voraussetzung ist. Das zusätzliche Erfordernis einer besonderen Schwere des Schocks, die das normale Maß an Trauer und Verlustschmerz übersteigen muss, ist mit der gesetzlichen Regelung nicht vereinbar.1086 Für eine Haftungsbegründung nach §  823 Abs.  1 BGB 1083  BGH v. 27.1.2015 – VI ZR 548/12, NJW 2015, 1451 f.; BGH v. 20.3.2012 – VI ZR 114/11, NJW 2012, 1730 (1731); BGH v. 4.4.1989 – VI ZR 97/88, NJW 1989, 2317; BGH v. 31.1.1984 – VI ZR 56/82, NJW 1984, 1405; BGH v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, NJW 1971, 1883 (1884). 1084 Richtig Schiemann, LMK 2015, 367675. 1085 Staudinger/Schiemann, §  249 Rn.  46. 1086  Zu Recht krit. etwa auch Mäsch, JuS 2015, 747 (749): „Wollte man allen, aber auch nur denjenigen ein Schmerzensgeld zusprechen, die auf die Nachricht des Todes eines nahen Angehörigen eine überdurchschnittlich starke Trauerreaktion zeigen, so würde man jene beloh-

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kommt es einzig und allein darauf an, dass eine medizinisch nachweisbare Gesundheitsverletzung vorliegt, die – wie die Rechtsprechung selbst anerkennt – auch allein durch eine psychische Schädigung ohne organische Auswirkungen gegeben sein kann.1087 Warum insofern für Schockschäden andere Maßstäbe gelten sollen, ist weder nachvollziehbar noch in gesetzeskonformer Weise begründbar. Eine unübersehbare Deliktshaftung droht schon deshalb nicht, weil Grundvoraussetzung stets eine pathologisch nachweisbare psychische Beeinträchtigung ist. Eine tatbestandliche Gesundheitsverletzung wird freilich häufig nur dann vorliegen, wenn die Auswirkungen des Schocks „über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Hinterbliebene bei der Benachrichtigung von dem Unfall eines nahen Angehörigen oder dem Miterleben eines solchen Unfalls erfahrungsgemäß ausgesetzt sind“, denn der „übliche“ Schmerz und Kummer bei Verlust eines nahestehenden Menschen oder bei dessen schwerer Verletzung werden in aller Regel nicht den Grad von Krankheitswert erreichen und sind dann auch nicht ersatzfähig.1088 Allerdings gilt auch für Schockschäden der allgemeine Grundsatz, dass der Schädiger den Geschädigten so hinnehmen muss, wie er ist, selbst wenn dieser besonders sensibel oder emotional stark vorbelastet ist und daher eine schadensgeneigte Konstitution aufweist: 1089 Wer einen Kranken oder Geschwächten verletzt, kann nicht verlangen, so gestellt zu werden, als habe er einen Gesunden verletzt.1090 Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass der Gesundheitsschaden durch einen Schock verursacht wurde. Hinzu kommt, dass die Rechtsprechung mit zweierlei Maß misst, indem sie im Hinblick auf psychische Beeinträchtigungen unterschiedliche Maßstäbe anlegt, je nachdem, ob ein unmittelbar Verletzter zusätzlich zu den körperlichen auch psychische Schäden davon trägt, für die sehr weitgehend und großzügig Ausgleich gewährt wird,1091 oder ob solche Schäden von einem Dritten erlitten werden, der den Unfall „lediglich“ beobachtet hat oder davon benachrichtigt wird.1092 Natürlich ist der Nachweis des Vorliegens einer psychischen Schä­ digung mangels klarer Verifizierbarkeit und der leichteren Simulierbarkeit nen, denen es nicht wie der Mehrheit der Betroffenen gelingt, ihre Trauer ohne Inanspruchnahme ärztlicher Hilfe und ohne ungewöhnlich starke pathologische Symptome erfolgreich zu verarbeiten oder zu verinnerlichen, sich also „normal“ zu verhalten.“ 1087 H.M., vgl. die Nachweise in Fn.   1060; Staudinger/Hager, §  823 Rn. B 26 ff., 30 ff.; ­L arenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §  76 II 1 c, S.  378. 1088 MüKoBGB/Oetker, §  249 Rn.  151. 1089  Lange, in: Lange/Schiemann, Schadensersatz, §  3 X 5, S.  149; Staudinger/Schiemann, §  249 Rn.  46. A. A. von Hippel, NJW 1965, 1890 (1893), der erwägt, die „besondere Sensibilität des Geschädigten“ als einen „in seiner Sphäre liegenden Umstand“ anspruchskürzend zu berücksichtigen. 1090  BGH v. 30.4.1996 – VI ZR 55/95, NJW 1996, 2425 (2426 m. w. N.); Palandt/Grüneberg, Vorb. v. §  249 Rn.  35. 1091  Vgl. statt vieler MüKoBGB/Wagner, §  823 Rn.  139. 1092  So auch MüKoBGB/Wagner, §  823 Rn.  144.

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weitaus schwieriger als bei körperlichen Beeinträchtigungen,1093 doch trifft das gleichermaßen zu, wenn der unmittelbar Geschädigte auch seelische Beeinträchtigungen durch den Schadensfall erleidet.1094 Liegt eine medizinisch verifizierbare psychische Gesundheitsverletzung vor, ist durch nichts zu rechtfertigen, dass im Hinblick auf deren Ersatzfähigkeit nach der Art der Verursachung differenziert wird und eine solche doch wieder mit der Begründung geleugnet wird, dass es an einer hinreichenden persönlichen Verbindung zwischen dem Schockgeschädigten und dem unmittelbaren Opfer oder gar einer entsprechenden Verkehrsauffassung fehlt. Das Heranziehen solcher Kriterien führt nicht nur zu Unwägbarkeiten, sondern birgt auch die Gefahr, dass anstelle von medizinisch abgesicherten Befunden laienhafte Einschätzungen und Wertungen zur Grundlage rechtlicher Entscheidungen gemacht werden.1095 (c) Relevanz als Kriterien im Rahmen der Zurechnung Gleichwohl sind die von der Rechtsprechung zu besonderen Voraussetzungen erhobenen Kriterien nicht gänzlich unerheblich für die Frage der Ersatzfähigkeit von Schockschäden. Richtigerweise handelt es sich um Umstände, die im Rahmen der Kausalität bzw. der Zurechenbarkeit der Schockschäden eine Rolle spielen und dort auch mit der nötigen Flexibilität im Einzelfall berücksichtigt werden können. So sind dem Schädiger die Folgen eines Schocks weit eher zuzurechnen, wenn zwischen dem primären Opfer und dem Schockgeschädigten eine persönliche Nähebeziehung besteht, weil bei diesem Personenkreis mit einer solchen Reaktion weit eher gerechnet werden kann.1096 Unerheblich ist dafür, ob der persönlichen Nähebeziehung ein familienrechtliches Statusverhältnis zugrundeliegt, maßgeblich ist vielmehr die Intensität der tatsächlich bestehenden emotionalen Verbundenheit.1097 Dass das Kriterium der „affektiven Identität“ jedoch kein zwingender, sondern nur ein möglicher Aspekt ist, der im Rahmen der Frage der Zurechenbarkeit relevant werden kann, zeigt sich beispielhaft daran, dass ein Schädiger laut BGH selbst einem im Mutterleib geschädigten Kind zum Schadensersatz verpflichtet sein kann, wenn die Mutter des Kindes aufgrund der Nachricht vom Unfall des Ehemannes und Kindes­ 1093  Zu den Ausprägungen psychischer Unfallschäden, der Beweislast und den Problemen bei der Begutachtung vgl. Burmann/Jahnke, NZV 2012, 505 (507 ff.); Schneider/Nugel, NJW 2014, 2977 ff. 1094 MüKoBGB/Oetker, §  249 Rn.  151; MüKoBGB/Wagner, §  823 Rn.  144. 1095  Zutreffend Staudinger/Schiemann, §  249 Rn.  46. 1096 Richtig BGH v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, NJW 1971, 1883 (1886): „Daß die bloße Nachricht vom Unfalltod einer anderen, der Klägerin nicht nahestehenden Person eine gleiche Wirkung getan haben würde, ist kaum denkbar, wäre jedenfalls so ungewöhnlich, daß man die Voraussehbarkeit einer Gesundheitsschädigung verneinen müßte und überdies dem Beklagten diese Schadensfolge billigerweise nicht mehr zurechnen könnte.“; Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  538 Fn.  171. 1097  Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §  76 II 1 e, S.  381; MüKoBGB/Wagner, §  823 Rn.  144.

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vater einen schweren Schock erleidet, der zu einer Minderdurchblutung der ­Placenta und damit zu einer irreversiblen Schädigung des kindlichen Gehirns infolge Sauerstoffmangels geführt hat.1098 Gleichermaßen kann im Rahmen der Zurechnung berücksichtigt werden, ob der Schockgeschädigte den Unfall selbst miterlebt hat, diesen „nur“ über bestimmte Medien (wie TV oder Internet) zeitgleich verfolgen konnte oder erst nachträglich davon benachrichtigt wurde.1099 Je unmittelbarer der Betroffene am Unfallgeschehen beteiligt war, desto eher ist damit zu rechnen, dass er krankhafte psychische Beeinträchtigungen erleidet, auch wenn er kein naher Angehöriger des Opfers ist. Oftmals ist es ohnehin weniger das Schicksal des Erstgeschädigten, das dem Schockgeschädigten nahegeht, sondern vielmehr das schädigende Ereignis als solches, das Angst und Schrecken auslöst und durch diese psychisch wirkenden Faktoren zu den Gesundheitsschäden führt.1100 Auf der Ebene der Zurechnung können mithin die jeweiligen Umstände des Einzelfalls berücksichtigt und bewertet werden, so dass der Befürchtung einer unübersehbaren Haftung des Schädigers hinreichend Rechnung getragen werden kann; zurechenbar sind eben nur solche psychischen Schäden, die sich bei verständiger Würdigung des Falles im Rahmen des Vorhersehbaren halten und nicht Folge einer gänzlich unverhältnismäßigen Reaktion des Schockgeschädigten sind. Letztlich ist daher auch die Frage, ob der Anlass die psychische Reaktion als verständlich erscheinen lässt, allein eine Frage der Zurechenbarkeit des Schadens. Deshalb sollten auch Schockschäden, die auf die Verletzung oder Tötung eines Haustieres oder sonstige erhebliche Sachbeschädigungen (wie etwa die Zerstörung des Eigenheims) zurückzuführen sind, nicht kategorisch von der Ersatzfähigkeit ausgeschlossen werden, vielmehr können sie im Einzelfall durchaus in den Schutzbereich von §  823 Abs.  1 BGB fallen.1101 (3) Berücksichtigung eines Mitverschuldens des unmittelbar Verletzten oder Getöteten (a) Rechtsprechung Kommt nach den strengen Voraussetzungen der derzeitigen Praxis ausnahms­ weise ein Schadensersatzanspruch wegen eines Schockschadens in Betracht, muss sich der durch den Schock Geschädigte des Weiteren nach der Rechtsprechung ein etwaiges Mitverschulden des unmittelbar Geschädigten anrechnen lassen. 1098 

BGH v. 5.2.1985 – VI ZR 198/83, NJW 1985, 1390. Deubner, JuS 1971, 622 (624); Staudinger/Hager, §  823 Rn. B 35; Lange, in: Lange/ Schiemann, Schadensersatz, §  3 X 5, S.  149 f.; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §  76 II 1 e, S.  381; MüKoBGB/Oetker, §  249 Rn.  153; Staudinger/Schiemann, §  249 Rn.  46. 1100  Deubner, JuS 1971, 622 (624); Schmidt, MDR 1971, 538 (540). 1101  Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §   76 II 1 e, S.  381; Spickhoff, Karlsruher Forum 2007, S.  7 (56); MüKoBGB/Wagner, §  823 Rn.  144. 1099 

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Das Reichsgericht hatte dies noch damit begründet, dass §  846 BGB auf andere als die in §§  844, 845 BGB geregelten Fälle der mittelbaren Schädigung eines Dritten entsprechend anwendbar sei.1102 Der BGH hat eine analoge Anwendung von §  846 BGB auf Schockschadensfälle indes mit der Begründung abgelehnt, dass es sich bei dem Anspruch des Schockgeschädigten um einen selbständigen Anspruch aus §  823 Abs.  1 BGB handelt, auf den die Regelung in §  846 BGB nicht passe, weil sie eine Verschuldensanrechnung lediglich für die Ansprüche aus §§  844, 845 BGB von mittelbar Geschädigten vorsehe. Gleichwohl stimmt der BGH dem Reichsgericht im Ergebnis zu, dass ein Mitverschulden des Erstverletzten bei der Bemessung des Anspruchs des Schockgeschädigten nicht außer Betracht bleiben dürfe. Dies erreicht er durch eine entsprechende Anwendung von §  254 BGB, in dem sich der allgemeine Rechtsgedanke des §  242 BGB niederschlage.1103 Ausschlaggebender Grund für den Eintritt des Gesundheitsschadens beim Schockgeschädigten sei die enge persönliche Beziehung zum Erstgeschädigten; deshalb könne der Schadensersatzanspruch des Schockgeschädigten von einem Mitverschulden des Erstgeschädigten an dem Unfall im Verhältnis zum Schädiger billigerweise nicht unberührt bleiben.1104 (b) Kritik aus der Literatur In der Literatur ist die Rechtsprechung des BGH überwiegend auf Zustimmung gestoßen,1105 es wurde jedoch auch Kritik laut, die sich teilweise nur gegen die Begründung,1106 teilweise aber auch gegen das Ergebnis richtet.1107 Von den Gegnern wird in erster Linie kritisiert, dass der BGH die analoge Anwendung von §  846 BGB mit vergleichsweise formalen Argumenten ablehnt, dann aber zur Begründung der analogen Anwendung von §  254 BGB letztlich doch auf 1102  RG v. 15.1.1938 – VI 168/37, RGZ 157, 11 (13 f.); ebenso von Hippel, NJW 1965, 1890 (1893). 1103  BGH v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, NJW 1971, 1883 (1886); bestätigt BGH v. 6.2.2007 – VI ZR 55/06, VersR 2007, 803; OLG Düsseldorf v. 15.11.2011 – 1 U 255/10, NZV 2013, 40 (41, 42). Differenzierend LG Freiburg v. 12.10.1994 – 8 O 229/94, NJW-RR 1996, 476 (477), das ein Mitverschulden beim Anspruch auf materiellen Schadensersatz nach §§  846, 254 BGB und beim Anspruch auf Schmerzensgeld nach §§  242, 254 BGB anrechnen will. 1104  BGH v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, NJW 1971, 1883 (1886). 1105 Vgl. Deutsch, Allgemeines Haftungsrecht, Rn.   917; Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn.  709; Palandt/Grüneberg, §  254 Rn.  56; Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §  83 II 3, S.  590; BeckOK-BGB11.2015/Lorenz, §  254 Rn.  3 ; E. Lorenz, FS G. Müller (2009), S.   147 (156 f.); MüKoBGB/­Oetker, §  254 Rn.  10; Palandt/Sprau, §  846 Rn.  2 ; wohl auch Soergel/Beater, §  846 Rn.  5. 1106  Larenz, Schuldrecht AT, §  31 I d, S.  5 48: „Ob diese Begründung ausreicht, ist mir zweifelhaft; das Ergebnis ist doch wohl billigenswert.“; Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  539 ff. 1107  Gegen jegliche Anrechnung etwaigen Mitverschuldens des Erstverletzten Deubner, JuS 1971, 622 (625 f.); ebenso Deubner, NJW 1985, 1392; Deubner, NJW 1957, 1269; Staudinger/­ Röthel, §  846 Rn.  8 ; Erman/Schiemann, §  846 Rn.  2 ; Selb, JZ 1972, 124 (126); Schmidt, MDR 1971, 538 (540); Jauernig/Teichmann, §  846 Rn.  1.

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dieselben Erwägungen abstellt, die §  846 BGB zugrundeliegen, was zwangsläufig zu argumentativen Unstimmigkeiten und Brüchen führe; 1108 der BGH weist sogar selbst darauf hin, dass „ähnliche Billigkeitserwägungen (…) den Gesetzgeber zu der Regelung des §  846 BGB geführt“ haben.1109 Zu Recht wurde außerdem darauf hingewiesen, dass es widersprüchlich sei, wenn der BGH auf der einen Seite im Rahmen der Ablehnung der analogen Anwendung von §  846 BGB die Selbständigkeit des Ersatzanspruchs des schockgeschädigten Angehörigen aus §  823 Abs.  1 BGB betone, der „im Regelfall unabhängig davon [sei], ob der unmittelbar Verletzte oder Getötete selbst einen Ersatzanspruch hat oder gehabt hätte“,1110 er auf der anderen Seite aber im Rahmen der analogen Anwendung von §  254 BGB davon ausgeht, dass es „nicht annehmbar“ sei, dass der Schädiger dem Schockgeschädigten selbst dann vollen Schadensersatz leisten müsste, wenn das Unfallopfer „den eigenen Tod so weitgehend selbst verschuldet hat, daß in seinem Verhältnis zum Schädiger dieser nach §  254 BGB ganz freigestellt sein würde.“1111 Wenn der BGH letzteres als ein unhaltbares Ergebnis ansieht, ist dies nur unter der Annahme nachvollziehbar, dass der Schadensersatzanspruch des Schockgeschädigten doch nicht völlig losgelöst von dem (hypothetischen) Ersatzanspruch des Verletzten oder Getöteten beurteilt werden kann.1112 Fehl geht außerdem die Argumentation des BGH, dass der Schockgeschädigte den eigenen Gesundheitsschaden ersatzlos hätte hinnehmen müssen, wenn der geschädigte oder getötete Angehörige für den Unfall allein oder weit überwiegend selbst verantwortlich sei. Dass im Verhältnis zwischen dem Schockgeschädigten und dem Unfallopfer mangels einer Rechtspflicht zur Schonung des eigenen Lebens oder der eigenen Gesundheit, um nahe Angehörige keinem Schockschaden auszusetzen, kein haftungsbegründender Tatbestand verwirklicht wurde, kann – von den Fällen der gestörten Gesamtschuld abgesehen – nach den allgemeinen Grundsätzen des Haftungsrecht nicht dazu führen, dass der Ersatzanspruch des Schockgeschädigten im Verhältnis zum Schädiger um den fiktiven Verantwortungsanteil des Erstgeschädigten zu kürzen ist; vielmehr haftet in solchen Fällen der Schädiger, der den Unfall mitverschuldet hat, alleine für den gesamten Schaden.1113 Überzeugend wurde ferner gegen die vom BGH befürwortete analoge Anwendbarkeit von §  254 BGB eingewandt, dass dessen Anwendungsbereich nicht einfach unter Berufung auf §  242 BGB erweitert werden könne.1114 Nach der auf 1108 So

Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  539. BGH v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, NJW 1971, 1883 (1886). 1110  BGH v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, NJW 1971, 1883 (1885). 1111  BGH v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, NJW 1971, 1883 (1886). 1112  Zutreffend herausgearbeitet von Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  539 f. 1113  Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  5 40. 1114  Deubner, JuS 1971, 622 (625); Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  155, 541. 1109 

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dem Verantwortlichkeitsgedanken1115 beruhenden Vorschrift des §  254 BGB kommt eine Kürzung des Ersatzanspruchs eines Geschädigten nur dann in Betracht, wenn er für den Schaden entweder selbst verantwortlich ist oder er sich die Verantwortlichkeit eines Dritten zurechnen lassen muss. Letzteres ist gemäß §§  254 Abs.  2 S.  2, 278 BGB für ein Mitverschulden des gesetzlichen Vertreters oder Erfüllungsgehilfen sowie des Verrichtungsgehilfe (§  831 BGB) vorgesehen. Die affektive Identifikation des Schockgeschädigten mit dem Unfallopfer bzw. die personale Verbundenheit ist dagegen als Zurechnungskriterium für die Berücksichtigung des Mitverschuldens des Opfers im geltenden Recht nicht anerkannt.1116 Eine Zurechnung aller Schadensursachen, die man im weitesten Sinne der „Sphäre“ des Geschädigten zuschreiben kann,1117 löst sich von §  254 BGB und rechnet dem Geschädigten auch Ursachen zu, die er nicht beherrschen kann. (c) Analoge Anwendbarkeit von §  846 BGB In der Sache erscheint es jedoch richtig, den Schädiger im Falle einer Mitverantwortung des Erstverletzten nicht vollumfänglich in die Haftung zu nehmen. Da dem Schockgeschädigten ein Mitverschulden des Erstverletzten oder Getöteten nur angerechnet werden kann, wenn die Voraussetzungen einer Zurechnungsnorm gegeben sind, und im vorliegenden Zusammenhang aus den genannten Gründen eine unmittelbare oder analoge Anwendung von §  254 BGB ausscheidet, kommt nur §  846 BGB (analog) in Betracht.1118 Dabei lässt sich freilich nicht leugnen, dass die Fälle der §§  844, 845 BGB, für die §  846 BGB unmittelbare Geltung beansprucht, und die Schockschadensfälle im Hinblick auf die Begründung der Ersatzpflicht des Schädigers – wie schon ausgeführt – grundverschieden sind. Während die Ersatzpflicht in ersterem Fall einer gesonderten rechtlichen Grundlage bedarf, weil es in Ausnahme zu dem Grundsatz der schadensrechtlichen Unmittelbarkeit um den Ersatz mittelbar verursachter Schäden im Vermögen des Angehörigen geht, die über eine Rechtsgutsverletzung bei einem anderen vermittelt werden, bereitet die Begründung 1115 

Ausführlich hierzu Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  116 ff.

1116 Staudinger/Hager, §  823 Rn. B 39; Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  5 41; Selb, JZ

1972, 124 (125). Vgl. insofern auch die Ausführungen gegen einen solchen Zurechnungsgrund im Rahmen von §  846 BGB oben Kap.  3 D.II.2.b), S. 294 bei Fn.  1051–1052. 1117 So Deutsch/Ahrens, Deliktsrecht, Rn.  709: Über §  254 BGB „wird nicht nur eigenes Mitverschulden, sondern werden auch Mitverursachungsbeiträge aus einem dem Geschädigten zugeordneten Bereich, hier aus dem Angehörigenverhältnis, berücksichtigt.“; ähnlich von Hippel, NJW 1965, 1890 (1893), der erwägt, die „besondere Sensibilität des Geschädigten“ als einen „in seiner Sphäre liegenden Umstand“ anspruchskürzend zu berücksichtigen. 1118  So auch Lange, in: Lange/Schiemann, Schadensersatz, §  10 XI 5 l, S.  604 f.; Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  541 ff.; MüKoBGB/Wagner, §  846 Rn.  5. Anders E. Lorenz, FS G. Müller (2009), S.  147 (156): „Diese Analogie wird in Rechtsprechung und Schrifttum zu recht nicht mehr vertreten.“

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der Ersatzpflicht des Schädigers für Schockschäden keine Schwierigkeiten, weil es sich um die Folgen einer unmittelbar eigenen Rechtsgutsverletzung handelt; „mittelbar“ ist diese Schädigung allein in Bezug auf den Kausalverlauf, weil der Schockschaden erst vermittelt durch eine weitere Rechtsgutsverletzung bei einem anderen ausgelöst wurde. Insofern ist dem BGH zuzustimmen, dass die analoge Anwendbarkeit von §  846 BGB – entgegen der Ansicht des Reichsgerichts1119 – nicht ohne weiteres allein damit begründet werden kann, dass die Haftung des Schädigers lediglich auf „eine andere Art von ‚mittelbarer Schädigung eines Dritten‘ ausgedehnt“ werde.1120 Der mehrdeutige Begriff der „mittelbaren Schädigung“ verschleiert die grundlegenden Unterschiede der Sachverhalte für die Begründung der Haftung des Schädigers. Auch das Reichsgericht hat diese Unterschiede jedoch erkannt und im Ergebnis richtig gewürdigt: Denn bei §  846 BGB geht es nicht (mehr) um die Begründung der Einstandspflicht des Schädigers, sondern um die Frage, ob und wie ein etwaiges Mitverschulden des Erstgeschädigten zu berücksichtigen ist; und insofern sich die genannten Unterschiede letztlich unerheblich. Looschelders versucht diese Erkenntnis damit zu begründen, dass der Ersatz­ anspruch des Schockgeschädigten und der (hypothetische) Ersatzanspruch des Verletzten oder Getöteten wertungsmäßig sehr wohl miteinander verknüpft seien, wobei die Verknüpfung durch eben jene Erwägungen hergestellt werde, welche die Zurechnung des Schockschadens im Verhältnis zum Schädiger rechtfertigten.1121 Die aufgrund des Schocks erlittene Rechtsgutsverletzung des Angehörigen sei dem Schädiger nur deshalb zurechenbar, weil er das unmittelbare Opfer in zurechenbarer Weise verletzt oder getötet habe. Wäre die Verletzung oder Tötung des unmittelbaren Opfers dem Schädiger aus objektiven oder subjektiven Gründen nicht zurechenbar, so könnten auch dem schockgeschädigten Angehörigen keine Ersatzansprüche gegen den Schädiger zustehen, weil das Verhalten des Schädigers dann auch ihm gegenüber haftungsrechtlich nicht relevant sein könnte. Unter Zurechnungsaspekten sei die haftungsbegründende Verletzung oder Tötung des Opfers also ein notwendiges Zwischenglied, um die Einstandspflicht des Schädigers für den Schockschaden des Angehörigen zu begründen.1122 Dem ist zwar im Grundsatz zuzustimmen, es begründet jedoch nicht, warum sich der Schockgeschädigte ein Mitverschulden des Erstverletzten anrechnen lassen muss. Die Frage der Zurechnung führt zu einem „Alles-oderNichts“-­Ergebnis, kann aber keine teilweise Anspruchskürzung bewirken. Bei der hier interessierenden Problematik steht nicht (mehr) in Rede, ob dem Schädiger die unmittelbare Verletzung des Erstgeschädigten und der Schockschaden 1119 

RG v. 15.1.1938 – VI 168/37, RGZ 157, 11 (13). BGH v. 11.5.1971 – VI ZR 78/70, NJW 1971, 1883 (1885). 1121  Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  5 42 f. 1122  Looschelders, Mitverantwortlichkeit, S.  5 43. 1120 

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des Dritten zugerechnet werden können; dies ist Voraussetzung, damit man überhaupt über eine Anspruchskürzung nachdenken muss. Die entscheidende Frage lautet vielmehr, inwieweit der Schädiger für den verursachten Schaden, einschließlich des Schockschadens, verantwortlich ist. Dies spricht zwar auf den ersten Blick für die Einschlägigkeit des auf dem Verantwortungsprinzip beruhenden §  254 BGB; allerdings geht es hier nicht darum, dem Schockgeschädigten eine Mitverantwortlichkeit des unmittelbar Geschädigten oder Getöteten zuzurechnen (deshalb passt §  254 BGB weder unmittelbar noch analog), sondern darum, den Verantwortlichkeitsgrad des Schädigers für die Entstehung des Schockschadens zu bestimmen; insofern ist §  846 BGB, der genau dies für die Spezialfälle der §§  844, 845 BGB regelt, in den Schockschadensfällen in analoger Anwendung der passendere Anknüpfungspunkt für eine Anspruchskürzung. Durch eine analoge Anwendung von §  846 BGB wird die Selbständigkeit des Anspruchs des Schockgeschädigten nicht in Frage gestellt. Allerdings darf der Umstand nicht unbeachtet bleiben, dass der Gesundheitsschaden des Schockgeschädigten durch die unmittelbare Verletzung des Rechtsguts eines anderen letztlich „nur“ vermittelt worden ist. Wenn der Schockschaden aber nur eine mittelbar-kausale Folge der gegen den Erstverletzten gerichteten Verletzungshandlung des Schädigers ist, kann die Verantwortlichkeit des Schädigers für diese „mittelbare“ Folge seiner Verletzungshandlung nicht anders beurteilt werden als für die unmittelbaren Folgen. Konstruktiv wird dies dadurch erreicht, dass über die Verweisung in §  846 BGB auf §  254 Abs.  1 BGB das Mitverschulden des Erstverletzten oder Getöteten bei der Entstehung des eigenen Schadens dem Schockgeschädigten anspruchsmindernd angerechnet wird; wertungsmäßig geht es indes um die Ermittlung des Umfangs der Verantwortlichkeit des Schädigers. Die hier vertretene Lösung führt zwar häufig zum gleichen Ergebnis, wie es der BGH durch eine analoge Anwendung von §  254 BGB erreicht, dennoch handelt es sich bei der Frage nach der richtigen Rechtsgrundlage für die Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Erstgeschädigten nicht lediglich um dogmatische Petitessen bzw. Finessen, denn die zugrundeliegenden Wertungskriterien unterscheiden sich erheblich und können im Ergebnis entscheidend sein. Löst man die Schockschadensfälle mit der hier vertretenen Ansicht, indem man die Verantwortlichkeit des Schädigers über §  846 BGB ermittelt, so lässt sich eine Anspruchskürzung des Schockgeschädigten nämlich auch dann ohne Schwierigkeiten begründen, wenn ein dem mitverantwortlichen Unfallopfer nicht Nahestehender einen Schockschaden erleidet, der dem Schädiger zurechenbar ist.1123 Der BGH verneint in solchen Fällen zwar bereits einen Ersatzanspruch 1123  Dazu, dass auch dem Unfallopfer nicht Nahestehende einen dem Schädiger zurechenbaren Schockschaden erleiden können, vgl. bereits die Ausführungen oben unter Kap.  3 D. II.2.c)(2)(c), S. 302 ff.

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des Schockgeschädigten, nimmt man mit der hier vertretenen Ansicht jedoch eine Ersatzberechtigung ungeachtet eines etwaigen familienrechtlichen Näheverhältnisses im Grundsatz an, so bedarf es der Möglichkeit einer Anteils­ kürzung nach Maßgabe des Verantwortungsgrades des Schädigers. Denn auch in diesem Fällen ist es gerechtfertigt, den Schädiger nicht über seinen Verantwortungsanteil an dem Erstschaden hinaus für den Schockschaden haften zu lassen, und zwar unabhängig davon, ob eine persönliche Verbindung zwischen dem unmittelbar Geschädigten und dem Schockgeschädigten besteht. (4) Fazit Schadensersatz und Schmerzensgeld für Schockschäden im Umfang der §§  249 ff. BGB kann es nach dem vorstehend Gesagten nur, muss es aber immer dann geben, wenn der Schock nach Maßgabe einer medizinischen Diagnose Krankheitswert hat. Durch Schock ausgelöste Gesundheitsbeeinträchtigungen sind genauso zu behandeln wie andere psychische Schäden. Der Umstand, dass der Schockschaden nicht durch eine unmittelbar kausale Verletzungshandlung des Schädigers herbeigeführt, sondern durch eine weitere Rechtsgutsverletzung eines anderen vermittelt wurde, kann sich lediglich im Rahmen der Zurechnung auswirken und dort gegebenenfalls zu einem Haftungsausschluss führen, oder für den Umfang des Ersatzanspruchs bei der Frage der Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Erstverletzten oder Getöteten relevant werden. In der Rechtsprechung werden Schockschäden in sachlich nicht gerechtfertigter Weise verharmlost, mit der Folge, dass Schadenssachbearbeiter in der Haftpflichtversicherung nicht selten dazu verleitet werden, „der Verletzung durch den erlittenen Schock den Schmerz seiner Bagatellisierung durch die Regulierungspraxis oder sogar durch eine als wenig mitfühlend wahrgenommene Justiz hinzuzufügen.“1124 Insofern wäre schon de lege lata Abhilfe möglich und nötig, indem der BGH seine Rechtsprechung überdenkt. War der Schädiger für den Schaden des unmittelbar Geschädigten nicht in vollem Umfang verantwortlich, so ist unabhängig von einer familiären Verbundenheit des Schockgeschädigten mit dem Unfallopfer eine Anspruchskürzung gemäß oder analog §  846 BGB gerechtfertigt, da die Verantwortlichkeit des Schädigers für mittelbar verursachte Schäden nicht größer sein kann als für unmittelbar verursachte Schäden. d) Angehörigenschmerzensgeld (1) Problemaufriss Eine andere Frage ist hingegen, ob ein Angehörigenschmerzensgeld nicht auch dann gerechtfertigt erscheint und daher gewährt werden sollte, wenn keine pathologisch fassbare Gesundheitsverletzung gegeben ist. De lege lata ist das im 1124 

Schiemann, LMK 2015, 367675.

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deutschen Recht nicht vorgesehen, es wird jedoch lebhaft darüber diskutiert, ob de lege ferenda die Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes rechtspolitisch wünschenswert ist. Aus rechtsdogmatischer und familienrechtlicher Sicht ist diese Diskussion – unabhängig von den politisch bedingten Rechtsentwicklungen und geplanten Reformen – vor allem deshalb interessant, weil hier die Angehörigeneigenschaft zentrales Kriterium des Ersatzanspruchs ist, ohne dass eine eigene Gesundheitsverletzung wie bei den Schockschäden zwischengeschaltet ist. Es handelt sich daher um ein Musterbeispiel dafür, dass die familiäre Verbundenheit zwischen Menschen zusehends merkantilisiert und vermögensrechtlich zu fassen versucht wird. Allerdings mehren sich auch die Stimmen, die das Problem nicht als spezifisch familienrechtliches ansehen, sondern auch andere enge persönliche Beziehungen außerhalb und unabhängig von formalen familiären Banden als „gleichwertig“ anerkennen und allen (in diesem Sinne) „Angehörigen“ einen Schmerzensgeldanspruch für das seelische Leid bei Verlust oder schweren Verletzungen des Nahestehenden zuerkennen wollen. Ob es sich um eine spezifisch familienrechtliche Haftungsfrage handelt, lässt sich letztlich nur unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks bzw. der Funktion des Angehörigenschmerzensgeldes ermitteln (dazu (5)). Dabei ist es hilfreich, zunächst die Rechtlage in Deutschland (dazu (2)) sowie den europäischen Nachbarländern etwas genauer zu betrachten (dazu (3)) und sich sodann mit den Argumenten für und wider ein Angehörigenschmerzensgeld auseinanderzusetzen (dazu (4)). Schließt man sich der hier vertretenen Ansicht zugunsten der Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes in das deutsche Zivilrecht an, so lassen sich vor diesem Hintergrund die zentralen Fragen der gesetzlichen Ausgestaltung de lege ferenda stringent beantworten, insbesondere im Hinblick auf den anspruchsberechtigten Personenkreis (dazu (6)). Abschließend soll ein konkreter Vorschlag für eine mögliche gesetzliche Regelung formuliert werden (dazu (7)). (2) Rechtslage in Deutschland Anders als in vielen anderen Mitgliedstaaten der EU1125 sieht das deutsche Recht bisher kein Schmerzensgeld für Angehörige eines tödlich oder schwerst verletzten Opfers vor. Für immaterielle Schäden kann nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen eine billige Entschädigung in Geld gefordert werden (§  253 Abs.  1 BGB), sofern sich aus einer anderen Rechtsgrundlage eine Haftung ergibt. §  253 Abs.  2 BGB beschränkt den Schmerzensgeldanspruch auf Fälle, in denen der Geschädigte wegen einer Verletzung des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit oder der sexuellen Selbstbestimmung Schadensersatz verlangen kann. Der seelische Schmerz durch den Verlust eines geliebten Menschen wird hierzulande nicht als eine durch das schädigende Ereignis verursachte Beein1125 

Siehe dazu die rechtsvergleichende Umschau unten Kap.  3 D.II.2.d)(3), S. 314 ff.

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trächtigung anerkennt, die eine billige Entschädigung in Geld rechtfertigt. Da es in Deutschland keine deliktische Generalklausel gibt, sondern sich die außervertragliche Haftung auf die Verletzung spezifischer Rechtsgüter beschränkt, scheidet in den Fällen der Tötung oder schwerer Verletzungen eines geliebten Menschen die Ersatzfähigkeit der immateriellen Schäden durch die seelischen Schmerzen aus. Ein Recht auf Erhalt der Familienbande oder an der Ungestörtheit der familiären Beziehungen ist viel zu unbestimmt, um den Anforderungen an ein absolut geschütztes „sonstiges“ Recht im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB gerecht zu werden.1126 Die restriktive Haltung des deutschen Rechts in Bezug auf ein Angehörigenschmerzensgeld wird immer wieder und vielfach kritisiert. Die Gerichte versuchen sich teils damit zu behelfen, dass sie noch dem Erstgeschädigten für die Todesangst, die dieser, wenn auch nur für sehr kurze Zeit, bis zum Eintritt des Todes erlitten hat, ein Schmerzensgeld zusprechen, das im Wege der Erbfolge auf die Erben übergehen kann.1127 Es erscheint zumindest bedauerlich, dass das als richtig empfundene Ergebnis, den Angehörigen für den seelischen Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen eine Entschädigung zukommen zu lassen, derzeit (noch?) über derart „unehrliche“ Konstruktionen erreicht werden muss. Meist sind tragische Ereignisse, wie etwa die Flugzeugkatastrophe durch den Absturz der Germanwings Maschine in den südfranzösischen Alpen im März 2015, bei dem 144 Passagiere aus 18 Ländern und sechs Besatzungsmitglieder ums Leben kamen,1128 Auslöser dafür, dass die Diskussion um Angehörigenschmerzensgeld wieder auflebt. Bisher sind solche Diskussionen, die unter anderem auch schon nach den Brandkatastrophen in der Gletscherbahn von Kaprun im November 2000 und im Gotthard-Tunnel im Oktober 2001 aufge-

1126  So auch Müller, zfs 2012, 6; ähnlich Steffen, FS zum 25-jährigen Bestehen – Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht (2005), S.  145 (155). Siehe zu den Kriterien eines „sonstigen Rechts“ ausführlich oben Kap.  3 B.IV.2., S. 96 ff. 1127  OLG Bremen v. 16.3.2012 – 3 U 6/12, NJW-RR 2012, 858 (30 Minuten) m.w.Nachw.; OLG Düsseldorf v. 12.10.2011 – 18 U 216/10, BeckRS 2013, 18329 (10 Sekunden); OLG Köln v. 14.11.1991 – 2 W 186/91, NJW-RR 1992, 221 (Todesangst zwischen erstem und „alsbald“ nachfolgendem zweiten Angriff, der zum Ausfall der Sinnesfunktionen geführt hat); LG Frankenthal v. 9.4.2014 – 6 O 488/13, juris Rn.  18 ff. (30 Minuten). Zu den Problemen der Vererblichkeit von Schadensersatzansprüchen vgl. von Bar, Mélanges Fritz Sturm (1999), S.  1151 (1156 ff.). Nach früherem Recht (§  847 Abs.  1 S.  2 BGB i. d. F. v. 1.1.1964) war der Schmerzensgeldanspruch des unmittelbar Verletzten nur übertragbar und vererblich, wenn er vor dem Tod des Verletzten vertraglich anerkannt oder rechtshängig geworden war. Das führte oft zu einem, wie kritisiert wurde, „makaberen Wettlauf zwischen Klagezustellung und Tod“; vgl. Odersky, Schmerzensgeld bei Tötung naher Angehöriger, S.  14 m. w. N. 1128  Zum Sachverhalt und der „Abwicklung“ des Unglücks Kadner Graziano, RIW 2015, 549. Die beteiligten Fluggesellschaften haben den Hinterbliebenen der Opfer freiwillig eine finanzielle Überbrückungshilfe von jeweils bis zu 50.000 A zur Verfügung gestellt, vgl. BTDrucks. 18/7673.

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flammt sind,1129 immer nach einiger Zeit im Sand verlaufen.1130 Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine scheinen die Aussichten jedoch gestiegen zu sein, dass Reformen des deutschen Haftungsrechts tatsächlich auf den Weg gebracht und damit wohlbegründete Entwicklungen in so gut wie allen anderen europäischen Ländern ernsthaft nachvollzogen werden. Da Deutschland mit seiner rigorosen Haltung gegen ein Angehörigenschmerzensgeld im europäischen Vergleich der Haftungsrechte weitgehend isoliert dasteht,1131 ist bereits im Koalitionsvertrag zwischen den Regierungsparteien vom Dezember 2013 eine teilweise Änderung der Rechtslage für die Fälle der Verschuldenshaftung (nicht hingegen bei Gefährdungshaftung) vorgesehen. Dort heißt es: „Menschen, die einen nahen Angehörigen durch Verschulden eines Dritten verloren haben, räumen wir als Zeichen der Anerkennung ihres seelischen Leids einen eigenständigen Schmerzensgeldanspruch ein, der sich in das deutsche System des Schadensersatzrechts einfügt.“1132

Im Jahr 2014 ist diesbezüglich jedoch nichts weiter geschehen, erst motiviert durch den Absturz der Germanwings-Maschine brachte eine Gruppe von Bundes­tagsabgeordneten sowie die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN am 10.6.2015 einen Antrag im Bundestag ein, dass dieser beschließen möge, die gesetzlichen Grundlagen für ein Angehörigenschmerzensgeld sowohl in den Fällen der Verschuldens- als auch der Gefährdungshaftung zu schaffen.1133 1129  Das Thema „Angehörigenschmerzensgeld“ war bereits Gegenstand des 45. Deutschen Juristentags (vgl. Stoll, Verhandlungen des 45. DJT 1964, Bd. I, S.  145 ff.; Bd. II, C 111, C 127) und wurde erneut auf dem 66. Deutschen Juristentags in Stuttgart 2006 diskutiert, eine Einführung bei Tötung wurde aber mit knapper Mehrheit (45:41 bei vier Enthaltungen), eine solche bei Tötung und schwerer Verletzung mit deutlicher Mehrheit (57:27 bei neun Enthaltungen) abgelehnt (vgl. Verhandlungen des 66. DJT 2006, Bd. II/1 (Sitzungsberichte), L 90). Der 50. Deutsche Verkehrsgerichtstag, der 2012 in Goslar stattfand, hat sich dagegen für eine Einführung ausgesprochen. 1130  Teilweise wurde auch in der Literatur bekundet, dass die Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes „nicht auf die vorderen Ränge der rechtspolitischen Agenda“ gehöre und nicht zur „Befriedigung eines dringenden Bedürfnisses“ erforderlich sei, so Wagner, Gutachten für den 66. DJT 2006, Bd. I, A 65, und bestätigend Wagner, FS Stürner (2013), S.  231 (253). 1131  Huber, NZV 2012, 5 („Deutschland auch künftig der letzte Mohikaner“); Kadner Graziano, RIW 2015, 549; Klinger, NZV 2005, 290; Schultzky, VersR 2011, 857. Vgl. auch die rechtsvergleichende Umschau sogleich unter Kap.  3 D.II.2.d)(3), S. 314 ff. 1132  „Deutschlands Zukunft gestalten – Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD“, 18. Legislaturperiode, 16.12.2013, S.  102. 1133  BT-Drucks. 18/5099: Gesetzliche Grundlage für Angehörigenschmerzensgeld schaffen. Vgl. auch schon den bayerischen Gessetzesentwurf zur Verbesserung der zivilrechtlichen Rechtsstellung der Angehörigen von Unfallopfern (Stand: 1.1.2015), abrufbar unter: http:// www.justiz.bayern.de/media/pdf/gesetze/gesetzentwurf_angehoerigenschmerzensgeld.pdf [Stand: 31.3.2017], dazu Fischer, VersR 2016, 1155 (1158); Zwickel, NZV 2015, 214 (215 f.); dem vorausgegangen ist bereits ein nicht umgesetzter Vorschlag aus Bayern vom 15.2.2012, dazu Wagner, FS Stürner (2013), S.  231 (234 f.); Wiedemann/Spelsberg-Korspeter, NZV 2012, 471.

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Leider wurde auch dieser Vorstoß durch den federführenden Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz Ende Oktober 2016 abgelehnt.1134 Anfang 2017 hat nun jedoch die Bundesregierung einen Gesetzentwurf zur Einführung eines Anspruchs auf Hinterbliebenengeld vorgelegt.1135 Dieser Entwurf sieht vor, dass §  844 BGB um folgenden Absatz 3 ergänzt wird: „(3) Der Ersatzpflichtige hat dem Hinterbliebenen, der zur Zeit der Verletzung zu dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, für das dem Hinterbliebenen zugefügte seelische Leid eine angemessene Entschädigung in Geld zu leisten. Ein besonderes persönliches Näheverhältnis wird vermutet, wenn der Hinterbliebene der Ehegatte, der Lebenspartner, ein Elternteil oder ein Kind des Getöteten war.“1136

Mit der zuerkannten angemessenen Entschädigung in Geld, die in das Ermessen des Gerichts gestellt wird (§  287 ZPO),1137 soll der Hinterbliebene in die Lage versetzt werden, seine durch den Verlust des besonders nahestehenden Menschen verursachte Trauer und sein seelisches Leid zu lindern.1138 Nunmehr werden zwar auch Fälle der Gefährdungshaftung in den Anwendungsbereich des Hinterbliebenengeldes einbezogen, allerdings soll dieses nur noch im Todesfall, nicht auch bei schweren Verletzungen des Opfers gewährt werden können.1139 Der Gesetzesentwurf begründet dies mit drohenden Abgrenzungsschwierigkeiten und dem Umstand, dass der überlebende Geschädigte selbst Schmerzensgeldansprüche habe, so dass ohnehin schon Ansprüche wegen der Beeinträchtigung immaterieller Interessen bestünden.1140 In persönlicher Hinsicht soll jeder Hinterbliebene, der im Zeitpunkt des Unfalls mit dem Getöteten in einem besonderen persönlichen Näheverhältnis stand, Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld haben. Das Bestehen eines Statusverhältnisses ist nicht erforderlich, allerdings besteht nach Satz  2 eine widerlegbare gesetzliche Vermutung zugunsten des Ehegatten, des Lebenspartners, eines Elternteils oder eines Kindes des Getöteten; 1141 daneben können aber auch andere Personen (wie nichteheliche Lebensgefährten oder Geschwister) darlegen, dass sie ein besonderes persön­ liches Näheverhältnis zum Opfer hatten und daher zum anspruchsberechtigten Personenkreis zählen.1142 Umgekehrt kann der Anspruchsgegner im Einzelfall die Indizwirkung von Satz  2 widerlegen, wenn ein Anspruchsteller, trotz fami­ liärer Verbundenheiten, kein seelisches Leid infolge der Tötung erlitten hat.1143 1134 

BT-Drucks. 18/10076. RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17. 1136  RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.  1. 1137  RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.  13. Allerdings geht der Gesetzgeber von einer Größenordnung von nicht mehr als 10.000  A pro Person aus, vgl. S.  10. 1138  RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.  6 , 13. 1139  RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.  7. 1140  RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.  7. 1141  RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.  13 f. 1142  RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.  11 f., 14. 1143  RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.  13. 1135 

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(3) Rechtsvergleichende Umschau in Europa (a) Inhaltliche Gestaltung in einigen europäischen Sachrechten Im europäischen Vergleich steht Deutschland (noch) zusammen mit den Niederlanden1144 eindeutig im Abseits, denn in allen anderen Mitgliedstaaten der EU ist ein Angehörigenschmerzensgeld in irgendeiner Form vorgesehen.1145 In den Details unterscheiden sich die Ausgestaltungen jedoch erheblich. In manchen Rechtsordnungen finden sich explizite gesetzliche Vorschriften, die Angehörigenschmerzensgeld vorsehen, wie vor allem in den common law Ländern England,1146 Schottland1147 und Irland,1148 aber auch in der Schweiz wird den „Angehörigen des Getöteten“ gemäß Art.  47 OR ein Anspruch auf Genugtuung gewährt, dessen Höhe in das richterliche Ermessen gestellt wird.1149 In Frankreich werden dahingehende Ansprüche auf die deliktsrecht­ liche Generalklausel in Art.  1382 Code Civil1150 gestützt. In Österreich hat sich 1144  Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (556); Kadner Graziano, ZEuP 2002, 834 (845). Zum niederländischen Recht Janssen, ZRP 2003, 156 (158 f.); Prisching, bei: Hinghofer-­ Szalkay, ZVR 2008, 444 (448 f.); Ranieri, Europäisches Obligationenrecht, Kap.  14, S.  1584 ff.; Wagner, FS Stürner (2013), S.  231 (232). 1145  Siehe die Zusammenstellung bei Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (555 ff., m. zahlr. Nachw. in Fn.  53 ff. zu sämtlichen EU-Mitgliedstaaten und einzelnen Drittstaaten). Siehe auch Christiandl/Hinghofer-Szalkay, ZfRV 2007, 44 ff. (zu Italien und Österreich); Danzl, FS 200 Jahre ABGB (2011), S.  1633 (1643 ff.); Janssen, ZRP 2003, 156 ff.; Kadner Graziano, ZEuP 2002, 834 (840 ff.); Kadner, ZEuP 1996, 135 (139 ff.); Karczewski, Die Haftung für Schockschäden, S.  98 ff.; Klinger, NZV 2005, 290 f.; Koch, FS Barta (2009), S.  171 (179 ff.); Ranieri, Europäisches Obligationenrecht, Kap.  14, S.  1539 ff.; Rogers, Damages for non-pecuniary loss in a comparative perspective, S.  262 ff.; Schramm, Haftung für Tötung, S.  164 ff. (Frankreich), 191 ff. (England); Wagner, FS Stürner (2013), S.  231 (236 ff.); Wagner, JZ 2004, 319 (325 f., zu Frankreich und England); Wiedemann/Spelsberg-Korspeter, NZV 2012, 471 f. Vgl. auch die „notes“ bei von Bar/Clive, DCFR, VI. – 2:202, S.  3229 ff. 1146  Art.  1A Sect. 1 Fatal Accident Act (1976): „An action under this Act may consist of or include a claim for damages for bereavement.“ 1147  Sect. 4(3)(b) des Damages (Scotland) Act (2011): „The sums of damages are (…) such sum, if any, as the court thinks just by way of compensation for all or any of the following (i) distress and anxiety endured by the relative in contemplation of the suffering of A before A’s death, (ii) grief and sorrow of the relative caused by A’s death, (iii) the loss of such non-patrimonial benefit as the relative might have been expected to derive from A’s society and guidance if A had not died.“ 1148  Sect. 49(1)(a)(ii) Civil Liability Act (1961): „The damages under section 48 shall be (…) the total of such amounts (if any) as the judge shall consider reasonable compensation for mental distress resulting from the death to each of such dependants.“ 1149  Art.  47 OR lautet: „Bei Tötung eines Menschen oder Körperverletzung kann der Richter unter Würdigung der besonderen Umstände dem Verletzten oder den Angehörigen des Getöteten eine angemessene Geldsumme als Genugtuung zusprechen.“ Dazu monographisch Hürzeler, System und Dogmatik der Hinterlassenensicherung im Sozialversicherungs- und Haftpflichtrecht, S.  343 ff.; vgl. auch Fellmann/Kottmann, Schweizerisches Haftpflichtrecht, Bd. I, Rn.  2678 ff.; Honsell/Isenring/Kessler, Schweizerisches Haftpflichtrecht, §  10 Rn.  4. 1150  Art.  1382 Code Civil lautet: „Tout fait quelconque de l’homme, qui cause à autrui un dommage, oblige celui par la faute duquel il est arrive à le réparer.“

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ein Schmerzensgeldanspruch der Angehörigen dagegen – nach einer ehemals sehr restriktiven Haltung – allein durch die obergerichtliche Rechtsprechung etabliert.1151 In einer wachsenden Zahl von Rechtsordnungen wird dabei nicht nur im Todes­fall,1152 sondern auch bei schwersten Verletzungen ein Angehörigenschmerzensgeld gewährt.1153 So hat beispielsweise das Schweizerische Bundesgericht auf der Grundlage von Art.  49 OR, der bei widerrechtlichen Verletzungen der Persönlichkeit einen Anspruch auf Genugtuung in Geld vorsieht,1154 einer besonders nahestehenden Person auch bei schwersten Verletzungen ein Angehörigenschmerzensgeld zugesprochen.1155 Die französische Cour de Cassation hat gestützt auf die deliktische Generalklausel seit jeher nicht nur im Falle des Todes, sondern auch bei schwersten Verletzungen ein Schmerzensgeld ausgeurteilt,1156 und auch in Italien wird ein solcher Anspruch nicht auf den Todesfall beschränkt.1157 Während in der überwiegenden Zahl der Rechtsordnungen ein (qualifiziertes) Verschulden keine Voraussetzung für ein Angehörigenschmerzensgeld ist,1158 hat der österreichische Oberste Gerichtshof die darauf gerichtete Haftung des Schädigers indes explizit auf die Fälle des Vorsatzes und der groben

1151  Vgl. OGH v. 16.5.2001 – 2 Ob 84/01v, NZV 2002, 26 (27: Tötung); OGH v. 2.2.2006 – 2 Ob 18/06w (schwere Verletzung); OGH v. 14.6.2007 – 2 Ob 163/06v (schwere Verletzung). Dazu Koziol/Bydlinski/Bollenberger/Danzl, ABGB, §   1325 Rn.   29; Hinghofer-Szalkay, ZVR 2008, 444 ff.; Kadner Graziano, ZEuP 2002, 834 (851 ff.). Zur Rechtsentwicklung in Österreich vgl. Karner/Koziol, Der Ersatz ideellen Schadens im österreichischen Recht und seine Reform, in: Verhandlungen des 15. ÖJT, Bd. II/1, 2003, S.  74 ff. 1152  So in England (s. dazu unten Fn.  1165) und in der Regel in Italien, vgl. Kadner Graziano, ZEuP 2002, 834 (844 m.w.Bsp.); Kadner, ZEuP 1996, 135 (145 ff.). 1153  Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (556). 1154  Art.  49 OR lautet: „Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, hat Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wiedergutgemacht worden ist. Anstatt oder neben dieser Leistung kann der Richter auch auf eine andere Art der Genugtuung erkennen.“ 1155  BG v. 22.4.1986 – BGE 112 II 220 (223); BG v. 27.10.1992 – BGE 118 II 404 (409). Dazu Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (556); Kadner Graziano, ZEuP 2002, 834 (844); Kadner, ZEuP 1996, 135 (139 ff.). Auch der österreichische OGH v. 2.2.2006 – 2 Ob 18/06w, hat sich im Grundsatz für ein „Trauerschmerzensgeld“ bei schwersten Verletzungen ausgesprochen, sofern Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit vorliegt. Ähnliche Entwicklungen gab es auch in Litauen, vgl. dazu Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (556). 1156  Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (556); Kadner Graziano, ZEuP 2002, 834 (845); ­R anieri, Europäisches Obligationenrecht, Kap.  14, S.  1587 ff. Zu den vielen verschiedenen Arten von ersatzfähigen immateriellen Schäden, die in Frankreich durch die Rechtsprechung Anerkennung gefunden haben, Wagner, JZ 2004, 319 (323 f.). 1157  Vgl. die Nachweise bei Hinghofer-Szalkay, ZVR 2008, 444 (448 Fn.  39). 1158  Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (557).

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

Fahrlässigkeit begrenzt.1159 Ähnlich ist die Rechtslage in Frankreich,1160 aber auch in England und Irland, die generell keine Gefährdungshaftung im Straßenverkehr kennen und daher auch für ein Angehörigenschmerzensgeld auf ein Verschulden abstellen.1161 Trifft den Getöteten ein Mitverschulden an dem Unfall, wird auch der Anspruch der Angehörigen auf „bereavement damages“ in Höhe des Mitverschuldensanteils herabgesetzt.1162 Weitgehende Einigkeit besteht über den Kreis der ersatzberechtigten Personen, insbesondere im Hinblick auf die engsten Angehörigen, also Ehegatten, Eltern und Kinder. Überwiegend werden auch nichteheliche Lebensgefährten und Verlobte mit einbezogen, teilweise auch Geschwister, sofern eine enge Beziehung besteht.1163 Enge Freunde und Arbeitskollegen werden jedoch überwiegend nicht zu den Anspruchsberechtigten gezählt.1164 Das englische Recht ist insofern restriktiver und beschränkt die Ersatzberechtigung auf Ehegatten und Eltern minderjähriger, unverheirateter Kinder; der Verlust der Eltern berechtigt die Kinder hingegen nicht zu Schmerzensgeldforderungen, ebenso nicht der die Eltern treffende Verlust eines erwachsenen oder verheirateten Kindes.1165 Großzügiger sind dagegen das französische Recht, das Schmerzensgeldansprüche bei entsprechend engem Verhältnis auch auf Onkel und Tanten, Nichten und Neffen erstreckt,1166 sowie die italienische Rechtsordnung, der zufolge auch Großeltern und Geschwister anspruchsberechtigt sein können.1167 Auch was die Höhe der zugesprochenen Beträge anbelangt, ist Italien mit Abstand am großzügigsten: Hier werden für den Verlust eines Ehepartners Summen von bis zu knapp 200.000  A und für den Verlust eines Elternteils, oftmals abhängig davon, ob es sich um minderjährige und im Haushalt lebende 1159 OGH v. 16.5.2001 – 2 Ob 84/01v, NZV 2002, 26 (27); OGH v. 14.6.2007 – 2 Ob 163/06v, der jeweils bekräftigt, dass es in den Fällen der Gefährdungshaftung und bei bloß leichter Fahrlässigkeit an der erforderlichen Schwere des Zurechnungsgrunds fehle. 1160  Vgl. Fn.  1150. 1161  Siehe dazu mit Nachweisen aus der Literatur und Rechtsprechung Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (557 Fn.  74); zu England auch Wagner, JZ 2004, 319 (320). 1162  Siehe Art.  5 Fatal Accident Act (1976). 1163  Für Österreich Koziol/Bydlinski/Bollenberger/Danzl, ABGB, §  1325 Rn.  29. 1164 So Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (559); für Frankreich: Kadner, ZEuP 1996, 135 (145); für Österreich: Hinghofer-Szalkay, ZVR 2008, 444 (447), die selbst jedoch anderer Ansicht ist; für Österreich und Italien auch Christiandl/Hinghofer-Szalkay, ZfRV 2007, 44 (60). 1165  Art.  1A Sect. 2 Fatal Accident Act: „A claim for damages for bereavement shall only be for the benefit (a) of the wife or husband or civil partner of the deceased; and (b) where the deceased was a minor who was never married or a civil partner (i) of his parents, if he was legitimate; and (ii) of his mother, if he was illegitimate.“ 1166 Vgl. Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (559), dort auch zahlreiche Nachweise; Kadner Graziano, ZEuP 2002, 834 (843); Kadner, ZEuP 1996, 135 (144); noch weitergehender W ­ agner, FS Stürner (2013), S.  231 (236); Wagner, JZ 2004, 319 (326): „Damit steht grundsätzlich allen Personen der Weg zum Ersatz des Schockschadens offen, denen der Beweis einer seelischen Beeinträchtigung gelingt.“ 1167 Vgl. Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (559); Wenter, zfs 2012, 1 (2).

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oder volljährige und nicht gemeinsam wohnende Kinder handelt, bis zu 185.000  A zugesprochen; 1168 für die Betreuung eines Schwerstbehinderten wurden sogar Beträge von knapp über 300.000  A ausgeurteilt.1169 Auch andere nahe Verwandte außerhalb der Kernfamilie dürfen auf beträchtliche Schmerzensgeldzahlungen hoffen,1170 da dort neben einem Gesundheitsschaden und immateriellen Schäden, auch der Schaden an den zwischenmenschlichen Beziehungen als Schadensposten anerkannt ist.1171 Sowohl in Frankreich als auch in der Schweiz und Italien sind sogar für den Verlust des Sexualpartners bzw. die Verringerung des ehelichen Beischlafs Entschädigungen in gleicher Höhe wie für das (schwer verletzte) Opfer üblich.1172 Im Übrigen bewegen sich die zuge­ sprochenen Summen bei Größenordnungen zwischen 10.000  A und 50.000  A,1173 wobei die meisten Rechtsordnungen die Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes in das richterliche Ermessen im Einzelfall stellen und nur einige wenige die zuzusprechenden Beträge gesetzlich festlegen: England sieht etwa eine pauschale Summe von 12.980 £,1174 Irland von 35.000  A1175 vor.1176 Die Vorschläge zu einem künftigen europäischen Schadensersatzrecht sehen ebenfalls explizit eine entsprechende Regelung zu einem Angehörigenschmer1168  Vgl. die anhand ausgewählter Gerichtsbezirke aufgeschlüsselten Zahlen bei Christiandl/Hinghofer-Szalkay, ZfRV 2007, 44 (58); ähnlich Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (560: bis zu 300.000  A für den Verlust eines Ehegatten). Nach den Angaben von Christiandl/ Hinghofer-Szalkay, ZfRV 2007, 44 (58, 59), und Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (560), bekommen minderjährige, im Haushalt lebende Kinder zwischen 25.000  A und 185.000  A, volljährige Kinder etwas weniger, Eltern getöteter Kinder zwischen 25.000  A und 225.000  A, Geschwister zwischen 6.000  A und 90.000  A. Wenter, zfs 2012, 1 (2), berichtet von einem Fall aus der eigenen Praxis, in dem den Eltern des verstorbenen Sohnes 250.000  A und dem Bruder 100.000  A an Schmerzensgeld für das Ableben zugesprochen wurden. 1169  Wenter, zfs 2012, 1 (3). 1170  Wenter, zfs 2012, 1 (2): Großeltern und Geschwister könnten Ansprüche in Höhe von 30.000  A bis 120.000  A geltend machen. 1171  EuGH v. 10.12.2015 – Rs. C-350/14 (Lazar), ECLI:EU:C:2015:802 = JZ 2016, 308 f. Rn.  10; vgl. auch Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (560), der auf die verfassungsrechtliche Wertentscheidung verweist, „nach welcher das Rechtsband des Familienlebens, das durch den Haftungsfall zerstört wurde, höchste Priorität genießt.“; ebenso Wenter, zfs 2012, 1 (2: „von der italienischen Verfassung geschützte(s) Rechtsgut des Familienbands“). 1172 Für Frankreich Backu/Wendenburg, DAR 2006, 541 (547); für Italien Wenter, zfs 2012, 1 (3); für die Schweiz Landolt, HAVE 2009, 125 (133 mit Fn.  150); befürwortend auch Huber, ZfRV 2015, 227 (234). 1173  Vgl. das Zahlenmaterial für eine Vielzahl von Ländern bei Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (559 f.). 1174  Art.  1A Sect. 3 Fatal Accident Act (1976). Machen beide Eltern (vgl. Fn.  1165) den Betrag geltend, erhält jeder die Hälfte, so Kadner, ZEuP 1996, 135 (146). Zu den historischen Grundlagen siehe Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (561 f.). 1175  Art.  2 Civil Liability Act 1961 (Section 49) Order 2014 (abrufbar unter: http://www. irishstatutebook.ie/eli/2014/si/6/made/en/print; Stand: 31.3.2017). 1176  Im niederländischen Gesetzgebungsverfahren, das die Einführung eines Schmerzensgeldes vorsah, war ein gesetzlich fixierter Betrag von 10.000  A vorgesehen, vgl. Prisching, bei: Hinghofer-Szalkay, ZVR 2008, 444 (449).

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

zensgeld vor, dessen Höhe wie in Frankreich und der Schweiz in das Ermessen des Richters gestellt wird. Auch wenn es sich dabei „nur“ um „akademische“ Vorschläge handelt, so können sie zumindest als Indiz für eine künftige Rechtsentwicklung in Europa dienen. Die Principles of European Tort Law (PETL) sehen in Art.  10:301 Abs.  1 S.  3 eine generalklauselartige Bestimmung vor, die anordnet: „Ausgleich ihres Nichtvermögensschadens können auch Personen verlangen, die in einer engen Beziehung zu einem Getöteten oder sehr schwer Verletzten stehen.“1177

Auch der von der Study Group on a European Civil Code und der Research Group on EC Private Law erarbeitete Modellentwurf eines Gemeinsamen Referenzrahmens für ein Europäisches Privatrecht (Draft Common Frame of Reference, DCFR) enthält eine ähnliche Regelung in Art. VI.-2:202 Abs.  1: „Non-economic loss caused to a natural person as a result of another’s personal injury or death is legally relevant damage if at the time of injury that person is in a particularly close personal relationship to the injured person.“1178

(b) Anwendbares Recht Angesichts der geschilderten Unterschiede der materiell-rechtlichen Rechtslage in den Mitgliedstaaten der EU liegt es auf der Hand, dass es bei einem Rechtsstreit um Angehörigenschmerzensgeld ganz entscheidend darauf ankommt, nach welchem Recht der Fall zu beurteilen ist. In grenzüberschreitenden Fällen ist die Frage nach dem anwendbaren Recht daher nicht selten selbst Streitgegenstand.1179 Das kann im hier interessierenden Zusammenhang schon dann der Fall sein, wenn betroffene Angehörige des tödlich verunglückten oder schwer verletzten Unfallopfers in einem anderen Mitgliedstaat der EU ansässig sind als demjenigen, in dem sich der Unfall ereignet hat. Innerhalb der Europäischen Union ist das anwendbare Recht nach Art.  4 Abs.  1 Rom II-VO1180 zu ermitteln, demzufolge „auf ein außervertragliches Schuldverhältnis aus unerlaubter Handlung das Recht des Staates anzuwenden (ist), in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen eingetreten sind.“ Nach Art.  2 Abs.  1 Rom II-VO umfasst der Begriff des „Schadens“ sämtliche Folgen einer unerlaubten Handlung. Gemeint ist damit der unmittelbare Sach- oder Personenschaden (vgl. Erwägungs1177 

Abrufbar auf den Seiten der European Group on Tort Law unter www.egtl.org. Vgl. auch von Bar/Clive, DCFR, Comments B, S.  3225: „It would be a value judgment which nowadays is no longer acceptable if a damage of the significance described in paragraph (1) were not to qualify as legally relevant damage.“ 1179  Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (553 f.); Kadner Graziano, ZEuP 2002, 834 (847 ff. m. Bsp.). 1180  Verordnung (EG) Nr.  864/2007 vom 11.7.2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom II“), ABl.EU 2007 Nr. L 199/40. 1178 

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grund 17), der Anknüpfungspunkt für die Bestimmung des anwendbaren Rechts im Hinblick auf alle (auch indirekte) Schadensfolgen ist, auch wenn manche durch den Unfall verursachten Schäden (beim unmittelbaren Opfer oder Dritten) in einem anderen Staat eintreten. Damit soll gewährleistet werden, dass stets vorhersehbar ist, welches Recht auf einen Schaden anwendbar ist, der durch eine unerlaubte Handlung herbeigeführt wurde (vgl. Erwägungsgrund 16); zugleich soll verhindert werden, dass eine unerlaubte Handlung bzw. ein Schadensereignis mit mehreren unmittelbar und/oder mittelbar Betroffenen aufgespalten wird und die verschiedenen Unfallfolgen nach unterschiedlichen Rechtsordnungen zu beurteilen sind, je nachdem, in welchem Staat die jeweilige Person den Schaden erleidet.1181 Immaterielle Schäden, die Angehörige eines Unfallopfers in einem anderen Mitgliedstaat erleiden als demjenigen, in dem der Unfall passiert ist, sind deshalb als „indirekte Schadensfolgen“ im Sinne von Art.  4 Abs.  1 Rom II-VO anzusehen, so dass das gleiche Recht anwendbar ist, das auch für die (regelmäßig am Unfallort eingetretenen) unmittelbaren Schäden gilt.1182 Es wäre nicht sachgerecht, Angehörige, die angesichts ein und desselben Unfalls dasselbe Leid erfahren, in Bezug auf Schmerzensgeldansprüche rechtlich unterschiedlich zu behandeln, nur weil sie in verschiedenen Mitgliedstaaten leben. Dass der sekundär Geschädigte einen eigenen Schaden geltend macht, steht der Annahme nicht entgegen, dass es sich bei diesem Schaden um eine „indirekte Schadensfolge“ der unerlaubten Handlung handelt und daher eine einheitliche Anknüpfung an das Recht des Staates, in dem der primäre Schaden eingetreten ist, gerechtfertigt ist.1183 (4) Argumente pro und contra ein Angehörigenschmerzensgeld „Es ist schwer zu erklären, warum bei einem Flugzeugabsturz in Paris Angehörigenschmerzensgeld gewährt wird, bei einem solchen in Frankfurt/Main aber nicht“.1184 In der Tat ist es für juristische Laien kaum nachvollziehbar, wie es in einem Rechtsstaat wie Deutschland sein kann, dass ein und dasselbe Unrecht im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten so unterschiedlich behandelt wird. In Frankreich wurde die deutsche Regelung sogar wegen Verstoßes gegen den französischen ordre public teilweise nicht angewandt.1185 Auch wenn die aus der 1181  EuGH v. 10.12.2015 – Rs. C-350/14 (Lazar), ECLI:EU:C:2015:802 = JZ 2016, 308 (310 Rn.  29), m. krit. Anm. Mankowski, JZ 2016, 310. 1182  EuGH v. 10.12.2015 – Rs. C-350/14 (Lazar), ECLI:EU:C:2015:802 = JZ 2016, 308 (310 Rn.  30). 1183  A. A. Mankowski, JZ 2016, 310 (311  f.); Rauscher/Unberath/Cziupka/Pabst, Art.  4 Rom II-VO Rn.  53: die personale Trennlinie entfalte für den Schaden eine Zäsurwirkung innerhalb des Gesamtschadensverlaufs. 1184  Wagner, Gutachten für den 66. DJT 2006, Bd. I, A 65. Ebenso von Jeinsen, zfs 2008, 61 (64); Wiedemann/Spelsberg-Korspeter, NZV 2012, 471. 1185  Stoll, in: Verhandlungen des 45. DJT 1964, Bd. II (Sitzungsberichte), S.  111; Vorndran, ZRP 1988, 293 (294).

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Rechtsvergleichung gewonnenen Erkenntnisse nicht per se bedeuten, dass auch in Deutschland die Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes unumgänglich ist,1186 so würde dadurch zumindest ein bedeutsamer Schritt in Richtung auf eine freiwillige Harmonisierung der europäischen Deliktsrechte unternommen und damit eine „Rechtsangleichung an Europa“ bewirkt.1187 In der Sache scheint man sich nunmehr ja auch in Deutschland parteiübergreifend einig zu sein, dass die Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes überfällig ist.1188 Es erscheint daher fast müßig, die Argumentation für und gegen ein Angehörigenschmerzensgeld1189 hier noch einmal breit zu treten. Da jedoch die Meinungen zu Detailfragen durchaus weit auseinander gehen und im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung eines solchen Schmerzensgeldes das letzte Wort noch längst nicht gesprochen ist, erscheint zumindest eine Zusammenfassung des Streitstands und eine kurze Auseinandersetzung mit den vorgebrachten Argumenten vor allem in Bezug auf den berechtigten Personenkreis angezeigt. Insbesondere stellt sich für die hiesige Arbeit die Frage, ob es beim Angehörigenschmerzensgeld wirklich „nur“ um den Schutz der Familie im Außenverhältnis gehen soll oder ob es sich um eine Problematik handelt, die zwar häufig familiäre Beziehungen betrifft, an sich aber nicht spezifisch familienrechtlich determiniert ist. Gegen die Einführung eines Angehörigenschmerzensgelds wird in der deutschen Diskussion vor allem vorgebracht, dass sich ein Menschenleben nicht mit Geld aufwiegen lasse und auch das von den Hinterbliebenen erlittene Leid nicht durch eine Geldzahlung gelindert oder gar ausgeglichen werden könne.1190 Die Kommerzialisierung von menschlichem Leben verbiete sich; es widerspreche dem Rechtsgefühl, wenn Betroffene aus einem tragischen Unfall letztendlich finanziellen Profit schlagen können.1191 Vielmehr gehöre es zum allgemeinen Lebensrisiko, dass man einen geliebten Menschen vorzeitig durch einen Unfall 1186 Richtig Janssen, ZRP 2003, 156 (159), der überspitzt schreibt: „Nur weil alle von der Brücke springen, muss man es nicht auch tun.“; ähnlich Diederichsen, DAR 2011, 122 (123). 1187  Wagner, FS Stürner (2013), S.  231 (244); ebenso Hoppenstedt/Stern, ZRP 2015, 18 (20); Staudinger, NJW 2006, 2433 (2435): „[D]as Angehörigenschmerzensgeld [bildet] nicht nur einen integralen Bestandteil der meisten europäischen Rechtsordnungen…, sondern [zählt] ein Stück weit auch mittelbar zum aquis communautaire“. Befürwortend auch Odersky, Schmerzensgeld bei Tötung naher Angehöriger, S.  29. 1188  Vgl. RegE v. 8.2.2017, sowie die Aussprache im Rahmen der 124. Sitzung des deutschen Bundestags am 24.9.2015 zum Gesetzesantrag BT-Drucks. 18/5099 (s. bei und in Fn.  1133), Plenarprotokoll 18/124, S.  12061 ff. 1189 Dazu ausführlich Huber, NZV 2012, 5 (6 ff., dort auch zu möglichen politischen, religiös-weltanschaulichen, gesellschaftlichen und rechtshistorischen Gründen); Kadner ­ Graziano, RIW 2015, 549 (551 ff.). 1190  Adelmann, VersR 2009, 449 (454); Diederichsen, NJW 2013, 641 (648: „Es ist eine naturgegebene Tatsache, dass die Zerstörung von „Leben“ zwar die schwerstwiegende Rechtsgutsverletzung im Rahmen des §  823 I BGB darstellt, aber in der Person des Getöteten nicht mehr kompensiert werden kann“). 1191  Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (552).

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verliert. Außerdem übersteige die Bemessung eines Schmerzensgeldes für die Trauer über den Verlust eines geliebten Menschen die Möglichkeiten richterlicher Schadensschätzung, zumal einheitlich handhabbare Parameter fehlen.1192 Eine inadäquate Pauschalierung individueller Gefühlsbindungen und ihrer Beeinträchtigung in einem „Trauergeld“ müsse vermieden werden.1193 Außerdem drohe ein unübersehbares Haftungsrisiko, weil regelmäßig eine Vielzahl von Menschen im Falle des Todes oder einer schwersten Verletzung eines anderen betroffen seien. Dieses Risiko ließe sich nur durch entsprechend höhere Versicherungsprämien absichern und führte zu einer erheblichen zusätzlichen Be­ lastung der Versichertengemeinschaft. Die Befürworter eines Angehörigenschmerzensgeldes halten dem entgegen, dass es beim Angehörigenschmerzensgeld nicht darum gehe, menschliches Leben in Geld aufzuwiegen, sondern das Leid und den Schmerz der Hinterbliebenen monetär zu erfassen.1194 Es sei schwer vermittelbar und werde als extrem ungerecht empfunden, dass nach deutschem Recht zwar für jede Prellung oder Schramme ein Schmerzensgeld verlangt werden könne, dass selbst für entgangene Urlaubsfreude immaterielle Ersatzansprüche gewährt würden und bei Verkehrsunfällen nicht nur der merkantile Minderwert, sondern auch der vor­ übergehende Entzug der Nutzungsmöglichkeit großzügig entschädigt werde, während der als viel schlimmer empfundene existenzielle Schmerz infolge des Verlustes eines nahestehenden Menschen nicht abgegolten werde.1195 Wagner weist außerdem darauf hin, dass es widersprüchlich sei, nahen Angehörigen einerseits nach Maßgabe von §§  844, 845 BGB eigene Ersatzansprüche für materielle Schäden zu gewähren, ihnen andererseits Forderungen auf Ersatz von Nichtvermögensschäden zu verwehren.1196 Solche Wertungswidersprüche könnten durch die Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes beseitigt werden. Dabei wird nicht in Abrede gestellt, dass ein finanzieller Betrag den Schmerz über den Verlust eines geliebten Menschen nicht ausgleichen und auch 1192  Adelmann, VersR 2009, 449 (454); Diederichsen, DAR 2011, 122 (124); Dressler, DAR 1996, 81; Katzenmeier, JZ 2002, 1029 (1035); Kötz, FS Caemmerer (1978), S.  389 (407); Müller, VersR 2006, 1289 (1290). Sarkastisch Koch, FS Barta (2009), S.  171 (179): „wir könnten genauso gut darum würfeln.“ 1193  Steffen, FS zum 25-jährigen Bestehen – Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht (2005), S.  145 (156). 1194  Wagner, FS Stürner (2013), S.  231 (231, 239). 1195  Hoppenstedt/Stern, ZRP 2015, 18 (20); Huber, NZV 2012, 5 (10); von Jeinsen, zfs 2008, 61 (64); Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (552); Kadner Graziano, ZEuP 2002, 834 (854 f.); Stoll, Verhandlungen des 45. DJT 1964, Bd. I, S.   145 f.; Wiedemann/Spelsberg-­ Korspeter, NZV 2012, 471: Es „entsteht der Eindruck, das deutsche Recht erlaube umso eher eine finanzielle Kompensation, je banaler die Rechtsverletzung, und umso weniger, je gravierender diese sei. Dies kann nicht befriedigen.“; Vorndran, ZRP 1988, 293 (294); Wagner, Gutachten für den 66. DJT 2006, Bd. I, A 65. Vgl. auch OGH v. 16.5.2001 – 2 Ob 84/01v, NZV 2002, 26 (27). 1196  Wagner, Gutachten für den 66. DJT 2006, Bd. I, A 65; ebenso Staudinger, NJW 2006, 2433 (2435).

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

nicht beseitigen kann, doch bestünde dieses Problem generell bei Schmerzensgeldzahlung in Fällen der Körper- oder Gesundheitsverletzung, einer Freiheitsberaubung oder bei Eingriffen in die sexuelle Selbstbestimmung.1197 Die Bemessung der Höhe des Schmerzensgeldes sei nicht schwieriger als bei anderen ideellen Schäden, für die ebenfalls einheitliche Kriterien zur Berechnung fehlten; 1198 wenn die Gerichte in anderen europäischen Ländern in der Lage sind, dieser Aufgabe gerecht zu werden, sollten deutsche Gerichte dies ebenfalls bewältigen können, zumal sie schon jetzt damit zurecht kommen müssen, wenn ausländisches Recht anwendbar ist.1199 Schließlich wird vorgebracht, es sei ferner zu berücksichtigen, dass ein Angehörigenschmerzensgeld für ein „besseres Klima der Gesamtregulierung“ sorge.1200 (5) Funktion des Angehörigenschmerzensgeldes Letztlich lassen sich die Argumente im Hinblick auf ihre Überzeugungskraft nur evaluieren, wenn man sich die Funktion des Schmerzensgeldes vor Augen führt. Das gewichtigste Argument gegen ein Angehörigenschmerzensgeld ist die Tatsache, dass empfundenes Leid nicht durch Geld gelindert oder gar beseitigt werden kann. Allerdings richtet sich dieses Inkommensurabilitätsargument, wie Wagner zutreffend ausführt, „in Wahrheit nicht speziell gegen das Angehörigenschmerzensgeld, sondern gegen Geldausgleich für immaterielle Beeinträchtigungen generell. Insoweit geht die entscheidende Frage nicht dahin, ob Leid und Geld kommensurabel sind – sie sind es ganz offensichtlich nicht –, sondern ob dieser Umstand ausreicht, um Schadensersatz in Geld auszuschließen.“1201 Um dies beantworten zu können, muss man sich generell den Sinn und Zweck des Schmerzensgeldes vor Augen führen. Seit einer grundlegenden Entscheidung des Großen Zivilsenats des BGH zu §  847 BGB a. F. im Jahre 1955 kommt dem Schmerzensgeldanspruch eine doppelte Funktion zu, an der sich auch die Bemessung des Betrags im Einzelfall orientieren muss: „Es soll dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich bieten für diejenigen Schäden, für diejenige Lebenshemmung, die nicht vermögensrechtlicher Art sind. Es soll aber zugleich dem Gedanken Rechnung tragen, daß der Schädiger dem Geschädigten für das, was er ihm angetan hat, Genugtuung schuldet. Dabei steht der Entschädigungs- oder Ausgleichsgedanke im Vordergrund. Der Zweck des Anspruchs ist der Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung. Diese läßt sich jedoch nicht streng rechnerisch ermitteln. Den zugrunde liegenden Gedanken könnte man etwa dahin formulieren, daß der Schä1197 

(19).

Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (552); vgl. auch Hoppenstedt/Stern, ZRP 2015, 18

1198  Huber, NZV 2012, 5 (7); von Jeinsen, zfs 2008, 61 (63); Vorndran, ZRP 1988, 293 (294): „Berechnungsschwierigkeiten…letztlich wohl nur vorgeschoben“. 1199  Huber, NZV 2012, 5 (7); Vorndran, ZRP 1988, 293 (294). 1200  Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (553); ebenso Huber, NZV 2012, 5 (11); Werwigk, bei: Schultzky, VersR 2011, 857 (860). 1201  Wagner, FS Stürner (2013), S.  231 (239 f.).

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diger, der dem Geschädigten über den Vermögensschaden hinaus das Leben schwer gemacht hat, nun durch seine Leistung dazu helfen soll, es ihm im Rahmen des Möglichen wieder leichter zu machen…Dazu kommt aber Folgendes: Wenn auch den Schadensersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung, auch denen auf Entschädigung wegen immaterieller Schäden, kein unmittelbarer Strafcharakter mehr innewohnt, so schwingt doch in dem Ausgleichsgedanken auch heute noch etwas vom Charakter der Buße oder, um mit dem treffenden Ausdruck der entsprechenden Schweizer Rechtseinrichtung zu reden, der Genugtuung mit.“1202

Dem hat sich die überwiegende Literatur für das Angehörigenschmerzensgeld angeschlossen. Es diene dazu, die Lebenssituation der Betroffenen wenigstens etwas erträglicher zu machen und das vielleicht schlimmste Leid, das Menschen empfinden können, ein wenig zu lindern.1203 Da allerdings die „Ausgleichskomponente“ schon vom Begriff her bei seelischem Schmerz in besonderem Maße Widerspruch provoziert, erscheint es vorzugswürdig, die Funktion des Schmerzensgeldes – neben der Genugtuung – nicht so sehr im „Ausgleich“ der erlittenen Beeinträchtigung, sondern vielmehr „lediglich“ in einer symbolischen1204 Anerkennung des durch den Verlust erlittenen Leids durch die Rechtsordnung1205 als Ausdruck der Solidarität und „wohltuendes Trostpflaster“ zu sehen.1206 Akzeptiert man diese Funktion, lassen sich die Argumente der Gegner eines Angehörigenschmerzensgeldes entkräften, denn es geht beim Angehörigenschmerzensgeld nicht darum, das zerstörte oder erheblich beeinträchtigte menschliche Leben mit Geld zu bewerten bzw. aufzuwiegen,1207 sondern lediglich um eine Anerkennung des von den Hinterbliebenen oder Angehörigen erlittenen Schmerzes. Will man die gesetzgeberische Entscheidung zugunsten der Ersatzfähigkeit immaterieller Schäden nicht grundsätzlich in Frage stellen, so erscheint es geboten, auch ein Angehörigenschmerzensgeld vorzusehen, um Wertungswidersprüche innerhalb der nationalen Rechtsordnung, aber auch innerhalb der EU, zu verhindern. Vermeiden lässt sich dann auch die missliche Situation, dass aufgrund der strengen Rechtsprechung zu den Schockschäden in 1202 

BGH v. 6.7.1955 – GSZ 1/55, BGHZ 18, 149 (154).

1203 So Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (552, 563); Kadner, ZEuP 1996, 135 (151); ähnlich

Böttcher, bei: Schultzky, VersR 2011, 857 (585); Hoppenstedt/Stern, ZRP 2015, 18 (21); Huber, NZV 2012, 5 (7). 1204 Gegen einen bloßen Symbolcharakter indes Christiandl/Hinghofer-Szalkay, ZfRV 2007, 44 (61). 1205  Böttcher, bei: Schultzky, VersR 2011, 857 (585); Christiandl/Hinghofer-Szalkay, ZfRV 2007, 44 (61); Hoppenstedt/Stern, ZRP 2015, 18 (19); Huber, NZV 2012, 5 (7); Wiedemann/ Spelsberg-Korspeter, NZV 2012, 471 (472). So nun auch der RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.  6 , 13. 1206  Huber, NZV 2012, 5 (11); ebenso Hoppenstedt/Stern, ZRP 2015, 18 (21); Merk, bei: Schultzky, VersR 2011, 857 (861). 1207  Wagner, JZ 2004, 319 (326): „Die entscheidende Frage lautet nicht: Wie viel war der Getötete wert?, sondern: Was war er seinen Angehörigen wert bzw. wie intensiv leiden sie unter dem Verlust der geliebten Person?“. Kritisch, ob man genau dies bemessen könne, Adelmann, VersR 2009, 449

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der Praxis bisher häufig die „(schauspielerische) Darstellung durch den Angehörigen sowie die Eloquenz des eingeschalteten Facharztes und nicht das Maß an Betroffenheit über Grund und Umfang des von den Gerichten gewährten Ersatzes“ entscheiden.1208 Eine ausufernde Haftung lässt sich durch eine klare Begrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises verhindern (dazu sogleich), und ein merklicher Anstieg der Versicherungsprämien erscheint eher unwahrscheinlich, da die Versicherer aufgrund der Rechtslage im europäischen Ausland schon jetzt Schmerzensgeldforderungen einkalkulieren müssen,1209 sich die Zahlen potenzieller Haftungsfälle mit Angehörigenschmerzensgeld im Vergleich zum Gesamtvolumen an Haftpflichtfällen in Grenzen halten dürften1210 und ein maßvolles Schmerzensgeld neben den beträchtlichen materiellen Schäden (durch Heilbehandlungen, Rehabilitationsmaßnahmen und entgangenes Arbeitseinkommen) nicht sonderlich ins Gewicht fällt.1211 (6) Ausgestaltung des Angehörigenschmerzensgeldes (de lege ferenda) Vor diesem Hintergrund ist es zu begrüßen, dass der Gesetzgeber die schon mehrfach gescheiterten Pläne zur Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes noch in der 18. Legislaturperiode wieder aufgegriffen und in einen RegE gegossen hat.1212 Die kontrovers diskutierten zentralen Fragen, wie eine dahingehende Regelung im Detail ausgestaltet werden sollte, lassen sich stringent beantworten, wenn man die Funktion des Schmerzensgeldes als rein symbolische Anerkennung des erlittenen Leids nicht aus dem Blick verliert. Zu klären gilt es vor allem die folgenden Fragen: (1.) Sollte ein Angehörigenschmerzensgeld nur in Todesfällen oder auch bei schwersten Verletzungen des Unfallopfers gewährt werden? (2.) Sollte ein Angehörigenschmerzensgeld nur in Fällen der Verschuldensoder auch der Gefährdungshaftung vorgesehen werden? (3.) Sollte die Höhe des Schmerzensgeldbetrags gesetzlich geregelt oder richterlichem Ermessen überlassen werden? (4.) Wer sollte zum Kreis der anspruchsberechtigten Angehörigen zählen? 1208 

Huber, NZV 2012, 5 (8). weisen Hoppenstedt/Stern, ZRP 2015, 18 (19), hin. Ähnlich, die Perspektive der Versicherungsnehmer beschreibend Wiedemann/Spelsberg-Korspeter, NZV 2012, 471: „Hinzu tritt der Umstand, dass die deutschen Versicherungsnehmer das in den meisten EU-Mitgliedstaaten höhere Schutzniveau mitfinanzieren, ohne selbst davon in gleicher Weise zu profitieren.“ 1210 Vgl. Wenter, zfs 2012, 1 (4); Werwigk, bei: Schultzky, VersR 2011, 857 (860): 3 % der Gesamtzahl aller Unfälle. Der RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.  9 f., geht von ca. 24.000 Haftungsfällen im Jahr aus, in denen ein Hinterbliebenengeld in Betracht kommt. 1211  Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (552 f.); Werwigk, bei: Schultzky, VersR 2011, 857 (860); vgl. auch Wagner, FS Stürner (2013), S.  231 (241 f.: keine Gefahr „amerikanischer Verhältnisse“); Wiedemann/Spelsberg-Korspeter, NZV 2012, 471 (473). 1212  RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17. 1209  Darauf

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Wenn man bedenkt, dass mit dem Angehörigenschmerzensgeld auf seelische Schmerzen reagiert werden soll, die jemand erleidet, weil ein geliebter Mensch in einen Unfall mit schwerwiegenden Folgen verwickelt wurde, sollte der Anspruch nicht auf Todesfälle beschränkt,1213 sondern auch bei schwersten, insbesondere dauerhaften bzw. langwierigen Verletzungen zugesprochen werden.1214 Oftmals bedeutet eine schwere Verletzung für Angehörige schlimmeres Leid als ein Todesfall, mit dem man vielleicht irgendwann „abschließen“ und in ein „normales“ Leben zurückfinden kann.1215 Bei schwersten Verletzungen sind die engsten Angehörigen häufig nicht nur mit der Pflege und Versorgung des Verletzten belastet,1216 die manchmal eine Umstellung des ganzen Lebens und Freizeitverhaltens erfordern, sondern es tritt die zusätzliche psychische Belastung hinzu, das Schicksal des Unfallopfers hilflos hinnehmen zu müssen ohne ihm konkret helfen zu können. Diese Art von seelischem Schmerz verdient gleichermaßen rechtliche Anerkennung wie der Schmerz über den Verlust eines Menschen in Todesfällen. Das Gegenargument, dass dem Verletzten in solchen Fällen bereits ein nicht unbeträchtlicher eigener Schmerzensgeldanspruch zustünde überzeugt nicht, denn das Angehörigenschmerzensgeld soll den Angehörigen gerade einen eigenen Anspruch für das ihnen durch den Tod oder die schweren Verletzungen des Opfers widerfahrene Leid geben, der von etwaigen Ansprüchen des Geschädigten unabhängig ist. Angesichts der Funktion des Angehörigenschmerzensgeldes, kann es außerdem im Grundsatz nicht zweifelhaft sein, dass es auf Verschuldensgesichtspunkte nicht ankommen kann.1217 Das Leid der Angehörigen ist kein anderes, wenn der Schädiger lediglich aus Gefährdung haftet; es geht eben nicht um Bestrafung des Schädigers, sondern um die Anerkennung von seelischem Schmerz. Zu Recht wurde ferner darauf hingewiesen, dass es gerade in Fällen der Gefährdungs­ haftung unbillig wäre, das Schmerzensgeld von einem Verschulden abhängig zu machen, das nicht selten schwierig zu klärende Fragen aufwirft. So werden sich 1213  So aber der RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.  7 (vgl. oben bei Fn.  1139); Hoppen­ stedt/Stern, ZRP 2015, 18 (20); Vorndran, ZRP 1988, 293 (295), mit dem Hinweis, dass der Anspruch dann seine scharfen Konturen verlieren würde und ein nicht unbeträchtlicher eigener Anspruch des Verletzten bestehe; Wagner, FS Stürner (2013), S.  231 (248 ff.), unter dem Gesichtspunkt der Minimierung der zusätzlichen administrativen Kosten. 1214  Huber, NZV 2012, 5 (8 f.), der bei diesen Fällen aufgrund der Unwägbarkeiten mit beachtlichen Gründen für eine Rente als Ersatzform plädiert; Koch, FS Barta (2009), S.  171 (178); Wiedemann/Spelsberg-Korspeter, NZV 2012, 471 (473). Für Österreich: Hinghofer-­ Szalkay, ZVR 2008, 444 (446). 1215  Hinghofer-Szalkay, ZVR 2008, 444 (446); Huber, ZfRV 2015, 227 (234); Huber, NZV 2012, 5 (8 f.); Kadner-Graziano und Koch, in: Schultzky, VersR 2011, 857 (859). 1216  Die dadurch zusätzlich entstehenden Kosten sind als „normale“ materielle Schadensposten unproblematisch vom Schädiger zu ersetzen. 1217  So auch RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.  7; Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (558, 563); Staudinger, NJW 2006, 2433 (2436); Wiedemann/Spelsberg-Korspeter, NZV 2012, 471 (473). Für Österreich: Hinghofer-Szalkay, ZVR 2008, 444 (446).

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etwa im Fall des Absturzes der Germanwings-Maschine die Fragen kaum beantworten lassen, ob der Pilot überhaupt verschuldensfähig war und ob die Flug­ gesellschaft ein (Mit-)Verschulden trifft.1218 Seit die Ersatzfähigkeit von immateriellen Schäden durch das Zweite Schadensersatzrechtsänderungsgesetz1219 generell auf Gefährdungshaftungstatbestände ausgedehnt wurde, lässt sich nicht mehr begründen, dass für Angehörigenschmerzensgeld etwas anderes gelten sollte. Berücksichtigt werden kann der Aspekt des Verschuldens allerdings beim Umfang des Schmerzensgeldes, denn das Leid der Angehörigen mag durchaus in größerem Maße Anerkennung verdienen, wenn der Schädiger den Tod oder die schwere Verletzung vorsätzlich oder jedenfalls schuldhaft herbeigeführt hat.1220 Letztlich ist das jedoch eine Entscheidung, die dem richterlichen Ermessen im Einzelfall überlassen werden sollte, wie generell die Frage nach der Höhe des Angehörigenschmerzensgeldes.1221 Wie schon bisher in §  253 Abs.  2 BGB sollte daran festgehalten werden, die Entscheidung über die Höhe des Schmerzensgeldes dem Richter zu überlassen, um nach Möglichkeit Einzelfallgerechtigkeit zu gewährleisten.1222 Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, ob und inwieweit ein Angehöriger Pflegeleistungen übernimmt und mit den Schwierigkeiten des täglichen Zusammenlebens mit einem Schwerstverletzten zu kämpfen hat. Eine gesetzliche Pauschalierung des Leids durch einen fixen Betrag ist weder geeignet, der Bandbreite an möglichen Situationen gerecht zu werden,1223 noch erforderlich, um eine praktikable und gleichmäßige Hand­ habung zu ermöglichen, die auch über Richtwerte (in Tabellen etc.) 1224 erreicht werden kann.1225 Tendenziell sollte sich die Höhe eines Schmerzensgeldes an 1218 Richtig

Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (558, 563). Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften vom 19.7.2002, BGBl. I 2002, S.  2674 f.; eingehend dazu Wagner, NJW 2002, 2049 (2053 ff.). 1220  Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (558); Koch und Kadner-Graziano, bei: Schultzky, VersR 2011, 857 (859); Wiedemann/Spelsberg-Korspeter, NZV 2012, 471 (473). 1221 RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.   13; Huber, NZV 2012, 5 (9 f.); Wenter, zfs 2012, 1 (5); Wiedemann/Spelsberg-Korspeter, NZV 2012, 471 (473). A. A. Wagner, FS Stürner (2013), S.  231 (251), der für eine gesetzliche Festschreibung plädiert. 1222  Dass die Angehörigen bei diesem Modell die Darlegungs- und gegebenenfalls Beweislast dafür tragen, wie groß ihr Leid ist und wie nahe sie dem Opfer standen, führt nicht zu einer „sekundären Viktimisierung“ [so aber Böttcher, bei: Schultzky, VersR 2011, 857 (860)], sondern entspricht den allgemeinen Verfahrensrechtsgrundsätzen im Beweisrecht. 1223  Ein weiterer Nachteil besteht darin, dass eine kontinuierliche inflationsbedingte Anpassung notwendig wäre; vgl. Huber, NZV 2012, 5 (9). 1224  A. A. Steffen, FS Odersky (1996), S.  723 (731), der die Gefahr sieht, dass „die Regulierung nach dem Vorbild sog. „Gliedertaxen“ zu Sterbegeldpauschalen entartet, in denen das Individuelle der Gefühlsbindungen und ihrer Beeinträchtigung rechtlich inadäquat verarbeitet wird.“ 1225  Zurecht wird darauf hingewiesen, dass eine Pauschale den Charakter des Angehörigenschmerzensgeldes in Richtung eines „Sterbegeldes“ verändern würde, was mit der Funktion und Rechtsnatur eines Schmerzensgeldes schwerlich vereinbar wäre, so Wiedemann/ Spelsberg-Korspeter, NZV 2012, 471 (473). 1219  Zweites

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den im europäischen Vergleich üblichen Größenordnungen orientieren und daher keine exorbitanten Werte erreichen,1226 zumal der Verlust eines geliebten Menschen grundsätzlich eine Erfahrung ist, die jeder im Laufe seines Lebens bewältigen muss.1227 Zurecht wird deshalb vorgebracht, dass für seelisches Leid, das nicht den Schweregrad einer Gesundheitsverletzung erreicht, an sich keine höheren Beträge zugesprochen werden können als für den Verlust von Körpergliedern oder Sinnesorganen oder auch für schwere psychische Krankheiten, wie etwa Depressionen; 1228 da insofern jedoch in Deutschland nur sehr bescheidene Beträge zugesprochen werden, sollte darüber nachgedacht werden, ob nicht eine maßvolle Erhöhung angemessen wäre, denn ansonsten dürfte sich auch ein Angehörigenschmerzensgeld nur in einem Bereich von 5.000  A bis allenfalls 15.000  A bewegen.1229 Dagegen wurde vorgebracht, dass „Angehörigenschmerzensgelder in Höhe des Preises eines Kleinwagens (…) bestenfalls als Starthilfe in ein neues Leben ohne die geliebte Person empfunden werden (dürften) – und schlimmstenfalls als pietätloser Versuch, tief empfundenen Schmerz mit einem monetären Trotzpflaster zu verkleben.“1230 Da das Schmerzensgeld jedoch allein eine symbolische Anerkennung sein soll, kann nur davor gewarnt werden, Beträge in einer Größenordnung, wie sie in Italien vorgesehen sind, auch hierzulande einzuführen. Schließlich ist zu überlegen, ob der anspruchsberechtigte Personenkreis auf nahe Familienangehörige beschränkt oder auf alle dem Opfer tatsächlich nahestehenden Menschen erstreckt werden sollte. Aus der Funktion des Angehörigenschmerzensgeldes folgt jedenfalls keine Einschränkung auf die engste Familie. Der Grund für die bei Verlust oder schweren Verletzungen eines Menschen eintretenden Symptome ist die emotionale Nähe eines Menschen mit dem Opfer. Eine solche besteht aber nicht nur in familiären Beziehungen, sondern kann auch zwischen engen Freunden oder nichtehelichen Lebensgefährten existieren. Das Recht sollte daher auf tatsächlich bestehende emotionale Beziehungen reagieren. In der heutigen Gesellschaft gibt es die verschiedensten Formen menschlichen Zusammenlebens, die – in aller Regel – auf der Grundlage von Sympathien und Nähebeziehungen basieren und daher emotionale Folgen bei unfallbedingten Todesfällen oder schweren Verletzungen auslösen können. Innerhalb der Familie bzw. ehelichen Lebensgemeinschaft sind solche gefühls­ mäßigen Bindungen immer noch am häufigsten anzutreffen, aber das Phäno1226  Vorgeschlagen wird eine Größenordnung von 15.000–30.000  A, vgl. statt vieler Huber, NZV 2012, 5 (9 f.). Der von Wenter, zfs 2012, 1 (5) geforderte Mindestbetrag von 100.000  A erscheint überzogen und nicht realistisch. Zur Bemessung des Geldersatzes bei immateriellen Schäden umfassend F. Bydlinski, FS Widmer (2003), S.  27 ff. 1227  Wagner, FS Stürner (2013), S.  231 (245). 1228  Wagner, FS Stürner (2013), S.  231 (245). 1229  Huber, NZV 2012, 5 (9); Kuhn, SVR 2012, 288 (290); Wagner, FS Stürner (2013), S.  231 (245). Der RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.  10, geht von 10.000  A aus. 1230  Wagner, FS Stürner (2013), S.  231 (245); Wenter, zfs 2012, 1 (5).

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men ist keineswegs auf familiäre Statusverhältnisse beschränkt und daher kein spezifisch familienrechtliches Problem. Deshalb sollte der Kreis der Anspruchsberechtigten unabhängig von familiären Beziehungen all jene erfassen, die tatsächlich durch eine besonders emotionale Beziehung mit dem Opfer verbunden sind.1231 Nach der allgemeinen Lebenserfahrung spricht eine Vermutung dafür, dass dies auf Ehegatten, die Eltern und Kinder zutrifft.1232 Das schließt allerdings nicht aus, im Einzelfall auch diesen Personen einen Anspruch zu versagen, wenn im Zeitpunkt des Unfalls tatsächlich kein gutes Verhältnis (mehr) zum Opfer bestand.1233 Umgekehrt sollte jeder andere die Möglichkeit haben, ein real bestehendes, (emotional) besonders enges Verhältnis zum Opfer darzulegen und zu beweisen, auch wenn es sich nicht um ein familienrechtliches ­Statusverhältnis handelt.1234 Mag es auch sein, dass es im Regelfall nicht angemessen erscheint, selbst Großeltern und Freunden des Unfallopfers einen Schmerzensgeldanspruch zuzusprechen, so kann dies im Einzelfall doch anders zu beurteilen sein, wenn die Großeltern (z. B. aufgrund der Berufstätigkeit der Eltern) im Wesentlichen die Elternrolle übernommen haben oder die Freunde als „Familienersatz“ fungieren. Auf diese Weise können auch nichteheliche Lebensgefährten, Geschwister, Freunde oder Arbeitskollegen, die einen besonders engen persönlichen Kontakt zum Opfer haben und daher als „Angehörige“ bezeichnet werden können, potentiell zum Kreis der Anspruchsberechtigten gezählt werden. Maßgeblich müssen letztlich aber immer die konkreten Umstände des Einzelfalls sein, wobei die Beweislast für die emotionale Verbundenheit beim Anspruchsteller liegt. (7) Fazit und Ausblick Wie auch immer die konkrete Ausgestaltung eines Angehörigenschmerzensgeldes letztlich ausfallen wird, eines ist sicher: Ein Schmerzensgeld für Angehörige bei Verlust oder schweren Verletzungen eines geliebten Menschen kann nicht mehr als bloß symbolische Bedeutung haben, um die gesellschaftliche Anerkennung des seelischen Schmerzes und Leids zum Ausdruck zu bringen. Es mag zumindest nachdenklich stimmen, dass unsere heutige Gesellschaft immer öf1231  So auch der RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.  11 f. Für Beschränkung auf Ehegatten/Lebenspartner sowie Eltern und Kinder hingegen Wiedemann/Spelsberg-Korspeter, NZV 2012, 471 (473). Jedenfalls eine häusliche Gemeinschaft verlangend Odersky, Schmerzensgeld bei Tötung naher Angehöriger, S.  22. 1232  Dementsprechend sieht der RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.  13 f., einen Abs. 3 Satz  2 mit einer gesetzlichen Vermutung vor (vgl. oben bei Fn. 1136). 1233  So ist auch der RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.   14, sowie die Rechtslage in Italien, vgl. Christiandl/Hinghofer-Szalkay, ZfRV 2007, 44 (59). 1234 So auch der RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.   11 f. In diese Richtung auch Hinghofer-Szalkay, ZVR 2008, 444 (447). Restriktiv für Beziehungen außerhalb des engsten Familienkreises hingegen Kadner Graziano, RIW 2015, 549 (559: nur „bei Vorliegen ganz besonderer Umstände“).

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ter nur noch finanziellen Mitteln derartige Symbolkraft zumisst; aus Wertungsgesichtspunkten erscheint eine „billige Entschädigung in Geld“ im Sinne von §  253 Abs.  2 BGB jedoch für den erdenklich schlimmsten aller immateriellen Schäden angesichts der grundsätzlichen Entscheidung in §  253 Abs.  1 BGB für die Ersatzfähigkeit von Nichtvermögensschäden, soweit gesetzlich angeordnet, mehr als gerechtfertigt. Da es sich nach der hier vertretenen Ansicht nicht um ein spezifisch familienrechtliches Phänomen handelt, sollte eine gesetzliche Neuregelung an der allgemeinen Vorschrift zum Schmerzensgeld in §  253 BGB ansetzen.1235 Vorgeschlagen wurde insofern, §  253 BGB um einen Absatz 3 mit folgendem Wortlaut zu ergänzen: „(3) Im Falle des Todes oder der besonders schweren Verletzung der Gesundheit kann eine billige Entschädigung in Geld auch von engen Familienangehörigen (Ehegatten oder Lebenspartnern, Kindern, Eltern) gefordert werden. Sie kann auch von Geschwistern oder sonstigen Partnern sowie in Ausnahmefällen auch von anderen Personen gefordert werden, zu denen eine besonders enge Beziehung bestand, insbesondere wenn sie in einem gemeinsamen Haushalt lebten.“

Vorzugswürdig erscheint jedoch die in Anlehnung an Art.  10:301 Abs.  1 S.  3 der Principles of European Tort Law vorgeschlagene offenere Alternative, die dem Richter mehr Spielraum bei der Berücksichtigung der Einzelfallumstände lässt und trotzdem mit der gebotenen restriktiven Auslegung eine angemessene Begrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises ermöglicht: „(3) Ausgleich eines Schadens, der nicht Vermögensschaden in Geld ist, kann auch von Personen gefordert werden, die in einer besonders engen Beziehung zu einem Getöteten oder sehr schwer Verletzten“ stehen.

In den Spezialgesetzen zur Gefährdungshaftung müssten entsprechende Verweisungen aufgenommen werden, um sicherzustellen, dass das Angehörigenschmerzensgeld bei allen Tatbeständen der außervertraglichen Haftung zugesprochen werden kann. e) Rettungs- und Nothilfeversuche Die emotionale Verbundenheit zwischen zwei Menschen, die vor allem, aber nicht allein in familiären Beziehungen besteht, kann haftungsrechtlich auch dann eine Rolle spielen, wenn es um die Zurechnung von Verletzungen geht, die ein sich selbstgefährdender Nothelfer dadurch erleidet, dass er einem anderen Verletzten zur Hilfe eilt. Wie stets setzt auch in solchen Fällen ein Schadens­ ersatzanspruch des Helfers nicht nur voraus, dass der Schaden äquivalent und 1235  Anders der aktuelle Vorschlag im RegE v. 9.2.2017, BR-Drucks. 127/17, S.  1, der einen neuen §  844 Abs.  3 BGB vorsieht (vgl. oben bei Fn.  1136); so auch Wagner, Gutachten für den 66. DJT 2006, Bd. I, A 65, und Wagner, FS Stürner (2013), S.  231 (253).

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adäquat kausal durch das Verhalten des Schädigers verursacht wurde, sondern auch, dass der vom Helfer erlittene Schaden vom Schutzzweck der verletzten Norm erfasst wird. Problematisch ist in Nothilfefällen, dass die Deliktshaftung nach §  823 BGB in erster Linie vor Fremdschädigungen schützen will, nicht jedoch vor „freiwillig“ erlittenen Selbstschädigungen. Im Grundsatz ist jedoch anerkannt, dass auch eine psychisch vermittelte Kausalität zur Haftungsbegründung ausreichen kann, wenn sich der Helfer zu seinem Eingreifen veranlasst bzw. „herausgefordert“ sehen durfte. In diesem Fall schafft der Schädiger durch sein Verhalten einen Gefahrenzustand bzw. eine Lage erhöhter Verletzungsgefahr für den Helfer, so dass dessen freiwilliger Entschluss zur Hilfeleistung den Kausal- und Zurechnungszusammenhang zwischen dem unmittelbar einen anderen schädigenden Verhalten des Schädigers und der durch das gesteigerte Risiko verursachten (Selbst-)Schädigung des Helfers nicht unterbricht.1236 Dabei darf sich ein Helfer bei einer drohenden oder schon eingetretenen Schädigung je eher zur Nothilfe „herausgefordert“ fühlen, desto eher ein Eingreifen durch seine Person einer sittlich oder moralisch gebotenen Handlung entspricht, die vor allem in Fällen eines bestehenden emotionalen Näheverhältnisses anzunehmen sein kann. Ein solches besteht zwar regelmäßig, aber weder notwendig noch ausschließlich zwischen Familienmitgliedern. Ein besonders prägnantes Beispiel ist dafür der vom BGH entschiedene „Nierenfall“, in dem einem Kind aufgrund eines ärztlichen Behandlungsfehlers die einzige vorhandene Niere entfernt wurde, woraufhin sich die Mutter veranlasst sah, dem Kind eine ihrer Nieren zu spenden. Durch dieses, die ärztlichen Sorgfaltspflichten verletzende Verhalten habe der behandelnde Arzt, so der BGH, „auch einen Gefahrenzustand geschaffen, der vor allem nahe Angehörige (des Kindes) dazu veranlassen konnte, zur Rettung von Leben und Gesundheit (des Kindes) eine Verletzung des eigenen Körpers in Kauf zu nehmen, indem sie eine Niere zur Implantation bei (dem Kind) zur Verfügung stellten. Das so dem Organspender aufgezwungene Opfer der eigenen körperlichen Unversehrtheit ist ein Verletzungstatbestand, der (…) wie in anderen Rettungs- und Nothilfefällen eine Schadensersatzpflicht des für die Rettungsund Notlage verantwortlichen Schädigers auch gegenüber dem Retter und Nothelfer, der bei der Rettungshandlung zu Schaden kommt, begründen kann.“1237

Allerdings setzt eine objektive Zurechnung des Schadens auch des Helfers nach der Rechtsprechung des Weiteren voraus, dass das selbstgefährdende oder -schädigende Eingreifen auf billigenswerte Motive des Helfers zurückzuführen 1236  BGH v. 30.6.1987 – VI ZR 257/86, NJW 1987, 2925; vgl. auch BGH v. 16.4.2002 – VI ZR 227/01, NJW 2002, 2232 (2233); BGH v. 12.3.1996 – VI ZR 12/95, NJW 1996, 1533 f.; BGH v. 13.1.1976 – VI ZR 41/75, NJW 1976, 568 f.; BGH v. 29.10.1974 – VI ZR 168/73, NJW 1975, 168; BGH v. 13.7.1971 – VI ZR 125/70, NJW 1971, 1980 f.; BGH v. 13.7.1971 – VI ZR 165/69, NJW 1971, 1982 f.; Nökel, Die Rechtsstellung des Nothelfers, S.  96 ff., 102 ff.; Stoll, Kausalzusammenhang und Normzweck im Deliktsrecht, S.  32. 1237  BGH v. 30.6.1987 – VI ZR 257/86, NJW 1987, 2925.

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ist und kein krasses Missverhältnis zwischen der vom Helfer auf sich genommenen Gefahr und dem mit der Hilfeleistung bezweckten Erfolg besteht.1238 Ist eine solche Verhältnismäßigkeit nicht gewahrt, so fällt eine Körperverletzung des Helfers nicht mehr in den Schutzbereich der Haftungsnorm.1239 Schon das Reichsgericht hat die Haftung des Schädigers auch auf Verletzungen des Helfers erstreckt, wenn die Rettungshandlung im Hinblick auf den drohenden oder abzuwendenden Schaden nicht unverhältnismäßig war.1240 Daran knüpfte die Rechtsprechung des BGH zu den sogenannten Verfolgungs- oder Herausforderungsfällen an.1241 Aber auch bei Rettungs- und Nothilfeversuchen entspricht es der heute herrschenden Meinung, dass der für eine Notlage verantwortliche Schädiger unter diesen einschränkenden Voraussetzungen auch für diejenigen Schäden aufkommen muss, die ein Helfer durch „herausgeforderte“ Hilfsmaßnahmen mit erhöhtem Risikopotential erleidet: „Erst wenn der Schädiger verantwortlich einen Gefahrenzustand geschaffen hat, der von einem solchen Gewicht und von einem solchen Aufforderungscharakter an den Retter und Nothelfer ist, daß das von diesem auf sich genommene Risiko ebenso wie die für den zu Rettenden gesetzte Gefahr bei einer wertenden Betrachtung dem Schädiger zuzuordnen ist, weil er den zu Rettenden in eine Lage gebracht hat, die das Eingreifen des Retters und Nothelfers wenn nicht gebieten, so doch mindestens verständlich und billigenswert macht, muß er für die Selbstschädigung des Retters und Nothelfers einstehen. Es ist dann nicht mehr gerechtfertigt, das Eingreifen des Retters und Nothelfers isoliert von der Schaffung der „gesteigerten Gefahrenlage“ (…) durch den Schädiger zu betrachten. … Ohne solche, die Haftung begrenzende Kriterien (…) läge die Haftung desjenigen, der einem anderen Schaden zugefügt hat, für dadurch ausgelöstes Eingreifen Dritter nicht mehr im Schutzbereich der Verhaltenspflicht, keine herausfordernden Rettungsoder Nothilfesituationen herbeizuführen.“1242

Im bereits erwähnten „Nierenfall“ führte der BGH aus, dass das Verhalten der Mutter sittlich hoch zu bewerten und von der Rechtsordnung zu billigen und anzuerkennen sei. Da der medizinisch indizierte Versuch, durch die Spende einer gesunden Niere die körperliche und gesundheitliche Lage des Kindes zu verbessern, in einem vernünftigen und angemessenen Verhältnis zu der Selbstschädigung der Mutter stehe, sei dem Arzt die mit der Nierenspende verbun­ 1238  BGH v. 30.6.1987 – VI ZR 257/86, NJW 1987, 2925 (2926). Vgl auch BGH v. 12.3.1996 – VI ZR 12/95, NJW 1996, 1533 (1534); BGH v. 29.10.1974 – VI ZR 168/73, NJW 1975, 168; BGH v. 13.7.1971 – VI ZR 125/70, NJW 1971, 1980 (1981). 1239  BGH v. 12.3.1996 – VI ZR 12/95, NJW 1996, 1533 (1534). 1240  RG v. 21.3.1892 – VI 330/91, RGZ 29, 120 ff.; RG v. 20.2.1902 – VI 399/01, RGZ 50, 219 (223); RG v. 6.6.1940 – VIII 578/39, RGZ 164, 125 f. 1241  BGH v. 12.3.1996 – VI ZR 12/95, NJW 1996, 1533 m. w. N.; BGH v. 13.1.1976 – VI ZR 41/75, NJW 1976, 568; BGH v. 29.10.1974 – VI ZR 168/73, NJW 1975, 168; BGH v. 29.10.1974 – VI ZR 168/73, NJW 1975, 168; BGH v. 13.7.1971 – VI ZR 165/69, NJW 1971, 1982; BGH v. 13.7.1971 – VI ZR 125/70, NJW 1971, 1980; BGH v. 24.3.1964 – VI ZR 33/63, NJW 1964, 1363 (1364). Dazu auch MüKoBGB/Oetker, §  249 Rn.  170 ff.; Staudinger/Schiemann, §  249 Rn.  48 ff. 1242  BGH v. 30.6.1987 – VI ZR 257/86, NJW 1987, 2925 (2926).

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

dene Körperverletzung und Gesundheitsbeschädigung der Mutter zuzurechnen.1243 Letztlich ist die Rechtsprechung des BGH zu den Rettungs- oder Nothilfeversuchen jedoch nicht auf familiär verbundene Helfer beschränkt. Auch insofern handelt es sich daher, ebenso wie nach hier vertretener Ansicht beim Angehörigenschmerzensgeld, nicht um eine auf spezifisch familienrechtliche Besonder­heiten zurückzuführende Haftungsbegründung, auch wenn die familiär-­ emotionale Verbundenheit regelmäßig (aber eben nicht notwendig) besonderen Anreiz bietet, dem unmittelbar Verletzten zur Hilfe zu eilen, selbst wenn der Helfer dadurch Gefahr läuft, selbst eine Verletzung davon zu tragen.

III. Ergebnis Die vorstehenden Ausführungen haben gezeigt, dass die Angehörigeneigenschaft bzw. die familiäre Verbundenheit als solche – die unabhängig von der statusrechtlichen Verfestigung der jeweiligen Paarbeziehung existieren kann – im Außenverhältnis keine Anspruchskürzung zulasten des unmittelbar oder mittelbar Geschädigten bzw. eine Beschränkung der Haftung eines Dritten rechtfertigen kann, insbesondere nicht wegen eines wie auch immer anrechenbaren Mitverschuldens eines Familienangehörigen. Ebenso wenig kann ein familiäres Näheverhältnis als zwingendes Tatbestandsmerkmal bei der Begründung eines Schockschadensersatzes, eines Angehörigenschmerzensgeldes oder eines Ausgleichsanspruchs in Rettungsfällen anspruchsbegründend wirken und damit eine Ausweitung der Haftung des Schädigers begründen. Eine emotionale Verbundenheit des Anspruchstellers mit dem unmittelbar betroffenen Opfer kann zwar – unabhängig von einer familienrechtlichen Verbindung – die Begründung eines Anspruchs auf Ersatz eines Schockschadens, eines hier befürworteten Anspruch auf Angehörigenschmerzensgeld sowie eines Anspruchs auf Ersatz von Schäden durch Rettungs- und Nothilfeversuche erleichtern. Sie ist aber kein unabdingbares anspruchsbegründendes Kriterium.

E. Haftung eines Ehegatten gegenüber einem vom anderen Ehegatten geschädigten Dritten Schwieriger zu beurteilen ist die umgekehrte Konstellation und damit die Frage, ob ein Ehegatte in Fällen, in denen der andere Ehegatte gegenüber einem Dritten eine unerlaubte Handlung begangen hat oder diesem gegenüber eine vertragliche Verbindlichkeit eingegangen ist, im Außenverhältnis unmittelbar vom Dritten in die Haftung genommen werden kann. Während es früher ganz 1243 

BGH v. 30.6.1987 – VI ZR 257/86, NJW 1987, 2925 (2926).

E. Haftung eines Ehegatten gegenüber einem Dritten

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selbstverständlich war, dass der Mann für seine Frau haftete (dazu I.1.) und das Familienvermögen bei Teilnahme einzelner Familienmitglieder am wirtschaftlichen Verkehr den Gläubigern als Haftungsmasse zur Verfügung stand (dazu I.2.), kennt das heutige Recht vergleichbares nur noch bei den Schlüsselgewaltgeschäften (dazu II.). Praktisch viel häufiger wird heutzutage eine eigene Haftung eines Ehegatten für Verbindlichkeiten des anderen jedoch durch vertrag­ liche Vereinbarungen herbeigeführt, indem nicht selten unter Ausnutzung familiärer Solidarität zum Beispiel die Übernahme einer Bürgschaft verlangt wird (dazu III.).

I. Historische Hintergründe der Haftung für den anderen im Eheverhältnis 1. Common Law-Tradition: Mann und Frau als eine rechtliche Identität Im Common Law hat sich nach traditionellem Verständnis die rechtliche Stellung einer Frau entscheidend verändert, sobald sie verheiratet war. Unverheiratete Frauen hatten fast die gleichen Vermögensrechte wie Männer: 1244 Sie waren berechtigt, eigenes Vermögen (durch Kauf oder Erbschaft) zu erwerben, zu besitzen, zu verwalten und zu veräußern, sie durften selbst Verträge schließen und die Gewinne bzw. Erträgnisse der eigenen Arbeit sowie des eigenen Vermögens nutzen. Für unerlaubte Handlungen oder sonstiges Fehlverhalten waren sie selbst verantwortlich. Dementsprechend konnten unverheiratete Frauen im eigenen Namen Klage erheben und verklagt werden. Sobald eine Frau in den Ehestand („coverture“) trat, verlor sie indes nicht nur beinahe all ihre Vermögensrechte, sondern praktisch ihre gesamte rechtliche Identität.1245 Teils basierend auf der biblischen Vorstellung, dass das verheiratete Paar „ein Fleisch“ ist,1246 ging man im Common Law davon aus, dass der Mann und die Frau mit der Heirat zu einer rechtlichen Identität in der Person 1244  Vgl. dazu Clark/Estin, Cases and problems on domestic relations, S.  632 („full legal capacity“); Johnston, 47 N.Y.U. L. Rev. 1033, 1045 (1972); Kanowitz, Women and the law – The unfinished revolution, 1969, S.  35; Tobias, 23 Ga. L. Rev. 359, 361 (1989) m. w. N. auch zum englischen Recht. 1245 In den europäischen Rechtsordnungen wird die Rechtsposition der Frau durch die Eheschließung nicht beschränkt; vgl. auch das UN-Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau v. 18.12.1979. Da die vollständige Rechts-, Geschäftsund Handlungsfähigkeit von Frauen jedoch von manchen religiösen und kulturellen Gruppen nicht anerkannt wird (Boele-Woelki/Martiny, ZEuP 2014, 608 (611)), hat die CEFL in ihren Principles of European Familiy Law Regarding Property Relations Between Spouses ein eigenes Prinzip 4:3 aufgenommen, in dem dies klargestellt wird, vgl. Boele-Woelki/Ferrand/ González Beilfuss u. a., Principles, S.  42 ff. 1246  Erstes Buch Mose (Genesis) 2,24: „Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und an seinem Weibe hangen, und sie werden sein ein Fleisch.“ Aus der amerikanischen Literatur vgl. Johnston, 47 N.Y.U. L. Rev., 1033, 1046 (1972), bei und in Fn.  41; Williams, 10 Mod. L. Rev. 16 ff. (1947).

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

des Mannes1247 „verschmelzen“; die Frau verlor so gut wie all ihre individuellen Rechte und Rechtspositionen, die sie vor der Ehe aufgebaut oder erworben hatte. Bewegliches Vermögen der Frau ging automatisch mit der Verheiratung in den Besitz und das Eigentum des Mannes über, während Immobiliarvermögen zwar im Eigentum der Frau verblieb, der Ehemann erlangte aber ein Anrecht namens „jure uxoris“ bzw. „jus mariti“, das ihn während bestehender Ehe zu alleinigem Besitz und der Verwaltung, einschließlich der Erträgnisse berechtigte.1248 Daher waren verheiratete Frauen nicht in der Lage, ihr (früheres) Vermögen selbst zu nutzen, zu verwalten oder zu übertragen; sie waren nicht berechtigt, eigenständig Verträge zu schließen oder ihren Verdienst1249 oder ihr sonstiges Einkommen selbständig zu nutzen. Selbst Forderungen der Frau unterfielen dem exklusiven Recht des Mannes, diese einzutreiben.1250 Die Frau 1247  Siehe nur Bradwell v. People of State of Illinois, 83 U.S.  130, 141 (1872) (common law maxime that „a woman had no legal existence separate from her husband“); Thomson v. Thomson, 218 U.S.  611, 614 (1910) („At the common law the husband and wife were regarded as one, the legal existence of the wife during coverture being merged in that of the husband“); Johnson v. Johnson, 201 Ala. 41, 43 (1917) („That [common] law regarded the husband and wife, for judicial purposes, as but one person, and, we may add, the husband was that person.“); United States v. Yazell, 382 U.S.  341, 361 (1966) („This rule has worked out in reality to mean that though the husband and wife are one, the one is the husband“); Prosser and Keeton on the law of torts, 5th ed., 1984, §  122, S.  9 02; McCurdy, 43 Harv. L. Rev. 1030, 1035 (1930); Tobias, 23 Ga. L. Rev. 359, 363 (1989). Kritisch dagegen Williams, 10 Mod. L. Rev. 16, 17 f. (1947), der hervorhebt, dass die Einheitsfiktion die Common Law-Konzeption nur unvollkommen wiedergebe, da diese in gewissem Maße sehr wohl die Individualität von verheirateten Frauen anerkenne; McCurdy, 2 Vill. L. Rev. 447, 450 (1957), der anmerkt, dass die Auswirkungen der Heirat auf die Vermögensrechte überwiegend unvereinbar mit der Einheitskonzenption seien und dass die Konzeption der Einheit und rechtlichen Identität nur dann herangezogen würde, wenn es passend erscheint. 1248 Siehe Griswold v. Penniman, 2 Conn. 564 f. (1818) („The husband, by marriage, acquires a right to the use of the real estate of his wife, during her life; (…). He acquires an absolute right to her chattels real, and may dispose of them. If he does not dispose of them, and sur­ vives his wife, they survive to him: but if she outlives her husband, they survive to her. He acquires an absolute property in her chattels personal in possession.“). McCurdy, 43 Harv. L. Rev. 1030, 1031 f. (1930); McCurdy, 2 Vill. L. Rev. 447, 448 (1957); McCurdy, 4 Vill. L. Rev. 303, 304 (1959); Johnston, 47 N.Y.U. L. Rev. 1033, 1045 (1972), bei Fn.  35; Kanowitz, Women and the law – The unfinished revolution, 1969, S.  36; Williams, 10 Mod. L. Rev. 16, 18 (1947). 1249 Der Mann hatte einen Anspruch auf die Dienstleistungen seiner Frau und folglich auch auf ihr Einkommen, wenn sie außerhalb des ehelichen Haushalts arbeitete, Clark/Estin, Cases and problems on domestic relations, S.  632 f.; McCurdy, 43 Harv. L. Rev. 1030, 1032 (1930); McCurdy, 2 Vill. L. Rev. 447, 448 (1957); McCurdy, 4 Vill. L. Rev. 303, 304 (1959). Beachte auch die drastische Aussage von Ch. E. Dodd, in: Bacon (Hrsg.), A new Abridgement of the Law, 1832, Bd. 1, Titel: Baron and Femme, S.  693: „The husband hath, by law, power and dominion over his wife, and may keep her by force within the bounds of duty, and may beat her, but not in a violent or cruel manner.“ 1250  Griswold v. Penniman, 2 Conn. 564 f. (1818) („[A]s to her choses in action, [the husband] may maintain a suit jointly with her to recover them; and if he reduces them to possession, during coverture, they become his; otherwise, they survive to the wife, if she outlives him, or to her administrator, if she does not. As to the property of the wife accruing during coverture, the same rule is applicable, excepting in regard to choses in action. These vest abso-

E. Haftung eines Ehegatten gegenüber einem Dritten

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konnte zwar an sich auch während der Ehe neues Vermögen hinzuerwerben, allerdings teilte es unmittelbar mit dem Erwerb dasselbe Schicksal wie Vermögen, welches die Frau mit in die Ehe brachte.1251 Darüber hinaus verlor eine verheiratete Frau in jeder Hinsicht ihre Befugnis, im eigenen Namen Klage zu erheben oder verklagt zu werden, nach heutigem Prozessrechtsverständnis also die Prozessfähigkeit. Obwohl sie zumindest im Falle einer unerlaubten Handlung, die sich gegen ihre Person richtete, selbst einen materiellen Ausgleichsanspruch1252 gegen den Täter erwarb (der jedoch dem Einziehungsrecht des Ehemannes unterfiel), konnte sie mangels eigener Prozessfähigkeit ihre Rechte nur mit Hilfe ihres Mannes (sei es durch ihn alleine oder durch seinen Klagebeitritt) gerichtlich durchsetzen.1253 Nur das Billigkeitsrecht („equity“) war in der Lage, die Rigorosität der Common Law-Konzeption des Ehestandes der Frau ein wenig abzumildern.1254 Auf der anderen Seite war der Ehemann nicht nur verpflichtet, seine Frau zu unterhalten, sondern er war als logische Konsequenz der Fiktion einer Verschmelzung von Mann und Frau in seiner Person auch für all ihre unerlaubten Handlungen im Außenverhältnis verantwortlich. Unklar ist, ob die Frau (materiell-rechtlich) selbst ebenfalls haftbar wurde,1255 was an sich mit der Einheitsfiktion unvereinbar wäre; jedenfalls konnte sie mangels Prozessfähigkeit nicht selbst verklagt werden, so dass der Mann für sie einstehen musste.

lutely in the husband, on the principle that husband and wife are but one in law, and her existence, in legal consideration, is merged in his.“); McCurdy, 2 Vill. L. Rev. 447, 448 (1957); McCurdy, 4 Vill. L. Rev. 303, 304 (1959); Kanowitz, Women and the law – The unfinished revolution, 1969, S.  36; Tobias, 23 Ga. L. Rev. 359, 362 (1989). 1251  McCurdy, 2 Vill. L. Rev., 447, 448 (1957); McCurdy, 4 Vill. L. Rev. 303, 304 (1959). 1252  Da Ehefrauen selbst keine Verträge schließen durften, konnte sie allenfalls deliktische Ansprüche erwerben. 1253  Barber v. Barber, 62 U.S.  582, 589 (1859) (the general rule which prevails in England said „that a suit cannot be maintained at law by a feme covert, and that, notwithstanding a divorce a mensa et thoro, a wife cannot sue or be sued in a court of law“; im Folgenden zählt das Gericht jedoch einige sehr spezielle Ausnahme von diesem Grundsatz auf); Thomson v. Thomson, 218 U.S.  611, 616 (1910) („At the common law, with certain exceptions, (…), the wife could not maintain an action at law except she be joined by her husband“); Clark/Estin, Cases and problems on domestic relations, S.  632; McCurdy, 2 Vill. L. Rev. 447, 449 (1957); McCurdy, 4 Vill. L. Rev. 303, 304 (1959); Kanowitz, Women and the law – The unfinished revolution, 1969, S.  36. A.A Williams, 10 Mod. L. Rev. 16, 18 (1947): „[T]he law was that if a husband sued for a tort committed to his wife, or was sued for a tort committed by his wife, the wife had to be joined along with her husband as a party to the action.“ (Hervorhebung nicht im Original). 1254  Barber v. Barber, 62 U.S.  582, 590 ff. (1859); Coffindaffer v. Coffindaffer, 161 W.Va. 557, 558 f. (1978) („Some relief from the harshness of a woman’s common law status was available in the equity courts, at least to the extent of protecting her separate property against predacious acts of her husband.“). 1255 So McCurdy, 4 Vill. L. Rev. 303, 304 (1959).

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

William Blackstone hat die Idee des Ehestands der Frau und die Auswirkungen der praktischen Ausgestaltung in seinen „Commentaries on the Laws of England“ wie folgt auf den Punkt gebracht: „By marriage, the husband and wife are one person in law: that is, the very being or legal existence of the woman is suspended during the marriage, or at least is incorporated and consolidated into that of the husband: under whose wing, protection, and cover, she performs every thing; …and her condition during her marriage is called her coverture. Upon this principle, of an union of person in husband and wife, depend almost all the legal rights, duties, and disabilities, that either of them acquire by the marriage.“1256

Blackstone’s frühe Beschreibung bzw. Fiktion war die einflussreichste1257 von zahlreichen Erklärungsversuchen,1258 mit denen der minderwertige Status der verheirateten Frau zu begründen und aufrecht zu erhalten versucht wurde. In den USA (aber auch in England) spielte sie nicht nur für die Konzeption der rechtlichen Stellung der Frau im Hinblick auf die Anwendung der „interspousal tort immunity“-Doktrin1259 eine besonders wichtige Rolle bis ins 20. Jahrhundert hinein,1260 sondern auch für die hier interessierende Frage, warum ein Ehe-

1256 

Blackstone, Commentaries on the Laws of England, 1803, Kap.  15, S.  4 42. nur Kennedy, 28 Buff. L. Rev. 205, 209 (1978): „It is the single most important source on English legal thinking in the 18th century, and it has had as much (or more) influence on American legal thought as it has had on British.“ 1258  Vgl. die verschiedenen Gründe aufgelistet bei Tobias, 23 Ga. L. Rev. 359, 362 (1989); Johnston, 47 N.Y.U. L. Rev. 1033, 1046 ff. (1972). 1259  Nach dieser Doktrin kann kein Ehegatte zivilrechtlich für deliktisch verursachte Personenschäden vom anderen Ehegatten haftbar gemacht werden. Dies gilt ausnahmslos und unabhängig vom Verschuldensgrad und sowohl im Hinblick auf Schäden, die während der Ehe als auch solche, die vor der Ehe zugefügt wurden, letztlich also für jedes schädigende Fehlverhalten gegenüber dem anderen Ehegatten, das eine deliktische Haftung zur Folge haben würde, wenn die Beteiligten nicht verheiratet wären. 1260  Siehe nur McCurdy, 43 Harv. L. Rev., 1030, 1033 f. (1930): „A combination of all these incidents made it impossible at common law for one spouse ever to be civilly liable to the other for an act which would be a tort if the relation did not exist. Where the act occurred before marriage, a cause of action arose. If the man was the tortfeasor, the woman’s right would be a chose in action, which upon marriage the man would have the right to reduce to possession. This union in one person of the right-duty relation discharges the duty as a matter of substance, and there is besides the procedural difficulty that the husband would be both plaintiff and defendant. If the woman was the tortfeasor, the man’s right would be a chose in action against the woman, whose duty upon marriage would devolve upon the husband as a derivative duty, which would be discharged by union of the right and duty in the same person; and there is the same procedural difficulty. Where the act occurs during coverture, the matter is complicated by other factors. … [T]he right and the duty to make compensation, if any can be said to exist, would be united eo instante in the same person, and no cause of action could arise; and even if it could be said to arise, there would be the procedural difficulty of the husband’s being both plaintiff and defendant. The same reasoning would apply to acts which injure the person, whether done by husband to wife or by wife to husband, and, in addition, if the husband is the actor, his right to services and earnings and his duty to support would prevent an injury from causing the wife pecuniary loss.“ 1257  Siehe

E. Haftung eines Ehegatten gegenüber einem Dritten

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gatte für (deliktische und vertragliche) Verbindlichkeiten des anderen im Außenverhältnis haftet. Diese Rechtslage im Common Law erinnert an eine markante Szene aus Charles Dickens’ Roman „Oliver Twist“, in der der Kirchenspielbüttel Bumble versucht, seiner Frau die Schuld an der Zerstörung der Nachweise über Oliver Twists Herkunft zuzuweisen, woraufhin er gesagt bekommt, dass dies keine Entschuldigung sei, denn für das Gesetz sei er der schuldigere Teil, da das Gesetz in solchen Fällen annehme, sein Weib hätte nach seinen Anweisungen gehandelt.1261 „‚Wenn das Gesetz so etwas annimmt‘, erwiderte Herr Bumble (…), ‚so ist das Gesetz ein Esel – ein Dummkopf. Wenn das Gesetz mit solchen Augen sieht, so ist es ein Junggeselle, und ich wünsche ihm das Ärgste, nämlich daß ihm die Augen durch Erfahrung aufgehen mögen – ja, durch Erfahrung.‘“1262 Mit dieser Bewertung der damaligen Rechtslage – kundgetan durch die Figur des Herrn Bumble – war Charles Dickens seiner Zeit weit voraus, – und er sollte Recht behalten: Seit Mitte des 19. Jahrhunderts, beginnend ab etwa 1845, wurden nicht nur in allen amerikanischen Bundesstaaten, sondern auch in England so genannte „Married Women’s Property Acts“ erlassen, durch die verheirateten Frauen peu à peu eine eigenständige rechtliche Identität mit eigenen Vermögensrechten eingeräumt wurde.1263 Für England bestimmte beispielsweise §  12 des Married Women’s Property Act 1882: 1264 „Every woman, whether married before or after this Act, shall have in her own name against all persons whomsoever, including her husband, the same civil remedies, and also (subject, as regards her husband, to the proviso herein-after contained) the same remedies and redress by way of criminal proceedings, for the protection and security of her own separate property, as if such property belonged to her as a feme sole, but, except as aforesaid, no husband or wife shall be entitled to sue the other for a tort. (…)“

1261 Vgl.

Dickens, Oliver Twist (1837–1839), Kap.  51. Dickens, Oliver Twist (1837–1839), Kap.  51. 1263  Im Übrigen blieb die Reichweite der gesetzlichen Bestimmungen im Hinblick auf die deliktsrechtliche Haftung zwischen den Ehegatten – also der interspousal tort immunity Doktrin (dazu Fn.  1259) – allerdings meist unklar. Wegen des insofern unspezifischen Wortlauts vieler Married Women’s Property Acts gehen die Auslegungen – wenig überraschend – in den einzelnen Bundesstaaten der USA weit auseinander, weshalb es bis heute erhebliche Schwierigkeiten bereitet, den Umfang, die Anwendung und die Gültigkeit der Doktrin in den einzelnen Jurisdiktionen zu ermitteln. Vgl. nur Merenoff v. Merenoff, 76 N.J. 535, 542 (1978): „What thus unfolds from a canvass of the doctrine of interspousal immunity across the country is that its application is far from consistent or uniform; its efficacy as a legal principle has divided jurisdictions; and its utility as a social tool or instrument of justice has confounded courts, legislators and commentators. It is clear, nonetheless, that despite its survival in varying forms, interspousal immunity is no longer the doctrinal monolith it was in olden times.“ 1264  Aufgehoben durch den Law Reform (Husband and Wife) Act 1962, Anhang, und den Theft Act 1968, Anhang 3 Teil III. 1262 

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

Diese letzte Einschränkung in Bezug auf das Innenverhältnis zwischen den Ehegatten wurde durch §  1 des Law Reform (Husband and Wife) Act 1962 aufgehoben: „(1) Subject to the provisions of this section, each of the parties to a marriage shall have the like right of action in tort against the other as if they were not married.“

In den nachfolgenden Änderungsgesetzen wurden die Rechte der Frau nicht nur ausgedehnt, sondern insbesondere auch die Verantwortlichkeit des Ehemanns für Delikte und vorehelich begründete Verbindlichkeiten seiner Frau aufgehoben. In England war insofern der Law Reform (Married Women and Tortfeasors) Act 19351265 maßgeblich: §  1. Capacity of married women: Subject to the provisions of this Part of this Act, a married woman shall (a) be capable of acquiring, holding, and disposing of, any property; and (b) be capable of rendering herself, and being rendered, liable in respect of any tort, contract, debt, or obligation; and (c) be capable of suing and being sued, either in tort or in contract or otherwise; and (d) be subject to the law relating to bankruptcy and to the enforcement of judgments and orders, in all respects as if she were a feme sole. §  2. Property of married women: (1) Subject to the provisions of this Part of this Act all property which (a) immediately before the passing of this Act was the separate property of a married woman or held for her separate use in equity; or (b) belongs at the time of her marriage to a woman married after the passing of this Act; or (c) after the passing of this Act is acquired by or devolves upon a married woman, shall belong to her in all respects as if she were a feme sole and may be disposed of accordingly. §  3. Abolition of husband’s liability for wife’s torts and ante-nuptial contracts debts and obligations: Subject to the provisions of this Part of this Act, the husband of a married woman shall not, by reason only of his being her husband, be liable (a) in respect of any tort committed by her whether before or after the marriage, or in respect of any contract entered into, or debt or obligation incurred, by her before the marriage; or (b) to be sued, or made a party to any legal proceeding brought, in respect of any such tort, contract, debt, or obligation.

2. Historische Funktion der Familie als Haftungsverband a) Max Webers Forschungen zu den Haushalts- und Erwerbsgemeinschaften Nach dem ursprünglichen Verständnis und der historischen Funktion der Familie in den kontinentaleuropäischen Ländern (des Civil Law) war es selbstverständlich, dass das Familienvermögen (und damit alle Familienangehörigen) für die Schulden eines einzelnen Familienmitglieds haftete. Die Idee der Familie als einheitlicher Haftungsverband im Außenverhältnis war sogar der Ausgangspunkt für die Entwicklung der Handelsgesellschaften, wie wir sie heute kennen. Diese Erkenntnis geht im Wesentlichen zurück auf die Dissertation von Max Weber, der sich schon 1889 mit dem Thema der „Entwicklung des Solidar1265 

In der durch den Law Reform (Husband and Wife) Act 1962 geänderten Fassung.

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haftprinzips und des Sondervermögens der offenen Handelsgesellschaft aus den Haushalts- und Gewerbegemeinschaften in den italienischen Städten“1266 beschäftigt hatte.1267 Seine zentralen Ergebnisse erklären in aufschlussreicher Form die ursprüngliche Bedeutung der Familie als Haftungsverband. Anders als heute war die Familie ursprünglich nicht nur ein Ort des Privatlebens, sondern in erster Linie die (häusliche) Grundlage gemeinsamer Arbeit und Erwerbstätigkeit. Nach früherer Anschauung war sie primär eine natürlich gegebene „Produktionsgemeinschaft“, nicht nur eine reine „Konsumtionsgemeinschaft“.1268 Im Unterschied zum römischen Recht, demzufolge der Hausvater (pater familias) Inhaber des gesamten Familienvermögens war, an dem die Hausgenossen allenfalls als Begünstigte eines Teils der Einnahmen beteiligt waren, hatten nach dem italienischen Städterecht alle Hausgenossen neben dem pater familias die gleichen Anrechte an dem Familienvermögen.1269 Das Familienvermögen diente jedem Einzelnen je nach seinen Bedürfnissen und unabhängig davon, was er durch seinen Erwerb zum gemeinsamen Vermögen beitrug. Alle Einnahmen und Ausgaben gingen auf gemeinsame Rechnung, und niemand musste sich etwaige Ausgaben (auf einen quotenmäßigen Anteil) anrechnen lassen oder konnte einen Teil seines Erwerbs zu eigenen Gunsten zurückhalten.1270 Die Haushalts- und Erwerbsgemeinschaft der Familie hatte vielmehr die vermögensrechtliche Folge einer Gütergemeinschaft mit prinzipiell unbeschränkter Verfügungsmacht jedes einzelnen Beteiligten über das gemeinsame Vermögen.1271 Diese Konzeption der Familie war besonders geeignet, der Gemeinschaft Aktionsfähigkeit und Kreditwürdigkeit im Geschäftsleben zu verleihen.1272 Die Funktion der Familie als Hausgemeinschaft und Haftungsverband im Erwerbsleben erklärt zudem, dass und warum eine Beschränkung der Gemeinschaft auf blutsmäßig verwandte Familienangehörige weder notwendig noch wünschenswert war.1273 Alle Rechtssätze, die auf die Familie Anwendung fanden, waren gleichermaßen auch dann anwendbar, wenn die gleichen Grund­ lagen, also ein gemeinsamer Haushalt und eine gemeinsame Erwerbstätigkeit, zwischen Nichtverwandten vorhanden waren.1274 Da die gewerbliche Arbeit der Familiengemeinschaft in erster Linie durch Handwerk erfolgte, finden sich 1266 Bei Webers Dissertation handelte es sich um das dritte Kapitel seiner umfangreichen Habilitationsschrift „Zur Geschichte der Handelsgesellschaften“, vgl. den Editorischen Bericht in Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  110 ff., 115 ff., 122 ff. 1267  Siehe dazu auch Kaube, Max Weber: Ein Leben zwischen den Epochen, S.  78 ff. 1268  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (194). 1269  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (191). 1270  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (191). 1271  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (191). 1272  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (200 f.). 1273  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (201). 1274  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (201): „Thatsächlich haben auch im mittelalterlichen Recht sich nirgends die Wirkungen der häuslichen

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– wie Weber herausgearbeitet hat – hier die Anfänge der Handelsgesellschaften, die sich im Laufe der Zeit vom Blut lösten, aber die gleichen Haftungsgrund­ lagen, also die Idee der Familie übernommen haben. „[T]hat sich der Handwerker mit einem Genossen zusammen, so geschah es zu gemeinsamer Arbeit, um mit ihm die Thätigkeit in der Werkstatt und im Verkaufsladen zu teilen; und da diese seine Thätigkeit sich wesentlich in seiner Behausung abspielte, welche prinzipaliter zugleich auch Laden und Werkstatt war, so wurde der Arbeits­ genosse von selber zum Hausgenossen und teilte Tisch und Haushalt, der unselbständige ‚Geselle‘, – famulus, factor, – so gut wie der selbständige ‚Genosse‘, – socius –“.1275 Die Ähnlichkeit der Zusammenschlüsse von Nichtverwandten zu gemeinsamer Erwerbstätigkeit mit der Familiengemeinschaft ist unverkennbar; zwar wurden auf nicht blutsmäßig verwandte Zusammenschlüsse die familienrechtlichen Grundsätze nicht einfach unbesehen übertragen, aber die gleichen Grundlagen (gemeinsamer Haushalt; gemeinsame Erwerbstätigkeit) führten zu gleicher Rechtsentwicklung und -anwendung.1276 Die Wirkungen des Gemeinschaftsverhältnisses beschränkten sich allerdings auf die männlichen (arbeitenden, erwerbenden) Mitglieder der Gemeinschaft, und Immobiliarvermögen war generell von der Zugehörigkeit zum gemeinsamen Vermögen ausgenommen.1277 Aber auch im Übrigen hat die unbedingte Vermögensgemeinschaft zwischen den Hausgenossen im Laufe der Zeit immer mehr Beschränkungen in dem Sinne erfahren, dass gewisse Einnahmen eines Hausgenossen nicht (mehr) in die Gemeinschaft fielen und er sich dafür gewisse Ausgaben anrechnen lassen musste.1278 Aufgrund der Tatsachen, dass die Vermögensgemeinschaft dadurch nur noch einen Teil der Vermögensmassen der Beteiligten umfasste und zulasten des Einzelnen gewisse Anrechnungen erfolgten, musste jeder Einzelne – schon aus Gründen der Berechenbarkeit – gewissermaßen ein „Konto“ innerhalb der Gemeinschaft erhalten. „Sobald man einmal anfing zu rechnen und einzelne Einnahmen und Ausgaben als speziell einem einzelnen zu gute kommend bezw. seinen Anteil belastend anzusehen (…) mußte überhaupt die Beteiligung des einzelnen an der Gemeinschaft mehr unter dem Begriff des Anteils gedacht werden und die Tendenz haben, sich wie eine Societätseinlage zu gestalten.“1279 Ferner entstand das Bedürfnis, zum einen über das einzelne „Konto“ frei verfügen zu können, und zum anderen Vermögen bzw. Kapital, das nicht automatisch zum gemeinsamen Vermögen gehörte, sinnvoll zu nutzen und dazu in die Gemeinschaft einzubringen, mit der Gemeinschaft auf Verwandte beschränkt. Es hat vielmehr auch außerhalb der Familie derartige Gemeinschaftsverhältnisse gegeben und sind diese völlig gleichartig behandelt worden.“ 1275  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (202). 1276  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (204). 1277  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (205 f.). 1278  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (196 ff.). 1279  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (197 f.).

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Folge, dass manche Hausgenossen auf zweierlei Art am Geschäft beteiligt waren, nämlich zum einen mit ihrem Anteil am Gemeinschaftsvermögen und zum anderen mit dem bei der Gemeinschaft nutzbar angelegten Kapital (als Partizipant).1280 Aus juristischer Sicht schloss sich daran die Frage an, ob das Familienvermögen fortan anteilig den Beteiligten gehörte, so dass jeder nur noch in Höhe seiner Quote darüber verfügen konnte, oder ob die Einheit des Vermögens als Haftungsmasse im Außenverhältnis gewahrt bleiben würde.1281 Abgesehen vom süditalienisch-sizilianischen Recht wurde im übrigen Italien im Grundsatz der einheitliche Haftungsverband aufrechterhalten.1282 Im Außenverhältnis gegenüber Dritten hatte die einheitliche Haftungsmasse den großen Vorteil, dass die Gläubiger wegen der Schuld des Einzelnen auf das gesamte Familienvermögen zugreifen konnten. Das Phänomen, dass rechtlich relevantes Handeln des Einzelnen auch Rechte und Pflichten für nicht unmittelbar Beteiligte erzeugte, geht zurück auf die bis ins späte Mittelalter vorherrschende Sippenhaftung.1283 Innerhalb der (verwandtschaftlich verbundenen) Sippe bestand die Pflicht der Genossen, im Falle einer deliktischen Haftung des Einzelnen füreinander einzutreten. Weber führte aus, dass die Pflicht zur Leistung eines Wergeldes, das seit den germanischen Stammesrechten bei Totschlag statt der verwirkten Sippenrache an die Sippe des Getöteten zu leisten war,1284 eine rein vermögensrechtliche Natur angenommen hatte, weshalb der Gedanke einer Haftung der Sippe auch für obligatorische Schulden nicht mehr ohne weiteres ausgeschlossen war. Allerdings, so Weber, fehlte der Sippschaft an und für sich eine wirtschaftliche Grundlage, „sie war, wenigstens zu der Zeit, als der Kredit eine Rolle zu spielen begann, keine Wirtschaftsgemeinschaft und hat es deshalb niemals über die Haftung aus Delikten hinausgebracht, auf dem Boden der Geschäftsobligationen war sie nicht aktionsfähig, das verwandtschaftliche Moment nicht verwertbar.“1285 Die Haftung der Hausgenossen hat sich deshalb außerhalb des Sippschaftsgedankens entwickelt, da sich die Solidarhaftung neben der Hausgemeinschaft (die im Laufe der weiteren Rechtsentwicklung – wie wir noch sehen werden – unerheblich wurde) in erster Linie auf die gemeinsame Erwerbstätigkeit gründete. Dementsprechend stand bei den Haus- und Erwerbsgemeinschaften die Haftung für vertraglich begründete Schulden im Vordergrund, während die (daneben immerhin auch bestehende) Haftung für Delikte des Einzelnen dahinter fast gänzlich zurücktrat.1286 Bemer1280 

Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (207). Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (198). 1282  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (198 ff.). 1283  Dazu knapp Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (208 f.). 1284  Vgl. die Anmerkungen in Fn.  74 bei Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (208). 1285  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (209). 1286  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (210 f.). 1281 

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kenswert ist jedenfalls, dass eine Haftung der Gemeinschaft für nichtdeliktische Schulden eines Genossen zunächst vor allem dort zum Tragen kam, wo „in den Augen des jugendlichen Rechts das zivile Unrecht dem Delikt am meisten verwandt erscheinen mußte,“ nämlich im Vollstreckungs- und Insolvenzrecht.1287 Die Haftung der Gemeinschaft hatte schon damals eine doppelte Bedeutung, nämlich zum einen „als Belastung des gemeinsamen Vermögens durch die Schulden des Genossen“, und zum anderen „als persönliche Mithaftung der Genossen, als Schuldner, füreinander“.1288 Für Gläubiger eines Hausgenossen war es wesentlich, ob sie sich nicht nur an ihren Schuldner, sondern (gegebenenfalls im Vollstreckungswege) auch an das gemeinschaftliche Vermögen der Erwerbsgemeinschaft halten konnten. Dies wurde auf der Grundlage der Auffassung bejaht, dass der Haushalt eine Einheit bildete, über die jeder Genosse im Grundsatz zu verfügen berechtigt war. Selbst dort, wo bereits (gesetzliche) Beschränkungen der unbedingten Haftung eingeführt waren, konnten Gläubiger im Wege der Pfändung zunächst auf alle im gemeinsamen Haushalt vorhandenen Vermögensgegenstände zugreifen, während sich der an dem gepfändeten Gegenstand individuell berechtigte Hausgenosse nur mit der Interventionsklage dagegen zur Wehr setzen konnte.1289 Daneben war aber auch die persönliche Haftung jedes Genossen wichtig, die nicht nur zwischen Sippschaftsgenossen bestand, sondern auch zwischen den Hausgenossen und später den socii der offenen Handelsgesellschaft.1290 Lange Zeit hatte man nicht klar zwischen der Haftung des gemeinsamen Vermögens und der (persönlichen) Haftung jedes Genossen unterschieden. Erst mit der wachsenden Bedeutung der Kreditaufnahme durch Einzelne gewannen „die Schuldverbindlichkeiten des einzelnen einen Charakter (…), welcher die Haftbarmachung der Genossen für dieselbe lediglich auf Grundlage des gemeinsamen Haushalts häufig unbillig erscheinen ließ. Andererseits war gerade die unbedingte Haftung geeignet, die Gemeinschaft im Geschäftsleben, als Kreditbasis, aktionsfähig zu machen. Diese Kreditwürdigkeit wäre auch bei Beschränkung der Haftung auf den Betrag des Anteils des einzelnen (…) aufgegeben worden.“1291 Die gesetzlichen Regelungen gingen daher immer mehr dahin, eine Beschränkung der unbedingten Haftung vorzusehen.1292 Während für alle auf das gemeinsame Geschäft bezogenen Verbindlichkeiten die volle Haftung beibehalten wurde, was im Handelsrecht bis heute gilt (vgl. §  128 HGB), wurden Verbindlichkeiten aus persönlichen Geschäften oder spekulativer Tä1287 

Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (211). Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (211). 1289  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (213). 1290  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (214). 1291  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (217 f.). 1292  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (252 ff.), ausführlich zu den einzelnen gesetzlichen Regelungen, S.  218 ff. 1288 

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tigkeit, die nicht in Zusammenhang mit dem gemeinsamen Erwerb standen, aus der gemeinsamen Haftung ausgeschlossen. Daraus entwickelte sich die Unterscheidung zwischen Geschäftsgläubigern und Privatgläubigern.1293 Je mehr sich aus den Kleinhandwerkerbetrieben, die an den Haushalt angeschlossen waren, eine Industrie von internationaler Bedeutung entwickelte, desto weniger konnte indes die häusliche Gemeinschaft noch das charakteristische Merkmal der Erwerbsgemeinschaft bilden. „Da sich nun das praktische Interesse der solidarischen Haftung für den Kredit auf die Geschäftsschulden konzentrierte, so war (…) die gemeinsame stacio1294 , die Grundlage der Erwerbsgemeinschaft, auch die geeignete Grundlage für die solidarische Haftung, das für den Verkehr nicht mehr kontrollierbare Moment der Haushaltsgemeinschaft mußte als nebensächlich in den Hintergrund treten.“1295 Abgesehen von der Entwicklung der Handelsgesellschaften aus der wirtschaftlichen Funktion der Familien finden sich auch für die Haushaltsgemeinschaft der Familie „Anfänge dahin, nur die im Interesse des gemeinsamen Haushalts gemachten Schulden mit der Konsequenz der Haftung der Gemeinschaft auszustatten,“1296 während für persönliche Verbindlichkeiten, die keinen Bezug zur Familiengemeinschaft haben, insbesondere deliktische Schulden, der Einzelne alleine einzustehen hatte. b) Geschichte des ehelichen Güterrechts in Deutschland Die Funktion der Familie als einheitlicher Haftungsverband bildet sich ähnlich auch im ehelichen Güterrecht ab. Bis 1900 gab es in Deutschland eine Vielzahl unterschiedlicher ehelicher Güterrechte, die sich im Wesentlichen in fünf ­Güterrechtssysteme einordnen lassen. Am weitesten verbreitet war die sog. Verwaltungsgemeinschaft (auch Nutzverwaltung genannt); daneben gab es die allgemeine Gütergemeinschaft, die Errungenschaftsgemeinschaft, die Fahrnis­ gemein­schaft sowie das aus dem römischen Recht übernommene Dotalsystem.1297 Mit Einführung des BGB im Jahr 1900 hat man versucht, der Zersplitterung des ehelichen Güterrechts mit einer einheitlichen Regelung eines gesetzlichen Güterstandes unter Ablehnung des Regionalsystems Herr zu werden,1298 daneben aber auch Raum für vertragliche Vereinbarungen gelassen, um Ehegatten die Möglichkeit zu geben, an gewohnten Gestaltungen festzuhalten.1299 Gesetzli1293 

Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (237 ff.). meint so etwas wie „Werkstatt“, vgl. Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (226). 1295  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (238). 1296  Weber, Zur Geschichte der Handelsgesellschaften im Mittelalter, S.  139 (239). 1297  Einzelheiten bei Enneccerus/Kipp/Wolff, Familienrecht, §  40. 1298 Siehe Mugdan, Motive zum BGB IV, S.  74 ff. 1299  Mugdan, Motive zum BGB IV, S.  78 f., Protokolle zum BGB IV, S.  746 ff.; Staudinger/ Thiele, Einl. v. §§  1363 ff. Rn.  7. 1294  „Stacio“

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cher Güterstand des BGB war die Verwaltungsgemeinschaft,1300 die sich durch ehemännliche Verwaltung und Nutznießung des von der Frau in die Ehe eingebrachten Guts auszeichnete. Die Verwaltungsgemeinschaft war eine besondere Form der Gütertrennung: Weder das in die Ehe eingebrachte Vermögen, noch das später hinzuerworbene Vermögen der Frau wurden gemeinsames Vermögen der Ehegatten, allerdings erwarb der Mann an dem von der Frau eingebrachten Gut ein Verwaltungs- und Nutzungsrecht.1301 Im Gegenzug musste er die Lasten ihres Vermögens tragen und den ehelichen Aufwand bestreiten. Der Mann war jedoch nicht berechtigt, über das eingebrachte Gut der Frau zu verfügen; umgekehrt durfte aber auch die Frau nicht ohne Einwilligung des Mannes über ihr eingebrachtes Vermögen verfügen (vgl. §  1395 BGB a. F. [1900]), um das Verwaltungs- und Nutznießungsrecht des Mannes nicht leerlaufen zu lassen. Rechtsgeschäfte, durch die sich die Frau zu einer Leistung verpflichtete, waren wirksam, in Bezug auf das eingebrachte Gut allerdings nur dann, wenn der Ehemann gemäß §  1399 Abs.  2 BGB a. F. [1900] zustimmte. Der Ehefrau verblieb von ihrem Vermögen nur das sogenannte Vorbehaltsgut zur freien Verfügung. Im Übrigen haftete jeder Ehegatte nach den allgemeinen Grundsätzen selbständig für die in seiner Person entstandenen Schulden und nur für diese; 1302 es bestand weder eine Grundlage für eine Haftung der Ehefrau für die Schulden des Mannes noch umgekehrt, sofern es nicht um den ehelichen Aufwand ging. Mit Inkrafttreten des Grundgesetzes am 24.5.1949 wurde der in Art.  3 Abs.  2 GG normierte Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau un­ mittelbar geltendes Recht.1303 Nach Art.  117 Abs.  1 GG traten damit unver­ einbare gesetzliche Regelungen am 31.3.1953 automatisch außer Kraft. Da der Gesetzgeber bis dahin im Hinblick auf das eheliche Güterrecht nicht tätig geworden war, bestand ab 1.4.1953 ein gesetzliches Vakuum, mit der Folge, dass mit Inkrafttreten von Art.  3 Abs.  2 GG an die Stelle des bisher geltenden Güterstandes der Verwaltungsgemeinschaft der Güterstand der Gütertrennung trat.1304 Erst durch das am 1.7.1958 in Kraft getretene Gleichberechtigungsge-

1300  In Ausnahmefällen war allerdings auch die Gütertrennung als (außerordentlicher) gesetzlicher Güterstand vorgesehen, vgl. §§  1426 ff., 1436 BGB a. F. [1900]. Die Wahl des gesetzlichen Güterstands war Gegenstand intensiver Diskussion im Gesetzgebungsverfahren, vgl. Mugdan, Motive zum BGB IV, S.  79 ff., Protokolle S.  747 ff. 1301  Ausführlich dazu Mugdan, Motive zum BGB IV, S.  86 ff.: „Die Verwaltungsgemeinschaft beruht auf dem Gedanken, daß die Zuständigkeit des beiderseitigen Vermögens durch die Ehe nicht geändert wird, daß aber der Ertrag des beiderseitigen Vermögens und der beiderseitigen Arbeit zur Bestreitung der ehelichen Lasten verwendet und zu diesem Zwecke das Vermögen der Frau mit dem des Mannes in der Hand des letzteren als des Hausherrn und Hauptes der Ehe vereinigt werden soll“ (S.  86). 1302  Mugdan, Motive zum BGB IV, S.  87. 1303  BVerfG v. 18.12.1953 – 1 BvL 106/53, NJW 1954, 65 (67). 1304  BGH v. 14.7.1953 – V ZR 97/52, BGHZ 10, 266 (279 ff.); Staudinger/Thiele, Einl. v. §§  1363 ff. Rn.  19.

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setz1305 wurde die Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Regelgüterstand eingeführt, während die Möglichkeit einer davon abweichenden ehevertraglichen Regelung zugunsten der Gütergemeinschaft (§§  1415 ff. BGB a. F.) oder (reinen) Gütertrennung (§  1414 BGB a. F.) beibehalten wurde. Zwischen Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, gilt seither faktisch Gütertrennung mit Ausgleich des Zugewinns bei Beendigung des Güterstands. Jeder Ehegatte verwaltet sein Vermögen selbständig, unterliegt jedoch gewissen (dem Schutz der Familiengemeinschaft dienenden) Verfügungsbeschränkungen (§§  1365 ff. BGB). Ein gemeinsames Ehe- oder Familienvermögen, das im Außenverhältnis für die Schulden des Einzelnen haftbar gemacht werden könnte, gibt es im Regelgüterstand nicht mehr.

II. Vertragliche Mithaftung im Rahmen von Geschäften zur Deckung des Lebensbedarfs gemäß §  1357 BGB Auch wenn es heute keine der früheren Sippenhaftung oder Haftung kraft Haus- und Erwerbsgemeinschaft vergleichbare Regelung mehr gibt, so hat sich doch die (mehrfach geänderte) Vorschrift in §  1357 Abs.  1 S.  1 BGB zur sogenannten „Schlüsselgewalt“1306 bis dato gehalten, wonach jeder Ehegatte (und gemäß §  8 Abs.  2 LPartG auch jeder eingetragene Lebenspartner) berechtigt ist, Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten (bzw. Lebenspartner) zu besorgen.1307 Durch solche Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, sofern sich nicht aus den Umständen etwas anderes ergibt. Hier finden sich also auch heute noch Reste einer gesetzlich vorgesehenen Mitverpflichtung eines Ehegatten für Schulden, die der andere durch gewisse Rechtsgeschäfte mit einem Dritten begründet hat. Die Vorschrift ist seit langem erheblicher Kritik ausgesetzt,1308 selbst die Verfassungsmäßigkeit wird in der Literatur in Zweifel gezogen,1309 wurde jedoch vom BVerfG bestätigt,1310 und auch die Meinungen über den Normzweck gehen weit auseinander. Letztlich erschließt sich der Sinn der Vorschrift nur aus dem historischen Kontext, mit dessen Hilfe sich nach-

1305  Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts vom 18.6.1957, BGBl. I 1957, S.  609. 1306  Auf die Diskussion, ob der Begriff „Schlüsselgewalt“ heute noch verwendet werden sollte oder nicht, wird hier nicht eingegangen, vgl. dazu statt mancher Mikat, Rechtsprobleme der Schlüsselgewalt, S.  7 ff.; Mikat, FS Beitzke (1979), S.  293 ff. 1307  Rechtsvergleichende Umschau zur Mithaftung für Haushaltsgeschäfte bei Dethloff, FS Brudermüller (2014), S.  141 (143 ff.); Mikat, Rechtsprobleme der Schlüsselgewalt, S.  23 ff. 1308  Vgl. nur Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  19 Rn.  34 ff. 1309  Bosch, NJW 1987, 2617 (2627); Derleder, FuR 1990, 104 ff.; Gernhuber, Neues Fami­ lienrecht, S.  133; Koch, FS Pintens (2012), S.  767 (785). 1310  BVerfG v. 3.10.1989 – 1 BvL 78/86, NJW 1990, 175.

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weisen lässt, dass §  1357 BGB heutzutage als reine Gläubigerschutzvorschrift nicht mehr gerechtfertigt ist. Zur Zeit der Nutzverwaltung zwischen 1900 und 1953 war die Frau nach §  1356 BGB a. F. [1900] berechtigt und verpflichtet, das gemeinschaftliche Hauswesen zu leiten. Daran knüpfte §  1357 BGB a. F. [1900] 1311 an und berechtigte die Frau, „innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises die Geschäfte des Mannes für ihn zu besorgen und ihn zu vertreten.“ Rechtsgeschäfte, die sie innerhalb dieses Wirkungskreises vornahm, galten als im Namen des Mannes vorgenommen, wenn sich nicht aus den Umständen ein anderes ergab (§  1357 Abs.  1 S.  2 BGB a. F. [1900]). Durch das Gleichberechtigungsgesetz von 1957 wurde §  1356 BGB a. F. dahingehend geändert, dass die Frau fortan berechtigt war, den Haushalt in eigener Verantwortung zu führen, aber daneben auch erwerbstätig zu sein, soweit das mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar war. Durch die Schlüsselgewalt gemäß §  1357 BGB a. F. konnte die Frau weiterhin „Geschäfte, die innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises liegen, mit Wirkung für den Mann besorgen,“ aus denen dieser berechtigt und verpflichtet wurde, es sei denn, aus den Umständen ergab sich etwas anderen. Neu war jedoch die Regelung in §  1357 Abs.  1 S.  2 Hs.  2 BGB a. F., wonach in den Fällen, in denen der Mann nicht zahlungsfähig ist, „auch die Frau verpflichtet“ wurde. Vor dem Hintergrund, dass Ehegatten seit 1.7.1958 – sofern nichts anderes vereinbart wurde – im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebten und folglich die Frau eigenes Vermögen hatte (bzw. haben konnte), über das sie selbst verfügen konnte, ist es nur konsequent, dass die Frau für Geschäfte, die sie selbst innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises geschlossen hat, zumindest subsidiär auch selbst haftete. Dennoch blieb es gerechtfertigt, in erster Linie den Mann für Geschäfte, die sich auf den Haushalt bezogen, in die Pflicht zu nehmen, um der handelnden Frau im Außenverhältnis Kreditwürdigkeit zu verleihen; denn praktisch hatten die Frauen zu dieser Zeit in aller Regel kein eigenes Einkommen, und ob sie Vermögen besaßen, auf das ein Gläubiger gegebenenfalls zugreifen konnte, war für diesen meist nicht ersichtlich. Damit die Frauen ihrer gesetzlichen Aufgabe nach §  1356 BGB a. F. gerecht werden und den Haushalt in eigener Verantwortung führen konnten, mussten sie auch gegenüber Dritten für in ihren Wirkungskreis fallende Geschäfte handlungsfähig und vor allem kreditwürdig sein. Dies ließ sich vor allem dadurch erreichen, dass der erwerbstätige Ehemann den Gläubigern als Schuldner haftete.1312 Der Ehemann selbst wiederum war seiner Frau im Innenverhältnis zum Unterhalt 1311 Zu den Materialien eingehend Mikat, Rechtsprobleme der Schlüsselgewalt, S.   9 ff., 92 ff. Zur Geschichte der „Schlüsselgewalt“ vor in Kraft treten des BGB vgl. Meder, Familienrecht - Von der Antike bis zur Gegenwart, S.  93 ff. 1312  Ebenso Staudinger/Voppel, §  1357 Rn.  12, der zudem darauf hinweist, dass sich die Gegenstände des täglichen Bedarfs nicht zur herkömmlichen Kreditsicherung mittels Eigentumsvorbehalts eigneten.

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und damit auch zur Freistellung von entsprechenden Verbindlichkeiten verpflichtet; 1313 gleichzeitig profitierte er selbst von den Bedarfsdeckungsgeschäften, die regelmäßig zu Gunsten der gesamten Familie verwendet wurden.1314 Als jedoch durch das 1. EheRG 1977 das Leitbild der Hausfrauenehe endgültig aufgegeben wurde und die Haushaltsführung fortan nach §  1356 BGB von den Ehegatten im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln war, weil in der Gesellschaft immer mehr Frauen außerhalb des Haushalts einer Erwerbstätigkeit nachgingen, entfiel aus rechtlicher Sicht die Notwendigkeit für eine Schlüsselgewalt.1315 Man hat zwar versucht, den gesellschaftlichen Wandel sowie die geänderten rechtlichen Rahmenbedingungen auch in §  1357 BGB nachzuzeichnen, indem man die Berechtigung zum Abschluss von Schlüsselgewaltgeschäften auf beide Ehegatten ausdehnte und den Anwendungsbereich nicht mehr an den häuslichen Wirkungskreis, sondern an die „Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie“ anknüpfte, aus denen beide Ehegatten (als Gesamtschuldner) berechtigt und verpflichtet werden. Der ursprünglich gerechtfertigte Gedanke, dass die (Haus-)Frau bzw. der haushaltsführende Ehegatte nur dann seiner Aufgabe gerecht werden und zugleich den von ihm geforderten Beitrag zum Familienunterhalt (§  1360 BGB) leisten könne, wenn er die Rechtsmacht habe, auch den (erwerbstätigen) Ehegatten zu verpflichten, trägt jedoch nicht mehr, seit §  1357 BGB von der eheinternen Funktionsteilung nach §  1356 BGB gelöst wurde.1316 Freilich ist zuzugeben, dass die Hausfrauen­ ehe ungeachtet der Gesetzesänderungen in der Praxis zunächst die vorherrschende Ehekonstellation verblieb1317 und sich erst im Laufe der Zeit die Dop1313 Staudinger/Voppel,

§  1357 Rn.  13. Den Versionsgedanken betont insbesondere Harke, FamRZ 2006, 88, als heutigen primären Normzweck; dagegen jedoch (zu Recht) Erman/Kroll-Ludwigs, §  1357 Rn.  2 ; Soergel/M. Lipp, §  1357 Rn.  3 ; MüKoBGB/Roth, §  1357 Rn.  7. 1315  Harsche Kritik auch bei Brudermüller, NJW 2004, 2265 (2270: „Relikt aus der Zeit, in der die „Hausfrauenehe“ das wirklichkeitsgetreue Leitbild der Ehe war.“; die Vorschrift sei antiquiert, „ein alter Zopf“ und als „Ehe-Sonderrecht“ ein Anachronismus); Gernhuber/ Coester-Waltjen, Familienrecht, §  19 Rn.  36 („Während die frühere Schlüsselgewalt in das Ganze einer fugenlos gedachten Hausverfassung eingebettet war als Mittel, das der im Haushalt tätigen Frau die Erfüllung ihrer Pflichten ermöglichen sollte, kann die heutige beider­ seitige Handlungsmacht der Ehegatten nicht mehr aus einer Funktionsanalyse entwickelt werden. (…) Die grobe Art, mit der heute §  1357 alle Ehen über einen Leisten schlägt, erweist ihn als Norm, die – paradox genug – bewahren will, was früher einmal sinnvoll gewesen sein mag, es heute jedoch nicht mehr ist, und die doch abrupt die alte Tradtion abreißen lässt und deshalb nur noch als deformiertes Relikt begriffen werden kann.“). 1316  So auch Käppler, AcP 179 (1979), 245 (251); Erman/Kroll-Ludwigs, §  1357 Rn.  2 (plausibel erklären lasse sich §  1357 Abs.  1 S.  2 BGB nur damit, dass der Gesetzgeber die weitgehend funktionslos gewordene Schlüsselgewalt nicht ersatzlos abschaffen wollte). 1317  Aus rein praktischer Sicht mag daher für eine Übergangszeit der Gedanke, dass „[n]ur die selbständige Befugnis, Geschäfte für den angemessenen Lebensbedarf der Familie mit Wirkung auch für den anderen Ehegatten zu besorgen, (…) der Bedeutung der Aufgabe des haushaltsführenden Ehegatten gerecht (werde)“ und daneben auch „ein gewisses Interesse an der Sicherheit des Rechtsverkehrs“ einem „völligen Verzicht auf eine solche Regelung“ entge1314 

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pelverdiener- und Zuverdienerehen verbreitet haben. Aus (familien-)rechtlicher Sicht war und ist jedoch seit der Aufgabe des gesetzlichen Leitbildes der Hausfrauenehe kein Ehegatte mehr darauf angewiesen, den anderen für bestimmte Geschäfte mitverpflichten zu können. Seither ist jeder Ehegatte, der im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft lebt, aus rechtlicher Sicht finanziell und erwerbstechnisch unabhängig vom anderen und kann im Geschäftsverkehr selbständig agieren. Da auch Frauen zunehmend erwerbstätig waren und/oder über ein eigenes Vermögen verfügten, hing ihre Kreditwürdigkeit (objektiv-rechtlich) nicht mehr von ihrem Ehemann ab, auch wenn das faktisch für eine ganze Weile noch so gewesen sein mag. Jedenfalls heutzutage verlässt sich kein Gläubiger mehr (allein) auf die gesetzliche Mitverpflichtung des anderen Ehegatten, wenn er Zweifel an der Kreditwürdigkeit seines Vertragspartners hat, zumal er weder die Bonität des mitverpflichteten Ehegatten noch die Tatsache des Verheiratetseins zuverlässig feststellen kann.1318 Bei Geschäften, bei denen es dem Geschäftspartner auf die Bonität seines Gegenübers entscheidend ankommt, insbesondere bei kleineren Kreditgeschäften oder Geschäften mit eigener Vorleistungspflicht (nur solche fallen u. U. in den Anwendungsbereich von §  1357 BGB), wird er sich vielmehr aktiv um eine Mithaftung des anderen Ehegatten oder um sonstige Sicherheiten bemühen.1319 „Der untätige Geschäftsmann offenbart darum nicht Vertrauen auf §  1357 (und das schon gar nicht, wenn ihm nicht einmal die Ehe bekannt ist), sondern Gleichgültigkeit und die Bereitschaft, das Insolvenzrisiko ohne Milderung durch einen Zweitschuldner zu tragen.“1320 Für ihn ist es reiner Zu- und Glücksfall, dass er mit einem Ehegatten kontrahiert und deshalb einen zweiten Schuldner gewinnt. Für die Anwendbarkeit von §  1357 BGB kommt es noch nicht einmal auf seine Kenntnis vom Verheiratetsein seines Vertragspartners an.1321 Nur zu Recht wurde daher moniert, dass §  1357 BGB zu einem „aufgedrängten Zweitschuldner (führt), um den sich der Gläubiger nicht bemühte, ja den er nicht einmal erwartete.“1322 Aus familienrechtlicher Sicht gibt es jedenfalls keinen Grund, der die Regelung einer Mitberechtigung und Mitverpflichtung des anderen Ehegatten für bestimmte Rechtsgeschäfte (unabhängig von den Stellvertretungsvorschriften) noch rechtfertigt.1323 genstünde (so RegE zum 1. EheRG, BT-Drucks. 7/650, S.  98), noch berechtigt gewesen sein, rein rechtlich war er nicht mehr tragfähig. 1318  Luther, FamRZ 2016, 271 (273). 1319  Gernhuber, Neues Familienrecht, S.  131 f.; Käppler, AcP 179 (1979), 245 (252); Medicus, FS Schwab (2005), S.  359 (367); Struck, FF 2004, 107 (108). 1320  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  19 Rn.  37. 1321  Statt vieler: Palandt/Brudermüller, §  1357 Rn.  1, 3; Rauscher, FamR, Rn.  280. 1322  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  19 Rn.  37; Gernhuber, Neues Familienrecht, S.  133; ähnlich Berger, FamRZ 2005, 1129 (1131); Käppler, AcP 179 (1979), 245 (253). 1323 Zumindest für die Doppel- und Zuverdienerehen ebenso Palandt/Brudermüller, §  1357 Rn.  1; Dethloff, Familienrecht, §  4 Rn.  59; MüKoBGB/Roth, §  1357 Rn.  3.

E. Haftung eines Ehegatten gegenüber einem Dritten

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Praktisch beschränkt sich der Gehalt von §  1357 BGB heute auf eine reine Gläubigerschutzvorschrift,1324 während die Norm ihren (ursprünglichen) Sinn, dem nicht erwerbstätigen Ehepartner die Wahrnehmung der Haushaltsführung in eigener Verantwortung zu ermöglichen, verloren hat. Es wird zwar behauptet, dass der Gläubigerschutz nicht unmittelbarer Zweck von §  1357 BGB, sondern nur Mittel zum Zweck sei,1325 gleichzeitig wird aber bezweifelt, ob eine gesetzlich angeordnete gesamtschuldnerische Haftung beider Ehegatten wirklich notwendig ist, um dem haushaltsführenden Ehegatten den Abschluss von Geschäften zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie zu ermöglichen.1326 Ein ehe- oder familienbezogener Zweck lässt sich der Vorschrift heutzutage auch nicht mehr mit den – nicht überzeugenden – Argumenten einer Erhöhung der Kreditwürdigkeit der Familie, der Sicherheit des Rechtsverkehrs,1327 der Möglichkeit, die Bonität des anderen Ehegatten zu nutzen,1328 der Verwirklichung der wirtschaftlichen Chancengleichheit1329 oder der Stärkung der Ehe als Wirtschaftsgemeinschaft1330 bzw. Unterhaltsgemeinschaft1331 beilegen.1332 Mit dem heutigen Eheverständnis von zwei gleichberechtigten und 1324  Gernhuber, Neues Familienrecht, S.  133 („pointierter Gläubigerschutz ohne jede Pa­ rallele“); Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  19 Rn.  36 („Letztlich dient die Norm in ihrer heutigen Fassung also nur noch den Gläubigern als Trittbrettfahrern der Gleichberechtigung“); Harke, FamRZ 2006, 88 (Schutz des Vertragspartners als wesentliche Funktion und zumindest objektiver Zweck von §  1357 BGB); Holzhauer, JZ 1977, 729 (731); Käppler, AcP 179 (1979), 245 (252 ff., 286 f.: „rechtspolitisch verfehlte Übersicherung des Gläubigers“); Koch, FS Pintens (2012), S.  767 (781); Luther, FamRZ 2016, 271 (273); Roth, FamRZ 1979, 361 (362). In diese Richtung auch Dethloff, FS Brudermüller (2014), S.  141 (142). A. A. Rauscher, FamR, Rn.  274; Soergel/M. Lipp, §  1357 Rn.  2 (nur zusätzliche Funktion). 1325  BVerfG v. 3.10.1989 – 1 BvL 78/86, NJW 1990, 175; BGH v. 11.3.2004 – III ZR 213/03, NJW 2004, 1593, 1595; Staudinger/Voppel, §  1357 Rn.  16. 1326  Käppler, AcP 179 (1979), 245 (251 ff.); MüKoBGB/Roth, §  1357 Rn.  6 , 8. Eine Rechtfertigung des Gläubigerschutzes zum Nachteil eines Ehegatten verneinend auch Büdenbender, FamRZ 1976, 662 (664); Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  19 Rn.  37. 1327  RegE zum 1. EheRG, BT-Drucks. 7/650, S.  98 f.; Erman/Kroll-Ludwigs, §  1357 Rn.  2 (Vorschrift diene mittelbar dem Gläubigerschutz, d. h. der Stärkung des Rechtsverkehrs); Schlüter, Familienrecht, Rn.  86. Eine gewisse Plausibilität dieses Arguments bejaht auch ­MüKoBGB/Roth, §  1357 Rn.  6 , der es letztlich dennoch für wenig überzeugend hält angesichts der Unerheblichkeit einer Kenntnis des Geschäftspartners vom Verheiratetsein. 1328 Soergel/M. Lipp, §  1357 Rn.  2 ; Rauscher, FamR, Rn.  274. 1329  Rauscher, FamR, Rn.   274; ähnlich Soergel/M. Lipp, §   1357 Rn.   2 (Gedanke einer gleichberechtigten Funktionsteilung). 1330  Leipold, FS Gernhuber (1993), S.  695 (703); Rauscher, FamR, Rn.  274; vgl. auch Harke, FamRZ 2006, 88 (89). 1331 So Staudinger/Voppel, §  1357 Rn.  15; Huber, Jura 2003, 145. Vgl. auch RegE zum 1. EheRG, BT-Drucks. 7/650, S.  98: Die Schlüsselgewalt versetze den einkommenslosen Ehegatten erst in die Lage, Familienunterhalt in Natur zu leisten (§  1360 S.  2 BGB); ohne diese Rechtsmacht bliebe die Befugnis aus §  1356 Abs.  1 S.  2 BGB inhaltsleer, da er sonst in weitem Umfang auf die Mitwirkung bzw. Zustimmung des erwerbstätigen Ehegatten angewiesen wäre. Auf diesen Gedanken stellt auch das BVerfG v. 3.10.1989 – 1 BvL 78/86, NJW 1990, 175, ab. 1332  Wie hier kritisch BeckOK-BGB/Hahn, §  1357 Rn.  2 ; Gernhuber/Coester-Waltjen, Fa-

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rechtlich gleichgestellten Partnern, die während bestehender Ehe finanziell voneinander unabhängig sind, ist §  1357 BGB jedenfalls nicht mehr vereinbar,1333 auch wenn man eine Verfassungswidrigkeit der Norm wegen Verstoßes gegen Art.  6 Abs.  1 GG durchaus mit den Argumenten einer durch die Ehe übernommenen Mitverantwortung (§  1353 Abs.  1 S.  2 Hs.  2 BGB) und der Möglichkeit einer Abbedingung (vgl. §  1357 Abs.  2 BGB) zu verneinen vermag.1334

III. Haftung aus ausgenutzter familiärer Solidarität 1. Ausgangslage Gerade weil die Ehe und Familie als solche – von dem rechtspolitisch verfehlten §  1357 BGB abgesehen – keine Haftung des Einzelnen im Außenverhältnis begründen, wird insbesondere von Banken und anderen Kreditgebern das Faktum der gelebten ehelichen bzw. familiären Solidarität bzw. die emotionale Verbun­denheit zwischen Familienangehörigen nur zu gerne im eigenen wirtschaftlichen Interesse dazu ausgenutzt, Familienangehörige zur „freiwilligen“ Übernahme einer „Mithaftung“ für gewährte Kredite in Form einer Bürgschaft oder eines Schuldbeitritts zu bewegen. Das familiäre Verhältnis zwischen dem Hauptschuldner und dem Mithaftenden ist in diesen Konstellationen zwar nicht haftungsbegründend, aber nicht selten ausschlaggebendes Motiv für die Übernahme der Mithaftung, weil sich Familienangehörige häufig aus moralischen Gründen zu familiärer Hilfsbereitschaft „verpflichtet“ fühlen und den in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Hauptschuldner nicht im Stich lassen wollen. Solche „seelischen Zwangslagen“ werden von Kreditinstituten ausgenutzt, um ihr eigenes Ausfallrisiko zu minimieren, allerdings nicht nur – das milienrecht, §  19 Rn.  36; Luther, FamRZ 2016, 271 (274 f.); Staudinger/Voppel, §  1357 Rn.  9. Deutlich auch Struck, FF 2004, 107 (108: die Begründungsversuche verfehlten die gesellschaftliche Realität). 1333  Rechtspolitische Bedenken erheben auch Büdenbender, FamRZ 1976, 662 (664, 672); Dethloff, Familienrecht, §  4 Rn.  59; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  19 Rn.  36 f.; Erman/Kroll-Ludwigs, §  1357 Rn.  2 ; Lange, FamRZ 2016, 354 (358); Meder, Familienrecht Von der Antike bis zur Gegenwart, S.  95; Muscheler, Familienrecht, Rn.  328; von Simon, FS Schwab (2005), S.  417 (419). Für Streichung der Vorschrift Bosch, NJW 1987, 2617 (2627); Brudermüller, NJW 2004, 2265 (2270: „Anachronismus“); Käppler, AcP 179 (1979), 245 (255: „[E]ine ersatzlose Streichung wäre richtiger gewesen“); Koch, FS Pintens (2012), S.  767 (784 ff.); Medicus, FS Schwab (2005), S.  359 (372: „dürfte entbehrlich sein“); Struck, FF 2004, 107 ff. A. A. Soergel/M. Lipp, §  1357 Rn.  2 (nach wie vor sachlich gerechtfertigt); Leipold, FS Gernhuber (1993), S.  695 (703); Lüke, FS Bosch (1976), S.  627 (636: „aus Gründen der Rechtssicherheit vertretbar“). 1334  So auch Käppler, AcP 179 (1979), 245 (256), die die Reform des §  1357 BGB jedoch für rechtspolitisch verfehlt hält. Das BVerfG v. 3.10.1989 – 1 BvL 78/86, NJW 1990, 175, rechtfertigt die Norm vor allem damit, dass sie den Ehegatten neben der Mitverpflichtung auch zusätzliche Rechte einräume, welche die Partner anderer Formen des Zusammenlebens nicht genießen.

E. Haftung eines Ehegatten gegenüber einem Dritten

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muss man fairer Weise einräumen – indem die Haftungsmasse erweitert wird, sondern legitimerweise auch, um (wirksamen) 1335 Vermögensverschiebungen zwischen dem Hauptschuldner und einem Familienangehörigen zu begegnen. Zudem wird durch die Einbeziehung von Angehörigen in die Haftung für den Kreditnehmer ein besonderer Anreiz geschaffen, nicht leichtfertig Schulden aufzunehmen und sich um eine fristgerechte Rückzahlung zu bemühen.1336 Da die finanzielle Situation des mithaftenden Angehörigen oftmals nicht überprüft wird, übersteigt das übernommene Kreditvolumen jedoch nicht selten dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei weitem. In den letzten Jahren wurden Zivilgerichte zunehmend mit solchen Haftungsfällen aus ausgenutzter familiärer Solidarität befasst, in denen vor allem junge Erwachsene in eine ausweglose Überschuldung geraten sind, weil sie sich für hohe Schulden ihres Ehegatten oder ihrer Eltern verbürgt haben, ohne selbst über ausreichende finan­ zielle Mittel zu verfügen. 2. Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen die guten Sitten Im Grundsatz erlaubt die Vertragsfreiheit als Teil der Privatautonomie jedem Volljährigen den Abschluss von Risikogeschäften und die Eingehung von Verpflichtungen zu Leistungen, die ihn finanziell überfordern oder von ihm nur unter besonders günstigen Bedingungen, notfalls unter Rückgriff auf das pfändungsfreie Einkommen, erbracht werden können.1337 Das gilt im Allgemeinen auch dann, wenn der Mithaftende mit dem Hauptschuldner verwandtschaftlich und/oder emotional eng verbunden ist.1338 Allerdings kann eine Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände bei Vertragsschluss ergeben, dass die Übernahme einer Bürgschaft,1339 eines Schuldbeitritts oder einer sonstigen Form der Mithaftung durch einen nahen Angehörigen des Hauptschuld1335 Zu beachten sind insofern jedoch die Vorschriften zur Insolvenzanfechtung nach §§  129 ff. InsO, insbesondere §§  132 ff. InsO, sowie die Regelungen des AnfG. 1336  BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, NJW 1994, 36; BGH v. 5.1.1995 – IX ZR 85/94, NJW 1995, 592 (593); MüKoBGB/Armbrüster, §   138 Rn.   92; Palandt/Ellenberger, §  138 Rn.  38d; Soergel/Hefermehl, §  138 Rn.  162b; Staudinger/Sack/Fischinger, §  138 Rn.  370. 1337  BGH v. 24.2.1994 – IX ZR 93/93, NJW 1994, 1278 (1279); BGH v. 24.11.1992 – XI ZR 98/92, NJW 1993, 322 (323); BGH v. 16.1.1992 – IX ZR 113/91, NJW 1992, 896 (898); BGH v. 16.5.1991 – IX ZR 245/90, NJW 1991, 2015 (2016); BGH v. 28.2.1989 – IX ZR 130/88, NJW 1989, 1276 (1277); ähnlich BGH v. 16.3.1989 – III ZR 37/88, NJW 1989, 1665 (1666); BGH v. 19.1.1989 – IX ZR 124/88, NJW 1989, 830 (831); offenlassend BGH v. 22.1.1991 – XI ZR 111/90, NJW 1991, 923 (924 f.). 1338  BGH v. 5.1.1995 – IX ZR 85/94, NJW 1995, 592 (593); BGH v. 24.2.1994 – IX ZR 93/93, NJW 1994, 1278 (1279); BGH v. 24.2.1994 – IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1342); BGH v. 16.1.1992 – IX ZR 113/91, NJW 1992, 896 (898); BGH v. 16.5.1991 – IX ZR 245/90, NJW 1991, 2015 (2017); BGH v. 19.1.1989 – IX ZR 124/88, NJW 1989, 830 (831). 1339  Zu Angehörigenbürgschaften im Allgemeinen vgl. Naumann, Sittenverstoß und Privat­ autonomie, S.  1 ff.

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ners gegen die guten Sitten verstößt und daher nach §  138 BGB nichtig ist.1340 Jedenfalls seit das BVerfG in zwei Entscheidungen anlässlich einer den angehörigen Bürgen jeweils wirtschaftlich krass überfordernden Bürgschaft eine Pflicht der Zivilgerichte aussprach, im Rahmen der zivilrechtlichen Generalklauseln (§§  138, 242 BGB) eine Inhaltskontrolle von Verträgen durchzuführen, die einen der beiden Vertragspartner ungewöhnlich stark belasten und das Ergebnis strukturell ungleicher Verhandlungsstärke sind,1341 werden Angehörigenbürgschaften am Maßstab von §  138 BGB überprüft. Neben dem Ehegatten1342 werden als Angehörige auch Verlobte,1343 Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft,1344 Eltern1345 und Kinder1346 geschützt, nicht hingegen ohne weiteres auch erwachsene Geschwister.1347 Bei Bürgschafts- oder sonstigen Mithaftungsverträgen zwischen Kreditinstituten und privaten Sicherungsgebern hängt die Anwendung von §  138 Abs.  1 BGB entscheidend vom Grad des Missverhältnisses zwischen dem Verpflichtungsumfang und der finanziellen Leistungsfähigkeit des Bürgen oder Mitverpflichteten ab.1348 Im Falle einer krassen finanziellen Überforderung, die nach ständiger Rechtsprechung dann vorliegt, wenn der Mithaftende voraussichtlich nicht einmal die vertraglich festgelegte Zinslast aus dem pfändbaren Teil seines Einkommens oder Vermögens bei Eintritt des Sicherungsfalles dauerhaft wird tragen können,1349 wird nach der allgemeinen Lebenserfahrung widerleglich1350 vermutet, dass der dem Hauptschuldner persönlich besonders nahestehende 1340  BGH v. 24.2.1994 – IX ZR 93/93, NJW 1994, 1278 (1281); BGH v. 24.11.1992 – XI ZR 98/92, NJW 1993, 322 (323); BGH v. 16.1.1992 – IX ZR 113/91, NJW 1992, 896 (898); BGH v. 16.3.1989 – III ZR 37/88, NJW 1989, 1665 (1667); BGH v. 7.6.1988 – IX ZR 245/86, NJW 1988, 2599 (2602). 1341  BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, NJW 1994, 36 m. zahlr. Nachw. zur bisherigen Rspr. und Lit.; BVerfG v. 5.8.1994 – 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749; ebenso BVerfG v. 2.5.1996 – 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021. 1342  BGH v. 25.1.2005 – XI ZR 28/04, NJW 2005, 971. 1343  BGH v. 18.9.1997 – IX ZR 283/96, NJW 1997, 3372 (3373). 1344  BGH v. 19.2.2013 – XI ZR 82/11, NJW 2013, 1534; BGH v. 16.6.2009 – XI ZR 539/07, NJW 2009, 2671 (2672); BGH v. 4.12.2001 – XI ZR 56/01, NJW 2002, 744; BGH v. 27.1.2000 – IX ZR 198/98, NJW 2000, 1182; BGH v. 23.1.1997 – IX ZR 55/96, NJW 1997, 1005. 1345  BGH v. 26.4.2001 – IX ZR 337/98, NJW 2001, 2466. 1346  BGH v. 8.11.2001 – IX ZR46/99, NJW-RR 2002, 1130; BGH v. 24.2.1994 – IX ZR 93/93, NJW 1994, 1278. 1347  BGH v. 24.2.1999 – IX ZB 2/98, NJW 1999, 2372 (2373); BGH v. 18.12.1997 – IX ZR 271/96, NJW 1998, 597 (Die Rechtsprechung zur Unwirksamkeit von Bürgschaften finanziell kraß überforderter Kinder und Lebenspartner findet auf Bürgschaften von Geschwistern nur Anwendung, wenn im Einzelfall zwischen ihnen eine vergleichbar enge persönliche Beziehung im Zeitpunkt der Verpflichtung bestanden hat). 1348  BGH v. 25.1.2005 – XI ZR 28/04, NJW 2005, 971 (972); BGH v. 4.12.2001 – XI ZR 56/01, NJW 2002, 744 f. m. w. N. 1349  BGH v. 19.2.2013 – XI ZR 82/11, NJW 2013, 1534; BGH v. 16.6.2009 – XI ZR 539/07, NJW 2009, 2671 (2672) m. w. N. 1350  Sittenwidrigkeit kann etwa zu verneinen sein, wenn der Bürge ein Eigeninteresse am gewährten Kredit hat, vgl. nur BGH v. 4.6.2013 – II ZR 207/10, NJW-RR 2013, 1258.

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Bürge bzw. Mithaftende die ihn vielleicht bis an das Lebensende übermäßig finanziell belastende Personalsicherheit allein aus emotionaler Verbundenheit mit dem Hauptschuldner gestellt und der Kreditgeber dies in sittlich anstößiger Weise ausgenutzt hat.1351 Insbesondere bei Bürgschaften von (noch geschäfts­ unerfahrenen) Kindern für die Schulden ihrer Eltern, die die finanzielle Leistungsfähigkeit des bürgenden Kindes voraussichtlich auf Dauer weit übersteigt, ist regelmäßig Sittenwidrigkeit anzunehmen; 1352 während die Rechtsprechung dies auf Ehegatten zunächst nicht unbesehen übertragen wollte,1353 geht sie mittlerweile von einheitlichen Grundsätzen für Bürgschaften von Angehörigen aus.1354 Allein der Umstand, dass das Kreditvolumen die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Mithaftenden erheblich übersteigt, soll danach das Verdikt der Sittenwidrigkeit einer Vereinbarung (noch) nicht rechtfertigen; vielmehr müssen in diesem Fall weitere, sittenwidrigkeitsbegründende Umstände hinzutreten.1355 Als ein solcher besonderer Umstand anerkannt ist das Ausnutzen einer „seelischen Zwangslage“ oder der geschäftlichen Unerfahrenheit von Familienangehörigen durch den Kreditgeber, welches es rechtfertigt, eine Vereinbarung über die Mithaftung als sittenwidrig zu bewerten, wenn ein grobes Missverhältnis zwischen dem Verpflichtungsumfang und der Leistungsfähigkeit des Mithaftenden besteht.1356 In einem solchen Fall liegt regelmäßig eine „strukturelle Unterlegenheit“1357 vor, weil die Verpflichtung aufgrund des familiären Verhältnisses nicht aus „freier eigener Entscheidung, sondern aus familiärer Hilfsbereitschaft und aus Anstand in einer ‚seelischen Zwangslage‘ eingegangen worden ist.“1358 „[E]rst die Freiheit, sich für oder gegen eine vertrag1351  BGH v. 19.2.2013 – XI ZR 82/11, NJW 2013, 1534; BGH v. 16.6.2009 – XI ZR 539/07, NJW 2009, 2671 (2672) m. w. N.; MüKoBGB/Armbrüster, §  138 Rn.  92; Palandt/ Ellenberger, §  138 Rn.  38b; Soergel/Hefermehl, §  138 Rn.  162a; BeckOK-BGB/Wendtland, §  138 Rn.  69. 1352  Vgl. BGH v. 24.2.1994 – IX ZR 93/93, NJW 1994, 1278. Statt vieler Soergel/Hefermehl, §  138 Rn.  162d. 1353  Vgl. BGH v. 5.1.1995 – IX ZR 85/94, NJW 1995, 592 (593); BGH v. 24.2.1994 – IX ZR 93/93, NJW 1994, 1278 (1279); BGH v. 24.2.1994 – IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1342). 1354 Palandt/Ellenberger, §  138 Rn.  38. 1355  BGH v. 25.1.2005 – XI ZR 28/04, NJW 2005, 971 (972); BGH v. 2.11.1995 – IX ZR 222/94, NJW 1996, 513 (514); BGH v. 24.2.1994 – IX ZR 93/93, NJW 1994, 1278 (1279); BGH v. 24.2.1994 – IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1342); BGH v. 24.11.1992 – XI ZR 98/92, NJW 1993, 322 (323); BGH v. 16.5.1991 – IX ZR 245/90, NJW 1991, 2015 (2016); LG Zweibrücken v. 30.9.1994 – 3 S 159/94, NJW-RR 1995, 311 (312). Zu den maßgeblichen Faktoren ausführlich Staudinger/Sack/Fischinger, §  138 Rn.  375 ff. 1356  BGH v. 19.2.2013 – XI ZR 82/11, NJW 2013, 1534 (1535); BGH v. 28.5.2002 – XI ZR 199/01, NJW 2002, 2634 (2635); BGH v. 24.2.1994 – IX ZR 93/93, NJW 1994, 1278 (1279); BGH v. 24.2.1994 – IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1342); BGH v. 24.11.1992 – XI ZR 98/92, NJW 1993, 322 (323, 324); MüKoBGB/Armbrüster, §   138 Rn.   92, 93; Staudinger/Sack/­ Fischinger, §  138 Rn.  380. 1357  BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, NJW 1994, 36 (38, 39); BVerfG v. 5.8.1994 – 1 BvR 1402/89, NJW 1994, 2749 (2750); BVerfG v. 2.5.1996 – 1 BvR 696/96, NJW 1996, 2021. 1358 Staudinger/Sack/Fischinger, §  138 Rn.  380; BGH v. 2.11.1995 – IX ZR 222/94, NJW 1996, 513 (514); BGH v. 5.1.1995 – IX ZR 85/94, NJW 1995, 592; BGH v. 26.4.1994 – XI ZR

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

liche Bindung zu entscheiden, sowie die Erkenntnismöglichkeit, mit welchen Rechtsfolgen die in Frage stehende Verpflichtung verbunden sein kann, ergeben die Rechtfertigung dafür, den Mithaftenden trotz der ihn außergewöhnlich belastenden Rechtsfolgen an der selbstverantwortlich getroffenen Entscheidung festzuhalten.“1359 3. Anfechtbarkeit wegen widerrechtlicher Drohung Wer zur Abgabe einer Willenserklärung (wie etwa einer Bürgschaftserklärung) widerrechtlich durch Drohung bestimmt worden ist, kann seine Willenserklärung nach §  123 Abs.  1 BGB auch anfechten. Ein Klassiker ist die Drohung mit einer Strafanzeige gegen einen Familienangehörigen, wenn der Bedrohte nicht für einen von diesem verursachten Schaden (z. B. infolge einer Untreue im Betrieb des Gläubigers) bürgt. Das Inaussichtstellen, Strafanzeige zu erstatten, ist zwar ein legitimes Mittel, wenn tatsächlich eine Straftat begangen wurde, und auch der Zweck, den Anspruch auf Schadensausgleich zu sichern, ist als solcher rechtlich nicht zu beanstanden; allerdings wird nach einhelliger Meinung eine Willensbeeinflussung durch Drohung auch dann als widerrechtlich angesehen, wenn die Verknüpfung von Mittel und Zweck, also die Benutzung dieses Mittels zu diesem Zweck, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt.1360 Dabei sind nach der Rechtsprechung alle Umstände des Einzelfalls unter besonderer Berücksichtigung der Belange der Beteiligten zu würdigen; insbesondere ist zu prüfen, ob der Drohende an der Erreichung des von ihm erstrebten Erfolgs ein berechtigtes Interesse hat und die Drohung nach Treu und Glauben noch als ein angemessenes Mittel zur Erreichung dieses Zweckes angesehen werden kann.1361 In dem genannten Beispiel der Drohung mit einer 184/93, NJW 1994, 1726 (1728); BGH v. 24.2.1994 – IX ZR 93/93, NJW 1994, 1278 (1279); BGH v. 24.2.1994 – IX ZR 227/93, NJW 1994, 1341 (1342); BGH v. 24.11.1992 – XI ZR 98/92, NJW 1993, 322 (323, 324). A. A. BGH v. 16.5.1991 – IX ZR 245/90, NJW 1991, 2015 (2017). 1359 Staudinger/Sack/Fischinger, §   138 Rn.  380; vgl. auch BVerfG v. 19.10.1993 – 1 BvR 567/89, NJW 1994, 36 (38 f.). 1360  BGH v. 4.2.2010 – IX ZR 18/09, NJW 2010, 1364 (1367); BGH v. 4.11.1982 – VII ZR 11/82, NJW 1983, 384 f.; BGH v. 6.5.1982 – VII ZR 208/81, NJW 1982, 2301 (2302); BGH v. 28.5.1969 – IV ZR 790/68, NJW 1969, 1627; BGH v. 14.6.1951 – IV ZR 42/50, NJW 1951, 643 (644); Prütting/Wegen/Weinreich/Ahrens, §  123 Rn.  39 ff.; MüKoBGB/Armbrüster, §  123 Rn.  107 ff.; Erman/Arnold, §  123 Rn.  47 ff.; Palandt/Ellenberger, §   123 Rn.   21; NK-BGB/ Feuer­born, §  123 Rn.  92 ff.; Soergel/Hefermehl, §  123 Rn.  47; Jauernig/Mansel, §  123 Rn.  15; Staudinger/Singer, §  123 Rn.  75 ff.; BeckOK-BGB/Wendtland, §  123 Rn.  31 ff.; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, §  41 Rn.  135. 1361  BGH v. 4.11.1982 – VII ZR 11/82, NJW 1983, 384 (385); BGH v. 6.5.1982 – VII ZR 208/81, NJW 1982, 2301 (2302); BGH v. 28.5.1969 – IV ZR 790/68, NJW 1969, 1627; BGH v. 23.9.1957 – VII ZR 403/56, NJW 1957, 1796: „Die Drohung ist bei erlaubtem Mittel und Ziel nicht allein deswegen widerrechtlich, weil der Drohende keinen Rechtsanspruch auf die Erklärung des Bedrohten hat. Vielmehr ist in erster Linie zu prüfen, ob der Drohende an der Erreichung des von ihm erstrebten Erfolges ein berechtigtes Interesse hat, und ob die ausge-

E. Haftung eines Ehegatten gegenüber einem Dritten

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Strafanzeige gegen einen Familienangehörigen für den Fall, dass sich der Bedrohte nicht für den Anspruch auf Schadensausgleich verbürgt, wird eine In­ adäquanz von Mittel und Zweck überwiegend bejaht, wenn und weil der erstrebte Erfolg (also die Mithaftung des Dritten) in keinem Zusammenhang mit der Straftat steht,1362 wobei manche als Begründung schon auf das Ausnutzen der familiären Verbundenheit verweisen,1363 andere hingegen weitere Umstände fordern, aus denen sich eine Einschränkung der Entscheidungsfreiheit ergibt.1364 Insbesondere Flume vertrat die Ansicht, dass es alltäglich sei, dass Angehörige oder Freunde des Täters den Schaden einer Straftat ausgleichen, um eine drohende Strafanzeige abzuwenden; da die Drohung mit einer Strafanzeige gegenüber dem Täter nicht widerrechtlich sei, wenn dadurch eine Wiedergutmachung des Schadens erreicht werden soll, könne nichts anderes gelten, wenn die Drohung (auch) unmittelbar gegenüber den Angehörigen ausgesprochen werde.1365 Diese Argumente vermögen jedoch die Bedenken gegen eine „Erpressung“ der Angehörigen nicht zu entkräften: 1366 Letztlich ist es allein Angelegenheit des Täters, ob er auf seine verwandtschaftlichen oder freundschaftlichen Beziehungen zurückgreifen will, um den angerichteten Schaden ausgleichen und damit eine Strafanzeige abwenden zu können, und im Übrigen eine freiwillige Entscheidung des Angehörigen zur Hilfsbereitschaft, die nicht gezielt vom Geschädigten instrumentalisiert werden darf. Der Geschädigte darf sich dies nicht zum eigenen Vorteil zunutze machen, indem er einen Angehörigen durch Drohung mit einer Strafanzeige zur Übernahme einer Mithaftung veranlasst. Deshalb wird man regelmäßig allein schon die Ausnutzung der aus der engen verwandtschaftlichen oder gefühlsmäßigen Verbundenheit zwischen dem Täter und dem Dritten folgenden Hilfsbereitschaft als besonders verwerflich und daher widerrechtlich ansehen müssen.

sprochene Drohung nach der Auffassung aller billig und gerecht Denkenden ein angemessenes Mittel darstellt.“ 1362  OLG Karlsruhe v. 11.1.1991 – 14 U 251/89, VersR 1992, 703. Etwas anderes soll dann gelten, wenn der Bedrohte in einer straf- oder zivilrechtlich nicht erfassbaren Weise an der Straftat mitgewirkt oder deren Nutznießer ist, BGH v. 23.9.1957 – VII ZR 403/56, NJW 1957, 1796 (1797); dagegen zu Recht Staudinger/Singer, §  123 Rn.  77 (dies liefe auf eine undifferenzierte „Sippenhaftung“ hinaus). 1363 MüKoBGB/Armbrüster, §   123 Rn.   110; Erman/Arnold, §  123 Rn.  51; Enneccerus/­ Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, §  173 II 2 b, S.  1064 f. Fn.  22; Soergel/ Hefermehl, §  123 Rn.  52; Karakatsanes, Die Widerrechtlichkeit in §  123 BGB, S.  94 ff.; Staudinger/Singer, §  123 Rn.  77; Wolf/Neuner, Allgemeiner Teil, §  41 Rn.  136; Zweigert, JZ 1958, 570 f. 1364  Flume, Allgemeiner Teil, §  28 2 c, S.  536 ff. 1365  Flume, Allgemeiner Teil, §  28 2 c, S.  537. 1366  So auch MüKoBGB/Armbrüster, §  123 Rn.  110; Karakatsanes, Die Widerrechtlichkeit in §  123 BGB, S.  94 f.; Lorenz, Der Schutz vor dem unerwünschten Vertrag, S.  355 f.; Staudinger/­ Singer, §  123 Rn.  77.

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Kapitel 3:  Eheliche Lebensgemeinschaft

4. Erwirkung unmittelbarer Erfüllungshandlungen In der Praxis wird die familiäre oder freundschaftliche Solidarität freilich nicht nur zur Begründung einer Mithaftung eines Angehörigen durch Abschluss eines Rechtsgeschäfts ausgenutzt, sondern weit häufiger gleich zur unmittelbaren Erwirkung einer Leistung, die zur Erfüllung einer offenen Schuld des Hauptschuldners führt (vgl. §  267 BGB), ohne dass der Leistende zugleich eine eigene Verpflichtung eingeht. So kommt es etwa nicht selten vor, dass die Polizei für die Staatsanwaltschaft abwendbare Haftbefehle (meist wegen Ersatzfreiheitsstrafen) zu vollstrecken hat und dazu den Verurteilten zuhause bei seiner Familie aufsucht, ihn verhaftet und der Familie erklärt, den Verhafteten nicht mitzunehmen, wenn jemand den geschuldeten Betrag sofort besorgt.1367 Solche Fälle gehen über das hier zu behandelnde Thema der Haftung hinaus und sind rechtlich schwer zu fassen, da der Handlungsspielraum der Angehörigen eigentlich nur erweitert wird, indem ihnen das „Angebot“ unterbreitet wird, den Betroffenen auszulösen. Natürlich sind die Angehörigen in solchen Fällen rechtlich zu nichts verpflichtet; außerdem haben sie theoretisch im Innenverhältnis zum Täter einen Ausgleichsanspruch nach den Grundsätzen der Geschäftsführung ohne Auftrag (§§  677, 683, 670 BGB). Dennoch darf bezweifelt werden, ob ein solches Vorgehen, das die Angehörigen emotional erheblich unter Druck setzt, noch mit unserem heutigen Verständnis von Ehe und Familie vereinbar ist, oder nicht vielmehr an die überwundene Vorstellung einer Sippe anknüpft, der man es nahe legt, für das Fehlverhalten eines Mitglieds einzustehen, und all das noch dazu ohne Einräumung einer Bedenkzeit und die realistische Aussicht auf Regress.

IV. Ergebnis Eine Haftung eines Familienmitglieds für Fehlverhalten eines anderen kraft familiärer Solidarität ist abzulehnen. Das Verständnis der Familie als Haftungsverband ist überholt und die im Gesetz verbliebenen Reste, namentlich die Haftungsbegründung gemäß §  1357 BGB durch die „Schlüsselgewalt“, haben ihre Legitimation nach hier vertretener Ansicht verloren. Deshalb sollte auch allen Tendenzen in der Praxis möglichst effektiv entgegen gewirkt werden, mit denen versucht wird, die emotionale Verbundenheit bzw. familiäre Solidarität eines 1367 Ob in solchen Fällen eine strafbare Drohung (§   240 StGB) bzw. Erpressung (§  253 StGB) vorliegt, ist sehr umstritten, da nach rechtmäßig erfolgter Verhaftung allenfalls mit einem Unterlassen, nämlich der Nichtaufhebung der Verhaftung, „gedroht“ wird, zu der die Polizei nicht verpflichtet ist, vgl. zu diesem Problem die Ausführungen bei MüKoStGB/Sinn, §  240 Rn.  85 ff. m. w. N. zur Rspr. und Lit. Auch eine Aufforderung zur Straf- bzw. Vollstreckungsvereitelung (§  258 Abs.  2 StGB) wird man verneinen müssen, da nach der Rechtsprechung des BGH die Zahlung einer Geldstrafe durch Dritte keine Vollstreckungsvereitelung darstellt, BGH v. 7.11.1990 – 2 StR 439/90, NJW 1991, 990.

E. Haftung eines Ehegatten gegenüber einem Dritten

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Angehörigen mit dem Schuldner zur Erwirkung einer vertraglich begründeten Haftungsübernahme oder Erfüllungshandlung zu missbrauchen, da diese mit unserem heutigen Verständnis von Ehe und Familien unvereinbar sind und letztlich wieder an die überwundene Vorstellung der Familie als Haftungsverband anknüpfen.

Kapitel 4

Verlöbnis und nichteheliche Lebensgemeinschaft A. Haftung kraft schuldrechtlicher Sonderverbindung I. Verlöbnis als schuldrechtliche Sonderverbindung? 1. Verlobung und zugrundeliegendes Rechtsverhältnis Dem Begriff „Verlöbnis“,1 wie er in den §§  1297 ff. BGB verwendet wird, kommen zwei unterschiedliche Bedeutungen zu: 2 Zum einen wird damit das gegenseitige Versprechen eines Mannes und einer Frau umschrieben, in Zukunft die Ehe miteinander zu schließen, also die sog. Verlobung bzw. der Akt des sich Verlobens. Zum anderen bezeichnet der Begriff das zwischen den Verlobten bestehende Rechtsverhältnis (den „Brautstand“). Das zwischen Verlobten bestehende Rechtsverhältnis ist unstrittig familienrechtlicher Natur. Dass es sich dabei – ebenso wie bei der ehelichen Lebens­ gemeinschaft – um ein (gesetzliches) Schuldverhältnis handeln könnte, wird teilweise explizit abgelehnt.3 Die Diskussionen zum Verlöbnis, genauer der Verlobung, drehen sich primär um die Rechtsnatur (dazu gleich). Ausgeblendet wird dabei, dass die Beteiligten in unserem Kulturkreis, bevor es zur Verlobung kommt, in aller Regel bereits seit einiger Zeit in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammen leben. Nach der Rechtsprechung handelt es sich bei einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft um eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft zwischen einem Mann und einer Frau, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, die also über die Beziehung in einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht.4 Von der ehelichen Lebensgemeinschaft unterscheidet sie sich vor allem dadurch, dass ihr eine umfassende Rechtsver-

1 Zur historischen Entwicklung des Verlöbnisses ausführlich Knütel, FS Jayme (2004), S.  1487 ff. 2  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  8 Rn.  2 ; Muscheler, Familienrecht, Rn.  223; Rauscher, FamR, Rn.  101. 3  Erbarth, FPR 2011, 89; Staudinger/Löhnig, Vorb. v. §§  1297 ff. Rn.  23. 4  BVerfG v. 17.11.1992 – 1 BvL 8/87, NJW 1993, 643 (645); BGH v. 13.1.1993 – VIII ARZ 6/92, NJW 1993, 999 (1001).

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Kapitel 4:  Verlöbnis und nichteheliche Lebensgemeinschaft

bindlichkeit fehlt.5 Daran ändert auch die Verlobung nichts, die nach hier vertretener Ansicht lediglich eine rechtlich unverbindliche Zusage enthält6 und daher keine Primär(leistungs)pflichten begründet: Gemäß §  1297 Abs.  1 BGB kann aus einem Verlöbnis kein Antrag auf Eingehung der Ehe gestellt werden, und das Versprechen einer Strafe für den Fall, dass die Eingehung der Ehe unterbleibt, ist nichtig, §  1297 Abs.  2 BGB. Für homosexuelle Paare gilt gemäß §  1 Abs.  4 LPartG Entsprechendes. Das schließt freilich die Annahme eines Schuldverhältnisses zwischen den Verlobten nicht aus. Wie bereits aufgezeigt, kann die Annahme eines Schuldverhältnisses mit besonderen Rücksichtnahmepflichten im Sinne von §  241 Abs.  2 BGB und einem spezifischen Haftungsmaßstab immer dann für einen gerechten Interessenausgleich zwischen den Beteiligten sorgen, wenn in einer Sonderverbindung erhöhte Einwirkungs- und eingeschränkte Verteidigungsmöglichkeiten ein besonderes Schutzbedürfnis der Beteiligten gebieten und wenn zugleich ein vertrauensvolles Miteinander für das Gelingen der Sonderverbindung von besonderer Bedeutung ist.7 Auch in einer auf Dauer angelegten nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die über das Verlöbnis hinaus fortbesteht, kommen diese Gesichtspunkte zum Tragen. Genauso wie in einer Ehe besteht zwischen nichtehelichen Lebensgefährten ein besonderes Vertrauensverhältnis, das die eigenen Verteidigungsmöglichkeiten einschränkt, eine erhöhte Gefahr von fahrlässig verursachten Schädigungen mit sich bringt und daher die Annahme von über das Deliktsrecht hinausgehenden Rücksichtnahmepflichten rechtfertigt. Nach hier vertretener Ansicht besteht daher auch zwischen Verlobten eine schuldrechtliche Sonderverbindung mit den Pflichten nach §  241 Abs.  2 BGB, wobei die §§  1297 ff. BGB zusätzliche familienrechtliche Spezialvorschriften vorsehen,8 die für nichteheliche Lebensgefährten nicht gelten. 2. Rechtsnatur der Verlobung Der Streit um die Rechtsnatur des Verlöbnisses, der in erster Linie im Hinblick auf das Verlöbnis Minderjähriger entbrannte, betrifft lediglich die Verlobung als solche, nicht hingegen das zugrundeliegende Rechtsverhältnis. Die Theorien wirken sich sowohl im Hinblick auf das wirksame Zustandekommen des Ehe5 

Vgl. BGH v. 7.11.2001 – XII ZR 247/00, NJW 2002, 671. Vgl. dazu schon die Ausführungen oben unter Kap.  2 A.III.2.b)(3), 32 ff. 7  Dazu ausführlich oben unter Kap.  2 B.II.1.b)(3), S. 49 ff. 8  Außerdem misst der Gesetzgeber dem Verlöbnis eheähnliche (und damit statusähnliche) Wirkungen in anderen Rechtsgebieten bei, wie etwa im Familien- und Erbrecht (vgl. §§  1408 Abs.  1, 2276 Abs.  2 BGB), im Strafrecht gelten Verlobte als Angehörige im Sinne von §  11 Abs.  1 Nr.  1a StGB, und im Prozessrecht haben Verlobte ein Zeugnis- (§  383 Abs.  1 Nr.  1 ZPO, §  29 Abs.  2 FamFG, §  52 Abs.  1 Nr.  1 StPO), ein Auskunfts- (§  384 Nr.  1 und 2 ZPO, §  55 Abs.  1 StPO), ein Gutachten- (§  408 Abs.  1 S.  1 ZPO, §  76 Abs.  1 S.  1 StPO) und ein Eides­ verweigerungsrecht (§  61 StPO). Zu weiteren Rechtsfolgen vgl. Muscheler, Familienrecht, Rn.  224 f. 6 

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versprechens als auch auf den inhaltlichen Pflichtenumfang aus; außerdem unterscheiden sie sich in der dogmatischen Begründung der Ersatz- und Rückgabepflicht gemäß §§  1298 ff. BGB. Dies ist für die hier interessierende Frage, ob eine schuldrechtliche Haftung zwischen Verlobten in Betracht kommt, entscheidend. a) Theorienstreit Die überwiegende Ansicht in der Literatur sieht die Verlobung als einen ganz normalen (familienrechtlichen) Vertrag an,9 der auf Eingehung der Ehe gerichtet ist und grundsätzlich nach den allgemeinen Regeln der Rechtsgeschäftslehre zustande kommt. Es überrascht daher, dass einige Vertreter dieser Ansicht gleichzeitig behaupten, das Verlöbnis sei kein schuldrechtliches Rechtsverhältnis.10 Das Eheversprechen begründet nach dieser Auffassung die vertragliche Rechtspflicht zur Eheschließung, die allerdings nicht durchsetzbar sei (§  1297 BGB). Bei den Ansprüchen aus §§  1298 ff. BGB handelt es sich in der Konsequenz um Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung, die jedoch angesichts der Undurchsetzbarkeit des Primäranspruchs auf das negative Interesse begrenzt sind.11 Ein Verlöbnis eines Minderjährigen ist ohne Zustimmung der Eltern als gesetzliche Vertreter (§§  1626, 1629 BGB) nicht wirksam (§§  108, 107 BGB), so dass der Minderjährige bei grundlosem Rücktritt auch nicht auf Schadensersatz nach Maßgabe der §§  1298 f. BGB haftet. Teilweise wird das Verlöbnis als familienrechtlicher Vertrag sui generis betrachtet,12 aus dem sich die vertragliche, wenn auch nicht durchsetzbare Pflicht zur Eheschließung ergebe. Zum Abschluss dieses Vertrages soll es nach dieser Meinung nicht auf die §§  106 ff. BGB ankommen, sondern auf eine besondere „Verlöbnisfähigkeit“, für die teils auf individuelle geistige Reife,13 teils auf die Ehemündigkeitsvorschriften (§  1303 BGB analog) abgestellt wird.14 9  Beitzke, FS Ficker (1967), S.  78 (94); Palandt/Brudermüller, Einf. v. §  1297 Rn.  1; Dölle, Familienrecht I, §  6 III, S.  63; Erbarth, FPR 2011, 89; Evans-von Krbek, JA 1979, 236 (238: „rechtsgeschäftsanaloges ‚Schuldverhältnis‘“); Soergel/Fischinger, §  1297 Rn.  5 ; Gernhuber/ Coester-Waltjen, Familienrecht, §  8 Rn.  5 ff.; Heinz, Rechtstheorie 27 (1996), 551 (575 f.); ­Lehmann/Henrich, Deutsches Familienrecht, §  6 I, S.  26 f. (a. A. noch in der Vorauflage: familienrechtlicher Vertrag sui generis); Staudinger/Löhnig, Vorb. v. §§  1297 ff. Rn.  34 f.; Muscheler, Familienrecht, Rn.   224, 228, MüKoBGB/Roth, §  1297 Rn.  5 ; Schulze, Naturalobligation, S.  525 ff.; Thönnissen, Grundfragen des Verlöbnisrechts, S.  140 ff.; MüKoBGB/Wacke, 4.  Aufl. 2010, §  1297 Rn.  5. 10  Erbarth, FPR 2011, 89; Staudinger/Löhnig, Vorb. v. §§  1297 ff. Rn.  23. 11  Schulze, Naturalobligation, S.  526 f.; Soergel/Fischinger, §  1298 Rn.  2 , der jedoch selbst einräumt, dass diese Deutung in Bezug auf die Ansprüche der Eltern nicht passt und insofern eher ein Vetrauensschadensersatz anzunehmen sei. 12  Boehmer, JZ 1961, 267; Flume, Allgemeiner Teil, §   13.10, S.  212; Schnitzerling, StAZ 1961, 185 (186); Staudinger/Strätz, 13. Bearb. 2000, Vorbem. zu §§  1297 ff. Rn.  67; Strätz, Jura 1984, 449 (452 ff.). 13  Flume, Allgemeiner Teil, §  13.10, S.  212. 14 Staudinger/Strätz, 13. Bearb. 2000, Vorbem. zu §§  1297 ff. Rn.  101.

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Kapitel 4:  Verlöbnis und nichteheliche Lebensgemeinschaft

Wieder andere gehen von einer geschäftsähnlichen Handlung aus, auf die die Normen über Willenserklärungen nur insoweit entsprechend heranzuziehen seien, als sie passend erscheinen.15 Danach begründet das Verlöbnis keine Rechtspflicht zur Eheschließung, sondern es entfaltet seine Wirkungen nur und erst dann, wenn es nicht zur Eheschließung kommt. Nach einer früher vertretenen Ansicht, der sog. Tatsächlichkeitstheorie, beruht das Verlöbnis auf einer Willensübereinstimmung nicht rechtsgeschäftlicher Art, also einem Realakt als einer rein tatsächlichen sozialen Erscheinung,16 die keine Rechtspflicht zur Eheschließung, sondern nur sittlich-moralische Pflichten erzeugt. Die allgemeine Rechtsgeschäftslehre ist nach dieser Ansicht nicht anwendbar, während der rechtliche Grund für die Ersatzpflichten in §§  1298 ff. BGB im Recht der unerlaubten Handlungen gesehen wird.17 Im Vordringen befindlich ist der Ansatz, demzufolge das Verlöbnis als cic-ähnliches Anbahnungs- bzw. Vertrauensverhältnis angesehen wird, das keine Rechtspflicht zur Eheschließung begründet.18 Diese Ansicht betrachtet das Verlöbnis als einen Vertrauenstatbestand, für den keine Willenserklärungen erforderlich sind, sondern nur ein in zurechenbarer Weise gesetztes Vertrauen auf das künftige Zustandekommen der Ehe. Beim Verlöbnis eines Minderjährigen wird zu dessen Schutz ein dem Minderjährigen zurechenbarer Vertrauenstatbestand in der Regel erst dann angenommen, wenn die Eltern zugestimmt haben. Die Regelung der §§  1298 ff. BGB ist nach dieser Auffassung eine Ausprägung des Gedankens der Vertrauenshaftung, wie er auch der Rechtsfigur eines gesetzlichen Rechtsverhältnisses der Vertragsvorbereitung (culpa in contrahendo) zugrunde liege, und das Verlöbnis daher ein „eigenständiges, unabhängig vom Willen der Parteien entstehendes Schuldverhältnis“, das „durch die Schaffung des Vertrauenstatbestandes, also die (erkennbare) Bereitschaft zur Eheschließung, und das (erkennbare) Vertrauen des Partners hierauf“ entsteht.19 b) Stellungnahme Die heute zu Recht nicht mehr vertretene Tatsächlichkeitstheorie lässt sich mit der rechtlichen Ausgestaltung des Verlöbnisses nicht vereinbaren. Wenn das Verlöbnis nur sittlich-moralische Pflichten erzeugen würde, überzeugt es nicht, einen Verstoß dagegen deliktsrechtlich zu qualifizieren und mit Schadensersatz15 BeckOK-BGB/Hahn,

§  1297 Vor Rn.  1, Rn.  5 ; Schwab, Familienrecht, Rn.  42. Vgl. die Nachweise bei Muscheler, Familienrecht, Rn.  226 Fn.  11. Kritisch dazu Canaris, AcP 165 (1965), 1 (9 f.). 17  Vgl. zu dieser deliktsrechtlichen Konstruktion die Ausführungen und Nachweise bei Thönnissen, Grundfragen des Verlöbnisrechts, S.  41 ff. 18  Canaris, AcP 165 (1965), 1 ff.; Canaris, FS 50 Jahre Bundesgerichtshof (2000), S.  129 (181 f.); Dethloff, Familienrecht, §  2 Rn.  5 ff.; Erman/Kroll-Ludwigs, Vorbem. zu §  1297 Rn.  3, 15; Rauscher, FamR, Rn.  107, 112; Pawlowski, Studium der Rechtswissenschaft, S.  301 ff. 19  Canaris, AcP 165 (1965), 1 (11, 15). 16 

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pflichten zu sanktionieren. Gegen die Theorie eines familienrechtlichen Vertrags sui generis sowie die Ansicht, die von einer geschäftsähnlichen Handlung ausgeht und die Vorschriften über Willenserklärungen nur entsprechend und insoweit anwenden will, wie es nach der typischen Interessenlage passend erscheint, spricht die große Rechtsunsicherheit, die dadurch in Kauf genommen wird. Letztlich entscheidet bei diesen Theorien der jeweilige Rechtsanwender, welche Normen er als passend heranziehen will und welche nicht – allgemeine objektive Maßstäbe fehlen. Nicht gefolgt werden kann außerdem der herrschenden Vertragstheorie, die davon ausgeht, dass die Verlobung rechtsgeschäftlichen Charakter hat und eine Rechtspflicht zur Eingehung der Ehe begründet. Insbesondere kann sie die gesetzlichen Regelungen in den §§  1298 ff. BGB dogmatisch nicht überzeugend erklären. Zunächst erscheint es schon widersprüchlich, dass diese Ansicht zwar einen Vertrag bejaht, ein Schuldverhältnis zwischen den Verlobten dagegen ablehnt, obwohl jeder Vertrag ein Schuldverhältnis begründet. Davon abgesehen widerspricht die Annahme einer rechtlichen Verpflichtung zur Eheschließung dem heutigen Verständnis vom Verlöbnis als jederzeit frei auflösbarem Verhältnis, aber auch der Eheschließungsfreiheit.20 Bei den Verlobungserklärungen handelt es sich nicht um Willenserklärungen rechtsgeschäftlicher Natur,21 da die daran anknüpfenden Rechtswirkungen (wie etwa in den §§  1298 ff. BGB oder das Zeugnisverweigerungsrecht) kraft Gesetzes und ohne Rücksicht darauf eintreten, ob sie gewollt sind.22 Die Verlobten handeln zwar in der Regel mit dem Bewusstsein, dass die spätere Eheschließung mit weitreichenden Rechtsfolgen verbunden ist, es erscheint jedoch lebensfern, den Verlobten zu unterstellen, schon vor der Eheschließung bindende Rechtsfolgen gewollt zu haben.23 Nimmt man eine Primärleistungspflicht auf Eingehung der Ehe an, so müsste eine Verletzung konsequenterweise einen Anspruch auf Ersatz des positiven Interesses begründen, während §§  1298 f. BGB unstreitig nur das negative Interesse ersetzen.24 Der Begründungsversuch, dass diese Anomalie die Folge der Undurchsetzbarkeit des Anspruchs (§  1297 Abs.  1 BGB) wäre, verfängt nicht, denn ein nicht durchsetzbarer Anspruch kann im Falle der Nichterfüllung überhaupt keine Sekundäransprüche zur Folge haben. Hinzukommt, dass bei einer vertraglichen Deutung des Eheversprechens, durch das eine echte Rechtspflicht zur Eingehung der Ehe begründet würde, die Verlobung als Vor20  So schon Reichel, JherJhrb 59 (1911), 409 (426): „Ein ‚Anspruch auf Eheschließung‘, wie ihn die Engländer anerkennen, ist deutschem Rechtsempfinden und Sittlichkeitsgefühl ein Schlag ins Gesicht. Die Eheschließung ist keine Leistung, das Verlöbnis ist kein Geschäft.“ 21 Ebenso Rauscher, FamR, Rn.  107. 22 BeckOK-BGB/Hahn, §  1297 Rn.  5 ; Schwab, Familienrecht, Rn.  42. 23  So auch Dethloff, Familienrecht, §  2 Rn.  6 ; Rauscher, FamR, Rn.  107. A. A. Muscheler, Familienrecht, Rn.  226: „Es entsteht eine Pflicht zur Eheschließung, weil sie von den Vertrags­ schließenden gewollt ist.“ 24  Canaris, AcP 165 (1965), 1 (4).

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Kapitel 4:  Verlöbnis und nichteheliche Lebensgemeinschaft

vertrag anzusehen wäre,25 für den es einhelliger Meinung entspricht, dass dieser den gleichen Formvorschriften wie der nachfolgende Hauptvertrag unterliegt, wenn diese – wie in der Regel – vor einer übereilten Bindung warnen sollen.26 Für die Verlobung wird aber zu Recht von niemandem vertreten, dass diese nur unter Einhaltung der – diesem Zweck dienenden – Formvorschriften für die Eheschließung (insbesondere §§  1310, 1312 BGB) wirksam zustande käme. Gegen eine rechtliche Bindung durch die Verlobung spricht schließlich, dass jeder Verlobte nach den gesetzlichen Bestimmungen jederzeit frei vom Verlöbnis zurücktreten und dieses damit beenden kann. Nimmt man eine Rechtspflicht an, würde angesichts dessen das Bestehen der Pflicht vom Belieben der Verlobten abhängen. „Diese Annahme aber ist mit dem Wesen einer Rechtspflicht unvereinbar: es würde ihr das entscheidende Charakteristikum, die Verbindlichkeit, fehlen.“27 Das freie Rücktrittsrecht trägt der durch Art.  6 Abs.  1 GG verbürgten Eheschließungsfreiheit Rechnung, durch die gewährleistet wird, dass jeder Grundrechtsträger, auch ein Verlobter, solange die Ehe nicht geschlossen ist, in seiner Entscheidung frei ist, ob, wann und wen er heiratet; auch damit wäre eine Selbstbindung unvereinbar.28 Mit der Vertragstheorie lässt sich ferner nicht stringent erklären, warum nach §  1298 BGB neben dem anderen Verlobten auch dessen Eltern ersatzberechtigt sind, obwohl diese am Vertrag nicht beteiligt sind und wohl niemand behaupten will, dass es sich bei dem Verlöbnis um einen Vertrag zugunsten Dritter handelt.29 Angesichts der Relativität von Schuldverhältnissen lässt sich diese Erweiterung der Ersatz­berechtigten aus Sicht der Vertragstheorie nur als gesetzliche Ausnahme ohne innere Begründung deuten.30 Der Erklärungsversuch über einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter31 vermag ebenfalls nicht zu überzeugen, weil keine Leistung in Rede steht, mit der ein dem Gläubiger besonders nahestehender Dritter bestimmungs­ gemäß in gleicher Weise in Berührung kommt wie der Gläubiger, so dass er gleichermaßen den Gefahren einer Pflichtverletzung des Schuldners ausgesetzt 25 

So etwa Beitzke, FS Flume (1978), S.  317 (320). Rspr. BGH v. 7.6.1973 – II ZR 71/71, NJW 1973, 1839; Staudinger/Bork, Vor §  145 Rn.  60; MüKoBGB/Einsele, §  125 Rn.  13; Palandt/Ellenberger, §  125 Rn.  11, Einf. v. §  145 Rn.  20; Henrich, Vorvertrag, Optionsvertrag, Vorrechtevertrag, S.  152 f.; Mertens, JZ 2004, 431 (436). 27  Canaris, AcP 165 (1965), 1 (4 f.), dort auch gegen den Einwand der Möglichkeit zum Vertragsschluss unter einer Potestativbedingung. 28 BeckOK-BGB/Hahn, §  1297 Rn.  5 ; Stech, ZZP (77) 1964, 161 (181 f.). Auch Schulze, Naturalobligation, S.  527, erkennt, dass „[d]ie Pflicht zur Eingehung einer Ehe (…) aus heutiger Sicht mit der positiven wie mit der negativen höchstpersönlichen Eheschließungsfreiheit in Konflikt geraten (mag)“, er meint jedoch, dass die bloße Durchsetzungsschwäche der Forderung es erlaube, diesen Konflikt angemessen zu lösen. Dies vermag nicht zu überzeugen. 29  Canaris, AcP 165 (1965), 1 (3). 30  Nach Staudinger/Löhnig, Vorb. v. §§   1297 ff. Rn.  34, ist die Drittwirkung ein Annex des zwischen den Verlobten begründeten Verhältnisses. 31 So Schulze, Naturalobligation, S.  527. 26  St.

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wird, ganz abgesehen davon, dass diese Rechtsfigur nur dem Schutz des Inte­ gritätsinteresses des Dritten dient.32 All diese dogmatischen Schwierigkeiten lassen sich vermeiden, wenn man das Verlöbnis mit der Vertrauenshaftungslehre nicht als Rechtsgeschäft ansieht und eine dadurch begründete Rechtspflicht zur Eheschließung ablehnt, und stattdessen von einem besonderen Vertrauenstatbestand ausgeht, an den der Gesetzgeber in §§  1298 ff. BGB rechtliche Folgen knüpft. Wie schon dargelegt, wird zwar richtigerweise nicht erst durch die Verlobung ein „gesetzliches Rechtsverhältnis“ zwischen den Beteiligten geschaffen, sondern es besteht schon vorher zwischen den Lebensgefährten ein gesetzliches Schuldverhältnis mit gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten im Sinne von §  241 Abs.  2 BGB; durch die unverbindliche Zusage zur Eheschließung wird jedoch zusätzliches Vertrauen beim jeweils anderen (und dessen Eltern) geweckt. Die Schaffung dieses besonderen Vertrauenstatbestandes bleibt nach der gesetzlichen Konzeption rechtlich nicht ohne Konsequenzen, wenn das Vertrauen enttäuscht wird. Die spezielle Regelung in §§  1298 ff. BGB ist neben §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB schon deshalb erforderlich, weil gerade keine Rechtspflicht zur Eingehung der Ehe begründet wird und ein jederzeit möglicher Rücktritt vom Verlöbnis daher weder pflichtnoch rechtswidrig ist, so dass daran auch keine Schadensersatzpflicht gemäß §  280 Abs.  1 BGB anknüpfen kann. Da den Zurücktretenden außerdem häufig kein Schuldvorwurf trifft, erscheint der Vergleich mit der culpa in contrahendo, die konzeptionell eine Haftung für durch rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten verursachte Schäden begründet, allerdings – insofern ist den Kritikern der Vertrauenshaftungslehre Recht zu geben – unpassend, zumal in §§  1298 f. BGB ein Ausgleich für freiwillig erfolgte Vermögensdispositionen, nicht indes für zugefügte Schäden vorgesehen ist. Das steht der Annahme eines auf sonstige Weise begründeten Vertrauenstatbestandes jedoch nicht entgegen, an den das Gesetz Rechtsfolgen knüpft. Der Gesetzgeber wollte gerade den anderen Verlobten sowie dessen Eltern im Falle des grundlosen Rücktritts (unabhängig von einer Primärleistungspflicht) schützen, wenn sie im Vertrauen auf die zugesagte Eheschließung Aufwendungen gemacht haben, die infolge des Rücktritts sinnlos werden. Dies ist nur über die explizite Anordnung in §§  1298 f. BGB möglich, die keine Sanktion für ungerechtfertigen Verlöbnisbruch sind,33 sondern lediglich einen Ausgleich für enttäuschtes Vertrauen gewähren. Erforderlich für die Annahme eines Vertrauenstatbestandes ist aber stets ein Eheversprechen zwischen den Verlobten; erst daran kann sich das Vertrauen der Verlobten sowie 32 Soergel/Fischinger, §   1298 Rn.   2; NK-BGB/Kaiser, §  1298 Rn.  3 ; Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Rn.  864; Brox/Walker, SchuldR AT, §  33 Rn.  13 f., mit Hinweisen darauf, dass die Rspr. ausnahmsweise auch einen Anspruch auf Schadensersatz statt der Leistung zugesprochen hat. 33  Richtig Erman/Kroll-Ludwigs, §  1298 Rn.  9 ; Stech, ZZP (77) 1964, 161 (181, 182: „Ausfluß einer Billigkeitserwägung des Gesetzgebers“).

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der Eltern oder sonstiger nach §  1298 BGB geschützter Dritter anschließen. Allein eine Zusage gegenüber dem Brautvater begründet daher noch keinen hinreichenden Vertrauenstatbestand, solange noch keine Verlobung zwischen den Ehegatten in spe erfolgt ist.34 Die gegen die Vertrauenstheorie ins Feld geführte Kritik greift nicht durch: Primär wird eingewandt, dass diese Ansicht im Hinblick auf den genauen Zeitpunkt des Verlöbnisses und damit das Entstehen des Vertrauenstatbestandes entweder zu unspezifisch sei (und damit zu Rechtsunsicherheit führe), oder zur Vermeidung dieser Problematik doch wieder auf die Abgabe der Verlöbniserklärungen rekurriere und sich damit der Vertragstheorie annähere.35 Dem lässt sich entgegenhalten, dass die Vertragstheorie an keine spezifischeren Umstände anknüpfen kann, weil auch sie einen konkludenten Vertragsschluss zulässt. Die Schwierigkeit festzustellen, ob und wann die Beteiligten sich verloben, besteht mithin für alle Theorien gleichermaßen; dass letztlich alle Ansichten an die gleichen Umstände anknüpfen, bedeutet keine inhaltliche Annäherung. Entscheidend ist vielmehr, wie diese Umstände rechtlich zu werten sind (als Vertragsschluss oder als Begründung eines Vertrauenstatbestands) und insofern sprechen nach hier vertretener Ansicht die besseren Argumente dafür, lediglich einen Vertrauenstatbestand anzunehmen. Dass diese Ansicht der historischen Entwicklung und dem ursprünglichen Verständnis des Gesetzgebers vom Verlöbnis nicht entspricht,36 ist kein valider Gegeneinwand, denn der Gesetzgeber war sich über die rechtliche Natur des Verlöbnisses selbst nicht sicher und hat diese Frage der Wissenschaft überlassen.37

II. Pflicht zur Rücksichtnahme kraft schuldrechtlicher Sonderverbindung Nach der hier vertretenen Vertrauenshaftungslehre besteht keine Primärleistungspflicht auf Eingehung der Ehe. Aus der schuldrechtlichen Sonderverbindung zwischen den Verlobten ergibt sich jedoch die Rechtspflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des jeweils anderen gemäß §  241 Abs.  2 BGB. Angesichts des vergleichbaren Nähe- und Vertrauensverhältnisses bestehen insofern kaum relevante Unterschiede zu den Rücksichtnahmepflichten zwischen Ehegatten. Insbesondere treffen auch Verlobte unter den gleichen Voraussetzungen und in gleichem Maße Aufklärungspflichten über für den jeweils anderen erkennbar wesentliche Umstände, insbe34  A. A. Canaris, AcP 165 (1965), 1 (13), mit berechtigter Kritik von Muscheler, Familienrecht, Rn.  227. 35 So Soergel/Fischinger, §   1297 Rn.   4; Staudinger/Löhnig, Vorb. v. §§   1297 ff. Rn.   34; ­Muscheler, Familienrecht, Rn.  227. 36  So Staudinger/Löhnig, Vorb. v. §§  1297 ff. Rn.  34. 37  Mugdan, Motive zum BGB IV, Protokolle S.  676. Vgl. dazu Staudinger/Löhnig, Vorb. v. §§  1297 ff. Rn.  4 4; Schulze, Naturalobligation, S.  174 f.

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sondere wenn es um Vermögensangelegenheiten geht.38 Abweichungen im Pflichtumfang können sich lediglich insofern ergeben, als Verlobte zum einen steuerrechtlich den Ehegatten nicht gleichgestellt und zum anderen einander nicht unterhaltspflichtig sind. Diese Aspekte sind zusammen mit den jeweiligen Umständen des Einzelfalls bei der Beurteilung von Inhalt und Umfang der Rücksichtnahmepflichten im Rahmen des in Rede stehenden Rechtsverhältnisses zu berücksichtigen. In Bezug auf den (höchst)persönlichen Bereich, namentlich die Familienplanung oder die Abstammung eines möglicherweise durch einen anderen Mann gezeugten Kindes, gelten daher die gleichen Maßstäbe bei den Aufklärungspflichten wie bei Ehegatten.39 Die Ansicht des BGH, wonach ein Verstoß gegen die Vereinbarung des Gebrauchs empfängnisverhütender Mittel keine schuld­ rechtlichen Schadensersatzansprüche zwischen nichtehelichen Lebensgefährten begründen könne, weil eine solche Vereinbarung einer rechtsgeschäftlichen ­Regelung nicht zugänglich sei,40 ist abzulehnen, weil sie übersieht, dass auch zwischen nichtehelichen Lebensgefährten und damit auch Verlobten ein gesetzliches Schuldverhältnis mit Pflichten nach §  241 Abs.  2 BGB besteht. Das Interesse eines Mannes, über die eigene Fortpflanzung selbst entscheiden zu können, ist bei nichtehelichen Lebensgefährten bzw. Verlobten nicht weniger schutzwürdig als zwischen Ehegatten. Gleiches gilt für alle anderen aufklärungsrelevanten Informationen, wie etwa übertragbare Krankheiten.41 Aus haftungsrechtlicher Sicht besteht insofern kein relevanter Unterschied zwischen rechtlich verfestigten Paarbeziehungen, wie der Ehe bzw. der ein­ getragenen Lebenspartnerschaft, und dem rechtlich nur punktuell geregelten Verlöb­nis bzw. der rechtlich nicht speziell geregelten nichtehelichen Lebens­ gemeinschaft, der im Lichte von Art.  3 GG eine ungleiche Behandlung rechtfertigen könnte. Insbesondere bedeutet der Umstand, dass das Gesetz für die Ehe, die eingetragene Lebenspartnerschaft und das Verlöbnis Spezialvorschriften zum Pflichtenumfang zwischen den Partnern vorsieht nicht, dass hinsichtlich des allgemeinen Rücksichtnahmegebotes gemäß §  241 Abs.  2 BGB für nichteheliche Lebensgefährten nicht Gleiches gelten könnte. In diesem haftungsrechtlichen Punkt ist ungeachtet des verfassungsrechtlichen Schutzes der Ehe in Art.  6 Abs.  1 GG kein Distanz- bzw. Abstandsgebot dahingehend anzuerkennen, dass andere Paarbeziehungen zwingend schlechter zu stellen sind als die Ehe,42 da es 38 Dazu oben Kap.   3 C.III.3.b), S. 206 ff. A. A. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  8 Rn.  28 (kein Pflicht zur Mitarbeit im Beruf oder Geschäft, keine Pflicht zur Gewährung der Mitbenutzung von Gebrauchsgegenständen). 39  Vgl. dazu Kap.  3 C.III.3.a)(3), c), d), S. 200 ff., 211 ff., 217 ff. 40  BGH v. 17.4.1986 – IX ZR 200/85, NJW 1986, 2043; so auch Palandt/Brudermüller, Einl. v. §  1297 Rn.  23. 41  Vgl. dazu Kap.  3 C.III.3.e), S. 252 f. 42 Vgl. die Nachweise in Kap.   3 C.III.2.a)(5), S. 192 Fn.  596, die im Grundsatz ein Abstandsgebot zwischen Ehe und nichtehelichen Lebensgemeinschaften fordern.

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nicht darum geht, „wesentliche Rechtswirkungen der Ehe und damit verbundene Rechtszuweisungen“ auf nichteheliche Lebensgemeinschaften zu übertragen,43 sondern um die Anwendung allgemein schuldrechtlicher Vorschriften, die für alle Paarbeziehungen gleichermaßen gelten und sachlich gerechtfertigt sind. Dadurch wird der von der Verfassung geforderte besondere Schutz der Ehe nicht beeinträchtigt, zumal die ehespezifischen Schutzvorschriften in den §§  1353 ff. BGB davon unberührt bleiben und der verfassungsrechtlichen Garantie und dem Schutzgebot des Art.  6 Abs.  1 GG hinreichend Rechnung tragen. Einem nichtehelichen Lebensgefährten einen Schadensersatzanspruch nach §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB unter Berufung auf ein aus Art.  6 Abs.  1 GG folgendes Distanzgebot zu verwehren, wenn er von seinem Partner über für ihn wesentliche Punkte in vorwerfbarer Weise nicht aufgeklärt wurde, würde den Schutzumfang der Ehegarantie bei weitem überdehnen und wäre mit dem Gleichheitsgrundsatz nicht zu vereinbaren. Das BVerfG hat ausgeführt, dass es „verfassungsrechtlich nicht begründbar ist, aus dem besonderen Schutz der Ehe abzuleiten, dass andere Lebensgemeinschaften im Abstand zur Ehe auszugestalten und mit geringeren Rechten zu versehen sind (…). Hier bedarf es jenseits der bloßen Berufung auf Art.  6 Abs.  1 GG eines hinreichend gewichtigen ­Sachgrundes, der gemessen am jeweiligen Regelungsgegenstand und -ziel die Benachteiligung anderer Lebensformen rechtfertigt.“44 Für die eingetragene Lebenspartnerschaft hat das BVerfG sogar bereits ein Abstandsverbot ausgesprochen, sofern und soweit keine sachlichen Unterschiede bestehen, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten.45 Je nach Regelungszusammenhang kann daher auch für die nichteheliche Lebensgemeinschaft rechtlich Gleiches wie für die Ehe gelten; für die schuldrechtliche Haftung trifft dies zu. In anderen Rechtsgebieten ist eine Gleichbehandlung nichtehelicher Lebensgefähr­ ten mit Ehegatten bereits anerkannt: So wird ein nichtehelicher Lebensgefährte etwa bei der Räumungsvollstreckung bei Fehlen eines Titels gegen beide Lebensgefährten einem Ehegatten gleichgestellt, sofern er nachweisen kann,46 dass er mit dem Titelschuldner in einer auf Dauer angelegten Beziehung lebt und in deren Rahmen Gewahrsam an der zu räumenden Wohnung begründet hat.47 43 Nach Maunz/Dürig/Badura, Art.   6 GG Rn.  56, wäre dies eine unzulässige Beeinträchtigung des verfassungsrechtlich gebotenen besonderen Schutzes der Ehe. 44 BVerfG v. 7.7.2009 – 1 BvR 1164/07, NJW 2010, 1439 (1442 Rn.   105) – betriebliche Hinterbliebenenversorgung. Vgl. auch BVerfG v. 21.7.2010 – 1 BvR 611/07, NJW 2010, 2783 (2785 Rn.  91) – erbschaftsteuerrechtliche Schlechterstellung; BVerfG v. 19.6.2012 – 2 BvR 1397/09, NVwZ 2012, 1304 (1307 f. Rn.  68) – beamtenrechtlicher Familienzuschlag; BVerfG v. 18.7.2012 – 1 BvL 16/11, NJW 2012, 2719 (2721 Rn.  48) – Grunderwerbsteuer; BVerfG v. 7.5.2013 – 2 BvR 909/06, NJW 2013, 2257 (2259 Rn.  84) – Ehegattensplitting. 45  Siehe oben Kap.  3 C.III.2.a)(4)(a)(iii)b., S. 167. 46  Zu den praktischen Unterschieden im Hinblick auf die Beweislast vgl. die Ausführungen sogleich im Text. 47  Siehe BGH v. 25.6.2004 – IXa ZB 29/04, NJW 2004, 3041; BGH v. 5.11.2004 – IXa ZB

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Auf ein Recht zum Besitz kommt es dabei nicht an, wobei sich dieses nach hier vertretener Ansicht ohnehin sowohl bei Ehegatten48 als auch bei nichtehelichen Lebensgefährten aus §  241 Abs.  2 BGB ableitet. Im Hinblick auf die in §  241 Abs.  2 BGB normierten Rücksichtnahmepflichten und die daran anknüpfende schuldrechtliche Haftung lassen sich mithin keine sachlichen Divergenzen zwischen den auf Dauer angelegten Beziehungen ausmachen, die eine Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten. Daher begründet eine schuldhafte Verletzung der Rücksichtnahme-, insbesondere der Aufklärungspflicht, auch zwischen Verlobten und sonstigen nichtehelichen Lebensgefährten eine Haftung nach §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB. Allerdings können sich für nichteheliche Lebensgefährten und Verlobte in der Praxis im Hinblick auf die Beweislast größere Schwierigkeiten ergeben: Während ein Ehegatte das Bestehen der ehelichen Lebensgemeinschaft und die daraus folgenden Pflichten (einschließlich §  241 Abs.  2 BGB) einfach durch den Trauschein nachweisen kann, muss ein nichtehelicher Lebensgefährte das Bestehen der Lebensgemeinschaft im Bestreitensfall mit anderen Beweismitteln zur Überzeugung eines Gerichts darlegen. Auch Verlobten wird der Beweis des Bestehens eines Verlöbnisses nicht immer leicht fallen, sofern keine offizielle Verlobung vor Zeugen stattgefunden hat. Die Glaubhaftmachung (§  294 ZPO) reicht hier – anders als in Bezug auf die prozessualen Rechte aus §§  383 Abs.  1 Nr.  1 ZPO, 29 Abs.  2 FamFG, 52 Abs.  1 Nr.  1 StPO; §  384 Nr.  1 und 2 ZPO; §  55 Abs.  1 StPO; §  408 Abs.  1 S.  1 ZPO, §  76 Abs.  1 S.  1 StPO; §  61 StPO (vgl. §  386 Abs.  1 ZPO; §  56 StPO) – nicht aus, vielmehr ist der Vollbeweis erforderlich, was ein nicht zu vernachlässigendes praktisches Hindernis für die schuldrechtliche Haftung eines Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten sein kann.

III. Haftungsprivilegierung Eine der Regelung in §  1359 BGB vergleichbare Haftungsprivilegierung ist für Verlobte in den §§  1297 ff. BGB nicht vorgesehen und eine analoge Anwendung der Norm wird verbreitet abgelehnt.49 Obwohl sich das Verlöbnis, abgesehen von den noch zu erörternden speziellen Haftungstatbeständen kraft schutzwürdigen Vertrauens, ebenso wie die nichteheliche Lebensgemeinschaft durch ihre (weitgehende) rechtliche Unverbindlichkeit auszeichnet, trifft der Zweck der Haftungsprivilegierung nach §  1359 BGB jedoch gleichermaßen auch für die

51/04, FamRZ 2005, 269 (jeweils Ehegatten); BGH v. 19.3.2008 – I ZB 56/07, NJW 2008, 1959 (nichteheliche Lebensgefährten). 48  Siehe oben Kap.  3 C.III.3.b)(3), S. 208 ff. 49 BeckOK-BGB/Hahn, §   1359 Rn.   4; Erman/Kroll-Ludwigs, §   1359 Rn.   3; Soergel/ M. Lipp, §  1359 Rn.  4 (der den Grund für das Haftungsprivileg in dem statusrechtlichen Rücksichtnahmegebot des §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB sieht); Staudinger/Voppel, §  1359 Rn.  14.

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nichteheliche Lebensgemeinschaft und damit auch das Verlöbnis zu.50 Sofern und soweit trotz Berücksichtigung der grundsätzlichen Unverbindlichkeit zwischen nichtehelichen Lebensgefährten und Verlobten ein gesetzliches Schuldverhältnis mit Rücksichtnahmepflichten aus §  241 Abs.  2 BGB anzuerkennen ist, gebietet ein fairer Interessenausgleich zugleich eine Haftungsbeschränkung auf die eigenübliche Sorgfalt im Sinne von §  277 BGB. Das insbesondere personenrechtlichen Schuldverhältnissen zugrundeliegende Vertrauensverhältnis weist die Besonderheit auf, dass die Beteiligten während des Bestandes der Lebensgemeinschaft zum einen größere Einwirkungsmöglichkeiten auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen haben und ihre Verteidigungs­ möglichkeiten zum anderen geringer sind. Die erhöhte Gefahr von (einfach) fahrlässig verursachten Schädigungen im Rahmen einer Lebensgemeinschaft rechtfertigt nicht nur über das Deliktsrecht hinausgehende Rücksichtnahmepflichten zugunsten des potentiell Geschädigten, sondern auch einen wechselseitig milderen Haftungsmaßstab zugunsten des potentiellen Schädigers. Daher gelten die Ausführungen zu der Haftungsprivilegierung zwischen Ehegatten nach hier vertretener Ansicht für das Verlöbnis und die nichteheliche Lebens­ gemeinschaft entsprechend.

B. Haftung kraft schutzwürdigen Vertrauens I. Ersatzpflicht bei Rücktritt gemäß §§  1298 f. BGB 1. Gesetzliche Ausgestaltung Über die allgemeine Haftung aus §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB hinausgehend sehen die §§  1298 ff. BGB weitere spezielle Haftungstatbestände vor. Durch das Eheversprechen wird ein besonderes, eheähnliches Vertrauensverhältnis zwischen den Verlobten geschaffen; das dadurch entstehende Vertrauen auf das Zustandekommen der Ehe findet hier in gewissem Umfang rechtliche Anerkennung und Schutz. Tritt ein Verlobter vom Verlöbnis zurück, hat er dem anderen 50  Für entsprechende Anwendung auch OLG Oldenburg v. 26.3.1986 – 3 U 299/85, NJW 1986, 2259 m. zust. Anm. Bosch, FamRZ 1986, 676 f.; OLG Celle v. 30.1.1992 – 14 U 195/90, FamRZ 1992, 941 (942); LG Itzehoe v. 6.3.2003 – 7 O 263/02, juris Rn.  10; Palandt/Brudermüller, Einl. v. §  1297 Rn.  23; Jauernig/Budzikiewicz, §  1359 Rn.  3 ; Diederichsen, FamRZ 1988, 889 (891); Heller, diligentia quam in suis, S.  136 ff.; Hausmann/Hohloch/Holzhauer, Kap.  6 Rn.  15; MüKoBGB/Roth, §  1359 Rn.  8 (mit Hinweis auf §  708 BGB). Im Ergebnis ebenso Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  22 Rn.  3, §  4 4 Rn.  4 –6, die zwar eine entsprechende Anwendung von §  1359 BGB wegen der fehlenden umfassenden Bindung verneinen, aber dennoch eine Haftungsbeschränkung auf die eigenübliche Sorgfalt i. S. d. §  277 BGB befürworten und dafür eine Parallele zu der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (§  708 BGB), des Treuhandverhältnisses und der unentgeltlichen Verwahrung ziehen; ebenso OLG Karlsruhe v. 18.12.1991 – 1 U 114/91, FamRZ 1992, 940 (941).

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nach §  1298 BGB alle Aufwendungen zu ersetzen, die dieser in Erwartung der Ehe getätigt hat, sofern sie den Umständen nach angemessen waren (§  1298 Abs.  2 BGB); 51 dies gilt jedoch nicht, wenn ein wichtiger Grund für den Rücktritt vorliegt (§  1298 Abs.  3 BGB). Hat ein Verlobter den Rücktritt des anderen durch ein Verschulden veranlasst, das einen wichtigen Grund für den Rücktritt bildet, ist er dem Zurücktretenden gemäß §  1299 BGB in gleichem Umfang nach Maßgabe von §  1298 Abs.  1 und 2 BGB zum Aufwendungsersatz verpflichtet. Die Ersatzpflicht ist nach der hier vertretenen Vertrauenshaftungslehre weder als Strafe noch als Abfindung für die Auflösung des Verlöbnisses zu verstehen, da keine Rechtspflicht zur Eheschließung besteht und jeder auch nur mittelbare Zwang unzulässig wäre; vielmehr beschränkt sich der Umfang des Anspruchs entsprechend der Schutzwürdigkeit des anspruchsberechtigten Verlobten auf Aufwendungen, die im Vertrauen auf die zugesagte Eheschließung getätigt wurden und aufgrund des Rücktritts sinnlos werden. Es ist also nur das negative Interesse, d. h. der Vertrauensschaden, nicht hingegen das Erfüllungsinteresse zu ersetzen.52 Leistet der Verpflichtete nicht freiwillig Ersatz, so haftet er mit seinem gesamten Vermögen. Die Vertragstheorie versteht den Rücktritt als ein einseitiges, empfangsbedürftiges, rechtsgestaltendes Rechtsgeschäft, durch das die Verlobung ex nunc aufgelöst wird.53 Ein zeitlich nachfolgender zweiter Rücktritt geht nach dieser Ansicht ins Leere, da bereits durch den ersten Rücktritt das Rechtsverhältnis beendet wurde. Versteht man das Eheversprechen mit der hier vertretenen Meinung als einen Vertrauenstatbestand, an den das Gesetz rechtliche Folgen knüpft, so handelt es sich bei einem Rücktritt nach §§  1298 f. BGB indes nicht um eine rechtsgestaltende Willenserklärung, sondern um eine rein tatsächliche Erklärung, die den Vertrauenstatbestand beendet und aus diesem Grunde dem anderen Verlobten gegenüber kundgetan werden muss. Dementsprechend steht eine erste Rücktrittserklärung einer zweiten Rücktrittserklärung des anderen Verlobten nicht entgegen, zumal damit in aller Regel „nur“ noch die im Gesetz in den §§  1298 f. BGB vorgesehenen Rechtsfolgen wegen enttäuschten Vertrauens geltend gemacht werden sollen (der Vertrauenstatbestand ist ja schon durch die erste Erklärung beseitigt). Erfährt ein Verlobter erst durch den Rücktritt des anderen von einem ihn selbst zum Rücktritt berechtigenden Grund, den der andere durch ein Verschulden begründet hat, so muss auch ihm die Möglichkeit des Rücktritts mit der Konsequenz des §  1299 BGB offenstehen. Auf diese Weise lässt sich ein unerwünschter „Wettlauf“ der Rücktrittserklärungen, an die das Gesetz rechtliche Folgen knüpft, vermeiden.

51 

Zu diesen Voraussetzungen vgl. statt vieler Rauscher, FamR, Rn.  126 ff. §  1298 Rn.  9 ; MüKoBGB/Roth, §  1298 Rn.  1. 53 Soergel/Fischinger, §  1297 Rn.  37, §  1299 Rn.  7. 52 Erman/Kroll-Ludwigs,

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Obwohl die Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß §  241 Abs.  2 BGB auch Vermögensinteressen schützt, führt ein Rücktritt vom Verlöbnis im Sinne von §  1298 BGB nicht immer zu einer Haftung nach §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB, denn die Ausübung des Rücktrittsrechts als solche ist eine rechtmäßige, höchstpersönliche, dem rechtsfreien Bereich zuzuordnende Entscheidung, keine Pflichtverletzung. Dass die Vermögensinteressen des anderen durch das Nutzloswerden der freiwillig getätigten Aufwendungen dadurch mittelbar beeinträchtigt werden, kann keine rechtliche Pflicht begründen, auf das Rück­ trittsrecht zu verzichten. Vertrauensschutz bei Auflösung des Verlöbnisses unabhängig von der schuldhaften Verletzung einer Rechtspflicht setzt daher spezielle Ersatzansprüche voraus, die für nutzlos gewordene Aufwendungen in §§  1298, 1299 BGB geregelt sind. Das schließt freilich nicht aus, dass daneben eine Haftung nach §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB bestehen kann, wenn ein Verlobter das Scheitern des Verlöbnisses durch eine schuldhafte Verletzung einer Rücksichtnahmepflicht (die jedoch nicht allein in der Ausübung des Rücktrittsrechts gesehen werden kann) verursacht hat. 2. Wichtiger Grund Wesentliches Kriterium für die Haftung eines Verlobten im Falle eines Rücktritts ist das Bestehen bzw. Nichtbestehen eines „wichtigen Grundes“ im Sinne von §  1298 Abs.  3 BGB. Der wichtige Grund muss im Zeitpunkt der Rücktritts­ erklärung vorliegen, nachträglich eintretende Gründe können eine entstandene Schadensersatzpflicht nicht beseitigen. a) Scheitern der Beziehung Stellt ein Verlobter nach dem Eheversprechen – aus welchen Gründen auch immer – fest, dass seine Zuneigung zum anderen doch nicht stark genug oder wieder erloschen ist, und fehlt ihm fortan der Wille und die Bereitschaft, eine eheliche Lebensgemeinschaft mit dem anderen einzugehen, ist die Beziehung gescheitert. Diese späte Erkenntnis stellt für sich immer einen triftigen Grund dar, von der Eheschließung Abstand zu nehmen.54 Deshalb kann und soll ein Verlöbnis im Falle des Scheiterns der Beziehung jederzeit durch einfache Rücktrittserklärung aufgelöst werden; das Fehlen einer echten, durch das Verlöbnis begründeten Rechtspflicht zur Eingehung der Ehe wahrt diese Entscheidungsfreiheit. In diesem Sinne will das Gesetz den „wichtigen Grund“ gemäß §  1298 Abs.  3 BGB aber offensichtlich nicht verstanden wissen. Vielmehr beantworten die §§  1298, 1299 BGB die Frage, in welchen Fällen eines Rücktritts es gerechtfertigt erscheint, dass der Zurücktretende dem anderen die im Vertrauen auf das Eheversprechen gemachten Aufwendungen ersetzen muss oder seinerseits ent54 

Schwab, Familienrecht, Rn.  48.

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sprechende Ansprüche geltend machen kann. Der wichtigste Grund für eine Entlobung, die nachträgliche Einsicht, nicht zueinander zu passen, ist demnach kein „wichtiger Grund“ im Sinne von §  1298 Abs.  3 BGB, der von der Ersatzpflicht befreit.55 Bloße Änderungen der subjektiven Einstellung oder der Gefühlslage zum anderen berechtigen zwar auch dann zum Rücktritt, wenn sich die Umstände seit der Verlobung nicht verändert haben, sie befreien den Zurücktretenden aber nicht von der Pflicht zum Ausgleich des Schadens, den der andere aufgrund enttäuschten Vertrauens auf die Zusage der Eheschließung erleidet.56 Ein Verlobter, der ohne Grund von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch macht, handelt zwar weder rechts- noch pflichtwidrig; aber man wird von ihm erwarten können, dass er sich das Eheversprechen – auf der Grundlage der ihm bekannten Umstände – reiflich überlegt. Daher ist ein rechtlich folgenloser Rücktritt nur dann gerechtfertigt, wenn die Beweggründe für den Rücktritt auf Ursachen zurückzuführen sind, die im Zeitpunkt der Verlobung noch nicht vorlagen bzw. dem Zurücktretenden nicht bekannt waren, zumal der andere Verlobte nicht darauf vertrauen kann, dass das Eheversprechen auch für den Fall abgegeben sein würde, dass sich wesentliche Umstände nachträglich ändern (dazu noch unter c). b) „Verschulden“ eines Verlobten Schwierigkeiten bereitet die Frage, inwieweit ein Verschulden eines Verlobten Voraussetzung der speziellen verlöbnisrechtlichen Ersatzansprüche ist. Der Wortlaut der gesetzlichen Regelung stellt nur in §  1299 BGB auf ein Verschulden des Rücktrittsgegners ab, während ein solches in §  1298 BGB keine Rolle zu spielen scheint. Die isolierte Anwendung der beiden Normen ohne Rücksicht auf deren Bedeutungszusammenhang und Normzweck führte jedoch zu widersprüchlichen Ergebnissen: Nach §  1298 BGB kann der Zurücktretende eine Ersatzpflicht gegenüber dem anderen verhindern, wenn er einen „wichtigen Grund“ nachweist, ohne dass es nach dem Wortlaut von §  1298 Abs.  3 BGB darauf ankommt, ob er diesen Grund durch eigenes Verschulden verursacht hat. Macht er selbst Ersatzansprüche geltend, muss er nach §  1299 BGB neben einem wichtigen Grund für seinen Rücktritt auch ein Verschulden des anderen nachweisen. Tritt der den wichtigen Grund schuldhaft herbeiführende Verlobte selbst zurück, wäre er nach §  1298 Abs.  1 und 3 BGB nicht ersatzpflichtig, während er dem anderen dessen Aufwendungen nach §  1299 BGB ersetzen muss, wenn ihm dieser mit dem Rücktritt zuvorkommt. Nach einhelliger Meinung kann es jedoch nicht darauf ankommen, welcher Verlobte zuerst zurücktritt, 55 Staudinger/Löhnig, §  1299 Rn.  16; MüKoBGB/Roth, §  1298 Rn.  10; Schwab, Familienrecht, Rn.  48; Strätz, Jura 1984, 449 (460). A. A. Erman/Kroll-Ludwigs, §  1298 Rn.  6 ; RGRK/ Roth-Stielow, §  1298 Rn.  25. 56 Staudinger/Löhnig, §  1299 Rn.  16.

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maßgeblich ist vielmehr, ob einer den Rücktrittsgrund verschuldet hat.57 Liegt ein Verschulden des Zurücktretenden vor, so schließt das sein Rücktrittsrecht nicht aus, aber einen wichtigen Grund im Sinne von §  1298 Abs.  3 BGB; 58 er ist mithin nach §  1298 Abs.  1 BGB ersatzpflichtig. Hat indes der Rücktrittsgegner durch ein Verschulden, das einen wichtigen Grund bildet, den anderen zum Rücktritt veranlasst, so befreit dies den Zurücktretenden von einer Ersatzpflicht nach §  1298 Abs.  1, 3 BGB und berechtigt ihn umgekehrt zum Aufwendungs­ ersatz nach §  1299 BGB.59 Dass es nach der gesetzlichen Regelung bei der Beurteilung eines „wichtigen Grundes“ auch auf ein „Verschulden“ eines Verlobten ankommt (vgl. §  1299 BGB), steht nicht im Widerspruch zum Ehescheidungsrecht, das seit dem 1. EheRG 1977 vom Verschuldens- zum Zerrüttungsprinzip übergegangen ist und seither nicht mehr auf Verschuldensaspekte abstellt. Denn auch das Verlöbnis kann ja verschuldensunabhängig von jedem Verlobten aufgelöst werden. Lediglich bei den haftungsrechtlichen Folgen des Rücktritts spielt das „Verschulden“ eines Verlobten eine Rolle. Noch nicht geklärt ist damit jedoch, wann in diesem Zusammenhang überhaupt von einem Verschulden gesprochen werden kann. Verschulden setzt das Bestehen einer Rechtspflicht voraus. Zu vertreten hat man nur ein solches vorsätzliches oder fahrlässiges Tun oder Unterlassen (vgl. §  276 BGB), das von einer rechtlichen Verhaltenspflicht abweicht. Deshalb kann das „Verschulden“ im Sinne von §  1299 BGB mangels einer Rechtspflicht zur Eingehung der Ehe jeden­falls nicht an den Rücktritt als solchen anknüpfen. Dieser ist – egal aus welchem Grund er erfolgt, selbst wenn er sich auf keinen (wichtigen) Grund stützen lässt – immer rechtmäßig, nie pflichtwidrig. Aufgrund der Eheschließungsfreiheit, die dem höchstpersönlichen rechtsfreien Bereich zuzurechnen ist, darf das Gesetz auch nicht durch mittelbare Sanktionen Einfluss auf die Willensbildung des Einzelnen nehmen und einen Verlobten gegen seinen Willen an seinem Eheversprechen festhalten bzw. durch Ersatzpflichten Druck ausüben. Die Entscheidung, vom Verlöbnis zurückzutreten, gehört gleichermaßen zum rechtsfreien Raum wie der Entschluss zu heiraten. 60 57  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §   8 Rn.   38; Muscheler, Familienrecht, Rn.  225; Rauscher, FamR, Rn.  118 f. 58 Teilweise wird dieses Ergebnis mit einer teleologischen Reduktion des §   1298 Abs.  3 BGB begründet (so Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  8 Rn.  38; Soergel/Fischinger, §  1298 Rn.  23; Staudinger/Löhnig, §  1299 Rn.  37), teilweise mit einer entsprechenden Anwendung des §  1299 BGB (so Palandt/Brudermüller, §  1299 Rn.  1). 59  Vgl. OLG Oldenburg v. 28.7.2016 – 13 UF 35/16, FamRZ 2016, 2102. 60  Soweit jedoch durch das Verhalten eines Verlobten schutzwürdige (finanzielle) Interessen des anderen betroffen sind, darf das Recht regelnd eingreifen [Relativität des rechtsfreien Raums; vgl. dazu schon oben Kap.  3 C.III.2.a)(4)(b)(iii), S. 180 ff.]. §§  1298 f. BGB wollen dem Umstand Rechnung tragen, dass durch das Eheversprechen – auch wenn kein Verschulden vorliegt – ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Verlobten entstanden ist und

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Das Verschulden im Sinne von §  1299 BGB kann sich daher allein auf die aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen den Verlobten resultierende Pflicht aus §  241 Abs.  2 BGB beziehen, auf die berechtigten Interessen des jeweils anderen Rücksicht zu nehmen, d. h. vor allem sich kein Verhalten61 zu Schulden kommen zu lassen, durch welches (aus objektiver Sicht) das Vertrauensverhältnis nachhaltig erschüttert und dem anderen berechtigte Veranlassung gegeben wird, von der Eheschließung abzusehen. Ein in diesem Sinne pflichtwidriges Verhalten berechtigt den dadurch zum Rücktritt Veranlassten nicht nur zum Ersatz des Vertrauensschadens nach §  1299 BGB, sondern stellt für ihn auch einen wichtigen Grund im Sinne von §  1298 Abs.  3 BGB dar. Das gilt vor allem, wenn ein Verlobter den anderen nicht über für diesen entscheidungserhebliche Umstände aufklärt (z. B. dass er schon verheiratet ist) 62 , aber auch dann, wenn die Unkenntnis eines Verlobten von Umständen, die bereits bei der Verlobung vorlagen und später bekannt werden, auf täuschendes Verhalten des anderen zurückgeht. 63 Aus der Korrelation zwischen relevanter Pflicht und Verschulden folgt außerdem, dass nicht jedes Verschulden eines Verlobten, durch das ein Rücktritt des anderen veranlasst wird, auch eine Ersatzpflicht nach §  1299 BGB begründet, sondern nur ein solches, das dem Zurücktretenden einen wichtigen Grund liefert und diesen daher nach §  1298 Abs.  3 BGB von einer Ersatzpflicht befreit. Auch ein objektiv fahrlässiges Verhalten kann daher durchaus nicht im Sinne von §  1299 BGB „verschuldet“ sein, wenn dem Verhalten ein hinreichender Bezug zum Verlöbnis fehlt und es nicht das Vertrauensverhältnis betrifft – anders ausgedrückt: wenn das schuldhafte Verhalten nicht die Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem anderen Verlobten verletzt. Dies ist beispielsweise dann anzunehmen, wenn ein Verlobter durch ein fahrlässiges Verhalten einen Unfall verursacht, durch den er selbst schwer verletzt und optisch entstellt wird und durch den die gemeinsame Lebensplanung und -gestaltung zerstört wird. Tritt der andere in der Folge vom Verlöbnis zurück, z. B. weil er sich der Belastung durch eine Schwerstbehinderung des Partners nicht gewachsen sieht, so ist ihm der verunglückte Verlobte nicht auch noch zum Schadensersatz verpflichtet; denn sein den Rücktritt des anderen auslösendes fahrlässiges Verhalten ist nicht verlöbnisbezogen und beeinträchtigt nicht das Vertrauensverhältnis der Verlobten. Gleiches gilt für den Fall, dass sich ein Verlobter vorsätzlich oder fahrlässig gegenüber seinem Arbeitgeber falsch verhält, daraufhin entlassen wird und sich jeder Verlobte fortan schutzwürdig ist, wenn er in Erwartung der Ehe Vermögensdispositionen getroffen hat. 61  In Bezug auf etwaige persönliche Eigenschaften oder nicht beeinflussbare äußere Umstände bzw. Verhältnisse scheidet ein Verschulden von vorneherein aus. 62  So im Fall des OLG Oldenburg v. 28.7.2016 – 13 UF 35/16, FamRZ 2016, 2102. 63 OLG Oldenburg v. 28.7.2016 – 13 UF 35/16, FamRZ 2016, 2102 m.Anm. Löhnig, 2103 f.; Staudinger/Löhnig, §  1299 Rn.  20, 31 (dort auch zum Wortbruch).

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deshalb – entgegen den Erwartungen des zurücktretenden Verlobten – die Einkommenssituation des Paares nachträglich erheblich verändert. Das Fehlverhalten verletzt nicht die Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem anderen Verlobten und erschüttert deshalb auch nicht deren Vertrauensverhältnis. Es mag zwar einen wichtigen Grund für den Rücktritt des anderen im Sinne von §  1298 Abs.  3 BGB bilden (dazu noch genauer unter c), aber der Zurücktretende kann nicht seinerseits Ersatz seines Vertrauensschadens verlangen, auch wenn der andere objektiv fahrlässig oder sogar vorsätzlich gegenüber dem Arbeitgeber gehandelt hat. Hat jeder der Verlobten dem jeweils anderen schuldhaft Veranlassung zum Rücktritt gegeben bzw. zum Scheitern der Beziehung beigetragen, kann keiner seine Aufwendungen vom anderen erstattet verlangen. Eine wechselseitige Pflicht zum Aufwendungsersatz, die wegen der Möglichkeit unterschiedlich hoher Aufwendungen durchaus relevant sein könnte, 64 widerspricht dem Normzweck der §§  1298 f. BGB, die zwar „dem Schuldlosen Schutz gewähren“ wollen, „dagegen nicht dem selbst Schuldigen“. 65 Auch nachträglich auftretende Meinungsverschiedenheiten, die wegen mangelnder Bereitschaft zu einem Kompromiss nicht geklärt werden können, sind von beiden Seiten verschuldet. Keiner darf seine Vorstellungen einseitig und ohne Rücksicht auf die Interessen des anderen durchsetzen; auch dies folgt aus der Rücksichtnahmepflicht gemäß §  241 Abs.  2 BGB. Wenn die Beziehung daran scheitert, kann keiner vom anderen Ausgleich seines Vertrauensschadens verlangen. Für den Verschuldensmaßstab gilt §  276 BGB; es ist kein Grund ersichtlich, warum in §  1299 BGB unter Verschulden etwas anderes zu verstehen sein soll wie im Rest des BGB. 66 §  278 BGB ist indes nicht anwendbar, da im Rahmen von §§  1298 f. BGB lediglich höchstpersönliches Verhalten eines Verlobten eine Rolle spielen kann. c) Unverschuldete nachträglich entstehende oder bekannt werdende Umstände Stellt ein Verlobter irgendwann fest, dass er doch nicht so gut wie gedacht zum anderen passt, oder sind seine Gefühle schlicht erloschen, so kann ihm weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit vorgeworfen werden, da – wie schon ausgeführt – ein Verschulden immer ein pflichtwidriges Verhalten voraussetzt. Dass er nach der gesetzlichen Konzeption dennoch ersatzpflichtig ist, weil ein wichtiger Grund für den Rücktritt gemäß §  1298 Abs.  3 BGB fehlt (vgl. oben), ist kein Widerspruch, da §  1298 BGB – anders als §  1299 BGB – gerade nicht zwingend 64 Daher für eine wechselseitige Ausgleichspflicht Soergel/Fischinger, §  1299 Rn.  7; MüKoBGB/­Roth, §  1299 Rn.  4 mit Fn.  8 ; Staudinger/Löhnig, §  1299 Rn.  9. 65 Treffend Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §   8 Rn.   41; ebenso Palandt/­ Brudermüller, §  1298 Rn.  8 ; Erbarth, FPR 2011, 89 (91); Erman/Kroll-Ludwigs, §  1298 Rn.  7. 66  A. A. Rauscher, FamR, Rn.  120.

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ein Verschulden voraussetzt. 67 Ein wichtiger Grund im Sinne von §  1298 Abs.  3 BGB kann auch dann fehlen, wenn keinen Verlobten ein Verschulden trifft, die Ursache für den Rücktritt jedoch in den Risikobereich eines Verlobten fällt. Da jeder Verlobte für die Unbeständigkeit der eigenen Gefühle selbst verantwortlich ist, insofern also das Risiko trägt,68 muss er auch die Konsequenzen hinnehmen, die das Gesetz daran knüpft. In diesem Fall sieht §  1298 Abs.  1 BGB eine verschuldensunabhängige Risikohaftung vor, die der Gefährdungshaftung ähnlich ist. Das Reichsgericht hat unter einem „wichtigen Grund“ noch solche Tatsachen verstanden, die bei verständiger, die Einzelfallumstände berücksichtigender Würdigung den Zurücktretenden von der Verlobung abgehalten hätten,69 wenn es also bei vernünftiger Betrachtung und Berücksichtigung des Wesens der Ehe nicht mehr zumutbar erscheint, das Verlöbnis aufrecht zu erhalten und die Ehe einzugehen. Diese Definition kann nach heutigem Verständnis vom Verlöbnis, wie bereits ausgeführt, nicht mehr zutreffen, weil schwerlich ein Fall denkbar ist, der es von Rechts wegen zumutbar erscheinen lässt, einen Verlobten an dem Verlöbnis festzuhalten, wenn er dies nicht mehr will und die Beziehung daher gescheitert ist.70 Entscheidend ist vielmehr, in wessen Risikobereich ein Rücktrittsgrund bei wertender Betrachtung nach dem durch das Verlöbnis begründeten Vertrauensverhältnis fällt.71 Das ist unproblematisch, wenn einen Verlobten ein Verschulden trifft.72 Fehlt ein solches, lässt sich das Vorliegen eines wichtigen Grundes nur unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks der Ersatzpflichten in §§  1298 f. BGB wertend ermitteln: Angesichts des im Grundsatz freien Rücktrittsrechts, darf sich daran nur dann eine Schadensersatzpflicht knüpfen, wenn der Zurücktretende das Vertrauen des anderen auf das Zustandekommen der Ehe enttäuscht hat. Da kein Verlobter darauf vertrauen darf, dass der jeweils andere an dem Eheversprechen auch dann unbedingt festhält, wenn sich (subjektiv) wesentliche Umstände nachträglich ändern, ohne dass einen der beiden insofern ein Verschulden trifft, muss auch in diesem Fall ein die Schadensersatzpflicht verhindernder wichtiger Grund für einen Rücktritt angenommen werden. Demnach legitimieren alle nachträglich eintretenden oder bekannt werden­ den Umstände, die keiner vorhersehen konnte, die keiner schuldhaft verursacht 67 

A. A. Rauscher, FamR, Rn.  118 f., 122. §  1299 Rn.  3 ; Schwab, Familienrecht, Rn.  48. 69  RG v. 24.1.1907 – 264/06 IV, JW 1907, 178. 70 Staudinger/Löhnig, §  1299 Rn.  14; Rauscher, FamR, Rn.  122, 123; Strätz, Jura 1984, 449 (460). 71 Soergel/Fischinger, §   1298 Rn.   22; BeckOK-BGB/Hahn, §   1298 Rn.   12; Staudinger/ Löhnig, §  1299 Rn.  14 f.; Röthel, Jura 2006, 641 (642); Schwab, Familienrecht, Rn.  48. A. A. Rauscher, FamR, Rn.  123, der die Ansicht vertritt, dass §§  1298, 1299 BGB von Verschulden ausgehen. 72  Siehe dazu oben Kap.  4 B.I.2.b, S. 373 ff. 68 MüKoBGB/Roth,

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hat, die vielmehr schicksalhaft eintreten (z. B. eine Krankheit oder ein Unfall), einen Rücktritt ohne Ausgleichspflicht, und zwar unabhängig davon, aus welcher Sphäre sie stammen, weil sie dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen sind. Veranlassen solche Umstände einen Verlobten zum Rücktritt, liegt kein Fall von (rechtlich relevantem) enttäuschtem Vertrauen vor (wenn auch möglicherweise enttäuschte Vorstellungen von den Charaktereigenschaften des anderen). Die Rechtsordnung hat sich dabei zwingend einer objektiven Bewertung zu enthalten, ob der Rücktritt angesichts der konkreten Umstände eine angemessene oder unangemessene, verwerfliche oder nachvollziehbare Reaktion darstellt. Diese höchstpersönliche, dem rechtsfreien Bereich zuzurechnende Entscheidung über einen Rücktritt bzw. das Festhalten am Verlöbnis entzieht sich objektiv-rechtlicher Beurteilung. Genauso wenig wie das Recht die Beweggründe für das ursprüngliche Eheversprechen bewerten darf (von dem Ehenichtigkeitsgrund der Scheinehe abgesehen, §  1314 Abs.  2 Nr.  5 BGB), dürfen die Beweggründe für einen Rücktritt vom Verlöbnis in Bezug darauf bewertet werden, ob sie im Sinne von §  1298 Abs.  3 BGB „wichtig“ sind oder nicht, sofern kein Verschulden vorliegt; das kann nur jeder Verlobte für sich selbst beurteilen. Ändern sich nachträglich (subjektiv) wesentliche Umstände, die für die Entscheidung des Verlobten zur Eheschließung ausschlaggebend gewesen wären, enttäuscht der Zurücktretende kein rechtlich schutzwürdiges Vertrauen, weil der andere nicht darauf vertrauen konnte, dass an dem Eheversprechen auch unter geänderten Voraussetzungen unbedingt festgehalten wird. Ein solcher Rücktritt gründet sich mithin auf einen „wichtigen Grund“ im Sinne von §  1298 Abs.  3 BGB. Reine Charakterfehler des anderen, wie Unzuverlässigkeit, Unwahrhaftigkeit, Taktlosigkeit, krankhafte Eifersucht, die latent schon bei der Verlobung vorhanden waren, sich aber erst später zeigen, begründen im Grundsatz keinen wichtigen Grund für einen Rücktritt. Jeder Verlobte darf darauf vertrauen, dass ihn der Zurücktretende so nimmt wie er ist mit all seinen charakterlichen Unzulänglichkeiten; es fällt in den Risikobereich des Zurücktretenden, dass er bei Verlobung den anderen noch nicht hinreichend gut kannte und sich nachträglich Charaktereigenschaften herausstellen, mit denen er nicht gerechnet hat (z. B. cholerische Veranlagung, Eifersucht).73 Daher muss er dem anderen den Vertrauensschaden ersetzen, wenn er aus einem solchen Grund von seinem Rücktrittsrecht Gebrauch macht. Etwas anderes kann jedoch dann gelten, wenn sich im nachhinein objektiv gravierende Charaktermängel zeigen, die für jeden vernünftigen Menschen berechtigten Anlass für ein Überdenken der gemeinsamen Zukunft geben, ein vertrauensvolles Zusammenleben beeinträchtigen und 73  Rauscher, FamR, Rn.   125: „Was dem einen als Charakterfehler gilt, mag ein anderer schätzen; auch hier wirkt es sich aus, daß eine liberale Gesellschaft keine gemeinsamen Überzeugungen von Tugenden mehr hat.“

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damit die Lebensgemeinschaft nachvollziehbar tangieren (z. B. nachträglich eintretende [Drogen-, Alkohol-, Spiel-] Abhängigkeit); 74 dies im Einzelfall aufgrund aller Umstände zu beurteilen, ist Aufgabe der Richters. Den Zurücktretenden trifft insofern die Beweislast, dass ihm der Charaktermangel im Zeitpunkt des Verlöbnisses noch nicht bekannt war, und dass dieser das Vertrauensverhältnis nachhaltig und irreversibel erschüttert hat. Der Rücktrittsgegner ist jedenfalls nicht nach §  1299 BGB zum Ausgleich verpflichtet, da Charaktereigenschaften nur bedingt steuerbar sind und ein Verschulden nur im Hinblick auf ein Verhalten (z. B. eine nachträgliche Täuschung) angenommen werden kann. 3. Zusammenfassung §§  1298 f. BGB gewähren einen Ausgleich für enttäuschtes Vertrauen. Anknüpfungspunkt für die Haftung aus §§  1298 f. BGB ist nicht der Rücktritt als solcher, sondern vorgelagerte Umstände, die in den Risikobereich eines Verlobten fallen, einschließlich eines vorgelagerten vorwerfbaren Verhaltens. In letzterem Fall kann sich das Verschulden im Sinne von §  1299 BGB nur auf eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht gemäß §  241 Abs.  2 BGB beziehen. Obwohl in diesen Fällen daher im Grundsatz auch eine Haftung nach §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB in Betracht kommt,75 wird man die Ersatzpflicht nach §§  1298 f. BGB jedenfalls als lex specialis ansehen müssen, zumal sie über die Haftung nach §  280 BGB insofern hinausgeht, als die Ersatzpflicht nach §  1298 BGB auch dann gegeben sein kann, wenn im klassischen Sinne kein Verschulden vorliegt (z. B. bei einem reinen Gesinnungswandel). Ein „wichtiger Grund“ im Sinne von §  1298 Abs.  3 BGB, der die Ersatzpflicht des Zurücktretenden entfallen lässt, setzt nicht zwingend ein Verschulden voraus, ein solches kann einen wichtigen Grund jedoch begründen oder ausschließen, je nachdem, welchen Verlobten das Verschulden trifft. Im Übrigen bezweckt das Kriterium des „wichtigen Grundes“ eine Abgrenzung von Risikosphären. Nachträglich eintretende oder sich zeigende Umstände, die von keinem Verlobten verschuldet sind, sind dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen; da kein Verlobter darauf vertrauen kann, dass der andere auch unter veränderten Umständen an dem Eheversprechen unbedingt festhält, handelt es sich insofern stets um „wichtige Gründe“, die jeden zum Rücktritt berechtigen ohne gegenüber dem jeweils anderen nach §  1298 Abs.  1 BGB ersatzpflichtig bzw. nach §  1299 BGB ersatzberechtigt zu sein. Demgegenüber stellen Umstände, die dem Risikobereich eines Verlobten zuzurechnen sind, ohne dass ihm Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorgeworfen wer74 

Im Ergebnis so auch Staudinger/Löhnig, §  1299 Rn.  26, 30. dass im Falle der Vertrauenshaftung auch freiwillige Aufwendungen als Schadensposten von §   280 BGB erfasst sein können, noch ausführlich unter Kap.   5 B.IV.1., S. 428 ff. 75  Dazu,

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den könnte, keinen wichtigen Grund für einen Rücktritt dar. Dies gilt insbe­ sondere für anlasslose Änderungen der Einstellung bzw. Gefühlslage zum anderen. Zwar kann ein Verlobter auch in diesem Fall jederzeit zurücktreten, ihn trifft jedoch eine verschuldensunabhängige Risikohaftung nach §  1298 Abs.  1 BGB. 4. Übertragbarkeit auf andere Lebensgemeinschaften? Stellt man mit der hier vertretenen Ansicht für das Verschulden im Sinne von §  1299 BGB auf eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht gemäß §  241 Abs.  2 BGB ab und lässt dafür jedes Verhalten genügen, durch welches aus objektiver Sicht das Vertrauensverhältnis zwischen den Verlobten vorsätzlich oder fahrlässig erschüttert wird, so drängt sich die Frage auf, warum das Gesetz nur für Verlobte in den §§  1298 f. BGB spezielle Ausgleichsmechanismen bei enttäuschtem Vertrauen vorsieht, nicht hingegen für Ehegatten oder nichteheliche Lebensgefährten, obwohl auch zwischen diesen ein höchstpersönliches familienrechtliches Vertrauensverhältnis mit Rücksichtnahmepflichten gemäß §   241 Abs.  2 BGB besteht. Die Antwort ergibt sich daraus, dass §§  1298 f. BGB an den spezifischen Vertrauenstatbestand anknüpfen, der durch das Eheversprechen erzeugt wird. Dementsprechend werden nur solche Aufwendungen erfasst, die im Vertrauen auf dieses Versprechen (z. B. in Vorbereitung der Hochzeit) getätigt werden. Einen vergleichbaren Vertrauenstatbestand, der Anlass für Aufwendungen im Vertrauen auf eine Zusage bietet, gibt es weder in der Ehe noch der nichtehe­ lichen Lebensgemeinschaft. Das Eheversprechen schafft zwar einen Vertrauens­ tatbestand in Bezug auf das lebenslängliche Bestehen der Lebensgemeinschaft. Für den Fall des Scheiterns der Ehe sieht das Gesetz jedoch mit dem Scheidungsfolgenrecht umfangreiche Regelungen vor, die auch enttäuschtes Vertrauen ausgleichen. Auch zwischen nichtehelichen Lebensgefährten besteht ein Schuldverhältnis mit Rücksichtnahmepflichten nach §  241 Abs.  2 BGB, dem eine faktische Vertrauensbeziehung zugrunde liegt und das bei schuldhaften Verletzungen der Pflicht aus §  241 Abs.  2 BGB Schadensersatzpflichten zur Folge haben kann. Angesichts des Umstandes, dass nichteheliche Lebensgemeinschaften jedoch zu Recht keinen vergleichbaren rechtlichen Schutz wie diejenigen zwischen Verlobten genießen, da einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Wesentlichen rechtliche Verbindlichkeit fehlt und sie jederzeit aufgelöst werden kann, erscheint es gerechtfertigt, auf Ausgleichsvorschriften zu verzichten, die auch verschuldensunabhängigen Ersatz von Vertrauensschaden gewähren. Es kann zwar auch ein Verlöbnis jederzeit aufgelöst werden, durch das Eheversprechen wird aber ein rechtlich anerkannter besonderer Vertrauenstatbestand geschaffen, der in engem Umfang bereits eine (verschuldensunabhängige) Vertrauenshaftung nach §§  1298 f. BGB rechtfertigt.

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Davon zu unterscheiden ist die Frage des Ausgleichs für Zuwendungen (dazu sogleich), die im Vertrauen auf den Fortbestand der Beziehung erfolgen. Dieses Vertrauen verdient richtigerweise auch schon zwischen nichtehelichen Lebensgefährten in weitergehendem Umfang rechtlichen Schutz,76 wohingegen für Ehegatten in erster Linie auf güterrechtliche Ausgleichsmechanismen und für Verlobte auf die Spezialregelung in §  1301 BGB abzustellen ist, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.

II. Pflicht zur Rückgabe von „Geschenken“ gemäß §  1301 BGB 1. Gesetzliche Ausgestaltung Verlobungsgeschenke oder zum Zeichen des Verlöbnisses gemachte Zuwendungen kann jeder Verlobte von dem anderen nach den Vorschriften über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung herausverlangen, wenn die Eheschließung unterbleibt (§  1301 S.  1 BGB), und zwar unabhängig davon, ob das Verlöbnis durch einseitigen Rücktritt oder einvernehmliche Auflösung endet. Der Anspruch führt daher nicht zu einer Schadenshaftung, sondern nur zu einer auf die vorhandene Bereicherung beschränkte Ausgleichshaftung, sofern keine verschärfte Haftung nach §§  819 Abs.  1, 818 Abs.  4 BGB eingreift. Im Falle des Todes eines Verlobten ist die Rückforderung jedoch gemäß §  1301 S.  2 BGB im Zweifel ausgeschlossen. Der Anspruch setzt im Grundsatz ein wirk­ sames Verlöbnis voraus, wobei Unwirksamkeitsgründe in der Person eines ­Verlobten dem anderen nicht schaden, wenn er sein Geschenk im Vertrauen auf die Gültigkeit der Verlobung gemacht hat.77 Auf ein Verschulden am Scheitern des Verlöbnisses kommt es nicht an; 78 auch derjenige, der im Sinne von §  1299 BGB den Rücktritt des anderen durch ein Verschulden veranlasst hat oder selbst zurückgetreten ist, kann nach §  1301 S.  1 BGB seine Geschenke zurückver­ langen. Dritten, insbesondere den Schwiegereltern, steht ein Anspruch aus §  1301 BGB nach dem klaren Wortlaut nicht zu, der im Unterschied zu §§  1298 f. BGB keine Erstreckung auf die Eltern eines Verlobten vorsieht.79 Eine planwidrige 76 

Vgl. dazu unten Kap.  4 B.II.3., S. 387 ff. BGH v. 9.4.1969 – IV ZR 721/68, FamRZ 1969, 474 (475 f.); OLG Schleswig v. 6.12.2013 – 10 UF 35/13, FamRZ 2014, 1846 (1847); BeckOK-BGB/Hahn, §  1301 Rn.  3 ; Staudinger/ Löhnig, §  1301 Rn.  4 ; MüKoBGB/Roth, §  1301 Rn.  2. Vgl. auch OLG Oldenburg v. 28.7.2016 – 13 UF 35/16, FamRZ 2016, 2102 (2103: zu §§  1298 f. BGB) 78 Soergel/Fischinger, §  1301 Rn.  4 ; Rauscher, FamR, Rn.  130. 79 Palandt/Brudermüller, §   1301 Rn.   1; Jauernig/Budzikiewicz, §   1301 Rn.   1; Soergel/­ Fischinger, §  1301 Rn.  13; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  8 Rn.  55 mit Fn.  103; BeckOK-BGB/Hahn, §  1301 Rn.  1, 8; NK-BGB/Kaiser, §  1301 Rn.  15; Staudinger/Löhnig, §  1301 Rn.  9 ; RGRK/Roth-Stielow, §  1301 Rn.  6 ; Röthel, Jura 2006, 641 (643). A. A. Rauscher, FamR, Rn.  130; MüKoBGB/Roth, §  1301 Rn.  7. 77 

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Regelungslücke ist abzulehnen. 80 Schwiegereltern sind vielmehr auf die allgemeinen Anspruchsgrundlagen, also §§  313, 527, 530, 812 ff. BGB, beschränkt.81 2. Zuwendungsausgleich als Ausdruck des Vertrauensgrundsatzes a) Dogmatische Einordnung als Wegfall der Geschäftsgrundlage Die verschuldensunabhängige Regelung in §  1301 BGB knüpft nicht an den Schenkungswiderruf wegen groben Undanks gemäß §  530 BGB an,82 der daneben jedoch anwendbar bleibt.83 Der Rückforderungsanspruch ist auch keine Ausprägung der condictio causa data causa non secuta (§  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  2 BGB), 84 denn mit Verlobungsgeschenken wird nicht der (rechtlich nicht erzwingbare) Zweck verfolgt, den anderen zur Eheschließung zu veranlassen. Die Verwirklichung des Eheversprechens ist vielmehr die von beiden Parteien erkannte und vorausgesetzte Grundlage für Schenkungen.85 Ein sich Verlobender schenkt nicht, weil er die Eheschließung bezweckt, sondern weil er auf die künftige Eheschließung „vertraut“. 86 Auch hier zeigt sich, dass die innere Begründung für den in §  1301 BGB vorgesehenen Zuwendungsausgleich auf Vertrauenserwägungen zurückzuführen ist. Mit dem Scheitern des gemeinsamen Eheplans haben sich wesentliche Vorstellungen der Verlobten, die die Grund­ lage der Geschenke bilden, als falsch erwiesen.87 §  1301 BGB ist daher eine Ausprägung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage (§  313 BGB). Bei der Verweisung auf das Bereicherungsrecht handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung auf die §§  818, 819 Abs.  1, 822 BGB: 88 Die tatbestand80 Soergel/Fischinger,

§  1301 Rn.  13; Röthel, Jura 2006, 641 (643). zu den Ausgleichsansprüchen bei Schwiegerelternzuwendungen BGH v. 3.2.2010 – XII ZR 189/06, NJW 2010, 2202 m. Anm. Schmitz, 2207; BGH v. 20.7.2011 – XII ZR 149/09, NJW 2012, 523; BGH v. 26.11.2014 – XII ZB 666/13, NJW 2015, 690; BGH v. 3.12.2014 – XII ZB 181/13, NJW 2015, 1014 m. Anm. Schmitz, 1018; BGH v. 16.12.2015 – XII ZB 516/14, NJW 2016, 629. 82  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  8 Rn.  55. 83  Dies kann im Falle der Verjährung des Anspruchs aus §  1301 BGB relevant werden, da §  1302 BGB den Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist (§  195 BGB) auf den Zeitpunkt der Auflösung des Verlöbnisses vorverlegt, während für den Anspruch aus §§  530, 531 Abs.  2 BGB die Jahresendverjährung gilt (§§  195, 199 BGB). 84  So jedoch BGH v. 28.2.1996 – XII ZR 181/93, NJW 1996, 1411 (1412: besonderer bereicherungsrechtlicher Anspruch); ebenso Palandt/Brudermüller, §  1301 Rn.  1; Knütel, FS Jayme (2004), S.  1487 (1498); Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  8 Rn.  55: Es handele sich um einen selbständigen Bereicherungstatbestand, der die condictio causa data cause non secuta des §  812 Abs.  1 S.  2 Var. 2 BGB erweitere und wie diese durch den §  815 BGB begrenzt werde. 85 Soergel/Fischinger, §   1301 Rn.   1; NK-BGB/Kaiser, §  1301 Rn.  2 ; Rauscher, FamR, Rn.  132. 86 NK-BGB/Kaiser, §  1301 Rn.  2. 87  Erbarth, FPR 2011, 89 (93 f.); Soergel/Fischinger, §  1301 Rn.  1; NK-BGB/Kaiser, §  1301 Rn.  2 ; Rauscher, FamR, Rn.  130, 132. 88  Dethloff, Familienrecht, §   2 Rn.   17; Erbarth, FPR 2011, 89 (94); NK-BGB/Kaiser, 81  Vgl.

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lichen Voraussetzungen des Anspruchs sind abschließend in §  1301 S.  1 BGB geregelt, diejenigen des §  812 BGB müssen nicht vorliegen. Deshalb ist nach vorzugswürdiger Ansicht auch §  815 BGB nicht (entsprechend) anwendbar,89 der eine Zweckverfehlungskondiktion nach §  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  2 BGB ausschließt, wenn der Leistende den Eintritt des Erfolges wider Treu und Glauben verhindert hat. Dies würde nicht nur einer dem Verbot nach §  1297 Abs.  2 BGB zuwiderlaufenden Bestrafung für die Nichteingehung der Ehe nahekommen,90 sondern auch dem Charakter des verschuldensunabhängigen Anspruchs auf Rückgewähr der Geschenke widersprechen. Außerdem verbietet sich eine an dem objektiven Maßstab von Treu und Glauben orientierende Bewertung des zum Scheitern der Beziehung führenden Verhaltens (abgesehen von den Verschuldensaspekten im Rahmen von §§  1298, 1299 BGB) in diesem höchstpersönlichen Lebensbereich.91 Nimmt man mit der hier vertretenen Auffassung an, dass die Verlobungsgeschenke lediglich ihre Geschäftsgrundlage verlieren, wenn das Verlöbnis nicht zur Eheschließung führt, so entspricht es der allgemeinen Meinung, dass derjenige, der die Geschäftsgrundlage zerstört, nicht die von ihm erbrachten Vermögensleistungen verwirkt.92 b) Anspruchsbeschränkung auf unbenannte, verlöbnisbezogene Zuwendungen Der Begriff der Geschenke im Sinne von §  1301 BGB wird tendenziell weit ausgelegt und erfasst nach h. M. Zuwendungen aller Art.93 Neben Vermögenszuwendungen sollen sowohl der Erlass von Verbindlichkeiten als auch die vermögenswerte Mithilfe und sonstige Dienstleistungen eines Verlobten von §  1301 BGB erfasst sein,94 für die jeweils Wertersatz geschuldet wird (§  818 Abs.  2 BGB). Daran wird teilweise kritisiert, dass Dienstleistungen, die zu keiner Vermögensminderung des Dienstleistenden führen, keine Geschenke seien, und §  1301 Rn.  13; Muscheler, Familienrecht, Rn.  225; Rauscher, FamR, Rn.  132; MüKoBGB/ Roth, §  1301 Rn.  5. A. A. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  8 Rn.  55 (keine reine Rechtsfolgenverweisung). 89 Wie hier Dethloff, Familienrecht, §   2 Rn.  17; Erbarth, FPR 2011, 89 (94); Soergel/­ Fischinger, §  1301 Rn.  10; Göppinger, JuS 1968, 405 (406 ff.); NK-BGB/Kaiser, §  1301 Rn.  14; Erman/Kroll-Ludwigs, §  1301 Rn.  1; Lehmann/Henrich, Deutsches Familienrecht, §  6 III.2.b, S.  32; Staudinger/Löhnig, §  1301 Rn.  16 ff.; Muscheler, Familienrecht, Rn.   225; Rauscher, FamR, Rn.  132; MüKoBGB/Roth, §  1301 Rn.  6 ; Röthel, Jura 2006, 641 (642). A. A. BGH v. 18.5.1966 – IV ZR 105/65, NJW 1966, 1653 (1655); Palandt/Brudermüller, §  1301 Rn.  3 ; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  8 Rn.  55; Knütel, FS Jayme (2004), S.  1487 (1498). 90 Staudinger/Löhnig, §  1301 Rn.  19; Röthel, Jura 2006, 641 (642). 91  Ähnlich Staudinger/Löhnig, §  1301 Rn.  18 f. 92 Vgl. BGH v. 2.10.1991 – XII ZR 145/90, NJW 1992, 427 (428); Rauscher, FamR, Rn.  132. 93  BGH v. 18.5.1966 – IV ZR 105/65, NJW 1966, 1653 (1654: Schenkungsangebot genügt, das nach dem Scheitern des Verlöbnisses angenommen wird). 94  Erbarth, FPR 2011, 89 (94); Staudinger/Löhnig, §  1301 Rn.  11; Rauscher, FamR, Rn.  131; MüKoBGB/Roth, §  1301 Rn.  3.

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nicht nachvollziehbar sei, warum in §  1301 BGB, der von „geschenkt“ spricht, vom allgemeinen Begriff der Schenkung gemäß §  516 BGB abgewichen werden sollte.95 Letztlich lässt sich der Umfang des Anwendungsbereichs von §  1301 BGB nur unter Berücksichtigung des Sinn und Zwecks der Regelung ermitteln. §  1301 BGB will einen Ausgleich für solche Zuwendungen gewähren, die bei Unterbleiben der Eheschließung ihre Geschäftsgrundlage verlieren. Das ist nur bei Zuwendungen der Fall, die im Vertrauen auf die bevorstehende Eheschließung bzw. in Erwartung der Ehe erfolgen. Obwohl dieses Kriterium in §  1301 BGB – anders als in §§  1298 f. BGB – nicht explizit genannt ist, muss es nach dem Telos der Regelung in §  1301 BGB hineingelesen werden, weil nur bei Zuwendungen, die in Erwartung der Ehe gemacht werden, die Geschäftsgrund­ lage im Falle des Scheiterns der Beziehung entfällt.96 Von §  1301 BGB werden also nur solche Geschenke erfasst, die aus Anlass der Verlobung oder im Hinblick auf die bevorstehende Hochzeit erfolgen, in diesem Sinne also verlöbnisbezogen sind.97 Dies trifft unzweifelhaft für Verlöbniszeichen zu, in der Regel also Verlobungsringe oder sonstigen Schmuck, die bzw. der als Zeichen überreicht wird, wenn einer dem anderen die Eheschließung anträgt. Schwieriger ist dagegen die Beurteilung bei sonstigen Geschenken, die während der manchmal lange währenden Verlobungszeit zugewendet werden. Handelt es sich dabei um laufende Beiträge zur Lebensgemeinschaft oder um Unterhaltsleistungen zwischen Verlobten, die schon vor der Eheschließung einen gemeinsamen Haushalt führen, scheidet ein Rückgewähranspruch aus, da solche Zuwendungen nicht in der Erwartung der Eheschließung, sondern im Hinblick auf das gegenwärtige Zusammenleben erfolgen und daher im Falle des Scheiterns der Beziehung nicht ihre Geschäftsgrundlage verlieren.98 Das gleiche gilt für kleinere Schenkungen bzw. Aufmerksamkeiten (z. B. Blumen; Eintrittskarten; Esseneinladungen; Geburtstagsgeschenke), die nicht im Vertrauen auf die spätere Eheschließung, sondern im Rahmen der gelebten (nichtehelichen) Lebensgemeinschaft erbracht werden.99 §  1301 BGB bezweckt nicht die vollständige Rückabwicklung der Le95 Soergel/Fischinger, §  1301 Rn.  5 ; BeckOK-BGB/Hahn, §  1301 Rn.  5 ; NK-BGB/ Kaiser, §  1301 Rn.  4, 6, 7. 96  So auch NK-BGB/Kaiser, §  1301 Rn.  4, 5 ff. 97 So Dethloff, Familienrecht, §  2 Rn.  17; Rauscher, FamR, Rn.  131. 98  BGH v. 13.4.2005 – XII ZR 296/00, NJW-RR 2005, 1089 (1090: Zahnbehandlungskosten i.H.v. rund 3.000 DM der Verlobten und Schulausbildungskosten i.H.v. rund 17.660 DM für deren Tochter); OLG Oldenburg v. 11.7.1995 – 5 U 45/95, NJW-RR 1996, 577 (578); OLG Köln v. 10.3.1995 – 3 U 74/94, NJW 1995, 2232 (Zuwendung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück); Palandt/Brudermüller, §  1301 Rn.  4 ; Dethloff, Familienrecht, §  2 Rn.  17; Soergel/Fischinger, §   1301 Rn.   7; Erman/Kroll-Ludwigs, §  1301 Rn.  5 ; Rauscher, FamR, Rn.  131; MüKoBGB/Roth, §  1301 Rn.  3. 99 Palandt/Brudermüller, §   1301 Rn.   4; Soergel/Fischinger, §   1301 Rn.   1, 6; BeckOKBGB/Hahn, §  1301 Rn.  5 ; NK-BGB/Kaiser, §  1301 Rn.  9 ; Erman/Kroll-Ludwigs, §  1301 Rn.  5 ;

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bensgemeinschaft, sondern will in engen Grenzen einen Ausgleich für enttäuschtes Vertrauen gewähren. Daher können unter Verlobten nach §  1301 BGB nur solche Zuwendungen zurückgefordert werden, die bei Ehegatten als „ehebedingte“ oder „unbenannte Zuwendungen“ gelten.100 Nach ständiger Rechtsprechung des BGH liegt „eine ehebezogene Zuwendung vor, wenn ein Ehegatte dem anderen einen Vermögenswert um der Ehe willen und als Beitrag zur Verwirklichung und Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft zukommen lässt, wobei er die Vorstellung oder Erwartung hegt, dass die eheliche Lebensgemeinschaft Bestand haben und er innerhalb dieser Gemeinschaft am Vermögenswert und dessen Früchten weiter teilhaben werde. Darin liegt die Geschäftsgrundlage der Zuwendung.“101 Das Vertrauen eines Verlobten auf die Eheschließung entspricht dem Vertrauen eines Ehegatten auf den Fortbestand der Lebensgemeinschaft. Von §  1301 BGB werden daher all jene Zuwendungen erfasst, die der Verwirklichung und Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der Lebensgemeinschaft dienen. Ihnen liegt die Vorstellung oder Erwartung zugrunde, dass die Lebensgemeinschaft Bestand haben und der Zuwendende innerhalb der Gemeinschaft am Vermögenswert und dessen Früchten weiter teilhaben werde. Scheitert das Verlöbnis, entfällt die Geschäftsgrundlage der Zuwendung und folgt aus §  1301 BGB ein Anspruch auf Rückgewähr. Infolgedessen können mit der h. M. auch Dienstleistungen zu Ausgleichsansprüchen nach §  1301 BGB führen, obwohl sie keine Schenkungen bzw. Zuwendungen im engeren Sinne sind, da es nicht zu einer Übertragung von Vermögenssubstanz kommt. Allerdings stellen sie bei wirtschaftlicher Betrachtung ebenso eine geldwerte Leistung dar wie die Übertragung von Vermögenssubstanz, so dass davon ausgegangen werden kann, dass sie gleichermaßen zur Ausgestaltung der Lebensgemeinschaft erbracht werden und darin ihre Geschäftsgrundlage finden.102 Das kann in Betracht kommen, wenn die Dienstleistung erheblich über bloße Gefälligkeiten oder das, was das tägliche Zusammenleben erfordert, hinausgehen und zu einem messbaren und noch vorhandenen Vermögenszuwachs des anderen Partners geführt haben.103 Staudinger/Löhnig, §  1301 Rn.  11; Rauscher, FamR, Rn.  130, der dieses Ergebnis unzutreffenderweise aus §  814 BGB herleiten will; MüKoBGB/Roth, §  1301 Rn.  3. 100 MüKoBGB/Roth, §  1301 Rn.  3. 101  BGH v. 28.3.2006 – X ZR 85/04, NJW 2006, 2330; ebenso BGH v. 6.5.2014 – X ZR 135/11, NJW 2014, 2638 (2639); BGH v. 19.9.2012 – XII ZR 136/10, NJW 2012, 3374 (3375); BGH v. 23.4.1997 – XII ZR 20/95, NJW 1997, 2747 m. w. N.; BGH v. 21.10.1992 – XII ZR 182/90, NJW 1993, 385 (386); BGH v. 2.10.1991 – XII ZR 132/90, NJW 1992, 238 (239); BGH v. 27.1.1988 – IVb ZR 82/86, NJW-RR 1988, 962 (964); vgl. auch schon BGH v. 7.1.1972 – IV ZR 231/69, NJW 1972, 580 (Ablehnung einer Schenkung). 102  BGH v. 4.3.2015 – XII ZR 46/13, NJW 2015, 1523 m. w. N. (zum Ausgleich zwischen nichtehelichen Lebensgefährten). 103  BGH v. 4.3.2015 – XII ZR 46/13, NJW 2015, 1523 m. w. N.

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Berücksichtigt man die Anspruchsbeschränkung auf unbenannte Zuwendungen, lässt sich auch die umstrittene Frage beantworten, ob Briefe, Fotographien oder sonstige persönliche Geschenke vom Anwendungsbereich des §  1301 BGB erfasst und beim Scheitern des Verlöbnisses herauszugeben sind. Die h. M. nimmt unter Berufung auf das Persönlichkeits- und Urheberrecht des den Brief schreibenden Verlobten einen Rückgabeanspruch an.104 Bei E-Mails, SMS und anderen nicht verkörperten Kommunikationsakten sei der Anspruch inhaltlich auf Löschung gerichtet.105 Dieser Ansicht ist im Grundsatz zu widersprechen: 106 Liebesbriefe sind weder Verlöbniszeichen noch „Geschenke“107 bzw. unbenannte Zuwendungen; vielmehr sind sie Ausdruck der gelebten Beziehung, die über §  1301 BGB gerade nicht umfassend rückabgewickelt werden kann und soll. In Liebesbriefen kommuniziert ein Verlobter seine aktuelle Gefühls- und Emotionslage sowie höchstpersönliche Gedanken, die zugleich die Grundlage des Niedergeschriebenen sind. Solche Briefe werden nicht im Vertrauen auf die bevorstehende Eheschließung geschrieben und sie dienen auch nicht als Beitrag zur Verwirklichung, Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der Lebens­ gemeinschaft, an dem der Briefeschreiber auch in Zukunft weiter teilhaben will.108 Im Gegenteil handelt es sich um Gedanken, die einzig und allein dem anderen zugedacht sind. Abgesehen davon scheidet ein Rückforderungsanspruch aber auch deshalb aus, weil §  1301 BGB lediglich eine verlöbnisbezogene Bereicherung durch vermögenswerte Geschenke ausgleichen will und Briefe als rein emotional-immaterielle Werte daher nicht erfasst. Mit dem Herausgabeverlangen in Bezug auf Briefe geht es dem Anspruchsteller gerade nicht um den äußerst geringen materiellen Wert des Papiers, sondern allein um den immateriellen Inhalt, den er am liebsten ungeschehen machen würde. Zu Recht weist Rauscher darauf hin, dass jeder, der mit dem Persönlichkeitsrecht des Briefeschreibers argumentiert, auch das Persönlichkeitsrecht des Empfängers beachten muss, dem die Briefe womöglich Erinnerung an schöne Zeiten sind. „Dem häufig mit der Rückforderung von Verlobungsbriefen verbundenen Wunsch, ausgesprochene Liebe ungeschehen zu machen, kann das Recht nicht mehr Gewicht geben, als dem Wunsch, sich ihrer zu erinnern.“109 Deshalb kann ein in-

104  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §   8 Rn.   56; Soergel/Fischinger, §  1301 Rn.  8 ; Lehmann/Henrich, Deutsches Familienrecht, §  6 III.2.b, S.  32; Staudinger/Löhnig, §  1301 Rn.  13. Ohne Begründung so auch Palandt/Brudermüller, §  1301 Rn.  4 ; BeckOK-BGB/ Hahn, §  1301 Rn.  5 ; Erman/Kroll-Ludwigs, §  1301 Rn.  6 ; MüKoBGB/Roth, §  1301 Rn.  3. 105 Staudinger/Löhnig, §  1301 Rn.  13. 106  Ebenso Jauernig/Budzikiewicz, §  1301 Rn.  1; NK-BGB/Kaiser, §  1301 Rn.  7; Rauscher, FamR, Rn.  131. 107  So auch Staudinger/Löhnig, §  1301 Rn.  13; RGRK/Roth-Stielow, §  1301 Rn.  5. 108  Wie hier NK-BGB/Kaiser, §  1301 Rn.  7. A. A. Soergel/Fischinger, §  1301 Rn.  8 . 109  Rauscher, FamR, Rn.  131.

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haltsgleicher Herausgabeanspruch auch nicht aus §  1004 Abs.  1 BGB i. V. m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht hergeleitet werden.110 Für Fotographien und sonstige höchstpersönliche Zuwendungen kann im Grundsatz nichts anderes gelten. Eine Ausnahme davon ist allerdings für solche Fotographien zu machen, die das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Abgelichteten in besonderem Maße tangieren, namentlich für Nacktaufnahmen, die im Vertrauen auf den Fortbestand der Beziehung gestattet wurden. Bei solchen, die Intimsphäre und damit den unantastbaren Bereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts betreffenden Aufnahmen überwiegt das Interesse des Abgelichteten an einer Löschung der entsprechenden Dateien in aller Regel111 das Interesse des Inhabers der Dateien an einer Aufbewahrung zur Erinnerung. Das gilt umso mehr, als mit dem Ende der Beziehung auch das Vertrauensverhältnis erloschen ist und die nicht unerhebliche Gefahr einer Weitergabe oder Veröffentlichung der Bilder ohne Einverständnis des Abgelichteten besteht. In solchen Konstellationen ist ein Anspruch des Abgelichteten auf Löschung der Dateien aus §  1004 BGB i. V. m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht zu bejahen. 3. Übertragbarkeit auf andere Lebensgemeinschaften a) Vertrauensgrundsatz als Richtschnur für den Ausgleich unbenannter Zuwendungen Im Hinblick auf den nachträglichen Ausgleich von Zuwendungen zwischen Ehegatten, Verlobten und nichtehelichen Lebensgefährten und sogar zwischen Schwiegereltern und Schwiegerkind hat sich in der Rechtsprechung eine unübersichtliche Kasuistik zu Rückgewähransprüchen entwickelt, die neben den familienrechtlichen Spezialregelungen im Verlöbnisrecht (§§  1298 ff. BGB) vor allem auf schuldrechtliche Regelungsmechanismen zurückgreift, nämlich den Schenkungswiderruf (§§  530 f. BGB), die Figur der Innengesellschaft (§§  730, 733 f., 738 BGB), insbesondere aber den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§  313 BGB) und die Zweckverfehlungskondiktion (§  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  2 BGB). Da sich die Gewährung eines Zuwendungsausgleichs in diesen Fällen im Wege richterlicher Rechtsfortbildung über Jahrzehnte hinweg nur Schritt für Schritt entwickelt hat, fällt es auf den ersten Blick schwer, konsistente Wertungen hinter den Konstruktionen der Rechtsprechung zu erkennen.112 Dennoch lässt sich die Rechtsprechung zum Ausgleich von unbenannten Zuwendungen letztlich durchgehend auf Vertrauenserwägungen zurückführen, die sich bruchlos in das Regelungskonzept des §  1301 BGB einfügen lassen. 110 

So jedoch Staudinger/Löhnig, §  1301 Rn.  13; vorsichtiger Soergel/Fischinger, §  1301 Rn.  8. Anders mag die Abwägung womöglich ausfallen, wenn sich derjenige, der die Aufnahmen angefertigt hat, auf die Kunstfreiheit berufen kann (Art.  5 Abs.  3 GG) und der andere auf den Fotos nicht identifizierbar abgelichtet ist. 112 Treffend Röthel, Jura 2006, 641 (650). 111 

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Generell gilt als Richtschnur, „dass Ausgleichsansprüche geboten sind, wenn schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand des Näheverhältnisses investiert wurde, das mit dem Scheitern des Näheverhältnisses enttäuscht worden ist.“113 Eine solche schutzwürdige Vertrauensinvestition liegt bei den von der Rechtsprechung entwickelten „unbenannten Zuwendungen“ stets vor. Neben der Schutzwürdigkeit des Vertrauens muss ein richterlicher Vertrauensschutz jedoch zudem erforderlich sein. Daran fehlt es, wenn spezielle gesetzliche Ausgleichsmechanismen bestehen; dann ist der Zuwendende nicht schutzbedürftig. Deshalb findet für Ehegatten, die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben, regelmäßig neben den §§  1374 ff. BGB kein weiterer Zuwendungsausgleich statt. Ausnahmen lässt die Rechtsprechung nur dann zu, wenn eine güterrechtliche Abwicklung zu keinem angemessenen Ausgleich führt und eine Aufrechterhaltung des geschaffenen Vermögenszustandes für den zuwendenden Ehegatten zu schlechthin unangemessenen und untragbaren Ergebnissen führen würde.114 Bei Gütertrennung findet demgegenüber von vornherein kein güterrechtlicher Ausgleich statt. Daher billigt die Rechtsprechung hier schon dann einen Rückforderungsanspruch auf schuldrechtlicher Basis zu, wenn dem zuwendenden Ehegatten die Beibehaltung der herbeigeführten Vermögensverhältnisse nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden kann.115 Ob ein Ehegatte jedoch wirklich schutzbedürftig ist, wenn er durch die Wahl der Gütertrennung die Schutzvorschriften des gesetzlichen Güterstands bewusst abbedungen hat, mag zu Recht bezweifelt werden.116 Letztlich ändert das aber nichts daran, dass ein Ehegatte größere Zuwendungen stets im Vertrauen auf den Fortbestand der Ehe macht und im unerwarteten Fall des Scheiterns richterlichen Schutzes bedarf, wenn ohne einen Ausgleich eine unzumutbare Lage bestehen würde, zumal die Rechtsprechung Rückgewähransprüche zwischen Ehegatten außerhalb des Güterrechts über das Kriterium der Billigkeit ohnehin auf Ausnahmefälle beschränkt. Sofern das zugrundeliegende Näheverhältnis anders als bei der Ehe jederzeit aufgelöst werden kann, wie insbesondere bei der nichtehelichen Lebensgemeinschaft, erscheint manchen das Vertrauen auf den Fortbestand der Nähebe­ ziehung prima facie schon nicht schutzwürdig.117 Diese Auffassung verkennt jedoch, dass in der Lebensrealität bei allen auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaften, auch wenn sie nicht wie die Ehe rechtlich verfestigt sind, Zuwendun113 

Röthel, Jura 2006, 641 (650). BGH v. 28.11.2001 – XII ZR 173/99, FPR 2002, 408; BGH v. 23.4.1997 – XII ZR 20/95, NJW 1997, 2747; BGH v. 21.10.1992 – XII ZR 182/90, NJW 1993, 385 (386); BGH v. 10.7.1991 – XII ZR 114/89, NJW 1991, 2553. 115 St. Rspr., vgl. BGH v. 8.5.2013 – XII ZR 132/12, NJW 2013, 2187 (2188); BGH v. 23.4.1997 – XII ZR 20/95, NJW 1997, 2747; BGH v. 4.4.1990 – IV ZR 42/89, NJW-RR 1990, 834 (835); BGH v. 4.11.1987 – IVb ZR 100/86, NJW-RR 1988, 965 f. 116 Ebenso Röthel, Jura 2006, 641 (650). 117 So Röthel, Jura 2006, 641 (650). 114 

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gen größeren Umfangs, die über das hinausgehen, was die Lebensgemeinschaft Tag für Tag benötigt, von dem Vertrauen in einen längeren Fortbestand der Gemeinschaft getragen sein können. Müsste jeder nichteheliche Lebensgefährte oder auch Verlobte damit rechnen, dass er im Falle des unerwarteten Scheiterns der Beziehung etwaige finanzielle Investitionen in die gemeinsame Zukunft, auf die jede Lebensgemeinschaft angelegt ist, nicht einmal teilweise wieder erstattet bekommt, so wäre er gut beraten, auf finanzielle Zuwendung zur Verwirklichung, Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der Lebensgemeinschaft zu verzichten. Das wäre nicht nur im Hinblick auf eine harmonische und vertrauensvolle Beziehung kontraproduktiv, sondern auch lebensfern und (nicht zuletzt aus gesellschaftspolitischer Sicht) nicht wünschenswert. Die Entscheidung gegen die Ehe kann nicht als Verzicht auf die Austragung von Konflikten nach festen Rechtsregeln gewertet werden.118 Die allgemeinen vermögensrechtlichen Vorschriften und Ausgleichsmechanismen sind nicht etwa deshalb unanwendbar, weil die Betroffenen „nur“ in einer eheähnlichen Gemeinschaft leben. Allein die Kenntnis der jederzeitigen Auflösbarkeit einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ändert schließlich nichts daran, dass die Lebensgefährten davon ausgehen, dass ihre Gemeinschaft längere Zeit Bestand haben wird, und sie im Vertrauen darauf bereit sind, zugunsten des anderen Partners Leistungen größeren Umfangs zu tätigen, weil sie erwarten, im Rahmen der Beziehung daran selbst weiter partizipieren zu können. Dass dieses Vertrauen trotz jederzeitiger Beendigung der Gemeinschaft schutzwürdig ist, zeigt gerade die Regelung in §  1301 BGB für Verlobte. Da die nichteheliche Lebensgemeinschaft gesetzlich nicht geregelt ist, erscheint es gerechtfertigt, Lebensgefährten unter den gleichen Bedingungen wie in §  1301 BGB für unbenannte Zuwendungen einen Ausgleich über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu gewähren. §  313 BGB ermöglicht eine einzelfallbezogene Anpassung des der Zuwendung zugrundeliegenden Kooperationsverhältnisses,119 so dass regelmäßig keine vollständige Rückgewähr verlangt werden kann. Bei der Abwägung, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Zuwendungen zurückerstattet oder Arbeitsleistungen ausgeglichen werden müssen, ist laut BGH zu berücksichtigen, dass der Partner es einmal für richtig erachtet hat, dem anderen diese Leistungen zu gewähren.120 118  BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 179/05, NJW 2008, 3277 (3279); BGH v. 31.10.2007 – XII ZR 261/04, NJW 2008, 443 (444). 119  Ein solcher Kooperationsvertrag ist jedoch abzulehnen, wenn der Anspruchsteller seine Zuwendungen an die Eltern seiner nichtehelichen Lebensgefährten erbringt, BGH v. 4.3.2015 – XII ZR 46/13, NJW 2015, 1523. Solche Zuwendungen dienen nicht der Ausgestaltung der Lebensgemeinschaft, die auch dann nicht mit den Schwiegereltern besteht, wenn die Zuwendungen dem schwiegerelterlichen Hausgrundstück zugutekommen, das auch von den Lebensgefährten bewohnt wird. 120  BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 179/05, NJW 2008, 3277 (3281); ebenso BGH v. 6.5.2014 – X ZR 135/11, NJW 2014, 2638 (2640); BGH v. 8.5.2013 – XII ZR 132/12, NJW 2013, 2187 (2188); BGH v. 6.7.2011 – XII ZR 190/08, NJW 2011, 2880 (2882).

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Kapitel 4:  Verlöbnis und nichteheliche Lebensgemeinschaft

Auch im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft ist ein korrigierender Eingriff grundsätzlich nur dann gerechtfertigt, wenn dem Leistenden die Beibehaltung der durch die Leistung geschaffenen Vermögensverhältnisse nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist. Über das Kriterium der Billigkeit will die Rechtsprechung erreichen, dass nur wegen solcher Leistungen ein Ausgleich in Betracht kommt, denen nach den jeweiligen Verhältnissen erhebliche Bedeutung zukommt.121 Maßgeblich ist eine Gesamtabwägung der Umstände des Einzelfalls, wobei insbesondere die Dauer der Lebensgemeinschaft, das Alter der Parteien, die Art und der Umfang der erbrachten Leistungen, die Höhe der dadurch bedingten und noch vorhandenen Vermögensmehrung sowie die Einkommens- und Vermögensverhältnisse eine Rolle spielen können.122 Dass die Rechtsprechung daneben auch §  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  2 BGB für anwendbar hält,123 ist unschädlich, wenn auch dogmatisch angreifbar. Bejaht man im Hinblick auf die Zuwendung eine vertragliche Vereinbarung im Sinne eines Kooperationsvertrags zwischen den Beteiligten, deren Geschäftsgrundlage mit dem Scheitern der Beziehung weggefallen ist, ist in Bezug auf die dem Vertrag als Geschäftsgrundlage zugrunde liegenden Vorstellungen kein Raum für eine Zweckabrede im Sinne von §  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  2 BGB mit gleichem Inhalt. Außerdem passt die Rechtsfolge von §  812 Abs.  1 S.  2 Alt.  2 BGB mit seinem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ nicht für die hier relevante Situation, in der eine nichteheliche Lebensgemeinschaft erst nach einiger Zeit scheitert, ganz abgesehen davon, dass die vertragliche Rückabwicklung nach §  313 BGB Vorrang vor einer bereicherungsrechtlichen genießt. b) Kein Vertrauensschutz bei gemeinschaftsübersteigenden Zuwendungen Gehen die Zuwendungen zwischen Ehegatten oder Lebensgefährten deutlich über die Gemeinschaft hinaus und wird damit ein von dem persönlichen Verhältnis unabhängiger und dieses übersteigender Zweck verfolgt, so kann ein Ausgleich nicht mehr auf Vertrauenserwägungen im Hinblick auf den Fort­ bestand der Gemeinschaft gestützt werden. Dem entspricht es, dass die Rechtsprechung in solchen Fälle auf die Rechtsfigur der Innengesellschaft zu­ rückgreift. Durch die Annahme einer (meist stillschweigend vereinbarten) 121  BGH v. 6.5.2014 – X ZR 135/11, NJW 2014, 2638 (2640); BGH v. 8.5.2013 – XII ZR 132/12, NJW 2013, 2187 (2188); BGH v. 6.7.2011 – XII ZR 190/08, NJW 2011, 2880 (2882). 122  BGH v. 6.5.2014 – X ZR 135/11, NJW 2014, 2638 (2640); BGH v. 8.5.2013 – XII ZR 132/12, NJW 2013, 2187 (2188); BGH v. 6.7.2011 – XII ZR 190/08, NJW 2011, 2880 (2882). 123  In der Entscheidung, BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 179/05, NJW 2008, 3277 (3280, 3281), hat der BGH zunächst einen Anspruch aus §  812 Abs.  1 S.  2 Var. 2 BGB und erst im Anschluss §  313 BGB geprüft. In den jüngeren Entscheidungen prüft er den Wegfall der Geschäftsgrundlage vorzugswürdigerweise vor bereicherungsrechtlichen Ansprüchen, so BGH v. 25.11.2009 – XII ZR 92/06, NJW 2010, 998 (999, 1000); BGH v. 3.2.2010 – XII ZR 189/06, NJW 2010, 2202 (2203, 2206); BGH v. 6.7.2011 – XII ZR 190/08, NJW 2011, 2880 (2881, 2882); BGH v. 4.3.2015 – XII ZR 46/13, NJW 2015, 1523.

B. Haftung kraft schutzwürdigen Vertrauens

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Innengesellschaft zwischen Ehegatten oder Lebensgefährten soll in solchen Fällen bei Auflösung der Lebensgemeinschaft ein gerechter Vermögensausgleich zwischen den Beteiligten gewährleistet werden. Sie kommt in Betracht, wenn das Ehegüterrecht keine befriedigende Lösung bereithält und eine Beibehaltung der formalen rechtlichen Zuordnung zum Vermögen eines Ehegatten oder Lebensgefährten im Hinblick auf solche Vermögenswerte unbillig erscheint, die während der Lebensgemeinschaft durch maßgebliche finanzielle Beiträge und/oder über das eheübliche Maß hinausgehende Arbeitsleistungen des jeweils anderen geschaffen wurden.124 Dies kann insbesondere (wenn auch nicht zwingend) relevant werden, wenn die Ehegatten im Güterstand der Gütertrennung leben. Um die ehe- und güterrechtlichen Regelungen nicht zu unterlaufen, setzt die Annahme einer Ehegatteninnengesellschaft laut BGH allerdings nicht nur einen zumindest konkludent geschlossenen Gesellschaftsvertrag voraus,125 sondern auch die Absicht der Ehegatten, mit dem Erwerb eines Vermögensgegenstands oder einer Investition einen – über die bloße Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft hinausgehenden126 – gemeinschaftlichen Wert zu schaffen, der von ihnen für die Dauer der Ehe nicht nur gemeinsam genutzt werden, sondern ihnen nach ihrer Vorstellung auch gemeinsam gehören soll.127 Bei der Beurteilung, ob zwischen Ehegatten ein Gesellschaftsvertrag zustande gekommen ist, misst der BGH dem Güterstand entscheidende Bedeutung zu.128 So wird die Vorstellung der Ehegatten, über den Zugewinnausgleich an dem gemeinsam Erarbeiteten teilzuhaben, vielfach dagegen sprechen, ihr Verhalten hinsichtlich ihrer gemeinsamen Arbeit oder Wertschöpfung als Abschluss eines Gesellschaftsvertrags auszulegen.129 Sofern sich dennoch im Einzelfall ein über die Verwirklichung der Lebens­ gemeinschaft hinausgehender Zweck feststellen lässt, ist es nur gerechtfertigt, mit der Rechtsfigur der Innengesellschaft anzuerkennen, dass sich Ehegatten oder nichteheliche Lebensgefährten bei gemeinschaftsübersteigenden Zuwendungen wie Partner einer reinen Vermögensgemeinschaft gegenüberstehen 124  BGH v. 10.6.2015 – IV ZR 69/14, NJW 2015, 2581 (2582); BGH v. 30.6.1999 – XII ZR 230/96, NJW 1999, 2962 (2963). 125  BGH v. 8.5.2013 – XII ZR 132/12, NJW 2013, 2187. 126  BGH v. 28.9.2005 – XII ZR 189/02, NJW 2006, 1268 (1269); BGH v. 30.6.1999 – XII ZR 230/96, NJW 1999, 2962 (2965); BGH v. 26.4.1995 – XII ZR 132/93, NJW 1995, 3383 (3384); BGH v. 14.3.1990 – XII ZR 98/88, NJW-RR 1990, 736. 127  BGH v. 19.9.2012 – XII ZR 136/10, NJW 2012, 3374 (3375); BGH v. 25.6.2003 – XII ZR 161/01, NJW 2003, 2982 (2983); BGH v. 30.6.1999 – XII ZR 230/96, NJW 1999, 2962 (2966). Zur nichtehelichen Lebensgemeinschaft ebenso BGH v. 8.5.2013 – XII ZR 132/12, NJW 2013, 2187; BGH v. 6.7.2011 – XII ZR 190/08, NJW 2011, 2880 (2881) m. w. N.; BGH v. 9.7.2008 – XII ZR 179/05, NJW 2008, 3277 (3278). 128  Vgl. BGH v. 28.9.2005 – XII ZR 189/02, NJW 2006, 1268 (1269) m. w. N.; MüKoFamFG/­ Erbarth, §  266 Rn.  121 ff. Zu den kollisionsrechtlichen Folgen vgl. BGH v. 10.6.2015 – IV ZR 69/14, IPRax 2016, 384 m. Anm. Mayer, IPRax 2016, 353. 129  BGH v. 28.9.2005 – XII ZR 189/02, NJW 2006, 1268 (1269).

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Kapitel 4:  Verlöbnis und nichteheliche Lebensgemeinschaft

­ önnen und damit rechnen müssen, dass im Falle der Auflösung der Vermök gensgemeinschaft eine vermögensmäßige Auseinandersetzung (nur) nach vertragsrechtlichen Maßstäben stattfindet.130 Gerade weil hier ein gemeinschaftsübersteigender Zweck verfolgt wird, beruht eine solche Zuwendung nicht auf dem Vertrauen in den Fortbestand der Beziehung. Deshalb bestehen keine Bedenken dagegen, dass Ehegatten oder nichteheliche Lebensgefährten insofern der allgemeinen Risikoverteilung des Vertragsrechts unterliegen.131

III. Ergebnis Die verlöbnisspezifischen Ansprüche in den §§  1298 f. BGB bzw. §  1301 BGB finden ihre innere Begründung in Vertrauensschutzerwägungen. Die Aufwendungsersatzansprüche knüpfen an das spezifische Vertrauen in das Eheversprechen an und sind daher auf andere Lebensgemeinschaften nicht übertragbar. Demgegenüber enthält §  1301 BGB einen Spezialfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage für unbenannte Zuwendungen, die im Vertrauen auf den Fortbestand der Lebensgemeinschaft und zur Verwirklichung, Ausgestaltung, Erhaltung und Sicherung der Gemeinschaft erfolgen. Der Anwendungsbereich der Norm beschränkt sich auf derartige Zuwendungen, weil nur diese – anders als etwa laufende Beiträge zur Lebensgemeinschaft – mit dem Scheitern der Beziehung ihre Geschäftsgrundlage verlieren. Die in §  1301 BGB zum Ausdruck kommende Schutzwürdigkeit des Vertrauens in den Fortbestand der Lebensgemeinschaft beschränkt sich nicht auf das Verlöbnis, sondern kann auch in anderen Lebensgemeinschaften relevant werden mit der Folge, dass bei Fehlen gesetzlicher Ausgleichsmechanismen ein richterlicher Vertrauensschutz durch Gewährung von Ausgleichsansprüchen nach Maßgabe von §  313 BGB gerechtfertigt ist, wenn die Beibehaltung der geschaffenen Vermögensverhältnisse für den Zuwendenden nach Treu und Glauben unzumutbar ist.

C. Haftung eines Dritten gegenüber einem Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten Im Außenverhältnis bestehen in Haftungsfragen bei Verlobten – und das Gleiche gilt für nichteheliche Lebensgefährten – im Ergebnis kaum relevante Unterschiede zu Ehegatten. Daher kann im Wesentlichen auf die Ausführungen in Kapitel 3 Abschnitte D und E verwiesen werden. Im Folgenden sollen die Kern­ aussagen lediglich nochmal zusammengefasst und auf entscheidende Divergenzen hingewiesen werden. 130  131 

Röthel, Jura 2006, 641 (650). Röthel, Jura 2006, 641 (650).

C. Haftung eines Dritten gegenüber einem Verlobten oder Lebensgefährten

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I. Eigene Ansprüche des geschädigten Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten Der von einem Dritten geschädigte Verlobte muss sich im Rahmen seiner Ansprüche gegen den Schädiger ein mitwirkendes Verschulden des anderen Verlobten nicht über die Regelungen in §§  254 Abs.  2 S.  2, 278 BGB zurechnen lassen, da der Verlobte weder gesetzlicher Vertreter noch Erfüllungsgehilfe des Verletzten ist.132 Allerdings kann sich auch insofern eine Haftungsbegrenzung zugunsten des Dritten über die Rechtsfigur der Zurechnungseinheit ergeben, wenn neben dem Schädiger auch der Verlobte für den entstandenen Schaden mitverantwortlich ist.133 Bilden der Geschädigte und sein Verlobter aus recht­ lichen oder tatsächlichen Gründen eine „Einheit“, weil ihre jeweiligen Kausalbeiträge im Wesentlichen deckungsgleich erscheinen, so muss sich der Geschädigte aufgrund der rechtlichen oder tatsächlichen Verschmelzung auch den Verursachungsbeitrag des Verlobten im Rahmen einer einheitlichen Quote im Verhältnis zum anderen Schädiger, dem Dritten, anrechnen lassen. Da bei dieser allgemeinen Haftungsfigur keine familienrechtsspezifischen Erwägungen zum Tragen kommen, ist für die richtige Gewichtung des eigenen Verursachungsbeitrags des Geschädigten das Innenverhältnis zwischen ihm und dem Schädiger, dessen Kausalbeitrag sich der Geschädigte anrechnen lassen muss, unerheblich. Aus dem gleichen Grund kommt auch eine Anspruchsreduzierung nach den Grundsätzen der gestörten Gesamtschuld in Betracht,134 vorausgesetzt man befürwortet mit der hier vertretenen Ansicht eine analoge Anwendung der Haftungsprivilegierung in §  1359 BGB auf Verlobte und nichteheliche Lebensgefährten.135 In der Sache ergeben sich dann keine Unterschiede, weil die Problematik und die Lösungsmöglichkeiten unabhängig davon sind, woraus sich die Haftungsprivilegierung eines Schädigers ergibt.

II. Ansprüche des Verlobten oder Lebensgefährten des Geschädigten 1. Grundsatz und ausnahmsweise Ersatzfähigkeit „mittelbarer Schäden“ Wie bereits dargelegt, sieht das deutsche Rechtssystem im Grundsatz keine Ausgleichsansprüche für lediglich mittelbar Geschädigte vor, wobei die Rechtsprechung unbillige Ergebnisse einer rigorosen Anwendung dieses Leitgedankens teilweise dadurch abzumildern versucht, dass sie manche Schadensposten, die an sich einem nahen Angehörigen des Geschädigten entstanden sind, als

132 

Vgl. dazu oben Kap.  3 D.II.1.a), S. 281 ff. Vgl. dazu oben Kap.  3 D.II.1.a), S. 281 ff. 134  Vgl. dazu oben Kap.  3 D.II.1.b), S. 283 ff. 135  Vgl. dazu oben Kap.  4 A.III., S. 369 ff. 133 

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Kapitel 4:  Verlöbnis und nichteheliche Lebensgemeinschaft

solche des Geschädigten wertet (z. B. Fahrtkosten des Angehörigen zum Krankenhaus).136 Durchaus relevante Unterschiede im Vergleich zur Haftung im Außenverhältnis bei Ehegatten ergeben sich jedoch in Bezug auf die gesetzlichen Ausnahmen in §§  844 Abs.  1 und Abs.  2 BGB sowie §  845 BGB, die auf Verlobte und nichteheliche Lebensgefährten nur zum Teil anwendbar sind. Auf §  844 Abs.  2 BGB137 und §  845 BGB kann schon deshalb nicht abgestellt werden, weil zwischen Verlobten und nichtehelichen Lebensgefährten keine gesetzlichen Unterhalts- bzw. Dienstleistungspflichten bestehen, die im Falle der Tötung eines Partners zulasten des Überlebenden entfallen könnten. Relevant werden kann allenfalls §  844 Abs.  1 BGB, demzufolge der ersatzpflichtige Dritte im Falle der Tötung die Kosten der Beerdigung demjenigen zu ersetzen hat, welchem die Verpflichtung obliegt, diese Kosten zu tragen. Sofern der Verlobte oder nicht­ eheliche Lebensgefährte gewillkürter Erbe nach dem Verstorbenen ist, hat er nach §  1968 BGB die Kosten der Beerdigung des Erblassers zu tragen und ist folglich nach §  844 Abs.  1 BGB berechtigt, diese Kosten vom Täter erstattet zu verlangen. §  844 Abs.  1 BGB ist nicht auf den gesetzlichen Erben beschränkt, so dass für den Fall einer testamentarischen Erbeinsetzung auch der Verlobte oder nichteheliche Lebensgefährte anspruchsberechtigt sein kann. 2. Mitwirkendes Verschulden des Geschädigten (§  846 BGB) Sofern eine Haftung des Dritten gegenüber einem Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten nach §  844 Abs.  1 BGB in Rede steht, reduziert sich diese gemäß §  846 BGB um den Mitverschuldensanteil des Getöteten. Nach hier vertretener Ansicht138 handelt es sich bei §  846 BGB nicht um eine Verschuldenszurechnungsnorm, wonach sich der Berechtigte aufgrund des besonderen Näheverhältnisses ein Mitverschulden des Getöteten auf seinen Ersatzanspruch anrechnen lassen müsste, sondern vielmehr um eine Ausprägung des Gedankens einer Haftung nur nach Maßgabe des eigenen Verantwortungsgrades. Wenn der Schädiger für unmittelbare Schäden im Verhältnis zum Getöteten nur zu einem bestimmten Grad verantwortlich ist, kann er für mittelbar verursachte Schäden nicht in weitergehendem Umfang haftbar gemacht werden. Da es sich auch bei dieser Regelung um eine allgemeine Haftungsnorm handelt, die vom Bestehen einer familienrechtlichen Nähebeziehung zwischen dem Getöteten und dem Anspruchsteller unabhängig ist, kommt sie nicht nur zugunsten eines Ehegatten, sondern gleichermaßen auch im Außenverhältnis eines Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten zum Täter zur Anwendung. 136 

Vgl. dazu oben Kap.  3 D.II.2.a), S. 292 f. Vgl. dazu OLG Frankfurt v. 29.6.1983 – 7 U 267/82, FamRZ 1984, 790. 138  Vgl. dazu oben Kap.  3 D.II.2.b), S. 293 ff. 137 

C. Haftung eines Dritten gegenüber einem Verlobten oder Lebensgefährten

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3. Schadensersatz und Schmerzensgeld für Schockschäden Die Haftung des Dritten für Schockschäden (einschließlich Schmerzensgeld) eines Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten, die dieser aus Anlass einer schweren Verletzung oder gar Tötung des Partners erleidet, weil er den Unfall selbst miterlebt oder nachträglich davon unterrichtet wurde, richtet sich nach den bereits dargelegten Maßstäben.139 Insofern geht es nicht um mittelbare Schäden, sondern um einen unmittelbar eigenen Gesundheitsschaden des Schockgeschädigten im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB, den dieser infolge der seelischen Erschütterung durch die traurige Nachricht vom Unfall des nahen Angehörigen erleidet. Erforderlich ist, dass die psychische Beeinträchtigung des Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten Krankheitswert erreicht, nur dann liegt ein von §  823 Abs.  1 BGB erfasster eigener Gesundheitsschaden vor. Die von der Rechtsprechung zur Vermeidung einer befürchteten uferlosen Haftung praeter legem geforderten einschränkenden Anspruchsvoraussetzungen (besondere Schwere der Beeinträchtigung, unmittelbares Miterleben des Unfalls, naher Angehöriger des Opfers, Angemessenheit der Reaktion) sind nach vorzugswürdiger Ansicht lediglich als mögliche (nicht jedoch zwingende) Kriterien der Zurechnung zu berücksichtigen.140 Unter dem Aspekt der Zurechenbarkeit kann bei nachweisbar vorliegender Gesundheitsbeeinträchtigung der Sorge vor einer zu weitgehenden Haftung unter Berücksichtigung der Um­ stände des Einzelfalles hinreichend Rechnung getragen werden, denn eine derartige Beeinträchtigung als mittelbare Folge des Unfalls ist dem Täter trotz des vorwerfbaren Fehlverhaltens nicht zurechenbar, wenn er mit solchen Aus­wir­kungen nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge und der allgemeinen ­Le­bens­erfahrung nicht zu rechnen brauchte. Dass ein dem Opfer besonders ­nahestehender, mit diesem emotional eng verbundener Lebenspartner, sei es ein Ehegatte, Verlobter oder nichtehelicher Lebensgefährte, einen Schockschaden von Krankheitswert erleidet, liegt selbst dann nicht außerhalb jeder Lebenserfahrung und ist dem Täter daher zurechenbar, wenn jener vom Unfall des Opfers „nur“ benachrichtigt wird, ohne dass er diesen selbst live miterlebt hat. Auf die rechtliche Verfestigung der Beziehung zum Opfer kommt es nicht entscheidend an, maßgeblich ist vielmehr das tatsächliche Vorliegen einer emotionalen Verbindung. Eine solche kann im Grundsatz bei Paarbeziehungen vermutet werden, allerdings trifft Verlobte und nichteheliche Lebensgefährten die Beweislast für das Bestehen der Beziehung bzw. der besonderen emotionalen Verbundenheit, die eine Zurechnung des Schockschadens rechtfertigt. Kommt nach diesen Maßstäben eine Haftung des Täters für den Schockschaden eines Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten in Betracht, kann diese jedoch 139  140 

Vgl. dazu oben Kap.  3 D.II.2.c), S. 296 ff. Vgl. dazu oben Kap.  3 D.II.2.c)(2), S. 297 ff.

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Kapitel 4:  Verlöbnis und nichteheliche Lebensgemeinschaft

analog §  846 BGB dem Umfang nach beschränkt sein, wenn er für den Unfall im Verhältnis zum unmittelbaren Opfer nur anteilig verantwortlich ist.141 4. Angehörigenschmerzensgeld Selbst wenn ein Verlobter bzw. nichtehelicher Lebensgefährte infolge eines letalen oder zu schweren Verletzungen führenden Unfalls seines Partners keinen Gesundheitsschaden mit Krankheitswert erleidet, erscheint es – nicht zuletzt im europäischen Vergleich142 – angebracht, ihm für das seelische Leid, das ihm infolge des Verlustes eines nahestehenden Menschen bzw. dessen schweren Verletzungen zuteil wird, als einem anzuerkennenden immateriellen Schaden eine angemessene Entschädigung zu gewähren.143 Bisher ist ein solches Angehörigenschmerzensgeld in Deutschland nicht vorgesehen, allerdings ist die Einführung eines solchen aus rechtspolitischer Sicht mehr als wünschenswert. Da ein dahingehender Anspruch nach hier vertretener Ansicht vorzugsweise nicht auf nahe Familienangehörige aus Statusverhältnissen beschränkt werden, sondern vielmehr an ein tatsächlich bestehendes Näheverhältnis mit besonderer emotionaler Verbundenheit anknüpfen sollte,144 wären nach der hier vorgeschlagenen Gesetzesänderung de lege ferenda auch Verlobte und nichteheliche Lebensgefährten vom Kreis der Anspruchsberechtigten erfasst.145 Der einzige Nachteil, den sie gegenüber rechtlich verfestigten Paarbeziehungen zu gewärtigen haben, besteht darin, dass ihnen auch insofern die Beweislast für das Bestehen der Beziehung bzw. eines emotionalen Näheverhältnisses obliegt, welches bei Ehe­ gatten vermutet werden kann. 5. Rettungs- und Nothilfeversuche Schließlich dürfen sich auch Verlobte und nichteheliche Lebensgefährten zu einem gefährlichen Eingreifen „herausgefordert“ bzw. veranlasst fühlen, wenn der Schädiger durch sein Verhalten einen Gefahrenzustand oder eine Lage erhöhter Verletzungsgefahr geschaffen hat, durch den bzw. die der Partner des Einschreitenden in ernsthafte Gefahr gebracht wird.146 Damit, dass ein dem Opfer besonders nahestehender Mensch Rettungs- und Nothilfeversuche startet und dabei auch eine eigene Schädigung in Kauf nimmt, muss derjenige, der eine Gefahr geschaffen hat, rechnen und sich daher auch die durch das eigene Einschreiten 141 

Vgl dazu oben Kap.  3 D.II.2.c)(3), S. 303 ff. dazu die rechtsvergleichende Umschau in Europa unter Kap.   3 D.II.2.d)(3), S. 314 ff. 143  Vgl. dazu oben Kap.  3 D.II.2.d), S. 309 ff. 144  Vgl. dazu oben Kap.  3 D.II.2.d)(6), S. 324 ff. 145 Vgl. den Vorschlag zu einer gesetzlichen Regelung oben unter Kap.   3 D.II.2.d)(7), S. 328 f. 146  Vgl. dazu oben Kap.  3 D.II.2.e), S. 329 ff. 142 Vgl.

D. Haftung eines Verlobten oder Lebensgefährten gegenüber einem Dritten

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verursachten Schäden zurechnen lassen. Das gilt freilich nur dann, wenn das selbstgefährdende oder -schädigende Eingreifen auf billigenswerte Motive des Helfers zurückzuführen ist und kein krasses Missverhältnis zwischen der vom Helfer auf sich genommenen Gefahr und dem mit der Hilfeleistung bezweckten Erfolg besteht. Im Übrigen ist die notwendige (psychisch vermittelte) Kausalität immer dann anzunehmen, wenn eine enge emotionale Verbundenheit zwischen dem Helfer und dem unmittelbaren Opfer besteht, das jenem eine besondere Motivation gibt, dem Verletzten zur Hilfe zu eilen, selbst wenn er dadurch Gefahr läuft, selbst eigene Verletzungen davon zu tragen. Auf das Bestehen eines familiären Statusverhältnisses kommt es nach der Rechtsprechung richtigerweise nicht an, so dass auch die gefühlsbasierte Zuneigung zwischen rechtlich nicht verfestigten Partnerbeziehungen als Grundlage für eine objektive Zurechnung ausreichen kann, sofern dem Helfer ein dahingehender Nachweis gelingt.

D. Haftung eines Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten gegenüber einem vom Partner geschädigten Dritten Eine Haftung eines Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten kraft familiärer oder emotionaler Verbundenheit ist heutzutage nicht mehr anzuerkennen. Schon aus historischer Sicht bestand zwischen Verlobten und nichtehelichen Lebensgefährten keine der Ehe vergleichbare Haftungseinheit, die selbst zwischen Ehegatten heute praktisch nicht mehr besteht.147 Die bei Ehegatten verbliebenden Reste einer Haftungsgemeinschaft durch die „Schlüsselgewalt“ in §  1357 BGB sind nicht mehr zeitgemäß und sollten nach hier vertretener Ansicht abgeschafft werden.148 In keinem Fall sollte die unzeitgemäße Regelung in §  1357 BGB auch noch in analoger Anwendung auf Verlobte oder nichteheliche Lebensgefährten ausgedehnt werden. Der ehemals gerechtfertigte Gedanke, dass der ausschließlich den Haushalt führende Partner nur dann seiner Aufgabe gerecht werden könne, wenn er die Rechtsmacht habe, auch den erwerbstätigen Partner zu verpflichten, trägt schon zwischen Ehegatten nicht mehr, seit §  1357 BGB von der eheinternen Funktionsteilung nach §  1356 BGB gelöst wurde und an die Stelle der klassischen Hausfrauenehe immer mehr die Doppelverdienerehe tritt. Wenn der der Norm zugrundeliegende Gedanke schon für die unmittelbar geregelte Konstellation im Ehegattenverhältnis nicht mehr tragfähig ist, kann er erst recht nicht auf andere (rechtlich nicht verfestigte) Paarbeziehun­ gen übertragen werden, in denen der Gedanke noch weniger zutrifft. Es fehlt daher an der für eine Analogie erforderlichen vergleichbaren Interessenlage. 147 

148 

Vgl. dazu die Ausführungen oben unter Kap.  3 E.I., S. 333 ff. Vgl. dazu oben Kap.  3 E.II., S. 345 ff.

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Kapitel 4:  Verlöbnis und nichteheliche Lebensgemeinschaft

Die Problematik der Haftung aus ausgenutzter familiärer Solidarität trifft indes auf Verlobte und nichteheliche Lebensgefährten in gleichem Umfang zu wie auf Ehegatten.149 Kreditgeber nutzen in solchen Fällen gerade die faktisch bestehende emotionale Verbundenheit aus, um einen nahen Angehörigen des Kreditnehmers zur „freiwilligen“ Übernahme einer Mithaftung in der Form einer Bürgschaft oder eines Schuldbeitritts zu bewegen. Das emotionale Näheverhältnis zwischen dem Hauptschuldner und dem Mithaftenden ist in diesen Konstellationen zwar nicht haftungsbegründend, aber häufig ausschlaggebendes Motiv für die Übernahme der Mithaftung, weil sich Angehörige nicht selten aus moralischen Gründen dazu „verpflichtet“ fühlen, dem in finanziellen Schwierigkeiten befindlichen Hauptschuldner zu helfen. In vielen Fällen übersteigt die übernommene Haftung die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Angehörigen bei weitem.150 Daher kann ungeachtet des auch hier geltenden Grundsatzes der Vertragsfreiheit eine Gesamtwürdigung aller objektiven und subjektiven Umstände bei Vertragsschluss ergeben, dass die Übernahme der Mithaftung durch einen Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten des Hauptschuldners gegen die guten Sitten verstößt und daher nach §  138 BGB nichtig ist.151 Zum geschützten Personenkreis gehören anerkanntermaßen auch Verlobte152 und nichteheliche Lebensgefährten.153 Hier ist die Übernahme einer Mithaftung, die zu einer finanziell krassen Überforderung des Angehörigen führt, nicht selten die Folge der Ausnutzung einer seelischen Zwangslage, die das Verdikt der Sittenwidrigkeit rechtfertigt. Wird ein Verlobter oder nichtehelicher Lebensgefährte zur Übernahme einer Haftung sogar widerrechtlich durch Drohung (in der Praxis insbesondere mit der Erstattung einer Strafanzeige gegen einen Angehörigen) veranlasst, so kann er seine haftungsbegründende Willenserklärung nach §  123 BGB anfechten.154 Regelmäßig wird man in diesen Fällen schon die Ausnutzung der Hilfsbereitschaft, die auf die enge emotionale Verbundenheit zwischen dem Straftäter und seinem Partner zurückzuführen ist, als besonders verwerflich und daher widerrechtlich ansehen müssen.155 In einigen Fällen ist die „freiwillig“ begründete Haftung eines Verlobten oder nichtehelichen Lebensgefährten für ein Verschulden des Partners gegenüber dem geschädigten Dritten daher wertlos, weil der zugrundeliegende Vertrag entweder nach §  138 BGB nichtig oder nach §  123 BGB anfechtbar ist. 149 

Vgl. dazu oben Kap.  3 E.III.1., S. 350 f. Vgl. dazu oben Kap.  3 E.III.1., S. 350 f. 151  Vgl. dazu oben Kap.  3 E.III.2., S. 351 ff. 152  BGH v. 18.9.1997 – IX ZR 283/96, NJW 1997, 3372 (3373). 153  BGH v. 19.2.2013 – XI ZR 82/11, NJW 2013, 1534; BGH v. 16.6.2009 – XI ZR 539/07, NJW 2009, 2671 (2672); BGH v. 4.12.2001 – XI ZR 56/01, NJW 2002, 744; BGH v. 27.1.2000 – IX ZR 198/98, NJW 2000, 1182; BGH v. 23.1.1997 – IX ZR 55/96, NJW 1997, 1005. 154  Vgl. dazu oben Kap.  3 E.III.3., S. 354 ff. 155  Vgl. dazu oben Kap.  3 E.III.3., S. 355. 150 

Kapitel 5

Gemeinsame Elternschaft A. Einführung Auch zwischen Eltern eines gemeinsamen Kindes stellen sich, unabhängig davon, ob die Eltern miteinander verheiratet sind oder nicht, im Innenverhältnis ähnliche Haftungsfragen wie in den bereits besprochenen familienrechtlichen Verhältnissen. Sind die Eltern verheiratet, aber getrenntlebend, so gelten die folgenden Ausführungen zusätzlich zu den in Kapitel 3 gefundenen Ergebnissen. In der Praxis stellen sich im Rechtsverhältnis zwischen den Eltern eines gemeinsamen Kindes vor allem in Bezug auf das Umgangsrecht haftungsrechtliche Fragen, wenn der sorgeberechtigte Elternteil die Umgangskontakte vereitelt oder beeinträchtigt (dazu unter B.). Das gilt seit kurzem auch im Verhältnis zum leiblichen, nicht rechtlichen Vater, der unter den Voraussetzungen des §  1686a BGB ebenfalls ein Umgangsrecht haben kann.1 Neben der Möglichkeit einer deliktischen Haftung des das Umgangsrecht des anderen beeinträchtigenden Elternteils, wird auch hier die Anerkennung einer schuldrechtlichen Haftung kraft Sonderverbindung nach §  280 Abs.  1 BGB relevant, insbesondere soweit schuldhafte Verletzungen der Wohlverhaltenspflicht aus §  1684 Abs.  2 S.   1 BGB in Rede stehen. Die Anknüpfung an schuldrechtliche Pflichten, ­ins­besondere Rücksichtnahmepflichten, statt an das absolut geschützte Um­gangs- oder Sorgerecht wirkt sich nicht nur bei der Beweislast hinsichtlich des Verschuldens (§  280 Abs.  1 S.  2 BGB), sondern auch beim Umfang des Ersatzanspruchs aus (dazu unter B.IV.). Umgekehrt können aber auch dem sorgeberechtigten Elternteil finanzielle Schäden entstehen, wenn der Umgangsberechtigte entgegen einer gerichtlichen Umgangsregelung oder Umgangsvereinbarung einen Umgangstermin (schuldhaft) nicht einhält und der Sorgeberechtigte deshalb wegen anderweitiger Planungen kurzfristig eine Kinderbetreuung organisieren oder die eigenen Pläne umstellen muss (dazu unter C.). Nicht näher eingegangen wird im Folgenden auf die selbstverständliche Haftung im Fall der schuldhaften Verletzung etwaiger Unterhaltspflichten zwischen Eltern aus §  1360, §  1361, §  1570 oder §  1615l BGB. Gerade mit letzterer Vorschrift bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass auch Beziehungen, die nicht auf Kooperation angelegt sind, gesetzliche Unterhaltspflichten zur Folge 1 

Vgl. BGH v. 5.10.2016 – XII ZB 280/15, NJW 2017, 160.

400

Kapitel 5:  Gemeinsame Elternschaft

haben können, wenn daraus ein Kind hervorgeht. Aus dieser punktuellen Vorschrift darf jedoch keineswegs abgeleitet werden, dass damit für reine Sexual­ beziehungen, die nicht auf längere Zeit angelegt sind, eine abschließende gesetzliche Regelung geschaffen wurde, die darüber hinausgehende schuldrechtliche Pflichten ausschließt. – Verzichtet wird außerdem auf eine Erörterung der Haftung im Außenverhältnis: Im Einzelfall mögen zwar die Grundsätze zur Haftung im Außenverhältnis bei Verlobten im Hinblick auf mittelbare Schäden (§§  844 Abs.  1, 846 BGB), Schockschäden, Angehörigenschmerzensgeld oder Schäden aus Rettungs- und Nothilfeversuchen auch auf Eltern eines gemeinsamen Kindes übertragbar sein, sofern – was selten der Fall sein wird – zwischen ihnen ein vergleichbares emotionales Näheverhältnis besteht, für das gegebenenfalls der Anspruchsteller die Beweislast trägt; insofern kann jedoch auf die entsprechenden Ausführungen in Kapitel 4 verwiesen werden.2 Ein Haftung eines Elternteils für den anderen gegenüber einem Dritten aus ausgenutzter familiärer Solidarität wird in der Praxis ebenfalls kaum eine Rolle spielen, aber auch insofern können die obigen Ausführungen etwa dann entsprechend gelten,3 wenn die Eltern ein gutes, sich gegenseitig aushelfendes Verhältnis zuein­ ander pflegen, ohne in einer verfestigten (nichtehelichen) Beziehung zu leben.

B. Haftung bei schuldhafter Beeinträchtigung des Umgangsrechts I. Überblick In der Praxis betreffen ein beträchtlicher Teil der Streitfälle zwischen Eltern eines gemeinsamen Kindes die rechtliche Bewertung und Sanktionierung von Verletzungen des Umgangsrechts. Wird das Kind dem Umgangsberechtigten vom sorgeberechtigten Elternteil ungerechtfertigt vorenthalten oder derart auf das Kind eingewirkt, dass es von sich aus den Umgang ablehnt, kann der immaterielle Schaden durch die verlorene gemeinsame Zeit mit dem Kind im Nachhinein durch nichts ausgeglichen werden; ein Ersatzanspruch besteht nicht (vgl. §  253 Abs.  2 BGB).4 Solche Beeinträchtigungen, die für den Betroffenen subjektiv oft sehr viel gravierender sind als finanzielle Verluste, kann das Recht nicht wiedergutmachen; hier stößt es an seine Grenzen. Sofern dem Umgangsberechtigten allerdings auch vermögensrechtliche Schäden entstehen, weil er Aufwendungen getätigt hat, die durch die Verletzung seines Umgangsrechts vergeblich waren, kommen insofern Schadensersatzansprüche zwischen den Elternteilen in Betracht, die sich sowohl auf deliktische als auch allgemein schuldrechtliche Anspruchsgrundlagen stützen lassen. 2 

Vgl. dazu Kap.  4 C.II., S. 393 ff. Vgl. dazu Kap.  4 D., S. 397 ff. 4 Ebenso Hohloch, FF 2004, 202 (207). 3 

B. Haftung bei schuldhafter Beeinträchtigung des Umgangsrechts

401

II. Deliktische Haftung Für das Umgangsrecht ist ebenso wie für die elterliche Sorge heute weitgehend anerkannt, dass es sich um ein absolut geschütztes sonstiges Recht im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB handelt.5 Aus den Regelungen in den §§  1626 Abs.  3, 1684 BGB ergeben sich klare Abwehrbefugnisse des Umgangsberechtigten gegenüber jedem Dritten,6 die der Ausschlussfunktion eines absoluten Rechts entsprechen.7 Im Grundsatz gilt das auch gegenüber dem anderen Elternteil, der selbst sorge- oder umgangsberechtigt ist.8 Das Umgangsrecht ist unabhängig von der elterlichen Sorge und nicht etwa nur „Restbestand“ derselben; 9 es begründet zwar keinen „Anspruch“ des einen Elternteils gegen den anderen auf „Gewährung“ des Umgangs, aber es ist ein allseitig wirkendes Elternrecht,10 das durch Art.  6 Abs.  2 GG verfassungsrechtlichen Schutz genießt.11 „Es ermöglicht dem umgangsberechtigten Elternteil, sich von dem körperlichen und geistigen Befinden des Kindes und seiner Entwicklung fortlaufend persönlich zu überzeugen, die verwandtschaftlichen Beziehungen zu ihm aufrechtzuerhalten, einer Entfremdung vorzubeugen und dem Liebesbedürfnis Rechnung zu tragen.“12 Da der verfassungsrechtliche Schutz jedoch das Sorge- bzw. Umgangsrecht jedes Elternteils erfasst, stoßen zwei gleichgerichtete Gewährleis5 RG v. 13.7.1933 – IV 138/33, RGZ 141, 319 (320); BGH v. 11.2.1999 – 4 StR 594/98, NJW 1999, 1344 f. (im Zusammenhang mit dem Schutz nach §  235 StGB); OLG Frankfurt v. 29.4.2005 – 1 UF 64/05, NJW-RR 2005, 1339; OLG Karlsruhe v. 21.12.2001 – 5 UF 78/01, FamRZ 2002, 1056; AG Essen v. 5.6.2007 – 18 C 216/04, FamRZ 2008, 717; AG Essen v. 24.2.2003 – 18 C 128/02, NJW 2003, 2247; Jauernig/Budzikiewicz, Anm. zu §§  1684, 1685 Rn.  1; Erman/Döll, §  1684 Rn.  4 ; Finger, FuR 2006, 299 (305 f.); BeckOK-BGB/Förster, §  823 Rn.  169; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  66 Rn.  3 ; Palandt/Götz, §  1684 Rn.  39; MüKoBGB/Hennemann, §  1684 Rn.  83; Hohloch, FF 2004, 202 (204 f.); Muscheler, Familienrecht, Rn.  6 49; Rauscher, FamR, Rn.  1098; Staudinger/Rauscher, §  1684 Rn.  25; Soergel/Spickhoff, §   823 Rn.   109; Palandt/Sprau, §   823 Rn.   17; BeckOK-BGB11.2011/Veit, §  1684 Rn.  5 ; ­MüKoBGB/Wagner, §  823 Rn.  233. Offengelassen von BGH v. 19.6.2002 – XII ZR 173/00, NJW 2002, 2566; AG Bremen v. 14.8.2007 – 8 C 90/07, FamRZ 2008, 1369. 6  In §  1684 Abs.  3 BGB wird – ebenso wie für das Sorgerecht in §  1632 Abs.  2 BGB – ausdrücklich erwähnt, dass das Umgangsrecht auch gegenüber Dritten Wirkungen entfaltet. 7 Zu den Charakteristika eines „sonstigen Rechts“ i.  S. v. §  823 Abs.  1 BGB vgl. oben Kap.  3 B.IV.2., S. 96 ff. 8  Rauscher, FamR, Rn.  1098. 9  Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  66 Rn.  2 ; Rauscher, FamR, Rn.  1097. 10 Richtig Schwab, FamRZ 2002, 1297. 11  St. Rspr., vgl. nur BVerfG v. 25.4.2015 – 1 BvR 3326/14, NJW 2015, 2561; BVerfG v. 13.12.2012 – 1 BvR 1766/12, FamRZ 2013, 433; BGH v. 4.6.2014 – XII ZB 353/13, NJW-RR 2014, 1030; BGH v. 21.10.1964 – IV ZB 338/64, BGHZ 42, 364 (370). Gernhuber/Coester-­ Waltjen, Familienrecht, §  66 Rn.  2 ; Palandt/Götz, §  1684 Rn.  2 ; Rauscher, FamR, Rn.  1097; Staudinger/Rauscher, §  1684 Rn.  18 ff. Außerdem ist das Umgangsrecht als Teil des Rechts auf Achtung des Familienlebens durch Art.  8 EMRK geschützt, vgl. EGMR v. 10.11.2005 – 40324/98, NJW 2006, 2241. 12  BVerfG v. 25.4.2015 – 1 BvR 3326/14, NJW 2015, 2561; BVerfG v. 13.12.2012 – 1 BvR 1766/12, FamRZ 2013, 433; BVerfG v. 15.6.1971 – 1 BvR 192/70, NJW 1971, 1447 (1448).

402

Kapitel 5:  Gemeinsame Elternschaft

tungen aufeinander, die sich gegenseitig durch Pflichtbindung einschränken.13 Insbesondere folgt aus Art.  6 Abs.  2 GG und der dazu bisher ergangenen Rechtsprechung des BVerfG nicht, dass die materiell-rechtliche Ausgestaltung der Rechte und Pflichten getrennt lebender Eltern eine paritätische Betreuung als Regel vorsehen und eine abweichende gerichtliche Regelung als Ausnahme ausgestalten müsste.14 Demnach ist der sorgeberechtigte Elternteil, der generell das Aufenthalts- und Umgangsbestimmungsrecht innehat, dem Umgangsberechtigten gegenüber durch Pflichtbindung eingeschränkt15 und umgekehrt. Soweit jedoch das Umgangsrecht trotz dieser Beschränkung reicht, kommt auch ein rechtswidriger Eingriff in Form einer unerlaubten Handlung durch den anderen Elternteil in Betracht. Der beeinträchtigte Umgangsberechtigte trägt freilich die Beweislast für die Rechtsgutsverletzung sowie das Verschulden des anderen Elternteils; gerade letzteres kann in der Praxis erhebliche Schwierigkeiten bereiten, insbesondere wenn der Sorgeberechtigte den Umgang mit vorgeschobenen (nicht nachprüfbaren), das Kind betreffenden Gründen (z. B. wegen eines entgegenstehenden Willens, Unwohlseins oder einer sonstigen behaupteten Krankheit des Kindes) verweigert.

III. Haftung kraft schuldrechtlicher Sonderverbindung 1. Gemeinsame Elternschaft als schuldrechtliche Sonderverbindung? a) Allgemeine Voraussetzungen Entgegen manchen Stimmen in der Literatur besteht auch zwischen Eltern, unabhängig davon, ob sie verheiratet oder verlobt sind, in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft oder getrennt leben, ein Schuldverhältnis. Das folgt regelmäßig schon daraus, dass der das Kind betreuende Elternteil einen Anspruch gegen den anderen auf Betreuungsunterhalt nach §  1360 BGB,16 §  1361 BGB, §  1570 BGB oder §  1615l BGB hat, und außerdem jeder Elternteil gemäß §  1686 BGB bei berechtigtem Interesse vom anderen Elternteil Auskunft über die persönlichen Verhältnisse des Kindes verlangen kann, soweit dies dem Wohl des Kindes nicht widerspricht. Schon aufgrund dieser primären Leistungspflichten, mit denen ein positiver Zweck verfolgt wird und deren Erfüllung vom Begünstigten (bei Fehlen etwaiger Einreden) aufgrund eines mit der Schuld korrespondieren13  Vgl. BVerfG v. 13.12.2012 – 1 BvR 1766/12, FamRZ 2013, 433 m. w. N.: „Die Gerichte müssen sich daher im Einzelfall um eine Konkordanz der verschiedenen Grundrechte bemühen.“; BGH v. 21.10.1964 – IV ZB 338/64, BGHZ 42, 364 (370); Rauscher, FamR, Rn.  1103; Staudinger/Rauscher, §  1684 Rn.  63. 14  BVerfG v. 24.6.2015 – 1 BvR 486/14, NJW 2015, 3366. 15  Schwab, FamRZ 2002, 1297, bei und in Fn.  2. 16  Die gegenseitige Pflicht von Ehegatten, zum Familienunterhalt beizutragen, erstreckt sich gemäß §  1360a Abs.  1 BGB auch auf den Lebensbedarf der Kinder.

B. Haftung bei schuldhafter Beeinträchtigung des Umgangsrechts

403

den Anspruchs eingefordert werden kann (§  241 Abs.  1 BGB), ist das Rechtsverhältnis zwischen zwei Elternteilen als Schuldverhältnis zu qualifizieren.17 Das gilt nicht nur zwischen den rechtlichen Eltern eines Kindes, sondern auch zwischen jedem rechtlichen Elternteil und dem leiblichen, nicht rechtlichen Vater des Kindes, sofern dieser nach Maßgabe von §  1686a Abs.  1 Nr.  2 BGB von jedem Elternteil Auskunft verlangen kann. Ist er gemäß §  1686a Abs.  1 Nr.  1 BGB auch zum Umgang mit dem Kind berechtigt, gilt §  1684 Abs.  2 bis 4 BGB entsprechend (§  1686a Abs.  2 S.  1 BGB), wonach die rechtlichen Eltern alles zu unterlassen haben, was das Verhältnis des Kindes zum leiblichen Vater beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert.18 Die folgenden Ausführungen konzentrieren sich dennoch auf das praxisrelevantere Verhältnis zwischen den rechtlichen Eltern, lassen sich aber auf das Verhältnis zum leiblichen Vater übertragen. Abgesehen von den genannten Leistungspflichten ist außerdem zu beachten, dass die Eltern auf die (absoluten) Rechte, seien es Sorge- oder Umgangsrechte, des jeweils anderen erhöhte Einwirkungs- und in Bezug auf die eigenen Rechte nur beschränkte Verteidigungsmöglichkeiten haben, weil jeder einerseits das Recht des anderen zum Umgang mit dem Kind respektieren muss, andererseits dieses Recht durch widerrechtliche Vorenthaltung des Kindes leicht beeinträchtigen kann. Schon deshalb stehen die Eltern jedenfalls vermittelt über das gemeinsame Kind zueinander in einer persönlichen Sonderverbindung, die nicht erst durch eine Umgangsrechtsvereinbarung oder eine gerichtliche Umgangs­ regelung entsteht,19 und ein besonderes (rechtlich anerkennenswertes) Schutzbedürfnis zwischen den Beteiligten begründet. Dieses wird in dieser Konstellation noch dadurch verstärkt, dass häufig an ein vertrauensvolles Miteinander der Elternteile nicht (mehr) zu denken ist. Nach einer Trennung der ehemaligen Ehegatten oder nichtehelichen Lebensgefährten gehört das einstige Vertrauensverhältnis oft der Vergangenheit an. Daher bedarf es umso mehr gesetzlicher Verhaltensgebote, um die rechtlich schutzwürdigen Interessen und Rechtspositionen jedes Elternteils auch und gerade im – nicht selten „vergifteten“ – Verhältnis zum anderen zu gewährleisten. All dem trägt die Annahme eines Schuldverhältnisses zwischen den Eltern eines gemeinsamen Kindes Rechnung, das mit seinen allgemeinen Rücksichtnahmepflichten im Sinne von §  241 Abs.  2 BGB (neben den genannten Primärleistungspflichten) und einer gegebenenfalls daran anknüpfenden Haftung nach §  280 Abs.  1 BGB für einen gerechten In­ teressenausgleich zwischen den beteiligten Eltern sorgen kann.

17 

Vgl. dazu oben Kap.  2 B.II.2., S. 55 f. Die Ausführungen unter Kap.  5 B.III.2.a), S. 408 ff., gelten daher ebenfalls entsprechend. 19  So etwa Hohloch, FF 2004, 202 (206). Eine gerichtliche Umgangsregelung oder Umgangsvereinbarung konkretisiert „lediglich“ die gegenseitigen Rechte und Pflichten der am Schuldverhältnis Beteiligten. 18 

404

Kapitel 5:  Gemeinsame Elternschaft

Letztlich entspricht dies auch der Ansicht des BGH 20 , der in seiner Entscheidung aus dem Jahr 2002 zwischen den Eltern eines gemeinsamen Kindes ein „gesetzliches Rechtsverhältnis familienrechtlicher Art“ angenommen hat, das durch §  1684 Abs.  2 S.  1 BGB näher ausgestaltet werde und einer Haftung nach Maßgabe „der zur positiven Forderungsverletzung entwickelten Grundsätze“ zugrunde liegen könne.21 Letzteres wird man wohl als Befürwortung einer analogen Anwendung von §  280 Abs.  1 BGB verstehen dürfen.22 Das an dieser Umschreibung erkennbar werdende Unbehagen, familienrechtliche Rechtsverhältnisse als ganz „normale“ Schuldverhältnisse zu bezeichnen, die Gegenstand einer unmittelbaren Haftung nach §  280 Abs.  1 BGB sein können,23 ist ebenso unbegründet wie die im Schrifttum an der BGH-Entscheidung geäußerte Kritik, 24 die wohl auf die Fehlvorstellung zurückzuführen ist, dass Schuldverhältnisse allein Kategorien des Vermögensrechts wären. Auch ohne primäre (vermögensrechtliche) Leistungspflichten kann ein (gesetzliches) Schuldverhältnis existieren, wenn im relativen Verhältnis der Beteiligten ein besonderes Schutzbedürfnis besteht, das aufgrund erhöhter Einwirkungs- und beschränkter Verteidigungsmöglichkeiten gesetzliche Verhaltensvorschriften in Form von schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflichten rechtfertigt. b) Qualifikation als „mittreuhänderisches“ Schuldverhältnis Die jüngst in der Literatur von Preisner vorgeschlagene zusätzliche Qualifikation als „mittreuhänderisches“ Schuldverhältnis führt hingegen in der Sache nicht weiter.25 Preisner geht davon aus, dass das Verhältnis zweier Eltern ein Dauerschuldverhältnis im Interesse und zum Wohl des Kindes sei, das der „fremdnützigen Interessenwahrnehmung“ diene.26 Sie will daher als dogmatische Grundlage für dieses Schuldverhältnis – im Anschluss an Martin Löhnig 27 – das Treuhandverhältnis fruchtbar machen. Das zwischen den Eltern bestehende Schuld­verhältnis diene dazu, „die den Eltern gemeinsam zukommende elterliche ­Treuhänder­funktion zu konkretisieren und zu effektivieren“ bzw. „die Funk­tionsfähigkeit 20  BGH v. 19.6.2002 – XII ZR 173/00, NJW 2002, 2566; zustimmend Henrich, JZ 2003, 49; Hohloch, FF 2004, 202; Hohloch, LM 2002, §  1634 BGB Nr.  14; Löhnig, JA 2003, 102; Rakete-Dombek, FF 2002, 210; Weychardt, FamRZ 2003, 927. 21 Vgl. dazu schon oben Kap.   2 B.III.1.c)(1), S. 60 ff., und noch unten Kap.  5 B.III.2.a), S. 412 f. 22  Henrich, JZ 2003, 49. 23  So nunmehr auch OLG Köln v. 4.7.2014 – 4 UF 22/13, FamRZ 2015, 151. 24  Vgl. dazu ausführlich oben Kap.  2 B.III.1.c)(1)(b) und (c), S. 61 f., 62 ff. 25  Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, S.  253 ff., 277 ff. 26  Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, S.  266 ff. 27  Löhnig, Treuhand, passim.

B. Haftung bei schuldhafter Beeinträchtigung des Umgangsrechts

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der zwischen dem Kind und seinen beiden Elternteilen jeweils bestehenden ­treuhänderischen Schuldverhältnisse“ abzusichern.28 Inhaltlich folge aus dem mittreuhänderischen Schuldverhältnis zwischen den Eltern die Primärpflicht zur umfassenden Kooperation bei der Ausübung der gemeinsamen Sorge bzw. bei der Gestaltung der Umgangsbeziehung, wobei die „konkreten situativen treuhänderischen Einzelpflichten (…) im Wege der Kooperation unter Achtung des Kindeswohls jeweils zu ermitteln“ bzw. „immer wieder situationsangemessen von den Beteiligten zu konkretisieren“ sein sollen.29 Aus einer Verletzung der Kooperationspflicht soll indes in der Regel kein Anspruch auf Schadensersatz und Beseitigung im Wege der Naturalrestitution resultieren, vielmehr werde „der neue Status quo selbst wieder zum Ausgangspunkt und zur Grundlage, auf der die Pflicht zur Kooperation zu konkretisieren“ sei.30 Neben der Pflicht zur Kooperation und Koordination bei der Erziehung und der Wahrnehmung des Sorge- und Umgangsrechts bestehe die Pflicht zur gegenseitigen Rücksichtnahme sowie zur Überwachung des anderen Elternteils.31 Hinsichtlich der Konkretisierung der Pflichten verweist Preisner immer wieder auf den Einzelfall und überlässt diese den beteiligten Eltern. Zu Recht hat Roth darauf hinge­ wiesen, dass schon dies auf praktische Schwierigkeiten hindeute: „Da die verschiedenen Primärleistungspflichten, wie etwa die Pflicht zur Kooperation und Koordination oder zur Einigung im Interesse des Kindes, einklagbar und voll­ streckbar sein sollen, fragt sich der Leser, wie in solchen Fällen ein Klageantrag lauten müsste. Ab welchem Punkt ist eine rechtswidrige Pflichtverletzung gegeben, die ein Ordnungsgeld zur Vollstreckung rechtfertigt (d. h. wie weit muss ein Elternteil kooperieren)?“32 Abgesehen davon, dass die Annahme einer unkonkretisierten Kooperationspflicht zu unbestimmt und wage erscheint, widerspricht die Auffassung, dass eine Verletzung der (angenommenen) Kooperationspflicht lediglich den „Status quo“ ändere und in der Folge auch noch den anderen Elternteil verpflichte, angesichts der neuen Lage ein neues Einvernehmen über die jeweilige Wahrnehmung der Sorge- bzw. Umgangsrechte herzustellen, jedem Rechtsempfinden und erst recht einer Qualifikation der „Kooperationspflicht“ als echter Rechtspflicht. Eine solche zeichnet sich durch einen unbedingten Geltungsanspruch bzw. eine Verbindlichkeit aus, der bzw. die im Regelfall durch die Existenz rechtlicher Sanktionen im Falle eines Normverstoßes zum Ausdruck kommt. Daran fehlt es nach den Ausführungen von Preisner 28  Preisner, Das gesetzliche ternschaft, S.  282. 29  Preisner, Das gesetzliche ternschaft, S.  283. 30  Preisner, Das gesetzliche ternschaft, S.  283. 31  Preisner, Das gesetzliche ternschaft, S.  290, 291. 32  Roth, FamRZ 2015, 20.

mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elmittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elmittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elmittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer El-

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gänzlich, zumal sie den beteiligten Eltern die Bestimmung des konkreten Pflichtengehalts und der konkreten Berechtigung überlassen will. Hinzu kommt, dass sich aus der Qualifikation des Rechtsverhältnisses zwischen zwei Elternteilen als „mittreuhänderisches“ Schuldverhältnis nichts für das Innenverhältnis der beiden Eltern ableiten lässt. Auch Preisner geht davon aus, dass ein Treuhandverhältnis an sich nur im Eltern-Kind-Verhältnis als den „treuhänderischen Grundverhältnissen“ besteht. Im Verfassungsrecht ist es seit langem anerkannt, dass die durch Art.  6 Abs.  2 S.  1 GG gewährleistete elterliche Verantwortung treuhänderische Züge aufweist,33 „[d]enn die Freiheit, die den Eltern bei der Erziehung ihrer Kinder verbürgt ist, ist keine Freiheit im Sinne einer Selbstbestimmung, keine Freiheit zur Beliebigkeit, sondern Freiheit im Dienste und zum Nutzen des Kindes, also im echten Sinne anvertraute, treuhänderische Freiheit.“34 Es verwundert daher nicht, dass die einfachrechtliche Ausgestaltung und Umsetzung der elterlichen Verantwortung für das Kind den treuhänderischen Charakter des Sorge- und Umgangsrechts als „Pflichtrecht“ (besser: pflichtgebundenes Recht) widerspiegelt, ja widerspiegeln muss.35 Auch wenn man die Eltern als Mittreuhänder ansieht, was durchaus zutrifft, so lassen sich aus dieser Stellung keine Rechtspflichten im Innenverhältnis der Mittreuhänder ableiten. Die Pflicht, zum Wohle und im Interesse des Kindes zu handeln und sich dazu gegebenenfalls mit einem weiteren sorge- oder umgangsberechtigten Elternteil abzustimmen bzw. mit diesem zu kooperieren, folgt allein aus dem treuhänderischen Eltern-Kind-Verhältnis, ist aber keine Pflicht gegenüber dem anderen Elternteil. Kooperiert ein Elternteil nicht und wirkt sich dies zum Nachteil des Kindes aus, so verletzt er seine Pflicht gegenüber dem Kind, aber auch nur diese.36 Dementsprechend können in einem solchen Fall rechtliche Sanktionen drohen, die sich auf seine Stellung und seine Rechte gegenüber dem Kind auswirken, indem eine gerichtliche Übertragung der Einzelfallentscheidungsbefugnis nach §  1628 BGB auf den anderen Elternteil bis hin zum Sorgerechtsentzug bzw. einer Übertragung der Alleinsorge (§§  1666 f., 33  Vgl. BVerfG v. 5.12.2008 – 1 BvR 576/07, NJW 2009, 663 (664); BVerfG v. 3.11.2005 – 1 BvR 691/03, NJW 2006, 1414 (1415); BVerfG v. 16.1.2003 – 2 BvR 716/01, NJW 2003, 2004 (2006); BVerfG v. 7.5.1991 – 1 BvL 32/88, NJW 1991, 1944 (1945); BVerfG v. 31.5.1983 – 1 BvL 11/80, NJW 1983, 2491; BVerfG v. 3.11.1982 – 1 BvL 25/80 (u. a.), NJW 1983, 101; BVerfG v. 9.2.1982 – 1 BvR 845/79, NJW 1982, 1375 (1376, 1377 m. w. N.). 34  Ossenbühl, FamRZ 1977, 533. 35  Dies übersieht Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, S.  254, wenn sie schreibt, dass es sich beim Verständnis von Art.  6 Abs.  2 GG „um eine [rein] grundrechtsdogmatische Qualifizierung, nicht um die Beurteilung eines Sachverhaltes nach einfachgesetzlichem Privatrecht (handelt)“, sich jedoch wegen der Vergleichbarkeit der Sachverhalte in funktionaler Hinsicht „die Frage (stellt), ob die Treuhand nicht auch im Privatrecht geeignet ist, die einfachgesetzliche elterliche Verantwortung rechtlich abzubilden und zu ihrem Verständnis und ihrer dogmatischen Durchdringung weiter beizutragen.“ 36  So richtig Schwab, FamRZ 2002, 1297 (1299).

B. Haftung bei schuldhafter Beeinträchtigung des Umgangsrechts

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1671, 1680 Abs.  3 BGB) erfolgen kann.37 Die Konsequenzen einer Pflichtverletzung treffen also allein das Eltern-Kind-Verhältnis. Die rechtliche Position der beiden Eltern als Mittreuhänder begründet mithin keine Primärleistungspflichten zwischen den Eltern. Erst recht lässt sich keine „Akzessorietät zu den treuhänderischen Grundverhältnissen“ begründen.38 Echte Rechtspflichten zwischen den beiden Eltern folgen vielmehr allein aus dem – von der Mittreuhänderstellung unabhängigen – Schuldverhältnis, und gehen weit darüber hinaus, dass beide Eltern – ihrer fremdnützigen Interessenwahrungspflicht im Eltern-Kind-Verhältnis entsprechend – einzig und allein zum Wohl des Kindes agieren dürfen.39 Verweigert beispielsweise der sorgeberechtigte Elternteil dem anderen Elternteil das Umgangsrecht entgegen den Vorgaben einer gerichtlichen Umgangsregelung, weil es seines Erachtens dem Wohl des Kindes nicht mehr entspricht, handelt er – obwohl er im Interesse und zum Wohl des Kindes handelt oder jedenfalls handeln will – pflichtwidrig gegenüber dem Umgangsberechtigten (näher dazu sogleich), und diese Pflichtwidrigkeit lässt sich nicht aus der (mit-)treuhänderischen Natur des Schuldverhältnisses zwischen den Eltern erklären. Welche Rechtspflichten zwischen Eltern aus haftungsrechtlicher Sicht bedeutsam sind, soll im Folgenden untersucht werden. 2. Schuldrechtliche Rechtspflichten Abgesehen von den schon angesprochenen Primärleistungspflichten, die auf Gewährung von Betreuungsunterhalt und Auskunftserteilung gerichtet sind, ist aus haftungsrechtlicher Sicht auch diesem familienrechtlichen Verhältnis vor allem die allgemeine Rücksichtnahmepflicht aus §  241 Abs.  2 BGB interessant,40 die für das Elternverhältnis in §  1684 Abs.  2 BGB eine Konkretisierung erfahren hat. Bei schuldhafter Verletzung dieser Pflicht ergibt sich eine Haftung aus §  280 Abs.  1 BGB, die nicht nur wegen der Beweislastumkehr in §  280 Abs.  1 S.  2 BGB, sondern auch wegen der Zurechnungsnorm in §  278 BGB betreffend das Verschulden Dritter gegenüber der deliktischen Haftung einen Vorteil bringt.41 37 Auch Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, S.  295, beruft sich (überraschenderweise) auf diese Sanktionen. 38 So Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, S.  277. 39 So jedoch Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, S.  277 ff., 282 („der Inhalt des Schuldverhältnisses besteht in der Wahrung des Kindeswohls“), 289 ff. 40 Auch Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, S.  283, 291 mit Fn.  72, erkennt diese Neben- und Schutzpflichten an, beschränkt diese jedoch unzutreffend auf den durch die Mittreuhänderschaft abgesteckten Verantwortungsbereich. 41  Skeptisch indes Rauscher, FamR, Rn.  1098.

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Kapitel 5:  Gemeinsame Elternschaft

Außerdem wird auf den richterrechtlich entwickelten familienrechtlichen Ausgleichsanspruch näher einzugehen sein, der ebenfalls einem Elternteil gegen den anderen zusteht. a) §  1684 Abs.  2 BGB als lex specialis zu §  241 Abs.  2 BGB Jeder Elternteil ist gemäß §  1684 Abs.  1 Hs.  2 BGB zum Umgang mit dem Kind verpflichtet und berechtigt. Man spricht insofern von einem Pflichtrecht als einem pflichtgebundenen Recht, das wie die elterliche Sorge dem Kindeswohl gewidmet ist.42 Damit soll die Selbstverständlichkeit zum Ausdruck gebracht werden, dass nicht etwas das Kind Objekt des elterlichen Rechts ist, sondern sein Wohl der Maßstab für dessen Ausübung.43 Obwohl beide Eltern schon deshalb im Verhältnis zueinander das Umgangsrecht des Kindes mit dem jeweils anderen zu respektieren und zu ermöglichen haben,44 folgt aus dem das Eltern-Kind-Verhältnis betreffenden Umgangsrecht kein Anspruch des einen gegen den anderen Elternteil auf „Gewährung“ des Umgangs. Allerdings bestimmt §  1684 Abs.  2 S.  1 BGB, dass die Eltern alles zu unterlassen haben, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert; erst recht darf das Umgangsrecht des anderen Elternteils nicht vollständig vereitelt werden. Sofern die Eltern eine Umgangsvereinbarung getroffen haben oder eine gerichtliche Umgangsentscheidung (vgl. §  1684 Abs.  3 S.  1 BGB) 45 existiert, wird das Umgangsrecht jedes Elternteils dadurch konkretisiert und insbesondere jeder Elternteil daran gebunden. In einem solchen Fall kann laut BGH eine Verletzung des Umgangsrechts durch den sorgeberechtigten Elternteil nicht schon deshalb abgelehnt werden, weil die Vereitelung des Umgangs nicht rechtsmissbräuchlich und mit sachlichem Grund erfolge.46 Das Kriterium des Rechtsmissbrauchs sei schon deshalb unerheblich, weil der sorgeberechtigte Elternteil bei Vereitelung des Umgangsrechts des anderen Elternteils kein eigenes Recht wahrnehme, dessen Gebrauch auf seine Missbräuchlichkeit hin untersucht werden könnte. Dass der Rechtsmissbrauch kein geeigneter 42 

Rauscher, FamR, Rn.  1098; Staudinger/Rauscher, §  1684 Rn.  4 4. §  1684 Rn.  4 4. 44  Vgl. BVerfG v. 13.12.2012 – 1 BvR 1766/12, FamRZ 2013, 433; BVerfG v. 14.7.2010 – 1 BvR 3189/09, FamRZ 2010, 1622; BVerfG v. 6.11.2009 – 1 BvR 1410/08, FamRZ 2010, 109 f.; BVerfG v. 29.11.2007 – 1 BvR 1635/07, FamRZ 2008, 494; BVerfG v. 9.5.2007 – 1 BvR 1253/06, FamRZ 2007, 1625; BVerfG v. 23.3.2007 – 1 BvR 156/07, FamRZ 2007, 1078; BVerfG v. 26.9.2006 – 1 BvR 1827/06, NJW 2007, 1266 (1267); BVerfG v. 18.1.2006 – 1 BvR 526/04, ­FamRZ 2006, 605 (606); BVerfG v. 9.6.2004 – 1 BvR 487/04, FamRZ 2004, 1166 (1167); ­BVerfG v. 5.2.2002 – 1 BvR 2029/00, NJW 2002, 1863 (1864); BVerfG v. 25.10.1994 – 1 BvR 1197/93, NJW 1995, 1342 (1343); BVerfG v. 18.2.1993 – 1 BvR 692/92, NJW 1993, 2671; ­BVerfG v. 15.6.1971 – 1 BvR 192/70, NJW 1971, 1447 (1448). 45  Dazu und zu der in §  1684 Abs.  3 S.  2 BGB vorgesehenen Möglichkeiten für das Familiengericht, konkrete Anordnungen zur Einhaltung der Wohlverhaltenspflicht zu treffen, vgl. Vogel, ZFE 2006, 296 (298 ff.). 46  BGH v. 19.6.2002 – XII ZR 173/00, NJW 2002, 2566 (2567). 43 Staudinger/Rauscher,

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Maßstab ist, verdient Zustimmung, nicht jedoch die – zumindest ungenaue – Begründung des BGH: Die sorgeberechtigte Mutter nahm in dem entschiedenen Fall sehr wohl eine ihr im Grundsatz kraft Sorgerechts zustehende Befugnis zur Aufenthaltsbestimmung wahr, die ihr durch die gerichtliche Umgangsregelung nicht entzogen wurde.47 Allerdings wurde diese Befugnis durch die gerichtliche Entscheidung über den Umfang und die Ausgestaltung des Umgangsrechts eingeschränkt, so dass der sorgeberechtigten Mutter, soweit dem Umgangsrecht Vorrang zukommt, die ausgeübte Befugnis in der Tat nicht zustand. – Auch eine Anknüpfung an das Bestehen eines sachlichen Grundes müsse, so der BGH, jedenfalls dann ausscheiden, wenn das Recht und die Pflicht eines Elternteils zum Umgang mit seinem Kind durch eine familiengerichtliche Entscheidung konkretisiert worden ist: „Mit dem Wirksamwerden der familiengerichtlichen Entscheidung sind alle Beteiligten an diese Konkretisierung des Pflichtrechts gebunden. Das schließt grundsätzlich die Befugnis des zur Gewährung des Umgangs verpflichteten Elternteils aus, sich der Wahrnehmung des so konkretisierten Pflichtrechts durch den anderen Elternteil zu verweigern, mögen aus seiner Sicht auch beachtliche Gründe des Kindeswohls gegen die familiengerichtliche Regelung sprechen; denn die ordnende Wirkung dieser Regelung wäre obsolet, könnte jeder Elternteil seine eigene Bewertung des Kindeswohls an die Stelle der gerichtlichen Würdigung setzen.“48 Zu Recht wird in diesem Fall der sorgeberechtigte Elternteil auf die Möglichkeit einer Abänderung der Umgangsrechtsentscheidung nach Maßgabe von §  166 Abs.  1 FamFG i. V. m. §  1696 BGB verwiesen, die nötigenfalls auch im Wege einstweiliger Anordnung (§§  49 ff. FamFG) erreicht werden kann. Das schließt nicht aus, dass im Einzelfall bei Vorliegen akuter kindeswohlgefährdender Gründe, wie insbesondere einer Erkrankung des Kindes, die Verweigerung der Umgangsrechtsausübung durch den Sorgeberechtigten ausnahmsweise gerechtfertigt sein kann; 49 allerdings trägt der sorgeberechtigte Elternteil in diesem Fall die Beweislast für solche Gründe; 50 das folgt nicht zuletzt aus der Regelung in §  89 Abs.  4 FamFG, wonach die Festsetzung eines Ordnungsmittels51 bei Zuwiderhandlungen gegen einen Vollstreckungstitel zur Regelung des Umgangs unterbleibt, wenn der 47 

Schwab, FamRZ 2002, 1297 (1301). BGH v. 19.6.2002 – XII ZR 173/00, NJW 2002, 2566 (2567). 49  In einem solchen Fall bleibt der umgangsberechtigte Elternteil auf etwaigen schon erfolgten Aufwendungen, z. B. für ein Bahn- oder Flugticket, sitzen; das ist als Folge des allgemeinen Lebensrisikos hinzunehmen. 50  BGH v. 30.9.2015 – XII ZB 635/14, NJW-RR 2016, 69 (71); BGH v. 19.2.2014 – XII ZB 165/13, NJW-RR 2014, 513 (514); BGH v. 1.2.2012 – XII ZB 188/11, NJW-RR 2012, 324 (326); OLG Köln v. 4.7.2014 – 4 UF 22/13, FamRZ 2015, 151. 51 Zur Bemessung des Ordnungsgeldes bei Umgangsvereitelung vgl. OLG Köln v. 4.7.2014 – 4 WF 6/13, FamRZ 2015, 163: Eine Verpflichtung zur Schadensersatzleistung wegen Umgangsvereitelung ist bei der Bemessung der Höhe des Ordnungsgeldes zu berücksichtigen. 48 

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Verpflichtete Gründe vorträgt, aus denen sich ergibt, dass er die Zuwiderhandlung nicht zu vertreten hat. Dies rechtfertigt sich vor allem daraus, dass sich die Gründe, die zum Scheitern des Umgangskontaktes führen, regelmäßig im Wahrnehmungsbereich des Elternteils ereignen, bei dem sich das Kind aufhält.52 Eine inhaltsgleiche und aus den gleichen Gründen gerechtfertigte Verschuldensvermutung ergibt sich aus haftungsrechtlicher Sicht aus §  280 Abs.  1 S.  2 BGB, wenn dem Umgangsberechtigten infolge der Verletzung des Umgangsrechts Schäden entstanden sind. Im genannten Beispiel einer akuten Erkrankung des Kindes kann der sorgeberechtigte Elternteil seiner Beweislast etwa durch Vorlage eines ärztlichen Attests genügen.53 Nur so kann verhindert werden, dass das Elternrecht des anderen Elternteils durch bloße Behauptungen des Sorgeberechtigten in nicht nachprüfbarer Weise ausgehöhlt wird. Schwierigkeiten ergeben sich jedoch unbestreitbar in Fällen, in denen das Kind z. B. Flugangst hat und deshalb nicht mit dem vorgesehenen Transportmit­ tel zum Umgangsberechtigten gelangen oder vom sorgeberechtigten Elternteil nicht getrennt werden will, ohne dass letzterer unlauter auf das Kind ein­gewirkt hat. Dennoch ist es auch in diesen Fällen angemessen, dem sorgeberechtigten Elternteil die Beweislast dafür aufzuerlegen, dass nicht er das Scheitern des Umgangskontaktes schuldhaft herbeigeführt hat. Beruft sich ein Elternteil nach Zuwiderhandlung gegen eine Umgangsregelung auf den entgegenstehenden Willen des Kindes, wird ein fehlendes Vertretenmüssen nur dann anzunehmen sein, wenn er konkret und zur Überzeugung des Gerichts darlegen kann, wie er auf das Kind eingewirkt hat, um es zum Umgang zu bewegen (dazu noch sogleich).54 Für ein Gericht wird es im Streitfall nicht allzu schwer festzustellen sein, ob der sorgeberechtigte Elternteil wirklich kooperationswillig und bereit ist, nötigenfalls nach alternativen Möglichkeiten für die Ausübung des Umgangsrechts durch den anderen Elternteil zu suchen, oder ob seine Einwände nur vorgeschoben sind, weil er das Umgangsrecht ablehnt. Im Zweifel ist ein Sachverständiger einzuschalten, der die Ursachen für die den Umgang verweigernde Haltung des Kindes klären muss. Verbleibende Unklarheiten gehen zulasten des sorgeberechtigten Elternteils. Nicht nur bei Umgangsvereitelung, sondern auch im Übrigen wird das zwischen dem Umgangsberechtigten und dem anderen Elternteil bestehende Schuldverhältnis durch §  1684 Abs.  2 S.  1 BGB näher ausgestaltet.55 Streitigkei52 BT-Drucks. 16/6308, S.   218; BGH v. 30.9.2015 – XII ZB 635/14, NJW-RR 2016, 69 (71); BGH v. 19.2.2014 – XII ZB 165/13, NJW-RR 2014, 513 (514); BGH v. 1.2.2012 – XII ZB 188/11, NJW-RR 2012, 324 (326); OLG Köln v. 4.7.2014 – 4 UF 22/13, FamRZ 2015, 151. 53  Entgegen der Ansicht von Heiderhoff, FamRZ 2004, 324 (326), erscheint es nicht unzumutbar, dass der sorgeberechtigte Elternteil dafür auch Nachts einen Arzt einschaltet. 54 BT-Drucks. 16/6308, S.   218; BGH v. 30.9.2015 – XII ZB 635/14, NJW-RR 2016, 69 (71); BGH v. 19.2.2014 – XII ZB 165/13, NJW-RR 2014, 513 (514); BGH v. 1.2.2012 – XII ZB 188/11, NJW-RR 2012, 324 (326). 55  BGH v. 19.6.2002 – XII ZR 173/00, NJW 2002, 2566.

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ten zwischen den Eltern sind kein Grund, dem nicht sorgeberechtigten Elternteil den Umgang mit dem Kind zu verwehren und einzuschränken,56 und rechtfertigen auch keine negative Beeinflussung des Kindes zum Nachteil des anderen.57 Umgekehrt darf auch der Umgangsberechtigte die Erziehungsanstrengungen des Sorgeberechtigten nicht konterkarieren oder seine Erziehungsautorität in Frage stellen.58 Darüber hinaus verpflichtet §  1684 Abs.  2 S.  1 BGB auch ohne ausdrückliche Anordnung jeden Elternteil, aktiv an der Ausübung des Umgangs durch den jeweils anderen mitzuwirken und etwaige Vorbehalte des Kindes gegen den Umgang abzubauen.59 Selbst wenn ein Elternteil dem Umgang durch den anderen negativ gegenübersteht, darf er seine ablehnende Haltung dem Kind nicht vermitteln,60 muss vielmehr im Interesse und zum Wohl des Kindes den Umgang aktiv fördern, das Kind gegebenenfalls zu Besuchen beim anderen Elternteil anhalten und etwaigen Widerwillen durch geeignete Erziehungsmaßnahmen ausräumen. 61 Diese Wohlverhaltenspflicht beruht auf der Erkenntnis, dass Eltern aufgrund eigener unbewältigter Spannungen das Kind in erhebliche, sein Wohl nachhaltig schädigende Loyalitätskonflikte bringen können. 62 Dem Kind darf nicht freigestellt werden, ob es die Umgangstermine 56  OLG Brandenburg v. 3.2.2003 – 9 UF 171/02, FamRZ 2003, 1405; OLG Brandenburg v. 4.7.2002 – 15UF 25/02, FamRZ 2003, 111; OLG Brandenburg v. 8.8.2001 – 9 UF 28/01, NJW-RR 2002, 294; AG Saarbrücken v. 4.3.2003 – 39 F 14/03 UG, FamRZ 2003, 1200 (1201). 57  OLG Saarbrücken v. 2.4.2012 – 6 WF 130/11, BeckRS 2012, 12908; OLG Saarbrücken v. 16.11.2011 – 6 UF 126/11, FamRZ 2012, 884 (885); OLG Saarbrücken v. 24.1.2011 – 6 UF 116/10, FamRZ 2011, 1409; OLG Saarbrücken v. 21.12.2006 – 9 UF 147/06, NJW-RR 2007, 796; Erman/Döll, §  1684 Rn.  10; Staudinger/Rauscher, §  1684 Rn.  92; Vogel, ZFE 2006, 296 (297). Zu dem im Zusammenhang mit der Entfremdung durch den betreuenden Elternteil genannten Parental Alienation Syndrome (PAS) vgl. Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  66 Rn.  4 ; Rauscher, FamR, Rn.  1104b; Staudinger/Rauscher, §  1684 Rn.  37 ff., jew. m. w. N. 58  OLG Saarbrücken v. 24.1.2011 – 6 UF 116/10, FamRZ 2011, 1409; OLG Saarbrücken v. 21.12.2006 – 9 UF 147/06, NJW-RR 2007, 796 f.; Erman/Döll, §  1684 Rn.  10; Staudinger/ Rauscher, §  1684 Rn.  97; BeckOK-BGB11.2011/Veit, §  1684 Rn.  19; Vogel, ZFE 2006, 296 (297). 59  OLG Köln v. 4.7.2014 – 4 UF 22/13, FamRZ 2015, 151; KG v. 10.1.2011 – 17 UF 225/10, FamRZ 2011, 825; OLG Hamm v. 12.12.2007 – 10 WF 196/07, FamRZ 2008, 1371; Erman/ Döll, §  1684 Rn.  10; Palandt/Götz, §  1684 Rn.  5 ; Rauscher, FamR, Rn.  1104; Staudinger/­ Rauscher, §  1684 Rn.  93; BeckOK-BGB11.2011/Veit, §  1684 Rn.  18. 60 OLG Frankfurt v. 3.9.2002 – 1 UF 103/00, NJW 2002, 3785; Staudinger/Rauscher, §  1684 Rn.  93, 94. 61  OLG Köln v. 4.7.2014 – 4 UF 22/13, FamRZ 2015, 151; OLG Frankfurt v. 29.5.2013 – 5 Wf 120/13, BeckRS 2013, 09676; OLG Saarbrücken v. 2.4.2012 – 6 WF 130/11, BeckRS 2012, 12908; OLG Saarbrücken v. 16.11.2011 – 6 UF 126/11, FamRZ 2012, 884 (885); OLG Saarbrücken v. 24.1.2011 – 6 UF 116/10, FamRZ 2011, 1409 f.; OLG Saarbrücken v. 21.12.2006 – 9 UF 147/06, NJW-RR 2007, 796; OLG Rostock v. 25.7.2003 – 10 UF 98/02, FamRZ 2004, 54 (55); OLG Jena v. 17.6.1999 – 1 UF 128/99, FamRZ 2000, 47; OLG Braunschweig v. 14.10.1998 – 1 UF 164/98, FamRZ 1999, 185; OLG Brandenburg v. 18.1.1996 – 10 WF 138/95, FamRZ 1996, 1092 (1093); OLG Hamm v. 21.8.1995 – 3 WF 223/95, NJW-RR 1996, 324 f.; Erman/Döll, §  1684 Rn.  10; Palandt/Götz, §  1684 Rn.  5 ; Staudinger/Rauscher, §  1684 Rn.  94a. 62 OLG Köln v. 4.7.2014 – 4 UF 22/13, FamRZ 2015, 151; Palandt/Götz, §  1684 Rn.  5 ; MüKoBGB/Hennemann, §  1684 Rn.  18.

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wahrnehmen will oder nicht,63 wobei mit zunehmendem Alter des Kindes dessen Wille an Bedeutung gewinnt.64 Hinzu kommt die Pflicht, das Kind zur Ausübung des Umgangs zu den bestimmten Terminen bereit zu halten und in geeigneter Weise auf die Durchführung des Umgangs hinzuwirken, 65 etwa indem dem Kind oder dem anderen Elternteil die erforderlichen Reisedokumente oder sonstige für den Umgang notwendigen Gegenstände mitgegeben werden. 66 Da die mit der Ausübung des Umgangsrechts verbundenen Kosten grundsätzlich vom Umgangsberechtigten zu tragen sind, 67 hat der BGH anlässlich eines solchen Falles entschieden, dass aus dem gesetzlichen Schuldverhältnis zwischen den Elternteilen die Pflicht folge, „bei der Gewährung des Umgangs auf die Vermögensbelange des Umgangsberechtigten Bedacht zu nehmen und diesem die Wahrnehmung seines Umgangsrechts mit dem Kind nicht durch die Auferlegung unnötiger Vermögensopfer zu erschweren oder gar – dem Kindeswohl und Kindesrecht zuwider – für die Zukunft zu verleiden. Eine Verletzung dieser Verpflichtung kann – unter Heranziehung der zur positiven Forderungsverletzung entwickelten Grundsätze – Schadensersatzpflichten des Verletzers gegenüber dem umgangsberechtigten Elternteil auslösen.“68 Hier wird deutlich, dass es sich bei allen aus §  1684 Abs.  2 S.  1 BGB abgeleiteten Einzelpflichten letztlich um Ausprägungen des Gedankens bzw. der in §  241 Abs.  2 BGB normierten allgemeinen Pflicht zur Rücksichtnahme handelt („Bedacht zu nehmen“) und die genannten Verhaltenspflichten daher nicht mehr als beispielhafte Konkretisierungen dieser Pflicht je nach den Umständen des Einzelfalls sein können. Führt man sich dies vor Augen, wird auch klar, warum die aus §  1684 Abs.  2 S.  1 BGB abgeleiteten Pflichten mangels hinreichender Bestimmbarkeit ex ante nicht klagbar sind: 69 Eine Konkretisierung der Pflichten ist nur ex post unter Berücksichtigung des jeweiligen Einzelfalls möglich, weil erst in Folge einer Pflichtverletzung benannt werden kann, wie sich der verpflichtete Elternteil mit Blick auf seine Rücksichtnahmepflicht hätte verhalten müssen.70 Aus §  1684 Abs.  2 BGB folgt daher auch die Pflicht jedes Elternteils, den jeweils anderen rechtzeitig zu informieren, wenn und warum der Umgang (ausnahmsweise) nicht stattfinden kann. 63  OLG Saarbrücken v. 2.4.2012 – 6 WF 130/11, BeckRS 2012, 12908; OLG Saarbrücken v. 21.12.2006 – 9 UF 147/06, NJW-RR 2007, 796 (797); OLG Karlsruhe v. 16.10.2001 – 5 WF 96/01, FamRZ 2002, 1125 (1126); Erman/Döll, §  1684 Rn.  10; Staudinger/Rauscher, §  1684 Rn.  94. 64  OLG Saarbrücken v. 24.1.2011 – 6 UF 116/10, FamRZ 2011, 1409 (1410). 65  BGH v. 1.2.2012 – XII ZB 188/11, NJW-RR 2012, 324 (325). 66 Palandt/Götz, §   1684 Rn.   6; MüKoBGB/Hennemann, §   1684 Rn.   20; Staudinger/­ Rauscher, §  1684 Rn.  95. 67 BGH v. 19.6.2002 – XII ZR 173/00, NJW 2002, 2566; Palandt/Götz, §  1684 Rn.  37; Rauscher, FamR, Rn.  1108. 68  BGH v. 19.6.2002 – XII ZR 173/00, NJW 2002, 2566. 69  So auch Steinberger/Lecking, MDR 2009, 960 (961). 70  Vgl. dazu schon oben Kap.  3 C.III.3.a)(2), S.  199.

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Der sorgeberechtigte Elternteil handelt beispielsweise auch dann pflicht­ widrig, wenn nicht sogar schikanös (§  226 BGB), wenn er sich kraft der elter­ lichen Sorge auf das Recht des Kindes am eigenen Bild beruft und dem ­Umgangsberechtigten die Anfertigung von Fotographien während der Umgangskontakte mit dem Kind verbietet. Mag es unter Umständen noch gerechtfertigt sein, eine allgemein zugängliche Veröffentlichung von Fotos des Kindes in sozialen Medien (z. B. auf Facebook, etc.) zu untersagen,71 so verletzt ein generelles Verbot zur Anfertigung von Fotographien das berechtigte Interesse des umgangsberechtigten Elternteils, die gemeinsamen Stunden mit dem Kind als Erinnerung fotographisch festzuhalten, um sie auch dem Kind später zeigen und ihm von den gemeinsamen Aktivitäten anschaulich erzählen zu können. Die Ausübung des Sorgerechts in dieser Art und Weise wird kaum je einen anderen Zweck haben, als dem anderen einen (immateriellen) Schaden zuzufügen, ihn also zu schikanieren, und ist dann schon nach §  226 BGB unzulässig; ­jedenfalls ist sie rechtsmissbräuchlich und verstößt gegen die Wohlverhaltensbzw. Rücksichtnahmepflicht aus §  1684 Abs.  2 S.  1 BGB. In diesem Fall lässt sich durchaus auch eine Haftung nach §  280 Abs.  1 BGB begründen, da durch das Verbot zur Anfertigung fotographischer Erinnerungen zugleich das All­ gemeine Persönlichkeitsrecht des Umgangsberechtigten beeinträchtigt und ­deshalb eine billige Entschädigung in Geld gemäß §  253 BGB gerechtfertigt sein kann. Die Beispiele einer Verletzung der Rücksichtnahmepflicht zwischen Eltern eines gemeinsamen Kindes ließen sich beliebig fortführen, da die Lebensrealität die egoistischsten Rücksichtslosigkeiten bereithält. Das Gesagte soll an dieser Stelle genügen, denn es hat gezeigt, dass es – entgegen kritischen Stimmen in der Literatur – nicht um eine „Verschuldrechtlichung familienrechtlicher Pflichten“, sondern vielmehr um die Anerkennung eines schuldrechtlichen Verhältnisses zwischen den Eltern eines gemeinsamen Kindes geht. Es begründet nicht nur gegebenenfalls die Pflicht zur Leistung von Betreuungsunterhalt und zur Auskunft, sondern in Betreff auf das Umgangsrecht auch die Wohlverhaltenspflicht gemäß §  1684 Abs.  2 BGB, bei der es sich um eine Konkretisierung bzw. Spezialausprägung der allgemeinen Rücksichtnahmepflicht gemäß §  241 Abs.  2 BGB handelt. Auch wenn die aus dem Schuldverhältnis zwischen Eltern folgenden Rechtspositionen familienrechtlich zu qualifizieren sind, beurteilen sich die rechtlichen Konsequenzen einer schädigenden Beeinträchtigung einer solchen Rechtsposition doch allein nach schuldrechtlichen Maßstäben und anhand der im allgemeinen Schuldrecht geregelten Schadensausgleichsmechanismen.72 Es ist daher nur logische Konsequenz, dass eine schuldhafte Verletzung der in

71 

72 

Vgl. OLG Karlsruhe v. 8.7.2016 – 18 WF 183/15, FamRZ 2016, 2138. Vgl. dazu schon oben Kap.  2 B.III.1.c)(1)(c), S. 62 ff.

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Kapitel 5:  Gemeinsame Elternschaft

§  1684 Abs.  2 BGB normierten Wohlverhaltenspflicht eine Haftung nach §  280 Abs.  1 BGB zur Folge haben kann.73 b) Allgemeine Rücksichtnahmepflicht gemäß §  241 Abs.  2 BGB Daneben gilt zwischen Eltern eines gemeinsamen Kindes aber auch die allgemeine Rücksichtnahmepflicht gemäß §  241 Abs.  2 BGB, sofern nicht umgangsrelevantes Verhalten in Rede steht. Relevant werden können insbesondere Aufklärungspflichten im Hinblick auf erkennbar wesentliche Informationen, an deren Kenntnis der andere Elternteil objektiv ein berechtigtes Interesse hat und die nur dem Verpflichteten bekannt sein können. Leidet etwa das Kind an einer ansteckenden Krankheit, muss der sorgeberechtigte Elternteil den Umgangsberechtigten über die Ansteckungsgefahren aufklären. Keine rechtliche Pflicht zur Aufklärung des anderen Elternteils wird man jedoch annehmen können, wenn ein Elternteil erfährt, dass er an einer genetisch bedingten Krankheit leidet, die sich mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % auf die gemeinsamen Kinder vererbt haben könnte.74 In einem solchen Fall sind weder die Rechte oder Rechtsgüter noch sonstigen (finanziellen) Interessen des anderen Elternteils betroffen, mag es auch aus moralischen Gründen geboten erscheinen, dass der erkrankte Elternteil ihn über die Möglichkeit einer vererbten Krankheit der Kinder informiert. Anders mag dies im Verhältnis zu den Kindern zu beurteilen sein (die womöglich durch den anderen Elternteil gesetzlich vertreten werden, §  1629 BGB), wenn auch nur die geringste Chance besteht, dass durch eine rechtzeitig begonnene, prophylaktische Therapie ein Ausbruch der Krankheit verhindert werden kann. Das aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht fließende „Recht (der Kinder) auf Nichtwissen der eigenen genetischen Veranlagung“, das den Einzelnen davor schützt, gegen seinen Willen Kenntnis über ihn betreffende genetische Informationen mit Aussagekraft für seine persönliche Zukunft zu erlangen, wird durch die Aufklärung über die Möglichkeit einer ererbten Krankheit nicht beeinträchtigt, da eine freie Entscheidung darüber, ob man bestimmte genetisch relevante Informationen erhalten will oder nicht, nur dann möglich ist, wenn man weiß, dass es Informationen gibt, die zur Kenntnis genommen werden können.75 Informiert der erkrankte Elternteil den anderen von sich aus, so kann er selbstverständlich genauso wenig wie ein von der ärztlichen Schweigepflicht entbundener Arzt76 dafür haftbar gemacht werden, dass der andere Elternteil 73 

So auch Hohloch, FF 2004, 202 (206). Vgl. die Sachverhaltskonstellation in BGH v. 20.5.2014 – VI ZR 381/13, NJW 2014, 2190. 75  Vgl. BGH v. 20.5.2014 – VI ZR 381/13, NJW 2014, 2190 (2191 f.) m. w. N. 76  Vgl. BGH v. 20.5.2014 – VI ZR 381/13, NJW 2014, 2190. In dem entschiedenen Fall hatte der behandelnde Arzt nach entsprechender Schweigepflichtentbindung die Mutter zweier minderjähriger Kinder darüber informiert, dass ihr Ex-Ehemann und Vater der Kin74 

B. Haftung bei schuldhafter Beeinträchtigung des Umgangsrechts

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infolge der Information schwere psychische Belastungen erleidet, die zu materiellen und immateriellen Schäden führen. Insofern fehlt es an dem für eine Haftung erforderlichen Zurechnungszusammenhang, denn es gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, dass ein sorgeberechtigter Elternteil von einer genetisch bedingten Erkrankung des anderen Elternteils und dem damit einhergehenden Risiko Kenntnis erlangt, dass die gemeinsamen Kinder ebenfalls Träger der Krankheit sein könnten.77 c) Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch Obwohl das Schuldverhältnis zwischen den Eltern eines gemeinsamen Kindes sämtliche Ansprüche im Innenverhältnis umfasst und sich damit auch auf etwaige Unterhaltsregressansprüche in Fällen erstreckt, in denen ein Elternteil für den vom anderen geschuldeten Kindesunterhalt mit aufkommt, muss nicht befürchtet werden, dass durch die schuldrechtliche Haftung nach §  280 Abs.  1 BGB der „schon vor über 50 Jahren kreierte familienrechtliche Ausgleichsanspruch verdrängt und vielleicht die Einwendung aus §  1613 BGB aus(ge)hebelt“ würde.78 Zum einen wird durch Nichtzahlung des Kindesunterhalts keine Pflicht aus dem Schuldverhältnis mit dem anderen Elternteil verletzt, sondern „lediglich“ die Pflicht gegenüber dem Kind aus §§  1601 ff. BGB. Zum anderen handelt es sich bei diesem richterrechtlich begründeten Ausgleichsanspruch zwischen den Eltern nach vorzugswürdigem Verständnis nicht um einen originär aus dem Elternverhältnis folgenden Anspruch, sondern um einen kraft ­cessio legis analog §  1607 Abs.  3 S.  1 BGB auf den anspruchstellenden Elternteil übergegangenen Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den anderen Elternteil. (1) Entstehungsgeschichte und Voraussetzungen Erstmals hat der BGH den „familienrechtlichen Ausgleichsanspruch“ als selbständiges Rechtsinstitut in einer Entscheidung aus dem Jahr 1959 begründet, der die Klage einer Mutter zugrundelag, die nach Kriegsende mehrere Jahre lang die gemeinschaftlichen ehelichen Kinder allein unterhalten hatte und vom Vater Ausgleich verlangte.79 Dass dem betreuenden Elternteil in solchen Fällen der an Chorea Huntington, einer unheilbaren, vererblichen und zum Tode führenden Erkrankung des Gehirns, leide, und ihre Kinder daher die genetischen Anlagen der Erkrankung mit einer Wahrscheinlichkeit von 50 % geerbt hätten. Da nach dem Gendiagnostikgesetz eine prädiktive Diagnostik bei noch nicht symptomatischen Minderjährigen oder bei Personen, die nicht selbst nach entsprechender humangenetischer Beratung und ausreichender Bedenkzeit in die Untersuchung eingewilligt haben, nicht zulässig ist, erlitt die Mutter schwere Depressionen und verlangte – letztlich erfolglos – von dem Arzt Ersatz der ihr entstandenen materiellen und immateriellen Schäden. 77  BGH v. 20.5.2014 – VI ZR 381/13, NJW 2014, 2190 (2191). 78  Diese berechtigte Frage stellt sich Roth, FamRZ 2015, 20. 79  BGH v. 9.12.1959 – IV ZR 178/59, NJW 1960, 957.

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Kapitel 5:  Gemeinsame Elternschaft

ein Ersatzanspruch gegen den anderen unterhaltspflichtigen Elternteil zusteht, sei – so der BGH – „unzweifelhaft“, wenn und soweit der betreuende Elternteil im Verhältnis der Eltern zueinander eine allein den anderen treffende Barunterhaltspflicht erfüllt hat. Hierbei handele es sich um „einen familienrechtlichen Ausgleichsanspruch zwischen den Eltern (…), der sich aus ihrer gemeinsamen Unterhaltspflicht und aus der naturgegebenen Notwendigkeit ergibt, die Unterhaltslast im Innenverhältnis zwischen ihnen entsprechend ihrem Leistungsvermögen gerecht zu verteilen.“80 In einer späteren Entscheidung hat der BGH in einem ähnlich gelagerten Fall den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch unter Bezugnahme auf die erstgenannte Entscheidung erneut im Grundsatz bejaht, ihn allerdings gemäß §  1360b BGB an die Voraussetzung geknüpft, dass der Elternteil im Zeitpunkt der Unterhaltsleistung die Absicht hatte, von dem anderen Elternteil Ersatz zu verlangen.81 Ob diese Absicht auch bei Unterhaltsleistungen nach der Scheidung noch zu fordern ist, hat er in nachfolgenden Entscheidungen offen gelassen.82 Da es bei den geforderten Ersatzbeträgen wirtschaftlich gesehen um rückständige Unterhaltsleistungen geht, wird der Ausgleichsanspruch für die Vergangenheit jedenfalls nur in den Grenzen des §  1613 BGB gewährt, d. h. der überobligationsmäßig leistende Elternteil kann erst dann Ausgleich verlangen, wenn er den unterhaltspflichtigen Elternteil zur Auskunft über dessen Einkünfte und Vermögen aufgefordert hat, ihn – bemerkenswerterweise nicht mit dem Ausgleichsanspruch, sondern – mit der Unterhaltszahlung an das Kind in Verzug gesetzt hat oder wenn Rechtshängigkeit eingetreten ist.83 An dieser Rechtsprechung hält der BGH seit jeher fest,84 so 80 

BGH v. 9.12.1959 – IV ZR 178/59, NJW 1960, 957. BGH v. 26.6.1968 – IV ZR 601/68, NJW 1968, 1780 (1781). 82  BGH v. 20.5.1981 – IVb ZR 558/80, NJW 1981, 2348 (2349); BGH v. 9.5.1984 – IVb ZR 84/82, NJW 1984, 2158 (2159); BGH v. 26.4.1989 – IVb ZR 42/88, NJW 1989, 2816. Gegen eine solche Erstreckung Staudinger/Engler, §  1606 Rn.  61, §  1607 Rn.  25; Erman/Hammermann, §  1606 Rn.  37; Kodal/van Els, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rn.  1790; Soergel/ Lettmaier, §  1607 Rn.  36 (tatsächliche Vermutung); BeckOK-BGB/ Reinken, §  1606 Rn.  22a. 83  BGH v. 26.4.1989 – IVb ZR 42/88, NJW 1989, 2816 (2817 f.): „Das berechtigte Interesse des ausgleichspflichtigen Elternteils, sich nicht unverhofft hohen fälligen Verbindlichkeiten gegenüberzusehen, wird auch dann nicht beeinträchtigt, wenn seiner Inanspruchnahme für die Vergangenheit zwar nicht Verzug oder Rechtshängigkeit hinsichtlich des Ausgleichs­ anspruchs, aber doch die Rechtshängigkeit des Unterhaltsbegehrens des durch den anderen Elternteil vertretenen Kindes vorausgegangen ist. Bereits von da an konnte und mußte er sich darauf einstellen, daß er aufgrund seiner Unterhaltspflicht von einem bestimmten Zeitpunkt an in bestimmter Höhe zu Zahlungen herangezogen werde. Damit ist dem Schuldnerschutz genügt, dessen Verwirklichung die Rechtsprechung zur entsprechenden Anwendung des §  1613 Abs.  1 BGB auf den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch dient.“; siehe auch BGH v. 9.5.1984 – IVb ZR 84/82, NJW 1984, 2158 (2159); BGH v. 11.5.1988 – IVb ZR 89/87, NJW 1988, 2375; BGH v. 3.4.1996 – XII ZR 86/95, NJW 1996, 1894; BGH v. 17.4.2013 – XII ZB 329/12, NJW 2013, 1740 (1742); OLG Jena v. 3.7.2008 – 1 UF 141/08, NJW-RR 2008, 1678 (1679); MüKoBGB/Born, §  1606 Rn.  47. 84  Vgl. BGH v. 17.4.2013 – XII ZB 329/12, NJW 2013, 1740 (1741 f.); BGH v. 25.5.1994 – XII ZR 78/93, NJW 1994, 2234; BGH v. 26.4.1989 – IVb ZR 42/88, NJW 1989, 2816; BGH v. 81 

B. Haftung bei schuldhafter Beeinträchtigung des Umgangsrechts

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dass mittlerweile von richterrechtlichem Gewohnheitsrecht gesprochen werden kann.85 Dogmatisch soll es sich bei dem postulierten Ausgleichsanspruch weder um einen Unterhalts- noch um einen Regressanspruch, sondern um einen gesetzlich nicht geregelten Anspruch sui generis handeln. Zusammengefasst setzt ein familienrechtlicher Ausgleichsanspruch nach der Rechtsprechung mithin voraus, dass der betreuende Elternteil eine dem anderen Elternteil obliegende (bestehende) Barunterhaltspflicht erfüllt hat,86 dass er dabei die Absicht hatte, Ersatz zu verlangen, und dass bei Geltendmachung rückständiger Beträge die Voraussetzungen des §  1613 BGB vorliegen. In der Literatur ist dieses durch richterrechtliche Rechtsschöpfung entwickelte Institut überwiegend auf Zustimmung gestoßen, wenn auch mit teils unterschiedlicher Begründung.87 Dies überrascht angesichts der Tatsache, dass der BGH keine Anspruchsgrundlage nennt, der Verweis auf eine „naturgegebene Notwendigkeit“ eines solchen Anspruchs doch reichlich unbestimmt ist und kaum als fundierte Begründung ausreichen kann. 88 Zweifelhaft erscheint außerdem, warum der ersatzweise leistende Elternteil einen Ausgleichsanspruch in Höhe des Betrags erhalten soll, den der andere Elternteil als Barunterhalt hätte zahlen müssen,89 und nicht nur in der Höhe, in der er selbst an das Kind geleistet hat. Schwierigkeiten ergeben sich ferner daraus, dass nach der Lösung 11.5.1988 – IVb ZR 89/87, NJW 1988, 2375; BGH v. 24.2.1988 – IVb ZR 29/87, NJW 1988, 1720 (1721); BGH v. 9.5.1984 – IVb ZR 84/82, NJW 1984, 2158; BGH v. 20.5.1981 – IVb ZR 558/80, NJW 1981, 2348. 85  Langheim, FamRZ 2013, 1529 (1530); Zwirlein, FamRZ 2015, 896 (897). 86  Daran fehlt es etwa dann, wenn der Ausgleich begehrende Elternteil (Teil-)Erstattung von Unterhaltsleistungen verlangt, zu denen er durch rechtskräftige Entscheidung verurteilt wurde, BGH v. 20.5.2981 – IVb ZR 558/80, NJW 1981, 2348 (2349); vgl. auch BGH v. 26.4.1989 – IVb ZR 42/88, NJW 1989, 2816 (2817); in Abgrenzung OLG Nürnberg v. 24.101.2012 – 7 UF 969/12, NJW 2013, 1101 (zu einer Verpflichtung zur Leistung von Barunterhalt in einer Jugendamtsurkunde). Gleiches gilt, wenn ein Elternteil den Kindesunterhalt aufgrund einer Freistellungsvereinbarung erbringt (OLG Jena v. 3.7.2008 – 1 UF 141/08, NJW-RR 2008, 1678) oder wenn der andere Elternteil nicht leistungsfähig ist, denn dann ist dieser nicht unterhaltspflichtig (vgl. §  1603 BGB) und der leistende Elternteil erfüllt keine dem anderen obliegende Verpflichtung, MüKoBGB/Born, §  1606 Rn.  43; Zwirlein, FamRZ 2015, 896 (897). Zu weiteren Fällen, in denen kein Ausgleichsanspruch besteht vgl. Wever, Vermögensauseinandersetzung, Rn.  915 ff. 87 MüKoBGB/Born, §  1606 Rn.  43 ff.; Palandt/Brudermüller, §   1606 Rn.  18; Staudinger/ Engler, §  1606 Rn.  60; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §   46 Rn.   54; Gießler, ­FamRZ 1994, 800 (804 ff.); Götz, FF 2013, 225; Erman/Hammermann, §  1606 Rn.  34 ff.; ­Kodal/van Els, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rn.  1787 ff.; Langheim, FamRZ 2013, 1529; Soergel/Lettmaier, §  1606 Rn.  35 ff.; Rauscher, FamR, Rn.  866; BeckOK-BGB/Reinken, §  1606 Rn.  21 ff.; Wever, Vermögensauseinandersetzung, Rn.  894 ff.; Wohlgemuth, FamRZ 2009, 1873 (1875). 88  Ebenfalls kritisch Staudinger/Engler, §  1606 Rn.  60. Zu den Schwierigkeiten auf kollisionsrechtlicher Ebene siehe noch unten Kap.  6 C., S. 444. 89 MüKoBGB/Born, §  1606 Rn.  46; Gießler, FamRZ 1994, 800 (804); Langheim, FamRZ 2013, 1529 (1532, 1533); BeckOK-BGB/Reinken, §  1606 Rn.  23; Volker, FuR 2013, 550 (552); Wever, Vermögensauseinandersetzung, Rn.  924. Vgl. auch BGH v. 17.4.2013 – XII ZB 329/12,

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Kapitel 5:  Gemeinsame Elternschaft

der Rechtsprechung eine Gläubigerkonkurrenz zwischen dem Kind und dem ausgleichsberechtigten Elternteil entsteht, denn durch die überobligatorische Leistung des Letzteren wird der Unterhaltsanspruch des Kindes nach einhelliger Meinung nicht zum Erlöschen gebracht.90 Zur Lösung dieses Problems werden in der Literatur unterschiedliche Wege vorgeschlagen: Manche nehmen eine Gesamtgläubigerschaft zwischen Kind und ausgleichsberechtigtem Elternteil an91 und missachten dabei die fehlende Gleichstufigkeit der Verpflich­tungen des Schuldners gegenüber dem Kind und dem ersatzweise leistenden Elternteil.92 Andere erlauben – entgegen zutreffender Kritik93 – eine nachträgliche Tilgungsbestimmung durch den ausgleichsberechtigten Elternteil,94 durch die der Unterhaltsanspruch des Kindes zum Erlöschen gebracht werde. Und wieder andere befürworten – in Ausnahme zu dem Abtretungsverbot nach §  400 BGB i. V. m. §  850b Abs.  1 Nr.  2 ZPO – eine Pflicht des Kindes zur Abtretung seines Unterhaltsanspruchs (gemäß §§  1618a, 242, 255 BGB) an den leistenden Elternteil; 95 ein automatischer Forderungsübergang wird abgelehnt.96 Die Schwierigkeiten setzen sich fort, wenn der Unterhaltsschuldner nachträglich ebenfalls noch an das Kind zahlt: Dann stellt sich die Frage, woraus der betreuende Elternteil vom Kind Herausgabe verlangen kann. Da das Kind seinen Unterhaltsanspruch – wie gesagt – durch die Ersatzleistung des betreuenden Elternteils nicht verliert, ließe sich ein Herausgabeanspruch allenfalls aus §  816 Abs.  2 BGB NJW 2013, 1740 (1741); OLG Düsseldorf v. 5.12.1990 – 4 UF 122/90, NJW-RR 1991, 1027 (1028). 90  Gießler, FamRZ 1994, 800 (805); Langheim, FamRZ 2013, 1529 (1534); Soergel/Lettmaier, §  1606 Rn.  39; BeckOK-BGB/Reinken, §  1606 Rn.  26 f.; Roth, FamRZ 1994, 793 (796); Wohlgemuth, FamRZ 2009, 1873 (1876); Zwirlein, FamRZ 2015, 896 (897 f.). 91 Erman/Hammermann, §   1606 Rn.   40; Wendl/Dose/Klinkhammer, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, §   2 Rn.   778; Wohlgemuth, FamRZ 2009, 1873 (1876 f.). 92 Ebenso Gießler, FamRZ 1994, 800 (805). 93  Vgl. zur grundsätzlichen Kritik gegen die Möglichkeit einer nachträglichen Änderung einer Tilgungsbestimmung, vor allem mit dem Argument, dass eine solche dem zum Rückgriff Berechtigten einen unberechtigten Vorteil im Falle der Insolvenz des Bereicherten verschaffe, W. Lorenz, AcP 168 (1968), 286 (306 ff.); W. Lorenz, FS Institut Heidelberg (1967), S.  267 (280 ff.); Medicus/Petersen, Bürgerliches Recht, Rn.  951; MüKoBGB/ Schwab, §  812 Rn.  230. A. A. Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, §  69 III 2 c, S.  192 f.; Looschelders, Schuld­ recht BT, Rn.  1102. 94  OLG Karlsruhe v. 19.6.1997 – 18 UF 33/97, FamRZ 1998, 1190; Gießler, FamRZ 1994, 800 (806); Gießler, FamRZ 2009, 620; Götz, FF 2013, 225 (232); Soergel/Lettmaier, §  1606 Rn.  39; BeckOK-BGB/Reinken, §  1606 Rn.  27; Wever, Vermögensauseinandersetzung, Rn.  910; wohl auch Kodal/van Els, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rn.  1793. 95  OLG Jena v. 3.7.2008 – 1 UF 141/08, NJW-RR 2008, 1678 (1679); MüKoBGB/Born, §  1606 Rn.  49; Gießler, FamRZ 1994, 800 (805); Götz, FF 2013, 225 (232); Soergel/Lettmaier, §  1606 Rn.  39; BeckOK-BGB/Reinken, §  1606 Rn.  27; Wever, Vermögensauseinandersetzung, Rn.  910; Zwirlein, FamRZ 2015, 896 (898). 96  Vgl. BGH v. 26.4.1989 – IVb ZR 42/88, NJW 1989, 2816; Gießler, FamRZ 1994, 800 (805).

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begründen,97 wenn man die bedenkliche98 Möglichkeit einer nachträglichen Tilgungsbestimmung erlaubt.99 (2) Praktische Relevanz Praktisch relevant wird der familienrechtliche Ausgleichsanspruch heute in der Regel dann, wenn das minderjährige Kind von der Obhut eines Elternteils in diejenige des anderen wechselt oder volljährig wird.100 In Unterhaltsangelegenheiten hängt die Vertretungsbefugnis eines Elternteils für ein minderjähriges Kind davon ab, in wessen Obhut sich das Kind befindet (vgl. §  1629 Abs.  2 S.  2 BGB). Wechselt das Kind in die regelmäßige Betreuung des anderen Elternteils, entfällt damit die Vertretungsbefugnis des bisher betreuenden Elternteils, und zwar auch im Hinblick auf die bis Eintritt der Volljährigkeit aufgelaufenen Unterhaltsrückstände.101 Das gleiche gilt, wenn das Kind volljährig wird: Auch dann verliert der bis dahin betreuende Elternteil seine gesetzliche Vertretungsbefugnis. Um in solchen Fällen dem Elternteil, der den Lebensbedarf des Kindes in der Vergangenheit zu einem weit größeren Teil übernommen hat, als es seiner tatsächlichen Zahlungsverpflichtung im Verhältnis der Eltern zueinander entspricht (§  1606 Abs.  3 S.  1 BGB), einen Regress zu ermöglichen, wird ihm ein „familienrechtlicher Ausgleichsanspruch“ zugebilligt. Im laufenden Prozess muss der ausgleichsberechtigte Elternteil den Antrag vom ursprünglichen Unterhaltsanspruch des Kindes auf den Ausgleichsanspruch umstellen (§  263 ZPO i. V. m. §§  112 Nr.  1, 3, 113 Abs.  1 FamFG).102 (3) Dogmatische Begründung als cessio legis (a) Mögliche Anspruchsgrundlagen Versucht man zunächst, den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch aus den bekannten schuldrechtlichen Anspruchsgrundlagen herzuleiten, wird man in vielen Fällen einen Anspruch verneinen müssen. Hat ein Elternteil die Unterhaltsverpflichtung des anderen gegenüber dem Kind (anteilig) miterfüllt, so ergibt sich ein Regressanspruch nicht aus §  426 Abs.  1 und 2 BGB, denn die Eltern 97 

Vgl. OLG Düsseldorf v. 5.12.1990 – 4 UF 122/90, NJW-RR 1991, 1027. Vgl. Fn.  93. 99  Gießler, FamRZ 1994, 800 (808); Kodal/van Els, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rn.  1793; Roth, FamRZ 1994, 793 (796). 100  Götz, FF 2013, 225 (227); Götz/Schramm, NJW-Spezial 2015, 132; Wendl/Dose/ Klinkhammer, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, §  2 Rn.  778; Langheim, FamRZ 2013, 1529; Volker, FuR 2013, 550 (551 f.); Weinreich, FuR 2013, 615. Zu weiteren Anwendungsfällen Wever, Vermögensauseinandersetzung, Rn.  9 07 ff. 101  Langheim, FamRZ 2013, 1529 f.; Weinreich, FuR 2013, 615. 102  BGH v. 19.6.2013 – XII ZB 39/11, NJW 2013, 2595 (2596); Götz, FF 2013, 225 (227 ff.); Weinreich, FuR 2013, 615 (617). Zu den prozessualen Auswirkungen des Erlöschens der elterlichen Prozessführungsbefugnis ausführlich Gießler, FamRZ 1994, 800 ff. 98 

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Kapitel 5:  Gemeinsame Elternschaft

haften für den Kindesunterhalt nicht als Gesamtschuldner, sondern nur anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen, §  1606 Abs.  3 S.  1 BGB. Auch aus den Regelungen der Geschäftsführung ohne Auftrag lässt sich ein Ausgleichsanspruch häufig nicht begründen: Die Erfüllung der Unterhaltspflicht des anderen Elternteils könnte zwar gemäß §  679 Var. 2 BGB als eine stets berechtigte Fremdgeschäftsführung gedeutet werden, allerdings handelt der leistende Elternteil in den seltensten Fällen mit dem erforderlichen Fremdgeschäftsführungswillen.103 Meist kommt er für den ausstehenden Unterhalt allein deshalb auf, weil er im Interesse des Kindes dessen Bedürfnisse,104 nicht etwa die Verpflichtung des anderen Elternteils erfüllen will. Nur dann würde er aber ein Geschäft für den anderen führen. Aus dem gleichen Grund scheidet auch ein Bereicherungsanspruch nach §  812 Abs.  1 S.  1 Alt.  2 BGB (Rückgriffskondiktion) aus, denn mangels entsprechender Tilgungsbestimmung bei Vornahme der Leistungen des ausgleichsberechtigten Elternteils an das Kind erlischt die Unterhaltspflicht des Unterhaltsschuldners nicht. Ob der leistende Elternteil eine solche Tilgungsbestimmung, durch die eine Erfüllung des Unterhaltsanspruchs und zugleich die Bereicherung des Unterhaltsschuldners herbeigeführt würde, noch nachträglich vornehmen kann, um dann über die Rückgriffskondiktion gegen den anderen vorgehen zu können, ist umstritten, nach vorzugswürdiger Ansicht jedoch abzulehnen, weil sich der Leistende dadurch in der Insolvenz des Leistungsempfängers einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffen könnte.105 Der an sich naheliegende familienrechtliche Anspruch aus gesetzlichem Forderungsübergang gemäß §  1607 Abs.  2 S.  2 bzw. Abs.  3 S.  1 BGB, der nicht nur zwischen Verwandten, sondern auch zwischen Eltern als gleichrangigen Unterhaltsschuldnern bestehen kann,106 kommt in unmittelbarer Anwendung nur in den seltenen Fällen in Betracht, in denen die Rechtsverfolgung gegen den leistungsfähigen, aber nicht leistenden Elternteil für das Kind bzw. den für das Kind in Prozessstandschaft agierenden anderen Elternteil (§  1629 Abs.  3 S.  1 BGB) im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist (§  1607 Abs.  2 S.  1 BGB). Da der Regressanspruch zwischen den Elternteilen mithin von keiner der vorhandenen Anspruchsgrundlagen erfasst wird, bedarf es einer anderen rechtlichen Fundierung.

103 

Roth, FamRZ 1994, 793 (794, 795); Zwirlein, FamRZ 2015, 896 (897). Langheim, FamRZ 2013, 1529 (1530); Zwirlein, FamRZ 2015, 896 (897). 105  Vgl. die Nachweise in Fn.  93. 106  BGH v. 26.4.1989 – IVb ZR 42/88, NJW 1989, 2816 m. w. N.; MüKoBGB/Born, §  1607 Rn.  7; Staudinger/Engler, §  1607 Rn.  25; Soergel/Lettmaier, §  1607 Rn.  4 ; Zwirlein, FamRZ 2015, 896 (897). 104 

B. Haftung bei schuldhafter Beeinträchtigung des Umgangsrechts

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(b) Gesetzlicher Forderungsübergang analog §  1607 Abs.  3 S.  1 BGB (i) Vorrang der Analogie Bevor mit dem BGH in freier richterlicher Rechtsschöpfung ein neuer, gesetzlich nicht vorgesehener „familienrechtlicher Ausgleichsanspruch“ erfunden wird, sollte – wie schon Roth treffend angemahnt hat107 – zunächst versucht werden, in Anknüpfung an die vorhandenen Regelungen eine Lösung zu finden, die sich möglichst nahe an der gesetzlichen Regelung und dem gesetzgeberischen Willen orientiert. Das gebieten nicht nur die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgende Gewaltenteilung und die Bindung der Rechtsprechung an Gesetz und Recht (vgl. Art.  20 Abs.  2 S.  2 und Abs.  3 GG), sondern auch die Rechts­ sicherheit und Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen. Je weiter sich die Rechtsprechung vom geschriebenen Recht löst und Ansprüche sui generis kreiert, desto weniger lässt sich die Richtigkeit von Gerichtsentscheidungen rechtlich überprüfen und die Anwendbarkeit des Richterrechts auf den Einzelfall in neuen Fallkonstellationen prognostizieren.108 Im Falle des „familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs“ wäre die Schaffung eines neuen Instituts letztlich nicht erforderlich gewesen. Vielmehr lassen sich die von der Rechtsprechung geforderten Anspruchsvoraussetzungen und das gewünschte wirtschaftliche Ergebnis dogmatisch stringenter und nachvollziehbarer durch eine analoge Anwendung von §  1607 Abs.  3 S.  1 BGB begründen.109 Die für eine Analogie erforderlichen Voraussetzungen einer planwidrigen Regelungslücke und vergleichbaren Interessenlage zu der in §  1607 Abs.  3 S.  1 BGB geregelten Situation liegen im Hinblick auf einen Ausgleichsanspruchs zwischen Elternteilen vor, wenn einer von ihnen überobligatorisch für die anteilige Barunterhaltspflicht des anderen aufkommt. (ii) Planwidrige Regelungslücke Die im Gesetz vorgesehenen Ausgleichsmechanismen erfassen – wie gezeigt – die einem „familienrechtlichen Ausgleichsanspruch“ zugrundeliegende Kon­ stellation in aller Regel nicht. Mit der Einführung der anteiligen Haftung der Eltern gemäß §  1606 Abs.  3 BGB im Jahr 1958 und der dadurch erfolgten Aufgabe der vorrangigen Unterhaltspflicht des Vaters (§  1606 Abs.  2 S.  2 BGB a. F.110) 107 

Roth, FamRZ 1994, 793 (795); ihm folgend Zwirlein, FamRZ 2015, 896 (898). Zwirlein, FamRZ 2015, 896 (898). 109  Im Ergebnis so auch Roth, FamRZ 1994, 793 (795), der mangels Existenz des heutigen §  1607 Abs.  3 BGB (vgl. Fn.  121) noch §  1607 Abs.  2 S.  2 BGB für analog anwendbar hielt; ebenso – §  1607 Abs.  3 S.  1 BGB nicht erwähnend – Zwirlein, FamRZ 2015, 896 (898). Explizit gegen die Anwendbarkeit von §  1607 Abs.  2 S.  2 BGB noch BGH v. 26.4.1989 – IVb ZR 42/88, NJW 1989, 2816. 110  §  1606 Abs.  2 BGB a. F. lautete: „Unter den Verwandten der aufsteigenden Linie haften die näheren vor den entfernteren, mehrere gleich nahe zu gleichen Theilen. Der Vater haftet jedoch vor der Mutter; (…)“. Die Norm wurde durch Art.  1 Nr.  19 des Gleichberechtigungs108 

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Kapitel 5:  Gemeinsame Elternschaft

als Folge der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art.  3 Abs.  2 GG) hat sich der Gesetzgeber bewusst gegen eine Gesamtschuldnerschaft zwischen den Eltern entschieden, weil diese bei alleiniger Inanspruchnahme eines Elternteils als unbillig angesehen wurde.111 Stattdessen wurde eine Regelung eingeführt, wonach die Eltern nebeneinander nach Maßgabe ihrer jeweiligen Erwerbs- und Vermögensverhältnisse für den Unterhalt des Kindes haften sollten.112 Dass in der Konsequenz damit im Innenverhältnis ein Gesamtschuldnerausgleich nach §  426 BGB entfällt, hat der Gesetzgeber offenbar nicht bedacht,113 jedenfalls nimmt die Gesetzesbegründung zum Ausgleich im Verhältnis der Eltern zueinander nicht Stellung. Vor dem Hintergrund, dass jeder Elternteil vom Kind seither nur anteilig auf Unterhalt in Anspruch genommen werden kann und in §  1607 Abs.  1 und Abs.  2 S.  1 BGB zum Schutz des Kindes bei Nichtleistung eines Elternteils eine Ersatzhaftung nachrangiger Verwandter vorgesehen ist, wurde wohl übersehen, dass es einer Ausgleichsregelung auch für den Fall bedarf, dass ein (gleichrangiger) Elternteil „freiwillig“ überobligatorisch an das Kind leistet, weil der andere seiner Verpflichtung nicht nachkommt.114 Insofern besteht eine planwidrige Regelungslücke. (iii) Vergleichbarkeit der Interessenlage Der Ausgleichskonstellation zwischen Eltern eines gemeinsamen Kindes liegt zudem eine mit der in §  1607 Abs.  3 S.  1 BGB geregelten Situation vergleichbare Interessenlage zugrunde.115 Zweck des §  1607 BGB ist in erster Linie die Sicherung des Kindesunterhalts.116 Während mit §  1607 Abs.  1 BGB ein nachrangiger Verwandter zur Unterhaltsleistung verpflichtet wird, weil der „eigentliche“ Unterhaltsschuldner mangels Leistungsfähigkeit nicht haftet, bleibt in den Fällen des §  1607 Abs.  2 und Abs.  3 BGB die Verpflichtung des Primärschuldners bestehen. Zum Schutz des Kindes wird bei pflichtwidriger Nichtleistung des Kindesunterhalts durch den Primärschuldner unmittelbar der im Sinne von §  1607 Abs.  1 BGB nachrangig haftende Verwandte gemäß §  1607 Abs.  2 S.  1 BGB ersatzweise in die Pflicht genommen, wenn die Rechtsverfolgung gegen Ersteren gesetzes (Kap.  3 E.I.2.b), S.  345 Fn.  1305) mit Wirkung ab 1.7.1958 geändert; zur Rechtslage in der Zwischenzeit vom 1.4.1953 (Art.  117 Abs.  1 GG) bis 1.7.1958 vgl. schon bei Kap.  3 E.I.2.b), S. 344 Fn.  1303 ff. 111  BT-Drucks. 2/244, S.  55. 112  BT-Drucks. 2/244, S.  55. 113  Holzhauer, FS Wolf (1985), S.   223 (231); Kodal/van Els, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rn.  1787; Zwirlein, FamRZ 2015, 896 (898). 114  Holzhauer, FS Wolf (1985), S.  2 23 (231). 115 Im Ergebnis ebenso Zwirlein, FamRZ 2015, 896, die jedoch §   1607 Abs.  2 S.  2 BGB analog anwenden will. 116 MüKoBGB/Born, §  1607 Rn.  1; Palandt/Brudermüller, §  1607 Rn.  2 ; Soergel/Lettmaier, §  1607 Rn.  2. Zu beachten ist jedoch, dass §  1607 Abs.  1 und 2 BGB nicht nur auf den Kindes­ unterhalt, sondern weitergehend auf jeden Verwandtenunterhalt anwendbar ist.

B. Haftung bei schuldhafter Beeinträchtigung des Umgangsrechts

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für das Kind im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist. Zum Ausgleich für diese Ersatzhaftung sieht das Gesetz in §  1607 Abs.  2 S.  2 BGB vor, dass der Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den Primärschuldner kraft Gesetzes auf den leistenden Verwandten übergeht.117 Eingeführt wurde diese cessio legis schon in die ursprüngliche Fassung des BGB durch die 2. Kommission, weil sie in den von §  1607 Abs.  2 BGB erfassten Fällen Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag und aus ungerechtfertigter Bereicherung für zu ungewiss hielt und daher die Möglichkeit des Rückgriffs wenigstens insoweit gewähren wollte, wie dem Unterhaltsberechtigten ein Anspruch gegen den primär Verpflichteten zusteht.118 Dabei wurde explizit festgestellt, dass ein gesetzlicher Forderungsübergang einem Abtretungsanspruch („einem beneficium cedendarum actionum“) vorzuziehen sei,119 und die Annahme, dass in diesen Fällen stets eine „nützliche Geschäftsführung“ vorliege und daher immer ein Er­ satzanspruch gegeben sei, als viel zu weit gehend und unbillig abgelehnt, „weil der Unterhaltspflichtige erst dann, wenn er etwas von seiner konkreten Unterhaltspflicht wisse, sein Leben darnach einrichten könne.“120 – Ein ähnliches Interesse an einem Regress haben freiwillig einspringende nicht unterhalts­ pflichtige Verwandte, deren Bereitschaft zur vorläufigen Sicherstellung des Kindesunterhalts ebenfalls durch eine cessio legis gemäß §  1607 Abs.  3 S.  1 BGB121 gefördert werden soll.122 Einerseits soll also durch die Regelung in §  1607 Abs.  2 und 3 BGB dem Kind eine langwierige und ungewisse Rechtsverfolgung gegen den primär Haftenden erspart werden, indem durch die Ersatzhaftung des nachrangig haftenden Verwandten oder eine freiwillige Leistung eines anderen Verwandten eine Befriedigung der Bedürfnisse des Kindes sichergestellt wird.123 Andererseits soll der Primärschuldner nur dann einem anderen Gläubiger ausgesetzt sein, wenn dem Kind die Rechtsverfolgung wegen der damit verbundenen Schwierigkeiten nicht zumutbar ist und deshalb ein Dritter kraft Gesetzes für den Unterhalt aufkommen muss oder freiwillig leistet; 124 durch den Verweis in §  1607 Abs.  2 117 MüKoBGB/Born, §   1607 Rn.  2; Palandt/Brudermüller, §  1607 Rn.  2, 11; Staudinger/ Engler, §  1607 Rn.  27; Erman/Hammermann, §  1607 Rn.  1; Soergel/Lettmaier, §  1607 Rn.  2, 17; BeckOK-BGB/Reinken, §  1607 Rn.  12. 118  Mugdan, Motive zum BGB IV, Protokolle S.  953. 119  Mugdan, Motive zum BGB IV, Protokolle S.  953. 120  Mugdan, Motive zum BGB IV, Protokolle S.  953 f.; vgl. auch Staudinger/Engler, §  1607 Rn.  23; Kropholler, FamRZ 1965, 413 (416). 121  Eingefügt mit Wirkung vom 1.7.1998 durch Art.  1 Nr.  5 Buchstabe c des Gesetzes zur Vereinheitlichung des Unterhaltsrechts minderjähriger Kinder (Kindesunterhaltsgesetz) vom 6.4.1998, BGBl. I 1998, S.  666. 122  BT-Drucks. 13/7338, S.  21; MüKoBGB/Born, §  1607 Rn.  2 , 15; Palandt/Brudermüller, §  1607 Rn.  2, 15; Staudinger/Engler, §  1607 Rn.  1, 42; Erman/Hammermann, §  1607 Rn.  20; Soergel/Lettmaier, §  1607 Rn.  2 ; BeckOK-BGB/Reinken, §  1607 Rn.  17. 123 MüKoBGB/Born, §  1607 Rn.  1, 7; Kropholler, FamRZ 1965, 413 (416). 124  BT-Drucks. 13/7338, S.  21.

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Kapitel 5:  Gemeinsame Elternschaft

S.  2 und Abs.  3 S.  1 BGB auf §  1607 Abs.  2 S.  1 BGB wird klargestellt, dass nicht in jedem Fall, in dem ein Dritter für einen Verwandten im Hinblick auf die Unterhaltszahlungen an das Kind einspringt, ein Forderungsübergang stattfindet, sondern nur dann, wenn die Rechtsverfolgung mit erheblichen Schwierigkeiten für das Kind verbunden ist; allein die Leistung von Unterhalt anstelle eines vorrangig verpflichteten Verwandten löst die cessio legis nicht aus.125 Umgekehrt dient dieses Erfordernis aber auch dem Schutz der nachrangig Haftenden, denn für entferntere Verwandte ist es durchaus angemessen, dass sie nur und erst dann zur Unterhaltszahlung verpflichtet werden, wenn das Kind den „eigent­ lichen“ Unterhaltsschuldner nur mit unverhältnismäßigem Aufwand in Anspruch nehmen kann.126 Da der Erstverpflichtete – anders als nach §  1607 Abs.  1 BGB – selbst unterhaltspflichtig bleibt, wird drittens die Rechtsposition des nachrangig haftenden (§  1607 Abs.  1, Abs.  2 S.  2 BGB) oder freiwillig einspringenden (§  1607 Abs.  3 S.  1 BGB) Verwandten durch die cessio legis des auf ihn übergehenden Unterhaltsanspruchs des Kindes gestärkt, wenn er schon ersatzweise an das Kind Unterhalt zahlt bzw. zahlen muss.127 Durch die Ersatzleistung wird der Bedarf des Kindes befriedigt, so dass das Kind selbst nicht mehr auf den Unterhaltsanspruch gegen den Erstverpflichteten angewiesen und ein Forderungsübergang auf den zahlenden Verwandten gerechtfertigt ist. Solange allerdings die Rechtsverfolgung gegen den Erstverpflichteten nicht erheblich erschwert ist, darf das Kind nachrangig haftende Verwandte nicht ersatzweise in Anspruch nehmen, sondern muss vielmehr seinen Unterhaltsanspruch – gegebenenfalls in Prozessstandschaft durch den anderen Elternteil (§  1629 Abs.  3 S.  1 BGB) – verfahrensrechtlich geltend machen. Kommt in einem solchen Fall der betreuende Elternteil im Interesse des Kindes „freiwillig“ und überobligatorisch für dessen gesamten Bedarf auf, wenn der andere unterhaltspflichtige Elternteil nicht leistet, ergibt sich eine vergleichbare Interessenlage zu der in §  1607 Abs.  3 S.  1 BGB geregelten Situation, in der ebenfalls ein selbst nicht Verpflichteter einspringt: Die schutzwürdigen Interessen des Kindes sind durch die Ersatzleistungen hinreichend gewahrt. Anders als in den Konstellationen des §  1607 Abs.  2 und Abs.  3 S.  1 BGB muss der pflichtwidrig nichtleistende Elternteil hier nicht in gleichem Maße vor einer Inanspruchnahme durch den betreuenden Elternteil durch das besondere Kriterium 125 MüKoBGB/Born, §   1607 Rn.   11; Palandt/Brudermüller, §  1607 Rn.  13; Rauscher, FamR, Rn.  865. 126  Roth, FamRZ 1994, 793 (795). 127 MüKoBGB/Born, §   1607 Rn.   7; Palandt/Brudermüller, §  1607 Rn.  11; Kropholler, ­FamRZ 1965, 413 (416); BeckOK-BGB/Reinken, §  1607 Rn.  12; Zwirlein, FamRZ 2015, 896 (898). Dazu, dass §  1607 Abs.  2 BGB in seinem Anwendungsbereich die allgemeinen Ersatzvorschriften verdrängt, weil ihre gesetzlichen Voraussetzungen infolge der cessio legis nicht gegeben sind, vgl. Staudinger/Engler, §  1607 Rn.  39; Gernhuber/Coester-Waltjen, Familienrecht, §  45 Rn.  58; Erman/Hammermann, §  1607 Rn.  19; Kropholler, FamRZ 1965, 413 (418 f.); Soergel/Lettmaier, §  1607 Rn.  26; Rauscher, FamR, Rn.  865 a. E.

B. Haftung bei schuldhafter Beeinträchtigung des Umgangsrechts

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geschützt werden, dass eine Rechtsverfolgung für das Kind gegen ihn im Inland ausgeschlossen oder erheblich erschwert ist: Denn sofern die Eltern verheiratet sind und getrennt leben ist der das minderjährige Kind betreuende Elternteil ohnehin nach §  1629 Abs.  3 S.  1 BGB berechtigt, dessen Unterhaltsanspruch im eigenen Namen geltend zu machen.128 Sind die Eltern nicht miteinander verheiratet, aber gemeinsam sorgeberechtigt, ist der betreuende Elternteil nach §  1629 Abs.  2 S.  2 BGB befugt, das Kind bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen zu vertreten; und bei alleiniger Sorge folgt Gleiches schon aus §  1629 Abs.  1 S.  1 und 3 BGB. Der betreuende Elternteil darf sich also unabhängig von der Sorgerechtslage und etwaiger Schwierigkeiten bei der Rechtsverfolgung in das Rechtsverhältnis zwischen dem Kind und dem Unterhaltsschuldner „einmischen“. Außerdem passt die Wertung des §  1607 Abs.  2 S.  1 BGB – soweit sie nachrangig Haftende nur im Notfall in die Pflicht nehmen will – im Verhältnis der Eltern zueinander nicht, da diese gleichrangig haften und jeder bei Ausfall des anderen Elternteils alleine für den Kindesunterhalt aufkommen129 (vgl. §  1606 Abs.  2, Abs.  3 S.  1 BGB) und dafür nach §  1603 Abs.  2 BGB nötigenfalls alle verfügbaren Mittel verwenden muss.130 Berücksichtigt man dann noch, dass es im Interesse und zum Wohl des Kindes wünschens- und unterstützenswert ist, dass der betreuende Elternteil für den ausstehenden, dem anderen Elternteil obliegenden Barunterhalt sofort (vorläufig) mit aufkommt, und ihm für diese Fälle kraft Gesetzes häufig kein Regressanspruch gegen den Unterhaltsschuldner eingeräumt wird, erscheint es gerechtfertigt und geboten, dessen Rechtsposition gegenüber dem anderen Elternteil – ungeachtet der zweifelhaften Erfolgsaussichten allgemeiner Ersatzansprüche – ebenfalls durch einen gesetzlichen Forderungsübergang analog §  1607 Abs.  3 S.  1 BGB zu stärken, ohne dass es auf die Voraussetzungen des §  1607 Abs.  2 S.  1 BGB ankäme.131 Dem Interesse des Unterhaltspflichtigen, vom betreuenden Elternteil nicht in weitergehendem Umfang in Anspruch genommen werden zu können wie vom Kind, wird dadurch hinreichend Rechnung getragen, dass der kraft cessio legis auf den betreuenden Elternteil übergegangene Unterhaltsanspruch für rückständigen Unterhalt selbstverständlich nur nach Maßgabe von §  1613 BGB geltend gemacht werden kann und sich auch im Übrigen nach den für den Unterhaltsanspruch des Kindes geltenden Vorschriften richtet.132 ­ 128 

Zwirlein, FamRZ 2015, 896 (899). Holzhauer, FS Wolf (1985), S.  223 (227 f.); Soergel/Lettmaier, §  1606 Rn.  33, 35; Roth, FamRZ 1994, 793 (795). 130  Roth, FamRZ 1994, 793 (795). 131  So aber Holzhauer, FS Wolf (1985), S.  2 23 (232). Wie hier, aber §  1607 Abs.  2 S.  2 BGB analog anwendend, Roth, FamRZ 1994, 793 (795); Zwirlein, FamRZ 2015, 896 (898). 132  Mugdan, Motive zum BGB IV, Protokolle S.   953; MüKoBGB/Born, §  1607 Rn.  14; ­Palandt/Brudermüller, §  1607 Rn.  14; Staudinger/Engler, §  1607 Rn.  32 f.; Gernhuber/Coester-­ Waltjen, Familienrecht, §  45 Rn.  57; Erman/Hammermann, §  1607 Rn.  17; Soergel/Lettmaier, 129 

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Kapitel 5:  Gemeinsame Elternschaft

(c) Vorteile der cessio legis Bei dieser Lösung bereitet es keine Schwierigkeiten zu begründen, warum §  1613 BGB auf den „Ausgleichsanspruch“ zwischen den Eltern Anwendung findet, da es sich schlicht um den Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den nichtleistenden Elternteil handelt. Außerdem lässt sich dadurch vermeiden, dass sich der Unterhaltsschuldner zwei gleichgerichteten Ansprüchen ausgesetzt sieht, nämlich einmal dem (fortbestehenden) Unterhaltsanspruch des Kindes und dem „familienrechtlichen Ausgleichsanspruch“ des anderen Elternteils.133 Mit der hier vertretenen Ansicht besteht nur ein Anspruch,134 der kraft Gesetzes (nicht erst durch eine verpflichtende Abtretung von Seiten des Kindes) auf den überobligatorisch leistenden Elternteil übergeht. Der Höhe nach beschränkt sich der Anspruch des leistenden Elternteils aus übergegangenem Recht sachgerecht auf den Betrag, den dieser ersatzweise an das Kind erbracht hat (vgl. §  1607 Abs.  3 S.  1 BGB: „soweit“); 135 schuldet der Unterhaltspflichtige dem Kind einen höheren Unterhaltsbetrag, verbleibt der Unterhaltsanspruch insofern beim Kind, das unter den Voraussetzungen des §  1613 BGB den rückständigen Unterhalt selbst einfordern muss. Nimmt man eine cessio legis an, so bedarf es des weiteren keiner Antragsumstellung des Leistenden, wenn das Kind volljährig wird oder in die Obhut des anderen wechselt, denn der zahlende Elternteil klagt von vorneherein die kraft Gesetzes übergegangene Unterhaltsforderung des Kindes, also einen nunmehr eigenen Anspruch ein,136 der unabhängig ist von der Vertretungsbefugnis für das Kind. Schließlich setzt ein Ausgleichsanspruch zwischen den Eltern bei analoger Anwendung von §  1607 Abs.  3 S.  1 BGB auch keine vom BGH bei Ehegatten geforderte Regressabsicht voraus. Vielmehr geht der Gesetzgeber als selbstverständlich davon aus, dass ein Verwandter, der ersatzweise für den Kindesunterhalt in die Pflicht genommen wird oder aushilfsweise freiwillig leistet, nicht aus Freigebigkeit zugunsten des Primärschuldners, sondern nur im Interesse und zum Wohl des Kindes, aber mit der Absicht handelt, beim Schuldner Regress zu nehmen. Denn genau diese Rechtsfolge sieht das Gesetz in der Form eines gesetzlichen Forderungsübergangs als Entschädigung für die Ersatzhaftung bzw. als Anreiz für eine freiwillige Leistung in §  1607 Abs.  2 und 3 BGB vor. Diesem, der gesetzlichen Regelung zugrundeliegenden, realitätsnahen Gedanken wollen die Befürworter eines „familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs“ dadurch Rechnung tragen, dass sie §  1360b BGB §  1607 Rn.  24; Rauscher, FamR, Rn.  865; BeckOK-BGB/Reinken, §  1607 Rn.  16; Zwirlein, FamRZ 2015, 896 (899); differenzierend Kropholler, FamRZ 1965, 413 (417). 133  Siehe zu den in der Literatur insofern vorgeschlagenen Lösungen die Ausführungen oben Kap.  5 B.III.2.c)(1), S. 418 f. 134 Ebenso Zwirlein, FamRZ 2015, 896 (899). 135 Palandt/Brudermüller, §   1606 Rn.  18. Zu den damit verbundenen beweisrechtlichen Fragen Götz, FF 2013, 225 (230). 136  Zwirlein, FamRZ 2015, 896 (899).

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entgegen der Regelung in §  1361 Abs.  4 S.  4 BGB ab einem Getrenntleben verheirateter Eltern – dem Regelfall des hier diskutierten Ausgleichsanspruchs – nicht mehr anwenden, weil es vielfach nicht dem Willen des Leistenden entspreche, seine Leistung ohne Absicht der Rückforderung zugunsten des anderen zu erbringen.137 Jedenfalls wird gefordert, an die Darlegungs- und Beweislast für eine Regressabsicht keine hohen Anforderungen zu stellen.138 Diese Hilfskon­ struktionen lassen sich vermeiden, wenn man dem gesetzgeberischen Willen durch eine analoge Anwendung von §  1607 Abs.  3 S.  1 BGB zur Geltung verhilft. (4) Ergebnis Lehnt man mit der hier vertretenen Ansicht die Konstruktion eines „familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs“ sui generis ab und löst die relevanten Fälle über eine analoge Anwendung von §  1607 Abs.  3 S.  1 BGB, droht folglich durch eine im Grundsatz daneben zugelassene schuldrechtliche Haftung zwischen den Eltern eines gemeinsamen Kindes – entgegen der eingangs geschilderten Befürchtung – keine Aushöhlung oder Umgehung der mittlerweile gewohnheitsrechtlich etablierten Rechtsprechung des BGH zum „familienrechtlichen Ausgleichsanspruch“. 3. Zusammenfassung Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass auch ein Elternteil, wenn und soweit er eine schuldrechtliche Pflicht aus dem zwischen ihm und dem anderen Elternteil bestehenden Schuldverhältnis verletzt, diesem für etwaig verursachte Schäden nach §  280 Abs.  1 BGB haftet. Das Verschulden wird nach §  280 Abs.  1 S.  2 BGB vermutet, wobei eine Widerlegung der Vermutung auch dann ausscheidet, wenn sich der Schuldner über §  278 BGB das Verschulden eines Dritten zurechnen lassen muss. Außerdem lassen sich mit Blick auf den Schutzzweck der verletzten Pflichten, wie sogleich dargelegt wird, im Vergleich zur deliktischen Haftung über die schuldrechtliche Haftung in weitergehendem Umfang praxisrelevante „Schadensposten“ erfassen.

137 Staudinger/Engler, §  1606 Rn.  61, §  1607 Rn.  25; Götz, FF 2013, 225 (230 f.); Erman/ Hammermann, §  1606 Rn.  37; Kodal/van Els, in: Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, Rn.  1790; Soergel/Lettmaier, §  1607 Rn.  36 (tatsächliche Vermutung); BeckOK-BGB/ Reinken, §  1606 Rn.  22a; Roth, FamRZ 1994, 793 (798). 138  Götz, FF 2013, 225 (230 f.); BeckOK-BGB/Reinken, §  1606 Rn.  2 2a.

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Kapitel 5:  Gemeinsame Elternschaft

IV. Umfang des Schadensersatzanspruchs 1. Vergebliche Aufwendungen als ersatzfähige Schadensposten? Gegenstand von Rechtsstreitigkeiten zwischen Eltern eines gemeinsamen ­Kindes sind in der Praxis häufig keine Schäden im klassischen Sinne, also unfreiwillige Vermögensopfer, sondern Aufwendungen, die wegen der Umgangsrechtsverletzung fehlschlagen. Klassische Beispiele sind Reisekosten des Umgangsberechtigten für sich oder das Kind, um den Umgangstermin wahrnehmen zu können, oder Aufwendungen für gemeinsam mit dem Kind geplante Aktivitäten (z. B. Buchung eines Ferienhauses; 139 Eintrittskarten), die hinfällig werden, wenn der Umgangstermin scheitert. Über einen Schadensersatzanspruch können solche Aufwendungen nicht ohne weiteres erstattet verlangt werden. Insbesondere hilft in diesem Zusammenhang die Theorie von der Rentabilitätsvermutung nicht, da es sich um Aufwendungen zu ideellen Zwecken handelt.140 Auch die früher vertretene Frustrationslehre, die auch reine Frustrierungsschäden als erstattungs­ fähig ansah, wird heute zu Recht überwiegend abgelehnt, weil sie auf jeden vernünftigen Zurechnungszusammenhang verzichtet.141 Allerdings kann ein ­ Anspruch auf Ersatz der nutzlos gewordenen Aufwendungen Teil des negativen Interesses, also des Vertrauensschadens sein.142 Soweit für enttäuschtes Vertrauen gehaftet wird, umfasst der zu ersetzende Schaden auch Aufwendungen, die infolge des schädigenden Ereignisses vergeblich geworden sind. Über eine deliktische Haftung scheidet die Ersatzfähigkeit von Aufwendungen, die bereits vor dem schädigenden Ereignis getätigt wurden, daher aus, denn das Deliktsrecht gewährt zwar Integritätsschutz, aber keinen Vertrauensschutz, ganz abgesehen davon, dass das Vermögen als solches kein geschütztes Rechtsgut ist. Schon deshalb kommt im Hinblick auf vergebliche Aufwendungen eines ­Elternteils im Falle der Beeinträchtigung des Umgangsrechts lediglich eine Schadensersatzpflicht im Rahmen der schuldrechtlichen Sonderverbindung in Betracht. Eine Haftung aus §  280 Abs.  1 BGB lässt sich unproblematisch begründen, wenn der Schuldner die Schutzpflicht hatte, den anderen von bestimmten Aufwendungen abzuhalten.143 Dies trifft im Elternverhältnis im ­Hinblick auf die Pflicht des sorgeberechtigten Elternteils zu, den Umgangs­ berechtigten rechtzeitig zu unterrichten, wenn der Umgangskontakt nicht wie 139 

Vgl. OLG Karlsruhe v. 21.12.2001 – 5 UF 78/01, FamRZ 2002, 1056. zur Rentabilitätsvermutung nur Soergel/Ekkenga/Kuntz, Vor §  249 Rn.  83; Palandt/Grüneberg, §  281 Rn.  23 f.; Staudinger/Schiemann, §  249 Rn.  126 f.; Weitemeyer, AcP 205 (2005), 275; Emmerich, FS Otte (2005), S.  101 ff. 141 Soergel/Ekkenga/Kuntz, Vor §   249 Rn.  82; Palandt/Grüneberg, §  249 Rn.  61; MüKo­ BGB/Oetker, §  249 Rn.  47 f.; Staudinger/Schiemann, §  249 Rn.  123 ff. 142 Palandt/Grüneberg, §  249 Rn.  60; Heiderhoff, FamRZ 2004, 324 (327); MüKoBGB/ Oetker, §  249 Rn.  48. 143 Richtig Heiderhoff, FamRZ 2004, 324 (327). 140 Vgl.

B. Haftung bei schuldhafter Beeinträchtigung des Umgangsrechts

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geplant stattfinden kann. Aber auch über diese Schutzpflicht hinaus dienen die Rücksichtnahmepflichten aus §§  1684 Abs.  2 S.  1, 241 Abs.  2 BGB im Schuldverhältnis der Eltern dem Schutz der finanziellen Interessen des jeweils anderen. Zwar lässt sich das Schuldverhältnis zwischen den Eltern häufig nicht als ein „Vertrauensverhältnis“ bezeichnen, dennoch wird jedenfalls durch die gerichtliche Umgangsregelung oder auch eine Umgangsvereinbarung ein Vertrauens­ tatbestand geschaffen, der zu Vermögensinvestitionen veranlassen kann. Jeder Elternteil darf in einem solchen Fall darauf vertrauen, dass er zu den gerichtlich bestimmten oder vereinbarten Terminen den Umgang mit dem Kind ungehindert ausüben kann. Wird dieses Vertrauen durch eine das Umgangsrecht beeinträchtigende Handlung des anderen Elternteils enttäuscht mit der Folge, dass getätigte Aufwendungen vergeblich werden, verletzt der das Umgangsrecht missachtende Elternteil seine schuldrechtliche Rücksichtnahmepflicht in Bezug auf die finanziellen Interessen des anderen und macht sich gemäß §  280 Abs.  1 BGB schadensersatzpflichtig. Verweigert der sorgeberechtigte Elternteil unter Zuwiderhandlung gegen eine gerichtliche oder vertragliche Umgangsregelung den Umgangskontakt und informiert er den anderen Elternteil rechtzeitig darüber, so verletzt er durch die (ungerechtfertigte) Verweigerung der Herausgabe des Kindes zu Umgangszwecken selbstverständlich ebenfalls seine schuldrechtliche Rücksichtnahmepflicht in Bezug auf das Umgangsrecht des anderen,144 allerdings kann der Umgangsberechtigte in einem solchen Fall, wenn er dennoch zum anstehenden Umgangstermin anreist, seine Reisekosten, soweit sie vermeidbar gewesen wären, meist nicht vollständig erstattet verlangen,145 weil ihm ein Mitverschulden am Entstehen des Vermögensschadens vorzuwerfen ist (§  254 BGB). Der Umgangsberechtigte ist in derartigen Situationen darauf verwiesen, sein Umgangsrecht im Wege der staatlich organisierten Zwangsvollstreckung durchzusetzen (§§  88 ff. FamFG), er darf jedoch nicht auf Kosten des sorgeberechtigten Elternteils von vornherein „sinnlose“ Vermögensschäden produzieren. 2. Schutzzweck der verletzten Norm bzw. Pflicht Soweit Aufwendungen nach dem Gesagten als Schadensposten über einen Schadensersatzanspruch erstattet verlangt werden können, stellt sich des Weiteren die Frage, ob derartige Aufwendungen auch vom Schutzzweck der als verletzt gerügten Norm bzw. Pflicht erfasst werden. Es ist allgemein anerkannt, dass die Schadensersatzpflicht durch den Schutzzweck der Norm begrenzt wird.146 144 

A. A. Heiderhoff, FamRZ 2004, 324 (327 f.). kann im Einzelfall auch einmal anders zu beurteilen sein, z. B. wenn der Umgangsberechtigte durch seine Anreise aus nachvollziehbaren Gründen „ernsthaftes Interesse an dem Kind“ zeigen will (vgl. §  1686a Abs.  1 BGB). 146  BGH v. 20.5.2014 – VI ZR 381/13, NJW 2014, 2190 (2191) m. w. N. 145  Dies

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Kapitel 5:  Gemeinsame Elternschaft

Auch beim Umfang des Schadensersatzanspruchs eines umgangsberechtigten Elternteils kann sich daher auswirken, ob er seinen Anspruch auf das Deliktsrecht und damit eine Beeinträchtigung seines Umgangsrechts als absolut geschütztem Elternrecht stützt, oder ob er eine Verletzung der schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflicht geltend macht. Hier zeigt sich erneut, dass das Deliktsrecht im Hinblick auf die in der Praxis relevant werdenden Schadensposten nur unzureichenden Rechtsschutz gewährt, weil vergebliche Aufwendungen für den Umgangskontakt – abgesehen davon, dass Aufwendungen vom Deliktsrecht nicht abgedeckt werden – auch vom Schutzzweck des Umgangsrechts nicht erfasst sind. Das Umgangsrecht dient in erster Linie dem Wohl des Kindes und soll dem Bedürfnis des Kindes, aber auch jedes Elternteils, Rechnung tragen, persönliche Beziehungen und Bindungen im jeweiligen Eltern-Kind-Verhältnis aufzubauen und zu erhalten. Es will den Umgangsberechtigten aber nicht davor schützen, dass etwaige für die Ausübung des Umgangskontaktes getätigten Aufwendungen im Falle einer Beeinträchtigung oder gar Vereitelung des Umgangsrechts nutzlos werden. Anders mag dies für Kosten zu beurteilen sein, die der Wiederherstellung des dem familienrechtlichen Umgangsverhältnis entsprechenden Zustandes dienen, die also erst nach dem schädigenden Ereignis getätigt werden, etwa für Detektivkosten zur Ausfindigmachung des Aufenthaltsorts des Kindes bei einer Entführung durch den anderen Elternteil oder einen Dritten. Die der Ausgestaltung des einzelnen Umgangskontaktes dienenden, vor der Beeinträchtigung gemachten Aufwendungen werden vom Zweck des deliktischen Schutzes des Umgangsrechts, das allein den persönlichen Kontakt zwischen dem umgangsberechtigten Elternteil und dem Kind gewährleisten will, dagegen nicht erfasst. Knüpft man haftungsrechtlich indes an die aus dem elterlichen Schuldverhältnis fließende Rücksichtnahmepflicht an, so bereitet es keine Schwierigkeiten, derartige Aufwendungen vom Schutzzweck der Pflicht umfasst anzusehen, denn damit sollen gerade auch die finanziellen Interessen des Gläubigers vor vermögensschädigenden Maßnahmen des Schuldners geschützt werden. Durch die Anerkennung eines Schuldverhältnisses mit allgemein schuldrechtlichen Pflichten zwischen den Eltern eines gemeinsamen Kindes lassen sich mithin ohne Schwierigkeiten und in sachgerechter Weise Ausgleichsansprüche begründen, wenn ein Elternteil das Umgangsrecht des anderen schuldhaft missachtet und diesem dadurch finanzielle Einbußen entstehen. Das ist das Mindeste, was unsere Rechtsordnung gewähren kann und muss, um Gerechtigkeit inter partes herzustellen, auch wenn ein Schadensersatzanspruch oft nur ein schwacher Trost für den Umgangsberechtigten ist; denn den verlorenen ideellen Wert des boykottierten Umgangs mit dem Kind kann das Recht nicht – schon gar nicht mit Geld – ausgleichen; die Zeit lässt sich nicht zurückdrehen.

B. Haftung bei schuldhafter Beeinträchtigung des Umgangsrechts

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V. Haftungsprivilegierung analog §§  1359, 1664 BGB? Zu überlegen bleibt schließlich noch, ob in Bezug auf die zwischen Eltern bestehenden Pflichten ein auf die eigenübliche Sorgfalt (§  277 BGB) reduzierter Haftungsmaßstab analog §  1359 BGB oder §  1664 BGB anwendbar ist.147 Angesichts der Tatsache, dass in den Fällen einer Beeinträchtigung des Umgangsrechts ­keine Lebensgemeinschaft und erst recht kein Vertrauensverhältnis (mehr) zwischen den Eltern besteht, erscheint eine Haftungsprivilegierung jedoch nicht gerechtfertigt.148 Der Haftungsmaßstab der eigenüblichen Sorgfalt dient vor allem dazu, einen vertrauensvollen und unbeschwerten Umgang zwischen den am Schuldverhältnis Beteiligten zu ermöglichen, was durch ein geringeres Haftungsrisiko begünstigt wird.149 Dies gilt insbesondere, wenn über das Vertrauensverhältnis hinaus – etwa aufgrund der besonderen personalen Verbundenheit zweier Partner einer Lebensgemeinschaft (vgl. §  1359 BGB; §  4 LPartG), einem engen räumlichen Zusammenleben (vgl. §  1664 BGB) oder gemeinsamer, arbeitsteiliger Zweckverfolgung (vgl. §  708 BGB) – ein erhöhtes Risiko besteht, dass die Rechte, Rechtsgüter oder Interessen des anderen durch einfach fahrlässiges Verhalten beeinträchtigt werden. All das trifft auf Eltern eines gemeinsamen Kindes in den hier interessierenden Konstellationen einer schuldhaften Beeinträchtigung des Umgangsrechts nicht (mehr) zu. Berücksichtigt man außerdem, dass selbst die Haftungsprivilegierung zwischen Ehegatten nach vorzugswürdiger Ansicht schon bei Getrenntleben entfällt,150 kommt eine analoge Anwendung auf Eltern, die in den hier relevanten Fällen stets getrennt leben, erst recht nicht in Betracht. Das Fehlen eines Vertrauensverhältnisses und die regelmäßig bestehende emotionale Distanzierung vom anderen Elternteil lässt es geboten erscheinen, diesem gegenüber die gleichen Sorgfaltsstandards walten zu lassen wie gegenüber jedem Dritten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich das Elternverhältnis bzw. die (gerichtliche oder vertragliche) Ausgestaltung der gegenseitigen Rechte und Pflichten primär am Wohl und an den Interessen des Kindes orientiert – im Gegenteil ist diese das Kind als Dritten mit einbeziehende Ausrichtung ein weiteres Argument dafür, dass nicht etwa §  1664 BGB analog anzuwenden ist,151 sondern der allgemeine Sorgfaltsstandard des §  276 BGB gelten muss.152

147 Befürwortend Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, S.  292 f. 148  Im Ergebnis so auch Hohloch, FF 2004, 202 (206). 149  Vgl. dazu schon oben Kap.  2 B.II.1.b)(4), S. 54; Kap.  3 C.IV.1., S. 268 ff. 150  Vgl. dazu oben Kap.  3 C.IV.1., S. 269 f. 2151 So Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, S.  292 f. 152  Hohloch, FF 2004, 202 (206).

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Kapitel 5:  Gemeinsame Elternschaft

C. Haftung bei schuldhafter Nichtausübung des Umgangs Das Umgangsrecht jedes Elternteils ist nicht nur ein absolut geschütztes Recht, sondern zugleich und sogar primär eine elterliche Pflicht (vgl. §  1684 Abs.  1 Hs.  2 BGB), die im Interesse und zum Wohl des Kindes vorgesehen ist, also das Eltern-Kind-Verhältnis betrifft. Eine Durchsetzung des Umgangsrechts gegen den Willen des Elternteils ist dennoch meist unzulässig, weil dies in aller Regel nicht dem Kindeswohl dient.153 Das schließt jedoch nicht aus, im Verhältnis zum anderen Elternteil ein solches Verhalten mit Schadensersatzansprüchen zu sanktionieren. Denkbare Schäden können etwa dadurch entstehen, dass der sorgeberechtigte Elternteil im Vertrauen darauf, dass sich das Kind zu den gerichtlich bestimmten oder vertraglich vereinbarten Umgangsterminen beim anderen Elternteil aufhält, eine Wochenendreise, Konzertkarten etc. gebucht hat, und nun kurzfristig eine Kinderbetreuung organisieren muss (dann: echter Schaden) oder auf die Reise bzw. das Konzert verzichten muss (dann: vergebliche Aufwendungen), weil der andere Elternteil seiner Umgangspflicht nicht nachkommt. Eine deliktische Haftung kommt in solchen Fällen nicht in Betracht, denn der sorgeberechtigte Elternteil wird durch die Nichtausübung des Umgangs nicht in einem absolut geschützten Recht, insbesondere nicht in seinem Sorgerecht beeinträchtigt.154 Wie bereits ausgeführt, ist das Umgangsrecht keine Pflicht gegenüber dem anderen Elternteil; es wurde nicht deshalb geschaffen, um den sorgeberechtigten Elternteil von seiner Betreuungspflicht zu entlasten.155 Reine Vermögensverletzungen werden vom Deliktsrecht nicht erfasst. Auch hier wirkt sich daher aus, dass nach vorzugswürdiger Ansicht zwischen den Eltern eines gemeinsamen Kindes ein Schuldverhältnis mit Rücksichtnahmepflichten im Sinne des §  241 Abs.  2 BGB besteht. Im Rahmen dieses Schuldverhältnisses darf nicht nur der Umgangsberechtigte, sondern auch der Sorgeberechtigte auf die gerichtliche oder vertragliche Umgangsregelung vertrauen und dementsprechend vermögensrelevante Planungen anstellen. Eine Umgangsvereinbarung oder gerichtliche Bestimmung der Umgangstermine dient – auch im Interesse des betreuenden Elternteils – der Aufteilung der Betreuungsaufgaben; auf diese Interessen muss der Umgangsberechtigte gemäß §§  1684 Abs.  2 S.  1, 241 Abs.  2 BGB Rücksicht nehmen. Entstehen dem sorgeberechtigten Elternteil durch die vereinbarungswidrige Nichtwahrnehmung des Umgangstermins Mehrkosten, kann er vom anderen folglich Schadensersatz gemäß §  280 Abs.  1 BGB verlangen, es sei denn dieser kann einen verschuldensausschließenden Grund für sein Verhalten vortragen (§  280 Abs.  1 S.  2 BGB).156 153  BVerfG v. 1.4.2008 – 1 BvR 1620/04, NJW 2008, 1287; OLG Frankfurt v. 12.9.2013 – 5 WF 171/13, FamRZ 2014, 403. 154 Staudinger/Rauscher, §  1684 Rn.  26b. 155  Henrich, JZ 2003, 49 (50); Staudinger/Rauscher, §  1684 Rn.  26b. 156  Ebenso Palandt/Götz, §  1684 Rn.  39; MüKoBGB/Hennemann, §  1684 Rn.  83; Muscheler,

D. Haftung bei schuldhafter Sorgerechtsverletzung

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D. Haftung bei schuldhafter Sorgerechtsverletzung Das unter B. zur praxisrelevante(re)n Haftung bei schuldhafter Beeinträchtigung des Umgangsrechts Gesagte gilt im Wesentlichen auch bei schuldhafter Sorgerechtsverletzung, da das Sorgerecht selbstverständlich ein Umgangsrecht beinhaltet. Das Sorgerecht, das sowohl das Aufenthalts- als auch Umgangs­ bestimmungsrecht umfasst, ist ein absolut geschütztes sonstiges Recht im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB, so dass bei unberechtigter Vorenthaltung des Kindes nicht nur ein Herausgabeanspruch gemäß §  1632 BGB, sondern auch deliktische Schadensersatzansprüche (z. B. für Detektivkosten) in Betracht kommen. Der Sorgeberechtigte kann sich auch auf eine Verletzung der schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflicht nach §  241 Abs.  2 BGB berufen und gestützt darauf etwaige Schäden gemäß §  280 Abs.  1 BGB erstattet verlangen.

Familienrecht, Rn.  6 44 Fn.  182; Preisner, Das gesetzliche mittreuhänderische Schuldverhältnis kraft gemeinsamer Elternschaft, S.  304 f.; Staudinger/Rauscher, §  1684 Rn.  26b; nur für Umgangsvereinbarungen ebenso Henrich, JZ 2003, 49 (50).

Kapitel 6

Kollisionsrechtliche Qualifikation der Haftungsansprüche Vor dem Hintergrund der bisher gefundenen Ergebnisse zum materiellen deutschen Recht der Haftung in Paarbeziehungen stellt sich für Fälle mit grenzüberschreitendem Bezug schließlich noch die Frage, nach welchem Recht zu beurteilen ist, ob einem Ehegatten bzw. eingetragenen Lebenspartner, nichtehelichen Lebensgefährten, Verlobten oder Elternteil gegenüber dem Partner oder dem anderen Elternteil bzw. einem Dritten Haftungsansprüche zustehen.

A. Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verletzung einer schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflicht In Bezug auf die in dieser Arbeit begründeten Ansprüche wegen Verletzung einer schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflicht erfordert die Bestimmung des maßgeblichen Kollisionsrechts eine Abgrenzung zu den in Betracht kommenden Kollisionsnormen der Rom I-VO1, der Rom II-VO2 bzw. Art.  15 EGBGB. Die in Ehesachen geltende Rom III-VO3 betrifft lediglich die Statusfrage und ist im hier interessierenden Zusammenhang daher nicht einschlägig.

I. Abgrenzung zum Vertragsstatut (Rom I-VO) Die Rom I-VO gilt für vertragliche Schuldverhältnisse in Zivil- und Handels­ sachen, die eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten aufweisen (Art.  1 Abs.  1 Rom I-VO). Eine vertragsrechtliche Qualifikation im Sinne der Rom I-VO scheidet für Schadensersatzansprüche wegen Schutzpflichtverletzungen jedoch letztlich aus. Dass die auf das Integritätsinteresse gerichteten Schutzpflichten aus §  241 Abs.  2 BGB im deutschen Recht im allgemeinen Schuldrecht angesiedelt wurden, ist nicht zuletzt mit den „Schwächen“ des deutschen De1  Verordnung (EG) Nr.  593/2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht („Rom I“), ABl.EU 2008 Nr. L 177/6. 2  Verordnung (EG) Nr.  864/2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzu­ wendende Recht („Rom II“), ABl.EU 2007 Nr. L 199/40. 3  Verordnung (EU) Nr.  1259/2010 zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts (Rom III-VO), ABl.EU 2010 Nr. L 343/10.

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Kapitel 6:  Kollisionsrechtliche Qualifikation der Haftungsansprüche

liktsrechts zu erklären,4 die sich daraus ergeben, dass erstens das Deliktsrecht nur bestimmte Rechtsgutsverletzungen und keine reinen Vermögensschäden erfasst, dass zweitens keine (§  280 Abs.  1 S.  2 BGB entsprechende) Beweislast­ umkehr in Bezug auf das Verschulden des Schädigers besteht und dass drittens der Anspruchsgegner sich bei unerlaubten Handlungen seiner Verrichtungsgehilfen nach §  831 BGB exkulpieren kann, wohingegen im allgemeinen Schuld­ recht über §  278 BGB eine Verschuldenszurechnung stattfindet. Die Qualifi­ kation nach Maßgabe der europäischen Kollisionsregeln darf jedoch nicht ausgehend vom nationalen Verständnis, sondern muss durch eine autonome Auslegung der Begrifflichkeiten erfolgen. Danach gehören zwar leistungssichernde Nebenpflichten zum Vertragsstatut (vgl. auch Art.  4 Abs.  3 S.  2 Rom II-VO), während die von etwaigen Leistungspflichten unabhängigen Schutzpflichten sowie die Folgen einer Schutzpflichtverletzung nicht vertragsakzessorisch anzuknüpfen, sondern im Grundsatz „deliktisch“ zu qualifizieren und damit der Rom II-VO zu unterstellen sind.5 Dafür spricht nicht nur, dass die culpa in contrahendo-Haftung sowohl in der Rom I-VO (vgl. Art.  1 Abs.  2 lit.  i sowie Erwägungsgrund Nr.  10) als auch in der Rom II-VO (vgl. Art.  2 Abs.  1 und Art.  12) explizit als außervertraglich qualifiziert wird,6 sondern auch die vom EuGH entwickelten und von der Literatur rezipierten Abgrenzungskriterien. Nach der Rechtsprechung des EuGH7 unterscheiden sich vertragliche Schuldverhältnisse von außervertraglichen Schuldverhältnissen im Sinne der Rom II-VO dadurch, dass die bestehenden Verpflichtungen bei einem Vertrag 8

4 Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  1 Rom II-VO Rn.  35; Rauscher/Unberath/Cziupka/ Pabst, Art.  4 Rom II-VO Rn.  94. 5  Dutta, IPRax 2009, 293 (296  f.); Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.   1 Rom II-VO Rn.  35; MüKoBGB/Spellenberg, Art.  12 Rom I-VO Rn.  55; Wagner, IPRax 2008, 1 (13). 6 Vgl. Dutta, IPRax 2009, 293 (297): „Was für vorvertragliche Schutzpflichten gilt, muss freilich auch für Schutzpflichten nach Vertragsschluss gelten“. 7  Siehe zur Abgrenzung von Art.  5 Nr.  1 und Nr.  3 EuGVÜ EuGH v. 1.10.2002 – Rs. C 167/00 (Henkel), ECLI:EU:C:2002:555 Rn.  39 ff. = NJW 2002, 3617; vgl. auch EuGH v. 27.10.1998 – Rs. C-51/97 (Réunion européenne), ECLI:EU:C:1998:509 Rn.  22 = EuZW 1999, 59; EuGH v. 26.3.1992 – Rs. C-261/90 (Reichert und Kockler/Dresdner Bank), ECLI:EU:C. 1992:149 Rn.  16 = IPRax 1993, 28; EuGH v. 27.9.1988 – Rs. 189/87 (Kalfelis/Schröder), ECLI:EU:C:1988:459 Rn.  15 ff. = NJW 1988, 3088. Auf diese Rechtsprechung verweist auch die Kommissionsbegründung in KOM(2003) 427, S.  9. 8  EuGH v. 17.6.1992 – Rs. C-26/91 (Handte/TMCS), ECLI:EU:C:1992:268 Rn.  15 = JZ 1995, 90; EuGH v. 27.10.1998 – Rs. C-51/97 (Réunion européenne), ECLI:EU:C:1998:509 Rn.  17 = EuZW 1999, 59; EuGH v. 17.9.2002 – Rs. C-334/00 (Tacconi), ECLI:EU:C:2002:499 Rn.  23 = NJW 2002, 3159; EuGH v. 5.2.2004 – Rs. C-265/02 (Frahuil), ECLI:EU:C:2004:77 Rn.  24 = NJW-RR 2004, 1291; EuGH v. 20.1.2005 – Rs. C-27/02 (Engler), ECLI:EU:C:2005:33 Rn.  50 ff. = NJW 2005, 811; zu Art.  5 Nr.  1 und Nr.  3 Brüssel Ia-VO EuGH v. 14.3.2013 – Rs. C-419/11 (Česká spořitelna), ECLI:EU:C:2013:165 Rn.   46 = RIW 2013, 292; EuGH v. 18.7.2013 – Rs. C-147/12 (ÖFAB), ECLI:EU:C:2013:490 Rn.  33 = EuZW 2013 703; EuGH v. 21.4.2016 – Rs. C-572/14 (Austro-Mechana/Amazon EU), ECLI:EU:C:2016:286 Rn.  35 = EuZW 2016, 547.

A. Ansprüche wegen Verletzung einer schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflicht

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auf einer freiwilligen Selbstbindung des Verpflichteten beruhen,8 während sie bei letzteren nicht freiwillig eingegangen werden.9 Die Pflichten aus §  241 Abs.  2 BGB, die nicht nur in vertraglichen, sondern auch in gesetzlichen Schuldverhältnissen gelten, beruhen nicht auf einer freiwilligen Selbstbindung, sondern beanspruchen kraft Gesetzes in jedem Schuldverhältnis Geltung; sie können daher nicht als vertragliche Pflichten im Sinne der Rom I-VO qualifiziert werden.

II. Qualifikation als „außervertragliches Schuldverhältnis“ im Sinne der Rom II-VO 1. Bereichsausnahme für außervertragliche Schuldverhältnisse aus einem Familienverhältnis oder Verhältnissen mit vergleichbaren Wirkungen gemäß Art.  1 Abs.  2 lit.  a Rom II-VO Ausgehend von der Abgrenzung anhand des Kriteriums, ob eine Pflicht freiwillig übernommen wurde oder kraft Gesetzes vorgesehen ist, liegt es nahe, für Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verletzung einer schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflicht gemäß §  241 Abs.  2 BGB auf die Kollisionsnormen der Rom II-VO abzustellen. Allerdings scheint die Rom II-VO auf die hier interessierenden Ansprüche im Rahmen familienrechtlicher Paarbeziehungen nicht anwendbar zu sein, da nach Art.  1 Abs.  2 lit.  a Rom II-VO „außervertragliche Schuldverhältnisse aus einem Familienverhältnis oder aus Verhältnissen, die nach dem auf diese Verhältnisse anzuwendenden Recht vergleichbare Wirkungen entfalten, einschließlich der Unterhaltspflichten“ vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen sind. Die Bereichsausnahme bezieht sich nach Erwägungsgrund Nr.  10 S.  1 jedenfalls auf Ehe, Schwägerschaft sowie Verwandtschaft in gerader Linie und in der Seitenlinie. Gemäß Erwägungsgrund Nr.  10 S.  2 ist die Bezugnahme in Art.  1 Abs.  2 auf Verhältnisse, die vergleichbare Wirkungen wie eine Ehe oder andere Familienverhältnisse entfalten, nach dem Recht des Mitgliedstaats auszulegen, in dem sich das angerufene Gericht befindet, also ausnahmsweise und eher regelwidrig nach der lex fori. Diese Bereichsausnahme bedeutet jedoch nicht, dass der Verordnungsgeber sämtliche deliktischen Schadensersatzansprüche oder Bereicherungsansprüche wegen rechtsgrundlos er-

9 Eingehend Lüttringhaus, RabelsZ 77 (2013), 31 (44 ff.), dort auch zum Interpretations­ zusammenhang und der Wechselwirkung der Begrifflichkeiten des europäischen Kollisionsund Verfahrensrecht; Martiny, FS Geimer (2002), S.  6 41 (644 ff.); vgl. auch Hk-BGB/Dörner, Art.  2 Rom II-VO Rn.  2 ; Dutta, IPRax 2009, 293 (294 ff.); Erman/Hohloch, Art.  1 Rom II-VO Rn.  2 ; MüKoBGB/Junker, Art.  1 Rom II-VO Rn.  15 f.; NK-BGB/Knöfel, Art.  1 Rom II-VO Rn.  3 ; NK-BGB/Lehmann, Art.  4 Rom II-VO Rn.  41 f., 46 ff.; BeckOGK8.2016/J. Schmidt, Art.  1 Rom II-VO Rn.  20 f.; BeckOK-BGB2.2013/Spickhoff, Art.  1 Rom II-VO Rn.  9 ; Rauscher/ Unberath/Cziupka, Art.  1 Rom II-VO Rn.  25.

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Kapitel 6:  Kollisionsrechtliche Qualifikation der Haftungsansprüche

brachter Leistungen10 zwischen Familienmitgliedern aus dem Anwendungs­ bereich der Rom II-VO ausnehmen wollte.11 Vielmehr sollen allein solche Ansprüche, die spezifisch familienrechtlich zu qualifizieren sind (wie z. B. Unterhaltsansprüche zwischen Ehegatten oder Verwandten, vgl. Art.  1 Abs.  2 lit.  a Rom II-VO), vom Anwendungsbereich der Rom II-VO ausgeklammert und den einschlägigen familienrechtlichen Kollisionsnormen (z. B. Art.  15 EGBGB) vorbehalten werden: Maßgeblich für die Abgrenzung ist nicht der Lebenssachverhalt, sondern die Qualifikation des Anspruchsgrundes.12 Sofern dieser dem Familienrecht zuzuordnen ist, ist die Rom II-VO nicht anwendbar, während schuldrechtlich zu qualifizierende außervertragliche Ansprüche auch dann vom Anwendungsbereich der Rom II-VO erfasst werden, wenn das zugrundeliegende gesetzliche Schuldverhältnis eine Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft, ein Verlöbnis, eine nichteheliche Lebensgemeinschaft oder die Elternschaft für ein gemeinsames Kind ist. Bei den hier diskutierten Ansprüchen wegen Verletzung einer schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflicht geht es im Kern um die Frage, ob der Anspruchsteller vom Anspruchsgegner wegen der Verletzung einer schuldrechtlichen Pflicht Schadensersatz verlangen kann bzw. ob der Anspruchsgegner aus diesem Grund haftet. Dass es sich bei dem zugrundeliegenden gesetzlichen Schuldverhältnis um ein familienrechtliches Rechtsverhältnis handelt, ist lediglich Vorfrage und ändert nichts an der Qualifikation des Anspruchsgrundes als „deliktisch“ bzw. als eine Folge eines „außervertraglichen Schuldverhältnisses“ im Sinne der Rom II-VO. Um über die Bereichsausnahme in Art.  1 Abs.  2 lit.  a Rom II-VO vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen zu sein, müsste der in Rede stehende Anspruch seinen prägenden Charakter aus der familienrechtlichen Beziehung erlangen bzw. die zu beurteilende „unerlaubte Handlung“ ihren Unrechtskern in der Verletzung spezifisch familienrechtlicher Pflichten haben.13 Bei der Rücksichtnahmepflicht gemäß §  241 Abs.  2 BGB handelt es sich aber gerade nicht um eine spezifisch familienrechtliche, sondern um eine allgemein schuldrechtliche Pflicht, so dass der Unrechtskern einer Verletzung dieser Pflicht auf der schuldrechtlichen und nicht der familienrecht­ lichen Ebene der jeweiligen Paarbeziehung zu verorten ist.

10 Vgl. Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.   1 Rom II-VO Rn.  26: „außervertraglich und damit der Rom II-VO unterworfen ist aber die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung bei Leistungen auf inexistente gesetzliche Schuldverhältnisse“. 11 MüKoBGB/Junker, Art.  1 Rom II-VO Rn.  28. 12 Erman/Hohloch, Art.  1 Rom II-VO Rn.  6 ; Hohloch, YbPIL 9 (2007), 1 (16); MüKoBGB/­ Junker, Art.  1 Rom II-VO Rn.  28; BeckOGK8.2016/J. Schmidt, Art.  1 Rom II-VO Rn.  34; ­Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  1 Rom II-VO Rn.  47; BeckOK-BGB2.2013/Spickhoff, Art.  1 Rom II-VO Rn.  13. 13 Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  1 Rom II-VO Rn.  48.

A. Ansprüche wegen Verletzung einer schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflicht

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2. Unerlaubte Handlung gemäß Art.  4 Rom II-VO Der Begriff des außervertraglichen Schuldverhältnisses in Art.  1 Abs.  1 Rom II-VO ist autonom auszulegen (vgl. Erwägungsgrund Nr.  11 S.  2). Art.  2 Abs.  1 Rom II-VO bestimmt, dass der einem außervertraglichen Schuldverhältnis zugrunde liegende Schaden sämtliche Folgen einer unerlaubten Handlung, einer ungerechtfertigten Bereicherung, einer Geschäftsführung ohne Auftrag oder eines Verschuldens bei Vertragsverhandlungen umfasst, wobei auch diese, in den Kollisionsnormen der Kapitel II und III aufgegriffenen Systembegriffe ihrerseits autonom zu bestimmen sind und die Aufzählung nicht abschließend ist.14 Jedes schadensbegründende Ereignis lässt also die Voraussetzungen für die Entstehung eines außervertraglichen Schuldverhältnisses im Sinne der Rom IIVO eintreten.15 Daraus kann man schließen, dass allein die Abgrenzung zum Vertragsstatut, also der Aspekt, dass die im Rahmen einer Zivil- oder Handelssache (vgl. Art.  1 Abs.  1 Rom II-VO) maßgebliche Pflicht nicht freiwillig begründet wurde,16 für sich alleine kein hinreichendes Kriterium für die Annahme eines außervertraglichen Schuldverhältnisses im Sinne der Rom II-VO ist; vielmehr muss hinzukommen, dass das Rechtsverhältnis auch den in Art.  2 Abs.  1 Rom II-VO genannten Systembegriffen der Kapitel II oder III der Verordnung zu subsumieren ist, die den sachlichen Anwendungsbereich der Verordnung positiv bestimmen.17 In Bezug auf die Verletzung einer schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflicht kommt eine „unerlaubte Handlung“ im Sinne von Art.  4 Rom II-VO in Betracht. Unter dem Begriff der unerlaubten Handlung ist „eine rechtlich sank­ tionierte und damit im weitesten Sinne missbilligte Zufügung eines Schadens zu verstehen, ohne dass die Haftung eine zwischen den Parteien bestehende Sonderverbindung voraussetzte;“18 letztlich werden also alle Ansprüche erfasst,

14 NK-BGB/Knöfel, Art.   2 Rom II-VO Rn.  1. Erwägungsgrund Nr.  11 S.  3 stellt etwa klar, dass die in dieser Verordnung enthaltenen Kollisionsnormen auch für außervertragliche Schuldverhältnisse aus Gefährdungshaftung gelten. Erfasst werden außerdem etwa Ersatzansprüche aus dem Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (im deutschen Recht: §§  987 ff. BGB, vgl. Erman/Hohloch, Art.  1 Rom II-VO Rn.  2 ; a. A. NK-BGB/Knöfel, Art.  1 Rom II-VO Rn.  7; nicht jedoch der sachenrechtlich zu qualifizierende Herausgabeanspruch des Eigentümers gemäß §  985 BGB); Ansprüche aus dem nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnis; Ansprüche aus Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter (vgl. Dutta, IPRax 2009, 293 [295 f.], str.); Ansprüche aus Prospekthaftung ( Junker, RIW 2010, 257 (260 ff.)). 15 MüKoBGB/Junker, Art.   2 Rom II-VO Rn.   4; Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  2 Rom II-VO Rn.  3, mit treffender Kritik, dass der Begriff des Schadens abseits des klassischen Deliktsrechts nicht aussagekräftig bzw. nicht „passend“ sei. 16  Vgl. dazu Kap.  6 A.I., S. 435 f. 17 Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.   1 Rom II-VO Rn.  28; BeckOGK 2.2016/Rühl, Art.  4 Rom II-VO Rn.  34. 18 Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  1 Rom II-VO Rn.  29; Rauscher/Unberath/ Cziupka/­ Pabst, Art.  4 Rom II-VO Rn.  20a.

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Kapitel 6:  Kollisionsrechtliche Qualifikation der Haftungsansprüche

die auf Schadensersatz gerichtet sind und nicht an einen Vertrag anknüpfen.19 Verletzungen der Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß §  241 Abs.  2 BGB können beim Geschädigten zu einem Schaden führen, der bei schuldhafter Verursachung eine Haftung gemäß §  280 Abs.  1 BGB als rechtliche Sanktion zur Folge hat. Nach autonom auszulegendem Begriffsverständnis stellt diese Pflichtverletzung mithin eine „unerlaubte Handlung“ im Sinne von Art.  2 Abs.  1 und Art.  4 Abs.  1 Rom II-VO dar. 3. Anwendbares Recht Auf außervertragliche Schuldverhältnisse aus unerlaubten Handlungen ist gemäß Art.  4 Abs.  1 Rom II-VO das Recht des Staates anzuwenden, in dem der Schaden eintritt, unabhängig davon, in welchem Staat das schadensbegründende Ereignis oder indirekte Schadensfolgen 20 eingetreten sind (Erfolgsort).21 Vom Begriff des Schadens, verstanden als Folge der unerlaubten Handlung (Art.  2 Abs.  1 Rom II-VO), ist jeder unmittelbare Sach- oder Personenschaden (vgl. Erwägungsgrund Nr.  17) erfasst, so dass auf das Recht am Ort der Rechtsgutsverletzung abzustellen ist.22 Wegen des weiten Begriffsverständnisses der „unerlaubten Handlung“ fallen – über das enge deutsche deliktsrechtliche Verständnis hinausgehend – auch reine Vermögensschäden, in den Anwendungs­ bereich von Art.  4 Abs.  1 Rom II-VO.23 In Bezug auf solche Schäden erscheint es freilich schon prinzipiell unpassend, von einer Anknüpfung an das Recht am Ort der „Rechtsgutsverletzung“ zu sprechen.24 Vielmehr ist in diesen Fällen zur Bestimmung des maßgeblichen Erfolgsorts darauf abzustellen, wo die primären Vermögensinteressen des Geschädigten beeinträchtigt wurden.25 Dies wird ­regelmäßig dessen gewöhnlicher Aufenthaltsort sein.26 Insbesondere die hier interessierenden Ansprüche auf Schadensersatz wegen Verletzung der Pflichten 19 MüKoBGB/Junker, Art.  4 Rom II-VO Rn.  14; BeckOGK 2.2016 /Rühl, Art.  4 Rom II-VO Rn.  35 jeweils m. w. N. 20 Vgl. zu diesem Aspekt im Zusammenhang mit Angehörigenschmerzensgeld bereits oben in Kap.  3 D.II.2.d)(3)(b), S. 318 f. 21 MüKoBGB/Junker, Art.  4 Rom II-VO Rn.  3, 18 ff. 22 Erman/Hohloch, Art.   4 Rom II-VO Rn.  1, 7; MüKoBGB/Junker, Art.  4 Rom II-VO Rn.  20; Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  2 Rom II-VO Rn.  3 ; Rauscher/Unberath/Cziupka/Pabst, Art.  4 Rom II-VO Rn.  34 ff. 23 MüKoBGB/Junker, Art.  4 Rom II-VO Rn.  21; NK-BGB/Lehmann, Art.  4 Rom II-VO Rn.  115; BeckOGK 2.2016/Rühl, Art.   4 Rom II-VO Rn.   68 ff.; BeckOK-BGB2.2013/Spickhoff, Art.  4 Rom II-VO Rn.  7; Rauscher/Unberath/Cziupka/Pabst, Art.  4 Rom II-VO Rn.  21, 36, 40 ff. 24 Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  2 Rom II-VO Rn.  3, Rauscher/Unberath/Cziupka/ Pabst, Art.  4 Rom II-VO Rn.  36. 25 BeckOK-BGB2.2013/Spickhoff, Art.   4 Rom II-VO Rn.  7; Rauscher/Unberath/Cziupka/ Pabst, Art.  4 Rom II-VO Rn.  40. 26 MüKoBGB/Junker, Art.   4 Rom II-VO Rn.   18; Rauscher/Unberath/Cziupka/Pabst, Art.  4 Rom II-VO Rn.  42; Palandt/Thorn, Art.  4 Rom II-VO Rn.  9.

A. Ansprüche wegen Verletzung einer schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflicht

441

aus §  241 Abs.  2 BGB betreffen reine Vermögensschäden, so dass an das Recht jenes Ortes anzuknüpfen ist, an dem der Geschädigte sich gewöhnlich aufhält bzw. seinen Wohnsitz hat. Etwas anderes kann sich eventuell aus Art.  4 Abs.  3 Rom II-VO ergeben, wenn sich aus der Gesamtheit der Umstände ergibt, dass die unerlaubte Handlung eine offensichtlich engere Verbindung zu einem anderen Staat aufweist, dessen Recht in diesem Fall zur Anwendung berufen ist. Gemäß Satz  2 kann sich eine offensichtlich engere Verbindung mit einem anderen Staat insbesondere aus einem bereits bestehenden Rechtsverhältnis zwischen den Parteien ergeben, das mit der betreffenden unerlaubten Handlung in enger Verbindung steht. Im familienrechtlichen Kontext kommt eine derartige akzessorische Anknüpfung allerdings nur selten in Betracht, weil bei spezifisch familienrechtlichen Pflichten, deren Verletzung einen inneren Zusammenhang zwischen unerlaubter Handlung und der familienrechtlichen Sonderverbindung begründet, schon der Anwendungsbereich der Verordnung nicht eröffnet ist (vgl. Art.  1 Abs.  2 lit.  a Rom II-VO; zur Haftung wegen Verlöbnisbruchs s. unten B.I.). 4. Geltungsbereich des anwendbaren Rechts Das gemäß Art.  4 Abs.  1 Rom II-VO maßgebliche Recht des Staates am Erfolgsort ist gemäß Art.  15 lit.  a Rom II-VO für den Grund und Umfang der Haftung einschließlich der Bestimmung der Personen, die für ihre Handlungen haftbar gemacht werden können maßgeblich, so dass auch die Frage der Ersatzfähigkeit von mittelbaren Schäden eines am haftungsauslösenden Ereignis nicht unmittelbar Beteiligten (insbesondere Schockschäden 27, Angehörigenschmerzensgeld 28 und Schäden aus Rettungs- und Nothilfeversuchen zugunsten eines Familienangehörigen 29) nach dem Deliktsstatut zu beantworten ist. Desweiteren ist das nach der Rom II-VO anzuwendende Recht für etwaige Haftungsprivilegierungen im Innenverhältnis der Familienangehörigen 30 maßgeblich ebenso wie für Anspruchsreduzierungen bei Haftung eines Dritten gegenüber einem Ehegatten wegen Mitverschuldens des anderen Ehegatten31 oder über die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld32 (Art.  15 lit.  b Rom II-VO). Selbst die Haftung für die von einem anderen begangenen Handlungen bestimmt sich gemäß Art.  15 lit.  g Rom II-VO nach dem anwendbaren Recht, so dass die in dieser Arbeit diskutierten Fragen rund um die Existenz eines familienrechtlichen 27 

Vgl. Kap.  3 D.II.2.c), S. 296 ff.; Kap.  4 C.II.3., S. 395 f. Vgl. Kap.  3 D.II.2.d), S. 309 ff.; Kap.  4 C.II.4., S. 396. 29  Vgl. Kap.  3 D.II.2.e), S. 329 ff.; Kap.  4 C.II.5., S. 396. 30 Zur Haftungsprivilegierung gemäß §   1359 BGB vgl. Kap.  3 C.IV., S. 267 ff.; Kap.  4 A.III., S. 369 f.; Kap.  5 B.V, S. 431 f. 31  Vgl. Kap.  3 D.II.1.a), S. 281 f. 32  Vgl. Kap.  3 D.II.1.b), S. 283 ff. 28 

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Kapitel 6:  Kollisionsrechtliche Qualifikation der Haftungsansprüche

Haftungsverbands33 sowie die Haftung für fremdes Handeln über die im deutschen Recht nach wie vor vorgesehene Schlüsselgewalt34 und aus ausgenutzter familiärer Solidarität35 anhand des Deliktsstatuts zu klären sind.

B. Ansprüche nach Auflösung eines Verlöbnisses I. Ersatzansprüche bei Rücktritt, §§  1298 f. BGB Tritt ein Verlobter vom Verlöbnis zurück, ohne dass ihn selbst oder den anderen ein echtes Verschulden am Scheitern des Verlöbnisses trifft und ohne dass ein wichtiger Grund im Sinne von §  1298 Abs.  3 BGB vorliegt, ist er dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet, den der andere im Vertrauen auf das Eheversprechen infolge von eigenen Aufwendungen oder sonstigen vermögensrelevanten Maßnahmen erleidet (§  1298 Abs.  1 BGB). Bei diesem Anspruch handelt es sich um einen spezifisch familienrechtlichen Ausgleich für enttäuschtes Vertrauen, der gemäß Art.  1 Abs.  2 lit.  a Rom II-VO vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgenommen ist. In der Literatur ist zwar umstritten, ob die Bereichsausnahme für das Verlöbnis überhaupt einschlägig ist, da dem Verlöbnis aus deutscher Sicht 36 nach überwiegender Ansicht keine hinreichende Rechts­ ähnlichkeit mit der Ehe oder sonstigen Familienverhältnissen im Sinne von Art.  1 Abs.  2 lit.  a Rom II-VO zugesprochen wird.37 Nach vorzugswürdiger Ansicht sollte das Verlöbnis als eigenständig ausgestalteter Vorstufe der Ehe in Bezug auf die spezifisch verlöbnisrechtlichen Rechte und Pflichten (§§  1298 ff. BGB) jedoch als „Familienverhältnis“ angesehen werden, das vergleichbare Wirkungen wie die klassischen rechtlich verfestigten Paarbeziehungen wie die Ehe und eingetragene Lebenspartnerschaft zeitigt.38 Schließt man sich dem nicht an und verneint man in der Konsequenz der herrschenden Meinung ein Eingreifen des Ausnahmekatalogs in Art.  1 Abs.  2 Rom II-VO, so bedeutet dies dennoch nicht automatisch die Anwendbarkeit der Rom II-VO auch für die verlöbnisspezifischen Rückgewähransprüche im Falle des Rücktritts, vielmehr müssten diese Ansprüche zunächst ihrerseits selbständig qualifiziert werden, wobei eine „verlöbnisrechtliche“ Einordnung allein sachgerecht erscheint, und

33 

Vgl. Kap.  3 E.I., S. 333 ff. Vgl. Kap.  3 E.II., S. 345 ff. 35  Vgl. Kap.  3 E.III., S. 350 ff. 36  Siehe zur diesbezüglichen Maßgeblichkeit der lex fori Erwägungsgrund Nr.  10 S.  2. 37 MüKoBGB/Junker, Art.   1 Rom II-VO Rn.   29; BeckOK-BGB2.2013/Spickhoff, Art.  1 Rom II-VO Rn.  13; Palandt/Thorn, Art.  1 Rom II-VO Rn.  10. 38  Wie hier Hk-BGB/Dörner, Art.  1 Rom II-VO Rn.  5 ; NK-BGB/Knöfel, Art.  1 Rom IIVO Rn.  36; Rauscher/Unberath/Cziupka, Art.  1 Rom II-VO Rn.  45. 34 

B. Ansprüche nach Auflösung eines Verlöbnisses

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müssten damit dem Verlöbnisstatut unterstellt werden.39 So oder so ist die Rom II-VO für die Bestimmung des anwendbaren Rechts mithin nicht anwendbar. Die Bestimmung des anwendbaren Rechts muss daher nach nationalem Kollisionsrecht erfolgen, wobei das EGBGB keine spezielle Kollisionsnorm für das Verlöbnis vorsieht. Insbesondere die Qualifikation von Ansprüchen aufgrund der Auflösung des Verlöbnisses ist umstritten: Während insbesondere der BGH analog Art.  13 Abs.  1 EGBGB auf das Heimatrecht des in Anspruch genommenen Verlobten abstellt,40 ist nach vorzugswürdiger Ansicht ein für beide Verlobten einheitliches Verlöbnisstatut entsprechend Art.  14 Abs.  1 EGBGB zu bestimmen.41 Ist ein Rücktritt vom Verlöbnis auf ein echtes Verschulden eines Verlobten zurückzuführen, das sich – wie bereits dargelegt – nur auf eine Verletzung der Pflicht gemäß §  241 Abs.  2 BGB beziehen kann,42 entspricht die speziellere Haftung aus §§  1298 f. BGB einer solchen aus §§  280 Abs.  1, 241 Abs.  2 BGB.43 In diesen Fällen geht es wertungsmäßig um eine Haftung wegen Pflichtverletzung, der eine „unerlaubte Handlung“ im Sinne der Rom II-VO zugrunde liegt. Da sich das Verschulden zwar auf eine verlöbnisbezogene,44 nicht aber verlöbnisspezifische Pflicht beziehen muss, durch deren Verletzung das Vertrauensverhältnis zerstört wird, greift in diesen Fällen die Bereichsausnahme in Art.  1 Abs.  2 lit.  a Rom II-VO nicht ein. Der Anspruchsgrund liegt in einem rücksichtspflichtwidrigen Verhalten (z. B. einer Aufklärungspflichtverletzung oder einem täuschenden Verhalten) 45 und ist daher nicht spezifisch familienrechtlich, sondern schuldrechtlich bzw. „deliktisch“ im Sinne der Rom II-VO zu qualifizieren. Gerade in diesen Fällen kommt jedoch – soweit es aus deutscher Sicht um Verlöbnisfolgen geht – eine akzessorische Anknüpfung des Delikts­ statuts an das Verlöbnisstatut gemäß Art.  4 Abs.  3 S.  2 Rom II-VO in Betracht,46 weil die unerlaubte Handlung eines schuldhaften Verlöbnisbruchs in besonders engem sachlichen Zusammenhang mit der familienrechtlichen Sonderverbindung zwischen Verlobten steht und es nicht gerechtfertigt erscheint, die Rechtsfolgen im Falle des Scheiterns des Verlöbnisses bei Vorliegen eines echten 39 Rauscher/Unberath/Cziupka,

Art.  1 Rom II-VO Rn.  45. BGH v. 21.11.1958 – IV ZR 107/58, NJW 1959, 529; seither st. Rspr., siehe nur BGH v. 28.2.1996 – XII ZR 181/93, NJW 1996, 1411 (1414); BGH v. 13.4.2005 – XII ZR 296/00, NJW-RR 2005, 1089 (1090). Zu den unterschiedlichen abweichenden Ansichten in der Literatur siehe Staudinger/Mankowski, Anhang zu Art.  13 EGBGB Rn.  24. 41 MüKoBGB/Coester, Vor Art.  13 EGBGB Rn.  6 ; von Hoffmann/Thorn, Internationales Privatrecht, §  8 Rn.  17; Kropholler, Internationales Privatrecht, §  4 4 IV, S.  341; Looschelders, IPR, Art.  13 EGBGB Rn.  84 f.; Staudinger/Mankowski, Anhang zu Art.  13 EGBGB Rn.  25 ff. 42  Vgl. Kap.  4 B.I.2.b), S. 373 ff. 43  Vgl. Kap.  4 B.I.3., S. 379 f. 44  Vgl. Kap.  4 B.I.2.b), S. 375. 45  Vgl. Kap.  4 B.I.2.b), S. 375 f. 46  Ohne die hier vorgenommene Differenzierung für die Ansprüche aus §§  1298 ff. BGB Rauscher/Unberath/Cziupka/Pabst, Art.  4 Rom II-VO Rn.  112. 40 Grundlegend

444

Kapitel 6:  Kollisionsrechtliche Qualifikation der Haftungsansprüche

Verschul­dens einem anderen Rechtsregime zu unterstellen als bei den unverschuldeten Fällen des Rücktritts vom Verlöbnis.

II. Anspruch auf Rückgabe von Geschenken Obwohl der verschuldensunabhängige Anspruch zwischen Verlobten auf Rückgabe von Geschenken bei Unterbleiben der Eheschließung gemäß §  1301 BGB eine Ausprägung des Wegfalls der Geschäftsgrundlage ist, so ist der Grund der auf das Bereicherungsrecht verweisenden Haftung doch spezifisch familienrechtlich zu qualifizieren. Hinzukommt, dass es nicht gerechtfertigt erscheint, für die Ansprüche aus §§  1298 f. BGB und §  1301 BGB auf unterschiedliche Rechtsregime abzustellen. Deshalb sollte auch ein Anspruch auf Rückgewähr von Geschenken anhand des Verlöbnisstatuts beurteilt werden, das nach hier vertretener Ansicht gemäß Art.  14 Abs.  1 EGBGB zu bestimmen ist.47

C. „Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch“ zwischen Eltern eines gemeinsamen Kindes Bei dem richterrechtlich begründeten „familienrechtlichen Ausgleichsanspruch“ zwischen Eltern eines gemeinsamen Kindes, der vor allem für Fälle konstruiert wurde, in denen ein Elternteil für den vom anderen geschuldeten Kindesunterhalt mit aufkommt, handelt es sich nach hier befürworteter Meinung nicht um einen originär aus dem Elternverhältnis folgenden Anspruch, sondern um einen kraft cessio legis analog §  1607 Abs.  3 S.  1 BGB auf den anspruchstellenden Elternteil übergegangenen Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den anderen Elternteil.48 Bei diesem Verständnis bereitet die kollisionsrechtliche Qualifikation keine Probleme, vielmehr ist schlicht das Unterhaltsstatut maßgeblich. Schwierigkeiten ergeben sich insofern nur dann, wenn man sich der Ansicht des BGH anschließt, derzufolge es sich bei dem postulierten Ausgleichsanspruch dog­ matisch weder um einen Unterhalts- noch um einen Regressanspruch, sondern um einen gesetzlich nicht geregelten Anspruch sui generis handeln soll.49 Auch unter diesem kollisionsrechtlichen Gesichtspunkt erscheint die Rechtsprechung des BGH – neben den materiell-rechtlichen Kritikpunkten50 – wenig über­ zeugend, weil es keine generelle „familienrechtliche“ Kollisionsnorm gibt und spätestens auf dieser Ebene „Farbe zu bekennen“ ist, wie der „Anspruch sui generis“ zu qualifizieren ist. 47 

Vgl. oben bei Fn.  41. Vgl. Kap.  5 B.III.2.c), S. 415 ff. 49  Vgl. Kap.  5 B.III.2.c)(1), S. 415 f. 50  Vgl. Kap.  5 B.III.2.c)(1) und (3), S. 417 f. und 419 ff. 48 

C. „Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch“ zwischen Eltern

445

Ausgehend von der hier vertretenen unterhaltsrechtlichen Qualifikation bestimmt sich das auf den Ausgleichsanspruch anwendbare Recht in Deutschland 15 EuUntVO52). Gemäß Art.   3 nach dem HUntP 200751 (vgl. auch Art.   Abs.  1 HUntP 2007 ist für Unterhaltspflichten im Grundsatz das Recht des Staates maßgeblich, in dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat. Kann die berechtigte Person nach diesem Recht keinen Unterhalt von der verpflichteten Person verlangen, bestimmt Art.  4 Abs.  1 lit.  a, Abs.  2–4 HUntP 2007 für Unterhaltspflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern, eine günstigere Anknüpfung an das Recht am Ort des angerufenen Gerichts oder an das Recht der gemeinsamen Staatsangehörigkeit des Kindes und des verpflichteten Elternteils. Diese Kollisionsregeln bleiben anwendbar, auch wenn der Unterhaltsanspruch des Kindes analog §  1607 Abs.  3 S.  1 BGB auf einen Elternteil übergegangen ist und dieser nun gegen den verpflichteten Elternteil vorgeht.

51  Haager Protokoll über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht v. 23.11.2007, ABl.EU 2009 Nr. L 331/19. 52  Verordnung (EG) Nr.  4 /2009 über die Zuständigkeit, das anwendbare Recht, die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und die Zusammenarbeit in Unterhalts­ sachen v. 18.12.2008, ABl.EU 2009 Nr. L 7/1.

Kapitel 7

Zusammenfassung der Ergebnisse A. Ergebnisse zur Haftung im Innenverhältnis I. Allgemeines Haftung bedeutet das Einstehenmüssen des Schuldners mit dem eigenen Vermögen für eine einredefrei bestehende Schuld. Auf der Gläubigerseite korrespondiert die Haftung mit der Befugnis zur zwangsweisen Durchsetzung eines Anspruchs. Voraussetzung der Haftung ist demnach nicht nur ein Schuldverhältnis,1 sondern auch eine Schuld im Sinne einer echten Rechtspflicht. Nur die Verletzung einer echten Rechtspflicht kann im Rahmen eines Schuldverhältnisses eine schadensrechtliche Haftung begründen. Da durch einen wertmäßigen Ersatz aus dem Vermögen des Schuldners nur dann ausgleichende Gerechtigkeit für die Pflichtverletzung geschaffen werden kann, wenn die Schuld inhaltlich auf einen Geldwert gerichtet ist, geht es in der Sache um Schadenshaftung. Die vorstehenden Ausführungen haben die eingangs aufgestellte These bestätigt, dass es sich bei familienrechtlichen Paarbeziehungen, namentlich der Ehe bzw. eingetragenen Partnerschaft, des Verlöbnisses, der nichtehelichen Lebensgemeinschaft und der rechtlichen Beziehung zwischen Eltern eines gemeinsamen Kindes, um „normale“ Schuldverhältnisse handelt, auf welche die §§  241 ff. und §§  280 ff. BGB im Grundsatz anwendbar sind, soweit nicht spezielle fami­ lienrechtliche Vorschriften existieren, die als leges speciales den allgemeinen Regeln vorgehen. Diese Einordnung als Schuldverhältnisse hat sich als tragfähige dogmatische Grundlage einer Haftung im Innerverhältnis aller Paarbeziehungen bei Verletzung persönlicher Pflichten erwiesen, zumal eine deliktsrechtliche Haftung zu keinen sachgerechten Ergebnissen führt. Neben einzelnen spezifischen Rechtspflichten, die für manche Paarbeziehungen im Familienrecht speziell geregelt sind, ist deshalb allen familienrechtlichen Schuldverhältnissen – unabhängig vom Grad ihrer Formalisierung und unabhängig davon, ob es sich um ein Statusverhältnis handelt oder nicht2 – gemeinsam, dass die Partner im Verhältnis zueinander jedenfalls gemäß §  241 Abs.  2 BGB eine schuldrechtliche Rücksichtnahmepflicht trifft, die maßgeblich durch das (alle familiären Nähe1 Zur Abgrenzung des Schuldverhältnisses vom Rechtsverhältnis siehe oben Kap.   2 B.II., S. 44 ff. 2  Vgl. dazu Kap.  3 C.II., S. 112 ff.

448

Kapitel 7:  Zusammenfassung der Ergebnisse

verhältnisse prägende) Vertrauensverhältnis bestimmt ist. Die in §  241 Abs.  2 BGB generalklauselartig formulierte Rücksichtnahmepflicht lässt sich hinreichend flexibel mit Blick auf das jeweils in Rede stehende familienrechtliche Schuldverhältnis konkretisieren, so dass den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsverhältnisses Rechnung getragen werden kann.

II. Haftung zwischen Ehegatten Haftungsfragen im Innen- und Außenverhältnis der ehelichen Lebensgemeinschaft wurden lange Zeit ausschließlich über das Deliktsrecht gelöst. Mit dem Recht der unerlaubten Handlungen (§§  823 ff. BGB) lassen sich jedoch insbesondere die in der Praxis relevant gewordenen Fälle der Ehestörung nicht sachgerecht lösen, weil es in diesen Fällen an der Verletzung einer absolut geschützten Rechtsposition fehlt.3 Ein „sonstiges Recht“ im Sinne von §  823 Abs.  1 BGB setzt voraus, dass es sich um eine von der Rechtsordnung anerkannte Rechtsposition handelt, dessen Schutzbereich für jedermann feststeht und nicht durch individuelle Absprachen beeinflusst werden kann. Für die Ehe als solche bzw. sonstige Umschreibungen des ehelichen Schutzguts trifft dies ebenso wenig zu wie für den „räumlich-gegenständlichen Bereich der Ehe“. Das allgemeine, für jeden gleichermaßen geltende Deliktsrecht wird den Besonderheiten der ehe­ lichen Lebensgemeinschaft, insbesondere dem besonderen Vertrauensverhältnis zwischen den Ehegatten, nicht gerecht. Zu sach- und interessengerechten Lösungen kommt man indes, wenn man erkennt und anerkennt, dass durch die Ehe zwischen den Ehegatten eine schuldrechtliche Sonderverbindung entsteht, und aus dieser Erkenntnis auch für die Haftung im Innenverhältnis die richtigen rechtlichen Schlüsse zieht. Die in §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB vorgesehene, den höchstpersönlichen Bereich betreffende „Pflicht zur ehelichen Lebensgemeinschaft“ stellt nach hier vertretener Ansicht keine Rechtspflicht dar, deren Verletzung eine schadensrechtliche Haftung zur Folgen haben kann.4 Ein Verständnis dieser Norm als echte Rechtspflicht geht nicht nur an der heutigen Lebenswirklichkeit vorbei, sondern ist sogar verfassungswidrig, da rechtliche Verhaltensgebote im höchstpersönlichen Bereich der ehelichen Lebensgemeinschaft die Grenzen zum rechtsfreien Raum überschreiten. Die für die Definition bzw. Bestimmung des rechtsfreien Raums maßgeblichen Wertentscheidungen und Grundsätze können allein aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben, namentlich den Grundrechten, abgeleitet werden.5

3 

Vgl. dazu Kap.  3 B., S. 79 ff. Vgl. dazu Kap.  3 C.III.2., S. 140 ff. 5  Vgl. dazu Kap.  3 C.III.2.a)(4)(a), S. 154 ff. 4 

A. Ergebnisse zur Haftung im Innenverhältnis

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Eine Analyse des Gewährleistungsgehalts von Art.  6 Abs.  1 GG hat gezeigt, dass dieser nicht nur eine wertentscheidende Grundsatznorm und Instituts­ garantie enthält, sondern vor allem ein individuelles Freiheitrecht, das zwar auch auf Schutz und Förderung der ehelichen Lebensgemeinschaft als solcher gerichtet ist, nicht aber die Gemeinschaft unabhängig von den beteiligten bzw. sogar vor den beteiligten Ehegatten schützt; deshalb lässt sich aus den verfassungsrechtlichen Vorgaben nicht ableiten, dass die einfach-rechtliche Ausgestaltung des Instituts der Ehe auch im höchstpersönlichen Bereich zwischen den Ehegatten echte Rechtspflichten vorsehen müsste, um die Ehegemeinschaft von internen Gefährdungen zu schützen; im Gegenteil wäre dies nach dem hier vertretenen individuumsbezogenen Verständnis der Institutsgarantie verfassungswidrig. Art.  6 Abs.  1 GG garantiert dem Einzelnen die Freiheit, nach Maßgabe des einfachen Gesetzesrechts eine für besonders schutz- und förderwürdig angesehene Lebensgemeinschaft eingehen zu können, die in ihren Grundstruk­ turen gewährleistet und vorgegeben wird, aber innerhalb dieses institutionell verbindlich vorgegebenen Rahmens – jedenfalls was den höchstpersönlichen Bereich anbelangt – von den Ehegatten im gegenseitigen Einvernehmen und nach deren individuellem Selbstverständnis ausgestaltet werden kann und können muss. Im Ehe- und Familienrecht muss es daher einen heteronom rechtsfreien Bereich geben, in den Gesetzgebung und Rechtsprechung weder aus eigener Befugnis noch im Willen des oder der Beteiligten eingreifen dürfen; namentlich die inhaltliche Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft im höchstpersönlichen Bereich ist der autonomen Regelung der Ehegatten vorbehalten. 6 Mit diesen grundrechtsbasierten Überlegungen lassen sich auch die rechtstheoretischen Erwägungen von Comes dogmatisch fundiert begründen, der die wertende Grenze zwischen Recht und rechtsfreiem Bereich anhand des sogenannten „Schwellenrechts“ ziehen und dabei den Sozialbezug eines Sachverhalts auf der einen und den Bezug zur individuellen Autonomie auf der anderen Seite sowie die Intensität der jeweiligen Betroffenheit berücksichtigen will.7 Die Intensität der individuellen Betroffenheit ist – richtigerweise ausgehend von den grundrechtlichen Gewährleistungen – umso größer, je stärker in den persönlichen Autonomiebereich eingegriffen wird. Im höchstpersönlichen Bereich stehen das von Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG geschützte Selbstbestimmungsrecht, die individuelle Persönlichkeit, die „Unantastbarkeit der existentiellen Integrität“8 im Regelfall derart im Vordergrund, dass eine etwaige Betroffenheit eines anderen dahinter gänzlich zurücktritt und sich eine heteronome rechtliche Regelung verbietet. Aufgrund der Relativität des rechtfreien Raums9 6 

Vgl. zur einfach-rechtlichen Ausgestaltung der Ehe Kap.  3 C.III.2.a)(5), S. 190 ff. Vgl. dazu Kap.  3 C.III.2.a)(4)(b), S. 175 ff. 8  Comes, Der rechtsfreie Raum, S.  99. 9  Vgl. dazu Kap.  3 C.III.2.a)(4)(b)(iii), S. 180 f. 7 

450

Kapitel 7:  Zusammenfassung der Ergebnisse

lässt sich der rechtlich indeterminierbare Bereich auf diejenigen Aspekte beschränken, in denen die individuelle Autonomie Vorrang genießt, während andere Aspekte, die einen hinreichenden Sozialbezug aufweisen, zum Schutz der Interessen des Betroffenen rechtlicher Regelung zugänglich sind; insbesondere dann, wenn ein Verhalten (auch) vermögenswerte Interessen des anderen Ehegatten (mit-)betrifft, besteht ein hinreichender Sozialbezug, der insofern eine rechtliche Regelung zum Schutz des (finanziell) betroffenen Ehegatten gebieten kann. Die Ergebnisse der verfassungsrechtlichen Analyse erlauben die Schlussfolgerung, dass die eheliche Lebensgemeinschaft entgegen dem Wortlaut von §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB keine gegenseitige Pflicht der Ehegatten ist, mit der ein subjektives Recht korrespondiert, sondern konstitutives Tatbestandsmerkmal dieser verfassungsrechtlich gewährleisteten besonderen Paarbeziehung. Soweit von der Rechtsprechung und Literatur darüber hinausgehend konkrete „persönliche Ehepflichten“ in §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB hinein gelesen werden, die ohnehin nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden können (vgl. §  120 Abs.  3 FamFG), verstößt dies gegen die verfassungsrechtlichen Garantien des Art.  6 Abs.  1 GG. Das gilt nicht nur für die untersuchten, nach weit verbreiteter Auffassung zum indisponiblen Kerngehalt einer ehelichen Lebensgemeinschaft gehörenden „Pflichten“ zur häuslichen Gemeinschaft und zur ehelichen Treue,10 sondern für alle ehelichen „Rechte“ und „Pflichten“, die an der Persönlichkeit und individuellen Autonomie des einzelnen Ehegatten rütteln. Im familienbzw. eherechtlichen Kontext zeigt sich besonders deutlich, dass die Abgrenzung zwischen rechtlich determinierbarem und rechtsfreiem Bereich nicht immer einfach ist, da hier auch Sitte und Moral Verhaltensregeln vorgeben, die jedoch rechtlich – und damit für die Frage einer Haftung – unerheblich sind. In dieser Arbeit hat sich gezeigt, dass mit rechtlichen Mitteln nicht jeder Aspekt des Familienlebens geregelt werden kann und in höchstpersönlichen Angelegenheiten ein rechtsfreier Bereich existiert, in dem aufgrund der Gewährleistungsgehalte der Grundrechte keine echten Rechtspflichten existieren (dürfen). Die Qualifikation von §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB als Tatbestandsnorm, statt als echte Rechtspflicht, hat zur Folge, dass ehewidriges Verhalten keine gegen §  1353 BGB verstoßende Pflichtverletzung darstellt und konsequenterweise auch keine darauf gestützte Haftung für Vermögensschäden nach sich ziehen kann. Dies schließt freilich nicht aus, dass ein (ehewidriges) Verhalten unter einem anderen Gesichtspunkt gegen sonstige Rechtspflichten verstoßen kann, die sich auf andere Rechtsgrundlagen als §  1353 BGB stützen lassen. Lehnt man es mit der hier vertretenen Ansicht ab, §  1353 Abs.  1 S.  2 BGB als echte Rechtspflicht zu qualifizieren, so lässt sich eine Haftung im Innenverhältnis zwischen Ehegatten – abgesehen von Verletzungen der anerkannten Leis10 

Vgl. dazu Kap.  3 C.III.2.a)(4)(c)(ii) und (iii), S. 184 ff. und S. 186 ff.

A. Ergebnisse zur Haftung im Innenverhältnis

451

tungspflichten11 – lediglich an die Verletzung der schuldrechtlichen Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß §  241 Abs.  2 BGB anknüpfen.12 Diese triviale Erkenntnis hat enorme praktische Bedeutung und ermöglicht – wie diese Arbeit gezeigt hat – für viele seit langem diskutierte Problemkomplexe im Eherecht eine sachgerechte Lösung. Durch eine Anknüpfung an die Rücksichtnahmepflicht lassen sich nicht nur die in der Literatur vertretenen Pflichten betreffend Vermögensangelegenheiten,13 namentlich die Pflicht zur Mitwirkung in steuerrechtlichen Angelegenheiten, die Pflicht zur Gestattung der Mitbenutzung von Ehewohnung und Haushaltsgegenständen, die Pflicht zur Mitarbeit im Gewerbe des anderen Ehegatten sowie vermögensrelevante nachwirkende Rücksichtnahmepflichten, dogmatisch fundiert begründen, sondern vor allem auch Verfehlungen im persönlichen Bereich einer stimmigen rechtlichen Bewertung zuführen.14 Denn für die eheliche Lebensgemeinschaft, aber auch alle anderen familienrechtlichen Sonderverbindungen, folgt aus §  241 Abs.  2 BGB insbesondere eine Pflicht zur Aufklärung über für den jeweils anderen Partner erkennbar wesentliche Umstände.15 Aufklärungspflichten sind dazu bestimmt, ein Wissensgefälle zwischen den am Schuldverhältnis Beteiligten auszugleichen und dem Berechtigten eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen. Sie werden – wie alle Rücksichtnahmepflichten und im Unterschied zu Auskunftspflichten – retrospektiv relevant, und betreffen Informationen, die einem Teil unbekannt sind, an denen er jedoch bei rechtzeitiger Kenntnis sein früheres Verhalten ausgerichtet hätte, um eine Selbstschädigung zu vermeiden; demgegenüber sind Auskunftspflichten prospektiv, weil sie auf Informationen gerichtet sind, an denen der Auskunftsberechtigte sein zukünftiges Verhalten ausrichten will. Relevant wird die Unterscheidung zwischen Aufklärungs- und Auskunftspflichten vor allem im Zusammenhang mit der gemeinsamen Familienplanung und den praktisch besonders relevanten Fällen eines Seitensprungs.16 Während sich die Diskussion in der Wissenschaft und Judikatur bislang im Wesentlichen auf die Frage konzentriert, ob die Mutter dem „Scheinvater“ Auskunft über die Identität des mutmaßlichen biologischen Vaters erteilen muss, die nunmehr sogar den Gesetzgeber dazu veranlasst hat, die Einführung einer Auskunftspflicht in §  1607 Abs.  4 BGB n. F. zu planen, ist nach hier vertretener Ansicht eine solche Pflicht der Mutter verfassungswidrig,17 weil sie in unverhältnismäßiger Weise in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter eingreift. Zur Wahrung des Rechts des Scheinvaters auf effektiven Rechtsschutz ist es in solchen Fällen 11 

Vgl. Kap.  3 C.III.1., S. 133 ff. Vgl. dazu Kap.  3 C.III.3., S. 197 ff. 13  Vgl. dazu Kap.  3 C.III.3.b), S. 206 ff. 14  Vgl. dazu Kap.  3 C.III.3.c)-e), S. 211 ff. 15  Vgl. dazu Kap.  3 C.III.3.a)(3), S. 200 ff. 16  Vgl. dazu Kap.  3 C.III.3.d), S. 217 ff. 17  Vgl. dazu Kap.  3 C.III.3.d)(2)(e), S. 237. 12 

452

Kapitel 7:  Zusammenfassung der Ergebnisse

nicht erforderlich, die Mutter nach Bekanntwerden ihres „Seitensprungs“ zur Preisgabe der Identität des biologischen Vaters zu verpflichten, denn schon de lege lata trifft die Mutter eine zeitlich viel früher ansetzende Pflicht zur ungefragten Offenbarung der Möglichkeit, dass das Kind nicht vom Scheinvater abstammt.18 Richtiger Anknüpfungspunkt für eine etwaige Haftung der Mutter ist nicht die Verletzung einer Auskunftspflicht, sondern die Verletzung einer Aufklärungspflicht gemäß §  241 Abs.  2 BGB.19 Dabei handelt es sich im Vergleich zu einer Auskunftspflicht um ein „milderes Mittel“ im Sinne des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, da es weniger intensiv in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mutter eingreift, aber dem Scheinvater gleichermaßen effektiven Rechtsschutz gewährt.20 Dies folgt zum einen daraus, dass eine Aufklärungspflicht – anders als eine Auskunftspflicht – inhaltlich nicht auch darauf gerichtet ist, mit wem die Mutter sexuelle Beziehungen unterhalten hat; dies ginge über das Informationsbedürfnis hinaus, denn für dessen Entscheidung über sein zukünftiges Verhalten in Bezug auf das Kind genügt die Information, dass er möglicherweise nicht der Vater ist. Zum anderen ist die Schadensersatzpflicht statt einer Auskunftspflicht bei Verletzung der Aufklärungspflicht auch deshalb das geringere Übel, weil die Mutter – wenn sie die Identität des potentiellen biologischen Vaters nicht freiwillig preisgeben will – nur gegen Abtretung der Regressansprüche des Scheinvaters gegen den leiblichen Vater aus §  1607 Abs.  3 S.  2 BGB Schadensersatz zahlen muss (vgl. §  255 BGB) und damit finanziell nicht schlechter steht, als im Falle einer Auskunftspflicht. Auch bei (freiwillig) erteilter Auskunft muss sie, knüpft man ihre Haftung an die Verletzung einer Aufklärungspflicht an, im Hinblick auf die Differenz zwischen dem vom Schein­ vater gezahlten und dem vom biologischen Vater geschuldeten Betrag sowie einem etwaigen Ausfallbetrag im Falle der Insolvenz des letzteren mit ihrem Vermögen einstehen. Begrenzt wird die Haftung durch die kenntnisunabhängige absolute Verjährungsfrist von zehn Jahren nach §  199 Abs.  3 S.  1 Nr.  1 BGB.21 Daneben ist es zwar nicht ausgeschlossen, dass die Ehegatten betreffend die eheliche Lebensgemeinschaft pflichtbegründende Absprachen treffen, regelmäßig wird ein dahingehender Rechtsbindungswille jedoch fehlen.22 Allerdings begründet das gegenseitige Einvernehmen über die Ausgestaltung der Lebensgemeinschaft einen Vertrauenstatbestand, der über die Rücksichtnahmepflicht gemäß §  241 Abs.  2 BGB rechtliche Relevanz erlangt. Wenn ein Partner nicht länger an einem bestehenden Einvernehmen festhalten will und dies finanzielle Folgen für die Ehe oder Familie hat, gebietet die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des anderen Ehegatten, dass er diesem seinen Änderungs18 

Vgl. dazu Kap.  3 C.III.3.d)(3), S. 238 ff. Vgl. dazu Kap.  3 C.III.3.d)(4), S. 244 ff. 20  Vgl. dazu Kap.  3 C.III.3.d)(4)(d), S. 249 f. 21  Vgl. dazu Kap.  3 C.III.3.d)(4)(e), S. 250 f. 22  Vgl. dazu Kap.  3 C.III.4., S. 254 ff. 19 

A. Ergebnisse zur Haftung im Innenverhältnis

453

wunsch rechtzeitig mitteilt, damit sich der andere darauf einstellen kann; anderenfalls handelt er pflichtwidrig mit der Folge, dass er für den durch die Verletzung der Rücksichtnahmepflicht kausal verursachten Schaden haftet. Konsequenz dieses Ergebnisses in Bezug auf die „sich aus dem ehelichen Verhältnis ergebenden“ Pflichten ist, dass die Haftungsprivilegierung des §  1359 BGB in erster Linie im Hinblick auf Verletzungen der Rücksichtnahmepflicht relevant wird.23 Sofern für bestimmte Pflichtverletzungen jedoch Versicherungsschutz besteht, wie insbesondere im Zusammenhang mit Verkehrsunfällen, ist §  1359 BGB teleologisch zu reduzieren, um nicht den Versicherer sachwidrig zu privilegieren.24

III. Besonderheiten im Schuldverhältnis zwischen Verlobten und nichtehelichen Lebensgefährten Auch zwischen Verlobten und nichtehelichen Lebensgefährten ist die Rücksichtnahmepflicht aus §  241 Abs.  2 BGB das zentrale Anknüpfungselement für eine Haftung.25 Auch in diesen familienrechtlichen Schuldverhältnissen existiert eine inhaltlich gleiche Aufklärungspflicht in Bezug auf alle für den Partner erkennbar wesentlichen Aspekte. Es wäre nicht gerechtfertigt, ein und dasselbe Fehlverhalten, z. B. im Falle eines Seitensprungs der Frau, im Rahmen der Ehe anders zu bewerten als im Rahmen einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft: für einen Mann, der von seiner Partnerin betrogen wurde und für ein vermeintlich eigenes Kind Unterhalt gezahlt hat, ist die Situation und Interessenlage keine andere, wenn er mit der Frau (noch) nicht verheiratet ist. Dieses sachgerechte Ergebnis lässt sich ohne Schwierigkeiten begründen, wenn man mit der hier vertretenen Ansicht die dogmatische Grundlage der Haftung in diesen Fällen in der Verletzung einer schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflicht und nicht in einer spezifisch ehe- oder familienrechtlichen Pflicht sieht, die für nichteheliche Lebensgemeinschaften mangels deren gesetzlicher Ausgestaltung nicht existiert. Die verlöbnisspezifischen Ansprüche in den §§  1298 f. BGB bzw. §  1301 BGB finden ihre innere Begründung in Vertrauensschutzerwägungen.26 Die Aufwendungsersatzansprüche knüpfen an das spezifische Vertrauen in das Eheversprechen an 27 und sind daher auf andere Lebensgemeinschaften nicht übertragbar.28 Anknüpfungspunkt für die Haftung aus §§  1298 f. BGB ist nicht der Rücktritt als solcher, sondern vorgelagerte Umstände, die in den Risikobereich 23 

Vgl. dazu Kap.  3 C.IV., S. 267 ff. Vgl. dazu Kap.  3 C.IV.3.c), S. 273 ff. 25  Vgl. dazu Kap.  4 A.II., S. 366 ff. 26  Vgl. dazu Kap.  4 B., S. 370 ff. 27  Vgl. dazu Kap.  4 B.I., S. 370 ff. 28  Vgl. dazu Kap.  4 B.I.4., S. 380 f. 24 

454

Kapitel 7:  Zusammenfassung der Ergebnisse

eines Verlobten fallen, einschließlich eines vorgelagerten vorwerfbaren Verhaltens, wobei sich ein Verschulden im Sinne von §  1299 BGB nur auf eine Ver­ letzung der Pflicht zur Rücksichtnahme gemäß §  241 Abs.  2 BGB beziehen kann.29 Ein „wichtiger Grund“ im Sinne von §  1298 Abs.  3 BGB, der die Ersatzpflicht des Zurücktretenden entfallen lässt, setzt nicht zwingend ein Verschulden voraus, ein solches kann einen wichtigen Grund jedoch begründen oder ausschließen. Nachträglich eintretende oder sich zeigende Umstände, die von keinem Verlobten verschuldet sind, sind dem allgemeinen Lebensrisiko zuzurechnen; da kein Verlobter darauf vertrauen kann, dass der andere auch unter veränderten Umständen an dem Eheversprechen unbedingt festhält, handelt es sich insofern stets um „wichtige Gründe“, die jeden zum Rücktritt berechtigen ohne gegenüber dem jeweils anderen nach §  1298 Abs.  1 BGB ersatzpflichtig bzw. nach §  1299 BGB ersatzberechtigt zu sein.30 Demgegenüber stellen Umstände, die dem Risikobereich eines Verlobten zuzurechnen sind, ohne dass ihm Vorsatz oder Fahrlässigkeit vorgeworfen werden könnte, keinen wichtigen Grund für einen Rücktritt dar. Dies gilt insbesondere für anlasslose Änderungen der Einstellung bzw. Gefühlslage zum anderen. Zwar kann ein Verlobter auch in diesem Fall jederzeit zurücktreten, ihn trifft jedoch eine verschuldensunabhängige Risikohaftung nach §  1298 Abs.  1 BGB. Demgegenüber enthält §  1301 BGB einen Spezialfall des Wegfalls der Geschäftsgrundlage für unbenannte Zuwendungen, die im Vertrauen auf den Fortbestand der Lebensgemeinschaft und zur Verwirklichung, Ausgestaltung, Erhaltung und Sicherung der Gemeinschaft erfolgen.31 Der Anwendungsbereich der Norm beschränkt sich auf derartige Zuwendungen, weil nur diese – anders als etwa laufende Beiträge zur Lebensgemeinschaft – mit dem Scheitern der Beziehung ihre Geschäftsgrundlage verlieren.32 Die in §  1301 BGB zum Ausdruck kommende Schutzwürdigkeit des Vertrauens in den Fortbestand der Lebensgemeinschaft beschränkt sich nicht auf das Verlöbnis, sondern kann auch in anderen Lebensgemeinschaften relevant werden mit der Folge, dass bei Fehlen gesetzlicher Ausgleichsmechanismen ein richterlicher Vertrauensschutz durch Gewährung von Ausgleichsansprüchen nach Maßgabe von §  313 BGB gerechtfertigt ist, wenn die Beibehaltung der geschaffenen Vermögensverhältnisse für den Zuwendenden nach Treu und Glauben unzumutbar ist.33

29 

Vgl. dazu Kap.  4 B.I.2.b), S. 373 ff. Vgl. dazu Kap.  4 B.I.2.c), S. 376 ff. 31  Vgl. dazu Kap.  4 B.II.2.a), S. 382 ff. 32  Vgl. dazu Kap.  4 B.II.2.b)., S. 383 ff. 33  Vgl. dazu Kap.  4 B.II.3, S. 387 ff. 30 

B. Ergebnisse zur Haftung im Außenverhältnis

455

IV. Besonderheiten im Schuldverhältnis zwischen Eltern eines gemeinsamen Kindes Gleichermaßen kann einen Elternteil eine schuldrechtliche Haftung treffen, wenn und soweit er eine Pflicht, namentlich die Rücksichtnahmepflicht, aus dem zwischen ihm und dem anderen Elternteil bestehenden Schuldverhältnis verletzt.34 Lehnt man mit der hier vertretenen Ansicht die von der Rechtsprechung befürwortete Konstruktion eines „familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs“ sui generis ab und löst die relevanten Fälle über eine analoge Anwendung von §  1607 Abs.  3 S.  1 BGB, der eine cessio legis des Unterhaltsanspruchs des Kindes gegen den verpflichteten Elternteil auf den berechtigten Elternteil vorsieht,35 droht durch eine im Grundsatz daneben zugelassene schuldrechtliche Haftung zwischen den Eltern eines gemeinsamen Kindes keine Aushöhlung oder Umgehung der mittlerweile gewohnheitsrechtlich anerkannten Judikatur des BGH zum „familienrechtlichen Ausgleichsanspruch“. Durch die Anknüpfung an schuldrechtliche Pflichten lassen sich auch im Elternverhältnis mit Blick auf den Schutzzweck der verletzten Pflicht im Vergleich zur deliktischen Haftung in weitergehendem Umfang praxisrelevante Schadensposten bzw. vergebliche Aufwendungen erfassen.36 Nicht gerechtfertigt ist im Elternverhältnis ein auf die eigenübliche Sorgfalt (§  277 BGB) reduzierter Haftungsmaßstab analog §  1359 BGB oder §  1664 BGB, da in den relevanten Fällen einer Beeinträchtigung des Umgangs- oder Sorgerechts keine Lebensgemeinschaft und erst recht kein Vertrauensverhältnis (mehr) zwischen den Eltern besteht, das eine Haftungsprivilegierung rechtfertigen könnte.37

B. Ergebnisse zur Haftung im Außenverhältnis Im Außenverhältnis hat sich gezeigt, dass die Angehörigeneigenschaft bzw. die emotionale und familiäre Verbundenheit als solche – die ebenfalls unabhängig von der statusrechtlichen Verfestigung der jeweiligen Paarbeziehung existieren kann – weder eine Anspruchskürzung zulasten des unmittelbar oder mittelbar Geschädigten bzw. eine Beschränkung der Haftung eines Dritten rechtfertigen kann, insbesondere nicht wegen eines wie auch immer anrechenbaren Mitverschuldens eines Familienangehörigen, noch kann ein familiäres Näheverhältnis als zwingendes Tatbestandsmerkmal bei der Begründung eines Schockschadens­ ersatzes, eines Angehörigenschmerzensgeldes oder eines Ausgleichsanspruchs

34 

Vgl. dazu Kap.  5 B.III., S. 402 ff. Vgl. dazu Kap.  5 B.III.2.c), S. 415 ff. 36  Vgl. dazu Kap.  5 B.IV., S. 428 ff. 37  Vgl. dazu Kap.  5 B.V., S. 431 f. 35 

456

Kapitel 7:  Zusammenfassung der Ergebnisse

in Rettungsfällen anspruchsbegründend wirken und damit eine Ausweitung der Haftung des Schädigers begründen. Die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung über die von der Rechtsprechung entwickelte Konzeption der Zurechnungseinheit,38 durch die sich der Geschädigte neben einem etwaigen eigenen Mitverschulden auch den Mitverschuldensanteils eines von mehreren Schädigern anrechnen lassen muss, besteht unabhängig davon, ob der Geschädigte mit dem Schädiger, der mit ihm in einer Zurechnungseinheit verbunden ist, verheiratet oder sonst familiär verbunden ist; eine emotionale Verbundenheit wirkt sich insofern also nicht aus. Nichts anderes ergibt sich in den Fällen der „gestörten Gesamtschuld“,39 in denen einer der Schädiger über einen vor allem im Familienrecht gesetzlich vorgesehenen Privilegierungstatbestand im Verhältnis zum Geschädigten nicht haftet. Zwar führt die vorzugswürdige Lösung dieser Konstellationen zu einer automatischen Kürzung des Anspruchs des Geschädigten im Verhältnis zum Zweitschädiger um den fiktiven Mitverschuldensanteil des privilegiert haf­ tenden Erstschädigers, allerdings ist dieses Ergebnis nicht durch spezifisch fami­lienrechtliche Erwägungen oder die besondere Verbundenheit zwischen Geschädigtem und Erstschädiger, sondern durch die der jeweiligen Haftungsprivilegierung zugrunde liegenden Wertungen betreffend die Zuweisung des Schadensrisikos bedingt und deshalb gleichermaßen auch bei nicht familienrechtlichen Haftungsprivilegierungen, seien sie vertraglich vereinbart oder anderweitig gesetzlich geregelt, sach- und interessengerecht. Auch die durch §  846 BGB bewirkte Beschränkung der in Ausnahme zum schadensrechtlichen Unmittelbarkeitsgrundsatz vorgesehenen eigenen Ansprüche eines nur mittelbar geschädigten nahen Angehörigen eines Verletzten oder Getöteten gemäß §  844 Abs.  1, §  844 Abs.  2 und §  845 BGB in Fällen eines „Mitverschuldens des Verletzten“,40 ist nach hier vertretener Ansicht nicht darauf zurückzuführen, dass sich der anspruchsberechtigte mittelbar Geschädigte wegen der besonderen familiären Beziehung zum Opfer dessen Mitverschulden zurechnen lassen müsste, sondern weil der Schädiger für den mittelbar verursachten Schaden ebenso wie für den unmittelbar verursachten Schaden nur insoweit aufkommen muss, wie seine Verantwortlichkeit reicht. Wertungsmäßig geht es in §  846 BGB also nicht (wie in §  254 BGB) um die Zurechnung fremden Verschuldens, sondern um die Ermittlung des Verantwortungsgrades des Schädigers, der unabhängig davon zu bestimmen ist, ob und welche Verbundenheit zwischen dem unmittelbar und dem mittelbar Geschädigten besteht. Dieses

38 

Vgl. dazu Kap.  3 D.II.1.a), S. 281 ff.; Kap.  4 C.I., S. 393 f. Vgl. dazu Kap.  3 D.II.1.b), S. 283 ff.; Kap.  4 C.I, S. 393 f. 40  Vgl. dazu Kap.  3 D.II.2.b), S. 293 ff.; Kap.  4 C.II.2., S. 394. 39 

B. Ergebnisse zur Haftung im Außenverhältnis

457

Verständnis hat sich auch im Zusammenhang mit Schockschäden bewährt, bei denen ebenfalls eine Anspruchskürzung analog §  846 BGB in Betracht kommt.41 Umgekehrt erscheint es entgegen der Rechtsprechung nicht gerechtfertigt, die Ersatzfähigkeit von Schockschäden42 davon abhängig zu machen, dass der Schockgeschädigte ein naher Angehöriger des unmittelbaren Opfers ist. Die von der Rechtsprechung praeter legem entwickelten Einschränkungen der Ersatzfähigkeit von schockbedingten Gesundheitsschäden überzeugt nicht.43 Schockschäden sind nicht wie in den Fällen der §§  844, 845 BGB nur die mittelbare Folge einer Rechtsgutsverletzung bei einem anderen, sondern haben ihre Ursache in einer unmittelbar eigenen Gesundheitsverletzung des Schockgeschä­ digten, die lediglich über ein Unfallgeschehen „vermittelt“ wird. Die von den Gerichten als echte Tatbestandsvoraussetzungen geprüften Kriterien einer besonderen Schwere der schockbedingten Gesundheitsschädigung, die Angehörigeneigenschaft und die Angemessenheit der Reaktion sind richtigerweise lediglich Kriterien, die im Rahmen der Kausalität bzw. der Zurechenbarkeit der Schockschäden eine Rolle spielen und dort auch mit der nötigen Flexibilität im Einzelfall berücksichtigt werden können.44 So sind dem Schädiger die Folgen eines Schocks weit eher zuzurechnen, wenn zwischen dem primären Opfer und dem Schockgeschädigten eine persönliche Nähebeziehung besteht, weil bei diesem Personenkreis mit einer solchen Reaktion weit eher gerechnet werden kann; unerheblich ist dafür, ob der persönlichen Nähebeziehung ein familienrechtliches Statusverhältnis zugrunde liegt, maßgeblich ist vielmehr die Intensität der tatsächlich bestehenden emotionalen Verbundenheit. Es sind jedoch auch Fälle denkbar, in denen die Zurechnung zu bejahen ist, obwohl es an der emotionalen Verbundenheit fehlt, weshalb es sich bei der Angehörigeneigenschaft nicht um einen zwingenden anspruchsbegründenden, sondern allenfalls um einen anspruchserleichternden Aspekt handelt. Demgegenüber erscheint es in Bezug auf ein Angehörigenschmerzensgeld nicht nur aus rechtsvergleichender Sicht, sondern auch aus sachlichen Erwägungen gerechtfertigt, auch im deutschen Recht anzuerkennen, dass die emotionale Nähe und Verbundenheit zu einem Menschen bei Verlust oder schweren Verletzungen erhebliche seelische Schmerzen verursachen kann, die als immaterielle Schäden über ein Schmerzensgeld symbolische Anerkennung verdienen.45 Auch wenn man kritisieren mag, dass unsere heutige Gesellschaft immer öfter nur noch finanziellen Mitteln eine hinreichende Symbolkraft zumisst, so erscheint eine „billige Entschädigung in Geld“ im Sinne von §  253 Abs.  2 BGB für den erdenklich schlimmsten aller immateriellen Schäden angesichts der grund41 

Vgl. dazu Kap.  3 D.II.2.c)(3)(c), S. 306 ff. Vgl. dazu Kap.  3 D.II.2.c), S. 296 ff.; Kap.  4 C.II.3., S. 395 f. 43  Vgl. dazu Kap.  3 D.II.2.c)(2)(a) und (b), S. 297 ff. und S. 300 ff. 44  Vgl. dazu Kap.  3 D.II.2.c)(2)(c), S. 302 ff. 45  Vgl. dazu Kap.  3 D.II.2.d), S. 309 ff.; Kap.  4 C.II.4., S. 396. 42 

458

Kapitel 7:  Zusammenfassung der Ergebnisse

sätzlichen Entscheidung in §  253 Abs.  1 BGB für die Ersatzfähigkeit mancher Nichtvermögensschäden aus Wertungsgesichtspunkte sehr wohl gerechtfertigt, und wäre die Einführung eines Angehörigenschmerzensgeldes daher wünschenswert. Auch hier ist das entscheidende anspruchsbegründende Anknüpfungskriterium der emotionalen Verbundenheit freilich kein spezifisch fami­ lienrechtliches Phänomen, auch wenn gefühlsmäßige Bindungen dort immer noch am häufigsten anzutreffen sind. Ebenso wenig auf spezifisch familienrechtliche Besonderheiten zurückzuführen ist die Haftungsbegründung in Rettungs- und Nothilfefällen,46 in denen sich der Helfer zu seinem selbstschädigenden Eingreifen durch das Verhalten des Anspruchsgegners veranlasst bzw. „herausgefordert“ sehen durfte. Zwar darf sich ein Helfer bei einer drohenden oder schon eingetretenen Schädigung je eher zur Nothilfe „herausgefordert“ fühlen, desto eher ein Eingreifen durch seine Person einer sittlich oder moralisch gebotenen Handlung entspricht, die vor allem in Fällen eines bestehenden emotionalen Näheverhältnisses anzunehmen sein kann, die Haftung des Schädigers beschränkt sich jedoch nicht auf Selbstschädigungen von familiär-verbundenen Helfern, auch wenn die fami­liäremotionale Verbundenheit regelmäßig (aber eben nicht notwendig) besonderen Anreiz bietet, dem unmittelbar Verletzten zur Hilfe zu eilen, selbst wenn der Helfer dadurch Gefahr läuft, selbst eine Verletzung davon zu tragen. Schließlich ist eine Haftung eines Familienmitglieds für Fehlverhalten eines anderen kraft familiärer Solidarität heutzutage abzulehnen.47 Das Verständnis der Familie als Haftungsverband48 ist überholt und die im Gesetz verbliebenen Reste, namentlich die Haftungsbegründung gemäß §  1357 BGB durch die „Schlüsselgewalt“,49 haben ihre Legitimation verloren. Gerade weil Ehe und Familie als solche – von dem rechtspolitisch verfehlten §  1357 BGB abgesehen – keine Haftung des Einzelnen im Außenverhältnis begründen, wird insbesondere von Kreditgebern das Faktum der gelebten ehelichen bzw. familiären Solidarität bzw. auch nur die – statusunabhängige – emotionale Verbundenheit in Paarbeziehungen nur zu gerne im eigenen wirtschaftlichen Interesse dazu ausgenutzt, Angehörige zur „freiwilligen“ Übernahme einer „Mithaftung“ für gewährte Kredite in Form einer Bürgschaft oder eines Schuldbeitritts zu bewegen.50 Das familiäre Verhältnis bzw. die emotionale Verbundenheit zwischen dem Hauptschuldner und dem Mithaftenden ist in diesen Konstellationen zwar nicht haftungsbegründend, aber nicht selten ausschlaggebendes Motiv für die Übernahme der Mithaftung. Ist die Haftungsübernahme auf eine seelische Zwangslage zurückzuführen, kann die Vereinbarung wegen Verstoßes gegen 46 

Vgl. dazu Kap.  3 D.II.2.e), S. 329 ff.; Kap.  4 C.II.5., S. 396 f. Vgl. dazu Kap.  3 E., S. 332 ff.; Kap.  4 D., S. 397 f. 48  Vgl. dazu Kap.  3 E.I., S. 333 ff. 49  Vgl. dazu Kap.  3 E.II., S. 345 ff. 50  Vgl. dazu Kap.  3 E.III., S. 350 ff. 47 

C. Kollisionsrechtliche Qualifikation

459

die guten Sitten nichtig oder wegen widerrechtlicher Drohung anfechtbar sein. Schwierigkeiten ergeben sich allerdings, wenn die familiäre Solidarität nicht zur Erwirkung rechtlich fassbarer vertraglich begründeter Haftungsübernahmen, sondern rein faktisch dazu missbraucht wird, dass ein Angehöriger zu Erfüllungshandlungen veranlasst wird. Solchen Tendenzen in der Praxis, die mit unserem heutigen Verständnis von Ehe und Familie unvereinbar sind und letztlich wieder an die überwundene Vorstellung der Familie als Haftungsverband anknüpfen, sollte so effektiv wie möglich entgegengewirkt werden.

C. Kollisionsrechtliche Qualifikation Kollisionsrechtlich sind die Ansprüche auf Schadensersatz bei Verletzung einer schuldrechtlichen Rücksichtnahmepflicht „außervertraglich“ im Sinne der Rom II-VO zu qualifizieren.51 Die Bereichsausnahme in Art.  1 Abs.  2 lit.  a Rom II-VO ist nicht einschlägig, weil es sich nicht um spezifisch familienrechtliche, sondern allgemein schuldrechtliche Ansprüche handelt,52 die aus einer „unerlaubten Handlung“ resultieren.53 In der Sache ist daher gemäß Art.  4 Rom IIVO das Recht des Erfolgsorts anzuwenden, das regelmäßig mit dem Recht am Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Schuldners übereinstimmt.54 Das Deliktsstatut55 ist nicht nur für die Anspruchsvoraussetzungen maßgeblich, sondern auch für den Grund und Umfang der Haftung (Art.  15 lit.  a Rom IIVO), so dass sich auch die Frage der Ersatzfähigkeit von mittelbaren Schäden eines am haftungsauslösenden Ereignis nicht unmittelbar Beteiligten (insbesondere Schockschäden, Angehörigenschmerzensgeld und Schäden aus Rettungs- und Nothilfeversuchen zugunsten eines Familienangehörigen) nach diesem Recht bestimmt. Ferner sind etwaige Haftungsprivilegierungen sowie Anspruchsreduzierungen bei einer außervertraglichen Haftung eines Dritten gegenüber einem Ehegatten wegen Mitverschuldens des anderen Ehegatten oder über die Grundsätze der gestörten Gesamtschuld nach dem Deliktsstatut zu beurteilen (Art.  15 lit.  b Rom II-VO). Selbst die Haftung für die von einem anderen begangenen Handlungen bestimmt sich gemäß Art.  15 lit.  g Rom II-VO nach dem anwendbaren Recht, so dass die in dieser Arbeit diskutierten Fragen rund um die Existenz eines familienrechtlichen Haftungsverbands sowie die Haftung für fremdes Handeln über die im deutschen Recht nach wie vor vorgesehene Schlüsselgewalt und aus ausgenutzter familiärer Solidarität nach dem von Art.  4 Rom II-VO berufenen Recht zu klären sind. 51 

Vgl. dazu Kap.  6 A.I., S. 435 ff. Vgl. dazu Kap.  6 A.II.1., S. 437 f. 53  Vgl. dazu Kap.  6 A.II.2, S. 439 f. 54  Vgl. dazu Kap.  6 A.II.3., S. 440 f. 55  Zum Geltungsbereich vgl. Kap.  6 A.II.4., S. 441 f. 52 

460

Kapitel 7:  Zusammenfassung der Ergebnisse

In Bezug auf die spezifischen Ansprüche nach Auflösung eines Verlöbnisses richtet sich das anwendbare Recht letztlich in allen Konstellationen nach nationalem Kollisionsrecht, wobei das Verlöbnisstatut nach vorzugswürdiger Ansicht für beide Verlobten einheitlich analog Art.  14 Abs.  1 EGBGB zu bestimmen ist.56 Für den unterhaltsrechtlich zu qualifizierenden „familienrechtlichen Ausgleichsanspruch“ ist dagegen das Unterhaltsstatut entscheidend, das nach Maßgabe des HUntP 2007 zu ermitteln ist.57

56  57 

Vgl. dazu Kap.  6 B., S. 442 ff. Vgl. dazu Kap.  6 C., S. 444 f.

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Normenregister Hochgestellte Zahlen beziehen sich auf Fußnoten; kursive Zahlen beziehen sich auf die Hauptfundstellen. Deutsches Recht BGB §  31a §  31b §  53 §  54 §  90 §§  106 ff. §  107 §  108 §§  119 ff. §  123 §  134 §  138 §  142 §  164 §  166 §  179 §  194 §  195 §  197 §  199 §  202 a. F. §  205 §  207 §  212 §  214 §  214 §  216 §  217 §  224 a. F. §  226 §  229

12, 2871016 12 12 12 95 361 361 361 255 246, 354, 398 260 28, 31104, 142, 261909, 351 ff., 398 230784 228 228 11 8, 36, 69, 136, 144, 149, 153, 191 136, 250, 38283 136 136, 250 f., 252, 38283, 452 2687 2583, 2687 54, 69, 136 25 17, 20, 252 38 32 21 2160 413 16

§  230 §  241 Abs.  1 §  241 Abs.  2

§  241 a. F. §§  241 ff. §  242

§  249 §§  249 ff. §  253

§  254

§  255 §  267 §  273 §  275 §  276

16 7, 8, 45 ff., 46175, 176, 178, 48, 55, 75, 113, 197, 403 3, 5, 35, 44 ff., 44162, 48176, 48185, 50, 52, 55, 57, 59, 60, 61, 62, 72, 77, 113, 149, 189584, 196, 197 ff., 206 ff., 211 ff., 217 ff., 252, 253, 264 ff., 267, 269942, 272, 275, 279, 285, 360, 365, 366 ff., 370, 372, 375, 376, 379, 380, 403, 407 ff., 414 ff., 429, 432, 433, 435 ff., 443, 447 ff. 46178 71, 79 47179, 139337, 338, 142 f., 197, 200 636, 201, 210 697, 222, 225 ff., 229 f., 233794, 237, 246, 3041103, 305, 352, 418 82 249, 309 14, 80, 89, 91, 149, 206, 252, 297, 310, 326, 329, 400, 413, 457 f. 149379, 281, 2861014, 293 ff., 304 ff., 306 ff., 393, 429, 456 250, 418, 452 356 17, 18, 2162 20, 223 53, 59, 70, 9189, 146, 268, 271, 285, 374, 376, 431

488 §  277 §  278 §§  280 ff. §  280

§  281 §  286 §  287 §  309 §  311 §  313 §  320 §  321 §  346 §  352 §  362 §  364 §  387 §§  387 ff. §  389 §  390 §  397 §  398 §  400 §  402 §  412 §  413 §  417 §  421 §  426 §  427 §  431 §  436 §  496 §  516 §  527

Normenregister

267, 270, 273958, 284, 37050, 431, 455 9, 70, 281, 376, 393, 407, 427, 436 48, 79, 135, 447 9, 49, 56, 57, 61, 62 ff., 70263, 266, 73 f., 79, 112, 140, 149, 196, 198618, 204, 207, 209 f., 215, 216, 217730, 231 f., 244 ff., 252, 265, 268, 279, 365, 368 f., 370 ff., 37975, 399, 403 f., 407, 410, 413 f., 415, 427, 428 f., 432, 433, 436, 440, 443 9, 2163 19, 70263, 140 12 23 44162, 47, 49, 57, 59, 61 255865, 382, 387, 389, 390123, 392, 454 17, 18, 1949, 2162 17 59 21 44 44 13, 16 15 13 24 44 8 418 228771, 229779 228771, 229779 8, 16 34 284 283, 284, 288, 2891030, 2901037, 419, 422 11 11 12 12 39146, 384 382

§  528 §  530 §  531 §  563b §  566 §  567 §  613a §  618 §  651b §  656 §  666 §  667 §  670 §  677 §  679 §  683 §  690 §  701 §  702 §  704 a. F. §  708 §  719 §  730 §  733 §  734 §  738 §  755 §  762 §§  762 ff. §  767 §  768 §  769 §  770 §  774 §  778 §  812 §  812 Abs.  1   S.  1 Alt.  1 §  812 Abs.  1   S.  1 Alt.  2 §  812 Abs.  1   S.  2 Alt.  2 §§  812 ff. §  813 §  814 §  815 §  816

11 38283, 387 38283, 387 11 12 12 12 49 12 33, 35, 40 272 272 356 356 420 356 53 12 41 94115 53, 59, 272954, 273959, 274969, 276976, 37050, 431 36, 191 387 12, 387 387 387 12 31111, 33, 35132, 40 33112 11, 12, 2790, 34 2790 12 2790 12, 34 12 8, 49, 230, 291, 383 29, 31, 34123, 35, 37, 221 84, 230, 286, 420 259, 38284, 383, 387, 390123 382 17, 37 ff. 35 f., 39145, 40, 384 f.99 38284 418

Normenregister

§  818 §  819 §  821 §  822 §  823

§  824 §  825 §  826

§  831 §§  831 ff. §  833 §  834 §  840 §  843 §  844

§  845 §  846

§  847 a. F. §  853 §§  858 ff. §  859 §  888 §  903 §  985 §§  987 ff. §  1000 §  1004 §  1027 §  1065 §  1163 §  1177 §  1210 §  1227 §  1272 a. F.

211, 230784, 381, 382, 383 230784, 381, 382 32 382 6, 8, 47, 76, 79 ff., 102156, 133, 180, 199, 214, 252, 280, 289, 292, 296, 298, 300, 303, 304, 305, 311, 3201190, 330, 395, 4017, 433, 448 95 95 61225, 77, 85 ff., , 95, 104163, 108197, 140, 142, 213, 215722, 225766, 231, 238815, 245 306, 436 95 273958 273958 12, 283, 284, 2871016, 288, 295 277982 293 ff., 296, 300, 304, 306, 308, 313, 321, 3291235, 394, 400, 456 f. 293 ff., 296, 300, 304, 306, 308, 321, 394, 456 f. 293 ff., 3041103, 305, 3061116, 306 ff., 309, 394, 396, 400, 456 f. 3111127, 322 32 101 16 70263 95, 97, 98, 101 9, 43914 43914 18 9, 70, 76, 80, 85, 87, 98, 102, 107184, 280, 387 98 98 34 34 34 98 114219

489

36, 132, 359 ff., 383 359 ff., 369 364, 366, 370 ff., 442, 454 361, 363, 365, 370 ff., 38177, 383 f., 392, 442 f., 444, 453 f. §§  1298 ff. 6, 361 ff., 370, 387, 442, 44346 §  1299 370 ff., 381, 383, 454 §  1301 381 ff., 392, 444, 453 f. §  1302 38283 §  1303 361 §§  1303 f. 173 §  1306 171, 173 §§  1307 f. 173 §  1310 364 §§  1310 ff. 172 §  1312 364 §  1314 113215, 145, 193, 267, 378 §  1316 193 §  1353 Abs.  1 5, 36, 77, 79, 91, 103158, 107184, 189, 112, 114221 115223, 117 ff., 138335, 139339, 140 ff., 160, 171, 177, 181 ff., 185568, 189583, 190 ff., 197 ff., 206 ff., 225764, 227, 244, 253, 257, 258, 267, 269942, 271952, 274, 279, 350, 36949, 448, 450 §  1353 Abs.  2 189 §§  1353 ff. 119, 131, 140, 368 §  1354 a. F. 140344 §  1355 140, 163 f. §  1356 102, 107189, 112, 120, 139, 140, 218, 223, 265, 266869, 273, 275 f., 361 f., 3641331, 413 §  1356 a. F. 120252, 210 693, 346 §  1357 78, 140, 262, 269, 272, 345 ff., 3501334, 356, 397, 458 §  1357 a. F. 346 §  1359 5, 53, 59, 63, 68, 73, 74281, 76, 78, 80, 87, 89, 9189, 112, 140, 267 ff., 283 ff., 288 f., 369 f.50, 393, 431, 44130, 453, 455 §  1297 (a. F.) §§  1297 ff. §  1298 §§  1298 f.

490 §§  1360 ff. §  1360

Normenregister

131, 140, 173, 271 133 f., 138, 140, 209, 210, 264, 272, 347, 3491331, 399, 402 §  1360a 84, 111, 133 f., 135, 138, 140, 209, 40216 §  1360b 72, 140, 416, 426 §  1361 57, 75, 87, 133, 135, 138, 153, 399, 402, 427 §  1361a 138, 140, 209 §  1361b 138, 140, 209 §  1362 140, 269 §§  1363 ff. 131 §  1364 272 §§  1365 ff. 345 §§  1374 ff. 388 §  1378 75, 133, 136 §  1378 a. F. 136 §  1379 138 §  1381 87, 153 §  1385 138335 §  1395 a. F. 344 §  1399 a. F. 344 §  1408 112, 3608 §  1413 257878, 272 §  1414 a. F. 345 §§  1415 ff. a. F. 345 §  1416 68 §§  1426 ff., 3441300 1436 a. F.: §  1564 136 §§  1564 ff. 194 §  1565 87, 120, 153, 186572 §§  1565 ff. 192 §  1567 109, 186 §  1567 a. F. 151, 152388 §  1568 a. F. 164 §  1568a 138, 211 §  1568b 138 §  1569 168 §§  1569 ff. 131 §  1570 213, 399, 402 §§  1570 ff. 57 §  1578 134 §§  1578 f. a. F. 152 §  1578b 168 §  1579 87, 153, 185568, 205 f.674, 213, 239817, 245

§  1579 a. F. §  1580 §  1585 §  1585b §  1587 §  1588 §  1591 §  1592 §  1598a §  1600 §  1600a §  1600b §  1600c §  1600d §  1600e a. F. §§  1601 ff. §  1603 §  1605 §  1606 §  1606 a. F. §  1607

§  1612 §  1612a §  1613 §  1614 §  1615l §  1618a §  1620 §  1626 §  1628 §  1629 §  1632 §  1635 a. F. §  1648 §  1664

§  1666 §  1671 §  1680 §  1684 §  1686 §  1686a

152 138 75, 133, 135 135323 133, 136 120 71 71, 214, 218, 224 219734, 234799, 240 f. 218, 240, 242, 261911 218 218, 219, 221746, 241 f. 218, 220 84, 219 ff., 235 220737 72277, 214, 221, 415 41786, 425 138, 139, 140342, 221, 227 419, 420, 425 421110 84, 218, 219 ff., 224 f., 227, 228771, 229779, 231, 234, 236, 246, 250, 415, 420 f., 421 ff., 444 f., 451 f., 455 75 84, 231 135, 221, 234 ff., 415 ff., 425, 426 112, 131 75, 84, 221, 399, 402 65241, 72, 229 f.779, 418 72 102, 194, 361, 401 406 361, 414, 419, 420, 424 f. 9, 102155, 4016, 433 152394 75 53, 59, 63, 65241, 68, 73 f., 76, 272957, 283, 2871016, 288 f., 291 f., 431, 455 168, 406 407 407 60, 102155, 399, 4016, 403, 404, 407 ff., 429, 432 402 169, 399, 403, 429145

§  1696 §  1709 a. F. §  1715 a. F. §  1922 §  1967 §  1968 §§  1975 ff. §  1985 §  1990 §  1994 §  2005 §  2006 §  2033 §  2083 §  2131 §  2174 §  2176 §  2206 §  2276

409 84 84 42 42 394 42 42 42 42 42 42 36, 192 17 53 69 9 42 3608

BVerfGG §  15

164463

EGBGB Art.  13 Art.  14 Art.  15

443 443, 444. 460 435, 438

EheG (1938) §  49 §§  66–68 §  81

152391 152 152395

EheG (1946) §  43 §§  58–60 §  74

152392 152 152

FamFG §  29 §  40 §§  49 f. §§  86 ff. §§  88 ff. §  89 §  95 §  111 §  112

3608, 369 137 409 137 429 409 137 153, 219 419

Normenregister

491

§  113 §  120

221, 419 15, 62, 82, 88, 115, 132, 134320, 145, 153, 188, 224 f., 247848, 257, 263, 450 137 137329 409 219 220 218 219 80, 84 137 137, 143 145, 153, 185569

§  137 §  148 §  166 §  169 §  172 §  177 §  178 §  183 §  223 §  224 §  266 GG Art.  1 Abs.  3 : Art.  2 Abs.  1 Art.  2 Abs.  1 i. V. m. Art.  1 Abs.  1:

158429, 253857 95, 142354, 222 174, 176, 179, 181, 184, 185, 187, 189, 222, 225, 229 f.779, 239, 240, 243, 260 f., 262, 449 Art.  3 367 Art.  3 Abs.  1 157, 166 Art.  3 Abs.  2 162 f.455, 456, 344, 422 Art.  5 Abs.  3 387111 Art.  6 Abs.  1 5, 77, 81, 8550, 86, 8764, 92, 102156, 111209, 121, 128296, 130 f., 154 ff., 184, 185, 190, 191, 192, 211, 263, 350, 364, 367 f., 449 f. Art.  6 Abs.  2 168, 220, 244, 401 f., 40635 Art.  6 Abs.  5 128296 Art.  14 97132, 101150, 155409 Art.  20 Abs.  2 421 Art.  20 Abs.  3 222, 233, 421 Art.  117 344, 421 f.110 HGB §  37 §  128 §  171

98 342 41

InsO §  55 §§  129 ff. §§  132 ff.

42 3511335 3511335

492

Normenregister

§  286 §  301

39 39145

LPartG §  1 §  4 §  8

360 53, 431 345

MarkenG §  14 §  15

98 98

PatG §  139

98

PStG §  1 §  3

128 128

RVO a. F. §§  636, 637

288

SGB VII §§  104–106

288 f.

StGB §  11 §  170 §  172 a. F. §  173 §§  175 f. §§  177 ff. §  211 §  218a §  223 §  224 §  235 §  240 §  247 §  253 §  258 StPO §  52 §  55 §  56 §  61 §  76

3608 1 104 f. 239818 161443, 444 187574 176516 150386 252 252 4015 3561367 180 3561367 3561367 3608, 369 3608, 369 369 3608, 369 3608, 369

StVG §  7 §  8a §  12 §  18

273, 276, 278 276 41 273, 278

TSG §  8

161448

VersAusglG §  1 §  3 §  6 §  9 §§  9 ff. §§  10 ff. §§  14 ff. §  19 §  20 §§  20 ff. §  25 §  27

136, 137 137328 137 136, 137 136 136 137 137 135323, 137 133, 137 135323 87, 153, 246

VVG §  100

278

ZPO §  91 §  138 §  253 §  256 §  263 §  287 §  294 §  383 §  384 §  386 §  408 §  780 §  794 §§  811 ff. §  816 §  843 §§  850 ff. §  850b §  850d §  873 §  888

206674, 239817 217 149, 221 55 419 313 369 3608, 369 3608, 369 369 3608, 369 42 15 40 2894 2894 40 418 75 2894 13, 14, 15, 62, 82, 88, 115, 224

Normenregister

§  890 §  918

13 1325

493

Gesetze einzelner Länder Civil Liability Act (1961) Sect. 49 3141148, 3171175

Internationales Recht Draft Common Frame of Reference (DCFR) Art. VI.-2:202 318 EMRK Art.  8

40111

EuGVÜ Art.  5 Nr. 1, 3 4367 Brüssel Ia-VO Art.  5 Nr. 1, 3 4368 EuUntVO Art.  15

445

HUntP (2007) Art.  3 445 Art.  4 445 Principles of European Tort Law (PETL) Art.  10:301 318, 329 Rom I-VO Art.  1 435, 436 ErwGr. Nr. 10 436 Rom II-VO Art.  1

Art.  12 Art.  15

437, 438, 439, 440, 441, 442, 443, 459 318, 436, 439 318 f., 436, 439, 440, 441, 443, 459 436 441, 459

UN-Charta Art.  41 Art.  42 Art.  51

147373 147373 147

Art.  2 Art.  4

Fatal Accident Act (1976) Art.  1A Sect. 1 3141146 Art.  1A Sect. 2 3161165 Art.  1A Sect. 3 3171174 Art.  5 3161162 Französischer Code Civil Art.  1382 95116, 3141150 Art.  1383 95116 Law Reform (Married Women and Tortfeasors) Act (1935) §  1–3 338 Law Reform (Husband and Wife) Act (1962) §  1 338 Married Women’s Property Act (1882) §  12 337 Schweizerisches Obligationenrecht (OR) Art.  47 3141149 Art.  49 3151154 Österreichisches Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch §  40 141346 §  90 141346 Österreichisches IPR-Gesetz §§  21–26 128296

Sachregister Hochgestellte Zahlen beziehen sich auf Fußnoten; kursive auf Hauptfundstellen.

Abtretung – Abtretungsverbot  8, 418 – Ersatzansprüche  250, 418, 452 – Pflicht zur A.  418, 423, 426 – Sicherungsabtretung 34 Absolut geschützte Rechte  9, 95, 181, 199 – Besitz 93 – Deliktische Haftung  89, 91, 92, 103, 104, 180, 280, 292, 3361259, 448 – Eigentum 97, 95, 96 ff., 101, 102, 104 – Ehe als solche  80, 81, 83, 89, 91 ff., 101 ff., 103 ff., 280 – Ehestatus  105 ff., 108195, 127290 – Immaterialgüterrechte 99143, 101150 – Internetdomain 101 – Rahmenrechte 107 – Räumlich-gegenständlicher Bereich der Ehe  76, 81, 85 ff., 90, 93107, 108, 103 f., 106, 108, 111, 448 – „Sonstiges Recht“  6, 76, 77, 85, 87, 90 ff., 94 ff., 96 ff., 101 ff., 103 f., 104 ff., 105, 109, 111, 214, 3111126, 4017, 433, 448 – Sorgerecht  6, 70, 102, 399, 4016, 403 – Umgangsrecht  6, 102, 399, 401 f., 403, 429 f., 432 Abstammung  1, 71271, 86, 213, 217 ff., 239 ff., 367 – Abstammungsgutachten  219, 243 f. – Abstammungsklärung  219, 240 f. – Inzidentfeststellung  220, 221746 – Recht auf Kenntnis der A.  229 f.779, 234799, 239 ff. – Rechtsausübungssperre  84, 219, 220, 221746 – Vaterschaftsanerkenntnis  71, 8448, 222, 225766

– Vaterschaftsanfechtung  80, 8121, 22, 84, 85 f.55, 86, 89, 91 f., 108197, 218 ff., 230784, 232, 234 f.799, 240 ff.826, 245, 261 – Vaterschaftsfeststellung  219 f., 222748 – Verfahrensbeteiligte 219 Anfechtung  255 f., 255, 354 ff., 398 – Insolvenzanfechtung 3511335 Angehörige – Angehörigeneigenschaft  4, 310, 332, 455, 456 – Familiäre Solidarität siehe Solidarität – Familiäre Verbundenheit siehe Verbundenheit – Mitverschulden siehe dort – Schmerzensgeld siehe Angehörigenschmerzensgeld Angehörigenschmerzensgeld  4, 78, 293, 309 ff., 332, 396, 400, 44020, 441, 455, 457 f., 459 – Anspruchsberechtigte  313, 316 f., 327 f. – Anwendbares Recht/Kollisionsrecht  318 f., 459 f. – Argumente pro und contra  319 ff. – Ersatzbeträge  313, 316 f., 326 f. – Funktion  322 ff., 324, 328 – Rechtslage de lege lata in Deutschland  310 ff. – Rechtsvergleichende Umschau  314 ff. – Reformüberlegungen  313 f. – Vorschlag für eine Rechtslage de lege ferenda in Deutschland  324 ff., 328 f. Anscheinsbeweis 205672, 248 f. Anspruch  7 ff. – Anspruch und Forderung  8 ff. – Materielle Durchsetzung  15 f. – Prozessuale Durchsetzung  15

496

Sachregister

– Rechtsgrund zum Behaltendürfen  37 ff. – Rechtsverwirklichungsanspruch 98, 16 – Schuldverhältnis im engeren Sinne  44 Anwendbares Recht siehe Kollisionsrecht Arglistige Täuschung  86, 238815, 245 f. Aufenthaltsbestimmungsrecht  402, 409, 433 Aufklärungspflicht  198, 200 ff., 238 ff., 279, 366 f., 369, 414, 443, 451 f., 453 – Abgrenzung zur Auskunftspflicht  200 f., 203 f. – Beweislast  216 f. – Definition  200 f. – Geheimhaltungsinteresse  139, 203, 223 ff., 231, 241 – Haftung  200 f., 204, 244 ff. – Inhalt  203 f. – Interessenabwägung  238 ff. – Klagbarkeit siehe dort – Schutzzweck  248, 250 – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz siehe dort – Verjährung  250 ff. – Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens 205672, 247 ff. – Voraussetzungen  201 ff. Aufrechnung 1012, 13 ff., 22, 24, 30, 41 – Aufrechnungslage  13, 15 – Aufrechnungsvertrag 1635 – Ausschluss der A. 15 – Spiel und Wettschuld  34 Aufwendung/-sersatz  29, 72, 75, 84, 108197, 218, 241, 249, 251, 365, 370 ff., 37975, 380, 392, 400, 40949, 428 ff., 432, 442, 453, 455 Auskunftsanspruch – Biologischen Vaters, A. des  169, 402 f. – Reformpläne  234 ff. – Scheinvaters, A. des  222 ff. – Vollstreckbarkeit  224 f. Auskunftspflicht  451 f. – Abgrenzung zu Aufklärungspflicht  200 f., 203 f. – Ehegatten, A. der  138 ff., 197 – Geheimhaltungsinteresse  139, 203, 223 ff., 231, 241

– Interessenabwägung  138 f., 224 ff., 232 ff., 234 ff., 237 f. – Reformpläne  234 ff. – Unmöglichkeit 223 – Verhältnismäßigkeitsgrundsatz siehe dort Beseitigungsanspruch 70263, 85, 98, 107, 110, 259, 405 Besitz  67, 93107, 333, 334 – Berechtigter B.  101 – Besitzkehr 16 – Besitzmittlungsverhältnis 208687 – Besitzschutz  16, 93107, 101, 104 – Eigentümer-Besitzer-Verhältnis 43914 – Mitbesitz 93107 – Recht zum B.  208687, 369 – Sonstiges Recht  93, 101 – Verbotene Eigenmacht  16 Beweislastumkehr  205, 216 f., 232, 248 f., 407, 436 Beweiswürdigung 217 Bürgerliches Gesetzbuch – Kreuzeinteilung  67 ff. – Materialien/Motive 46177, 70, 73, 8231, 141, 142, 145, 153, 181, 3461311 – Systematik  66 ff. Bürgschaft 2790, 33 f. – Angehörigenbürgschaft  78, 333, 350, 351 ff., 398, 458 – B. auf erstes Anfordern  29 cessio legis  84, 231, 415, 418, 420, 421 ff., 426 f., 444, 455 culpa in contrahendo (cic)  362, 365, 436 Darlegungslast  204, 217 – Sekundäre D.  217 Deliktsrecht  79 ff. – Absolut geschützte Rechte/Rechts­ güter siehe dort – Ehestörung siehe dort – (Große) Generalklausel  94 ff., 96, 100, 280, 296, 311, 314 – Grundgedanken des Haftungssystems  94 ff. – Immaterieller Schaden siehe Schadensersatz

Sachregister

– Mittelbarer Schaden siehe dort – Psychische Beeinträchtigungen  239, 296 f., 297 ff., 301 f., 302 f., 309, 325, 327, 395, 415 – Psychisch vermittelte Kausalität  330, 397 – (Quasi-)negatorischer Rechtschutz  70263, 80, 85, 98, 106, 258, 280 – Schutzgesetz  86 f., 95 – Schutzzweck  49 f., 82 f., 87, 89, 92, 245, 330 – Sittenwidrige Schädigung  77, 86 ff., 89, 95, 142, 213, 222748, 225766, 245 – „Sonstiges Recht“ siehe Absolut geschütztes Recht – Umgangsvereitelung  60, 64, 198618, 401 f., 40951, 410 f. – Unmittelbarkeitsgrundsatz  292, 293, 300, 306, 456 – Vermögensposition/-schäden, reine  47, 52197, 95, 100, 102, 296, 300, 428, 432, 436, 440 f. Deliktsstatut  437 ff., 441 f., 443, 459 diligentia quam in suis siehe Sorgfaltsmaßstab/eigenübliche Sorgfalt Dingliche Verwertungsrechte  27 f. Ehe/eheliche Lebensgemeinschaft – Aufgabenverteilung  112, 133, 172, 254, 255, 257, 262, 264 – Aufhebung  145, 193, 267, 378 – Aufklärungspflicht siehe dort – Auskunftspflicht siehe dort – Ausgestaltung der E. 72, 87, 102, 103, 112, 114, 117, 121, 130 f., 132, 141, 142, 155, 169, 172 ff., 184 ff., 190, 254 ff., 266, 279, 449 – Außenverhältnis 280 ff., 332 ff. – Beistandspflicht  141, 145, 154 f., 160, 162454, 172 f., 181, 183, 185, 193601, 206, 209692, 210 – Bürgerliche E. 111, 118, 120253, 149380 – Common Law-Tradition  333 ff. – Definition, verfassungsrechtliche  154 f., 160 ff. – Doppelverdienerehe  347 f.1323, 397 – Ehefähigkeit/-mündigkeit siehe dort – Ehelehren 112, 113 ff., siehe dort

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– Ehename  140, 163 f., 263 – Eherecht siehe dort – Eheschließungsfreiheit siehe Verfassungsrechtlicher Schutz – Ehestatus siehe Status – Ehestörung siehe dort – Eheverbot  171, 173 – Ehewohnung siehe dort – Einehe siehe Monogamie – Einfachrechtliche Ausgestaltung  190 ff. – Erwerbstätigkeit  133 f., 140, 168476, 182, 210 693, 262, 264 ff., 271, 346 ff., 397 – Familie als Haftungsverband siehe Familie – Familienplanung siehe dort – Garantenstellung  174, 193 – Gesamtschuld, gestörte siehe dort – Geschlechtsgemeinschaft  82, 103, 182548, 186 ff., 245 – Gesinnung, eheliche  82, 90, 106, 108195, 143 f., 145, 146 f., 188, 190, 258 – Getrenntleben  109, 185, 186, 209, 399, 427, 431 – Gleichberechtigung  111, 140, 155, 162 f.455, 456, 172, 191, 212, 266 – Gleichgeschlechtliche E. 129, 160 ff. – Grundrecht siehe verfassungsrechtlicher Schutz – Güterrecht siehe dort – Haftungskonstellationen (Überblick) 77 ff. – Haftungsprivilegierung  267 ff. – Hausfrauenehe, Leitbild der  120252, 347 f., 397 – Haushaltsführung  109, 133, 134320, 140, 182, 254, 262, 264 f., 272, 347, 349 – Haushaltsgegenstände siehe dort – Häusliche Gemeinschaft  151, 152388, 181 f., 184 ff., 188 f., 191, 197611, 208, 279, 3281231, 339 f.1274, 343, 450 – Herstellung der E.  82, 106 f., 114, 121, 131, 144, 145 f., 146, 153, 189, 190 – Historisches Rollenbild  78 – Homosexuelle E.  129, 160 ff., 166 – Innenverhältnis  77 f., 104 ff., 111 ff. – Lebenszeitprinzip  130, 151, 159435, 160, 162, 165465, 188580, 267

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Sachregister

– Leistungspflichten, anerkannte  133 ff. – Mitarbeit  91, 109, 183, 209 f., 36738, 451 – Mithaftung  78 f., 345 ff., 350 ff., 458 – Mitwirkendes Verschulden siehe Zurechnung – Monogamie 159435, 160436, 162 f.455, 171 – Parteivereinbarung  254 ff., siehe auch Ehevereinbarung – Pflicht zur E.  140 ff., 144 ff., 181 ff., 190 ff., 194 f., 195 ff., 267 – Räumlich-gegenständlicher Bereich der E.  76, 81, 85 ff., 90, 93107, 108, 103 f., 106, 108, 111, 448 – Rechtsfreier Bereich/Raum siehe dort – Rechtsinstitut siehe Verfassungsrechtlicher Schutz – Rechtspflichten  133 ff., 140 ff., 197 ff., 254 – Rücksichtnahmepflicht  197 ff. – Scheidung siehe dort – Scheitern  105, 120, 152, 164, 165465, 186572, 194, 256869, 263, 266 – Schlüsselgewalt siehe dort – Schmerzensgeld siehe Angehörigenschmerzensgeld – Schockschaden siehe dort – Sittlich-moralisches Verständnis  103, 114 ff., 120, 121, 141, 142 ff., 145 – Sonderverbindung, schuldrechtliche  111 ff., 195 ff., 197 ff. – „Sonstiges Recht“ siehe Absolut geschütztes Recht – Statusverhältnis  122 ff., siehe Status – Steuerliche Mitwirkung/Zusammenveranlagung  72, 131, 189583, 197, 207 f., 451 – Treue, Pflicht zur  186 ff. – Unterhaltspflicht/-recht  133 ff. – Verantwortung/-sgemeinschaft 112, 130, 141, 145, 147, 154 f., 159, 160, 162454, 169, 171 ff., 192 ff., 208, 212, 244, 258, 267, 350 – Verfassungsrechtlicher Schutz siehe dort – Vermögensangelegenheiten  206 ff. – Verschiedengeschlechtlichkeit 159435, 160, 165 f., 171

– Verschuldenszurechnung siehe Zurechnung – Versorgungsausgleich  87, 133, 135323, 136 f., 245, 253, 279 – Wirkungen der Ehe im Allgemeinen  140 f. – Zerrüttungsprinzip 66245, 89, 92, 109, 120, 152 f., 189, 374 – Zugewinnausgleich  1, 75, 80, 87, 91, 133, 136, 138335, 192, 197, 253, 279, 345, 391 – Zuverdienerehe 3481323 Ehebruch  76, 84, 86 ff., 90 ff., 104 f., 108, 145367, 218, 223, 244 ff., 251 f., 279, 280 Ehefähigkeit/-mündigkeit  125, 172, 173, 361 Ehelehren 112, 113 ff. – Ehe als Organisationsform  117 – Ehe als soziale Verhaltensform  118 f. – Institutionelle E.  114 ff. – Interindividuelle E.  116 ff. Eheliche Treue siehe Ehestörung Ehelichkeit/-sanfechtung 8121, 22, 86, 108197, 127288, 128, 245 Eherecht  87 f., 102, 106, 108, 109, 114, 118, 120252, 131, 142, 150, 153, 157 f., 181, 191, 193602, 194, 196, 254, 267, 451 – Ehegüterrecht siehe Güterrecht – Ehepersonenrecht  196, 113, 115, 131, 133, 140, 141 ff., 146, 151, 181 ff., 258, 262, 266 – Ehevermögensrecht  131, 133, 135, 142, 143 f., 192 f., 195, 253 Eheregister 128 1. EheRG 1977  66245, 105, 113, 120 ff., 140, 141, 152, 153401, 181, 209, 347, 374 Eheschließungsfreiheit siehe Verfassungsrechtlicher Schutz Ehestatus siehe Status Ehestörung  1, 76, 77, 79 ff., 244 f., 251, 280, 448 – Abwicklungsinteresse  91 f., 108 – Anwendbarkeit des Deliktsrechts  79 ff. – Beseitigungsanspruch 70263, 85, 98, 107, 110, 129, 139338, 222, 259, 405 – Bestandsinteresse  91, 108 – Ehestatus 104162, 105 ff. – Rechtsprechungsmeinung  81 ff.

Sachregister

– Literaturmeinung  90 ff. – Unterlassungsanspruch  80, 85, 87, 98, 107, 110206 Ehevereinbarung  5, 78, 103, 133 f., 175, 254 ff., 263, 452, siehe auch Einvernehmen, gegenseitiges Ehevermittlung siehe Unvollkommene Verbindlichkeit Ehewohnung  85, 93107, 103, 133, 138, 152, 205, 208 f., 253, 262, 272, 279, 451 – Gestattung der Mitbenutzung der E.  138333, 208 f., 272, 451 – Pflicht zur Überlassung der E. 133, 138, 152, 279 Eigentum 97, 55, 67 f., 95, 96 ff., 101132, 102150, 104, 138, 155409, 208 f., 334, 3461312, 38498 Eingetragene (Lebens-)Partnerschaft siehe Lebenspartnerschaft Einrede – Anspruchsbeschränkende E.  18 – Arten  17 f. – Aufschiebende/dilatorische E.  17 – Ausübung eines Gestaltungsrechts  21 f. – Auswirkungen auf die Haftung  18 ff. – Beweislast 17 – Dauernde/peremptorische E.  17 – Einrede und Schuldnerverzug  18 ff. – Einredelage  18 ff. – Erhebung der E.  11, 16 ff. – Leistungsverweigerungsrecht  17, 20 – pactum de non petendo siehe dort – Rechtshemmende E.  10, 11 – Verteidigungsmittel  11, 17 – Zug-um-Zug 18 Einvernehmen, gegenseitiges  106 ff., 112, 120, 121, 133 f., 140, 141 f., 143, 174504, 175, 180535, 185568, 214, 254 ff., 262, 264, 267, 279, 347, 405, 449, 452 – Beweislast 266 – Dispositiv rechtsfreier Raum  262 ff., 279 – Grenzen der Privatautonomie  261 – Rechtsfreier Raum  260 f. – Rechtsgeschäft  254 ff., 263 – Rücksichtnahmepflicht  264 ff.

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– Theorie der normativen Verbindlichkeit  259 f. – Unverbindlichkeit  257 ff. – Vertrauenstatbestand  257 f., 264 ff. Einwendung – Beweislast 17 – Rechtshemmende E.  207 – Rechtshindernde E.  10, 11 – Rechtsvernichtende E.  10, 11 – Verteidigungsmittel 17 Elterliche Sorge  60 ff., 152, 243 f., 404 f., 408 ff., 414 f., 432 – Absolut geschütztes „sonstiges Recht“ 6, 70, 102, 399, 4016, 403 – Alleinsorge  225, 406, 425 – Aufenthaltsbestimmungsrecht 402, 409, 433 – Einzelfallentscheidungsbefugnis 406 – Gemeinsame e. S.  405, 425 – Pflicht zur e.  S.  63, 72, 194 – Pflichtrecht  406, 408 f. – Schikanöse Ausübung  413 – Sorgerechtsentzug  169, 406 – Sorgerechtsverletzung  65 f., 73, 433, 455 – Subjektives Recht  97 – Umgangsbestimmungsrecht  402, 433 – Verfassungsrechtlicher Schutz  401 f., 406 – Vermögenssorge 51 Eltern/Elternschaft  2, 6, 127, 128, 399 ff. – Aufklärungspflicht  414 f., 428 f. – Aufwendungsersatz  400 ff., 428 f. – Auskunftspflicht 402 – cessio legis  415, 419 ff., 426 ff. – Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch  408, 415 ff., 444 f., siehe dort – Gesetzliche Vertreter  228 ff.784, 361 – Gesetzlicher Forderungsübergang  419 ff., 426 ff. – Haftungsprivilegierung  291 f., 431 f., 455 – Haftungsumfang  445 ff. – Rechtspflichten  424 ff. – Rücksichtnahmepflicht  399, 403 f., 407 ff., 414 ff., 429, 430, 432, 433, 455 – Sonderverbindung, schuldrechtliche  402 ff., 428 ff.

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Sachregister

– Umgangsrecht siehe dort – Elterliche Sorge siehe dort – „Mittreuhänderisches“ Schuldverhältnis  404 ff. – Wohlverhaltenspflicht  399, 40845, 411, 413 Eltern-Kind-Verhältnis  71, 74, 127, 213, 283, 288, 406 f., 408, 430, 432 – Aufklärungspflicht 414 – Treuhänderische Ausgestaltung  406 Empfängnisverhütung siehe Familien­ planung Erfüllungsgehilfe  9, 281, 293, 294, 306, 393 Familie – Haftungsgemeinschaft/-verband 69259, 78, 117, 292, 332 ff., 338 ff., 345 ff., 356 f., 397, 442, 458 f., 459 – Hausgenossen  339 ff. – „Gelebtes Familienleben“  235 f. – Geschwister  73, 138336, 313, 316, 3171168, 1170 , 328, 329, 3521347 – Historische Funktion  338 ff. – Max Webers Forschungen  338 ff. – pater familias  123, 124273, 339 – patria potestas  124 – Reproduktive Funktion  155 – Schicksalsgemeinschaft 292 – status familiae  122 – Stichentscheid des Vaters/Ehegatten  164, 266 Familienplanung 182, 211 ff., 262, 367, 451 – Absprachen  211 ff. – Extrakorporale Befruchtung  1, 214 f. – Relevante Pflichtverletzung  215 ff. – Verhütungsmittel, Absetzen/Verwendung  213 ff., 242, 262, 279 Familienrecht – Abgeschlossenes Regelwerk  4, 76, 244 ff., 251 f. – Anwendbarkeit des allgemeinen Schuldrechts  55 ff., 132 – Haftungsfragen im (Überblick)  75 ff. – Historische Entwicklung  66 ff.

– Kindeswohl  61, 63232, 152395, 168 f., 194, 234, 402, 405, 40739, 408 ff., 425, 426, 430, 431 – Statusrecht siehe Status – Systematische Stellung  66 ff. – Verhältnis zum Schuldrecht  1, 4, 43 ff., 55 ff. – Wächteramt  168 f. Familienrechtlicher Ausgleichsanspruch  408, 415 ff., 444 f., 455 – Anspruchsgrundlagen  419 f. – cessio legis  419 f., 421 ff., 444 f., 455 – Entstehungsgeschichte  415 ff. – Kollisionsrecht  444 f., 460 – Praktische Relevanz  419 – Voraussetzungen  415 ff. Familienrechtliche Verhältnisse – Art der Pflichten  75 – Charakterisierung  3, 71 ff. – Gesetzliche Rechtsverhältnisses familienrechtlicher Art  60 ff., 404 – Gesetzliche Schuldverhältnisse  65 ff., 404 – Gesetzliche Schutzverhältnisse  57 ff. – Rechtliche Einordnung  43 ff. – Statusverhältnis siehe Status Familienunterhalt  72, 133, 134 f., 138 f., 208, 264 f., 272, 347, 3491331 Feststellungsklage 55 Fristsetzung 9 Forderung – als subjektives Recht  7 – Forderung und Anspruch  8 ff. – Forderungszuständigkeit 96 – Verhältnis zum Schuldverhältnis  8 Forderungsübergang, gesetzlicher  84, 231, 415, 418, 420, 421 ff., 426 f., 444, 455 Geburtenregister 128 Gefährdungshaftung  11, 273, 276, 278985, 312 f., 3161159, 324 ff., 329, 377, 43914 Gesamtgläubigerschaft 418 Gesamtschuld  11, 76, 78, 274, 295, 420, 422 – Automatische Anspruchskürzung  287, 292, 456 – Fingierte G.  274, 286, 289 ff.

Sachregister

– Gesamtschuldnerausgleich  83, 89, 283 ff., 295 – Gestörte G.  76, 78, 276, 283 ff., 305, 393, 441, 456 – Regresskreisel  286, 291, 292 Geschäftsführung ohne Auftrag  356, 420, 423, 439 Gläubigerverzug 70 Gleichberechtigung von Mann und Frau  162 f.455, 456, 344 f., 346, 422 Grenzüberschreitende Fälle  4, 6, 318, 435 ff. Grundschuld  28, 34 Güterrecht  343 ff., 390 f. – Geschichte des G.  343 ff. – Gütergemeinschaft  68, 339, 343, 345 – Gütertrennung  343 ff., 388, 391 – Zugewinngemeinschaft  345, 346, 348, 388 Haftung  1 ff. – Ausschluss  16 ff., 275 f. – Bedeutung des Begriffs  4, 7, 11 ff. – Beschränkte H.  2792, 37, 40 ff., 81, 381 – Dingliche Verwertungsrechte  27 f. – Einrede  16 ff. – Familie als Haftungsverband siehe Familie – Gegenstand der H.  40 ff. – Grundlagen der H.  7 ff. – Haftung für fremdes Handeln  333 ff., 338 ff., 442 – Haftung für fremde Schuld  27 f., 333 ff. – Haftung ohne Schuld  27 ff. – Haftung und Kondiktion  37 ff. – Haftung und Rechtsgrund zum Behaltendürfen  22, 29, 37 ff., 41, 42, 259 – Haftung und Rechtszwang  11 ff. – Haftung und Schuld  7 ff. – Haftungserweiternde Verträge  28 f. – Haftungshöchstgrenzen 41 – Haftungsmaßstab siehe Sorgfaltsmaßstab; Haftungsprivilegierung – Haftungsrisiko  53, 269, 321, 431 – Nachwirkung der H.  37 ff. – Privilegierung siehe Haftungsprivilegierung

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– Realisierung durch Rechtszwang  15 ff. – Rechtspflichten siehe dort – Schuld ohne H.  29 ff. – Sippenhaftung  294, 333 ff., 341 ff., 3451362, 356 – Solidarität, ausgenutzte familiäre  78, 350 ff., 398, siehe dort – Sonderverbindung, Haftung kraft schuldrechtlicher  111 ff., 262 ff., 359 ff., 402 ff. – „Sonstiges Recht“ siehe Absolut geschützte Rechte – Unbeschränkte H.  40 f. – Unvollkommene Verbindlichkeit siehe dort – Verhältnis zur Schuld  27 ff. – Verschärfte H.  53200, 381 – Vertrauenshaftung  6, 49189, 58, 260, 362, 365, 366, 369, 370 ff., 371, 37975, 380 – Zumutbarkeit 53200, 54 Haftungsausschluss/-beschränkung, rechtsgeschäftliche/r 276 Haftungseinheit  281 ff., 397 Haftungserweiternde Verträge siehe Haftung Haftungsprivilegierung  267 ff., 291 f., 369 f., 41, siehe auch Sorgfaltsmaßstab – Außenwirkung 299 – Disponibilität 282 – Ehegatten  5, 53, 59, 63, 68, 73, 74281, 76, 78, 80, 87, 89, 9189, 112, 140, 267 ff., 283 ff., 288 f., 369 f.50, 393, 431, 44130, 453, 455 – Eltern-Kind-Verhältnis  53, 59, 63, 65241, 68, 73 f., 76, 272957, 283, 2871016, 288 f., 291 f., 431, 455 – Gefährdungshaftung  273, 276 – Gesamtschuld siehe dort – Getrenntleben  281, 449 – Kollisionsrecht 457 – Konkurrierende Deliktshaftung  80, 272, 275, 285 – Reichweite  271 ff. – Rücksichtnahmepflicht 271 – Sozialversicherungsrechtliche H.  288 f. – Straßenverkehr  273 ff., 280, 284

502

Sachregister

– Teleologische Reduktion  277 ff., 280, 285 f., 453 – Vereinbarung  276, 277, 283, 288 f. – Verlöbnis  369 f. – Zweck  268 ff. Handelsgesellschaft  353 ff. Haushaltsgegenstände – Gestattung der Mitbenutzung  183, 208 f., 272, 36738, 451 – Pflicht zur Überlassung  133, 138 f., 152, 253, 279, 451 Herausforderungsfälle  329 ff., 396 f., 458 Herausgabeanspruch  9, 206676, 272, 381, 386 f., 418, 429, 433, 43514 Hypothek  27, 2893, 34 Immaterieller Schaden  14, 80, 8122, 85, 8980, 206, 252, 280, 292, 309 ff., 396, 400, 413, 414 f.76, 457 Informationelle Selbstbestimmung, Recht auf  243 f. Inhaltskontrolle von Verträgen  352 Innengesellschaft  387, 390 Integritätsinteresse/-schutz  48, 49, 50, 51, 54, 108, 199 f., 204, 365, 428, 435 Interessenabwägung 8980, 107, 110, 164, 178 f., 187, 189, 202 f., 223, 225, 230, 233, 236, 238 ff., 387111, 389 Internationales Privatrecht siehe Kollisionsrecht Intimsphäre  103, 143, 174, 187 f., 194, 203, 205, 212705, 708, 223, 225, 232, 239 ff., 279, 387 ius variandi  258 Justizgewährung/-sanspruch  15, 16, 233 Klagbarkeit 1327, 23, 131, 199 ff., 256, 261, 405, 412 – Ausschluss der prozessualen K.  23 f., 26, 30103 – pactum de non petendo  23 ff., 30103 – Rücksichtnahmepflichten  199 f., 201, 204666, 207, 405, 412 – Schutzpflichten 149382, 199 – Verlöbnis  36, 131 f. Kollisionsrecht  6, 318 f., 435 ff., 459 f. – Deliktsstatut siehe dort

– Rücksichtnahmepflicht, Ansprüche aus Verletzung der  435 ff. – Unterhaltsstatut  445, 460 – Verlöbnis, Anspruch auf Rückgabe von Geschenken 444 – Verlöbnis, Anspruch bei Rücktritt vom  442 ff. – Verlöbnisstatut  442 ff., 460 – Vertragsstatut  435 ff. Kondiktion  17, 49 – Leistungskondiktion 37 – Nichtleistungskondiktion 230 – Rechtsgrund zum Behaltendürfen  22, 29, 37 ff., 41, 42, 259 – Rückgriffskondiktion  84, 420 – Unvollkommene Verbindlichkeit siehe dort – Zweckverfehlungskondiktion  383, 387, 390 Krankheit, ansteckende  252 f. Lebenspartnerschaft, eingetragene  2, 3, 71, 128 f., 161, 165 ff., 199, 313, 3281231, 329, 345, 3521347, 367 f., 395, 435, 438, 442, 447 Lebenspartnerschaftsgesetz  53, 128, 165 ff., 345, 360, 431 – Gleichstellungsgebot 167 – Verfassungsrechtliche Überprüfung  165 ff. Lebenspartnerschaftsregister 128 Lebensrisiko, allgemeines  105171, 196, 216, 299, 300, 320, 378, 379, 40949, 415, 454 Max Weber  338 ff. Mittelbarer Schaden  292 ff., 296 ff., 309 ff., 393, 456 Mitverschulden – Eigenes M.  149379, 281, 429 – Mitverschulden eines Angehörigen  4, 78, 281 ff., 293 ff., 303 ff., 309, 316, 332, 394, 441, 455 f., 459 Moral  1 ff., 103, 115 f., 128, 142 ff., 180, 188, 191, 195, 214, 253, 279, 330, 350, 362, 398, 414, 450, 458 – Abgrenzung zum Recht  2 f. Musterprozessabrede  23 f.

Sachregister

Naturalobligation  31, 36135, siehe unvollkommene Verbindlichkeit Naturalrestitution  249, 405 Nichteheliche Lebensgemeinschaft  2, 3, 5 f., 130, 192 f., 199, 208687, 212705, 213712, 714 , 216725, 244, 313, 316, 327 f., 352, 359 ff., 400, 402, 403, 435, 438, 447, 453 f. – Angehörigenschmerzensgeld 396 – Aufklärungspflicht  366 f., 453 – Beweislast 369 – Definition 359 – Haftungsprivilegierung  369 f., 393 – Mittelbarer Schaden  393 f. – Mitwirkendes Verschulden  394 – Nothilfeversuche  396 f. – Rettungsversuche  396 f. – Rücksichtnahmepflicht  366 ff., 380, 453 – Schockschaden  395 f. – Sonderverbindung, schuldrechtliche  5 f., 359 ff., 366 ff. – Zuwendungen, Ausgleich von  387 ff. Normative Verbindlichkeit, Theorie der  359 ff. Nothilfeversuche  329 ff., 332, 396 f., 400, 441, 458, 459 Nutzungsentschädigung/-vergütung  138, 209, 321 Obliegenheit  148 f.379 pactum de non petendo  22 ff. – ad tempus  25 f. – Bedeutung  22 f. – Einrede  25 ff. – Klagbarkeit  23 f. – Leistungsverweigerungsrecht  25 ff. – Musterprozessabrede  23 f. Personenstand/Personenstandsrecht 71, 126 f., 128 ff., 130, 132 Personenstandsregister 229774 Persönlichkeitsrecht  80, 83 f., 8980, 90, 93, 104, 105 f.174, 125, 163, 165, 169, 174, 179 ff., 183, 184, 187, 189, 194, 203, 205 f., 214, 222 ff., 230, 232 ff., 234 ff., 239 ff., 262, 386 f., 413, 414, 449 ff. – Sphärentheorie 174

503

Pfandrecht  27, 34, 68 Pflicht(en) – Aufklärungspflichten siehe dort – Auskunftspflicht siehe dort – Beistandspflicht  141, 145, 154 f., 160, 162454, 172 f., 181, 183, 185, 193601, 206, 209692, 210 – Ehelichen Lebensgemeinschaft, P. zur  140 ff., 144 ff., 181 ff., 190 ff., 194 f., 195 ff., 267 – Fürsorgepflicht  80, 193601, 200, 206 – Herausgabepflicht siehe dort – Informationsschutzpflichten 198 – Legitimation  49 ff. – Nebenpflicht  47, 75, 197, 198, 201, 40740, 436 – Obhut/-spflichten  198 ff., 419, 426 – Obliegenheiten  148 f.379 – Parteivereinbarung, P. kraft  254 ff. – Rechnungslegung 272 – Rechtspflichten 133 ff., 146 ff. – Rücksichtnahme siehe Rücksichtnahmepflicht – Sanktionierung  147 ff. – Schutzpflicht  45 ff., 49 ff., 57 ff., 65, 70268, 75, 112, 149382, 198 ff., 228, 272954, 40740, 428 f., 435 f. – Schutzzweck  49 f., 82 f., 87,m  89, 92, 245, 248, 250, 253, 254, 330, 427, 429 f., 455 – Sittlich-moralische P.  40, 114 ff., 188, 191, 195, 362 – Verhaltenspflichten  80, 147, 150, 198, 258, 300, 331, 374, 412 – Verhaltenssteuerung  148 f., 154, 215 – Wohlverhaltenspflicht  399, 40845, 411, 413 f. Primärschuld/-schuldner  4, 11 f., 422 f., 426 Privatautonomie  23, 49, 162, 261, 351 Privatsphäre  174, 183 f., 226, 269 Prozessvertrag  23, 24 Quasi-negatorischer Rechtschutz  70263, 85, 98, 280 Rechtsbindungswille  257, 259 f., 261, 262 f., 266, 272956, 280, 452

504

Sachregister

Rechtsfolgenverweisung  281, 295, 382 f.88 Rechtsfortbildung, richterliche  225 f., 233794, 387, 417 Rechtsfreier Bereich/Raum  2, 103, 133, 134, 154, 175 ff., 181 ff., 189, 191, 193601, 194 f., 197, 212, 214, 215723, 251, 260 ff., 279 f., 372, 374, 378, 448 ff. – Autonomiebereich des Einzelnen  103, 175511, 178 ff., 187, 189 f., 194 ff., 209, 215, 260 ff., 262, 449 f. – Abgrenzungskriterien  178 ff. – Betroffenheit, individuelle  175511, 179 ff., 449 – Dispositiv rechtsfreier Raum  260 f., 262 ff. – Ehepersonenrecht  181 ff. – Empirische Untersuchung  177 – „Kollisionsnormen“ 178 – Normativität  176 f. – Privatautonome Rechtsetzung  260 ff. – Rechtstheorie 176 – Relativität  180 f., 189, 193601, 194, 251, 37460, 449 – Schwellenrecht  175 ff., 260, 449 – Sozialbezug  179 f., 189, 194604, 209, 215723, 253, 449 f. – Verabredete Unverbindlichkeit  260 f. Rechtsgrund zum Behaltendürfen siehe Kondiktion Rechtsgrundverweisung 281 Rechtsmissbrauch  20, 408, 413 Rechtspflichten siehe Pflichten Rechtsschutzgarantie  23, 233798 Rechtsstaatsprinzip  15, 233, 238, 319, 421 Rechtstheorie 176 Rechtsverhältnis – Definition  48, 55 – Familienrechtliches R.  2 f., 43 ff., 71 ff. Rechtsvereinheitlichung in Europa  4 Rechtsverwirklichungsanspruch 98, 16 Rechtszwang  10, 11, 16, 22, 39 f., 41, 75, 164, 180, 263 – Rechtszwang und Haftung  11 ff. – Realisierung der Haftung durch R.  15 ff. Rentabilitätsvermutung 428140 Reproduktionsmedizin 1 Restschuldbefreiung  30, 31 f., 39

Rettungsversuche  329 ff., 332, 396, 400, 441, 456, 458, 459 Risikohaftung  377, 380, 454 Rücksichtnahmepflicht  197 ff., 206 ff., 211 ff., 217 ff., 252 f., 366 ff., 407 ff. – Aufklärungspflicht siehe dort – Beweislast  216 ff. – Erfüllungsanspruch  149 f. – Inhalt und Umfang  198 ff. – Klagbarkeit  199, 204 f. – Kollisionsrecht  435 ff. – Prozessuale Geltendmachung  149 f. Schadensersatz – Abwicklungsinteresse  91 f., 108 – Bestandsinteresse 91 – Immaterielle Schäden  14, 80, 8122, 85, 8980, 206, 252, 280, 292, 309 ff., 396, 400, 413, 414 f.76, 457 – Integritätsinteresse siehe dort – Mittelbarer Schaden siehe dort – Negatives Interesse  361, 363, 371, 428, siehe auch Vertrauensschaden – Positives Interesse/Erfüllungsinteresse  363, 371 – Rentabilitätsvermutung 428140 – Schadensersatz statt der Leistung  9, 2163, 35, 70, 2891030, 36532 – Schadensgeneigte Konstitution  314 – Umgangsvereitelung  60 ff., 399, 400 ff. – Unterhaltszahlungen für scheinehe­ liches Kind siehe Scheinvater Scheidung  83, 91 f., 109 f. 206, 114, 115223, 121, 133, 136, 137329, 138, 151 f., 164, 167473, 168, 192597, 194, 210 f., 261, 268, 279, 416 – Eigenverantwortung 167473 – Härteeinwand 164 – Kosten  91 f., 108 – Nacheheliche Solidarität  167 f. – Scheidungsantrag  164, 168476, 261 – Scheidungsbeschluss 136 – Scheidungsgrund  151 f. Scheidungsfolgen  1, 91 f., 136, 137, 138, 152 f., 257, 380 Scheidungsrecht 66245, 87, 120, 142352, 153 Scheidungsstrafe  82, 88 – punitive damages  88

Sachregister

Scheidungsunterhalt 135 Scheidungsverfahren 80 Scheinehe  193, 378 Scheinvater – Abstammungsrecht/-verfahren  217 ff., siehe dort – Aufklärungsanspruch  238 ff. – Auskunftsrecht  76, 217, 222 ff., siehe auch dort – Effektiver Rechtsschutz  222 f., 233, 234, 237 f., 451 f. – Kenntnis der Abstammung, Recht auf siehe Abstammung – Reformpläne zum Scheinvaterregress  234 ff. – Schadensersatz  1, 3, 64 ff., 76, 108, 244 ff. – Seitensprung siehe dort – Unterhaltsregress siehe dort Schenkungswiderruf  381 f., 382, 387 Schikane 413 Schlüsselgewalt  78, 262, 268, 272, 333, 345 ff., 357, 397, 442, 458, 459 – Gesamtschuldnerische Haftung  349 – Sinn und Zweck  345 ff. Schmerzensgeld  79, 80, 8122, 91, 105170, 206 – Angehörigenschmerzensgeld  309 ff., 396, 457 f., siehe dort – Schockschäden  296 ff., 395 f., siehe dort Schockschaden  78, 293, 2951054, 296 ff., 323, 332, 395 f., 400, 441, 455, 457 – Ersatzberechtigter Personenkreis  298 f. – Kausalität/Zurechenbarkeit  302 f., 457 – Kollisionsrecht 459 – Mitverschulden  303 ff. – Richterrechtliche Einschränkungen  297 ff., 457 – Schmerzensgeld  78, 296 ff. – Zurechnung, Verantwortlichkeit  303 ff. Schuld – als Rechtspflicht  10 f. – als Verbindlichkeit  7, 10 ff. – als Verschulden  10 – Haftung ohne S.  27 ff. – Schuld ohne Haftung  29 ff. – Schuld und Anspruch  7 ff.

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– Schuld und Haftung  7 ff. – Unvollkommene Verbindlichkeit siehe dort – Verhältnis zur Haftung  27 ff. Schuldbeitritt  34, 350 ff., 398, 458 Schuldnerverzug  18 ff., 70263, 136 – Mahnung 19 – Schuldnerverzug und Einrede  18 ff. – Verzugsschaden  136, 140 – Verzugszinsen  20 f., 25, 136 Schuldrecht – Anwendbarkeit auf familienrechtliche Verhältnisse  55 ff., 131 – Rücksichtnahmepflicht siehe Rücksichtnahmepflicht – Verhältnis zum Familienrecht  1, 4, 44 ff., 55 ff., 131 Schuldrechtsreform  32 f.111, 44162, 46, 48185, 50, 57, 65, 204667 Schuldübernahme  34, 350 ff. Schuldverhältnis – Definition 44 ff. – Einwirkungsmöglichkeiten, erhöhte  47, 50 f., 51 f., 53, 54, 72, 360, 370, 403 f. – Funktionen  48 ff. – Inhalt  7 ff., 44 ff. – Legitimation von Pflichten  49 ff. – Pflichten siehe dort – Schuldverhältnis im engeren Sinne  44 – Schuldverhältnis im weiteren Sinne  44, 45 ff. – Verteidigungsmöglichkeiten, eingeschränkte  51 f., 53, 54, 72, 360, 370, 403 f. – Vertrauensverhältnis  52 ff., 360, 403 Schutzpflichten siehe Pflichten Schwangerschaftsabbruch 150386 Seitensprung  1, 3, 195, 217 ff., 280, 451 f., 453 – Abstammungsrecht  217 ff. – Aufklärungspflichtverletzung  238 ff. – Auskunftsanspruch  222 ff. – Schadensersatz  244 ff. – Scheinvater siehe dort Selbstbestimmung/-srecht  121, 179, 187573, 211 ff., 214, 243 f., 259 f., 2951055, 310, 322, 406, 449 Selbsthilfe  16, 233

506

Sachregister

Selbstjustiz 15 Sicherungsabtretung 34 Sicherungsübereignung 34 Sitte  85 f.55, 114 f., 142354, 177, 180, 211703, 351 ff., 398, 450, 459 Sittenwidrigkeit  28, 77, 86, 95, 142, 161, 222748, 225766, 245, 260 f.909, 351 ff., 398 Solidarität, ausgenutzte familiäre  4, 78, 333, 350 ff., 398, 400, 442, 458 f. – Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften  354 f., 398, 458 f. – Erwirkung von Erfüllungshandlungen  356, 459 – Sittenwidrigkeit  351 ff., 398, 458 f. Sonderverbindung – Begriff  112 f. – Eheliche Lebensgemeinschaft  112 ff. – Elternschaft, gemeinsame  402 ff. – Nichteheliche Lebensgemeinschaft  360 ff. – Verhältnis zu Statusverhältnissen  132 f. – Verlöbnis  360 ff. „Sonstiges Recht“ siehe Absolut geschützte Rechte Sorgerecht siehe Elterliche Sorge Sorgfaltsmaßstab  50, 53 f., 59, 63, 68, 73, 76, 140, 269 f., 270, 275, 285, 292, 431 – Disponibilität  270 f. – Eigenübliche Sorgfalt  53, 267 f., 268, 270 ff., 274 ff., 284 f., 291 f., 37050, 41, 455 – Verkehrsübliche Sorgfalt  53, 59, 70, 9189, 146, 268, 271, 285, 374, 376, 431 Spiel und Wette siehe Unvollkommene Verbindlichkeit Standesamt  128, 160, 193 Status – Ehestatus  105 ff. – Formelles Statusrecht  126 ff., 128 ff. – „From status to contract“  124 – Materielles Statusrecht  126 ff., 130 ff. – Relevanz für die Haftung  132 f. – Statusbegriff  122 ff. – Statuskonzepte  122 ff. – Statusrecht  66 ff., 122, 126, 128 ff., 130 ff. – Statusverhältnis  69, 71 f. 270, 121 ff., 132 f., 173, 220, 302, 313, 327 f., 396, 397, 447, 457

Stillhalteabkommen siehe pactum de non petendo Straftat/-bestand  1, 104, 161443, 183, 354, 3551362, 398 Stundung  18, 20, 2582, 83 Tilgungsbestimmung  418 f., 420 Treu und Glauben  46179, 139338, 142 f., 200 636, 202, 210 697, 222, 354, 383, 388, 390, 392, 454 Umgangsbestimmungsrecht  402, 433 Umgangsrecht 43159, 60 ff., 399, 400 ff., 428 ff., 431 f., 432 f. – Absolut geschütztes „sonstiges Recht“ 6, 102, 399, 401 f., 403, 429 f., 432 – Biologischen Vaters, U. des  169, 399, 403 – Kostentragung  60, 412 – Pflichtrecht  406, 408 f. – Schutzzweck  429 f. – Umgangsrechtsentscheidung  61, 62229, 63232, 233, 403, 406, 409 – Umgangsrechtsvereinbarung 403 – Umgangsvereitelung, Haftung für  399, 400 ff. – Verfassungsrechtlicher Schutz  401 f. Unterhalt – Betreuungsunterhalt  221, 402, 407, 413 – Familienunterhalt  72, 133, 134 f., 138 f., 208, 264 f., 272, 347, 3491331, 40216 – Kindesunterhalt 8121, 225, 229, 231788, 235, 246, 247, 249, 415, 41786, 420, 422116, 423121, 425, 426, 444 – Lebensstandardgarantie 265 – Mindestunterhalt  84, 231 – Nachehelicher Unterhalt  1, 135, 136, 167 f., 239817, 245, 265925 – Unterhaltspflicht zwischen Ehegatten  133 ff. – Unterhaltsrechtsreform  2008 167 f. – Vergangenheit, Unterhalt für die  135, 221, 234 ff., 415 ff., 425, 426 Unterhaltsregress  76, 84, 217 ff., 244 ff., 415 – Kausalität  247 ff. – Legalzession  221 f., 231 – Reformpläne  234 ff.

Sachregister

– Regressvereitelung  246 f. Unterhaltsstatut  444, 460 Unterlassung  8, 9, 11, 45 f.175, 176, 58, 70263, 76, 80, 85, 87, 98, 107, 110206, 144, 146, 238815, 247 f., 259, 280, 3561367, 374, 403, 408 Unverbindliche Zusage  32 ff., 36, 40, 360, 365 Unvollkommene Verbindlichkeit  24, 30 ff. – Ehevermittlung  30, 32 f., 35 ff. – Kondiktion  31, 35 f. – Restschuldbefreiung  31 f. – Spiel und Wette  32 ff. – Unverbindliche Zusage  32 ff. – Verjährte Ansprüche  31 f. – Verlöbnis 36 Vaterschaftsanerkenntnis siehe Abstammung Vaterschaftsanfechtung siehe Abstammung Vaterschaftsfeststellung siehe Abstammung Vaterschaftstest siehe Abstammung/ Abstammungsgutachten Verantwortlichkeit  11, 12, 124, 146, 163459, 285, 2941052, 306, 307 ff., 338, 456 Verbotene Eigenmacht  16 Verbundenheit 269941, 299, 306, 431 – als Motiv für Haftungsübernahme  350 ff., 398, 458 f. – als Zurechnungsgrund  294 ff., 302 f., 306 f., 329, 455 ff. – Eheliche V. 185, 272 – Emotionale V. 302, 328, 329, 332, 350 ff., 395, 396, 397 ff., 455 ff. – Familiäre V. 4, 246, 294 ff., 309, 310, 313, 332, 350 ff., 395, 397, 455 ff. – Haftungsbegründende Wirkung  296 ff., 309 ff., 329 ff., 441 f., 455 Verfassungsrechtlicher Schutz der Ehe  5, 77, 86 f., 102 f., 121, 130, 154 ff., 263, 367, 449 – Abstandsgebot  166, 192596, 36742, 368 – Ausgestaltungsbedürftigkeit  154 ff., 172 ff. – Benachteiligungsverbot  158, 166

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– Ehe als Grundrecht  154 ff., 169 ff., 449 – Eheschließungsfreiheit  169, 173, 175, 363 f., 374 – Einrichtungsgarantie siehe Instituts­ garantie – Fördergebot  158, 166 – Freiheitsrecht  169 ff., 449 – Individuumsbezogenes Verständnis  162 ff., 190 ff., 449 – Inhaltsbestimmung 173 – Institutsgarantie  130 f., 155 f., 157 f., 158 ff., 170 ff., 174, 190 ff., 449 – Verantwortungsgemeinschaft 147, 154 f., 160, 171 ff., 185, 192 ff., 208, 2424, 267 – Wertentscheidende Grundsatznorm  157 f., 449 – Wesentliche Strukturprinzipien  155 f., 158 ff., 172 f., 190 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz  237, 238, 243, 250, 311, 452 Verjährung  17, 2059, 25, 2687, 30, 32, 38, 50, 69, 135, 136, 144, 153, 236, 250 f., 28383, 452 – Einrede, dauernde siehe dort – Frist  24, 38, 135, 250 f., 252, 38283, 452 – Hemmung 2583, 54, 136 – Höchstgrenzen  250 f. – Neubeginn 25 – Rechtsgrund zum Behaltendürfen  37 ff. Verlöbnis  359 ff., 392 ff., 397 ff. – Angehörigenschmerzensgeld 396 – Aufklärungspflicht  366 f., 453 – Aufwendungsersatz  376, 392 – Auskunftsverweigerungsrecht 3608, 369 – Beweislast  383 f. – Eidesverweigerungsrecht 3608, 369 – Ersatzpflicht bei Rücktritt  365, 370 ff., 442 ff., 453 f. – Gutachtenverweigerungsrecht 3608, 369 – Haftung kraft schutzwürdigen Vertrauens  6, 370 ff., 392 – Haftungsprivilegierung  369 f., 393 – Klagbarkeit 36 – Kollisionsrecht  442 ff.

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Sachregister

– Minderjährige  360 ff. – Mittelbarer Schaden  393 f. – Mitwirkendes Verschulden  394 – Nothilfeversuche  386 f., 458 – Rechtnatur  359, 360 ff. – Rettungsversuche  386 f. – Risikobereich/-haftung  376 ff., 379 f. – Rückgabe von Geschenken  381 ff., 444, 453 f. – Rücksichtnahmepflicht  365, 366 ff., 372, 375 f., 379, 453 f. – Scheitern der Beziehung  372 f. – Schockschaden  395 f. – Sonderverbindung, schuldrechtliche  359 ff. – Unverbindliche Zusage  32 ff., 360, 365 – Unvollkommene Verbindlichkeit siehe dort – Verlöbnisbruch  365, 441, 443 – Verlöbnisstatut  442 ff. – Verlobung  359 ff. – Verschulden 371, 373 ff., 379, 381 – Vertrauensverhältnis  360, 362, 366, 370 ff., 377, 379, 380, 387, 453 f. – Wichtiger Grund  371, 372 ff., 379 – Zeugnisverweigerungsrecht 3608, 363, 369 – Zuwendungen, Ausgleich für  381 ff., siehe dort Verrichtungsgehilfe  306, 436 Verschulden – Erfüllungsgehilfe siehe dort – Eigenübliche Sorgfalt siehe Sorgfaltsmaßstab – Verkehrsübliche Sorgfalt siehe Sorgfaltsmaßstab – Verrichtungsgehilfe siehe dort „Verschuldrechtlichung“ 2, 43, 58, 61, 63, 413 Versorgungsausgleich  87, 133, 135323, 136 f., 245, 253, 279 Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter  364, 43914 Vertrag zugunsten Dritter  364 Vertrag zulasten Dritter  284, 290 Vertragsauslegung, ergänzende  267 Vertragsstatut  435 ff. Vertragsstrafe  35, 82, 145, 263

Vertrauenshaftung  6, 49189, 58, 260, 362, 365, 366, 370 ff., 37975, 380 Vertrauensschaden  204, 213712, 371, 375 ff., 378, 380, 428 Vollstreckung siehe Zwangsvollstreckung Vorvertrag  363 f. Wegfall der Geschäftsgrundlage  255, 382 ff., 384 ff., 387 ff., 392, 444, 454 Wissensvertreter 228 Wohlverhaltenspflicht  399, 40845, 411, 413 Zerrüttungsprinzip 66245, 89, 92, 109, 120, 152 f., 189, 374 Zeugnisverweigerungsrecht 3608, 363, 369 Zugewinnausgleich  1, 75, 87, 133, 136, 138335, 192, 197, 253, 279, 345, 391 Zurechnung – fremden Verschuldens  78, 281 ff., 393, 456 f. – fremder Verantwortlichkeit  293 ff., 303 ff., 394, 456 f. Zurechnungseinheit  281 ff., 393, 456 Zurückbehaltungsrecht 1638, 34 Zuwendungen, Ausgleich für  381, 386 ff. – Briefe 386 – Dienstleistungen  383 ff. – Ehegatten  381, 385, 387 f., 390 – Fotographien 386 – Gemeinschaftsübersteigende Z.  390 ff. – Innengesellschaft  387, 390 f. – Nichteheliche Lebensgefährten  380, 387, 388 ff., 391127 – Schwiegereltern  381 f., 387 ff. – Unbenannte Z.  383 ff., 387 ff., 392, 454 – Verlobte  380, 381 ff., 387, 389 Zwangsgeld 14 Zwangshaft  13, 14 Zwangsmittel  3, 149, 247848, 450 Zwangsvollstreckung  3, 12, 1325, 15, 16, 24, 28, 30, 41 f., 75, 137, 146 f.370, 224, 257, 342, 405, 429 – Ausschluss der Z.  15, 62, 82, 88, 115, 132, 145, 153, 188, 224 f., 247848, 257, 263, 450 – Räumungsvollstreckung 368 – Testamentsvollstreckung 42

Sachregister

– Vollstreckungsbeschränkende Verträge 41 – Vollstreckungserweiternde Verträge  28

– Vollstreckungstitel  55, 409 – Vollstreckungsvereitelung 3561367

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