Den Wald entwickeln: Ein Politik- und Konfliktfeld in Hunsrück und Eifel im 18. Jahrhundert 9783486832204, 9783486565102

Der Umgang mit dem Wald im 18. Jahrhundert wird oft vereinfacht dargestellt: Es herrscht das Bild von Landesherren vor,

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Den Wald entwickeln: Ein Politik- und Konfliktfeld in Hunsrück und Eifel im 18. Jahrhundert
 9783486832204, 9783486565102

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Christoph Ernst Den Wald entwickeln

Ancien Regime Aufklärung und Revolution Herausgegeben von Rolf Reichardt und Hans-Ulrich Thamer Band 32

R. Oldenbourg Verlag München 2000

Den Wald entwickeln Ein Politik- und Konfliktfeld in Hunsrück und Eifel im 18. Jahrhundert

Von Christoph Ernst

R. Oldenbourg Verlag München 2000

Gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Nikolaus-Koch-Stiftung, Trier.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Ernst, Christoph: Den Wald entwickeln : ein Politik- und Konfliktfeld in Hunsrück und Eifel im 18. Jahrhundert / von Christoph Emst. - München : Oldenbourg, 2000 (Ancien Regime, Aufklärung und Revolution ; Bd. 32) Zugl.: Trier, Univ., Diss., 1999 ISBN 3-486-56510-9

© 2000 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Internet: http://www.oldenbourg-verlag.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Dieter Vollendorf Umschlagbild: Forsteinrichtungskarte des Gemeindewaldes Holzerath, 1790. Landeshauptarchiv Koblenz 702/314. Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht). Gesamtherstellung: Oldenbourg Graphische Betriebe Druckerei GmbH, München ISBN 3-486-56510-9

Inhalt Vorwort

IX

Λ. Einleitung

1

I.

Historische Wälder

II.

Forschungsstand und Profil der Untersuchung

III.

Waldtypen und Forschungsansatz

14

IV.

Anlage der Arbeit und Quellen

19

B. Grundlagen

1 5

22

I.

Naturräumliche Ausstattung

22

II.

Territorialpolitik, Verfassung und Verwaltung

25

III.

Bevölkerungsbewegungen

29

C. Ziele der Waldentwicklung

37

I.

Frühneuzeitliche Forstgesetze im Blickpunkt der Forschung..

37

II.

Forstgesetzgebung 1500-1800 1. Der Holzproduktionswald: „Schläge nicht lediglich der Natur überlassen" 2. Der Landwirtschaftswald: „Das ganze in seiner Wesenheit erhalten" 3. Der Jagdwald: „womit hernechts die Wildbahn ungestöhret bleibe" 4. Holz-, Weide- und Jagddelikte: Strafmaße und -verfolgungsvorschriften 5. Die Forstverwaltung: Aufgaben und Dienstanweisungen . . 6. Begründungsmuster in den Quellen

52

III.

Fazit

D. Praxis der Waldentwicklung I. Forstrechnungsserien als neuer Zugang II.

Der Holzproduktionswald 1. Die Implementierung der Schlagwirtschaft 2. Warum wurde die Schlagwirtschaft eingeführt? 3. Mengen- und Gelderträge der Schlagwirtschaft: eine nachhaltige Bewirtschaftung? 4. Stamm- und Holländerholz: Verkauf und Kunden

55 62 67 70 77 82 83 88 88 91 91 105 117 140

VI

Inhalt

III.

IV.

5. Gemeinden, Privatwaldbesitzer und Klöster als Holzproduzenten Der Landwirtschaftswald 1. Waldfeldbau, Düngersurrogate und die Degradierung der Böden 2. Viehzucht - auch eine Angelegenheit der Hofkammer . . . . Der Jagdwald 1. Die Jagd im frühneuzeitlichen Kurtrier 2. Der Wildbestand als Ergebnis der Jagdpolitik 3. Erträge und Aufwendungen 4. Wildschäden im Wald

144 156 156 160 166 166 170 175 176

V.

Strafgeldeinnahmen

178

VI.

Struktur der Forsteinnahmen 1. Obererzstift Trier 2. Kröver Reich

181 181 183

VII. Anteil der Forsteinnahmen an den Gesamteinnahmen 1. Einzelne kurtrierische Kellnereien bis 1759 2. Ober- und Niedererzstift Trier ab 1759 3. Hintere Grafschaft Sponheim VIII. Fazit

183 185 185 191 192

E. Kommunikation und Konflikt: Waldentwicklung in Kollegien, vor Gericht und vor Ort

197

I.

II.

Eine einheitliche Obrigkeit? Innerobrigkeitliche Interessengegensätze bei der Ausarbeitung des kurtrierischen Forstgesetzes 1768-1786 1. Akteure (Kurfürst, Regierung, Hofkammer, Forstamt, Landstände und Ritter), Zusammenspiel und Quellen 2. Der Holzproduktionswald 3. Der Landwirtschaftswald 4. Der Jagdwald 5. Die Strafverfolgung 6. Die Forstverwaltung 7. „In der Theorie aecht schön": eine wissenschaftliche Expertise zum Forstgesetz 8. Fazit Waldentwicklung vor Gericht: Widerstand in Beschwerden und Prozessen 1. Forschungsperspektive, Quellenkritik und Einführung . . . 2. Spannungen im Verhältnis der Waldnutzer

197 198 204 209 210 213 222 235 237 243 244 254

Inhalt

3. „Statt Unterthanen Holz zu pflanzen" oder: Wachsen Walrechte mit der Bevölkerungszahl? 4. Der Holzproduktionswald: Schlagwirtschaft - Wirkungen, Lösungen 5. Der Landwirtschaftswald: Advokaten, die „aus Mücken Elephanten schaffen"? 6. Der Jagdwald: Beschwerden über den „Holtz Verlust durch Saujagden" 7. Strafverfolgung und Prozeßgeschehen 8. Verwaltung und Eigentum als Streitpunkte 9. Zwischengemeindliche Konflikte: Wie tragfähig ist der Ansatz von Allmann? 10. Effekte, Taktik, Positionen 11. Fazit III.

Waldzustand und Holznotdebatte: zwischen Rhetorik und Realität 1. Die Holznot-Rhetorik 2. Die Holznot-Realität 3. Fazit

F. Schluß

VII

258 261 276 284 287 292 303 309 319 325 328 331 338 341

I.

Politik- und Konfliktfeld Waldentwicklung: Thesen und Perspektiven

341

II.

Umweltgeschichte, Umweltpolitik und die kulturellgesellschaftliche Konstruktion von Natur

348

G. Anhang

354

Verzeichnis der Tabellen und Figuren

354

Münzen, Waldflächen- und Holzmaße

357

Abkürzungsverzeichnis, Zitierweise

358

Übersichten

360

H. Quellen- und Literaturverzeichnis

370

I.

Quellen

370

II.

Literatur

370

Register

401

Personenregister

401

Ortsregister

403

Sachregister

406

Vorwort Der Fachbereich III der Universität Trier hat diese Arbeit im Sommersemester 1998 als Dissertation angenommen; die letzte Prüfung fand am 9.12.1998 statt. Für die Drucklegung habe ich lediglich einige Neuerscheinungen ergänzt. Ich verstehe meine Arbeit als Beitrag und Einladung zum Gespräch. Sie lebt aus zahlreichen Ideen und Anregungen, die ich selbst in Gesprächen erhielt. Die ersten führte mein Doktorvater, Prof. Dr. Wolfram Siemann (München) mit mir. Er verstand es, mein Interesse an Umweltgeschichte auf die Waldentwicklung zu lenken und mir in seinem Forschungsprojekt ein faszinierendes und vielgestaltiges Untersuchungsfeld zugänglich zu machen. Wer so frei forschen darf und dabei zugleich soviel Rückhalt und Bestätigung auf dem eigenen Weg erfährt, darf sich glücklich schätzen. Dafür sage ich Dank. Ich schließe darin die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) mit ein, die meine Stelle finanzierte und so ein optimales Umfeld schuf. Es war stets mein Ziel, dieser Chance mit meiner Arbeit gerecht zu werden. Gerne denke ich in diesem Zusammenhang an zahlreiche Gelegenheiten zum Austausch im Rahmen des Trierer Sonderforschungsbereichs (SFB) 235 zurück. Namentlich hervorheben möchte ich Prof. Dr. Helga Schnabel-Schüle (Trier), die freundlicherweise nicht nur das Zweitgutachten erstellte, sondern mich auch kompetent beriet, und Dr. Gisela Minn, die mir als Seele des SFB einige Wege ebnete, sowie Dipl.-Geogr. Kerstin Stelzer und Michael Grün, die sich um die Übersichtskarte verdient machten. Den Herausgebern, Hans-Ulrich Thamer (Münster) und Rolf Reichardt (Mainz), bin ich sehr verbunden für die Aufnahme meiner Studie in ihre Reihe. Cordula Hubert vom Oldenbourg Wissenschaftsverlag danke ich für den regen Austausch rund um ihre sorgfältige Lektoratsarbeit. Die DFG und die Nikolaus-Koch-Stiftung (Trier) förderten die Drucklegung großzügig. Vielen Dank! Während meiner Promotionszeit schenkten mir viele Freunde ihr Ohr, stellten anregende Fragen oder sorgten dafür, daß ich vor lauter Bäumen den Wald nicht aus den Augen verlor. Besonders denke ich dabei an diejenigen, denen die Mühen des Korrekturlesens trotz eigener Arbeiten nicht zu groß waren: Dr. Norbert Franz, Dr. Jan Heithecker, Gerd Modert, Dr. Uta Piereth, Dr. Wolfgang Piereth und Andreas Szelenyi. Es hat mich und meine Arbeit darüber hinaus sehr bereichert, in regionalen wie internationalen Arbeitskreisen mit Försterinnen und Förstern zusammentreffen und mich austauschen zu können. Danken möchte ich hier stellvertretend Forstdirektor a.D. Dr. Erich Bauer (Irrel) und Forstdirektor Götz Wagner (Neustadt). Letzterer bot mir auf zahlreichen Exkursionen und Forstamtsbesuchen einen lebendigeren Einblick in das Forstwesen „meiner" Wälder, als es Bücher je vermocht hätten.

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Vorwort

Ich freue mich, an dieser Stelle auch meinen Eltern, Helga und Christoph Ernst, danken zu können. Sie haben mir das Studium ermöglicht und meine Promotion mit regem Interesse und wohltuender Gelassenheit begleitet. Auch meine Großeltern, Lucia und Willi Richter, stärkten mich immer wieder durch ihre Anteilnahme. Miriam Schwörer schließlich gebührt der letzte und erste Dank: Sie hat mich geduldig und liebevoll unterstützt. Ohne meine Eltern, Großeltern und Miriam wäre mir die Arbeit schwerer gefallen - darum sei ihnen dieses Buch gewidmet. Heidelberg, im Mai 2000

Christoph Ernst

Α. Einleitung I. Historische Wälder Natur und Mensch beeinflussen den Wald. Wie sich seine Fläche, Vegetation und Fauna verändern, ist nicht nur von Standorteigenschaften wie Klima, Boden und Topographie abhängig, sondern auch von Maßnahmen des Menschen. Welche Gesichtspunkte gegenwärtig maßgeblich für die menschliche Einflußnahme auf den Wald sein sollen, ist eine politische Frage. In ihr kommen allgemeine kulturelle und gesellschaftliche Ansprüche an die Waldentwicklung zum Tragen. Dies galt auch in der Vergangenheit. So läßt sich an der historischen Waldentwicklung ablesen, wie der Wald kulturell und gesellschaftlich eingebunden war. Den „großen Zusammenhang der Geschichte", den das Thema Wald und Holz birgt, hat man bisher „nur wenig beachtet"; das „Wissen darüber, wie in früherer Zeit der Wald die menschliche Existenz prägte und wie er auf Beanspruchung durch den Menschen reagierte, ist noch sehr lückenhaft."1 Erforscht werden soll deshalb, wie Kultur und Gesellschaft in Kurtrier, im Kröver Reich und in der Hinteren Grafschaft Sponheim im 18. Jahrhundert die Waldentwicklung in Hunsrück und Eifel beeinflußten. Die aktive Rolle der menschlichen Einflußnahme auf die Waldentwicklung und die politische Dimension dieses Problemfeldes stehen im Mittelpunkt dieser Studie. Daher lautet ihr Titel: „Den Wald entwickeln".2 Die historische Einbindung des Waldes in Kultur und Gesellschaft unterscheidet sich erheblich von der heutigen. Deshalb gleicht der historische Wald dem heutigen Wald nicht. Gegenwärtige Waldbilder heben sich in Holzvorrat, Arten- und Alterszusammensetzung deutlich von vergangenen ab. Zu den zentralen Einsichten der jüngeren Forschung zählt es daher, daß nicht von „einem einzigen und zeitlich konstanten Begriff des Waldes ausgegangen werden" kann.3 Die Wandelbarkeit des Waldes in der Zeit aufgrund menschlicher Einflüsse macht die Erforschung der historischen Waldentwicklung zu einem lohnenden Untersuchungsobjekt der Geschichtswissenschaft. Die historischen Wälder waren nicht nur im Vergleich zu den heutigen anders beschaffen. Sie unterschieden sich auch untereinander. Denn die Menschen im 18. Jahrhundert stellten gleichzeitig drei ganz unterschiedliche An1

Joachim RADKAU; Ingrid SCHÄFER, Holz. Ein Naturstoff in der Technikgeschichte, Reinbek 1987, S. 16 (alle Zitate). 2 Unter Wald wird hier allgemein eine mit Holzpflanzen bestandene Fläche verstanden. 3 Christian PFISTER, Im Strom der Modernisierung. Bevölkerung, Wirtschaft und Umwelt im Kanton Bern 1700-1914, Bern, Stuttgart, Wien 1995, S. 312; das zitierte Kapitel verfaßte Martin Stuber.

2

Α. Einleitung

spräche an die Entwicklungspotentiale ihrer Wälder: Holzproduktion, Landwirtschaft und Jagd sollten im Wald möglich sein. Bei der Holzproduktion richtete sich das Augenmerk auf Nutz-, Kohl- und Brennholz. Nutzholz war unerläßlich, um daraus Häuser, Kirchen oder Verteidigungsanlagen zu errichten und Werkzeuge, Pflüge oder Fässer zu fertigen. Nutzholztauglich waren Stämme im Alter von mindestens 100 Jahren. Sollte das Holz im Weinbau zu Weinbergspfählen (Pfahlholz) dienen, konnte es auch jünger sein. Wie Kohl- und Brennholz gewann man es in 12-40jährigen Umtrieben.4 Scheite, also gespaltene Stammstücke, oder dickere Äste in handlicher Länge stapelten die Holzhauer zu Klaftern. Das war das Raummaß für Holz.5 Aus diesem zu Klaftern geschichteten Holz gewannen Köhler in Meilern Holzkohle. Deshalb hieß es auch Kohlholz. Die Holzkohle hatte bei gleichem Volumen einen deutlich höheren Brennwert als Rohholz und ließ sich besser transportieren. In Eisenwerken, Glasmanufakturen und anderen Gewerben erzeugte sie die nötige Prozeßwärme. Mit Brennholz feuerte man Herde zum Kochen oder Brotbacken und Öfen, um die Wohnräume zu heizen. Als Brennholz verwendete man das Klafterholz, das nicht zur Verkohlung bestimmt war. Auch Restholz, das beim Einschlag von Stämmen und Kohlholz anfiel, oder Fallholz, das ab und an von den Bäumen herunterbrach und dann aufgelesen wurde, diente als Brennmaterial.6 Holz war damit als Werk-, Rohund Brennstoff die Zentralressource der vorindustriellen Gesellschaft. Meist gab es keine Alternative zum Holz. Da es alle Menschen auf ihrem gesamten Lebensweg von der Wiege (aus Holz) bis zur Bahre (aus Holz) täglich begleitete, nahm die gesamte Kultur „ein ausgesprochen hölzernes Gepräge" an.7 Sie war eng mit dem Wald verflochten. Der Wald war zudem integraler Bestandteil der Landwirtschaft. Viehzucht und Ackerbau konnten nicht auskommen ohne den Wald, der den Weidetieren Nahrung bot und den Bauern erweiterte Anbauflächen. Anders als bei der Holzproduktion interessierten in der Landwirtschaft im Wald daher nicht so sehr die Stämme, jedoch nahezu alle anderen Waldobjekte: Bodenbewuchs und -auflage, Jungpflanzen, Blätter, Äste und Früchte. Beim Ackerbau im Wald 4

Umtrieb: Durchschnittlicher Zeitraum zwischen der Begründung (Anpflanzung oder Naturveijüngung) und der planmäßigen Ernte von Beständen; Rolf ZUNDEL, Einführung in die Forstwissenschaft, Stuttgart 1990, S. 347. 5 Ein Klafter entsprach in Kurtrier 5,8 Raummetern (rm; lrm = Im 3 ). Aus einem Baumstamm ließen sich 1 - 2 Klafter oder 6 - 1 2 rm gewinnen. 6 Die Biomasse in einem 120jährigen europäischen Laubmischwald verteilt sich zu 87% auf das Stammholz, zu 11% auf die Zweige sowie zu 2% auf Blätter und Unterwuchs; HansWilhelm WINDHORST, Geographie der Wald- und Forstwirtschaft, Stuttgart 1978, S. 31. 7 Werner SOMBART, Der moderne Kapitalismus. Historisch-systematische Darstellung des gesamteuropäischen Wirtschaftslebens von seinen Anfängen bis zur Gegenwart, 3 Bde., Bd. 2, Das europäische Wirtschaftsleben im Zeitalter des Frühkapitalismus, vornehmlich im 16., 17. und 18. Jahrhundert. Unveränderter Nachdruck der 2., neubearbeiteten Auflage, München, Leipzig 1916, München 1987, S. 1138.

3

I. Historische Wälder

wurde der Boden sogar direkt bebaut. Die Weide erstreckte sich je nach Topographie und Tierart über Frühjahr und Sommer (Tab. 1). Der Höhepunkt der Schweinemast lag im Herbst, wenn die Bäume Früchte trugen und die Schweine die Eicheln und Bucheckern fressen konnten. Der Ackerbau dauerte je nach Anbau vom Winter oder Frühjahr bis zur Ernte im Spätjahr. Diese vergleichsweise kurzen Zeiträume ermöglichten es, jährlich andere Flächen zu nutzen, wenngleich die Landwirtschaft in den Acker- oder Weidejahren die Räume großflächig beanspruchte und die Agrarnutzung ihren eigenen Fortbestand sicherte, indem eine andere Vegetation nicht aufkommen konnte. Doch der Wald war nicht nur Ressourcenlieferant, er war auch Lebensraum für Tiere. Die Jagd drehte sich um: Rot-, Reh-, Schwarz- und Federwild. Der Brunftzeit von Rehwild im Sommer schließt sich die des Rotwildes im Herbst an. Jeweils nach rund 40 bzw. 33 Wochen Tragezeit werden ein bis zwei Junge im Mai und Juni des folgenden Jahres geworfen. Die Rauschzeit (Brunft) der Wildschweine findet im Frühling und Winter statt. Nach rund 18 Wochen bringen sie vier bis zwölf Junge zur Welt. Feldhasen vermehren sich von Januar bis

Tab. 1: Holzproduktion,

Landwirtschaft

und Jagd im Wald im

Jahresverlauf

Aktivität

Details

Jan. Feb. Mrz. Apr. Mai Juni Juli Aug. Sep. Okt. Nov. Dez.

Holzproduktion

Kultur Einschlag Transport, Verkohlung Viehweide Schweinemast Ackerbau Fütterung Rotwildbrunft Wurfzeit Jagd Rehwildbrunft Wurfzeit Jagd SchwarzwildRauschzeit Wurfzeit Jagd Feldhasen

• ο ο • • • ο ο

Landwirtschaft

Jagd

ο ο

ο

• •

ο ο ο ο •

• • • • Ο ο

• •

· •ο ο • •

• • ο ·

• •

• • • •• · • • • • ο ο Ο ο • • • • • • · • • • • • Ο ο • • • • • • • • · • · = Hauptphase; Ο = Nebenphase, läuft an/aus. Die Jagdzeiten waren flexi-

Quelle und Erläuterung: · bel. Friedrich August Ludwig BURGSDORF, Forsthandbuch. Allgemeiner theoretisch-praktischer Lehrbegriff sämtlicher Försterwissenschaften, 2 Tie., Berlin 1788 (Frankfurt, Leipzig 3. Aufl. 1801), S. 751-782; Hans Dietrich von ZANTHIER, Forst-Calender, oder Verzeichniß der Verrichtungen, die einem Forstmanne in einem jeden Monat des Jahres vorzüglich obliegen, Leipzig 1772, S. 3-32; ZUNDEL, Forstwissenschaft, S. 139.

4

Α. Einleitung

September; nach sechs Wochen werfen sie drei bis viermal pro Jahr zwei bis vier Junge. Die Ernährung des Wildes gleicht der des Viehs: Rot-, Reh- und Schwarzwild äst Gras und junge Bäume. Das Wild schädigt dabei Bäume und Feldfrüchte. Die Jagdsaison zog sich über den ganzen Winter hin. Sie Schloß sich bei den einzelnen Wildarten der Fortpflanzungs- und Austragungszeit des Nachwuchses (Heg- und Setzzeit) an. Aufgrund des Jagdregals hatten die Landesherren das Recht zur Jagd und Wildhege in allen Wäldern inne, also auch in denen der Gemeinden. Das Jagdregal ist also ein Nutzungsrecht im Wald anderer Eigentümer. Insofern verhielt es sich komplementär zu den Holz- und Weide-Nutzungsrechten der Bevölkerung im landesherrlichen Wald. Die kulturellen und gesellschaftlichen Ansprüche an den Wald im 18. Jahrhundert - Holzproduktion, Landwirtschaft und Jagd - wirkten sich unterschiedlich auf die Waldbeschaffenheit aus: Der private und gewerbliche Holzbedarf beanspruchte die Wälder als Lieferant der in vorindustrieller Zeit alternativlosen Zentralressource. Sollten sie vor allem Pfahl-, Kohl- und Brennholz liefern, schlug man ihre Stämme spätestens nach 40 Jahren und erwartete aus den Stöcken neue Ausschläge. Daß die Bäume in diesen Wäldern nicht so hoch aufwuchsen, verlieh diesen Wäldern die Bezeichnung Niederwälder. Sie bildeten die Mehrzahl der Wälder, denn im Gegensatz zu heute dienten nur wenige Wälder ausschließlich der Nutzholzproduktion. Dann hießen sie aufgrund der ausgewachsenen Bäume, die aus Samen hervorgingen, Hochwälder. Üblich war eine Kombination aus Niederund Hochwald. Über einem dichten Unterwuchs, dem Niederwald, erhoben sich einige ältere Bäume. Diese Wälder hießen aufgrund ihrer doppelten Ausrichtung auf Brenn- und Nutzholz Mittelwälder. Wälder, in denen Vieh weidete oder deren Waldboden man auch ackerbaulich nutzte, enthielten aufgrund dieser spezifischen Nutzung deutlich weniger Holz. Meist standen dort nur vereinzelt ältere Bäume, damit viel Licht auf den Boden fallen konnte und Gras wuchs, das die Weidetiere nährte. Die Bäume waren vorzugsweise Eichen, deren Früchte der Schweinemast dienten. Wälder galten als bevorzugte Jagdreviere, wenn die Verantwortlichen die Rahmenbedingungen so beeinflussen konnten, daß sich viel Wild in ihnen aufhielt. Dafür mußte seine Nahrungsgrundlage sichergestellt werden. Ruhezonen in den Dickungen 8 sowie baumfreie Äsungsflächen waren für Rot-, Reh- und Schwarzwild wichtig, damit es sich ungestört und zahlreich vermehren konnte. Holzproduktion, Landwirtschaft und Jagd ließen sich also dort am besten verwirklichen, wo der Wald optimal auf die entsprechenden Nutzungsziele ausgerichtet war: Mehr Holz versprach das Areal, in dem die Bäume zahlreich stockten; eine bessere Viehweide bot der mit dichtem Gras bedeckte Waldboden; die Jagd endete gemeinhin glücklicher, wenn viel Wild im Wald stand.

8

Dickungen sind 30-60jährige Bestände; ZUNDEL, Forstwissenschaft,

S. 342.

II. Forschungsstand und Profil der Untersuchung

5

Diese Parameter - Baumbestand, Bodenbewuchs, Wilddichte - waren (und sind) beeinflußbar. An welchen Parametern sich die Waldentwicklung orientieren sollte, war eine politische Frage. Es waren nicht genügend Wälder vorhanden, um nebeneinander alle Ansprüche gleichzeitig realisieren zu können. Die Interessen ließen sich aber auch deshalb nicht alle gleichermaßen intensiv in ein und demselben Wald verwirklichen, weil die aus ihnen resultierenden Parameter sich vielfach ausschlossen: Wo Bäume dicht nebeneinander standen, konnten keine Viehherden weiden und die Jäger nicht ungehindert jagen; wo Vieh weidete, bedrohte es die Naturverjüngung der Bäume und fraß dem Wild die Nahrung weg; Hirsche, Rehböcke und Wildschweine schließlich hielten sich nur dort auf, wo Holzhauer und Hirten sie nicht störten. Die Ansprüche konkurrierten also miteinander. Zwischen Holzproduktion, Landwirtschaft und Jagd existierte ein Zielkonflikt. Aus diesem Zielkonflikt, welche Funktionen einzelne Wälder übernehmen sollten, entwickelte sich im 18. Jahrhundert ein eigenes Politik- und Konfliktfeld. Gemeinhin gab es keine Wälder, die sich ausschließlich an einem NutzungsParameter orientierten. Typisch für das gesamte 18. Jahrhundert ist vielmehr die gleichzeitige Realisierung aller drei Ansprüche. Entscheidend war hierbei, welcher Anspruch Vorrang vor den anderen genoß. Wo der Schwerpunkt der Waldentwicklung in einzelnen Wäldern lag, war das Resultat einer politischen Entscheidung, in die kulturelle und gesellschaftliche Ansprüche einflossen, und ihrer Verwirklichung im Rahmen der naturräumlichen Voraussetzungen. Zusammengefaßt stehen also zwei Probleme im Mittelpunkt dieser Studie: (1) Die kulturellen und gesellschaftlichen Ansprüche an die Waldentwicklung und ihre Verwirklichung. (2) Das Verhältnis zwischen diesen oftmals konkurrierenden Interessen und ihr Niederschlag als politische und rechtliche Frage.

II. Forschungsstand und Profil der Untersuchung Zwei Teilbereiche der historischen Disziplinen untersuchen das Waldwesen in der Vergangenheit: Forstgeschichte und Waldentwicklungsforschung. Als historische Waldentwicklungsforschung können Geschichtswissenschaft und Geographie hier erstmalig problemorientiert zusammengefaßt angesprochen und der Forstgeschichte gegenübergestellt werden. Denn die geschichtswissenschaftlichen und historisch-geographischen Fragestellungen und Methoden bei der Untersuchung der Geschichte des Waldes ähneln sich. 9 Die Waldentwicklungsforschung ist Teil der Umweltgeschichte. 10 9

Der Schwerpunkt der Geographie liegt dabei auf der Erfassung „räumlicher Strukturen und Prozesse"; Helmut JÄGER, Entwicklungsprobleme europäischer Kulturlandschaften.

6

Α. Einleitung Forstleute betreiben die Forstgeschichte an forstwissenschaftlichen Fakultä-

ten. Sie haben Holzproduktion, Landwirtschaft und Jagd in den historischen Wäldern seit jeher erforscht. Im Vordergrund ihres Interesses am Wald stand und steht: die Entwicklung der Fläche, des Eigentums, der Gesetzgebung, der Verwaltung, der Nutzung, schließlich die Waldbewirtschaftung und ihre wissenschaftliche Erforschung. 1 1 D i e forstgeschichtlichen Werke sehen sich dabei der Anforderung ausgesetzt, große Zeiträume überschaubar und daher notgedrungen hochverdichtet und verkürzt in großen Linien aufzeigen zu müssen. Das gilt etwa für die Lehrbücher des Faches Forstgeschichte im Rahmen der akademischen Ausbildung von Kurt Mantel und Karl Hasel. 1 2 Ältere, aber immer noch wertvolle Werke liegen von August Bernhardt und Adam Schwappach vor. 1 3 Regionale Besonderheiten, mit denen die Autoren mitunter aus der praktischen Tätigkeit i m Forstamt vertraut sind, und die Vielfalt historischer Entwicklungen lassen sich damit oft nur schwer in Einklang bringen. Für Hunsrück und Eifel einschlägig sind die forstgeschichtlichen Dissertationen von Erich Bauer und Werner Schwind. 1 4 D i e Forstgeschichte stellt auch wichtige Hilfsmittel bereit. 1 5

Eine Einführung, Darmstadt 1987, S. 3. Vgl. zur ähnlich gelagerten französischen Waldentwicklungsforschung: Andrde CORVOL, Connaite la foret: problemes et documents, in: ISTITUTO INTERNATIONALE, L'uomo e la foresta, S. 43-77. 10 Den neuesten Forschungsbericht in deutscher Sprache dazu verfaßte Joachim RADKAU, Technik- und Umweltgeschichte, Teil 1, in: GWU 48 (1997), S. 4 7 9 ^ 9 7 . 11 Leitfaden für die Bearbeitung von Regionalwaldgeschichten, Reviergeschichten und Bestandesgeschichten, hg. von IUFRO Subject Group S6.07, Unterausschuss Revier- und Bestandesgeschichte, Zürich 1973. Dies deckt freilich nur einen Teil forstgeschichtlicher Forschung ab. Neben diesem eher forstrechtsgeschichtlichen Zweig steht eine betriebsgeschichtliche Orientierung sowie eine ökonomisch-humanistische Konzeption mit forsttechnischen Bezügen. Vor allem die beiden letzten Richtungen sind eng mit der gegenwärtigen Forstwirtschaft verbunden und forstintern zu verhandeln; Heinrich RUBNER, Die geschichtliche Methode in der Forstwirtschaft und das Dilemma der Forstgeschichte, in: Forstarchiv 58 (1987), S. 72-74. Vgl. dazu ferner Paul KIRSCHFELD, Die Waldgeschichte als eine der Grundlagen forstwirtschaftlicher Planung, in: Allgemeine Forstzeitschrift 13 (1958), S. 747-750. 12 Kurt MANTEL, Wald und Forst in der Geschichte. Ein Lehr- und Handbuch. Mit einem Vorwort von Helmut Brandl, Alfeld, Hannover 1990; Karl HASEL, Forstgeschichte. Ein Grundriß für Studium und Praxis, Hamburg, Berlin 1985. 13 August BERNHARDT, Geschichte des Waldeigentums, der Waldwirtschaft und Forstwissenschaft in Deutschland, 3 Bde., Berlin 1 8 7 2 - 7 5 , N D Aalen 1 9 6 6 ; Adam SCHWAPPACH, Handbuch der Forst- und Jagdgeschichte Deutschlands, 2 Bde., Berlin 1 8 8 6 - 1 8 8 8 ( 2 . Aufl.

1908). 14

Erich BAUER, Der Soonwald im Hunsrück. Forstgeschichte eines deutschen Waldgebietes, Diss, nw.-math. Freiburg 1 9 6 2 ; Werner SCHWIND, Der Wald der Vulkaneifel in Geschichte und Gegenwart, Diss, nw.-math. masch. Göttingen 1983. 15 Erich BAUER, Der Wald im Blickpunkt der Heimatgeschichte. Hinweise zur Erfassung wald- und forstgeschichtlicher Quellen im Trierer Raum, in: Mitteilungen zur trierischen Landesgeschichte und Volkskunde 3 (1958), S. 182-190; Kurt KEHR, Die Fachsprache des Forstwesens im 18. Jahrhundert. Eine wort- und sachgeschichtliche Untersuchung zur Ter-

II. Forschungsstand und Profil der Untersuchung

7

Joachim Radkau zählt mit seinen zahlreichen Impulsen zu den maßgeblichen Vertretern in der Geschichtswissenschaft. 16 Joachim Allmann und Bernward Seiter fertigten Doktorarbeiten über die Waldentwicklung in der Pfalz und dem Sauerland.17 Der Kulturgeograph Winfried Schenk veröffentlichte jüngst seine Habilitationsschrift über die Wälder in Nordhessen und Mainfranken. 18 Die hier vorgelegte Arbeit entstand im Rahmen eines Forschungsprojektes. 19 Drei methodische und drei inhaltliche Anliegen kennzeichnen ihr spezifiminologie der deutschen Forstwirtschaft, Gießen 1964. Vgl. auch die Sammelbesprechungen internationaler forstgeschichtlicher Literatur von Heinrich RUBNER, in: VSWG 56 ( 1 9 6 9 ) , S . 1 2 1 - 1 2 6 u n d S . 3 7 3 - 3 8 0 ; VSWG

6 2 ( 1 9 7 5 ) , S. 2 4 3 - 2 5 7 , VSWG

68 (1981),

S. 232-244, VSWG 78 (1991), S. 200-213. Der Autor plant die nächste Übersicht in einigen Jahren. 16 Seine Veröffentlichungen hängen auch mit einem von ihm geleiteten Forschungsprojekt zusammen; vgl. Siegfried MENZE, Technikhistorische Erklärungen aus der „Innenwelt" vorindustrieller Regionen. Zur Konzeption eines Forschungsprojektes zum Zusammenhang von Holzverknappung und technologischer Entwicklung in verschiedenen „holzfressenden" Gewerben, in: Scripta Mercaturae 17 (1983), S. 41—44. 17 Joachim ALLMANN, Der Wald in der frühen Neuzeit. Eine mentalitäts- und sozialgeschichtliche Untersuchung am Beispiel des Pfälzer Raumes 1500-1800, Diss. phil. Berlin 1989; Bernward SELTER, Waldnutzung und ländliche Gesellschaft. Landwirtschaftlicher ,Nährwald' und neue Holzökonomie im Sauerland des 18. und 19. Jahrhunderts, Paderborn 1995. 18

Winfried SCHENK, Waldnutzung, Waldzustand und regionale Entwicklung in vorindustrieller Zeit im mittleren Deutschland. Historisch-geographische Beiträge zur Erforschung von Kulturlandschaften in Mainfranken und Nordhessen, Stuttgart 1996. Nach Abschluß des Manuskripts erschien: Stefan von BELOW; Stefan BREIT, Wald-von der Gottesgabe zum Privateigentum. Gerichtliche Konflikte zwischen Landesherren und Untertanen um den Wald in der frühen Neuzeit, Stuttgart 1998. 19 Es wurde geleitet von Prof. Dr. Wolfram Siemann. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft förderte es als Teilprojekt C8 des Sonderforschungsbereichs 235 „Zwischen Maas und Rhein: Beziehungen, Begegnungen und Konflikte in einem europäischen Kernraum von der Spätantike bis ins 19. Jahrhundert" vom 01. 01. 1994 bis 31. 12. 1996 an der Universität Trier unter dem Titel „Schutz der Wälder - Freiheit des Eigentums. Frühe Formen der Umweltpolitik zwischen Maas und Rhein 1750-1850". Seit 01. 01. 1997 und auch nach 2000 wird es als DFG-Einzelprojekt an der Ludwig-Maximilians-Universität München fortgeführt. Bisher entstanden folgende Arbeiten: Christoph ERNST, Ein neuer Umgang mit Natur? Der Kondelwald im 18. Jahrhundert, Magisterarbeit masch. (Prof. Dr. Wolfram Siemann), Trier WS 1993/94; DERS., Ein neuer Umgang mit Natur? Der Kondelwald im 18. Jahrhundert, in: Klaus FRECKMANN (Hg.), Sobernheimer Gespräche III. Das Land an der Mosel Kultur und Struktur, Köln 1995, S. 21-32; DERS.; Norbert FRANZ, Waldreformen im 18. Jahrhundert. Die Anfänge der nachhaltigen Forstwirtschaft im .Baumbusch, und im .Kondelwald' im überregionalen Vergleich, in: Aufklärung 9 (1996), S. 47-73; DERS., An ecological revolution? The .SchlagWaldwirtschaft' in western Germany in the eighteenth and nineteenth centuries, in: Charles WATKINS (ed.), European Woods and Forests: Studies in Cultural History, Oxford 1998, S. 83-92; Norbert FRANZ, Der Luxemburger „Baumbusch" im 18. Jahrhundert. Das Beispiel einer städtischen Forstverwaltung, in: ERNST, GREWE; KUNTZ, Beiträge zur Umweltgeschichte I, S. 27-35; DERS., Vom frühneuzeitlichen Gemeindewald zum Försterwald des Industriezeitalters: Der Luxemburger „Baumbusch"

8

Α. Einleitung

sches, in Auseinandersetzung mit dem Forschungsstand in Forstgeschichte, Waldentwicklungsforschung und Allgemeiner Geschichte erarbeitetes Profil. Zu den methodischen Kennzeichen: (1) Als Maßstab für die historische Bewertung gilt Forsthistorikern vielfach die heutige Waldbeschaffenheit mit ihrer vergleichsweise einseitigen Orientierung an der Holzproduktion. Insgesamt tendieren die Vertreter der Forstgeschichte dazu, die historische Entwicklung der Forstpolitik auf dieses Ziel hin darzulegen und damit die Tätigkeit ihrer Kollegen, der Förster, zu legitimieren. Die Forstgeschichte schildert die Entwicklung der historischen Wälder zu den Wäldern, wie sie heute vorherrschen, als positive Erfolgsgeschichte eines bis heute in Deutschland einflußreichen Beamtenstandes. Dabei dominierten die Untersuchung der Staatswälder und eine staatliche Sicht auf die historischen Probleme.20 Der Begriff „Forst"-Geschichte verkörpert strenggenommen diese Ausrichtung. Forst drückt als Rechtsterminus seit dem Mittelalter den landesherrlichen Anspruch auf ein Waldgebiet aus. Demgegenüber berücksichtigt die hier vorgelegte Studie neben den landesherrlichen Wäldern auch die der Gemeinden und zielt darauf ab, die Entwicklung nicht von heutiger Warte zu beurteilen, sondern die unterschiedlichen Bewertungsmaßstäbe der Zeitgenossen

1767 bis 1880, in: Uber amicorum necnon et amicarum Alfred Heit: Kleine Beiträge zur mittelalterlichen Geschichte und geschichtlichen Landeskunde, Trier 1996, S. 3 0 9 - 3 2 4 ; Thomas GÖTZ, Der Staat im Wald. Forstpersonal und Forstausbildung im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts aus umweltgeschichtlicher Perspektive. Das Beispiel des Rheinkreises, in: ERNST; GREWE; KUNTZ, Beiträge

zur

Umweltgeschichte

I, S. 3 6 - 7 7 ; B e r n d - S t e f a n GREWE,

Der „Waldwächterstaat". Preußische Forstpolitik in der Rheinprovinz 1814-1847, Magisterarbeit masch. (Prof. Dr. Wolfram Siemann, Prof. Dr. Klaus Gerteis), Trier SoSe 1994; DERS., Der Waldwächterstaat. Preußische Forstpolitik in der Rheinprovinz 1814-1847, in: LVBll 41 (1995) H. 3, S. 105-120; DERS., „Darum treibt hier Not und Verzweiflung zum Holzfrevel". Ein Beitrag zur Sozial-, Wirtschafts- und Umweltgeschichte der Pfalz 1816-1860, in: Mitteilungen des Historischen Vereins der Pfalz 94 (1996), S. 2 7 1 - 2 9 5 ; Gerd MODERT, Ein Naturraum und seine kulturelle Formung durch die Interessen von Eigentümern und Nutzern. Der Wald im großherzoglich-oldenburgischen Fürstentum Birkenfeld im 19. Jahrhundert, Examensarbeit masch. (Prof. Dr. Wolfram Siemann; Prof. Dr. Helga Schnabel-Schüle), Trier W S 1996/97; DERS., Der Weg des Landbaus in die Wissenschaft, in: ERNST; GREWE; KUNTZ, Beiträge

zur

Umweltgeschichte

I, S . 7 8 - 8 3 ; T h o m a s SCHMEHRER,

Geographische und historische Perspektiven des Kulturlandschaftswandels am Beispiel des Triftwesens in der bayerischen Pfalz 1816-1860, Examensarbeit masch. (Prof. Dr. Wolfram Siemann, Prof. Dr. Walter Sperling, Geographie), Trier W S 1995/96, erschienen in: Mitteilungen der Landesforstverwaltung Rheinland-Pfalz 15 (1998), S. 1-119; DERS., Die Auswirkungen des pfälzischen Triftwesens auf die Kulturlandschaft des Pfälzerwaldes in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: ERNST; MODERT; KUNTZ, Beiträge zur Umweltgeschichte IL, S. 8 3 - 9 7 ; Ilona WIEMER, Der Meulenwald bei Trier in französischer Zeit (1794-1813), Examensarbeit masch. (Prof. Dr. Wolfram Siemann, Prof. Dr. Helga Schnabel-Schüle), Trier W S 1996/97; DIES., Der Meulenwald bei Trier in französischer Zeit (1794-1813), in: Klaus FRECKMANN ( H g . ) , Sobemheimer 20

Gespräche

IV ( i n V o r b e r e i t u n g ) .

Dies räumt auch von forstgeschichtlicher Seite ein Heinrich RUBNER, Brauchen wir eine neue Forstgeschichte?, in: Forstarchiv 57 (1986), S. 2 9 - 3 1 , 31.

II. Forschungsstand und Profil der Untersuchung

9

offenzulegen. 21 Frei von aktuellen, wandelbaren Maßstäben für optimale Waldbeschaffenheit zu forschen fällt hier auch deswegen leichter, weil die Arbeit gerade nicht institutionell und inhaltlich in die gegenwärtige Forstwirtschaft eingebunden ist. Es ist also nicht nur ein Nachteil, der den Waldentwicklungsforscher zwingt, sich in ein zunächst fremdes Spezialgebiet einzuarbeiten, sondern auch ein Vorteil. Genausowenig kann es dieser Untersuchung aber darum gehen, mit heutigen ökologischen Kenntnissen bäuerliche Waldnutzungsweisen - in gewisser Weise als Kontrapunkt zur staatlichen Forstpolitik zu skizzieren und dadurch die methodische Schieflage der Forstgeschichte nur mit anderen Vorzeichen zu wiederholen. 22 Es ist nicht die Aufgabe der historischen Forschung, ökologische Bewertungskriterien für Wälder zu erarbeiten und damit zu fragen, „how to define a good forest", wie es Joachim Radkau vorschlägt. 23 Denn auch naturwissenschaftliche Erkenntnisse sind perspektivenabhängig, methodenbedingt und infolgedessen schon innerhalb der Naturwissenschaften keineswegs unumstritten. 24 (2) Forstgeschichtliche Befunde beruhen vielfach auf einer nach geschichtswissenschaftlichen Standards unzureichenden Quellenkritik. Aussagen über den Waldzustand oder über eine Mangelsituation beim Holz zweifeln Waldentwicklungsforscher deshalb methodisch an, vor allem wenn sie aus Forstgesetzen gewonnen werden. 25 Daß es sich zunächst um eine methodische Kritik der Ergebnisse handelt, ist Forsthistorikern bisher noch nicht deutlich genug

21

Der Vorwurf rückschauender Bewertung anhand aktueller Maßstäbe greift damit hier nicht; erhoben hat ihn gegenüber der Umweltgeschichte Rolf Peter SIEFERLE, Die Grenzen der Umweltgeschichte, in: GAIA 2 (1993), S. 8-21, 9. 22 Rolf-Jürgen GLEITSMANN, Die Haubergwirtschaft des Siegerlandes als Beispiel für ressourcenschonende Kreislaufwirtschaft, in: Scripta Mercaturae 16 (1982), S. 21-54. Kritik daran auch bei: Winfried SCHENK, Forest Development Types in Central Germany in Pre-Industrial Times. A Contribution by Historical Geography to the Solution of a Forest History Research Argument about the „Wood Scarcity" in the 18th Century, in: ISTITUTO INTERNAZIONALE, L'uomo e la foresta, S. 201-223, 204; Bemward SELTER, Forstgeschichte und Umweltgeschichte in Westfalen: Definitionen und Konzepte, Forschungsstand und Aufgaben, in: Westfälische Forschungen 46 (1996), S. 547-603, 581. 23 Joachim RADKAU, Wood and Forestry in German History: In Quest of an Environmental Approach, in: EH 2 (1996), S. 63-76, 65. 24 Vgl. dazu etwa die Positionen von Wolfgang SCHERZINGER, Naturschutz im Wald. Qualitätsziele einer dynamischen Waldentwicklung, Stuttgart 1996 und Wilhelm BODE, Naturnahe Waldwirtschaft. Prozeßschutz oder biologische Nachhaltigkeit? Holm 1997; Wilhelm BODE, Jagdwende. Vom Edelhobby zum ökologischen Handwerk, München 1998. 15 Joachim RADKAU, Holzverknappung und Krisenbewußtsein im 18. Jahrhundert, in: GG 9 (1983), S. 513-543; DERS., Zur angeblichen Energiekrise des 18. Jahrhunderts: Revisionistische Betrachtungen über die „Holznot", in: VSWG 73 (1986), S. 1-37; DERS., Das Rätsel der städtischen Brennholzversorgung im „hölzernen Zeitalter", in: Dieter SCHOTT (Hg.), Energie und Stadt in Europa. Von der vorindustriellen ,Holznot' bis zur Ölkrise der 1970er Jahre. Beiträge auf der 3. Internationalen Stadtgeschichts-Konferenz in Budapest 1996, Stuttgart 1 9 9 7 , S . 4 3 - 7 5 ; ALLMANN, Wald,

S. 4 3 .

10

Α. Einleitung

geworden. Diese Untersuchung will daher die Notwendigkeit der Quellenkritik weiter verdeutlichen. (3) Die Quellenkritik beförderte die Suche nach Quellengattungen, die bislang nicht oder nicht in größerem Umfang herangezogen wurden. Dabei konnte Winfried Schenk zeigen, wie ertragreich es ist, zwei Quellengattungen einander kontrastiv gegenüberzustellen. Forstrechnungen zeigten so die Wirksamkeit von Forstgesetzen an und vermittelten ein zutreffenderes Gesamtbild vor allem über die Praxis der Waldnutzung.26 Charakteristische Blindflecke, die jeder Quellentyp aufweist, lassen sich so ausleuchten. Die vorliegende Arbeit baut dieses quellenkontrastive Verfahren stark aus, indem sie sich auf sechs Quellengattungen stützt: Forstgesetze, deren Entstehungsdokumente, Forstpublizistik, Forstrechnungen, Gerichtsakten und Waldstatistiken oder -karten. Forstrechnungen berücksichtigte die Forschung bisher nur vereinzelt, Entstehungsdokumente von Gesetzen und Prozeßakten so gut wie gar nicht. Die gattungsspezifischen Perspektiven und Inhalte einzelner Quellen lassen sich im Kontrast zueinander wechselseitig überprüfen. Dadurch steigt die Absicherung der Befunde, und es eröffnen sich völlig neue Perspektiven. Diese drei methodischen Orientierungen innerhalb der Forstgeschichte und Waldentwicklungsforschung - Bewertungsmaßstab, Quellenkritik, Quellenkontrast - hängen eng mit der bisherigen inhaltlichen Erörterung der Probleme zusammen. In Auseinandersetzung mit dem Forschungsstand lassen sich drei inhaltliche Kennzeichen der hier vorgelegten Studie charakterisieren: (1) Die Forstgeschichte hat sich durch ihren Bewertungsmaßstab und eine unzureichende Quellenkritik überwiegend mit den Forstbetriebsarten der geregelten Forstwirtschaft befaßt. Analog zur gegenwärtigen Forstwissenschaft dominiert so in den Darstellungen die historische Holzproduktion - und damit die Geschichte des eigenen Faches. Aus diesem Erkenntnisinteresse heraus behandeln Forsthistoriker die Landwirtschaft im Wald einseitig als eine die Holzzucht schädigende Nebennutzung. Wie sie durch die Forstleute bis ins frühe 20. Jahrhundert aus den Wäldern verdrängt wurde, legitimiert die Forstgeschichtsschreibung damit nachträglich. Vergleichsweise unkritisch, oftmals ebenso deskriptiv wie apologetisch schildern forstgeschichtliche Werke die Jagd. Daß sie eine große Bürde nicht nur für die Landwirtschaft, sondern auch für die Holzproduktion war, verschweigen die Werke fast gänzlich. Warum das wider besseres Wissen - der Wildschaden im Wald dürfte zu den größten Herausforderungen der heutigen Forstwirtschaft zählen - geschieht, darüber läßt sich nur spekulieren. Im Untersuchungsgebiet selbst umriß der Mediziner Fritz Michel die kurtrierische Waldgeschichte in einer wertvollen, personen- und verwaltungsgeschichtlich orientierten Arbeit; der Forsthistoriker Erich Bauer skizzierte sie im Kröver Reich.27 26 27

SCHENK, Waldnutzung, Waldzustand und regionale Entwicklung, S. 8 3 - 9 1 . Fritz MICHEL, Forst und Jagd im alten Erzstift Trier, Trier 1958; Erich BAUER; Heinz

II. Forschungsstand und Profil der Untersuchung

11

Die Waldentwicklungsforscher Radkau, Allmann, Seiter und Schenk vermochten diese Schieflage der forstgeschichtlichen Interpretation deutlich zu korrigieren. Sie stellten die bäuerliche Waldwirtschaft der landesherrlichen als gleichwertig gegenüber. Seiter hat damit zugleich die Waldentwicklung mit der Agrargeschichte verknüpft und so eine erhebliche Lücke geschlossen. Vorher war es in Forst- und Agrargeschichte üblich, die spätere Desintegration von Wald und Acker in die Vergangenheit zurückzuverlängern - und so am historischen Zusammenhang beider Bereiche vorbeizuforschen. Doch die Werke der vier Autoren berücksichtigen die Jagd nicht ausreichend. Seiter behandelt sie gar nicht, Schenk nur für das 16. Jahrhundert, und Allmann sieht in der Jagd nur herrschaftliche Praxis und Nachteile für die Bauern. Der Funktionszusammenhang der Jagd und ihr Konkurrenzverhältnis zu Holzproduktion und Landwirtschaft werden daher insgesamt nur ungenügend erfaßt. Trotz der ausgezeichneten, immer noch elementaren Untersuchung von Hans Wilhelm Eckardt ist es daher richtig, daß die Effekte der Jagd „largely unanswered" sind.28 Die hier vorgelegte Arbeit integriert deshalb Holzproduktion, Landwirtschaft sowie Jagd und behandelt ihr harmonierendes und konkurrierendes Neben- und Miteinander. Mit ihrem integrativen, bewertungsfreien Ansatz versucht sie, den historischen Verhältnissen in der Waldentwicklung gerecht zu werden. Erstmalig lotet die vorliegende Arbeit dadurch auch die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Dimensionen der im 18. Jahrhundert eingeführten Schlagwirtschaft aus. Dieses Verfahren der Holzproduktion mit seinen großflächigen Abholzungen herrschte bis in die jüngste Zeit vor. Die Einführung der Schlagwirtschaft im 18. Jahrhundert war eng mit der Debatte um die Nachhaltigkeit der Holzversorgung verbunden. (2) Bei der Integration der historischen Aktivitäten im Wald ist die Sicht auf die Beteiligten entscheidend. Die Forstgeschichte hat aufgrund ihrer vorwiegend staatlichen Perspektive, die sie in den Forstgesetzen bestätigt fand, die positiv konnotierte Holzproduktion allein den Landesherren zugeordnet. Die Landwirtschaft im Wald setzte sie als Gegenpol mit den Bauern gleich - und wertete damit deren Bestrebungen im Wald zugleich ab. Der bäuerlichen Waldzerstörung stellte sie die nachhaltige, geregelte staatliche Forstwirtschaft gegenüber. Wie bereits angeklungen, hat die Waldentwicklungsforschung der bäuerlichen Waldwirtschaft zu ihrem Eigenwert verholfen, wenngleich das

STRELETZKI, Untersuchungen zur forstgeschichtlichen Entwicklung des Kondelwaldes im Bezirk Trier unter besonderer Berücksichtigung der Röderwirtschaft, in: AFJZ 131 (1960), S. 193-203. Vgl. auch Ralf GRABER, Die Forstpolitik Kurtriers vom 16.-18. Jahrhundert unter besonderer Berücksichtigung der Waldschutzpolitik, Magisterarbeit masch. (Prof. Dr. Franz Irsigler), Trier WS 1989/90. Der Stand der allgemeinhistorischen Forschung zu den betreffenden Gebieten ist bescheiden. 28 Hans Wilhelm ECKARDT, Herrschaftliche Jagd, bäuerliche Not und bürgerliche Kritik. Zur Geschichte der fürstlichen und adligen Jagdprivilegien vornehmlich im südwestdeutschen Raum, Göttingen 1976; RADKAU, Wood and Forestry, S. 65 (Zitat).

12

Α. Einleitung

Pendel durchaus auch einmal zu stark in Richtung einer positiven Einschätzung ausschlug, als das Korrekturbedürfnis am verzerrten Bild, das die Forstgeschichte zeichnete, am größten war. 29 Trotz dieser Revision fehlt es immer noch an einer zentralen Quellengattung, um die Frage nach der bäuerlichen Waldwirtschaft umfassend zu beantworten. Werner Trossbach hat im Rahmen der bäuerlichen Widerstandsforschung Gerichtsprozesse vor Reichsgerichten ausgewertet. 30 Diesen Ansatz greift die vorliegende Arbeit auf und macht so einen systematischen Anfang zu diesem audiatur et altera pars auch in der Waldentwicklungsforschung. Mit der detaillierten Analyse von Prozeßakten von Territorialgerichten verhilft sie der ländlichen Bevölkerung, immerhin der großen Mehrheit der Waldnutzer, zu Stimme und Gewicht in der Forschung. Das klassische Bild der Forstgeschichte - bäuerliche Waldzerstörung versus staatliche nachhaltige Forstwirtschaft - wird so überprüft. Die Auswertung dieses neuen Quellentyps im Konnex zu historischen Wäldern führt zu einem auch allgemeinhistorisch bedeutsamen neuen Interpretationsansatz: Es ist sehr wichtig, daß die Waldentwicklungsforschung zwar die Vorzeichen, welche die Forstgeschichte für die Waldnutzer vergeben hatte, erfolgreich bezweifeln und differenzierter sehen kann. Doch dabei übernimmt sie unhinterfragt die Dichotomie zwischen Obrigkeit und Untertanen, mit der die Forstgeschichte arbeitet. Überdeutlich wird dies bei Allmann, den sein mentalitätsgeschichtlicher Ansatz darin zusätzlich bestärkt. 31 Aber auch Radkau, Seiter und Schenk konzipieren ihre Arbeiten auf der Grundlage dieses Gegensatzes und der fast schon als naturgegeben anmutenden Gleichsetzung von Landesherren mit Holzproduktion und Bauern mit Landwirtschaft: Die Waldentwicklungsforscher halten sich damit weiter in dem klassischen Denkgebäude auf. Die generelle Opposition zwischen Herrschern und Beherrschten ist zwar ein Bild, das die bisher ausgewerteten Quellentypen und insbesondere ihre Provenienz nahelegen. Aber vielleicht trifft es ja gar nicht den Kern des Problems, vielleicht verblaßt es durch die Prozeßakten und das Verfahren des Quellenkontrastes? Und vielleicht verdeckt es sogar bestimmte Dimensionen der Waldentwicklung? (3) Diese zumeist aus dem engeren Waldzusammenhang weisenden Dimensionen lassen sich nur erörtern, wenn die Forstgeschichte in die allgemeine Geschichte eingebettet wird. 32 Dies erkennen auch Forsthistoriker an; Karl Hasel

29

Dies gilt für ALLMANN, Wald. Er hat diese leicht überzogenen Interpretationen unterdessen abgemildert; vgl. Joachim ALLMANN, Mentalitäts- und sozialgeschichtliche Aspekte des Waldwesens in der Pfalz 1500-1800, in: ERNST; MODERT; KUNTZ, Beiträge zur Umweltgeschickte II, S. 55-60. 30 Werner TROSSBACH, Der Schatten der Aufklärung. Bauern, Bürger und llluminaten in der Grafschaft Wied-Neuwied, Fulda 1991. 31 Arthur E. IMHOF, Die verlorenen Welten. Alltagsbewältigung durch unsere Vorfahren und weshalb wir uns heute so schwer damit tun, München 1984 (2. Aufl. 1985). 32 Vgl. dazu Wolfram SIEMANN, Vom Staatenbund zum Nationalstaat. Deutschland 1806-1871, München 1995, S. 131-139, 144-147; Christof DIPPER, Deutsche Geschichte

II. Forschungsstand und Profil der Untersuchung

13

hebt hervor, daß die Forstgeschichte „völlig den Anschluß verloren [hat], nicht nur an die allgemeine (politische) Geschichte, sondern auch an die seither reich entfaltete Siedlungs-, Wirtschafts-, Sozial-, Rechts-, Agrar- und Verwaltungsgeschichte". 33 Die Waldentwicklungsforschung hat hier - durch ihre Herkunft aus Geschichtswissenschaft und Geographie dazu prädestiniert - angesetzt. Neben der bereits erwähnten mentalitäts- und agrargeschichtlichen Ausweitung der Forstgeschichte von Allmann und Seiter banden Radkau und Schenk den Wald in die Technikhistorie und die Erforschung der regionalen Wirtschaftsentwicklung ein. Für den Hunsrück ist hier die wirtschaftsgeschichtliche Studie von Hermann Josef Braun zu nennen. 34 Ihre hohe Qualität erlaubt es, die Waldentwicklung direkt mit dem größten regionalen Holznachfrager, dem Eisenhüttenwesen, zu verbinden - bislang ein fehlendes Glied zwischen beiden Forschungszweigen. Unverbunden stehen bis heute auch die Diskussionen in der Rechtsgeschichte neben denen der Forstgeschichte. Beide Forschungsbereiche können aber von einer gemeinsamen Erörterung der Forstgesetze und Prozeßakten profitieren. Mit diesem letzten Quellentyp läßt sich ebenfalls die elementare sozialgeschichtliche Dimension der Forstgeschichte ausloten, für die es ansonsten an Quellen mangelt. Denn Prozesse gewähren aufschlußreiche Einblicke in die Sozialbindung des Waldes. Die Waldentwicklungsforschung ist Teil der Umweltgeschichte. Das ergibt sich schon deshalb, weil der Wald Teil der natürlichen Umwelt war und ist. Unlängst haben Radkau und Seiter den Wald aber auch in einen engeren Zusammenhang mit prinzipiellen umweltgeschichtlichen Fragen gebracht. 35 Diese Verbindung wird hier aufgegriffen und mit Beiträgen zu fünf umweltgeschichtlichen Themen vertieft, die bisher noch nicht oder kaum im Rahmen der Waldentwicklung erörtert wurden: a) Die Normierung des Naturbedürfnisses spielte auch im Wald eine zentrale Rolle. b) Die Frage nach den Interessen an der Waldentwicklung ist Teil der Debatte um die treibenden Kräfte für den Landschaftswandel. c) Welche ökologische und soziale Tragfähigkeit Naturräume aufwiesen, läßt sich auch für die Ressource Wald erörtern.

1648-1789, Frankfurt a.M. 1991, S. 29-41. Christoph ERNST, HOW can professional historians play a useful role in an interdisciplinary forest history? In: Mauro AGNOLETTI (Hg.), Resources and Forest history (in Vorbereitung). 33 Karl HASEL, Forstliche Chronik. Über die Notwendigkeit forstgeschichtlicher Forschung und Lehre, in: Forstarchiv 49 (1978), S. 99-102, 99; vgl. auch Helmut BRANDL, Forstgeschichtliche Forschung - eine Quantite negligeable? in: Forst und Holz 48 (1993), S. 4 1 5 ^ 1 1 9 , 4 1 7 . 34 Hermann-Josef BRAUN, Das Eisenhüttenwesen des Hunsrücks. 15. bis Ende 18. Jahrhundert, Trier 1991. 35 RADKAU, Wood and Forestry; SELTER, Forstgeschichte und Umweltgeschichte.

14

Α. Einleitung

d) Die bisher für das 19. Jahrhundert aufgestellte These einer historischen Umweltpolitik ist für die Waldentwicklung im 18. Jahrhundert zu diskutieren. e) Die kulturelle und gesellschaftliche Konstruktion von Natur ist ein wichtiger Diskussionspunkt der internationalen Umweltgeschichte, den die deutsche Forschung bislang nur streift. Zu der methodischen Innovation dieser Studie kommt also die inhaltliche Neuausrichtung mit einem integrativen Ansatz und der Untersuchung bisher vernachlässigter Waldnutzer. Die Untersuchung treibt die ertragreiche und unerläßliche Kontextualisierung der Forstgeschichte weiter voran. So erschließt sie teilweise unbekannte politik-, wirtschafts-, rechts- und sozialgeschichtliche Dimensionen des Waldwesens. Überdies verkoppelt sie die Waldentwicklung mit aktuellen Fragestellungen der internationalen Umweltgeschichte.

III. Waldtypen und Forschungsansatz Um die Problemstellung, die methodischen und inhaltlichen Anliegen zu untersuchen, sind hier Waldtypen zu definieren: Holzproduktionswald, Landwirtschaftswald und Jagdwald. Diese drei Waldtypen setzen sich jeweils zusammen aus den spezifischen kulturell-gesellschaftlichen Ansprüchen, dem daraus resultierenden Waldbild sowie den rechtlichen, infrastrukturellen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen, die ihre Verwirklichung mit sich brachte. Für diesen Zuschnitt der drei Waldtypen sprechen sechs Argumente: (1) Die drei Waldtypen stellen ein pointiertes und klar definiertes Forschungsinstrument zur Verfügung, um die menschliche Einflußnahme auf die historische Waldentwicklung systematisch zu analysieren. (2) Sie sind angesiedelt auf einer mittleren Forschungsebene. Darin sieht Joachim Radkau zutreffend einen Mangel in der Umweltgeschichte und Waldentwicklungsforschung: „Es fehlt noch zu sehr an einer .mittleren Ebene', welche die Ideen- und Realgeschichte, die Fallstudien und säkulare Betrachtungen miteinander verknüpft." 36 Der Kontrast zwischen Rhetorik und Realität ist für mindestens zwei Themen entscheidend: So lassen sich der Einfluß der zeitgenössischen Nachhaltigkeitsdebatte auf die praktische Waldentwicklung im Rahmen der Schlagwirtschaft und die Rede von einer Holzverknappung mit Blick auf den realen Waldzustand überprüfen. Beides ist bisher in dieser Deutlichkeit noch nicht geschehen. (3) Sie zielen darauf, regionale Entwicklungen gerade auch durch die Frage nach den Interessen einander gegenüberzustellen, um trotz der vielfach sogar

36

Joachim RADKAU, Was ist Umweltgeschichte? In: ABELSHAUSER, Umweltgeschichte, S. 11-28, 19 (Zitat); vgl. auch DERS., Was ist Umweltgeschichte? In: SIMON, Umweltgeschichte, S. 86-107, 93F.; DERS., Wood and Forestry, S. 70.

III. Waldtypen und Forschungsansatz

15

lokal höchst differenzierten Waldentwicklungsgeschichten37 allgemein gültige übergreifende Trends erarbeiten zu können.38 (4) Sie vermeiden einseitige oder für diese Fragestellung ungeeignete Typologisierungen: So unterstellt die Orientierung am Grad menschlicher Einflußnahme (Primär-, Sekundär-, primitive und geregelte Waldbau- und schließlich Kunsttypen)39 eine lineare Abfolge unterschiedlicher Bewirtschaftungsformen, dem die Gleichzeitigkeit verschiedener Typen entgeht; die Art menschlicher Einflußnahme (Raub- und Forstwirtschaftslandschaften)40 als Kriterium läßt starke Wertungen einfließen; Bewuchs (Laub- und Nadelwald; EichenHainbuchen-Wälder), Standort (Bruch- und Naßwälder; Auen- und Niederungswälder; Gebirgswälder)41 und Bestockung (Hoch-, Mittel- und Niederwälder) als Raster zu verwenden liegt vom Erkenntnisinteresse dieser Arbeit zu weit entfernt 42 (5) Sie entwickeln unlängst vorgelegte Typologisierungen in Kernpunkten weiter. So hat Bernward Seiter gegenüber der „neuen Holzökonomie" der Landesherren einen „landwirtschaftlichen Nährwald" der Bauern abgehoben 43 Damit versucht er, die Vielfalt der oben angedeuteten landwirtschaftlichen Waldnutzungen begrifflich zu bündeln. Allerdings bleibt dieses Unterfangen definitorisch unscharf und ist offen für Wertungen.44 Daher deckt sich der hier konzipierte Landwirtschaftswald zwar inhaltlich mit dem landwirtschaftlichen Nährwald, aber nicht begrifflich. Winfried Schenk hat seinerseits aufgrund unterschiedlicher Einflußgrößen „Entwicklungstypen vorindustrieller Waldland37

38

RADKAU; SCHÄFER, Holz,

S. 16.

Ein erster Ansatz zum landesgeschichtlichen Vergleich liegt vor in ERNST, FRANZ, Waldreformen. 39 Felix von HORNSTEIN, Wald und Mensch. Theorie und Praxis der Waldgeschichte. Untersucht und dargestellt am Beispiel des Alpenvorlandes Deutschlands, Österreichs und der Schweiz, 2., durchgesehene und erweiterte Aufl., Ravensburg 1958 (1. Aufl. 1951), S. 50, 246-250. Der Primärtyp Hornsteins ist unbeeinflußt vom Menschen. Der Sekundärtyp zeigt sich in Gliedern und Gefüge wesentlich verändert, läßt jedoch den Primärtyp noch erkennen. Die Waldbautypen lassen sich in naturnahe, -ferne und -fremde aufteilen, die Kunsttypen sind aus standortfremden Baumarten zusammengesetzt. Vgl. zur Arbeit mit dieser Typologie SELTER, Forstgeschichte und Umweltgeschichte, S. 572f.; Reinhold SCHAAL, Waldgeschichtliche Erhebungen im Forstbezirk Münsingen als Beitrag zur Waldbauplanung, in: Mitteilungen des Vereins Forstlicher Standortskunde und Forstpflanzenzüchtung 37 (1994), S. 61-65. 40 Hugo HASSINGER, Die Geographie des Menschen, in: Fritz KLUTE (Hg.), Handbuch der Geographischen Wissenschaft, Bd. 9: Allgemeine Geographie, Zweiter Teil, Potsdam 1933, S.336-347. 41 Vgl. für diese beiden: Richard POTT, Farbatlas Waldlandschaften. Ausgewählte Waldtypen und Waldgesellschaften unter dem Einfluß des Menschen, Stuttgart 1993. 42 Vgl. ferner die Diskussion der älteren Waldtypologie von Wolfgang Baumgart für die Dichtung bei Peter WUNDERLI, Der Wald als Ort der Asozialität. Aspekte der altfranzösischen Epik, in: SEMMLER, Wald, S. 69-112. 43 SELTER, Waldnutzung und ländliche Gesellschaft. 44 Auch die „Holzökonomie" nährte.

16

Α. Einleitung

Schäften" erarbeiten können: von weltlichen Herrschaften dominierte protoindustrialisierte Regionen mit hohem Holzverbrauch und damit einhergehenden Devastationen; vom Fernholzhandel bestimmte Waldregionen; als Einkommensquelle beanspruchte und folglich degradierte Wälder; Stadt- und residenznahe Wälder mit Stamm- und Brennholznutzungen; extensiv genutzte Wälder vornehmlich geistlicher Herrschaften mit geringer Bevölkerungsdichte und eher kleineren finanziellen Ansprüchen; durch bäuerliche Nutzungen geprägte Wälder mit agroforstlicher Produktion. 45 Von Bedeutung sind in vorliegender Studie vor allem die drei letztgenannten. Gleichwohl grenzt sich die hier vorgelegte Typologisierung davon ab: Es geht ihr nicht um eine herausgelöste Entwicklungsgeschichte eines Waldtyps, dafür ist der Untersuchungszeitraum auch zu kurz. Vielmehr steht die integrative, parallele Perspektive auf die drei Waldtypen Holzproduktionswald, Landwirtschaftswald, Jagdwald in ihrer Kongruenz und Konkurrenz im Zentrum: Erst im Kontext dieser Dreiecksbeziehung interessieren Verschiebungen und Wandlungen im Verhältnis der Waldtypen. Insofern handelt es sich um eine Verfeinerung der Schenkschen Waldentwicklungstypen. In diesem Sinne verdankt die hier erarbeitete Typologie wichtige Anregungen auch Christian Pfister und Martin Stuber. Sie unterscheiden: den obrigkeitlichen Holzlieferungswald des Ancien Regime; den multifunktionalen Wald des Ancien Regime; den Erwerbswald des Frühliberalismus und den Nutz- und Schutzwald der Industriegesellschaft. 46 (6) Ganz elementar ist schließlich: Holzproduktionswald, Landwirtschaftswald und Jagdwald orientieren sich als Waldtypen nicht an der Kategorie Eigentum. Daß es für die Waldentwicklung über alle Maßen entscheidend sei, wem der Wald gehört (Staats-, Gemeinde- und Privatwald), ist sowohl in Forstgeschichte als auch in Waldentwicklungsforschung immer noch nichts weiter als eine diffuse, unreflektierte Prämisse. Sie ist bis heute unbewiesen. Weder forschungspraktisch noch darstellungstechnisch ist diese a priori-Setzung jemals in Frage gestellt worden, obwohl sie maßgeblich für die entscheidendsten Fehlwahrnehmungen und Streitigkeiten in diesem Forschungszweig gewesen sein dürfte. Erst Winfried Schenk hat kürzlich diesen Punkt überhaupt angesprochen. Der Waldzustand ist für ihn nicht mehr allein aus dem Eigentum erklärbar. 47 Gleichwohl ist die logische Konsequenz, die er daraus zieht, unbefriedigend: Denn die Eigentumsverhältnisse bleiben vorherrschendes Merkmal seiner Typologie 48 , und auch in der Gliederung seiner Arbeit schlägt sich diese wichtige Korrektur nicht nieder. 49

45

SCHENK, Waldnutzung, Waldzustand und regionale Entwicklung, S. 291 (Zitat), S. 301 f.

46

PFISTER, Bern,

47

S. 3 1 2 .

SCHENK, Forest Development Types and Wood Scarcity, S. 205. 48 Siehe die Auflistung unter (5). 49 Er unterscheidet weiter zwischen herrschaftlichen, bäuerlichen und städtischen Ansprüchen an die Wälder.

III. Waldtypen und Forschungsansatz

17

Demgegenüber werden hier folgende Hypothesen zu prüfen sein: Wie sich Wälder entwickelten, war von den Interessen der Waldnutzer abhängig. Gewiß verfolgten unterschiedliche Eigentümer differierende Interessen. Aber sie vertraten sie nicht deswegen, weil sie eine weltliche oder geistliche Obrigkeit oder weil sie eine Gemeinde waren, sondern aufgrund ihrer je spezifischen, vor allem ökonomischen Belange. Erst aus der spezifischen Art und Weise, wie jeder Eigentümer die Waldentwicklung in seine Interessen einband, entstanden eigentümliche Absichten und Ansichten. Insofern Obrigkeit und Gemeinden 50 unterschiedliche Ziele in der Waldentwicklung anstrebten, standen sie sich konkurrierend gegenüber. Allerdings ist dies nur die eine Seite. Denn daneben existierten auch gleichgerichtete und sogar identische Intentionen, die diese Interessenantagonismen überlagerten und durchbrachen. Die Kategorie Waldeigentum ist also nicht bedeutungslos. Aber ihr kommt für die Waldentwicklung nicht die entscheidende Erklärungskraft zu. Es geht vielmehr darum, das Eigentum als leitende Kategorie abzulösen und statt dessen die Frage nach den Interessen der Waldnutzer ins Zentrum zu stellen. Diese Ansprüche der Waldnutzer lassen sich vier Gruppen zuordnen: Es gab finanzielle, naturale, hoheitliche und immaterielle Absichten. Finanzielle Interessen drehten sich um den Geldertrag aus dem Wald, naturale um die Rohund Werkstoffe sowie die Fläche im Wald. Hoheitliche Ziele lassen sich an Herrschaftsrechten über den Wald festmachen; immaterielle Interessen sind solche, bei denen der Wald in der Vorstellungswelt der Menschen bedeutsam war. Erst diese fundamentale Neuperspektivierung gibt den Blick frei auf konkurrierende, aber auch harmonierende Interessen der unterschiedlichen Beteiligten an der Waldentwicklung. Diese Interessen sind in einem zweiten Schritt sozialgeschichtlich anzubinden. Hier finden dann die Eigentümer ihren angemessenen Platz. 51 Die neue Vielfalt an differenzierten Kenntnissen, die durch den methodisch und inhaltlich innovativen Ansatz zu erwarten ist, hat ihren Preis: Es ist Abschied zu nehmen von dem lange gehegten Dualismus zwischen Obrigkeit und Untertanen. Erstens waren zwischen ihnen die Positionen ,oben' und ,unten'

50

Gemeinde wird hier umfassend und also gleichbedeutend mit Ortschaft, Dorf, Kommune, Landbevölkerung verwendet. Vgl. zu Definitionen Heide W U N D E R , Die bäuerliche Gemeinde in Deutschland, Göttingen 1986, S. 7-11. 51 Gegen eine an den Interessen sozialer Akteure orientierte Umweltgeschichte hat SIEFERLE, Grenzen der Umweltgeschichte, S. 9 f., zwei Einwände vorgebracht: Die Handlungen würden mit den Interessen gleichgesetzt; das geschieht hier nicht. Mit der Erörterung von Interessenlagen gälten wesentliche Züge der Wirklichkeit als verstanden und erklärt; dem ist auch nicht so. Allerdings handelt es sich bei der Frage nach Interessen um den mit eingeführten Methoden versteh- und erklärbaren Teil vergangener Wirklichkeiten. Im übrigen bezeichnet Sieferle die Chancen seines ökologisch-integralen Ansatzes in der Umweltgeschichte selbst als „utopisch" (ebd., S. 17).

18

Α. Einleitung

nicht so klar verteilt, wie gemeinhin in diesem Forschungsfeld noch angenommen wird. Zweitens standen sich Obrigkeit und Untertanen keineswegs per se konträr gegenüber. Und drittens handelte es sich keineswegs um zwei monolithische Blöcke. Denn einerseits fiel im 18. Jahrhundert dem Territorialstaat als Waldeigentümer mit Einzelinteressen, der zugleich mit Belangen des Gemeinwohls betraut war, eine spezifische Sonderrolle zu. Darin ist der Kern für unterschiedliche Interessen innerhalb der Obrigkeit zu suchen. Andererseits sahen die Gemeinden ihre Waldentwicklungsbelange mitunter auch durch Nachbargemeinden gefährdet. 52 Die beiden ehemals so klaren und divergierenden Pole Obrigkeit und Untertanen verblassen damit - ebenso wie die starre Beziehung zwischen ihnen. Statt dessen kommt ein vielschichtiges, multipolares Politik- und Konfliktfeld zum Vorschein. Die Politikfeldanalyse befaßt sich mit der Frage der Problembewältigung und ihrer Instrumente.53 Das historische Politikfeld Waldentwicklung konstituierte sich durch die Kommunikation zwischen den Waldnutzern. Die Äußerungen, die bislang nur für die landesherrliche Seite bekannt waren, erscheinen so als das, was sie waren: Teil eines Dialoges mit den Untertanen. In diesem Politik- und Konfliktfeld herrschten Fragen vor, wie Holzproduktionswald, Landwirtschaftswald und Jagdwald jeder für sich und im Verhältnis zueinander im landesherrlichen und gemeindlichen Wald zu entwickeln seien. Alle Nutzer äußerten sich ferner auch zu den damit verknüpften Themen, wie die Verwaltung des Waldes und die Forststrafverfolgung zu organisieren seien. Wo kommuniziert wird, ist der Konflikt nicht fern. Es wird zu prüfen sein, inwieweit es sich bei den Streitigkeiten zwischen den Waldnutzern um Ressourcenkonflikte handelte, die finanzielle und naturale Interessen an der Waldentwicklung betrafen, oder um Herrschaftsauseinandersetzungen, bei denen hoheitliche Interessen berührt waren, oder um Mentalitätsgegensätze, bei denen immaterielle Interessen eine Rolle spielten. Der Waldentwicklung kommunikative Aspekte abzugewinnen ist Neuland. Der bislang nahezu vollständig verschüttete Anteil der Bevölkerung an der Kommunikation über die Waldentwicklung wirft ebenso die Frage nach ihrem Einfluß auf die Waldentwicklung auf. Da er sich auch auf den landesherrlichen Wald erstreckte, ist die Ansicht zu bezweifeln, allein das landesherrliche Forstamt und die Hofkammer hätten Richtung und Geschwindigkeit der Waldentwicklungspolitik bestimmt. Nicht einmal in allen ihren eigenen Wäldern war das die Regel. So reicht der Ansatz, Waldentwicklung auch als Kommunika52

Daß es auch innergemeindliche Differenzen über die Waldentwicklung gab, versteht sich von selbst. Dieser Punkt bleibt hier aber weitgehend ausgeklammert. Vgl. allgemein dazu die mikrohistorisch arbeitende Geschichtswissenschaft. 53 Werner JANN, Art. Politikfeldanalyse, in: Pipers Wörterbuch zur Politik, hg. von Dieter NOHLEN, Bd. 1, Politikwissenschaft. Theorien - Methoden - Begriffe, München 1985, S. 7 1 1 - 7 1 6 , 7 1 2 .

19

IV. Anlage der Arbeit und Quellen

tion zu begreifen, über das eigentliche Kernthema hinaus. Er verweist damit auf weitreichende sozial-, protest-, politik- und rechtsgeschichtliche Potentiale. Die Waldentwicklungsforschung schließt sich damit an die allgemeinhistorische Untersuchung kommunikativer Elemente bei der Funktionsweise frühneuzeitlicher Herrschaft und der Wirkung von Gesetzen an.54 Die Studie geht von den Problemen aus, welche Ansprüche die Waldnutzer an die Waldentwicklung stellten und wie sie das daran orientierte Verhältnis zwischen Holzproduktion, Landwirtschaft und Jagd gestalteten. Methodisch verfährt die Arbeit ohne heutigen Bewertungsmaßstab, quellenkritisch und quellenkontrastiv. Inhaltlich integriert sie die drei Hauptaktivitäten der Waldnutzung im 18. Jahrhundert, widmet sich ausführlich der Perspektive der Landbevölkerung auf die Waldentwicklung und stellt das Waldwesen in seinen politischen, rechtlichen, wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Kontext. Erstmalig löst sie mit den systematisch auf eine mittlere Ebene ausgerichteten Waldtypen Holzproduktionswald, Landwirtschaftswald und Jagdwald die bislang dominierende Leitkategorie Eigentum durch die unvoreingenommene Frage nach den Interessen an der Waldentwicklung ab. Dadurch eröffnet sie diesem Forschungszweig zugleich völliges Neuland: Wie der Wald entwickelt werden sollte, war ein bedeutsames Thema in Politik, Recht, Gesellschaft, Publizistik und Wirtschaft. Durch die Kommunikation aller Waldnutzer verfestigte sich ein Politik- und Konfliktfeld. Entgegen der bisher vorherrschenden Perspektive standen sich darin nicht Landesherren und Gemeinden prinzipiell konträr und jeder für sich monolithisch gegenüber. Vielmehr sind sowohl Obrigkeit als auch Gemeinden feiner zu differenzieren. Zwischen diesen aufgeweichten Polen gab es auch gleichgerichtete Interessen. Es handelte sich deswegen um ein multipolares Politik- und Konfliktfeld, das auch für allgemeinhistorische Fragestellungen Erkenntnispotentiale bereithält.

IV. Anlage der Arbeit und Quellen Der Untersuchungszeitraum umfaßt das 18. Jahrhundert bis 1794, als französische Truppen die linksrheinischen Gebiete besetzten. Damit wird die erste Hälfte eines wichtigen forstlichen Schwellenzeitraumes (1750-1850) abgedeckt.55 Untersuchungsgebiete der Arbeit sind Kurtrier, das Kröver Reich und 54

Helga SCHNABEL-SCHÜLE, Kirchenvisitation und Landesvisitation als Mittel der Kommunikation zwischen Herrschaft und Untertan, in: Heinz DUCHHARDT; Gert MELVILLE, Im Spannungsfeld von Recht und Ritual. Soziale Kommunikation in Mittelalter und Früher Neuzeit, Köln, Weimar, Wien 1997, S. 173-186, 173f.; Jürgen SCHLUMBOHM, Gesetze, die nicht durchgesetzt werden - ein Strukturmerkmal des frühneuzeitlichen Staates? in: GG 23 (1997), S. 647-663, 660-662. 55

RADKAU; SCHÄFER, Holz, S. 17; SCHENK, Waldnutzung,

Waldzustand

und regionale

Ent-

wicklung, S. 27; SELTER, Waldnutzung und ländliche Gesellschaft, S. 6f. Vgl. zeitlich über-

20

Α. Einleitung

die Hintere Grafschaft Sponheim. Sie erstreckten sich auf die waldreichen Mittelgebirge Eifel nördlich der Mosel und Hunsrück südlich der Mosel. In Kurtrier war vor 1800 rund ein Fünftel der Fläche bewaldet. 56 Dieses geistliche Territorium steht im Mittelpunkt der Untersuchung, ein deutlicher Schwerpunkt liegt dabei auf dem Obererzstift, dem Trierer Land. Die Kondominien Kröver Reich und Hintere Grafschaft Sponheim werden jeweils ergänzend dann hinzugezogen, wenn die Quellen dies ermöglichen und ertragreich gestalten. Der innerräumliche Vergleich ist somit fester Bestandteil der Untersuchung. Wo es nötig und geboten ist, greift sie zeitlich und räumlich weiter aus und vergleicht mit anderen Regionen. Die archivalischen Quellen stehen im Zentrum. Sie stammen aus dem Landeshauptarchiv Koblenz (LHAK), dem Stadtarchiv Trier (STAT) und dem Generallandesarchiv Karlsruhe (GLAK). Eine grundlegende Skizze (B) erschließt einführend Naturraum, territorialpolitische Gegebenheiten und Bevölkerungsbewegungen. Der Hauptteil erörtert die Leitfragen in drei Kapiteln: Zielsetzungen der Waldentwicklung (C), Praxis der Waldentwicklung (D), Kommunikation über die Waldentwicklung (E). Jeder dieser Teile stützt sich auf eine oder mehrere Quellengattungen. Sie werden zu gegebener Zeit jeweils einer Quellenkritik unterzogen. Forstgesetze sind bislang die in der Forschung dominierende Quellengattung. Sie werden unterschiedlich interpretiert. In der Forstgeschichte lassen sich zwei Lesarten unterscheiden, in der Geschichtswissenschaft eine dagegen gerichtete dritte. In Abgrenzung zu diesen drei bisherigen Lesarten wird hier ein vierter Interpretationsansatz erarbeitet. Um ihn zu untermauern, zieht diese Studie erstmalig auch die rechtshistorische Forschung heran: Danach fixierten Forstgesetze im Rahmen der allgemeinen Policeygesetzgebung und tendenziellen Verrechtlichung Zielsetzungen und bildeten Normierungsinstrumente für die Waldentwicklung. Die Forstgesetze in den Untersuchungsgebieten werden für die gesamte Frühe Neuzeit analysiert; sie sind teilweise gedruckt. Die Forstpublizistik legte die Grundlagen der Schlagwirtschaft dar. Diese Ausführungen sind hier konzise zu erläutern und den Befunden aus den Forstrechnungen gegenüberzustellen. Forstrechnungen dokumentieren in einzigartiger Weise, wie sich die praktische Waldentwicklung gestaltete. Als serielle Quellen eröffnen sie der Forschung in jüngster Zeit einen neuen Zugang zur Materie. Im Zentrum stehen die Forstrechnungen für das Obererzstift Trier (1759-1792). Ergänzend werden Rechnungsserien der Reichsgrafen von Kesselstatt für das Rröver Reich (18. Jahrhundert und früher) sowie der Hinteren Grafschaft Sponheim ausgewertet. Dabei geht es um: landesgeschichtlich vergleichbare Auswertungsra-

greifend Hansjörg KÜSTER, Geschichte der Landschaft in Mitteleuropa: von der Eiszeit bis zur Gegenwart, München 1995; DERS., Geschichte des Waldes. Von der Urzeit bis zur Gegenwart, München 1998. 56 MICHEL, Forst und Jagd, S. 5.

IV. Anlage der Arbeit und Quellen

21

ster, die mit einheitlichen Kenngrößen und Prozentangaben arbeiten; gemeindliche, private und klösterliche Holzproduktion; die Gegenüberstellung der einzelnen Waldtypen und die Anteile der Forsteinnahmen an den Gesamteinnahmen der Territorien. Für Kurtrier sind dafür zusätzlich die Rechnungen der Landrentmeisterei heranzuziehen. Um der Gefahr vorzubeugen, vor lauter Paragraphen und Zahlen die Waldentwicklung nicht mehr zu sehen, widmet sich der dritte Part des Hauptteils, der ungefähr die zweite Hälfte der Arbeit umfaßt, den kommunikativen Aspekten der Waldentwicklung, also der Diskussion zwischen den Beteiligten. Hier geht es um die Frage, wie einheitlich die Obrigkeit tatsächlich war (Ε I). Ihr wird am Beispiel der Entstehungsgeschichte eines Forstgesetzes (Kurtrier 1768-1786) nachgegangen, bei der neben landesherrlichen Kollegien auch die Landstände mitwirkten. Dies ist auch für die Rechtsgeschichte ein Desiderat. Ausführlich wird anschließend die bäuerliche Beteiligung an der Waldentwicklung und die gemeindliche Interessenpolitik erörtert (Ε II). Gerichtsprozesse bilden dafür eine vortreffliche, in diesem Forschungsbereich weithin unberücksichtigte Grundlage. Ihr Erkenntnispotential wird erschlossen, indem die allgemeinhistorische Forschung zu bäuerlichen Widerstandsbewegungen auch für die Waldentwicklungsgeschichte zugänglich gemacht wird. Dabei werden auch zwischengemeindliche Konflikte berücksichtigt. Der gesamte Hauptteil wird immer wieder ein Thema streifen: Die Frage, ob es eine Holznot, also eine Verknappung dieser Ressource gegeben hat. Dieser zeitgenössischen wie gegenwärtigen - Debatte ist der abschließende Part der Kommunikation über die Waldentwicklung gewidmet (E III). Dazu wird in zweifacher Form beigetragen: mit der Unterscheidung zwischen einer HolznotRhetorik als diskursivem Phänomen und einer Holznot-Realität. Um sich letzterer anzunähern, sind weiche und harte Indikatoren zu trennen. Sie werden abschließend unter Berücksichtigung von Waldstatistiken und -karten von ungewöhnlich hohem Quellenwert und unter dem Gesichtspunkt der sozialen und ökologischen Tragfähigkeit diskutiert. Der Schluß bündelt die Ergebnisse nach Waldtypen und die mit ihnen verknüpften Interessen. Ein Ausblick erörtert die waldentwicklungsgeschichtlichen Befunde im größeren Rahmen der Umweltgeschichte. Es geht dabei um eine historische Umweltpolitik und die kulturell-gesellschaftliche Konstruktion von Natur.

Β. Grundlagen In diesem Kapitel geht es um die Grandlagen für die Waldentwicklung. Der Blick richtet sich zunächst auf die naturräumliche Ausstattung, anschließend auf Territorialpolitik, Verfassung und Verwaltung und schließlich auf Bevölkerungsbewegungen im Untersuchungsraum.

I. Naturräumliche Ausstattung Wuchsgebiete sind Großlandschaften, welche den gleichnamigen, hauptsächlich nach geologischen und geomorphologischen Kriterien ausgewiesenen Naturräumen dritter und höherer Ordnung (zum Beispiel Hunsrück) entsprechen. Trotz großer Spannweite an Waldstandortsverhältnissen weisen sie charakteristische Forstwirtschaftsbedingungen auf. So können sie nicht nur geographisch eingeordnet werden, sondern auch als Bezugsräume für die historische Forschung dienen.1 Der Untersuchungsraum erstreckt sich in vier Wuchsgebiete (Fig. 1): (1) Der Hunsrück stellt den südlichen Teil des linksrheinischen Schiefergebirges dar und besteht aus einer unterdevonischen Schieferhochfläche (300-500 m über NN), im Westen überragt von 600-800 m hohen Quarzitrükken. Die natürliche Grenze läßt sich mit den Flüssen Rhein, Mosel, Saar, Ruwer und Nahe näherungsweise umreißen. Die zu Grau- und Weißlehm verwitterten geologischen Ausgangssubstrate sind in Verebnungslagen heute noch großenteils vorhanden. Sie liegen hier meist als Staukörper unter jüngeren Substraten. Weite Teile des Hunsrücks sind überlagert von Staubsanden. Als natürliche Vegetation herrschten artenarme Buchenwälder vor. Im Bereich der Quellmoore gab es Birkenwälder, an den abziehenden Wasserrinnen Erlenbruchwälder. Die ursprünglichen Waldgesellschaften wurden durch Niederund Mittelwaldbetrieb immer mehr zugunsten der masttragenden Baumarten, 1

B a s i e r e n d auf MINISTERIUM FÜR UMWELT UND FORSTEN RHEINLAND-PFALZ ( H g . ) ,

Forstat-

las. Kartenerläuterungen von Volker Christmann, Mainz 1994, S. 11-18, 7 5 - 7 9 und ARBEITSGEMEINSCHAFT STANDORTKARTIERUNG (Hg.), Forstliche Wuchsgebiete und Wuchsbezirke in der Bundesrepublik Deutschland, Münster-Hiltrup 1985, S. 103-113, mit detaillierten Angaben zu Lage, Klima, Böden, Vegetation. Sehr instruktiv darüber hinaus EberhardJohannes KLAUCK, Die Hochwaldregion. Eine naturkundliche Betrachtung der Landschaft im West-Hunsrück, in: Mainzer naturwissenschaftliches Archiv 32 (1994), S. 191-267, und Berthold SCHIEL, Einführung in die geologischen und geographischen Grundlagen des Trierer Landes, in: Richard LAUFNER (Hg.), Geschichte des Trierer Landes, Bd. 1 [mehr nicht erschienen], Trier 1964, S. 9 - 3 8 . Vgl. auch Reinhart ZSCHOCKE, Die Kulturlandschaft des Hunsrücks und seiner Randlandschaften in der Gegenwart und in ihrer historischen Entwicklung, Text- und Kartenband, Wiesbaden 1970, S. 1-5.

I. N a t u r r ä u m l i c h e

Fig. 1:

Untersuchungsräume

23

Ausstattung

und bedeutende landesherrliche

Waldgebiete

A:HerschbachN

1® Oberlauf Olef/Urft Ά Montabaur--

Stahlhütte/Ahr

HammerhütteJ

JA Ehrenbreitstein ψ v/[4^|\Jiborner Gewerkschaft

M ) Jünkerath • Hillesheims

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®

Amtsorte

Α

Forstreviere



Prozessierende Gemeinden

Ü5S

Eisenwerke

Baldenau Elzerath Hundheim 6

Heinzerath

7

Wenigerath

8

Bischofsdhron

Bedeutende landesherrliche Waldflächen

Kartographie: M. Grün Entwurf: C. Ernst Grundlagen: Gesch. Atlas d. Rheinlande: Ubersichtskarte (1.1), Orohydrographische Karte (I.2), Herrschaftsgebiete im Jahre 1789 (V.1)

24

Β. Grundlagen

wie Eiche und Buche, umgewandelt. Verschiedene Rodungswellen, die auch vor den ärmeren Standorten nicht haltmachten, drängten den Wald immer weiter zurück. Im Zuge der Sanierung übernutzter Waldungen wurde ab dem beginnenden 19. Jahrhundert der Nadelholzanbau forciert, der sich zur heute dominierenden Stellung ausweitete. (2) Das Wuchsgebiet Moseltal umfaßt die alte variskische Muldenzone mit dem Einschnitt der Mosel, der Wittlicher Senke und dem unteren Saartal. Die Talaue und die Niederterrasse mit ihren charakteristischen Böden sind im Moseltal meist nur sehr schmal. An ihrer Oberkante gehen die Steilhänge mit markantem Knick in eine bis zu 8 km breite Hauptterrasse über (200-300 m über NN), die weitgehend mehr oder weniger mächtige kiesig-sandige, basenarme Braunerden trägt. Die Braunerden der Wittlicher Senke aus Ausgangssubstraten des Rotliegenden sind hingegen in der Regel tiefgründiger und nährstoffreicher. Je nach Exposition wechselt die natürliche Vegetation von Gebüschformationen der Steppenheiden und kontinentalen Felsheiden bis hin zu den Hainbuchen-Eichenwäldern der kühleren, feuchteren Nordhänge. Heute ist der Waldanteil durch die Dominanz des Acker-, Wein- und Gartenbaus zurückgedrängt. Im Moseltal findet man vorwiegend Eichenstockausschlagbestände, auf den Schatthängen Aufforstungen mit Fichte, europäischer Lärche und Douglasie, im Saartal mehr Buchenhochwald und im Bereich der inneren Wittlicher Senke sowie auf dem Neuerburger Sandstein Mischwälder. (3) Die Osteifel umfaßt die zu den Flüssen Mosel und Ahr terrassenförmig und zum Mittelrheingebiet flacher abdachenden Bereiche der Eifel. Das Kerngebiet, die östliche Hocheifel, wird gebildet durch Hochflächen (300-700 m über NN), die zum Teil durch tiefe Täler in Riedel geteilt werden, in einzelnen Bereichen überragt von vulkanischen Kuppen. Auf den vorherrschenden unterdevonischen Grauwackensandsteinen, mehr oder minder überlagert von tertiären Kieseln, Sanden und Tonen sowie Löß- und Staublehmen, entstehen überwiegend Braunerden mit mäßiger Basen Versorgung. Je nach Basenversorgung der Böden sind artenärmere oder artenreichere Buchenwaldgesellschaften an der natürlichen Vegetation beteiligt. (4) Das Wuchsgebiet Westeifel liegt im nordwestlichen Teil des Landes Rheinland-Pfalz an der Grenze zu Belgien und Nordrhein-Westfalen. Charakteristisch sind flachwellige, muldenreiche Hochflächen bis zu 700 m Höhe; die westliche Hocheifel besteht aus einem breiten Quarzitrücken. Im Gebiet der Kalkeifel, etwa zwischen Hillesheim und Gerolstein, treten als Charakteristikum schmalsohlige Täler mit zum Teil steil aufragenden Hängen hinzu. Der Bereich der Kalkeifel mit seinen vergleichsweise guten Böden ist Altsiedlungsland und seit der Jungsteinzeit waldarm. Hier waren Kalkbuchen- oder edellaubholzreiche Mullbuchenwälder heimisch. Der Bereich mit vorwiegend quarzitischem Ausgangsmaterial, selten unterbrochen von Buntsandstein im Wechsel mit Basalt, trug auf seinen eher basenarmen Braunerden artenarme Buchenwaldgesellschaften mit hohem Eichenanteil. Die Ausdehnung der Na-

II. Territorialpolitik, Verfassung und Verwaltung

25

delholzwirtschaft im Zuge der großen Wiederaufforstungsmaßnahmen ab Beginn des 19. Jahrhunderts ließ den Laubholzanteil auf heute rund 40% sinken. Vergleicht man heute die Höhenstufen mit der Waldverteilung, fällt auf: Im allgemeinen sind die niederen Lagen waldarm oder deutlich geringer bewaldet als die Höhengebiete. Siedlungen werden mit steigender Seehöhe spärlicher und kleiner. Seit alters haben Landwirtschaft, Verkehr und Siedlung in rauhen Hochlagen und steilem Gelände weniger mit dem Wald um Raum konkurriert, als dies im Tiefland, in Tallandschaften oder im Hügelland der Fall war. Waldgebirge waren lange Zeit Grenzbereiche, welche die früh bevölkerten Gegenden voneinander trennten. So sind auch heute die Kämme und Einhänge des Rheinischen Schiefergebirges meist waldreich. Sein Relief bewirkt allerdings einen kleinräumigen, lebhaften Wechsel in den Wuchsbedingungen der Wälder. So nehmen mit ansteigender Seehöhe die Durchschnittstemperaturen ab, während gleichzeitig die Niederschläge zunehmen. Tiefland und Hügelland zeichnen sich insgesamt gegenüber den Gebirgsgegenden durch eine längere Vegetationszeit aus. Sie reicht vom 1.5.-30.9. (= 153 Tage). Ihre Mitteltemperaturen nehmen bei gleicher Höhenlage über dem Meeresspiegel von Norden nach Süden zu und bei gleicher geographischer Breite mit steigender Seehöhe ab.

II. Territorialpolitik, Verfassung und Verwaltung Das Kurfürstentum Erzstift Trier erstreckte sich im 18. Jahrhundert von der Saar beiderseits der Mosel entlang bis zum Rhein und reichte rechtsrheinisch bis in den Westerwald (Fig. 1). Ein Territorium clausuni' stellte es nicht dar, weil es vielfach zersplittert war und Exklaven wie Kondominien bildete. Im Süden grenzte es nach 1766 an die Provinz Lothringen des Königreichs Frankreich, im Westen an das Herzogtum Luxemburg, im Norden, Osten und Südosten stark zerrissen unter anderem an zahlreiche kleine Herrschaftsgebiete. Nach dem 15. Jahrhundert hatten die Kurfürsten nur noch kleinere territoriale Zugewinne zu verzeichnen, so etwa 1576 die gefürstete Abtei Prüm. Sie wurde wie die Städte Koblenz 1562 und Trier 1580 der Herrschaft der erzbischöflichen Landesherren unterworfen, die ihre Landesherrschaft ab dem 16. Jahrhundert zu verdichten und zu intensivieren vermochten. 2 2

Einzige Gesamtdarstellung Jakob M A R X d.Ä., Geschichte des Erzstifls Trier: das ist der Stadt Trier und des Trierischen Landes, als Churfürstenthum und als Erzdiözese, von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1816, 3 Abteilungen in 5 Bänden, Trier 1858-1864, ND Aalen 1969-1970, Bd. 1/1, S. 239-257; Wilhelm FABRICIUS, Erläuterungen zum Geschichtlichen Atlas der Rheinprovinz· Bd. 2, Die Karte von 1789. Einteilung und Entwickelung der Territorien von 1600 bis 1794, Bonn 1898, ND Bonn 1965, S. 107-219; Richard L A U F N E R , Das Erzstift Trier, in: Franz-Josef H E Y E N (Hg.), Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz, Territorien-Ploetz, Freiburg, Würzburg 1981, S. 42-49; Hansgeorg M O L I T O R , Kurtrier, in: Anton

Β. Grundlagen

26

D a s Trierer Domkapitel wählte die Erzbischöfe und damit zugleich die Landesherren. 3 Durch die Wahlkapitulationen schränkte es deren Stellung als alleinige weltliche und geistliche Oberhäupter ein. 4 Gebunden waren die Landesherren auch durch die Landstände, welche die Steuern bewilligten. Im Oberund Niedererzstift gab es j e w e i l s eine geistliche und weltliche Kurie: einerseits Stifte, Klöster und das Landkapitel, andererseits die Städte Trier und Koblenz s o w i e Cochem, Zell, Bernkastel, Wittlich, Pfalzel, Saarburg, Mayen, Münstermaifeld, Boppard, Oberwesel, Montabaur und Limburg. Zwischen den Landtagen führten die Direktorien die Geschäfte. 5 D i e Ritterschaft war seit dem 16. Jahrhundert nicht mehr unter den Landständen vertreten; ihr Austritt aus dem Territorialverband fand 1729 auch formal seinen Abschluß. 6 D i e Regierungsgeschäfte führte der Hofrat, ab 1768 die Geheime Staatskonferenz. Unter der Leitung des Kanzlers versammelte sie die vornehmlich weltlichen Geheimräte. 7 Als Spitze der Zentralverwaltung oblag ihr unter anderem Walter ZIEGLER (Hgg.), Die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung. Land und Konfession 1500-1650, Bd. 5, Der Südwesten, Münster 1 9 9 3 , S . 5 0 - 7 1 ; Helmut CZISCHKE, Die verfassungsrechtliche Lage der geistlichen Kurfürstentümer Mainz, Trier und Köln am Ende des alten Reiches, rechts- und wirtschaftswissenschaftliche Diss, masch., Mainz 1954; Friedrich RUDOLPH, Die Entwicklung der Landeshoheit in Kurtrier bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts, in: Trierisches Archiv, Erg.-Heft 5, Trier 1 9 0 5 ; Fritz RÖRIG, Die Entstehung der Landeshoheit des Trierer Erzbischofs zwischen Saar, Mosel und Ruwer und ihr Kampf mit den patrimonialen Gewalten, Trier 1906; Johann LEONARDY, Geschichte des Trierischen Landes und Volkes. In sieben Büchern nach den besten Quellen bearbeitet und bis in die neueste Zeit fortgeführt, Trier 1870; zusammenfassend unlängst Karl HÄRTER, Kurtrier, in: DERS.; Michael STOLLEIS (Hgg.), Repertorium der Policeyordnungen der Frühen Neuzeit. Bd. 1, Karl HÄRTER (Hg.), Deutsches Reich und geistliche Kurfürstentümer (Kurmainz, Kurköln, Kurtrier), Frankfurt a.M. 1996, S . 6 0 1 - 8 2 5 , 6 0 1 - 6 2 1 . Karten: Franz IRSIGLER, Herrschaftsgebiete im Jahre 1789. Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, Beiheft V/1, Köln 1982; LAUFNER, Erzstift Trier, S. 44 mit schematischen Amts- und Diözesangrenzen; letzteres ebenso bei MOLITOR, Kurtrier, SCHINDUNG;

S. 50; MICHEL, Forst und Jagd, S. XVIII. 3 Vgl. zum Domkapitel Sophie Mathilde Gräfin zu DOHNA, Die ständischen Verhältnisse am Domkapitel von Trier vom 16. bis zum 18. Jahrhundert, Trier 1 9 6 0 ; Hans Erich FEINE, Die Besetzung der Reichsbistümer vom Westfälischen Frieden bis zur Säkularisation 1648-1803, Stuttgart 1 9 0 5 , ND Amsterdam 1 9 6 4 , S. 17; Peter HERSCHE, Die deutschen Domkapitel im 17. und 18. Jahrhundert, Bd. 1, Einleitung und Namenslisten, Bern 1984, S. 1 8 0 - 1 8 6 ; Ernst REIFART, Der Kirchenstaat Trier und das Staatskirchentum. Ein Beitrag zur Geschichte der Säkularisation, staats- und rechtswiss. Diss, masch. Freiburg 1951. 4 Johannes KREMER, Studien zur Geschichte der Trierer Wahlkapitulationen, Trier 1911. 5 Richard LAUFNER, Die Landstände von Kurtrier im 17. und 18. Jahrhundert, in: RhVjbll 32 (1968), S. 290-317, 290; Wolf-Ulrich RAPP, Stadtverfassung und Territorialverfassung. Koblenz und Trier unter Kurfürst Clemens Wenzelslaus (1768-1794), Frankfurt a.M. u.a. 1995, S. 227 f. 6 Gustav KNETSCH, Die landständische Verfassung und reichsritterschaftliche Bewegung im Kurstaate Trier, vornehmlich im 16. Jahrhundert, Berlin 1909, ND Vaduz 1965; LAUFNER, Landstände Kurtrier, S. 293f., 305f. 7 Edwin Η AXEL, Verfassung und Verwaltung des Kurfürstentums Trier im 18. Jahrhundert, in: Trierer Zeitschrift 5 (1930), S. 47-87, 66-70. Als oberstes Regierungsorgan wurde da-

II. Territorialpolitik, Verfassung und Verwaltung

27

die Aufsicht über Justiz, landständisches Steuerwesen und die Lokalverwaltung in den Ämtern. Dort beaufsichtigte der ihr unterstehende Amtmann oder Amtsverwalter das Schul-, Polizei- und Straßenwesen und war als Justizbeamter erster Instanz tätig.8 Die Hofkammer zog die Einkünfte unter anderem aus Domänen, Regalien und Zöllen ein und führte die landesherrliche Kasse. Vor Ort versah diese Aufgaben der Wirtschafts- und Finanzverwaltung ein dem Amt angegliederter Kellner, soweit dessen Tätigkeiten nicht der Amtsverwalter übernahm.9 Das Obererzstift mit der Hauptstadt Trier setzte sich aus 25 Ämtern zusammen, das Niedererzstift mit der Hauptstadt Koblenz, die zuletzt auch zur Residenzstadt des gesamten Kurstaates avancierte, aus zwölf. 10 Mit der Besetzung des linken Rheinufers 1794 verlor Kurtrier die linksrheinischen Gebiete an Frankreich; 1803 erfolgte schließlich mit dem Reichsdeputationshauptschluß die Säkularisation und Auflösung des Territoriums. Das Kröver Reich lag nicht nur geographisch, sondern auch territorialpolitisch zwischen Kurtrier und der Hinteren Grafschaft Sponheim.11 So stritten beide seit dem Spätmittelalter über die Hoheitsrechte und Steuereinnahmen aus dem ehemaligen kaiserlichen Fiskus Kröver Reich, nachdem er 1274 an das Sponheimer Grafenhaus verpfändet worden und 1399 definitiv als Reichslehen in Sponheimer Besitz übergegangen war. Die sponheimischen Gemeinsherren

durch der Hofrat, der sich aus adligen und gelehrten Räten zusammensetzte, abgelöst. Dem Domkapitel billigt Haxel, ebd., S. 56-60, zeitweise die Stellung einer Art Mitregierung zu. Dies äußerte sich insbesondere bei Sedisvakanzen und beim Abschluß staatlicher Verträge. 8 Ebd., S. 70-72. Vgl. dort auch zur Abgrenzung gegenüber dem adligen .Amtmann'. Vgl. zu den Aufgaben auch die Amtsordnung Kurtrier 1719, J. J. SCOTTI, Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem vormaligen Churfürstenthum Trier über Gegenstände der Landeshoheit, Verfassung, Verwaltung und Rechtspflege ergangen sind..., Tie. 1-3, Düsseldorf 1832 (= Scotti) Nr. 360, S. 790-797. 9 Ebd., S. 68, 70. 10 Scotti, Anhang, S. 1707-1736. Vgl. darüber hinaus zur Landgemeinde Emil HAAS, Die kurtrierische Landgemeinde im 17. und 18. Jahrhundert, in: RhVjbll 2 (1932), S. 43-70; Georg REITZ, Die Selbstverwaltung der Landgemeinden im ehemaligen Kurtrier, in: Mittelrheinische Geschichtsblätter (1920) Nr. 1, S. 2, Nr. 2, S. 3, Nr. 3, S. 2. 11 Erwin SCHAAF, Das Kröver Reich im 18. Jahrhundert nach amtlichen Beschreibungen, in: LVBll 39 (1993), S. 61-76; DERS., Zur Herrschaftsstruktur des Kröver Reiches im Mittelalter, in: LVBll 41 (1995), S. 181-195; ENGELMANN, Geschichte und Verfassung des Cröverreichs, in: Allgemeines Archiv für die Geschichtskunde des Preußischen Staates 14 (1834), S. 3-37, 140-165, 204-229, 298-343; Heinrich Adolf GRIMM, Der kaiserliche Fiskus Kroev. Geschichte, ursprüngliche Ausdehnung, rechtliche Organisation, Diss. phil. Heidelberg 1917; Karl LAMPRECHT, Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter. Untersuchungen über die Entwicklung der materiellen Kultur des platten Landes auf Grund der Quellen zunächst des Mosellandes, 3 Teile in 4 Bdn., Leipzig 1885-1886, ND Aalen 1960/69, Bd. 1, S. 180-184; FABRICIUS, Erläuterungen, S. 589f.; Johannes KUMOR, Die kurtrierischen Untervögte im Kröver Reich. Ein Beitrag zur Verfassungs- und Familiengeschichte an der Mittelmosel, in: NTJ 1968, S. 76-81 und NTJ 1978, S. 84f.; DERS., Die sponheimischen Truchsessen im Kröver Reich. Ein Beitrag zur Verfassungs- und Familiengeschichte an der Mittelmosel, in: NTJ 1971, S. 110-116 und NTJ 1974, S. 130f.

28

Β. Grundlagen

ließen das Gebiet durch ihren Oberamtmann im nahegelegenen Trarbach und dessen Vertreter, den Truchseß in Kröv, verwalten. Für Kurtrier ging es bei den Differenzen auch um eine durchgehende Landverbindung an der Mosel. Den geistlichen Territorialherren gelang es mit dem Kauf der Vogtei 1398, dort Fuß zu fassen; 1404 setzten sie die Herren von Kesselstatt im Kröver Reich als Vögte ein. Diese stammten aus dem gleichnamigen Ort bei Hanau und waren im 14. Jahrhundert in kurtrierische Dienste getreten. Ab 1718 zählten sie zum Reichsfreiherren-, ab 1776 zum Reichsgrafenstand.12 Die Auseinandersetzungen verloren ab 1758 an Schärfe. Im Springiersbacher Rezeß waren Vertreter aller Seiten bereits in wichtigen Fragen, etwa über ein neues Forstgesetz, übereingekommen. Mit der Teilung der Hinteren Grafschaft Sponheim 1776 fand auch die komplizierte Konstruktion einer Gemeinsherrschaft, die an einem Kondominium beteiligt war, ihr Ende: Der sponheimische Anteil des Kröver Reichs fiel an Pfalz-Zweibrücken. Mit dem nunmehr alleinigen Mitregenten Kurtrier einigte man sich im Zeller Vertrag 1784 und trat rechtskräftig ein Drittel der Landeshoheit ab. Beide Gemeinsherren hatten jetzt die gesetzgebende Gewalt, das Besteuerungsrecht, das Forstrecht (ein Drittel der Erträge des Kondelwaldes stand Kurtrier beziehungsweise der Familie Kesselstatt zu) und die Gerichtsbarkeit inne. Die erwähnte Teilung des Kondominiums Hintere Grafschaft Sponheim 1776 gliederte das bis dahin gemeinsam von Trarbach aus verwaltete Territorium auf: Pfalz-Zweibrücken erhielt neben dem Kröver Reich das Oberamt Trarbach, das Amt Allenbach ohne Leiseler Forst, das Amt Kastellaun (inklusiv dem Dreiherrischen), die Vogtei Winningen und das Dorf Seesbach im Amt Birkenfeld. Baden bekam das Amt Birkenfeld (ohne Dorf Seesbach, aber mit Leiseler Forst), die Ämter Herrstein, Dill, Winterburg sowie die Vogtei Senheim. Erst dem pfalz-zweibrückischen Herzog Christian IV. und dem badischen Markgraf Karl-Friedrich gelang es so, das Gebiet zu teilen, um es einfacher verwalten zu können. 13 12 Richard LAUFNER, Die Reichsgrafen von Kesselstatt. Geschichtliches Portrait einer alten Familie des Trierer Landes, in: Jb Kreis Trier 1969, S. 137-147; Adelslexikon. Hauptbearbeiter: Walter von Hueck, bisher 7 Bde., Limburg/Lahn 1972-1989 (= Genealogisches Handbuch des Adels), S. 191; Beiträge zur Geschichte und Genealogie Rheinischer Adelsfamilien. Bearbeitet und hg. von Hermann Friedrich MACCO, Aachen 1884, S. 35^t3; Gunther FRANZ, Die Bibliothek der Reichsgrafen von Kesselstatt. Ein Spiegel adeliger Interessen, in: Unsere Archive 25 (1986), S. 6-7; Michael HIERSEMANN, Depositum Kesselstatt in Stadtarchiv und Stadtbibliothek Trier, in: ebd., S. 4 - 6 . 13 Johannes MÖTSCH, Die Grafschaften Sponheim, Geschichtlicher Atlas der Rheinlande, Beiheft V/4, Köln 1992; DERS., Trier und Sponheim, in: Franz-Josef HEYEN (Hg.), Balduin von Luxemburg, Erzbischof von Trier - Kurfürst des Reiches 1285-1354. Festschrift aus Anlaß des 700. Geburtsjahres, Mainz 1985, S. 357-389; Winfried DOTZAUER, Die westlichen Gebiete der Markgrafen von Baden von 1402 bis 1803. Erwerbungen, Projekte, kulturelle und administrative Leistungen, in: LVBll 14 (1968), S. 31-54; DERS., Ein Gutachten zur Hinteren Grafschaft Sponheim aus dem Jahre 1765, in: LVBll 13 (1967), S. 133-154; Klaus

III. Bevölkerungsbewegungen

29

III. Bevölkerungsbewegungen W i e sich die A n z a h l der M e n s c h e n , die in e i n e m Gebiet lebten, i m L a u f e der Zeit veränderte, gilt in d e r G e s c h i c h t s w i s s e n s c h a f t weithin als g r u n d l e g e n d e r Vorgang, d e r in weite B e r e i c h e gesellschaftlichen L e b e n s ausstrahlte. U n m i t telbar w a r d a v o n die L a n d w i r t s c h a f t betroffen. Sie bezeugt somit die e n g e W e c h s e l w i r k u n g z w i s c h e n N a h r u n g s r e s s o u r c e n und B e v ö l k e r u n g , ein Verhältnis, bei d e m Christian Pfister f ü r traditionelle B e v ö l k e r u n g s w e i s e n - allerdings nicht u n w i d e r s p r o c h e n - einen h o m ö o s t a t i s c h e n R e g e l m e c h a n i s m u s , im S i n n e eines sich selbst regulierenden d y n a m i s c h e n G l e i c h g e w i c h t s , e r k e n n t . 1 4 M i t seiner F l ä c h e u n d den darauf erzeugten R e s s o u r c e n k o n n t e auch der Wald nicht abseits der säkularen E n t w i c k l u n g s l i n i e n der B e v ö l k e r u n g s b e w e g u n g e n stehen. O h n e B a u h o l z k o n n t e ein zerstörtes H a u s nicht w i e d e r a u f g e baut, ein n e u e s g a r nicht erst errichtet werden. O h n e B r e n n h o l z ließ sich aber auch schwerlich B r o t b a c k e n . B e d e n k t m a n dies, so tritt d e r Z u s a m m e n h a n g mit den N a h r u n g s r e s s o u r c e n sogar so alltäglich und unauflöslich hervor, d a ß es gerechtfertigt sein k ö n n t e , zu e i n e m weiten Begriff v o n , N a h r u n g ' auch das B r e n n h o l z zu zählen: Was nützte die beste G e t r e i d e v e r s o r g u n g o h n e B r e n n m a terial, das in dieser Perspektive die C o n d i t i o sine q u a non d e r täglichen E r n ä h rung war?

Eberhard WILD, Die Hintere Grafschaft Sponheim als pfälzisch-badische Gemeinsherrschaft (1437-1776), in: Mitteilungen des Vereins für Heimatkunde im Landkreis Birkenfeld und der Heimatfreunde Oberstein 35 (1972), S. 3-32; DERS., Zur Geschichte der Grafschaften Veldenz und Sponheim und der Birkenfelder Linien der pfälzischen Wittelsbacher, (8 Vorträge) Birkenfeld 1982; FABRICIUS, Erläuterungen, S. 435-462; HEYEN, Geschichte RheinlandPfalz, S. 81 f.; Heinrich Adolf GRIMM, Die Diener der fürstlichen Gemeinsherrschaft PfalzBaden in der hinteren Grafschaft Sponheim, 1437-1776, in: Mitteilungen der Westdeutschen Gesellschaft ßr Familienkunde 7 (1916), S. 217-222, 267-274. Daneben: Winfried DOTZAUER, Die Vordere Grafschaft Sponheim als pfälzisch-badisches Kondominium, 1437-1707/08. Die Entwicklung zum kurpfälzischen Oberamt Kreuznach unter besonderer Berücksichtigung des badischen Kondominatsfaktors, Diss, phil., Bad Kreuznach 1963. 1707 war bereits die Vordere Grafschaft Sponheim aufgeteilt worden. Im 12. und 13. Jahrhundert hatte es mehrere kurzlebige Trennungen gegeben. Aus dieser Zeit rührt auch die dauerhafte Spaltung in die Vordere und Hintere Grafschaft, die nach ihrer geographischen Lage, blickt man vom Rhein oder von Mainz aus, so benannt wurden. Außerdem Hans-Walter HERRMANN, Die Grafschaft Sponheim, in: DERS.; Kurt HOPPSTÄDTER; Hanns KLEIN

(Hgg.), Geschichtliche Landeskunde des Saarlandes, Bd. 2: Von der fränkischen Landnahme bis zum Ausbruch der Französischen Revolution, Saarbrücken 1977, S. 338-343; DERS., Die Herrschaft Pfalz-Zweibrücken, in: ebd., S. 344-375; Kurt BAUMANN, Die territoriale Entwicklung des Herzogtums Pfalz-Zweibrücken von 1444 bis 1794, in: Willi ALTER (Hg.), Pfalzatlas, Textband 2, Speyer 1971, S. 1213-1224 (und Karten); Hans AMMERICH, Landesherr und Landesverwaltung. Beiträge zur Regierung von Pfalz-Zweibrücken am Ende des Alten Reichs, Diss. phil. München 1979, Saarbrücken 1981. 14 Christian PFISTER, Bevölkerungsgeschichte und historische Demographie, 1500-1800, München 1994, S. 3, 8 f., 81 f. Zur Bevölkerungsweise zählen als generative Komponenten etwa Heirat, Fruchtbarkeit und Sterblichkeit.

30

Β. Grundlagen

Was somit in der allgemeinen Geschichtswissenschaft und speziell in der Agrargeschichte zutrifft, gilt also im besonderen auch für die Erforschung der Waldgeschichte: zu ihren Grundlagen ist auch die Bevölkerungsentwicklung zu zählen. Dies ist in der Forschung öfter notiert worden, etwa bei Fragen von Rodungsvorgängen innerhalb der Siedlungsgeschichte oder im Kontext des Dreißigjährigen Krieges mit seinen Bevölkerungsverlusten. Ein systematischer Ansatz wurde dennoch bisher nicht erarbeitet. Am Rande vermerkte Ingrid Schäfer, daß agrarstrukturelle Wandlungen, wie die Schwerpunktverlagerung von der Viehhaltung zur Getreidewirtschaft und ihre veränderten Waldwirkungen, tendenziell von einem Bevölkerungswachstum abhingen.15 Joachim Radkau regte an, sich umfassend diesen bedeutsamen Wirkungen zu widmen, die in einer Geschichte der Mensch-Umwelt-Beziehungen durch eine starke Vermehrung der Einwohner eines Gebiets ausgelöst werden.16 Vorbildlich kam dem unlängst Bernward Seiter nach. Er hat nicht nur die allgemeine Siedlungsgeschichte und die Sozialstruktur untersucht, sondern vor allem auch den vielleicht noch entscheidenderen Parameter Bevölkerungsdichte.17 Hier dürfen Untersuchungsperspektive und -ergebnisse von Wilhelm Abel nicht unerwähnt bleiben, der anerkanntermaßen ebenfalls herausstellte, wie eminent bedeutsam Entwicklung und Verteilung der Bevölkerung für die Landwirtschaft waren.18 Insgesamt kann daher, wie es der Geograph Helmut Jäger faßt, „die in Raum und Zeit und nach ihrer Struktur sehr variable Bevölkerung als Schlüssel zum Verständnis des Zustandes der Umwelt und seiner Veränderungen" dienen.19 Die inzwischen intensiv betriebene Bevölkerungsgeschichte hat als Faustregel vorgeschlagen: Nach einer Wachstumsphase bis 1560 durch Klimaverschlechterung, Pest und den Dreißigjährigen Krieg fiel die Bevölkerungszahl um 1650 auf den Stand von 1520 zurück. Der gesamtdeutsche Bevölkerungsstand von 1620 wurde um 1750 wieder erreicht, anschließend sogar deutlich überschritten. So lag die Bevölkerungsdichte um 1500 bei rund 16 Einwohnern/Quadratkilometer (= E/km2), nach 1800 im preußischen Regierungsbezirk Trier bei rund 43 E/km2, im Regierungsbezirk Koblenz bei 70 E/km2, im Fürstentum Birkenfeld, das ehemalige Gebiete der Hinteren Grafschaft Spon15 Ingrid SCHÄFER, „Ein Gespenst geht um". Politik mit der Holznot in Lippe 1750-1850. Eine Regionalstudie zur Wald- und Technikgeschichte, Detmold 1992, S. 184 f. Sie bezieht sich damit unter anderem auf Adam Smith. 16 RADKAU, Umweltgeschichte 1993, S. 92. Er räumt dort auch seinen eigenen „großen Widerwillen" ein, „der negativen Auswirkung eines starken Bevölkerungswachstums auf die Wälder nachzugehen." 17 SELTER, Waldnutzung und ländliche Gesellschaft, S. 26-37. Er zählt sie zu den .Grundlagen'. Sozialstrukturelle Angaben auch bei SCHÄFER, Politik mit der Holznot, S. 220. 18 Wilhelm ABEL, Agrarkrisen und Agrarkonjunktur. Eine Geschichte der Land- und Emährungswirtschaft Mitteleuropas seit dem hohen Mittelalter, 3., neubearb. und erw. Aufl. Hamburg, Berlin 1978. 19 Helmut JÄGER, Einßhrung in die Umweltgeschichte, Darmstadt 1994, S. 12 (Zitat),

S.

12-17.

III. Bevölkerungsbewegungen

31

heim umfaßte, bei rund 4 4 E/km 2 . Während Bayern mit rund 4 3 E/km 2 damit zu vergleichen ist, lagen etwa Baden mit rund 66 E/km 2 und Württemberg mit rund 7 0 E/km 2 darüber

20

Auf die Bevölkerungsbewegungen wirkten in den Untersuchungsgebieten vor allem Auswanderung und zahlreiche Kriege ein. In welcher Größenordnung durch sie j e w e i l s die Einwohnerzahlen vermindert wurden, läßt sich hier kaum bestimmen, auch weil zusammenfassende Vorarbeiten fehlen. 2 1 Von den Kriegen waren die Eifel- und Hunsrückterritorien etwa 1 6 7 9 - 1 6 9 7 (Reunionskriege), 1 7 0 1 - 1 7 1 4 (Spanischer Erbfolgekrieg) und 1 7 3 3 - 1 7 3 5 (Polnischer Erbfolgekrieg) und dann erneut ab 1794 mit d e m Einmarsch französischer Armeen betroffen - zwischen 1500 und 1720 wurden 100 Kriegs-, Pest- oder B e satzungsjahre gezählt. 2 2 Truppendurchzüge, Einquartierungen, Plünderungen und Zerstörungen reichten also weiter als anderswo in das 18. Jahrhundert hinein und markierten auch dessen Ende. 2 3 Ein genauerer Blick, der die Einflüsse von Auswanderung und Kriegen teilw e i s e widerspiegelt, ist exemplarisch auf einige Bevölkerungsangaben, die B e völkerungsdichte und die Sozialstruktur der Bevölkerung möglich. Die Gesamtbevölkerung Kurtriers lag 1787 bei etwa 2 0 0 0 0 0 Einwohnern. Das ent20

Alle Angaben PFISTER, Bevölkerungsgeschichte, S. 8-24, 73-80, Zahlenwerte S. 19, 21. Vgl. dazu auch DIPPER, Deutsche Geschichte, S. 42-75, speziell S. 43-45; Hans-Ulrich WEHLER, Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd. 1, Vom Feudalismus des Alten Reiches bis zur Defensiven Modernisierung der Reformära 1700-1815, München 1987, S. 67-70, mit der Angabe auf S. 69, in einzelnen Gebieten sei zwischen 1750 und 1800 die Bevölkerung „um mehr als 50%, zum Teil sogar um 100% [angestiegen], wobei hauptsächlich die landlosen oder landarmen agrarischen Unterschichten sprungartig anwuchsen". Ferner Paul MÜNCH, Lebensformen in der frühen Neuzeit, Frankfurt a.M., Berlin 1992, S. 54 f. 21 Vgl. Hinweise für Kurtrier bei IRSIGLER, Wirtschaftsgeschichte Stadt Trier, S. 201; für das Amt Kastellaun (Hintere Grafschaft Sponheim) Timothy G. SAUNDERS, Familie, Fortpflanzung und Bevölkerungsentwicklung im Hunsrück. Eine historisch-demographische Untersuchung der Lebensverhältnisse und gesellschaftlichen Strukturen in Kirchberg, Kastellaun und Gemünden 1650-1800, Frankfurt a.M., Berlin, Bern u.a. 1995, S. 83, der 1741, 1763 und 1780 Massenauswanderungen registriert. 22 Georg REITZ, Die Grösse des geistlichen und ritterschaftlichen Grundbesitzes im ehemaligen Kur-Trier. Ein Beitrag zur Frage der Grundbesitz-Verteilung, Diss. phil. Bonn, Coblenz 1919, S. 43 f. zu Kriegseinwirkungen. Generell: Max BRAUBACH, Vom Westfälischen Frieden bis zum Wiener Kongreß ( 1 6 4 8 - 1 8 1 5 ) , in: Franz PETRI; Georg DROEGE, Rheinische Geschichte, Bd. 2, Neuzeit, 1. Aufl. Düsseldorf 1 9 7 6 , S. 2 1 9 - 3 6 5 . 23 Graphische Übersicht für die Stadt Trier etwa bei IRSIGLER, Wirtschaftsgeschichte Stadt Trier, S. 200; detailreich, regional zugeordnet, allerdings vornehmlich für die erste Hälfte der Frühen Neuzeit Franz Roman JANSSEN, Kurtrier in seinen Ämtern vornehmlich im 16. Jahrhundert. Studien zur Entwicklung frühmoderner Staatlichkeit, Bonn 1985, S. 92 (Amt Cochem), und resümierend S. 587. Danach gingen die Verluste nach dem spanischniederländischen Krieg 1585 weniger auf die Mortalität zurück als auf die permanente Unsicherheit und leicht zerstörbaren Lebensgrundlagen bei geringer Bonität des Bodens und anfälligen Spezialkulturen. Hinzu kamen noch Seuchen und Mißwachs; für die Mittelmosel SCHAAF, Kröver Reich, S . 61; für Teile der Hinteren Grafschaft Sponheim präzise SAUNDERS, Bevölkerung, S. 58-61.

32

Β. Grundlagen

sprach bei der Größe von 5200 km 2 einer Bevölkerungsdichte von 38 E/km 2 . 24 In der Stadt Trier wuchs die Bevölkerung nach einem Tiefstand von knapp 2900 Einwohnern 1695 (841 E/km2) infolge der militärisch exponierten Lage im Verlauf des 18. Jahrhunderts an. Trotz eines Stillstandes in den sechziger bis achtziger Jahren lebten dort gegen Ende des 18. Jahrhunderts knapp 10000 Menschen (2899 E/km 2 ). 25 Etwas darunter lag die Einwohnerzahl in Koblenz. Vor der französischen Besetzung wird sie auf 8300-8500 (330-338 E/km2) veranschlagt. Fünfzig Jahre vorher lebten größenordnungsmäßig 6900 (275 E/km2) Einwohner in der Stadt am Rhein, so daß sich eine Zunahme um etwas mehr als ein Fünftel seit der Jahrhundertmitte ergibt.26 Offenbar schlug sich hier die seit 1735 währende „Periode relativen Friedens"27 neben anderen Faktoren nieder. Gewiß handelte es sich nicht um einen linearen Anstieg; das ist aber nicht weiter belangvoll. Entscheidender war, daß sich die Besiedlung in den letzten beiden Dritteln des 18. Jahrhunderts verdichtete. Dies betraf nicht nur Trier und Koblenz. Auch im Moseltal, also unmittelbar entlang des Flußlaufes, kann gegen Ende des 18. Jahrhunderts etwa in den Ämtern Cochem und Bernkastel eine vergleichsweise hohe Bevölkerungsdichte festgestellt werden (Tab. 2). Dafür zeichnen vor allem die beiden Städte Cochem und Bernkastel verantwortlich. Zwar liegen keine Vergleichswerte innerhalb des Jahrhunderts vor. Statt dessen läßt sich jedoch der lange Anlauf, den das Bevölkerungswachstum im 18. Jahrhundert nahm, punktuell aufzeigen: ausgehend von einem langsamen Ansteigen bis zum Ende des 16. Jahrhunderts, einer Stagnation oder Abnahme bis 1650 und schließlich einem offenbar starken Wachstum. Soweit ersichtlich sprechen diese Werte nicht dagegen, die hier untersuchten Gebiete in das oben vorgestellte generelle Muster im Alten Reich einzureihen. Dieser Trend dürfte auch für die Bergdörfer im Amt Cochem zutreffen. Nur unschwer ist jedoch zu übersehen, daß oberhalb der Mosel weniger dicht gesiedelt wurde als im Tal, wo sich erheblich mehr Erwerbsmöglichkeiten boten.

24

FABRICIUS, Erläuterungen, S. 642. Werte inklusiv Reichsabtei Prüm und Herrschaft Freudenburg, ohne Fläche und Einwohner der trierischen Anteile an den Grafschaften Niederisenburg und Sayn; sie zählten gut 20000 Einwohner auf einer Fläche von rund 120 km 2 . Die Angaben entnahm Fabricius Landesstatistiken, Zirka-Werte geben Messungen an (Ebd., S. XXXV). Vgl. kritische Anmerkungen dazu bei REITZ, Grundbesitz, S. 45. 25 Thomas KOHL, Familie und soziale Schichtung. Zur historischen Demographie Triers 1730-1860, Stuttgart 1985, S. 65, mit Graphik; Einzelangaben S. 212f.; Gemarkungsgröße v o n 3 , 4 5 k m 2 bei FABRICIUS, Erläuterungen, 26

S. 110.

Etienne FRANCOIS, Koblenz im 18. Jahrhundert. Zur Sozial- und Bevölkerungsstruktur einer deutschen Residenzstadt, Göttingen 1982, S. 24f.; Gemarkungsgröße von 25,12 km 2 bei FABRICIUS, Erläuterungen, S. 132. Differenzierter und mit Graphik Busso von der DOLLEN, Der haupt- und residenzstädtische Verflechtungsraum Koblenz/Ehrenbreitstein in der frühen Neuzeit, Köln 1979, S. 78-87. 27

SAUNDERS, Bevölkerung,

S. 61.

III. Bevölkerungsbewegungen Tab. 2: Bevölkerung Gebiet

und Bevölkerungsdichte Gemarkung km 2

Amt Cochem - Moseltal

183,3

gesamt

256,77

Amt Bernkastel

66,84

in den Ämtern Cochem und

Bernkastel

Feuerstellen (Feuerstellen/km 2 ) 1498 1511

Bevölkerung Untertanen (Untertanen/km 2 ) 1563 1623

nach 1623

1125 (4,4)

1210 (4,7)

898 (12,2) 565 (3,1) 1463 (5,7)

991 (13,4) 617 (3,4) 1608 (6,3)





1006 (13,6) 654 (3,6) 1660 (6,5) —





73,74

- Bergdörfer

33

Einw. (E/km 2 ) 1787

4609 (63) 3669 (20) 8278 (32) 4743 (71)

Quellen: Bernkastel: FABRICIUS, Erläuterungen, S. llOf. (Gemarkung, Bevölkerung, frühere Werte fehlen; das Amt war mit den Ämtern Baldenau, Hunolstein und Weiden dem Oberamt Bernkastel zugeordnet; Bevölkerung Stadt Bernkastel und Monzelfeld 1781-1784); Cochem: FABRICIUS, Erläuterungen, S. 115-117 (Gemarkung und Bevölkerung 1787); JANSSEN, Kurtrier, S. 88-90 (Bevölkerung; dort Aufteilung in .Moseltal' - inklusiv Stadt Cochem, 1787: 164 E/km2 - und .Bergdörfer'; S. 86f. seine Quellengrundlage; .nach 1623' = undatierte Fortschreibung von Erhebung 1623; Gemarkung Klotten wie Fabricius (13,20) anstatt wie nicht nachvollziehbar Janssen (8,71); kleine Korrektur bei Bruttiger Gemarkung; Feuerstellen 1563 und 1623 inklusiv der nicht zum Amt gehörigen Personen; Janssen bietet beide Angaben); exklusiv Dichte 1563: eigene Berechnungen.

Ähnliches zeigt sich, wenn man die Ämter Hunolstein und Baldenau vergleicht (Tab. 3). Näher zur Mosel gelegen und auf kleinerer Gemarkung lebten im Amt Hunolstein 1787 mehr Einwohner auf einem Quadratkilometer als im Amt Baldenau. Dagegen wiederum fiel das südlicher liegende, großflächige Amt Grimburg mit einer Bevölkerungsdichte von 19 E/km 2 ab. Je nachdem wie viele Personen man pro Familie oder Feuerstelle ansetzen möchte, hielt sich ihre Gesamtzahl zunächst relativ konstant. In jedem Fall sprechen die späteren Werte für starke Einbrüche in diesem ,Hochwaldamt' bis 1650. Die Umkehr des Trends führte dazu, daß dort knapp 140 Jahre später rund 5400 Einwohner lebten. Selbst wenn man für den Anfang des Jahrhunderts von der hohen Anzahl von sieben Personen pro Familie ausgeht, verdoppelte sich die Bevölkerung des Amtes bis 1788. Im Kröver Reich lebten 1779 insgesamt knapp 3600 Einwohner (Tab. 4). Offenbar war auch hier bis dahin die Bevölkerung rasch angestiegen.28 Die Bevölkerungsdichte lag 1779 je nach Ortschaft zwischen knapp 60 und gut 100 28

SCHAAF, Kröver Reich, S. 61. Einen Eindruck der Einwohnerzahl mag man durch die Multiplikation mit dem Faktor 5 - 5 , 5 gewinnen: 1717: 1 8 2 5 - 2 008 Einwohner; 1759: 2 5 4 5 - 2 800; 1772: 3 2 1 0 - 3 531. FABRICIUS, Erläuterungen, S. 445, weist 1772 671 Familien aus (nach Addition der Einzelwerte, bei der er sich verrechnete). Vergleichswerte aus dem 17. Jahrhundert fehlen.

34

Β. Grundlagen

Tab. 3: Bevölkerung und Bevölkerungsdichte Hunolstein Gebiet

Gemar-

in den Ämtern Grimburg, Baldenau und

Bevölkerung (Bevölkerungsdichte)

kung

km2 Amt Grimburg

273,51 525 (1,9)

Amt Baldenau - Long./Kommen - Bischofsdhron - Heinzerath - Hinzerath - Horath - Hoxel - Huntheim - Merschbach - Morbach - Rapperath - Wederath - Wenigerath - Wolzburg

14,30 3,03 3,87 11,44 10,95 2,09 8,03 3,21 18,84 5,51 4,31 5,22 1,55

gesamt

92,35

Amt Hunolstein - Berg/Licht - Elzerath - Gonzerath - Gräfendhron - Gutental/Odert - Haag - Hunolstein - Merscheid - Riedenburg - Weiperath gesamt

Familien (F/km2) 1542

7,55 1,90 8,89 3,13 5,47 10,11 5,55 6,32 1,97 4,64 55,53

Familien (F/km2) Feuerstellen (F/km2) 1563 1625 1651 1654 1702 511 (1,9) 50 (3,5) 12(4,0) 21 (5,4) 22(1,9) 19(1,7) -

24 (3,0) 8 (2,5) 25(1,3) 18 (3,3) 10 (2,3) 13 (2,5) -

571 (2,1)

151 (0,6)

192 (0,7)

391 (1,4)

Einwohner (F/km2) 1787 5298 (19)

1788 5417 (20)

428 (30) 133 (44) 172 (44) 184(16) 189(17) 85 (41) 208 (25) 80 (25) 388 (21) 172 (31) 143 (33) 93(18) 64(41) 2339 (25)

29 (3,8) -

26 (2,9) 15 (4,8) 15 (2,7) 22 (2,2) 9(1,6) -

-

14 (3,0) -

241 (32) 83 (44) 215 (24) 113(36) 242 (44) 231(23) 182(33) 256 (41) 150 (76) 131 (28) 1844 (33)

Quelle: Grimburg: SCHÖMER, Grimburg, S. 149-151 (Bevölkerung, dort Bezugsgrößen und Fundorte); Baldenau und Hunolstein: FABRICIUS, Erläuterungen, S. UOf., 148f. (Gemarkung und Bevölkerung; Long. = Longkamp; beide Ämter zählten mit dem Amt Weiden und dem Amt Bernkastel 1787 zum Oberamt Bernkastel; Amt Baldenau ohne Morscheid, St. Kuno 13,33 km 2 , 1787: 67 E; Angaben zu 1563 unvollständig); eigene Berechnungen; Familien und Feuerstellen auf eine Stelle gerundet, Einwohner auf ganze Werte.

III. Bevölkerungsbewegungen Tab. 4: Bevölkerung Gebiet

und Bevölkerungsdichte Gemarkung

km 2 Kröv/Kövenig Reil Kinheim/Kindel Erden Bengel Kinderbeuren Kröver Reich ges.

-

5,42 45,01

im Kröver Reich, 18.

Bevölkerung, Bürger, Untertanen (Bürger, U/km 2 ) 1717 1759

14,75 12,11 9,09 3,64

365

35

159(11) 143 (12) 95 (10) 34 ( 9) 57 ( - ) 21 ( 4) 509 ( - )

Jahrhundert

Bevölkerungsdichte Haushalte Einwohner (H/km 2 ) (E/km 2 ) 1775 1779

642

1003 ( 68) 858 ( 71) 554 ( 61) 402(110) 449 ( - ) 307 ( 57) 3 5 7 3 ( 69*)

Quelle: Gemarkung FABRICIUS, Erläuterungen, S. 585 (Gemarkung, Reil inklusiv Reilkirch); SCHAAF, Kröver Reich, S. 61, 73 (Bevölkerung, Kinderbeuren inklusiv Hetzhof, *gesamt Bevölkerungsdichte ohne Bengeier Einwohner = 3124 und Gemarkung = 45,01, da diese nur mit Abtei Springiersbach angegeben, wodurch die Ergebnisse verfälscht würden); eigene Berechnungen; Einwohnerdichte auf ganze Werte gerundet.

E/km2, durchschnittlich bei etwa 70 E/km2. Darin ähnelte das kleine Territorium an der Mittelmosel dem eine Moselschleife aufwärts auf der anderen Seite gelegenen kurtrierischen Amt Bernkastel. Einblicke in alle Ämter der Hinteren Grafschaft Sponheim (Tab. 5) deuten hier auf eine Familienzahl, die noch 1699 überall - nur in der Stadt Kastellaun und der Vogtei Winningen nicht - gegenüber 1607 deutlich zurückblieb. Bis 1772 siedelten dann fast durchweg mindestens um die Hälfte mehr Familien in den Ämtern als zu Beginn des 17. Jahrhunderts - der Anstieg im Amt Birkenfeld belief sich gar auf das 2,2fache. Betrachtet man dort die Zunahme von 1699 bis 1772, so nahm die Zahl der Familien um das 4,6fache zu, in den Ämtern Kastellaun und Trarbach immerhin noch um das 2,5- oder 1,9fache, ehe bis 1790 augenscheinlich weitere Einwohner hinzukamen. Mit diesen knappen Einblicken in die naturräumliche Ausstattung, die territorialpolitischen und demographischen Entwicklungen sind die drei wichtigsten Grundlagen für die Waldentwicklung benannt. Als bedeutsamste Wandlung ist der Anstieg der Bevölkerungszahlen im 18. Jahrhundert zu vermerken. Aufbauend auf diese Grundlagen untersucht das nächste Kapitel die Zielsetzungen der Waldentwicklung.

36 Tab. 5: Bevölkerung

Gebiet

Β. Grundlagen und Bevölkerungsdichte

Sponheim

km 2

Bevölkerung (Bevölkerungsdichte) Familien (Familien/km 2 ) Haushalte (H/km 2 ) 1607 1699 1772 1790

8,47 102,36 110, 83

58 (5,7) 583 (5,7) 641 (5,8)

52 (6,1) 334 (3,3) 386 (3,5)

157(18,5) 823 (8,0) 980 (8,8)

160(18,9) 869 (8,5) 1029 (9,3)

Amt Allenbach

44,38

101 (2,3)

42 (1,0)

174 (3,9)

186 (4,2)

Oberamt Trarbach - Stadt Trarbach - Stadt Traben - Enkirch - Ortschaften

10,32 11,62 25,44 76,95

148 198 251 278

133 (12,9) 159(13,7) 181 (7,1) 194 (2,5)

180(17,4) 235 (20,3) 349 (13,7) 513(6,7)

270 250 388 706

Amt Kastellaun - Stadt Kastellaun - Ortschaften gesamt

gesamt

Gemarkung

in der Hinleren Grafschaft

124,33

(14,3) (17,0) (9,9) (3,6)

875 (7,0)

667 (5,4)

(26,2) (21,5) (15,3) (9,2)

1277 (10,3)

1614(13,0)

- Stadt Birkenfeld - Ortschaften

12,70 211,21

70 (5,5) 592 (2,8)

51 (4,0) 265 (1,3)

181 (14,3) 1284 (6,1)

Einwohner (E/ km 2 ) 970 (76) 5557 (26)

gesamt

223,91

662 (3,0)

316(1,4)

1465 (6,5)

6527 (29)

50 (5,0) 202 (4,0) 263 (7,2) 122(18,7)

36 (3,6) 114(2,2) 131 (3,6) 146 (22,4)

Amt Birkenfeld

Amt Dill Amt Herrstein Amt Winterburg Vogtei Winningen

9,97 50,84 36,74 6,53

55 (5,5) 391 (7,7) 490(13,3) 219(33,5)

-

Quellen: Kastellaun: F A B R I C I U S , Erläuterungen, S . 450 (Gemarkung), S . 443f., 450f. (Bevölkerung, ohne Vogtei Winningen und Senheim, durchweg fehlerhafte Additionen korrigiert, fehlerhafte Kopfzeile muß auch auf S. 450 .Haushaltungen 1790' heißen); Allenbach: Ebd., S. 449 (Gemarkung), S. 444, 449 (Bevölkerung, fehlerhafte Additionen korrigiert); Trarbach: Ebd., S. 450f. (Gemarkung, Traben inklusiv Litzig und Rissbach), S. 443, 450 f. (Bevölkerung, durchweg fehlerhafte Additionen korrigiert); Birkenfeld: Ebd., S. 455 f. (Gemarkung, etwa zur Hälfte ca.-Werte, ohne Unteramt Idar), S. 443, 455 f. (Bevölkerung, fehlerhafte Additionen korrigiert); Dill: Ebd., S. 458 (Gemarkung, ohne Niedersohren), S. 444 (Bevölkerung, ohne nicht unter Amtshoheit stehende Personen); Herrstein: Ebd., S. 458 f. (Gemarkung, durchweg ca.-Werte), S. 444 (Bevölkerung, ohne nicht unter Amtshoheit stehende Personen; fehlerhafte Additionen korrigiert); Winterburg: Ebd., S. 459 (Gemarkung, teilweise ca.-Werte), S. 444 (Bevölkerung); Winningen: Ebd., S. 459 (Gemarkung), S. 444 (Bevölkerung); eigene Berechnungen; Werte für Familien und Haushalte auf eine Stelle nach dem Komma gerundet.

C. Ziele der Waldentwicklung Die Waldentwicklung vollzog sich im Rahmen naturräumlicher, politischer sowie demographischer Grundlagen. Welche Ziele gaben die Landesherren der Waldentwicklung innerhalb dieser Koordinaten vor? Das ist die Leitfrage dieses Kapitels. Die Antwort ist in den Forstgesetzen der Zeit zu finden.

I. Frühneuzeitliche Forstgesetze im Blickpunkt der Forschung Nach einem generellen Blick auf die Eigenheiten forstlicher Rechtstexte 1 werden vier Lesarten dieser Quellengattung unterschieden. Die vierte Lesart stellt zugleich die hier verfolgte Interpretationsrichtung dar. Um die Frage zu beantworten, welcher Stellenwert forstlichen Rechtstexten bei der Behandlung waldgeschichtlicher Themen zukommt, ist jedoch zunächst zu klären, welche Rahmenbedingungen zu berücksichtigen und welche Inhalte dieser Quellengattung grundsätzlich zu eigen sind. Forstliche Rechtstexte sind aus Mittelalter und Neuzeit überliefert. Sie können eindeutig zugeordnet werden, da sie sich zu einer bestimmten Zeit auf ein genau bezeichnetes Gebiet beziehen. Für die Mehrzahl der Territorien und Obrigkeiten des Alten Reichs, aber auch für andere Länder, so etwa Frankreich und England, existieren Dokumente aus der Frühen Neuzeit. Deswegen sind die Dokumente äußerst zahlreich, zudem gut erhalten, teilweise sogar gedruckt. Viele liegen bereits in zeitgenössischen Sammlungen vor 2 oder sind forstgeschichtlichen Werken teils im Wortlaut, teils paraphrasiert im Anhang beigegeben. 3 Ist das nicht der Fall, lassen sie sich in den Archiven leicht auffin1

Darunter zählen alle Rechtsdokumente, die sich mit Fragen des Waldes beschäftigen. Ahasverus FRITSCHIUS, Corpus iuris venatorio forestalls, Romano-Germanici, tripartium, 2. Aufl. Leipzig 1702(1. Aufl. Jena 1675); Stephan BEHLEN; Christian Peter LAUROP (Hgg.), Systematische Sammlung der Forst- und Jagdgesetze der deutschen Bundesstaaten von den ältesten bis auf die neuesten Zeiten, Bd. 1, Handbuch der Forst- und Jagdgesetzgebung des Großherzogtums Baden, Mannheim 1827, Bd. 2, Handbuch der Forst- und Jagdgesetzgebung des Herzogtums Nassau, Mannheim (Hadamar) 1828, Bd. 3, 2 Teile, Handbuch der Forst- und Jagdgesetzgebung des Königreichs Baiern, Mannheim (Karlsruhe) 1831; Georg Victor SCHMID, Handbuch aller seit 1560 bis auf die neueste Zeit erschienenen Forst- und Jagd-Gesetze des Königreichs Sachsen, 4 Tie., Meißen 1 8 3 9 ^ 9 ; August BERNHARDT, Otto v. OEHLSCHLÄGER (Hgg.), Die preußischen Forst- und Jagd-Gesetze mit Erläuterungen, Berlin 1878; Frank Peter HERMENS (Hg.), Handbuch der in den Königlich-Preußischen, zum General-Gouvernement vom Nieder- und Mittel-Rhein gehörig gewesenen Provinzen am linken Rheinufer bestehenden gesammten Forst-, Jagd- und Fischerei-Gesetzgebung..., Aachen 1830. 3 Vgl. dazu etwa Kurt MANTEL, Forstgeschichte des 16. Jahrhunderts unter dem Einfluß der 2

38

C. Ziele der Waldentwicklung

den, weil die Findbücher sie zumeist auf den ersten Seiten des Stichworts ,Wald, Forst' aufführen. Ebenso beeindruckend wie die Anzahl der Dokumente ist ihre formale und inhaltliche Spannbreite. Diese Quellen, die im Vergleich etwa zu Verwaltungsakten relativ systematisch abgefaßt sind, versammeln in einem Text allgemeine, forstliche, privat- und strafrechtliche Normen sowie gewerbliche und verwaltungstechnische Bestimmungen, die sich überdies jeweils an unterschiedliche Adressaten richten. Darüber hinaus enthalten sie allgemeine Aussagen, die auf keine konkrete Handlung zielen.4 Außerdem präsentieren sie in der Präambel und in einzelnen Paragraphen zugleich Motive für die angeordneten Regelungen und bieten somit selbst eine erste Erklärung sowie Legitimation für die Bestimmungen an. Das umfangreiche, gut zugängliche Korpus und die formale und inhaltliche Vielgestaltigkeit machen forstliche Rechtstexte also zu einer exzellenten Quellengattung. Auf dieser Quellengrundlage sind verschiedene Lesarten forstlicher Rechtstexte denkbar. Unter ,Lesart' wird im folgenden verstanden, mit welcher Fragestellung dieser Quellengattung begegnet, wie mit den Aussagen darin verfahren wird - wie es also um die Quellenkritik bestellt ist - und welche möglichen Folgewirkungen sich daraus für die Gesamtinterpretation ergeben. Diese Tour d'horizon zeigt, wie zahlreich die Zugänge zu den forstlichen Rechtstexten sind. Vor allem aber dient sie dazu, den hier verfolgten Ansatz, der am Ende der Überlegungen steht, historiographisch und systematisch einzuordnen und so zu fundieren. Maßgebliche Lesarten lieferten Forstgeschichte, Geschichtswissenschaft und Geographie. Auffällig ist, daß sich übergreifende historiographische Entwicklungen auch in den Lesarten niederschlagen und dadurch ansatzweise eine Chronologie in Form von Schwerpunktverlagerungen erkennbar wird. Neben den genannten Disziplinen befassen sich auch Rechts- und Umweltgeschichte mit rechtlichen Quellen. Sie debattieren dabei ähnlich gelagerte Probleme. Dennoch berücksichtigen forstliche Fragestellungen die rechtshistorische Fachdiskussion zum Stellenwert der Rechtsdokumente bislang nicht. Erstmalig sollen deshalb Grundlinien der rechtshistorischen Diskussion an mehreren Stellen mit den Lesarten forstlicher Rechtstexte verknüpft werden.

Forstordnungen und Noe Meurers, Hamburg, Berlin 1980, S. 924-995; BAUER, Soonwald, S. 186-206. 4 Vgl. dazu MANTEL, Forstgeschichte, S. 264: „Entsprechend den verschiedenen Aufgaben in den natural- und versorgungswirtschaftlichen, staats- und fiskalwirtschaftlichen, forstpolitischen, holzwirtschaftlichen, jagdwirtschaftlichen, forst- und jagdpolizeilichen Bereichen ist der Inhalt der Forstordnungen sehr verschiedenartig." Daß sich aus diesen unterschiedlichen Zielsetzungen formal und inhaltlich ein „sehr verwirrendes Bild" ergeben konnte, bemerkt Walter KREMSER, Niedersächsische Forstgeschichte. Eine integrierte Kulturgeschichte des nordwestdeutschen Forstwesens, Rotenburg a.d.W. 1990, S. 195.

I. Frühneuzeitliche Forstgesetze im Blickpunkt der Forschung

39

Ferner ist es möglich und sinnvoll, zugleich das Interesse umweltgeschichtlicher Forschung an einer Normierung des Naturbedürfnisses zu verfolgen. D e n Vertretern der ersten Lesart geht es darum, aus den forstlichen Rechtstexten den zeitgenössischen forstlichen Kenntnisstand zu erhellen, die Entstehungsgeschichte einzelner Verordnungen bis zu ihrer Veröffentlichung oder die Entwicklung der Forstgesetzgebung 5 selbst nachzuzeichnen. Es steht also einmal die Frage im Mittelpunkt, wann und w o beispielsweise die ersten Bestimmungen zur Schlagführung bei der Holzernte aufkamen. 6 Aus diesen zeitlichen und regionalen Profilen der Forstgesetze und dem Wechselspiel zwischen ihnen und der Forstpublizistik erklärt der Forsthistoriker Kurt Mantel, der maßgebliche Vertreter dieser Lesart, w i e die Forstwirtschaft aufgebaut war. 7 Zum anderen untersuchen einige Studien, welche Vorarbeiten, Quellen und Forstpublizistik die Ausarbeitung der Forstgesetze beeinflußten, w i e die Vorlagen die

5

Vgl. dazu etwa Karl HASEL, Zur Geschichte der Forstgesetzgebung in Preußen, Frankfurt a.M. 1974. Über weite Strecken des ersten Teils, der die Zeit vor dem 19. Jahrhundert behandelt, lehnt sich Hasel stark an die Ausführungen Wilhelm Pfeils aus dem frühen 19. Jahrhundert an (Wilhelm PFEIL, Die Forstpolizeigesetze Deutschlands und Frankreichs nach ihren Grundsätzen, mit besonderer Rücksicht auf die neue Forstpolizeigesetzgebung Preußens, Berlin 1834). Vgl. auch August BERNHARDT, Die Waldwirthschafl und der Waldschutz mit besonderer Rücksicht auf die Waldschutzgesetzgebung in Preußen, Berlin 1869. Martin WEY, Die Forstgesetzgebung im Kanton Solothurn während der Mediationszeit (1803-1813). Ein Beitrag zur solothumischen Forstgeschichte, Diss. jur. Ölten 1991, S. 16, beabsichtigt, für das frühe 19. Jahrhundert „eine vollständige Darstellung über den Beginn einer geregelten Forstwirtschaft und die erste umfassende Forstgesetzgebung im Kanton Solothurn zu geben." Zu einem Aspekt der Forstgesetzgebung, dem Forststrafwesen 1 7 5 0 - 1 7 9 0 , v g l . e t w a BERNHARDT, Waldeigentum 6

II, S. 7 1 - 7 7 .

So einige Themen der umfangreichen Darstellung bei MANTEL, Forstgeschichte, S. 298-417; Richard Β. HILF, Der Wald, Potsdam 1938, S. 217f., leitet beispielsweise Durchforstungsregeln und Sortimentsbezeichnungen aus den Forstgesetzen ab. BERNHARDT, Waldeigentum I, S. 231, merkt an, daß die Forstgesetze bis 1700 das gesamte forstliche Wissen der Zeit enthielten. 7 MANTEL, Forstgeschichte, S. 23, 25, 28, 249, und insbesondere im Anhang. Waldemar WIRZ, Die Forstpolitik der südwestdeutschen Forstordnungen, Diss, nw.-math. masch., Freiburg 1953, S. 37, ist bestrebt, aus den Paragraphenwerken das forstliche Know-how der Zeit abzuleiten; ebenso HILF, Wald, S. 173. KREMSER, Niedersächsische Forstgeschichte, S. 196, beabsichtigt, „die in ihnen enthaltene Evolution des forstlichen Wissens und Wollens herauszuarbeiten". Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts ist der forstliche Wissensstand, auch und sehr viel detaillierter - eingeflossen in die immens zunehmende Forstpublizistik, bei der er sich noch dazu besser einzelnen Personen zuordnen läßt. Daher mag es rühren, daß die Forstgesetze des 19. und 20. Jahrhunderts zwar ebenfalls, jedoch nicht mit gleicher Intensität, erforscht wurden wie ihre Vorläufer bis zum Ende der Frühen Neuzeit, schließlich ließen sich mit den Lehrwerken die gleichen Fragen einfacher beantworten. Bevor die Forstpublizistik jedoch darüber Auskunft geben konnte, waren die forstlichen Rechtstexte vorrangige, wenn nicht sogar einzige Grundlage für Antworten nach dem forstlichen Kenntnisstand. Einem anderen Aspekt widmet sich: G. KAMPFMANN, Die Bevölkerungsentwicklung des Spessarts im Spiegel Kurmainzer Forstordnungen, in: Forstwissenschaftliches Centraiblatt 106 ( 1 9 8 7 ) , S. 2 9 4 - 2 9 9 .

40

C. Ziele der Waldentwicklung

Gremien passierten und welche Stellungnahmen dazu verfaßt wurden.8 Interessanterweise fordert bisweilen die Rechtsgeschichte, dieses Feld zu erforschen.9 Gegen diese erste Lesart, die sich für forstliches Wissen, Entstehungsumstände und Geschichte der Gesetzgebung interessiert, ist von quellenkritischem Standpunkt her nichts einzuwenden. Die Protagonisten der zweiten Lesart sind bemüht, aus den forstlichen Rechtstexten auf historische Waldnutzungen, die forstliche Praxis in der Geschichte, das Verhalten der Bevölkerung und den Waldzustand zu schließen. Diese Lesart ging von der Forstgeschichte aus und wird bis in die Gegenwart fast ausschließlich dort praktiziert. Nicht zuletzt deswegen ist sie eng mit der ersten Lesart verknüpft, und beide Lesarten finden sich oft nebeneinander in den gleichen Werken. Gemeinsam markieren sie die frühesten und lange Zeit einzigen Interpretationsansätze forstlicher Rechtstexte. Allerdings ist es schwierig, diese Lesart klar zu fassen, denn sie wird zumeist nicht explizit, sondern implizit verfolgt. Deshalb ist exakt auf Wortwahl und semantische Verknüpfungen zu achten. Im Ergebnis offenbart sich das zentrale Charaktermerkmal der zweiten Lesart: ein nicht transparentes Changieren zwischen der Quellenebene und den realhistorischen Vorgängen, oft auch die Gleichsetzung beider Ebenen. Dies geschieht zunächst in der überwiegenden Zahl forstgeschichtlicher Werke, um die Waldnutzungen vergangener Tage darzustellen.10 Die Ergebnisse sind haltbar, solange es darum geht, die prinzipiell in einer Region zu einer Zeit ausgeübten oder doch bekannten Formen der Waldnutzung zu ermitteln sowie etwa die Detailregelungen zum Waldfeldbau zu konkretisieren, und nicht generell darauf geschlossen wird, sie seien tatsächlich so angewendet worden.11 8

MANTEL, Forstgeschichte, S. 139-229, mit Blick auf die Grundlagen der Heidelberger Forstgesetze des 16. Jahrhunderts. Wie er skizziert auch KREMSER, Niedersächsische Forstgeschichte, S. 212, „Forstordnungs-Familien". Des weiteren: HASEL, Forstgesetzgebung, S. 86-115, zum preußischen Forstkulturgesetzentwurf; WIRZ, Forstpolitik südwestdeutscher Forstordnungen, S. 30-36, der knapp auf die Entstehungsumstände und Beratungen zu den Forstgesetzen unter anderem in Baden 1723 eingeht; BAUER, Soonwald, S. 95, über Fragebögen, die am Ende des 18. Jahrhunderts vor der Ausarbeitung des Forstgesetzes an die Forstmeister der Pfalz gerichtet wurden, sowie außerhalb der Forstgeschichte ALLMANN, Wald, S. 102f., der eine Verhandlung mit Gemeindevertretern über ein neues Forstgesetz 1588 in der Kurpfalz anreißt. 9

So empfiehlt Reiner SCHULZE, Geschichte der neueren vorkonstitutionellen Gesetzgebung. Zu Forschungsstand und Methodenfragen eines rechtshistorischen Arbeitsgebietes, in: Zs für Rechtsgeschichte. Germanistische Abteilung 98 (1981), S. 157-235, 208f., Gesetzesentwürfe, Gutachten und Kabinettsordres bei der Interpretation der Rechtstexte mit heranzuziehen, nicht zuletzt, um einer positivistischen Sicht vorzubeugen. 10 Gleichermaßen geht es oft auch um den Aufbau der Forstverwaltung, vgl. dazu BERNHARDT, Waldeigentum II, S. 256-276. " Max ENDRES, Die Waldbenutzung vom 13. bis Ende des 18. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Geschichte der Forstpolitik, Tübingen 1888, S. 68, gewinnt, ebenso gültig, „speziellere An-

I. Frühneuzeitliche Forstgesetze im Blickpunkt der Forschung

41

Anders verhält es sich dagegen zum einen mit Aussagen über die forstliche Praxis und zum anderen mit Äußerungen über das Verhalten der Bevölkerung und den Waldzustand, wenn die Perspektive der Rechtstexte beibehalten wird. Kurt Mantel bescheinigt den Forstgesetzen einen neben der Forstwirtschaftslehre maßgeblichen Einfluß auf die praktische Forstwirtschaft.12 Diese habe im 16. Jahrhundert in „Maßnahmen für Walderhaltung, Waldpflege und Waldverjüngung" gemündet.13 Dergestalt werden realhistorische Aussagen ungefiltert aus den Forstgesetzen hergeleitet oder deren Übernahme zumindest nahegelegt. Dieses Beispiel führt eine längere Tradition fort.14 Es hat auch in der jüngeren Forstgeschichte Schule gemacht.15 Regionalstudien liefern die häufigsten Belegstellen für die zweite Lesart.16

haltspunkte für die Verwendung des Holzes" aus den frühen Forstgesetzen. Es handelt sich um den seltenen Fall, daß die Methode offengelegt wird. 12 MANTEL, Forstgeschichte, S. 240: „Soweit die Forstordnungen auch angewendet und Erkenntnisse der Forstwirtschaftslehre beachtet wurden, kann man sagen, daß die praktische Forstwirtschaft des 16. Jahrhunderts im wesentlichen von Forstordnungen und Forstwirtschaftslehre gestaltet wurde." Vgl. zusammengefaßt auch in DERS., Wald und Forst, S. 164. 13 MANTEL, Forstgeschichte, S. 783. Ebd., S. 778, resümiert er: „Das Ergebnis war ein Ubergang von der weit verbreiteten waldverwüstenden unregelmäßigen Hauung in okkupatorischer Bedarfsbefriedigung zur geregelten schlagweisen Hiebsführung, zunächst im Ausschlagwald, dann aber auch im Hochwald." Vgl. auch ebd., S. 22. 14 So leitet Heinrich RUBNER, Forstgeschichte im Zeitalter der industriellen Revolution, Berlin 1967, S. 61 f., punktuell „gute Erfolge" (S. 62) des verfeinerten Schirmschlagverfahrens aus Vorschriften in den Forstgesetzen her; BERNHARDT, Waldeigentum II, S. 328-331, beschränkt sich zwar einerseits darauf, wenngleich er nicht strikt von der Praxis trennt, die Lehrmeinungen zu schildern. Andererseits legt er auf S. 327 mit Forstgesetzen des 18. Jahrhunderts den tatsächlichen Femelschlagbetrieb nahe und schließt so auf den schlagweisen Abtrieb mit Bestandsbegründung, wie SCHWAPPACH, Forst- und Jagdgeschichte I, S. 439 f., auf die Schlageinteilung. 15 HASEL, Forstgeschichte, S. 110, 115 f. DERS., Forstgesetzgebung, S. 9, spricht von einer Einwirkung der Forstgesetze auf die Privatwälder. Ob es um mehr als die rechtliche Einwirkung geht, wird daraus nicht ersichtlich. WIRZ, Forstpolitik südwestdeutscher Forstordnungen, S. 32 (Beispiel Schönbuch), S. 127. KREMSER, Niedersächsische Forstgeschichte, S. 209, folgert aus einem Paragraphen eines Forstgesetzes des 17. Jahrhunderts: „Mit ihm beginnt die eigentliche Wirtschaftsführung im Walde, eine selbständige Forstwirtschaft nach gesetzlich vorgeschriebenen Grundprinzipien." 16 So ergänzt BAUER, Soonwald, die regestenartige Dokumentation des Forstgesetzes für die Hintere Grafschaft Sponheim von 1586 stellenweise um erläuternde Hinweise. Aus den Regeln für den Waldfeldbau schließt er: „Es war also ein geregelter Schlagbetrieb" (S. 201); aus strengen Verboten, unangewiesenes Holz zu entnehmen, folgert er: „Es ist also schon 1586 eine strenge Forstaufsicht sowohl im Gemeinde- als im Privatwald festzustellen" (S. 202). Ebenfalls übernimmt SCHWIND, Wald der Vulkaneifel, S. 51, an einigen wenigen Punkten Ausführungen aus den Paragraphen, etwa über die Waldweide und ihre waldschädigende Wirkung, und reiht sie kritiklos in seine Darstellung ein. Diese Einreihung findet sich stellenweise auch bei Harald TEXTOR, Die Amorbacher Zent. Eine wald-, forst- und wirtschaftsgeschichtliche Untersuchung des Klosterwaldes, des Mitmärkerwaldes, des Herrschafts- bzw. landesherrlichen Waldes vom frühen Mittelalter bis zur Säkularisation, Diss, ηw.-math. Freiburg, Aschaffenburg 1991, S. 99, 127, 131.

42

C. Ziele der Waldentwicklung D i e s e s Verfahren, sich stark an die Aussagen in den forstlichen Rechtstexten

anzulehnen, wird auch gebraucht bei Einschätzungen über die Bevölkerung und den Waldzustand. Ersteres findet sich seltener, wobei Schuldzuweisungen an die Bevölkerung und abwertende Äußerungen über deren Umgang mit dem Wald schlichtweg aus den Rechtstexten abgeschrieben werden und die Herkunft der Aussagen als Zitat überdies elegant durch fehlende Markierung verschleiert wird. 1 7 Insbesondere erfolgt dies bei Aussagen über Delikte der B e völkerung 1 8 und bei Aussagen über den Waldzustand und die Existenz einer Holzmangelsituation. 1 9 Bei diesem Themenkomplex werden die Ausführungen in den Quellen und in der Darstellung am stärksten gleichgesetzt. Dabei wirkt offenbar bis heute eine von August Bernhardt formulierte, sich selbst tragende Argumentationsfigur: Ausdruck der Forsthoheit waren danach die landesherrlichen Forstgesetze. Sie zielten darauf, die Holznot zu beseitigen. U m dieser überhaupt wirksam begegnen zu können, bedurfte es der Forsthoheit; diese legitimiert sich somit selbst. 2 0 Nur gelegentlich zweifeln die Autoren daran, ob die Vorschriften tatsächlich eingehalten wurden. 2 1 D i e s e gewichtigen Einschränkungen, die auf die Grund17 Obwohl eigentlich nicht bauernunfreundlich, gilt dies für BERNHARDT, Waldeigentum II, S. 34. Er macht die Bauern 1750-1790 verantwortlich für „die masslose Verwüstung der herrschaftlichen Waldungen, auf denen Servituten ruhten, und vor allem der bäuerlichen Waldungen selbst". Mit Berichten von Förstern weist SCHWAPPACH, Forst- und Jagdgeschichte I, S. 346, bäuerliche Waldverwüstungen nach. 18 TEXTOR, Amorbacher Zent, S . 1 2 9 , 1 3 4 . 19 Karl HASEL, Die Beziehungen zwischen Land- und Forstwirtschaft in der Sicht des Historikers, in: ZAA 16 (1968), S. 141-159, 149. 20

BERNHARDT, Waldeigentum

21

MANTEL,

II, S. 5 9 f.

Forstgeschichte, S. 2 5 4 , 7 8 5 . DERS., Wald und Forst, S. 1 6 6 , verweist darauf, daß ihre Wirksamkeit davon abhing, wie sie durchgesetzt und angewendet wurden, was anfangs angeblich nur unvollständig geschah. Daß die Vorschriften nichts darüber sagen, ob sie auch beachtet und durchgeführt wurden, und daß Klagen über Nichtbeachtung der Rechtstexte „sicher nicht unbegründet" seien, merkt HASEL, Forstgeschichte, S. 1 1 0 (Zitat), S. 1 1 2 , an. DERS., Forstgesetzgebung, S. 10, 18, 1 1 6 , teilt jeweils ohne Beleg mit, zwei Anordnungen seien nicht mehr beachtet, eine andere hingegen streng durchgeführt worden. ENDRES, Waldbenutzung, S. V, streicht heraus, die Waldnatur beugte sich „auch nicht immer unter das Joch der Gesetze und Verordnungen", oft sei deren Wirkung „zufällig" gewesen. Auch BERNHARDT, Waldeigentum II, S. 6 4 , schneidet das Problem an, ob die Normen befolgt wurden; noch für 1 7 5 0 - 1 7 9 0 , so resümiert er seine Spekulation, „war kein landesherrliches Mandat im Stande, zur Verbesserung des wirtschaftlichen Zustandes der Forsten Wesentliches beizutragen" (S. 4 6 ) . Dem stimmt SCHWAPPACH, Forst- und Jagdgeschichte I, S . 3 8 1 , 4 3 3 , zu, indem er auf das Fehlen einer entsprechenden Exekutive verweist. SCHWIND, Wald der Vulkaneifel, S. 40, hält sich gelegentlich ebenfalls stark damit zurück, dem Wortlaut der Paragraphen zu vertrauen, beispielsweise bei dem Verbot der Ziegenweide oder ihrer zeitweisen Gestattung. In diesem Fall überprüft er die Bestimmungen des Forstgesetzes mit anderen Forstakten. Friedrich HACHENBERG, 2000 Jahre Waldwirtschaft am Mittelrhein. Begleitpublikation zur gleichnamigen Ausstellung des Landesmuseums Koblenz und der Bezirksregierung Koblenz - Forstdirektion, Koblenz 1 9 9 2 , S. 5 7 , bescheinigt wie TEXTOR, Amorbacher Zent, S. 1 6 1 , den Forstgesetzen stellenweise einen dürftigen Erfolg; PACHER,

I. Frühneuzeitliche Forstgesetze im Blickpunkt der Forschung

43

Probleme der Quellenkritik hinweisen, werden also durchaus notiert. Trotzdem läßt innerhalb der Forstgeschichte bislang ein systematisch-methodischer Ansatz als Antwort auf quellenkritische Einwände, welcher grundsätzlich die Aussagekraft der forstlichen Rechtstexte begrenzte, auf sich warten: Die Logik der Quellenkritik bleibt wirkungslos; die punktuellen Zweifel sind kaum so stark, daß sie sich auf den methodischen Zugriff auswirkten.22 Dieser aber ist äußerst problematisch. Formale Aspekte, Entstehungsbedingungen und außerforstliche Elemente oder Interessen, die mit den Quellen verknüpft sein könnten, werden zu selten systematisch ausgelotet. So kommt es, daß oftmals Einteilungsmuster und Gliederung der Rechtstexte übernommen werden, Nacherzählung oder bestenfalls Paraphrasierung dominieren und chronologische Wiedergabe die systematische Analyse verdrängt. Das alles ist zu verkraften, wenngleich es, wo doch schon die Quellen selbst nicht gerade eine spannende, kurzweilige Lektüre bieten, ermüdet23 und langweilt - sowie abgesehen von der Dokumentation auch wenig weiterbringt. Schwerer wiegt hingegen: Wer nicht selbst mit Duktus und Topoi dieser Gattung vertraut ist, vermag zwischen Quellen- und Darstellungsebene nicht mehr zu unterscheiden. Verschwimmen jedoch diese so zentralen Grenzen, indem die theoretische Ebene des Rechts verlassen wird und die Aussagen ungeniert so präsentiert werden, als seien sie realisiert worden, sind die Ergebnisse dieses Verfahrens nichtig. Es ist ausgeschlossen, auf dem Weg der zweiten Lesart nachzuweisen, vorgeschriebene forstliche Maßnahmen seien angewendet worden, die Bauern hätten sich waldschädigend verhalten und es habe eine Holznot existiert. Denn die Belege gründen dann auf einem fast naiv anmutenden Glauben, Norm und Realität seien identisch, was positivistische Annahmen begünstigt. Wird diese Bruchstelle erkannt, wird sie allenfalls stückweise benannt und ansonsten zu verdecken gesucht. Das Argumentationsgebäude der Forstgeschichte wäre, soweit sein Fundament darauf ruht, die Bestimmungen der Forstgesetze zu übernehmen, vom Einsturz bedroht: Viele Aussagen müßten methodisch neu hergeleitet werden. Sieht man von den methodisch anfechtbaren Resultaten ab, folgen aus diesem Zugriff drei grundlegende Weichenstellungen für die Gesamtinterpretation der Forstgeschichte: Schon vorab wird darüber entschieden, daß die bestimmenden Akteure in der Forstwirtschaft die Landesherren sind, waren sie es doch, die die Forstgesetze veranlaßten und mit ihrer Forstverwaltung verwirklichten. Das leistet einer personalistischen, obrigkeitlichen Geschichtssicht Vorschub. Weder dem breiten Erfahrungswissen der bäuerlichen Bevölkerung noch deren spezifischen Zugängen zur Waldwirtschaft oder ihrem Einfluß auf

Forstwirtschaft und Staatswirtschaft, S. 25, vermerkt, daß die „tatsächlichen Verhältnisse im Wald" oftmals anders aussahen, als dies die Forstgesetze ausführten. 22 Vgl. BRANDL, Forstgeschichtliche Forschung. 23 Das fiel auch BERNHARDT, Waldeigentum II, S. 60 auf.

44

C. Ziele der Waldentwicklung

die Gesetzgebung wird dabei Raum zugestanden. Außerdem geriet die Forstgeschichte darüber in weiten Teilen zu einer Forstgesetzgeschichte, die mit riesigem Arbeitseifer immer wieder Quellen einer Gattung aneinanderreihte, statt arbeitsökonomisch sinnvoller, weitaus ertragreicher und erkenntnisfördernder - neue Quellenarten zu suchen. Ob den Forstgesetzen tatsächlich der oft betonte zentrale Stellenwert zukommt, blieb daher unbezweifelt. 24 Aus dem Blickfeld der Lehrbücher verschwand obendrein die Praxis der Forstwirtschaft; denn die Parameter für die Entwicklungslinien und Periodisierungsvorschläge in der Geschichte der Forstwirtschaft fußen allein auf den forstlichen Rechtstexten und der artverwandten Forstpublizistik. Daß Gliederung, Perspektive und Blindflecke dieser Quellengattung oftmals schlicht reproduziert wurden, beeinflußte die Sichtweise der Forstgeschichtier maßgeblich: In zentralen Punkten schrieben sie dadurch den historischen Diskurs des 18. Jahrhunderts fort. Diese empirisch ent-, aber an die beruflichen Ahnen angekoppelte Forstgeschichte war praktikabel und versprach griffige, eindeutige Ergebnisse, die offenbar nicht nur den Ansprüchen genügten, sondern sich auch den Zielen fügten. Nur so ist es zu verstehen, daß in der Forstgeschichte die vorhandenen methodischen Anregungen und Innovationen von innen und außen auf wenig Resonanz stießen. Die dritte Lesart ist in der Geschichtswissenschaft seit gut einem Jahrzehnt zu finden. Ihre Vertreter verstehen sie als Gegenposition zum zweiten Ansatz und entwickelten sie aus dieser Abgrenzung zur „gouveraementalen Sicht". 25 Kennzeichnend ist dabei zum einen, daß die Diskrepanz zwischen Norm und Realität hervorgehoben wird. So bezweifelt Ingrid Schäfer, ob die Forstgesetze auf reale Herausforderungen in der Waldentwicklung reagierten. Das geschriebene Wort in den forstlichen Rechtstexten drückt auch für Joachim Allmann nicht reale Sachverhalte aus. 26 Ihm stimmen Joachim Radkau und Ingrid Schäfer mit der Feststellung zu, daß sich in den Forstgesetzen die „tatsächlichen Veränderungen der Waldnutzungsweisen" nicht niederschlugen, eine Waldgeschichte folglich erst dahinter zu rekonstruieren sei 2 7 Zu unterscheiden sei daher zwischen einer verbal-vordergründigen und einer übergeordneten Ebene. 28 Hinter der Geschichte der Forstgesetze sei die ökologische Geschichte des Waldes zu erforschen. Denn das Leben des Waldes nur als Abfolge von Verordnungen zu sehen, „kann die realen Vorgänge förmlich verschleiern". 29 Auch

24

SCHWAPPACH, Forst- und Jagdgeschichte I, S. 280, spricht von der „wichtigsten" Quelle; ENDRES, Waldbenutzung, S. V, hält sie für „wichtig"; HASEL, Forstgeschichte, S. 110, für „unentbehrlich". Für MANTEL, Forstgeschichte, S. 27, bilden sie die „tragenden Elemente". 25 RADKAU, Holz Verknappung und Krisenbewußtsein, S. 516. 26 27 28

29

SCHÄFER, Politik mit der Holznot, S. 17; ALLMANN, Wald, S. 4 3 . ALLMANN, Wald, S. 3 4 5 (Zitat), RADKAU; SCHÄFER, Holz, S. 103. ALLMANN, Wald, S. 6 7 .

Joachim RADKAU, Umweltprobleme als Schlüssel zur Periodisierung der Technikge-

I. Frühneuzeitliche Forstgesetze im Blickpunkt der Forschung

45

weil „unbeantwortet" sei, wie wirksam die Forstgesetze waren, und viele von ihnen nur auf dem Papier gestanden hätten, lasse sich die Forstpraxis daraus nicht ableiten.30 In dieser Sicht werden die Kritiker von der rechtshistorischen Forschung bestärkt.31 „Selten wird im Gesetzesrecht", so hob Karl S. Bader frühzeitig hervor, „Wesentliches über das tatsächliche Geschehen ausgesagt", und unlängst konstatierte auch Gerd Schwerhoff, daß in der Vormoderne die Diskrepanz zwischen Norm und Realität bestimmend sei und sie deshalb als „signifikantes Charakteristikum" der Epoche Interesse verdiente.32 Obwohl sich beide auf die Strafrechtsgeschichte beziehen, gelten diese Aussagen auch allgemein. Reiner Schulze empfiehlt beispielsweise, sich den „Erscheinungsformen und Wirkungsweisen [der Gesetze] in den tatsächlichen rechtlich-sozialen" Vorgängen zu widmen. Hans Schlosser fragt danach, ob es überhaupt möglich gewesen sei, die Gesetze zu überwachen, und diskutiert die - allerdings nicht pauschale - Geltungsschwäche frühneuzeitlicher Gesetze. 33 Jürgen Schlumbohm regte daher an, „Gesetze, die nicht durchgesetzt werden", sogar als „Strukturmerkmal des frühneuzeitlichen Staates" zu betrachten.34 Mit dieser Quellenkritik wird zugleich ein methodischer Weg herauskristallisiert. Bereits in den 1950er Jahren akzentuierte Bader „das unbeirrte Weitergehen auf dem Weg zu den atypischen, zu den außerrechtlichen Quellen, das Einbeziehen des Tatsachenstoffes, der uns zeigt, wie es war, nicht nur, wie es sein sollte". Mit Blick darauf befürwortete Hans Schlosser, den Kontext der schichte, in: Technikgeschichte 57 (1990), S. 345-361, 346 (Zitat). Ähnlich auch noch mal in DERS., Umweltgeschichte 1993, S. 98. Gleiches betont ALLMANN, Wald, S. 67. 30

31

RADKAU; SCHÄFER, Holz,

S. 102 (Zitat), S. 173.

Barbara DÖLEMEYER; Diethelm KLIPPEL (Hgg.), Gesetz und Gesetzgebung im Europa der Frühen Neuzeit, Berlin 1998. 32 Karl Siegfried BADER, Aufgaben, Methoden und Grenzen einer historischen Kriminologie, in: Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht 71 (1956), S. 17-31; Gerd SCHWERHOFF, Devianz in der alteuropäischen Gesellschaft. Umrisse einer historischen Kriminalitätsforschung, in: ZHF 19 (1992), S. 385-414, 388. Ob die Probleme, die er auf S. 394 für die Strafrechtsgeschichte benennt, auch auf die Forstgeschichte zutreffen, wäre zu prüfen: ein affirmatives Staatsverständnis, die Vorstellung eines natürlichen Fortschritts der Gesetzgebung und schließlich die Annahme eines grundlegenden gesellschaftlichen Konsenses über Normen und Werte. 33 SCHULZE, Gesetzgebung, S. 213; Hans SCHLOSSER, Gesetzgebung und Rechtswirklichkeit im Territorialstaat der frühen Neuzeit. Am Beispiel des Landesfürstentums Bayern (16./ 17. Jahrhundert), in: Diritto e Potere nella Storia Europea, Bd. 1, Atti in onore di Bruno Paradisi, Florenz 1982, S. 528-542, 537f.; HÄRTER; STOLLEIS, Repertorium, S. 3. Georg-Christoph von UNRUH, Polizei, Polizeiwissenschaft und Kameralistik, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte I, S. 388^-27, 397 zeigt mit Thomasius, daß schon die Zeitgenossen an der Einhaltung zweifelten: Dieser spottete, die Policeyordnungen würden von niemand gehalten als von den Kirchentüren und anderen Orten, an denen sie angeschlagen waren. 34 Jürgen SCHLUMBOHM, Gesetze, die nicht durchgesetzt werden - ein Strukturmerkmal des frühneuzeitlichen Staates? in: CG 23 (1997), S. 647-663.

46

C. Ziele der Waldentwicklung

Rechtsquellen miteinzubeziehen.35 Bernhard Diestelkamp strebte deshalb an, weniger den legislatorischen Akt und seine schriftliche Fixierung als vielmehr die Wirkungsgeschichte normierten Rechts zu untersuchen.36 Sowohl die innerhalb der dritten Lesart gestellte Frage nach der tatsächlichen Geltung forstlicher Rechtstexte als auch der dort favorisierte methodische Weg, über sie hinauszugreifen, werden also von Überlegungen in der Rechtsgeschichte gestützt, die unabhängig davon angestellt wurden. Zudem betonen die Anhänger der dritten Lesart den herrschaftlichen Gehalt forstlicher Rechtstexte. Schon früh hat Albrecht Timm die Weistümer so erschlossen, wobei ihn ebenso die wirtschaftsgeschichtlichen Aussagen der Quellen und ihr Zusammenhang mit der Wüstungsbildung und Stadtwirtschaft interessierten.37 Nachdrücklich löst Joachim Allmann die Forstgesetze aus dem forstlichen Zusammenhang, indem er ihren Charakter als Herrschaftsinstrumente herausstreicht. Sie sollten nicht den Wald, sondern die Landesherrschaft stabilisieren. Die forstlichen Rechtstexte sieht er als „zunehmend klarere Verwaltungsinstrumente", die zumindest theoretisch das „strategische Rüstzeug" boten, um entschiedene Machtansprüche - über Waldprodukte, -fläche und -räum - durchzusetzen.38 So diente der Wald aus dieser Perspektive nur als Mittel, um über die Art seiner Nutzung die unteren Schichten zu kontrollieren und zu beherrschen sowie herrschaftliches Selbstverständnis zu bekunden; Forstgesetze galten daher weniger dem Forst als der Ordnung.39 Bei dieser Lesart, die den forstlichen Rechtstexten äußerst quellenkritisch begegnet, sie nahezu ausschließlich als Herrschaftsinstrumente auffaßt, besteht die Gefahr, den herrschaftlichen Gehalt zu überschätzen. Dies mutet zudem widersprüchlich an, da hier andererseits doch an der Wirksamkeit dieses Instru35

Karl Siegfried BADER, Aufgaben und Methoden des Rechtshistorikers, in: Recht und Staat in Geschichte und Gegenwart 162(1951),S. 1-19, 13 (Zitat); auf S. 11 trennt er scharf zwischen dem Sollzustand und der Seinsordnung; SCHLOSSER, Rechtswirklichkeit, S. 542. 36 Bernhard DIESTELKAMP, Einige Beobachtungen zur Geschichte des Gesetzes in vorkonstit u t i o n e l l e r Z e i t , in: Z H F 10 ( 1 9 8 3 ) , S . 3 8 5 ^ 1 2 0 , 3 8 5 F . ; SCHULZE, G e s e t z g e b u n g , S . 1 8 9 u n -

terstützt diese Vorgehensweise, die Diestelkamp an anderer Stelle exemplifiziert hat. Vgl. die aufgrund dieser Anregungen entstandene Arbeit: Hagen WEND, Die Anwendung des Trierer Landrechts von 1668/1713 im rechtsrheinischen Teil des Kurstaates und in benachbarten Gebieten. Zugleich eine Studie zum Verhältnis zwischen Gesetzestext und der Rechtswirklichkeit im ausgehenden 17. und 18. Jahrhundert, Diss, jur., Frankfurt 1973. 37

Albrecht TIMM, Die Waldnutzung in Nordwestdeutschland im Spiegel der Weistümer. Einleitende Untersuchungen über die Umgestaltung des Stadt-Land-Verhältnisses im Spätmittelalter, Köln, Graz 1960. 38 ALLMANN, Wald, S. 75, 126 (beide Zitate). Zur Herrschaft über die Fläche RADKAU; SCHÄFER, Holz, S. 58, und Heinz MOHNHAUPT, Rechtliche Instrumente der Raumbeherrschung, in: Ius Commune 14 (1987), S. 159-181. Auch HASEL, Forstgeschichte, S. 109, erkennt ansatzweise die herrschaftliche Komponente der Forsthoheit, wenn er von den Forstgesetzen als einem „Glied im herrschenden System der Bevormundung" spricht. Dies übernimmt er fast wörtlich von BERNHARDT, Waldeigentum I, S. 225. 39

ALLMANN, Wald,

S. 77, 126, 3 4 6 .

I. Frühneuzeitliche Forstgesetze im Blickpunkt der Forschung

47

mentes stark gezweifelt wird. So könnte in der Gesamtsicht die Bedeutung forstlicher Rechtstexte als zeitgenössische Rechtsgrundlage - ob verwirklicht oder nicht - verkannt werden. Indem die Vertreter dieser Lesart diese Quellen ferner stark diskreditieren, um mit ihnen forstliche Fragen zu behandeln, berauben sie sich einer hervorragenden Quellengattung. Als Ausweg gilt auch hier, was Gerd Schwerhoff für die ähnlich gelagerten Probleme in der Strafrechtsgeschichte klarstellt: Die Mandate, Gesetze und Verordnungen bleiben ein untersuchenswertes Objekt, nur verändern sich ihr Stellenwert und ihre Aussagekraft. 40 So gewinnbringend - weil zutreffend - die fundamentale Kritik der dritten Lesart an den bis dahin vorherrschenden Interpretationsrichtungen also war: Im Ergebnis kann das nicht bedeuten, forstliche Rechtstexte komplett, oder doch weitestgehend ihren forstlichen Gehalt zu ignorieren. Die hier zu entwickelnde vierte Lesart baut die Diskussion zur zweiten und dritten Lesart erstmals konsequent zu einem neuen Ansatz aus. Der Kulturgeograph Winfried Schenk betont: „Die Feudalherrschaften und nach der Mediatisierung der Staat formulierten ihre Ansprüche an den Wald über Forstordnungen, Erlasse, Gesetze [umd] Dorfordnungen."41 Sie geben deshalb optimal darüber Auskunft, welche Zwecke die Gesetzgeber im Wald verfolgten, und enthalten daher die Ziele der Waldpolitik. Die Quellen umgreifen dabei gleichermaßen herrschaftliche wie forstliche Belange. Ob und inwiefern tatsächlich praktische Maßnahmen daraus resultierten, müssen andere Quellen klären. Ein erneuter Blick in die rechtshistorische Forschung kann diese Lesart fundieren und erweitern. So ließ Wilhelm Ebel das Rechtsgebot im Gegensatz zu Weistum und Satzung als „Wille der Obrigkeit" gelten.42 Rechtsgebote er-

40

SCHWERHOFF, Kriminalitätsforschung, S. 3 8 8 .

41

SCHENK, Waldnutzung, Waldzustand und regionale Entwicklung, S. 82. Die Forstgesetze treten bei ihm stark in den Hintergrund. Er führt für diese Sichtweise neben Allmann Otto EICHHORN, Der waldbauliche Gehalt der südwestdeutschen Forstordnungen, Diss, nw.math. Freiburg 1952 an. Dieser legte allerdings eine eher konventionelle Studie vor und irrte gewaltig darin, statt in den Forstgesetzen in der Literatur erfahren zu wollen, „wie die Wälder bewirtschaftet wurden" (S. 76). Schenk könnte ebenso HASEL, Forstgeschichte, S. 112 bemühen, für den eine Vorschrift „zunächst nur eine Willenserklärung der Obrigkeit" darstellte, und sogar ENDRES, Waldbenutzung, S. 104, der 1888 ausführte: „In wiefern jene [die Forstgesetze bis 1650] im Stande waren, dem Walde seine richtige Stellung in der Oekonomie der Gemeinwirtschaften anzuweisen, lässt sich direkt durch die Forstordnungen nicht prüfen, wohl aber sind in denselben die [...] charakteristischen und wesentlichen Willensäußerungen der Landesherren niedergelegt." 42

Wilhelm EBEL, Geschichte der Gesetzgebung in Deutschland, 2., erw. Auflage Göttingen 1958, S. 26. Ob das Verkündete .Verordnung', .Mandat', ,Edikt' oder .Gesetz' genannt wurde, folgte keiner strengen Systematik und ist deshalb nachgeordnet. Wichtiger ist nach Rolf GRAWERT, Art. .Gesetz', in: Otto BRUNNER, Werner CONZE, Reinhart KOSELLECK

(Hgg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Stuttgart 1975, Bd. 2, S. 863-922, 892, daß die Befehlsakte in den Rechtsgeboten stärker hervortreten und dabei Vereinbarungsaspekte zurückdrängen. Den Herrscherwillen sehen in den Gesetzen ebenso Heinz MOHNHAUPT, Potestas legislatoria und Ge-

48

C. Ziele der Waldentwicklung

streckten sich auf unterschiedlichste Materien, „deren Ordnung und Verwaltung der Landesherr als Obrigkeit übernimmt".43 Dies faßt der Begriff der .Policey' zusammen. Policey meinte dabei mindestens dreierlei: den Zustand ,guter Ordnung'; das Gemeinwesen selbst; die Mittel und Wege, um diesen Zustand herzustellen, insbesondere die dazu dienenden obrigkeitlichen Tätigkeiten, wie den Erlaß von Geboten. 44 Letztere wurden daher als Policeyordnungen bezeichnet und bildeten mit den Landesordnungen die Hauptform der Gesetzgebung bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.45 Zeitgenössisch verstand man im 16. Jahrhundert darunter zunächst nur umfassende Ordnungen, die mehrere sachlich verschiedene Gegenstände zusammenfaßten. Im weiteren Sinne, in dem der Begriff hier verwendet werden soll, traten dann jedoch Einzel- und Sonderverordnungen hinzu, die nur bestimmte Bereiche erfaßten. Nach diesem Verständnis zählen die Forstgesetze des 16. bis 18. Jahrhunderts zu den Policeyordnungen und zur Policeygesetzgebung. 46 Auch weil dieser Konnex Forstsetzesbegriff im Ancien Regime, in: Ius Commune 4 (1972), S. 188-239, 202 und SCHLOSSER, Rechtswirklichkeit, S. 531 f.; HÄRTER; STOLLEIS, Repertorium, S. 2, erkennen darin „zentrale Intentionen", welche die Gesetzgeber realisieren wollten. Zur Entstehung der Weistümer vgl. etwa: Helmuth FEIGL, Von der mündlichen Rechtsweisung zur Aufzeichnung. Die Entstehung der Weistümer und verwandter Quellen, in: Peter CLASSEN (Hg.), Recht und Schrift im Mittelalter, Sigmaringen 1977, S. 425-448. 43

EBEL, Gesetzgebung, S. 59. SCHLOSSER, Rechtswirklichkeit, S. 536, zählt an Lebensbereichen, in die eingegriffen wurde, auf: „Kleider-, Luxusverbote, Hochzeits-, Begräbnisverordnungen, Glücksspiel, Getreide-, Lebensmittelexporte, Lohntarife, Wucherverbote, obrigkeitliche Ehekonsense, Schulwesen und ganz allgemeines, der Zucht, Sitte und Religion entsprechendes Wohlverhalten." 44 Franz-Ludwig KNEMEYER, Art.,Polizei', in: Otto BRUNNER, Werner CONZE, Reinhart KoSELLECK (Hgg.), Geschichtliche Grundbegriffe. Historisches Lexikon zur politisch-sozialen Sprache in Deutschland, Stuttgart 1978, Bd. 4, S. 875-897, 875-879. Hier auch der Hinweis, daß zu Beginn des 18. Jahrhunderts inhaltliche Bestimmungen der Policey an ökonomische Ziele gebunden wurden; Reiner SCHULZE, Policey und Gesetzgebungslehre im 18. Jahrhundert, Berlin 1982, S. 14-16. 45

EBEL, Gesetzgebung, S. 60-62. Zum Begriff .Gesetz' vgl. DIESTELKAMP, Geschichte des Gesetzes, S. 389-391, und Karl KROESCHELL, Deutsche Rechtsgeschichte, Bd. 2, 1250-1650, 7. Aufl. Opladen 1989 (1. Aufl. 1973), Bd. 3, seit 1650, 2. Aufl. Opladen 1993 (1. Aufl. 1989), III, S. 83 f. 46 HRG, Art. ,Polizeiordnungen', Bd. 3, Sp. 1803-1808 (Gustaf Klemens Schmelzeisen); Karl HÄRTER, Entwicklung und Funktion der Policeygesetzgebung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation im 16. Jahrhundert, in: Ius Commune 20 (1993), S. 61-141, 62f.; zum Dargestellten und mit ausdrücklicher Erwähnung der Forstgesetze als Teil der Policeygesetzgebung EBEL, Gesetzgebung, S. 60-62, und Hans MAIER, Die ältere deutsche Staatsund Verwaltungslehre, Polizeiwissenschaft: ein Beitrag zur Geschichte der politischen Wissenschaft in Deutschland, 2. Aufl. München 1980 (1. Aufl. 1958), S. 108. Massiv wird diese Sicht jüngst gestützt durch HÄRTER; STOLLEIS, Repertorium, die die entsprechenden Texte wie selbstverständlich aufnehmen. Wie wegweisend dies sein dürfte, wird indes erst deutlich, wenn man bedenkt, daß die Rechtsgeschichte sich dieser Quellengruppe bislang fast gar nicht widmete. KREMSER, Niedersächsische Forstgeschichte, S. 206, erwähnt eine Holzordnung von 1618, die in eine Policeyordnung eingefügt war. Vgl. auch SCHWAPPACH, Forstund Jagdgeschichte I, S. 283.

I. Frühneuzeitliche Forstgesetze im Blickpunkt der Forschung

49

historikern regelmäßig entgeht, ist besonderes Gewicht auf die Begrifflichkeit zu legen. Es ist kaum von der Hand zu weisen, daß sie .Ordnung' nicht so sehr rechtshistorisch als Ergebnis eines legislatorischen Aktes verstehen, sondern vielmehr in der allgemeinsprachlichen (positiven) Konnotation als Gegensatz zu .Unordnung'. Um diesen Irrweg auch sprachlich zu verstellen, ist hier von Forstgesetzen die Rede. 47 Es handelt sich also um ein „Lenkungsinstrument" 48 in der Hand des Landesherren, mit dem er flexibel auf Änderungen der sozialen und wirtschaftlichen Umstände reagierte und insbesondere nach dem Dreißigjährigen Krieg „in alle Bereiche des Lebens formend und reglementierend" eingriff. 49 Von entscheidender Bedeutung ist zweierlei: Zum einen entspringen die Policey- und Landesordnungen, wie Dietmar Willoweit für das 16. Jahrhundert hervorhebt, „nicht lediglich einem aktuellen Regelungsbedürfnis, sondern einem breiten und allgemein überzeugenden Trend zur Normativität herrschaftlichen Handelns." 50 Sie reihen sich deshalb zunächst einmal unspektakulär in die allgemeine Policeygesetzgebung ein. Dies schafft eine völlig neue Interpretationsbasis für forstliche Fragestellungen: Denn so besehen zeugen die Quellen offenbar nicht nur von Entwicklungen im Wald, sondern mindestens ebenso von verwaltungsorganisatorischen Wegmarken, indem sie auch Ausdruck des verbesserten Kanzlei wesens und der insgesamt höheren Regelungsdichte waren. Als umfassender Prozeß wird die zunehmende Regelung sozialen, wirtschaftlichen und politischen Verhaltens durch Rechtsetzung mit dem Begriff Verrechtlichung gebündelt. 51 Sie ergriff auch das Waldwesen. Hier 47

Zum bereits zeitgenössisch synonymen Gebrauch von Policeyordnung und -gesetz HÄRTER; STOLLEIS, Repertorium, S. 2. Typologisch, ebd., S. 12-14, regelt eine .Ordnung' im Gegensatz zu einer Policeyordnung nur einen größeren Bereich umfassend und ist auch äußerlich durch mehrere Artikel oder Paragraphen als solche zu erkennen, wohingegen eine .Verordnung' formal nicht untergliedert und sachlich eng begrenzt ist. Diese Typologie bleibt notwendig unscharf. Auch HILF, Wald, S. 185, sieht die Forstgesetzgebung als Teil der allgemeinen Landesgesetzgebung. Auch heute ist etwa die Strafprozeßordnung ein formales Gesetz. 48 HRG, Art. ,Polizeiordnungen', Bd. 3, Sp. 1803-1808 (Gustaf Klemens Schmelzeisen), Sp. 1803 f. (Zitat). Den instrumentellen Charakter betonen auch SCHLOSSER, Rechtswirklichkeit, S. 531 f., und MOHNHAUPT, Potestas legislatoria, S. 238. 49

SCHLOSSER,

Rechtswirklichkeit,

S. 5 2 8 ;

SCHULZE,

Gesetzgebung,

S . 2 0 1 f.;

MAIER,

Staats- und Verwaltungslehre, S. 109 (Zitat). HÄRTER; STOLLEIS, Repertorium, S. 16-31, unterscheiden in ihrem am Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt a.M. entwickelten systematischen, hierarchisch-dreistufigen Sachindex der Policeymaterien fünf Regelungsbereiche: 1. Gesellschafts- und Sozialordnung, Religion; 2. Öffentliche Sicherheit und Ordnung; 3. Sozialwesen, Gesundheits- und Erziehungswesen, Kultur; 4. Wirtschaftsordnung, Arbeits- und Berufsordnung; 5. Bodenordnung, Bau- und Grundstückswesen, Öffentliche Einrichtungen. 50 Dietmar WILLOWEIT, Allgemeine Merkmale der Verwaltungsorganisation in den Territorien, in: Deutsche Verwaltungsgeschichte I, S. 289-346, 289. Als allgemeine Entwicklung dürfte dies für die gesamte Frühe Neuzeit zutreffen. 51 Allgemein: Winfried SCHULZE, Einführung in die Neuere Geschichte, 2., verbesserte Auf-

50

C. Ziele der Waldentwicklung

wird erkennbar, wie sich die Verrechtlichung nicht nur auf Zivil- und Kriminalsachen erstreckte, sondern zusehends auch auf neue Bereiche. Bislang hat die Forschung das Waldwesen noch nicht mit dem Fundamentalprozeß Verrechtlichung in der Frühen Neuzeit in Verbindung gebracht. Zum anderen wohnt den Forstgesetzen die Eigenart geschichtlicher Gesetzgebung inne. Die Policey- und Landesordnungen sind nicht „allein als Rechtsetzung - im Sinne der Schaffung neuer Normen -, sondern auch als Rechtsdarstellung - im Sinne der Fixierung und Ordnung bestehenden Rechts - durch eine übergeordnete Autorität" zu begreifen. 52 Es werden also Normen in die obrigkeitliche Regelungstätigkeit einbezogen, die nicht staatlicher Initiative entsprangen. Wie somit das Gewohnheitsrecht überlagert wird, verdient besondere Betrachtung.53 Gesetze als Ergebnis autoritativer Setzung und Darstellung von Recht zu begreifen, ist in der rechtshistorischen Forschung anerkannt.54 Überträgt man diesen Gedankengang auf die Lesarten forstlicher Rechtstexte, so ist einerseits völlig zu Recht danach zu fragen, wie sie in den Umgang mit dem Wald eingriffen, indem sie versuchten, neue Normen zu setzen.55 Genauso belangvoll aber ist es, zugleich darauf zu achten, inwieweit sie gewohnheitsrechtliche Normen anderen - älteren - Ursprungs aufgriffen und somit lediglich einen Wandel der Überlieferungsform anzeigen.56 Aus diesem zweifachen Ursprung resultiert somit der spezifische Doppelcharakter forstlicher Rechtstexte: Einerseits zielten sie auf Veränderung, was sich insbesondere in den durch rigorose Strafdrohungen untermauerten Befehlen ausdrückt57, andererseits aber sanktionierten sie bisher gängige Praxis und boten dadurch „Gewähr und Befestigung".58 Die Ursprünge der Forstgesetze lagen also nicht alleine bei den Landesherren, und die Rechtstexte enthielten nicht nur Ge- und Verbote, sondern erlaubten zugleich vielfältigste Tätigkeiten und stellten sie auf eine neue Grundlage. Das ist bislang noch nicht gesehen worden. Die forstlichen Rechtstexte in die Entwicklung der allgemeinen frühneuzeitlichen Gesetzgebung einzuordnen unterstützt die Interpretationsrichtung, mit ihnen die Ansprüche und Ziele des läge, Stuttgart 1991, S. 62f.; speziell: DERS., Zur veränderten Bedeutung sozialer Konflikte im 16. und 17. Jahrhundert, in: Hans-Ulrich WEHLER (Hg.), Der deutsche Bauernkrieg 1524-1526, Göttingen 1975, S. 277-302. 52 SCHULZE, Gesetzgebung, S. 166. Dazu mit Blick auf die .Kodifikationen' KROESCHELL, Rechtsgeschichte III, S. 70f. 53 Ebd., S. 165 f. 54 DIESTELKAMP, Geschichte des Gesetzes, S. 390. 55 Dies hatte neben obigen Ausführungen auch ALLMANN, Wald, S. 347, bekräftigt. 56 Dazu allgemein SCHULZE, Gesetzgebung, S. 166. TIMM, Waldnutzung, S. 28, flicht in diesem Zusammenhang ein, daß Beauftragte der Landesherren aus protokollierten Absprachen „allmählich" die landesherrlichen Ordnungen gestalteten. Vgl. dies auch als Seitenaspekt b e i MANTEL, Forstgeschichte,

S. 777, 797.

57

SCHLOSSER, R e c h t s w i r k l i c h k e i t , S . 5 3 5 .

58

SCHULZE, G e s e t z g e b u n g , S . 2 0 0 .

I. Frühneuzeitliche Forstgesetze im Blickpunkt der Forschung

51

Gesetzgebers vor dem Hintergrund der Policeygesetzgebung und Verrechtlichung darzulegen; ihr Charakter als Setzung und Darstellung von Recht verdeutlicht ihre ambivalente Stellung zum konkreten Geschehen. Diese Lesart hält einer Quellenkritik stand. Daher verspricht dieser Ansatz gültige Ergebnisse, zumal er überdies weder den waldbaulichen noch den herrschaftlichen Gehalt einseitig berücksichtigt.59 Doch nicht nur deshalb empfiehlt er sich als gute Option, um die forstlichen Rechtstexte zu untersuchen. Es kommt hinzu, daß er auch zu neuesten Diskussionen innerhalb der Umweltgeschichte paßt. Jürgen Büschenfeld hat in seiner Studie zur Gewässerhygiene dargelegt, wie Naturwissenschaft, Politik und Recht zur Normierung des menschlichen Naturbedürfnisses beitrugen.60 Diese Fragestellung könnte das Profil der Umweltgeschichte weiter schärfen, denn offenbar sind auch für Wasser, Boden und Luft im rechtlichen Bereich schon früh Bestrebungen zu erkennen, die sich um die juristische und politische, später auch die wissenschaftliche Normierung des Naturbedürfnisses drehten. Die forstlichen Rechtstexte widmen sich diesem Aspekt ebenfalls, da sie anteilig auch immer verfügen oder niederschreiben, wer wo in welchem Maße die Waldressourcen zu nutzen berechtigt sein sollte: Dergestalt normierten sie das menschliche Naturbedürfnis im und am Wald. Zusammengefaßt ermöglicht der hier verfolgte Ansatz, die exzellente Quellengattung der forstlichen Rechtstexte angemessen auszuschöpfen: Sie enthalten die Ziele der landesherrlichen Politik für die drei Waldtypen sowie Strafverfolgung und Verwaltung. Mitzubedenken sind dabei stets: der Trend zur Normativität herrschaftlichen Verhaltens und die Eigenart der Quelle, Recht zu setzen und darzustellen. Zugleich läßt sich so verfolgen, wie widerstreitende Interessen zum Zeitpunkt ihrer Niederschrift in Paragraphenform gegossen wurden und so das menschliche Naturbedürfnis rechtlich normiert wurde. Vorab sind noch zwei allgemeine Probleme bei der Untersuchung von Gesetzen anzuschneiden: Die Gesetzgeber wiederholten die Gesetze häufig, zum Teil im gleichen Wortlaut. Dies hing auch mit Herrscherwechseln zusammen. Ganz generell bedeutet die Wiederholung eines Gesetzes nicht notwendigerweise, daß es unwirksam war oder der Gesetzgeber den Normen besonderen Nachdruck verlei59

Die frühneuzeitlichen Gesetze werden oftmals auch im Zusammenhang mit der Frage einer Sozialdisziplinierung diskutiert. Dies wird hier nicht angestrebt. Vgl. dazu Gerhard OESTREICH, Strukturprobleme des europäischen Absolutismus, in: DERS., Geist und Gehalt des frühmodemen Staates, Berlin 1969, S. 179-197; Winfried SCHULZE, Gerhard Oestreichs Begriff „Sozialdisziplinierung in der frühen Neuzeit", in: ZHF 14 (1987), S. 265-302; Michael PRINZ, Sozialdisziplinierung und Konfessionalisierung. Neuere Fragestellungen in der Sozialgeschichte der frühen Neuzeit, in: Westfälische Forschungen 42 (1992), S. 1-25. Vgl. für den Wald auch ALLMANN, Wald, S. 346. 60 Jürgen BÜSCHENFELD, Flüsse und Kloaken. Umweltfragen im Zeitalter der Industrialisierung (1870-1918), Stuttgart 1997, S. 172, 186, 320. Insbesondere untersucht er die Genese des Grenzwertkonzeptes und dessen praktische Anwendung; S. 166-189.

52

C. Ziele der Waldentwicklung

hen wollte. Denn vor Ort wurden die Nonnen ohnehin jährlich oder halbjährlich verlesen; an dem, was die Betroffenen vernahmen, änderte sich also durch Gesetzeswiederholungen nichts.61 Vielfach steht die Frage der Wirksamkeit der Gesetze im Raum. Doch sie kann nicht pauschal beantwortet werden. Denn dabei ist nicht nur räumlich und nach Materien zu differenzieren, sondern auch zeitlich. Die Indizien aus dem forstlichen Bereich deuten darauf hin, daß die Gesetze unmittelbar nach der Verkündung stärker beachtet wurden als einige Jahre danach. Vielleicht waren frühneuzeitliche Gesetze ja kurzatmig, so daß ihnen nach einiger Zeit die Luft ausging - und die Gesetzgeber sie dann wiederholen mußten.62

II. Forstgesetzgebung 1500-1800 Diese vierte Lesart soll nun dazu dienen, die Forstgesetzgebung in Hunsrück und Eifel eingehend zu analysieren. In einem ersten Schritt werden die behandelten Dokumente jeweils kurz vorgestellt. Von Bedeutung ist dabei, wie weit sich ihre Geltung räumlich und inhaltlich erstreckte. Grundsätzlich gab es fünf inhaltliche Kernbereiche. Das waren Normen zum Holzproduktionswald, zum Landwirtschaftswald, zum Jagdwald und außerdem zu Forstdelikten und Verwaltungsangelegenheiten. Ferner behandelten die Forstgesetze am Rande Fragen von Handel und Gewerbe. In Kurtrierergingen 1584,1720 und 1786 landesherrliche Forstgesetze, Einzelverordnungen liegen vom 17. Jahrhundert bis zum Ende des 18. Jahrhunderts vor.63 61

HASEL, Forstgeschichte,

S. 112; SCHÄFER, Politik

mit der Holznot,

S. 4 4 ; Philipp MEYER,

Zur Verlesung landesherrlicher Verordnungen von den Kanzeln Niedersachsens 16.-19. Jahrhundert, in: Jb der Gesellschaft für Niedersächsische Kirchengeschichte (1950), S. 1 0 9 - 1 1 9 ; Andreas GESTRICH, Absolutismus

und Öffentlichkeit.

Politische

im 48 Kom-

munikation in Deutschland zu Beginn des 18. Jahrhunderts, Göttingen 1994. 62 Vgl. dazu auch SCHLUMBOHM, Gesetze. 63 Ungedruckt ist das Forstgesetz Kurtrier (Idarwald) 1584, LHAK 1 C 8054, fol. 179-191. Gedruckt sind: Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti (= J. J. SCOTTI, Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem vormaligen Churfürstenthum Trier über Gegenstände der Landeshoheit, Verfassung, Verwaltung und Rechtspflege ergangen sind..., Tie. 1-3, Düsseldorf 1832) Nr. 371, S. 822-857; Forstgesetz Kurtrier 1768, Scotti Nr. 670, S. 1217-1221 und Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1378-1436. Gleiches gilt für die Einzelverordnungen (Scotti). Vgl. dazu: MICHEL, Forst und Jagd, S. 9, 13 f., 31 f.; ausführlich GRABER, Forstpolitik Kurtriers; HACHENBERG, Waldwirtschaft am Mittelrhein, S. 5 9 - 6 2 . Herangezogen wurden alle forst- und jagdlich bedeutsamen und viele landwirtschaftlich einschlägigen Dokumente, die HÄRTER; STOLLEIS, Repertorium, aufführen. Sie sind überwiegend gedruckt. Deshalb erlauben sie eine erschöpfende und detaillierte Untersuchung und rechtfertigen, auf die ergänzende archivalische Überlieferung an dieser Stelle zu verzichten. Sie besteht insbesondere aus Abschriften der Ämter des rechtsrheinischen Teils im Hessischen Hauptstaatsarchiv Wiesbaden und ist bei HÄRTER; STOLLEIS, Repertorium, erstmalig nachge-

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Das Forstgesetz, das Kurfürst Johann am 12. 2. 1585 veröffentlichte, galt für die im Idarwald berechtigten Gemeinden Gutenthal, Hoxel, Morscheid, Odert, Riedenburg, Wenigerath und Wolzburg.64 Die in der Abschrift aus dem 18. Jahrhundert sechs Seiten umfassenden Reglements gelten als erstes kurtrierisches Forstgesetz. Es behandelte vornehmlich die Berechtigungen aus dem Holzproduktionswald. Die kurtrierische „Wald-Forst-Jagd-Weyd-Wercks, und Fischerey-Ordnung" von 1720 galt demgegenüber im gesamten Gebiet des Erzstifts, jedoch nur teilweise in den Wäldern, die nicht der Kammer unterstellt waren. Sie geht auf ein von Kurfürst Karl Joseph von Lothringen am 18. 12. 1714 verkündetes, inhaltlich nahezu gleiches Forstgesetz zurück, das er jedoch nicht mehr anwendete, da er verstarb. Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg, sein Nachfolger, ließ es am 3. 12. 1720 drucken. Einer Präambel folgten 101 Paragraphen, die sich systematisch in fünf Teile untergliederten: die Aufgaben der Jagd-, Forst- und Fischereibediensteten; Holzordnung, Waldfrüchte und Vieheintrieb; Jagd; Jagdordnung; Fischerei. Das Forstgesetz richtete sich gleichermaßen an die eigenen Angestellten im forstlichen Bereich wie auch an die Bevölkerung. Die landesweite Verordnung, die Erzbischof und Kurfürst Clemens Wenzeslaus von Sachsen am 8. 7. 1768 veröffentlichen ließ, ergänzte das ausdrücklich weiter geltende Forstgesetz von 1720 hauptsächlich um sieben die Jagd betreffende Paragraphen sowie einen über den Holzhau. Entsprechend war sie für Revierjäger und Bevölkerung bedeutsam. Am 31.7. 1786 erließ Clemens Wenzeslaus eine „verbesserte neue Waldund Forstordnung", die landesweit ausnahmslos in allen Wäldern65 galt und bis auf die Gewerbeansiedlung keinen inhaltlichen Bereich ausließ. Es geht zurück auf erste Entwürfe von 1768 und wurde mit den Landständen sowie in den landesherrlichen Gremien ausführlich beraten. Ihre Präambel und 217 Paragraphen waren vier Abteilungen zugeordnet: Einrichtung des erzstiftischen Forstwesens; Aufgaben der Administration in den Kammerwaldungen; Aufgaben der Administration in Waldungen, die Gemeinden, Adligen, Abteien, Städten, wiesen. Auch außerhalb landesherrlicher Kompetenz wurden forstliche Rechtstexte gefertigt. Vgl. dazu Georg REITZ, Der alte Gemeinschaftswald Kirst und Thirn bei Ebernach im Kochemer Krampen, in: Mittelrheinische Geschichtsblätter (1925) Nr. 1, S. 2, Nr. 2, S. 4, Nr. 3, S. 2, Nr. 4, S. 3, und zum Wald Hochpochten Hermann WIEDEMANN, Der „AdeligeErben-Dingtag zu Polch" und seine Waldungen, Mainz 1981; JANSSEN, Kurtrier, S. 168, Anmerkung 19, S. 174 f. 64 HÄRTER; STOLLEIS, Repertorium, S. 635, Nr. 96, weisen nicht darauf hin, daß es nur für den Idarwald galt. Vgl. auch für den Hochwald: Dietmar LAUER, Die Bannforsturkunde des lotharingischen Königs Zwentibold. Ein wichtiges Dokument für die Geschichte des Hochwaldes, in: Hochwälder Geschichtsblätter 8 (1997), S. 13-26. 65 Von dieser umfassenden Geltung wurden zwei Jahre später die Wälder reichsunmittelbarer Körperschaften ausgenommen, sofern deren Reichsunmittelbarkeit zweifelsfrei erwiesen war. Hier hatte man vor allem die ehemalige reichsunmittelbare Abtei St. Maximin im Blick. Vgl. dazu: Verordnung Kurtrier 1788, Scotti Nr. 848, S. 1466.

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Korporationen und Privateigentümern gehörten; Forststrafverfolgung. Ihr waren drei Anlagen beigefügt: eine Instruktion zur Vermessung der Wälder inklusive vier Symbol- oder Tabellenvordrucken; eine Unterrichtung des Landmanns zum Wiederanbau der Waldungen und die Forstfreveltaxe. Gemäß ihrem umfassenden Geltungsanspruch richtete sie sich an „allen und jeden Unserst geistlichen und weltlichen Unterthanen, Prälaten, Aebten, Stifteren und Klöstern, Städten, Magistraten, Burgermeisteren und Rathen, Gemeinden und ihren Vorstehern, überhaupt auch allen und jeden Wald-Eigenthümern und Besitzern, ferner Unseren zween Forstmeistern, sämtlichen Obeqägern und Forstbedienten, sodann allen Unseren Kollegien, Ober- und Unterbeamten".66

Im Kröver Reich enthielt das Weistum von 139967 erste schriftliche Festlegungen zum Umgang mit dem Wald. So sind insbesondere für den Kondelwald, aber auch für die Gemeindewälder von Kröv und Kinheim in allen fünf Kernbereichen jeweils erste Regelungsansätze erkennbar, obwohl daneben naturgemäß Bestimmungen, die nicht mit forstlichen Fragen zusammenhingen, niedergelegt wurden. Die Abfassung des Weistums dürfte eher auf diese außerforstlichen Umstände zurückzuführen sein, was sich allerdings einer genauen Klärung entzieht. Der fortlaufende, konkret-anschauliche Text umfaßt 14 Druckseiten. Er war jährlich in Kröv zu verlesen und richtete sich an die Gemeinden und herrschaftlichen Bediensteten. Das Forstgesetz des Kröver Reichs vom 30. 10. 1758 war ein Teil des Einigungsvertrags, welchen die Landesherren über den Status des Kröver Reichs abschlossen; es bestätigte zahlreiche Bestimmungen des Weistums, fügte jedoch auch neue hinzu. Seine 15 Paragraphen deckten konzis die zentralen Bereiche ab, wobei der landesherrliche Kondelwald deutlich im Mittelpunkt stand.68 Für die Hintere Grafschaft Sponheim erschienen 1586, 1744 und 1785 Forstgesetze.69 Das Forstgesetz, das der Markgraf von Baden und der Pfalzgraf im Mai 1586 erließen, galt im gesamten Kondominium für sämtliche Wälder, also auch für kommunale und private Forste.70 Neben allen engeren forstlichen Bestim66

Präambel Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1378. Weistum Kröver Reich, Grimm II (= Jacob GRIMM (Hg.), Weisthiimer, gesammelt von Jacob Grimm, Bände 1-7, Bd. 2, Göttingen 1840-1878, Neudruck Darmstadt 1957), S. 370-384; Johannes MÖTSCH, Das Weistum des Kröver Reiches von 1399. Edition und Datierung, in: RhVjbll 61 (1997), S. 96-134, 109f. Erwähnt wird dieses Weistum auch von 67

MANTEL, Forstgeschichte,

S. 310.

68

Das Dokument ist nicht gedruckt. Forstgesetz Kröver Reich 1758, STAT 54 Κ 5495, o.F. 69 Sie sind nicht gedruckt. Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 113-160; Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1744, LHAK 33 6069, fol. 3-17; Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1785, LHAK 33 14009, fol. 1-28. Vgl. dazu grundlegend BAUER, Soonwald. Darauf stützen sich: MANTEL, Forstgeschichte, S. 176-179, 3 4 4 , 3 6 5 , 3 8 1 , 3 9 7 , 4 6 7 ; HACHENBERG, Waldwirtschaft 70

am Mittelrhein,

S. 5 5 - 5 7 .

Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 147.

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mungen erfaßte es auch Handel und Gewerbeansiedlung. Obschon nicht in Paragraphen gegliedert, sondern in einem Fließtext auf knapp 50 Folioseiten (in der Abschrift) abgefaßt, fehlte es ihm trotzdem nicht an systematischer Gliederung. Die Zwischenüberschriften lauteten: Bauholz; Holz vom Bauersmann zur Haus- und Feldarbeit; Handwerker; Köhler, Röder; Einfriedung des Waldes; Generelle Anweisungen; Verrichtungen der Amts- und Forstleute. Neben letzteren war sie an die Gewerbetreibenden und Dorfbewohner adressiert. Am 18. 7. 1744 erließen die Landesherren ein Forstgesetz für die Hintere Grafschaft Sponheim.71 Es beschäftigte sich ausschließlich mit den Gemeindeund Privatwäldern, deren Behandlung in neun Paragraphen umfassend geregelt wurde. Angesprochen waren die Waldeigentümer sowie die Förster und die Regierung in Trarbach. Nach der Teilung der Gemeinsherrschaft galt das am 4. 8. 1785 von Graf Carl von Pfalz-Zweibrücken gedruckt veröffentlichte Forstgesetz nicht nur für das Herzogtum72, sondern auch für den pfalz-zweibrückischen Teil der Hinteren Grafschaft Sponheim. Es regelte die forstlichen Belange in allen Kernbereichen und erstreckte sich, obwohl nicht explizit angesprochen, auch auf Wälder, welche die Kammer nicht ihr Eigentum nannte. Einer knappen Präambel schlossen sich 120 akkurat in neun Gruppen geordnete Paragraphen an: Forststrafverfolgung; Forstamtliche Holzanweisungen; Holzfällungen; Aufbringung und Konservation junger Schläge; Waldtage; Holzverkauf der Gemeinden; Anzeige der Forstverbrecher; Strafen für Forstverbrecher; Jagd. Neben den eigenen Bediensteten in Forst und Jagd war die Bevölkerung der Empfänger der Anweisungen. Nach der Vorstellung der Dokumente, die ihre räumliche und inhaltliche Geltungsansprüche umriß, sollen diese Ansprüche nun systematisch dargelegt werden. Die Analyse beginnt mit den Zielsetzungen für den Holzproduktionswald.

1. Der Holzproduktionswald: „Schläge nicht lediglich der Natur Uberlassen "

Die rechtliche Konstruktion des Holzproduktionswaldes schrieb vor, wie die Holznutzung, sei es durch Lese oder Fällung, vor sich gehen sollte und wie der Wald forstlich zu behandeln und zu bearbeiten war. Im kurtrierischen Idarwald fixierten die Gesetzgeber 1584 die Holzberechtigungen. Danach stand dem, der einen Pflug oder Wagen besaß, das dafür nötige 71

Es galt auch im Kröver Reich, das ein Teil der Hinteren Grafschaft Sponheim war. Vgl. dazu Erich SCHUNK, Forstunruhen im Herzogtum Pfalz-Zweibrücken zu Beginn der Französischen Revolution 1789-1792/93, in: Helmut BERDING (Hg.), Soziale Unruhen in Deutschland während der Französischen Revolution, Göttingen 1988, S. 45-66, 58. Er erwähnt auch die vorherigen Verordnungen, die nur im Stammland galten. Hinweis auf Druckfassung bei BAUER, Soonwald, S. 208. 72

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Holz „ohn ansuchung" zur Notdurft zu. Die Notdurftrechte umfaßten im Wald alle Produkte, welche die Bevölkerung zu einem auskömmlichen Leben brauchte. Das Brennholz konnten die Einwohner der vom Forstgesetz betroffenen Dörfer ebenfalls ohne Anweisung im Wald „wie seit alters" lesen. 73 Der Verkauf von Holz aus der Notdurft wurde mehrfach untersagt. Die Bauholznotdurft sicherte das Forstgesetz ausdrücklich in ausreichender Menge zu, wobei der Bedarf dem Waldförster und den Gerichtsschöffen im voraus anzuzeigen war. Ebenso sollten sich die Schmiede an den Förster wenden, damit dieser ihnen gestatte, die Kohlen für ihre Notdurft zu brennen. 1720 führte das Forstgesetz in Kurtrier Waldtage in den Gemeindewäldern ein. An Waldtagen öffnete der Revierjäger die Bezirke kurz, damit die Befugten sich das Brennholz holen konnten, während das Berechtigungsbrennholz in Kameralwäldern von Oberförstern im Beisein der Schultheißen, Bürgermeister oder ganzer Gemeinden „schlagweiß, oder wie es sonsten sich am füglichsten schickt, ausgegeben [und] gehauen" werden sollte; die Fällungen waren in Herbst und Winter vorgesehen. 74 Bauholz aus ihren eigenen Waldungen durften die Gemeinden nur beziehen, nachdem es Schultheiß und Gericht genehmigt hatten; Eichenholz sollte durch steinerne Sockel und ausschließliche Verwendung bei tragenden Teilen im Hausbau eingespart werden. Der Verkauf von Bauholz und insbesondere von Floß- und Palisadenholz, zumal wenn es günstig über das Wasser zu transportieren war, durfte in allen Wäldern nur nach Bewilligung durch die Regierung geschehen. Forstamtsbedienstete mußten anschließend mit dem Käufer den Ort besichtigen, an dem man die Stämme zu entnehmen gedachte; in Kameralwäldern sollte dabei auch ein Vertreter der Hofkammer oder der Kellnerei zugegen sein. Für Faßdauben, die außer Landes gingen, war ausschließlich umgefallenes Holz zu verarbeiten, das zu suchen war an „ungeschlachten, rauhen Oertheren, Dähleren und Klingen [Tälern und Schluchten], da es anderer gestalt nicht fort und zu Nutzen zu bringen". 75 Das Forstgesetz von 1786 schuf die Waldtage in den Gemeindewaldungen wieder ab, da „die Erfahrung gelehrt hat, wie wenig hiedurch der vorgesezte Zweck [der Wiederaufwuchs der Schläge] zu erreichen seye, indem bei dem Zusammenflusse so vieler Leute das Niederhauen der besten jungen Stämme eben darum, weil sie sich am bequemsten aufladen oder tragen lassen, nicht wohl verhütet werden kann, wodurch sofort der Anwachs dergleichen unordentlich abgetriebener Waldtheile auf viele Jahre vereitelt ist". 76

1790 sah man sich veranlaßt, die Regelungen über die Waldtage in Kamerai waldungen besser an die Lokalgegebenheiten anzupassen und damit etwas zu lockern. Fortan sollte stärker berücksichtigt werden: die Zahl der Berechtigten;

73 74 75 76

Forstgesetz Kurtrier (Idarwald) 1584, LHAK 1 C 8054, fol. 185-191, 186 (beide Zitate). §§ 21, 28f. Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 8 3 4 f „ § 28 ebd., S. 835 (Zitat). §§ 20, 2 5 - 2 7 , 37 ebd., S. 833-835, 838f., § 37 ebd., S. 838 (Zitat). § 122 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1410.

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die Entfernung vom Wohnort zum Wald; die Beschaffenheit des Waldes; die Menge des vorhandenen Zugviehes sowie überhaupt die Beschwerlichkeit der Beifuhr. 77 Bevölkerung und Gewerbe hatten ab 1786 am Schreibtag im Oktober ein schriftliches Verzeichnis der Notdurft für Brennholz zu übergeben; Bau- und Nutzholz sollte ebenso - nach der Überprüfung durch vereidigte Zimmerleute - vom Amt bescheinigt und vom Förster unentgeltlich in den Kameralwäldern angewiesen werden. 78 Es war von den Holzhauern in den Kameralwäldern auszusondern und außerhalb der Notdurft günstig an die Bevölkerung abzugeben oder öffentlich zu versteigern. Das galt so auch in den Gemeindewäldern, nur flöß der Erlös in diesem Fall nicht der Hofkammer zu. 79 Verkauft wurde das Holz erst, nachdem es Holzhauer, die bei der Hofkammer angestellt waren, gefällt und aufgeklaftert hatten. Beim Hau hatten sie detaillierte Vorschriften zu beachten, die dazu angetan waren, die Stämme möglichst optimal zu verwerten und einheitlich aufzuklaftern, um so gleichzeitig Betrügereien einzudämmen. 80 Dies galt auch für die Gemeindewaldungen, wobei die Gemeindeleute in Fronarbeit ihr Holz spalten konnten, während das zum Verkauf gedachte Holz auch dort von den vereidigten Holzhauern aufzubereiten war. 81 Die Lieferung von Holz nach Holland, der sogenannte Holländerholzhandel, wurde ausdrücklich nur im kurtrierischen Forstgesetz von 1786 erwähnt und geregelt: Einzeln waren in Frage kommende Stämme zu numerieren, stückweise in ihrem Wert zu schätzen und zu verzeichnen. Interessenten sollten die Versteigerungstermine in Zeitungen finden, sie hatten den Hau auf eigene Kosten zu besorgen, wobei der Abfall entweder gesondert abgesetzt oder dem Käufer des Stammes berechnet wurde. 82 Ein Bewohner des Kröver Reichs war im Kondelwald ohne Anmeldung befugt, „wintfellig vnd ligen holtze zu feur [zu] holen"; Wagen-, Pflug- und Bauholz hingegen, „das soll er heischen dem amptmann, der sali es ime geben". So regelte es das Weistum. 83 Der Vertreter des Lehnsherrn hatte dabei darauf zu achten, ob das Holz korrekt verwendet wurde. Aus den Gemeindewäldern Holz wegzugeben oder junges Holz, sogenannte Büsche, zu hauen war ohne Einwilligung der Schöffen nicht zulässig. Vom bewilligten Holz stand den Dörfern Kinheim und Kröv jeweils die gleiche Menge zu. 84 Das Forstgesetz von 1758 präzisierte und modifizierte für das Gebiet diese Regelungen, teilweise indem

77

Verordnung Kurtrier 1790, Scotti Nr. 869, S. 1484. §§ 49, 65-67 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1392, 1395 f. 79 §§48, 132, 149 ebd., S. 1391 f., 1412, 1416. 80 §§ 41 f., 44-46, 52-57 ebd., S. 1390f., 1392f. Dagegen hatten die Eisenwerksunternehmer, wie dargelegt, durch Niedrigpreisabsprachen erfolgreich protestiert. 81 § 130 ebd., S. 1412. 82 § § 7 0 - 7 3 ebd., S. 1396f. 83 Weistum Kröver Reich, Grimm II, S. 377 (beide Zitate). 84 Ebd., S. 373. 78

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es sich auf das Weistum bezog: Das allen Gemeinden zur „häuslichen Nothdurft" zustehende Windbruch- und Lagerholz konnte nur verlangen, wer sich zuvor bei den Förstern meldete, wie es seinerzeit lediglich für das Nutz- und Bauholz vorgesehen war; diese wiesen daraufhin das Holz an. Während auch 1758 Regelungen für Handwerk und Gewerbe fehlten, räumten die Gesetzgeber den vier kurtrierischen Gemeinden Huntheim, Bertrich, Grinkhoff und Wispelt ein, von Brombeeren überwachsenes Holz zu lesen. Für alle diese nach wie vor unentgeltlichen - Holzberechtigungen bestimmten sie wöchentlich zwei Holztage, „daß auf solchen Tagen, die im Wald berechtigte, unter aufsieht der angesetzten Försteren sich der vorbeschriebenen Behölzigung bedienen". 85 Stehendes Gehölz, auch wenn es an- oder umgebrannt war, sollte ausdrücklich der Herrschaft zustehen.86 In der Hinteren Grafschaft Sponheim änderten die Landesherren 1586 die Art, in der sie Brennholz an die Bevölkerung abgeben wollten. Folgt man dem Text, so wiesen die Amtsleute nach Ostern den Berechtigten Distrikte an, wo sich „viel liegendts unützes holzes" fand. Dort durften sie sich unter Aufsicht der Förster unentgeltlich ihr Holz suchen. Dabei war reihum durch das ganze Gebiet fortzufahren, „damit daß gewäldt gereinigt, die fruchtbar bäum aufwachsen, und der Ecker (Eicheln und Bucheckern) der sonsten under solch unütz gehölz feit, und desto weniger gerathen kan, nit verlorn werde."87 Weinbergspfähle sollten ebenso wie Zäune aus unfruchtbarem (keine Eichen oder Buchen) oder auf dem Boden liegenden Holz geschnitten, Reifstangen für Fässer dagegen gar nicht mehr abgegeben werden.88 Bauholz durften die Dorfbewohner nur nach Genehmigung und nach Rat der Sachverständigen hauen. Sägemühlen sollten es zuschneiden, damit aus einem Stamm möglichst viele Bretter gesägt werden konnten. Dafür waren zunächst Windfälle, sodann Aspen und Erlen und erst zuletzt Eichen zu verwenden, die man zudem möglichst aus auswärtigen Gebieten einzuführen empfahl, um die eigenen Bestände zu schonen.89 Den handwerklichen Holzbedarf beabsichtigte man ähnlich umfassend umzugestalten: So wurden den Böttchern nur Windfälle gestattet, und für die Bodenstücke der Faßdauben sollte ihnen ansonsten unbrauchbares Holz angewiesen werden. Schieferdächer sollten Dachschindeln ersetzen. Die Anzahl der Schüssler und Dreher wurde reduziert; sie erhielten ihr Holz, indem sie mit dem vom Amtmann quittierten Holzzettel beim Förster um Anweisung baten. Die ebenfalls in ihrer Zahl begrenzten Wagner bekamen als Holzkontin-

85

§ 3 Forstgesetz Kröver Reich 1758, STAT 54 Κ 5495, o.F. § 5 ebd. 87 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 135 f., 135 (1. Zitat), 136 (2. Zitat). 88 Ebd., fol. 121 f. 89 Ebd., fol. 115-119. Auch Kleinteile zum Fachwerkbau sollten nur von Hainbuchen, Birken, Erlen und anderem unfruchtbaren Gehölz genommen werden. 86

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gent jeweils zwölf Buchen und eine Eiche zugewiesen.90 Auch die Köhler sahen sich detaillierten Reglements ausgesetzt. Zuerst sollten sie windfälliges Holz, dann Erlen, Aspen und Birken - also Weichholz - aus den Brüchern (sumpfigen Standorten) verkohlen, wobei der Förster die Bezirke, in denen zu hauen war, auswies und das von den Köhlern zu verschonende Holz markierte. Hierunter zählten insbesondere die zum Bauen geeigneten Windfälle. Der Amtmann überwachte den Ablauf der Verkohlung, kontrollierte die Menge, die Lieferung an die Hüttenwerke und deren Berechtigungen. An gut gelegenen Stellen sollte der neu eingeführte Kohlenzehnt fortan den zehnten bis fünfzehnten Wagen Kohle betragen, während die in Brüchern gebrannten Kohlen abgabenfrei blieben - bis dahin hatte man von den Köhlern „nie ettwas", von den Hütten „gar ein gerings" Entgelt für die Kohlen verlangt.91 Die Forstgesetze des 18. Jahrhunderts in der Hinteren Grafschaft Sponheim trafen keine Regelungen für Handwerk und Gewerbe. Sie beschränkten sich darauf, die Fällung von Bauholz im Früh- und Spätjahr 92 und den Abstand des Sägeschnittes oder Axthiebes vom Boden vorzuschreiben.93 Brennholz aus Bäumen, Ästen und Abfällen sollten die Gemeinden aufklaftern oder zu Wellen binden und erst dann unter sich aufteilen. Um das Holz aus den Waldungen zu holen, sahen die Gesetzgeber auch hier zwei Holztage pro Woche vor. Zur Notdurft erhaltenes Holz zu verkaufen war in der Hinteren Grafschaft Sponheim ebenfalls verboten 94 Bei der forstlichen Behandlung des Waldes standen zwei Bereiche im Vordergrund: seine exakte Erfassung und Schlageinteilung einerseits sowie die Neu- oder Wiederbepflanzung einschließlich weiterer forstlicher Maßnahmen andererseits. Das umfangreiche kurtrierische Forstgesetz vom Ende des 18. Jahrhunderts ordnete an, alle Waldungen, Hecken und Büsche, die unter landesherrlicher Forsthoheit standen, sollten „nach ihrem Maße und Morgenzahl durch einen approbierten Geometer [...] genau und richtig aufgenommen alle Grenzen, Marken, Weege, Triften, Wiesen und Bäche sorgfältig bemerkt, die Holzgattungen und der Holzbestand nach den dreien Graden des guten, mittelmäßigen und schlechten gehörig bestimmet [...], und über alles dieses eine förmliche WaldKarte über jeden Wald angefertigt werden".95

Um die Arbeiten und Ergebnisse einheitlich und hinreichend genau zu gestalten, wurde dem Forstgesetz eine „Instruktion für die zur Vermessung und Aufnahme der erzstiftischen Waldungen angeordneten Feldmesser" beigefügt. Sie 90

Ebd., fol. 125-131. Ebd., fol. 131-133, 133 (beide Zitate). 9 2 § 4 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1744, LHAK 33 6069, fol. 7 und § 15 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1785, LHAK 33 14009, fol. 4. 93 § 14 ebd. 94 §§ 16f., 35-40 ebd., fol. 5, 9f. 95 § 6 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1381. 91

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schrieb Details der Vermessung sowie Maßstab und Symbole der Karten vor, die sie zudem durch drei Zeichnungen illustrierte. 96 Geometrische Vermessung und kartographische Darstellung der Wälder bildeten die Grundlagen aller planerischen Arbeit. Darauf baute die Forsteinrichtung auf. Vorgesehen waren Waldbeschreibungen97 und die Einteilung in numerierte Schläge gleicher Größe und ähnlichem Holzvorrat.98 Die Geometer sollten die Schläge gleich während der Vermessungsarbeiten numerieren und so ermöglichen, daß „die jährliche Erträgniß derenselben in Absicht auf die verschiedene Holzarten und Gattungen zum voraus ungefähr überschlagen werden könne". 99 Diese Vermessungs- und Einteilungsarbeiten waren auch in den Hochwäldern und Pfahlhecken der Gemeinden vorgesehen, die für die Kosten selbst aufzukommen hatten, wobei bereits ab 1720 deren Hauberge abgeschätzt und in Schläge eingeteilt werden sollten. 100 Für das Kröver Reich und die Hintere Grafschaft Sponheim formulierten die Landesherren keine vergleichbaren Absichten zur forstlichen Erfassung und Schlageinteilung der Wälder. In Kurtrier sollten nach dem Dreißigjährigen Krieg die „verwüsteten Waldstellen [...] auf's neue mit jungen Eichen" bepflanzt werden, 1694 waren „ausgehauene Gemeinde-Waldungen durch sofortige und successive Anlegung von Eichelkämpen zu ergänzen"; dabei war j e nach Einwohnerzahl jährlich Waldboden von ein bis drei Morgen (0,35 bis 1 ha) „umzubauen" und einzufrieden. 101 1584 bezweckte das Forstgesetz für den Idarwald, das „Gewäld Gebück" wieder anzupflanzen und Einschläge zu unterbinden.102 Die Jungpflanzen durch Dornen und Pfähle vor Wind und Vieh zu schützen war kurtrierischen Dorfbewohnern ab 1720 in den Kameraiwäldern auferlegt, wobei sie dort drei, vier oder mehr Eichen nach der Entnahme von Bauholz zu setzen hatten. Von den Grunderben verlangte man, daß sie auf ehemaligen Hochwaldflächen junge Eichen und Buchen setzten. 103 Zehn Jahre später hielt man die Amtsverwalter und Kellner zur Aufforstung an, zudem wurde die „errichtung fruchtbahrer aichenfelder" vorgeschrieben - eine Maßnahme, die auch 1720 vorgesehen war: Kahle Plätze sollten mit Eichelgärten oder bei schlechtem Boden mit „Dannen"-Saat aufgebracht werden. 104 In allen Kammerwaldungen 96

LIT. Α ebd., S. 1 4 3 3 - 1 4 3 7 .

§§ 20, 37 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1385, 1389. Sie sollten enthalten: Grenzangaben, Zustand der Waldungen, Beschaffenheit des Bodens, Holzarten, die darauf am besten gedeihen, sowie Berechtigungen, die darauf liegen.

97

98

§ 125 ebd., S. 1411.

99

§ 6 ebd., S. 1381 und LIT. Α ebd., S. 1433 (Zitat).

1 0 0 §§ 123, 125, 150 ebd., S. 1410f., 1416 und § § 4 7 f . Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 841. Die Einteilung verstand sich hier nur als grobe Gliederung.

Verordnung Kurtrier 1647, Scotti Nr. 208, S. 6 2 5 (1. Zitat) und Verordnung Kurtrier 1694, ebd., .Bemerk' (2. und 3. Zitat). Forstgesetz Kurtrier (Idarwald) 1584, L H A K 1 C 8 0 5 4 , fol. 188. 1 0 3 §§ 18, 5 6 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 8 3 2 f „ 844. 1 0 4 Verordnung Kurtrier 1730, Hontheim III, S. 9 5 0 (1. Zitat) und § 18 Forstgesetz Kurtrier 101

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sollten ab 1786 „schickliche Distrikte, und öde Waldplätze mit gutem Holzsaamen besäet" werden, die zusätzlich zu der bereits bekannten Sicherung mit Dornen und Pfählen noch durch Gräben zu schützen waren. Aus diesen Anlagen hoffte man, rasch junge Stämme - wie „aus einer natürlichen Baumschule" - an andere Plätze verpflanzen zu können. 105 Besonderer Maßnahmen bedurfte es auf abgetriebenen, also gehauenen Schlägen, bei denen es an Stockausschlag oder Samenanflug mangelte, um neue Bestände zu begründen: „Da es aber dennoch leicht geschehen kann, daß die wirklich gehauene, besonders in der Eifel, im Waldlande, und anderen kalten Gegenden, wo der Ecker seltener geräth, sich in mehreren Jahren nicht selbst besaamen, mithin, wenn zumal das Abgetriebene in alt- oder überständigem Holz bestanden, ein ergiebiger frischer Beiwachs von Kern- und Stammloden in Ermangelung einer andern wirthschaftlichen Vorsorge nicht sobald zu erwarten ist; so sollen die abgetriebenen Schläge nicht lediglich der Natur überlassen, sondern Eichen und Buchen, oder nach Beschaffenheit des Bodens anderer guter Holzsaamen aus Orten, wo dessen gewachsen ist, zur Hand geschafft, und solche hinwieder ordentlich damit angezogen, zu dem Ende auch der Boden vorher von allem schädlichen Gewächse gesäubert, und behörend zubereitet werden." 1 0 6

Die künstliche Aufzucht neuen Bewuchses in den Schlägen erachteten die Gesetzgeber 1786 als notwendig, weil Klima, Boden und vormalige Vegetation die natürliche Verjüngung erschwerten. Insbesondere galt die Aufmerksamtkeit hier der klimatisch ungünstigeren Eifel. 107 Mit diesem präzisen forstlichökologischen Erfahrungswissen wurden die Eingriffe und die Beförderung der Naturverjüngung auf Alt- oder Heideflächen gerechtfertigt. Ebenso sah man in Kurtrier vor, in kommunalen Mittelwäldern neben den Samenbäumen pro Morgen (0,35 ha) 25 Hägereiser stehenzulassen.108 Als weitere forstliche Maßnahme empfahlen die Sachverständigen, in Gemeindewäldern, in denen weder Hart- noch Weichholz (zum Beispiel Birken) aufkam, Nadelholz zu säen, „womit anfänglich in kleinern Bezirken die Probe anzustellen ist". 109 Wie die Bevölkerung beim Setzen oder Säen neuer Bestände im Detail vorzugehen hatte, bestimmte der dem Forstgesetz beigefügte „Unterricht für den Landmann, beym Wiederanpflanzen und Anbaue neuer Waldungen, oder Hekken".110 Er verrät eine profunde Kenntnis der besten Rahmenbedingungen 1720, Scotti Nr. 371, S. 832f. (2. Zitat). 1721 und 1731 wurde erneut die Anlage von Eichen- und Buchenkämpen vorgeschrieben. Vgl. Verordnung Kurtrier 1721, Nachtrag F, S. 1551 und Verordnung 1730 ,Bemerk', Scotti Nr. 430, S. 961. 105 § 35 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1388. 106 § 39 e bd. Die gleiche Bestimmung galt für Gemeindewälder, vgl. § 141 ebd., S. 1414. 107 Diese Situation hatte sich auch ein Jahrhundert später im Vergleich zu günstigeren Bedingungen für die Naturverjüngung im Hunsrück nicht geändert; vgl. Otto von HAGEN, Die forstlichen Verhältnisse Preußens, 2 Bde., 2. Aufl. Berlin 1883 (1. Aufl. 1867), I, S. 32. 108 § 131 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1412. Hägereiser sind die nach dem ersten Umtrieb stehengebliebenen Bäume, die später zu Samenbäumen werden. Vgl. KEHR, Fachsprache, S. 87 f. 109 § 106 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1405. 110 LIT. Β ebd., S. 1438-1445, 1438 (Zitat).

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(Termine, Böden und ihre Vorbereitung) und zu vermeidenden Fehler (Beschädigung des Feinwurzelwerks, Beschneiden von Seitentrieben), schließlich müsse „man sich nach der Vorschrift der Natur richten", sonst entstehe „kein rechtschaffener Baum".111 Die Neu- oder Wiederbepflanzung der Kameralwaldungen wurde 1758 auch allen Einwohnern des Kröver Reiches befohlen: Im Kondelwald waren im Herbst oder Frühjahr zwei junge Eichen und eine junge Buche zu pflanzen, ähnliches galt für die Dorfbewohner in der Hinteren Grafschaft Sponheim.112 Dort hatte man im 16. Jahrhundert bestimmt, ein „Schechtlein Holz" im Westen der abgeräumten Schläge zu positionieren, um den Samenanflug zu verbessern, und alle fünfzig Schritte im Oberholz einen Samenbaum stehen zu lassen. 113 Insgesamt behandelten die Normen zum Holzproduktionswald die Holznutzung und die forstlichen Maßnahmen im Wald. Im folgenden wird gezeigt, welche rechtlichen Vorgaben es für den Landwirtschaftswald gab. 2. Der Landwirtschaftswald: „Das ganze in seiner Wesenheit erhalten" Beim Landwirtschaftswald erstreckten sich die Normen ebenfalls auf zwei große Bereiche: den Waldfeldbau und die Viehzucht. Der Waldfeldbau kombinierte forstliche und agrarische Nutzung auf einer Fläche, den sogenannten Rotthecken. Das waren Niederwälder, die man nach der Holzernte agrarisch nutzte. Diese Flächen waren also direkt mit dem Wald verbunden. Die Eichenstämmchen in Rotthecken enthielten in ihrer Rinde auch Gerbstoffe für die Lederverarbeitung. Das kurtrierische Forstgesetz von 1720 bestimmte, daß die Stämmchen in allen Rotthecken nach dem Schälen der Eichenrinde gleich mitgeschlagen werden mußten; gesunde Triebe oder wachsendes Holz zu verbrennen, um daraus Asche als Dünger zu gewinnen, war verboten.114 Das Forstgesetz von 1786 begrenzte die landwirtschaftliche Zwi-

111

Ebd., S. 1443 (1. Zitat), S. 1440 (2. Zitat). § 13 Forstgesetz Kröver Reich 1758, STAT 54 Κ 5495, o.F. und Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 141. 113 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 138. Samenbäume sind alte, starke Bäume des Oberholzes, die für die Wiederbesamung und die Bauholznutzung auf dem von Unterholz geräumten Schlag stehenbleiben. Vgl. KEHR, Fachsprache, S. 92. 114 § 40 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 840, wobei das Loheschälen generell nur Privatwaldeigentümern erlaubt war. Sie durften nur Stockausschlag verwenden und mußten die masttragenden Bäume schonen. Vgl. auch Alois BALTES, Der Trierer Lohrindenmarkt. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte des Trierer Landes, in: RhVjbll 25 (1960), S. 317-324; Klaus SCHLOTTAU, Von der handwerklichen Lohgerberei zur Lederfabrik des 19. Jahrhunderts. Zur Bedeutung nachwachsender Rohstoffe flir die Geschichte der Industrialisierung, Opladen 1993. 1,2

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schennutzung in gemeindlichen Rotthecken auf eine Aussaat.115 Ab 1720 mußte das Schiffein, eine Form der Branddüngung - sollte die Bevölkerung darauf angewiesen sein - durch die Forstbediensteten genehmigt werden. Nur Ginster, Reisig und Weichholz durften dazu verbrannt werden.116 Das Weistum des Kröver Reichs erwähnt die Rottwirtschaft der Gemeinde Kröv, wahrscheinlich im Kondelwald. Es verbot lediglich, das Rottland nach dem Abtrieb und vor der Verbrennung zu betreten.117 In der Hinteren Grafschaft Sponheim durften alle Rotthecken nur nach Anweisung des Försters abgeholzt werden, fruchtbare Bäume waren vorher zu markieren und zu schonen, auf die Einsaat folgten drei Jahre Einhegung. Nach einer Umtriebszeit von sechzehn bis zwanzig Jahren konnten die Holzstangen auf der ersten Fläche wiederum genutzt werden, allerdings nur als Kohl-, nicht als Brennholz oder zum Aschenbrennen.118 Bindereidel oder Wieden zu schneiden, um damit die Garben zu bündeln und die Weinstöcke festzubinden, wurde in Kurtrier im 16. Jahrhundert im Idarwald, im 18. Jahrhundert in allen Wäldern untersagt119, in der Hinteren Grafschaft Sponheim war es seit 1586 nach Anweisung gestattet, allerdings nicht an jungem Holz oder Orten, an denen es schädlich war.120 Im Vergleich zum Feldbau war die Viehzucht mit dem Eintrieb der Tiere in den Wald und der Entnahme von organischem Material dynamischer, weil sie sich potentiell nicht nur auf größere Flächen erstreckte, sondern auch größere Risiken für den Baumbestand barg. Sie verlangte daher ausführlichere Regelungen. Der Ablauf der Schweinemast wurde in Kurtrier detailliert geregelt: Kellner, Berechtigte und Förster schätzten Ende August gemeinsam den voraussichtlichen Ertrag im Kameralwald und legten die Zahl der einzutreibenden Schweine fest. Nachdem sie die Tiere einzeln gekennzeichnet und die vorgesehenen Distrikte ausgewiesen hatten, durften sie bis Mitte Januar in den Wald. Durchführung und Einkünfte waren ausführlich zu protokollieren. Letztere fielen nur an, wenn die Berechtigung der Gemeinden auf der Abgabe eines Dehrn (Mastgeld) beruhte oder die Mast versteigert werden konnte. Auch sollten Revierjäger und Kellner für diesen Fall prüfen, ob es nicht vorteilhafter sein 115

§§ 151 f. Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1416f. § 49 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 841 f. 117 Weistum Kröver Reich, Grimm II, S. 377. 118 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 133-135. 119 Forstgesetz Kurtrier (Idarwald) 1584, LHAK 1 C 8054, fol. 188; § 39 ebd., S. 839, und §§ 27 (in Kameralwäldern), § 146 (in Gemeinde-, Stifts- und Privatwäldern) Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1386, 1415f. Noch elf Jahre zuvor war es am unteren Teil von Birkenstämmen von November bis März gestattet worden, Verordnung Kurtrier 1775, Scotti Nr. 719, S. 1274. 120 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 119f., 125.1m Kröver Reich sollte der Förster jedem Bauern jährlich einen Weichholzstamm für das Bindmaterial anweisen. § 7 Forstgesetz Kröver Reich 1758, STAT 54 Κ 5495, o.F. 116

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könnte, wenn die Hofkammer selbst die eigenen Schweine, die auf den Kameralhöfen gehalten wurden, eintreiben ließe. 121 Schafe und Ziegen verbannten die Forstgesetze in Kurtrier ganz aus dem Wald: 1720 untersagten die Gesetzgeber zunächst, sie in Wälder und Schläge einzutreiben 122 , 1730 erneuerten sie diese Einschränkung, bevor sie sie 1758 gegen eine jährliche Abgabe von 12 Albus vorübergehend gestatteten. 123 Fünfzehn Jahre später widerrief man diese Verordnung und räumte eine Frist von zwei Monaten zur Abschaffung der Ziegen ein. Allerdings sollten die Armen, die keine Kuh füttern konnten und denen dies ein Gericht bestätigte, wie ehedem 1 2 4 befugt sein, entgeltfrei je zwei Ziegen im dörflichen Stall zu halten. Außerhalb der Ortschaften sollten Revierjäger, Wald- und Feldschützen die Geißen abschießen. 125 Das Forstgesetz von 1786 bekräftige diese Verfügung, „wovon sich inzwischen der allgemeine Nutzen sehr merkbar bewähret hatfte]". 126 Während im Kröver Reich ab 1758 ein generelles Ziegenverbot galt 127 , bestätigte das Forstgesetz der Hinteren Grafschaft Sponheim ältere Untersagungen, Ziegen in den Wald zu treiben, gestattete allerdings, sie in Ställen zu halten. 128 Im 18. Jahrhundert sollten Ziegenhirten die Herden auf vom Förster angewiesene Plätze führen. 129 Um die Naturverjüngung und den Stockausschlag auf abgetriebenen Flächen zu schützen, sperrte man diese Bezirke nach einem Mastjahr oder nach der Holznutzung für die Viehweide. Sichtbares Zeichen waren Strohwische oder Lappen, die den Bezirk kennzeichneten. Dieses ,Einhängen' oder .Einhegen' war das zentrale - vielleicht älteste, sicher aber umstrittenste - Element bei der Behandlung der Viehweide im Wald. Es findet sich durch die Jahrhunderte in den Rechtsordnungen für die Wälder wieder. Sah das erste kurtrierische Forstgesetz im 18. Jahrhundert vor, junge Schläge, Schiffel- und Rottländereien insbesondere der Gemeinden einzuhängen und nach drei Jahren durch das Forstamt besichtigen zu lassen, damit es über die Freigabe entscheiden

121

Diese Schilderung beruht auf den §§ 7 4 - 8 2 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1397-1399. Ähnlich, nur etwas weniger ausführlich: § § 4 1 f., 4 4 Forstgesetz Kurtrier 1720 und § 14 Forstgesetz Kröver Reich 1758, STAT 54 Κ 5495, o.F. Die Verordnungen der anderen Gebiete behandeln die Schweinemast nicht. 122 § 38 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 839. 123 Verordnungen Kurtrier 1730, 1758, Scotti Nr. 430, 586, S. 960, l l l O f . 124 § 52 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 843. 125 Verordnung Kurtrier 1773, Scotti Nr. 707, S. 1263-1266. 126 § 144 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1415. 127 § 14 Forstgesetz Kröver Reich 1758, STAT 54 Κ 5495, o.F. 128 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 143. Erich Bauer mißversteht die Aussage „lassen wir es bei solcher abschaffung nochmale beruhen" (LHAK 33 4221, fol. 143) wenn er ausführt: „Dieses Verbot soll auch dieses mal noch nicht durchgeführt werden [ . . . ] " ( B A U E R , Soonwald, S. 204). Auch der Kontext des Abschnittes weist darauf hin, daß das Verbot bekräftigt, nicht ausgesetzt wurde. 129 § 21 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1785, LHAK 33 14009, fol. 6.

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konnte, bestimmte das Nachfolgegesetz 1786 nach Mastjahren in Kameralwäldern eine fünf-, höchstens sechsjährige Einhegung, wenn der Samen bereits aufgegangen sein sollte. 130 Die Einhegung gewisser Waldteile sei unerläßlich, könnte doch ansonsten „kein neuer Bei- oder Nachwachs, als das einzige Mittel zur Unterhaltung" aufkommen, wobei damit so abzuwechseln sei, „daß das ganze in seiner Wesenheit erhalten werden möge". 131 Dabei werde man „die gewöhnlichen Ausreden und Entschuldigungen wegen verkürztem Waidgenusse, Mangel an Fütterung und dergleichen durchaus nicht gelten lassen". 132 Bereits vier Jahre später wurde diese Bestimmung jedoch „zur Abhilfe des Futter· und Weidemangels" präzisiert: Nur Distrikte, in denen Jungpflanzen, Stockausschläge oder ein Mastjahr auf natürliche Verjüngung hoffen ließen, sollten die Revierjäger einhängen. In allen anderen Fällen war die Weide gestattet, die angeblich verhindern sollte, daß sich das Gras übermäßig vermehrte. Mit dieser Verordnung reagierten die Gesetzgeber auf gemeindlichen Druck und auf die politische Gesamtlage um 1789 - mitnichten waren sie besorgt über einen übermäßigen Graswuchs. Aber um den Schein zu wahren, hielten sie den Förster an, darauf zu achten, daß die Herden die Weidezeit nicht überschritten, „sondern sobald als der Fortpflanzung des Grases Einhalt geschehen, der Wald wieder geschonet werde". 133 Der im Weistum des Kröver Reichs angesprochene „friedewalt", den zu hauen oder zu öffnen untersagt war, war ein nach dem Abtrieb zu schützender Bezirk. Das Forstgesetz des 18. Jahrhunderts verordnete ausdrücklich die forstmäßige Hegung junger Schläge und Pflanzungen. 134 In der Hinteren Grafschaft Sponheim war seit dem 16. Jahrhundert die „befriedigung des gewäldts" auf jungen Schlägen niedergeschrieben. Distrikte, deren Hege vernachlässigt worden war oder bei deren Vegetation die „Gipfel von dem Viehe verbisen und verlezt worren, als das dieselben Schlag nit mehr wachsen [.. .]" 135 , waren einzuhängen, eine Vorschrift, die speziell für Mastjahre und Eichenlohhecken Mitte des 18. Jahrhunderts präzisiert und 1785 durch die Einzäunung der jungen Schläge abgelöst werden sollte. 136 Sowohl die Rott- und Schiffelwirtschaft als auch die Waldweide bargen Gefährdungen und Konfliktpotentiale, die sich aus dem Ablauf dieser Nutzungen und ihrer Stellung zu den anderen Waldtypen ergeben konnten. 130

§§ 30, 36 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 836, 838 und § 78 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti 827, S. 1398. 131 § 121 ebd., S. 1409 (beide Zitate). 132 § 142 ebd., S. 1415. 133 § 7 Verordnung Kurtrier 1790, Scotti Nr. 869, S. 1483 (beide Zitate). 134 Weistum Kröver Reich, Grimm II, S. 373 (Zitat) und §§ 12, 13 Forstgesetz Kröver Reich, STAT 54 Κ 5495, o.F. 135 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 137-140, 137 (1. Zitat), 140 (2. Zitat). 136 §§ 3, 6 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1744, LHAK 33 6069, fol. 5f„ 10 und §§ 19f. Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1785, LHAK 33 14009, fol. 5f.

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Rott- oder Schiffelland erstreckte sich zumeist auf ehemalige reine Waldgebiete und machte seit dem Hochmittelalter die Grenzertragsböden der Landwirtschaft aus. Um die Rott- und Schiffelwirtschaft dauerhaft zu ermöglichen, durfte sie die Samenbäume und Baumstöcke beim Abtrieb, beim Brennen, der Kornsaat und -ernte nicht beschädigen. Wie oben ausgeführt, finden sich derartige Bestimmungen in allen Verordnungen. Die Baumstöcke auf diesen Arealen garantierten, daß es sich immer noch um „Wald" handelte und nicht um Feld. Die Rott- und Schiffelflächen auszustocken, also zu roden und somit die Ackerfläche dauerhaft in die Kameralwälder auszudehnen, untersagten und bestraften die Forstgesetzen des 18. Jahrhunderts in Kurtrier und der Hinteren Grafschaft Sponheim streng, ebenso wie die Anlage neuer Schiffelländer.137 Obwohl die Gesetze die Umwandlung in ausschließlich landwirtschaftlich genutzte Flächen nachdrücklich verhindern sollten, schützten die Gesetzgeber die Rott- und Schiffelländer damit zugleich in ihrem Bestand - zunächst jedenfalls. Denn ab 1786 zielte die Obrigkeit in Kurtrier darauf, die gemeindlichen Schiffelländer mit Eichelkämpen oder wilden Baumschulen in Hochwald oder zumindest in Pfahl- und Rotthecken umzuwandeln, zumal einige Privatbesitzer auf ihren Ländereien bewiesen hätten, „daß der Boden hiezu nicht ungeschickt seye, daß mithin dergleichen dargegen entstandene Vorurtheile blos durch den Abgang nötiger Versuche unterhalten worden." 138 Für das Kröver Reich hieß es 1758 mit gleicher Absicht, daß „dasjenige, was dem klaren Augenschein nach zu dem Wald gehöret und zur höchsten Ungebühr und Degradierung desselben ausgestocket worden ist, zu solchem hinwiederum eingezogen, zu Wald angepflanzet und abgemarket [.. .]" 139 werden soll. Während man zunächst den Status quo festschrieb, richtete sich das Augenmerk in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Kurtrier und dem Kröver Reich stärker auf die, wenn auch vorsichtige, „Rückumwandlung" der Schiffelländer in reine Forstflächen. Die Waldweide mit Ziegen und Schafen sollte stark eingeschränkt werden, wobei die ersten Belege dafür bis ins 16. Jahrhundert zurückreichen. Demgegenüber wurde versucht, der Rinder- und Kuhweide örtliche und zeitliche Zonen zuzuweisen, die ebenfalls die Ansprüche auf Waldweide minderten, wenngleich nicht in dem Maß wie bei den Ziegen. So sollten die Tiere auch in den Gemeindewäldern weiden, aber die Berechtigungen nicht ausgedehnt werden 140 ; generell sei die Viehhut mit Mäßigung zu betreiben.141 Problemübergreifend stellten die Gesetzgeber fest, die Zahl der Rinder und Kühe und ihr Einfluß im Wald sei zu groß. Damit verknüpften sie die Forderung, die Anzahl 137 § 49 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 841 f., w o b e i die Gesetzgeber insbesondere auch die Hauberge ansprachen. § 2 4 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1386, §§ 2 9 f . Forstgesetz Hintere Grafschaft S p o n h e i m 1785, L H A K 3 3 14009, fol. 8. 138

§ 105 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1405. 139 § 10 F o r s t g e s e t z K r ö v e r R e i c h 1758, STAT 5 4 Κ 5 4 9 5 , o.F. 140 § 4 4 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 8 4 0 f . 141 § 9 8 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1403.

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der Tiere so zu reduzieren, daß das Futter über den Winter reiche. 142 Ihre Prioritäten legten sie auch präziser dar: „Denn es muß einem jeden von selbst einleuchten, daß an der Erhaltung der Waldungen noch weit mehr gelegen seye, und daß, wenn dieselbe einmal ausgegangen sind, in der Folge ganze Gemeinden mit ihren Viehe-Heerden notwendig zu Grunde gehen müssen." 143

Dünger, Gras und Heide dienten als Dünger- oder Streuersatz. Die Auswirkungen des Laubscharrens sowie des Gras- und Heiderupfens auf den Wald zu minimieren oder ganz abzustellen war die vordringlichste Absicht bei den Regelungen, welche die Entnahme organischen Materials aus dem Wald betrafen. In Kurtrier war es ab 1720 nicht erlaubt, Laub oder Reste von gehauenen Ginsterhängen abzutragen. 144 Die Verordnungen der Hinteren Grafschaft Sponheim aus dem 16. Jahrhundert untersagten das Laubscharren zunächst ganz, im 18. Jahrhundert gestatteten sie es, wie das Heiderupfen, nur auf angewiesenen Plätzen; das Laubstreifen war verboten 145 - wie in Kurtrier an jungen Büschen und Kernwuchs auch. 146 1790 umrissen die Gesetze in Kurtrier nicht nur die Beweidung fester, sondern auch das Laubscharren und Heiderupfen in nicht eingehängten Distrikten: Wo der Förster es für unschädlich hielt, sollte es unter dessen Aufsicht erlaubt sein. Ausdrücklich empfahl der Paragraph den Bauern, sich an das Amt zu wenden, falls der Förster an einem Verbot festhalten sollte. 147 Die Normen zum Landwirtschaftswald erfaßten also den Waldfeldbau und die Viehzucht. Sie wollten zugleich die Gefahren, die von beiden Nutzungsformen auf die Holzproduktion ausgingen, möglichst minimieren. Worum drehten sich nun die Zielvorgaben für den dritten Waldtyp, den Jagdwald, und welche Prioritäten drückten sie aus?

3. Der Jagdwald: „womit hernechst die Wildbahn ungestöhret bleibe" Die Regelungen zum Jagdwald befaßten sich zum einen mit Nahrung, ungestörter Lebensweise, Vermehrung und Schutz des Wildes, zum anderen betrafen sie die Durchführung der Jagd, ihre Instrumente und die Jagdfronen.

1 42 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 143 f. und § 143 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1415. Im § 52 der Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 843 sollten lediglich die Viehzahlen von der Gemeinde und den örtlichen Beamten festgelegt werden. 143 § 142 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1415. 144 § 53 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 843. Im Kröver Reich sprach man dieses Thema nicht an. 145 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 120 und §§ 23-26 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1785, LHAK 33 14009, fol. 6f. 146 § 53 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 843. 147 §§ 5f. Verordnung Kurtrier 1790, Scotti Nr. 869, S. 1483.

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Die umfassendsten jagdlichen Bestimmungen aller untersuchten Dokumente enthielt das kurtrierische Forstgesetz von 1720. Ausdrücklich verbot es, den Eckerich in Kameralwaldungen zu lesen, damit es dem Wild nicht an Nahrung mangele. An gemeinen Orten, „ w o die Churfürstliche Wildbahn geheegt werden muß", räumten die Paragraphen der Bevölkerung gewisse Tage ein, an denen sie Haselnüsse sammeln durfte. Für die Äsung des Wildes sollten grundsätzlich Obstbäume, speziell für den Auerhahn Aspen und Eschen, geschont werden. Von den Salzlecken hatten sich die Hirten mit ihrer Herde 300 Schritt entfernt zu halten.148 Festgelegt wurden sodann exakte jährliche Schonzeiten, in denen das Jagen untersagt war: für das Rotwild vom 24. 6. (Johannis) bis 29. 9. (Michaelis), für das Rehwild vom 29. 9. oder auch vom 24. 6. bis zum 11. 11. (Martini), für das Schwarzwild vom 16. 10. (Galli) bis zum 6. 1. (Dreikönig) und für Feldhühner und Hasen von 25. 7. (Jacobi) bis 1. 2. In der Setzzeit, in der die Jungtiere geboren wurden, war es untersagt, die Wildbahn zu stören oder durch Verlassen der Straßen, Laubmachen, Grasen in den Hecken oder mit freilaufenden Hunden zu beeinträchtigen. Darüber hinaus waren die Eier von Haselhühnern und Wachteln und generell Jungtiere zu schützen.149 Weil die „Erfahrnus gnugsam bezeiget, daß durch das ohnvorsichtiges brennen und auch eigenmächtige Verkauff- und Abhauung des Gehölzes nit nur in Unseren, sonderen auch in unseren Unterthanen zuständigen nit hauigen Waldungen sowohl an der Wildfuhr, als Gehölz unwiederbringlicher Schaden geschehen" 150 , gestattete man Verkohlung und Verkauf nur, wenn die Forstbediensteten zuvor zugestimmt hatten. Um die Störungen für das Wild zu minimieren, schrieb man neben den angesprochenen Waldtagen vor, daß den Hunden Klöppel umzuhängen waren, damit sie das Wild nicht beunruhigen konnten.151 Rasch sollte außerdem liegendes Holz, „damit es dem Wild und den jungen Schlägen nicht schädlich seye", und das Berechtigungsholz, „womit hernechst die Wildbahn ungestöhret bleibe", aus dem Wald entfernt werden.152 Während der Jagd war aus gleichem Grund das Vieh in davon nicht betroffene Gebiete einzutreiben. Entgegen „Waydwerks Gebrauch zu Unrechter Zeit" zu jagen war versagt, damit der Bevölkerung, die dabei zu hetzen und treiben hatte, dann nicht die Zeit zur Feldarbeit fehlte und das gejagte Wild, „weil die Früchte noch im Feld stehen", keinen übermäßigen Schaden anrichten konnte.153 Die Gesetze hielten die Jagdfronen präzise fest. Den Forstbediensteten verboten sie, die Fronpflichtigen zu schlagen. Um ungehinderte Jagdfreuden zu gewährleisten, sollten Sträucher und Hecken fortan die Begrenzungen bilden, durch

148

§§ 17, 19,43,45,70 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 8 3 2 f „ 8 4 0 f „ 848; § 43

ebd., S. 840 (Zitat). 149

§§ 58f., 64f. ebd., S. 845-847.

'50 § 16 ebd., S. 832. 152

§ 60 ebd., S. 845. So sollte verhindert werden, daß die Hunde das Wild verfolgten. § 15 ebd., S. 831 (1. Zitat), § 28 ebd., S. 835 (2. Zitat).

153

§§ 44, 62 ebd., S. 841, 846, § 62 ebd., S. 846 (beide Zitate).

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und über die - im Gegensatz zu Holzzäunen oder Planken - ohne Verletzungsgefahr für Wild und Jäger getrieben und geritten werden konnte. 154 In einer ausdrücklich als vorläufig gekennzeichneten Direktive beabsichtigte man 1711, die Jagdbefugnisse zu kontrollieren und denen, die nicht berechtigt waren, Gewehre und Hunde zu verbieten. Ferner wurde darin Gemeinden und Privatleuten aus jagdlichen Gründen verboten, ohne Erlaubnis Hecken und Waldungen zu hauen. 155 1768 empfahlen die Verantwortlichen den Gemeinden erstmals, Wildhüter zu halten, um den Wildfraß auf dem Feld einzudämmen. Zugleich wiesen sie die Revierjäger an, „das überhäusige Wild, so weit es nur mit Conservierung der Wildbahn thunlich, sowohl in dieser selbst, als auch besonders auf denen Gränzen, alles nur antreffende wechselnde Wild, jedoch nach Weydmanns Brauch, hinwegzuschießen." 156

Hier wird die jagdpolitische Wende 1768 greifbar. Im Jahr des Regierungsantritts von Clemens Wenzeslaus deutete sie sich mit der geplanen Reduzierung des zu hohen Wildstandes an. Auch das umfangreiche Forstgesetz von 1786 kündete von der Prioritätsverschiebung: Nur einige wenige Paragraphen behandelten das Jagdwesen. Sie sahen unter anderem vor, die Salzlecken und Obstbäume zu schützen, und unterstrichen, daß sich insbesondere in kommunalen Büschen, Hecken und Waldungen niemand aufzuhalten habe. Die Berechtigten mußten ihr Holz bis zum 1. Mai aus dem Wald schaffen, da andernfalls ihr Anspruch darauf erlösche. Auch die jagdfreundlichen Hecken fanden sich in diesem Forstgesetz wieder. 157 Sie mögen auch deswegen bevorzugt worden sein, weil sie Vögeln als Lebensraum dienten. 158 Das Weistum des Kröver Reichs sprach den Herren von Dietz und Ulmen zu zwei Dritteln, dem Vogt zu einem Drittel das Wildrecht zu. Sie sollten insbesondere darauf achten, daß „das wilt nit gestöret werde" und es nicht über die Grenzen des kleinen Gebietes trete. 159 Im 18. Jahrhundert sah das Forstgesetz dann vor, die Heg- und Setzzeit zu beachten, und sicherte erneut das alleinige Jagdrecht den Landesherren, ihren Vertretern und der Abtei Springiersbach zu.

154

§§ 27, 55, 74-83 ebd., S. 835, 844, 849-852. Dieses Verbot wurde 1727 erneuert; Verordnung Kurtrier 1727, Scotti Nr. 409, S. 911. 155 Verordnung Kurtrier 1711, Scotti Nr. 320, S. 751 f. Vgl. auch Verordnung Kurtrier 1717, Scotti Nr. 348, S. 767 zum Verbot für unberechtigte Jäger, Hasen und Wild zu jagen. 156 §§ 2 - 7 Verordnung Kurtrier 1768, Scotti Nr. 670, S. 1217-1220, § 6 ebd., S. 1220 (Zitat). 157 § § 3 3 f., 60, 107, 138-140 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1388, 1394, 1405, 1413 f. 158 Wolfgang HOCHHARDT, Niederwälder des Mittleren Schwarzwaldes. Vegetationskundliche und faunistische Aspekte, in: ERNST; MODERT; KUNTZ, Beiträge

II, S. 19-24, 22. '59 Weistum Kröver Reich, Grimm II, S. 375 f., 376 (Zitat).

zur

Umweltgeschichte

70

C. Ziele der Waldentwicklung

Im übrigen verwies das Gesetz auf die kurtrierische Weidwerksordnung, die in Jagdsachen auch hier gelten sollte.160 Die Landesherren in der Hinteren Grafschaft Sponheim erließen im 16. Jahrhundert keine Bestimmungen, die Nahrungsangebot, Schon- und Jagdzeiten vorschrieben. Allerdings sollten die Berechtigten auch hier das Holz zügig nach Fällung oder Lese aus dem Wald entfernen, Hecken anpflanzen und den Hunden Klöppel umbinden. Wildhäge, durch Umbiegen junger Bäume gefertigte natürliche Hindernisse, sollten wechselndes Wild am Verlassen des Territoriums hindern.161 1744 sprach man für die Gemeindewaldungen jagdliche Belange nicht ausdrücklich an. Es blieb damit bei den Vorschriften, die dem Wild indirekt zugute kamen, wie Eckerschutz und schnelle Holzentfernung. 162 Die Bedeutung des Jagdwesens trat hingegen 1785 klar hervor - ganz anders als in Kurtrier. Die Rotwild-Setzzeit, vom 12. 5. bis Ende Juni, und die Brunftzeit, vom 3. 9. bis 15. 10., sollten gewahrt bleiben. Innerhalb dieser Zeiträume durfte niemand das Wild stören. Deshalb setzten die Paragraphen die Holztage und die Viehhut selbst auf ansonsten dafür vorgesehenem Gelände in dieser Zeit aus. Grundsätzlich sollte bei Strafe vermieden werden, Geflügel in die Wildbahn zu treiben und spitze Palisaden zu verwenden, an denen sich das Wild aufspießen konnte. 163 Speziell regelten die Gesetze, daß die Bevölkerung die Wildzäune der Tiergärten und der Fasanerie sowie die Reitwege für die Parforcejagd pfleglich zu behandeln hatte. Daneben durfte sie, wie üblich, eigene Hunde nur mit umgehängten Klöppeln halten und hatte sich vor Wilddiebstahl zu hüten. Der Förster durfte bei der Verfolgung von Wilderern auf diese schießen, wenn sie auf Zuruf nicht reagierten. Die Paragraphen bestimmten ferner die Jagdfronen präzise. 164 Für den Jagdwald umfaßten die Gesetze also Bestimmungen zu Nahrung und Schutz des Wildes. Ferner regelten sie den Ablauf der Jagd und die Jagdfronen. In Kurtrier sollte ab 1768 der übermäßige Wildstand reduziert werden; in dem an Pfalz-Zweibrücken gelangten Teil der Hinteren Grafschaft Sponheim wies die Jagdpolitik in die entgegengesetzte Richtung. 4. Holz-, Weide- und Jagddelikte:

Strafmaße und

-verfolgungsvorschriften

Im folgenden soll gefragt werden, wie Strafandrohungen den rechtlichen Zuschnitt der drei Waldtypen untermauerten, wie also Art und Höhe der Sanktionen die Einhaltung der Normen einschärfen sollte. Unter Holz-, Weide- oder Jagdfreveln sind dabei jeweils Verstöße gegen die Bestimmungen des Holzpro-

160

§ 15 Forstgesetz Kröver Reich, STAT 54 Κ 5495, o.F. ' 6 1 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1584, fol. 117, 124, 150, 155. 162 §§ 3f. Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1744, L H A K 33 6069, fol. 5 - 7 . 163 §§ 67f., 70f. Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1785, LHAK 33 14009, fol. 15f. 164 §§ 7 2 - 8 5 , 8 9 - 9 5 ebd., S. 16-21.

II. Forstgesetzgebung 1500 - 1 8 0 0

71

duktions-, Landwirtschafts- oder Jagdwaldes zu verstehen. Deshalb gehen die Delikte direkt aus den Normen selbst hervor und spiegeln diese sehr klar wider. Die Frevelstatuten zu untersuchen verspricht, aus der Art und Höhe der Bestrafung und ihrer Veränderung Hinweise darauf zu erhalten, wie bedeutsam die Bestimmungen für die Normsetzenden jeweils waren. Grundsätzlich sind zu unterscheiden Pfandgebühren, Kosten, die für das Verfahren entstanden, und die Strafgebühr selbst. Um trotz der Unterschiedlichkeit ein Mindestmaß an Vergleichbarkeit zu gewährleisten, erschien es sinnvoll, alle Geldbußen einheitlich in Albus umzurechnen und die Originalangabe aus den Verordnungen in Klammern dahinter zu setzen. Eine Vorstellung von der Höhe der Strafen können folgende Angaben vermitteln: 1746 kostete ein Pfund Rindfleisch in der Stadt Trier 3,5 Albus, Kalbfleisch 4,25 Albus. Ein Bauhandwerkermeister konnte etwa zur selben Zeit einen Jahreslohn von rund 27 Albus, Meisterknechte und Lehrjungen von 25 und 15 Albus erwarten; überdies erhielten sie mindestens noch ein tägliches Abendbrot (Bier und Brot). 1782 betrug der Meisterlohn 24 Albus im Jahr.165 Ein erster Blick gilt den organisatorischen Rahmenbedingungen. Anschließend werden die drei Deliktgruppen behandelt. Die Bestrafung erfolgte in Kurtrier seit 1786 endgültig vierteljährlich. Die über die Delikte detailliert berichtenden Frevellistenbücher waren im Original den Beamten vorzulegen, die das Protokoll nach einem Formularvordruck führten. Wenn der Förster den Täter zu identifizieren vermochte, reichte seine Aussage zur Überführung aus, es sei denn, der mutmaßliche Täter konnte ein Alibi vorweisen - in diesem Fall war der Förster zu bestrafen. Schwere Fälle waren ebenso an die Regierung zu berichten wie Tatbestände, bei denen der Delinquent „durch eine dringende Noth zum Holzraube angetrieben" wurde. 166 Diäten, Zitations- und Abschreibegebühren, die den kurfürstlichen Bediensteten zustanden, wurden summiert und je nach Anteil an der verhängten Gesamtstrafe unter den Bestraften aufgeteilt; Pfandgeld und Schadenersatz hatte jeder individuell zu leisten.167 In der Hinteren Grafschaft Sponheim war im 18. Jahrhundert auf den halbjährlich abzuhaltenden Rügetagen ebenfalls ein ausführliches Frevelregister zu fertigen, das an die Zentralbehörden einzusenden war. Die Aussage der Förster genügte, um den Beklagten zu verurteilen. Die neu eingeführten Verhörgebüh165 IRSIGLER, Wirtschaftsgeschichte Stadt Trier, S. 191, 193-197. Die Beschäftigten konnten weitere materielle Leistungen erhalten. Die Jahresarbeitszeit (gegen Geld) lag bei rund 200 Tagen. 166 §§ 192, 196f., 199f., 202 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1427-1430. § 200 ebd., S. 1429 (Zitat). Die Vordrucke für die Frevelliste und das -protokoll waren dem Forstgesetz angehängt. Vgl. LIT. D ebd., S. 1449 f. 167 §§ 194,212 ebd., S. 1427,1432. Der Amtskellner beispielsweise erhielt 144 Albus (2 Rt und 36 Albus) Diät für einen Rügetag, die Förster 18 Albus, worin die Verpflegung (Zehrung) eingeschlossen war.

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C. Ziele der Waldentwicklung

ren orientierten sich am Strafmaß: Für Strafen von 36-108 Albus (1-3 Gulden) waren beispielsweise 5,5 Albus (2 Batzen und 12 Pfennig) zu entrichten, für hohe Summen von 360-1 764 Albus (10-49 Gulden) waren 15 Albus (7 Batzen und 8 Pfennig) fällig. Zudem hatte jeder Beklagte für die ,Zitation' - also die Vorladung - 1,2 Albus (2 Kreuzer) und für die Aufwartung beim Verhör nochmals die Hälfte zu entrichten. Die Verhörgebühren kamen direkt den Amtsschreibern, -dienern und Boten zu. 168 Die den Förstern zustehenden Pfandgelder waren fest umrissen und unterschieden sich je nach Delikt und Hilfsmitteln: Bei der Holzentwendung mit einem Wagen fielen 12 Albus (20 Kreuzer), mit einem Karren 9 Albus (15 Kreuzer) und für eine Tragelast 6 Albus (10 Kreuzer) an, für ein Stück Vieh in gesperrten Distrikten waren 12 Albus (20 Kreuzer) zu entrichten, eine Herde schlug mit 54 Albus (1 Gulden und 30 Kreuzern) zu Buche. Hasendiebe waren 108 Albus (3 Gulden) Pfandgeld schuldig, ebensoviel wie derjenige, der Wildzäune beschädigte. 169 Mit dem vierten Teil der Strafe wurde belohnt, wer Rechtsbrüche anzeigte. Unterließ er es jedoch wider besseres Wissen, stand ihm die gleiche Strafe bevor wie dem Frevler. Wer einen falschen Namen bei der Pfändung angab, ihn ganz verschwieg oder sich der Pfändung widersetzte, mußte mit Schubkarrenstrafe die Umschreibung für Arbeitsdienste etwa beim Festungs- oder Schloßbau und Arrest rechnen. Gleiches drohte Wiederholungstätern. 170 Die Deliktgruppen orientierten sich an den drei Waldtypen. Für ein Delikt, das gegen Normen des Holzproduktionswaldes verstieß, diktierte das Forstgesetz für den kurtrierisehen Idarwald eine spezielle Strafbestimmung: Das Gebot, den Walddistrikt Gebück wieder anzupflanzen und während der Wiederbegründung dort nicht zu hauen, wurde mit einer Strafandrohung von 240 Albus (10 Moselgulden) oder Gefängnisstrafe unterstrichen. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts faßte in Kurtrier dann ein Katalog innerhalb des Forstgesetzes die Strafen für unerlaubtes Fällen von Bäumen zusammen: Danach waren für einen Eichenstamm 120 Albus (5 Moselgulden), für Buchenwerkholz 72 Albus (3 Moselgulden), für Deichseln 18 Albus, für Weichholzreifstangen 3 Albus und für einen Karren Abfallholz von Schlagresten 20 Albus Strafgebühr fällig· 171 Die „Forst-Frevel-Straf-Taxe", die dem Forstgesetz von 1720 angehängt war, reglementierte tabellarisch für 45 einzelne Delikte das Strafmaß: 172 Widerstand gegen das Forstpersonal zu leisten verursachte 216 Albus (4 Rt) Buße; den falschen Namen zu nennen das Doppelte der angesetzten Strafe. Außerhalb der erlaubten Zeiten den Wald zu betreten zog 48 Albus als Strafe nach 168

§§ 1 - 1 0 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1 7 8 5 , L H A K 3 3 14009, fol. 1-3. >69 § 119 ebd., fol. 27f. no §§ 4 1 - 4 7 ebd., fol. lOf. 171 Forstgesetz Kurtrier (Idarwald) 1584, LHAK 1 C 8054, fol. 188; § 32 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 837. 172 LIT. C ebd., S. 1445-1448. Die Angaben im folgenden beziehen sich darauf.

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sich; wer sich mit einer Säge dort erwischen ließ, mußte 108 Albus (2 Rt) entrichten. Die Buße für eine abgehauene Eiche bewegte sich je nach Dicke zwischen 126 Albus (1 Rt und 18 Albus) und 270 Albus (5 Rt), für Buchen lag das Höchstmaß bei 144 Albus (2 Rt und 36 Albus), für jede andere Holzgattung bei maximal 72 Albus (1 Rt und 18 Albus). Diese Strafen bewegten sich in etwa in Höhe der entsprechenden Holzpreise oder leicht darüber. Feuer an einem gesunden Stamm zu entzünden hatte je nach Gattung - auch hier waren die Eichen am teuersten - zwischen 108 und 270 Albus (2 und 5 Rt) Strafe zur Folge. Die höchste Geldstrafe von 432 Albus (8 Rt) drohte demjenigen, der einen am Weg gepflanzten Baum beschädigte. Im Kröver Reich schrieb das Weistum vor, diejenigen zu pfänden, die ihr Bauholz aus dem gemeindlichen Wald oder aus dem Kondelwald nicht innerhalb der gesetzten Frist verwerteten oder das Nutzholz zweckentfremdeten. Der Förster erhielt als Entgelt einen nicht näher bestimmten Teil vom Pfand. Ein Strafmaß für diese und andere Verstöße legten die Verantwortlichen nicht fest. 173 Im 18. Jahrhundert belegten sie hingegen jeweils denjenigen mit einer Geldstrafe, der die Bestimmungen mißachtete. Den Wald außerhalb der Waldtage zu betreten zog 54 Albus (1 Rt) Strafe und 9 Albus (15 Kreuzer) Pfandgebühr nach sich; wer sich an stehendem Gehölz vergriff, das der Herrschaft vorbehalten war, mußte Schadenersatz und Strafe zahlen, die sich jeweils am Wert des Stammes orientierten. Nächtlicher sowie sonn- und feiertäglicher Holzdiebstahl sollte mit doppelter, „nach befindlichen Umständen auch höherer willkührlicher Straf' geahndet werden. 174 Ab 1744 waren auch in der Hinteren Grafschaft Sponheim bei unerlaubtem Holzhau Schadenersatz und eine Strafe fällig; betraf dies die Wälder der Gemeinden, bekamen sie die Zahlungen. 175 Ebenso präzise wie die Verhör- und Pfandgebühren, die den landesherrlichen Bediensteten zustanden, schrieb man 1785 die Strafen fest, die jeweils die Waldeigentümer erhielten: Nicht angewiesenes Holz zu hauen zog eine Strafe von 18 Albus (30 Kreuzer) nach sich. Wer Stämme nicht in der vorgeschriebenen Weise fällte, machte sich ebenfalls schuldig. Handelte es sich um einen Hochwald, wo dadurch weniger Holz geerntet werden konnte, betrug die Strafe 9 Albus (15 Kreuzer), in einem Niederwald, wo dies den Stockausschlag gefährdete, belief sie sich hingegen auf die weitaus beträchtlichere Summe von 270 Albus (5 Rt). In gleicher Höhe setzten die Verantwortlichen auch die Buße beim Hau von Samenbäumen an. Sie war zusätzlich zum Holzwert zu zahlen. Mit dem doppelten Holzwert bestraften sie die Zweckentfremdung von Berechtigungsholz. Wer Holz außerhalb der Gemeinde verkaufte, ohne daß der Revierjäger davon wußte, hatte pro Klafter 108 Albus (3 Gulden) Strafe zu ent173

Weistum Kröver Reich, Grimm II, S. 373, 377. 174 §§ 3_5 Forstgesetz Kröver Reich, STAT 54 Κ 5495, o.F., § 5 ebd. (Zitat). 175 § 2 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1744, LHAK 33 6069, fol. 4f.

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richten. Handelte es sich um zur Notdurft angewiesenes Holz - das nicht veräußert werden durfte konnten die Beamten die gleiche Strafe bereits bei einer Wagenladung verhängen.176 Auch im Rahmen des Landwirtschaftswaldes sahen die Forstgesetze vor, Delikte zu bestrafen. In Kurtrier sollte 1720 die Viehweide ganzer Herden in gemeindlichen Einhängungen mit 240 Albus (10 Gulden) Strafe und 18 Albus (6 Petermännchen) Pfandgebühr, in sonstigen geschützten Bezirken mit 54 Albus (18 Petermännchen) und gleicher Pfandgebühr pro Tier geahndet werden. Schafe und Ziegen einzutreiben konnte 18 Albus Strafe bedeuten; aus der zeitlichen und örtlichen Überschreitung der Weideberechtigung konnte eine zusätzliche Strafe erwachsen. Gesunde Bäume zu Düngerasche zu brennen oder zu schälen verboten die Paragraphen bei einer Buße von 240 Albus (10 Gulden) und setzten es damit dem Frevel an frischem Holz gleich.177 Für jedes Stück Vieh in einem eingehängten Bezirk hatte sein Besitzer nach 1786 eine Strafe von 48 Albus zu zahlen, die auch für einzelne Tiere einer Herde galt; sollte der Eigentümer zudem grundsätzlich nicht zur Weide berechtigt sein, war das Dreifache fällig. Unberechtigtes Weiden - auf nicht eingehängten Distrikten - konnte mit 6 Albus für jedes Tier geahndet werden. In geschlossenen Bezirken Gras zu schneiden kostete den Delinquenten 270 Albus (5 Rt) Strafe, dort Laub zu scharren 144 Albus (2 Rt), in frei zugänglichen Bereichen 24 Albus. Unerlaubt Bucheckern und Eicheln zu sammeln war mit 144 Albus (2 Rt und 36 Albus) belegt, sie von den Bäumen zu schlagen mit 270 Albus (5 Rt). Der Schadenersatz war jeweils gesondert zu taxieren. Frevelte der Revierjäger selbst, mußte er eine Strafe zahlen und um seine Anstellung fürchten. 178 Schon drei Jahre nach der Publikation des Forstgesetzes halbierte eine Verordnung 1789 die Strafen für Vieheintrieb in Gehänge und begrenzte das Strafmaß für eine prinzipiell berechtigte Herde auf 540 Albus (10 Rt). Vermutlich hingen diese Reduktion und Begrenzung mit der politischen Situation zusammen. Dafür spricht auch, daß die Gesetzgeber dem eigenen Personal zugleich den § 200 des Forstgesetzes einschärften. Danach sollten die Verantwortlichen bei der Bestrafung mildernde Umstände berücksichtigen. Für arme Delinquenten konnten sie geringere Geldstrafen verhängen oder die Bußen in Waldarbeit (Pflanzungen, Gräben ziehen, Fuhr- und Wegearbeit) umwandeln, wie das fortan auch generell für Strafen über 2160 Albus (40 Rt) galt. 179 Es ist 176 §§ 11, 14, 18,39f. Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1785.LHAK33 14009, fol. 4 f., 10. 177 §§ 30, 38, 40, 44 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 836, 839-841. § 49 ebd., S. 842 verbot, Kernwuchs zum Schiffein zu verwenden. 178 LIT. C Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1445-1448. 179 Verordnung Kurtrier 1789, Scotti Nr. 861, S. 1475. 1793 wurde die Zweckentfremdung von Bauholz bestraft, was im Forstgesetz versäumt worden war. Dieses Delikt sollte geahndet werden wie ein unerlaubter Holzhau und den Wertersatz an den Besitzer einschließen. Vgl. Verordnung Kurtrier 1793, Scotti Nr. 899, S. 1507.

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denkbar, daß die Gesetzgeber damit auch eine gewisse Konzession an die Strafgerichtspraxis machten. Die vorgeschriebenen Strafen waren ohnehin unrealistisch hoch. Im Kröver Reich konnten die Verantwortlichen das Strafmaß für das „Ausrotten und ausstecken der Waldungen" frei festsetzen. Beim Vieheintrieb in junge, eingehängte Schläge wurden pro Tier, insbesondere bei Ziegen, 36 Albus (1 Gulden rheinisch) Buße sowie 12 Albus (20 Kreuzer) Pfandgebühr fällig. Hirten, die ihre Herde dorthin trieben, mußten mit 180 Albus (5 Gulden rheinisch) und 48 Albus (4 Kopfstück) Pfandgebühr rechnen.180 In der Hinteren Grafschaft Sponheim sollten die Beamten im 16. Jahrhundert Geld- oder Leibesstrafen üblicherweise individuell nach Delikt verhängen, die sich bei Widerstand stark erhöhten. In präzise festgelegter Höhe bestrafte das Forstgesetz nur einige wenige Tatbestände, wie etwa den Ziegeneintrieb mit 18 Albus (Vi Gulden).181 Der Vieheintrieb in eingehängte Gemeindewaldbezirke provozierte 1744 weiterhin 18 Albus (ιΛ Gulden rheinisch) Strafe pro Tier und 180 Albus (5 Gulden rheinisch) für eine Herde mit Hirten.182 Hält man das Forstgesetz von 1785 dagegen, sticht sofort eines hervor: Nur etwa jeder vierte der 120 Paragraphen war ohne Strafandrohung.183 Ein Wagen gescharrten Laubs konnte eine Buße von 18 Albus (30 Kreuzer) bedeuten. Bei der Zerstörung von Zäunen, die junge Schläge schützten, drohte Männern eine zeitlich unbegrenzte Schubkarrenstrafe und Frauen Gefängnis. Die Viehweide in geschlossenen Distrikten wurde, wie generell die Ziegenweide, mit 36 Albus (1 Gulden) pro Tier und 540 Albus (15 Gulden) für eine Herde geahndet. Eine der höchsten Geldstrafen - 1080 Albus (20 Rt) - war für das unerlaubte Ausstocken von Rottbüschen angesetzt, weil dies einer dauerhaften Umwandlung in Ackerland gleichkam. Daß die Dorfbewohner ihr eigenes Ackerland in den Wald ausdehnten, beabsichtigte man, mit 180 Albus (5 Gulden) Strafe pro Ruthe zu unterbinden (1 Ruthe = ein Hundertsechzigstel Morgen).184 Beim Jagdwald waren folgende Delikte verzeichnet: Die vorsätzliche Beschädigung der Salzlecken sollte in Kurtrier eine Geldstrafe von 240 Albus (10 Gulden) verhindern. Besitzer von Hunden, die sie ohne Klöppel herumlaufen ließen, konnten die Forstleute mit je 24 Albus (1 Gulden) Buße belegen und die Hunde erschießen. Heimliche Wildschützen mußten ein gigantisches Strafmaß von bis zu 2400 Albus (100 Gulden) erwarten sowie zusätzlich eine Leibesund Schandstrafe.185 Ebenso wie weiteren Delikten, die den Wildnachwuchs 180

§§ 9, 12, 14 Forstgesetz Kröver Reich 1758, STAT 54 Κ 5495, o.F. Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 143, 157f. 182 §§ 2f. Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1744, LHAK 33 6069, fol. 4 - 6 . 183 SCHUNK, Forstunruhen, S. 58, zählt hingegen 99 Paragraphen von 120, die eine Strafe androhten. 184 §§ 13, 19-21, 25, 30 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1785, LHAK 33 14009, fol. 4 - 8 . 185 §§ 45, 60f. Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 841, 845f. Bei Schandstrafen 181

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gefährdeten, mit Strafen begegnet werden sollte, war das außersaisonale Jagen bei der extrem hohen Strafe von 960 Albus (10 Goldgulden) untersagt. 186 Unter Androhung der Kassationsstrafe, also des Verlustes seiner Anstellung, hatte der Revierjäger die Wildbestände entsprechend der neuen Vorgabe zu regulieren. 187 In der Verordnung von 1768 drohte bei Widerstand gegen die Pfändung nach Holzfreveln unter Umständen Festungsarbeit. Präziser faßte man die Jagdfrevelstrafen: Dem Eigentümer von Hunden ohne Klöppel konnten 96 Albus (1 Goldgulden) Strafe auferlegt werden. Unberechtigten, die sich mit unangeleinten Hunden auf der Wildbahn bewegten, drohten 484 Albus (4 Goldgulden), wer sich widerrechtlich vom Jäger zur Jagd gebrauchen ließ, gar 960 Albus (10 Goldgulden) als Strafe. Vermochte der Angeklagte diese große Summe nicht aufzubringen, mußte er drei Tage lang am Pranger („Strafstock") stehen und dabei ein Hirschgeweih tragen. 188 Unberechtigte Jäger hatten im Kröver Reich damit zu rechnen, daß ihnen das Gewehr abgenommen und ihre Hunde totgeschossen wurden. Wer die Anordnung unterlief, Hunde außerhalb der Dörfer nur mit Klöppel herumstreunen zu lassen, verfiel einer Strafe von 108 Albus (2 Rt) und mußte zudem damit rechnen, daß der Jäger den Hund erschoß, wodurch weitere 18 Albus Schußgeld fällig wurden. 189 In der Hinteren Grafschaft Sponheim war 18 Albus (30 Kreuzer) schuldig, wer in der Heg- und Setzzeit den Wald betrat, die während dieser Zeit ruhenden Holztage nutzte oder aber Vieh auf Gelände trieb, wo es zu anderer Zeit regulär gestattet war; Hunden die Klöppel abzunehmen konnte 270 Albus (5 Rt), bei Zahlungsunfähigkeit auch 30 Stockschläge bedeuten. Daß jemand spitze Palisaden aufstellte, sollte eine Buße von 360 Albus (10 Gulden) verhindern, spießte sich zudem noch Wild daran auf, so war das Wildbret zu bezahlen. Die Wildzäune der Tiergärten und Fasanerien durften nicht beschädigt werden; insbesondere der Diebstahl der Nägel sollte mit 540 Albus (10 Rt) geahndet werden. Wer beim Wässern der Wiesen die Wege für die Parforcejagd überwurde oftmals die Todesstrafe angedeutet, so mußte etwa ein Rad getragen werden, das auf den Tod durch Rädern hinwies. Sie raubten die Ehre nicht und galten neben Geldstrafen als die eigentlichen Strafmittel der Niedergerichte. Vgl. HRG, Art. .Schandstrafen', Bd. 4, Sp. 1353-1355 (G. Haberer). 186

§§ 45, 6 0 - 6 5 , 70 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 841, 845-848. Schon wer mit einer Flinte im Wald angetroffen wurde, galt als Jagddelinquent. Vgl. Verordnung Kurtrier 1724, Scotti Nr. 395, S. 858 und Verordnung Kurtrier 1784, Scotti Nr. 7889, S. 1344. 187 § 6 Verordnung Kurtrier 1768, Scotti Nr. 670, S. 1220. 188 §§ 3f„ 7 Verordnung Kurtrier 1768, Scotti Nr. 670, S. 1218f., 1220. Mit § 4, der Unberechtigte betraf, die sich von anderen zur Jagd einspannen ließen, erneuerte man zwei Verordnungen von 1757 und 1759, Scotti Nr. 574, 592, S. 1105, 1113. 189 § 15 Forstgesetz Kröver Reich 1758, STAT 54 Κ 5495, o.F. Vgl. auch Karl-Heinz SPIESS, H e r r s c h a f t l i c h e J a g d und b ä u e r l i c h e B e v ö l k e r u n g i m Mittelalter, in: RÖSENER,

Jagd,

S. 231-254, 244-248. Hier ist auch die weithin übersehene Tatsache erwähnt, daß Bauern nicht nur Opfer der Jagd waren, sondern selbst jagten (S. 248-254).

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schwemmte, den erwartete gar das doppelte Strafmaß. Nicht nur die Ableistung der Jagdfronen sollte mit Geldabgaben erzwungen werden, auch dem Bürgermeister etwa, der die Liste der Fronpflichtigen unrichtig erstellte, drohte man eine Bestrafung mit 540 Albus (10 Rt) an. 1 9 0 Insbesondere die Wilderei wurde mit hohen Geldbußen belegt: Wilddiebe mußten eine schwere Leibes-, unter Umständen sogar die Todesstrafe erwarten. Wer im Wald eine Flinte mit sich führte, war 360 Albus (10 Gulden) schuldig, wer Fallen unschädlich machte oder stahl, konnte mit 1080 Albus (20 Rt) bestraft werden, wobei der Denunziant, entgegen der prinzipiellen Regelung, davon die Hälfte erhielt. Überhaupt baute man beim Wilddiebstahl stärker auf den Weg, durch Zuträger Frevel aufzudecken. Auch auf Mitwissende wurde Druck ausgeübt: So konnte deren Vermögen konfisziert werden, falls sie nichts verrieten; es lockten sie gleichzeitig 1350 Albus (25 Rt), ihr Wissen preiszugeben. Führten die Hinweise zur Ergreifung des Täters, so wurden sie nochmals belohnt: mit 1800 Albus (50 Gulden) und zweijähriger Abgabenfreiheit. 1 9 1

5. Die Forstverwaltung:

Aufgaben und

Dienstanweisungen

Die Vorschriften über die forstlichen und polizeilichen Aufgaben der Verwaltung hingen eng mit den Reglements zur Strafverfolgung und den drei Waldtypen zusammen, vorrangig mit denen zum Holzproduktionswald. Darüber hinaus betrafen sie den organisatorischen Aufbau der Forstverwaltung und Verhaltensmaßregeln der Angestellten, ferner Personalobliegenheiten der Gemeinden. Im Holzproduktionswald resultierten zahlreiche regelmäßige Pflichten des landesherrlichen Personals nicht nur aus der forstlichen Behandlung des Waldes, sondern auch aus den Detailvorschriften zur Holznutzung. Vor allem die Entscheidung darüber, ob und wenn ja wo welches Holz zu schlagen oder zu lesen war, ragte dabei heraus. Beabsichtigten die Gemeinden, Holz aus ihren Wäldern zu veräußern, waren sie gehalten, zuvor den landesherrlichen Konsens einzuholen, also die Zustimmung des Landesherren zu ihrem Ansinnen schriftlich zu beantragen. Dieser Amtsweg wurde 1688 in Kurtrier verordnet. 1699,1730 und 1734 schärfte man den Gemeinden die vorherige Konsenseinholung beim Holz- und Kohleverkauf erneut ein. 1 9 2 1758 und 1768 bestimmte man, diese solle sich fortan auf

190 §§ 67, 71, 75-80, 85, 87 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim, LHAK 33 14009, fol. 15-19. 191 §§ 92, 96, 105-107 ebd., fol. 21-24. 192 Verordnung Kurtrier 1688, Nikolaus von H O N T H E I M , Historia Trevirensis Diplomatica et Pragmatica, III, Trier 1750 (= Hontheim III), S. 815 (auch gedruckt in Scotti Nr. 285, S. 721 f.); ohne Konsens war der Vertrag der Gemeinde mit dem Käufer nichtig, und das Holz konnte konfisziert werden. Verordnung Kurtrier 1699, Scotti Nr. 297, S. 731; Verord-

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C. Ziele der Waldentwicklung

alle Wälder erstrecken, die der landesherrlichen Oberaufsicht unterlagen, und somit auch Kloster- und Privatwälder betreffen. 193 Das Forstgesetz von 1786 verpflichtete die Gemeinden, beim Amt anzuzeigen, wenn sie Holz aus ihren Wäldern verkaufen wollten, sofern diese jährlich mehr erbrachten, als sie selbst benötigten, oder „überständige Gegenden [enthielten, die] zur Abwendung des hieraus entstandenen Schadens weggehauen werden müssen". Im Konsensgesuch war gleichzeitig anzugeben, wofür die Verkaufserlöse verwendet werden sollten. An der Ortsbesichtigung, die zu klären hatte, ob der Hau unschädlich war, sollten Beamte, Kellner, Revierjäger, Gemeindevorstand und Ortsgericht teilnehmen. Abschließend war an die Regierung zu berichten, daß die ganze Gemeinde den Verkauf billige - etwaige Gegner durften ihre Gründe ausführlich zu Protokoll geben - und das Holz bestmöglich genutzt werden sollte. Nach Rücksprache mit dem Forstmeister entschied die Regierung über das Gesuch. 194 Beim Bauholz, das im Rahmen der Notdurft bezogen wurde, entschieden in Kurtrier ebenfalls die Ämter und Kellnereien über die Fällung - nicht etwa die Förster. Die Kompetenz, die Rechtmäßigkeit des Antrages zu überprüfen und über die Menge des benötigten Bauholzes sowie die forstliche Unschädlichkeit des Haues zu befinden, rührte aus den Anfangszeiten her, als die Administration lediglich Gerichte und Ämter umfaßte und an eine eigene Forstverwaltung noch nicht zu denken war. So waren diese Aufgaben auch im Weistum des Kröver Reichs, im dortigen Forstgesetz von 1758 sowie in der Hinteren Grafschaft Sponheim des 16. Jahrhunderts bei den bereits bestehenden Behörden angesiedelt. 195 Nachdem die Administration den Verkauf oder den Bezug von Holz genehmigt hatte, mußte sie entscheiden, wo die vorgesehene Menge gehauen werden konnte. Dies war Aufgabe des Försters. Er wies an, welche Stämme zu schlagen waren. Im kurtrierischen Idarwald wurde 1584 die Anweisung von Bauholz vorgeschrieben. Im Forstgesetz von 1720 galt diese Regelung für alle Sortimente, welche die Bevölkerung zur Notdurft bezog. Die Anweisung, die auch nung Kurtrier 1730, Scotti Nr. 430, S. 960f., ebd. .Bemerk' zur Verordnung vom 20.3. 1734. 193 Verordnung Kurtrier 1758, Scotti Nr. 583, S. 1109; § 9 Verordnung Kurtrier 1768, Scotti Nr. 670, S. 1220 f. 194 §§ 153-157 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1417f„ § 153 ebd., S. 1417 (Zitat). Um das Gesuch zu überprüfen, war Gleichlautendes bereits 1776 verordnet worden, Scotti Nr. 724, S. 1276 f. Bis 1790 waren die Erlöse zur Schuldentilgung zu verwenden, § 164 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1420. Ab dem 10. 4. 1790 war den Gemeinden freigestellt, wie sie das Geld verwendeten. Verordnung Kurtrier 1790, Scotti Nr. 868, S. 1481. 195 Weistum Kröver Reich, Grimm II, S. 373 (für alle im Rahmen der Notdurft bezogenen Holzsortimente), S. 377 (speziell für Bauholz); § 11 Forstgesetz Kröver Reich 1758, STAT 54 Κ 5495, o.F. bezieht sich auf Bau- und Klafterholz; Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 115, betrifft das Bauholz.

II. Forstgesetzgebung 1 5 0 0 - 1 8 0 0

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in den Gemeindewäldern stattfinden sollte, war unentgeltlich. Ausländische Käufer, Holzhändler und Flößer hingegen hatten pro 54 Albus (1 Rt) Holzwert 6 Albus (2 Petermännchen) Stamm- und Anweisungsgeld zu entrichten. War über die Fällung der Bäume entschieden, kennzeichneten die Verantwortlichen sie, indem sie in die Stämme das Hoheitssymbol des Forstamts prägten. Es ragte am Stilende der Axt als Metallkopf heraus. Das Holz war mit diesem Petschaft (Stempel zum Siegeln) unverwechselbar und unnachahmbar markiert. 196 Daß dieses Verfahren anzuwenden war, unterstrich man 1758 und 1768 neuerlich. 1786 entwickelten es die Gesetzgeber weiter: Von nun an sollte ein Stamm doppelt angeschlagen werden und der Hieb oder Schnitt zwischen den beiden Zeichen angesetzt werden, so daß im nachhinein sowohl am Stock wie auch am gefällten Stamm noch erkennbar war, ob es sich um einen angewiesenen Hau handelte. Beim Einschlag selbst sollte möglichst der Revieijäger oder der Spiesförster - sein bei der Gemeinde angestellter Kollege - zugegen sein, um die Arbeit der Holzhauer zu beaufsichtigen.197 Im Kröver Reich waren die Schöffen bei der Vergabe von Holz einzubinden. Ob sie außer beim Nutz- und Bauholz die Plätze oder Stämme genau anweisen sollten, ist aus dem Weistum nicht zu rekonstruieren, aber nicht ausgeschlossen; denn 1758 bekräftigte der Paragraph über die Holzanweisung durch die Förster im Kondelwald, daß es dabei „nach wie vor" zu „belassen", die Kennzeichnung nach behördlicher Bewilligung allerdings, wie in den angrenzenden Wäldern auch, mit der Waldaxt vorzunehmen sei.198 Den Anschlag mit der Waldaxt legte das Forstgesetz in der Hinteren Grafschaft Sponheim im 16. Jahrhundert, obschon an unauffälliger Stelle am Ende des Forstgesetzes, fest. Dabei blieb es vermutlich auch 1744, obwohl die Paragraphen den Anschlag per Waldaxt nicht eigens erwähnten. Der Jäger hatte in Kamerai- und Gemeindewaldungen zweimal jährlich Brenn-, Nutz- und Bauholz für die Bevölkerung anzuweisen, wofür ihm keine Forstgebühr, wohl aber ein Kostgeld von 36 Albus (1 Gulden rheinisch) für maximal einen Tag zustand. 1785 wurden die Anweisungen wieder ausdrücklich auch mit der Waldaxt vorgesehen. Davon nahm das Gesetz die Gemeinden aus, die eine eigene Waldaxt - als Zeichen der Hoheit über ihren eigenen Wald - besaßen.199 196 Forstgesetz Kurtrier (Idarwald) 1584, LHAK 1 C 8054, fol. 189; §§ 8, 14, 22f. Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 828, 831, 834. Oft verwendete man zum Siegeln auch einen Waldhammer mit einem entsprechenden Siegel. 197 Verordnung Kurtrier 1758, Scotti Nr. 583, S. 1109, § 9 Verordnung Kurtrier 1768, Scotti Nr. 670, S. 1220f. und § 43, 59 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1390f., 1394. 198 Weistum Kröver Reich, Grimm II, S. 373, und § § 1 , 1 1 Forstgesetz Kröver Reich 1758, STAT 54 Κ 5495, o.F. (§ 1 beide Zitate). 199 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 135, 138, 151 („Soll auch keiner holz zu hauen gelaßen werden, es sey dan jener durch den Forster mit dem waldt Zeichen das haue orth abgezeichnet und im Zeit und weil geordert [...]") und §§ 4f„ 7 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1744, LHAK 33 6069, fol. 7f., lOf. sowie §§ 11 f. Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1785, LHAK 33 14009, fol. 3 f.

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C. Ziele der Waldentwicklung

Wenngleich die Tätigkeiten, die dem Personal aus Bestimmungen zum Holzproduktionswald erwuchsen, zahlreich und detailliert waren, zogen doch auch landwirtschaftliche, jagdliche und strafrechtliche Obliegenheiten spezifische Verrichtungen nach sich. Da sie im wesentlichen bereits aus der Dokumentation der Elemente von Landwirtschaftswald, Jagdwald und Frevelverfolgung hervorgehen und mit diesen exakt korrespondieren, mag an dieser Stelle ein kurzer Hinweis genügen: Neben die Durchführung der Schweinemast und die Einhängung der Schläge traten vor allem die Teilnahme an der Jagd und deren langfristige Vorbereitung, insbesondere durch sorgfältige Hege und Pflege der Wildbestände. Alle bislang genannten Verrichtungen kehrten phasenweise wieder und waren damit zu bestimmten Zeitpunkten abgeschlossen. Ständig hatte das Personal indes darauf zu achten, daß nicht gegen die Paragraphen verstoßen wurde: Gleichviel, ob Förster und Jäger Holz anwiesen, Schweine zählten oder zur Jagd bliesen, ihnen war neben und während dieser eigentlichen Fachaufgaben auch permanent auferlegt, als Waldpolizei aktiv und präsent zu sein. Die Bestimmungen der Forstgesetze schnitten teilweise auch Organisationsfragen der Forstverwaltung an oder definierten ein Anforderungs- und Verhaltensprofil für die Bediensteten. Weil diese Paragraphen sich dann zunächst weniger nach außen orientierten oder eine konkrete Tätigkeit ins Auge faßten, können sie als interne Verwaltungsanordnungen gelten. Adressaten waren in diesen Fällen ausschließlich die eigenen Angestellten. Die Verhaltensmaßregeln, die an das Personal ausgegeben wurden, waren einesteils sehr allgemein gehalten: So mußten sie die ihnen aufgetragenen Pflichten gewissenhaft, fleißig, klug und ordentlich ausführen, was ihnen ihre praktischen Fähigkeiten und theoretischen Kenntnisse von Forst und Jagd ermöglichen sollten. 200 Andernteils bezogen sie sich auch spezieller auf das Verhalten gegenüber der Bevölkerung: Dorfeinwohner zu schelten, zu beschimpfen und zu schlagen, sich bestechen zu lassen, aus dem Amt und seinen Verrichtungen andere persönliche Vorteile zu ziehen, etwa durch überhöhte Gebühren, oder gar selbst zu freveln oder Delikte zu decken war ausdrücklich untersagt. 201 Mehrfach schärften die Gesetzgeber in Kurtrier dem eigenen Personal ein, daß es die Rechte der im Wald Befugten nicht schmälern durfte 2 0 2 200 Allgemeine Verhaltensvorschriften finden sich etwa in: §§ 2-4 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 824f. und §§ 8, 10, 12 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1382 f. 201

Schelten, Beschimpfen und Schlagen verboten folgende Bestimmungen: § 168 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1421; Bestechung und persönliche Vorteile in: §§ 111-114 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1785, LHAK 33 14009, fol. 25f.; überhöhtes Pfandgeld, das mit der zehnfachen Strafe des Betrages geahndet wurde, in: § 120 ebd., fol. 28; behördlicher Frevel, der neben der Freveltaxe mit Entlassung geahndet wurde, in: LIT. C Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1448. 202 §§ 19, 64, 97 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1384f., 1395, 1402.

II. Forstgesetzgebung 1500 - 1 8 0 0

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Die Forstgesetze der Hinteren Grafschaft Sponheim berücksichtigten innerorganisatorische Belange 1584 und 1785 gar nicht und 1744 nur in der Präambel, die für das gemeinschaftliche Oberforstamt „Direction und respective Administration" der Gemeindewälder beanspruchte. 203 Doch nicht nur landesherrliches Personal sollte sich mit Wald und Wild befassen. Die kurtrierische Dorfordnung von 1742 verfügte, die Gemeinden sollten jährlich so viele Wald- und Feldhüter in ihren Dörfern ernennen, wie zum Schutz der Gemeindeländereien nötig seien. Dafür erhielten die Wald- und Feldhüter von allen anderen Einwohnern jährlich eine Garbe Korn sowie anteilige Gelder bei Pfändungen: So bezog der Feldhüter von der Strafe für das Delikt 6 Albus, wenn es tagsüber geschah, und 9 Albus, fand es nachts, sonn- oder feiertags statt; dem Waldhüter standen 12 oder 24 Albus zu. Allerdings mußten sie selbst für den Schaden aufkommen, wenn sie keinen Frevler dingfest machen konnten; andernfalls genügte ihr Eid, um ihrer Aussage vor Gericht das nötige Gewicht zu verleihen. 204 Auch einzelne Paragraphen der anderen Verordnungen beschieden, daß die Gemeinden eigenes Personal anzustellen und mit jagdlichen und forstlichen Aufgaben zu betrauen hatten. In Kurtrier sollte ab 1768 ein festes Amt innerhalb der Gemeinden, das des Wildhüters, die Wildschäden auf den Feldern verhindern oder vermindern helfen. Allerdings durften seine Hunde keine wirklichen Jagdhunde sein. Deshalb vermochten diese das Wild nur unzureichend abzuschrecken. Eine wirksame Abhilfe verordneten die Gesetzgeber somit nicht. Der Regierung oblag es, die Spiesförster, denen ausschließlich forstliche Belange anvertraut waren, für Gemeinde- und Privatwaldungen anzustellen; für Kameralwaldungen war die Hofkammer zuständig. Das Forstgesetz von 1786 empfahl den Gemeinden des weiteren, sie sollten aus ihrer Mitte einen Förster designieren, der durchgehend die Wälder zu bewachen hatte, um Holzräubereien und die „schädliche Viehtrift" zu verhindern. 205 Anderen Waldbesitzern, wie Adligen, Klöstern, Städten oder Märkerschaften, empfahl man, neben den gewöhnlichen Schützen auch „ausgelernte holzgerechte Forstverständige" einzustellen, welche durch die Beamten auf das Forstgesetz verpflichtet wurden. Ihnen war die systematische Erfassung und Einteilung der Wälder nach dem Paragraphenwerk anvertraut. Zusätzlich zu diesem Amt sollten Städte und Märkerschaften aus ihren Mitteln einen „beständigen Waldaufseher" finanzieren; Privatwaldbesitzern sowie Klöstern war dies freigestellt. Der 203

Präambel Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1744, LHAK 33 6069, fol. 3 (Zitat). 204 §§ 2 - 7 Dorfordnung Kurtrier 1742, Scotti Nr. 497, S. 1028 f. 205 Verordnung Kurtrier 1768, Scotti Nr. 670, S. 1219; §§ 15, 113 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1384, 1407 (Zitat). Im Forstgesetz der Hinteren Grafschaft Sponheim von 1584, LHAK 33 4221, fol. 147, werden „Waldförster" im Zusammenhang mit Wäldern von Gemeinden und Städten erwähnt. Das deutet darauf hin, daß diese Einrichtung auch hier bekannt war, wenngleich das Forstgesetz die Körperschaften nicht ausdrücklich darauf verpflichtete.

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C. Ziele der Waldentwicklung

Amtsinhaber sollte einstehen für die kontinuierliche Behandlung der Wälder trotz wechselnder Bürgermeister und Märker; er war der Fachmann, der „von allen in das Holzwesen einschlagenden Sachen Rede und Antwort zu geben hat". 206 Insgesamt regelten die Gesetze organisatorische Belange inner- und außerhalb der landesherrlichen Verwaltung und verpflichteten das Personal und die Bevölkerung auf die Normen. Wie bereits die Delikte waren so auch die Verwaltungsvorschriften untrennbar mit den inhaltlichen Bestimmungen der Waldtypen verknüpft. Doch wie begründeten die Gesetzgeber ihre vielfältigen waldorientierten, strafrechtlichen und verwaltungstechnischen Ansprüche?

6. Begründungsmuster

in den Quellen

In den Präambeln, aber auch in den einzelnen Paragraphen, enthalten die Dokumente in der Regel für die niedergelegten Bestimmungen auch typische, häufig wiederkehrende Begründungsmuster. Sie bestehen aus drei eng verknüpften Elementen. Zunächst einmal sind dies Behauptungen über Handlungen, die in der Vergangenheit erfolgten. Darunter fällt vornehmlich der Vorwurf, Berechtigungen seien mißbraucht207 oder vorangegangene Verordnungen nicht oder nur unzureichend beachtet worden. 208 Sodann wird darauf aufbauend zweitens die daraus resultierende gegenwärtige Situation charakterisiert. Der Wald sei verwüstet und verhauen 209 , respektive die Wildbahnen verdorben. 210 Das wiederum führe zu einem Holzmangel, der bereits akut211 oder

206 §§ 169-172, 183, 188 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1421 f., 1425f.; § 170 ebd., S. 1421 (1. Zitat), § 183 ebd., S. 1425 (2. Zitat). Die Verordnungen der Hinteren Grafschaft Sponheim behandeln diese Frage nicht. Allerdings könnte es sich beim angesprochenen „Förster" durchaus um ein kommunales Amt handeln. 207

Präambel (mit Hinweis auf Kriegszeiten), § 29 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 822, 836; Präambel Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1379; Präambel Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1744, LHAK 33 6069, fol. 3. 208 Verordnung Kurtrier 1768, Scotti Nr. 670, S. 1217: Die Anordnungen zu präzisieren, damit sie eindeutig sind, führte die Präambel des Forstgesetzes Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1379, an. Weil die Laubstreunutzung dem Wald Dünger entzogen habe, sei sie einzuschränken, argumentiert das Forstgesetz der Hinteren Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 120. 209 Präambel Forstgesetz Kurtrier (Idarwald) 1584, LHAK 1 C 8054, fol. 185; Verordnungen Kurtrier 1688, 1699, Scotti Nr. 285, 297, S. 721, 731; Verordnung Kurtrier 1721, Scotti Nachtrag F, S. 1551; Präambel, § 29 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 822, 836; Präambel Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1379; Präambel Forstgesetz Kröver Reich 1758, STAT 54 Κ 5495, o.F.; Präambel Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 113, 121 f. (implizit). 210 Verordnungen Kurtrier 1710, 1717, Scotti Nr. 317, 348, S. 749, 767; § 16 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 832. Den Verfall des Jagdwesens beklagte auch der trierische Kurfürst Clemens Wenzeslaus, der als Fürstbischof in Augsburg mit dem dortigen Rat einen Vertrag über die Jagdrechte abschloß; vgl. Vergleich zwischen dem Hochwürdigsten

III. Fazit

83

zu erwarten212 sei. Der Holzmangel gefährde das Gemeinwohl 213 oder zumindest monetäre214 Interessen. Bemerkenswerterweise erwähnt das kurtrierische Forstgesetz von 1786 den Holzmangel nicht. Schließlich wird daraus drittens das notwendige Maßnahmenbündel für die Zukunft begründet. Im Mittelpunkt stehen dabei die bessere Erhaltung, Verwaltung und somit weniger waldschädigende Nutzung der Wälder215, die auch der Bevölkerung zum Vorteil216 gereichten. Verstärkt rücken hier auch die Nachkommen ins Blickfeld, an deren zukünftige Holzversorgung immer wieder erinnert wird.217

III. Fazit Gegenüber dem wenig verläßlichen und irreführenden Sprachgebrauch werden die Wald- und Forstordnungen hier einheitlich als Forstgesetze behandelt. Diese vielschichtige Quellengattung der Frühen Neuzeit wurde bislang mit drei Lesarten untersucht: Schwerpunktmäßig ging es Vertretern der ersten Lesart um den forstlichen Kenntnisstand. Anhänger der zweiten Lesart interessierten sich vornehmlich für historische Waldnutzungen oder die Forstpraxis. Dieser methodisch anfechtbare Zugriff bestimmte die Globalinterpretation der Forst-

Durchlauchtigsten Fürsten und Herrn Herrn Clemens Wenzeslaus zu Trier [...] und Rath der Reichsstadt Augsburg [...], 17. 12. 1785, o.F., gedruckt. 211 Verordnung Kurtrier 1730, Hontheim III, S. 950; § 3 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1744, LHAK 33 6069, fol. 5. 212 Verordnung Kurtrier 1688, Scotti Nr. 285, S. 721; Präambel Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 823; Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 113, 146. 213 Präambel Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 823; § 3 Forstgesetz Kröver Reich 1758, STAT 54 Κ 5495, o.F. (mit Bezug auf die Holztage); Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 114, 146. 214 Augenfällig in den §§ 25 (Bau- und Floßholzpreise seien möglichst hochzutreiben), 26, 35, 97 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 834f., 838, 855 f.; §§ 19, 164 (zur Schuldentilgung der Gemeinden) Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1384, 1420; Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 133,155. 215 Forstgesetz Kurtrier (Idarwald) 1584, LHAK 1 C 8054, fol. 186; Präambel Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 823; Präambel, § 4 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1380f.; Präambel Forstgesetz Kröver Reich 1758, STAT 54 Κ 5495, o.F.; Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 116, 119, 126f„ 136-138, 147, 150; § 18 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1785, LHAK 33 14009, fol. 5. 216 Den eigenen Nutzen der Betroffenen betonen: § 30 (Einhängen der Schläge) Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 836; Präambel, §§ 6, 129 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1379, 1381, 1411 f. 217 Forstgesetz Kurtrier (Idarwald) 1584, LHAK 1 C 8054, fol. 185; § 31 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 836f.; Verordnung Kurtrier 1730, Hontheim III, S. 950; § 154 (Gemeindeholzverkauf) Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1417; Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1586, LHAK 33 4221, fol. 114; Präambel, § 3 Forstgesetz Hintere Grafschaft Sponheim 1744, LHAK 33 6069, fol. 3, 5.

84

C. Ziele der Waldentwicklung

geschichte maßgeblich mit. Protagonisten der dritten Lesart sahen die Forstgesetze überwiegend als Herrschaftsinstrumente. In der Weiterentwicklung dieser Ansätze konzipierte diese Arbeit eine vierte Lesart. Sie wird gestützt durch die bisher bei forstrechtlichen Fragen gänzlich unberücksichtigte Fachdiskussion innerhalb der rechtshistorischen Forschung. Danach sind die frühneuzeitlichen Forstgesetze ein Teil der Policeygesetzgebung und drücken den Verrechtlichungsprozeß aus. Auch im Spezialbereich Waldentwicklung schlagen sich die allgemein bekannten Trendlinien der Policeygesetzgebung nieder: eine insgesamt erhöhte Regelungsdichte, die sich im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts im Vergleich zum 16. Jahrhundert am Geltungsbereich (von der lokalen/regionalen zur generellen, gesamtterritorialen Regelung), an der Quantität (häufigere Gesetze und Verordnungen; intensivere Behandlung der Materien) und der Qualität der Normen (detaillierter, umfassender) ablesen läßt. Nachweisbar war die Verrechtlichung der Waldentwicklung grundsätzlich in Kurtrier, im Kröver Reich und in der Hinteren Grafschaft Sponheim. 218 Dies ist entgegen der gängigen Interpretation in der Forstgeschichte in erster Linie Ausdruck der innerhalb der Frühen Neuzeit und im Vergleich zum Mittelalter insbesondere im 18. Jahrhundert gewandelten frühneuzeitlichen Staatlichkeit mit ihrem massiveren Regelungsanspruch. Der forstliche Bereich fügt sich nahtlos in die für andere Policeymaterien bekannten Entwicklungslinien ein. Er bildet also keine Ausnahme, sondern steht für die Regel. Hinzu kommt, daß sich die Begründungsmuster (Mißachtung der Normen, Waldverwüstung/Holzmangel, zukünftig bessere Erhaltung) weder zeitlich noch zwischen den Untersuchungsgebieten auffällig unterscheiden, was sie mehrheitlich als Topoi ausweist. Erst in zweiter Linie verweisen die Normen auf einen aktuellen Regelungsbedarf im forstlichen Bereich. Damit zusammenhängend markieren sie für die landesherrliche Waldpolitik die zunehmend präziseren Zielvorstellungen. Diese Ziele setzten sich jeweils aus der Konzeption der drei Waldtypen mit ihren straf- und verwaltungsrechtlichen Folgen zusammen. Der chronologische und regionale Vergleich zeigte Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Die Normen zum Holzproduktionswald präzisierten die Forstgesetze in allen drei Untersuchungsgebieten im Laufe der Frühen Neuzeit in der Holznutzung. Insgesamt handelt es sich, trotz unübersehbarer Modifikationen etwa bei den Waldtagen, um einen Bereich, in dem Recht vornehmlich dargestellt wurde. Anders verhielt es sich bei der forstlichen Behandlung und Aufforstungen: Stellenweise Neu- oder Wiederbepflanzungen verordneten bereits die früheren Dokumente in Kurtrier und der Hinteren Grafschaft Sponheim. Im 18. Jahrhundert weiteten die Forstgesetze Kurtriers und des Kröver Reichs diese Bestimmungen deutlich aus. Daher ist in Aufforstungsbestimmungen 218 Dabei ist festzuhalten, daß im Kröver Reich und in der Hinteren Grafschaft Sponheim bereits jeweils die ersten Regeln das gesamte Gebiet erfaßten, was mit der im Vergleich zu Kurtrier speziellen territorialen Situation und Kleinräumigkeit zusammenhängt.

III. Fazit

85

eher ein Gebiet der Rechtsetzung zu erkennen. Wesentlich markanter betrifft dies die forstlichen Maßnahmen (Forsteinrichtung, Walderfassung, Schlageinteilung), die fast ausschließlich erst das letzte kurtrierische Forstgesetz vorsah. Innerhalb des Landwirtschaftswaldes wurden die Rott- und Schiffelwirtschaft detailliert behandelt. Eine bemerkenswerte Veränderung ist bei den Regelungen, zu denen es in Kurtrier erst im 18. Jahrhundert, in den beiden anderen Untersuchungsgebieten hingegen jeweils schon früher kam, anfangs nicht festzustellen. Die Rottflächen sollten teils nicht ausgedehnt (Kurtrier 1720, Hintere Grafschaft Sponheim 1785) oder sogar umgewandelt werden (Kurtrier 1786, Kröver Reich 1758). Die zunächst rechtsdarstellenden Regelungen garantierten zugleich den Bestand dieser Mischnutzungen, ehe die späten rechtsetzenden Erlasse den Status quo verändern wollten. Ähnlich verhielt es sich bei der Viehzucht. Die Paragraphen zur Schweinemast sicherten diese rechtlich ab (Kurtrier 1720, 1786, Kröver Reich 1758). Demgegenüber setzten die Landesherren mit den Ziegen verboten im 18. Jahrhundert (alle Gebiete) und mit der Einhängung teilweise bereits im 16. Jahrhundert (Hintere Grafschaft Sponheim) vermehrt neues Recht. Aber auch diese Schließungsbestimmungen für die Wälder könnten auf älteren, stärker gewohnheitsrechtlichen Bestimmungen beruhen. Darauf deutet das Weistum des Kröver Reichs hin. Der Jagdwald genoß in den Gesetzen in Kurtrier 1720 sowie 1768 und in der Hinteren Grafschaft Sponheim 1785 einen ausgeprägten Vorzug vor den anderen Waldtypen. 219 Kernregelungen, etwa zur Schonzeit, sah man auch im Kröver Reich 1758 vor. Hier wurden seit langem beanspruchte und auch schon vorher von den Landesherren ausgeübte Rechte dargestellt. Der massivere Regelungsanspruch schlug sich insbesondere in den Ordern zur Strafverfolgung nieder. Wenngleich keine generelle, eindeutige Bewegung hin zu höheren Strafmaßen zu erkennen ist, sind vier Trends nicht zu übersehen: Als Delikt galt es im 18. Jahrhundert bereits fast immer, den verfügten Maßnahmen oder Unterlassungsgeboten nicht buchstabengetreu nachzukommen. Um die Übersicht über die daraus entstandene Vielfalt der möglichen Straffälle zu erleichtern, enthielten die Paragraphen gleich die entsprechende Strafe für die Mißachtung ihres Inhalts (Hintere Grafschaft Sponheim 1785) oder einen Strafkatalog (Kurtrier 1720,1786). Zweitens bestraften alle Gesetze überall primär Verstöße gegen Rechtsetzungen, egal in welchem Bereich (Betreten des Waldes, Umwandlung von Wald) deutlich höher als Übertretungen vornehmlich rechtsdarstellender Bestimmungen. Das sollte Rechtsetzungen vermutlich mehr Nachdruck verleihen. Letztere nahmen, etwa beim schwer zu vermeidenden Vieheintrieb, durch ihre vergleichsweise geringen Bußen und schlicht unrealistischen Gebote vielfach den Charakter von Gebühren an. Drit219

Dieses Gesetz war vor allem für Pfalz-Zweibrücken konzipiert, galt aber auch in der Hinteren Grafschaft Sponheim. Es ist deswegen nur vorsichtig in die Vergleichslinien im Hunsrück einzureihen.

86

C. Ziele der Waldentwicklung

tens sind wahrlich exorbitante Strafen regelmäßig bei den Jagdwalddelikten anzutreffen (Kurtrier 1720, Hintere Grafschaft Sponheim 1785), wobei stellenweise ihre mögliche Umwandlung in Gefängnisstrafen eingeräumt wird. Ihre Abschreckungswirkung sollte die aller anderen Delikte übertreffen. Verstärkt suchte der Gesetzgeber hierbei, Denunzianten durch attraktive Belohnungen zu locken. Analog zur Konstruktion der Waldbilder wurden Delikte geschaffen, die sich aus den zentralen Elementen dieser Waldbilder ableiteten, welche besonderen Schutz verdienten. Die Delikte spiegeln somit die forstliche Schwerpunktsetzung wie auch deren konkrete Ausgestaltung wider. Detailliertere Verhaltensnormen schufen Raum für neue Strafen, für die wiederum eine stärkere Sanktionsmacht erforderlich war. Viertens übertrafen unverkennbar alle Geldbußen realistische Strafmaße, stellt man ihnen Preise für Nahrungsmittel und Löhne gegenüber.220 Es ist daher zu bezweifeln, ob die Beamten überhaupt auch nur annähernd die vorgeschriebenen Strafmaße verhängen konnten. Das Forststrafrecht formte die Forstverwaltung zum Teil um: in eine permanente Waldpolizei. Demgegenüber waren die anderen ihr aufgetragenen Verrichtungen an gewisse Zeitpunkte gebunden. Am anspruchsvollsten und zeitintensivsten nahmen sich dabei die Dienstverrichtungen im Zusammenhang mit dem Holzproduktionswald aus. Allerdings darf nicht übersehen werden, daß die jagdlichen Obliegenheiten teilweise, wie bei der Wildhege, recht unscharf blieben - damit war einer prinzipiell zeitlich und örtlich unbegrenzten Beschäftigung mit Jagdbelangen Tür und Tor geöffnet. Grundsätzlich ist zu bedenken, daß sich nicht einfach Traditionslinien aus diesen Forstgesetzen ablesen lassen, denn je unterschiedliche Gesetzgeber erließen sie. Auch entfalteten sich hier nicht zunehmend unbestimmte Kräfte und trugen zum Fortschritt bei - wie es Forsthistoriker mitunter sehen. Vielmehr waren die Forstgesetze immer auch Ergebnis einer spezifischen politischen Konstellation. Daher ist insgesamt ihre Rationalität nicht überzubewerten. Die Verrechtlichung des Waldwesens in der Frühen Neuzeit läßt sich insbesondere im 18. Jahrhundert an der rechtlichen Konstruktion von festgelegten, gegeneinander abgegrenzten und überprüfbaren Zonen erkennen: Zeitlich wurden einesteils die Maßnahmen, die aus den drei Waldtypen hervorgingen, genau vorgeschrieben. So war eindeutig definiert, wann die Holznutzung, die Weide oder die Schonzeiten stattzufinden hatten. Diese zeitliche Festlegung innerhalb der Waldtypen war zugleich deshalb unerläßlich, um zeitliche Überschneidungen vemeiden und die Waldtypen auch gegeneinander abgrenzen zu können. Insgesamt wurde dabei der Landwirtschaftswald vermehrt nach den Erfordernissen des Holzproduktionswaldes gestaltet, was sich an der 220

Vgl. auch gleichlautend: Ulrich WENDT, Kultur und Jagd. Ein Piirschgang durch die Geschichte, 2 Bde., Berlin 1907-1908, II, S. 33^13. Vgl. zum Wilddiebstahl auch: Gustav RADBRUCH; Heinrich GWINNER, Geschichte des Verbrechens. Versuch einer historischen Kriminologie, Stuttgart 1951 (ND Frankfurt a.M. 1990), S. 244-247.

III. Fazit

87

verminderten Weidedauer durch die Waldschließung ablesen läßt. Wenngleich so die Holzproduktion favorisiert wurde, mußte sie doch auch Einschränkungen hinnehmen, die aus Maßnahmen im Rahmen des Jagdwaldes resultierten. Die Waldtage gingen mitunter auf jagdliche Interessen zurück, die rasche Holzabfuhr ebenso. Die Verfestigung örtlicher Zonen läßt sich in gleicher Weise ausmachen, ohnehin deckt sie sich weitestgehend mit der zeitlichen Fixierung. Wo schlagweise Holz erzeugt oder aufgeforstet werden sollte, mußten die Weidetiere, Rott- und Schiffelflächen weichen. Wo wiederum ein ansehnlicher Wildbestand gehegt werden sollte, da störten Menschen, aber auch Rinder- und Kuhherden die Ruhe von Jäger, Hirsch und Reh. Die rechtliche Verfestigung der Zonen umgriff Objekte schließlich genauso wie Zeiten und Räume. So wurde säuberlich unterschieden zwischen altem, abgängigem, windbrüchigem Abfallholz einerseits und den Stämmen andererseits. Wo sich dieses jeweils befand, an gut oder schlecht zugänglichen Orten, war darüber hinaus bedeutsam. Gleichermaßen trennten die Forstgesetze die hohe und niedere Jagd und klassifizierten damit die jagdbaren Tiere. Die Verfestigung zeitlicher, örtlicher und objektbezogener Zonen verfolgte noch weitergehende Zwecke, weil mit ihnen jeweils zugleich Rechtsansprüche verknüpft waren. Es war also nicht nur genau fixiert, wann wo und was zu nutzen war, sondern auch, wer das Recht dazu haben sollte - und wer nicht. Insbesondere im Rahmen der Notdurft-Holznutzung im Kameralwald wirkten sich die objektbezogenen Zonen so aus, daß dafür nur minderwertiges Holz gebraucht werden durfte, der wertvolle, zu fällende Stamm jedoch ausschließlich den Eigentümern zustand; bei der Jagd war die Aufteilung ebenso scharf und sozial schief. Es ist daher nicht zu weit gegriffen, eine maßgebliche Motivation der Forstgesetze darin zu sehen, die dreifache Verfestigung rechtlicher Zonen des Waldes mit einer sozialen Zuweisung zu verbinden. Im Zuge der Verräumlichung des Forstrechts dehnten die Gesetzgeber den Geltungsanspruch der Gesetze nicht nur zusehends auf alle Wälder aus, sondern auch auf alle forstlich belangvollen Verhaltensweisen der Bevölkerung und des eigenen Personals. Die Forstgesetze der Frühen Neuzeit bezweckten somit eine doppelte Normierung: Sie gestalteten die Zielsetzungen landesherrlicher Waldentwicklungspolitik nach aktuellen Interessen, und sie reglementierten die Möglichkeit und Art, wie und in welchem Maße soziale Gruppen auf den Waldertrag zugreifen sollten. Die Forstgesetze normierten so auch das individuelle Naturbedürfnis.

D. Praxis der Waldentwicklung Die Gesetzgeber legten in den Forstgesetzen die Ziele der Waldentwicklung fest. Wie sie selbst, aber auch die anderen Waldnutzer ihre Ansprüche im Wald verwirklichten, ist eine andere Frage. Sie ist nun auf der Grundlage von Forstrechnungsserien zu erörtern.

I. Forstrechnungsserien als neuer Zugang Für das Obererzstift Trier ist von 1759-1792 eine nahezu lückenlose Serie von Forstkassenrechnungen überliefert. 1 Die Forstkassenrechnungen verzeichnen Geld- und Naturalflüsse, die mit der Behandlung des Waldes zusammenhingen: Art und Details der Nutzung, damit verbundene Mengen- und Gelderträge sowie Aufwendungen, Preise und Namen der Nutzer. Welcher Forst mit welcher Intensität wie genutzt wurde, wie hoch der Gelderlös daraus ausfiel und wer ihn beisteuerte - das ist also daraus zu ersehen. Diese Angaben sind aus keiner anderen Quellengattung in ähnlicher Dichte und Aussagekraft zu gewinnen. Das macht die immense Bedeutung dieses seriellen Quellentyps aus; nur auf dieser Grundlage kann die Frage nach der Praxis der Waldentwicklung zufriedenstellend beantwortet werden. Um so mehr verwundert es, daß die Forstkassenrechnungen und verwandte Quellengattungen bisher so gut wie keine Rolle in der Forschungsdiskussion spielten, obwohl sie auch für viele andere Untersuchungsgebiete existieren dürften. Dies belegen einzelne Pionierarbeiten, wie die Studien von Friedrich Mager und Oliver Rackham. 2 Die regional- und landesgeschichtliche Forschung arbeitete ebenfalls schon mit Rechnungsserien. 3 Auch die ältere Litera-

1 Sie fehlen für die Jahre 1761, 1765 und 1769, teilweise sind statt dessen die Beilagenbände archiviert. LHAK 1 C 5326-5367; die Kasse für das Niedererzstift wurde im gleichen Zeitraum getrennt geführt, 1 C 5368-5414; vgl. auch MICHEL, Forst und Jagd, S. 82-96. 2 Friedrich MAGER, Der Wald in Alipreußen als Wirtschaftsraum, 2 Bde, Köln, Graz 1960, II, S. 111-123; Oliver RACKHAM, Ancient Woodland, its history, vegetation and uses in England, London 1980, S. 162-171, bezieht seine, wahrscheinlich so auf dem ,Kontinent' nicht erstellbaren Preisreihen auch auf die Verminderung der Waldfläche, ein spezifisch angelsächsisches Problem der Waldgeschichte. 3

SCHÄFER, Politik mit der Holznot,

S. 4 5 - 5 3 ; FRANZ, Gemeindewald; ERNST; FRANZ, Wald-

reformen; TEXTOR, Amorbacher Zent, S. 184-304; Helmut BRANDL, Der Stadtwald von Freiburg. Eine forst- und wirtschaftsgeschichtliche Untersuchung Uber die Beziehungen zwischen Waldnutzung und wirtschaftlicher Entwicklung der Stadt, Freiburg 1970; Albert HEXGES, Der Kottenforst. Ein Beitrag zur Forstgeschichte Kurkölns unter besonderer Berücksichtigung der Entwicklung des Waldeigentums, des Forstrechts, der Forstorganisation und der Waldnutzung, in: Bonner Geschichtsblätter 35 (1984), S. 21-98, 65 f.

I. Forstrechnungsserien als neuer Zugang

89

tur stützte sich punktuell bereits auf diesen Quellentyp.4 Dennoch hat erst vor kurzem Winfried Schenk den nachdrücklichen Impuls dazu gegeben, diese Dokumente umfassend und quellenkritisch nach Ansprüchen der Waldnutzer, spezifischen Realisierungen sowie Waldentwicklungen zu befragen. Auf diese grundlegende Arbeit ist hier somit direkt aufzubauen.5 Die Forstkassenrechnungen dienen hierbei als Schlüssel, um die Praxis der Waldentwicklung, die Bedeutung einzelner Waldnutzungen und die damit verbundenen Interessen zu erhellen.6 Um gesicherte Ergebnisse zu erzielen, muß auch diese Quellengattung eingehend quellenkritisch überprüft werden.7 Sechs Aspekte sind zu nennen: (1) Während der 34 Jahre führten die Verantwortlichen die Forstkassenrechnungen in allen Jahren mit kurtrierisehen Klaftern (= 5,8 rm) und Reichstalern zu 54 Albus. (2) Die Dokumente gliedern die Einnahmen aus der Holzproduktion in den Jahresbänden nach Forstrevieren. Typischerweise setzte sich ein Forstrevier aus ein bis drei größeren Kammerwäldern sowie zahlreichen kleinen bis winzigen Wäldern zusammen. Diese Einteilung wurde für die Auswertung beibehalten. Landwirtschaftliche und jagdliche Belange wurden meist nicht nach Forst4

Wilhelm MANTEL, Die Einnahmen aus den bayerischen Staatswaldungen seit Ausgang des 18. Jahrhunderts, Diss, masch., München 1939; nicht eigentlich Forstrechnungen, aber Preisreihen dokumentieren: Hieronymus HAUCK, Das Steigen der Holzpreise seit dem Anfange des vorigen Jahrhunderts, dessen Ursachen und Wirkungen und die Mittel dagegen, in: Suppliment zur AFJZ 2 (1866), S. 47-66; Hans HAUSRATH, Holzpreise, Holzhandelspolitik und Walderträge früherer Zeiten, in: AFJZ( 1907), S. 333-339, 369-375. 5 SCHENK, Waldnutzung, Waldzustand und regionale Entwicklung, S. 77-189. Teilweise ausgekoppelt in: DERS., Forstrechnungen als umweltgeschichtliche Quellen - Probleme und Ergebnisse der Auswertung von Rechnungsreihen der würzburg-hochstiftischen Forstverwaltung, in: Egon GUNDERMANN; Karl-Reinhard VOLZ, Forum Forstgeschichte, München 1994, S. 53-80. Winfried SCHENK (Hg.), Außau und Auswertung „Langer Reihen" zur Erforschung von historischen Waldzuständen und Waldentwicklungen. Ergebnisse eines Symposiums in Blaubeuren vom 26.-28. 2. 1998, Tübingen 1999. Die Forstrechnungen dokumentieren in der Terminologie Schenks Ansprüche der Waldnutzer und ihre Realisierung. Wie Schenk dazwischen systematisch sauber unterscheidet, wird nicht ganz klar. Einmal diskutiert er mit diesem Quellentyp „Ansprüche an den Wald in der räumlichen Differenzierung" (SCHENK, Waldnutzung, Waldzustand und regionale Entwicklung, S. 81-189) und anschließend unter anderem mit ihnen die „Realisierung von Ansprüchen [...]" (ebd., S. 191-289). 6

Einen weiteren neuen Zugang zur Waldentwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts werden Waldvisitations- und -wirtschaftsberichte eröffnen. Dies ergibt sich aus den Ergebnissen, die unlängst damit erarbeitet wurden: Matthias BÜRGI, Waldentwicklung im 19. und 20. Jahrhundert. Veränderungen in der Nutzung und Bewirtschaftung des Waldes und seiner Eigenschaften als Habitat am Beispiel der öffentlichen Waldungen im Zürcher Unter- und Weinland, Diss. ΕΤΗ Zürich, Abt. Forstwissenschaften, Zürich 1998. Eine Einführung in: DERS., Nutzungswandel im Spiegel der Wirtschaftspläne am Beispiel der öffentlichen Waldungen im Zürcher Unter- und Weinland, in: ERNST, MODERT; KUNTZ, Beiträge zur Umweltgeschichte II, S. 9-17. 7 Vgl. dazu SCHENK, Waldnutzung, Waldzustand und regionale Entwicklung, S. 105-111.

90

D. Praxis der Waldentwicklung

revieren getrennt geführt; hier erlauben nur die Beilagen einzelner Jahre, regional aufzugliedern. (3) Der Weg, den die Daten zurücklegten bis sie in den Jahresbänden der Forstkassenrechnung zusammengeführt werden konnten, barg Fehlerquellen. Der zuständige Revieijäger quittierte jeden einzelnen Vorgang. Mit der Quittung zahlte er die Gelder an die Forstkasse nach Koblenz ein. Die Angaben der Einzelbelege verbuchte der für die Forstkasse verantwortliche Beamte in den Rubriken der Forstkassenrechnung, wobei er 1779 nur zum Teil die Mengen eintrug. Rechenfehler, Manipulationen und Unterschlagungen können dabei auch trotz einer jährlichen Revision durch die Hofkammer kaum ausgeschlossen werden.8 (4) Der bedeutendste Aspekt der Quellenkritik ist: Die Rechnungsbände stellen das zu einer Kasse gehörige Kassenbuch dar. Deshalb ist zweierlei für sie charakteristisch. Sie verzeichnen einen Anfangsbestand der Forstkasse. Dieser „Receß" ist in der Summe der Einnahmen eines Jahres enthalten, obwohl es keine Einnahme war. Zweitens registrieren die Rechnungen Barentnahmen aus der Forstkasse. Diese fließen in die Summe der Jahresausgaben ein, obwohl sie zum größten Teil keine forstlichen Ausgaben deckten. Vielmehr führten die Buchhalter dieserart die Erträge aus dem Forstwesen an die allgemeine Kasse des Kurstaates ab. Beide Charakteristika, der Anfangsbestand der Kasse und die Barentnahmen, wurden hier für die Auswertung herausgerechnet. Arbeitsökonomisch mag es gerechtfertigt sein, bei 150jährigen Rechnungsserien darauf zu verzichten.9 (5) Die Rechnungsjahre dauerten von Sommer bis Sommer. Mengen- und Gelderträge verbuchten die Beamten, wenn sie konkret anfielen. Wegen der üblichen Anzahlungen glichen sich Geld- und Mengenerträge erst über längere Zeit aus. (6) Im Verlauf der 34 Rechnungsjahre änderten sich die Rubriken, allerdings nicht so stark, daß sie unvergleichbar wären. Ohnehin halten sich während des ganzen Zeitraumes in den Rubriken „Einnahmen pro Diverses" und „Ausgaben pro Diverses" immer noch weitere Posten versteckt, welche die Verantwortlichen nicht korrekt zuordnen konnten (oder wollten). Diese Entstehungs- und Verwaltungsumstände sind bei der Analyse immer mitzubedenken. Ganz besonders gilt dies für die absoluten Werte: Sie markieren Größenordnungen, die grundsätzlich nur als Trendwerte zu verstehen sind. Das ist auch deswegen bedeutungsvoll, um in diesem Forschungsbereich der

8

Vgl. generell demnächst dazu sehr eindrücklich: Andree CORVOL; Daniel DESSERT, Le

traffic des B o i s en Bourgogne: L'affaire Dugay, in: DIESS.; GROUPE D'HISTOIRE DES FORTS

FRANCAISES, Foret et Marine (in Vorbereitung). 9 Vgl. das Vorgehen bei SCHENK, Waldnutzung, S . 1 0 7 f.

Waldzustand

und regionale

Entwicklung,

II. Der Holzproduktionswald

91

Gefahr vorzubeugen, nach dem Paragraphen- einem neuen Zahlenpositivismus zu erliegen. Unter diesen Prämissen sollen verschiedene Auswertungsrichtungen verfolgt werden. Dabei sind neben den erwähnten kurtrierischen Unterlagen einzelfallweise darüber hinaus .Lange Reihen' aus dem Kröver Reich, geführt von den Reichsgrafen von Kesselstatt, und der Hinteren Grafschaft Sponheim heranzuziehen. Sie runden das Bild ab. Es geht zunächst um den Holzproduktionswald. Er lieferte vor allem Klafterholz, das man im Rahmen der Schlagwirtschaft gewann. Deshalb richtet sich der Blick anfangs auf die zentralen Charakteristika dieses Bewirtschaftungsverfahrens und die Gründe für seine Einführung, bevor die damit erzeugten Mengen- und Gelderträge aufgezeigt werden. Daneben lieferte der Holzproduktionswald auch Stammholz. Hinzu treten Spezialantworten, wie sich der Holzverkauf aus nicht-landesherrlichen Wäldern gestaltete, bisher eine große Unbekannte in der Waldgeschichte. Ausführlicher, als dies im Kapitel über die Ziele der Waldentwicklung geschah, widmet sich die Untersuchung anschließend der Praxis und Bedeutung von Landwirtschaftswald und Jagdwald. In einer Gesamtsicht der Forsteinnahmen aller drei Untersuchungsgebiete verdichten sich die Einzelergebnisse zu einem Bild, welche finanzielle Bedeutung die unterschiedlichen Waldtypen und die Strafverfolgung jeweils erlangten. Diese Befunde werden sodann unter Umgehung buchungstechnischer Fallstricke in das Finanzwesen des gesamten Kurstaates eingeordnet, was stellenweise auch für die Hintere Grafschaft Sponheim gelingt. Das Ziel dieser Analysedimensionen ist erklärtermaßen neben dem landesgeschichtlichen Ertrag: Auswertungsraster zu erstellen, die über Unwägbarkeiten hinweg ein Mindestmaß an Vergleichbarkeit mit anderen Untersuchungsregionen erlauben. Deswegen stehen im Vordergrund die flächenbezogene Analyse und die jeweils prozentuale Gewichtung innerhalb der Forsteinnahmen und ihres Anteils an den Gesamteinnahmen. Diese Kenngrößen lassen sich auch mit denen von Wäldern aus anderen Regionen kontrastieren. Nur so lassen sich langfristig überregionale Trends erhärten.

II. Der Holzproduktionswald 1. Die Implementierung

der

Schlagwirtschaft

Die Schlagwirtschaft diente dazu, in großen Mengen Holz bereitzustellen. Ihren Namen erhielt diese Bewirtschaftungsart durch ihre charakteristische Vorgehensweise: Sie teilte ein Waldgebiet in verschiedene Schläge ein, die nacheinander gehauen wurden.10 Der Begriff Schlageinteilung geht auf die an 10

Leider erschwert die Mehrdeutigkeit des Begriffs Schläge das exakte Verständnis, denn

92

D. Praxis der Waldentwicklung

Parzellen orientierte Felderwirtschaft zurück. Vom Prinzip her ist die schlagweise Bewirtschaftung mit agrarischen Anbaumethoden eng verwandt. 11 Die Schlagwirtschaft dürfte auch ähnlich bedeutsam gewesen sein wie etwa die Drei-Felder-Wirtschaft im rein agrarischen Bereich, denn ebenso eng war sie neben ökonomischen in politische, soziale und ökologische Kontexte eingebunden. Wie sich der menschliche Einfluß auf die Waldbeschaffenheit konkret auswirkte, tritt hier deutlich hervor. 12 Das hat selbst die forstgeschichtliche Forschung bisher nur sehr unzureichend gesehen. 13 Die weit über das Forstwesen hinausgreifende Bedeutung der Schlagwirtschaft ist daher noch nahezu unbekannt. Es ging in Hunsrück und Eifel ausschließlich um Klafterholz. Den Namen hat dieses Holz von der Art, wie es aufgeschichtet wurde, um die Menge zu bestimmen. Ein Klafter war das Raummaß für einen Stapel Holz. Um Klafterholz zu produzieren, wurden Buchen und Eichen im Niederwald (in einem Alter von 20-40 Jahren) geschlagen und in Stücke von 1,20 m Länge geteilt. Das dicke untere Ende spaltete man. Die so entstehenden Scheite wurden mit den Prügeln aus dem ungespaltenen schwächeren Stammende 1,20 hoch aufgeschichtet. Ein Klafter war dann erreicht, wenn der Holzstoß 3,60 breit war. In Hunsrück und Eifel diente Klafterholz hauptsächlich der Verkohlung, in geringerem Maße auch als Brennholz. a) Prinzipien Die Forstpublizistik entwickelte im 18. und 19. Jahrhundert drei zentrale Prinzipien, die der Schlagwirtschaft zugrunde lagen. Es lassen sich unterscheiden: 14 (1) Geringe Diversität der Bestände. Die Schlagwirtschaft trennte Bäume unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Art voneinander. Gleichaltrige Schlag bezeichnet ja neben den festgelegten Parzellen auch den konkreten Holzhau; KEHR, Fachsprache, S. 99. 11 Eugen HABERKERN; Joseph Friedrich WALLACH, Hilfswörterbuch für Historiker. Mittelalter und Neuzeit, 2 Bde., 7. Aufl. Tübingen 1987, S. 554; Erhard ANTONI, Studien zur Agrargeschichte von Kurtrier, Bonn 1931, S. 11. 12 ERNST, Ecological revolution. 13 Vgl. generell dazu BERNHARDT, Waldeigentum I, S. 243-245 (im Mittelwald im Harz und Weser-Gebiet; ab 1740); DERS., Waldeigentum II, S. 293 (generelle Vorschrift in Bayern 1789); HASEL, Forstgeschichte, S. 190 f.; Karl HENNERT, Beyträge zur Forstwissenschaft aus der practischen Geometrie, Leipzig 1783, S. XVII (ab 1763 in Brandenburg-Preußen); MANTEL, Wald und Forst, S. 228, 3 3 0 - 3 3 2 (mit Einzelvorschriften, vor allem aus dem 16. Jahrhundert); SELTER, Waldnutzung und ländliche Gesellschaft, S. 206 f., 222, 272 f., 289. 14 Henry A. LOWOOD, The Calculating Forester: Quantification, Cameral science, and the Emergence of Scientific Forestry Management in Germany, in: Tore FRÄNGSMYR; J. L. HEiLBRON, R. E. RIDER (Hgg.), The quantifying spirit in the 18th century, Berkeley 1990,

S . 3 1 5 — 3 4 2 , 3 3 3 — 3 4 0 ; I n g r i d SCHÄFER, R e s s o u r c e n m a n a g e m e n t a n d e r S c h w e l l e z u r N e u -

zeit: Einführung S. 271-276.

der

wissenschaftlichen

Forstwirtschaft,

in: Saeculum

42

(1991),

II. Der Holzproduktionswald

93

und gleichartige Bestände in einer Waldparzelle vereinfachten Nutzung und Planung immens. Grundsätzlich war die Schlagwirtschaft nicht auf Niederwald beschränkt, sie konnte mit höheren Umtriebszeiten auch für die Erzeugung von Bauholz eingesetzt werden. (2) Planung. Die Schlagwirtschaft regelte über einen längeren Zeitraum, wo und in welcher Folge die Einschläge vorzunehmen waren. In einem Forstetat kalkulierten die Verantwortlichen die zu erwartenden Mengen, in einem Geldetat die Erlöse. (3) Nachhaltigkeit. Die Schlagwirtschaft sollte sicherstellen, daß jährlich nur die Holzmenge entnommen wurde, die in einem Jahr nachwuchs. So sollte das Verfahren im Prinzip dauerhaft möglich sein. 1713 hatte der sächsische Berghauptmann Carl von Carlowitz die „nachhaltende Nutzung der Wälder" angemahnt und damit das Bestreben nach einer langfristig realisierbaren gesicherten Holzversorgung auf den Punkt gebracht. 15 Fortan galt die Nachhaltigkeit vielen Forstleuten und Kameralisten als Archimedischer Punkt der Waldwirtschaft. 16 Bernward Seiter erkennt in diesen, im 18. Jahrhundert einsetzenden, allerdings erst im 19. Jahrhundert voll entfalteten Überlegungen zu Recht einen „Paradigmenwechsel in der Forstwirtschaft". 17 Bei diesem „magic word in Geman forestry" 18 sind eine quantitative Nachhaltigkeit, die sich entweder auf die erzeugte Holzmenge oder den erlösten Geldertrag konzentrierte, und die qualitative Nachhaltigkeit zu unterscheiden, die sich auf die Erhaltung der biologischen Qualitäten des Ökosystems richtet.19 b) Voraussetzungen Damit dieses Verfahren langfristig funktionieren konnte, waren zwei Bedingungen zu schaffen und einzuhalten: Zum einen mußten die betreffenden Waldareale aufgrund einer exakten Vermessung (Triangulation) gleichmäßig eingeteilt sein. Die Geometrie als charakteristisches Epochenmerkmal schlug sich

15 Hans Carl von CARLOWITZ, Silvicultura oeconomica, oder hausswirthschaftliche Nachricht und naturmässige Anweisung zur wilden Baum-Zucht... (Wobey zugleich eine gründliche Nachricht von den in churfl. sächss. Landen gefundenen Turff...) Leipzig 1713; S. 105. 16 Zu Nachhaltigkeitskonzepten der ökonomischen Patrioten, der Liberalen und unter dem Zeichen des Naturhaushalts in der Schweiz Martin STUBER, „ Wir halten eine fette Mahlzeit, denn mit dem Ei verzehren wir die Henne ". Konzepte nachhaltiger Waldnutzung im Kanton Bern 1750-1880, Diss. phil. Bern, Zürich 1997. Übergreifend auch: Harold K. STEEN (ed.), History of sustained-yield Forestry: A Symposium, Portland 1983. 17 SELTER, Waldnutzung und ländliche Gesellschaft, S. 291. 18 RADKAU, Wood and Forestry, S. 66. 19 Wilhelm BODE; Martin von HOHNHORST, Waldwende. Vom Försterwald zum Naturwald,

M ü n c h e n 1994, S. 1 0 7 - 1 2 0 ; ERNST; FRANZ, Waldreformen, S. 7 2 ; Josef PACHER,

Untersu-

chung der Zusammenhänge zwischen der Forstwirtschaft und den Veränderungen der Staatswirtschaft sowie der staatlichen Wirtschaftspolitik in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Deutschland, Diss, nw.-math. masch. Freiburg 1964, S. 37.

94

D. Praxis der Waldentwicklung

also auch i m Wald nieder. 2 0 Vermaß man eine Strecke im Wald mit Meßleinen und bestimmte z w e i Winkel, ließ sich die R ä c h e ermitteln und so ein Flächenfachwerk einrichten. D i e exakt bestimmte Gesamtfläche eines Waldes wurde dabei in 3 0 - 4 0 gleich große Parzellen eingeteilt, so daß ein Fachwerkmuster entstand. 2 1 D i e einzelnen Fächer (= Parzellen) konnten die Holzhauer nun sukz e s s i v e abholzen. 2 2 Wann diese markierten und numerierten Parzellen gehauen werden sollten, konnte ihnen das Forstamt zentral vorgeben und vorab auf den Versteigerungen exakt benennen. Z u m anderen mußte auf den entblößten Flächen wieder H o l z aufwachsen können. Nur so war sichergestellt, daß nach 4 0 Jahren das erste Areal wieder mit schlagfähigem H o l z bewachsen war und die Rotation von vorne beginnen konnte. Vermessung, Schlageinteilung und eine Zustandsbeschreibung der Distrikte waren Kernelemente der Forsteinrichtung. Damit wird die mittelfristig geplante und im voraus weitestgehend vorherbestimmbare Holzproduktion benannt. 2 3 Der Zusammenhang

z w i s c h e n Forsteinrichtung

einerseits

sowie

20

Heinz DUCHHARDT, Das Zeitalter des Absolutismus, München 1989, S. 74-76; Jost HERMAND, ,Erst die Bäume, dann wir!' Proteste gegen das Abholzen der deutschen Wälder 1780-1950, in: DERS., Mit den Bäumen sterben die Menschen, S. 1-24, 12; Rolf Peter SIEFERLE, Fortschrittsfeinde ? Opposition gegen Technik und Industrie von der Romantik bis zur Gegenwart, München 1984, S. 250f. 21 Wilhelm Gottfried MOSER, Grundsätze der Forst-Ökonomie, 2 Bde., Frankfurt a.M. 1757, S. 86-124 (mit ausführlicher Diskussion der Vor- und Nachteile der Einteilung); Johann Friedrich von PFEIFFER, Grundriss der Forstwissenschaft, zum Gebrauch dirigierender Forst- und Kameralbedienten, auch Privatguthsbesitzern, Mannheim 1781, S. 113-125; Handbuch für praktische Forst- und Jagdkunde in alphabetischer Ordnung, ausgearbeitet von einer Gesellschaft Forstmänner und Jäger, Erster Teil A-F, Leipzig 1796, S. 476-485; Georg Anton DÄZEL, Anfangsgründe der Goniometrie, oder der analytischen Trigonometrie und Polygoniometrie, mit Anwendungen auf die Land- und Feldmeßkunst, München 1800 (mit Formeln und Beispielen im Anhang); DERS., Praktische Anleitung zu Taxierung der Wälder, Bäume, des Brenn-, Bau- und Nutzholzes; ein Handbuch für Förster, München 1786, besonders S. 3-6, 178 f.; DERS., Ueber die zweckmäßigste und zuverlässigste Methode grosse Waldungen zu messen, zu zeichnen und zu berechnen, München 1799, S. 1 f. und Anhang; Johann Heinrich JUNG, Lehrbuch der Forstwirtschaft, 2. Aufl. Mannheim 1787 (1. Aufl. 1781/82 unter dem Titel: Versuch eines Lehrbuchs der Forstwirthschaft), S. 2 8 6 - 3 1 6 ; CARLOWITZ, Silvicultura

oeconomica,

S. 4 8 - 5 0 ; Johann Melchior JEITTER,

Systematisches Handbuch der theoretischen und praktischen Forstwirthschaft, 2 Bde., Tübingen 1789, S. 7 4 - 1 4 0 . 22

Das im frühen 19. Jahrhundert daraus entwickelte Massenfachwerk basierte demgegenüber auf einer jährlich gleich großen Mengenentnahme, die sich am Zuwachs orientierte, unabhängig davon, auf welcher Fläche die Menge entnommen wurde; MANTEL, Wald und Forst, S. 392—403. 23 Vgl. auch Rudolf HOFFMANN, Forsteinrichtung und Waldbau in der Pfalz vom Jahre 1780 bis zum Jahre 1825, Diss, nw.-math. Freiburg 1932; Johann KEIPER, Ein Nassau-Zweibrükkisches Forsteinrichtungswerk vom Jahre 1787, in: Forstwissenschaftliches Centraiblatt 42 (1910), S. 6 5 - 7 3 ; Franz TICHY, Die kurpfälzische Waldstandortskartierung von 1783, in: Be-

richte zur deutschen Landeskunde 20 (1958), S. 320-326; Ute FENKNER, Forsteinrichtungen und Waldaufbau im Elmsteiner Wald unter deutschen und französischen Einflüssen

95

II. Der Holzproduktionswald

Waldbewirtschaftung andererseits wird in Kurtrier sehr augenfällig, kombiniert man die Mengenerträge mit den Daten der Forsteinrichtung: Nachdem die Wälder kartiert und in Schläge eingeteilt waren, stiegen die Mengenerträge oftmals kurz danach sprunghaft an. Die in diesem Sinne vorbereitenden Maßnahmen setzten in Kurtrier in der 2. Hälfte des 18. Jahrhunderts ein, nach 1760 wurden nacheinander alle bedeutsamen Kammerforste eingerichtet (Tab. 6). Zusätzlichen Antrieb mögen die Maßnahmen durch die hohen Kontributionszahlungen 1762 an Frankreich bekommen haben.24 Auch den 383 ha großen Gemeindewald von Holzerath, einen der ausgedehntesten Kommunalforste im Erzstift, richteten die Verantwortlichen 1790, wie es das Forstgesetz 1786 bestimmt hatte, ein. 25 Die Arbeit erledigten Forstgeometer, die eigens dafür ausgebildet und angelernt wurden, oder, wie Johannes Seiz, aus dem Architekturfach stammten.26 In der Hinteren Grafschaft Sponheim kartierte Carl Philipp Werner, der von

Tab. 6: Kartierung und Schlageinteilung großer Kameralwälder Trier und im Kröver Reich, 2. Hälfte 18. Jahrhundert

im Ober- und

Niedererzstift

Forstrevier

Waldgebiet

Geometrische Vermessung und Schlageinteilung

Hermeskeil Kröver Reich Riedenburg Mürlenbach Kelberg Roth Wenigerath Britten Manderscheid Gemeindewald Holzerath

Bistumswald Kondelwald Idarvogteiwald Braunebach, Grünheit, Burgwald Lehwald Dreiherrenwald Idarwald Vierherrenwald Hardwald

1753/92 1758/1768 1761 1763 1763 1779 1783 1790 undatiert 1790

Quelle: MICHEL, Forst und Jagd, S. 200-203. Nur die Kartierungen, die auch eine Schlageinteilung umfaßten, sind aufgenommen. Der Lehwald war mit der Grafschaft Manderscheid-Blankenheim gemeinschaftlich.

1780-1860. Ein Beitrag zur Forstgeschichte des Pfälzerwaldes, Mainz 1992. Allgemein: Josef PACHER, Taxation, Einteilung der Forsten und Ertragsregelung als Grundlagen der sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in Deutschland herausbildenden geregelten Forstwirtschaft und einige ihrer Vertreter, in: AFJZ 153 (1982), S. 193-201. 24 Karl WEISENSTEIN, Das Steuerwesen im Kurfürstentum Trier im 18. Jahrhundert. Hausarbeit masch. (Prof. Dr. Klaus Gerteis), S. 50. 25 LHAK 18814, unfoliert; Karte 702 314. Vgl. Umschlagabbildung. 26 MICHEL, Forst und Jagd, S. 200-203. Dort sind auch die Zeichner, Abmessungen und LHAK-Standnummem der Karten vermerkt. Zu den Forstgeometern ebd., S. 203-205.

96

D. Praxis der Waldentwicklung

1755-1777 in Trarbach als Landvermesser angestellt war, die Wälder, ohne sie allerdings in Schläge einzuteilen.27 Wie die Forsteinrichtung konkret vor sich ging, läßt sich beispielhaft im Kondelwald zeigen. Im nordöstlichen Viertel erstreckten sich über die Distrikte ,Eselskopf', ,WolfskehP und ,Muschkehr' die Össberge. Werner hatte diese 553 Morgen Land, etwa 1/10 des gesamten Waldes, 1758/60 als „kahles Land, so theils mit Hecken bewachsen" bezeichnet.28 Am 21. 6. 1765 beschloß die badische Hofkammer, die Össberge in Schläge einteilen zu lassen. Noch in der gleichen Woche nahmen der badische Oberforstmeister von Geusau und Forstsekretär Hildebrandt das Gebiet in Augenschein 2 9 Darauf folgte die Anordnung, „zu Vorbeugung weiterer Einrod- und Verwüstungen gedachten Hochwald, den zu Rodland bestimmten District, von dem Hochwald Separiren fort abmessen und absteinen, weniger nicht die der Gemeinde Alf in Temporal Bestand begebene sogenannte Össberge, in 16. Jahrgänge eintheilen und dann endlichen die Grenze zwischen dem Hochwald Condel und der Gemeinde Hundheim richtig abmessen zu lassen." 30

Im Zuge der Forsteinrichtung erledigten die Forstleute also noch weitere Aufgaben: die exakte Trennung zwischen Rottland und Hochwald sowie die Bereinigung von Grenzstreitigkeiten. Beides war für die angestrebte schlagweise Bewirtschaftung nicht unerheblich. Es ging aber auch schlicht darum, die weitere Ausdehnung der Rottwirtschaftsflächen in den Hochwald durch eine klare Grenzziehung zukünftig zu unterbinden. So sollte Werner Sorge tragen, daß „diejenige Ecken so in den Wald hinein gerodet und dieser dadurch geschmählert worden, wieder zum Hochwald geschlagen, und derselbe dardurch so viel thunlich in eine richtige Form gebracht dahin gegen diejenige fast ganz degradirte Stückger Wald die noch hin und wieder im und zwischen dem Rod- und Schiffelland liegen [...], welche die deutlichere und accuratere Bestimmung der Wald Grenze behindern, von dem Hochwald ganz abgetrennt und zu Rodland belassen werden." 31

Mit klarerer Aufteilung zwischen Rottland und Wald entsprachen die Landesherren einer Empfehlung, die einer Waldvisitation von 1743 zu entnehmen gewesen war. Um weitere Querelen mit den Bauern zu vermeiden, rieten die Gut27

Vgl. grundlegend und übergreifend Erich B A U E R , Unsere Wälder im historischen Kartenbild. Beitrag zur Geschichte des Forstkartenwesens in Rheinland-Pfalz, Grünstadt 1981, S. 25; DERS., Der Wald und die Kartographie - dargestellt am Beispiel des Rhein-MoselPfalz-Gebiets, in: Forstarchiv 49 (1978), S. 116-122; DERS., Zur Geschichte des Forstkartenwesens im Hunsrück, in: HUNSRÜCKVEREIN (Hg.), Der Hunsrück: Beiträge zur Natur, Kultur und Geschichte, Bd. 2, Bernkastel-Kues 1971, S. 107-133; Das Kartenbild der Renaissance. Ausstellungskatalog Nr. 20 der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel 1977, S. 43f., 46f. 28 Kartenatlas der Einzeldistrikte, STAT DK 42 176, unfoliert. Vgl. ERNST, Umgang mit Natur, S. 24 f. 29 STAT DK 42 213, Abschrift der Kammerprotokolle, unfoliert. 30 STAT 54 Κ 5106, Beschluß, Mai 1768, unfoliert. 31 STAT 54 Κ 5106, Instruktion an Geometer Carl Philipp Wemer, Mai 1768, unfoliert.

II. Der Holzproduktionswald

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achter damals, Waldzipfel dauerhaft zu Rottland und umgekehrt Einsprengsel von Rottland wirksam in Wald umzuwandeln. 32 Die Schlageinteilung war aber nach wie vor das Hauptanliegen der Unternehmung. Am 18. 7. 1768 hatte Werner die Vermessungs- und Einteilungsarbeit vor Ort sowie die gewünschten Karten fertiggestellt. Freilich hatte der Landmesser auch wissen lassen, wie schwierig es war, das Gebiet gleichmäßig zu untergliedern, „weilen sich in und zwischen denselben vieles zum Rodhen unbrauchbares Land" befand. So habe er die Parzellen „wie es schicklich gewesen" berechnet und mit Pfählen und Steinen markiert. 33 Diese Notiz verdeutlicht die erheblichen Schwierigkeiten, die bei der distriktweisen Separierung der nach topographischer Lage und Zustand sehr unterschiedlichen Gebiete auch innerhalb eines Waldes bisweilen aufgetreten sein dürften. Nicht grundlos meldete denn auch der kurtrierische Regierungsrat de Lassaulx nach den ersten Erfahrungen mit diesem Vorhaben in Kurtrier am 9. 3. 1772 gegenüber dem Kurfürsten „Zweifel [an], ob es wohl möglich seyn werde, alle Waldungen in ordentliche Schläge zu hauen und dardurch die entworfenen Verordnungen in ihre vollkommene Wircksamkeit zu Sätzen." 34 Dessenungeachtet belegen die Forstkassenrechnungen in Kurtrier und dem Kröver Reich die Implementierung der Schlagwaldwirtschaft ab 1760. Das ist ein interessanter Hinweis darauf, daß die Handhabung in der Praxis der rechtlichen Fixierung gelegentlich weit voraus war. In diesem Fall verzögerten sich die entsprechenden rechtlichen Vorgaben um 30 Jahre. Parallel zu diesem neuen Waldbewirtschaftungsverfahren stellten die Verantwortlichen die forstliche Rechnungslegung um. So entstanden zeitgleich die Forstkassenrechnungen, um den Erfolg der Schlagwirtschaft begleiten und überprüfen zu können. Die bedeutend erhöhten Mengen- und Gelderlöse verlangten geradezu nach einer separaten und akkurateren Verbuchung. Sie entsprach in vielem den von der Forstpublizistik geforderten Forst- und Geldetats, allerdings ohne die Planungskomponente . Es wäre gleichwohl auch verfehlt, die Abholzung nach Schlägen als vollständig neu hinstellen zu wollen. Einige Belege weisen auf recht frühe Ursprünge dieser Methode hin. Es liegt ja auch nahe, bei größerem Bedarf das Holz gleich auf einer größeren Fläche einzuschlagen. Auch zuvor ließ man gelegentlich größere Mengen einschlagen, ohne daß die Areale vorher vermessen und in Schläge eingeteilt worden wären. So sind für den Bau der französischen Reunions-Festung Mont Royal an der Mosel vor 1700 die ersten Großkahlschläge im Kondelwald nachweisbar. 35 Dennoch ist hier ein ungeregeltes, zu32

LHAK 33 4434, Waldvisitation 1743, fol. 35 f. STAT 54 k 5106, Geometer Carl Philipp Werner an Forstsekretär Hildebrand, 18. 7. 1768, unfoliert. 34 LHAK 1 C 8069, Regierungsrat de Lassaulx, 9. 3. 1772, fol. 37v. 35 LHAK 33 4434, fol. 19, 34 f. Vgl. grundsätzlich: Andree CORVOL (Hg.), Foret et guerre, Paris 1994. 33

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D. Praxis der Waldentwicklung

fälliges Abholzen eines Waldgebietes von dem beschriebenen, auf Dauer angelegten, planmäßig-geregeltem Verfahren zu unterscheiden. c) Ablauf Es ist im folgenden zu betrachten, wie das mit der Schlagwirtschaft bereitgestellte Klafterholz seinen Weg vom Wald zum Großverbraucher fand. Vor dem Transport zum Konsumenten sind dabei sechs Schritte zu unterscheiden: die Versteigerung, das Anweisen, das Einschlagen, das Aufklaftern, das Abmessen und schließlich die Verkohlung.36 (1) Zumeist im Frühjahr eines jeden Jahres versteigerte die Hofkammer öffentlich bestimmte Mengen Kohlholz ,auf den Stock', d.h. sie wurden im Wald stehend angeboten. Auf Verkäuferseite war das Interesse groß, möglichst mehrere Kunden um den Zuschlag konkurrieren zu lassen, um den Preis zu steigern. Die Eisenwerksunternehmer strebten nach möglichst umfangreichen Kontrakten. Mengen von 60000-70000 rm konnten den Bedarf eines Eisenwerkskomplexes für mehrere Jahre decken. Doch so sehr diese Art der Verkaufsanbahnung einer Marktsituation glich, wurde sie doch stellenweise durch Absprachen der Nachfrager durchkreuzt. Um dem steigenden Holzpreis entgegenzuwirken, boten die Eifeler Eisenwerksunternehmer nach Absprache untereinander 1790, wie bereits 1787, nur geringe Preise.37 (2) Im Herbst wies der Revieijäger den Distrikt an, in dem die Holzhauer des Unternehmers sodann ihre Arbeit aufnehmen konnten. Waren ohnehin ganze Schläge versteigert worden, erübrigten sich zumeist weitere Einschränkungen. (3) Jedoch mußte sich der Hau, den der Großabnehmer in eigener Regie durchführte, an gewisse Grundregeln halten, die in die Forstgesetze und in die Versteigerungskonditionen eingingen. So waren Samenbäume zu schützen und die Stämme möglichst nah über dem Erdboden zu schlagen, damit der Stock anschließend besser ausschlug und kein Holz verschwendet wurde. (4) Es war ja nur eine geschätzte Menge gewesen, die versteigert und auf die eine Anzahlung geleistet worden war. Zur Vermessung mußte sie zu Klaftern aufgeschichtet werden. Bis zu einem Durchmesser von 2,5 cm galt das Holz als Reisig. Die Holzsetzer mußten es nicht aufklaftern. Dicke Stammstücke waren zu spalten und die entstehenden Scheite mit den Klippein und Prügeln in Holzstöße zu stapeln. Ausdrücklich verboten war es, Rollenklafter zu setzen, also sich die Arbeit dadurch zu erleichtern, daß das Kohlholz nicht gespalten wurde. Dies mag zwar einerseits, wie Braun hervorhebt, im Interesse der Unternehmer gewesen sein, denn das erforderliche Raummaß wurde durch Umge-

36

STAT DK 42 214, Vertrag mit Cullmann, 1787, Dokument 6, unfoliert; grundlegend für

d a s F o l g e n d e : BRAUN, Eisenhüttenwesen, 37

S. 9 8 - 1 1 0 ,

113-115.

MICHEL, Forst und Jagd, S. 91. Auf S. 42 spricht er gar von „Bieterringen".

II. Der Holzproduktionswald

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hung des Verbots schneller erreicht.38 Dem ist allerdings entgegenzuhalten, daß Rollenklafter ja auch weniger Festmeter (Raummaß ohne Holzzwischenräume) enthielten, ihr Holz somit teurer war als das korrekt aufgeschichteter Klafter. Es dürfte daher allein den Holzhauern daran gelegen gewesen sein, Rollenklafter zu schichten, erhielten sie doch für eine höhere Klafterzahl mehr Lohn. (5) Zwischen Mai und Juni vermaßen die Forstbediensteten die aufgeschichteten Klafter. Nach den Meßresultaten richtete sich der Betrag, den die Steigerer nun zusätzlich zu dem auf die Plan-Menge angezahlten Drittel des Gesamtpreises noch zu entrichten hatten. Eine gewisse Abweichung zwischen ersteigerter und eingeschlagener Menge um 10% ließ sich dabei kaum vermeiden, weil sich die noch ungeschlagene Menge nur ungefähr abschätzen ließ. Kam es allerdings zu größeren Differenzen, ,Überhauungen', so waren zumindest in der Hinteren Grafschaft Sponheim empfindliche Strafgebühren oder höhere Preise fällig. In Kurtrier tauchte Vergleichbares nicht auf, was auch mit der ohnehin an die Varianz zwischen Plan- und Ist-Menge angepaßte Buchführung zusammenhängen könnte. (6) Ab Mitte eines jeden Jahres gingen die Köhler daran, das aufgeklafterte Holz zu Holzkohle zu verarbeiten. Dazu schichteten sie die Scheite, Prügel und Klippel zu einem Meiler auf, in dem das Holz über mehrere Tage verkohlte. Wieviel Holzkohle die Köhler aus dem Buchenholz gewannen, hing von der Güte des Holzes, der Beschaffenheit des Bodens und ihrer Geschicklichkeit ab. Für ein kg Holzkohle dürften in etwa 6,25 kg Buchenholz benötigt worden sein.39 d) Kunden Es waren die großen Gewerbebetriebe, die das Klafterholz für ihre Zwecke ersteigerten, einschlagen und verkohlen ließen. Wer sich dahinter im einzelnen verbarg, war bisher aufgrund fehlender Quellen nicht im Detail nachvollziehbar. Nur einzelfallweise erhellten Unterlagen der Verbraucherseite den gewerblichen Holzeinkauf.40 Hinter den umfangreichen Einschlägen vermutete die Forschung pauschal die Großverbraucher, denn ohne Brennstoff hätten beispielsweise die zahlreichen Eisenwerke nicht produzieren können. Doch so zutreffend diese Vermutung ist: Insgesamt handelt es sich bei der konkreten Wirkung, die einzelne Holzverbraucher durch ihre Nachfrage auf die Waldentwicklung ausübten, um ein fehlendes Glied zwischen diesem Forschungsbereich und der Wirtschaftsgeschichte. Um die Frage nach den Interessen an der 38

Ebd., S. 103. Genaue Werte über die Kohlholzausbeute, das weist Braun der Literatur unter Aufdekkung mannigfaltiger Fehler nach, sind nicht zu ermitteln, zumal die Angaben schon zeitgenössisch stark variierten, ebd., S. 107-110. 40 Peter NEU, Eisenindustrie in der Eifel. Aufstieg, Blüte und Niedergang, Köln 1988, 39

S. 147.

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D. Praxis der Waldentwicklung

Waldentwicklung präzise zu beantworten, ist es jedoch unerläßlich, diese Lücke zu schließen. Nur die persönliche Identifikation derer, die ihre gewerblichen Interessen an der Waldentwicklung geltend machten, kann hier weiterhelfen. Erstmalig wird dies hier durch die Auswertung der Forstkassenrechnungen geleistet. Außerdem kann so zugleich geklärt werden, welche langfristigen Lieferbindungen es gab, ob die Käufer Holzkohle exportierten und bis zu welcher Entfernung ein Waldgebiet für diese Großverbraucher potentiell als Bezugsquelle von Holzkohle in Frage kam. An den Versteigerungen von Klafterholz nahmen im Obererzstift zwei Gruppen von Bietern teil. Zum einen handelte es sich um kleine Gewerbetreibende und Händler (Übersicht 1 im Anhang). Sie erstanden Klafterholz nicht regelmäßig, anders als die zweite, weitaus bedeutsamere Gruppe von Kunden: Die Unternehmer von Eisenwerken und Großhändler, die als Zwischenhändler das Klafterholz ersteigerten und die Holzkohle an die gewerblichen Großverbraucher weiterverkauften (Übersicht 2 im Anhang). 41 In der Eifel konnten viele der großen Eisenwerke als Kunden in kurtrierischen Forstrevieren nachgewiesen werden: - die Jünkerather Hütte 42 (Grafschaft Manderscheid-Blankenheim), vertreten durch ihre Hüttenmeister Hermann Peuchen und Münker in den Forstrevieren Kelberg, Manderscheid und Mürlenbach; - die Hammerhütte 43 (Grafschaft Kronenburg), weiter nördlich, ebenfalls an der Kyll, für die Faymonville im Forstrevier Mürlenbach Klafterholz kaufte; - das Ei sen werkszentrum in der Nordeifel an den Oberläufen von Olef und Urft 4 4 : Familie Schüller 45 und Familie Cramer 46 steigerten für ihre im Herzogtum Jülich gelegenen Werke im Forstrevier Mürlenbach, seltener in Roth, einmal in Gondelsheim; - Hüttenmeister Johannes Thome von der an der Ahr gelegenen Stahlhütte im Forstrevier Trier; - Hüttenmeister von Neil 47 in den Forstrevieren Bescheid und Merscheid; - Geheimrat Ludwig von Pidoll 48 für die Quinter-Hütte 49 in den Forstrevieren 41

Es ist denkbar, daß die Zwischenhändler auch fest im Auftrag von Eisenwerken arbeiteten; das war aber nicht nachweisbar. 42 NEU, Eisenindustrie in der Eifel, S. 7 0 f „ 146-149. 43 Ebd., S. 138. 44 Vgl. dazu: ebd., S. 74, 156-175. 45 Ebd., S. 74, 182-185 mit dem Hinweis auf die Konkurrenz um die Holzkohlenversorgung und eine Mangelsituation um 1800. 46 Ebd., S. 66f., 177 f. 47 Günter MOLZ, Die Familie von Neil im Trierer Land, in: Kreis Trier-Saarburg, Jb 1978, S. 208-214; Dietrich EBELING, Die von Neil. Eine rheinische Familie zwischen Ancien Regime und Moderne, in: KTJ 31 (1991), S. 183-200. 48

NEU, Eisenindustrie

in der

Eifel,

S . 7 1 , 7 7 , 108—114; BRAUN, Eisenhüttenwesen,

S. 99,

276, 393; L. BECK, Die Familie Remy und die Industrie am Mittelrhein, in: Annalen des Vereins für Nassauische Altertumskunde und Geschichtsforschung 35 (1905), S. 1-129, 44.

II. Der Holzproduktionswald

101

Manderscheid, Ehrang und Bescheid sowie in den Hunsrückrevieren Kell und - zu extrem hohen Preisen - Monzelfeld; - Hüttenmeister Leitfried 50 und Batz. In der Eifel waren überdies zahlreiche Großhändler tätig: Domagen aus Mürlenbach, Schmitz aus Dascheid, Burckhard aus Kelberg, Gelwers & Cons., Geusen, der Kohlenbrenner Anton Krämer, Hermann Bohn 51 , Matthis Rader, Peter Scheffens und M. Schreiber. Auch im Kröver Reich konnten die Käufer der großen Holzmengen identifiziert werden (Übersicht 3 im Anhang). Sie dürften überwiegend im Holzhandel tätig gewesen sein: Peter Kaufmann und seine Geschäftskollegen, Schultheiß Kreuteren und seine Partner sowie Philipp Hartmann Koch, der als einziger auch in Kurtrier nachweisbar ist. Neben diesen traten drei Händler in größerem Stil auf: Paulus Reiss aus Hatzenport, der bei seinen drei Käufen zugleich die höchsten Geldbeträge zahlte, Johann Neumann aus Köln sowie Georg Maahs und sein Partner Cullmann. Neumann hatte von 1784-1786 einen Vertrag erfüllt, der ihm 600 Buchen- und 300 Eichenscheitklafter einschließlich der Klippelholzklafter zu einem Festpreis zubilligte. Ab 1787 führten Cullmann und Maahs diese Abmachung bis 1794 fort. 52 Im Hunsrück bezogen folgende Eisenwerke Holzkohlen aus kurtrierischen Forstrevieren: - Kastel (Herzogtum Lothringen) an der Prims und Bierfeld am Lösterbach, beides Werke, die durch die Hände von Choisy, Johann Lorenz Nacher und Konrad Lehnen gingen, 53 im Forstrevier Kell, das oberhalb der beiden Wasserläufe lag;

49

Werner SCHUHN, Quint. Eine Geschichte des Stadtteils und der ehemaligen Eisenwerke, hg. von Alois Reichert, Trier 1984. 50 MICHEL, Forst und Jagd, S. 42, FN 168, erwähnt ihn als Abnehmer obererzstiftischer Holzkohlen. 51 Nach ebd. beantragte Hofkammerrat Burret 1792, einem Hermann Bohnen das gesamte in der Eifel einzuschlagende Kohlholz zu überlassen, damit dieser es an die Eisenwerke weiterverkaufen könne. 52 BRAUN, Eisenhuttenwesen, S. 223, 386, führt Christoph und Jakob Cullmann (Allenbach und Birkenfeld) auf, die 1795-1801 den Allenbacher Hammer pachteten. Ob es sich bei dem erwähnten Cullmann um einen der beiden handelte, ist ungewiß, ebenso wie die Frage, wofür er das Holz verwendete. 53 BRAUN, Eisenhüttenwesen, S. 177, 226, 267, 388, 391 f. Wofür Konrad Lehnen seinen Holzkauf 1759 verwendete, muß offenbleiben, da er zu diesem Zeitpunkt nicht mehr in Münchweiler und noch nicht in Bierfeld beteiligt war. Enge Verflechtungen zu den beiden anderen genannten Eisenwerken lassen eine Verwendung in Kastel oder Bierfeld indes möglich erscheinen. Walter PETTO, Zur Geschichte der Eisenindustrie im Schwarzwälder Hochwald und ihrer Untemehmerfamilien von ihren Anfangen bis 1870, in: Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend 17/18 (1969/70), S. 112-170, 154-156. Das Kasteler Werk wurde angeblich 1785 nicht wieder in Betrieb gesetzt, da es an Holz fehlte; Bernhard Josef KREUZBERG, Die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen des Kurstaates Trier zu Frankreich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts bis zum Ausbruch der Französischen Revolution,

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D. Praxis der Waldentwicklung

- Freiherr von Zandt zu Merl54, der seine Münchweiler Hütte mit Holzkohlen aus den Forstrevieren Kell und Britten beschickte; - Karl Gottbill (III), der zwischen 1769 und 1795 siebenmal als Bürgermeister der Stadt Trier amtierte55, in den Forstrevieren Kell und Hermeskeil für sein Hammerwerk und seine Eisenschmelze in Nonnweiler an der Prims;56 - im lothringischen Dillingen Hüttenmeister Matthias Soller57 aus dem saaraufwärts gelegenen kurtrierischen Forstrevier Britten; - das hintersponheimische Eisenwerk Abentheuer am südöstlichen Rücken der zum Schwarzwälder Hochwald zählenden Dollberge aus dem Forstrevier Hermeskeil; in einzelnen Jahren steigertern die Gebrüder Stumm58 dort jeweils rund 1000 Klafter, einmal auch ebenso viel im weiter nordöstlich gelegenen Idarwald, der zu den Forstrevieren Wenigerath und Riedenburg zählte; - das Eisenwerk Weierbach am Idarbach, das im Hochgericht Rhaunen, einem Kondominium zwischen der Rheingrafschaft und Kurtrier, am Nordostzipfel des Idarwaldes lag; Hüttenmeister Peter Pastert steigerte dafür in den Forstrevieren Hermeskeil, Merscheid und Riedenburg. Als Hunsrücker Großhändler traten auf: Niclas Fontenelle, der 1759 mit fast 2300 Klaftern aus Kell die größte hier gelistete Einzelmenge in obererzstiftischen Forstrevieren einschlagen ließ, Matthis Klein aus Riedenburg und sein Namensvetter aus Hatzenport, der protestantische Kaufmann Adolf Böcking 59 Bonn 1932, S. 46, berichtet, der Trierer Erzbischof Clemens Wenzeslaus habe gedroht, die Brennstofflieferungen nach Kastel und Bettingen einzustellen, falls Frankreich den Traverszoll auf der Saar nicht aufhöbe. Tatsächlich verzeichnen die Quellen nach 1783 keine weiteren Lieferungen. Bei BRAUN, Eisenhüttenwesen, S. 390, ist nur von Verkauf und Beschlagnahmung der Mobilien die Rede, in deren Gefolge der Betrieb nicht wiederaufgenommen worden sei. 54 Ebd., S. 221. Nach PETTO, Eisenindustrie, S. 148, bestand 1751 zwischen der Münchweiler und Nunkirchener Hütte die Vereinbarung, ersteigertes Holz gemeinsam zu benutzen. 55 PETTO, Eisenindustrie, S. 149f„ 152f.; Karl Gottbill (III) heiratete 1734 Katharina Doell, die Tochter des Flößers, Gerichts- und Kirchenschöffen Johannes Doell aus Cochem. BRAUN, Eisenhüttenwesen, S. 253-256, 391 f. 56 Die nahegelegene Mariahütte - später stand dieser Name auch für die Nonnweiler Werke - durfte sich nach dem Bestandsbrief von 1722 nicht mit Kohl-, Steig- und Bauholz aus Kurtrier versorgen; PETTO, Eisenindustrie, S. 135 f. 51 Hermann van HAM, 250 Jahre Dillinger Hütte. Beiträge zur Geschichte der Aktiengesellschaft der Dillinger Hüttenwerke 1685-1935 unter besonderer Berücksichtigung der älteren Zeit, o.O. [Saarlouis] o.J. [1936], S. 63-71, berichtet von sich vergrößernden Versorgungsschwierigkeiten mit Brennmaterial nach 1754, als Forst und Hütte Dillingen durch Verkauf der Hütte in unterschiedliche Hände gelangten. Matthias Soller erwarb 1765 ein Drittel der Hütte, die in der Folge einen Aufschwung erlebte. BRAUN, Eisenhüttenwesen, S. 226, 387. 58 Zu Abentheuer, Hammerbirkenfeld und ihren Inhabern, den Gebrüdem Stumm, sowie deren weiteren Eisenwerken und Faktor Benjamin Kohlhaas, der auch für die AbentheuerH ü t t e in K u r t r i e r a u f t r a t , BRAUN, Eisenhüttenwesen, 59

S. 2 1 1 , 2 5 7 - 2 6 3 , 3 0 4 , 3 2 0 , 3 8 5 , 3 8 9 .

Hermann van HAM; Fritz HELLWIG, Böcking, in: NDB, Bd. 2, S. 368-371. Sein Handelshaus hatte bereits 1746 7000 Klafter aus der Herrschaft Dhronecken bezogen; BRAUN,

II. Der Holzproduktionswald

103

aus Trarbach an der Mosel, Philipp Hartmann Koch aus Eller, Johannes Kohlmann aus Ernst, Familie Lautzen aus Koblenz, Mattheis Steffens aus Morscheid im Ruwertal, Peter Bohn und Johannes Buchholz. Die kurtrierischen Wälder in Eifel und Hunsrück sahen nicht nur Abnehmer aus diesen Regionen; auch mittelrheinische Eisenwerke und Handelsunternehmen suchten ihren Bedarf in den Forstrevieren des Obererzstifts zu decken. So lassen sich nachweisen: - die Nieverner (Niborner) Gewerkschaft an der Lahn, die 1766 aus Blei- und Silberbergwerken hervorgegangen war 60 und für die de Barme aus den Forstrevieren Wenigerath, Hermeskeil und Kelberg Holzkohle bezog, also sowohl aus dem Hunsrück wie aus der Eifel; - Hüttenmeister de Requile und sein in Hohenrhein unmittelbar vor der Mündung der Lahn in den Rhein betriebenes Eisenwerk61, der gleichfalls nördund südlich der Mosel einkaufte; - das Niedere Hüttenwerk62 und Hüttenmeister Bunk (Buck) aus Vallendar am Rhein; - die Kameralhütte Sayn, die im Niedererzstift Trier noch etwas nördlich von Vallendar in der gleichnamigen Ortschaft 1772 gegründet wurde63, wohin aus verschiedenen Hunsriickrevieren etwa 1783 knapp 2800 Klafter verkauft wurden; - die von Heinrich Wilhelm Remy gegründete Remysche Compagnie in Bendorf am Rhein, zu der auch die Nieverner Gewerkschaft gehörte.64 Insbesondere bei den Lieferungen an die Remysche Compagnie fallen zwei Verträge auf, die der Handelsgesellschaft langfristig Holz zusicherten. 1770 verbriefte der erste der Handelsgesellschaft 13 Schläge im Forstrevier Kell zu einem Klafterpreis von 2 Rt, die in den darauffolgenden fünf Jahren realisiert wurden und sich insgesamt auf über 6700 Klafter beliefen; 1777 garantierte ein Anschlußkontrakt der Remyschen Compagnie weitere 6000 Klafter zu einem wie es ausdrücklich hieß - unter den gewöhnlichen Bedingungen liegenden Preis von 1 Rt 42 Albus pro Klafter, wovon bis 1781 ebenfalls in Kell knapp 4900 Klafter eingeschlagen wurden.65 Vertraglich zugesichert waren auch die

Eisenhüttenwesen, S. 205. Böcking besaß ab 1783 das Absatzmonopol für lothringisches Salinensalz und Saarkohle in Kurtrier und errichtete für letztere auch Depots. 60

61

BECK, Remy, S. 58.

Ebd., S. 59. 62 Deren Identifizierung gelang leider nicht. 63 BECK, Remy, S. 59. Josef RÖDER, Zur Geschichte der Sayner Hütte und der Sayner Gießhalle, in: Jb für westdeutsche Landesgeschichte 1 (1975), S. 309-335, 310, gibt 1769/70 als Gründungsdatum an. Otto SCHNEIDER, Die Finanzpolitik des Kurfürsten Klemens Wenzeslaus von Trier, Berlin 1958, S. 79. 64 BECK, Remy, S. 58-60. 65 Des weiteren führen die Forstkassenrechnungen einen Kauf der Witwe Carove 1759/60 auf, für den sie gut 14400 Rt verbuchen, während sie die auch in einem Vertrag zugesicher-

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D. Praxis der Waldentwicklung

Lieferungen nach Bleialf, das in der Osteifel im kurtrierischen Amt Schönekken lag. Für die dortige Bleischmelze Schloß Tillmann Steiger 1767 einen Kontrakt mit der kurtrierischen Hofkammer, der ihm für eine Laufzeit von 30 Jahren jährlich 50 Klafter aus dem nahegelegenen Forstrevier Roth für jeweils 3 Rt zusicherte. Dieses Anrecht schöpfte er allerdings nicht vollständig aus. Die Großverbraucher kurtrierischen Klafterholzes waren mehrheitlich nicht in Kurtrier angesiedelt. In die Nordeifeler Eisenwerkszentren ging kurtrierisches Klafterholz genauso wie in andere Hunsrückterritorien (Hintere Grafschaft Sponheim), nach Lothringen oder an den Mittelrhein. Gleichwohl galt in Kurtrier ab 1722 bis zum Ende des Jahrhunderts ein Exportverbot für Holzkohlen, das die Zollstelle in Koblenz streng kontrollierte. 66 Die massenhaften, regelmäßigen Exporte, welche erst die Auswertung der Forstkassenrechnungen zu Tage förderte, können die Kenntnisse darüber präzisieren: Es galt offenbar nur für den Wasserweg über die Mosel, nicht für die Landwege innerhalb der Mittelgebirge. Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Verknappung der Holzressource hat Rolf Peter Sieferle die Ansicht vertreten, man habe die Holzkohle nicht weiter als 7 km auf dem Landweg transportieren können. Diese Aussage entkräfteten bereits Werner Schwind, Peter Neu und Hermann-Josef Braun mit sicher nachweisbaren Transportwegen von bis zu 60 km. 67 In dieser Größenordnung bewegen sich auch die zahlreichen hier vorgelegten Nachweise. Insbesondere der Transport in die Nordeifel überwand oftmals sogar noch größere Distanzen. Die These kann damit als endgültig widerlegt gelten. Vor allem belegen die Angaben aus den kurtrierischen Forstkassenrechnungen: Auch Entfernungen um 50 km waren mitnichten Ausnahmefälle. Vielmehr bewegen sich die regulären Transportdistanzen in dieser Größenordnung. Es ist also festzuhalten: Kohlholz aus dem kurtrierischen Teil von Hunsrück und Eifel diente dazu, die Großverbraucher der beiden Mittelgebirge - vor allem die Eisenwerke - mit Brennstoff zu versorgen. Exportiert wurde Kohlholz und die daraus gebrannten Kohlen auch in andere Territorien in Eifel und Hunsrück. Außerdem waren mittelrheinische Gewerbe wichtige Abnehmer, vor allem für Holzkohle aus dem Hunsrück. Einzelne Kunden konnten ihre Brennstoffversorgung mit langfristigen Verträgen absichern. Transportdistanzen für Holzkohle um 50 km waren keine Ausnahme. Diese Ergebnisse ließen sich in dieser Präzision nur durch die Auswertung der Forstkassenrechnung erzielen.

ten 4000 Klafter aus dem Forstrevier Osburg nicht eigens verzeichnen; 1771 bezog die Canonie Claußen eine kleinere Menge aus dem Forstrevier Wittlich. 66

67

BRAUN, Eisenhüttenwesen,

S . 1 1 4 f.

SIEFERLE, Wald, S. 87; SCHWIND, Wald der Vulkaneifel, S. 99; NEU, Eisenindustrie in der Eifel, S. 147; BRAUN, Eisenhüttenwesen, S. 115.

105

II. Der Holzproduktionswald

2. Warum wurde die Schlagwirtschaft

eingeführt?

Aus dem Kundenprofil erhellt sich unmittelbar der Hauptgrund, warum die kurtrierischen Verantwortlichen die Schlagwirtschaft ab Mitte des 18. Jahrhunderts intensiv und flächendeckend in den Kammerwäldern betrieben: Es ging ihnen vor allem darum, den gewerblichen Großkunden in ausreichender Menge Kohlholz als Brennstoff für den Betrieb der Eisenwerke zur Verfügung zu stellen. Dieser Hauptgrund traf innerhalb der landesherrlichen Administration schon deshalb auf wenig Widerstand, weil nicht mangelnde Rohstoffe die Gewerbeansiedelung behindern sollten und die Gewerbe selbst für den Landesherren finanziell interessant waren. Schon hier deutet sich an, daß dieser Hauptgrund kein Selbstzweck war. Er wurde flankiert von zwei miteinander .zusammenhängenden Umständen, welche die Aktivitäten der Forstleute immens beflügelten: die Preisentwicklung des Kohlholzes und die damit verbundene Rentabilität dieses Sektors der Holzproduktion. a) Die nominelle Preisentwicklung für Klafterholz Der Preis für Klafterholz änderte sich zwischen 1759 und 1792. Das verdeutlichen zwei Figuren: Fig. 2 zeigt die Verkaufspreise im Hunsrück in den Forstrevieren Merscheid, Hermeskeil und Kell; Fig. 3 die in der Eifel in den Forstrevieren Roth und Mürlenbach. Die ausgewählten Forstreviere stehen dabei jeweils exemplarisch für die Entwicklung in den beiden Mittelgebirgen. Sieben Aspekte sind bei der Analyse bedeutsam: (1) Alle einzelnen Preise, zu denen Holz versteigert wurde, sind in den Figuren enthalten. Das konnten in einem Jahr auch mehrere versteigerte Tranchen sein, die zu unterschiedlichen Preisen an unterschiedliche Käufer gingen: die Preise differierten in ein und demselben Jahr und Revier beträchtlich. Abhängig waren diese Unterschiede von den verschiedenen Forsten eines Reviers, vom Standort der zu fällenden Bäume innerhalb eines Forstes 68 und vom Geschick und Glück des Bieters auf der Versteigerung. (2) 1787 boten die Unternehmer im Hunsrück nur geringe Preise, um so gegen die im Vorjahr vorgeschriebene Vereidigung der Holzhauer und die klafterweise Versteigerung zu protestieren, eine Bestimmung, die der Kurfürst daraufhin zurückzog. 6 9 Auch solche Fremdeinflüsse wirkten auf die Preisbildung ein. (3) Diese innerhalb eines Reviers auch durch Sondereinflüsse schwanken68

HAUSRATH, Holzpreise, S. 336, vermerkt derartige Unterschiede bei der Preisgestaltung in Gemeindewaldungen: Distrikte mit hohen Preisen konnten nahe Niedrigpreisarealen liegen, was mit dem ausschließlichen Verkauf an Gemeindemitglieder, der eine starke Konkurrenz verhinderte, oder einer schlechten Infrastruktur zusammenhing. 69 MICHEL, Forst und Jagd, S. 90 f.

106

D. Praxis der Waldentwicklung

Fig. 2: Klafterholzpreise 1759-1792

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o r ^

c

o

im Hunsrück

(Forstreviere

Merscheid,

o o o o p i o - ^ f c O C N ζ | 0 ψ 3 ^ Β | » jaiauiuineu ojd s n q i v

o *

-

Hermeskeil,

o

Kell)

107

II. Der Holzproduktionswald Fig. 3: Klafterholzpreise

in der Eifel (Forstreviere Roth, Mürlenbach)

zjogjaueix jajaiuuiney ojd s n q i v

1759-1792

108

D. Praxis der Waldentwicklung

den Preise wandelten sich auch von Jahr zu Jahr. Um einen vorherrschenden Trend erkennen zu können, wurden Trendgeraden errechnet. Sie steigen im Betrachtungszeitraum an. (4) Die Einzelwerte erhöhen sich insbesondere ab 1780. Sie weisen zugleich eine zeitweise Preisermäßigung aus: So konnten die Steigerer 1786 in Merscheid Klafterholz fast zum gleichen Preis wie 20 Jahre zuvor beziehen. Teilweise schwankte der Preis nicht einmal in der Zwischenzeit besonders stark. Insbesondere gilt diese phasenweise Preisstabilität im Forstrevier Kell für den oben erläuterten Vertrag der Remyschen Compagnie von 1770-1776. Der Festpreis betrug 18,6 Alb./rm. Im Rahmen des Folgegeschäftes ermäßigte ihn die Hofkammer 1777-1782 sogar auf 16,6 Alb./rm. Dieses Niveau lag ausdrücklich unter den gewöhnlichen Bedingungen. Anders als südlich der Mosel weisen Einzelwerte für die Eifel ein Zwischentief auf: Es ist in Roth deutlich mit einem Minimum um 1772/73 ausgeprägt, in Mürlenbach schwächer und länger ausgeformt, wobei hier 1774 zugleich Hochwerte nachgewiesen sind. Das spricht dafür, daß der Preis in der Eifel zeitweise etwas nachgegeben hat. Verstärkt wurde dieses Preistal durch Abgaben unter dem gewöhnlichen Preis: 1771 konnte die Gemeinde Schlaufenbach 16 Kl zu 14 Alb./rm beziehen und damit den günstigsten Kauf dieses Jahres tätigen; im gleichen Jahr erstanden die „berechtigten Ortschaften" aus dem Forstrevier Mürlenbach 227 Kl für 14,1 Alb./rm, was ebenfalls unter Wert lag. Diese Sozialmaßnahme sollte sicherlich die eminent gestiegenen Getreidepreise dieses Jahres für die Bevölkerung ausgleichen helfen. Es wäre denkbar, daß das gesamte Zwischentief mit der Getreidepreisteuerung zusammenhing, obwohl es sich im Hunsrück nicht bemerkbar machte und der Getreidepreis bei den Eisenwerken nicht direkt zu Buche schlug. Je nach individuellen Konditionen also, die wiederum vom Geschäftspartner, seinen Beziehungen und seiner Bedeutung abhingen, konnte sich der Preis selbst bei ganz erheblichen Mengen gegen den Trend entwickeln. Wer große Mengen ersteigerte, konnte dennoch deshalb nicht notwendig mit einem günstigeren Preis rechnen; jedenfalls lassen die hier untersuchten Verkaufsbeispiele kein solches Muster erkennen, weshalb die Preise auch nicht nach Mengen gewichtet wurden. 70 (5) In beiden Mittelgebirgen bildete sich ein je spezifisches Preisniveau heraus: Im Hunsrück (Fig. 2) lag es am niedrigsten in Kell, in Hermeskeil darüber und am höchsten in Merscheid. Auch die Mittelwerte der Preise in den einzelnen Hunsrückrevieren, errechnet aus den Preisangaben aller Jahre, sind in gleicher Weise gestuft: Kell 17,4; Hermeskeil 21,8 und Merscheid 31,5 Albus/rm. Verletzungen der Preiskorridore, die sich um diese Mittelwerte bildeten, traten nur selten auf, meist sind die einzelnen Punkte eines jeden Jahres nach diesem Muster aufgereiht. Woran liegt das? Es fällt auf, daß etwa das Forstrevier Mer70

Ein gegenteiliger Befund in der Hinteren Grafschaft Sponheim bei BRAUN, wesen, S. 98.

Eisenhütten-

II. Der Holzproduktionswald

109

scheid näher an der Mosel und weiter flußabwärts liegt als Hermeskeil und Kell (Fig.l). Das Hermeskeiler Revier erstreckte sich im Einzugsbereich einer höheren Anzahl von Eisenhütten. Kell lieferte seinerseits ein Drittel der Holzproduktion als Brennholz nach Trier und Koblenz, weshalb bestimmte Distrikte von der Verkohlung ausgeschlossen waren. Dieses gestufte Preisniveau findet sich auch in den Eifelrevieren Roth und Mürlenbach (Fig. 3). Hier hat wohl weniger die Mosel als vielmehr das Holzkohleabsatzgebiet im Norden der beiden Reviere die entscheidende Rolle für die Stufung gespielt: Aus dortiger Perspektive lag das ausgedehnte Revier Roth deutlich vorteilhafter als Mürlenbach. Außer in einigen Jahren verteilten sich die Einzelwerte aus den gleichen Gründen wie im Hunsrück im Korridor beiderseits der Kurven und tangierten den Bereich der jeweils anderen Gerade kaum. (6) Das Preisniveau lag im Eifelrevier Roth klar über dem der Hunsrückreviere Merscheid, Hermeskeil und Kell. Das gilt nicht nur für die Mehrzahl der Einzelwerte, sondern auch für den Mittelwert der Einzelpreise aller Jahre; er belief sich in Roth auf 35,8 Alb./rm. Auch in Mürlenbach betrug er noch 24,1 Alb./rm und ließ damit sowohl Hermeskeil wie Kell hinter sich. Die beiden Mittelgebirge können damit als weitgehend voneinander abgeschottete Einzelmärkte gelten: Das Preisniveau in der Eifel übertraf das im Hunsrück. (7) Insgesamt ist eine nominelle Teuerung des Kohlholzes zwischen 1759-1792 nachgewiesen. Sie verlief in der Eifel, ausgehend von dem ohnehin höheren Preisniveau, spürbar stärker als im Hunsrück. Noch stärker fällt die Teuerung aus, zieht man die spärlichen Angaben für die Zeit vor 1759 heran: In diesem Zeitraum steigen die Klafterpreise kaum einmal über 6,9 Alb./rm (Tab. 7). Zieht man die Angaben von Braun hinzu, blieb der Kohlholzpreis von der Mitte des 17. Jahrhunderts bis zum Ende der 1730er Jahre relativ stabil. In den 1740er Jahren zeigen sich erstmals im Hunsrück regional größere Preissteigerungen, die sich in den nachfolgenden Jahrzehnten stark ausweiten. 71 Gerade im Kontrast mit der ersten Jahrhunderthälfte wird der ab 1750 immer stärker ausgeprägte Antrieb für die kurtrierische Forstverwaltung, die Schlagwirtschaft einzuführen, verdeutlicht. Es war der immer weiter steigende Preis des Kohlholzes, der den Maßnahmen den erforderlichen Schub verlieh. Bevor dies als erster begünstigender Begleitumstand festgehalten werden kann, muß zuvor noch die Aussagekraft nomineller Preise überprüft werden. Denn dieser Befund eines im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts steigenden Kohlholzpreises darf nicht einfach undiskutiert und vorschnell in weitergehende Argumentationsmuster übernommen werden. 72 Der Holzpreis wird als

71 72

BRAUN, Eisenhüttenwesen, S. 110-113, mit Graphik, S. 129. Gleichlautend RADKAU, Revision, S. 17.

110

D . Praxis der Waldentwicklung

Tab. 7: Kohlholzpreise

in einzelnen Kellnereien

Kellnerei Bernkastel

Grimburg

vor 1759

Preis pro Klafter

Jahr

lRt*

1730

27 A l b .

1740

33 A l b .

1750

1 Rt*, 8 Alb.

1755

1 Rt*

1730

24 A l b .

1743-46

20 A l b .

1755

19 A l b .

1755

Daun

1 Rt*

1706

Schönecken

41 A l b .

1740

Schönberg

-

-

Quelle und Erläuterung: L H A K 1 C 18369, 5415-5429 (Bernkastel 1355/56, 1680-1760); L H A K 1 C 5979-5993 (Grimburg 1690-1760); L H A K 1 C 5778-5795 (Daun 1605-1760); L H A K 1 C 6422-6444 (Schönecken 1507-1760); L H A K 1 C 6360-6376 (Schönbeig 1560-1750). Die Kellnereirechnungen liegen nur in zehn- oder später fünfjährigem Abstand vor. Wie groß ein Klafter war, ist nur für Daun 1706 mit 14x4x4 Schuh (6,8 rm) angegeben. *Ein Reichstaler entsprach nicht 54 Albus, sondern weniger; in Schönecken 1685 mit 31 Albus gleichgesetzt.

Argument gebraucht, um aus ihm auf eine steigende Nachfrage 73 , ein sinkendes Angebot als Ausdruck landesherrlicher Forstpolitik74 oder abnehmende Vorräte respektive eine Holznot 75 zu schließen. Um von der nominellen Preissteigerung auf eine tatsächliche schließen zu können, müssen berücksichtigt werden: (1) Inflationäre Tendenzen. Sie spielten auch in Kurtrier mit in den nominellen Holzpreis hinein. Ihr Ausmaß kann allerdings nicht abgeschätzt werden

73

MANTEL, Wald und Forst, S. 248 f., 262, stützt sich auf: DERS., Holzmarktlehre.

und Handbuch

der Holzmarktökonomie

und Holzwirtschaftspolitik,

sel, W i e n 1973, S. 485; BRAUN, Eisenhüttenwesen, 74

75

S. 133; RUBNER, Forstgeschichte,

MANTEL, Holzmarktlehre,

Lehr-

Melsungen, Berlin, Ba-

S. 192; HAUCK, Holzpreise, S. 49.

MANTEL, Wald und Forst, S. 248 f., 262; SCHENK, Waldnutzung,

nale Entwicklung,

Ein

76

Waldzustand und

regio-

S. 56; HAUCK, Holzpreise, S. 4 9 f .

S. 485; DERS., Wald und Forst, S. 262; BERNHARDT,

Waldeigen-

tum II, S. 70. Einem logischen Fehler erliegt HAUSRATH, Holzpreise, S. 335, wenn er den sinkenden H o l z w e r t und die Verschlechterung der Waldzustände aus dem geringen Geldertrag j e ha von 1737 erklären möchte; von diesen Angaben auf die Waldbeschaffenheit zu schließen ist aber unmöglich. 76

Vergleicht man den Klafterpreis in Gramm Silber, einer festen Bezugsgröße, mit dem

Preis in Albus, ergeben sich nur geringfügige Abweichungen. Vergleichsdaten: IRSIGLER, Wirtschaftsgeschichte

Stadt Trier, S. 171, 175-177, 189; SCHRÖTTER, Münz-und

Geldwesen,

S. 111-166, ausführlich für die Zeit von 1757-1794; Jürgen SCHNEIDER; Oskar SCHWARZER; Petra SCHNELZER ( H g g . ) , Statistik der Geld- und Wechselkurse seeraum

(18. und 19. Jahrhundert),

in Deutschland

und im Ost-

St. Katharinen 1993, S. 19; Bernd SPRENGER, Preis-

indizes unter Berücksichtigung verschiedener Münzsorten als Bezugsgrößen für das 16. und

II. Der Holzproduktionswald

111

(2) D i e Preise anderer Güter. Insgesamt unterschied sich die Holzpreisentwicklung i m Obererzstift Trier kaum von der längerfristigen Preisbewegung für Getreide in der Stadt Trier. 77 Der nominelle Holzpreisanstieg nimmt damit eher den Charakter einer allgemeinen Preisbewegung an. Es handelt sich daher um keinen forstspezifischen, sondern um einen allgemeinen Preistrend, der sich auch bei Forstprodukten niederschlug. (3) D i e Preisbildung. In Kurtrier stellen die Preise frei gebildete Marktpreise dar. Im Gegensatz dazu enthalten die vielfach verwendeten Frankfurter Preisnotierungen die teilweise erheblichen: Fällungs-, Aufarbeitungs-, Kohlungsund Transportkosten s o w i e Gebühren. Deren B e w e g u n g e n schlagen sich also auch im Holzpreis nieder. 7 8 Sie drücken aber ebenso Veränderungen der Lohnund Abgabensätze aus. Obwohl der Kohlholzpreis in Kurtrier also ein Marktpreis war, entwickelte er sich aufgrund der Inflation nicht auffällig anders als der Getreidepreis. D i e Aussagekraft des Holzpreises für forstimmanente Veränderungen ist damit herabgesetzt. Ganz zentral ist ein weiterer Punkt: Was in der Forschung bislang kaum einmal angemessen untersucht wurde, sind die Bedingungen, zu denen die Eisenwerke ihr Kohlholz bezogen. 7 9 Nur Hermann-Josef Braun hat für den 17. Jahrhundert - dargestellt anhand von Getreidepreisen in Frankfurt/Main, in: Scripta Mercaturae 11 ( 1 9 7 7 ) , S . 5 7 - 7 2 , 5 8 . Die Inflation erwähnen auch: SCHENK, Waldnutzung, Waldzustand und regionale Entwicklung, S . 9 1 , 1 3 4 ; MANTEL, Holzmarktlehre, S . 4 8 9 ; DERS., Wald und Forst, S . 2 5 6 , 2 5 9 , weist auf die Bedeutung der Geldwertentwicklung hin; ebenso HAUCK, Holzpreise, S. 56, in seinem instruktiven Beitrag. 77 Vgl. die Graphik in IRSIGLER, Wirtschaftsgeschichte Stadt Trier, S. 200, welche die Getreidepreise (Roggen, Weizen, Gerste) in Gramm Silber aufträgt. Dieser einfache Vergleich genügt bei diesem Verfahren, anders als bei der Diskussion der Agrarkonjunkturen und -krisen; vgl. Hubert FREIBURG, Agrarkonjunktur und Agrarstruktur in vorindustrieller Zeit, in: VSWG 64 (1977), S. 289-327, 325f.; Ferdinand MAGEN, Reichsexekutive und regionale Selbstverwaltung im späten 18. Jahrhundert. Zu Funktion und Bedeutung der süd- und westdeutschen Reichskreise bei der Handelsregulierung im Reich aus Anlaß der Hungerkrise von 1770/72, Berlin 1992. MANTEL, Holzmarktlehre, S. 486-489, 516f. und für 1800-1970, S. 517-521; DERS., Wald und Forst, S. 259, 262, erkennt einen Stammholzpreis, der hinter dem allgemeinen Preistrend zurückblieb, während das Brennholz ihn übertraf. RADKAU, Holzverknappung, S. 535, stellt nach Auswertung mehrerer Beispiele fest, daß je nach Vergleichsreihen der Holzpreis durchschnittlich oder überproportional zunimmt; was zutreffender war, darüber stritten bereits die Zeitgenossen. Generell auch: Hans-Jürgen GERHARD; Karl Heinrich KAUFHOLD (Hgg.), Preise im vor- und frühindustriellen Deutschland. Grundnahrungsmittel, Göttingen 1990. 78 Dies gilt etwa für die Angaben in Moritz John ELSAS, Umriß einer Geschichte der Preise und Löhne in Deutschland vom ausgehenden Mittelalter bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, 2 Bde., Leiden 1936-1949; MANTEL, Wald und Forst, S. 247; der Bezugspreis galt nicht für das Holz, sondern stellte nur den Gegenwert des Schlagrechtes dar. HAUSRATH, Holzpreise, S. 335, spricht von einer Steigerung vor allem des Preises auf den Stock (d.h. für Holz, das im Wald stehend versteigert wurde), um eine tatsächliche Holzteuerung zu belegen. 79 So erwähnt MANTEL, Wald und Forst, S. 2 5 0 , 2 5 2 , immerhin, daß die Holzpreise für das Großgewerbe in laufenden Gesamtzahlungen enthalten waren.

112

D. Praxis der Waldentwicklung

Hunsrück die Bestandsverträge unter dieser Frage detailliert ausgewertet. Er konnte so nachweisen: Ab 1750 entzogen die Landesherren den Eisenwerken die Privilegien bei der Holzversorgung. 80 Ursprünglich sicherten ihnen viele der Verträge über den Eisenwerksbetrieb die Holzversorgung kostenfrei oder zu geringen Entgelten zu. Im Zuge der Gewerbeansiedelungspolitik war dies ein probates Mittel. Nach der Jahrhundertmitte entfiel dieser Grund: Das Gewerbe florierte. Zugleich hatte sich der Holzmarkt von einem Käufermarkt in einen Verkäufermarkt verwandelt. Auf einem Käufermarkt besitzen die Nachfrager aufgrund des Überangebots eine vorteilhaftere Position. Auf einem Verkäufermarkt übersteigt hingegen die Nachfrage das Angebot, wodurch die Anbieter begünstigt werden. 81 Die Zeit der zugesicherten, kostengünstigen Kontingente drückt auch die Situation auf einem Käufermarkt aus. Auf dem Verkäufermarkt nach 1750 zwangen die Landesherren die Eisenwerksunternehmer dazu, ihr Kohlholz künftig in freier Konkurrenz zueinander auf Versteigerungen zu erwerben. Dadurch stieg der Preis, das Kohlholz hatte überhaupt erst ab der Jahrhundertmitte einen richtigen Marktpreis erhalten. Der Preisanstieg des Holzes hing also „ursächlich mit der Verschärfung der Bezugsbedingungen des Kohlholzes zusammen". 82 Welche Bezugsbedingungen für Kohlholz die Landesherren vorgaben, war also eine politische Entscheidung. Der Kohlholzpreis war damit auch ein politischer Preis, seine Steigerung war von den Landesherren bezweckt. Dies wurde in der Waldentwicklungsforschung noch nicht gesehen. Belegt wird diese Absicht auch durch die Äußerung des kurtrierischen Forstmeisters von Trott. Er gab 1777 freimütig zu, daß es um einen möglichst hohen Holzpreis auf den Versteigerungen gehe. 83 Gewiß war diese Hochpreispolitik nur bei einer steigenden Nachfrage möglich, die sich selbst einer Steuerung weitestgehend entzog. War eine Kohlholzteuerung also ohnehin zu erwarten gewesen, geht ihr Ausmaß doch nicht unwesentlich auf die parallel dazu politisch betriebene Auflösung vorteilhafter Bezugsbedingungen zurück. 84 Insgesamt ordnet sich die bereinigte Preisentwicklung an der Mosel in einen 80

BRAUN, Eisenhüttenwesen, S. 112f., 129. Die folgenden Angaben nach ebd., S. 80-97. Leider liegen vergleichbare Befunde nicht für die Eifeler Eisenwerke vor. Möglicherweise zeigte sich hier ein ähnlicher oder eventuell gar verschärfter Trend. 81 Günter WÖHE, Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 12., überarbeitete Auflage München 1976, S. 837. 82 BRAUN, Eisenhüttenwesen, S. 129, ähnlich auf S. 113. 83 LHAK 8056, Forstmeister von Trott, fol. 66. 84 BRAUN, Eisenhüttenwesen, S. 113, führt weiter aus: Schließlich „dürfte" die landesherrliche Umorientierung bei der Kohlholzversorgung „eine Konsequenz der ζ. T. schon weit fortgeschrittenen Walddevastierungen" sein. Dann bezweckte sie, mit den Kohlholzreserven schonender umzugehen. Umgekehrt besagt diese Argumentation Brauns, daß vorher die Holzvorräte ausreichend gewesen sind. Ob man sich nach der Jahrhundertmitte erhoffte, über den steigenden Preis die Nachfrage dem Angebot anzupassen oder neue Walderschließungen rentabel zu machen, muß offenbleiben.

II. Der Holzproduktionswald

113

Trend ein, der auch anderswo, wenn auch nicht aus vergleichbaren Quellen, beobachtet wurde. Im Laufe des 18. Jahrhunderts vervierfachte sich danach der Preis für Stämme, minderwertiges Brennholz verdoppelte sich im Preis. Generell folgte der Hausse der Holzpreise nach 1735, die im Siebenjährigen Krieg weiteren Schub erhielt, eine Abflachung in den 1770er Jahren, bevor in den 1780er Jahren erneut eine Hausse einsetzte. 85 In der Kurpfalz verfolgte Hans Hausrath die Taxpreise für Brennholz, das an die Bevölkerung verkauft wurde: Nach dem Dreißigjährigen Krieg bis in die ersten drei Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts stagnierten oder sanken danach die Preise. 1730-1736 stiegen die Taxen kriegsbedingt an, bis 1754 blieben sie gleich, um danach zu fallen. 1759-1762 stiegen sie wiederum an, blieben dann auf einem Niveau, bevor von 1783-1795 ein rasches, langanhaltendes, nur durch wenige Rückschläge aufgehaltenes Steigen einsetzte. 86 Der steigende Kohlholzpreis beförderte in Kurtrier maßgeblich die Implementierung der Schlagwirtschaft. Den Einfluß steigender Preise ließen auch hohe Forstbeamte der Hinteren Grafschaft Sponheim bereits 1737 durchblikken: „Und weilen das holtz allhier im höchsten Preiß ist, so hat das Oberforstambt sonderbahr in Bedacht gezogen, diesen Wald Condel unter gemeins herrschaft. gnädigster Manuterenz bestens zu cultivieren und denen Mißbräuchen darinnen auf alle thunliche Weise zu steuren." 87 Die dargelegten Forsteinrichtungsmaßnahmen im Kondelwald zwanzig Jahre später fußten unmittelbar auf dieser Empfehlung. Doch auch noch so hohe Preise nutzten dem Verkäufer nichts, wenn nach Abzug seiner Aufwendungen kein Überschuß verblieb. Erst in der Kombination mit diesem Aspekt der Rentabilität konnten die hohen Preise durchschlagend wirken. b) Zur Rentabilität der Holzproduktion Es lassen sich vier Gruppen verschiedener Kosten unterscheiden, die bei der Holzproduktion anfielen (Tab. 8). (1) Die Personalkosten für Forstbedienstete. Hierunter fiel die Bezahlung des höheren Forstpersonals sowie die anteilige Festentlohnung von

85

BRAUDEL, Fernand, Sozialgeschichte des 15.-18. Jahrhunderts, 3. Bde., München 1990 (1. Aufl. 1985), Der Alltag (I), S. 395; MANTEL, Wald und Forst, S. 253 f.; SCHENK, Waldnutzung, Waldzustand und regionale Entwicklung, S. 240 (nach ELSAS, Preise und Löhne); RUBNER, Forstgeschichte, S. 56-60, 106-108; Preisbeispiele dokumentieren: BERNHARDT, Waldeigentum II, S. 66-70; RADKAU, Holzverknappung, S. 534, und für das 19. Jahrhundert SELTER, Forstgeschichte und Umweltgeschichte, S. 579; DERS., Waldnutzung und ländliche Gesellschaft, S. 296f., Forschungsdesiderate: S. 371, Anmerkung 501; MANTEL, Holzmarktlehre, S. 490-516 untersucht konjunkturelle und strukturelle Bewegungen des Holzpreises ab 1800. 86

HAUSRATH, Holzpreise, S. 3 3 5 f.

87

33 4521, Kammerrat Siegel und Oberforstmeister von Boxberg, Waldvisitation 1737, fol.

82.

114

D. Praxis der Waldentwicklung

Tab. 8: Aufwendungen für Holzproduktion, Obererzstift Trier 1759-1791 Jahr

Kosten für Hof- und Magazinholzlieferungen

Personal Diverse Aufwendungen im Zusammenhang mit der Holzproduktion « .C υ ρ « -a »•Ii C C Ν Ο s§ sG >

jfa Ο

ω S Ι §δ M-S =1

im

Forst- und Hof- u. MagazinJagdkosten holzlieferungen der Hofkam- c ° c mer (gebucht in den 3 Ρ Landrent- ώ§ meisterei- 5 c ε « 1 u N-C 3 δ c .y rechnungen) S e cü -cυ ·--

1759

98

10781

1760

3658

10403

1761

3635

5677

1761 1762 1763

173

1764

32

3442

656

2548

1765 1766

2153

1879

1767

2752

2516

1768

1 129

2606

1770

4624

5319

1771

1713

6 002

1769 2261

1772

9

2139

5201

1773

19

2476

5085

1774

183

1706

5360

1775

214

2096

4474

1776

214

2498

4798

787

1777

214

2578

3641

1088

1778

214

1170

3078

1779

142

621

84

1780

207

908

4050

1781

214

1 180

1782

264

944

1783

367

4079

1784

1526

337

1785

1740

3644

702

1786

1706

2343

404

1787

1738

2701

597

1788

1679

1586

1789

1765

1790 1791

314

2878 5407 32 139

81

3737

87

2709

4147

92

9200

4651

1300

375

7169

6044

672

645

256

6704

5541

455

251

295

3643

3799

1066

440

187

2

4403

4115

1760

895

384

25

103

6023

4227

1807

1949

848

114

400

7029

6663

1607

Quelle und Erläuterungen: LHAK 1 C 5326-5366. Alle Angaben in Reichstaler. 1792 sind keine Eintragungen mehr vorgenommen worden. 1759 und 1760 sind nur summierte Werte für „Hofstatt und Bestallung" verbucht worden, die deshalb nicht aufzugliedern waren und nicht in die Tabelle eingingen. Sie beliefen sich auf 6084 und 6440 Rt. 1783 Angabe für Reparaturen (522 Rt) inklusiv Bestallungen. Forst- und Jagdkosten der Hofkammer, die in den Landrentmeistereirechnungen auf der Ausgabenseite gebucht wurden, nach SCHNEIDER, Finanzpolitik, S. 78. .Diverse Aufwendungen im Zusammenhang mit der Holzproduktion' enthielt in der Summe noch weitere Posten, die nicht bezeichnet waren und daher nicht aufgeschlüsselt werden konnten.

II. Der Holzproduktionswald

115

Revierjägern und -förstern. 88 Im Mittel lassen sie sich auf rund 800 Rt beziffern. (2) Die in der Sammelrubrik Diverses zusammengefaßten Kosten. Im Mittel beliefen sie sich auf 1800 Rt. Hierunter versammelten sich etwa Kosten für Prozesse oder Kommissionen und Kulturmaßnahmen. Der Ankauf von Saatgut machte 1784 und 1785 den ganzen Etat für Kulturmaßnahmen aus, 1787 belief er sich für die Forstreviere Schönecken und Mürlenbach auf 46 Rt; 1788 verbuchte die Hofkammer 20 Rt für Tannensamen, 1790 waren es 17 Rt für das Dauner und 85 Rt für andere Forstreviere. Um 14 junge Eichen, die pro Stück 36 Albus kosteten, bereicherte man 1790 das Forstrevier Zell; im Zusammenhang mit anderen Holzplantagen legte der Jäger vier Jahre zuvor 181 Rt aus.89 Diese Ausgaben zeigen, wie die Forstleute die Bestimmungen aus dem Forstgesetz von 1786 verwirklichten. Auch die Forsteinrichtung kostete Geld: Die beteiligten Forstleute und Vermesser mußten entlohnt werden, Pferde und Material, etwa Papier für die Karten und weitere Zahlungen für die Reinzeichnung und Vervielfältigung, verursachten Ausgaben. 1786 summierten sie sich auf 1300 Rt, weil das Forstgesetz des gleichen Jahres bestimmte, die Kamerai Wälder zu kartieren und in Schläge einzuteilen. Ferner mußten Entschädigungen bestritten werden. Bei der Flutung der Wehre etwa konnten die angrenzenden Wiesen durch das künstliche Hochwasser in Mitleidenschaft gezogen werden. Meldeten die Eigentümer die Beeinträchtigungen und wurden sie anerkannt, folgte ein Schadenersatz. Daß die Entschädigungssumme 1791 auf 1607 Rt anstieg, hing mit der großen Holzmenge zusammen, die in diesem Jahr auf der Ruwer nach Trier getriftet wurde. (3) Auch außerhalb der Forstkasse wurden forstliche und jagdliche Aufwendungen verbucht. Die Forst- und Jagdkosten der generellen Kasse im Erzstift (Landrentmeisterei) beliefen sich von 1784-1791 auf durchschnittlich knapp 5900 Rt.90 (4) Was Holzhauer, -Schleifer, -Umsetzer, Flößer, Köhler, Fuhrleute- und Tagelöhner an Lohn für ihre Arbeit erhielten, damit sie das Brennholz oder die 88

Die Gesamtsumme der Personalkosten wurde hier für die Auswertung halbiert, da sie etwa zu gleichen Teilen als Aufwendungen für den Holzproduktionswald und den Jagdwald anzusehen sind. Personalkosten sind grundsätzlich nicht exakt zuzuordnen. Die Halbierung ergab sich aus der zeitlichen Beanspruchung des Personals durch forstliche oder jagdliche Belange; vgl. BURGSDORF, Forsthandbuch, S. 751-780, mit einem Kalender der monatlichen Tätigkeiten. Auch heute werden Personalkosten so verrechnet; vgl. WÖHE, Betriebswirtschaftslehre, S. 881-883. Vgl. generell zum Forstpersonal: GÖTZ, Staat im Wald. 89 Dies hing zusammen mit der Schrift von: KNORZ, Patriotische Aufmunterung im ChurTrierischen zur Aussaat des Nadelholzes, in: Forstarchiv zur Erweiterung der Forst- und Jagd-Wissenschaft und der Forst- und Jagd-Literatur (1792), S. 369-371. In der Kurpfalz waren 1600 0,3% der Forstausgaben für Kulturen bestimmt; vgl. HAUSRATH, Holzpreise, S. 373. 90 Der sehr geringe Wert für 1783 wurde dabei nicht mitgerechnet.

116

D. Praxis der Waldentwicklung

Holzkohle, welche die Hofkammer als Endprodukt verkaufte, einschlugen, aufbereiteten und nach Trier und Koblenz an den Hof oder in die städtischen Magazine transportierten, weist die Rubrik zu den Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Hof- und Magazinkonsum aus. Hinzuzuzählen sind auch die Reparaturkosten, die bei den Schwemmweihern anfielen. 91 Im Mittel lagen sie bei 4400 Rt. Stellt man nun die Erträge den Aufwendungen für die Holzproduktion gegenüber, so fällt der Befund eindeutig aus: Die Aufwendungen beliefen sich auf rund ein Viertel des Ertrags. Zwischen 1759-1792 erbrachte die Stammund Klafterholzproduktion im Mittel pro Jahr 20500 Rt. 92 Dem standen in diesem Zeitraum mittlere Aufwendungen für diese Zwecke in Höhe von rund 5500 Rt gegenüber (Personalkosten 800 Rt, Diverses 1800 Rt, Forst- und Jagdkosten der Landrentkasse 1784-1791 5900 Rt 93 ). Für einen investierten Reichstaler konnte es gelingen, das Vierfache zurückzuerhalten: Es war ein rentables Geschäft, Holz zu produzieren. Dieses Resultat bezieht sich lediglich auf den angesprochenen Zeitraum in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Überdies beschreibt es einen Zustand während dieser Zeit und keine Entwicklung; dafür sind 34 Jahre zu kurz. Winfried Schenk hat demgegenüber mit vergleichbaren Quellen in Nordhessen und Mainfranken bis vor den Dreißigjährigen Krieg zurückgreifen können. Während des Krieges erlebte die Waldwirtschaft dort starke Einbußen. Anschließend kam es zur Erholung mit einem kontinuierlichem Anstieg der Einnahmen. Ab 1740 weist Schenk eine Hochphase aus. Allerdings merkt er zu Recht an, nur die zeitgenössische Sicht auf die „Rentierlichkeit der Forste" wiederzugeben.* Norbert Franz konnte die Rentabilität im Stadtwald von Luxemburg, dem Baumbusch, im 18. Jahrhundert verfolgen. In den ersten beiden Dritteln des Jahrhunderts überstiegen die Ausgaben die Einnahmen um das Neun- oder Dreifache. Verwaltungsreformen ließen erst im ausgehenden 18. Jahrhundert bescheidene Überschüsse zu. In diese Gegenüberstellung sind allerdings die umfangreichen unentgeltlichen Lieferungen für militärische Zwecke nicht eingeschlossen, während die Einnahmen aus der Schweinemast verbucht sind. 95 Betriebskoeffizienten kennzeichnen in der gegenwärtigen forstlichen Arbeit die Rentabilität eines Betriebes. Harald Textor ermittelte nach diesem Berechnungsverfahren historische Betriebskoeffizienten. Bis zu Anfang des 18. Jahr91

Analog zu den Entschädigungen gingen sie auch auf Triftholz, das nicht für die Höfe bestimmt war, zurück. Aber das läßt sich hier nicht unterscheiden. So wurden die Entschädigungen zu den Ausgaben für „Diverses", die Reparaturen zum „Hofkonsum" gerechnet. 92 Einzelangaben siehe unten: Struktur der Forsteinnahmen in Kurtrier. 93 Gesamtwert, der hier zur Hälfte der Holzproduktion zugerechnet wurde. Für Kohl- und Stammholz trugen die Käufer die Aufbereitungskosten. 94

SCHENK, Waldnutzung, Waldzustand und regionale Entwicklung, S. 133-135, 133 (Zitat).

95

ERNST, FRANZ, Waldreformen, S. 5 5 - 5 9 , insbesondere S. 57.

II. Der Holzproduktionswald

117

hunderts halten sich danach, bei zum Teil erheblichen Defiziten, Erträge und Aufwendungen die Waage. Von 1720-1790 wirft auch die Waldbewirtschaftung der Abtei Amorbach stattliche Erträge ab. Schon ab dem Ende des 17. Jahrhunderts stellte sie „eine erhebliche, festeinkalkulierte und unverzichtbare Reinertragsquelle" dar. 96 Zusammengefaßt lassen sich also in der Kombination von steigenden Preisen und einer hohen Rentabilität die maßgeblichen Umstände erkennen, die es für kurtrierisches Forstamt und Hofkammer erstrebenswert machten, die Schlagwirtschaft nach der Jahrhundertmitte flächendeckend in ihren Wäldern einzuführen.

3. Mengen- und Gelderträge der Schlagwirtschaft: eine nachhaltige Bewirtschaftung? Aus dem überragenden finanziellen Interesse entwickelten die Landesherren und ihre Räte die Überlegungen zur prinzipiellen Nachhaltigkeit. Inwiefern es berechtigt ist, von einer tatsächlich verwirklichten finanziellen oder mengenmäßigen Nachhaltigkeit zu sprechen, ist nachfolgend zu prüfen. Von den gut zwei Dutzend Forstrevieren, in die das Obererzstift Trier eingeteilt war, vermerken die Forstkassenrechnungen in 22 von ihnen Einnahmen aus dem Klafterverkauf. In Klafter, das Raummaß für Holz, wurden Scheite (= gespaltenes Holz) und Klippel (ungespaltenes schwaches Holz) geschichtet. 97 Sie dienten als Brennholz oder wurden zu Holzkohle weiterverarbeitet. Vergleicht man die Erlöse aus dem Klafter- mit dem Stammverkauf so zeigt sich: Vom Geldvolumen der Holzverkäufe nahmen die Stämme im Obererzstift knapp 6% ein. Harald Textor hat im mainzischen Oberamt Amorbach einen vergleichbaren Anteil festgestellt. 98 Für eine Topographie der Holzproduktion in Hunsrück und Eifel lassen sich die Forstreviere nach Kriterien wie Größe, Mengen- und Geldertrag sowie Regelmäßigkeit der Einschläge gruppieren. Die Grundlastreviere lieferten die größten Mengen- und Gelderträge durch die regelmäßigsten Einschläge von Klafterholz. Im Vergleich zu ihnen fielen Mittellast- und Schwachlastreviere ab. a) Die Gesamtübersicht Summiert man die Einzelmengen- und Geldwerte aus dem Klafterholzverkauf 99 , ergibt sich Fig. 4. Die mittlere Dekade zeigt die stärksten Mengen96

TEXTOR, Amorbacher Zent, S. 247-250, 251 (Zitat). KEHR, Fachsprache, S. 171 f. 98 Gerechnet wurde hier mit durchschnittlich 1000 Rt Stammholz- und 18000 Rt Klafterholzerlösen (= 5,66%). TEXTOR, Amorbacher Zent, S. 200, Durchschnittsangabe für 1762-1803: 6,7%. 99 Ab 1784 sind ebenfalls die ab diesem Zeitpunkt eigens ausgewiesenen Sonderverkäufe integriert. 97

118

D. Praxis der Waldentwicklung

erträge. Über die gesamte Zeit liegen sie bei durchschnittlich gut 48 300 rm pro Jahr. Unverkennbar zeigt sich ab 1780: Die Mengenerträge nehmen ab. Die Gelderlöse schwanken gegenüber den Mengen weniger; im Mittel liegen sie bei etwas über 18200 Rt pro Jahr. Insgesamt wurden im Obererzstift 1759-1792 fast 1,5 Mio. rm Klafterholz für den Verkauf erzeugt, der gut 565 000 Rt einbrachte. Mit Fig. 5 kann auf den Durchschnittserlös je Raummeter verkauftes Klafterholz verwiesen werden.100 Die Einzelwerte verhalten sich insgesamt sehr uneinheitlich. Es gibt am Anfang und am Ende der Betrachtungszeit starke Ausschläge nach oben, in der mittleren Dekade tendieren die Werte schwächer. Im Mittel bewegen sie sich bei 23 Alb./rm Klafterholz. b) Die Grundlastreviere Mit nahezu jährlichen, kontinuierlich hohen Einschlägen stellten die Grundlastreviere einen Großteil der benötigten Klaftermenge bereit und garantierten somit zugleich das Gros der Kammereinkünfte aus der Holzproduktion. Das verwundert wenig, waren ihnen doch die ausgedehntesten Kameralwälder in Hunsriick und Eifel zugewiesen. Das bedeutendste Forstrevier im gesamten Erzstift Trier war Kell. Es umfaßte den Schwarzwälder Hochwald (2630 ha), den Irrwald (schätzungsweise 1160 ha 101 ) und den Manderer Wald (780 ha). 102 Wie sich die Mengen- und Gelderträge 1759-1792 gestalteten, zeigt Fig. 6. 103 Dabei stechen die fünf Spitzenjahre hervor, in denen jeweils 30000-40000 rm Holz entnommen wurden, zu denen sich ein breites Mittelfeld an Einschlägen gesellt (10000-20000 rm). In Einzeljahren, vermehrt gegen Ende des Betrachtungszeitraumes, sank der Holzertrag auf unter 5000 rm. Im Mittel der Jahre, in denen man Klafterholz gewann, waren dies knapp 15000 rm (insgesamt in 27 Einzeljahren 104 gut 400000 rm). Durch die entkoppelte Mengen- und Geldbuchung sowie die Preisänderung konnten die Mengen bei gleichzeitigem Rückgang der Geldeinnahmen steigen, wie etwa 1769-1772. So liegen die sechs Spitzenjahre mit Einkünften von mehr als 5000 Rt nicht einmal immer im Umfeld der Mengenmaxima. Im Mittel der Rechnungsjahre mit Einnahmen bewegten sie sich bei etwas über 3000 Rt (insgesamt rund 95 000 Rt in 30 Einzeljahren). 100 w e ii fü r die Gesamtwaldfläche keine Angaben vorliegen, war es nicht möglich, flächenbezogene Werte zu ermitteln. Diese Preisangaben sind aus Mengen und Geldeinnahmen errechnet, anders als die Preise, die für einzelne Reviere aufgezeigt wurden. Letztere stellen tatsächlich realisierte Preise dar. 101

Diese Fläche wurde überschlagen aus dem 1757 für den Hochwald auf 2630 ha stehenden Holzvorrat von 290000 rm (= ca. 110 rm/ha) und der Angabe von 127600 rm im Irrwald; die Schätzung gilt nur, wenn die beiden Gebiete gleichartig bestockt waren. 102 Vgl. zu den Revierangaben M I C H E L , Forst und Jagd, S . 153 f. 103 Alle Figuren sind im Anhang zusammengestellt. 104 Einzeljahre = Jahre, in denen die Buchhalter Mengen oder Geld verzeichneten.

II. Der Holzproduktionswald Fig. 4: Gesamtübersicht reviere 1759-1792

Klaftermengen-

und Gelderträge

119 der obererzstiftischen

Forst-

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136

D. Praxis der Waldentwicklung

Fig. 15: Mengen- und Gelderträge je Hektar im Forstrevier Beurig

1759-1792

16a

CD (ΒΜΛΗ) PI3Q '(en/wu) aßuaifl

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137

II. Der Holzproduktionswald

Tab. 13: Mengen- und Geldgesamterträge Horath, Ehrang, Monzelfeld 1759-1792

in den sonstigen Forstrevieren

St. Wendel, Trier,

Gesamtertrag 1759-1792

Monzelfeld

Horath

Ehrang

Trier

St. Wendel

rm Kohlholz Rt

10000 8000

8000 4000

2000 1000

2000 600

1000 500

Quelle: LHAK 1 C 5326-5367. Gerundete Werte. Für das Forstrevier Trassem enthielten die Quellen keine Einnahmen aus dem Klafterholzverkauf.

e) Weitere Holzentnahmen Wie oben bereits angeführt, fußen diese Einteilung der Forstreviere und die Figuren, welche die Mengen- und Gelderträge veranschaulichen, auf den kommerziellen Klafterholzentnahmen. Doch die Holzproduktion ging nicht nur an das Großgewerbe (Fig. 16). Die Bevölkerung erstand mitunter außerhalb ihrer Notdurft in kleineren Mengen sowohl Klafter- als auch Bauholz sowie Kohlen und pachtete Kameral-Rotthecken. Wenn Bäume durch Stürme oder Schnee umstürzten oder Äste abbrachen, fielen Windfälle an. Auch dieses Holzsortiment fand Käufer, die es als Brenn-, Kohl- oder Bauholz verwendeten. 117 Im Mittelwert verbuchten die Beamten aus diesen Posten Einnahmen von 1600 Rt. 118 Das entspricht in etwa einer Menge von 4200 rm. 119 Außerhalb dieser Kleinverkäufe dienten geringe Klafterholzmengen auch als Brennholz in landesherrlichen Gebäuden, beispielsweise den Kamerahöfen, oder als Bestallungsholz für die Bediensteten (Tab. 14). Diesen Entnahmen von jährlich 4100 rm Klafterholz aus dem Wald standen keine Geldeinnahmen in der Forstkasse gegenüber. Rechnerisch entsprachen sie im Wert rund 1500 Rt pro Jahr. 120

117

Vergleiche dazu: SCHENK, Waldnutzung, Waldzustand und regionale Entwicklung, S. 139-142. 118 Sieht man auf die unterschiedlichen Buchungsmodi, liegt der Wert bis einschließlich 1783 bei gut 1800 Rt (einschließlich Windfälle, die als Stämme genutzt wurden), ab 1784 bei knapp 1100 Rt pro Jahr (ausschließlich windfälliger Stämme). 119 Gerechnet mit dem mittleren Gesamtpreis 1759-1792 eines rm Klafterholz (48300 rm/18200 Rt = 2,65 rm/Rt); multipliziert mit 1600 Rt = rd. 4200 rm. Auch Pachtgelder, die nicht dem Holzkauf zuzurechnen sind, flössen darin ein. 120 Gerechnet mit dem mittleren Gesamtpreis 1759-1792 eines rm Klafterholz (48300 rm/18200 Rt = 2,65 rm/Rt); 4.100 rm dividiert durch 2,65 rm/Rt = rd.1500 Rt.

138

D. Praxis der Waldentwicklung

Fig. 16: Gelderlöse aus dem Holzverkauf in kleineren Mengen im Obererzstift Trier 1759-1792

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139

II. Der Holzproduktionswald Tab. 14: Eigenversorgung der landesherrlichen Forstrevieren (Brenn- und Bestallungsholz) 1771 Forstrevier Kell

Verwaltung aus den

obererzstiftischen

Verwendung, Herkunft

Kellnerei Bescheid aus dem Hochwald Kameralhof Millscheid an Windfällen und Altholz aus dem Irrwald Wildmeister Kameralhof Grimburg an Windfällen und Altholz aus dem Kellnereiwald Mürlenbach Kellnerei Schönecken bekommt Brandholz aus Privatbüschen Pächter der Mürlenbacher Burggüter aus dem Kyllwald Jäger Hermeskeil Kellnerei Lascheid Jäger bekommt Brandholz aus Gemeindewald Osburg Oberförster an Abfallholz aus dem Hochwald ca. Kelberg Kellnerei Daun aus dem Löhwald Kellnerei Manderscheid aus dem Wald Kippscheid Spiesförster in Daun aus dem Trierischen Busch Spiesförster in Gemünden aus dem Herrenbusch zwei Spiesförstern im Wald Kippscheid zwei Spiesförstern im Löhwald zwei Spiesförstern im Barchberg Spiesförster im Jungwald Spiesförster in Ulmer Waldungen blankenheimischer Förster in Daun aus dem Löhewald bei Befischung der Kameralweiher Kellnerei Ulmen Oberförster aus dem Barchberg Merscheid kurfürstlicher Hofmann in Lieser Brennholz aus dem Hochwald kurfürstlicher Hofmann in Wintrich Brennholz und gelegentlich einen Stamm Jäger Bescheid Hofmann vom Zeller Hof bei Mähringen aus dem Kammerwald Jäger ManderKellnerei Manderscheid aus dem Kunobusch scheid Kellnerei Wittlich aus dem Kunobusch Amtsstube in Wittlich, 6 Wagen aus dem Kunobusch Kelterstangen für Kameralkelter in Wittlich, 1-2 Fuhren Jäger Britten Hochgerichtsmeier (58 rm, dieses Jahr noch nicht angewiesen); Schultheiß in Merzig (70 rm, dto.); Jäger (dto. aus Gemeindewaldungen Britten und Saarhölzbach) Cochem Kellnerei Cochem Hofleute in Beuren und Weiler, jeder 2 Wagen; übriges Brennholz aus den Gemeindewaldungen Roth Kellnerei Schönberg abwechselnd aus Buchholz, Schneifel, Bolscheid und Eichfeld Kloster Niederprüm aus Wald Ülspett Hof Niederprüm aus Wald Ülspett Jäger

rm 116 145 58 145 104 35 116 70 232 116 6 6 35 35 35 17 17 35 35 232 47 17 17 70 35 29 116 70 12 35

157 6 232 17 81 47

140

D. Praxis der Waldentwicklung

Fortsetzung Tab. 14: Eigenversorgung der landesherrlichen tischen Forstrevieren (Brenn- und Bestallungsholz) 1771 Forstrevier

Verwaltung aus den obererzstif-

rm

Verwendung, Herkunft

_ Kellnerei Zell und Jäger nehmen Brandholz aus Zeller Stadtwald 12 Haus Marienburg 17 Hof Marienburg aus Nonnenwäldchen Hofleute zu Höllendahl (Herren von Landenberg), nach ihrem Wohlgefallen Beurig Kellnerei Saarburg aus dem Irscher Kammerforst 290 46 Jäger Kellnerei Bestallungsholz aus Oberbuschholz 162 Wittlich Hofmann in Esch 139 Wirtshaus in Salmrohr und der dortigen Schultheißerei 70 Amtsstube in Wittlich 12 Oberjäger 46 Wenigerath lutherischer Pfarrer in Kleinich 35 Pastor in Hirschfeld 35 Pastor in Bischofsdhron 58 Kameralschultheiß in Wederath 17 Jäger 35 Spiesförster 12 GondelsKloster Niederprüm aus Schalkenbüsch 46 heim Jäger bekommt Brandholz aus Gemeindewaldungen Monzelfeld Kellnerei Bernkastel aus dem Hardwald 209 Hof von St. Martin bei Trier 58 Jäger 70 Horath kurfürstlich-wittgensteinscher Beamter in Neumagen aus dem Harpelstein 41 Probst von Tholey fühlt sich berechtigt im Harpelstein 70 Ehrang Jäger bekommt Brandholz teils aus Meulenwald, teils aus Ehranger Gemeindewald St. Wendel Jäger 46

Zell

GESAMTSUMME

Obererzstift Trier

4104

Quelle und Erläuterung: L H A K 1 C 5 3 3 9 . In der Quelle ist die Gesamtsumme mit 7 2 2 Klaftern ( = 4 1 8 8 rm) ausgewiesen, was allerdings nicht nachvollzogen werden konnte; rm-Angaben gerundet.

4. Stamm- und Holländerholz:

Verkauf und Kunden

Die Schlagwirtschaft diente dazu, Klafterholz zu liefern, das die Käufer verkohlten oder direkt verfeuerten. Doch neben Kohl- und Brennholz verlangten sie auch nach Werk- und Bauholz (Tab. 15). Die dazu verwendeten Stämme wurden nicht aufgeklaftert, sondern am Stück aus dem Wald transportiert. Sie waren entweder für den regionalen Bedarf vorgesehen oder für den Export. Blieben die Stämme in Hunsrück und Eifel, nennen die Quellen den Verkauf von „alten abgängigen Bäumen" oder „Eichen und Buchen". Aus vielen von

141

II. Der Holzproduktionswald Tab. 15: Stammholzverkauf im Obererzstifi Trier Jahr

Anzahl oder Art

1772 1773

1774

Preis in Rt

Forstrevier

Käufer

Eichen inklusiv Reiser 115 Eichen/Buchen 155

Beurig Hermeskeil

84

Zell

Jacob Schütz (Beurig) Nikolaus Weber (Malborn) unterschiedlich

139 (89 Alb./Stamm) 179 56 226 298 185 (322 Alb./Stamm) 182

Eichen/Buchen -

1777 1778 1781 1782

1759-1783

Eichen/Buchen Eichen/Buchen 31 Eichen für Daubenholz 21

Zell Zell Zell Zell Manderscheid Zell

-

unterschiedlich

Quelle und Erläuterung: L H A K 1 C 5 3 2 6 - 5 3 5 7 ; in nicht verzeichneten Jahren ist verkauftes Stammholz in den Quellen nicht ausgewiesen. - = keine Käufer genannt.

ihnen fertigten die Handwerker die als vielseitige Transportgebinde unerläßlichen Faßdauben. Ein Teil des benötigten Werk- und Bauholzes stand der Bevölkerung unentgeltlich zu. Er taucht in den Forstkassenrechnungen nicht auf. Sie verzeichnen nur die außerhalb der Notdurft verkauften Stämme. Die Mehrzahl des Stammholzes für den regionalen Markt entstammte dem Forstrevier Zell, aber auch Beurig, Hermeskeil und Manderscheid lieferten kommerziell Stämme. Blieben die Stämme nicht in der Region, handelte es sich zumeist um „Holländerbäume" (Tab. 16). Damit kennzeichneten die Rechnungsführer fast ausschließlich gut gewachsene, über hundertjährige Eichen, die ihren Namen vom Bestimmungsort, an den sie über Mosel und Rhein geflößt wurden, erhalten hatten. 121 Auf dem Rhein wurden sie zu großen Holzflößen zusammengestellt und versorgten so den niederländischen Haus-, Wasser-, Maschinen- und Schiffbau bis weit ins 19. Jahrhundert hinein. Eine immense internationale Nachfrage ließ diesen Handelszweig zu einem lukrativen Geschäft werden, das seine große Zeit am Ende des 18. Jahrhunderts allerdings bereits hinter sich hatte. 122 121

Dietrich EBELING, Der Holländerholzhandel in den Rheinlanden. Zu den Handelsbeziehungen zwischen den Niederlanden und dem westlichen Deutschland im 17. und 18. Jahrhundert, Stuttgart 1992; DERS., Rohstofferschließung im europäischen Handelssystem der frühen Neuzeit am Beispiel des rheinisch-niederländischen Holzhandels im 17./18. Jahrhundert, in: RhVjbll

und regionale

5 2 ( 1 9 8 8 ) , S . 1 5 0 - 1 7 0 ; für d e n M a i n : SCHENK, Waldnutzung,

Entwicklung,

TEXTOR, Amorbacher 122

Zent,

Waldzustand

S. 240-275, hier wurden auch Nadelholzstämme geflößt;

S. 1 8 9 - 1 9 1 , 2 1 4 - 2 1 8 .

Zum internationalen Handel und regionalen Nutzungsformen EBELING, Holländerholz-

handel,

S . 5 2 - 5 6 ; z u d e n K o n j u n k t u r e n i m D e t a i l e b d . , S . 7 2 - 9 5 . V g l . a u c h HAUSRATH,

142

D. Praxis der Waldentwicklung

Tab. 16: Holländerholzverkauf

im Obererzstift

Trier

1759-1783

Jahr

Anzahl Preis in Alb./Stamm Forst/Forstrevier oder Gesamtpreis in Rt

1763 1764 1771

200 100 600

540 Alb./Stamm 478 Alb./Stamm 405 Alb./Stamm

(+ 55) 60

264 Alb./Stamm

1773 1774 1775 1781

Gesamtpreis: 338 Rt Gesamtpreis: 171 Rt 100 297 Alb./Stamm (+ 80) 240 Alb./Stamm Gesamtpreis: 362 Rt -

Ebertswald/Hermeskeil Ebertswald/Hermeskeil Buschholz, Amtswäldchen/Wittlich Eichbüsch/Britten /Cochem /Beurig Schwickerather Hochwald /Manderscheid /Cochem

Käufer

Hausen (Saargemünd) Neil (Trier) Witwe Neil (Trier) Jörg Schmidtborn (Saarbrücken) Doli (Cochem) Witwe [?] Neil (Trier) Witwe Neil (Trier) Doli (Cochem)

Quelle und Erläuterung: LHAK 1 C 5326-5357. Die Stammpreise 1771 sind aus der Gesamtsumme von 4500 Rt errechnet, die für ursprünglich vertraglich zugesicherte 600 Stämme zu entrichten waren. Ob und wann die Witwe Neil die fehlenden 22 275 Alb. für die überschüssigen 55 Stämme zahlte, geht aus den Unterlagen nicht hervor. Gleiches gilt für die Restbeträge der Verkäufe 1763 und 1764, die in diesen Jahren ebenfalls nicht komplett bezahlt wurden.

Im Mosel-Saargebiet dominierten diesen Handelszweig einige wenige Familien. 1786 schlossen sich die im Holländerholzgeschäft tätigen Großhandelsfirmen von Hausen (Saargemünd), Gebr. Ziegler (Frankfurt/M.) und Neil Erben (Trier) in einem Kartellvertrag zusammen, um das Angebot der rückläufigen Nachfrage anzupassen und ihre Aktivitäten aufeinander abzustimmen.123 Zwischen 1759 und 1782 kaufte die Firma Hausen in obererzstiftischen Revieren 200 Holländerbäume, 60 weitere gingen an Jörg Schmidtborn.124 Des weiteren erstand die Firma Doli, die 1798 wie Schmidtborn dem Kartellvertrag beitrat125, Holländerstämme. Zwar sind im Kondelwald im Kröver Reich keine Verkäufe von Holländerholz nachgewiesen. Aber 1761 zerschlug sich ein Geschäftsabschluß mit besagter Floßfirma Doli, „weil die Schläge noch nicht genügsam ausgehauen waren". 126 Hier erhellt sich der Ablauf der Holländereinschläge: Sie folgten den Klafterholzeinschlägen, damit die Stammentnahme möglichst wenig Fall- und Transportschäden im Unterwuchs anrichtete. Holzpreise, S. 371, der für Holländereichen in der Kurpfalz einen Preisanstieg von 1659-1800 um 350% errechnet. 123 EBELING, Holländerholzhandel, S. 149-153, 187-203 (Text des Kartellvertrags). 124 Roger DUFRAISSE, Flottes et flotteurs de bois du Rhin Ä L'epoque napoleonienne, in: Actes du 88e congres nationale des societes savantes Clermont-Ferrand 1963. Section d'histoire moderne et contemporaine, Paris 1964, S. 667-693, 670. 125 EBELING, Holländerholzhandel, S. 152. 126 STAT 54 Κ 5450, Familienprotokoll Kesselstatt 1761, § 78, unfoliert.

II. Der Holzproduktionswald

143

Herausragend war die Familie von Neil unter den Handelsfirmen an der Mosel mit ihrem Volumen von 855 Holländerstämmen.127 Ein Blick in das Kontor der Großhändler aus Trier erlaubt, diese regionalen Aktivitäten in das Gesamtgeschäft einzubetten: Die 4500 Rt, welche die Neils 1771 für 600 Stämme entrichteten, nahmen sich in deren Geschäft recht marginal aus. Die Nellschen Umsatzerlöse beliefen sich 1774, zu einem Zeitpunkt also, an dem sie die Stämme aus dem Revier Wittlich durchaus hätten in Dordrecht in den Niederlanden verkaufen können, auf rund 190000 Rt. 128 Angenommen aber, es handelte sich um 655 Eichenbalken (Langholz, ganze Stämme, vierkantig behauen, 9 m lang, 60 cm stark), welche die Neils auch tatsächlich in Dordrecht veräußerten, so ist diese Menge von der Mittelmosel schon nicht mehr zu vernachlässigen. Denn 1774 wurden dort von allen Händlern insgesamt 1029 Eichenbalken, 1789 Eichenruten (gleiche Länge wie Balken, nur geringere Stärke) und 40 Achsen (Übermaß) verkauft. 129 Bedeutsam schließlich ist auch die Spanne zwischen den 405 Albus Einkaufs- und den knapp 2300 Albus mittlerem Verkaufspreis für Eichenbalken im gleichen Jahr.130 Warum diese wertvollen Stämme - für die andere Händler je nach Qualität und Standort im Einkauf auch nur 264 oder aber 540 Albus zahlten - so gesucht waren, dürfte daraus unmittelbar einleuchten. Wenn sie noch dazu in den Forstrevieren Wittlich, Britten, Cochem, Beurig unweit der Mosel oder Saar zu finden waren, mußten die Fuhrleute sie zudem nur ein kurzes Stück über Land transportieren. Trotz größerer Entfernung zur Mosel waren aber offenbar auch der Ebertswald im Forstrevier Hermeskeil und der Schwickerather Hochwald im Forstrevier Manderscheid interessant. Ausnahmsweise flößte man die Stämme wohl, zumindest teilweise, über Prims und Kyll, die an sich nur zur Holztrift ausgebaut waren. Allerdings mußten dazu im gleichen Jahr weitere 80 Stämme zu den 100, die veräußert wurden, gefällt werden, um die Weiher an der Kyll beim Transport der ungewöhnlich großen Fracht nicht zu zerstören.131 127

Für 1774 sind bei einem angenommenen Stückpreis von 405 Alb. etwa 23 Stämme hinzuzählen. 128 Errechnet aus EBELING, Holländerholzhandel, S. 155-157, 173. Danach konnte die Floßreise durchaus mehrere Jahre dauern; 1774 erzielten die Neils bei Auktionserlösen 130000 Gulden (NL), was bei einem 45%igen Anteil am Gesamtgeschäft (restliche 55% freier Verkauf) einen Gesamterlös von etwa 290000 Gulden (NL) ergibt. Dieser entsprach etwa 284000 Gulden (rheinisch) oder 190000 Rt. 129 Zusammengestellt aus ebd., S. 74, 206, 214f. Vom gebräuchlichsten Sortiment Wagenschoß (gespaltenes Holz unterschiedlicher Dimension) wurden 1774 4257 Stück in Dordrecht verkauft; ebd., S. 210. 130 Der Mittelpreis lag 1774 bei etwas über 65 Gulden (NL) oder 63,7 Gulden (rheinisch) oder 2293 Alb., der Minimalpreis bei 27 Gulden (NL) oder 953 Alb., das Maximum bei 180 Gulden (NL) oder 6350 Alb.; ebd., S. 206. 131 Einschränkend ist bei den Tabellen zu bedenken: Von 1759-1783 verstecken sich weitere Stammholzverkäufe in der Rubrik „Verkauftes Gehölz, Windfälle". Da dieser Sammelposten alle Kleinverkäufe des örtlichen Forstpersonals aufführt, fehlt oft die Anzahl der Bäume oder der Preis, wenn überhaupt zu erkennen ist, daß es sich um Stämme handelte.

144

D. Praxis der Waldentwicklung

Für die Zeit nach 1784 ist es nicht mehr möglich, in den zentralen Forstkassenrechnungen zwischen Stamm- und Holländerholz zu unterscheiden, da beides in der Rubrik „Verkaufte Bäume" gelistet wurde. 1 3 2 In diesem Zeitraum zeigt sich eine Stammholzabgabe (Tab. 17) in Normaljahren (vor 1790) von rund 500 Stämmen, überwiegend Eichen, die durchschnittlich 108 Alb. (= 2 Rt) kosteten. 1791 wurde der Absatz demgegenüber fast verdreifacht. Im Folgejahr halbierte sich der hier errechnete Durchschnittspreis; das dürfte allerdings darauf zurückzuführen sein, daß zwar Stämme - etwa für den militärischen Bereich, als Brenn- oder Bauholz für Verteidigungszwecke - abgegeben wurden, diese aber nicht (mehr) bezahlt wurden.

Tab. 17: Stamm- und Holländerholzverkauf

im Obererzstift

Trier

1784-1792

Jahr

Anzahl Stämme (Eichen/Buchen)

Einnahmen in Rt (Umrechnung in Alb.)

Durchschnittspreis/ Stamm (Alb., gerundet)

1784 1785 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792

730 (639/91) 466 (423/43) 513(463/50) 437 (360/77) 524 (499/25) 600 (575/25) 661 (645/16) 1528(1482/46) 660 (441/219)

922 (49788) 924(49896) 768 (41472) 678 (36612) 1180 (63720) 1798 (97092) 1493 (80622) 4361 (235494) 836 (45 144)

68 107 81 84 122 162 122 154 68

Quelle: LHAK 1 C 5359-5367.

5. Gemeinden, Privatwaldbesitzer

und Klöster als

Holzproduzenten

So eindrucksvoll die Belege verdeutlichen, mit welchem Bewirtschaftungsverfahren, warum und mit welcher Intensität und Dauer in den Kameralwäldern Holz für den lokalen und regionalen, ja teilweise überregionalen Bedarf produziert wurde, so leicht gerät in Vergessenheit, daß neben den Landesherren auch andere Waldbesitzer an diesem Geschäft teilhatten. Daß die Forschung dies bislang vielfach übersah, hat vermutlich seinen Grund in einer oftmals fehlenden Quellenbasis. Gemeinhin gibt es keine Dokumente, die auch nur annäAuch sind meist keine Käufer genannt, und die Identifikation der Forstreviere ist schwierig, weil die Forstrechnungen vielfach statt des Reviernamens den des Jägers nennen. Daher wurde auf eine Detailauswertung verzichtet. Einigermaßen gesichert enthält die Rubrik jedoch keine weiteren nennenswerten Verkäufe von Holländerholz; dieses Sortiment war zu wertvoll, die Händlernamen zu klingend, als daß es ohne eigenen Vermerk den Besitzer gewechselt hätte. 132 Sie enthält ab 1784 auch durch Wind umgestürzte, stammweise verkaufte Bäume.

II. Der Holzproduktionswald

145

hernd an die Güte und Langfristigkeit der landesherrlichen Rechnungsführung heranreichen. Wenn überhaupt, vermochten bisherige Arbeiten lediglich aus den vereinzelten, mehr zufälligen Belegen darauf zu schließen, daß nicht nur die Landesherren, sondern auch andere Waldbesitzer intensiv Holz über ihren eigenen Bedarf hinaus produzierten. 133 Gleichwohl widerspricht es bereits der Logik, zu meinen, die Gemeinden hätten sich an der finanziell äußerst lohnenden Holzproduktion nicht beteiligt. Warum hätten sie diesem Geschäftszweig fernbleiben sollen? Der Nachweis kann hier erstmalig erbracht werden. Er erstreckt sich neben den Gemeinden auch auf Privat- und Klosterwälder. Es sind zwei systematische Wege, die diesen außerhalb des Kammereigentums blühenden Zweig der Waldwirtschaft erhellen. Die Veräußerung von Holz aus kommunalen und privaten Wäldern war im 18. Jahrhundert in Kurtrier an zwei Bedingungen geknüpft: 1. Der Landesherr mußte einem entsprechenden Gesuch zustimmen, bevor Stämme und Scheitholz in Gemeinde-, Kloster- und Privatwäldern für den Verkauf eingeschlagen werden durften. Um seine Entscheidung zu fundieren, hatten die örtlichen landesherrlichen Bediensteten wie es die Gesetze bestimmten über den Hau zu gutachten. Prinzipiell eröffnete sich hier den Landesherren die Möglichkeit, die Marktanteile des mit ihrem Holzangebot konkurrierenden Anbieters zu steuern. 2. Finanziell stand dem Landesherren vom Verkaufserlös der sogenannte 10. oder 30. Pfennig zu. 134 Aus beiden Bestimmungen entstanden Quellen, die zwar diese Holzverkäufe nicht direkt abbilden, aber doch mittelbar auf dem Umweg über die landesherrlichen Genehmigungen und anteiligen Einnahmen aufschlußreich sind. Gewiß sind die Belege über den nicht-landesherrlichen Holzverkauf alles andere als vollständig. Denn selbstredend schlugen sich in den Kontroll- und Abgabenunterlagen nur die regulären Holzverkäufe nieder; wurden sie ohne landesherrlichen Konsens und Entrichtung des 133 SCHWIND, Wald der Vulkaneifel: S. 94-96, 99. Ebd., S. 100: Export von mehreren 1000 Klaftern Kohlholz des Klosters Himmerod ins Ausland. Die Haupteinnahmen der Klöster stammten aber offenbar aus dem Weinbau; LAUFNER, Geistliche Unternehmer, S. 80; über Holzeinnahmen dort keine Notiz. MICHEL, Forst und Jagd, S. 42, nennt die Gemeinden Auw und Manderfeld, die von 1785-1792 - so lautete zumindest die Kammernotiz - für 30000 Rt Holz, das ihnen im Rahmen ihrer Schaftgüterrechte zustand, aus den Kammerwaldungen Buchholz und Schneifel verkauft hatten. NEU, Eisenindustrie in der Eifel, S. 45; Martha PETERS, Untersuchungen zur Agrarverfassung im 18. Jahrhundert bis zum Ende der französischen Revolutionsherrschaft im Jahre 1815 in den heute deutschen Teilen des ehemaligen Herzogtums Luxemburg. Unter besonderer Berücksichtigung des 1766 aufgenommenen Maria-Theresia Katasters, Diss. phil. Freiburg masch. 1955, S. 111; TROSSBACH, Schatten der Aufklärung, S. 56, 68; zu Beginn des 18. Jahrhunderts baten danach Bauern in der Grafschaft Wied-Neuwied, Holz an Hüttenmeister Pastert verkaufen zu dürfen. 134 Das entsprach also 3-10% des Umsatzes. HAUSRATH, Holzpreise, S. 372, wertet diese „forstpolizeiliche Bevormundung", die auch in der Kurpfalz den Gemeinden nur nach Genehmigung erlaubte, ihr Holz zu verkaufen, als „segensreich", denn der Gemeindewald erzielte am Ende des 18. Jahrhunderts insgesamt 4,15 fm Holzertrag, was deutlich über den Massenerträgen der Staatswaldungen lag.

146

D. Praxis der Waldentwicklung

10./30. Pfennigs getätigt, sind sie - wie im übrigen die illegal erwirtschafteten Erlöse aus den Kammerwäldern auch - heute nicht mehr zu greifen. Vor dem Hintergrund des bisherigen Forschungsstandes fällt dieses Manko jedoch kaum ins Gewicht. Da die Gesuche der Gemeinden sowie die landesherrlichen Genehmigungen nicht eigens gesammelt wurden, sind sie in der normalen Behördenkorrespondenz enthalten. Durch einen glücklichen Umstand filterte das Forstamt in den 1770er Jahren jedoch viele der Schriftwechsel über die Konsensgesuche heraus und stellte sie eigens zusammen. 135 Diese für einen anderen Zweck angefertigte Übersicht belegt, wenngleich auch sie den Großteil der Konsensbriefe gar nicht einmal aufgelistet haben dürfte, wie intensiv auch die Gemeinden im profitablen Holzverkauf engagiert waren (Tab. 18). In der Mehrzahl waren die Gemeinden bestrebt, Holz aus ihrem Gemeindewald verkohlen, es für diesen Zweck verkaufen oder als Brennholz veräußern zu dürfen. Das gilt gleichermaßen für Eifel-, Hunsrück- und Mosel-Gemeinden: Usch, Weiersbach, Darscheid, Birresborn und Mürlenbach, Oberstadtfeld, Weidenbach, Manderscheid, Schutz, Schönecken; Weiskirchen und Geisfeld; Ediger, Ehrang, Eller, Greimersburg. Ebenfalls läßt sich aus dieser Quelle ein Verkauf von Stämmen aus den Gemeindewäldern ersehen. Eine nicht unbeträchtliche Anzahl wurde etwa den Gemeinden Ensch (300), das direkt an der Mosel lag, und Osburg oberhalb der Ruwer (100), Rapperath (150) und Saarburg an der Saar (200) als Verkaufslos bewilligt. Obschon die Gemeinden sie nicht immer exportierten, sondern der Hau wie im Falle Saarburg nur zur Herstellung von Faßdauben dienen durfte, gingen doch auch aus den Gemeindewäldern große Mengen Holzkohle ins Ausland. Besonders kulant zeigten sich die gutachtenden Amtsverwalter und Forstbediensteten dann, wenn die Gemeinde nahe an der Grenze lag. Unter diesen Ausnahmebedingungen erhielten die Eifelgemeinden Weiersbach, Neroth, Oberehe, Bleckhausen, Heilenbach, Niederstadtfeld, Schutz und Daun einen Konsens zum Export; vorausgesetzt, sie lieferten die Kohlen nicht nach Luxemburg. Auch für das westliche Nachbarterritorium galt das generelle Exportverbot. Im Falle Luxemburgs war die landesherrliche Administration aber offenbar strikter bei der Durchsetzung. Die kommunale Absatzorientierung glich damit derjenigen, die in den Kammerwäldern vorherrschte. Auch der kommunale Verkauf von Holländerholz oder das Interesse daran kann in zwei Fällen auf diesem Wege nachgewiesen werden: Der im Amt St. Maximin, in unmittelbarer Moselnähe gelegenen Gemeinde Detzem genehmigte das Amt 1772 den Einschlag von 230 Holländerstämmen; auch Büdlich und Breit ersuchten um landesherrlichen Konsens zu diesem Zweck. 136 Es ist kaum ein

135 Es ging um den Nachweis, daß sich die anderen Waldbesitzer der Hoheit des landesherrlichen Forstamts unterworfen hatten. 136

L H A K 1 C 8 0 5 0 , F o r s t a m t s - P r o t o k o l l , 16. 3 . 1 7 7 2 , f o l . 5 1 - 5 4 ; 1 3 9 - 1 7 0 . N a c h MICHEL,

II. Der Holzproduktionswald

147

Tab. 18: Landesherrliche Konsenserteilungen zum gemeindlichen Holzverkauf in Kurtrier bis 1768 Gemeinde/ Amt

Inhalt des Gesuchs/ Begründung

Usch [?]/ Kyllburg

100 abgängige liegende od. stehende Bäume zur Verkohlung verkaufen, ohne Brandholzmangel zu verursachen/Schuldentilgung wg. Landmaß (50 Rt), Mißemte und Brotmangel (150 Rt)

Ehlenz/ Kyllburg

/Schuldentilgung

50 Eichen können schadlos gehauen werden, weil Gemeindewald mit „überflüssigem Beywachs, auch Bauholtz versehen"

Eschelbach/ Montabaur

Distrikt zur eigenen Notdurft hauen und verkohlen/ Schuldentilgung, Schieferdach für das Backhaus, Distrikt unfruchtbar

Schulden wg. Kapellenglocke 13. 5. 1726 zutreffend, ebenso, daß Backhaus mit Schiefer statt mit Stroh gedeckt werden müsse und daß Distrikt „unfruchtbar"; Hau gutgeheißen, da „ohne Schaden der Wildbahn"

Ediger, Eller/Zell

Holzversteigerung

Weiersbach/ Daun

Holzverkauf zur Verkohlung; Umwandlung der Büsche in Feld

Holzverkauf gutgeheißen; Umwandlung nicht

17. 7. 1742/ Exportverbot für Kohlen

Weiersbach/ Daun

1160 rm Holz exportieren

Zustimmung wg. Grenznähe der Gemeinde empfohlen; eigens begutachtet, weil Weg zur Mosel zu weit

23. 10. 1742

Birresborn, Mürlenbach/ Prüm

Holzhau und -verkauf

2900 rm empfohlen

5. 9. 1742/ kein Export und Pflicht zur Neubepflanzung

Bescheid [?] / Grimburg

/Wiederherstellung der Gemeindekirche

10. 3. 1743

Oberstadtfeld, Weidenbach, Schutz/ Manderscheid

Klafterholzverkauf/Schulden14. 4. 1743 gutgeheißen tilgung Oberstadtfeld: Gemeindewiese für 100 Rt „versetzet"; Kapitalschulden (240 Rt) bei Herrn Reider (Mahlberg) Weidenbach: Gemeindewiese für 150 Rt versetzt; Kapitalschulden (174 Rt) von Hüttenmeister Pidoll Schutz: Tilgung und Zinsen für Pfarrkirche (210 Rt); Kapitalschulden und Zinsen (150 Rt); wg. „letzteren Kriegszeiten" (100 Rt)

nicht ersichtlich

Gutachten der örtlichen Behörden (Amtsverwalter, Forstbedienstete); ohne Eintrag: Befürwortung wie beantragt

landesherrlicher Konsens weitere Bedingungen

29. 9. 1724

25. 2. 1726

13. 5. 1726

148

D. Praxis der Waldentwicklung

Fortsetzung Tab. 18: Landesherrliche in Kurtrier bis 1768 Gemeinde/ Amt

Konsenserteilungen

Inhalt des Gesuchs/ Begründung

zum gemeindlichen

Gutachten der örtlichen Behörden (Amtsverwalter, Forstbedienstete); ohne Eintrag: Befürwortung wie beantragt

Holzverkauf

landesherrlicher Konsens weitere Bedingungen

Ehrang/Pfalzel 5800rm

Distrikte mit jungen Stämmen 22. 12. 1742 bepflanzen

Manderscheid/ 3480rm Manderscheid

auch größere Menge

Mürlenbach/ Prüm

Busch verkohlen

Kloster Filzen/ Kohlholz nach Koblenz Wittlich transportieren

26. 1. 1743/für die beantragte Menge 19. 2. 1744/bei Verkauf im Inland

nützlicher, Klafterholz daraus zu machen wg. Holzmangel

1.4. 1744

Berterath / Schönberg [?] oder Bertrich/ Cochem

Holzverkauf

6. 4. 1744/für 1740 rm; letzter Konsens in diesem Amt, weil dort so viele, wie nirgendwo sonst; Bericht über Anpflanzung

Greimersburg/ Cochem

Holzverkauf

22. 3. 1746/für 1160 rm, wenn Jungwuchs geschont und Schulden getilgt werden

Ensch/Pfalzel

300 Stämme

28. 1. 1749

Darscheid/ Daun

1160rm

10. 3. 1750

Osburg/Pfalzel 100 Eichenstämme

10. 3. 1750

Schönecken/ Schönecken

580 rm liegendes und abgängiges Holz verkohlen und exportieren

22. 4. 1750/Export aus besonderer Gnade bewilligt

Platten/ Wittlich

Bauholz hauen

29. 4. 1750

Herschbach/ Montabaur

2900-3 480 rm, da jetzt ja die Forststrafen bezahlt seien

7. 5. 1750

[?] / Prüm od. Daun

1160 rm exportieren

5. 11. 1750/wg. Grenznähe

Mürlenbach/ Prüm

2900-3480 rm Brückenneubau über die Kyll

26. 2. 1752/Sache des Forstamts

Rapperath/ Bernkastel

150 Eichenstämme/ Schuldentilgung

20. 6. 1752/ausschließlich zur Schuldentilgung

Bremm/Zell

Neroth, Oberehe/Dann

2. 4. 1753/forstmäßiger Hau und Einhang der Distrikte 2030 rm, auch zum Export, da in Grenznähe

22. 5. 1753/„noch für diesmal"

149

II. Der Holzproduktionswald Fortsetzung Tab. 18: Landesherrliche in Kurtrier bis 1768

Konsenserteilungen

zum gemeindlichen

Holzverkauf

Gemeinde/ Amt

Inhalt des Gesuchs/ Begründung

Gutachten der örtlichen Behörden (Amtsverwalter, Forstbedienstete); ohne Eintrag: Befürwortung wie beantragt

landesherrlicher Konsens weitere Bedingungen

Bleckhausen, Niederstadtfeld, Schutz/ Manderscheid

2900 rm, die im letzten Jahr bewilligt wurden, exportieren, da sie es im Inland nur schwer absetzen konnten

wg. Grenznähe gutzuheißen

18. 7. 1753/„diesmahl noch"

Saarburg/ Saarburg

Eichenstämme

1753/200 Stämme zu Faßdauben im Inland versteigern, zugleich wenigstens ein Viertel des Waldes auf 10 Jahre einhängen

Heilenbach/ Prüm

Verkohlung gestattet, kein Export nach Luxemburg

Daun/Daun

2320 rm exportieren, aber nicht nach Luxemburg

Weiskirchen/ Grimburg

1160-1740rm

11. 12. 1753

11. 12. 1753 21.2. 1754/ 1160rm

Geisfeld/ Grimburg

3. 10. 1754/ 2320 rm, aber Lieferung an die Mosel

Schutz, 5800 rm exportieren Niederstadtfeld/ Manderscheid

19. 9. 1755/kein Export nach Luxemburg

Quelle: LHAK 1 C 8049, fol. 43-425. Bis 1768 noch einzelne weitere Konsense für Gemeinden im Niedererzstift.

besseres Beispiel denkbar, um zu verdeutlichen, wie bedeutungslos es auch beim Holländerholzhandel war, wem die Wälder mit den wertvollen Eichen gehörten. Darüber hinaus lassen sich mit der Quelle auch die Anträge erschließen, die von Gemeinden gestellt wurden, um Holz für eigene Zwecke zu hauen, etwa um mit dem Gelderlös das Dach des Eschelbacher Backhauses mit Schiefer statt mit Stroh decken zu können oder die verfallene Kirche in Bescheid wieder zu errichten, andere Bauten in Platten zu ermöglichen oder in Mürlenbach eine neue Brücke über die Kyll zu spannen.137 Forst und Jagd, S. 92, veräußerte die ebenso flußnahe Gemeinde Zell 1778 200 Stämme für 2166 Rt. 137 Vgl. grundsätzlich: Hartmut HARNISCH, Die Landgemeinde der frühen Neuzeit und die Gemeindebauten, in: ZAA 4 0 (1992), S. 168-185.

150

D. Praxis der Waldentwicklung

Noch bedeutsamer war für die Gemeinden ihr Wald indes in einem anderen Zusammenhang. Vor allem in den 1720er Jahren begründeten sie ihre Gesuche mehrfach mit der Schuldentilgung. Nun mag man darin zuvorderst einen geschickten Schachzug sehen, der sie einer Bewilligung durch den Landesherren näherbrachte. Da aber die Amtsverwalter auch über den Schuldenstand zu gutachten hatten und für die korrekte Verwendung der Gelder einstehen mußten, sind die Angaben verläßlich. So hatte die Gemeinde Usch aus den Kosten für die im Rahmen der Steuererhebung in den 1720er Jahren angestellte Landvermessung 50 Rt und aufgrund einer Mißernte 150 Rt Schulden angehäuft, die nun, 1724, durch Holzverkauf aus dem Gemeindewald getilgt werden sollten; Ehlenz und Eschelbach betraf beides vermutlich auch. Oberstadtfeld wollte hingegen die Gemeindewiese, die man für 100 Rt verpfändet hatte, zurückerlangen sowie seine Schulden von 240 Rt bei Herrn Reider aus Mahlberg abtragen; Weidenbach hatte für seine Gemeindewiese 150 Rt und für die Schuldentilgung 174 Rt aufzubringen. Mit dem letzten Betrag stand die Gemeinde pikanterweise bei Hüttenmeister Pidoll in der Kreide, womit sich der Kreis aus Gemeinde-Wald-Hüttenherr Schloß. Die Gemeinde Schutz wiederum sann darauf, aus dem Holzverkauf 210 Rt als Tilgung und Zins für die Pfarrkirche und sonstige Schulden in Höhe von 150 Rt zu erlösen sowie die aus dem letzten Krieg, vermutlich dem spanischen Erbfolgekrieg, stammenden Rückstände abzuzahlen.138 Wenngleich darüber hinaus nur noch für Rapperath die Verbindung zum kommunalen Schuldenabbau ausdrücklich belegt ist, liegt hierin das generelle Motiv für den kommunalen Holzverkauf. Denn die Ursachen für die Verbindlichkeiten - seien es Mißernten, außergewöhnliche Kosten, wie sie aus der Landvermessung oder Kriegen auf die Gemeinden zukamen, oder Bauvorhaben, für die das Geld fehlte, - unterschieden sich von Ort zu Ort kaum nennenswert.139 Hat somit der erste systematische Weg, sich dem Holzverkauf der Gemeinden zu nähern, bereits interessante Details aus dem kommunalen Innenleben zutage gefördert, verweist der zweite systematische Weg wieder stärker auf die landesherrliche Finanzverwaltung selbst. In den Forstkassenrechnungen verzeichnet eine Rubrik die anteiligen Einnahmen aus den Holzverkäufen aus Gemeinde·, Privat- und Klosterwäldern (Fig. 17). Die Werte tendieren in der ersten Dekade recht verhalten.140 In der zweiten 138 Vgl. dazu auch für Wittlich: Klaus PETRY, Kriege, Steuern, Kontributionen. Ein Beitrag zur Wirtschaftsgeschichte der kurtrierischen Nebenstadt Wittlich um 1700, in: Kreis Bernkastel-Wittlich Jb 1987, S. 226-231; Elisabeth BECKER-NEUERBURG; Klaus PETRY, Kriegsfolgekosten der Stadt Wittlich an Frankreich (1688-1714), in: Kreis Bemkastel-Wittlich Jb

1 9 8 7 , S. 2 3 2 - 2 3 4 . 139

Selbst in anderen Regionen ähneln sich die Ursachen; vgl. für Wied-Neuwied TROSSBACH, Schatten der Aufklärung, S. 56. 140 Anfangs mögen auch nicht alle Zahlungen buchhalterisch eindeutig dem Forstwesen zugeordnet worden sein.

151

II. Der Holzproduktionswald

Fig. 17: Anteilige Gelderlöse der Landesherren aus dem Holzverkauf aus Gemeinde-, Privat- und Klosterwäldern im Obererzstift Trier 1759-1792

I-6ZI. — ρ — ψ Μ 68ZI· Z8ZL

S8ZL

mm C8ZL I8ZI 6 III _ω LLL\

v> sz υ 'ω CC ω Cfl ϊ2 να •Ό Φ CD

sll\ ZLLi \LL\ 69 L i

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CM

152

D. Praxis der Waldentwicklung

Dekade verstetigen sich die Einnahmen der landesherrlichen Kasse aus dem 10./30. Pfennig. Unverkennbar steigen sie in der dritten Dekade ab 1780 stark an. Absolut gesehen handelte es sich um vergleichsweise marginale Einnahmen für die Forstkasse; schon allein ein nicht eben außerordentlich spektakulärer Verkauf von gut 400 Klaftern aus dem Kammerwald im Forstrevier Kell trug 1770 der Forstkasse 100 Rt mehr ein als die Gesamterlöse dieses Jahres aus der Abgabe der Gemeinden, Privatwaldbesitzer und Klöster. Das spielt aber keine herausragende Rolle. Denn diese Angaben bilden ja nur 3-10% der Erlöse der drei Anbieter im Obererzstift ab. So muß man in etwa ein Gesamtvolumen nicht-landesherrlicher Holzverkäufe annehmen von: 5000-15000 Rt (1771), 6800-20 000 Rt (1781), 13 000-40 000 Rt (1791). Von diesen Geldwerten kann man grob folgende Holzmengen annehmen: 13000-40000 rm (1771), 18000-53000 rm (1781), 34000-106000 rm (1791). 141 Offenbar liegt diese Annahme noch unter den tatsächlichen Mengen. Kammerrat Lippe schätzte, in den 1780er Jahren liefere der Gemeide- und Privatwald jährlich 350000 rm Holz. Er bezog sich dabei allerdings auf das gesamte Erzstift. Oberforstmeister von Trott bezifferte den Wert auf 60000 rm. 142 Bevor die Forstkasse ab 1758 die gemeindlichen Holzzehnten (10./30. Pfennig) sorgfältig listete, wurden sie in den Kellnereien verbucht: In Daun (1706, 1715, 1720, 1750, 1756), in Schönberg (1616, 1710) und in Schönecken (1725-29, 1750, 1755) konnten sie nachgewiesen werden. 143 Die anteiligen landesherrlichen Einnahmen weisen damit exzellent nach: Gemeinden, Privatleute und Klöster waren im 18. Jahrhundert regelmäßig auf dem Holzmarkt zugegen und vermochten dort ihre Umsätze ganz erheblich zu steigern. Das geht zu einem Teil auf die Holzteuerung zurück, die das Einnahmevolumen aufblähte, ohne daß mehr Holz umgesetzt worden wäre. Zum anderen Teil dürfte sich dahinter aber auch eine Mengenzunahme versteckt halten, der leider nicht weiter auf die Spur zu kommen ist. Gleichwohl steht auch fest: Auf keinen Fall lag die Holzproduktion für kommerzielle Zwecke in den Gemeinde-, Privat- und Klosterwäldern im Obererzstift im Gesamtvolumen deutlich unter dem der Kammerwälder. Diese Befunde, die sich nunmehr auf Einzelbelege, Genehmigungspraxis und Abgabenübersicht stützen, können noch weiter erhärtet werden. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts erstellte das Forstamt eine Übersicht, die auflistet, aus welchen Wäldern - landesherrlichen und kommunalen - die in- und ausländischen Eisenwerke ihr Kohlholz bezogen (Tab. 19). 144 Obwohl sie keine 141 Errechnet aus dem Durchschnittspreis für Klafterholz 1759-1792 von 2,65 rm/Rt (vgl. oben). 1« LHAK 1 C 8056, fol. 380-382. 143 Quellenangabe vgl. Tab. 29: Forst- und Gesamteinnahmen kurtrierischer Kellnereien (Bernkastel, Grimburg, Daun, Schönecken und Schönberg) vor 1759. 144 BRAUN, Eisenhüttenwesen, S. 98, Anm. 227 zieht diese Quelle ebenfalls heran, um gemeindliche Kohlholzlieferungen nachzuweisen.

153

II. Der Holzproduktionswald Tab. 19: Eisenwerke gegen Ende des 18.

und Kohlholzbezug Jahrhunderts

aus landesherrlichen

und gemeindlichen

Wäldern

Eisenwerk

Forstrevier/Gemeindewald

Name

Kurtrier: Mariahütte (Nonnweiler), Hubertihiitte (Bierfeld)

Forstreviere Gemeindewälder im Amt Grimburg

Hermeskeil, Kell Weiskirchen, Hermeskeil, Nonnweiler, Bierfeld, Gusenburg, Wadrill, Sauscheid, Kell, Reinsfeld

Lothringen, Dagstuhl Münchweiler Hütte

Forstreviere Gemeindewälder in den Ämtern Grimburg, Saarburg und Merzig Dagstuhl

Kell, Britten, Merzig Weiskirchen, Zerf

Quint

Forstreviere Gemeindewälder der Ämter Pfalzel und Grimburg Gemeindewälder in Luxemburg

Kell oder Bescheid, Ehrang Pfalzel, Ehrang, Föhren, Naurath, Kordel, Kell, Reinsfeld, Hermeskeil, Zerf [?] Zemmer, Schleidweiler, Dodenburg, Heckenmünster

Weitersbacher Hütte und Weiperather oder Rapperather Hütte

Forstreviere

Merscheid, Monzelfeld, Wenigerath, Riedenburg Hottenbach

Gemeindewälder im Amt Schmidtburg Salm, Rheingrafen, Baden, Zweibrücken

Ausland: Abentheuer und Züscher Hütte

„können aus den nemlichen Waldungen, die hiervon genannt sind, Kohlen beziehen" [= die oben genannten?]

Eichelhütte (Mahlberg) und Wenzelhauser Hütte (Luxemburg)

Forstreviere Gemeinde- und Klosterwälder im Amt Kyllburg

Manderscheid, Mürlenbach Meisburg, Abtei Himmerod

Jünkerather und Mühlenboraer Hütte Ahr- und Stahlhütte, Steinfelder Hütte und Eisenwerke im Schleidener Tal

Forstreviere

Roth, Mürlenbach, Manderscheid, Kelberg

„aus gesambter Eifeler Gemeindswaldungen" (ausdrücklich genannt sind Gemeinden der Ämter Manderscheid, Prüm)

„hauptsächlich aber aus:" Buchholz und vielen Waldungen von Privaten und dem Kloster St. Thomas/ Kyll sowie aus dem Fünfgemeindewald; Gemeindewälder: Birresborn, Wallersheim, Mürlenbach, Büdesheim, Niederlascheid, Schwirzheim, Langenfeld, Olzheim, Hontheim, Neurendorf (Gfsch. Gerolstein), Stadtfeld (Nieder/Ober), Lasel, Seiwerath, Burbach, Kloster Springiersbacher Waldung bei Steiningen (Amt Daun)

Quelle: LHAK 1 C 8060, unfoliert. Einzelne Gemeindenamen konnten nicht identifiziert werden.

154

D. Praxis der Waldentwicklung

Mengen angibt, ist sie im Rahmen der hier behandelten Frage sehr wertvoll. Denn sie zeigt den gemeindlichen Holzverkauf aus der Perspektive der Abnehmer. So konnten sich die Mariahütte in Nonnweiler und die Hubertihütte in Bierfeld bei der Brennstoffversorgung auf die Gemeindewälder im Amt Grimburg verlassen; daneben bezogen sie Holzkohlen aus den benachbarten lothringischen und dagstühlischen Waldungen. Für die Münchweiler Hütte war zudem das Weiskircher und Zerfer Gemeindekohlholz interessant. Die Quinter Hütte erstreckte ihren Versorgungsbereich über verschiedene Kommunalwälder in den Ämtern Grimburg und Pfalzel beiderseits der Mosel sowie nahegelegene Gemeinde wälder auf luxemburgischem Territorium. Weitersbacher und Weiperather Hütte schließlich suchten sich ihr Kohlholz in Hottenbach und oftmals im benachbarten Ausland. Die dort gelegene Abentheuer Hütte hatte offenbar ein ähnlich ausgedehntes Netz von Lieferanten. Die Wälder von Meisburg und die der Abtei Himmerod beschickten die Eichelhütte in der Herrschaft Mahlberg sowie die luxemburgische Wenzelhauser Hütte. Wie stark die Nachfrage der Nordeifeler Hütten in kurtrierischen Wäldern war, konnte bereits eindrucksvoll aus der Betrachtung der Versteigerungspraxis ersehen werden. Jünkerather, Ahr- und Stahlhütte sowie die Eisenwerke im Schleidener Tal erhielten „aus gesambte[n] Eifeler Gmeindswaldungen" Kohlholz.145 Neben den Gemeinden in den Ämtern Prüm und Manderscheid listet sie auch Kloster- und Privatwaldungen auf. Diese Quelle verfeinert die Kenntnisse über das Engagement der Gemeinden und sonstigen Waldbesitzer bei der Belieferung der Eisenwerke mit Kohlholz nochmals. Der Einflußbereich der Eisenwerke, so kann resümierend festgestellt werden, orientierte sich offenbar wenig an den Eigentumsverhältnissen der Wälder. Ausschlaggebend war, wie weit die Wälder von den Hütten entfernt waren. Der Rest war eine Frage des Geldes. Es ist vor dem Hintergrund abnehmender Mengenerträge in den Kammerwäldern während und nach der 2. Hälfte der 1780er Jahre denkbar, daß die übrigen Waldbesitzer mit Holzangeboten zur Stelle waren und diese Lücke zu schließen versuchten; dies kann aber nur vermutet werden. 146 Wenig verwunderlich ist, daß die genannten Gemeinden vornehmlich in der Nähe der Kammerwälder lagen, welche die Eisenwerke versorgten: in der gesamten Eifel, vor allem in den nördlichen Ämtern und in den Hochwaldämtern Grimburg und Pfalzel. Doch die Interessen der Gemeinden lassen sich noch weiter präzisieren. Ein wiederum seltenes Dokument zeigt, welche Verdienstmöglichkeiten sich Gemeinden auch außerhalb des Verkaufs eigenen Holzes eröffneten. 147 Die Ein145

LHAK 1 C 8060, unfoliert. In eine ähnliche Richtung lassen sich die Andeutungen von MICHEL, Forst und Jagd, S. 91, verstehen. 147 LHAK 33 7510, fol. 3-14. 146

II. Der Holzproduktionswald

155

wohner der hintersponheimischen Gemeinde Allenbach erstanden 1778 Holz aus dem Kammerwald. Sie klafterten es auf und verkohlten es. Die Holzkohle verkauften sie anschließend an Hüttenmeister Stumm und lieferten sie an seine Werke in Asbach und Sensweiler. Von den rund 5400 Gulden, die Stumm dafür zahlte, leitete die Gemeinde 1200 Gulden für den Holzkauf an die Landesherren weiter. An Gemeindeleute gingen 800 Gulden Hauerlohn, 650 Gulden erhielten die Köhler, 1400 Gulden die Fuhrleute, 50 Gulden fielen für Abmessung und Auslagen an. Nach Abzug der Kosten blieben für die Gemeinde aus dem Geschäft 1300 Gulden Überschuß. Das entspricht knapp 25% vom Umsatz - und damit der Rentabilitätskennziffer, mit welcher das Forstamt im Kammerwald rechnen konnte.148 Der verbleibende Überschuß diente zur Hälfte dazu, die Gemeindeschulden abzutragen, die unter anderem bei Stumm und dem Amtskellner aufgelaufen waren. Den Rest verwahrte das Gericht für die Gemeinde auf. 149 Nicht nur der Holzverkauf, sondern auch der Holzhandel war also „integraler Bestandteil" der bäuerlichen Wirtschaft. 150 Die Analyse des nicht-landesherrlichen Zweigs der Holzproduktion beweist: Kunden und Interessen der Waldbesitzer Landesherr und Gemeinde waren identisch. Eine Dichotomie zwischen Landesherren und Gemeinden anzunehmen ist also schon aus diesem Grund falsch. Vielmehr kommt durch einen unvoreingenommenen, präzisen Blick ein Geflecht von Interessen zum Vorschein: Die Gemeinden waren ebenso wie die Landesherren an der Belieferung der Eisenwerke mit Kohlholz finanziell interessiert, sei es durch den Holzverkauf oder -handel, sei es durch die sich dadurch eröffnenden vielfältigen Verdienstmöglichkeiten. Den Landesherren war in diesem Zuge gedient, weil sie ihr Holz verkauften und die Gemeinden so ihre Schulden abbauen konnten. Der Amtskellner erhielt so verliehenes Kapital samt Zinsen zurück. Auch die Eisen Werksbesitzer profitierten: Man lieferte ihnen Holzkohle aus nahegelegenen Wäldern zu ihren Produktionsstätten, die Kaufkraft der Gemeinden stieg, was auch den Absatz der eigenen Produkte beförderte. Schließlich stundeten die Gemeinden so ihre Kredite. Neudeutsch gesprochen heißt das, der gemeindliche Holzverkauf- und -handel trug Züge eines forstlichen win-win-Geschäftes: Alle Beteiligten profitierten, nur der Wald nicht.

148 Diese Relation lag bei Verkäufen und Lieferungen von Holz aus eigenen Wäldern noch bedeutend günstiger. 149 Für 20 Gulden kauften die Allenbacher auch einen neuen Ofen für die Schule - bei der Asbacher Hütte. 150 TROSSBACH, Schatten der Aufklärung, S. 53 (Zitat), S. 97, 198-200. 1760 erstand die Gemeinde Hinzerath Holz im Idarwald und verkaufte es in den Moseldörfern weiter; Heinrich STURM, Der Idar-Kameralwald und die 5 Gemeinden, in: Kreis Bemkastel-Wittlich Jb

1993,

S. 1 9 2 - 2 0 2 , 199.

156

D. Praxis der Waldentwicklung

III. Der Landwirtschaftswald Der Holzproduktionswald war also auf vielfältige Weise in die landesherrliche und gemeindliche Wirtschaft eingebunden. Davon ausgehend lohnt sich der Blick auf den Landwirtschaftswald. Bernward Seiter hat mustergültig gezeigt, wie eng und lange Zeit unauflösbar land- und forstwirtschaftliche Nutzung in vorindustrieller Zeit zusammenhingen. 1 5 1 Die zwei wesentlichen Bereiche, in denen die agrarische Produktion auf den Wald angewiesen war und sich infolgedessen dort auswirkte, sollen im folgenden dargestellt werden: 1 5 2 Waldfeldbau und Viehzucht.

1. Waldfeldbau, Düngersurrogate

und die Degradierung

der Böden

Die integrale Verflechtung innerhalb des „landwirtschaftlichen Biotops" 1 5 3 wird, wie in Selters Untersuchungsgebiet, dem Sauerland, auch bei zwei in Hunsrück und Eifel weit verbreiteten Formen des Waldfeldbaus sehr anschaulich. Wald- und Ackerbau wechselten dabei auf demselben Grund ab. Der Waldfeldbau konnte Holzproduktion und Landwirtschaft mit unterschiedlichem Schwerpunkt flexibel kombinieren. Zusammenfassend sind diese Flächen als Wildland zu bezeichnen. 1 5 4 Seiter sieht darin zutreffend insgesamt die 151 SELTER, Waldnutzung und ländliche Gesellschaft, insbesondere S. 118-200; DERS., Die Ausübung der Waldstreunutzung im Sauerland in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, in: Westfälische Forschungen 40 (1990), S. 369-386. 152 Nur Christian PFISTER, Klimageschichte der Schweiz 1525- 1860, 2 Bde., Bern 1984, entgeht dieser agro-forstliche Zusammenhang nicht. Im Gegensatz dazu steht die generelle Perspektive in der Agrargeschichte: Walter ACHILLES, Landwirtschaft in der Frühen Neuzeit, München 1991; DERS., Umwelt und Landwirtschaft in vorindustrieller Zeit, in: HERRMANN, Umwelt in der Geschichte, S. 77-88; Friedrich-Wilhelm HENNING, Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 1, Deutsche Wirtschafts- und Sozialgeschichte im Mittelalter und in der frühen Neuzeit, Paderborn 1991; DERS., Landwirtschaft und ländliche Gesellschaft, Bd. 1: 800-1750, Bd. 2: 1750-1976, Paderborn 1978-1979; Wilhelm ABEL, Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Europa. Versuch einer Synopsis, Hamburg, Berlin 1974; DERS., Landwirtschaft-, DERS., Agrarkrisen und Agrarkonjunktur, Volker HENN, Zur Lage der rheinischen Landwirtschaft im 16. bis 18. Jahrhundert, in: ZAA 21 (1973), S. 173-188. Herausragende weitere Ausnahme von dieser Regel: Rainer BECK, Naturale Ökonomie. Unterfinning: bäuerliche Wirtschaft in einem oberbayerischen Dorf des frühen 18. Jahrhunderts, München 1986. 153

154

SIEFERLE, Wald,

S. 67.

Grundlegend: Johann Nepomuk SCHWERZ, Beiträge zur Kenntniß der Landwirthschaft in der Gebirgsgegend des Hunsrücken, in: Möglinsche Annalen der Landwirthschaft 27 (1831), S. 1-62. Ausführlich SCHWIND, Wald der Vulkaneifel, S. 73-81; LAMPRECHT, Wirtschaftsleben, I, 1, S. 459-531; Josef SCHMITHÜSEN, Der Niederwald des linksrheinischen Schiefergebirges. Ein Beitrag zur Geographie der rheinischen Kulturlandschaft, Bonn 1934, S. 25-40; Irmund WENZEL, Ödlandentstehung und Wiederaufforstung in der Zentraleifel, Bonn 1962, S. 23-28, mit Bedeutung der Schafzucht; Johannes RIEDER, Die Schiffelkultur in der Eifel und ihr Rückgang unter dem Einfluß der neuzeitlichen Entwicklung. Ein Beitrag

III. Der Landwirtschaftswald

157

„Assimilierung des Waldes an den Feldbau". 155 Man unterscheidet die Rottund die Schiffelwirtschaft: Die Rottwirtschaft war eine Brennkultur, bei der in bestimmten Zeitabständen Waldareale abgeholzt und Teile des Holzes auf der Schlagfläche verbrannt wurden. Auf dem mit der Holzasche gedüngten Boden baute man anschließend ein bis zwei Jahre lang Getreide an, bevor dort in den nächsten 15-20 Jahren erneut Holz wachsen konnte. Ursprünglich hatte auf den Rottwirtschaftsländereien Hochwald gestockt. Die nach der Fällung stehengebliebenen Stöcke der Stämme schlugen später immer wieder aus. Deshalb war die Rottwirtschaft auch eine Form der Niederwald- oder Haubergswirtschaft. Die verwandte Schiffelwirtschaft war ebenso eine extensive Nutzungsform. Sie fand nicht wie die Rottwirtschaft in Niederwaldgebieten, sondern auf Ödlandflächen statt, die mit Rasen, Heide oder Ginster bewachsen waren. Nach Branddüngung und langjähriger Brache erlaubten auch diese Flächen nur einen vorübergehenden Getreideanbau. Bis zu diesem Zeitpunkt weidete dort das Vieh. Zwischen dauerhaftem Ackerland, Rott- oder Schiffelarealen und nicht genutzten Heideflächen präzise zu unterscheiden fiel schon den ortsunkundigen Zeitgenossen nicht immer leicht. Die französischen Militärkartographen vergaben um 1800 dafür zwar verschiedene Symbole und Farben. Sie dürften aber Schiffelland, auf dem gerade Getreide wuchs, des öfteren als Ackerland vermerkt haben. Ebensowenig war klar, ob eine Heidefläche nicht bald geschiffelt werden sollte. 156 Wirtschaftlich bedeutsam war der Waldfeldbau nicht nur wegen der Nahrungs- und Holzerzeugung. Es lieferte auch Futter- und Streulaub sowie Bindeund Dachstroh. Der Ginster, der auf Rottfeldern etwa zwei Fünftel des Getreidewertes ausmachte, war zwar wegen seiner geringen Saugkraft als Streu nicht besonders wertvoll, doch war er in Gegenden mit hoher Viehdichte und gerinzur Wirtschaftsgeschichte der Eifel, in: Schmollers Jb für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft im Deutschen Reiche 46 (1922), H. 2, S. 163-209; Karlheinz PAFFEN, Heidevegetation und Ödlandwirtschaft in der Eifel, Bonn 1940; GILDEMEISTER, Wald, S. 20; Bernhard SCHEMANN, Die Wüstungen des vorderen Hunsrücks, Diss, nw.-math. masch. Köln 1968, S. 95F.; ZSCHOCKE, Kulturlandschaft,

S. 2 0 - 2 5 ; ANTONI, Agrargeschichte

Kurtrier,

S. 11-13; WINDHORST, Wald- und Forstwirtschaft, S. 80-82, mit geographischer Systematik; SCHENK, Waldnutzung, Waldzustand und regionale Entwicklung, S. 117-184, zu den ,Wildfeldern' ab dem 18. Jahrhundert; Karl ABETZ, Bäuerliche Waldwirtschaft. Dargestellt an den Verhältnissen in Baden, Hamburg, Berlin 1955; Deila HOOKE, Woodland in the Peasant Economy of England, in: BRANDL, Kleinprivatwaldwirtschaft, S. 202-212; Elisabeth JOHANN, Die Bewirtschaftung des gemeinschaftlichen bäuerlichen Waldbesitzes in Niederösterreich vom 14. bis ins 19. Jahrhundert, in: BRANDL, Kleinprivatwaldwirtschaft, S. 213-223; Rudolf KIESS, Peasant Forestry or the importance of wood for a village as illustrated by a small average village in South-West Germany, in: BRANDL, Kleinprivatwaldwirtschaft, S. 146-148. 155 SELTER, Waldnutzung und ländliche Gesellschaft, S. 119. 156 SCHWIND, Wald der Vulkaneifel, S. 155; ANTONI, Agrargeschichte Kurtrier, S. 52. Vgl. auch Peter EFFERTZ, Die Kartenaufnahme der Rheinlande durch Tranchot im Spannungsfeld zwischen wissenschaftlichen und politischen Interessen, in: RhVjbll 54 (1990), S. 211-239.

158

D. Praxis der Waldentwicklung

ger Ackerfläche nicht zu entbehren. Denn dort reichte das erzeugte Stroh, das bisweilen auch verfüttert werden mußte, nicht aus, um den Streubedarf zu dekken. Andere Ersatzmittel waren nicht vorhanden. Wertvoll war der Ginster auch für Besen und zur Milderung der bodenschädigenden Einflüsse der Rottwirtschaft, weil er dem Boden Stickstoff zuführte. 157 Rott- und Schiffelwirtschaft waren charakteristisch für die weniger ertragreichen, extensiv genutzten Außenfelder der Gemarkungen. Infolge der Nähe zum Wald war die Wildschadensgefahr - etwa für den Kartoffelanbau - dort allerdings bedeutend höher, was stellenweise auch dazu führte, daß diese Ländereien aufgegeben wurden. Eine Ringbildung um die Dörfer nach dem Muster der Thünenschen Kreise weist etwa Wilhelm Müller-Wille am Beispiel Schwollens im Hochwald nach. Auch im Umfeld abgelegener Eisenhütten waren die extensiven Bewirtschaftungsarten verbreitet, entsprachen sie doch genau dem Bedarf: Sie lieferten Kohlholz und konnten anschließend von den Unternehmern und Arbeitern landwirtschaftlich genutzt werden. 158 Neben der wechselnden Nutzung zwischen Wald und Feld entnahm man diesen, aber auch den Wäldern, Düngersurrogate. Die Ersatzstoffe sollten dazu beitragen, die auf den reinen Ackerflächen herrschende Düngerlücke zu schließen oder zumindest zu überbrücken. So transportierten die Bauern etwa die dort gebrannte Asche mitunter auch von diesen ohnehin nährstoffärmeren Böden auf die ertragreicheren. Es kam mit dem ,Heidhacken' und dem ,Plaggenhieb' auch zu stärkeren Eingriffen, etwa wenn sie von den Wildländern die oberste Wuchs- oder Bodenschicht abtrugen, um damit die Dauerfelder zu düngen. 159 Diese Nutzung griff auch in die Wälder aus, denn dort war die oberste Bodenschicht durch die Laubauflage humusreicher. Außerdem streiften Viehhalter Blätter als Futterlaub von den Ästen oder kehrten es auf dem Boden zusammen. Das Laub ersetzte in den Ställen die fehlende Einstreu. Die Brandwirtschaft hielt sich fast ausschließlich auf leicht geneigten Hängen, nicht dagegen auf ebenen Flächen. Weil der Boden durch das Brennen auslaugte, entstand eine tiefgründig verarmte Bodendecke, auf der nur noch Ginster wuchs. Auf steilen Hängen wirkten Erosion und Verwitterung der Bodenverarmung etwas entgegen, weil die ausgelaugte Oberschicht immer wieder abgeschwemmt und der Bodenbestand durch die fortschreitende Gesteinszersetzung im Wurzelbereich der Bestockung dauernd ergänzt wurde. 157

158

SCHMITHÜSEN, Niederwald,

S. 38 f.

Ebd., S. 36; Wilhelm MÜLLER-WILLE, Die Ackerfluren im Landesteil Birkenfeld und ihre Wandlungen seit dem 17. und 18. Jahrhundert, Bonn 1936, S. 58-64, 102; BRAUN, Eisenhüttenwesen, S. 120; Julius HUSSONG, Die Niederwaldwirtschaft des Hochwaldes und ihre Stellung in den bäuerlichen Wirtschaften des 18. Jahrhunderts, in; Jahrbuch Verein fiir Heimatkunde im Kreise Merzig 11 (1979), S. 30-41; SELTER, Waldnutzung und ländliche Gesellschaft, S. 130. 139 Ebd., S. 135-169; Volker HENN, Die soziale und wirtschaftliche Lage der rheinischen Bauern im Zeitalter des Absolutismus, in: RhVjbll 42 (1978), S. 240-257, 252.

III. Der Landwirtschaftswald

159

Im Laufe der Zeit laugte die Rottwirtschaft den Boden trotz der Branddüngung aus. Außerdem beschädigte das Brennen und Beweiden die Stöcke. Die daher stetig sinkende Ausschlagfähigkeit führte oft zu einer immer lichteren Bestockung, so daß die Rottwälder später nur noch aus vereinzelten Hecken bestanden und schließlich ganz in offene Heide übergingen. Wurde diesen Flächen auch noch zusätzlich Dünger entzogen, degradierten die Böden zusehends. 160 Dies ist der generelle Trend. Aber es gibt auch Abweichungen. Für den Kondelwald konnten Erich Bauer und Heinz Streletzki in einer historisch-geologischen Spezialuntersuchung nachweisen: Bisweilen wirkte sich die Brandwirtschaft sogar gegenteilig aus. „Im Gegensatz zur landläufigen Meinung hat also im Kendel die verhältnismäßig pflegliche Form der Röderwirtschaft [Rottwirtschaft, C.E.] auf den gut basenversorgten Standorten durch das tiefere Einarbeiten des Humus, die damit in engem Zusammenhang stehende Nährstoffanreicherung und durch die größere Lockerheit im Oberboden unzweifelhaft zu einer gewissen Bodenverbesserung geführt. Auf den etwas basenärmeren Standorten konnte im Rahmen dieser Untersuchung noch kein negativer Einfluß der Röderwirtschaft auf den Bodenzustand festgestellt werden."161

Die Wirkung der Rottwirtschaft hing also nicht nur davon ab, wie intensiv man sie betrieb, sondern auch von unbeeinflußbaren Faktoren wie den geologischen Ausgangsbedingungen, die in der Wittlicher Senke in dieser Hinsicht besser waren. Welche Anteile nahmen die Wildland-Flächen innerhalb der Gemarkungen ein? Für Kurtrier sind in den 1720er Jahren einzelne Dörfer nachgewiesen, die ausschließlich Brandwirtschaft betrieben. Vor allem in Weinbaugegenden, also im Bereich der steilen Ufersäume der Mosel, wo nicht gepflügt werden kann, waren sie verbreitet.162 Im Bitburger Land in der Eifel nahmen 1766 die Akkerflächen 30-70% der Gemarkung ein, 10-30% kamen dem Wildland zu. 163 Im Kröver Reich bewegten sich die agrarischen Verhältnisse 1737 in ähnlicher 160 SCHMITHÜSEN, Niederwald, S. 32 (mit einer kleinräumigeren Untergliederung, je nach naturräumlicher Ausstattung). Vgl. auch Hans-Rudolf BORK, Bodenerosion und Umwelt. Verlauf, Ursachen und Folgen der mittelalterlichen und neuzeitlichen Bodenerosion, Bodenerosionsprozesse und Simulationen, Braunschweig 1988; Gerhard HARD, Exzessive Bodenerosion um und nach 1800. Zusammenfassender Bericht über ein südwestdeutsches Testgebiet, in: Gerold RICHTER (Hg.), Bodenerosion, Darmstadt 1976, S. 195-239. 161

BAUER; STRELETZKI, K o n d e l w a l d , S. 2 0 2 .

162 ANTONI, Agrargeschichte Kurtrier, S. 11-13. Zur örtlichen Verteilung der Landwirtschaft im einzelnen S. 13-38, zu den Wildlandnutzungssystemen S. 39-50. Weitere Beispiele bei Rudolf HENNEWIG, Die Landwirtschaft der Eifel im 18. Jahrhundert, landwirtschaftliche Diss. Bonn-Poppelsdorf, Mayen 1927, S. 71, und Hubert SPAETGENS, Die Landmaßbücher aus den Jahren 1718-1720 als Spiegelbild der Agrarverfassung, der jeweiligen Gemarkungsstruktur und der wirtschaftlich-sozialen Lage der Bevölkerung in den Landgemeinden des Kurstaates Trier, dargestellt am Beispiel der Gemeinde Irsch des Amtes Saarburg, in: LVBll 11 (1965), S. 12-26. 163 PETERS, Agrarverfassung,

S. 9 7 - 9 9 .

160

D. Praxis der Waldentwicklung

Bandbreite: Das Wildland bedeckte durchschnittlich 15% der Gemarkung, die Ackerflächen 38%. Die andere Hälfte teilte sich in Wiesen (33%) und Weinberge (14%) auf. 164 In Dienstweiler im Amt Birkenfeld der Hinteren Grafschaft Sponheim nahmen 1739 Acker- und Wiesenland 63% ein, das Wildland kam auf nur 4%, dafür konnte hier auch einmal der Waldanteil (27%) an der Gemarkungsfläche festgestellt werden. In Mörschied im Amt Herrstein nahmen Acker- und Wiesenland um 1775 etwa ein Viertel der Gemarkungsfläche ein, Wildland 59% und Wald 11%.165 Bis auf die letzten beiden fußen diese Flächenerhebungen allesamt auf Landvermessungen aus steuerlichen Gründen. Damit wird zugleich verdeutlicht, daß die Landesherren aus der Nutzung der Wildländer einen Steuerertrag erwarten konnten. 166 Auch wenn diese Erträge gegenüber dem Aufkommen der anderen Flächen zurückstanden, ist es doch wichtig, sich dieses landesherrliche Interesse zu vergegenwärtigen, zumal es sich hier um Einnahmen handelt, die zwar mit dem Wald in der beschriebenen Weise zusammenhingen, aber nicht in den Forstkassenrechnungen verbucht wurden. 2. Viehzucht - auch eine Angelegenheit der Hofkammer Der Wald hing also über die Wildlandbetriebssysteme und die Versorgung mit Düngersurrogaten mit der Landwirtschaft zusammen. Der zweite große Bereich der Landwirtschaft war ebenso eng mit dem Wald gekoppelt: die Viehzucht. Bei der Viehzucht waren die Viehhalter auf den Wald als Weide angewiesen. Dort ernährten sich die Schweine und weideten Ziegen, Schafe, Rinder und Ochsen, mitunter auch Pferde. Im Gegensatz zu den Steuern tauchen die Einnahmen aus der Waldweide in den Forstkassenrechnungen auf. 167 So lassen sich ihre Größenordnungen hier erfassen. Eine landwirtschaftliche Einnahme der Waldwirtschaft entstammte der Schweinemast. In Jahren, in denen Eichen und Buchen Früchte trugen, den Mastjahren, trieb man die Schweine zur Mast in den Wald. Wer daran teilhatte, mußte eine Gebühr entrichten. Für ein Schwein waren 1768 1,5 Albus zu bezahlen. Da bei Eichen und Buchen auf den betroffenen Standorten Mastjahre nur in unregelmäßigen Abständen eintraten, waren die daraus stammenden Einnahmen unstetig. Wie die Werte schwankten, zeigt Fig. 18. Zwar verbuchten die Forstbeamten ab 1768, sieht man von der Quellenlücke 1769 ab, regelmäßig Mastgelder; deren Höhe richtete sich aber jeweils danach, ob es ein Jahr 164 SCHAAF, Kröver Reich, S. 70. Die grundsätzlich weite Verbreitung von Rott- und Schiffelländern in dem ehemals zum Teil hintersponheimischen Gebiet des späteren Fürstentums

Birkenfeld kartiert MÜLLER-WILLE, Ackerfluren, 165

S. 5 8 - 6 3 .

Ebd., S. 14f. 166 Aus diesem Grund wurde Gemeindewald auch nur selten vermessen. 167 Von 1785-1791 führen die Forstkassenrechnungen auch die Rubrik .Kehrlaub'; sie weist jedoch keine Erträge aus.

161

III. Der Landwirtschaftswald

Fig. 18: Gelderträge aus Ziegenweide und Schweinemast in den Forstrevieren des Obererzstifts Trier 1759-1792

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174

D. Praxis der Waldentwicklung

schössen die Revierjäger offenbar recht wenig Hochwild in den obererzstiftischen Revieren. 1783 waren darunter neun Hirsche, 34 Rehböcke und neun Sauen, alles keine hohen Ziffern. Das deutet auf eine klare Funktionsteilung zwischen Ober- und Niedererzstift hin: hier eher Holzproduktion, dort eher Jagd. Auf diese Funktionsteilung verweisen auch die Nachweise über Lieferungen an den Hof, die dritte Quellengattung (Tab. 25). Im Niedererzstift schössen die Revierjäger demzufolge im gleichen Jahr deutlich mehr Hirsche, Alttiere und Wildschweine. Die mittelrheinischen Reviere übernahmen also die Hoflieferungen vorrangig, was sich durch ihre günstigere Lage auch anbot. Zum anderen hat sicher auch die jagdpolitische Wende nach 1768 eine Rolle gespielt, und zwar sowohl im Ober- wie auch im Niedererzstift. Denn sie wirkte sich zunächst indirekt mindernd auf den Wildbestand aus, weil für die Hofjagden nicht mehr so viele Tiere gehegt werden mußten. Aber auch direkt erging in der Mitte der 1780er Jahre der Befehl, in den Montabaurer Waldungen das dortige Rotwild wegen der zunehmenden bäuerlichen Wildschadensklagen vollständig zu erlegen. Noch 1756, sogleich nach dem Regierungsantritt Johann Philipps, hatte ein kurfürstlicher Erlaß besagt, das Schwarzwild streng zu hegen und es nur da, wo die Nachbarn ein Hegegebot nicht beachteten, an den Grenzen abzuschießen.192 1788 protokollierte daher die Hofkammer nach diesem konkreten Niederschlag der jagdpolitischen Wende, daß das Schwarzwild „fast gänzlich waidmannswidrig zur Unzeit zusammengeschossen, so daß es bei dermalen wegen der Klage der Hofküche über Mangel an Wildpret gnädigst befohlenen Schonungen schwer fallen sollte, die Wildbahn zu höchsten Hofnotdurft einigermaßen wieder herzustellen."'^

Aus gleichem Grund traf es zur selben Zeit auch das Schwarzwild im Forstrevier Montabaur. 1785 gab es dort noch eine Sau und zwei Frischlinge, vier Jahre später berichteten die 23 Revieijäger des Niedererzstifts, daß das Schwarzwild „ausgerottet" sei. 194 Gleichwohl waren bereits 1788 die Forstreviere Montabaur, Welschneudorf, Arzbach und Nentershausen wieder zu „Leib- und Kuchelgehege" bestimmt worden, um den Hof zu beliefern. 195

192

Ebd., S. 207. Zitat nach ebd., S. 207. 194 Angabe und Zitat nach ebd., S. 207. 19 5 Ebd., S. 208. 193

IV. Der Jagdwald

3. Erträge und

175

Aufwendungen

Die Gelderträge der Jagd stammten hauptsächlich aus dem Verkauf von geschossenem Wild, gefangenen Fischen und Vögeln an die Bevölkerung.196 Die Verkaufserlöse beliefen sich jährlich auf durchschnittlich 854 Rt. Sie steigerten sich nach der jagdpolitischen Wende mit dem Regierungsantritt von Clemens Wenzeslaus 1768 und nochmals 1784, als die Hofkammer größeren Einfluß auf das Jagdwesen gewann. Dies weist auf erhöhte Wildabschüsse im letzten Drittel des Jahrhunderts hin. Außerdem konnten die Buchhalter ab 1770 erstmalig Gelder aus der Verpachtung von Jagdrevieren verzeichnen. Auch hierin drückt sich die neue jagdpolitische Leitlinie aus. Doch dies war nur die eine Seite des Jagdgeschäftes. Den Gelderträgen standen Geldaufwendungen gegenüber. Im einzelnen setzten sie sich zusammen aus: - Aufwendungen für die Infrastruktur. Darunter sind die enormen Kosten für Jagdbauten zu zählen sowie die zahlreichen kleineren Ausgaben für die Ausstattung des Personals und die Wildhege. - Schußgelder. Die Revierjäger erhielten sie als Teil ihres Lohnes bei der Ablieferung des erlegten Wildes in der Kellnerei oder Hofküche. Die Schußgelder stiegen infolge des erhöhten Wildabschusses nach 1784 an. - Feste Besoldungen für das höhere Forst- und Jagdpersonal. Die Aufwendungen sind in ihrer Gesamtheit nicht zu kalkulieren, weshalb keine Bilanz des Jagdwaldes erstellt werden kann. Dennoch steht fest, daß keine großen finanziellen Interessen hinter der Jagd stehen konnten: Dafür war der Ertrag viel zu bescheiden, die Aufwendungen viel zu hoch. Deswegen ist Hans Wilhelm Eckardt zuzustimmen, der im wirtschaftlichen Ertrag der Jagd kein Motiv für ihre Wertschätzung erkennt. Das wäre bei den gewaltigen Defiziten, die er beispielhaft beleuchtet, auch schwer vorstellbar.197 Gewichtiger ist wohl der Aspekt der Raumbeherrschung. Die Jagd war auch in der Frühen Neuzeit eine raumbezogene Praxis. Der Mediävist Joseph Morsel betont in diesem Zusammenhang: Die „Logik der Jagd ist [...] grundsätzlich eine herrschaftliche." Interessanterweise stellt er dieser obrigkeitlichen Raum196 Die Verwendung oder Veräußerung der Häute ist in Kurtrier nicht nachgewiesen; vgl. WENDT, Kultur und Jagd, S. 48. 197 ECKARDT, Jagd, S. 60-76. Nach HAUSRATH, Holzpreise, S. 373 wurden in der Kurpfalz um 1600 70% der Forstausgaben für die Jagd aufgewendet. Deshalb blieben insgesamt Reinerträge des Forstwesens aus, vielmehr entstand ein „beträchtliches Defizit" (S. 374). Nach TEXTOR, Amorbacher Zent, S. 208, dominierten von 1650-1756 die Jagdkosten unter den Aufwendungen im mainzischen Oberamt Amorbach. Deshalb hatten die Kameralisten nur dann nichts einzuwenden, „wenn sie [die Jagd] recht eingerichtet [mit niedrigen Wildbeständen], und überdem das Forstwesen geschickt damit verknüpft" war; Georg Heinrich ZINKENS, Allgemeines Oeconomisches Lexicon..., Fünfte mit vielen neuen Artikeln vermehrte und durchgängig verbesserte Ausgabe von Johann Jakob Volkmann in zween Theilen, Leipzig 1780, S. 1393.

D. Praxis der Waldentwicklung

176

beherrschung durch Raumbesetzung die Schäferei komplementär gegenüber. Sie wies die entsprechenden Bestandteile eines Herrschaftsverhältnisses auf. 1 9 8 Offenbar blieben für die Jagd daneben die vier sozialpsychologischen Kategorien bestimmend, mit denen Eckardt die adlige Jagd deutet, nachdem er ökonomische Ansätze und zeitgenössisch vorgeschobene Argumente - das Jagen diene der militärischen und gesundheitlichen Ertüchtigung - entkräftet hat. Danach gewann die Jagd für den Adel vor allem an Gewicht: als Statussymbol und Selbstbestätigung; als Zuflucht vor der modernen Welt; als Mittel gegen die existentielle Langeweile; als Ersatzhandlung und Ersatzbefriedigung. 1 9 9 Nicht zu vergessen ist allerdings die naturale Bedeutung der Jagd für die Fleisch Versorgung am Hof, aber auch für die der Bevölkerung.

4. Wildschäden im Wald Daß zur jagdpolitischen Wende auch die Schäden beitrugen, die das Wild im Wald an der Wuchsleistung, Naturverjüngung und Holzqualität anrichtete, geht aus den Quellen nicht hervor. Sie konzentrieren sich bei der Frage des Wildschadens wenn überhaupt auf die Beeinträchtigungen des Feldbaus. Dennoch ist es bedeutsam, hier einen kurzen Blick auf diese zumeist in der Forschung und auch schon von den Verantwortlichen 200 - ausgeblendete Dimension des Jagdwaldes zu werfen. 2 0 1 Mehrfach am Tag nimmt Schalenwild (Wild mit Hufen) nach einem bestimmten Äsungsrhythmus seine Nahrung auf. Dabei verzehrt es auch Baum-

198 Joseph MORSEL, Jagd und Raum. Überlegungen über den sozialen Sinn der Jagdpraxis am Beispiel des spätmittelalterlichen Franken, in: RÖSENER, Jagd, S. 255-287, 286 (Zitat). 199 ECKARDT, Jagd, S. 2 6 8 - 2 8 4 , in Abgrenzung zur Jagd in der bürgerlichen Welt, S. 284-289. Vgl. immer noch anregend auch Edward P. THOMPSON, Whigs and Hunters. The Origin of the Black Act, New York 1976 und aus Sicht der biologischen Anthropologie Matt CARTMILL, A View to a Death in the Morning. Hunting and Nature through History, Cambridge Mass. 1993 (deutsch: Tod im Morgengrauen. Das Verhältnis des Menschen zu Natur und Jagd, aus dem Amerikanischen von Hans U. Möhring, Zürich 1993.) Vgl. auch für das 19. Jahrhundert demnächst die Dissertation von Wolfram G. THEILEMANN. Einstweilen DERS., Die noblen „Herren von der Forstparthie". Beobachtungen zu Tradition, Engagement und Chancen des Adels im preußischen Forstwesen 1866-1914, unveröffentl. Manuskript. Für das Mittelalter: Werner RÖSENER, Jagd und höfische Kultur als Gegenstand der Forschung, in: DERS. (Hg.), Jagd und höfische Kultur im Mittelalter, Göttingen 1997, S. 11-28. Für das 19. und 20. Jahrhundert: Sigrid SCHWENK, Jagd als kulturelles Phänomen, in: Zeitschrift für Jagdwissenschaft 37 (1991), S. 258-266; DIES., Jagd in Deutschland und Österreich. Geschichtliche Entwicklung im Spiegel der amtlichen Zahlen des 19. und 20. Jahrhunderts, Göttingen 1987.

200 Allerdings empfahl BURGSDORF, Forsthandbuch, biß zu vermindern. 201

S. 754, Fütterungen, um den Wildver-

Ausnahmen sind: RADKAU; SCHÄFER, Holz, S. 65; SCHÄFER, Politik mit der

S. 33.

Holznot,

IV. Der Jagdwald

177

rinde und Baumtriebe, insbesondere dann, wenn dieser Rhythmus gestört wird, sich nicht genügend Nahrung auffinden läßt oder die Wilddichte (Anzahl der Tiere pro Fläche) zu hoch ist. Löst das Wild die Rinde vom Stamm ab, kommt es in den meisten Fällen zu einem Pilzbefall und damit zu Holzfäule. Dadurch vermindert sich der Wert des Stammes, und seine Widerstandskraft gegen Sturm und Schneedruck sinkt. Vor allem Rotwild verursacht solche Schälschäden. Durch Verbiß schädigen dagegen alle heimischen Schalenwildarten die Jungpflanzen, insbesondere wenn sie Terminaltriebe abäsen. Vor allem gefährden sie dadurch die natürliche Verjüngung der Bestände. Rehböcke verursachen darüber hinaus noch Fegeschäden an Jungpflanzen, wenn sie an ihnen die Bastschicht ihres Gehörns abstreifen oder den Einstand markieren. Die betroffenen Bäume sterben danach oft ab. 202 Es ist in diesem Zusammenhang ein mehr als glücklicher Zufall, daß der Kronzeuge, den Eckardt dafür anführt, daß diese Wildschäden im Wald im Prinzip bekannt waren, auch im Untersuchungsgebiet eine Rolle spielte. Der badische Kameralist Johann Jacob Reinhard begab sich 1765 auf eine Visitationsreise der hintersponheimischen Wälder, sprach allerdings den forstlichen Wildschaden dabei nicht an. Vielmehr äußerte er sich im „Allgemeinen oeconomischen Forstmagazin" 1763 dazu. Nicht nur vor dem zahmen Vieh der Bauern, auch vor dem „wilden Viehe" müsse der Wald bewahrt werden: „Ich zittere [...], wann ich bedenke, was dasselbe vor eine ungeheure Menge des besten Holzes wegfrisset. Die Kugelbüchse ist wahrhaftig der beste Wildhüter, und wer da glaubet, es sey nöthig, für das sich vermehrende Volk, Holz zum Bauen und Brennen anzuschaffen, dem wird es nicht sauer ankommen, diese Menschenfeinde vor den Kopf zu schiessen. Allein, das was ich an so manchen Orten thun sehe, zeiget, daß man glaubet, es sey gut, die Zahl derer Menschen einzuschränken, um nur viele Hasen und Hirsche zu haben. Wahrhaftig ein Gräuel, der sich gegen die Menschheit empöret, und den ich in unseren erleuchteten Zeiten nicht suchen würde, woferne ich ihn leider an so vielen Orten, nicht mehr als zuviel, gefunden hätte."203

Reinhard sprach den forstlichen Wildschaden als klaren Nachteil für die Holzzucht an. In der gleichen Zeitschrift taten dies neben Reinhard noch weitere Autoren. Diese Tatsachen finden sich auch in Handüchern der Zeit wieder. 204

202

ZUNDEL, Forstwissenschaft, S. 151-155, 342; Wildschäden am Wald. Eine Information für Waldbesitzer, Forstleute und Jäger, hg. vom Auswertungs- und Informationsdienst für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AID), Bonn 1991, S. 3 f.; Lutz HECK; Günther RASCHKE, Die Wildsauen. Naturgeschichte, Ökologie, Hege und Jagd, Hamburg, Berlin 1980, S. 38-57; Fritz NÜSSLEIN, Das praktische Handbuch der Jagdkunde, 12. Aufl. München, Wien, Zürich 1988, S. 370. 203 Allgemeines oeconomisches Forstmagazin 3 (1763), S. 243, zitiert nach: ebd., S. 158. Vgl. auch ebd., S. 138 f., und: Etwas über die Schädlichkeit der Jagd für den Staat. Der sächsischen Landes-Versammlung gewidmet von einem Sachsen, Dresden, Leipzig 1799 (ohne Verfasser). 204 Handbuch für praktische Forst- und Jagdkunde, S. 1 (Abäsen), S. 1 - 2 (Abbiß), S. 416 (Damhirsch).

178

D. Praxis der Waldentwicklung

Die Aussagen von vier einflußreichen Forstpublizisten können dies weiter verdeutlichen: So formulierte der in württembergischen Diensten stehende Expeditionsrat Wilhelm Gottfried Moser 1757 in seinem grundlegenden Forstlehrbuch, daß „ein allzugroßer Wildstand nicht allein die Felder der Unterthanen verdirbt, sondern auch den Waldungen selbst nachtheilig ist." 205 Johann Heinrich Jung, der als Kamerai- und Universalwissenschaftler auch das kurtrierische Forstgesetz von 1786 begutachtete, ging noch weiter: „Die erste Hündemiß einer guten Forstwirthschaft ist die übermäßige Hegung des Wildes. [...] Das junge Gehölz wird zu Grund gerichtet, der Anflug und der Ausschlag, desgleichen die jungen Lohden werden abgebissen, und also mehr Schaden verursacht, als die Jagd einbringt. Da man dieses aber nicht so bald merkt, sondern der Nachtheil vorzüglich auf die Nachkommenschaft fällt, so wird auch dem Uebel nicht sonderlich vorgebeugt; welches aber nicht zu verantworten ist." 206

Der bayerische Forstpublizist Georg Anton Däzel widmete sich in seinem Lehrwerk ausgiebig dem Wildschaden. Prägnant faßte er zusammen: „Die Kultur der Waldungen kann mit einem starken Wildstande nicht bestehen". 207 J. L. Huberti machte schließlich in Kurmainz unter anderem die Wildhege für den Holzmangel verantwortlich: „Niemal hat man mit mehrerem Eifer und schärferen Aufsicht das Wild angefangen zu hegen, als eben zu jener Zeit, wo man denen so schädlichen Feinden des jungen Holzanflugs die wenigste Begünstigung gestatten sollte."208 Die Wirkung des Wildes auf den Wald war also wohlbekannt.

V. Strafgeldeinnahmen Zwischen 1774 und 1791 verhängten die Beamten fast in jedem Jahr Forststrafen und nahmen Geldbußen ein (Fig. 19). 1772 und 1773 verbuchten sie keine Strafgeldeinnahmen, denn die Forststrafverfolgung war aufgrund verwaltungsinterner Querelen ausgesetzt. 1774 und 1775 holten sie diese Versäumnisse nach, daher die ausgeprägten Säulen. Nach 1784 stiegen die Forststrafgelder an. Dies ist ein Ergebnis organisatorischer Reformen, die zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen waren und sich positiv in der Forstkasse mit Forststrafgeldern von rund 2500 Rt auswirkten, ehe diese mit dem Jahr 1789 abzuschmelzen be-

205

MOSER, Forst-Ökonomie,

206

JUNG, Forstwirtschaft,

207

S. 6 4 4 . S. 2 6 5 f.

Georg Anton DÄZEL, Praktische Anleitung zur Forstwissenschaft, besonders zur Vermessung, Taxirung und Eintheilung der Wälder. Ein Handbuch für Förster, 2., verm. Aufl. München 1788, S. 129. 208 J. L. HUBERTI, Abhandlung von dem allgemeinen Holzmangel und von den Mitteln, solchem Mangel zu steuern, Frankfurt a.M., Leipzig 1765, S. 52.

179

V. Strafgeldeinnahmen Fig. 19: Forststrafgeldeinnahmen

im Obererzstift Trier 1759-1792

t6Zl. 69ZI-

ι

ι

Z8ZL

£

S8ZI.

φ •D φ CT Λ ί_ Μ 2 ο LL Ξ

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ο ο ΙΟ

ο ο ο

ο ο ΙΟ CO

ο ο ο co

ο ο ΙΟ C\j jaiBisgojay

ο ο ο csi

ο ο ΙΟ

ο ο ρ

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Τ-

Ο ο ΙΟ

180

D. Praxis der Waldentwicklung

gannen. Für die Zeit vor 1758, dem Beginn dieser Quellenüberlieferung, erkennt Michel eine „sehr saumselige" Eintreibung der Forststrafgelder.209 Im Kröver Reich weisen die Rechnungsbücher der Reichsgrafen von Kesselstatt bis 1759 keine Forststrafgelder aus. Dennoch ist es, auch wegen der häufigen Quellenlücken, gut denkbar, daß die Verantwortlichen Delikte bestraften. Denn für 1748-1757 vermerkte die Einnahmeübersicht, welche die Teilung der Hinteren Grafschaft Sponheim vorbereiten sollte, „Frevel und Strafen"-Gelder (Tab. 26). Es handelt sich dabei allerdings um alle Sorten von Strafgeldern, worin höchstwahrscheinlich auch solche aus dem Forstwesen aufgingen. Tab. 26: Strafgelderträge Geld für Strafen

1748 216

1749 300

der Hinteren Grafschaft Sponheim im Kröver Reich 1750 408

1751 468

1752 288

1753 720

1754 288

1755 252

1748-1757

1756 648

1757 72

Quelle: GLAK 75 125, o.F. Gemeinschaftlich gefertigte Etats über den Ertrag der Hinteren Grafschaft Sponheim für die 1758 angestrebte Teilung; Originalangabe in Moselgulden, Umrechnung in Albus.

Im gut dokumentierten Zeitraum von 1760-1787 verhängten die Reichsgrafen (Tab. 28) in acht Jahren Forststrafen zwischen 500 und 3000 Albus. 1788-1795 vermindern sich die Geldbußen auch hier, ausgehend von einem hohen Niveau. 210

209

MICHEL, Forst und Jagd, S. 85. Eine Aufschlüsselung in Einzelpositionen erlaubt die Quelle nicht; vgl. auch Kapitel E.I.5. 210 Dieser sehr vielschichtige Komplex des Forststrafwesens kann trotz seiner Bedeutung hier nur gestreift werden. Es sei auf die neueren Forschungen zu diesem Thema verwiesen. GREWE, Holzfrevel; Rainer PRASS, Verbotenes Weiden und Holzdiebstahl. Ländliche Forstfrevel am südlichen Harzrand im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, in: AfS 36 (1996), S. 51-68; Josef MOOSER, „Furcht bewahrt das Holz". Holzdiebstahl und sozialer Konflikt in der ländlichen Gesellschaft 1800-1850 an westfälischen Beispielen, in: Heinz REIF (Hg.), Räuber, Volk und Obrigkeit. Studien zur Geschichte der Kriminalität in Deutschland seit dem 18. Jahrhundert, Frankfurt a.M. 1984, S. 43-99; Dirk BLASIUS, Kriminalität und Alltag. Zur Konfliktgeschichte des Alltagslebens im 19. Jahrhundert, Göttingen 1978. Es wäre sicher lohnend, hier mit Jan PETERS, Eigensinn und Widerstand im Alltag, in: Jb für Wirtschaftsgeschichte 2 (1991), S. 85-103, 92 nach alltäglichem, verdecktem Widerstand zu fragen. Vgl. generell: Joachim EIBACH, Kriminalitätsgeschichte zwischen Sozialgeschichte und Historischer Kulturforschung, in: HZ 263 (1996), S. 681-715; Heinz SCHAEFGEN, Die Strafrechtspflege im Niedererzstift des Kurfürstentum Trier, Diss, jur., masch., Mainz 1957.

VI. Struktur der Forsteinnahmen

181

VI. Struktur der Forsteinnahmen Das folgende Unterkapitel führt die Einnahmearten zusammen. Die synoptische Untersuchung macht die innere Struktur der gesamten Forsteinnahmen im Obererzstift Trier und dem Kröver Reich transparent.

1. Obererzstift

Trier

Wie bereits ausführlich diskutiert, setzten sich die Forsteinnahmen aus Erlösen für den Holzproduktions-, Landwirtschafts- und Jagdwald sowie den Forststrafgeldern zusammen (Tab. 27). Der Holzproduktionswald nimmt dabei mit knapp 90% eine überragende Spitzenstellung ein. Selbst wenn man alle drei weiteren Einnahmearten addiert, machen sie mit den verbleibenden 10% lediglich ein Neuntel der Holzproduktionswalderlöse aus. Unter ihnen liegen die Forststrafgelder mit 5% der Gesamteinnahmen und der Jagdwald mit 4% in etwa gleichauf. Der Landwirtschaftswald bildet mit gut 1 % den Schluß im Vergleich über den gesamten Untersuchungszeitraum. Am geringsten weichen über die Jahre die anteiligen Kontingente des Holzproduktionswaldes vom langjährigen Mittelwert von knapp 90% ab; 1774 und 1788 zeigen zwei Ausschläge nach unten, die beide Male mit stark erhöhten Forststrafgeldeinnahmen korrespondieren. Der Landwirtschaftswald rutscht durch den angesprochenen Verlust der Ziegengelder von 2-4%igen Anteilen auf rund l%ige, oft liegt er auch darunter. Umgekehrt kann der Jagdwald die absoluten und relativen Erlöse gut behaupten und sogar leicht steigern. Die Forststrafen schließlich weichen am stärksten von ihrem langjährigen Mittelwert ab. Es ist bemerkenswert, wie stark diese Werte denen nahekommen, die Harald Textor für den Zeitraum von 1762-1803 im Mainzischen Oberamt Amorbach ermittelte. 80% der Gesamteinnahmen entstammten dort der Holzproduktion, 1% landwirtschaftlichen Nutzungen, 4% dem Wildverkauf; 8% trugen die Forststrafen bei. 211 In der Kurpfalz stammten 1600 aus der Holzproduktion 67% der Einnahmen, 8% aus dem Landwirtschaftswald und 6% aus der Jagd; am Ende des 18. Jahrhunderts hatte sich die Gewichtung noch deutlicher ergeben: 95% Holzproduktionserlösen standen knapp 1% aus dem Eckerich und 4% aus sonstigen Nutzungen inklusive der Jagd gegenüber. 212

211

Sonstiges 7%; TEXTOR, Amorbacher Zent, S. 198; zusammenfassende Angaben über den Zeitraum 1648-1803 (Mainzisches Oberamt Amorbach): Einnahmen aus Holz 75%, Landwirtschaft 1%, Jagd 6%, Forststrafen 10%, Sonstiges 8% (S. 200). 212 Nach HAUSRATH, Holzpreise, S. 373.

182

D. Praxis der Waldentwicklung

Tab. 27: Struktur der Forstgesamteinnahmen Jahr

Forstgesamteinn ahmen

20422 1759 1760 20901 1761 1762 18456 1763 19321 1764 16325 1765 1766 16641 1767 15709 1768 26943 1769 33957 1770 1771 29642 1772 24841 22307 1773 1774 27463 1775 24409 1776 24849 1777 24974 1778 21057 7790 1779 1780 16061 1781 25396 1782 24600 1783 26849 1784 36842 1785 31538 26144 1786 1787 24883 1788 18727 24344 1789 1790 22639 1791 18060 1792 15204 Mittel 22816

Holzproduktionswald (Stämme, Klafterholz) %AbAnteil solut

im Obererzstift Trier 1759-1792

Landwirtschaftswald (Ziegen, Schweine) Ab%solut Anteil

Jagdwald

Forststrafen

Absolut

Anteil

Absolut

Anteil

%-

%-

19675 19031

96,34% 91,05%

681 540

3,33% 2,58%

25 247

0,12% 1,18%

41 1083

0,20% 5,18%

17456 17718 14514

94,58% 91,70% 88,91%

426 528 639

2,31% 2,73% 3,91%

142 217 161

0,77% 1,12% 0,99%

432 858 1011

2,34% 4,44% 6,19%

15116 13620 22526

90,84% 86,70% 83,61%

728 715 1096

4,37% 4,55% 4,07%

142 273 776

0,85% 1,74% 2,88%

655 1101 2545

3,94% 7,01% 9,45%

32056 28181 22894 21092 21212 20612 23243 23318 19788 6996 14035 23645 22956 24937 33740 27851 20992 20375 14816 21666 20894 15657 15204 20510

94,40% 95,07% 92,16% 94,55% 77,24% 84,44% 93,54% 93,37% 93,97% 89,81% 87,39% 93,11% 93,32% 92,88% 91,58% 88,31% 80,29% 81,88% 79,12% 89,00% 92,29% 86,69% 100,00% 89,94%

603 533 517 192 469 285 40 162 11 106 71 323 61 179 2 53 4 18 136 231 33 53 0 304

1,78% 1,80% 2,08% 0,86% 1,71% 1,17% 0,16% 0,65% 0,05% 1,36% 0,44% 1,27% 0,25% 0,67% 0,01% 0,17% 0,02% 0,07% 0,73% 0,95% 0,15% 0,29% 0,00% 1,44%

1219 896 1425 1023 1187 1245 864 1151 1129 430 1101 945 859 836 828 1122 2232 1656 1335 1218 1339 1454 0 886

3,59% 3,02% 5,74% 4,59% 4,32% 5,10% 3,48% 4,61% 5,36% 5,52% 6,86% 3,72% 3,49% 3,11% 2,25% 3,56% 8,54% 6,66% 7,13% 5,00% 5,91% 8,05% 0,00% 3,85%

79 32 5 0 4595 2267 702 343 129 258 854 483 724 897 2272 2512 2916 2834 2440 1229 373 896 0 1115

0,23% 0,11% 0,02% 0,00% 16,73% 9,29% 2,83% 1,37% 0,61% 3,31% 5,32% 1,90% 2,94% 3,34% 6,17% 7,96% 11,15% 11,39% 13,03% 5,05% 1,65% 4,96% 0,00% 4,78%

Quelle und Erläuterung: LHAK 1 C 5326-5367. Die Forstgesamteinnahmen enthalten nicht die Werte aus den Erlösen für den 10./30. Pfennig (aus den nicht-landesherrlichen Wäldern) und „pro Diverses". Alle absoluten Angaben in Reichstaler, Prozentwerte gerundet, daher auch nicht in jedem Fall in der Summe 100%.

VII. Anteil der Forsteinnahmen an den Gesamteinnahmen

183

2. Kröver Reich Dieser Befund läßt sich im Kern ebenso im Kröver Reich erkennen, obwohl die Quellengrundlage sehr viel unsteter ist. 213 Sie hat aber den Vorteil, zugleich einen Eindruck von der Situation um 1600 zu vermitteln. Die Landwirtschaftswalderlöse trugen zum insgesamt sehr geringen absoluten Einnahmeniveau zu diesem Zeitpunkt 25-36% - bei, wobei die Verantwortlichen weder aus der Jagd noch aus Forststrafgeldern Beträge verbuchten (Tab. 28). Die wenigen Zahlen weisen darauf hin, daß der Holzproduktionswald zu diesem Zeitpunkt keineswegs so dominierte, wie es etwa in Kurtrier am Ende des 18. Jahrhunderts der Fall war. Dies dürfte trotz vorerst spärlicher Belege aus anderen Regionen als allgemeiner Trend gelten. 214 Im 18. Jahrhundert übertrafen die Anteile des Holzproduktionswaldes auch im Kondelwald die anderen Einnahmearten. Oftmals rührten die gesamten Einnahmen sogar nur aus dem Holzproduktionswald her, so daß die Tabelle 100% ausweist. Jahre, die den Reichsgrafen auch Erlöse aus der Landwirtschaft oder von Forststrafen bescherten, verminderten diesen Anteil deutlich, aber selten einmal auf unter 50% (1763 und 1766), meist auf 80-95%. Die Prozentanteile im Kondelwald ähneln also grundsätzlich denen im Obererzstift Trier.

VII. Anteil der Forsteinnahmen an den Gesamteinnahmen Nach diesem Blick auf die Binnengliederung der Forsteinnahmen soll nun betrachtet werden, welche Bedeutung sie im ganzen innerhalb der Gesamteinnahmen in Kurtrier und der Hinteren Grafschaft Sponheim erlangten. Zunächst wird dem für Kurtrier bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts nachgeforscht. Es folgt die Untersuchung der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts im Ober- und Niedererzstift. Dafür ist eine weitere serielle Quellengattung - die Landrentmeistereirechnungen - heranzuziehen. Sie erlauben auch einen Ausblick auf den Rumpfstaat Kurtrier um 1800. Abschließend folgen die Befunde für die Hintere Grafschaft Sponheim.

213

ERNST, FRANZ, Waldreformen, S. 68, mit graphischer Darstellung für das 18. Jahrhundert. 214 So auch TEXTOR, Amorbacher Zerit, S. 199. Für das 16. und 17. Jahrhundert stellt MAGER, Wald in Altpreußen II, S. 115, fest: „Bezeichnend für die damalige enge Verquikkung von Wald- und Landwirtschaft ist das starke absolute Übergewicht der Gefalle aus der landwirtschaftlichen Nutzung des Waldes."

184

D. Praxis der Waldentwicklung

Tab. 28: Struktur der Forsteinnahmen im Kondelwald 1595-1601; 18. Jahrhundert Jahr 1595 1596 #1598 #1600 1601 #1724 1725 1726 1727 1728 1735 #1739 #1744 #1757 #1759 1760 #1762 1763 #1766 1767 1768 1769 1770 1771 1772 1773 1774 1775 1776 1777 1778 1779 1780 1781 1782 1783 1784 1785 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792 1793 1794 1795

Gesamteinnahmen Holzproduktionswald 538 738 514 616 616 2138 3427 7891 4220 3592 779 1653 2149 904 4720 32436 16002 64 5923 3556 3780 1674 66798 81773 78880 4698 3186 4860 4374 4050 7646 4212 4050 5508 5 886 7290 56018 48708 46548 57780 69390 46332 58429 53082 57456 12852 54918 8640

100,00% 74,25% 63,04% 69,48% 69,48% 82,60% 89,15% 98,02% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 97,23% 100,00% 0,00% 46,34% 100,00% 100,00% 61,29% 98,46% 100,00% 98,62% 64,37% 100,00% 100,00% 51,85% 100,00% 64,84% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 100,00% 97,78% 100,00% 100,00% 100,00% 94,71% 100,00% 90,10% 100,00% 96,43% 100,00% 97,84% 73,01%

Landwirtschaftswald 0,00% 25,75% 36,96% 30,52% 30,52% 17,40% 10,85% 1,98%

Forststrafgelder

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

-

5,17% -

_ -

-

1,38% -

_ _ -

2,77%

_ 100,00% 48,49%

_ _ 38,71% 1,54%

_ —

35,63%

_ _ 48,15%

_

_

14,26%

20,90%

_ -

_ _

-



_ _

_ _

2,22% -

_



_ _

-



-

5,29%

_ 4,96%

_ -

_ 4,94% —

3,57%

-



-

2,16% 2,64%

24,35%

Quelle und Erläuterung: Angaben in Albus. Keine Einnahmen aus dem Jagdwald und aus Forststrafgeldern. 1595-1601: LHAK 33 13709-13711; 18. Jahrhundert: STAT 54 Κ 5450. Zahlreiche Fehljahre oder Jahre ohne Einnahmen sind nicht aufgenommen (Lücken = #).

VII. Anteil der Forsteinnahmen an den Gesamteinnahmen

185

1. Einzelne kurtrierische Kellnereien bis 1759 Quellenbedingt lassen sich für die Zeit, bevor die Forstkasse alle forstlichen Mengen- und Geldflüsse zusammenführte, nur einzelne, vorsichtige Aussagen treffen (Tab. 29). 215 Daher mögen die Werte aus fünf Kellnereien in Eifel und Hunsrück für einen nicht wesentlich präziser zu erfassenden Gesamttrend stehen. Die Kellnerei Bernkastel kassierte Mitte des 14. Jahrhunderts sowie in den nachweisbaren Jahrgängen im zweiten und dritten Drittel des 17. Jahrhunderts keine Einnahmen aus dem Forst. Dies gilt auch für Grimburg 1690. Demgegenüber verbuchten die Kellner beider Orte im frühen 18. Jahrhundert Forsteinnahmen. Darunter waren verhältnismäßig beträchtliche Forststrafgeldeinnahmen, die bis zur Jahrhundertmitte noch anstiegen. Ihr Anteil an den Gesamteinnahmen betrug dann in etwa durchschnittlich 15% mit denkbar großen Schwankungen zwischen 1% und 54%. Die herangezogenen Kellnereien der Eifel vermerken im Gegensatz dazu tendenziell frühere und stetigere Einnahmen. In Daun steigt der Anteil von rund 4% auf ebenfalls etwa 15% zur Jahrhundertmitte. Während er in Schönecken stets bei marginalen 1% verharrt, belegt das Beispiel Schönberg für das 17. Jahrhundert gelegentlich recht beträchtliche Erlöse aus dem Forst- und Strafwesen, die ein Viertel zu den Gesamteinnahmen etwa in den 1640er Jahren beizusteuern vermochten. 216 In allen drei Eifelkellnereien trugen die Forststrafgelder vor 1759 ihrerseits mehrfach einen bedeutenderen Anteil zu den Forstgesamteinnahmen bei, als dies in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts der Fall sein sollte.

2. Ober- und Niedererzstift Trier ab 1759 Fundierter und aussagekräftiger als diese impressionistischen Angaben sind die Befunde nach 1759. Die Führung einer nieder- und einer obererzstiftischen Forstkasse schlug sich auch in den Landrentmeistereirechnungen nieder, die 215

Bis 1758 nahmen die Kellnereien die forstlichen Gelder ein. Sie verbuchten die Forsteinnahmen allerdings nicht systematisch. Daher ist es unmöglich, sie nach Waldtypen getrennt zu analysieren. Überdies sind die Kellnereirechnungen nur in Abständen von fünf oder zehn Jahren archiviert. Über diese Auslassungen kann wenigstens ansatzweise hinweghelfen, wenn eine Rubrik prinzipiell existierte. Selbst wenn sie im überlieferten Jahrgang der Rechnung keine Beträge vermerkt, deutet ihre Existenz doch grundsätzlich auf Einnahmen dieser Art hin. Deshalb die Vermerke in der Tabelle darüber. 2,6 Sie wurde 1720 mit der Kellnerei Schönecken vereint. Die recht hohen Holzverkaufserlöse in Schönberg dürften auch durch die Anteile der Hofkammer verursacht worden sein, die sie vom Holzverkauf der dortigen Schaftgüter der ehemaligen Fürstabtei Prüm beanspruchen konnte (pro Klafter 21 Albus); vgl. MICHEL, Forst und Jagd, S. 94; Rudolf KLEIN, Die Gehöferschaften im Regierungsbezirk Trier, Diss, jur., Leipzig 1910. Aus heutiger Sicht: Dieter KÖPPE, Die Gehöferschaften in Rheinland-Pfalz. Eine forstpolitische Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung forstrechtlicher, betriebswirtschaftlicher und forstgeschichtlicher Aspekte, Trier 1978.

186

D. Praxis der Waldentwicklung

Tab. 29: Forst- und Gesamteinnahmen kurtrierischer Kellnereien vor 1759 Kellnerei

Jahr

Stämme/ Altholz

sonstiger Holz- Forststrafen verkauf, Pottasche, Schweineund Wiesengeld, 10. Pfennig, Lohe, Wild

Gesamteinnahmen

g I

®

Ο ft-

cd

sfe -C ε

•8 ' S

rs Ο *·* c < Bernkastel 1355/56, 1635-1680 1705 1715 1726 1730 1740 1750 1755 Grimburg 1690 1710 1730

Daun

Schönecken

1731 1740 1750 1755 1605 1627 1665 1675 1686 1699 1706 1715 1720 1741 1750 1756 1507 1599 1629 1638 1685 1705 1710 1725-29 1736 1740

Rubrik vorh. Rubrik vorh. 1752 240 2827 5364 7272

552

Pottasche 2568 Rubrik vorh. 1512 19236 1416 27264 Rubrik vorh. 624 10176 3096 672 10392 73968

383 Rubrik vorh. Rubrik vorh. (Holländerholz) 93 744 1617 3609 2676 1536 5952 4392

1248 288

24 Rubrik vorh. 1.872 Rubrik vorh. 4464 1440 5664 25536

96 480 2568 Rubrik vorh. Rubrik vorh. enthalten in 10176 2304 288 3408

5064 2520

72 Rubrik vorh. 696 168 Rubrik vorh.

C

f s ε Λ (Λ «J S SS < ο

1750 1755 Schönberg 1560 1616 1625 1630 1641 1645 1650 1660 1670 1680 1709-10

1896 22824

Rubrik vorh.

23952 1032 12888 10176 7296 2184 1248 2040 192

912 144 648 360 552 264 1248 67464

241248 -14256

1%

114360 109200 83520 39648 32256 21648 71880 151752 129480 473712

21% 1% 17% 26% 25% 12% 3% 2% 1% 14%

Quelle und Erläuterung: LHAK 1 C 18369, 5415-5428 (Bernkastel 1355/56, 1680-1755); LHAK 1 C 5979-5992 (Grimburg 1690-1755); LHAK 1 C 5778-5794 (Daun 1605-1756); LHAK 1 C 6422-6443 (Schönecken 1507-1755); LHAK 1 C 6360-6371 (Schönbeig 1560-1710). Die Kellnereirechnungen liegen innerhalb dieser Zeiträume nur in Einzeljahren in zehn- oder später fünfjährigem Abstand vor. Es wurden alle verfügbaren Dokumente dieser Kellnereien ausgewertet. Wurde in einer vorhandenen Rubrik nichts eingetragen, vermerkt die Tabelle dies mit „Rubrik vorh.". Alle Originalwerte in Moselgulden (ä 24 Albus) und Albus; alle Geldwerte in der Tabelle in Albus. Bei den Gesamteinnahmen ist der Rezeß jeweils abgezogen.

alle Einnahmen und Ausgaben des Erzstifts versammelten. Dort sind ab 1759 in der Rubrik der Forst- und Jagdeinnahmen die aus der Forstkasse bar entnommenen Gelder als Einnahmen verbucht (Tab. 30). Das Gesamtvolumen der Einnahmen des Kurstaates lag bis 1774 unter dem Mittelwert von etwas über 245000 Rt; nach 1775 überstieg es diesen nur 1794 nicht. Die Wende in der Mitte der 1770er Jahre markiert so recht eindrücklich den steten Volumenanstieg der Gesamtkasse über die letzten Jahrzehnte des Kurstaates. Dieser tendenzielle Volumenanstieg läßt sich auch, wenngleich nicht so einheitlich, bei den Abführungsbeträgen der Forstkassen erkennen, ehe sie gegen Ende des Untersuchungszeitraums wieder leicht zurückgehen. Auch die Anteile, welche die Forstkassenabführungsbeträge an den Gesamteinnahmen des Kurstaates aufweisen, folgen diesem Trend. Die Landrentmeistereirechnungen teilen nicht in allen Jahren die Beträge aus den nieder- und obererzstiftischen

188

D . Praxi s d e r W a l d e n t w i c k l u n g

Tab. 30: Forst- und Gesamteinnahmen

in Kurtrier

1759-1794

Jahr

Gesamteinnahmen (ohne Rezeß)

Abführungs- Anteil der obererzbetrag der Forstkassen stiftischen Forstkasse

Anteil der Forstkassenabführungs beträge an Gesamteinnahmen

1759 1760 1761 1762 1763 1764 1765 1766 1767 1768 1769 1770 1771 1772 1773 1774 1775 1776 1777 1778 1779 1780 1781 1782 1783 1784 1785 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792 1793 1794

139634 174744 147017 177757 149703 136769 142406 124809 130958 186330 201184 198332 232184 232444 199710 211145 439875 311292 2 6 1 174 317378 261576 263133 295053 353492 245 803 256866 279076 287843 297324 283915 297152 325980 452098 304789 295640 212324

16567 8001 5153 5910 2917 4227 4386 1046 5953 12059 28000 28600 22600 26110 22471 20401 36506 40216 21860 24314 26529 17374 31829 9520 27695 44452 36440 34418 34615 32119 37438 29343 29692 23857 21803 15623

65% 65% 74% 63% 39% 67% 64% 56% 55% 62% 48%

12% 5% 4% 3% 2% 3% 3% 1% 5% 6% 14% 14% 10% 11% 11% 10% 8% 13% 8% 8% 10% 7% 11% 3% 11% 17% 13% 12% 12% 11% 13% 9% 7% 8% 7% 7%

0

245192

21946

48%

9%

25% 1% 25% 12% 3% 4% 4% 73% 65% -

-

-

62% 64% 70% 66% 1% 71% 100% -

Direktfinanzierung von Bauvorhaben aus der obererststift. Forstkasse

bereinigter Anteil der Forstkassenabführungsbeträge+ Direktfinanzierung

W W W Η Η

15466 15040 12772 11393 4524

11% 11% 11% 10% 4%

Κ Κ Κ Κ Κ Κ

759 80 37 5288 11161 11391

-

12% 6% 15%

10%

Quelle und Erläuterungen: LHAK 1 C 5157-5192; 1 C 5326-5366 (Direktfinanzierung). Prozentangaben gerundet. Alle absoluten Angaben in Reichstalern. Vgl. auch die Angaben bei SCHNEIDER, Finanzpolitik, S. 117 f., die geringfügig abweichen, weil hier die Albuswerte nicht berücksichtigt wurden. Von 1768-1775 und 1783 weisen die Landrentmeistereirechnungen die ober- und niedererzstiftischen Einnahmen aus der Forstkasse nur gemeinsam aus; der obererzstiftische Anteil beträgt also nicht ,0'%. Ab 1775 wurden neben ober- und niedererzstiftischen Einnahmen auch direkte Forsteinnahmen vom Hof verbucht, die sich in etwa auf 10% der Forstgesamteinnahmen beliefen. Schloß Wittlich (W); Kapitelhaus (H); Residenz Koblenz (K). Bei der Berechnung der Anteile von Forstkassenabführungsbetrag und Direktfinanzierung wurde gerechnet: (5910+15466) / (177757+15 466) = 11%. Der durchschnittliche Anteil von Forstkassenabführungsbetrag und Direktfinanzierung wurde gebildet aus: (Summe aller Einzeljahreswerte/36 Jahre) / 0 Gesamteinnahmen.

VII. Anteil der Forsteinnahmen an den Gesamteinnahmen

189

Forstkassen auf. Im Mittel steuerten die obererzstiftischen Wälder 48% bei. 217 Gerade in der letzten Dekade hielten sie oftmals über 50% oder gar über 60% der gesamten Forstkassenabführungsbeträge. Wie hoch lag der Anteil der Forstgelder an den Gesamteinnahmen? Bis 1768 bewegte er sich zwischen 1-5%. Der Wert für 1759 dürfte bedingt sein durch die erstmalige Aufstellung der Forstkassengelder. Von 1768-1789 vergrößert sich ihr Anteil auf fast immer zweistellige Prozentanteile an den Gesamteinnahmen (10-17%), die sich danach auf 7% ermäßigen. Im Ober- und Niedererzstift Trier steuerten die Abführungsbeträge aus den Forstkassen von 1759-1794 im Mittel 9% zu den gesamten Einnahmen bei. Eine buchhaltungstechnisch korrekte Analyse, wie bedeutsam die Forstgelder im gesamten Finanzwesen waren, muß eine Besonderheit berücksichtigten: Die Verantwortlichen entnahmen der Forstkasse überdies Gelder, die sie nicht in die Landrentkasse einzahlten, sondern direkt für außerforstliche Zwecke verwendeten. Weil sie an der Gesamtkasse vorbeigeschleust wurden, tauchen sie dort nicht auf. Es handelt sich aber um Erträge aus dem Forstwesen, die als solche eigens zu betrachten sind. Die Gelder aus dieser forstfinanztechnischen Bypass-Operation finanzierten direkt die Bauvorhaben der Kurfürsten. 218 So entnahmen die Kammerräte in den 1760er Jahren rund 43000 Rt aus der Forstkasse für den Bau des Wittlicher Schlosses und knapp 16000 Rt für die Errichtung des Kapitularischen Hauses. Von 1778-1783 flössen aus der Forstkasse knapp 29000 Rt direkt dem Residenzbau in Koblenz zu. 219 Diese Gelder, die in den Forstkassen wie die Abführungsbeträge als Ausgaben geführt wurden, sind korrekterweise als Erträge des Forstwesens zu werten. Sie vergrößern zum einen die Gesamteinnahmen des Erzstifts, zum anderen steigern sie den Prozentanteil der Forstgelder daran. Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Quellen diesen Finanzierungsweg für landesherrliche Bauvorhaben verschleiern und es sich daher bei diesem Befund um eine Korrektur der zeitgenössischen Buchführung handelt; in der Zeit wurde nicht so gerechnet. Im Ergebnis bessert die Direktfinanzierung die vergleichsweise niedrigen Anteile der Forsteinnahmen in den 1760er Jahren auf, die allein aus der buchhalterischen Vereinfachung resultierten. Weniger drastisch gilt dies auch für die ForstkassenZuschüsse zum Residenzbau in Koblenz in den frühen 1780er Jahren. Berichtigt liegen die Anteile der Forstgelder an den Gesamteinnahmen in diesen Jahren 2-4% höher. Berücksichtigt man auch die Direktfinanzierung, ergibt sich

217

Dieser Wert ist durch den bescheidenen Beitrag 1780 (1 %) deutlich nach unten gedrückt. Vgl. auch SCHNEIDER, Finanzpolitik, S. 117, Anmerkung 112. 219 Ebd., S. 154-156, weist insgesamt 36642 Reichstaler aus, die von der Forst- direkt an die Residenzbaukasse flössen; die Differenz mag aus dem niedererzstiftischen Forstwesen stammen. Ganz abgesehen davon wurden auch Gelder, die ursprünglich aus dem forstlichen Bereich stammten, von der Landrentkasse der Residenzbaukasse zugeschossen; vgl. ebd., S . 46. 218

190

D. Praxis der Waldentwicklung

insgesamt: Die Forsteinnahmen aus dem Nieder- und Obererzstift Trier trugen von 1759-1794 durchschnittlich 10% zu den Gesamteinnahmen bei. 220 Die Forstgelder zählen damit zur Spitzengruppe unter den Einzelposten der Gesamteinnahmen.221 1776 betrug der Anteil des Forstwesens 13%. Weitere große Anteile hielten: die Hofkellnerei (8%), die Zolleinnahmen (17%), der Mineralbrunnen in Niederselters (10%), die Steuereinnahmen (3%). 1788 steuerten die Forstkassen 11% zu den Gesamteinnahmen bei. Die Vergleichsposten beliefen sich auf: Hofkellnerei (12%), Zolleinnahmen (12%), Mineralbrunnen in Niederselters (15%), Steuern (3%). Dies zeigt für Kurtrier, welch große Rolle im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts auch die Einkünfte aus Ländereien des Hausbesitzes, also der Kammerwälder, spielen konnten. Sie weisen gemeinhin den Domänenstaat aus. Allzu weit hatte sich Kurtrier bis 1800 noch nicht zu einem Finanz- und Steuerstaat gewandelt, dessen Finanzquellen aus direkten und indirekten Steuern stammten. 222 Doch nicht genug damit, daß die Abführungsbeträge - etwa den Zolleinnahmen vergleichbar - unter den größeren Posten rangierten. Ihren Einzahlungen standen wie bei den Zolleinnahmen im Moment des Zahlungseingangs keine weiteren Ausgaben gegenüber, denn die Abführungsbeträge waren ja bereits Ergebnis der Bilanzierung innerhalb der Forstkasse. Sie stellten somit, anders als etwa die Einnahmenseite der Hofkellnerei, Reinerträge dar. Diese nüchterne Zahlenakrobatik muß noch in anderer Perspektive erweitert werden. Die quantitative Analyse belegt mit ihren statistisch ausweisbaren Finanzanteilen - absolut und im Vergleich - zwar eindrücklich die Bedeutung des Forstwesens. Doch nur in der Kombination mit der qualitativen Untersuchung läßt sich diese vollständig erfassen. Denn der schlagende Vorteil der Forstgelder lag darin, daß die Landstände weder Zeitpunkt noch Höhe beeinflussen konnten. Gerade bei so strittigen Bauvorhaben wie der Residenz machte sich dies bezahlt. Grundsätzlich spielten die Forstgelder dadurch auch eine entscheidende Rolle bei der Sanierung der Finanzen, einer der „vordringlichsten Staatsaufgaben".223 Nach der Besetzung der linksrheinischen Gebiete durch Frankreich entfielen diese in der Rechnungsführung des Kurstaates. Für den weiterhin unbesetzten 220 £)j e Direktfinanzierungen aus der niedererzstiftischen Forstkasse sind darin nicht enthalten. 221 Vgl. exemplarisch die Angaben für die Jahre 1776, LHAK 1 C 5174, und 1788, LHAK 1 C 5186. 222 Werner BUCHHOLZ, Geschichte der öffentlichen Finanzen in Europa in Spätmittelalter und Neuzeit. Darstellung, Analyse, Bibliographie, Berlin 1996, S. 16-20. Auf S. 65 bekräftigt er diesen Befund, indem er feststellt, daß sich noch im 19. Jahrhundert die deutschen Einzelstaaten stark auf Domäneneinkünfte etwa aus Forsten stützten. 223 Walter DEMEL, Vom aufgeklärten Reformstaat zum bürokratischen Staatsabsolutismus, München 1993, S. 15.

191

VII. Anteil der Forsteinnahmen an den Gesamteinnahmen

,Rumpfstaat', der nur noch Teile des Niedererzstifts umfaßte, bewegten sich die Anteile der Forstkassenabführungsbeträge an den Gesamteinnahmen bei rund 5% (Tab. 31). Wegen der unsicheren politischen Gesamtlage und der dadurch verschärften buchhalterischen Schwierigkeiten handelt es sich hier lediglich um ungefähre Angaben.

Tab. 31: Forst- und Gesamteinnahmen

in Kurtrier

1795-1802

Jahr

Gesamteinnahmen

Abführungsbetrag

Anteil

1795 1796 1797 1798 1799 1800 1801 1802

52227 39868 67273 76929 39902 22984 51819 52493

3049 1573 4099 2393 1390 233 3628 6165

6% 4% 6% 3% 3% 1% 7% 12%

Quelle: LHAK 1 C 5193-5200. Absolute Angaben in Reichstaler, Prozentangaben gerundet. 1795 Rezeß in Höhe von über 100000 Rt nicht aus Einnahmen herausgerechnet; 1796 ebenso (Rezeß über 35000).

3. Hintere Grafschaft Sponheim In der Bandbreite der für Kurtrier ermittelten anteiligen Forsteinnahmen liegen auch die Werte für die Hintere Grafschaft Sponheim (Tab. 32). Die unvollständigen Angaben bis zur Teilung des Kondominiums 1776 schwanken dabei recht stark, zwischen 1% und 25%. Dies mag teilweise auf eine monetäre Bedeutungssteigerung des Forstwesens zwischen 1740 und 1767 hinweisen. Vergegenwärtigt man sich die in diesem Zeitraum immens gestiegenen Preise, so wird der größere Anteil der Forstgelder verständlich. Trotzdem ist Vorsicht geboten. Denn die auffällig hohen 22% und 25%, die 1766 und 1767 realisiert wurden, gehen mit einiger Sicherheit auf eine intensivere Holzveräußerung im Vorfeld der ursprünglich für 1768 anvisierten Teilung zurück. Außerdem stammten auch 1748 immerhin 17% der Gesamteinnahmen aus dem Forst. Beides widerspricht einem möglichen Trend. Eindeutig wirkt sich nach 1776 die Bereinigung der territorialen Verhältnisse aus. Gesamt- und Forsteinnahmen verstetigten sich. Anteilig liegen letztere bis 1783 im Schnitt etwa bei 5%. In der Stadt Luxemburg stammten am Ende des 18. Jahrhunderts rund 5% der Einnahmen aus dem Wald. Davon waren noch die forstlichen Ausgaben zu

192

D. Praxis der Waldentwicklung

bestreiten. 224 In Brandenburg-Preußen lag der Prozentanteil, den die dortigen Netto-Forstgelder im Beispieljahr 1787 zu den Einkünften beisteuerten, in etwa bei 2% 2 2 5 Die forstlichen Revenuen in der Grafschaft Wied-Neuwied beliefen sich 1760-1792 auf 10-15% aller Einkünfte. 1783 erreichten sie mit 42% ihren Spitzenwert; im gleichen Jahr flössen 20000 Rt in den Bau der Residenz Rasselstein. 226

Tab. 32: Forst- und Gesamteinnahmen

in der Hinteren Grafschaft Sponheim

1740-1783

Jahre

Gesamteinnahmen

Forsteinnahmen

Anteil

1740 1742 1743 1748 1755 1758 1766 1767 1776 1777 1778 1779 1780 1781 1782 1783

916411 1001712 865038 907115 1673015 1305671 1 369080 1237752 502308 778464 680328 731484 826020 769680 738288 801720

10235 76740 64620 154642 137327 40008 294408 307332 22716 54360 61920 21096 15480 27504 23760 34380

1% 8% 7% 17% 8% 3% 22% 25% 5% 7% 9% 3% 2% 4% 3% 4%

Quelle und Erläuterung: LHAK 33 13718-13729. Alle absoluten Angaben in Albus, Prozentangaben auf volle Zahlen gerundet.

VIII. Fazit Der Kulturgeograph Schenk regte die Auswertung von Forstrechnungsserien an. Diesen Impuls entwickelte diese Studie zu einem landesgeschichtlich vergleichenden Auswertungsraster mit flächenbezogenen und prozentualen Angaben weiter. Vorbehaltlich der Quellenkritik, die Fehler, Modifikationen und Eigenheiten der zeitgenössischen Verwaltung und Buchführung in Rechnung

224

ERNST, FRANZ, Waldreformen, S. 58; auch hier sind die unentgeltlichen Entnahmen nicht eingeflossen. 225 Adolph Friedrich RIEDEL, Der Brandenburgisch-Preussische Staatshaushalt in den letzten beiden Jahrhunderten, Berlin 1866, S. 174-176 (Forstgelder: rund 4 0 0 0 0 0 Taler), S. 188 Gesamteinnahmen 2 0 5 0 0 0 0 0 Taler), jeweils 1787. 226 TROSSBACH, Schatten der Aufklärung, S. 49, 419.

VIII. Fazit

193

stellt und lediglich Orientierungswerte ermittelt, lassen sich folgende Befunde festhalten. Sie antworten gleichzeitig auf die umweltgeschichtliche Frage nach den treibenden anthropogenen Kräften für die Landschaftsentwicklung. 227 Diese Perspektive trat bislang zugunsten einer eher deskripitv arbeitenden naturorientierten Umweltgeschichte zurück. 228 Der landesherrliche Holzproduktionswald lieferte hauptsächlich Klafterholz. Man gewann es im Rahmen der Schlagwirtschaft. Sie fußte auf den Prinzipien einer geringen Diversität der Bestände sowie der geplanten, finanziell und mengenmäßig nachhaltigen Bewirtschaftung. Voraussetzung war eine Forsteinrichtung, welche die Wälder vermaß und einteilte sowie ihren Wiederaufwuchs sicherte. Ab Mitte des Jahrhunderts erfaßte die Forsteinrichtung nach und nach die Kammerwälder des Obererzstifts Trier und den Kondelwald im Kröver Reich. Die Schlagwirtschaft lief folgendermaßen ab: Versteigern, Anweisen, Einschlagen des Holzes, sodann Aufklaftern, Abmessen und Verkohlen. Erstmalig ließen sich die Kunden des Kohlholzes im einzelnen identifizieren: die Eisenwerke und Holzgroßhändler in Eifel, Hunsrück/Saar und am Mittelrhein. Teilweise erhielten sie langfristige Lieferverträge mit günstigen Konditionen. Das Obererzstift exportierte große Mengen Holzkohle in die Nachbarterritorien; das Exportverbot galt nicht generell. Ein 50 km langer Landweg zu den Abnehmern war keine Ausnahme. Hinter der Schlagwirtschaft stand das naturale Interesse, die gewerblichen Verbraucher mit Brennstoff zu versorgen. Doch maßgeblich war die finanzielle Bedeutung, die diese Brennstoffversorgung aufgrund der Preisentwicklung und der Rentabilität erlangte. Die Preise für Kohlholz schwankten, insgesamt stiegen sie 1759-1792 an. Das Preisniveau in Eifel und Hunsrück war gestuft, je nach infrastruktureller Anbindung der Forstreviere und ihrer Lage zu den Nachfragern. Die Preise waren in der Eifel höher und stiegen schneller als im Hunsrück. Besonders stark fällt die in beiden Mittelgebirgen nachweisbare nominelle Kohlholzteuerung im Vergleich zur ersten Hälfte des Jahrhunderts aus. Im Abgleich mit Inflation und Preisen anderer Güter nimmt sie sich dagegen nicht außergewöhnlich drastisch aus. Vor allem verfolgten die Landesherren in dem zum Verkäufermarkt gewandelten Kohlholzgeschäft eine Hochpreispoli227

Matthias BÜRGI, Why does the landscape change? A case study of the forest development in the Zürcher Unterland and Weinland, Switzerland, in: Landscape Ecology (in Vorbereitung). 228 Sie ist vor allem in der Geographie beheimatet. H. C. DARBY, The Clearing of the Woodland in Europe, in: William L. THOMAS (Hg.), Man,s Role in Changing the Face of the Earth, Chicago 1956, S. 183-216; Andrew GOUDIE, Environmental Change, 3. Aufl. Oxford 1992; DERS. Mensch und Umwelt: eine Einflihrung, aus dem Englischen Ubersetzt und bearbeitet von Carsten Niemitz, Heidelberg u.a. 1994, insbesondere S. 52; DERS., The Human Impact. Man's Role in Environmental Change, Oxford 1981 (2. Aufl. 1983); Billie Lee TURNER (Hg.), The Earth as Transformed by Human Action: Global and Regional Changes in the Biosphere over the Past 300 Years, Cambridge 1993; Ian Gordon SIMMONS, Changing the Face of the Earth. Culture, Environment, History, Oxford, New York 1989.

194

D. Praxis der Waldentwicklung

tik: Fiskal-politisch bezweckten sie die hohen Preise, was bisher nicht so klar gesehen wurde. Die hohe Rentabilität der Holzproduktion versprach eine Verdreifachung der Aufwendungen. Preisentwicklung und Rentabilität brachten gemeinsam das überragende finanzielle Interesse der Landesherren am Holzproduktionswald hervor. Zusammengenommen lieferten die Forstreviere in Hunsrück und Eifel 1759-1792 rund 1,5 Mio. rm Klafterholz, das gut 565000 Rt einbrachte. Pro Jahr waren das in 31 Rechnungsjahren (ohne 1761,1765,1769) über 48000 rm Klafterholz und 18000 Rt Gelderlöse. In diesen Angaben sind die an Berechtigte abgegebenen Mengen an Bau- und Klafterholz nicht enthalten. Ebenso hinzuzuzählen sind der Klein verkauf mit einem mittleren Volumen von 1600 Rt (Mengenäquivalent: 4200 rm) sowie die unentgeltliche Eigenversorgung der Verwaltung mit jährlich 4100 rm (Wertäquivalent: 1500 Rt). Addiert man diese Angaben, erhöhen sich die Gesamtmittelwerte im Obererzstift auf rund 56000 rm erzeugtes Klafterholz und 21000 Rt Geldertrag pro Jahr. Im einzelnen kam den 24 Forstrevieren für die Klafterholzversorgung unterschiedliches Gewicht zu: Die Grundlastreviere trugen den größten und stetigsten Anteil daran, Mittellast- und Schwachlastreviere steuerten geringere Mengen in unregelmäßiger Folge bei. Ausgewählte Beispiele bezogen Mengen- und Ertragswerte (keine nachhaltigen Hiebsätze) auf die Fläche: für die Grundlastreviere Kell (3,2 rm/ha; 0,7 Rt/ha) und Mürlenbach (3,6 rm/ha; 1,3 Rt/ha); die Mittellastreviere Merscheid (3,8 rm/ha; 1,9 Rt/ha) und Manderscheid (3,8 rm/ha; 1,2 Rt/ha) sowie für das Schwachlastrevier Beurig (6,8 rm/ha; 2,1 Rt/ha). Wirtschafteten Hofkammer und Forstamt nachhaltig? Finanziell erreichten sie mit der Schlagwirtschaft einen in etwa gleichmäßigen Geldertrag. Die Mengenerträge nahmen hingegen nach 1780 stetig ab. Die Schlagwirtschaft hinterließ nach 30 Jahren Forstreviere, die entgegen den Prinzipien weniger Holzvorrat aufwiesen als zu Beginn dieser Bewirtschaftung. Insbesondere im bedeutendsten Forstrevier des gesamten Erzstifts, Kell im Hunsrück, war die Schlagwirtschaft von Forstamt und Hofkammer deshalb keine nachhaltige Wirtschaftsform. Vielmehr glich sie einer planmäßigen Entwaldung durch die Eigentümer. Der Holzproduktionswald lieferte in der letzten Dekade kommerziell in etwa 500 Stämme pro Jahr. Sie stammten insbesondere aus dem Forstrevier Zell an der Mosel. Als Käufer ließen sich alle namhaften Firmen der Region ausfindig machen, die am kapital- und gewinnträchtigen Holländerholzhandel beteiligt waren. Gleiches gilt für den nahe der Mosel im Kröver Reich gelegenen Kondelwald. Dort dokumentierten die Rechnungsunterlagen der Reichsgrafen von Kesselstatt einen fulminanten Anstieg der gewerblichen Holzverkäufe ab 1760 bei einem vergleichsweise stabilen Sockel von Kleinverkäufen. Die finanziell reizvolle Holzproduktion interessierte neben den Landesherren auch andere Waldbesitzer. Wo Holzproduktionswälder stockten, war zu-

VIII. Fazit

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nächst einmal unabhängig davon, wem sie gehörten. Es gelang zum ersten Mal, über zwei systematische Wege (Konsens und Erlösbeteiligung des Landesherrn) die Beteiligung von Gemeinden, Privaten und Klöstern an der Holzproduktion nachzuweisen. Der Gesamtumfang ihrer Holzverkäufe könnte in etwa dem landesherrlichen gleichgekommen sein. Der Volumenanstieg gegen Ende des Jahrhunderts weist vermutlich darauf hin, daß Gemeinden, Private und Klöster den Platz der Landesherren auf dem Holzmarkt einnahmen, als die Mengenerträge aus den Kammerwäldern zu sinken begannen. Für die Gemeinden waren Holzverkauf und -handel finanziell aufgrund ähnlicher Rahmenbedingungen (Preisniveau, Rentabilität) ebenso interessant wie für die Landesherren. Überdies eröffneten sich der Landbevölkerung bei der Schlagwirtschaft, sei es in eigenen Wäldern oder als Folge der Geschäfte in den Kammerwäldern, gute Verdienstmöglichkeiten (Hau, Aufarbeitung, Transport). An Finanzeinkünften der Gemeinden und ihrer Einwohner waren wiederum die Landesherren wegen der Schuldentilgung und Steuerkraft interessiert. Trotz der kommunalen finanziellen Interessen an der Holzproduktion prägten die Gemeinden den Wald vor allem mit dem Waldfeldbau und mit der Viehzucht: In den äußeren Bereichen ihrer Gemarkungen entstand der Landwirtschaftswald. In ihm spiegelt sich wider, wie die Landbevölkerung den Wald vorrangig natural in ihre Belange einband. Zusammen mit der Entnahme von Düngersurrogaten kam es langfristig zur Degradierung der Böden - eine Ansicht, der für den Kondelwald mit Bodenuntersuchungen widersprochen wurde. Es gab also auch regionale Abweichungen von diesem Trend. Wichtig ist darüber hinaus: Auch die Hofkammer war mit den von ihr betriebenen Kameralhöfen am Landwirtschaftswald interessiert. Der Jagdwald genoß in Kurtrier bis weit in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts hohes Ansehen und vereinigte große Personal- und Sachmittel auf sich. Die Jagd war insbesondere als Praxis der Raumbeherrschung belangvoll. Der Wildstand war ein entsprechend hochrangiges Ziel der landesherrlichen Bemühungen. Ab 1768 begannen sich mit der jagdpolitischen Wende unter dem letzten Erzbischof Clemens Wenzeslaus die Prioritäten von der ökonomisch aufwendigen Leidenschaft wegzuverlagern. Schließlich setzte die Hofkammer wegen der bäuerlichen Klagen über den Wildschaden an den Feldern vor allem in den bevorzugten Jagdgebieten im Niedererzstift bei Koblenz - die drastische Verminderung des Wildes in Gang. Der Verbißschaden, den das herrschaftliche Vieh dem unterdessen so in Ansehen und Bedeutung gestiegenen Holz zufügte, spielte bei dieser Wende keine Rolle, obwohl er den Verantwortlichen bekannt war. Von 1759-1792 steuerte der Holzproduktionswald 90% zu den gesamten Forsteinnahmen des Obererzstifts Trier bei. Überragenden Anteil an den Einnahmen des Holzproduktionswaldes hatte die Schlagwirtschaft. Ihre Bedeutung wies damit weit über den forstlichen Bereich hinaus. Auf relativ marginale Anteile kamen der Landwirtschaftswald (1%), der Jagdwald (4%) und die

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D. Praxis der Waldentwicklung

Strafgeldeinnahmen (5%). Letztere verstetigten sich in Kurtrier wie im Kröver Reich. Dort zeigte sich im Kern die gleiche Verteilung der Einnahmearten wie im Erzstift; je weiter sie sich zurückverfolgen ließ, desto größer werden die Anzeichen für eine höhere finanzielle Bedeutung des Landwirtschaftswaldes. In beiden Untersuchungsgebieten änderte dies jedoch nichts am fiskalischen Vorrang der Holzproduktion. Nach der Korrektur buchungstechnischer Besonderheiten stellte sich heraus: Zu den Einnahmen des gesamten Erzstifts Trier 1759-1794 trugen die Einnahmen des Forst- und Jagdwesens 10% bei. In der Hinteren Grafschaft Sponheim schwankte dieser Wert stärker; im Schnitt lag sein Anteil dort halb so hoch.

Ε. Kommunikation und Konflikt: Waldentwicklung in Kollegien, vor Gericht und vor Ort Die Waldnutzer gaben der Waldentwicklung Ziele vor und ergriffen praktische Maßnahmen. Die unterschiedlichen Zielvorstellungen und die andersgelagerte Praxis der Waldentwicklung brachte die Waldnutzer untereinander ins Gespräch. Sie kommunizierten und stritten über die Ausgestaltung und Gewichtung der einzelnen Waldtypen. Stätten dieser Kommunikation und Konflikte waren die landesherrlichen Gremien (Kollegien) genauso wie die Gerichte. Beides wirkte auf die Waldentwicklung vor Ort.

I. Eine einheitliche Obrigkeit? Innerobrigkeitliche Interessengegensätze bei der Ausarbeitung des kurtrierischen Forstgesetzes 1768-1786 Der Veröffentlichung des kurtrierischen Forstgesetzes 1786 gingen ausgiebige Beratungen voran, die 1768 begannen. Die Quellen darüber sind sehr aussagekräftig. Sie erlauben es, die Positionen der Beteiligten präzise herauszuarbeiten. So wird klar, daß es innerhalb der Obrigkeit, zu der auch die Landstände zu zählen sind, deutliche Differenzen über die Waldentwicklung gab. Bislang geht vor allem die Forstgeschichte, aber auch die Waldentwicklungsforschung noch zu sehr von einer einheitlichen Obrigkeit aus. Überdies streifte die allgemeinhistorische Forschung die Forstpolitik der Landstände bislang nur; 1 eine detaillierte Untersuchung fehlt. In erster Linie geht es also um Interessengegensätze innerhalb der Obrigkeit. Um dies zu zeigen, werden die Streitschriften und Gutachten exemplarisch analysiert. In zweiter Linie geht es allgemein um den Entstehungsprozeß eines Gesetzes. Dies ist ein Forschungsdesiderat innerhalb der Rechtsgeschichte. 2 Einführend werden die Akteure, ihr Zusammenspiel und wichtige Quellen vorgestellt. Anschließend ist die Diskussion der Sachfragen nachzuzeichnen. Es folgt ein knapper Blick auf die wissenschaftliche Begutachtung des Regelwerkes.

1 Peter BLICKLE, Landschaften im Alten Reich. Die staatliche Funktion des gemeinen Mannes in Oberdeutschland, München 1973, S. 553-559, zu Wildschadensklagen und Forstpachtverträgen; SCHÄFER, Politik mit der Holznot, S. 56, 187, zu Konflikten um Prunkjagden und Waldreformen. 2

SCHULZE, Gesetzgebung, S. 2 0 8 f.

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Ε. Kommunikation und Konflikt

1. Akteure (Kurfürst, Regierung, Hofkammer, Forstamt, Landstände und Ritter), Zusammenspiel und Quellen Die Ausarbeitung des kurtrierischen Forstgesetzes von 1786 beeinflußten sechs Akteure maßgeblich. Wie Sachfragen zu lösen und Kompetenzen zu verteilen waren, entschied definitiv der Landesherr. Er entwickelte sich dadurch genauso zum Zielpunkt für Vorbereitungen von Entscheidungen wie zum Ausgangspunkt von (Neu-) Regelungen. Clemens Wenzeslaus, der am 10.2.1768 mit 28 Jahren die Regierung in Kurtrier antrat, gilt aufgrund seiner reformerischen Ansätze in Verwaltung, Wirtschaft, Justiz, Bildungswesen und religiösem Leben als Vertreter des geistlichen Reformabsolutismus.3 Typischerweise stützte er seine Entscheidungen auf Gutachten und ausführliche Berichte der landesherrlichen Gremien, die oft in eigens zu speziellen Fragen gebildeten Kommissionen zusammentraten. Wer in diesen personell dominierte, konnte großen Einfluß gewinnen. Das betraf zunächst häufig den zweiten Akteur, die Landesregierung. Innerhalb der Regierung trat bei den Beratungen zum Forstgesetz besonders Johann Claudius de Lassaulx hervor. Er wurde nach juristischem Studium in Trier Amtmann in Zell und avancierte 1753 zum Revisionsrat am Revisionsgericht in Koblenz. Als Syndikus der Klöster St. Maximin und St. Matthias berief Clemens Wenzeslaus ihn 1768 mit 45 Jahren zum Geheimrat in die Landesregierung. In den 1780er Jahren war er tonangebend an der Landwirtschaftsreform beteiligt. Dies brachte ihm „eine ähnliche Stellung wie die eines Landwirtschaftsministers" ein.4 Mit Kurfürst und Landesregierung stand in engem Austausch die Hofkammer, der dritte Akteur. Sie war Eigentümerin der Kammerwälder. Für sie ergriff unter anderem ihr Syndikus Johann Christian Hermenegild Eschermann, der 1782 zum Hof- und Regierungsrat und Vize-Kammerdirektor, zwei Jahre später zum Geheimrat und Regierungsdirektor bestellt wurde, das Wort.5 Neben diesen klassischen Ressorts trat sodann als vierter Akteur das Forstund Jagdamt auf. Dieses dem Kurfürsten direkt unterstellte Hofamt geht mit 3

RAPP, Stadtverfassung, S. 15 f. mit weiterführender Literatur zur Person. Zur Begrifflichkeit vgl. Günter BIRTSCH, Aufgeklärter Absolutismus oder Reformabsolutismus? In: Aufklärung 9 (1996), S. 101-109. Generell auch: Eberhard WEIS, Der aufgeklärte Absolutismus in den mittleren und kleinen deutschen Staaten, in: Zs für bayerische Landesgeschichte 42 (1979), S. 3 1 ^ 6 . 4 ANTONI, Agrargeschichte Kurtrier, S. 76f.; Christine von HOININGEN-HUENE, Erinnerungen an Amalie von Lassaulx, Gotha 1891, S. V. Sein Urenkel konnte sich beruflich ausschließlich dem Forstfach widmen: Walther OTTENDORF-SIMROCK, Clemens von Lassaulx. Ein Beitrag zur Lebensgeschichte des „Vaters des Eifelwaldes", in: Eifel-Jb 1959, S. 100-105. 5 1794 stieg er zum Kanzler auf. Karl Z I M M E R M A N N , Johann Christian Hermenegild Eschermann, der letzte kurtrierische Kanzler. Ein Beitrag zur Familiengeschichte des ausgehenden Kurstaates, in: Trierisches Jb 1954, S. 23-29.

I. Eine einheitliche Obrigkeit?

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seiner Doppelspitze eines Oberforst- und eines Oberjägermeisters auf Kurfürst Karl Joseph zurück. Seine gesetzliche Grundlage erhielt es im kurtrierisehen Forstgesetz von 1720 unter Kurfürst Franz Ludwig. Der Doppelspitze unterstanden die örtlichen Revierförster und -jäger.6 Zwischen 1757 und 1768 war das obererzstiftische Forstwesen aus diesem Amt ausgegliedert. Domdechant und Statthalter in Trier, Franz Karl Freiherr von Boos-Waldeck, leitete dieses Oberforstkommissariat. Als Günstling des Kurfürsten Johann Philipp mußte er mit dem Regierungsantritt von Clemens Wenzeslaus das Oberforstkommissariat niederlegen.7 Unterdessen stieg der 1758 zum Jagdpagen und 1760 zum Jagdjunker und Hofkavalier ernannte Friedrich Wilhelm Freiherr von Trott zu Solz 1763 zum Oberforstmeister auf. Dieses Amt bekleidete er bis 1783, ebenso wie seine Ämter als Kämmerer und Geheimrat. An seiner Seite im Forst- und Jagdamt agierte von 1768 bis 1781 Geheimrat Freiherr Dücker von Haslau als Oberjägermeister, der das gleiche Amt bereits in Freising innegehabt hatte.8 Zahlreiche Geheim- und Hofkammerräte waren zugleich als Forsträte tätig, wodurch die Fachkompetenz durchaus auch außerhalb des eigentlichen Ressorts zu finden war und die hier vorgenommene Aufgliederung in der Praxis etwas weniger strikt zu erkennen ist. Diesen Akteuren innerhalb der landesherrlichen Administration standen die Landstände, der fünfte Akteur, gegenüber. Bedeutsam für den hier untersuchten Zusammenhang waren die Städte und von den elf Männerklöstern der gesamten geistlichen Landstände vor allem die bis 1570 reichsunmittelbare Abtei St. Maximin, sodann St. Matthias, Himmerod, Springiersbach und Maria Laach.9 Die Ritterschaft stellt den sechsten und letzten Akteur dar. Sie meldete sich bei der Ausarbeitung des Forstgesetzes nur kurz zu Wort. Die hier herangezogenen Quellen weisen nicht darauf hin, ob und inwieweit das Domkapitel die Ausarbeitung des Forstgesetzes beeinflußte, was freilich dadurch keineswegs ausgeschlossen ist. De Lassaulx sprach 1769 davon, Domkapitel und Landstände hätten Widerstand gegen das alte Forstgesetz geleistet, was die enge, auch personelle Verflechtung und deren Engagement in forstlichen Fragen zumindest andeutet.10 6

§§ 1-3 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 823-826. Das Forst- und Jagdamt sollte über den Oberhofmarschall Freiherrn von Kesselstatt mit dem Landesherren kommunizieren. 7 KREUZBERG, Trier-Frankreich, S. 43; RAAB, Clemens Wenzeslaus, S. 275-277, 283 schneidet die Konkurrenzsituation zwischen Boos und Clemens Wenzeslaus an; offenbar verlangte der Mainzer Kurfürst Emmerich Joseph, daß Boos aus allen Ämtern entfernt werde. 8 MICHEL, Forst und Jagd, S. 67 f. 9 Nach FABRICIUS, Erläuterungen, S. 159, entsandte auch das Kröver Reich einen Vertreter auf die Landtage. Grundsätzlich Dietrich GERHARD (Hg.), Ständische Vertretungen in Europa im 17. und 18. Jahrhundert, Göttingen 1969. 10 De Lassaulx an Clemens Wenzeslaus, 11.2. 1769, LHAK 1 C 8048, fol. 103. Einfluß

200

Ε. Kommunikation und Konflikt

Nach der Auflösung des obererzstiftischen Oberforstkommissariats beim Regierungsantritt von Clemens Wenzeslaus am 10. 2. 1768 war offenbar keine Seite daran interessiert, die bisherige, im Ober- und Niedererzstift seit elf Jahren unterschiedliche Organisation des Forstwesens beizubehalten. Für von Boos-Waldeck wurde daher kein Nachfolger berufen. Vielmehr befragte der neue Kurfürst sogleich Regierung und Hofkammer, wie das Forstwesen zu reorganisieren sei. Diese Anfrage mündete im Juli 1768 in das Präliminar-Forstgesetz. Sein Inhalt läßt darauf schließen, daß das Forstamt es in der Gunst der Umbruchstunde lancierte. Vermeintlich traf es lediglich jagdliche Regelungen, die bereits vorher in ähnlicher Form bestanden. Gut getarnt enthielt es indes auch eine Expansion forstamtlicher Befugnisse, die zunächst offenbar recht unbemerkt das Gesetzgebungsverfahren passierten. Doch danach regte sich rasch Widerspruch bei der Ritterschaft und den Landständen, wozu Regierung und Forstamt intern Stellung zu nehmen hatten. Bei dieser Gelegenheit erarbeitete Geheimrat de Lassaulx am 11.2. 1769, ohne daß der Kurfürst ihn eigens dazu beauftragt hätte, 24 Abänderungsvorschläge zu dem bereits erlassenen Präliminar-Forstgesetz. Sie markierten fortan die zentrale Diskussionsgrundlage für das neue Forstgesetz. Dieser Vorstoß verschaffte de Lassaulx entscheidende taktische Vorteile im weiteren Verlauf: Er wußte die Gunst einer Offensive auf seiner Seite. Doch Anfang 1770 antwortete der Kurfürst zunächst den Beschwerdeträgern. Die Ritterschaft scherte danach aus den schriftlichen Protesten aus. Die Landstände legten hingegen regelmäßig umfangreicher werdende Beschwerden vor, wobei sie mit einzelnen Punkten bereits vor 1768 vorstellig geworden waren. 11 Zunehmend systematischere, nahezu jährliche und schließlich von der gesamten Landstandschaft getragene Forderungen lassen sich so in den Forstakten ab 1768 nachweisen. 12 Zwar handelte es sich bei den Eingaben keineswegs immer um neue, sondern vor allem um stets wiederholte Klakonnte das Domkapitel generell auf und durch die Stellenbesetzung der landesherrlichen Kollegien ausüben. 11 So werden in den hier untersuchten Akten erwähnt: 1729 (LHAK 1 C 8054, fol. 28), 1754 (ebd., fol. 31-33) und 1765 (ebd., fol. 179f. enthält auch die Antwort Haacks auf die Beschwerden mit dem Verweis auf den Rechtsweg). Eine Untersuchung der obererzstiftischen weltlichen Protokolle 1712-1769 konnte diese Erwähnungen erhärten. Vgl. STAT L 1/9 (Register), L 1/11 und Ll/12, jeweils ohne Folierung. 12 Durch das obererzstiftische Direktorium 1768 (LHAK 1 C 8054, fol. 40f.); durch alle Stände gemeinsam auf den Land- oder Ausschußtagen: 1770 (1 C 8051, fol. 57), 1772 (ebd., fol. 56), 1773 (1 C 8054, 45 f., erste gemeinsame Vorstellung geistlicher und weltlicher Stände), 1774 (ebd., fol. 46f., zweite gemeinsame Vorstellung), 1776 (ebd., dritte gemeinsame Vorstellung), 1777 (.Himmerod-Gutachten der Stände', 1 C 8048, fol. 451 f.; danach, fol. 451, seien die Beschwerden über das Oberforstamt seit jeher „ein vorzüglicher Gegenstand" der Landtage gewesen), 1778 (1 C 8054, fol. 54-57) und 1779 (1 C 8050, fol. 665-694). Da die hier herangezogenen Archivalien unverkennbar die zentralen landständischen Dokumente enthielten, erübrigte es sich, in den Ursprungsbeständen nachzuforschen, wenngleich so fraglos etwa die hier nicht zu behandelnden Bedingungen und Funktionsweisen landständischer Politik wesentlich präziser hätten herausgearbeitet werden können.

I. Eine einheitliche Obrigkeit?

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gen. Dennoch gewannen die landständischen Beschwerden innerhalb dieses Jahrzehnts - mit einem deutlichen Höhepunkt 1778 - nicht nur an Präzision und Vehemenz, sondern auch an Fundierung. Nachdem der Kurfürst erstmalig im Dezember 1777 die Landstände nicht wie ehedem sogleich mit dem Hinweis auf die bestehende Klagemöglichkeit vor den Landesgerichten abgewiesen hatte, sondern im Gegenteil die Direktorien förmlich aufforderte, ihre Beschwerden mitzuteilen, entfalteten diese noch im gleichen Monat eminent wichtige Aktivitäten: In zahlreichen Ämtern und Städten ließen sie akribisch die Klagen der Landbevölkerung über den Zustand und die Einrichtung des Forstwesens erfassen und dokumentieren. So gewannen die 14 Beschwerdepunkte des landständischen Gravamens vom 28. 3. 1778 ein breites empirisches Fundament. 13 Ob darin freilich der alleinige Grund dafür zu sehen ist, warum die landesherrlichen Kollegien erst in den späten 1770er Jahren neben der regen Schreibtätigkeit, durch die sie sich auch vorher bereits auszeichneten, konkretere Maßnahmen veranlaßten, ist zu bezweifeln. Denn das forstliche Gravamen reihte sich nicht nur nahtlos ein in eine ganze Serie grundlegender Beschwerden, die gleichzeitig vorgetragen wurden, sondern war, wie diese, vor allem Teil eines umfassenden politischen Geschäftes, einer „do ut des"-Einstellung 14 zwischen Landständen und Landesherrn: Letzterer erwartete kräftige Zuschüsse für die neue Residenz in Koblenz und deutete die Möglichkeit politischer Zugeständnisse an. Am 23. 12. 1776 hatte Clemens Wenzeslaus die Landstände offiziell über seine Baupläne informiert; die politische Chance, sich nun die Erfüllung ihrer Forderungen gegebenenfalls kaufen zu können, entging den Landständen nicht. Im Landtagsreceß vom 27. 9. 1777 sagten sie 185000 Rt Baugeld zu, 1781 bewilligten sie weitere 200000 Rt. 15 Ihre Zahlungen knüpften Klöster und Städte an die Bedingung, daß zuvor ihre forstlichen Beschwerden ausgeräumt werden müßten. Es handelte sich also um ein Junktim. Clemens Wenzeslaus ließ sich darauf am 31. 12. 1777 scheinbar ein, indem er die Landstände offiziell aufforderte, ihre forstlichen Beschwerden detailliert vorzulegen. Die versprochene eingehende Prüfung bedeutete jedoch

13

LHAK 1 C 8050, Landständische Untersuchung, Dezember 1777, fol. 3 1 1 ^ 0 1 . Diese Quelle wird in ihren Einzelelementen erst im folgenden Abschnitt diskutiert. Dabei geht es dann auch um ihren Quellenwert. Da sie stark in die landständische Politik hineinspielt, kann sie hier nicht übergangen werden, obwohl dies zu einigen kleineren Wiederholungen führt: Die Landstände gaben ja vor, lediglich gemeindliche Belange vorzutragen. 14 JÜTTE, Sprachliches Handeln und kommunikative Situation, S. 173. 15 RAPP, Stadtverfassung, S. 37, 275-281. Die von ihm aufgezählten landständischen Forderungen sind um dieses forstliche Gravamen zu ergänzen. Er stützt sich auf Archivalien und DOLLEN, Verflechtungsraum Koblenz/Ehrenbreitstein, S. 41 —47. Ebd., S. 45, erwähnt er die Beschwerden über das Forstamt, die abgestellt werden sollen; die Erläuterung in Anmerkung 90 ist allerdings zu korrigieren. Nach ebd. belief sich der Gesamtkostenvoranschlag für den Residenzbau von 1781 auf 417.075, 5 Rt. HOININGEN-HUENE, Amalie von Lassaulx, S. VI, merkt einen wesentlichen Einfluß de Lassaulx' auf den Residenzbau an. Dieser Zusammenhang auch in LHAK 1 C 8053, fol. 1.

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Ε. Kommunikation und Konflikt

noch keineswegs, daß der Kurfürst den Forderungen nachgab. Vielmehr sollte sich erweisen, daß es sich wohl eher um einen klugen landesherrlichen Schachzug handelte. Das Geld nahm der Kurfürst an, die Gegenleistungen erfüllte er nur spärlich. Diesem nachdrücklichen außerforstlichen Impuls folgten innerhalb kurzer Zeit der Detailentwurf eines Forstgesetzes von de Lassaulx und die gründlichen Kommentare sowohl des Forstamtes wie auch der Hofkammer. Bemerkenswert ist dabei, daß das Grundkonzept des Forstgesetzes somit nicht, wie man durchaus hätte erwarten können, auf das Forstamt zurückgeht. Das Forstamt konnte vielmehr lediglich darauf reagieren. Clemens Wenzeslaus wiederum hatte bereits 1771, 1773 und 1776 mit Einzel Verordnungen die Besch werdeursachen teilweise abzustellen gesucht. 1777 aber sah sich der Kurfürst offenbar genötigt, diese Direktiven nachdrücklich zu bekräftigen - was sich gegenüber den Landständen wirksam anführen ließ. Fragen der Waldaufsicht und Frevelbestrafung wurden damit bereits vor dem neu zu erarbeitenden Forstgesetz novelliert. Offenbar konnten diese Neuregelungen den Kern der landständischen Beschwerden aufweichen; bis 1789 traten die Landstände jedenfalls nur noch mit Spezialwünschen auf. Dafür verlagerte sich der Schwerpunkt der Auseinandersetzung in den frühen 1780er Jahren in die landesherrlichen Kollegien hinein. Gewiß spielte hier die Ablösung des ständefreundlichen Konferenzministergespanns HohenfeldLaRoche mit eine Rolle. Von Duminique begrenzte ab 1782 den ständischen Einfluß stärker.16 Wie Regierung und Forstamt seit 1768 begann nun auch die Hofkammer massiv, ihre Interessen in der stellenweise erbittert geführten Auseinandersetzung um die stichhaltigeren Argumente und die Gunst des Kurfürsten zu vertreten, wobei ihr zugutekam, daß sich de Lassaulx augenscheinlich nicht mehr mit forstlichen, sondern nun mit rein landwirtschaftlichen Themen befaßte. Im Tauziehen dieser drei Kollegien (Hofkammer, Regierung, Forstamt) um die Bestimmungen des neuen Forstgesetzes unterlag schließlich das jüngste unter ihnen, das Forst- und Jagdamt. Der Landesherr löste es 1783 auf und entließ oder versetzte seine obersten Beamten. Das ebnete intern den Weg zu einer einvernehmlichen Lösung zwischen den beiden verbleibenden stärkeren Partnern, Hofkammer und Regierung, deren Räte das neue Gesetz abschließend berieten. Der Veröffentlichung am 31. 7. 1786 ging nur noch die wissenschaftliche Begutachtung durch Professoren der Universität Heidelberg voraus. Ein Blick auf die während der Beratungen entstandenen Quellen soll diese Einführung abrunden. Sie sind aus drei Gründen aussagekräftig: Erstens beleuchten sie das Vor- und Umfeld der Dekrete sowie des Forstgesetzes von 1786. Im Detail weisen sie den Ursprung aller Paragraphen nach.17 Darüber 16

KURZBIOGRAPHIEN vom Mittelrhein und Moselland. Hg. von der Arbeitsgemeinschaft für Landesgeschichte und Volkskunde im Regierungsbezirk Koblenz, u.a., o.O., o.J., S. 111, 120. 17 LHAK 1 C 8056, fol. 11-361 enthält in der linken Spalte den Entwurf des Forstgesetzes

I. Eine einheitliche Obrigkeit?

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hinaus sind Interna, die ansonsten nicht zu rekonstruieren sind, in zeitgenössischen Schilderungen der Abläufe enthalten.18 Zweitens dokumentieren insbesondere die landständischen Gravamen, mit welcher Resonanz landesherrliche Politik zu rechnen hatte und wie die Spitzenbeamten damit umgingen. 19 Drittens lassen sich die Argumentationslinien aller Akteure präzise nachzeichnen, etwa bei ihrem jeweiligen Kommentar zum Forstgesetzentwurf oder zu den landständischen Beschwerden. So hält bereits das zeitgenössische Material selbst die sich aufdrängenden Divergenzen der Positionen bereit und macht transparent, woran die Beteiligten interessiert waren und wer sich wie durchzusetzen vermochte. Wie eng das Gesetzgebungsverfahren einerseits und die landständischen Suppliken andererseits zusammenhingen, dürfte bereits die Schilderang des äußeren Ablaufs verdeutlicht haben. Um dem Wechselspiel zwischen ihnen gerecht zu werden, empfahl es sich, diese beiden Stränge integriert statt getrennt darzustellen. Jeweils ausgehend von den landständischen Beschwerdepunkten wird die Position des Forstamts ebenso auszuloten sein wie der weitere Verlauf der Diskussion und die Entscheidungsfindung.

von de Lassaulx, rechts den paragraphen weisen Kommentar von Trotts. Der Entwurf von de Lassaulx ist eine Abschrift des Forstamts und liegt - soweit ersichtlich - nur in dieser Form vor. Er dürfte dem Original entsprechen, schließlich konnte das Forstamt kein Interesse daran haben, ihn abzuändern. Die Hofkammer nahm nicht zu allen, aber doch zur überwiegenden Mehrzahl der Paragraphen Stellung; ihre Standpunkte sind angeführt in 1 C 8053, fol. 41-183. Grundsätzlich vermerkt HÄRTER, Kurtrier, S. 617, daß die zentrale Verordnungssammlung (LHAK 1 C 1112-1119) ebenfalls Konzepte enthält; daraus wurden hier keine Materialien herangezogen. 18 Ein vermutlich im Frühjahr 1783 in Hofkammerkreisen verfaßtes Promemoria .Irrungen im Forstwesen und dessen künftige Einrichtung betreffend' öffnet einige Perspektiven auf die Ränkespiele und spart auch nicht an deutlichen Worten über Beteiligte; LHAK 1 C 8057, fol. 31r-47v (zit. als ,Hofkammer-Promemoria'). In seinem Positionspapier malte der Geheime Hof- und Forstrat Haack im Juni 1778 unterschiedliche Interessenlagen innerhalb der Landstande aus und wies auf persönliche Beziehungen hin; er tat dies ausdrücklich in seiner Funktion als Regierungs- und nicht als Forstrat; 1 C 8054, fol. 11-125, Datierung ergibt sich aus 56f. (zit. als ,Haack Promemoria'). Hinzuzuzählen ist außerdem das Rechtsgutachten von 1782 für das obererzstiftische Direktorium im Streitfall zwischen der Abtei Himmerod und dem Forstamt. Der Syndikus der obererzstiftischen geistlichen Stände könnte es verfaßt haben; warum und wie dieses interne landständische Papier in die Forstamtsakten gelangte, ist unklar. 1 C 8048, fol. 4 5 1 ^ 8 3 , Datierung ergibt sich auf fol. 466 (zit. als .Himmerod-Gutachten der Stände'). 19 Da die Landstände in ihrem Gravamen von 1778 ihre Beschwerdepunkte bündelten, mag es hier genügen, für diese Frage im wesentlichen dieses Dokument heranzuziehen, ohne im einzelnen nach früheren, gleichlautenden Beschwerden zu forschen. Nachgewiesen sind die 14 landständischen Anliegen linksspaltig in einer Abschrift des Forstamts, die zugleich auf der rechten Seite von Trott und seine Kollegen im Forstamt kommentierten, in 1 C 8052, fol. 7-155. Auch hier erschien es unbedenklich, die Abschrift zu verwenden, was hätte eine Verfälschung genutzt?

204

Ε. Kommunikation und Konflikt

2. Der

Holzproduktionswald

Die Landstände kritisierten die Bestimmungen des Holzproduktionswaldes nur bei der Holznutzung. Während sie also auf keinerlei forstliche Maßnahmen drängten, reklamierten sie, Eigentümern und Berechtigten sei die Nutzung der Waldungen versagt worden, um sie in „die Schlinge zu zwingen". 2 0 Überdies sehe sich die Bevölkerung mit einer durch Verwaltungsgebühren angefachten Kostenexplosion beim Holzbezug konfrontiert. Da das Forstwesen „Ökonomia und Ersparnisse im Holzwesen" 2 1 bezwecke, dürften nur Mittel angewendet werden, die diesem Ziel dienten. „[...] Wie sehr bey der Macht des Privatnutzens eine gemeinnützige Anstalt ausarten könne", zeigten die „neu erfundenen Weege von Abgaben", womit sie Gelder für Besichtigung, Berichte, Anweisung und Verpflegung meinten 2 2 Diese den landesherrlichen Bediensteten im Rahmen der Prüfung und Durchführung gemeindlicher Holzgesuche zustehenden Gelder summierten sich derart, daß sie sich bei Holzverkäufen im Wert von 30-100 Rt auf die Hälfte und bei Veräußerungen im Wert von 500 oder 1000 Rt auf ein Fünftel oder ein Zehntel beliefen. 2 3 Zudem fordere das Forstamt von verkauftem Holz den 10. Pfennig. Außerdem überstiegen die Anweisungskosten oft den Wert des Stammes selbst, und bei der Anzeichnung müsse dem Revierjäger neben „übermäßigem Essen und Trinken, noch 6 bis 8 Alb. abgegeben werden". 2 4 Oberforstmeister von Trott ergriff verständlicherweise Partei für die Revierjäger und hielt den Vorwürfen mit einer gesetzestreuen Argumentation entgegen: Seine Untergebenen hätten anordnungsgemäß nur unschädliche Schläge anzuweisen, die Konsenspflicht binde daher beide Seiten, und auch die Revierjäger seien nicht ermächtigt, sich darüber hinwegzusetzen. Die Pflichterfüllung aber könne ihnen kaum angelastet werden. 2 5 Auch die Einzelmaßnahmen vor den gemeindlichen Holzfällungen verteidigte von Trott. Die Besichtigung des Waldortes durch Beamte, Revierjäger und Gemeindevertreter war seit dem 18. 6. 1776 ausdrücklich vorgeschrieben, sie „einer verächtlichen Critic aus zustellen", sei eine „unerhörte Vermessenheit". 26 Im einzelnen sei es nicht ratsam, den Gesuchen ohne Ortstermin zu entsprechen, über die Besichtigung müsse auch berichtet werden. Die Anweisung und Entlohnung vollziehe sich nach den Richtlinien des Forstgesetzes von 1720 27 und dem Dekret vom 22. 2. 20

LHAK 1 C 8052, fol. 44, 103. Ebd., fol. 52 f. 22 Ebd., fol. 54-68, 68 (1. Zitat), fol. 54 (2. Zitat). 23 Ebd., fol. 113 f. 24 Ebd., fol. 118. 25 Ebd., fol. 104. 26 Ebd., fol. 56 (beide Zitate). Verordnung Kurtrier 1776, Scotti Nr. 724, S. 1276 f. Danach standen für Prüfung, Begutachtung und Bericht bei kommunalen Holzfällungsgesuchen dem Beamten 3, dem Revierjäger 1 Gulden rheinisch als Gebühr zu. 27 Dort ist jedoch nicht, wie er auflistete, von 2 Albus, sondern von 2 Petermännchen (= 6 21

I. Eine einheitliche Obrigkeit?

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1723, wonach diese Beträge auch für die Bevölkerung beim Holzabsatz anfielen. 28 Daß die Revierjäger generell Verpflegung verlangten, sei ihm nicht bewußt, allerdings könnten sie diese an entlegenen Stellen, wenn man sie ihnen anböte, kaum ausschlagen. Geschickt lenkte er dann ab auf die Gemeindedeputierten und die durch sie entstehenden Kosten. Es kämen oft statt zwei bis vier kommunaler Vertreter zwölf mit zur Abmessung, die auf Kosten der Käufer äßen und tränken, sich „im Wald wacker verlustiget" hätten und sich nachher aus der Gemeindekasse entlohnen ließen. 29 „Daß die Abgaben sich vergrößert," so räumte der Oberforstmeister ein, „mag seyn", er führte dies jedoch auf die unerläßlichen Kontrollen vor kommunalen Holzverkäufen zurück. Erneut war er bestrebt, seine Revierjäger aus dem Kreuzfeuer der Kritik zu nehmen, diesmal, indem er die der Regierung unterstellten Amtsverwalter angriff: Bei der Versteigerung ließen sie sich „vermuthlich" Gebühren zahlen, was vor allem ihnen selbst nutze, jedoch durchaus nicht der Bevölkerung. Diese müsse die Beamten „vor allem biegsam machen", dürfe sie bei der Besichtigung nicht „drücken", um sie „bei gutem Willen zu erhalten". Was man gemeinhin den Revierjägern vorwerfe, gehe „hierbey dreyfach auf'. 3 0 Der 10. Pfennig falle unter die Gerechtsame, stehe somit nicht zur Disposition. 31 In einem privaten Brief an den Kurfürsten wehrte sich von Trott gegen die in diesem Zusammenhang offenbar intern von Kammerrat Lippe gegen ihn erhobenen Vorwürfe. Dieser hatte behauptet, so berichtete der Oberforstmeister, jährlich würden in Privat- und Gemeindewaldungen 60000 Klafter Holz gefällt und daraus Einkünfte für den Chef der Forstverwaltung errechnet, welche die des Kanzlers LaRoche dreimal überträfen. 32 Offenkundig sann Lippe darauf, von Trott dadurch persönlich zu diskreditieren. Der Oberforstmeister entgegnete, die Einschläge beliefen sich pro Jahr lediglich auf 10000 Klafter in den fraglichen Wäldern und seien auch in den Kammerwaldungen nicht so hoch, wie „ausgeschrien werden will". Daher wolle er, von Trott, „recht gerne und sicher ohne Schaden [...] mit gedachtem Herrn Kanzler einen Tausch deren Einkünften eingehen". Ohnehin seien es wohl eher Neid und Mißgunst, die hier die Diskussion beherrschten. 33 Die Stammgelder seien schließlich eingeführt worden, um den Forstmännern „Fleiß und Obsorge" beizubringen. Indem ihnen „ein genuß zuwachset, so ist derenselben auch natürlicher weise daran gelegen, daß Albus) die Rede. Vgl. § 8 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 828 und LHAK 1 C 8052, fol. 53-60. 28 Verordnung Kurtrier 1723, Scotti Nr. 385, S. 868f. Davon stand 1 Albus dem Oberforstmeister zu, den anderen teilten sich Förster und Jäger. 29 LHAK 1 C 8052, fol. 61-65, 65 (Zitat). 30 Ebd., fol. 115 (1. Zitat), fol. 116 (alle weiteren Zitate). 31 Ebd., fol. 119. 32 Der spätere Kanzler Eschermann bezog: 730 Rt, 5 Fuder neuen Wein, 20 Klafter Holz, 2 Malter Weizen, 40 Malter Korn, 80 Malter Hafer, insgesamt im Wert von 1365 Rt. Nach ZIMMERMANN, Eschermann, S. 24. 33

LHAK 1 C 8056, fol. 380-382, 381 (1. Zitat), fol. 382 (2. Zitat).

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Ε. Kommunikation und Konflikt

die Waldungen gut behandelt, die Schläge verschonet, und überhaubt durch ihre gute obsorge dahin gebracht werden, womit bald wieder eine Holtzfällung darinnen könne vorgenommen werden". Davon profitiere auch der Waldeigentümer, „weil er durch eine solche gute forstmäßige aufsieht seine Waldungen mehr und öfters, dan sonsten geltend machen kann". 34 De Lassaulx wähnte dessenungeachtet im Stammgeld den Hauptgrund dafür, daß Revieijäger Holzeinschlägen Schadlosigkeit attestierten.35 Da von Trott selbst nicht unbeträchtlich von diesen Stammgeldern profitierte, die zwischen ihm als Oberforstmeister und dem Revieijäger aufgeteilt wurden, legt seine inhaltliche Argumentation allerdings nahe, daß er persönliche Vorteile sichern wollte - einerlei, ob dies zutraf oder nicht, der Ansatzpunkt von Lippe, um von Trott auszuhebeln, war gut gewählt. Gleichwohl erhielt das Forstamt nach außen gegenüber den Landständen nicht nur in dieser letzten Zurückweisung beträchtliche Unterstützung durch die Hofkammer. Die Anweisung selbst sah die Hofkammer als „eines der wichtigsten und unentbehrlichsten Stücken der Forstwirthschaft wordurch allein die Mißbräuche eigener [= gemeindlicher und landständischer] Willkühr beschränket, schädliche Holtz Schläge verhütet, und künftigem Holtzmangel vorgebogen wird." 36 Warum diese Vormundschaft, von der die Bevölkerung also profitiere, unentgeltlich ausgeübt werden solle, sei nicht einzusehen. Denn weder ersetzten die Strafgelder die Kosten für die Revieijäger, führte die Hofkammer an, noch sei etwa die Justiz gratis. Ebenso wie bei dem 10. oder 30. Pfennig sei es unbegründet, das Stammgeld als neue Abgabe zu titulieren. Die Gebühren trügen schon seit jeher teilweise zum Lohn der Revieijäger bei, ihnen hingegen ein ständiges Gehalt zukommen zu lassen, bedeute einen „beträchtlichen Verlust" für die Hofkammer, der sich auf 2000 Rt pro Jahr beliefe.37 Die Stammgelder im Kammerwald aufzuheben und statt dessen den Bediensteten eine Diät zu zahlen, hatte Hofrat und Forstsyndikus Haas vorgeschlagen, obwohl von Trott mit dem Hinweis auf die dann zu erwartende nachlassende Arbeitsmotivation dies ablehnte. Den Kurfürsten überzeugte offenkundig diese Position von Hofkammer und Oberforstmeister, denn er beschied 1779, daß die Stammgelder den Revierjägern weiterhin als Teil des Lohnes zustehen soll-

34

LHAK 1 C 8056, fol. 383 (1. und 2. Zitat), fol. 384 (3. Zitat). De Lassaulx .Unparteiische Betrachtung über die forstamtliche Waldfrevelbetätigung und die Verwaltung der gemeinen Waldungen', LHAK 1 C 19462, fol. 49. 36 LHAK 1 C 8053, fol. 103-129, 104f. (Zitat). 37 Ebd., fol. 129. Der Nutzen der Anweisung, die, wie in allen Ländern, auch in Kurtrier schon vor 1500 als Grundsatz angenommen worden sei, war für die Hofkammerräte so unstrittig wie ihre Vergütung. Vgl. ebd., fol. 105. Den Vergleich zur Justiz präsentierte auch von Trott dem Kurfürsten, 20. 12. 1777, 1 C 8056, fol. 384. Die Verlustberechnung fußte auf einem jährlichen Einschlag von 20000 Klaftern in kurfürstlichen und anderen Wäldern sowie einem Preisansatz von 3 Rt/Kl. Für jeden Rt waren 2 Alb. fällig = 2000 Rt. Vgl. ,HaackPromemoria*, LHAK 1 C 8054, fol. 84f. 35

I. Eine einheitliche Obrigkeit?

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ten.38 Zu den weiteren mit den Landständen in diesem Zusammenhang strittigen Fragen äußerte sich der Landesherr hingegen nicht. Im Rahmen der Holznutzung wurden, wie bei der forstlichen Behandlung des Waldes mit Schlageinteilung und Pflanzungen, innerhalb der landesherrlichen Administration zahlreiche weitergehende, von den Landständen nicht angesprochene Fragen behandelt. Zur Holznutzung eigene Holzhauer von den Amtern anstellen zu lassen, wie die Regierung es beabsichtigte, lehnte das Forstamt ab, denn es seien nicht genügend Hauer vorhanden, und insbesondere die Hüttenherren unter den Käufern bevorzugten ohnehin ihr eigenes Personal. Generell 25 Samenbäume auf abgetriebenen Schlägen stehenzulassen, wies von Trott als zu pauschal angesichts der unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten zurück. Ihre Kennzeichnung mit Stroh verwarf er ebenso wie die Hofkammer als völlig unpraktisch, während beide den Axtanschlag - diesmal für die nicht zu fällenden Bäume - anpriesen. Von Trott lehnte sowohl die Zweifachkennzeichnung ab, welche die Regierung wegen der besseren Kontrollmöglichkeit forderte, als auch die geplante Bestimmung, das Holz bis zum 1. 3. eines jeden Jahres aus dem Wald abzutransportieren, was er beispielsweise bei 1000 Klaftern für unmöglich hielt.39 Bei der Frage der Holzhauer und dem Zweifachanschlag setzte sich die Regierung durch, die 25 Hägereiser wurden schließlich nur für die Gemeindewälder verordnet, bei der Regelung zum Holzabtransport konnte das Forstamt überzeugen.40 Während de Lassaulx 1769 zunächst noch für Waldtage, an denen die Bevölkerung zur Holzlese den Wald betreten durfte, votiert hatte, wollte er sie 1778 abgestellt wissen. Denn diese Einrichtung schädige den Unterwuchs, eine Begründung, die das Forstgesetz so übernahm.41 Die weitreichende Empfehlung de Lassaulx', alle Behölzigungsrechte der Bevölkerung durch eine Kommission vertraglich regeln zu lassen, hielt weder das Forstamt für zweckmäßig, das „einen Brunnen unerschöpflicher Prozessen, so zum Nachteil der Hofkammer sich endigen" befürchtete, noch die Hofkammer, welche die Klärung von Streitfällen als Gerichts·, nicht als Policeysache ansah. 1786 wurde so daraus die Empfehlung, sich gütlich zu einigen, und falls dies unmöglich sein sollte, den Rechtsweg zu suchen 4 2 Doch stimmte man trotz dieser Differenzen vor allem in Kernfragen überein: So lobte von Trott ausdrücklich den Plan, keinesfalls umfangreichere Schläge zu gestatten, als der Gemeindewald ertragen könne, sowie den Verkauf

38 Grundsätze der neuen Forstordnung', o.V. [Haas?], o.D. [1778/9?], LHAK 1 C 8050, fol. 489; von Trott an Clemens Wenzeslaus, 20. 12. 1777, 1 C 8056, fol. 385; Clemens Wenzeslaus, 19. 7. 1779, LHAK 1 C 8052, fol. 167. 39 LHAK 1 C 8056, fol. 78-85, 104f.; 1 C 8053, fol. 60. 40 §§ 42f., 131 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1390, 1412. 41 De Lassaulx an Clemens Wenzeslaus, 11.2. 1769, LHAK 1 C 8048, fol. 166; 1 C 8056, fol. 201-204; § 122 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1409f. 42 LHAK 1 C 8056, fol. 116-118, 117f. (Zitat); LHAK 1 C 8053, fol. 63-65; § 64 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1395.

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Ε. Kommunikation und Konflikt

kommunaler Holzlose erst dann gutzuheißen, wenn die Notdurft gesichert sei. 43 Die von de Lassaulx innerhalb der forstlichen Behandlung des Waldes angeregten Forst- und Grenzbeschreibungen hielten Forstamt und Hofkammer für richtig; das Forstamt empfahl außerdem geometrische Kartenaufnahmen für Kammer- und Gemeindewälder, was vermehrt um einige Details den Weg in das endgültige Gesetz fand. Die Hofkammer vermochte sich demgegenüber nicht damit durchzusetzen, aus Kostengründen nur alle sechs Jahre die Waldgrenzen zu beschreiben. 44 Entscheidender war die Schlageinteilung. De Lassaulx formulierte sie lediglich für die Gemeindewälder, davon ausgehend, die Kammerwaldungen seien bereits alle in Schläge eingeteilt. Dies bestritt von Trott, unterließ es aber, dem Entwurf eine entsprechende Regelung hinzuzufügen 4 5 So war es die Hofkammer, die diesen Punkt vorantrieb, weil tatsächlich nicht alle ihre Waldungen eingeteilt waren: Hatte 1768 noch die Taxation der Wälder und eine genaue Buchführung der eingeschlagenen Mengen für sie im Vordergrund gestanden, erlangte nun die Schlageinteilung oberste Priorität 4 6 Der Kurfürst dekretierte sie bereits gesondert drei Jahre vor dem Forstgesetz. Das mochte am Reiz der außergewöhnlichen Begründung liegen, mit der sich die Hofkammer in diesem allerdings ohnehin unstrittigen Punkt Gehör verschaffte: Der spätere Kanzler Eschermann hatte am 18. 7. 1779 zunächst sein eigenes Kollegium, die Hofkammer, davon überzeugt, daß dadurch „alles bisherige Suppliciren und laufen des Unterthanen um die Anweisung seines zur eigenen Feurungs-Nothdurft ausgesetzten Gehölzes, [und] alle desfallsigen Berichts- Expeditions und Canzley Gebühren ein für allemal" 47 überflüssig wären, die Bevölkerung somit ungehindert ihr Eigentum genießen und darin vor Eigensinn und Willkür der Amtsverwalter wie Forstbeamten sicher sein könne. Diese Argumentation - und das ist hier bedeutsam - suchte also nicht den forstlichen Zusammenhang. Vielmehr beabsichtigte Eschermann, mit der Schlageinteilung die Wälder kostengünstiger, einfacher und konfliktfreier zu verwalten. Gerade in der Frage der Verwaltung sahen sich ja die landesherrlichen Behörden massiv der Kritik ausgesetzt, und außerdem hatte sie zu Verstrickungen untereinander geführt 4 8 Der obererzstiftische Hofrat und Forstamtssyndikus Haas hatte dem beigepflichtet und zugleich detailliertere Vor« LHAK 1 C 8056, fol. 208-210, 216f. 44 LHAK 1 C 8056, fol. 34, 38, 40 [165-168 gleichlautend zum Gemeindewald], 201; 1 C 8053, fol. 48; §§ 20, 37 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1385, 1389. Die Häufigkeit, mit der das zu geschehen hatte, dekretierte man letztlich nicht. 45 LHAK 1 C 8056, fol. 56-59, 201-206. De Lassaulx verwirklichte damit seine eigene Empfehlung vom 11.2. 1769, im Gemeindewald alle Bestände, die nicht zur täglichen Feuerung oder Weide dienten, in Schläge einzuteilen. Vgl. LHAK 1 C 8048, fol. 165-167. 46 Hofkammer an Clemens Wenzeslaus, 18.5. 1779, nach: .Hofkammer-Promemoria' LHAK 1 C 8057, fol. 37r; Hofkammer an Clemens Wenzeslaus, 6. 5. 1768, LHAK 1 C 8048, fol. 20f. 47 ,Hofkammer-Promemoria', 19. 7. 1779, LHAK 1 C 8057, fol. 37r-37v, 37r (Zitat). 48 Sie ging ein in § 172 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1422.

I. Eine einheitliche Obrigkeit?

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schlage unterbreitet, bei denen er wiederum klassisch argumentierte: Die Einteilung der Wälder in Schläge ermögliche, „selbe in ergiebigster maaß" zu benutzen, gleichzeitig Anpflanzung und Anwuchs zu befördern und folglich Mangel und Teuerung zu begegnen. Er pries das luxemburgische, lothringische und fränkische Beispiel, wo seit längerem in Eichenwäldern ein 40jähriger Umtrieb eingerichtet worden sei, bei dem die Schläge nicht vollends geerntet würden. Nicht einmal der Eckerich vermindere sich dadurch, er nähme vielmehr durch luftigere Bestände zu. Für Gemeindewaldungen hielt er in jedem Fall an der Einteilung fest, zu kleine Wälder verschiedener Eigentümer könnten dabei für die schlagweise Abteilung auch zusammengefaßt werden. 49 Am 8. 5. 1783 verfügte Clemens Wenzeslaus, innerhalb von drei Jahren alle Wälder in Schläge einzuteilen und jährlich abzutreiben, eine Bestimmung, welche das Forstgesetz später noch präzisierte. 50 Die Pflanzungen, die bereits im Forstgesetz von 1720 verordnet wurden, griff de Lassaulx in seinem Entwurf auf. In Kamerai- wie Gemeindewaldungen sollten auf „darzu schicklichen Ländereyen" wilde Baumschulen aus Laub-, auf schlechtem Grund auch aus Nadelholz angelegt werden. Forstamt und Hofkammer stimmten dem zu. Weitergehend hießen sie von Trotts Einwand gut, dort gleich junge Bäume zu setzen, wo die Weidefläche nicht einzuhängen war; es sollte dabei getestet werden, ob die Vorschläge überhaupt praktikabel waren. Die Bedenken der Hofkammer, Baumschulen bei den Waldungen lockten zu viel Wild an und Generalverordnungen berücksichtigten die klimatischen, geologischen und hydrologischen Unterschiede der Gebiete nicht ausreichend, wurden hingegen nicht beachtet. Anpflanzungen hatte die Hofkammer grundsätzlich selbst bereits 1768 ausdrücklich angeraten. 51

3. Der

Landwirtschaftswald

Beim Landwirtschaftswald zielte die landständische Kritik nicht auf die Einhängung als Schutzinstrument an sich, sondern auf deren konkrete Anwendung. Die Landstände monierten, die Revierjäger hängten die Wälder so ein, daß die Viehherden die gestatteten Waldweiden nicht erreichen konnten, ohne ein Delikt zu begehen. Außerdem dauerten die Schließungen so lange an, daß

09 .Einteilung der Wälder, Waldaxt und Behölzigung', Haas, o.D. [Herbst 1779?], LHAK 1 C 8050, fol. 517-526. 50 Clemens Wenzeslaus, 8. 5. 1783, LHAK 1 C 8057, fol. 72r-75v; vgl. auch HofkammerPromemoria ebd., fol. 45r; § 6 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1381. Dieser Paragraph trägt inhaltlich eine deutlich andere Handschrift als die anderen. 51 § 18 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 832f.; LHAK 1 C 8056, fol. 51-54, 51 (Zitat), 173-177, 224-226; 1 C 8053, fol. 49, 85-87; Hofkammer an Clemens Wenzeslaus, 6. 5. 1768, 1 C 8048, fol. 20f.; vgl. oben und die §§ 35, 105 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1388, 1404f.

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Ε. Kommunikation und Konflikt

es an Weidegrand mangele. 52 Diese Rügen verbat sich Oberforstmeister von Trott, indem er auf die Bestimmungen des alten Forstgesetzes verwies, die seine Untergebenen vorschriftsmäßig ausgeführt hätten. Sie achteten darauf, möglichst viel Weidefläche beizubehalten; Klagen nehme die Regierung entgegen. Im übrigen stehe der Nutzen der forstamtlichen Maßnahme für die Bevölkerung beispielsweise im Flecken Herschbach klar vor Augen. Dort konnte Oberjäger Knorz durch die Einhängung den Zustand der Gemeindewaldung so verbessern, daß die Gemeinde „trotz Kriegs- und teuren Brotzeiten" finanziell gut ausgestattet sei, was sich in mehrerlei Hinsicht zeige: an dem Neubau der Kirche, einer „teuren Orgel und sonstigem Zubehör", einer neuen Straße durch den Ort, schiefergedeckten Dächern, Feuerspritzen aus gemeindlichen Geldern und einer Kapitalanlage aus Holzverkaufserlösen. 53 Für die Regierung betonte de Lassaulx, daß Berechtigungen zwar einerseits nicht beschnitten werden sollten, daß aber andererseits die Dienstbarkeiten auch nicht die Sache, auf der sie ruhten - also den Wald, den sie betrafen - zerstören dürften. So sei die Viehweide mäßig auszuführen. 54 Um den Konflikt grundsätzlich auszuräumen und nicht nur zu entschärfen, hatte er 1769 befürwortet, den Viehstand nach Gemarkungsgröße durch Amtsverwalter und leitende Forstbeamte festlegen zu lassen, eine Anregung, die zwar in das Forstgesetz von 1786 aufgenommen, aber nicht abschließend entschieden wurde. Die Hofkammer hatte lapidar die Einhängung gefordert. 55 Die Antwort des Kurfürsten überging diesen Beschwerdepunkt stillschweigend und handelte ihn nur global mit dem Hinweis auf Verwaltungsänderungen ab. 56

4. Der Jagdwald Die Bestimmungen zum Jagdwald trafen ebenfalls nur auf geringen Widerstand der Landstände. Dafür meldeten sich die Ritter zu Wort. Mit ihnen waren weniger die im Präliminar-Forstgesetz geringfügig gegenüber 1720 modifizierten Schußzeiten an sich strittig als vielmehr deren zugleich verlangte generelle 52

1 C 8052, fol. 103. Ebd., fol. 104-107, 107 (beide Zitate). Nach dem neuen Forstgesetz sollte die Einhängung andauern, bis die Viehweide keinen Schaden mehr anrichtete - das währte im Zweifelsfall länger, als nach der Regel zu verfahren, die Schläge zu öffnen, wenn sie „dem Bisse völlig entwachsen" sind, wie de Lassaulx es vorgeschlagen hatte. Vgl. 1 C 8056, fol. 162. Auch bei der Mast, deren Bestimmungen de Lassaulx dem alten Forstgesetz entnahm, war er sich mit von Trott darin einig, daß junge Schläge dabei geschont werden müßten. Vgl. ebd., fol. 137-143. Bei den Rotthecken entgegnete von Trott de Lassaulx, bereits die von diesem vorgesehene zweite Aussaat sei schädlich, und konnte sich damit durchsetzen. Vgl. ebd., fol. 243 f. und § 151 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1416. 54 1 C 8056, fol. 160-162. 55 1 c 8048, fol. 167f. und § 143 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1415; Hofkammer an Clemens Wenzeslaus, 6. 5. 1768, LHAK 1 C 8048, fol. 20. 56 1 C 8052, fol. 165. 53

I. Eine einheitliche Obrigkeit?

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Einhaltung in allen Jagdrevieren - auch in denen der Ritter.57 Diese sagten zwar zu, sich in Koppeljagden, also in Gebieten, in denen mehrere Personen zur Jagd berechtigt waren, daran zu halten, wobei der Revierjäger mit gutem Beispiel vorangehen sollte, da er sie ansonsten benachteilige. In ihren Privatjagden wollten die Adligen jedoch keinerlei zeitliche Jagdbeschränkung dulden. Analog zu den kurfürstlichen Revieijägern, die ganzjährig für die Hofküche schössen, wollten auch sie nach gleichem Recht ihren privaten Bedarf dekken dürfen. 58 Bei diesem vergleichsweise marginalen Punkt dürfte es ihnen auch darauf angekommen sein, ihre Gleichrangigkeit mit dem Landesherren zu dokumentieren. Des weiteren lehnten sie es ab, ihre Jagdberechtigung ausschließlich durch eigene ausgebildete Jäger ausüben zu lassen. Für deren Unterhalt aufzukommen sei beim Ertrag ihrer Güter zu aufwendig. Insbesondere gelte dies auf entfernterem Grundbesitz, weswegen man weiterhin beabsichtige, dort angelernte Ortsansässige heranzuziehen.59 Beides sollten Verordnungen von 1757 und 1759 unterbinden, die den Rittern aber angeblich bis zu ihrer erneuten Publikation im Rahmen des Präliminar-Forstgesetzes unbekannt geblieben waren. 60 Die forstamtliche Stellungnahme vom 20.1.1769 lehnte das ritterschaftliche Gesuch ab, das Präliminar-Forstgesetz zu ändern, und gab dem Kurfürsten zu bedenken, eine Umwandlung könne seinem Ansehen schaden.61 Für die Regierung begutachtete de Lassaulx die Einwände. Die Schonzeit sollte nur die kurfürstlichen Jäger binden, die privaten Jagdberechtigten wollte er zeitlich nicht einschränken. Auch sollten die Ritter in entfernteren Besitzungen angelernte Personen zur Jagd auf Kleinwild anstellen dürfen, da dies entgegen der Meinung des Forstamts keineswegs Müßiggänger und Wilddiebe anziehe 62 Über die eigentlichen Streitpunkte hinausgreifend, schlug de Lassaulx andere Jagdzeiten vor, um die Feldfrüchte besser zu schützen. Nicht die Interessen, das Wild optimal zu hegen - woran die Bestimmungen sich bislang orientierten - , sollten danach für die Fristen ausschlaggebend sein, sondern die Bedürfnisse der Landwirtschaft. Das mußte ihm, der sich auch intensiv mit der Landwirtschaft befaßte, ein unmittelbares Anliegen sein. Wann die Jagd im Frühjahr endete, war dabei kaum so bedeutsam wie ihr Beginn im Herbst. Denn in den kälteren Gegenden waren oft bei Jagderöffnung die Feldfrüchte noch nicht geemtet. De Lassaulx plädierte deshalb engagiert, kenntnisreich und ausführlich zwar für ein festes Ende der Jagd am 1.3. jeden Jahres, aber auch für ihren jährlich und regional je nach Klima von den Ämtern flexibel

57

§ 2 Verordnung Kurtrier 1768, Scotti Nr. 670, S. 1217. Vorstellung des Freien Reichsadels (gedruckt), 6. 8. 1768, 1 C 8048, fol. 50f. 59 Ebd., S. 51 f. 60 Vgl. Verordnungen Kurtrier 1757, 1759, Scotti Nr. 574, 592, S. 1105, 1113. 61 De Lassaulx an Clemens Wenzeslaus, 11. 2. 1769, LHAK 1 C 8048, fol. 92-94. 62 Ebd., fol. 117-122, 175 f. Er stützte sich dabei auf entsprechende Regelungen aus Kurköln und -bayern. 58

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Ε. Kommunikation und Konflikt

festzulegenden Beginn. 63 Am 8. 1. 1770 beschied der Kurfürst die Eingabe der Ritterschaft abschlägig, indem er beschloß, daß es bei der 1768 verordneten, generellen Heg- und Setzzeit blieb. Offensichtlich hatte ihn de Lassaulx' ritterfreundliche Position nicht überzeugt. Allerdings genehmigte er den Rittern, entferntere Gebiete jagdkundigen Personen anzuvertrauen. 64 Damit ließen sich die Ritter in diesen jagdlichen Fragen offenbar zufriedenstellen. Noch im gleichen Jahr beschwerten sich aber die Landstände über zwei weitere, ganz anders gelagerte Punkte: den Wildschaden und die Jagdfronen. Obwohl das Präliminar-Forstgesetz 1768 den Revierjägern befohlen hatte, den Wildbestand zu reduzieren 65 , beklagten Klöster und Städte 1770, 1772 und 1778 landwirtschaftliche Schäden durch die Tiere. Sie seien inzwischen so bedeutend, daß mehrere hundert Morgen Ackerfläche unbebaut bleiben müßten und daneben Schäden an Feldfrüchten und Weinbergen sowie Bewachungskosten hervorgerufen würden, denen nicht einmal bei der Hofkammer ein entsprechender Ertrag gegenüberstünde 6 6 Auf der anderen Seite bestritt Oberforstmeister von Trott, daß der Schaden tatsächlich so immens sein sollte und deswegen selbst ganze Felder unbestellt blieben. 67 Seiner Ansicht nach war der Wildstand für zuverlässige Lieferungen an die Hofküche eher zu gering, weshalb „viel weniger an ein Jagen zur höchsten plaisir Ew. kurfürstin. Durchlaucht gedacht werden kan" 6 8 Solange zudem in angrenzenden Hoheitsgebieten das Wild nicht geschossen werde, sei der Einfluß des Kurstaates auf den Wildstand auch in eigenen Wäldern begrenzt. Jagd und Wildhege befand er für notwendig: um die landesherrliche Jurisdiktion aufrechtzuerhalten, die Jäger zu entlohnen und die Hofküche zu versorgen. Schließlich diene sie dem Hofstaat zur Lustbarkeit, was im Ausland auch nicht anders sei, weshalb nicht nach dem unmittelbaren Nutzen zu fragen sei. Schäden seien im übrigen zu melden und würden dann ersetzt 6 9 Die Schäden von der Hofkammer nach Taxation durch die Ämter vergüten zu lassen hatte schon frühzeitig auch Regierungsreferent de Lassaulx empfohlen und da63

Ebd., fol. 111-116, 173f. Clemens Wenzeslaus an den Freien Reichsadel (gedruckt), 8. 1. 1770, LHAK 1 C 8048, fol. 53 f. 65 § 6 Verordnung Kurtrier 1768, Scotti Nr. 670, S. 1220. 66 LHAK 1 C 8052, fol. 126. 67 Dennoch räumten später selbst kurfürstliche Dekrete ein, daß das Schwarzwild vorerst die Feldfrüchte weiterhin schädige, weil der Befehl, es nicht weiter zu hegen, sich nicht so rasch auswirke. Verordnung Kurtrier 1783, Scotti Nr. 783, S. 1331 f. 68 Von Trott an Clemens Wenzeslaus, 19. 9. 1772, 1 C 8051, fol. 59. Geheimrat de Lassaulx konnte es sich offenbar bereits 1769 nicht verkneifen, leicht polemisch zu notieren, den Jagdbediensteten sei der Wildbestand ohnehin stets zu gering. Vgl. 1 C 8048, fol. 126. Dem hielt von Trott, 1 C 8051, fol. 59 entgegen, solange sich nur ein Stück Wild blicken lasse, würden die Bauern klagen. 69 LHAK 1 C 8052, fol. 127-132; von Trott an Clemens Wenzeslaus, 19. 9. 1772, 1 C 8051, fol. 58 f. 64

I. Eine einheitliche Obrigkeit?

213

mit die gleichlautende, aber allgemein gehaltene landesherrliche Absichtserklärung aus dem Präliminar-Forstgesetz präzisiert. 70 Ein Jahr zuvor hatte das Oberforstamt dekretiert, daß Wildschäden nur erstattet werden sollten, wenn die Gemeinden die vorgeschriebenen Wildhüter angestellt hatten. 71 Dies regelten Dekrete 1783 und 1784. 72 1779 stellte der Kurfürst klar, daß Wildschäden nach Meldung ersetzt würden; die Untertanen dürften aber keinesfalls zur Selbsthilfe greifen, indem sie das Wild schössen. Unnachgiebig zeigte er sich beim zweiten Beschwerdepunkt, den Jagdfronen. Sowohl Wildbretlieferungen an den Hof - und sei die Entfernung aus einzelnen Ämtern auch noch so groß - als auch Treiberdienste bei der Jagd seien Fronarbeiten, die nicht zur Disposition stünden. 73 Dies hatten Klöster und Städte gefordert. 7 4 Während sich die Regierung zu diesem Punkt ausschwieg, konnte sich der Kurfürst darin auf die einhellige Meinung sowohl der Hofkammer wie auch des Forstamts stützen. Beide hoben den Charakter der Jagdfronen als landesherrliche Gerechtsame hervor, deren Abbruch unter allen Umständen zu verhindern sei. 75 Bei Detailregelungen - Salzlecken, Plankenersatz und Gräbeneinschließung der Dörfer - waren sich Regierung und Forstamt einig, obgleich von Trott anmerkte, die Regelungen seien kaum generell zu treffen oder würden ohnehin kaum beachtet werden. 7 6

5. Die

Strafverfolgung

Diese drei Diskussionskreise mit den Landständen und innerhalb der landesherrlichen Administration über die Waldtypen können über eines nicht hinwegtäuschen: Die Kernpunkte der Auseinandersetzung lagen auf den Gebieten Strafverfolgung und Verwaltung. Hier waren alle Seiten weitaus am stärksten engagiert. a) Bezweckt das Forstamt den „Weg zur Strafe"? Bei der Deliktverfolgung nahmen die Landstände an dreierlei Anstoß. Zunächst beschwerten sie sich über die Höhe der Straf- und Gebührenmaße, die 70

De Lassaulx an Clemens Wenzeslaus, 11. 2. 1769, LHAK 1 C 8048, fol. 124f., 177. Verordnung Kurtrier 1768, Scotti Nr. 675, S. 1223. 72 Verordnungen Kurtrier 1783, 1784, Scotti Nr. 783, Bemerkung, S. 1331 f. 73 Clemens Wenzeslaus an Landstände, 19. 7. 1779, LHAK 1 C 8052, fol. 169. 74 LHAK 1 C 8052, fol. 108, 124. 75 Von Trott an Clemens Wenzeslaus, 19. 9. 1772, LHAK 1 C 8051, fol. 60-63 und 1 C 8052, 108f., 124. Gleichwohl räumte das Forstamt ein, einzelne Gemeinden nicht mehr als fünf- bis sechsmal pro Winter zur Jagd heranziehen zu wollen und die Fronleistungen dafür besser zu verteilen. Die Hofkammer hatte ja bereits 1768 den Plan unterbreitet, in den entlegenen Ämtern die Jagd teilweise zu verpachten oder aber das Wild dort zu verkaufen und statt dessen das Geld nach Koblenz zu schicken. Vgl. Hofkammer an Clemens Wenzeslaus, 6. 5. 1768, 1 C 8048, fol. 18-20. 76 LHAK 1 C 8056, fol. 48-51.

71

214

Ε. Kommunikation und Konflikt

willkürlich verhängt und oft auf das Zehnfache erhöht würden. So seien beispielsweise für einen widerrechtlich geschossenen Hasen 20 Rt Buße fällig. Daneben sähe sich die Bevölkerung beträchtlichen Verwaltungsgebühren ausgesetzt, was ausführlich belegt wurde: Sechs - angeblich völlig zufällig ausgewählte - „arme Unterthanen" aus dem Amt Saarburg hätten zusammen 27 Rt und 34 Albus an diesen „Unkosten" neben der Strafe aufbringen müssen. Dies rühre nicht zuletzt daher, daß zur Ahndung der Delikte jedesmal der Oberforstmeister, der Forstinspektor und ein besonderer Forstservateur von Amt zu Amt zögen und das Forstgesetz von 1720 außer Kraft setzten, indem sie „aus dem blutigen Schweiß des armen Landmanns zehren und Diäten ziehen", die sie schlechterdings niemals ordnungsgemäß auflisteten.77 Die zweite Beschwerde knüpfte hier an und betraf die Vollstreckung der Geldstrafen. Vielfach würden die Ackerbaugerätschaften, Vieh, Haus, Hof und Güter der Delinquenten versteigert, die wegen des „Geldmangels" lediglich ein Viertel ihres Wertes erzielten, und Strafen würden auf diese Weise „ohne Erbarmung erpresset".78 Diese „unerhörte Art zu requirieren" ziehe zahlreiche bedenkliche Folgen nach sich: So hätten sich nicht nur „Kummer und Elend auf dem platten Land verbreitet" und „Unterthanen und Wald zu gründe" gerichtet. Zukünftig könne es überdies dazu kommen, daß es der Landbevölkerung unmöglich sei, die Landessteuern zu zahlen. Auch daß die Gemeinden für Frevelschäden an ihrem Eigentum noch nie entschädigt worden seien, beklagten die Landstände.79 Schließlich rückte drittens das Forstpersonal selbst ins Zentrum der Supplik. Hier bemängelten Klöster und Städte, die Revieijäger mißhandelten die Jagdfronpflichtigen und zögen aus ihrer Nebentätigkeit als Wirte Vorteile, indem sie nur denjenigen im Dorf Holz anwiesen, die auch ihre Gäste gewesen seien. Grundsätzlich sei das Forstpersonal nur auf Geld bedacht und daher keineswegs bemüht, Delikte zu verhindern, sondern im Gegenteil an diesen interessiert. Das Forstamt bezwecke geradezu „den Weg zur Strafe" und nutze dabei den „äußersten Bedürfniß-Zwang" des Untertans aus, auf Weide und Holz angewiesen zu sein.80 Der wiederum versuche, sich für die Beschränkungen und Strafen schadlos zu halten „und stahl ärger, das Forst-Amt verdoppelte und vervielfältigte die Straafen, requirierte, verkauffte, was ihm am nächsten ware, und so vermehrte es in einer immerwährenden Fortschreitung das Elend der Landtieute, und den allgemeinen Mangel am Gehölze."81 Sehr bedeutsam ist, daß es die Landstände waren, die dem Forstamt in diesem Zusammenhang vorwarfen, zum Holzmangel beizutragen. Alle Argu-

77

LHAK 1 C 8052, fol. 28, 78f., 112, 133-135, 134 (1. Zitat), fol. 78 (2. Zitat). LHAK 1 C 8052, fol. 28, 91 f., 92 (beide Zitate). 79 Ebd., fol. 24 (3. Zitat), fol. 28 (1. und 2. Zitat), fol. 123, 135. so Ebd., fol. 28, 43f., 48f., 99, 108, 48 (beide Zitate). 81 Ebd., fol. 49. 78

I. Eine einheitliche Obrigkeit?

215

mente gipfelten schließlich in diesem drastisch geschilderten Teufelskreis, der durch Verelendung, Steuerausfälle und Holzmangel die Grundlagen des Kurstaates - ohne daß die Landstände dies explizit hervorhoben - gefährde. Für seine verhängnisvolle Dynamik sei ganz allein eine Institution verantwortlich: das Forstamt. Ausführlich setzte sich das derart als Zielpunkt der Kritik anvisierte Forstamt mit diesen drei Beschwerdegruppen (Höhe der Strafen, Vollstreckung, Forstpersonal) im Rahmen der Deliktahndung auseinander. Die Straf- und Gebührenmaße seien entgegen den Behauptungen nur selten einmal überhaupt so hoch, wie es das Forstgesetz vorschreibe. Der Eindruck höherer Bußen rühre daher, daß in den Zeiten der Brotpreissteigerungen die Verfolgung zurückgestellt worden sei, die nunmehr lediglich wiederaufgenommen werde (Fig. 19). Klöster und Städte verhängten übrigens, so das Forstamt, selbst höhere Strafen. Die Rechtmäßigkeit der eigenen Strafen ließe sich an den Frevellisten nachprüfen. So sei sowohl die Buße von 20 Rt für den Hasen wie auch die Berechnung der Verwaltungsgebühren in Saarburg rechtens, was von Trott im Detail nachwies. Die Vergehen von Forstbediensteten bei der Strafverfolgung selbst seien mittlerweile abschließend untersucht worden, so etwa im Amt Cochem, wobei er selbst nicht für Subalterne hafte. 82 Ebenfalls unzutreffend sei, daß das leitende Forstpersonal an allen Orten bei den Ahndungen zugegen sei. Nur „wo es die Not erfordert" - etwa in den Ämtern Manderscheid, Saarburg, Welschbillig, Grimburg und Daun, d.h. wo sich Amtsverwalter und Kellner selbst davon fernhielten - habe man eingegriffen und die festgelegten Gebühren bezogen. Diese seien nicht zuletzt wegen der weiten Reitstrecken gerechtfertigt, auch die landständischen Vertreter würden schließlich bei Kommissionen nicht zu Fuß gehen.83 In diesem Kontext ließ es sich von Trott nicht entgehen, die allgemeine Bedeutung von Bestrafungen zu unterstreichen: Ohne sie ließe sich die Ordnung nicht aufrechterhalten. Das Beispiel der von der Bevölkerung „geschonten" Kastanienallee bei Kärlich und anderer „Verschönerungen" verdeutliche, wie positiv sich die so „nahe Anwesenheit des höchsten Landesherren" auswirke.84 Als in „vorgewesenen bedrängten Zeiten aus mitleydiger Rücksicht" gegenüber der Bevölkerung die Betätigung ausgesetzt wurde, hätten sich die Straftaten sogleich gehäuft. Um die „Unterthanen stets hin in denen Schranken zu hal-

82

Ebd., fol. 9f., 34-37, 90, 101, 112, 135-143; Forstamt an Clemens Wenzeslaus, 8. 10. 1777, LHAK 1 C 8051, fol. 46f.; zur Höhe der Strafen und zu den Dienstvergehen vgl. auch mit gleicher Argumentation von Trott an Clemens Wenzeslaus, 20. 12. 1777, 1 C 8056, fol. 372-375; § 65 Forstgesetz Kurtrier 1720, Scotti Nr. 371, S. 847, legte für einen Hasendiebstahl 30 Gulden (= 20 Rt) fest. Als entkräftet stellten sich nach der entlastenden Aussage eines städtischen Zeugen auch die Erpressungsvorwürfe gegen Wildmeister Schmidt dar. 83 LHAK 1 C 8052, fol. 82 (Zitat). 84 Ebd., fol. 50 (alle Zitate).

216

Ε. Kommunikation und Konflikt

ten, und [die Ahndung der Delikte] zu erleichtern", empfahl der Oberforstmeister, die Forststrafen zukünftig zweimal jährlich zu verhandeln. 85 Da die Kellnereien damit betraut seien, nicht sofort gezahlte Strafen und Gebühren einzutreiben, müßten die Kellner für Fehler und Willkür haften; das Forstamt sei nie mit „Exekutionen" und Versteigerungen zugange gewesen. Die skizzierten dramatischen Folgen der Strafverfolgung wies von Trott ebenfalls zurück. Träfen die Schilderungen zu, könnten bereits jetzt kaum mehr die Landsteuern aufgebracht werden. Im übrigen leiteten sich die Schwierigkeiten „auf dem platten Landt" viel eher aus der schlechten landständischen Wirtschaft her: der „unnötigen Verzehrung auf Landtags-Versammlungen", unzureichender Aufsicht über General- und Spezialeinnehmereien der Steuerverwaltung und dem daraus entstandenen Verlust, „willkührlichen BesoldungsZulagen" sowie den Kosten, die Gerichte, Beamte und Boten verursachten. 86 Auf die angeblich ausbleibende Entschädigung der Waldeigentümer erwiderte das Forstamt, wer seinen Schaden nicht melde, könne auch keinen Ersatzanspruch erheben; wer sich dagegen an die Behörden gewandt habe, der sei auch entschädigt worden. 87 Von Trott hielt den Landständen entgegen, es sei „unschicklich", den landesherrlichen Bediensteten vorzuwerfen, sie verknüpften mit dem Zapfen dienstliche Verrichtungen; auch Beamte und Bürgermeister in Koblenz seien Wirte, und dort sei dies doch um einiges belangvoller. Dem Forstamt und seinem Personal gehe es nicht im geringsten um Gelderhebungen, „sondern nur um Beförsterung [sie!] des gemeinen Wohls". Er selbst habe sich beispielsweise weder Untersuchungen in Gemeindewäldern noch Holzanweisungen eigens entlohnen lassen, außerdem „ansehnliche Presente" von Klöstern und Städten ebenfalls alle ausgeschlagen. 88 b) Behördenkonkurrenz um die „Beförsterung des gemeinen Wohls" Es kostete das Forstamt also bereits einige Mühe, sich dieser landständischen Vorwürfe, mögen sie auch übertrieben oder unberechtigt gewesen sein, zu erwehren. Die Antwort auf die Frage, ob die Vorwürfe zutrafen, war für dieses vergleichsweise junge Hofamt indes weniger brisant als allein schon die Tatsache, daß sie so massiv auftauchten und sich die Gremien neben ihrer regulären Tätigkeit damit befassen mußten. Beides schadete dem Ansehen des Forstamts und der Verrichtung seiner Aufgaben an sich bereits. Außerdem schimmerte hier bereits das später bei den Beschwerden über die Verwaltung deutliche Hauptinteresse der Landstände durch, das Forstamt als Einrichtung an sich 85

Ebd., fol. 81 (1. Zitat), fol. 152 (2. Zitat). D i e s empfahl später auch der badische Oberforstrat und Professor in Heidelberg, Karl Friedrich Graf von SPONECK, Über den Holzdiebstahl, eine staats- und forstwissenschaftliche Abhandlung, Heidelberg 1823, S. 2 3 f. 86 87 88

Ebd., fol. 36, 3 8 f . , 9 2 f . , 9 7 f . , 9 2 (1. Zitat), 38 (2. Zitat), 3 8 f . (3. Zitat), 39 (4. Zitat). Ebd., fol. 101. Ebd., fol. 3 0 - 3 2 , 102 (1. Zitat), fol. 31 (2. Zitat), fol. 3 0 (3. Zitat).

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beim Landesherren so zu diskreditieren, daß sein Weiterbestehen unhaltbar wurde. „Die hierunter [bei den landständischen Gravamina] verborgene Leydenschaft und gefährliche Absicht zu des Forst-Amts vermeintlicher Zernichtung laset sich", so meinte von Trott denn auch, „mit Händen greifen". 89 Nicht ganz unzutreffend schloß er andernorts, daß die Landstände diesen Zeitpunkt gut gewählt hätten, da es „an beyhülflicher Handbietung" nicht fehle. 90 Damit spielte er auf die Verbindung der Landstände mit de Lassaulx an. Er kam nicht umhin, dies dem Kurfüsten - als ein die Vorwürfe pauschal entkräftendes Argument - zu bedeuten. Auch Geheimrat Haack erkannte die „Ecrasierung des [...] Forstamts mit dessen Jägern, als das Haupthinderniß" des ständischen Vorhabens, sich aller forstlichen Obrigkeit zu entledigen; deswegen verunglimpften die Landstände die „Jäger allgemein [als] Spitzbuben" und „Blutigelen, welche sich vom Schweiß der Unterthanen nähreten". 91 In der Auseinandersetzung mit de Lassaulx verwies von Trott in einem Brief an den Kurfürsten am 20. 12. 1777 außerdem auf die persönliche Note in der Auseinandersetzung: De Lassaulx sei „ein nicht wenig abgeneigter des Forstamts und haubtsächlich meiner Person", die Dispute seien von einer „besonderen Beschimpfung meiner [von Trotts] Person" gekennzeichnet. De Lassaulx sollten daher die forstlichen Fragen zugunsten von „ohnbefangenen" Räten entzogen werden, die unter Beteiligung des Forstamts das Forstgesetz entwerfen könnten. 92 Wiederholt schlügen sich in untauglichen oder zweckwidrigen Paragraphen des Juristen zudem dessen mangelnde Kenntniß über die Forstwissenschaft und -praxis speziell in Kurtrier nieder 93 , womit sich von Trott fraglos unterschwellig selbst als der einzig Kompetente zu profilieren versuchte. 94 Der de Lassaulxsche Forstgesetzentwurf ziele in zahlreichen Bestim-

89

Ebd., fol. 119 (beide Zitate) Von Trott an Clemens Wenzeslaus, LHAK 1 C 8056, fol. 361. 91 ,Haack Promemoria', 1778, LHAK 1 C 8054, fol. 53 (1. Zitat), fol. 53f. (2. und 3. Zitat). Ebd., fol. 74f., sah er das landständische Ansinnen darin, das Forstamt „zu einem gleichmäßigen nichts" zu machen. 92 Von Trott an Clemens Wenzeslaus, 20. 12. 1777, LHAK 1 C 8056, fol. 367 f. (1. Zitat), fol. 371 (2. Zitat), fol. 368 (3. Zitat); ebd., fol. 357. 93 Von Trott an Clemens Wenzeslaus, LHAK 1 C 8056, fol. 347, wo er de Lassaulx zwar bescheinigt, viele Handbücher und die Forstgesetze von Luxemburg und Lothringen gelesen zu haben, gleichwohl dadurch noch keine Einsicht in die erzstiftischen Forstsachen erlangt habe. Ebd., fol. 108-115 weist der Oberforstmeister dem Juristen nach, daß er seinen Plan, alte Stöcke ausgraben zu lassen, aus einem Forstgesetz entnahm, das sich auf Nadelholz bezogen haben muß, was in Kurtrier aber nicht vorkomme. Da Laubbäume anders als diese aber tief wurzelten, sei die Regelung umständlich und teuer. Ebd., fol. 176 wandte von Trott sich gegen die geplante Pauschalregelung zur Ödlandaufforstung, deren Verfasser sich über die Landesgegend „nicht gründlich informiert" zeige. 94 Im Gegensatz zu de Lassaulx habe er „nichts aus Büchern entlehnt" und kenne das Forstfach „in seinem ganzen Umfange, und seiner ganzen Zergliederung"; „etliche zwanzigjährige Dienstleistung, Mühe und stetes Verwenden" ermöglichten es ihm, „mit Grunde sprechen zu können". Ebd., fol. 115. 90

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mungen grundsätzlich vor allem auf eines: ihn, von Trott, außer „aller activität" zu setzen.95 Umgekehrt mag de Lassaulx sich durch von Trott, der ja einem in den letzten Jahrzehnten ertragsstarken Bereich vorstand, in seiner Position als Agrarfachmann - fachlich und persönlich - gefährdet gesehen haben. Doch auch dieser Hilferuf von Trotts vermochte kaum, das Forstamt aus dem Zangengriff zu befreien, in dem es sich unversehens befand: Denn neben der Ständevertretung attackierte auch die Regierung das Forstamt massiv. Ihr mochte zunächst daran gelegen sein, eine alte Rechnung mit dem Forstamt zu begleichen. Traditionell war die Strafverfolgung - nicht nur die forstliche - den Beamten und Kellnern anvertraut.96 Diese hatten das Nachsehen, als sie sich ab 1741 bei der Forststrafverfolgung einer fremden Behörde fügen mußten.97 Begründet wurde diese Neuaufteilung der Zuständigkeiten unter Kurfürst Franz Georg mit „Exekutions-Weigerungen der Lokalbeamten", denen eine „Straflosigkeit der Forst-Frevler" gefolgt sei.98 Als Ursache des Kompetenzwirrwarrs mußten auch die Zeitgenossen die Kollision der allgemeinen niederen Strafgerichtsbarkeit der Ämter mit der speziellen forstlichen erkennen. Ziel der Kompetenzverlagerung war es, die Forststrafgesetze (besser) zu verwirklichen. Offenbar erfüllten die Forstbeamten die in sie gesetzten Erwartungen, ja übertrafen diese sogar noch: So kam es spätestens seit 1768 neben den durch die Landstände vermittelten Beschwerden der Bevölkerung auch zu direkten Eingaben über die zu scharfe Frevelverfolgung.99 Es war de Lassaulx, der am 9. 8. 1768 einen Bericht des Amts Verwalters von St. Wendel, wonach die Bevölkerung über Vergehen des Jägers Lauerburg klagte, innerhalb der Regierung taktisch äußerst gewandt einsetzte. Er verknüpfte ihn mit der Forderung, die Be-

95

Ebd., fol. 116. Alte Amtsordnung und Erneuerung: Verordnung Kurtrier 1574, 1718, 1719, Scotti Nr. 113, 354, 360, S. 495 f., 769, 790-797. 97 Obwohl das Forstgesetz 1720 nicht bestimmte, wer die Frevel ahnden sollte, ging de Lassaulx von der verantwortlichen Leitung durch das Forstamt aus, die allerdings erst 1738 in einem kurfürstlichen Dekret an den Amtmann in Saarburg „zur Observanz" gelangte. Dieses mündete dann drei Jahre später in die angesprochene generelle, allerdings nur vermeintliche Klarstellung. Denn das Dekret ließ offen, ob das Forstamt durch eigene Bedienstete Delikte bestrafen durfte. De Lassaulx verneinte dies, da die Bestimmungen die Beamten ausschlossen. Vgl. .Unparteiische Betrachtung über die forstamtliche Waldfrevelbetätigung und die Verwaltung der gemeinen Waldungen', LHAK 1 C 19462, fol. 2-8, 5 (Zitat in Fußnote). Bereits 1710 waren die Forst- und Jagdbediensteten bei der Ergreifung der Delinquenten eingeschaltet worden, was im nachhinein wie der erste Schritt der Kompetenzverlagerung wirkt, zumal sie dafür von den Geldstrafen ein Drittel erhielten. Verordnung Kurtrier 1710, Scotti Nr. 317, S. 749 f. 96

98

Verordnung 1741, Scotti Nr. 489, S. 1020. Auch 1761 hielt ein Dekret den Beamten ihre unregelmäßigen Ahndungen allgemeiner Delikte vor; Verordnung Kurtrier 1761, Scotti Nr. 614, S. 1129f. 99 Da sie unmittelbar an die ,Obrigkeit' gerichtet waren und nicht durch die Landstände vermittelt wurden, dürften sie als etwas glaubwürdiger gelten.

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amten fortan wieder verstärkt in die Forststrafverfolgung einzubinden.100 Diese ursprünglich nur für den Gemeindewald erhobene Forderung baute de Lassaulx ein Jahr später aus, indem die Deliktbestrafung nun auch in den Kammerwäldern nicht mehr einseitig durch die Förster, sondern gemeinsam mit den Amtern vollzogen werden sollte.101 Auch im Verein mit den landständischen Beschwerden hielt diese Parteinahme der Regierung gegen das Forstamt - und zu ihren eigenen Gunsten - den Landesherren zunächst gleichwohl noch nicht davon ab, 1771 die Kompetenzverteilung, wie sie 30 Jahre zuvor festgelegt worden war, zu bekräftigen. Dies schärfte der Kurfürst auch zwei Jahre später nochmals allen Ämtern in Abschriften von Dekreten ein; in der internen Anweisung dazu zeigte sich Clemens Wenzeslaus verärgert darüber, daß trotz der Verordnung von 1741 „durch die nicht Bestrafung [der Delikte] die Forsten und Wälder dem steeten Raub außgesetzet blieben". 102 Inwieweit dies wiederum auf zwei forstamtliche Maßnahmen zurückging, die ausersehen waren, die Hofkammer zu schädigen und die Bedeutung des Forstamts zu verdeutlichen, muß letztlich offenbleiben. Unstrittig ist aber, daß von Trott 1773 die Schafhaltung des Kameralhofes in Bernkastel behindern wollte, indem er die Weide in den Kameralwäldern - mit Unterstützung des Kurfürsten - lediglich im forstgesetzlichen Rahmen gestatten ließ. Außerdem senkte er im gleichen Jahr die Holzeinschlagsmengen ab. Der in Fig. 4 ersichtliche Rückgang liegt darin begründet. So verminderten sich die Einkünfte der rivalisierenden Hofkammer aus Gründen, die mit dem forstlichen Bereich denkbar wenig zu tun hatten.103 Doch dieses Pulver des Forstamts war schon bald verschossen. Zeitgleich mit der landständischen Protokollierung der Beschwerden in den Ämtern und wohl auch aufgrund von landständischen Eingaben 1773 über „Bedrückungen und Mishandlungen" durch das Forstamt änderte der Kurfürst seine Linie am 20. 12. 1777 fundamental: Fortan waren Amtsverwalter und Kellner mit der Bestrafung von Forstdelikten betraut, die sie „im Beisein" der Revierjäger vornehmen sollten.104 Der Umschwung kam freilich für von Trott keineswegs überraschend. Denn schon gut ein Jahr zuvor hatte ihn der Landesherr ange-

100

Diskussion des Berichts von Amtsverwalter von Hame in der Regierungskonferenz, 9. 8. 1768, LHAK 1 C 8048, fol. 39 f. 101 De Lassaulx an Clemens Wenzeslaus, 11. 2. 1769, ebd., fol. 170. 102 Verordnung 1771, Bemerkung zu Verordnung 1773, Scotti Nr. 700, S. 1257f.; Clemens Wenzeslaus, 12. 3. 1773, LHAK 1 C 8048, fol. 633-637, 633 (Zitat). 103 MICHEL, Forst und Jagd, S. 22 f. 104 Hofkammer-Promemoria, LHAK 1 C 8057, fol. 31r-31v (1. Zitat); Bemerkung zu Verordnung 1777, Scotti Nr. 700, S. 1258 (2. Zitat). Die Hofkammer unterstützte 1778 nachträglich diesen Schwenk. Vgl. 1 C 8053, fol. 20. Es war vermutlich Hofrat und Forstsyndikus Haas, der diese Formulierung in seinen Grundsätzen für das Forstgesetz aufgriff. Vgl. LHAK 1 C 8050, fol. 488.

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wiesen, die Forstfrevelverfolgung „bis auf weiteres" auszusetzen. 105 Zugleich schmälerte dies die Einnahmen der Hofkammer (Fig. 19). Dem hatten offenkundig auch drastische Schilderungen des Oberforstmeisters vom 23. 8. 1776 nicht entgegenwirken können. Darin hatte von Trott dargelegt, daß die Mehrheit der Revierjäger wegen der Zügellosigkeit der Bevölkerung ihres Lebens nicht mehr sicher sein könne. Im Hochwald etwa drohe man dem Revierjäger mit geschwärzten Gesichtern mit dem Tod. An einigen Orten sei somit nicht mehr daran zu denken, die Delikte zu unterbinden; so fragte von Trott mehr rhetorisch, was dann die besten Anordnungen und Vorschläge nützten. „Bandenweis fallen sie [die Untertanen] in die Waldungen ein und haußen nach ihrem verderblichen Wohlgefallen". Im Gegensatz zu den Gemeinden Pfalzel und Ehrang, die sich gebessert hätten, nachdem die Delikte geahndet worden seien, sind keine „ausgelassener als die hohen Wälder [...], welche, wann es so fort geht, endlich noch den ganzen churfürstlichen Hohen Wald nachher Trier schleppen". Die Gemeinden Reinsfeld, Hinzerath, Beuren, Farschweiler und Osburg, als die ärgsten Frevler, hätten ihm entgegnet, sie würden im Falle einer Bestrafung supplizieren, und wenn das erfolglos wäre, falle die Buße ja immer noch viel zu gering aus, als daß sie aus der Straftat nicht doch noch einen Vorteil zögen. 106 Erneut versuchte von Trott auch, die Vorwürfe auf persönliche Motive seiner Gegner zurückzuführen und damit zu schwächen. So sei der nebenstädtische Deputierte auf dem letzten Landtag, Notar Reinert aus Saarburg, gar nicht dazu instruiert gewesen, sich über die Forststrafverfolgung zu beschweren; vielmehr habe Reinert sich persönlich an ihm rächen wollen. 107 Von Trott schloß seine Verteidigung damit, daß man ihm, „als rechtschaffenem Mann und gutem Christ", keinesfalls nachweisen könne, Delinquenten zu hart bestraft zu haben. 108 Vom Gegenteil schien sich unterdessen der Landesherr überzeugt zu haben. Bereitwillig und rasch wurde dessen neue Linie sowohl von Hofrat und Forstsyndikus Haas in den Grundsätzen für das neue Forstgesetz als auch von de Lassaulx im Detailentwurf dazu verankert. 109 Daß der Oberforstmeister auch in seinem Kommentar zu den geplanten Paragraphen nicht von seiner Position 105 Clemens Wenzeslaus an von Trott, 2. 10. 1776, LHAK 1 C 8051, fol. 49 (nach einem Bericht des Forstamts). 106 y o n Jrott, Forstamtskonferenz, 23. 8. 1776 (in Abschrift dem Kurfürsten zugeleitet), LHAK 1 C 8050, fol. 196 (1. Zitat), fol. 197 (2. Zitat). Wenig später verwies von Trott wiederholt darauf, daß die „Ausschweifungen" stark zugenommen hätten, als nach „Lermen über Lermen" die Strafen vermindert worden seien. Vgl. LHAK 1 C 8056, fol. 58. 107 LHAK 1 C 8050, fol. 202. Wofür sich der Notar an ihm hätte rächen wollte, erwähnt von Trott nicht; denkbar wäre, daß er durch den Oberforstmeister für Forstdelikte bestraft worden war.

•08 Ebd., fol. 206. 109 .Grundsätze der neuen Forstordnung', o.V. [Haas?], o.D. [1778/9?], LHAK 1 C 8050, fol. 488.

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zugunsten des eigenen Amtes abrückte, war verständlich, aber vergebens. Denn die Bestimmungen gingen so in das Forstgesetz ein, wie de Lassaulx sie konzipiert hatte. 110 Die verantwortliche Leitung der Forststrafverfolgung durch die Beamten schlug sich auch darin nieder, daß sie zukünftig das Protokoll führten und ihnen, im Vergleich zu den Revierjägern, deutlich höhere Bezüge zustanden. Die Entgelte der Beamten entkoppelte man nun von der Höhe der Strafmaße. Die Beamten waren somit nicht so leicht versucht, die Delikte etwa deswegen hoch zu bestrafen, um ihr eigenes Entgelt zu steigern, das durch die Zitations- und Abschreibegebühren nur noch an die Anzahl der Frevel gebunden war. Darin unterschieden sie - die ohnedies ein festes Gehalt bezogen sich von den Revierjägern, deren Bezüge seit dem 12. 3. 1773 pro Reichstaler Strafe 12 Albus betrugen - und damit direkt aus der Höhe der Strafe resultierten. 111 Diese Richtungsentscheidung war im Grunde schon 1776 gefallen. Es mag dennoch eine Rolle gespielt haben, daß de Lassaulx in einem ausführlichen Promemoria auf die insgesamt für das Ansehen der Obrigkeit schädlichen Auswirkungen durch die harte Forststrafverfolgung des Oberforstkommissariats bis 1768 hinwies: Weder biete sich der Bevölkerung, anders als gegen die Beamten, eine rechtliche Handhabe, noch seien die Revierjäger zur Mäßigung bei der Strafverfolgung verpflichtet. Damit widersprach er von Trott, der noch darauf gepocht hatte, daß gerade die Revierjäger als Forstexperten die Strafen mindern könnten. Insgesamt, so faßte de Lassaulx zusammen, gewährleisteten die Revierjäger nicht den längst in Zivil- und Policeysachen üblichen Standard. Brillant wurde seine Argumentation dort, wo er überdies zugleich die Kosten akzentuierte, denen sich die Hofkammer - die sich in diesem Streitpunkt selbst kaum engagierte - durch aufgeschobene Strafverfolgung und daraus resultierende Holzdiebstähle gegenübersähe. 112 Dadurch brachte sich de Lassaulx als weitsichtiger Vertreter übergeordneter Interessen, um die sich die Regierung 110

LHAK 1 C 8056, fol. 313-346; §§ 192-217 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1427-1433. 111 Vgl. §§ 194, 202, ebd., S. 1427, 1429 und Verordnung vom 12. 3. 1773, die von Trott erwähnt in LHAK 1 C 8056, fol. 335, 339. Diese Verordnung ist nicht in der Sammlung von Scotti enthalten. Evtl. handelt es sich um einen Schreibfehler und von Trott meinte eigentlich die Verordnung vom 12. 3. 1771 oder vom 26. 3. 1773. Beide enthalten allerdings nach Scotti Nr. 700, S. 1258, keine Entlohnungsanweisungen. 112 .Unparteiische Betrachtung über die forstamtliche Waldfrevelbetätigung und die Verwaltung der gemeinen Waldungen', o.V. [de Lassaulx zugeschrieben in: LHAK 1 C 8053, 3 f.], o.D. [1777?], LHAK 1 C 19462, fol. 38^16. An anderer Stelle plante de Lassaulx freilich, ein Drittel der Strafgelder aus Gemeindewaldungen gemeinnützigen kommunalen Zwecken zuzuführen. Das allerdings lehnte die Hofkammer strikt ab und verhinderte einen entsprechenden Paragraphen im Forstgesetz, bedeutete dies doch für sie einen konkreten Einnahmeverlust. Vgl. LHAK 1 C 8056, fol. 199f.; 1 C 8053, fol. 99-102. Auf die Fachkenntnis des Forstpersonals wies der Oberforstmeister auch im Zusammenhang mit der Schätzung des Schadenersatzes hin; von Trott an Clemens Wenzeslaus, 20. 12. 1777, LHAK 1 C 8056, fol. 376.

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Ε. Kommunikation und Konflikt

selbst nicht direkt kümmerte, beim Kurfürsten ins Spiel. Zugleich schmeichelte er ihm mit Qualitätsverbesserungen im Verwaltungshandeln, mit denen dieser sich schmücken konnte. Ganz abgesehen davon vervollständigte er dergestalt gleichzeitig das Kompromißangebot seines Gremiums. Es setzte sich aus zwei Komponenten zusammen: Zum einen bot der Regierungsrat an, die Forstdelikte, wie andere Straftaten auch, mit einer bestehenden, bewährten und zuverlässig funktionierenden Verwaltung, den Ämtern, zu ahnden. Zum anderen versprach er - und das sicherte ihm einen entscheidenden Argumentationsvorteil diese Strafverfolgung nicht ausufern zu lassen, indem die Delinquenten sich auch hier fortan auf den üblichen Rechtsschutz verlassen können sollten. Das schütze sie beispielsweise gegen Beamtenwillkür. Der Landesherr konnte diese fein austarierte Offerte im Sinne von Strafverfolgung im Wald ja, aber sozial verträglich' schwerlich übergehen: Zu exakt entsprach sie seinen eigenen Interessen. Die waren spätestens ab 1777 zu handfest, als daß sie sich nur um hehre Verwaltungsreformen bemüht hätten. Wie dargelegt, steigerten die Landstände den Druck in der Frage der Strafverfolgung zusehends, und es waren ihre Forderungen, die der Kurfürst, wollte er klösterliche und städtische Zuschüsse zu seiner Residenz verbuchen, zumindest zeitweise zufriedenstellend beantworten mußte: Für den Sieg de Lassaulx' in den Querelen mit dem Forstamt war also nicht nur bedeutsam, daß sein Angebot sich intern genau an der augenblicklichen Interessenlage orientierte. Außerdem paßte es exakt zu den momentanen externen Belangen. Denn was hätte dem Landesherren in dieser Situation eine Organisationsreform genützt, mit der er nicht zugleich auch gegenüber den Landständen optimal hätte argumentieren und hantieren können? Erst diese doppelte Paßgenauigkeit bescherte der Regierung den Erfolg, mit dem sie die Rückverlagerung der Forststrafsachen in ihren Kompetenzbereich abschloß. 6. Die

Forstverwaltung

Die letzte Gruppe der Beschwerden betraf die Verwaltungsbestimmungen und wurde unmittelbar durch das Präliminar-Forstgesetz von 1768 ausgelöst. Darin ähnelte sie den Beschwerden zum Jagdwald. Dennoch waren die verwaltungstechnischen Klagen für die Landstände, aber auch für die landesherrliche Administration ungleich bedeutsamer. a) Vertraute Argumentationsmuster Klöstern und Städten ging es um „uneingeschränkte Eingriffe in [ihre] Privatrechte". Dies war unter den 14 Beschwerdepunkten nicht nur der erste, sondern auch der „wichtigste".113 Was war damit gemeint? Das Forstamt, so führten die Stände aus, habe die Unterforsteilichkeit in ihren Wäldern nicht geachtet, in113

LHAK 1 C 8 0 5 2 , f o l . 28.

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dem es ihnen etwa das Recht des alleinigen Anschlags mit der eigenen Axt entzogen oder „durch verderbliche Hindernüße unnütze" gemacht habe. 114 Hinter diesem recht unscharfen Begriff der Unterforsteilichkeit, unter dem die Stände zunächst den einseitigen Axtanschlag verstanden, verbarg sich die Sorge, durch den 1768 in allen Wäldern verordneten forstamtlichen Axtanschlag letztlich die Verfügungsgewalt über ihr Waldeigentum zu verlieren.115 Gleiches befürchteten die Ritter. Neben den jagdlichen Belangen enthielt ihre schnelle Note auf das Präliminar-Forstgesetz daher als einzigen weiteren Beschwerdepunkt nur den Protest gegen die forstamtliche Anweisung mit der Axt in ihren reichsunmittelbaren Wäldern.116 Die Folgen dieser angeblichen Rechtsanmaßung durch das Forstamt umrissen allerdings nur die Stände. Zwar würden sich einige unter ihnen dem Forstamt unterwerfen, die anderen zögen es jedoch vor, ihr Holz lieber verfaulen zu lassen, als es sich vom Forstamt anweisen lassen zu müssen. Nicht zuletzt dadurch sei es wiederum das Forstamt, welches den Holzmangel verschärfe; ziehe man noch die rigorosen Strafen in Betracht, sei klar, woher auch die Teuerung in den Städten rühre. Während die Wälder früher Holz zum Verkauf im Überfluß abgeworfen hätten, befänden sie sich „jetzt im allerschlechtesten Zustande". Fast alle Wälder, in denen „das Forstamt seine Anmaßungen geltend zu machen" verstanden habe, reichten nicht einmal mehr für die Notdurft aus. 117 Dieses Argumentationsmuster - verderbliche Wirtschaft und drohender Holzmangel - ähnelt stark demjenigen, das die Forstgesetze immer wieder zur Legitimation ihrer Bestimmungen bemühten. Auch die Landstände begründeten Forderungen mit ihren Unmut über die Situation und die antizipierten Folgen. Zum einen beantragten sie, wieder in ihre unterforsteilichen Rechte eingesetzt zu werden, zumal dadurch weder die „landesherrliche Oberaufsicht gekränket" noch das Forstgesetz „der freyen Willkühr anheim gegeben" werde. Beides wurde also von den Landständen akzeptiert. Daß die Wälder im Gegensatz zur Gegenwart früher in „bestem Standt" gewesen seien, verdeutliche die forstliche Kompetenz der Stände, die auszufüllen man ihnen somit bedenkenlos wieder gestatten könne.118 Zum anderen forderten sie - wesentlich konkreter - , die Förster und Revieijäger generell jeweils den Ämtern zu unterstellen. In dieser Verwaltungsorganisation nämlich, bei der Förster und Revierjäger Untergebene des Forstamts waren, sahen sie des Übels Kern: „Aus der allzu großen gewalt, welche denen von den Ämteren unabhängigen Revier-Jägern über die Unterthanen zugestanden ist, entspringen die nachtheiligste Fol114

Ebd., fol. 16f„ 28, 73, 16 (Zitat). Das .Himmerod-Gutachten der Stände' zählte später beispielsweise auch die Schlageinteilung zu den unterforsteilichen Rechten. Vgl. LHAK 1 C 8048, fol. 470f. 116 Vorstellung des freien Reichsadels, 6. 8. 1768, LHAK 1 C 8048, fol. 52. 117 LHAK 1 C 8052, fol. 17, 25, 28, 39f., 39 (1. Zitat), fol. 40 (2. Zitat). 118 Ebd., fol. 73 f., 74 (alle Zitate). 115

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Ε. Kommunikation und Konflikt

gen." 119 Während sie in diesem Zusammenhang zwar die Frevelverfolgung ansprachen, meinten sie doch wohl auch noch etwas anderes, das sie selbst direkter betraf, denn es waren die Revierjäger, die in ihren Wäldern auf Anweisung des Forstamts den Axtanschlag besorgten. Insofern baute die zweite Forderung unmittelbar auf der ersten auf. Das Forstamt hielt diesen Beschwerden zunächst in gewohnter Weise seine legalistische Argumentation entgegen. Das Präliminar-Forstgesetz habe 1768 festgelegt, daß die Unterforsteilichkeit aus dem Mitanschlag bestehe insofern sei das Verhalten des Forstamts rechtens. Da die Unterforsteilichkeit vorher auch nicht bestand, sei eine Wiedereinsetzung, wie die Landstände sie forderten, unmöglich. Überhaupt ergäben sich unterforsteiliche Rechte nur aus einer wohlwollenden Interpretation des Gesetzes, das den Begriff selbst nicht enthalte. Vielleicht setzte von Trott deshalb dazu an, seine Darlegung breit auf zwei Eckpfeilern zu basieren: Das war zum einen die von den Ständen nicht bezweifelte Oberforsteilichkeit. Sie reiche jedoch in ihrer klassischen Fassung - der nachträglichen Kontrolle der forstmäßigen Fällung - nicht aus, um zu verhindern, daß die Wälder verdürben, denn dazu bedürfe es zwingend des vorherigen forstamtlichen Anschlags. Erst dadurch ließen sich die Wälder wirksam schützen. Die ebenfalls von den Ständen nicht in Frage gestellte landesherrliche Befugnis, allgemeingültige Forstgesetze zu erlassen, umfasse außerdem das Recht, probate Mittel für ihre Verwirklichung vorzuschreiben; die Axt des Revierjägers sei dafür unumgänglich. In ihr sah von Trott das „bewährte Mittel, die forstamtliche Anordnungen geltend zu machen [und] somit zu verhüthen, daß dieselbe nicht überschritten werden". 120 Damit hatte von Trott generell die forstamtliche Anweisung bereits gerechtfertigt, und zwar indem er beide von den Ständen prinzipiell akzeptierten landesherrlichen Rechte so interpretierte, daß die forstamtliche Anweisung jeweils schon ihr integraler Bestandteil war. Zum anderen hob er auf den speziellen Fall ab, daß die Stände die Forstgesetze nicht einhielten, was er mit „glaubhaften Urkunden" nachzuweisen beabsichtigte. Dann nämlich ergebe sich aus der landesherrlichen Vormundschaft geradezu der Zwang, in die ständischen Wälder einzugreifen, wo doch „die Nothwendigkeit, solche forstmäßig behandelen zu lassen, von niemand mißkennet" werde. Es seien die Verschwendung und die „verderbliche Wirtschaft" der Klöster und Gemeinden, die umgehend abgestellt werden müßten. Schließlich dürfe der Landesherr dies weder indirekt dadurch unterstützen, daß er es unterlasse einzugreifen, noch dürfe er es versäumen, einem Versorgungsengpaß bei Brand- und Bauholz sowie Weinbergspfählen vorzubeugen. Auch dem eigenen Interesse an diesen und den eigenen Wäldern wegen des Geldertrages, des Hofkonsums, des 10. Pfennigs und der Holzbestallungen dürfe er nicht schaden. Vielmehr müsse der Landesherr erzwingen, daß die Ί 9 Ebd., fol. 93 f., 148, 93 (Zitat). 120 LHAK 1 C 8052, fol. 23, 33, 7 5 - 7 7 , 23 (Zitat).

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Wälder zukünftig forstmäßig behandelt werden. 121 Zusätzlich zu diesen beiden Argumentationssträngen vermochte er seine Position zu untermauern, indem er die Klage der Stadt Boppard vor dem Reichshofrat anführte. Sie hatte darauf gezielt, ihre unterforsteilichen Rechte, insbesondere den alleinigen Anschlag mit der eigenen Axt, bestätigen zu lassen, war aber abgewiesen worden. Dies verdeutliche, so von Trott, die Rechtmäßigkeit der forstamtlichen Ansicht ebenso wie das Beispiel anderer Staaten, in denen sich die Bevölkerung den landesherrlichen Anordnungen füge; dort fände man nämlich Waldungen „in bester Ordnung und Flor". 122 Während sich Stände und Forstamt also kaum darin unterschieden, wie sie die Folgen skizzierten, war doch die forstamtliche Ursachenanalyse der ständischen genau entgegengesetzt. Es sei die Willkür, insbesondere die der Stadt Boppard und die der Gemeinde Bescheid, die Gemeinde-, Privat- und Kammerwaldungen dem „Umsturz nahe" gebracht habe. So versiegten nicht nur die Einkünfte aus den Kammerwaldungen, auch die Gemeinden könnten in Ermangelung von Weinbergspfählen keinen Wein mehr anbauen, und in Notsituationen verfügten sie erst recht über keine Rettungsmittel mehr. 123 Der Holzmangel, „wann würklich einer vorhanden", gehe ganz allein auf eine Ursache zurück: die neuerlich aufgestellte Unterforsteilichkeit. Hier ist äußerst bedeutsam, daß Oberforstmeister von Trott die Existenz des Holzmangels grundsätzlich bezweifelte, um eine gegen das Forstamt gerichtete Argumentation zu entkräften - was ihn freilich nicht daran hinderte, einen möglichen Holzmangel den Ständen anzulasten. So sei es, folgerte der Oberforstmeister scharfsinnig, gerade die Störung des forstamtlichen Vollzugs der Waldaufsicht gewesen, also die Nicht-Aufsicht, der Nicht-Anschlag, die Nicht-Verfolgung der Delikte, welche die Wälder verdorben habe. Auch die forstamtlichen Berichte über diese Verstöße an die Regierung seien stets folgenlos geblieben. 124 Die seines Erachtens wahren Gründe für den Widerstand der Stände gegen die forstamtliche Anweisung bei dieser Gelegenheit anzuführen ließ sich von Trott begreiflicherweise nicht entgehen. Danach sei die Axt des Forstamts vor allem deswegen bei den Städten - namentlich in Koblenz und Boppard - verhaßt, weil sie die Magistrate daran hindere, sich am Holz aus den eigenen Wäldern, das der ganzen Bürgerschaft zustehe, zu bereichern. Gerade die, welche im Landtag am lautesten über das Forstamt klagten, seien es, welche selbst die 121

Ebd., fol. 18-22,21 (alle Zitate). Ebd., fol. 21 f. Ebd., fol. 20 (Zitat). 124 Ebd., fol. 2 5 - 2 7 , 4 0 f . , 25 (Zitat). In ebd., fol. 26 illustrierte von Trott: „Wollen die StadtRäthe zu Coblentz, Boppard, Oberwesel, Mayen, Montabaur und Pfalzel ihre Waldungen mit ofenen Augen beschauen, oder solche durch ohnpartheyische Sach-Verständige beaugenscheinigen laßen, so werden sie sich gewiß nicht gelüsten lassen dörfen, [...] Kurfürstlichen Forst-Amt weiter Vorwürfe zu machen, da diese nicht vom Forst-Amt, sondern von ihnen nach Willkühr behandelet worden [...]." 122

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größten Mengen Holz anderer Berechtigter unterschlügen und danach „gelüsten, sich als Vorstand deren Unterthanen darstellen zu wollen!" So ähnelten sie „einem zum Gärtner gemachten Bock, oder einem die Schaafe selbst auffressenden Hirthen".125 Um der konkreten Forderung der Stände zu begegnen, die Revierjäger künftig den Ämtern zu unterstellen, verwies von Trott zunächst auf das ausführliche Berichts- und Beschlußwesen im forstlichen Bereich. Dies sei ein Garant dafür, daß nichts ohne höchste Anweisung geschehe. 126 Es werde wie im Gerichtswesen gehandhabt. Damit wollte er zusätzlich das Kostenargument entkräften. Weiterhin gehörten Streitfälle zwischen Revierjägern und Gemeinden vor die Regierung, die „Oeconomia aber gantz allein" dem Forstamt. Denn die Revierjäger den Amtsverwaltern beizuordnen zöge die „übelsten Folgen" nach sich: Widerspruch würde der Beamte bei anderer Gelegenheit vergelten; die forstlichen Belange kämen zu kurz, denn die Revierjäger könnten sich trotz ihrer Fachkompetenz, insbesondere bei der Strafverfolgung, nicht durchsetzen. Immer wieder würden die Beamten nämlich „biegsam gemacht" werden, was nicht weiter schwerfalle, sorgten sie doch „bekanntlich [...] ehender für ihren Beutel, als die kurfürstlichen und Gemeindswaldungen". Die Vorwürfe, die gegen die Revierjäger erhoben würden, träfen somit genauso auf die Beamten zu. Letztere hätten teils die Gemeinden bei der Verfeuerung ihres Waldes unterstützt, teils Holzverkaufsgesuche verschleppt, so daß sich die Klagen der Gemeinden häuften, es sei mit den Fällungen nicht voranzukommen; stellenweise ließen die Gemeinden das Holz infolgedessen stehen. Die Beamten intensiv in forstliche Belange einzubinden habe sich daher als unwirksam entpuppt. Außerdem ließen sich die Kosten der zu erfüllenden Aufgaben, wenn nur der Revieijäger damit betraut sei, um zwei Drittel senken.127 b) Worin bestehen Unter- und Oberforsteilichkeit? Die beiden zentralen Forderungen der Landstände - unterforsteiliche Rechte und Verwaltungsreform - verteidigte Geheimrat de Lassaulx vehement im Na125 Ebd., fol. 22f., 46 (beide Zitate). Haack erläuterte, Koblenz und Boppard hätten versucht, andere Mitglieder der Landstande in ihre Belange hineinzuziehen; der Koblenzer Magistrat führte in Waldesch eine Eigenwirtschaft, an der nach einer Klage die Bürgerschaft zwar beteiligt wurde. Aber nach wie vor profitiere der Magistrat übermäßig davon. Überdies bestehe keinerlei forstamtliche Aufsicht. Die Stadt Trier sei ebenso gewonnen worden, obwohl sie keinen Wald besitzt, was „gastfreye Abteyen", die auch Schöffen in der Stadt stellten, bewirkten; ,Haack-Promemoria', 1778, LHAK 1 C 8054, fol. 42^*6, 45 (Zitat). Überhaupt hätten die Landstände mit ihrer Dokumentation über die kommunalen Beschwerden lediglich versucht, den eigenen Beschwerden einen „neuen Anstrich" zu geben; ebd., fol. 50. 126

Genau dies forderte schon früh die Verordnung Kurtrier 1725, Scotti Nr. 398, S. 902. Ebd., fol. 116-118, 149f., 149 (1. und 2. Zitat), fol. 150 (3. und 4. Zitat); LHAK 1 C 8056, fol. 54—56, 234-240. Das angesprochene Kostenargument, ebd., fol. 165-168, 201-203, warb um Unterstützung bei der Hofkammer; sie pflichtete dann auch bei. Vgl. LHAK 1 C 8053, fol. 68. 127

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men der Regierung. Er räumte ein, daß dem Landesherrn zwar in Notfällen die unmittelbare Aufsicht über die Wälder einschließlich Konsensrecht und Anschlag zustehe. Solange aber der Eigentümer die Forstgesetze einhalte, die der Landesherr kraft seiner Oberforsteilichkeit erlassen könne, sei er sowohl bei seiner Axt wie auch seiner Waldökonomie geschützt. Die Axt zähle somit zu den unterforsteilichen Rechten wie das Rügerecht auch. Dies sähen auch etwa die Kameralisten und Beisitzer bei den Reichsgerichten so. In zahlreichen Territorien des Reiches sowie in Frankreich und den Niederlanden offenbare sich zudem, daß die Oberforsteilichkeit auch ohne Konsensrecht und Anschlag bestehen könne. Unbenommen sei es den Förstern außerdem, die Wälder zu bereiten und Verstöße zu ahnden.128 Aufschlußreich ist, daß de Lassaulx, der Syndikus in Diensten von St. Maximin und St. Matthias, bei dieser Frage scharf unterschied zwischen Stiften und Städten: Während erstere fähig seien, ihre eigenen Waldungen „nützlich zu verwalten", zeigten sich die städtischen Magistrate nicht frei von eigennützigen Veranlagungen. Gleichwohl - und das war seine Kernaussage - berechtige dies nur im oben beschriebenen Rahmen, also bei Verstößen gegen die Forstgesetze, in deren städtische Forstrechte einzugreifen; sie allerdings zu beschneiden oder sie auszusetzen sei grundsätzlich nicht gestattet.129 Hier wird faßbar, wie sehr sich die landständische, speziell die klösterliche Argumentation mit der de Lassaulx' deckte. So sehr sein ganzes Plädoyer durch die zeitgenössische juristische Literatur - bei der allerdings auch er konzedieren mußte, daß die Rechtsgelehrten uneinig seien, worin die Unterforsteilichkeit bestehe 130 - und die Beispiele aus Forstgesetzen anderer Gebiete gestützt wurde, so augenfällig ist doch seine ständefreundliche Argumentation. Er zog sogar weitere Folgerungen: Denn obwohl die Stände etwa die Konsenspflicht bei ihren Gravamina nicht angesprochen hatten, reihte de Lassaulx diese 1769 noch ein in die mit dem ersten Forstgesetz von 1720 angeblich begonnene Reihe von Eingriffen des Forstamts in die Gerechtsamen der Bevölkerung und Klöster.131 In der Regierungskonferenz vom 17. 3. 1769 hießen Geheimrat und Weihbischof von Hontheim sowie Kanzler von Münch die Vorschläge von de Lassaulx gut und definierten die unterforsteilichen Rechte so, daß sie das Rügerecht und vor allem den alleinigen Axtanschlag umfaßten, die Oberforsteilichkeit sich hingegen darauf beschränkte, Gesetze etwa gegen Wildschaden oder Holzmangel zu verabschieden, „um den Wald in gutem und nutzbarem Stande" zu erhalten. Es war vermutlich von Spangenberg, der diese Ansicht ebenfalls 128

LHAK 1 C 8048, fol. 134, 145, 150-160, 163. Ebd., fol. 99 f., 99 (Zitat). Dies gelte auch für den Fall der freien Jagdbarkeit, obwohl es, wie de Lassaulx darlegte, besser wäre, wenn sie in Städten und Ämtern den Bürgern und Bauern nicht zustünde und diese statt dessen ihre Gewerbe und den Feldbau besser betrieben. Ebd., fol. 131. 130 Ebd., fol. 146. 131 Ebd., fol. 104, 111. 129

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teilte, wobei er „sichere principia" anmahnte, die dem „nunmehro nothwendig werdenden Entwurf' eines neuen Forstgesetzes zugrundeliegen sollten. 132 Aber schon zu diesem Zeitpunkt gab es auch innerhalb der Regierung andere Ansichten. Geheimrat und Kanzleidirektor Johann Matthias Eyss sowie Geheim- und Forstrat Johann Matthias von Coli hatten 1768 noch vor dem Präliminar-Forstgesetz ausführlich gegen die Befreiung der Klöster vom forstamtlichen Axtanschlag gegutachtet.133 Sie konnten sich im Verein mit dem Forstamt in diesem Punkt gegen die ständefreundliche Gruppe innerhalb der Regierung um de Lassaulx durchsetzen, so daß der Kurfürst am 23. 1. 1770 an der zwei Jahre zuvor getroffenen Regelung festhielt und nur jenen Klöstern das Axtrecht zusicherte, die es vor 1714, zu dem Zeitpunkt, als das erste Forstgesetz entworfen worden war, innehatten und dies nachzuweisen vermochten.134 Kurz zuvor hatte der Kurfürst den Rittern ebenfalls bestätigt, daß die Anweisung sich nicht auf ritterschaftliche Wälder bezog. 135 Diese unnachgiebige Position gegenüber den Ständen bekräftigten 1778 mit einer juristisch ausgefeilten und beispielreichen Argumentation Oberforstmeister von Trott und Oberjägermeister von Dücker gemeinsam mit den Geheimen Hof- und Forsträten Haack und Mees sowie Hofkammerrat Kircher.136 Zu beeindrucken vermochte sicherlich ihr umfangreiches Belegmaterial, mit dem sie nachwiesen, daß zahlreiche, auch ständische Vertreter bei Gesuchen nach Holzfällungskonsensen rechtlich in der Vergangenheit das akzeptiert hatten, wogegen sie jetzt Sturm liefen. 137 132 Ebd., fol. 211-216, 214 (1. Zitat), 216 (2. und 3. Zitat). Letzteres Spangenberg zuzuschreiben liegt nahe, denn er war an diesen Beratungen ebenfalls beteiligt. Vgl. ebd., fol. 225. 133 Gutachten Eyss und Coli, o.D. [1768], LHAK 1 C 8048, fol. 315-358; vgl. auch Kommentar der Hofkammer dazu in 1 C 8053, fol. 171 f. Hier auch die Datierung. 134 Regierungsprotokoll, 23. 1. 1779, LHAK 1 C 8048, fol. 391 f. 135 Antwort des Kurfürsten auf ritterschaftliche Vorstellung, 8. 1. 1770, LHAK 1 C 8048, fol. 53 f. 136 Protokoll der außerordentlichen Forstamtssitzung, 21. 12. 1778, LHAK 1 C 8054, fol. 71-81. Alten Rechten bescheinigte wahrscheinlich auch Hofrat und Forstsyndikus Haas in etwa zu gleicher Zeit ihre Unantastbarkeit, verlangte aber zugleich, die Unterforsteilichkeit streng zu kontrollieren. Vgl. .Grundsätze der neuen Forstordnung', o.V. [Haas?], o.D. [1778/9?], LHAK 1 C 8050, fol. 492. 137 LHAK 1 C 8054, fol. 253^156 enthält Abschriften der Konsensgesuche. Im einzelnen fügten sich danach: 1721: Städte Daun und Saarburg, Kloster Barbara in Koblenz; 1722: Prior und Konvent zu Eberhardsklausen, Stadt Boppard, Kloster Stuben, Stadt Zell; 1723: Stadt Cochem, Karthaus in Konz, Stadt Wittlich, Abtei St. Thomas/Kyll; 1724: Abtei Rommersdorf; 1725: Abtei Prüm; 1726: Stadt Boppard, Abtei Rommersdorf, Abtei St. Matthias, Stift St. Paulin, 1728/29: Abtei St. Matthias; 1731/32: Stadt Boppard, Abtei Rommersdorf, Stadt Oberwesel; 1738: Graf von der Leyen, Stadt Boppard; 1739: Abtei Rommersdorf, Freiherr von Zand, Abtei Springiersbach; 1740: St. Simeon; 1741: Freiherren von Landenberg und von Penserath, Stadt Cochem; 1744: Freiherr von Hohenfeld, Dom zu Trier: 1745: Grafen von Metternich, Stadt Koblenz; 1746: Städte Bernkastel und Koblenz; 1747: Abtei St. Thomas, Stadt Koblenz, Freiherren von Ahr und von Landenberg; 1748: Freiherren von

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In diesem Punkt zeigten sich also nicht nur Teile der Regierung in seltener Eintracht mit dem Forstamt; vor allem unterstützte auch die Hofkammer dieses Bündnis massiv. Den „Ständen nichts nachzugeben" 138 war denn auch die ausdrückliche, von den Finanzfachleuten ausgegebene Losung dieses dreigliedrigen Schulterschlusses. Um ihn zustande zu bringen, habe die forstliche Seite, mutmaßten die landständischen Direktorien, „Himmel und Erde" bewegt. 139 Es leuchtete dem Kurfürsten offenbar unmittelbar ein, als Hofkammersyndikus Eschermann vorzugsweise den drohenden Verlust landesherrlicher Gerechtsame als Argument anführte. 140 Darin dürfte der maßgebliche Grund für das die Stände zurückweisende Dekret von 1770 und dafür zu erblicken sein, daß sich de Lassaulx mit weitgehenden unterforsteilichen Rechten für die Klöster auch fortan nicht behaupten konnte. Da war zunächst die Tilgung der Begrifflichkeit, die auf die Intervention der Hofkammer zurückging; von Unterforsteilichkeit sprach de Lassaulx im Entwurf des Forstgesetzes an keiner Stelle mehr. 141 Das freilich bedeutete noch nicht, daß damit auch der Streitpunkt geklärt war: Denn im Forstgesetz von 1786 wurde denjenigen, die Anweisungsund Rügerecht „wohlhergebracht haben", dies auch verbürgt, wobei sie gleichzeitig ausdrücklich auf die sonstigen forstlichen Maßnahmen des Paragraphenwerkes verpflichtet wurden. Der Sache nach entsprach dies exakt den unterforsteilichen Rechten in ihrer umfassenden Version. 142 Allerdings ging damit in das letztlich ausschlaggebende Gesetz nur der bereits 1770 so vom Landesherren getroffene Entschluß ein; denn „wohlhergebracht" bezog sich in diesem Zusammenhang auf den Zeitraum vor dem ersten Anlauf zu einem kurtrierischen Forstgesetz 1714. Bereits in einer gleichlautenden Verordnung, die sich im übrigen eng an die Hofkammerargumentation über die Gefahr für die landesherrlichen Gerechtsame anlehnte, wurden die Stände am 19. 7. 1779 in Zweifelsfällen an die Gerichte verwiesen. Dort sollte über das Recht befunden werden, gegebenenfalls ohne Kennzeichnung mit der kurfürstlichen Waldaxt Holz einschlagen zu dürfen. 143 Auch der Vorschlag, diese fraglichen Rechte juristisch klären zu lassen, stammte von der Hofkammer. 144 Erneut zeigte sich in dieser Frage somit die übergeordnete Einfluß- und Überzeugungskraft der

Adeissheim und von Zand, Abtei Springiersbach; 1750: Abtei Prüm; 1752: Abtei Springiersbach; 1754: Abtei Rommersdorf, Stadt Koblenz. Diese Quelle diente oben ja bereits dazu, den gemeindlichen Holzverkauf zu skizzieren. '38 LHAK 1 C 8057, fol. 36r. 139 .Himmerod-Gutachten der Stände', 1 C 8048, fol. 454. 140 Hofkammer-Promemoria, LHAK 1 C 8057, fol. 34v-35r. Ausführlich dargelegt mit juristischer Herleitung auch in LHAK 1 C 8053, fol. 150-175. 141 Darauf war man offenbar in Hofkammerkreisen stolz. Ebd., fol. 157. 142 § 169 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1421. Nicht so deutlich wie noch der Kurfürst 1770 nahm schließlich § 186 ebd., S. 1425, die Ritterschaft vom Anschlag aus. Clemens Wenzeslaus an Landstände, 19. 7. 1779, LHAK 1 C 8052, fol. 162-164. Der Verweis auf den Rechtsweg auch nochmals am 26. 7. 1779, ebd., fol. 172. 144 LHAK 1 C 8053, fol. 144.

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Hofkammer, die sie auf die dann vertretene Politik gewinnen konnte. Um den Landesherren in seiner Gegenposition zu den Landständen zu bekräftigen, hatte der Geheime Hof- und Forstrat Haack, der wie seine Kollegen Eyss und Coli nicht der ständefreundlichen Gruppe innerhalb der Regierung angehörte, die auf den ersten Blick einheitliche Front der Landstände in Einzelinteressen aufgespalten. Insgesamt sei nämlich höchst fraglich, so Haack, ob die Suppliken nicht „eine blose Geburt nur einiger Abteyen, Stifter und Städten", des Direktoriums und seiner Syndici und daher „mehr ein blos aufgeseztes Wesen nur einiger Widerspenstigen, denn die wahre und gleiche Gesinnung aller Stände" seien. Innerhalb der geistlichen Kurie, schnitt Haack die hoheitliche Dimension dieses Streitpunktes an, sei fast ausschließlich „die Abtey St. Maximin weg ihrer noch immer unvergeßlichen ehemaligen angemaßten Reichsstandschaft die Triebfeder des Unternehmens" gewesen. Demgegenüber hätten auch einige unter den Landständen öffentlich erklärt, die Beschwerden nicht mitzutragen; so fügten sich außer Boppard alle anderen Nebenstädte den forstamtlichen Anweisungen.145 c) Worauf die Hofkammer bei Organisationsreformen achtet Mit den geschilderten Festlegungen zur Unter- und Oberforsteilichkeit war zwar frühzeitig entschieden, daß die Waldwirtschaft nicht nur in gemeindlichen, sondern auch in landständischen Wäldern durch den Holzanschlag kontrolliert wurde. Es blieb innerhalb der Administration jedoch weiter strittig, wer ihn ausführen sollte. Auch bei dieser Frage der Forstverwaltungsreform agierten die Hofkammerräte taktisch geschickt - und waren erfolgreich. Bereits bei seinem Regierungsantritt hatte Clemens Wenzeslaus in den Gremien diskutieren lassen, wie die Kompetenzen vor Ort zwischen den Ämtern und Revierjägern zweckmäßigerweise aufgeteilt werden sollten. Zum gleichen Thema hatten es sich auch die Stände, wie oben ausgeführt, nicht nehmen lassen, ihre Meinung kundzutun und die Unterstellung der Revierjäger unter die Amtshoheit zu fordern. Der findige Geheimrat de Lassaulx hatte sich seinerseits parallel dazu darauf verlegt, die organisatorische Eingliederung der Revierjäger in die Ämterverwaltung zu präzisieren und zu komplettieren: Nicht nur in forstlich-hoheitlichen oder forstlich-verwaltungstechnischen Fragen, wie der Gemeindewaldaufsicht, der Axtaufbewahrung oder dem internen Berichtswesen, sondern vor allem bei der Klärung von Dienstvergehen oder Streitigkeiten mit Gemeinden sollten sie fortan vollständig den Ämtern und damit der Regierung unterstehen. Der Bereich, der in ihrer eigenen Hoheit verblieb, schrumpfte zusammen und umfaßte beispielsweise mit der Schlageinteilung nur noch rein forstliche Tätigkeiten, wenngleich sie auch dabei nicht ohne Beamte walten durften, die deshalb bedacht sein sollten, „im Forstwesen alle nö145

,Haack-Promemoria', 1778, LHAK 1 C 8054, fol. 30, 59-61, 59 (1. Zitat), S. 61 (2. Zitat), S. 30 (3. Zitat).

I. Eine einheitliche Obrigkeit?

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tige Kentnissen zu erwerben". 146 Warum die Revierjäger ihre Pflichten nicht verrichten könnten, wußte de Lassaulx so zu begründen, daß sich sein Lösungsweg geradezu aufdrängte: Die Stellenanzahl reiche nicht aus; die wenigen Revierjäger seien forstlich ungebildet; die unzureichenden Besoldungen führten zu den „bekannten Malvestationen", zum Ausschluß der Beamten und zur Verteuerung oder Verhinderung des Holzbezugs für die Bauern. 147 Daß die Stände damit ein weiteres Mal mit de Lassaulx und der Regierung konform gingen, dürfte gerade nach dem gemeinsamen Etappensieg 1777 bei der Strafverfolgung, der ja vor allem auch ein Kampf gegen forstamtliche Kompetenzen war, kaum verwundern. Wenig erstaunlich ist außerdem, daß es de Lassaulx verstand, bei dieser Gelegenheit hartnäckig eine weitergehende, wenn nicht gar die zentrale Forderung - die die Stände auch teilten, aber nicht formulierten ins Spiel zu bringen: die Auflösung des Forstamts. Allerdings leistete er selbst dazu nur die grundlegenden Vorarbeiten. Bevor er in den frühen 1780er Jahren die Bühne des Forstgesetzgebungsverfahrens verließ, hatte er dazu noch in seinem Entwurf ein, allerdings jeglicher Entschließungsgewalt beraubtes, Forstamt konzipiert. Wer dieses Ziel letztlich durchsetzte, war der einflußreiche Verbündete, den Stände und Regierung in dieser Frage fanden: die Hofkammer. Daß sie noch in der Frage der Unterforsteilichkeit vehement gegen Stände und Regierung votiert hatten, störte die Hofkammerräte offenbar ebensowenig wie ihre dabei noch erkennbare Sympathie für die forstamtliche Position. In der entscheidenden Kommission, der 1782 die Klärung dieser Fragen aufgetragen wurde, führten die Hofkammerräte Wallmenich und Lippe - sie mußten sich lediglich mit den Hofräten Bender und Weckbecker abstimmen - den Entschluß zur Auflösung des Forstamts herbei.148 Am 3. 6. 1783 dekretierte der Landesherr ihre Empfehlungen: Die jagdlichen Befugnisse gliederte er aus dem Forstamt aus; sie bestanden selbständig fort. Den forstlichen Bereich teilte er hingegen auf: In politischer Hinsicht unterstanden die Forstbediensteten fortan der Regierung, mithin vor Ort den Ämtern; in ökonomischen Belangen war die Hofkammer für sie weisungsbefugt. 149 Innerhalb der Hofkammer richl4i LHAK 1 C 8048, fol. 165, 168-173; 1 C 8056, fol. 26f„ 122-126, 165-167, 201-204, 247-249, 272-277, 276 (Zitat); vgl. auch de Lassaulx Unparteiische Betrachtung über die forstamtliche Waldfrevelbetätigung und die Verwaltung der gemeinen Waldungen', LHAK 1 C 19462, fol. 50-54; §§ 1 0 , 1 5 4 , 1 6 6 , 1 7 2 f „ 178 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1382, 1417, 1420, 1422-1424. ]47 LHAK 1 C 8048, fol. 105-107, 157 f., 107 (Zitat). 1 48 Die Vorschläge der Kommission vom Frühjahr 1783 in LHAK 1 C 8057, fol. 46r-47r; die internen, gleichlautenden Anweisungen von Clemens Wenzeslaus, 8. 5. 1783, LHAK 1 C 8057, fol. 73r-75v; Bender und Weckbecker hatten daraus eine Verordnung zu setzen. 149 Verordnung Kurtrier 1783, Scotti Nr. 776, S. 1325. M I C H E L , Forst und Jagd, S. 27, vermutet wohl zutreffend, daß sich diese Aufspaltung am Kurmainzer Beispiel vom 12. 1. 1783 orientierte. Dort bildete Kurfürst Karl Joseph aus Regierungs- und Hofkammerräten eine Kommission, der die Forst- und Jagdsachen anvertraut waren; das vorbereitende Gutachten aus Mainz dazu in LHAK 1 C 8057, fol. 55r-59v, worauf sich die Vermutung stützt.

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tete er daher ein Forstdepartement ein, dem der Hofkammer- und Forstrat Lippe vorstand. 150 Gewiß nicht ganz ohne Blick auf seine eigene Person hatte er in der Kommission die Organisationsreform vorangetrieben, die ihm selbst die Leitung des Forstwesens eintrug, nachdem er ja bereits, wie oben erwähnt, gegen von Trott intrigiert hatte. Sowohl für die Regierung wie auch für die Hofkammer lohnte sich das geschlossene Agieren gegen das Forstamt. Beide konnten schon drei Jahre vor dem neuen Forstgesetz die Kompetenzfragen als geklärt betrachten - in ihrem Sinne: Die kurfürstliche Waldaxt wurde für Kammerwälder von den Kellnern, für Gemeindewälder von den Amtsverwaltern in den Ämtern aufbewahrt. Als gleichermaßen erstrangiges forstliches Instrument und hoheitliches Symbol veranschaulichte sie unmittelbar, wer von nun an vor Ort die Autorität besaß. 151 So zugkräftig diese Argumente auf den Kurfürsten bei seiner Entscheidungsfindung auch eingewirkt haben mögen, einen noch stärkeren Einfluß könnte der Zustand der Baukasse auf ihn ausgeübt haben. Einem drängenden Kassenbericht, wahrscheinlich von 1782, konnte er entnehmen, daß die Stände „nichts mehr zu geben [bereit seien] bis besagte Gravamina gehoben wären"; von weiteren Geldforderungen an sie ganz zu schweigen. Die insgesamt am I.3. in der Baukasse enthaltenen gut 50700 Rt aber reichten angeblich allenfalls, um bis in den Herbst weiterzubauen, zumal Hofkammer und Forstamt auch ihre Gelder nur als Kredit beisteuern wollten: „In dieser vorhandenen und um sich greifenden Verwirrung", resümierte der Berichterstatter mit Blick auf die ihm nicht entgangene Doppelkoalition der Hofkammer teils mit dem Forstamt gegen die Regierung und teils mit dieser gegen das Forstamt, „ist inmittelst der Zustand der Bau Cahsa sehr Critisch." Ebenso scharfsinnig wie eindeutig war sein Fingerzeig an den Kurfürsten. Es könne nur noch helfen, ein neues Forstgesetz zu erlassen oder dem Forstamt enge Grenzen zu setzen. 152 Daß die von den Landständen angezogene Finanzschraube den Kurfürsten maßgeblich beeinflußte, dürfte somit kaum von der Hand zu weisen sein. 153 Ganz zutreffend hatte schon Jahre zuvor Haack darin das Ergebnis „eines Paktes mit den Ständen als Gegenleistung für die Hergabe der Gelder zum Residenzbau" erkannt. 154 Die 1783 vollzogene Auflösung des Forstamts bildete freilich nur den Schlußpunkt der schrittweisen Demontage dieses jungen Hofamtes. Schon am I I . 4 . 1768 hatte die Regierung das vormalige Oberforstkommissariat als Entscheidungsinstanz bei Streitigkeiten zwischen Forstbediensteten und Gemein-

150

Vgl. MICHEL, Forst und Jagd, S. 34. Verordnung Kurtrier 1783, Scotti Nr. 776, S. 1325; 152 LHAK 1 C 8057, fol. 17r-19v, 17r (1. Zitat), fol. 18v (2. und 3. Zitat). 153 Zumal sich der Bericht auch in der Akte selbst findet. 154 Haack an Clemens Wenzeslaus, 21. 10. 1778, zit. nach MICHEL, Forst und Jagd, S. 24, ohne genaue Angabe. 151

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den beerbt. 155 Da Gerechtsame speziell von Klöstern nicht allein der Aufsicht der Revierjäger unterstellt sein sollten, legte Clemens Wenzeslaus am 22. 8. 1769 fest, daß die Beamten diese Wälder mitbeaufsichtigen sollten. Die Position des Forstamts wurde auch hier, wie bei der Frevelverfolgung, durch einen Bericht aus dem Amt St. Wendel von Anfang August geschwächt, der Dienstvergehen des dortigen Revierjägers dokumentierte. 156 Durch eine offensive Auslegung des Präliminar-Forstgesetzes untergrub jedoch das Forstamt selbst seine Argumentationsbasis noch viel entscheidender: Am 22. 4. 1769 berichtete Münch von Bellinghausen, das Forstamt habe Klafterholz unter Arrest gestellt, das der Probst zu Hirzenich im Oberamt Boppard ohne Konsens gehauen hatte, und damit die weitere Verwendung verhindert. Mit dem Berichterstatter stimmten die Geheimräte Hommer und Mees darin überein, daß sich das Forstamt damit eine ihm nicht zustehende Funktion der „Jurisdiktion" angemaßt habe. 157 Solche, zum Teil parallel zu den landständischen Beschwerdekatalogen eingehenden Berichte waren von anderen Gremien unschwer als forstamtliche Anmaßungen auslegbar; 1768 und 1769 hatte das Oberforstamt zudem eigenmächtig unter seinem Namen Verordnungen erlassen. 158 Beides mochte nicht gerade dazu beitragen, dem zusehends in die Defensive geratenden Forstamt Verbündete zu bescheren. 159 Noch vor der Rückverlagerung der Strafverfolgungskompetenz 1777 verloren die Revierjäger am 18. 6. 1776 so auch die alleinige Begutachtung gemeindlicher Holzfällungsgesuche zugunsten einer gemeinsam mit den Beamten vorzunehmenden Untersuchung. 160 Diese Fällungs- und Exportgenehmigungen hingen also schon seit drei Jahren nicht allein vom Revierjäger, sondern ebenso vom Be-

155

LHAK 1 C 8048, fol. 4 f. 9. 8.1769, LHAK 1 C 8048, fol. 3 9 ^ 2 ; Anmerkungen des Kurfürsten, 22. 8.1769, ebd., fol. 39 f. 157 Regierungsprotokoll, 22. 4. 1769, LHAK 1 C 8048, fol. 73-82, 74 (Zitat). Über mehrere Holzarreste durch das Forstamt beschwerten sich die Stände noch am 1. 7. 1780; am 23. 3. 1781 wurden Regierungsrat Cohausen und der Geheime Regierungsrat Fuchs kommissarisch damit betraut, in den Waldungen der Abtei Himmerod den Sachverhalt zu untersuchen; der Prozeß wurde jedoch angeblich verschleppt. ,Himmerod-Gutachten der Stände', 1 C 8048, fol. 463^167. Dennoch sah man wenig später ausdrücklich vor, daß das Forstamt im Gegensatz zur Regierung keine Arreste verhängen, sondern die Abführung des Holzes nur hemmen dürfe - was das in der Praxis auch immer bedeuten mochte. Verordnung Kurtrier 1782, Scotti Nr. 769, S. 1320. 158 Verordnungen Kurtrier 1768 (Wildschadensregulierung), 1769 (Vogelfangverbot), Scotti Nr. 675, 684, S. 1223, 1242. 159 Vor diesem Hintergrund mußte auch von Trott selbst die Stärkung des Forstamts illusorisch erscheinen; er hatte einen dem Forstamt zugeordneten Justizrat gefordert, um Dienstvergehen intern ahnden zu können. Vgl. LHAK 1 C 8056, fol. 26f. 160 Diese Verordnung findet sich weder in der Sammlung von Scotti noch in den hier herangezogenen Unterlagen; ihr Inhalt erschließt sich aus zeitgenössischen Bezugnahmen darauf in LHAK 1 C 8052, fol. 55, 114f„ 165, 262f. 156

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amten ab. Der Landesherr konnte 1779 die Landstände generell darauf verweisen.161 Aus der Erbmasse des Forstamts bedienten sich Regierung und Hofkammer gleichermaßen. Seit Beginn der Diskussion 1768 ging es der Hofkammer darum, die Forstkasse wieder durch die Kellner führen zu lassen, was auch die Entlohnung der Forstbediensteten umfaßte. Allerdings konnte sie sich damit erst 1786 durchsetzen, als sie die Oberhand in der entscheidenden Kommission gewann. 162 Daneben gelang es ihr, das Berichtswesen und die Bestrafung der Dienstvergehen für die Kammerwälder an sich zu ziehen. 163 In ihrer erfolgreichen Allianz mit der Regierung wahrte die Hofkammer gleichwohl stets die kritische Distanz zu ihrem Partner. Die Hofkammerräte achteten argwöhnisch darauf, daß aus der Organisationsreform andererseits auch die Ämter nicht allzu mächtig hervorgingen. Sie sahen dadurch die nämlichen Schwierigkeiten heraufziehen, die eigentlich behoben werden sollten. Diese Befürchtung äußerte Haack auch unumwunden. Den unbeschränkten Einfluß der Beamten auf die Verwaltung des Hofkammereigentums abzuwenden dürfte dabei vorrangig gewesen sein. Argumentativ Schloß sich die Hofkammer zu diesem Zweck Oberforstmeister von Trott an, der ja bereits nachdrücklich betont hatte, daß die Beamten bestechlich und parteiisch seien und somit keineswegs per se eine tadellosere Forstverwaltung gewährleisteten als die Revierjäger, zumal es die Klöster, so ergänzte die Hofkammer, verstünden, die „Beamten auf alle ersinnliche Art einzuschläferen, wo nicht zu ihrem Vortheil vorläufig einzunehmen". 164 Als Ausweg aus dem Dilemma, daß offenbar sowohl Revierjäger als auch Beamte vor Ort äußerst schwer an die Dienstpflichten zu binden waren, insofern sie jeweils unkontrolliert agieren konnten, favorisierte die Hofkammer die gegenseitige Kontrolle und gemeinsame Kompetenz von Revierjägern und Beamten. Insbesondere die Bauholzanweisungen in den Kammerwäldern, aber auch kommunale Holzverkäufe sollten nicht ohne vorherige forstamtliche Genehmigung durchgeführt werden dürfen. 165 Obschon die Stellung der Forstbediensteten im Forstgesetz schließlich weiter reduziert oder verwässert wurde, 166 sicherte letztlich das Hofkammerinteresse ein Minimum forstamtlicher Kompetenz, weil den Revierjägern ausreichend

161

Clemens Wenzeslaus an Landstände, 19. 7. 1779, LHAK 1 C 8052, fol. 165. LHAK 1 C 8048, fol. 17; 1 C 8056, fol. 66 (Position des Forstamts, das wie die Hofkammer dafür plädierte, die Forstkasse zu erhalten - allerdings in Eigenregie auch um über ein Beweismittel bei Streitigkeiten zu verfügen); 1 C 8053, fol. 50-58; § 18 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1384. 163 §§ 5, 10 ebd., S. 1380, 1382. 164 LHAK 1 C 8053, fol. 57, 78, 146-148, 148 (Zitat); ,Haack-Promemoria\ LHAK 1 C 8054, fol. 96 f. 165 LHAK 1 C 8053, fol. 104, 107 f. 166 §§ 65, 154 Forstgesetz Kurtrier 1786, Scotti Nr. 827, S. 1395, 1417. 162

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Kompetenzen belassen wurden, um ein Gegengewicht zu den Beamten bilden zu können.

7. „In der Theorie aecht schön": eine wissenschaftliche zum Forstgesetz

Expertise

Ende 1784 setzte Clemens Wenzeslaus ein Schreiben an die staatswirtschaftliche Fakultät der Universität Heidelberg auf, in dem er Johann Heinrich Jung, Professor der Forst- und Landwirtschaft, Ludwig Benjamin Martin Schmid, ordentlicher öffentlicher Professor und Forstrat 167 sowie Tucker, pfalz-zweibrückischer Hofrat und ordentlicher öffentlicher Professor, bat, den Forstgesetzentwurf zu begutachten. Am 18. 5. 1785 antworteten die Genannten dem Kurfürsten. „Der Plan des Wercks deucht uns sehr gut, der Styl schön, der Vortrag deutlich, und der Sache angemessen zu sein", eröffneten sie lobend ihre Stellungnahme und mutmaßten, das Forstgesetz „gehört ganz zuverlässig unter die besten in Teutschland", wodurch der Landesherr „bey der Nachwelt einen bleibenden Seegen stiften" werde. 168 Insbesondere pflichteten sie den „unvergleichlich[en]" Bestimmungen zur kartographischen Waldaufnahme und Schlageinteilung bei. Beides, empfahlen sie, sollte sich in der Praxis an den Ausführungen in Jungs Lehrbuch orientieren und eher in lokale Ausführungsbestimmungen denn in die Paragraphen des Forstgesetzes eingehen. Um zu verhindern, daß den Gemeinden durch die Kartenerstellung allzu große Kosten entstünden, befürworteten sie, mit den Landmessern Festpreise zu vereinbaren. Nicht mit der unzuverlässigen Umfangsmessung, welche den Morgengehalt stets falsch angebe, sondern mit Gradionslinien, die sich an den Waldwegen orientieren könnten, solle gemessen werden. 169 Die Schlageinteilung solle sich danach ausrichten, ob das Verhältnis Waldfläche-Bevölkerungszahl günstig sei - nur bei einer für die Einwohner vorteilhaften Relation sollten Schläge eingeteilt werden - , und wie das Holz infolgedessen abgesetzt werden solle; schon deshalb könne die Schlageinteilung nicht in allen Wäldern nach allgemeinen Regeln erfolgen. 16 bis 24 Schläge wären einer Einteilung in 30 Abteilungen in Brennholzwaldungen vorzuziehen. Die für Notfälle stets vorrätigen Hochwälder sollten ebenfalls in Gehaue eingeteilt oder aber pfleglich geplentert, also einzelstammweise genutzt werden. Handelte es sich fürs erste um geringfügige Modifikationen, so rückten die Professoren von den wilden Baumschulen mit dem Hinweis ab, nach der Verpflanzung wüchsen die jungen Bäume auf dem zumeist schlechteren Grund nicht so trefflich. Ratsam sei es demgegenüber,

167 Vgl. zu beiden Erich BAUER, Kaiserslautern als frühes forstwissenschaftliches Zentrum, in: ERNST, MODERT; KUNTZ, Beiträge zur Umweltgeschichte II, S. 71-81, 76-80. •68 LHAK 1 C 8 0 5 7 , f o l . 116v. 169 Ebd., fol. 117v-118r, 117v (Zitat).

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aus dem ohnehin zu dichten Jungwuchs Bäume nur geringfügig umzusetzen. Auch hierbei ergebe sich auf die Frage, was „thut bei den geringsten Kosten die beste Würkung", ein lokal spezifisches Vorgehen, worauf ja die Paragraphen zur Ödflächenaufforstung auch rekurrierten. 170 Vergleichsweise scharf tadelten die Heidelberger Gelehrten den Plan, die Anzahl der Rinder, Kühe und Schafe schlagartig zu vermindern, auch wenn „ein verhältnismäßiger Viehstand gegen den Futterbau [...] eine glückselige und wünschenwerthe Sache" sei. Denn dies könne den „Ruin vieler, besonders armer Landleute" verursachen. 171 Handeln müsse vielmehr die Regierung: „[Sie] muß die Verbesserung der natürlichen Wiesen, dann, w o diese nicht zureichen, den Bau der Futterkräuter, und nachher die Stallfütterung befördern, so hört auf einmal aller so beträchtlicher Schade auf, den die berechtigte und unberechtigte Viehweiden und Triften in den Waldungen verursachen." 172

In gleichem Tenor verwandten sie sich dafür, Armen die Ziegenhaltung zu erlauben, und erachteten eine landwirtschaftliche Zwischennutzung, weil sie den Boden lockere und dünge, dem Holzwuchs als zuträglich. 173 „In der Theorie aecht schön" sei das Vorhaben, Jagd- und Forstwesen zu trennen und die Forstbediensteten der doppelten Loyalität zu Jagddepartement und Regierung zu verpflichten, „wenn nur in der Ausführung die vielfältigen Collisionen verhütet werden können". Im Kern sei es aber sehr weise, so zu verfahren, „denn die Jagdbeamten sind gewöhnlich Liebhaber ihres Berufs, und zwar auf Unkosten des Holzbestandes." 174 Insgesamt läßt sich zusammenfassend schwer abschätzen, inwieweit die Anregungen aus Heidelberg in das Forstgesetz eingingen, da die Fassung des nach dort versandten Entwurfs nicht zu rekonstruieren ist. Dennoch dürfte sich die Begutachtung kaum ausgewirkt haben, zumal die hier vorgestellten Gutachtervorschläge, die noch einige weitere kleine Punkte umfaßten, allesamt nicht in den endgültigen Text einflossen. Der Landesherr erhoffte sich somit von der externen Begutachtung wohl erst in zweiter Linie konstruktive eigene Vorschläge der Professoren. Vorrangig dürften ihm die nicht an der Ausarbeitung und an der späteren Durchführung der Bestimmungen beteiligten externen Fachleute als eine Rückversicherung gegenüber seinen eigenen Räten gegolten haben. Die Professoren hätten gegebenfalls ökonomisch oder juristisch verhängnisvolle oder eine Seite übervorteilende Paragraphen entdecken sollen.

170 171

Ebd., fol. 118r-118v, 120r-121v, 120v (Zitat). Ebd., fol. 122r (alle Zitate).

172 Ebd. 173 174

Ebd., fol. 122r-122v. Eine zweite Aussaat hielten sie für schädlich. Ebd., fol. 117r (1. und 2. Zitat), fol. 117r-117v (3. Zitat).

I. Eine einheitliche Obrigkeit? 8.

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Fazit

Im Ergebnis konnten die Landstände auf ein erfolgreiches Stück ihrer Politik zurückblicken. Sie hatten ihre Zentralforderung, das Forstamt aufzulösen, durchgesetzt. 175 Vier Gründe dürften dafür verantwortlich gewesen sein: Erstens verfügten die Landstände mit ihren für den Residenzbau unerläßlichen Finanzzuschüssen über einen eminent wirksamen Hebel, mit dem sich die konkrete Erfüllung von Forderungen bewirken ließ. Zweitens konnten sie ihre Argumente durch die empirische Dokumentation der Beschwerden in den Ämtern bündig, breitenwirksam und bedrohlich untermauern. Ohne tatsächliche Verfehlungen des Forstamts wäre dies kaum möglich gewesen. Selbst wenn die landständische Supplik stellenweise übertrieben oder unrichtig gewesen sein mag, die Beschwerden enthalten zumindest eine Tendenz zu selbstherrlichüberzogenem forstamtlichem Auftreten vor Ort. Dennoch ist nicht von der Hand zu weisen: Die Gemeinden wurden mit ihren Beschwerden von den dirigierenden Landständen darauf festgelegt, die laute Hintergrundmusik zu spielen, derer das landständische Solo gegen das Forstamt offenbar bedurfte, um zu beeindrucken. 176 Allenfalls die Gefährdung der Steuereinnahmen durch das massive Auftreten des Forstamts nämlich ließ die Landstände die kommunalen Positionen in ein hoffähiges Gewand kleiden. Drittens fanden Klöster und Städte in de Lassaulx einen klugen und kundigen, ihnen höchst gewogenen Akteur, der sich bis etwa 1780 im Mittelpunkt des Geschehens aufzuhalten verstand. Viertens trafen die Landstände auf gleichgerichtete Interessen bei Regierung und Hofkammer: Die Regierung wollte erreichen, daß die Verwaltungsund insbesondere die Strafverfolgungskompetenzen vom Forstamt zu ihren Gunsten zurückverlagert würden, um Behörden abzuschaffen, die mit den Ämtern um die Behandlung gemeindlicher Belange oder die Jurisdiktion konkurrierten. Hinzu traten persönliche Rivalitäten zwischen de Lassaulx und von Trott. Für diese Zwecke instrumentalisierte vor allem de Lassaulx das landständische Gravamen. Dieses war somit selbst auch Hintergrundmusik - zu seinem Part. Hofkammerrat Lippe war seinerseits nicht frei von privatem Ränkespiel, verband er doch die Ablösung von Trotts mit der berechtigten Hoffnung, den Oberforstmeister zu beerben. Unabhängig davon und also langfristiger wachte die Hofkammer hingegen argwöhnisch darüber, daß sich in ihre ökonomischen Kompetenzen, zumal als Eigentümerin der Kammerwälder und dem Kurfürsten darin rechenschafts- und ertragspflichtig, keine fremden Instanzen einmischten. Diese spezifisch günstige Konstellation aus externen Einflüssen, berechtig175

Wenngleich LAUFNER, Landstände Kurtrier, S. 314, recht behält, daß die kurtrierischen Landstände kein Gesetz erließen, so manifestiert sich hier doch beispielhaft ihr stellenweise großer Einfluß auf die Gesetzgebung. 176 Hier greift LAUFNER, ebd., S. 312f., zu kurz in seiner Einschätzung, die Landstände hätten auch gemeindliche Belange vertreten.

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ten Forderungen, Personen - auch solchen mit eigenen Motiven - und harmonierenden Belangen verhalf den Landständen also zum Erfolg. Doch wie siegreich waren sie tatsächlich? An den letztlich kodifizierten Aufgaben und Kompetenzen im forstlichen Bereich rüttelten die Verantwortlichen wenig. Allein wer sie ausführen sollte bestimmten sie neu. Das aber änderte an der Einwirkung der landesherrlichen Administration beim Einschlag und Verkauf von Holz in kommunalen und klösterlichen Wäldern im großen und ganzen nichts. Dennoch handelte es sich nicht nur um einen scheinbaren oder formalen Sieg. Klöster und Städte mögen sich nämlich durchaus damit zufriedengegeben haben, Relikte und Personen aus der Zeit des Oberforstkommissariats endgültig beseitigt zu haben und - wichtiger noch - auf die Ämterverwaltung im Gegensatz zum Forstamt immerhin einen gewissen, wenn auch schwer abschätzbaren Einfluß ausüben zu können, etwa bei der Besetzung wichtiger Stellen. Die Wälder sollten nicht gänzlich ohne ständische Einwirkungsmöglichkeiten administriert werden. Hierin lag wohl die zentrale Forderung nach Auflösung des Forstamts begründet. Gänzlich unterlegen waren die Landstände hingegen bei ihrem weiterreichenden Vorstoß, unterforsteiliche Rechte für sich zu reklamieren, die sie mehrheitlich vorher nicht besaßen. Das Ziel, forstliche Rechte nicht nur zu sichern, sondern auch auszudehnen, meinten sie unter der gegebenen günstigen Konstellation gleichzeitig erreichen zu können. Sie waren es, die deshalb im Verein mit ihrem Mentor de Lassaulx massiv auf ein neues Forstgesetz drängten. Kein anderer Grund ist dafür zu erkennen. Das erklärt zugleich die überraschende Beobachtung, daß nicht die zuständige Fachbehörde - das Forstamt die Paragraphen konzipierte. Wie die Hofkammer sah das Forstamt dafür noch bis weit in die 1770er Jahre keine Notwendigkeit. Gleichwohl vermochten sich beide, Hofkammer und Forstamt, dem einmal in Gang gesetzten Verfahren nicht zu entziehen, zumal die Klagen immer lauter und drängender wurden und der Ruf nach einem neuen Forstgesetz allenthalben zu vernehmen war. Durch ihre Vetomacht konnte die Hofkammer die Händel immerhin zunächst zusammen mit dem Forstamt verschleppen, sodann die Forderung nach unterforsteilichen Rechten eliminieren und durch das so beim Kurfürsten gewonnene Vertrauen de Lassaulx bloßstellen und ihn schließlich als maßgeblichen Akteur noch vor 1778 ablösen. Die Hofkammer wurde also eher dazu gezwungen, ihre passive Taktik der Interessenvertretung aufzugeben und statt dessen aus der Reserve hervorzutreten, um selbst auf den freilich nun schon vorformulierten Wegen das Gesetzeswerk nach eigenen Vorstellungen zu vollenden. Zentral dürfte dabei gewesen sein, daß sie die als gemeinsame landständische Positionen dargebotenen Gravamina partikularisieren konnte. Damit waren es nicht mehr die Landstände, sondern St. Maximin, Koblenz und Boppard, welche wirklich ihre originären Interessen vertraten. Die vielleicht zunächst etwas bedrohlich wirkende Gesamtallianz aller Glieder der Landstände verlor so für die Kollegien schnell ihre Bedeutung als potentielle Gefahr - der Kurfürst ging

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kein zu großes Risiko ein, stellte er sich ihnen entgegen. Unterdessen entglitt den Landständen der Gesetzgebungsprozeß zusehends, obwohl sie ihn angestoßen hatten, um ihre Interessen zu verwirklichen. Da die Hofkammer im Widerstreit der landesherrlichen Kollegien den längsten Atem bewies, dürften die Initiatoren von ihrem einstmaligen Ansinnen nicht mehr allzuviel wiedererkannt haben: Sie hatten den Stab aus der Hand geben müssen, mit dem dann der Läufer einer ganz anderen Mannschaft das Ziel erreichte. Wie engmaschig und dennoch flexibel das Bündnisnetz der punktuellen Pakte und kurzlebigen Koalitionen war, das vor allem die Hofkammer ausgebreitet hatte, verrät das Kabinettstück der Kammerpolitik: sich auf der einen Seite mit der Regierung gegen das Forstamt zusammenzuschließen, ohne auf der anderen Seite das Bündnis mit dem Forstamt gegen die Regierung zu gefährden. Der erste Knoten dieses Bündnisnetzes war davon fraglos der stärkere; die vernichtende Niederlage des Forstamtes wurde schließlich durch eine enge Beseitigungs- und Erbenallianz von Hofkammer einerseits, Regierung und Landständen andererseits besiegelt. Hofkammer, Regierung und Landstände konnten dadurch den Trend, mit dem das Forstamt offenkundig spätestens von den 1730er Jahren an seine Kompetenzen stetig ausgeweitet hatte und den es noch 1768 im Präliminar-Forstgesetz kodifiziert wissen wollte, ab Mitte der 1770er Jahre schrittweise umkehren - und sich selbst aus der Erbmasse bedienen. Die als Anmaßungen diskreditierten forstamtlichen Bestrebungen, die eigenen Kompetenzen nicht nur in ihrem Bestand zu wahren, sondern sie davon ausgehend auch auszudehnen, verwendeten Hofkammer und Regierung gleichzeitig dazu, ihre eigenen, identischen Ziele elegant zu kaschieren. Auch bei den Landständen läßt sich diese Grundlinie der Politik bemerken, auf der Basis der Besitzstandswahrung neue Kompetenzen hinzugewinnen oder alte zurückerlangen zu wollen. In diesem Sinne verhielten sich also diese vier Akteure (Forstamt, Hofkammer, Regierung, Landstände) über alle Grabenkämpfe hinweg in sehr ähnlicher Weise. Auch bei der Vorgehensweise, mit der sie ihre Ziele zu erreichen suchten, sind keine großen Unterschiede auszumachen. Die Strategien bestanden jeweils aus drei Elementen: Sachliche Argumente sollten den Gegner in die Enge treiben, die empirische und juristische Beweisführung - stellenweise mit falschen und übertriebenen Angaben etwas aufgebessert die eigene Position erhärten, persönliche Intrigen und Denunziationen dort nachhelfen, wo all dies offenbar noch nicht genügte. Ein weiterer Aspekt dürfte nicht zu vernachlässigen sein, obwohl er kaum aus den Quellen herauszuarbeiten ist: Die Beteiligten einte nämlich jenseits aller Gegensätze das Basisinteresse, eine möglichst funktionstüchtige und vor allem störungsfreie Verwaltung zu gewährleisten. Insofern waren sie zwar bereit, den Konflikt hart auszutragen, aber nicht willens, ihn eskalieren und endlos andauern zu lassen. Daß somit keiner der Akteure an einer qualitativ minderwertigen, anfälligen und wechselhaften Forstverwaltung interessiert sein konnte, stärkte die ebenso vor-

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Ε. Kommunikation und Konflikt

handene Tendenz zum Ausgleich. Gliedert man aus Gründen der Transparenz und übersichtlichen Darstellung Akteure und Interessen auf, darf neben identischen Grundlinien, methodischen Übereinstimmungen und dem alle einigenden Grundanliegen viertens die enge Personalverflechtung, teils zwischen den Kollegien, teils mit den Landständen oder dem Domkapitel, nicht unterschlagen werden. Auch sie egalisierte die blanken Interessengegensätze. In diesem dynamischen Geflecht aus Akteuren und Interessen innerhalb der Obrigkeit entschied oftmals der Zugang zum Kurfürsten über Wohl und Wehe einzelner Positionen sowie Schicksale von Personen. Er war dadurch keineswegs Spielball seiner Räte und Gremien, sondern Initiator vieler Aktionen. Seine Gunst und Zugewandtheit zu einzelnen Positionen und Personen spiegelt sich in auffälliger Weise in den drei Phasen, in denen zunächst das Forstamt, sodann die Regierung im Verein mit den Landständen und schließlich die Hofkammer jeweils die Oberhand über das Geschehen errangen. Offenbar bedingten sich kurfürstliche Gunst und Erfolg gegenseitig, das Gewicht des Landesherren dürfte sich also in der Stärke und Durchsetzungsfähigkeit der Positionen niedergeschlagen haben. Dennoch findet sich auch in seiner Person nicht ein regelrechtes Steuerungszentrum des Geschehens; dafür war er selbst beispielsweise mit seinem Bauvorhaben viel zu eng an die anderen Akteure gebunden. Der Kurfürst mag zwar als derjenige unter ihnen gelten, der noch am meisten Initiative entfaltete; wie alle anderen war jedoch auch er gezwungen, zu reagieren, hatte also oft, aber nicht immer das Heft in der Hand. So läßt sich denn insgesamt auch nur davor warnen, die Rationalität oder gar Klugheit des gesamten Gesetzgebungsvorganges überzubetonen. Gewiß gab es handfeste, sinnvolle Anliegen. Mit ihrem Eintritt in die politische Auseinandersetzung erhielten sie indes ihren spezifischen Schliff. Wie die ursprünglichen Belange daher am Ende ausgestaltet wurden, welche Übereinkünfte aus dem Ringen hervorgingen, das vermochte keiner vorauszusehen. Klar dürfte den Akteuren hingegen gewesen sein, daß sie ihre in sich stimmigen Einzellösungen jeweils kaum auf ganzer Linie würden durchsetzen können. Viele letztlich kodifizierte Regelungen, man denke nur an die Strafverfolgungs- und Verwaltungsbestimmungen, nahmen daher den typisch schwerfällig-detaillierten und somit allzuoft kostspieligen Charakter von Kompromißlösungen an - ob dies dann tatsächlich eine Verbesserung oder einen Fortschritt darstellte, ist fraglich. 177 Strafverfolgung und Verwaltungsbestimmungen waren nicht zuletzt deswegen so umstritten, weil sie mit ihren hoheitlichen Funktionen die Stellung des Landesherren und mit ihren ökonomischen Belangen die Grundlagen des Erzstifts berührten. Um so erstaunlicher ist vor dem Hintergrund fundamentaler Differenzen in politisch-administrativen Fragen die breite Übereinstimmung in 177 Allerdings mögen sich für die Bevölkerung die modifizierten Entlohnungsanweisungen für die forstlichen Tätigkeiten positiv ausgewirkt haben, weil sie den Antrieb minderten, Delikte aufgrund der Besoldung zahlreich und hart zu ahnden.

I. Eine einheitliche Obrigkeit?

241

forstlichen Sachfragen. So sind überhaupt nur beim Jagdwald marginal unterschiedliche Auffassungen nachzuweisen, beim Landwirtschafts- und Holzproduktionswald waren sich die Kollegien - bei völliger Abstinenz der Landstände in diesen Belangen - weitgehend einig, insbesondere auch über die zentralen Elemente wie Schließung der Wälder sowie Schlageinteilung und Kartierung. Was zu tun war, stand damit offenbar kaum zur Debatte, die Akteure entzweite fast nur die Frage, wer mit der Ausführung betraut werden sollte. 178 Ähnlich dachten die externen Gutachter. Während sie der Art, wie die forstlichen Fragen behandelt wurden, durchweg zustimmten, meldeten sie doch bei der praktischen Durchführung der organisatorischen Aufgliederung starke Bedenken an. Wohl nicht ganz unzutreffend schätzten sie das Personal so ein, daß es doch noch stark jagdlichen Belangen zugetan sei - zum Nachteil der Holzproduktion. Die Praxis der Gesetzgebung im Detail zu beleuchten bot weitere Einblicke. Dieser Ansatz verdeutlichte, wie die Verantwortlichen die Schlageinteilung intern begründeten. Neben den aus der zeitgenössischen Forstpublizistik und aus den letztlich veröffentlichten Gesetzestexten bekannten Vorteilen führten sie auch an, daß sie gegenüber dem gängigen Verfahren der Einzelprüfung von Einschlägen administrativ einfacher, weniger umstritten und kostengünstiger sei. Dieser Befund bestätigt erneut, wie nötig und ertragreich der doppelte Blick hinter die Forstgesetze ist. Er führte ja bereits dazu, die Praxis der Forstwirtschaft mit seriellen Finanzquellen zu untersuchen. Die Forstgesetze in ihren Entstehungsprozeß einzubetten kann neben den Einblicken in prinzipielle Funktionsweisen der politischen Auseinandersetzungen zumindest zweierlei neu beleuchten: Erstens veränderte sich in Kurtrier gegen Ende des 18. Jahrhunderts generell der Stellenwert des Forstgesetzes. Einiges spricht dafür, daß ihm eine einflußreiche Rolle in der Forstpolitik zukam. Denn die Auseinandersetzungen im Vorfeld des endgültigen Beschlusses belegen vielfach, daß die Paragraphen keineswegs Luftnummern der Geheimräte waren, sondern Bestimmungen, die, wenn auch nicht dem Wortlaut, so doch der Intention nach, tatsächlich vor Ort wirkten. Immerhin war das Forstgesetz die zentrale Rechtsgrundlage. Es ist einesteils die gegenseitige argwöhnische Kontrolle, die Amtmänner, Kellner und Revierjäger angehalten haben dürfte, sich nach dem Gesetzestext zu richten; Verfehlungen konnten ja der konkurrierenden Behörde gute Argumente liefern und sich letztlich in Kompetenzverlusten massiv niederschlagen. Doch die Pa-

178 Dieses Ergebnis mag zum geringeren Teil auch schlicht daher rühren, daß sich die meisten Akteure in verwaltungstechnischen Fragen ungleich besser auskannten als in forstlichen und deshalb fast ausschließlich darüber stritten. Außerdem konnten die Beteiligten sich damit auch besser profilieren, boten sich hier doch kurzfristig sichtbare Erfolge an, auf die man bei qualitativ hochwertigen Regelungen im Wald lange warten mußte.

242

Ε. Kommunikation und Konflikt

ragraphen waren nicht nur ein interner Maßstab für die Behörden. Sie boten auch einen zumeist eindeutigen Bezugspunkt für Suppliken. Es stellte sich heraus, daß sowohl Landstände als auch Gemeinden, wenn auch in diesem Fall durch erstere dazu ermuntert, dies gerne, oft und geschickt zu nutzen wußten. Das Forstgesetz wirkte also als zweiseitige Meßlatte intern wie extern. Dies beförderte insgesamt seinen Einfluß und spricht jenseits aller positivistischen Einschränkungen für den Realitätsgehalt des Gesetzes. Langfristig kam ihm noch aus einem weiteren Gesichtspunkt heraus eine Bedeutung für die landesherrliche Administration zu: Waren nämlich den Landständen und Gemeinden nun Verstöße gegen das Forstgesetz nachzuweisen, konnte die landesherrliche Administration mit gutem Recht in deren Eigentum eingreifen. Das Forstgesetz vermochte also auch als Hebel dazu dienen, hoheitliche Belange durchzusetzen. Was sich indes theoretisch so klar ausnimmt, war in der Praxis denkbar strittig. Insgesamt ist von einem erstaunlich hohen Stellenwert des Forstgesetzes als doppeltem Orientierungspunkt und politisch-rechtlichem Instrument auszugehen: Es bot allen Beteiligten gegen Ende des 18. Jahrhunderts als definitiver Bezugspunkt in forstlichen Fragen ein höheres Maß an Rechtssicherheit und -klarheit, als dies ohne seine Existenz zu erreichen gewesen wäre. Zwar engte es ein und band die Beteiligten an niedergelegte Pflichten, gewährleistete gleichwohl andererseits mehr als theoretische Rechte, sicherte Amts- wie Privathandlungen und machte sie gleichzeitig von der Warte des Rechts aus anund einklagbar. Hier wird die für die Verrechtlichung typische Ambivalenz greifbar. Dieser Befund zum Stellenwert eines Forstgesetzes ist der Sache nach nicht neu, die Begründung ist aber eine ganz andere. Zweitens ist die Einbettung der Quellengattung in ihren Entstehungsprozeß für die Frage nach dem Holzmangel bedeutsam. An dieser Stelle ist vorerst festzuhalten: Als Kompromißpapier, das zunächst einmal losgelöst von forstlichen Fragen die Machtverhältnisse und Rücksichtnahmen in der Entstehungszeit spiegelt, geht das kurtrierische Forstgesetz von 1786 in erster Linie auf Bestrebungen zurück, die mit dem Holzmangel nicht verbunden waren. Gleichwohl war der Holzmangel als Argument in den Auseinandersetzungen alles andere als unwichtig. Vieles spricht dafür, daß es fast unerläßlich gewesen ist, mit dem Holzmangel zu argumentieren und Positionen zu untermauern. Mit anderen Worten: Weil über das Ziel, diese vermeintliche oder reale Notlage abzuwenden, schwerlich zu streiten war, bot sie eine gute Argumentationsbasis, um darauf aufbauend oder dahinter verborgen die eigenen Anliegen zu präsentieren. Freilich besaß keiner ein Monopol auf dieses Argument. So konnte es dazu kommen, daß sich die Holzmangel-Trümpfe gegenseitig ausstachen, etwa als Landstände und Forstamt einander bezichtigten, jeweils mit ihren Maßnahmen für den Holzmangel verantwortlich zu sein. Noch etwas fällt an dieser Stelle auf: Wenn die Knappheit des Holzes so bedrohlich vor Augen gestanden hätte und die Forstgesetze dazu so probate Gegenmittel gewesen wären, wie vielfach

II. Waldentwicklung vor Gericht

243

betont wurde, wäre dann nicht ein etwas zügigeres Verfahren angebracht gewesen? Und hätte die Initiative nicht viel stärker durch Hofkammer und Forstamt, deren Einnahmen und Betätigungsfelder ja in naher Zukunft geschwunden wären, ergriffen werden müssen? Und wie läßt sich das damit vereinbaren, daß sowohl Hofkammer als auch Forstamt - wenn es sich in ihre jeweilige Argumentation fügte - selbst kräftig an der Existenz des Holzmangels zweifelten? Bereits die Einbettung in Policeygesetzgebung und Verrechtlichung nährte Zweifel an spezifisch forstlichen Umständen bei der Gesetzgebung. Daß die Ausarbeitung 18 Jahre andauerte und der wichtigste Impuls von den Landständen ausging, zeigt unterdessen auch von dieser Seite, wie unzuverlässig es ist, das Aufkommen der Forstgesetze allein oder auch nur hauptsächlich aus dem Holzmangel erklären zu wollen. In Kurtrier war es jedenfalls zu weiten Teilen ein Forstgesetz aus dem Geiste der Residenzbaukasse. Folgerichtigerweise erwähnt das kurtrierische Forstgesetz von 1786 den Holzmangel daher auch nicht.

II. Waldentwicklung vor Gericht: Widerstand in Beschwerden und Prozessen Dieser soeben vorgestellte Glücksfall der Überlieferung ermöglichte es, die Entstehung des Forstgesetzes zu analysieren und darüber eine differenzierte Binnenperspektive auf die Obrigkeit zu eröffnen. Deren monolithisches Bild verblaßte und wich schließlich einem Beziehungs- und Interessengeflecht zwischen den landesherrlichen Kollegien, das alles andere als harmonisch war. Eine wichtige Rolle kam dabei den politischen Absichten der Landstände zu, zumal sie sich auf bäuerliche Beschwerden stützten. Diese sollen im folgenden nun ganz in den Mittelpunkt rücken. Sie werden als Teil des Dialogs über die Waldentwicklung verstanden, den die Gemeinden mit der Obrigkeit, aber auch mit anderen Kommunen führten. Der Part der in der Forstgeschichte noch weithin nur durch die obrigkeitliche Sichtweise wahrgenommenen Landbevölkerung beschränkt sich dabei nicht nur auf inhaltliche Mitteilungen, Argumente und Meinungen, sondern umgreift auch den „Handlungsdialog", der etwa mit Okkupationen von Ressourcen oder einer Verweigerungshaltung von vornherein ebenfalls dialogisch konzipiert war.179 Wie bei den das Forstgesetz vorbe-

179

JÜTTE, Sprachliches Handeln und kommunikative Situation, S. 163; Andreas SUTER, „Troublen" im Fürstbistum Basel (1716-1740). Eine Fallstudie zum bäuerlichen Widerstand im 18. Jahrhundert, Göttingen 1985, S. 36 (Zitat); Werner TROSSBACH, Soziale Bewegung und politische Erfahrung. Bäuerlicher Protest in hessischen Territorien 1648-1806, Weingarten 1987, S. 75-77. Vgl. darüber hinaus: Volker KAPP (Hg.), Die Sprache der Zeichen und Bilder. Rhetorik und nonverbale Kommunikation in der frühen Neuzeit, Marburg 1990.

244

Ε. Kommunikation und Konflikt

reitenden und begleitenden Dokumenten handelt es sich auch bei den Prozessen um eine entscheidungsorientierte Kommunikation. Ihren Niederschlag fand sie nicht in veröffentlichten Paragraphen, sondern beispielsweise in Urteilen. Diese Resultate der Kommunikation sind präzise zu erfassen.

1. Forschungsperspektive,

Quellenkritik und Einführung

Bis heute liegt das große Defizit der historischen Waldforschung darin, die nicht-landesherrliche Seite des Dialogs zu rekonstruieren und damit die Interessen und Sichtweisen dieser Seite zu verdeutlichen. 180 Dies wiegt um so schwerer, als die ländliche Bevölkerung den weitaus größten Teil derer ausmachte, die von der landesherrlichen Forstpolitik betroffen waren. So konnte sich eine sehr eingeengte Perspektive halten, welche die politische Initiative und waldwirtschaftliche Aktion einseitig nur bei der Obrigkeit verortete und demgegenüber den Gemeinden eine durchweg passive Rolle zuwies. Hinzu traten schwere Vorwürfe über die angeblich ruinöse bäuerliche Waldwirtschaft, die im scharfen Kontrast zur vorgeblich pfleglichen landesherrlichen Behandlung des Waldes konturiert wurden. Will man keine absichtlich gefärbte Forschung unterstellen, konnte sich diese einäugige Ausrichtung immer auf die Position zurückziehen, daß die entsprechende Quellengrundlage fehle, um bäuerliche Intentionen und Handlungen zu rekonstruieren. Daß dies jedoch offenbar nicht der archivalischen Situation entsprach, verdeutlichte unterdessen die historische Forschung zu bäuerlichen Widerstandsbewegungen. In den Arbeiten etwa von Winfried Schulze, Peter Blickle und Dieter Groh bewertet die (west-) deutsche Geschichtswissenschaft den bäuerlichen Anteil an der politischen Entwicklung in der Frühen Neuzeit - zumal nach dem Bauernkrieg - seit nunmehr rund zwei Jahrzehnten bedeutend höher. 181 Mittlerweile wird in diesem dynamischen Forschungsfeld nach Dimensionen der Territorialisierung und politischen Kultur gefragt, nach der Bedeutung des Supplizierens sowie nach Modernisierungspotentialen von Unruhen. 1 8 2 180 Dies betonen auch SCHENK, Waldnutzung, Waldzustand und regionale Entwicklung, S. 152, und SELTER, Waldnutzung und ländliche Gesellschaft, S. 3 f. 181 Winfried SCHULZE, Bäuerlicher Widerstand und feudale Herrschaft in der frühen Neuzeit, Stuttgart-Bad Cannstatt 1980; Peter BLICKLE (Hg.), Aufruhr und Empörung? Studien zum bäuerlichen Widerstand im Alten Reich, München 1980; Dieter GROH, Der gehorsame deutsche Untertan als Subjekt der Geschichte?, in: Merkur 36 (1982), S. 941-955. Vgl. zum Forschungsstand: Peter BIERBRAUER, Bäuerliche Revolten im Alten Reich. Ein Forschungsbericht, in: BLICKLE, Aufruhr, S. 1-68; Peter BLICKLE, Unruhen in der ständischen Gesellschaft 1300-1800, München 1988. 182

Georg SCHMIDT, Agrarkonflikte und Territorialisierung. Beobachtungen zum bäuerlichen Widerstand in einer „hessischen" Region, in: Jb für Regionalgeschichte 16 (1989), S. 39-56; Andreas WÜRGLER, Das Modernisierungspotential von Unruhen im 18. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Entstehung der politischen Öffentlichkeit in Deutschland und in der

245

II. Waldentwicklung vor Gericht

Die zentrale Quellengattung, die für den Rollentausch vom passiven zum aktiven Untertanen sorgte, waren überlieferte Prozesse vor Reichsgerichten. Mit ihnen komplettierte Werner Troßbach das „Dreieck bäuerlicher Artikulationsmöglichkeiten"·. Neben den Landschaften, über die sich ja auch die kurtrierischen Gemeinden Gehör zu verschaffen wußten, gelang dies in Gerichtsstreitigkeiten und in häufig damit verbundenen Aufständen. 183 Bei der überragenden Bedeutung des Forst- und Jagdwesens in der Frühen Neuzeit verwundert es kaum, daß auch diese Belange bisweilen im Rahmen der skizzierten allgemeinen Protestforschung behandelt wurden. 184 An prominenter Stelle ist hier wieder Troßbach mit seiner in Forstgeschichtskreisen leider völlig unbekannten Studie zu nennen. 185 Er hält für den Beginn des 18. Jahrhunderts fest, daß Waldstreitigkeiten einen Großteil der Prozesse zwischen Obrigkeit und Untertanen ausmachten. Dies dürfte, soviel ein Eindruck im Findbuch vermittelt, auch für das letzte Drittel des Jahrhunderts in Kurtrier gelten. 186 Historikerinnen und Historiker, welche die traditionelle Gesamtsicht vom gemeinen Mann korrigierten, untersuchten die Konflikte um Wald, Weide und Jagd in erster Linie als Ausdruck von Widerstandsbewegungen und politischen Aktionen. Das war und ist berechtigt und sehr ertragreich. Danach wird hier, soweit es im Rahmen dieser thematisch anders gelagerten Studie sinnvoll und möglich ist, auch gefragt. Zudem hat sich seit der maßgeblichen Studie von Joachim Allmann auch die Sicht gewandelt, die auf die bäuerlichen Waldnutzer vorherrschte. Auf ihn geht die fundamentale Neubewertung bäuerlicher Sichtweisen und Umgangsformen mit dem Wald zurück. Wie berechtigt dieser Anschauungswandel in der Forschung ist, belegen nachdrücklich auch die neueren Arbeiten von Seiter und Schenk. 187 Doch alle Untersuchungen ziehen die Prozeßakten als einschlägige Quellengattung nicht oder nur am Rande heran. S c h w e i z , in: GG 21 (1995), S. 1 9 5 - 2 1 7 ; Helmut GABEL, Widerstand

und Kooperation.

Stu-

dien zur politischen Kultur rheinischer und maasländischer Kleinterritorien (1648-1794), Tübingen 1995; vgl. auch Peter Blickles Sektion auf dem Historikertag in München 1996 zum Supplizieren, deren Beiträge veröffentlicht werden sollen. 183 TROSSBACH, Soziale Bewegung, S. 15. 184 SCHULZE, Bäuerlicher Widerstand, S. 71; BIERBRAUER, Revolten, S. 39 (mit Nachweisen bis 1515); BLICKLE, Landschaften,

S. 5 5 3 - 5 5 9 ; DERS., W e m gehörte der Wald? Konflikte

zwischen Bauern und Obrigkeiten um Nutzungs- und Eigentumsansprüche, in: Zs für Württembergische

Landesgeschichte

4 5 ( 1 9 8 6 ) , S. 1 6 7 - 1 7 8 ; vgl. auch: BELOW; BREIT,

Wald

ebenfalls zu einem RKG-Prozeß in der Nähe von Ebersberg bei München; Winfried FREITAG, Das Netzwerk der Wilderei. Wilderer, ihre Helfer und Abnehmer in den großen Forsten um München im späten 17. Jahrhundert, in: Andreas BLAUERT; Gerd SCHWERHOFF, Delinquenz, Justiz und soziale Kontrolle 1300-1800. Beiträge der historischen Kriminalitätsforschung zu einer Sozial- und Kulturgeschichte der Vormoderne (im Druck). 185 TROSSBACH, Schatten der Aufklärung. 186 Ebd., S. 48. 187 ALLMANN, Wald; SELTER, Waldnutzung und ländliche Gesellschaft; SCHENK, Waldnut-

246

Ε. Kommunikation und Konflikt

Pointiert ließe sich die Situation daher so charakterisieren: Auf der einen Seite hat die Widerstandsforschung den Weg zu den Gerichtsakten eröffnet, ihre Bedeutung und ihr Erkenntnispotential für das Thema Waldentwicklung aber noch längst nicht ausgeschöpft. Auf der anderen Seite fehlt der geschichtswissenschaftlichen, forstgeschichtlichen und geographischen Waldforschung bisher noch immer die zentrale Quellengattung, um Interessen und forstliche Aktivitäten nichtstaatlicher Organe herauszuarbeiten. Das Ziel des hier verfolgten Ansatzes ist es daher, diese beiden Stränge erstmals systematisch und umfassend miteinander zu verzahnen.188 Zugleich wird dabei eine in beiden Forschungsfeldern weithin zu findende Grundannahme bezweifelt. Gewiß stehen auch hier im Zentrum der Untersuchung die Auseinandersetzungen zwischen Obrigkeit und Untertanen. Das ist insoweit gerechtfertigt, als hier die Hauptkonfliktlinie verlief. Darüber wurden aber zwischengemeindliche Auseinandersetzungen vernachlässigt.189 Mit ihrer Untersuchung läßt sich nicht nur der mentalitätsgeschichtliche Ansatz von Joachim Allmann überprüfen; auch das einstmals bipolare Politikfeld Waldentwicklung kann so weiter differenziert werden: Nach der obrigkeitlichen erfahrt nun auch die gemeindliche Seite eine nuancierte Analyse. Über die Beschwerden und Prozesse wird die Sicht der Bevölkerung auf die Waldentwicklung zu rekonstruieren sein. Inwieweit kommt es zu einer bäuerlichen Widerstandsbewegung und Interessenvertretung? Schließlich zeigen die Prozesse immer auch die Realisierung landesherrlicher Ansprüche im Wald an; wo protestiert und prozessiert wird, geht zumeist eine direkte Aktion - von der Obrigkeit oder der Nachbargemeinde - voraus. Somit sind die Prozeßgeschichten neben den Finanzunterlagen ein weiteres Mittel, um die Praxis der Waldbewirtschaftung zu erfassen. Trotz ihrer bestechenden Qualität und ihrer vielschichtigen Auswertungsmöglichkeiten sind jedoch auch diese Quellen nicht vorbehaltlos heranzuziehen. Ihnen wohnen zumindest drei Probleme inne: (1) Inwieweit die Argumentationen, welche die Gemeindevertreter in Beschwerden und Prozessen ausformulierten, tatsächlich originär kommunale Ansichten abbilden, muß letztlich offenbleiben. Denn zumeist dürften gemeindliche Äußerungen durch die eingeschalteten Anwälte, zumindest aber durch die schreibkundigen Dorfbewohner verzerrt worden sein. Ein mehr oder weniger großer Anteil in den Schriften, den Juristen, Lehrer und Pfarrer beizung, Waldzustand und regionale Entwicklung, S. 143-189, zu bäuerlichen und städtischen Ansprüchen an die Wälder. 188 Zu mittelalterlichen Waldstreitigkeiten vgl. Siegfried EPPERLEIN, Waldnutzung, Waldstreitigkeiten und Waldschutz in Deutschland im hohen Mittelalter: 2 Hälfte 11. Jahrhundert bis ausgehendes 14. Jahrhundert, Stuttgart 1993. 1 8 9 „Innenwelt" und innere Dynamik der Bauernbewegungen müssen hier unberücksichtigt bleiben. Vgl. dazu TROSSBACH, Soziale Bewegung, S . 2 0 5 - 2 7 3 . Die mikrohistorisch orientierte Forschung widmet sich auch innergemeindlichen Konflikten.

II. Waldentwicklung vor Gericht

247

steuerten, ist also zu bedenken. Der Einfachheit und Lesbarkeit halber wird diese „Barriere [...] zwischen Beschwerdeschrift und dem Denken, Fühlen und Wollen" der Bauern nachfolgend nicht jeweils eigens betont. 190 (2) Ganz abgesehen davon spiegeln die von Gemeindeseite eingereichten Dokumente nicht deren gesamten Ansichten. Vielmehr beleuchten sie nahezu ausschließlich eine juristische Dimension, denn sie waren für die Gerichte verfaßt, und dort wurde nur verhandelt, was sich juristisch fassen ließ. Es war deshalb aussichtslos, dort mit Vorstellungen zu argumentieren, die außerhalb des Bereichs des Rechts angesiedelt waren, obschon dieser sehr weit reichte. Von vornherein zeigen diese prozessualen Archivalien also nur einen Ausschnitt, von dem aus nicht auf die Gesamtheit der bäuerlichen Vorstellungswelt über den Wald geschlossen werden darf. Auf diesen bedeutsamen Aspekt, daß Gerichte mitunter stereotype Argumentationen abverlangten, welche die Bandbreite der Beweisführung einengten, hat Ulrike Gilhaus im Rahmen der Umweltgeschichtsschreibung aufmerksam gemacht.191 (3) Schließlich muß die Gesamtinterpretation berücksichtigen, daß die Konflikte zwar zentrale Elemente im Verhältnis der Waldnutzer preisgeben, diese Beziehung aber nicht vollständig darin aufgeht - nur hat der alltägliche, unstrittige Teil der Beziehung weniger oder gar keine Quellen entstehen lassen. Solange die Konfliktgeschichte also in ihren Zusammenhang eingeordnet wird und nicht als solche für die Gesamtheit der Phänomene steht, darf darin ein gangbarer Weg gesehen werden. Dies verdeutlicht auch Michael Stolberg für sein Untersuchungsfeld, die Auseinandersetzungen um die Luftverschmutzung. Zu Recht verweist er auf die Spannungslinien und tieferliegenden Motive, die einen bedeutenden Anteil an der Dynamik historischer Veränderungen haben. 192 Überhaupt enthalten auch Quellen über Konflikte durchaus Einvernehmen und Kompromisse zwischen den Beteiligten. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, daß die Auseinandersetzungen, jedenfalls soweit sie zwischen Obrigkeit und Untertanen geführt wurden, vornehmlich das dominium utile betrafen. Dieses geteilte Eigentum, auch Nutzeigentum oder Teil-Eigentumsrecht, stand im Mittelpunkt.193 Wo die Kammerwälder von Nutzungsrechten der Gemeinden frei waren, sind in Kurtrier keine vergleichbaren Konflikte nachzuweisen.

190

SCHULZE, Bäuerlicher Widerstand, S. 39. Ulrike GILHAUS, .Schmerzenskinder der Industrie'. Umweltverschmutzung, Umweltpolitik und sozialer Protest im Industriezeitalter in Westfalen 1845-1914, Paderborn 1995, S. 454f., 500-502. Sie vermag diese eingeschränkte Sicht durch private zeitgenössische Aufzeichnungen zum Teil zu korrigieren. 192 Michael STOLBERG, Ein Recht auf saubere Luft? Umweltkonflikte am Beginn des Industriezeitalters, Erlangen 1994, S. 303. 193 BLICKLE, Modell, S. 300; SCHULZE, Bäuerlicher Widerstand, S. 70f. Im Rahmen des Bauernschutzes frühneuzeitlicher Agrarstaaten genoß das dominium utile auch eine rechtliche Absicherung; TROSSBACH, Soziale Bewegung, S. 160. 191

248

Ε. Kommunikation und Konflikt

Nach Forschungsperspektive und Quellenkritik ist noch ein einführender Blick auf den Widerstandsbegriff, die Rahmenbedingungen und den Ablauf der fünf großen Prozesse zu werfen. Winfried Schulze unterscheidet mehrere Formen von Widerstand. Der latente Widerstand wird in Leistungsverweigerungen der Bevölkerung greifbar; er spielte hier nur am Rande, etwa bei den Jagdfronen, eine Rolle. Manifester Widerstand äußert sich in Prozessen und Beschwerden; er machte in Kurtrier den Hauptanteil aus. Unter gewaltsamem Widerstand schließlich werden bewaffnete Angriffe und militärische Operationen der Bauern verstanden, eine Form, die in den hier untersuchten Beispielen nur ansatzweise auftrat. 194 Die Hauptform des Widerstandes wird in Prozessen vor Gericht greifbar. Die weltliche Zivilgerichtsbarkeit im Erzstift Trier sah drei Instanzen vor: Zunächst waren Ämter und Gerichte vor Ort zuständig. Das Hofratskommissariat in Trier bildete die zweite Instanz im Obererzstift, als dritte Instanz schließlich fungierte der Appellationshof in Koblenz. War eine Gemeinde oder die öffentliche Gewalt beklagt, zog das Hofratskommissariat in Trier das Verfahren bereits in der ersten Instanz an sich. Die Gerichtskosten setzten sich aus Gebühren für die einzelnen Handlungen vor Gericht zusammen und standen Richtern, Schreibern, Boten, Prokuratoren (Anwälte) und Advokaten zu. 195 In welcher Höhe sie sich bewegten, war leider nur in einem Fall zu erhellen: Die prozessierenden Gemeinden Gonzerath und Heinzerath mußten 24 Rt und 29 Albus und 11 Rt und 39 Albus für die Vertretung durch ihre Anwälte Macher und Nalbach aufwenden; die Gerichtssporteln beliefen sich auf 39 Rt und 52 Albus. 196 Wie oben gezeigt werden konnte, veranschlagte die kurtrierische Hofkammer

194

SCHULZE,

Bäuerlicher

Widerstand,

S. 8 9 - 9 5 ,

99-105,

112-114.

BLICKLE,

Modell,

S. 299: „Widerstand in Form von Prozessen und Aufständen leisteten die Bauern, wenn die in der ländlichen Gesellschaft tradierten oder entwickelten Wertvorstellungen von der für die Bauern je zentralen Obrigkeit verletzt oder nicht akzeptiert wurden." Sehr instruktiv zum Kampf der Bauern auf der handfesten und juristischen Ebene: BECK, Naturale Ökonomie, S. 58-61. Vgl. dazu auch nahe der Untersuchungsregion: Eva LACOUR, Bauernwiderstand im 17. und 18. Jahrhundert in der Grafschaft Virneburg. Eine sozialgeschichtliche Untersuchung, in: LVBll 40 (1994), S. 125-141; Werner TROSSBACH, Bäuerlicher Widerstand in deutschen Kleinterritorien zwischen Bauernkrieg und Französischer Revolution. Einige Bemerkungen zu Formen und Gegenständen, in: ZAA 35, (1987), S. 1-16. 195 DIRKS, Landrecht, S. 90-98; WEND, Landrecht, S. 25; Dagmar ZANTERS, Die Entwicklung des Gerichtswesens im Erzstift Trier im 18. Jahrhundert, Magisterarbeit masch. (Prof. Dr. Helga Schnabel-Schüle), Trier SoSe 1996. Vgl. zur Zusammensetzung des Hof- und Revisionsgerichts STAATSKALENDER Kurtrier, etwa 1791, S. 124f. 196 LHAK 1 C 1454, Urteil, 5. 2. 1785, unfoliert. Die Kosten wurden offenbar geteilt, da die Zeugenaussagen sich widersprachen. Erhebliche Kosten konnten für die klagenden Gemeinden vor den Reichsgerichten enstehen; vgl. Werner TROSSBACH, Bauernbewegungen im Wetterau-Vogelsberg-Gebiet 1648-1806. Fallstudien zum bäuerlichen Widerstand im Alten Reich, Darmstadt, Marburg 1985, S. 457; zu innergemeindlichen Spannungen konnten die dann für die Bezahlung der Prozeßkosten nötigen Allmendeverkäufe führen, DERS., Soziale Bewegung, S. 79.

II. Waldentwicklung vor Gericht

249

von 1 7 8 1 - 1 7 9 1 jährlich für Prozeßkosten (einschließlich Grenzberichtigungen und Kommissionen) rund 4 5 0 Rt. D i e gut zwei Dutzend Prozesse, die im Obererzstift Trier in Waldsachen im 18. Jahrhundert anhängig waren, lassen sich zwei Gruppen (Tab. 3 3 , 3 4 ) zuordnen. Einesteils dokumentieren sie Streitigkeiten zwischen Obrigkeit (Hofkammer, Forstamt oder Reichsgrafen von Kesselstatt) und Gemeindezusammenschlüssen (im folgenden kurz: Prozeßgruppen) oder einzelnen Kommunen. Hinzu kommt ein Prozeß, den eine hintersponheimische Gemeinde gegen das

Tab. 33: Waldprozesse in Kurtrier und der Hinteren Grafschaft Sponheim zwischen Obrigkeit und Untertanen, 18. Jahrhundert Beteiligte

Waldgebiet

Elzerath, Haag, Struth/ Hunolstein, Merscheid Emmelbusch Gutenthal, Hoxel, Morscheid, Odert, Riedenburg, Weiperath, Wolzberg Bischofsdhron, Heinzerath, Hundheim, Gutenthal, Morbach, Rapperath, Wenigerath, Wetterath Bescheid, Beuren, Hinzert, Kenn, Lorscheid Kell, Osburg, Reinsfeld

Klüsserath Klüsserath Ehrang, Pfalzel Gusterath Schweich Föhren Kesselstatt Enkirch

Idarwald

Idarwald

Schwarzwälder Hochwald Schwarzwälder Hochwald

Streitobjekt(e)

Gesamtdauer LHAK 1 C/ (mit Unter- Bemerkungen brechungen)

Holz-, Weide-, Mast-Notdurft; Schlagwirtschaft Holz-Notdurft; Schlagwirtschaft

1738-1787

Holz-Notdurft; Schlagwirtschaft

1762-1793

Holz-Notdurft; Schlagwirtschaft; Eigentum Holz-Notdurft; Windfälle; Strafverfolgung; Verwaltung Junkersbüsch Verwaltung Verwaltung Gemeindewald Verwaltung Schwarzwälder Verwaltung Hochwald Meulenwald Meulenwald Eigentum Meulenwald Verwaltung Gemeindewald

1490/91

1483/84; 1612/ 1760er Jahre: Klagerückzug 1414-1418/ Mandatsprozeß vor dem RKG 1764

1761-1786+ 3800-3803

1761-1772+ 3808-3810

1774 1786-1788 1771 1748/1762 1759 1770-1774

Erläuterung: Fett = Prozeßgruppe, benannt nach dieser Gemeinde; + = Prozeßnachlauf.

250

Ε. Kommunikation und Konflikt

Tab. 34: Zwischengemeindliche Beteiligte

Bischofsdhron, Wenigerath vs. Rapperath Beuren vs. Bescheid, Hinzerath, Lorscheid Manderscheid vs. Grosslittgen Bischofsdhron, Hinzerath, Hundheim, Rapperath, Wenigerath vs. Longkamp, Kommen Farschweiler vs. Osburg Bengel vs. Kinderbeuren

Waldprozesse in Kurtrier, 18. Jahrhundert

Waldgebiet

Streitobjekte)

Gesamtdauer (mit Unterbrechungen)

Viehweide

1780-1783

Bemerkungen

1733-1736 Gemeindewald

Viehweide

Idarwald

Gonzerath vs. Heinzerath Kell vs. Schillingen

1753 1752

Viehweide

1754 1755

mit Vorlauf im 17. Jh.

1754-1792 1785

Forstamt des Kondominiums führte. Das dortige Gerichtswesen war ähnlich wie das kurtrierische aufgebaut. Andernteils prozessierten auch Gemeinden gegeneinander. Ein auffälliger Zusammenhang zwischen Steuerleistungen der Gemeindebevölkerung und ihrer Prozeßaktivität ist nicht zu erkennen. Allenfalls für 1762, als die Steuern kurzfristig mehr als verdoppelt wurden, mag darin ein zusätzlicher Antrieb begründet liegen.197 Die Auseinandersetzungen zwischen kurtrierischer Hofkammer und Gemeinden verdichteten sich zum einen im Idarwald und anderen Wäldern, die im Amt Bernkastel lagen, und zum anderen im Schwarzwälder Hochwald. Dort schlossen sich jeweils mehrere Gemeinden zusammen, um unter anderem ihre Behölzigungsrechte einzuklagen, woraus mehrere, teilweise ineinander verschränkte jahrzehntelange Prozesse resultierten, die über alle Instanzen geführt wurden. Warum sich die Prozesse im Hunsrück häuften, aber aus der Eifel keine vergleichbaren Streitigkeiten überliefert sind, ist schwer zu klären. ^198 Die Differenzen gingen nicht vollständig im Prozeßgeschehen auf. Immer gab es einen außergerichtlichen Vorlauf, oft auch parallele oder nachgeschal197

198

WEISENSTEIN, Steuerwesen, S. 50.

Zwischen den beiden Mittelgebirgsregionen unterschieden sich weder die Waldentwicklungspolitik noch das Wohlstands- oder Armutsniveau oder der Grad der staatlichen Durchdringung bedeutsam.

II. Waldentwicklung vor Gericht

251

tete Aktionen zu den Gerichtsverhandlungen. Sie hingen - als außergerichtlicher Schauplatz - damit eng zusammen und werden deshalb in ihrem Zusammenspiel dargestellt. So liegt es nahe, auch umfangreichere Kontroversen und Verwaltungsangelegenheiten zwischen Obrigkeit und Untertanen, die nicht notgedrungen in einen förmlichen Prozeß mündeten, hier mit heranzuziehen. Außerdem wird die landständische Untersuchung hier im Detail ausgewertet. 199 Sie wurde bereits im vorhergehenden Abschnitt zur Ausarbeitung des Forstgesetzes teilweise berücksichtigt. Nun treten die Originaldokumente und -aussagen der Gemeinden in den Vordergrund, nicht die Beschwerden, welche die Landstände daraus formulierten. Unverkennbar weisen sie regionale und thematische Schwerpunkte auf. 200 Sie rühren sicher einesteils aus der je spezifischen Lage in den Ämtern her, mögen andernteils aber auch ursächlich darauf zurückzuführen sein, daß die landständischen Gesandten ab und an bei der Formulierung der Beschwerden die Feder führten. Zur Skizze der fünf großen Prozesse: 1738 bekundeten die Gemeinden Elzerath, Haag, Hunolstein und Merscheid beim Bernkasteler Amtmann ihren Unmut über die Einschränkung ihrer Notdurft (Holz, Weide, Mast). Ein drei Jahre später erlassenes Dekret sollte den Streit schlichten helfen, verfehlte allerdings seinen Zweck. 1767 mündeten die Beschwerden in einen Prozeß, der den Kommunen vorläufig, sollte das bodenliegende Holz nicht ausreichen, auch stehendes Holz zuerkannte. Seine Menge orientierte sich an dem jährlich nachhaltig zu erwartenden Ertrag, den ein Forstgutachten taxiert hatte. Da auch dieses Urteil den Konflikt nicht bereinigte und das Forstamt zudem nun schlagweise in den Wäldern vorging, behinderten die Gemeindeleute diese Einschläge gewaltsam. Die Urteile 1774 und 1776 gaben ihren Ansichten recht. Die Gemeinden wurden für Einbußen, welche die Schlagwirtschaft am bodenliegenden Holz verursachte, mit 1 Klafter Holz pro Haushalt entschädigt. Auf eine ähnlich glatte und erfolgreiche Prozeßgeschichte konnten andere Gemeinden im Oberamt Bernkastel am Ende des Jahrhunderts nicht zurückblicken. Zwar hatten die Bewohner von Gutenthal, Hoxel, Morscheid, Odert, Riedenburg, Weiperath und Wolzberg kaum weniger besorgt registriert, wie das Forstamt nach 1760 „ein Holzschlag nach dem anderen" im kurfürstlichen Idarwald vornahm und ihnen zugleich ihr Behölzigungsrecht verweigerte.201 Da sie sich, nachdem die Intensität der Schläge vorerst abgeklungen war, nicht 199

LHAK 1 C 8050, Landständische Untersuchung, Dezember 1777, fol. 311—401. 200 Neben wortgleichen Äußerungen unterschiedlicher Deputierter (ebd., fol. 367) und Gemeinden ohne Beschwerden (ebd., fol. 337) fallen vor allem die Klageschwerpunkte auf: zur Holzproduktion und Landwirtschaft (Amt Merzig), zur Jagd (Amt Montabaur) und zur Verwaltung (Ämter Cochem und Zell). 201 LHAK 1 C 1483, Gemeinden, 8. 11. 1789, fol. 85v. Die Auseinandersetzung ist vergleichsweise lückenhaft dokumentiert, weil sie nicht in einen förmlichen Prozeß mündete. Der Hergang erschließt sich einigermaßen aus diesem Dokument; Originale fehlen jedoch zumeist.

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Ε. Kommunikation und Konflikt

mehr zu einem förmlichen Prozeß entschlossen, sahen sie sich selbst 1786 zu keiner anderen Gegenwehr mehr in der Lage, als die Holzhauer aus eigener Kraft von der Arbeit abzuhalten. Um den gewaltsamen bäuerlichen Widerstand zu brechen, bedurfte es eines Exekutionskommandos aus 30 Soldaten. 1791 trafen beide Parteien einen Vergleich, der dem gerichtlichen Ausgang in Struth und Emmelbusch ähnelte. Ein anderer Teil des ausgedehnten kurfürstlichen Idarwaldes war dem Forstrevier Wenigerath zugeordnet. Die umfangreicheren und neuartigen Einschläge ließen auch die Gemeinden Bischofsdhron, Heinzerath, Hundheim, Gutenthal, Morbach, Rapperath, Wenigerath und Wetterath nicht unberührt. 202 Die acht Kommunen wählten allerdings schon recht bald einen anderen Weg und wandten sich 1764 nach Wetzlar an das Reichskammergericht (RKG). Zwei Ziele wollten sie erreichen: Die kurtrierische Regierung sollte sicherstellen, daß ihre eigenen Beschlüsse, den Gemeinden ihre Notdurft zuteil werden zu lassen, vom Oberforstkommissariat vollzogen werden; die Schlagwirtschaft sei einzustellen, weil sie gemeindliche Behölzigungsrechte in ihrem langfristigen Bestand gefährde. Die Richter in Wetzlar gaben der Verwaltungsklage der Gemeinden in beiden Punkten recht. 203 Der Spruch aus Wetzlar war kein Urteil. Vielmehr ist er wie eine einstweilige Verfügung' zu bewerten. Der Kläger war nach einer bestimmten Frist, in der Einreden möglich waren, zufriedenzustellen. Der Zugang zu einem solchen Mandatsprozeß war Untertanen auch in Territorien offen, denen wie Kurtrier das ,privilegium de non appellando' die höchstrichterliche Entscheidung vor ihrem eigenen Appellationshof zubilligte. Dies galt allerdings nur, wenn Gefahr im Verzug war. 204 Mit den für die Gemeinden günstigen Urteilen, welche die Gerichte 1771 und 1774 in Kurtrier fällten, gab sich die Hofkammer nicht zufrieden und appellierte nach Koblenz. 1790 hielten die Richter beide Konfliktgegner an, sich - endlich - gütlich zu einigen. Die Vergleichsversuche schlugen fehl, und auch hier eskalierte der Streit schließlich, so daß der Appellationshof 1793 eine 202

Vgl. auch Heinrich STURM, Der Idar-Kameralwald und die 5 Gemeinden, in: Kreis Bernkastel-Wittlich Jb 1993, S. 192-202. Prozesse aus dem Mittelrheingebiet erläutert: Gerhard HANKE, D i e W a l d g e s c h i c h t e d e r „ V i e r t ä l e r " a m M i t t e l r h e i n , in: ERNST, MODERT; KUNTZ,

Beiträge zur Umweltgeschichte II, S. 29-54, 34-36. In anderem Zusammenhang bedeutsam: Heinz MONZ, Der Waldprozeß der Mark Thalfang als Grundlage für Karl Marx' Kritik an den Debatten um das Holzdiebstahlsgesetz, in: Jb für westdeutsche Landesgeschichte 3 (1977), S. 395^118. 203

LHAK 56 1642, Spinola, Anwalt der Gemeinden an Reichsgraf und Kammerrichter, 17. 3. 1764 mit Anlagen; Mandatum cum Clausula, 18. 7. 1764, unfoliert. Im Bundesarchiv, Außenstelle Frankfurt a.M. liegen keine weiteren Archivalien zu diesem Prozeß. 204 Manfred HINZ, Der Mandatsprozeß des Reichskammergerichts, Diss, masch. Teildruck FU Berlin 1966 (gleichlautende Habil. masch. FU Berlin 1973 konnte nicht eingesehen werden); SCHULZE, Bäuerlicher Widerstand, S. 81; HRG, Art. .Mandatsprozeß', Bd. 3, Sp. 232-239; Ulrich EISENHARDT, Die kaiserlichen privilegia de non appelando, Stuttgart 1980.

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Schlichtungskommission verordnete. Hätten nicht bedeutendere Ereignisse den Fortgang gehindert, so wäre nach 30 Jahren Prozessierens vor allen denkbaren Gerichten auf die acht Gemeinden und die Hofkammer gleichermaßen vor allem eines zugekommen: hohe Kosten für diese Kommissionen. Der Versuch, sich außergerichtlich, etwa in Kommissionen 205 zu verständigen, war kein Einzelfall. Er hing oft eng mit dem Prozeßgeschehen vor Gericht zusammen, ja konnte sich geradezu als dessen Verlängerung und Verlagerung erweisen. Das belegen auch die Auseinandersetzungen im westlicher gelegenen Teil des Hunsrücks. Die drei Hochwaldgemeinden Osburg, Kell und Reinsfeld prozessierten von 1760 bis 1769 um ihre Behölzigungsrechte und um ihre Anteile am außergewöhnlich zahlreich auftretenden Windwurfholz. Als sie damit nicht in gewünschter Form vor Gericht Erfolg hatten, mißachteten sie die ergangenen Urteile und bemächtigten sich 1772 und 1782 umgeworfener Stämme. Aus der Bestrafung entstanden weitere Querelen. Beide Male arbeiteten Kommissionen Vergleichskataloge aus, die schließlich mit Kell und Reinsfeld zu einer Teileinigung führten, während Osburg abermals vor Gericht in einen nicht beendeten Prozeß zog. Auch deren Nachbargemeinden Bescheid, Beuren und Lorscheid paßten sich nahtlos in dieses Bild ein. Sie waren im Hochwaldteil des Forstreviers Bescheid nutzungsberechtigt. Ihre Prozesse betrafen nacheinander drei unterschiedliche Belange: Notdurftrechte, Strafverfolgung und Eigentumsansprüche. Das Urteil 1789 schmetterte diese letzte Forderung ab. Auch die Berufungsinstanz rüttelte 1790 nicht daran. 206 Denn die appellierenden Gemeinden stützten sich auf gefälschte Dokumente. 207 Wer die Dokumente gefälscht hatte, konnte auch das angerufene Schöffengericht in Trier nicht klären. Gleichwohl stand Advokat Leiberz aus Trier, der die Gemeinden vertrat, in starkem Verdacht, gemeinsam mit Notar Löffart, ebenfalls aus Trier, sowie dem Meier und zwei Gerichtsschöffen aus Osburg den Geltungsbereich des dortigen Waldweistums von 1546 auf die fünf klagenden Gemeinden (Bescheid, Beuren, Lorscheid, Hinzerath und Kenn) ausgeweitet zu haben, indem er deren Ortsnamen in die Abschrift für das Gericht einfügen ließ. Gleichzeitig wurde so der Hochwald, im Original Eigentum des Landesherren, den „anstoßenden Gemeinden gemeinschaftlich zuerkannt". Um weitere Eigentumsnachweise vorlegen zu können, erfanden die Kläger überdies ein Kammerprotokoll (datiert auf den 6. 12. 1713) und modifizierten den Geltungsbereich eines weiteren von 1719 nach bekannter Manier. 208

205 Schulze, Bäuerlicher Widerstand, S. 109. 206 LHAK 1 C 3800, fol. 89r-90r (Urteile), fol. 92r-95v; 1 C 3803, fol. lr-2r, Hof- und Forstrat, Syndikus Schunck, 16. 12. 1790. 207 Das scheint so außergewöhnlich nicht gewesen zu sein; vgl. TROSSBACH, Soziale Bewegung, S. 266. 208 Ebd., fol. 2r-6v, 4v (Zitat).

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Ε. Kommunikation und Konflikt

Wie eng die beiden Gemeindeverbände zusammenhingen, die im Hochwald die Auseinandersetzungen führten, verdeutlichen nicht nur die Prozeßgegenstände, die jeweils die andere Seite inhaltlich anregten. Denn ganz gezielt schlossen sich Bescheid, Beuren, Lorscheid und Hinzerath sowie Osburg und Kell 1792 zusammen, um ihrem Gesuch Nachdruck zu verleihen, die eingehängten Distrikte zu öffnen. Neben diesen fünf großen Prozeßgruppen, welche die Kameralwälder Struth/Emmelbusch, Idarwald und Schwarzwälder Hochwald betrafen, kam es zu weiteren, vergleichsweise kurzen gerichtlichen Auseinandersetzungen (vgl. Tab. 33). In den Prozessen der kurtrierischen Hofkammer gegen Klüsserath, Ehrang, Pfalzel und Schweich standen etwa Verwaltungsfragen im Vordergrand. Im Prozeß gegen die Reichsgrafen von Kesselstatt stritt sie dagegen um Eigentumsansprüche im Meulenwald, während die Reichsgrafen ihrerseits als Obrigkeit gegen die Gemeinde Föhren prozessierten. Auch in der Hinteren Grafschaft Sponheim schlugen die Hofkammer und die Gemeinde Enkirch bei ihrem Streit den Rechtsweg ein. Keineswegs waren Waldrechte nur zwischen Obrigkeit und Untertanen strittig. Vielmehr strengten auch Gemeinden untereinander darüber vor den Gerichten Prozesse an. Die überwiegende Zahl von ihnen betraf Weiderechte. Da die Prozesse sich vielfach ähnelten und zudem wenig für die hier verfolgten Fragen aussagen, wurde die Mehrzahl bei der Untersuchung ausgespart.209 Sie sind aber in der Gesamtwertung mitzubedenken, um kein verzerrtes Bild zu zeichnen. Die ausgewählten acht zwischengemeindlichen Prozesse in Kurtrier (sieben) und im Kröver Reich (einer) erstreckten sich neben Fragen der Weideauch auf solche der Holznutzung, insbesondere in (gemeinschaftlichen) Kommunalwäldern. Hier können gemeindliche Positionen und Interessenvertretung auch außerhalb der Konfliktlinie Obrigkeit-Untertanen trefflich studiert werden. 2. Spannungen im Verhältnis der

Waldnutzer

Als zentrale Bezugspunkte für die rechtliche Argumentation dienten die Weistümer. Deren Bestimmungen wurden immer wieder herangezogen, sei es von gemeindlicher Seite, wie im Falle der Bischofsdhroner Prozeßgruppe, um Ansprüche anzumelden210, sei es von der Hofkammer, um diese zurückzuweisen.211 Ein fehlendes Weistum konnte ersetzt werden, indem Zeugen, zumeist 209

Blickt man ins Findbuch, müssen diese meist kurzen Prozesse die Gerichte häufig beschäftigt haben. Ebenso unberücksichtigt blieben Verfahren gegen einzelne Gemeindemitglieder. 210 LHAK 1 C 1415, Gemeindeanwalt, 13. 11. 1769, fol. 96v, lOlv. 2!1 LHAK 1 C 1415, Hofkammer-Syndikus Haas, 24. 1. 1769, fol. 26v-27r, mit dem Hinweis, im Bischofsdhroner Weistum werde lediglich ein begrenztes Behölzigungsrecht der Gemeinden festgeschrieben.

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ältere Gemeindebewohner, bei den Verhören glaubhaft machen konnten, daß bestimmte Waldrechte ,seit jeher' ausgeübt wurden und ,altes Herkommen' waren, sich also durch Gewohnheit eingespielt hatten.212 Eine bedeutsame Grundlage konnte auch das kurtrierische Idar-Forstgesetz von 1584 bilden. Hofkammer-Syndikus Schunck wies den Gemeinden damit einen „Holzraub" nach, da sie nicht, wie es dort vorgeschrieben war, ausschließlich liegendes Holz genommen hatten. 213 Auch in umgekehrter Richtung, um etwa gegen die Verwaltungspraxis des Forstamts vorzugehen, erwiesen sich einzelne Paragraphen der Forstgesetze als brauchbar. Revierjäger Christian Betzholz in Riedenburg wurde nach einer Klage zahlreicher Gemeinden verurteilt, unrechtmäßig erhobene Gebühren zurückzuerstatten. Denn nach § 14 des Forstgesetzes von 1720 mußte er Notdurft-Holz unentgeltlich anweisen 2 1 4 Auch für spitzfindige Argumentationen mußte das Forstgesetz mitunter herhalten: Der Gemeindezusammenschluß um Bischofsdhron meinte, § 28 billige den Dorfbewohnern Brennholz in unbeschränkter Güte und Menge zu. Freilich behandelte dieser Paragraph nicht die Berechtigung an sich, sondern nur die Art und Weise, wie Notdurft-Holz anzuweisen und abzuführen sei, und sprach dabei allgemein von Brennholz, das den Gemeinden zustand.215 Daneben führten die Prozeßparteien auch Verordnungen an, um ihre Position zu untermauern.216 Diese Reskripte, welche die Sachlage eigentlich klären sollten, konnten also auch ihrerseits zur Quelle weiteren Streits werden. 217 Eine gewisse Grundspannung, wie sie zu interpretieren sind, war allen diesen Rechtstexten zu eigen, vor allem wenn sie das erwähnte Nutzeigentum be-

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LHAK 1 C 1490, unfoliert, Vorsprache der Bauern im Amt Bernkastel, 12. 1. 1738 und das Verhör am 16. 12. 1738 von insgesamt 15 Zeugen aus den Ortschaften. Um die Aussagen zu überprüfen, wurde freilich am 23. 7. 1740 noch die Aussage des Kellners zu den Berechtigungen angefordert. Hofkammer-Syndikus Haas (1 C 1415, fol. 129v-130r) machte die Bischofsdhroner Prozeßgruppe allerdings am 8. 11. 1770 darauf aufmerksam, daß sie Altes Recht, zumal bei der Existenz eines Weistums, nicht von 1748 hergebracht haben könnte; das sei dafür zu kurz. Diese hatte am 25. 10. 1770 so argumentiert (ebd., fol. 116r). Zum Alten Recht, das auf gute Gewohnheit, Billigkeit und göttliche Rechtsordnung rekurrierte: BLICKLE, Modell, S. 303-305; TROSSBACH, Soziale Bewegung, S. 53-64. 213 LHAK 1 C 1483, Hofkammer-Syndikus Schunck, 15. 6. 1789, fol. 66r. 214 Ebd., fol. 2r, Urteil, 16. 12. 1735; 1 C 1484,6r. Diese Klage führten die Bischofsdhroner und Gutenthaler Klagezusammenschlüsse gemeinsam. Weistum, Zeugenaussagen und Paragraphen der Forstgesetze waren auch im Prozeß Schweich versus Hofkammer bedeutsam; 1 C 7212, fol. 64v, 65v, 66r, 74r-84r. 215 LHAK 1 C 1415, Gemeinden, 25. 10. 1770, fol. 115v. 216 Ebd., Hofkammer-Syndikus Haas, 24. 1. 1769, fol. 28v; Gemeindeanwalt, 13. 11. 1769, fol. 98r-98v. Die Regierungsverordnung vom 2. 7. 1748 verwehrte den Gemeinden stehendes Holz zur Notdurft. Dem hielten sie nun entgegen, man habe ihnen bereits damals ihre Berechtigung versagt. 217 Vgl. den anfänglichen Dissens zwischen Elzerather Prozeßgruppe und Hofkammer über den abzutrennenden Distrikt, der 1741 verordnet worden war.

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trafen. Obwohl sie oft sehr präzise waren und sich stellenweise gar der Eindruck der Überregulierung aufdrängt, ließen sich viele forstliche Sachverhalte grundsätzlich nicht absolut eindeutig regeln: Es blieb fast immer ein unbestimmter Rest. Die meisten Weistümer waren überdies ja nicht einmal waldspezifische Rechtstexte und behandelten diese Fragen daher oft nur im Mindestumfang. Dehnbare und unbestimmte Paragraphen mögen bisweilen in den späteren Ordnungen auch begrüßt worden sein. Denn damit ließ sich flexibler und gewohnheitsnäher operieren, weiche Formulierungen landesweiter Gesetze paßten sich zudem regionalen Unterschieden besser an. Überhaupt entschied letztlich die Praxis darüber, wie die Weisungen vor Ort konkret ausgestaltet und ausgeübt wurden. (1) Eine erste der vier zusätzlichen Spannungen, die an die somit ohnehin schon grundspannungsgeladenen Regelungen angelegt wurde, ging von dieser örtlichen Praxis aus. Wie Förster und Bauern agierten - getreu ihrem Verständnis der Rechtstexte oder sich davon bewußt oder unbewußt absetzend - , forderte die Rechtstexte ständig durch alltägliche Interpretationen heraus. (2) Die zweite Zusatzspannung entstand, wenn ältere Formulierungen nunmehr unverständlich waren, sich also über das Normalmaß hinaus unpräzise ausnahmen, Lücken aufwiesen, neue Begebenheiten nicht umfaßten oder aber gegen ältere Rechte verstießen. So klagten die drei Hochwaldgemeinden Osburg, Kell und Reinsfeld 1760 gegen den Revierjäger in Osburg, weil dieser sich weigerte, ihnen alles liegende, unschädliche Holz, auch wenn starke Winde es herunter- oder umgebrochen hatten, zu ihrer Notdurft anzuweisen. Am 18. 3. 1762 gab das Hofratskommissariat in Trier den Gemeinden recht. Dagegen legte die Hofkammer sofort Berufung ein - nicht ohne triftigen, neuerlichen Anlaß, hatten doch Stürme in den Folgejahren das herumliegende Holz stark vermehrt und die Chance erhöht, auch das erstinstanzliche Urteil umzustürzen. Dies gelang der Hofkammer tatsächlich. Mit ihrem Vorschlag, künftig eigentumsrechtlich zwischen großen und kleinen Windschlägen, also umgefallenen und entwurzelten Bäumen (das heißt Windfall oder -wurf) einerseits und Ästen, dürrem Holz und abgängigen Bäumen (das heißt Windbruch) zu unterscheiden, setzte sie sich am 18. 1. 1766 durch. Fortan konnte die Hofkammer damit auch die Stämme beanspruchen, die umgestürzt waren, weil ihr Syndikus glaubhaft machen konnte, daß Windbrüche und insbesondere Windfälle wegen der Schlagwirtschaft zugenommen hatten: Die Bewirtschaftung stellte die verbleibenden Samenbäume frei und bot damit dem Wind eine größere Angriffsfläche; neuerdings stürzten so auch gesunde, noch nicht überalterte Bäume um. Es konnte jedoch nicht die rechtliche Folge dieser von der Hofkammer eingeführten neuen Bewirtschaftungsform sein, so die Beweisführung des Hofkammer-Anwaltes, daß sie ihr Recht an den Stämmen schmälere, während die Gemeinden es in diesen Fällen darauf ausdehnten. Die Richter in Koblenz sahen die Rechtslage am 1. 3. 1769 genauso und wiesen damit die Ap-

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pellation der Gemeinden zurück. 218 Die Bescheider Klagegruppe strengte zeitgleich Prozesse mit dem selben Ziel an. Auch in den Hochwaldteilen, in denen sie berechtigt war, hatte der Sturm neue rechtliche Probleme mit sich gebracht; sie wurden analog entschieden. 219 (3) Während Rechtstexte wohl immer mit zusätzlichen Herausforderungen durch Praxis, Lückenhaftigkeit und Novellen zu rechnen haben, traten hier noch zwei weitere, besondere Schwierigkeiten hinzu. Dies ist einmal das Bevölkerungswachstum. Seine Wirkungen entgingen auch den Zeitgenossen nicht. Die Zahl der in einer Ortschaft lebenden Menschen, die als Gesamtheit Holz- und Weidenotdurft in den Kameralwäldern zuerkannt bekommen hatten, konnte den Gesamtbedarf an Brennholz und Weidefläche signifikant verändern, ohne daß die zugrundeliegende Ursache zu beeinflussen war. 220 (4) Anders verhielt es sich bei der neu eingeführten Waldwirtschaft, der Schlagwirtschaft. Wie sie sich auf Fallholzmenge und Weidefläche, aber auch ganz generell auf die Waldbeschaffenheit auswirkte, war von Anfang an heftig umstritten und führte zu erbitterten Auseinandersetzungen. Gegenüber dem Bevölkerungswachstum ließen sich die Auswirkungen des Schlagwirtschaft erheblich modifizieren. Zeitpunkt, Art und Weise der Durchführung und die daraus resultierenden Wirkungen der Schlagwirtschaft wurden so zum Politikum, über das letztlich nicht nur Betroffene und Gutachter stritten, sondern auch Richter urteilen mußten. Sie erarbeiteten für die Probleme Bevölkerungswachstum und Schlagwirtschaft unterschiedliche Lösungsansätze. Doch diese vermochten nicht, alle Konflikte auszuräumen. Mitunter wirkten sie kontraproduktiv, indem sie die Auseinandersetzung verstetigten, die Positionen verhärteten und so geradezu zur Nichtlösung beitrugen. 221 Wie Grund- und Zusatzspannungen, insbesondere Bevölkerungswachstum und Schlagwirtschaft, auf die Waldtypen, Strafverfolgung und Verwaltung wirkten, soll nun genauso analysiert werden wie die Dynamik, welche die Kommunikation zwischen den Beteiligten inner- und außerhalb der Prozesse entwickelte.

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LHAK 1 C 3808, fol. 203r-204v, 229r-229v, 248r (Urteile); 1 C 3809, fol. 94r-94v; 1 C3810, fol. 113r. 219 Offenbar waren dies nicht die ersten Differenzen darüber, wem Windfälle zustanden. STURM, Idar, S. 198, berichtet darüber auch für 1689. 220 Vgl. zu demographischen und ökonomischen Hintergründen, die von der Obrigkeit nicht zu verantworten waren, TROSSBACH, Soziale Bewegung, S. 43. 221 Ebd., S. 67-69, 182-185; DERS., Schatten, S. 130; die lange Dauer der Prozesse konnte stellenweise auch die Effektivität eines prozessualen Konfliktaustrages schmälern. SCHULZE, Bäuerlicher Widerstand, S. 109.

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3. „Statt Unterthanen Holz zu pflanzen" oder: Wachsen Waldrechte mit der Bevölkerungszahl ? Bei der Frage, wie die Auswirkungen des Bevölkerungswachstums zu bewerten seien, standen Hofkammer und Forstamt den Gemeinden diametral gegenüber. Forstamt und Hofkammer konnten dem Anstieg der Bevölkerung nur negative Aspekte abgewinnen. Oberforstkommissarius Boos von Waldeck betonte, der vergrößerten Gemeindebevölkerung weiterhin das Brenn-, Bau- und Geschirrholz anzuweisen, würde die Kammerwälder Struth und Emmelbusch „zugrunde richten", wovon keiner, weder Eigentümer noch Nutzer, profitierte. 222 Das Kommissionsgutachten belegte die langfristige Zunahme der Bevölkerung. So zählten die Ortschaften Elzerath, Haag, Hunolstein und Morscheid 1569 zunächst 44 Haushalte, 1653 nunmehr 32, 1669 40 und 1767 aber 130 Haushalte. 223 Auch andere Prozesse berührten dieses Thema immer wieder. So war die Gesamtanzahl von 150 Haushalten für die Gutenthaler Klagegruppe 1787 unumstritten.224 Wie sich diese Ziffern weiter entwickeln würden, war indes schwer abzuschätzen. Während der wild- und rheingräfliche Oberförster Schmidt aus Weierbach von zukünftig 180 bis 190 Brandstätten ausging, hielt der kurtrierische Hofkammer-Syndikus diese Prognose, aus der sich zugleich die Größe des abzuteilenden Distrikts für die gemeindliche Brennholznotdurft ergeben sollte, für „unstatthaft". 225 Der Bischofsdhroner Prozeßgruppe rechnete Hofkammer-Syndikus Haas 1769 vor, sie entnähme gegenwärtig für 320 Hausstätten Holz, während sie Ende des 17. Jahrhunderts nur ein Fünftel davon gebraucht habe. Da das im Idarwald liegende Holz dazu nicht ausreiche, beanspruche sie jährlich zusätzlich 570 Klafter stehendes Holz, was dem Jahresertrag entspreche, wenn man mit „forstmäßiger Oeconomie" arbeite. 226 Der Bescheider Prozeßgruppe legte der Hofkammer-Anwalt dar, daß sich der Hochwald in den vergangenen Jahrhunderten im Gegensatz zu den Befugnissen nicht vermehrt habe. Juristisch gewandt strebte er danach, die Berechtigungen nicht nach der gegenwärtigen, sondern der ursprünglichen Lage zu beurteilen. So bevölkerten zu jener Zeit nur insgesamt 500 Untertanen das weitläufige Amt Grimburg. Somit könne der Sinn des Notdurftanspruchs wohl kaum darin gesehen werden, „daß selbe in folgenden Zeiten auch für 300 und mehreren Hausstätten [= 1200 bis 1500 Einwohner] zu ihrer gänzlichen Brandnotdurft in der nemlichen Maaß gelten sollte". 227 Noch ein weiterer Aspekt kam zur Sprache. „Wegen der geringeren Bevölkerung" sei das Brand-

LHAK 1 C 1490, Oberforstkommissar Boos von Waldeck, 20. 6. 1767, unfoliert. Ebd., tabellarische Beilage zum Gutachten mit Aufschlüsselung nach einzelnen Orten, 29. 10. 1767, unfoliert. 2 2 4 LHAK 1 C 1483, Hofkammer-Syndikus Schunk, 15. 6. 1789, fol. 62r. 22 5 LHAK 1 C 1612, Gutachten Schmidt, 22. 5. 1787, unfoliert; 1 C 1483, fol. 62r (Zitat). 2 2 6 LHAK 1 C 1415, Hofkammer-Syndikus Haas, 24. 1. 1769, fol. 24r. LHAK 1 C 3803, Hofkammer-Syndikus, 20. 6. 1792, fol. 206r-207v. 222

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holz ehedem zu „gar geringerem Werth geschätzet" worden, betonte der Hofkammer-Anwalt und folgerte: „Freylich kann man bey der dermaligen Kostbarkeit des Holzes dem Wald Eigentümer nicht zumuthen, daß er wie in vorigen Zeiten seine Waldungen zum Raffholz werden lasse." 228 Hier hob er auf die immense Wertsteigerung ab, die der Wald seit der schriftlichen Fassung der Berechtigungen erfahren hatte. Schon vier Jahre vor ihm hatte Hofrat und Amtsverwalter Heiborn diese Linie vor Gericht gegen die Keller Prozeßgruppe vertreten: Zu der Zeit, als das Holz im Überfluß vorhanden, daher wertlos gewesen und im Wald verfault sei, habe man „den Unterthanen dergleichen Gerechtsame ganz gern verstattet". Gewiß sei dies nicht geschehen, um „sich dadurch des vorzüglichen Genusses der Waldungen zu berauben", wie es unterdessen das Bevölkerungswachstum mit sich gebracht habe, das der Hofkammer den größten Teil des Waldertrages „entrissen habe". Heiborn führte ins Feld, „daß wegen dem successiven und dermaligen so großen Anwachs der Unterthanen die Waldungen bei weitem nicht mehr hinreichen die vorherige Nothdurft abzugeben." 229 Daher dürfe die Abgabe insgesamt den vierten Teil des Waldertrags nicht übersteigen. Es ging beiden also darum, unter den veränderten Rahmenbedingungen die Notdurft-Ansprüche möglichst zu begrenzen, um den Waldertrag für die Hofkammer so umfangreich wie möglich gestalten zu können. Diese drei Argumente, Waldzerstörung, ursprünglich andere Intention unter veränderten Rahmenbedingungen der Berechtigung und Eigentümerschaden, verstärkte man stellenweise noch durch ein weiteres. Es war wiederum Heiborn, der die gemeinen Nutzungen - den Notdurftanspruch, der einer Gemeinde als Gesamtheit zustand - der Schätzung (Steuerleistung) und den gemeinen Lasten gegenüberstellte. Bei steigender Gemeindebevölkerung hatten sich die Steuern und gemeinen Lasten schließlich auch auf mehrere Köpfe verteilt. Nun erschloß sich ihm nicht, warum mit den Holzmengen aus dem Wald nicht analog verfahren werden sollte, also jeder von einer relativ konstanten Gesamtmenge - der ursprünglich beanspruchten - anteilig weniger erhalten sollte.230 Auch Kammersyndikus Haas hatte 1769 eine Vergleichsrechnung angestellt: Insgesamt beziehe die Hofkammer für die im Weistum festgelegte Holzabgabe aus dem Idarwald bei 250 bespannten und 76 unbespannten Bauern von der Bischofsdhroner Prozeßgruppe rund 44 Malter Hafer. Pro Malter Hafer müsse sie umgerechnet 13 Klafter Holz abgeben, die ihr anderweitig 39 Rt einbringen; der Verkaufserlös des Hafers nehme sich im Vergleich dazu als „Bagatelle" aus 231 228

Ebd., fol. 207r-207v (1. und 2. Zitat), fol. 212r (3. Zitat). LHAK 1 C 3809, Hofrat und Amtsverwalter Heiborn, 1 2 . 4 . 1788, fol. 157v (1. und 2. Zitat), fol. 161v (3. Zitat), fol. 157r (4. Zitat). 230 Ebd., fol. 161r—161 v. 23 ' LHAK 1 C 1415, Hofkammer-Syndikus Haas, 24. 1. 1769, fol. 24r-25r, 28r (Zitat). Vgl. auch STURM, Idar, S. 199.

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Völlig anders bewertete die Gegenseite die Auswirkungen des Bevölkerungswachstums auf den Wald. Die Gemeinden strichen ausnahmslos die positiven Einflüsse heraus. Äußerst scharf wies in diesem Zusammenhang der Gemeindeanwalt die Klagen der gegnerischen Seite im Bischofsdhroner Prozeß zurück. Andere Landesherren sähen ihr Glück in der Mehrung der Bevölkerung, führte er aus. Daß sie „von sich selbst dem Landesherren mehr nutzen bringen, als daß ohne Untertanen gering zu schätzende Gehölz", stand für ihn außer Frage, auch weil dann die Dörfer wieder zu Wüstungen würden. Die überwiegend vorteilhaften Wirkungen habe man wohl auch in Kurtrier gesehen, ansonsten hätte man die Emigration kaum verboten. Der neuen Bevölkerung habe man „ohne Einschränkung von Zahl und Ziel das Brandholz gegen den Haber bewilligt"; da somit auch mehr Hafer eingenommen werde, müsse auch mehr Holz bewilligt werden. 232 Um die vom Hofkammer-Anwalt bemühte Vergleichsrechnung weiter zu entkräften, empfahl der Gemeindeanwalt einen Blick in die Bernkasteler Kellnereirechnungen. Die dort verzeichneten Zehnten belegten den beträchtlichen Überfluß, der aus der wachsenden Bevölkerung „und deren schwehre Mühen Arbeit" herrühre. Dafür seien nicht einmal die Ländereien vergrößert worden, vielmehr habe der Landmann deren Nutzen zum Vorteil des Landesherren verbessert. Überdies trage am schlechten Waldzustand nicht der Bevölkerungszuwachs Schuld, sondern die Schlagwirtschaft. Zusammengenommen ergebe sich daraus sehr wohl ein Äquivalent zur Holzabgabe, wobei außerdem zu bemerken sei, daß die schweren Abgaben, die die Bauern leisten müßten, es ihnen nicht ermöglichten, das Holz zu kaufen, und sie daher eher „des Lands entweichen müßten". 233 Im gleichen Prozeß verwiesen die Gemeinden immer wieder auf die Widersprüchlichkeit der obrigkeitlichen Position, nunmehr die Folgen der eigenen Peuplierungspolitik zu mißbilligen. „In der That ist der gedancken auch mehr zu belachen, als zu widerlegen, daß es besser wäre die Unterthanen abgehen zu lassen oder auszurotten, die Ländereyen in ihre vorige Öde zurückkommen zu lassen und statt Unterthanen Holz zu pflanzen; der schlechteste Unterthan ist besser als alle 40. bis 50. Jahren etliche Klafter Holtz; und nehme Herr Syndicus nur einen Theil Menschen aus der Welt, so wird sein Holtz wiederum verfaulen müssen wie vorher."234

Die Vermehrung der Bevölkerung hänge nicht von dieser selbst ab, legte der Gemeindeanwalt weiter dar, sondern vom Landesherren, der die Ansiedlung zu genehmigen habe; im übrigen bedeute die wachsende Zahl der Berechtigten 232

Ebd., Gemeindeanwalt, 13. 11. 1769, fol. 93v-95v, 94v (Zitat). Auf diese Entwicklung verwies ebenso der Gemeindeanwalt Durans für die Bescheider Prozeßgruppe, 1 C 3803, 22. 8. 1792, fol. 241r. 233 Ebd., fol. 95r (1. Zitat), fol. 95v (2. Zitat), fol. 117r. Er hatte diese Argumente bereits zwei Jahre zuvor, am 29. 10. 1767, vorgebracht, ebd., fol. 9r—9v, und schon daraufhingewiesen, daß die Abgabenlast zu Hunger, Erfrierungen und schlechter Kleidung führe. 234 LHAK 1 C 1416, Gemeindeanwalt, 26. 4. 1775, fol. 50v.

II. Waldentwicklung vor Gericht

261

keine Ausweitung der Servitute, im Gegenteil, „solche Rechte sind ja genau dafür erlassen worden, damit sich Unterthanen vermehren", stellte er klar. 235 In dem einzigen Urteil, das ausdrücklich auf die Frage einging, wie das Bevölkerungswachstum zu bewerten sei, teilten die Richter weitestgehend die Position der Gemeinden. In der Urteilsbegründung im Elzerather Prozeß um die Nutzung der Kammerwälder Struth und Emmelbusch hieß es: Die Hofkammer müsse das Bevölkerungswachstum aushalten, schließlich beschere es ihr anderweitig auch vermehrte Einnahmen. Zum Maßstab der Berechtigung zog das Gericht somit weder das Holzangebot heran noch die Nutzungsrechte der Hofkammer als Eigentümerin, schließlich ging der gesamte jährliche Holzertrag der beiden Kammerwälder an die Gemeinden. Vielmehr orientierte sich der Vorsitzende Richter von Hontheim am Bedarf der Bevölkerung. Seine Begründung dafür war so knapp wie schlagend: „Brodt und Holtz seiendt dem Bauersmann ohentpehrlich vonnöthen eines wie das andere". 2 3 6

4. Der Holzproduktionswald:

Schlagwirtschaft

- Wirkungen, Lösungen

Streit über die Praxis, Normierungslücken und Bevölkerungswirkungen treten im Vergleich zum Niederschlag, den die Schlagwirtschaft in den Prozeßakten fand, deutlich in den Hintergrund. Die Schlagwirtschaft war der häufigste Auslöser und am heftigsten diskutierte Kernpunkt der Streitigkeiten. a) Positionen der Gemeinden: „Verhauung und Holznotdurft gar nicht compatibel" Die Gemeinden brachten vor Gericht immer wieder eine eng ineinandergeflochtene Argumentationskette vor, die aus verschiedenen Gliedern bestand. Ausgangspunkt war fast immer die Befürchtung, die Schlagwirtschaft gefährde ihre Notdurft-Holzrechte. Erkannten die Gemeinden darin eine extreme Gefährdung, so beklagten sie die Degradation des Waldes, die zukünftig den Baumbestand und die Rechte der Nachkommen zerstöre. War hier also die Frage angeschnitten, ob ihre Berechtigungen gänzlich getilgt würden, gab es ausgehend von der Gefährdung der Notdurft-Holzrechte auch die moderatere Argumentationslinie: Dabei beschwerten sich die Gemeinden über die Verminderung ihres Fall- und Leseholzes durch die schlagweise Bewirtschaftung und forderten dafür eine Entschädigung; in diesem Konnex sahen sie auch die Hofkammer einseitig von der Holzkonjunktur profitieren. Unabhängig von dieser stark rechtswahrenden Argumentation vermuteten die Dorfbewohner bisweilen hinter der Schlagwirtschaft die obrigkeitliche Ansicht, sie auf diese Art besser pfänden zu können. Der Gemeindeanwalt, der 1767 für die Bischofsdhroner Prozeßgruppe das 235 236

Ebd., fol. 51r-51v, 52r (Zitat). LHAK 1 C 1490, Urteil, 28. 6. 1774, unfoliert; 1 C 1491, Relatio cum Voto, unfoliert.

262

Ε. Kommunikation und Konflikt

Wort ergriff, sah - als Vertreter der extremeren Linie - mit der Einführung der Schlagwirtschaft im Idarwald die Bevölkerung ihrer Rechte beraubt. Für ihn war „die entsetzliche Verhauung des Walds zum Verkohlen, mit der denen Unterthanen abzureichender Holznothdurft gar nicht compatibel". Denn dadurch seien „Kern und Hertz des Walds angegriffen", worüber „die Experten einmündig" seien, „dieweil die schlagweis fallung sich auf den flohr des Waldes gewendet" und nur die gesunden hochstämmigen Bäume betreffe, die Krüppel hingegen „zu einem Schein für einen Wald" stehen lasse.237 Auch im Vorfeld des Mandatsprozesses in Wetzlar brachten die Gemeinden diese Argumentation vor: „[Werde] ohn unterlaß die Fällung des Holzes schlagweis so starck noch fortgetrieben, kan der wald Idar unsere Behölzigung nemlich, und die jezige Fällung um so weniger ausdauern, als in kürzester Zeit diese Waldung zu einem öden und wüsten feld werden muß, worin der wind das überbleibende Holz Kräuz-weis über ein Haufen schlagen und wegen dem boden[?]-terrain kein bäum mehr aufkommen wird". 238

Der Wald sei ein „gräulicher aspectans" der anderen Waldungen, die in gleicher Weise verhauen worden seien. Sein „ruin [...] würde unvermeidlich seyn", und in nicht einmal einem Jahr wähnte der Gemeindeanwalt den Idarwald so zugerichtet, „daß in hundert Jahren nicht ein Wagen Holz aus dem Wald zu holen wäre, worunter nicht allein das jus Lignandi [Behölzigungsrecht], sondern ohnstrittiges jus pascendi [Weiderecht] völlig ausgetilget würde". 239 Er appellierte daher, den „ohnersetzlichen Schaden durch [die] Zerstörung abzuwenden" und die Gemeinden in ihrer „Possession" durch Verbot der Schlagwirtschaft zu schützen 240 Denn dieser „so reiche von dem Himmel allein kommende Seegen von unterthanen [...] wan er auch schon dem Wald ein wenig schwer fallet [sie!], kann doch bei weitem nicht das motivum causiern", daß ein Landesherr der Bevölkerung ihre ältesten Rechte nicht erhält.241 Denn bekanntlich dürfe der Eigentümer nicht mehr Holz einschlagen lassen, „als so fern ein anderer ohn Übung seiner Gerechtigkeit unbeschadet bleibet; ergo: Dienstbarkeiten dürfen nicht durch eines anderen Eingriff geschmählert werden". 242 Weniger detailliert, aber doch sehr ähnlich, argumentierte die Gutenthaler Klagegruppe 1789. Ihr Behölzigungsrecht dürfe durch die Schläge nicht „un-

237

LHAK 1 C 1415, Gemeindeanwalt, 29. 10. 1767, fol. 5r (1. Zitat), fol. 4v (2. und 3. Zitat), fol. 13v (4. und 5. Zitat). 238 LHAK 56 1642, nach einem Regierungsprotokoll, 13. 10. 1762, unfoliert (auch nächstes Zitat). 239 LHAK 1 C 1416, Gemeindeanwalt, 26. 4. 1775, fol. 55r-55v (1. Zitat); fol. 53v sprach er vom Austrocknen der kommunalen Rechte; 1 C 1415, Gemeindeanwalt, 29. 10. 1767, fol. 5r (2. Zitat). 240 Ebd., fol. 7v (1. Zitat); ebd., Gemeindeanwalt, 13. 11. 1769, fol. 102r (2. Zitat). 241 Ebd., Gemeindeanwalt, 29. 10. 1767, fol. 14r. 242 Ebd., fol. llr.

II. Waldentwicklung vor Gericht

263

brauchbar" gemacht werden, der Wald müsse vielmehr immer so behandelt werden, daß sie ihre Bedürfnisse befriedigen könnten. Das Oberforstkommissariat nahm jedoch einen Holzschlag nach dem anderen vor, „so daß wir zuletzt unser jus lignandi nicht mehr hätten ausüben können", weil „unser Behölzigungsrecht zuletzt auf öden Plätzen übrig geblieben wäre"; „Recht und Pflicht für uns und unsere Nachkommen foderten uns auf, die nöthigen Mitteln gegen solche Eingriffe vortretten zu lassen." 243 Ins Auge sticht hier die mitunter bis in die Wortwahl identische Argumentationsstruktur, die bereits in den landesherrlichen Forstgesetzen und Angriffen nachzuweisen war. Die Klagegruppen um Bischofsdhron und Gutenthal vertraten die extremere Variante und sahen damit die Gemeinderechte prinzipiell in ihrem Bestand gefährdet. Die Zusammenschlüsse um Elzerath, Bescheid und Kell argumentierten eher entlang der moderateren Linie: Daß die Schlagwirtschaft die Menge an Notdurft-Holz vermindere, war ihre Befürchtung. Dies gaben etwa die Gemeinden für die Kammerwälder Struth und Emmelbusch am 25. 7. 1770 so zu Protokoll.244 Auch die Bescheider Prozeßgruppe unterstrich ihre Befürchtungen. Am 20. 10. 1785 berief sie sich auf das Urteil vom 25. 3. 1761, das ihr gegen den Forsthafer das nötige Holz (Brenn-, Wagen-, Karren-, Pflug- und Türholz) zusichere. Im Bescheider Forst, so führte sie weiter aus, sei aber „fast alles zu Holz-Schlägen gemacht für Kohlen - auf das Kammeral Sayner Hüttenwerk zu brennen und zu liefern - [und] hinweg gehauen" und „gar kein boden liegendes Gehölz allda mehr zu sehen und zu bekommen". 245 Im folgenden Jahr brachten sie vor, daß die Hofkammer den Hochwald „gleichsam rasieren lasse", so daß nicht eine einzige Eiche übrigbleibe, die als Bauholz tauge. 246 Sehr anschaulich erläuterte schließlich der Gemeindeanwalt auch die Ansichten der Gemeinden Kell, Osburg und Reinsfeld. „Jedem, der sich von einem in 50 und mehr Plätze eingeteilten Wald einen Begriff machen kann", so kleidete er offenbar seine eigene Anschauung in Worte, „wird einleuchten, daß seitdem dort soviel Holz zur Konsumption und zum Verkauf gehauen wird und von denen Winden niedergerissen, der Wald in Schläge eingeteilt und mit dem Hau bis jetzt continuiert worden, kein abgängiges Holz [mehr anfällt und] zudem die Schläge, wenn sie wieder angewachsen, erneut gehauen werden kein Baum für den Hau so lang Ruhe hat, daß er dürres und unschädliches Holz bringen und abwerfen fort abgängig und vom Winde niedergeworfen werden könne". 247

Als Folge, skizzierte er wie seine Kollegen, welche die extremere Linie vertraten, blieben den Hochwaldgemeinden bloß der Titel und die darauf gelegten 243

LHAK 1 C 1483, Gemeinde, 8. 11. 1789, fol. 85v (1. und 2. Zitat), fol. 86v (3. und 4. Zitat). Sie rechtfertigten damit ihren gewaltsamen Widerstand gegen die Einschläge 1786. 244 LHAK 1 C 1490, Gemeinde, 25. 7. 1770, unfoliert. 245 LHAK 1 C 3800, Gemeinde, 20. 10. 1785, fol. 168r, 168v (beide Zitate). Dieserart suchten sie ihren Zugriff auf das stehende Gehölz zu legitimieren. 246 Ebd., nach Relatio cum Voto, 24. 3. 1790, fol. 92v. 247 LHAK 1 C 3809, Gemeindeanwalt, 23. 6. 1787, fol. 136r-136v.

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Ε. Kommunikation und Konflikt

Lasten übrig. Nicht ohne dramatische Aspekte erschloß er den Richtern abschließend die Tragweite der Schlagwirtschaft, indem er sie in die ganze Breite der Beziehungen zwischen Obrigkeit und Untertanen einordnete, letztere gleichzeitig als passive und wehrlose Opfer zeichnend: „Der allmächtige wolle denenjenigen Verzeihen, welche zu einem solchen Wald- und Leuth Verderblichen Holzhau den anschlag gegeben, und damit den anfang gemacht, durch ihre Übergewalt, ja so gahr durch Schantzarbeit arme Unterthanen zum Stillschweigen genöthiget, und in einem solchen unwiderbringlichen Schaden gestürtzet haben, in welchen dieselbe nie so tief gesunken, sondern sich dargegen zu verwähren möglichst beflissen gewesen seyn würden, wan die andere Seite nicht allzu mächtig und wan daher schwehre Geldstraffen und längere Einthürungen [Gefängnis] nicht zu beförchten gewesen wären, denen welchen zu entrinnen sie ohnehin schon gepreßt und in ängsten gewesenen armen Untertanen geschehen lassen müssen, was leider zu ihrem Untergange geschehen". 248

Auf Mitleid mit den armen Untertanen zu bauen mochte eine erprobte Strategie sein, ob sie fruchtete, mußte sich erst noch zeigen. Vielleicht war sie sogar überflüssig? Außerhalb der großen Prozesse spielte die Schlagwirtschaft auch im Prozeß der Hofkammer gegen die Gemeinden Ehrang und Pfalzel eine Rolle. Der Welschbilliger Amtsverwalter Reul und Forstrat Gattermann sahen hierin vor allem die Möglichkeit, das Kapital, in Form des Gemeindewaldes, auch zu nutzen; anders als zuvor eröffneten sich so nämlich Verkaufsoptionen. Die von den beiden Beamten am 17. 6. 1774 Verhörten mutmaßten freilich, die Schläge würden nur deshalb eingeteilt, um Gemeindemitglieder pfänden zu können und anschließend von ihnen Gelder zu erpressen. 249 Würden Holzanweisung und Schlagwirtschaft eingeführt, so hatten die Verhörten bereits zuvor zu Protokoll gegeben, wäre „die gemeindt Erang von ihrem ruin nicht mehr weit entfernt". 250 b) Hofkammer und Forstamt: wider die „Vorurtheile gegen die neue Wirthschaft" Forstamt und Hofkammer wurden von diesen massiven Vorwürfen augenscheinlich überrollt. Der Argumentationskette der Gegenseite, die sich auf die Gefährdung von Rechten, sei es durch ihre Vernichtung oder Verminderung, berief und nicht nur eindrückliche Momentaufnahmen lieferte, sondern auch Schreckensbilder für die Wald- und Gemeindezukunft zeichnete, hatten sie wenig entgegenzusetzen. Das lag auch daran, daß es keiner Sehergabe bedurfte, um die Entscheidungen der Gerichte vorherzusagen, sollte der Kernvorwurf zutreffen, die Schlagwirtschaft vernichte oder vermindere kommunale Holzrechte. Also verlegte man sich darauf, diese Anschuldigung zu entkräften. Das 248

Ebd., fol. 137r. 2 « LHAK 1 C 7044, Bericht Reul und Gattermann, 15. 5. 1774, fol. 24r; 17. 6. 1774, fol. 70r-74r. 250 Ebd., Gemeinde, 16. 3. 1773, fol. lv.

II. Waldentwicklung vor Gericht

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konnte am einfachsten geschehen, indem Hofkammer und Forstamt pauschal bestritten, daß die Schlagwirtschaft die Holzrechte beeinträchtige. So entgegnete Forstmeister Jäger der Gutenthaler Klagegemeinschaft am 3. 11. 1783, nachdem er den Idarwald im Forstrevier Riedenburg vor Ort begutachtet hatte, „daß die vorgestellte Beeinträchtigung weder würcklich, noch bey allenfalsigem fortschlagen so bald noch nicht erfolge." 251 Dies war freilich als - wenig glaubwürdige - Meinungsäußerung nicht sonderlich überzeugend, zumal er damit eigentlich nur die momentane Minderung bestritt, nicht jedoch die generelle. Daher mußte diese Position weiterentwickelt werden. Fallweise versuchte man zu veranschaulichen, daß die Holzmenge für die Berechtigten bei der neuen Wirtschaftsweise gleich hoch oder sogar höher sei. Im Prozeß mit der Bischofsdhroner Prozeßgruppe gutachtete Forstmeister Jäger am 19. 2. 1791 für das Gericht über Zustand und Behandlung des Idarwaldes. Er erläuterte, daß liegendes Holz teils entsteht, wenn sich der Wald „reiniget", teils durch Schneebruch, Stürme und Frost oder durch alte Bäume, die umfallen. Das Gehölz reinige sich ungefähr vom sechsten bis zehnten Jahr mit abfallendem Reisig von 1 Welle/Morgen, vom zehnten bis zwanzigsten Jahr mit stärkerem Reisig von 2 Wellen/Morgen. Bis zum dreißigsten oder vierzigsten Jahr nehme der Reisigertrag etwas ab, hier und da fielen dazu noch Äste an, die zusammen etwa 1 Schuh Klippelholz ergäben. 252 „Mancher hängt nun dem Vorurtheil an", so Jäger, „bei neuer Wirthschaft" entstehe weniger Berechtigungsholz, wo doch das Gegenteil richtig sei: Mit der neuartigen Methode werde der Wald öfter benutzt als vorher. Dadurch entstehe Anwuchs, „dickigte Stangen und Stammholz" schössen auf, und von Natur aus fielen mehr Abfälle an Reisern, Ästen und Stangen an. Bei der „Auslüftungsmethode" hingegen, „wo nur ab und zu ein Stamm ausgezogen wird, kann unmöglich anwuchs noch ausschlag erfolgen, mithin muß weniger Raff- und bodenliegendes Holz erfolgen." 253 Bereits sein Amtsvorgänger, Boos von Waldeck, hatte nach dem Mandat aus Wetzlar gegenüber der Regierung erklärt, daß die Schlageinteilung die Gemeinden keineswegs benachteilige, „weilen der Waldt hierdurch nicht degradiret, sondern in besseren Stand, als in welchem er sich dermahlen befindet, gesetzet wird." 254 1 792 verwies auch die Hofkammer in der Auseinandersetzung mit der Klagegemeinschaft um die Gemeinde Bescheid auf die Verbesserung, die der Holzstand durch die Schlagwaldwirtschaft erfahren habe. 255

251

L H A K 1 C 1483, Gutachten Forstmeister Jäger, 3. 11. 1783, fol. 77r, teilweise unterstrichen. 252 LHAK 1 C 1417, Gutachten Forstmeister Jäger, 19. 2. 1791, fol. 48r-^9r. 253 Ebd., fol. 49v (1. und 2. Zitat), fol. 50r (3. und 4. Zitat), fol. 50r-50v (5. Zitat), fol. 51r. Als Auslüftungsmethode bezeichnete Jäger die Plenterwirtschaft. 254 LHAK 56 1642, B o o s von Waldeck, 21. 2. 1765, unfoliert. 255 LHAK 1 C 3803, Hofkammer-Syndikus, 20. 6. 1792, fol. 191r.

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Schon die vergleichsweise spärlichen Belege für diese Auffassung zeigen, daß Hofkammer und Forstamt damit keinen leichten Stand hatten. Obendrein waren auch noch Stimmen aus den eigenen Reihen zu vernehmen, welche die Ansicht der Gegenseite, wenn auch nicht in ihrer extremeren Variante, so doch grundsätzlich gelten ließen - eine denkbar schlechte Situation, um vor Gericht erfolgreich zu sein. Für den ehemaligen Grimburger Amtsverwalter und Hofrat Heiborn war unstreitig, daß „die Kammer durch die Schläge die selbstige Ursache" für die Klagen der Prozeßgruppe um Kell über die Gefährdung ihrer Notdurft war.256 Vom Gericht im gleichen Prozeß bestellte auswärtige Sachverständige bestätigten dies ebenfalls. Der Oberförster der Wild- und Rheingrafschaft aus Thronecken, Röder, und der Oberjäger der Grafschaft Dagstuhl aus Wadern, Hilger, gutachteten zwar, daß im Hochwald „zweckmäßig, und wie es die nachhaltige Forstnutzung eines Waldes, und des Eigenthümers, und nach den richtig zu beurteilenden Grundsätzen eines überständigen Waldes erfoderten", gewirtschaftet würde.257 Sie hoben jedoch auch hervor, daß es den Berechtigten durch den forstmäßig gebotenen Abtrieb überständiger Bäume an Fallholz mangele, und empfahlen, den Gemeinden statt dessen ein anderes Quantum zuzuweisen.258 Neben Amtsverwalter und Hofrat Heiborn sowie den Gutachtern Röder und Hilger akzeptierten auch Hofrat Haas und sein Hofkammer-Kollege Schunk die gemeindliche Position in diesem Punkt. Beiden war es grundsätzlich nicht recht, ließen sie am 4. 8. 1785 den Kurfürsten wissen, daß man der Bevölkerung von dem gesunden und kernhaften Holz gar nichts zukommen lasse, falls die Kammer durch ihre Schläge die Ursache für einen Mangel an Notdurft-Holz sei. 259 Der Hofkammer-Anwalt räumte auch im Bescheider Prozeß ein, wie durch forstmäßige Behandlung das Raff- und Fallholz „ganz natürlich sehr gemindert worden" sei 260 Nach dem Prozeßauftakt vor dem RKG in Wetzlar entsandte der Kurfürst Ende 1764 eine Sachverständigenkommission in den Idarwald. Die sechs Gutachter sahen es als äußerst fraglich an, ob überhaupt mit den Schlägen fortgefahren werden könne, weil sie ihrer Meinung nach viel zuwenig Holz enthielten, sich also schon von der dortigen Waldbeschaffenheit her ein solches Verfahren verbiete. Unabhängig davon, führte einer der Kammerräte an, mangele es an Raff- und Leseholz, weswegen die Schläge nicht fortgesetzt werden dürften. 261

256

LHAK 1 C 3808, Hofrat und Amtsverwalter Heiborn, 12. 4. 1788, fol. 152v. LHAK 1 C 3810, Kommission Röder, Hilger, 20. 5. 1790, fol. 65r. 258 Ebd., fol. 69r-69v. 259 LHAK 1 C 3809, Hofkammer-Syndikus Schunk: erläutert Haas' Position und den Bericht vom 4. 8. 1785, 17. 3. 1787, fol. lOlv. 260 LHAK 1 C 3803, Hofkammer-Syndikus, 20. 6. 1792, fol. 204r. 261 LHAK 1 C 1418, nach Kommission (Original des Gutachtens nicht auffindbar), 8. 1. 1772, fol. 24v. 257

II. Waldentwicklung vor Gericht

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c) Urteile der Gerichte: Verbote und „bedingte Gestattung" Teilten also einflußreiche Gutachter und sogar die Anwälte von Forstamt und Hofkammer in einzelnen Fällen die gemeindliche Position, war es kaum verwunderlich, daß auch die Richter dieser Ansicht folgten. Doch gab es hier feine Abstufungen. Die ersten Gerichtsurteile untersagten die Schlagwirtschaft rundweg. Den vehementen und unmißverständlichen Auftakt bildete in diesem Zusammenhang das Mandat des RKG von 1764. Es verlangte, „das neuerdings in dem Idar Waldt eingeführte Schlag-Weis-Schlagen ohngesäumt einstellen" zu lassen. Der Kurfürst setzte dies sofort in eine neuerliche Verordnung gleichen Inhalts um. Auch das Urteil eines kurtrierischen Gerichts, das sich im nachhinein mit dieser Auseinandersetzung befaßte, befahl der Hofkammer am 19. 1. 1774, vom „schlagmäßigen Holzhau abzusehen".262 Ihr elementares Prozeßziel hatte damit die Bischofsdhroner ebenso wie die Bescheider Prozeßgruppe erreicht, die 1786 ein „Inhibitionsdekret" gegen den Hau erwirken konnte.263 Freilich ging letzteres auf die unterdessen erhobene Eigentumsforderung der Gemeinden zurück, so daß die letzte uneingeschränkte gerichtliche Untersagung der Schlagwirtschaft, in der die Richter darin eine Gefahr für NotdurftRechte erkannten, 1774 auszumachen ist. In dieser Zeit lösten die Gerichte die Option , Verbot' durch eine Genehmigung unter Vorbehalten ab. Dazu entwarfen sie drei Alternativen: Modifikationen in der Durchführung; Quantifizierung der Berechtigungen oder Entschädigungsleistungen; Trennung zwischen Waldgebieten mit und ohne Schlagwirtschaft. Bevor 1774 im Bischofsdhroner Prozeß der weitere schlagweise Hau gerichtlich beendet wurde, hatte 1771 das erste kurtrierische Urteil ihn zunächst nicht ausdrücklich verboten, allerdings die „so schädliche Verkohlung" untersagt und den Hau nur unter zwei Bedingungen gestattet: „hin und wieder in der Dicke der Waldung" mit „Bescheidenheit" als platzweise Ausholzung oder -plenterung und dies nur, wenn die Gemeinderechte dabei „weder beschränket, noch der Nachkommenschaft einiger Nachteil zukünftig zugewendet werden" würde. 264 Hier war bereits der Weg eingeschlagen, die Holzungsart der Hofkammer und des Forstamts an Auflagen zu binden - und damit in modifizierter Form zu ermöglichen. „Weil auch bei forstmäßigem Hau die Gemeinden Holz und Weide entbehren müßten", so begründete der Vorsitzende Richter 1790 262

LHAK 56 1642, Mandatum cum Clausula, 18. 7. 1764 (1. Zitat); Johann Philipp von Walderdorff, 27. 11. 1764, beides unfoliert; am 5. 1. 1765 wiederholte er seine Anweisung ans Oberforstkommissariat, 1 C 1418, nach Kommission, 8. 1. 1772; 1 C 1416, Urteil, 19. 1. 1774, fol. 7r (2. Zitat). 263 Das ergibt sich aus LHAK 1 C 3800, Relatio cum Voto, 24. 3. 1790, fol. 121r-123r und 1 C 3803, Hofkammer-Syndikus Schunk, 16. 12. 1790, fol. lv. Die Originale waren hier nicht enthalten. 2