Gualter del Hum – Gaiferos – Waltharius 9783110234510, 9783110234503

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Gualter del Hum – Gaiferos – Waltharius
 9783110234510, 9783110234503

Table of contents :
Frontmatter
Inhaltsverzeichnis
Walter – eine proteushafte Gestalt
I. Gualter del Hum
II. Gaiferos
III. Waltharius
IV. Exkurse
V. Rückblick
Backmatter

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BEIHEFTE ZUR ZEITSCHRIFT FÜR ROMANISCHE PHILOLOGIE BEGRÜNDET VON GUSTAV GRÖBER HERAUSGEGEBEN VON GÜNTER HOLTUS

Band 359

GUSTAV ADOLF BECKMANN

Gualter del Hum – Gaiferos – Waltharius

De Gruyter

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Del Hum, de Hums lässt sich nicht auf ein Lehen beziehen Ein rundes Bild ergäbe sich, wenn wir nun del Hum mit einem (nord)westfranzösischen Ortsnamen in Verbindung bringen könnten. Aber das scheint nicht möglich zu sein. Zwar brachte Boissonnade aus der Normandie (und ihrem südöstlichen Vorland) etwa zehn Örtlichkeiten bei, die heute, soweit sie noch existieren, le Homme oder ähnlich heißen und deren Namen er auf lat. ulmus ‘Ulme’ zurückführen wollte;126 auch Bédier hielt, freilich ohne sich auf die Normandie beschränken zu wollen, diese Etymologie Hum < ulmus für möglich. 127 Doch das ist zu bestreiten. Ganz abgesehen davon, dass das Kleintoponym ‘von der Ulme’ als Name eines Grafen semantisch merkwürdig wäre, zeigen nach dem FEW die Reflexe von ulmus im französischen Sprachgebiet einschließlich der Mundarten durchaus, wie zu erwarten, die Entwicklung von vlat. /ӑ/ > altfrz. /ӑ~u/, nicht die von vlat. /u/> altfrz. /y/,128 die wir für Hum brauchen; denn auf dem Kontinent hat man die Phonemgrenze zwischen beiden viel ernster zu nehmen als im Anglonormannischen (wie

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Boissonnade 1923, 343–347. Bédier 1927, 514. FEW s. v. ulmus. Eine nur scheinbare Ausnahme, nämlich gelehrter Einfluss, liegt meines Erachtens vor, wenn im Poitou zwischen 1300 und 1600 ulme (aber auch 1478 reguläres hosme, also /ǀm/) belegt ist (FEW art. cit.) und wenn sich in der Toponymie Formen wie Les Ulmes, Ulmoy ( altfrz. co(m)me (cf. das FEW s. v. culmen), (p)salme, helme, Guillelme. Schon richtig erkannt von Joret 1883, 40s. Cf. auch das FEW, vol. XVI s. v. holmr (mit weiterer Lit.). Zur Trennung der toponymischen Typen ulmus und holm cf. Longnon 1929, 285s. – Der Öffnungsgrad von altnord. holm, also /۠/ oder /ӑ/, ist schwer zu bestimmen. Im Altnordischen tritt um 1200 Dehnung ein (Heusler 1967, § 90.2). Im Altdänischen und Altschwedischen existiert eine Nebenform hulm (Ekwall 1960, s. v. holm); aber auch deren /ԃ/ würde zu (vlat. /ӑ/>) altfrz. /ӑ~u/, nicht zu /y/. Über zwanzig Örtlichkeiten zählt schon Joret 1883, 40s., auf. Eine Vorstellung von der Dichte des Typs vermitteln die Dictionnaires topographiques der Départements Eure (1877), Calvados (1883) und Seine-Maritime (1982–1984). Entgegen den teilweise unscharf-tendenziösen Angaben Boissonnades 1923, 319, 345s., zu den Namensformen im Kartular des Mont-Saint-Michel ist zu betonen, dass dort zwar z. B. zu a. 1121(–1125) fol. 39v (nicht: «fol. 110») Hugone de Hulmo, zu a. 1155 fol. 113r Hugone de Hulmo cu˜ Rualend˜ fili˜ ei˜, zu a. 1165 fol. 121v Ruall˜ de Hum˜, zu a. 1166 fol. 122r Rad˜ de Humme (zweimal), 122v Ric˜ de Hum˜ Conest˜ (zweimal) usw., zu a. 1175 fol. 124v Guill˜m de Humeto, Guill˜s aute˜ de Hum˜, et Guill˜i de Hum˜, Ric˜ de Hum˜ Const˜, zu a. 1191 fol. 126r Rob˜to de Hu˜mo, a. 1172 fol. 132vc (Vasallenliste) Ruell˜ de Hume, aber nie de Hum ohne Abkürzungszeichen erscheint. Ich urteile auf Grund der Faksimile-Ausgabe des Cartulaire du Mont-Saint-Michel von Bouet / Desbordes 2005, wobei ich die arabische Folienzählung zitiere. (Die römische Folienzählung des 14. oder 15. Jh. ist jeweils um vier Einheiten niedriger.) Hum˜ steht also für mittellat. Hummo oder altfrz. Hum(m)e, normale Wiedergaben eines gesprochenen /hӑm‫ ~ ۑ‬hum‫ۑ‬/, bzw. für das Diminutivum mittellat. Humeto /hӑmҽt ~ humҽt/ (zu diesem letzteren Toponym und dem Titel Conest˜ , Const˜ ‘Connêtable’ cf. unten n. 137). Wie man sieht, erscheint in den Belegen seit etwa 1150 kein mehr; sein Fehlen in Gualters Beinamen wäre also praktisch kein Argument gegen dessen Identifizierung mit einem (festland-)normannischen Ort. Für die von ihm schließlich favorisierte Familie des Avranchin belegt Boissonnade 1923, 345–347, keinerlei Burgbesitz, fief kann ein einfaches Rittergut sein. Schon Lejeune 1959, 254 n. 22, weist zu Recht auch darauf hin, dass die Geschichte dieser Familie ungefähr drei Jahrhunderte lang zu überschauen ist, aber keinen Gautier aufweist.

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nämlich 1) das heutige L’Isle-Marie südöstlich Valognes, Manche, einst wichtiger Burgort Holmus (so schon 1026 / 1027),135 Hulme (a. 1075),136 bei Cassini (Ende 18. Jh.) noch «Le Homme (dit l’Isle-Marie)»; und 2) die Landschaft le Houlme im Westen des Départements Orne, die Orte Argentan und Briouze einschließend, der pagus Hulmus (Mitte 11. Jh.), einst Archidiakonat des Bistums Séez.137 Daneben gibt es freilich in gewissen Teilen der Normandie kleinere Örtlichkeiten namens le Hom;138 auch diese Form ohne Stütz-e, die vereinzelt bis in die jüngste Vergangenheit mit der anderen wechselt, scheint sich, wenngleich in sehr dünner Überlieferung, bis ins elfte Jh. zurückverfolgen zu lassen.139 Entscheidendes Argument gegen die Identifizierung mit Gualters Beinamen ist aber, dass in allen Fällen – mit oder ohne Stütz-e – der Vokal heute /۠/, /ӑ/, /u/, nie /y/ ist, so dass das (neben ) der mittelalterlichen Belege, wie sie auch Boissonnade anführt, als normales Schreibzeichen für /ӑ~u/ gedeutet werden muss. Nun ist Gualter zwar Franke, doch wenn er von England aus gegen Wales gekämpft hat, kann auch ein Bezug von del Hum auf ein englisches Lehen nicht a priori ausgeschlossen werden. Auch in der Nordhälfte von England (Norfolk, Leicestershire, Staffordshire und weiter nördlich) gehen zahlreiche (vornormannische, «dänische») Toponyme auf altnord. holm(r) zurück; selbst wenn man diejenigen heutigen holm-Namen ausschließt, die sich sicher oder wahrscheinlich (als ursprüngliche ham-Namen) erst sekundär dieser Gruppe angeschlossen haben, findet man in Ekwalls historischem Ortsnamenlexikon neunzehn Holme (meist /houm/ bzw. in anderer Transkription /h‫ۑ‬um/) und sieben Hulme (meist (/hjnjm/, selten /hnjm/),140 mit

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Fauroux 1961, Nr. 58 (und 214). Zur frühen Geschichte der Burg cf. ferner Douglas 1995, 147, Yver 1955–1956, 46s. Delisle 1867, 38. Adigard des Gautries 1955, passim, auch zur semantischen Begründung des Namens (anders Joret 1883, 41), Neben Boissonnade 1923, 343, schlägt hier auch Moreau 1972 s. v. ‘Houlme (le)’ die Etymologie ulmus vor, obwohl er selbst die Orte Bazoches-, Montreuil- und Neuvy-au[!]-Houlme nennt! Anscheinend identisch mit Holmetia regio, wo sich dass castellum Hulmetum (var. Humetum) befand, das laut Robert de Torigni ad a. 1094 Herzog Robert im Krieg mit seinem Bruder König Wilhelm Rufus einnahm, cf. Barlow 1983, 333, Boissonnade 1923, 344; die du Hommet waren zeitweilig Connêtables der Normandie, cf. oben n. 133. Relativ häufig in Calvados, nur vereinzelt in Eure, nicht in Seine-Maritime. Cf. die Dictionnaires topographiques dieser Départements. Adigard des Gautries 1956, 240, und 1959, 274, bringt bei: Curtehulm a. 1025 (aber auch Corhulma 1032–1035, Corolme um 1040–1050, heute Grand- und Petit-Couronne [!]), und Turhulm zweites Drittel 11. Jh. (dieser Name nach 1100 nicht mehr belegt; heute l’Île Sainte-Catherine bei Elbœuf). Ich vermute, dass bei dem anfänglichen Ertragen des ungestützten -lm noch altnordischer Einfluss im Spiel war. Ein gutes Dutzend davon ist schon im Domesday Book oder noch früher belegt. Die Aussprache /hnjm/ wird als eine von zwei Möglichkeiten aufgeführt für ein Hulme in Lancashire (samt /lĊvnznjm/ für Levensholme ebenfalls in Lancashire) bei Ekwall 1960 und für Hulme in Staffordshire im BBC Pronouncing Dictionary 1971. Ekwall führt Hulme auf die altdänisch-altschwedische Nebenform hulm zurück; das würde die heutige Schreibung und die Aussprache /hnjm/, aber nicht die Aussprache /hjnjm/ erklären. Da im

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einzelnen Überschneidungen zwischen beiden Typen,141 dazu im Middle English Dictionary s. v. holm noch etwa ein Dutzend mit diesem Element zusammengesetzte Toponyme.142 Sogar einige Toponyme in Wales (meist kleine Inseln, ein Vorgebirge) tragen (meist wikingische) holm-Namen.143 Zwar fehlt in der Mehrzahl der mittelalterlichen Formen noch das e (entsprechend der Artikulationsfähigkeit der englischen und zweifellos auch der bilingual-anglonormanisch-englischen Sprecher), und seine Verallgemeinerung auf der Schwelle zur Neuzeit ist mehr eine rein graphische Erscheinung als eine Bewahrung des alten Dativs in lokativischer Verwendung.144 Doch auch wenn wenigstens Hulme /hjnjm/ heute denselben Vokal zeigt wie z. B. duke /djnjk/ < frz. duc /dyk/, ist doch das -l- im Englischen anders als in der Normandie in aller Regel erst auf der Schwelle vom Mittel- zum Neuenglischen gefallen,145 so dass sich selbst Hulme lautlich wohl nicht mit unserem Hum gleichsetzen lässt. Dass einzelne der englischen holm-Orte im Mittelalter Burgen einfachster Form (motte, motte-and-bailey) aufwiesen,146 qualifiziert sie nur unwesentlich.147 Verbindungen der Sippe der Walter-Drogo-Radulf mit einem der normannischen oder britischen holm-Orte habe ich nicht finden können. Sollten andere hier nicht noch einen glücklichen Fund tun, so bleiben die Versuche, del Hum durch ein Toponym zu erklären, sehr unbefriedigend, und man wird sich der anderen Erklärung

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Altnordischen seit etwa 1200 /hǀlm/ gilt (Heusler 1967, § 90.2), könnte man auch an die nordenglisch-dialektale Entwicklung von /ǀ/ zu einem mit frz. /y/ reimenden /y/ denken, die aber wohlgemerkt erst dem 14. Jh. angehört, cf. Brunner 1967, § 11.6. So schwankt bei der Klosterruine Saint Benet-at-Hulme oder -Holme, Norwich, die Schreibung laut Wikipedia s. v. bis heute. Ein noch bekannterer Fall unten n. 147. Kurath 1952–2001. Cf. W. Davies 1982, 20, 29, 118, 142, 150, 166, 216, Richards 1962, 55–57 («tradingstations»), 59 («the kind of landmark used by the Norsemen»), Charles 1938, 277s., 305. – Der Prosa-Tristan erwähnt zudem eine aber wohl imaginäre Burg l’Homme in Nordwales (Norgales), cf. Flutre 1962, s. v. Cf. Brunner 1967, § 5C und 27 (versus § 42.3), Horn / Lehnert 1954, § 305, 309. Ekwall 1965, § 127, Horn / Lehnert 1954, § 424 (cf. 155 / I / 2c, 266 / 1). Die lange Beständigkeit des -l- wird bestätigt durch sämtliche Belege bei Ekwall 1960 und in Kuraths Middle English Dictionary. Beeler 1966, 377–426, Liste von Burgen in England und Wales: Holm Cultram in Cumberland, motte-and-bailey. King 1983, I 184 Holm bei Tewkesbury, Gloucestershire, heute verschwunden, «may not have been very strong», 1211 befestigt; vielleicht nicht hierher gehörig: II 506 «Ham or Homme Castle» in Worcester, noch existent, «motte on a hammock» (laut Renn 1973 s. v. Hom(m)e, motte-and-bailey, erwähnt 1207). Um auch den Süden Schottlands zu berücksichtigen: Dort entstand nahe der Grenze zu England erst im 13. Jh. Hume Castle (Berwickshire), der Stammsitz der noch existierenden Earls of Home (ebenfalls /hjnjm/ gesprochen, cf. dazu n. 140 in fine!); der heutige imposante Bau datiert zur Hauptsache erst aus dem späten 18. Jahrhundert. Die gerade zitierten Formen sind die heutigen; Herleitung aus altnord. holmr bei Rennie 2004, s. v. Hume. Einige «falsche» schottische -holm (< -ham) bei Nicolaisen 1976, 76. Echte holm-Namen wie Holm at Skaw (hier /h‫ܥ‬lm/ gesprochen) dann wieder auf den Shetlands.

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zuwenden müssen: del Hum und seine Variante de Hums bedeuten ‘vom Hunnen [= Hunnenherrscher]148 bzw. von den Hunnen [aus der Geiselhaft zurückgekommen]’.

Der Begriff «Hunnen» im normannischen Denken um 1100 Als Erstes muss betont werden, dass «Hunnen» in der Alltagswelt des Rolanddichters ein durchaus verständlicher, keineswegs exotischer Begriff war. Der Name «Hunnen» war ja zunächst, und zwar gleich im 6. Jh., auf die Avaren übertragen worden;149 dies führte unter anderem zu Karls Zeit auch zur Rechtfertigung des mehr als siebenjährigen Vernichtungskrieges gegen die Avaren als eines Vergeltungskrieges gegen die «Hunnen». Dann wurde der Name um 900 auf die Ungarn übertragen, was bis ins 13. Jh. üblich blieb.150 In zeitlich-räumlicher Nähe zum

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Der Singular muss wohl als ‘[zurückgekommen] vom Hunnenherrscher [= Attila]’ gedeutet werden; denn die Alternative, die generische Verwendung des Völkernamen-Singulars in pluralischer Bedeutung, wie wir sie im Griech. vor allem finden, «wenn Barbaren als staatliche Einheit in Betracht kommen: ੒ ȆȑȡıȘȢ», und wie sie auch im Lat. gerade in zwanglosem Stil gängig ist (Parthus ‘die Parther’ usw.; zu beiden Sprachen Löfstedt 1942, 12–24) und in der Vulgata-Übersetzung des Alten Testaments mehr als hundert Mal vorkommt (Chananaeus ‘die Kanaaniter’ u. ä.), scheint im Altfrz. nicht üblich zu sein. So verwenden ihn z. B. Gregor von Tours, Isidor von Sevilla (identifizierend Et. 9,2,66), Fredegar, Arbeo, Paulus Diaconus, Alkuin, Einhart, Ado, der Poeta Saxo, einige Male die Annales regni Francorum; das Adj. Huniscus verwenden im selben Sinne z. B. Karl d. Gr. im Brief an König Offa (MG. Epp. 4, 146) und der Mönch von St. Gallen (II praefatio); man vergleiche die reiche Belegsammlung aus merowingischer und karolingischer Zeit bei Deér 1965, passim. Zur ideologischen Rechtfertigung des Avarenkrieges dient die Übertragung sehr klar z. B. bei Einhart, Vita Karoli 13, Notker Balbulus, Gesta Karoli II 1, und Poeta Saxo, lib. 3, v. 12s. Huni für Avaren findet sich auch später, z. B. bei Ordericus Vitalis, Historia ecclesiastica, ed. le Prévost 1840–1852, II 357: [Karl der Große] Hunorum regiones devastavit. Umgekehrt Avares für die Hunnen z. B. im Waltharius, ed. Strecker 1951, v. 40 u. ö. Mit den Avaren identifiziert werden die Ungarn z. B. von der Altaicher Fortsetzung der Annales Fuldenses: a. 894 Avari qui dicuntur Hungari, ähnlich a. 896 und 900 (diese Annalen brechen 901 ab), ähnlich noch Thietmar I 15 Avares ‘Ungarn’ zu Ereignissen um 920. Wegen der damaligen Ubiquität der Gleichung Avares = Huni (cf. vorige n.) laufen schon diese Belege faktisch auf eine Gleichsetzung der Avaren mit den Hunnen hinaus. Die Sankt Galler Fortsetzung der Annales Alamannici (MGH. SS. 1, 50s.und 54) tut den nächsten Schritt und vermerkt schon zu a. 863: Gens Hunorum christianitatis nomen aggressa est. (Die Bedeutung Huni ‘Ungarn’ und die Faktizität dieses frühen, zunächst isoliert bleibenden Raubzuges werden gesichert durch die entsprechende Mitteilung in den Annales Bertiniani ad a. 862: sed et hostes antea illis populis inexperti, qui Ungri vocantur, regnum eius depopulantur.) Die sangallensische Fortsetzung der Annales Alamannici geht bis 926, könnte aber in diesem Teil schon um 876 geschrieben sein; in der Folge spricht sie aber von Ung(a)ri, beispielsweise zu a. 909: Ungari in Alamanniam, et cum innumerabili preda hominum animaliumque reversi sunt. Um außer den gleich zu zitierenden Stellen aus Raoul de Caen, Ordericus Vitalis und William of Malmesbury noch frankophone Autoren für Huni ‘Ungarn’ zu nennen: Radulfus Glaber († wohl 1047), ed. France 1989, V 17 berichtet, Kaiser Heinrich III. habe genti Hunorum einen König

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Rolanddichter nennt beispielsweise um 1115 Raoul von Caen in seinen Gesta Tancredi die ungarischen Teilnehmer des Ersten Kreuzzuges ohne pejorative Absicht Hunos. 151 Mehr noch: auch ‘von den Hunnen zurückgekommen’ zu sein wirkte nicht befremdlich. Als nämlich 1016 Edmund Ironside, der ältere Bruder des späteren Königs Eduard des Bekenners, im Kampf gegen Knut den Großen zu Tode gekommen und Eduard mit seiner Schwester Goda, wie oben erwähnt, in die Normandie geflohen war, hatte man Edmunds beide Söhne vor Knuts Mordplänen nach Ungarn in Sicherheit gebracht, zum rex Hunorum bzw. Hunorum rex, wie es um 1130 ganz unbefangen sowohl Ordericus Vitalis als auch William of Malmesbury ausdrücken. Dort wurden sie mit königlichen Ehren behandelt, und einer von beiden, Edward, heiratete in das Herrscherhaus ein. Nach Ordericus wurde er sogar selbst zum rex Hunorum; die Behauptung ist unrichtig, zeigt aber gerade in ihrem Gerüchtcharakter, dass «Hunnen» für ‘Ungarn’ noch zu Ordericus’ Zeiten der Umgangssprache der normannischen Oberschicht angehörte. Laut William schickte dann 1054 Eduard der Bekenner ad regem Hunorum und ließ diesen seinen Neffen, wohl um einen blutsverwandten Nachfolger heranzuziehen, mit seiner Familie nach England holen, wo er allerdings bald starb. Doch spielte wiederum dessen Sohn, Edgar, eine beträchtliche Rolle in der englischen und normannischen Politik. Als nämlich 1066 König Harold bei Hastings zu Tode kam, bauten Harolds Getreue laut Ordericus diesen Edgarum Clitonem, filium Eduardi regis Hunorum, zu Harolds Nachfolger auf.152 Bis 1074 spielte Edgar diese Rolle, meist von Schottland aus, versöhnte sich dann aber mit Wilhelm und freundete sich sogar mit dessen ältestem, damals gegen den Vater schon rebellisch werdendem Sohn Robert an, so

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gegeben; die Chronik von Moyenmoutier (Mitte 11. Jh., MGH. SS. 4, 89) erwähnt den Einfall der Huni nach Basel von 919; Abt Ursio von Hautmont in der Diözese Cambrai erwähnt in seiner Fortsetzung der Acta Sancti Marcelli (vor 1076, AA.SS. jan. II, 12b) die (in weit nachmerowingischer Zeit) super Gallias hinweggegangenen Hungrorum et Hunnorum tempestates (für sein Kloster muss der Ungarneinfall von 954 gemeint sein); in ähnlichem Sinne spricht die Vita (frühes 12. Jh.) des Abtes Richard von Saint-Vanne (MGH. SS. 11, 284) von Hunnorum et Normannorum vastatio; der Gallus Anonymus, Gesta principum Polonorum (frühes 12. Jh.), ed. Knoll 2003, p. 14, erwähnt Ungariam, Hunis qui et Ungari dicuntur quondam occupatam; Hugo von Fleury († vor 1135), Liber qui modernorum regum Francorum continet actus (MGH. SS. 9, 382), spricht vom Einfall der Huni in Italien um 900; Hugo von Sankt-Victor († 1141), De tribus maximis circumstanciis gestorum (hier zitiert nach von den Brincken 2008, 307), nennt in der Völkerliste Huni vel Ungari; auch die Fortsetzung (um 1180) der Gesta episcoporum Cameracensium (MGH. SS. 7, 501) versteht unter Huni die Ungarn; und noch Gervasius von Tilbury, Otia Imperialia (fertiggestellt wohl 1215), ed. Banks / Binns 2002, spricht im geographischen Teil von Vngaria vel Hunia oder kurz Hunia (II 7, p. 242.2 und 26, 244.5). Umgekehrt Hungari für Attilas Hunnen in den Gesta episcoporum Mettensium (Fassung bis 1120, MGH. SS. 10, 536): Attila rex Hungarorum. Raoul de Caen, Gesta Tancredi, cap. 99 (RHC. Occ. III 676). Ordericus Vitalis, ed. le Prévost 1840–1852, I 178, II 154; William of Malmesbury, De gestis regum Anglorum, II § 180 und 228.

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dass der Eroberer es schließlich für klüger hielt, Edgar mit zweihundert Gefolgsleuten in das normannische Apulien abziehen zu lassen.153

Das Nebeneinander der Formen del Hum und de Hums und die Folgerung daraus Aber auch wenn somit ein Beiname ‘von dem oder den Hunnen’ für die frühen Rezipienten des Rolandsliedes durchaus verständlich war, bleibt die Frage: liegt er wirklich vor? Was die Namensform Hum, nicht Hun, in O angeht, so betrachtete es schon Lejeune zu Recht als bemerkenswert, 154 dass diese Graphie in O bei dem Völkernamen der Hunnen (v. 3254: L’altre [scil. eschele] est de Hums) wiederkehrt.155 Denn Hum ist in der Tat eine ziemlich ungewöhnliche und gerade deshalb aussagekräftige, aber keineswegs eine verdächtige Graphie. Wie kommt sie zustande? Der hier zur Diskussion stehende Völkername erscheint in der lat. Überlieferung von vornherein in zwei Haupttypen: Hnjni (alt auch Chnjni) und Hunni (Chunni);156 in der Minuskelschrift der Zeit vor 1100, die ja kein i-Strichlein (und selbstverständlich keinen u-Bogen) kennt, besteht der Name also, etwas vereinfacht gesagt,

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Douglas 1995, 176, 187, 209, 218s., 222s., 229, 231, 234, 241, 363. Lejeune 1959, 267. CV7 lesen hier de Huns, womit ‘Hunnen’ sachlich für den Archetyp aller Mss. gesichert wird. Im uon Surse bei K ist -e zugefügte Endung eines vermeintlichen Landesnamens (wie bei ihm vorher Rosse, Clamerse, nach dem Muster von Malprose, Uallepenuse, Carbone); außerdem hat er in dem *desNJs (= des Uns) seiner Vorlage die Wortgrenze (wie öfter) verkannt und den Nasalkürzel als r-Kürzel genommen. V4 hat ‘Hunnen und Ungarn’ geändert in ‘Ungarn und Bulgaren’, hat also bemerkenswerterweise Hum(s) hier ebenso wenig verstanden wie in del Hum (siehe oben p. 29s.). Nach den editiones citandae zu urteilen, deren Entscheidungen allerdings manchmal ‘auf des Messers Schneide stehen, haben Chuni Ambrosius (de Tobia, ad Lucam), Ausonius, Sidonius, Gregor von Tours, Fredegar; Chuni und Huni nebeneinander Claudian, Orosius; Huni Ammian, Hieronymus (ep. 77 und 107), Beda, Arbeo, Alkuin, Einhart, die Annales regni Francorum (a. 805, 811, die Manuskriptklasse E öfter), Ado, der Poeta Saxo, der Waltharius, Flodoard, Radulfus Glaber, Sigebert, die Chronik von Moyenmoutier, die Cottoniana-Weltkarte, die Europa-Karte im Liber floridus des Lambert von Saint-Omer, der Gallus Anonymus, Aimoin und Hugo von Fleury, Hugo von Sankt Viktor, Ordericus Vitalis, William of Malmesbury, die Fortsetzung der Gesta episcoporum Cameracensium, Gervasius von Tilbury, die Ebstorfer Weltkarte; Huni und Hunni nebeneinander Cassiodor, Isidor von Sevilla (dazu noch Hugni), Paulus Diaconus; Hunni Vegetius (De re militari und mulomedicina), Salvian, Marcellinus Comes, die Chronica Gallica von 511 (neben Hugni), Jordanes, die Chronica Caesaraugustana, Agnellus von Ravenna, Hrabanus Maurus, die Annales Alamannici, die Acta Sancti Marcelli, die Vita des Richard von Saint-Vanne, die Hereford-Weltkarte. Weil es für uns nur auf die Koexistenz beider Schreibtraditionen ankommt, führe ich die Editionen und die (meist über Indizes zugänglichen) Stellen nicht im Einzelnen auf; aus demselben Grunde nenne ich aber auch Autoren, die mit «Hunnen» vielmehr Avaren oder Ungarn meinen.

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aus einem h- plus fünf oder sieben Abstrichen. Da kann es vorkommen, dass das flüchtige Auge sechs Abstriche zu sehen glaubt; so schreibt beispielsweise im 12. Jh. das Ms. Cambridge Univ. Libr. 1706, das Griscom als Leitmanuskript seiner Edition von Geoffreys Historia Regum Britanniae benutzte, zweimal Humorum statt Hunorum.157 Für das französische Sprachgebiet kommt dazu als verunsicherndes Moment der Zusammenfall der Nasalphoneme am Wortende, wie er für den (Nord-)Westen im späten 11. Jh. belegt ist; cf. in O Loüm (< -dnjnum) v. 2097 neben Loün v. 2910.158 Weit wichtiger ist aber ein bisher völlig übersehener Umstand. O schreibt Gualter del Hum in v. 803 und 2039, dann Gualter de Hums in v. 2067, letzteres selbst bei Segre «korrigiert» zu del Hum. Aber ist es wahrscheinlich, dass der Schreiber einen Eigennamen im Abstand von mehr als zwölfhundert Versen zweimal richtig, dann nach weniger als dreißig Versen gleich mit zwei Abweichungen (Unterdrückung des -l, Zusatz des -s) falsch schreibt? Ist es nicht wahrscheinlicher, dass er eine in seinen Augen sinnvolle Variante niederschrieb? Dann muss doch – was bisher nicht geschehen ist – die historische Syntax des Frz. befragt werden, ob es im Altfrz. des frühen 12. Jh. eine Klasse von Konkreta gab, die in denselben Fällen, wo sie im Singular den bestimmten Artikel verlangten, im Plural noch ohne ihn stehen konnten (wenn auch nicht: stehen mussten). Die Antwort ist eindeutig: ja, es gibt genau eine solche Klasse, die Völkernamen samt verwandten Begriffen wie «Christen», «Heiden».159 Und damit wird der Schluss geradezu unabweisbar,

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Geoffrey of Monmouth, ed. Griscom 1929, 351 Z. 21 und 352 Z. 7. Drei weitere Beispiele: Ambrosius, Epistulae, ed. Faller 1968, ep. 30 (24).8, Z. 92 und 97: Ms. Y humos; Itinerarium peregrinorum, ed. Mayer 1962, 291: Huni, var. Humi. Zwar lässt sich in assonierenden Texten aus solchen Fällen prinzipiell nicht auf die Sprache des Autors schließen; doch verweist Pope 1952, § 435, einerseits auf Drevin 1912, 170, wo man z. B. (unter Gegenkontrolle auf p. 53, 67, 81, 84) finden kann Brion um 1070 ~ Brium a. 1096, Dinam a. 1065 ~ Dinan a. 1167, Grossinus um 1040 ~ Grossim a. 1080, Gauvenus um 1110 ~ Gauveim um 1120, andererseits auf die Reime leun : num (< nomen), Sathan : Adam im Bestiaire des Philipp von Thaon als einem der frühesten Reimdenkmäler. So durchweg auch später, z. B. im Roman de Thèbes, ed. Léopold Constans 1890, II, p. XCIIIs., l’on (< homo): maison, : environ, : traïson, non (< nomen) : baron, son (< summum) : donjon, : arçon. Jensen 1990, § 232, Gamillscheg 1967, 95, Foulet 1980, § 69.3. Also im Rolandslied z. B. v. 506 Dist Blancandrins: – Apelez le Franceis [scil. Guenelun]! gegen v. 1126 [Turpin] Franceis apelet, un sermun lur a dit. Da die Handbücher der Einfachheit halber durchweg nicht-präpositionale Beispiele bringen, sei betont, dass im Rolandslied dasselbe auch für präpositionale Fälle gilt: v. 1632 Dist al paien: – Deus tut mal te consente! (ähnlich 207, 484, 1608, 1898) gegen v. 3413 Ja savez vos, cuntre paiens ai dreit (ähnlich 566, 1162, 1163, 1222, 2244, 2336, 2545, 2675, 3287). Speziell interessieren uns artikellose Plurale nach de: v. 471 la lei de chrestïens (ähnlich 2683), 918 De chrestïens voelt faire male vode (ähnlich 1679), 1007 De Sarrazins purum bataille aveir, 1929 De Sarrazins verrat tel discipline, 2975 Quant de paiens li surdent les enguardes, 3511 Que vos en semblet d’Arrabiz e de Francs?, 3533 Quant de Franceis les escheles vit rumpre. Meines Erachtens gehören hierher auch die Sätze vom Typ des v. 3045 La quinte eschele unt faite de Normans; denn dem Kontext nach ist der Sinn ein nicht-partitiver: ‘aus den (= allen

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dass der Schreiber von O sein Gualter del Hum bzw. de Hums als ‘Walter vom Hunnen’ bzw. ‘von den Hunnen’ verstand. Es ist Zeit, für Walters Beinamen eine Zwischenbilanz zu ziehen. Wir haben festgestellt, dass del Hum die Lesung des Archetyps aller erhaltenen Textzeugen war und, da keinerlei Verdachtsmomente gegen diese Lesung zu finden sind, auch als die Form des Dichters zu gelten hat. En passant haben wir dabei gesehen, dass ein vor 1110 in der Normandie belegter Walterus lehuns eher als ‘Walter der Hunne’ denn als ‘Walter (der) Löwe’ zu verstehen ist. Wir haben dennoch intensiver als Boissonnade und Bédier versucht, del Hum auf einen Ortsnamen, und zwar möglichst auf einen «grafenwürdigen», zu beziehen – ohne Erfolg. Dann haben wir uns klar gemacht, dass der Begriff «von dem oder den Hunnen [zurückgekommen]» in der Umgebung des Rolanddichters keineswegs exotisch-fremd wirkte. Und jetzt drängt sich uns der Schluss auf, dass in O, dem ältesten und besten Manuskript des Liedes, Gualter del Hum bzw. de Hums ‘Walter vom Hunnen’ bzw. ‘Walter von den Hunnen’ bedeutet. Hält man diese Fakten zusammen, so lässt sich doch wohl nach dem Gebot der Denkökonomie auch für den Dichter nichts anderes annehmen, als dass schon er den Namen als ‘Walter vom / von den Hunnen’ verstand. Zu diesem Schluss sind wir anders als Tavernier, Rita Lejeune oder René Louis durch eine bewusst positivistische Argumentation gekommen. Gerade weil die ‘Hunnen’-Deutung des Beinamens gegenüber der toponymischen zunächst spektakulärer, phantasievoller anmutet, ist dies dringend wünschenswert. Und während die Genannten sichtlich über ihre Entdeckung als einen markanten Fall heldenepischer Intertextualität erfreut waren, ist sie uns eher unwillkommen. Denn sie schafft für uns ja neuen Erklärungsbedarf.160 Wir möchten erstens wissen, wie viel oder eher wie wenig der romanische Dichter wohl von Walter wusste, und zweitens, wie aus der Gestalt des fünften Jahrhunderts eine des achten wurde. Da in der Waltharius-Forschung fast nichts unumstritten ist, kann man sich dabei nicht kurz fassen. Gehen wir die zweite Frage vor der ersten an.

Die Versetzung der Sagengestalt Walter aus dem 5. Jahrhundert in die Zeit Karls des Großen Zeitlich destabilisierend, und zwar «verspätend», mussten auf die Walter-Gestalt, wie wir sie aus dem Waltharius kennen, zwei Faktoren wirken: der oben vorgeführte zeitlos gewordene «Hunnen»-Begriff und die Fabel von der Mönchwerdung Walters.161

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anwesenden) Normannen’. Daneben stehen im Lied wohlgemerkt schon Plurale mit dem bestimmten Artikel (präpositionslos v. 716, 1347 u. ö., nach anderen Präpositionen als de v. 1038, 1131 u.ö., nach de v. 49, 1340 u. ö.). Tavernier, der ja ebenfalls Maëlgut mit dem walisischen Maelgwn, Gualter mit der ehemaligen Hunnengeisel identifizierte, scheint die geographische Diskrepanz nicht als erklärungsbedürftig empfunden zu haben. Ich bekenne gern, dass ich in der folgenden Behandlung dieses Mönchwerdungs-Themas

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So heißt es in einer schlecht datierbaren, wohl mindestens ins 12. oder 13. Jh. zurückgehenden und aus dem Metzer Raum stammenden Genealogia Sancti Arnulfi:162 Guntarius GermaniĊ primĊ regnum obtinuit, ac prime BelgicĊ, in qua Treveris, qui cum Walthario Hunorum obside fertur pugnasse. In dieser Genealogie ist, wie der (hier nicht mitzitierte) Kontext eindeutig lehrt, Guntarius Sohn des Merowingers Chlothar I. und Bruder des Guntram von Orléans-Burgund († 592 oder 593);163 Walters Lebenszeit erscheint damit immerhin um eineinhalb Jahrhunderte zur Jetztzeit hin verschoben. Weiterhin ist bemerkenswert, dass nicht Attila, sondern nur die Hunnen genannt werden; hier ist daran zu erinnern, dass der Attila des Waltharius, um mit de Boor164 zu reden, durch einen neuen Zug gekennzeichnet ist: er ist «milde, freundlich und – untätig». Und zeitlich könnten die Huni in dieser Genealogie fast schon die Avaren sein. Da Walter ferner, als er mit Gunther kämpfte, schon nicht mehr Hunnengeisel war, wirkt das Hunorum obses fast wie ein fester Beiname; denkt man sich durch Abschleifung dieses Beinamens noch das obses weggefallen, so hat man das Äquivalent von de Hums vor sich. Eine weit stärkere zeitliche Verschiebung der Walter-Gestalt zeigt bekanntlich schon um die Mitte des 11. Jh. die Chronik der Novalesa165 im Susatal (das zum Bistum Maurienne und im 8. Jh. noch zum Frankenreich gehörte, aber nahe der Grenze zum Langobardenreich lag). In seinem zweiten Buch (vollendet wohl schon vor 1027) stellt uns der Chroniker alle Hauptpersonen des Waltharius vor (cap. 8) und zitiert (cap. 9) in kleinen Abschnitten und durch Prosasätze verbunden insgesamt mehr als 160 Verse aus dem Epos.166 Doch berichtet er ebenfalls (cap. 7

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bewusst minimalistisch argumentiere, um hier nicht tiefer als unbedingt nötig in die Waltharius-Kontroversen hineingezogen zu werden; ich lege mich also nicht fest, ob die Darstellung von vornherein komische Züge trug oder nicht, ob sie in Versen oder in Prosa formuliert wurde, ob sie mit Ekkehart I. von Sankt Gallen etwas zu tun hat oder nicht. Laut Pertz 1821, 667s., enthält das (junge) Wiener Ms. Hist. Eccl. 160 auf Blatt 15–20 eine Genealogia Sancti Arnulfi nach einer Vorlage aus dem Metzer Raum (wie am Schluss die kurze Andeutung ap[ud] Mettenses besagt), und zwar aus dem 12. oder 13. Jh. (da der Abschreiber viele beibehalten hat); der Genealogist «weicht […] von allen bekannten und richtigen Erzählungen dadurch ab, dass er unter Chlothars I. Söhnen Chilperich auslässt, den König Guntram zu Chlothars II. Vater macht; als vierter Bruder erscheint Günther [sic, G.A.B.] aus dem Waltharius manufortis […]» Es folgt das obige Zitat. Cf. die vorige Anmerkung! De Boor 1932, 11. Cronaca di Novalesa, ed. Alessio 1982. Gegen Ende seiner Nacherzählung des Epos übergeht der Chronist die drei eng zusammenhängenden, ein Ende des Kampfes erzwingenden Verwundungen der Protagonisten samt der Tatsache, dass Hildegund die Wunden verbindet – vermutlich einfach, weil er die Glaubwürdigkeit seiner Geschichten vom kämpfenden Mönch nicht durch dessen Einarmigkeit belasten wollte. Er musste nun aber den Abbruch des Kampfes in aller Knappheit anders begründen. Auf den Gedanken, die beiden erschöpften und dürstenden Franken seien beim Blick auf Walters Flasche friedenswillig geworden, kam er wohl einfach dadurch, dass im Epos Hildegund auf Walters Geheiß allen dreien Wein einschenkt, Walter also im Besitz des Weines ist; sie selbst führen keinen Wein mit, da sie aus dem benachbarten Worms kommen.

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und 10–13), Walter sei nach seinem weltlichen Leben in die Novalesa als Mönch eingetreten und habe, obwohl von mustergültiger Frömmigkeit, auch in dieser Lebensphase noch erzählenswerte, meist kämpferische Taten vollbracht. Es sind Taten, die innerhalb der nächsten eineinhalb Jahrhunderte in Frankreich, nunmehr den ebenfalls Mönch gewordenen Epenhelden Ogier und Wilhelm zugeschrieben, geradezu den Grundstock der Moniages und damit eines ganzen Seitenzweiges der Karolingerepik (samt einigen von den Moniage-Themen zehrenden lateinischen Hagiographica) bilden werden: Klostersuche mittels störender Glöckchen in den beiden Fassungen der Conversio Othgerii militis, Ausmerzung des Unkrautes im Moniage Guillaume II,167 Wiederaufrüstung und Prüfung des heruntergekommenen Streitrosses im Moniage Guillaume II, im Schlussteil der Chevalerie Ogier und bei Alexander Neckam,168 Sieg über eine Räuberbande bei versuchter Wegnahme der Femoralia169 unter Verwendung eines Tierknochens als Waffe à la Samson (Richter 15.15–17) in Moniage Guillaume I und II. Selbstverständlich sind diese Zusammenhänge seit mehr als einhundert Jahren der Romanistik bekannt.170 Uns interessiert hier nur (cap. 11), dass Walter unter Abt Asinarius Mönch gewesen sei und dass er einmal erfolgreich die Pferde des Königs Desiderius von einer Wiese des Klosters vertrieben habe. Asinarius war noch 770 Abt der Novalesa,171 und die Geschichte kennt nur einen König Desiderius, den langobardischen Gegner Karls des Großen. Damit ist Walter hier also zu einem Zeitgenossen Karls gemacht!172 Nun erzählt der Chroniker aber auch (cap. 12 und 13) von Walters Felsengrab in Klosternähe, von seinem Sohn Rather und seinem Neffen oder Enkel Ratald, so dass er offensichtlich den Epenhelden mit einem realen Mönch seines Klosters,

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Gemessen an ihren älteren Bezeugungen von der Antike bis zum Mönch von Sankt Gallen, fehlt dieser Episode in der Chronik ihr eigentlicher, nämlich symbolischer Sinn, der zwar auch im Moniage Guillaume II atypisch ausgedrückt, aber eindeutig vorhanden ist; dazu Cloetta (ed.), Les deux rédactions en vers du Moniage Guillaume, 1906–1911, II, 148–151. Alexander Neckam, De naturis rerum [Ende 12. Jh.], cap. 158. Zum Begriff «Femoralia» (essentiell: Unterhosen) cf. Lecoy 1942–1943, 11 n. 1. Dazu kommt noch die mögliche Beziehung zwischen der ferita Waltharii und Rolands Versuchen, Durendal zu zerschlagen; sie führt aber aus der Moniage-Thematik heraus und braucht uns hier nicht zu interessieren. – Noch heute lesenswert: Rajna 1894, 36–61 (dort auch die ältere Forschungsgeschichte), sowie Bédier 1926–1929, II 158–176, speziell 158–164. Rezenter: Lecoy 1942–1943, passim, und Alessio in der Einleitung zu seiner Edition der Cronaca 1982, p. XXX–XXXIX. Hingegen ignoriert L. Wolff 1951, 80, nicht nur souverän die gesamte Moniage-Tradition Frankreichs, sondern auch die Fecunda ratis, wenn für ihn die Anekdoten der Chronik «so fest […] mit Ort und Stelle und den besonderen heimischen Verhältnissen verknüpft [sind], dass sich nichts loslösen und in der Dichtung eines anderen Klosters und eines anderen Landes behandelt denken lässt.» Cipolla 1898–1901, I 44. Wenn der Chroniker kurz vor der Erwähnung des Desiderius, aber mit Bezug auf ein anderes Ereignis berichtet, Walter habe dreimal siegreich cum paganis superirruentibus gekämpft, und wenn er in cap. 12 Walter einen inclitus comes nennt, so nähern auch Heidenkampf und Grafentitel seinen Walter den Helden der späteren Moniages an.

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möglicherweise des 8. Jh., kontaminiert.173 Man könnte also einwenden, dass erst er in seiner eng-naiven und wohl folgenlosen Perspektive174 den Epenhelden zum Zeitgenossen Karls des Großen mache. Wäre der Einwand berechtigt, so bliebe die zeitliche Verschiebung des Epenhelden immerhin als Analogon zu unserem Problem von Interesse: sie würde zeigen, was möglich ist. Doch der Einwand ist unberechtigt. Denn schon einleitend (cap. 7) hat der Chroniker ja ein Quasi-Epitaph Walters aus der Feder eines, wie er sich ausdrückt, sapiens versicanorus zitiert. Es sind Verse, die in der Tat von einer Qualität sind, zu der er selbst – wie sein Latein auf jeder Seite der Chronik zeigt – bei weitem nicht fähig gewesen wäre, und die andererseits als (bis auf den sechsten Vers) flüssige leoninische Distichen nicht vor dem letzten Drittel des 9. Jh., wahrscheinlich sogar wesentlich später175 geschrieben sind: «Vualtarius fortis, quem nullus terruit hostis, Colla sup[er]ba domans, victor ad astra volans, Vicerat hic totum duplici certamine mundum, Insignis bellis, clarior ast meritis. Hunc boreas rigidus tremuit quoque torridus Indus, Ortus et occasus solis eum timuit. Cuius fama suis titulis redimita coruscis Ultra [ca]esareas scandit abhinc aquilas.»

Im ersten Teil seines Lebens hat dieser Walter also als Heerführer ‘die ganze Welt’ besiegt, von Osten bis Westen und vom Norden bis zum heißen Indus – mag das nun der Fluss sein oder generisch ‘der Inder’. Selbst wenn man dem Dichter eine gewisse Hyperbolik zugesteht, muss dieses Indus erklärt werden. Nun bezeichnet z. B. Orosius in seinen wirkungsmächtigen Historiae adversum paganos den Kaukasus zunächst als Nordgrenze Indiens; kurz darauf situiert er ihn inter Chunos, Scythas et Gandaridas, so dass man nach seiner Vorstellung von der Hunnenheimat südwärts durch den Kaukasus gleich nach Indien gelangt; ähnlich ist die Vorstellung bei Isidor von Sevilla in den Etymologiae, dem «Konversationslexikon» des Mittelalters.176 So denkt offenbar auch unser versicanorus: Waltharius ist als hunnischer

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In der Tat sind im Nekrologium der Novalesa mehrere dortige Mönche namens Valterius aufgeführt, Cipolla 1898–1901, I 297, 303, 305. Die Chronik ist nur in einem Rotulus des 11. Jh. erhalten, der nicht einmal den Eindruck einer Reinschrift macht; irgend eine Nachwirkung ist nicht festzustellen, cf. Lecoy 1942–1943, 2 und 17. Strecker 1922, 243 und 247: um 900 sollte man wenigstens in einem ostfranzösischen Bereich um Reims sowie in Sankt Gallen in kleineren Gedichten wie etwa Epitaphien volle Durchreimung erwarten. Schaller 1965, 82s.: Hinweis auf die St. Galler Versus de evangelio ad picturam aus dem letzten Drittel des 9. Jh. mit durchgeführtem leoninischem Reim. Zwar war auch Ekkehart IV. mitten im 11. Jh. noch stolz auf seine consonatia plerumque duplarum syllabarum, aber der Ton lag jetzt auf duplarum; cf. Hans F. Haefele, Art. Ekkehard IV. von St. Gallen im Verf.-Lex., hier 462. Paulus Orosius, Historiarum adversus paganos libri VII, ed. Zangemeister1882, 1.2.15 und 1.2.45. – Isidor von Sevilla, Etymologiae, ed. Lindsay 1911, 14.3.5: Indien wird im

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Heerführer, als der er ja im Epos ausgiebig vorgeführt wird (v. 106–108, 121s., 128, 170–214), vom Hunnenzentrum nach verschiedenen Richtungen (quocumque iret, v.122) gezogen und hat insbesondere einen Sieg über ein gegen die Hunnen aufständisches Volk (v. 170–172) erfochten; da er selbst als Geisel aus Westeuropa stammt und von Attila aus Sicherheitsgründen gewiss nicht in diese Richtung ausgeschickt wird, darf man sich das aufständische Volk sozusagen am anderen Ende des Hunnenreiches vorstellen, «also» am torridus Indus; 177 damit ist Walter weiter gelangt, hat höheren Ruhm errungen als je (römische oder gar mittelalterliche) kaiserliche Heere. Mit anderen Worten: der Waltharius des versicanorus ist in seiner ersten Lebenshälfte identisch mit dem des Versepos. Im zweiten und letzten Abschnitt seines Lebens hat er dann auf andere Weise erneut ‘die Welt’ besiegt und dadurch Verdienste noch höherer Art erworben. In mittelalterlicher Perspektive ist das für einen ehemaligen Heerführer nur auf eine Weise möglich: durch Eintritt in ein Kloster178 – auch wenn bemerkenswerterweise der versicanorus im knappen Rahmen seines Quasi-Epitaphs diese höheren Verdienste nicht ebenso zu präzisieren vermag wie vorher die weltlichen, vielleicht weil sie sich weniger leicht als erhaben darstellen ließen. Aus diesen Versen ist mehrfach geschlossen worden, die «Kontamination» zwischen dem Protagonisten des Epos und dem gleichnamigen Mönch sei älter als die Chronik der Novalesa.179 Das ist nicht ganz falsch, birgt aber die Gefahr eines doppelten Missverständnisses.

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Westen durch den Indus begrenzt, im Norden reicht es bis an den Kaukasus; 9.2.66: die Hunnen wohnten zunächst am Ende der Maeotis, d.h. des Asowschen Meeres, zwischen dem Don und den Massageten, brachen dann aber über den Kaukasus aus, um ‘den Orient’ zu versklaven (hier sogar: um von Ägyptern und Äthiopiern Tribut zu fordern). Der Waltharius-Dichter (v. 524) lässt Walter ausdrücklich contra Aquilonares sive Australes regiones, also gen Norden und Süden, nicht gegen den heimatlichen Westen, kämpfen. – Der Distichenautor wiederum denkt bei seinem torridus Indus, ohne es zu wissen, noch nicht einmal sehr unhistorisch: die Hephthaliten oder ‘weißen Hunnen’, die um 480 das Gupta-Imperium in Nordindien zerstörten, waren nach Prokop, Bella, ed. Haury / Wirth, 1962, De bello persico 1.6.10, ein Zweig der Hunnen (ȅ੣ȞȞȠȚ ਬijșĮȜ૙IJĮȚ). Alessio in der Einleitung zu seiner Edition der Cronaca, p. XXXI, hat hier leise Zweifel, weil meritum nicht eindeutig genug auf die geistliche Sphäre weise. Aber es geht nicht allein um dieses Wort, sondern hauptsächlich um den ‘doppelten Sieg über die Welt’; wenn dessen erster Teil weltlich par excellence, nämlich militärisch war, bleibt doch für den zweiten nur das siegreiche Überwinden der Welt, eben des saeculum, durch geistliches Leben, wobei ein ehemaliger Heerführer nur Mönch, nicht Seelenhirt werden kann. Die bloße Herrschaft als König wäre kein ‘Sieg über die Welt’, erst recht kein ‘zweiter’, von dem ersten in mittelalterlicher Perspektive genügend zu trennender. So zu verstehen ist wohl schon der knappe Passus von W. Grimm, Die deutsche Heldensage, ed. Ehrismann 1999, 40 (36 der ursprünglichen Pagination); weiterhin Beccari 1883, 27 und 32–36 (hier zitiert nach Cipolla) und Cipolla selbst (1898–1901, II 135 n. zu versicanorus). Hingegen eindeutig und in diesem Hauptpunkt richtig von den Steinen 1952–1953, 10s.: der «Waltharius christianus» ist einfach der gealterte Waltharius des erhaltenen Epos. (Man braucht deshalb nicht auch von den Steinens Meinung über die Autoren beider Werke zu akzeptieren, nämlich, dass das erhaltene Epos von einem Loth-

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Erstens ist es unwahrscheinlich, falls der Mönch Walter der Distichen je real existiert hat, dass er Mönch der Novalesa war. Denn die Burleske von Walters Verteidigung seiner Femoralia wird uns schon – wie ebenfalls seit mehr als einhundert Jahren der Forschung bekannt ist – zwischen 1022 und 1024 in Lüttich erzählt, also etwas früher als in der Novalesa und in der Luftlinie etwa 600 km von ihr entfernt, nämlich in der Fecunda ratis des Lütticher Domscholasters Egbert v. 1717–36 unter dem (bereits in v. 214 genannten) Titel De Waltero monacho brachas defendente.180 Auch dort ist wohlgemerkt der Mönch Walter schon der einst berühmte weltliche Kämpe: er heißt von vornherein miles hic (v. 1720), er bedient sich energisch seiner ‘bekannten’ Kampfkraft (v. 1727), und, obwohl schon auf der absteigenden Seite des Lebens, vollführt er so ‘neue’ Kämpfe (v. 1736). Wir haben also in der ersten Hälfte des 11. Jh. eine erfolgreiche, sich in beiden Fassungen schon um einen einstigen berühmten Kämpfer und jetzigen Mönch Walter drehende klösterliche Wanderlegende, und es gibt keinen Grund, deren Entstehung gerade in der Novalesa zu vermuten. Doch man kann noch weitergehen: es gibt – zweitens – keinen Grund, außerhalb der naiven Gleichsetzung in der Novalesa überhaupt einen realen Walter als ursprünglichen oder sekundären Protagonisten dieser und der anderen Mönchsgeschichten zu vermuten. Denn zum einen hat sich nirgends in der Realität des Mittelalters ein mönchgewordener einstiger Kämpfer namens Walter finden lassen. Zum anderen aber hat insbesondere Félix Lecoy181 die Genesis der Geschichte überzeugend dargelegt: das Motiv der verteidigten Femoralien beruht auf unernsten, leicht skabrösen Denkspielen, die auf dem Hintergrund einer Stelle aus der Bergpredigt (Wegnahme von tunica und pallium, Matth. 5.40, cf. Luc. 6.29) und ihrer patristischen Kommentare in den Klerikerschulen entstehen mussten, nach Lecoys Meinung am ehesten, als die Kluniazenser gegen die ursprüngliche, hierin

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ringer um 860, von Ekkehart von St. Gallen hingegen die untergegangene, nur in ihren Reflexen fassbare Vita Waltharii [christiani] geschrieben sei. Ich halte Ekkehart für den Autor des Epos, s. unten Exkurs II.) Egbert von Lüttich, ed. Voigt 1889. Das gemeinsame Spezifikum bei Egbert und der Chronik der Novalesa besteht darin, dass der Held Walter heißt. Noch vor Egbert finden wir dieselbe Erzählung im Kern schon kurz nach 974 im Chronicon Salernitanum, ed. Westerbergh 1956, cap. 32, p. 34s., in fast derselben Gestalt später gegen 1100 in der Chronik von Montecassino, ed. Hoffmann 1980, lib. I, cap. 7, p. 31s.; doch sowohl in Salerno wie in Montecassino ist ihr Träger Karolus magnus, filius Karoli regis Francorum, was mit Westerbergh und Hoffmann, entsprechend der Realität des 8. Jh., zu verstehen ist als Karlomannus, Sohn des Hausmeiers (und de facto königsgleichen Alleinherrschers) Karl (Martell); Karlmann war ja in der Tat in Montecassino Mönch geworden. In diesem Zusammenhang mag dann mit Alessio, Einleitung zu seiner Edition der Cronaca, p. XXXIII, erwähnenswert sein, dass auch im Chronicon Salernitanum Karlmann schließlich Klostergärtner wird (wenn auch nicht vom Ausmerzen des Unkrauts die Rede ist). In der oben im Folgenden referierten Entstehungshypothese von Lecoy muss man also den Kluniazensern als mutmaßlichen Trägern der Entwicklung einen Vorläufer zuordnen in Gestalt des italienischen Mönchstums des 10. Jahrhunderts. Lecoy 1942–1943, 10–14. Doch siehe auch die vorige n. in fine!

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sehr restriktive Benediktinerregel den Gebrauch der Femoralia verallgemeinerten. Hierbei – so darf man hinzufügen – ließ sich das volle komische Potential dieser Verteidigung der Femoralien aber nur ausschöpfen, wenn sie der Figur eines gealterten und mönchgewordenen Haudegens zugeschrieben werden konnte, der in dieser Situation nur zu gern in seine frühere Kämpfernatur zurückfiel. Man macht sich leicht klar, dass die Voraussetzungen bei den anderen hier zur Diskussion stehenden Mönchsgeschichten ähnlich oder sozusagen ergänzend sind: sie setzen einen wiederum kampferprobten (Schlachtross), aber auch dem Herrscher nahestehenden und zu hartem Durchgreifen bereiten (Ausmerzung des Unkrauts), in weiten Räumen denkenden und bei der Klosterwahl um Inkognito bemühten (Glöckchenprobe) Helden voraus. Mit anderen Worten, es bedurfte für diese Geschichten keines realen, wohl aber eines schon berühmten einstigen Kämpfers.182 Und als solcher ist eben unter dem Namen ‘Walter’ nur der Protagonist des Waltharius in Sicht. Ihm als Gealtertem einen Eintritt ins Kloster zuzuschreiben, war unschwer möglich, da ja schon das Epos – wiewohl nicht ohne gewisse innere Brüche – ihn eindeutig als Christen zeigt (cf. insbesondere v. 225, 552s., 564s., 1157–1167). Man kann sich sogar vorstellen, dass ein solches Thema «Walter als Mönch» als Schulaufgabe in einer Dom- oder Klosterschule gestellt wurde. Dann beweisen die zitierten Distichen in der Chronik der Novalesa und die Fecunda ratis immerhin, dass dem Walter des Epos spätestens Anfang des 11. Jh. als zweiter Teil seiner Biographie eine Mönchsexistenz angedichtet wurde und dass im dritten Jahrzehnt des Jahrhunderts dieser Proto-Moniage in Lüttich wie in der Novalesa bekannt war, zwei weit voneinander entfernten Orten der Galloromania. Zwar wissen wir nicht, ob die Distichen ein kleines, in sich geschlossenes Gedicht (also ein Quasi-Epitaphium als poetische Übung) oder aber Teil eines größeren Ganzen (z. B. ein argumentum oder ein Schlussepitaph) waren. Aber selbst im ersteren Fall kann man nicht ernsthaft annehmen, dass jemand skurrilerweise in nur zwei Distichen, dem zweiten und dem vierten, diesen zweiten Teil der Biographie als völlige Neuigkeit in die Welt gesetzt und damit den staunenswerten Erfolg sozusagen einer self-fulfilling prophecy gehabt hatte. Mit anderen Worten: selbst wenn die vier Distichen ein sich selbst genügendes Ganzes sein sollten, muss eine konkretere Ausformung von Waltharius’ Mönchsexistenz schon davorliegen. Nun gab es bekanntlich zur Zeit Attilas und Gunthers im heutigen französischen Sprachgebiet erst einzelne Klöster im Westen.183 Das änderte sich zwar im

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Der Vollständigkeit halber: auch Karlmann (cf. n. 180) hatte 742–746, z.T. mit seinem Bruder Pippin, Kriege geführt in Aquitanien, Sachsen, Bayern und – besonders blutig – Alemannien (dort gipfelnd im Gerichtstag von Bad Cannstatt), bevor er 746 / 747 Mönch wurde. Ligugé (im Poitou, damals eher noch dem [vor-]okzitanischen Sprachbereich zuzurechnen), Tours, dazu Ansätze bei Rouen, denen aber keine Kontinuität durch die Normannenzeit beschert sein sollte. Aus dem frankoprovenzalischen Gebiet – wenn man es denn dem französischen Sprachgebiet zurechnen will – wären noch die Anfänge von Condat

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Laufe der Merowingerzeit durchgreifend, doch die Merowinger und ihr Anhang hinterließen – abgesehen von dem nur chronologisch noch hierher gehörigen Karl Martell – kein dauerhaftes Andenken als Kriegshelden. Kriegsheld, dann Mönch gewesen zu sein, musste damit aus späterer romanischer Perspektive – wie bei Wilhelm oder Ogier – die so gekennzeichnete Person eindeutig in die hochkarolingische Zeit verweisen, im Wesentlichen also in die Zeit Karls des Großen. Selbst an der Darstellung des Chronikers der Novalesa ist also idiosynkratisch-naiv nur, wie leichtgläubig er den ehemaligen Kämpfer im eigenen Kloster verortet; in allem anderen liegt er im Trend der Zeit.

Wie viel oder eher wie wenig weiß der Rolanddichter von Walter? Der Sagenheld Walter in der Frankophonie des frühen 11. Jahrhunderts Nun zu der verbleibenden Frage: wieviel weiß der Rolanddichter von Walter? Hier sind prinzipiell drei Möglichkeiten zu unterscheiden: A) er kennt den Waltharius; oder B) er kennt aus sekundärer, reduzierter Oralität von dem Epos nur wenig mehr als den Namen und Beinamen des Helden; oder C) er kennt eine mündlich kursierende Walter-Sage, die inhaltlich einigermaßen zum Waltharius stimmt, aber genetisch eine von ihm unabhängige Schwesterfassung oder sogar essentiell die Vorlage des Waltharius ist. Tavernier hat bekanntlich für A optiert; 184 auch Lejeune denkt, ohne sich explizit festzulegen, sichtlich an das erhaltene Epos. Das wäre von dessen Manuskriptverbreitung her nicht auszuschließen. Denn es ist teils tendenziös, teils falsch, wenn Victor Millet schreibt: «[…] no existe rastro alguno de manuscritos del Waltharius fuera de Alemania y Flandes.» 185 Von der Novalesa einmal ganz abgesehen,186 war der Waltharius in Metz oder Umgebung bekannt nach Ausweis der oben behandelten Genealogia sancti Arnulfi, und im Kloster Saint-Èvre von Toul besaß man 1084 sogar drei Waltarius- bzw. Vualtarius-Manuskripte, wovon eines zu den christlichen, zwei zu den heidnischen Dichtungen gerechnet wurden.187 Metz

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(Saint-Claude) im Jura zu nennen. Cf. vor allem den Artikel Mönch, Mönchtum von A. de Vogüé (und den Artikel Ligugé von J. Fontaine) im LM. Tavernier 1914, 59–81. Millet 1998, 165, und schon 1995, 392. Und abgesehen von der Möglichkeit, dass der norditalienische Autor der Gesta Berengarii (vor 924) den Waltharius kannte; cf. hierzu unten Exkurs II, p. 151–155. Becker 1885, Katalog 68: Rubrik Libri divinorum poetarum: […] 180. Waltarius; […] Rubrik Libri gentilium poetarum: […] 207. Anianus [sic, für Avianus] cum Esopo et Hincmaro et Vualtario, […] 209. Item Vualtarius per se. Der Katalogautor musste die Bände natürlich gemäß ihrem (seiner Meinung nach) Hauptinhalt einordnen, z. B. 176 Sedulius cum Cattone als ‘christlich’; deshalb ist 207 nicht beweiskräftig. Außerdem erlaubt er sich einige Eigenheiten, z. B. fast alle Grammatiker, selbst Isidor und Beda, unter die Heiden zu stellen; so mag er auch den erhaltenen Waltharius – verglichen mit

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und Toul lagen zwar im regnum Theutonicum, waren aber immer romanophon, worauf es hier ankommt. Ferner besaß Stavelot 1105 eine vita Waltarii, Lobbes 1049 unseren Waltharius («Certamen duorum sodalium Waltarii et Haganonis»), aus Gembloux ist ein Waltharius-Ms. des 11. / 12. Jh. («B») erhalten.188 Stavelot, Lobbes und Gembloux liegen nicht in Flandern, sondern im romanophonen Wallonien.189 Die einzige Spur, die wirklich nach Flandern führt, ist die Tatsache, dass das Epos im 12. Jh. im Kloster Saint-Bertin bekannt war,190 also in Saint-Omer, dessen Bevölkerungsmehrheit noch flämisch sprach, dessen Oberschicht aber zumindest zweisprachig war. Vor allem aber ist Millet entgangen, dass das Pariser Ms. («P»), das älteste vollständig erhaltene Manuskript und nach Streckers Urteil das beste Manuskript der besten Familie, entgegen den Zweifeln noch von Strecker (in der Edition 1951) schon 1959 von Élisabeth Pellegrin auf Grund einer brillanten Entdeckung definitiv Fleury (Saint-Benoît-sur-Loire) zugewiesen werden konnte; vor einigen Jahren konnte zudem Matthias Tischler zeigen, dass es jedenfalls noch in die erste Hälfte des 11. Jh. gehört.191 Reicht somit die heute noch nachweisbare Verbreitung des Waltharius nach Wallonien, nach Saint-Bertin und

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der sonstigen christlichen Dichtung nicht einmal zu Unrecht – als ‘gentil’ empfunden haben. Doch nirgends sonst hat er ein und dasselbe, als Einzelband vorliegende Werk beiden Kategorien zugeschrieben, so dass der Gegensatz von 180 und 209 doch wohl als Indiz für die Existenz einer zweiten Dichtung, eben vom nunmehr evident christlichen Waltharius, bestehen bleibt. Zu Lobbes Dolbeau 1978–1979, hier 10, 16s. (zum Katalogdatum), 226, 237; zu den anderen Strecker (in der Waltharius-Edition 1951), 2–5. – Unter die Leser des Epos darf man auch Sigebert von Gembloux rechnen, cf. Babcock 1986, passim. In die Gegend von Gembloux gehört nach Strecker op. cit., 3, am ehesten auch das Ms. Bern 4 aus dem 9. Jh., in das eine Hand des 11. Jh. die autores huius monasterii, darunter 16. Waltarium, eingetragen hat; cf. Becker 1885, Katalog 29 (nach 1010, weil 59. De revelatione capiti[s] sancti Iohannis nicht älter sein kann). Nach Schumann 1951a, 145s., kannte vermutlich auch der frankophone Autor des Haager Fragments den Waltharius; das einzige leidlich belastbare Indiz ist allerdings clipei munimina in v. 128 des Fragments ~ Walth. 968 und 1005 Munimen clipei. Strecker in der Waltharius-Edition 1951, 3. Strecker in der Waltharius-Edition 1951, 5s., 10s., 14s., Pellegrin 1959, 25–43, M. Tischler 2001, 1142–1156, speziell 1153s. mit n. 776. Die drei Briefe Bischof Fulberts von Chartres zur Absetzung bzw. Abdankung des Abtes Tetfrid von Bonneval werden von Frederick Behrends (ed. et trad.) 1976, Nr. 73–75, auf vor Juli 1023 datiert; die spöttische Bezeichnung Tifridus crassus episcopus de civitate nulla setzt die Absetzung eher schon voraus, dürfte also etwas jünger sein. – Leider lässt sich über die Vorlage des Floriazenser Manuskript bisher nichts ermitteln. Von Fleury scheint um 934 die Reform von Saint-Èvre de Toul ausgegangen zu sein (so der Fast-Konsens der Forschung, auch Norbert Bulst, Art. Fleury im LM, kritisch nur Hallinger 1971, I 60–62, der meines Erachtens aber widerlegt ist durch Donnat 1975, 169 mit n. 60), also jenem Kloster, wo sich 150 Jahre später gleich drei Waltharius-Mss. (zwei des ‘heidnischen’, cf. oben n. 187) befanden; doch sind anscheinend keine weiteren Beziehungen zwischen beiden Klöstern belegt, abgesehen davon, dass man in Fleury am 3. September das Fest des Hl. Mansuetus von Toul feierte (Mostert 1989, 41 n. 41). Die Bibliothek von Fleury lässt literarische Beziehungen (vermutlich des 10. Jh.) auch allgemeiner zum Moselland, aber ebenso

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schon früh sogar nach Fleury, so wäre von dort aus eine weitere Verbreitung bis in das Entstehungsgebiet des erhaltenen Rolandsliedes, wo immer man sich dieses auch vorstellt, durchaus möglich. Nun glaubte Tavernier ja zahlreiche Anklänge an den Waltharius im Rolandslied zu finden. Wie in solchen Fällen nicht selten, kann man die meisten als nichtssagend übergehen. Ebenso aufgeschlossen gegenüber lateinisch-epischen Einflüssen auf das Rolandslied, aber vorsichtiger als Tavernier, hat denn auch Burger nur einen dieser Anklänge, noch dazu mit leichter Vorsichtsklausel,192 gelten lassen; es genügt, an diesen einen zu erinnern. Im Eingang des Waltharius sagen die betroffenen Fürsten, es sei besser, Geiseln zu geben – darunter die eigene Tochter (v. 62s.),

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zu Lorsch erkennen (Mostert op. cit., BF 033-036, 158, 1300 sowie p. 18 n. 2), von wo das älteste Fragment des Waltharius (nach Bischoff aus dem letzten Drittel des 10. Jh.) stammt. Burger 1977, 81: «Il semble qu’il [scil. Turold] se soit inspiré au moins d’un poème épique latin du moyen âge, le Waltharius […]» – Hier noch ein Wort zu den Tierträumen in beiden Werken. Einfache Tierträume, in denen das Tier einen Feind symbolisiert, sind in der Germania seit Anfang der Überlieferung häufig, so dass man etwa in der Edda für den Bären- und den Adlertraum der Atlamál-Strophen 17 und 19 kein außergerm. Vorbild bemühen wird. Auch der einzige Traum im Waltharius, der Hagens (v. 621–627), enthält nur ein Symbol, eben «Bär» für ‘(Walter als) Feind’, und selbst dieses eine Element muss, wenn Hagen den Traum erzählt, den Anwesenden (und den Rezipienten) augenblicklich klar sein; alles Übrige ist buchstäblich zu nehmen: Gunthers abgerissenes Bein und das samt mehreren Zähnen ausgeschlagene Auge Hagens werden in der Realität dasselbe sein. Doch schon für Kriemhilds Tierträume im Nibelungenlied hat man «auch die ‘mittelmeerische Kulturschicht’ bemüht» (Schwab 1979, 234, mit Lit.). Denn andererseits: in der Antike sind Tierträume seit Homer, seit Plautus bekannt, bleiben dort aber marginal, doch die Bibel hat im Danielbuch (cap. 7 und 8) zwei große Tiervisionen (von denen die erste ausdrücklich als Traum und die zweite als ihr wesensgleich bezeichnet wird), das meiste leistet dann die Patristik mit ihrer die gesamte Bibel, also auch deren Tierwelt durchdringenden typologisch-allegorischen Deutung; gleichzeitig gelangt auf einer intellektuell niedrigeren Stufe Deutungsgut in ganzen Traumbüchern – man könnte geradezu sagen: Traumlexika – von Byzanz ins Abendland. So sagt, in der patristischen Tradition (Eucherius) stehend, vom Bären z. B. Hrabanus Maurus (De universo 8.1, Migne PL 111.223, bzw. Allegoriae in Sacram Scripturam, Migne PL 112.1086): Ursus aliquando […] significat […] duces saevos et crudeles und Ursus est quilibet crudelis (Steinmeyer 1963, 88 und 110 n. 46s.); ähnlich aber auch das Pseudo-Danielische Traumbuch (als Lesart spätestens des 10. Jh.): Qui ursum se infestare vidit [sic], inimici seditionem significat (so Zwierlein 1970, 171s.). Man darf also bei relativ einfachen Tierträumen schon für die karolingische Zeit von europäischem Gemeingut sprechen. In diesem Sinne ist es dann auch nicht erstaunlich, dass Tierträume in der altfranzösischen Epik extrem häufig sind; Mentz 1888, 29–40 und 53–65, hat deren etwa einhundert [!] besprochen (darunter p. 32s. allein fast zwanzig Bärenträume), die große Mehrzahl aus den Chansons de geste, eine Minderheit aus den Versromanen (zu diesem Häufigkeitsunterschied p. 75s.). Doch vergleicht man damit die ungewöhnlich elaborierte (und deshalb bei einem der drei Tierträume bis heute strittig gebliebene) Traumallegorik im Rolandslied, so wird man Steinmeyer Recht geben müssen, der sie in seiner Monographie (1963, passim) ohne Rückgriff auf den Waltharius zur Gänze aus der typologisch-allegorischen Tradition ableitet.

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den eigenen Sohn (v. 90) –, als Leben und Land mitsamt der Söhne und Frauen zu verlieren (v. 25s.); im Eingang des Rolandsliedes (v. 40–46) sagt Blancandrin, es sei viel besser, Geiseln zu geben und diese, nämlich ‘die Söhne unserer Frauen’ – darunter seinen eigenen – der Hinrichtung auszuliefern, als Lehen und Würden zu verlieren und an den Bettelstab zu kommen. Die verbalen Anklänge sind zugegebenermaßen verführerisch, aber der Gedanke ist ein anderer. Im Waltharius wird nur gesagt, was sich im ganzen Mittelalter viele Fürsten in dieser Situation ohne Schande sagen mussten – z. B. auch Gegner Karls des Großen wie (nach der Vita Karoli 11) Aragis von Benevent, dessen jüngeren Sohn Karl als Geisel annahm – und was somit fast ein Topos war; im Rolandslied hingegen ist der zynische Gedanke, diese Geiseln umkommen zu lassen, das Spezifikum von Blancandrins ganzem Plan. Legt man die verbalen Anklänge dieser Szene auf die eine Waagschale, so muss man die Unterschiede in der Walter-Gestalt auf die andere legen. Wer ist Waltharius? Ein Aquitanier, und zwar ein Königssohn, der früh im Kampf einen Arm verliert, dann aber noch dreißig Jahre das Land seines Vaters regiert. Wer ist Gualter? Kein Aquitanier, sondern ein Franke im engeren Sinn, kein Königssohn oder gar König, sondern ein «mediatisierter» Graf und sicherlich – obwohl das nur ex silentio zu schließen ist – kein Einarmiger. Hätte der Rolanddichter diese fundamentalen Charakteristika der Waltharius-Gestalt aus der Lektüre des Epos gekannt, aber in solchem Maße willkürlich geändert, was für einen Sinn hätte dann die Beibehaltung des bloßen Namens gehabt? Der hätte der Gestalt weder einen Zuwachs an Glaubwürdigkeit gebracht noch hätte er als Reverenz eines Dichters gegenüber einem anderen gewertet werden können; denn Kenner des Waltharius wären für diese Art Intertextualität nicht dankbar gewesen, sondern hätten protestiert. Ich halte es deshalb für das Wahrscheinlichere, dass der Rolanddichter den Waltharius nicht gelesen hatte und die Ähnlichkeit der Eingangsszenen aus der Ähnlichkeit der Situation resultiert. Damit zur Möglichkeit B! Jeder von uns Heutigen wird bei unvoreingenommener Selbstbetrachtung feststellen, dass er eine ungefähre Kenntnis des Inhalts von sehr vielen literarischen Werken besitzt, die er weder je selbst gelesen noch gegenwärtig zur Hand hat. Im Mittelalter, wo ein Buch, aber nicht eine Konversation um ein Vielfaches teurer war als heute, kann das nicht grundsätzlich anders gewesen sein. Die mediävistische Quellenforschung allerdings nimmt diesen Sachverhalt ungern zur Kenntnis, da mit einem Ja oder einem Nein besser zu argumentieren ist als mit einem «teilweise». Ich schlage vor, hier von «sekundärer, reduzierter Oralität» zu reden, «sekundär», weil abgeleitet aus einer vorhergehenden Schriftlichkeit. Und damit noch einmal zurück zu Egbert von Lüttich! Dank einem bisher unbeachteten Indiz ist es nämlich so gut wie sicher, dass schon Egbert keineswegs den Waltharius gelesen, sondern von Walters weltlichem Lebensabschnitt – von dem er, wie oben gezeigt, eindeutig weiß – nur auf Französisch hatte erzählen hören. Denn in beiden Hexametern, wo bei ihm Walters Namen erscheint (v. 214 und 1717), lautet er WaltƝrus, während das Epos nie diese Form, sondern fast aus50

schließlich das normal-mittellat. Walthărius hat;193 dieses hätte an beiden Stellen ebenso gut in Egberts Metrum gepasst, so dass er es, wenn sein Wissen hier eine visuelle Grundlage gehabt hätte, zweifellos reproduziert hätte. Demgegenüber ist WaltƝrus offensichtlich die sekundäre Latinisierung eines gehörten, nämlich endbetonten nordfranzösischen Waltier (~ zentralfrz. Gualtier).194 Damit kommen wir zu einer wichtigen, meines Wissens bisher nicht gezogenen Schlussfolgerung: dass Walter einst ein berühmter Kriegsheld war, erzählte man sich schon kurz nach 1000 auch auf Französisch. Die Sage hat also die Sprachgrenze zur Romania nicht nur bei der Novalesa, sondern auch zum Französischen hin überwunden, wenn auch hier möglicherweise in reduzierter Form.195 Zumindest, wenn dabei nur von ‘dem Hunnenkönig’ oder ‘den Hunnen’ statt von Attila geredet wurde, war der Weg zur Karolingisierung seiner Person auch hier frei. Und gerade wenn man mit dem Namen ‘Walter vom oder von den Hunnen’ nur noch vage das eine, zentrale Motiv assoziierte, dass dieser Mann bei der Rückkehr von den Hunnen in einem gebirgigen Engpass stehend eine Vielzahl anstürmender Gegnern besiegte, dann kann der Rolanddichter sich dieses Beinamens erinnert haben, als er einen Spezialisten brauchte, der in Rolands Flanken die Engpässe des Gebirges (les destreiz, Rol. 805, 809) absicherte – worauf zuerst Lejeune aufmerksam gemacht hat. Die Integration von Gestalten diverser Herkunft ist im Rolandslied ja auch sonst kein Einzelfall. Aus Westfrankreich haben wir einleitend Geoffroi d’Anjou und Richard den Alten von der Normandie erwähnt. Noch auffälliger verhält es sich bei Gestalten aus den anderen Himmelsrichtungen, darunter vier notorischen Gegnern eines Karolingers Karl: Herzog Waifar von Aquitanien, in der Realität 768 zu Tode gehetzt von König Pippin (der schon begleitet wurde vom Prinzen Karl, dem späteren Großen), und Gerhard von Vienne-«Roussillon», der dreißig Jahre lang Gegner König Karls [des Kahlen] war, zählen als li riches dux Gaifiers

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Es ist dies – um mit Schröder 1944, 81, zu reden – «die seit der späten Merowingerzeit gefestigte […] Latinisierung auf -harius» der germ. Namen auf -h΁ri, später -hČri, -hČre. In Streckers kritischem Text entfallen auf 53 reguläre Fälle nur zwei unregelmäßige: der (einzige) Vokativ WalthƗrƯ v. 1266 (der reguläre mittellat. Vokativ WalthărƯ passt in keinen Hexameter!) und der Nominativ WalthărƟ v. 1434 (da P und T hier WalthƟrƟ lesen, was zu den Nominativen AlphƟrƟ v. 77 und 80 und GunthƟrƟ v. 1171 des kritischen Textes passt, wäre auch für den kritischen Text WalthƟrƟ vorzuziehen, was dann einfach die volkssprachliche Form ist, cf. Schröder 1944, 81 und 91). In deutsch oder niederländisch fundiertem Mittellat. wäre die lange Mittelsilbe unerklärbar. Hier sei daran erinnert, dass (von der bloßen Nennung als Gotenkönig im angelsächsischen Widsith abgesehen) das älteste sicher datierbare Zeugnis der für den ganzen germanischen Kulturbereich so eminent wichtigen Legende um Ermanarich, also einen Gotenkönig des 4. Jh., Mitte des 10. Jh. zu finden ist bei dem Reimser Domherren Flodoard, also einem Frankophonen (Historia Remensis Ecclesiae IV 1, ed. Stratmann 1998, p. 383). Cf. Gillespie 1973, s. v. Ermenrîch. Man darf also in Fragen der Sagenwanderung nicht a priori mit einer Abschottung des romanischen gegenüber dem germanischen Kulturbereich rechnen.

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(dieser jedenfalls im O) und Gerart de Rossillon li veillz zu den zwölf Pairs und sterben in Roncevaux; Herzog Autgarius, der Karlmanns Kinder gegen Karl den Großen schützen wollte, und Radbod von Friesland, der gefährliche Gegner des Franken Karl [Martell], wagen als le duc Oger und Rembalt, Führer der barons de Frise, immerhin in der Baligant-Schlacht ihr Leben. Gewiss mag der Rolanddichter bei der Pro-Karolingisierung dieser Gestalten schon Vorgänger gehabt haben, aber auch Walter-vom-Hunnen ist ja schon vor ihm in die Karolingerzeit transportiert worden. Dann ist die Aneignung eines zu den Karolingern wenigstens indifferenten Helden (und, falls der Dichter überhaupt davon wusste, das Übergehen seines Alters als Mönch) nicht gewaltsamer als die der Karolingerfeinde. Bedenkt man nun zusätzlich, dass der Hunnen-Beiname im Erfahrungsbereich des Dichters möglicherweise auch realen Personen namens Walter zukam (man vergleiche oben das zu Walterus lehuns Gesagte), dass weiterhin die Grafen dieses Namens sich selbst (oder dass andere sie) mit dem Sagen-Walter verwandt geglaubt haben mögen (bei der Bedeutung der Leitnamen für die Genealogie der Adelshäuser läge das durchaus nahe) und schließlich – um auf Maëlgut zurückzukommen – dass auch Wales größtenteils ein ausgesprochen gebirgiges Land ist, geeignet für einen Gebirgskrieg, wie er schon den Römern schwer zu schaffen gemacht hatte196 und auch den Normannen Rückschläge bescherte – dann fügen sich die zunächst disparat scheinenden Elemente der Gestalt des Gualter del Hum / de Hums doch wohl zu einem Ganzen, und darauf kommt es ja letztlich an. Solange es nur um den Gualter des Rolandsliedes geht, favorisiere ich also die Lösung B, weil sie, ohne onomastische Fakten auszublenden, die am wenigsten spektakuläre ist. Die Lösung C möchte ich keineswegs a limine ablehnen, nur muss ich betonen, dass die Beweislast für sie bei dem liegt, der sie vertreten will, und das scheint mir bisher nicht gelungen zu sein. Überdies führt sie hin zu einem anderen Problem, das mit dem Rolandslied nichts mehr zu tun hat und in mehr als hundert Jahren romanistischer Forschung ebenso komplex geworden ist wie die Gestalt Gualters im Rolandslied: der Entstehung der spanischen, auch sefardisch-spanischen, portugiesischen und katalanischen, Romanzen von Gaiferos.

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J. Davies 1993, 30s.

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II. Gaiferos

Die Gaiferos-Romanzen Da Romanzen sehr oft Epenstoffe verarbeiten, wird die Quellenforschung bei ihnen meist fündig. Doch da sie sich häufig auf Einzelszenen konzentrieren und diese zudem auf internationale Erzählschemata hin noch stärker typisieren, als das manche Epen ohnehin getan haben, kann die Zahl der beweiskräftigen Merkmale gering sein, und es ergibt sich leicht ein Überangebot an möglichen Quellen, solange man nur Strukturen betrachtet. Hier erhält dann neben der Länge und Spezifik der übereinstimmenden Motivketten jede Ähnlichkeit von Eigennamen zwischen potentieller Quelle und Romanze entscheidendes Gewicht; doch kann es selbst dann nötig werden, ein Zusammenspiel mehrerer Quellen anzuerkennen. Im vorliegenden Fall ging es lange Zeit nur um die mindestens ins Spätmittelalter zurückreichende,1 seit dem frühen 16. Jh. direkt belegte, in ihrer Beliebtheit durch die Jahrhunderte kaum zu überschätzende2 und über 70-mal aus der Mündlichkeit registrierte Romanze von Gaiferos als Befreier seiner Frau, der Karlstochter Melisenda, aus maurischer Gefangenschaft, Asentado está Gaiferos (WH 173),3

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Das folgt daraus, dass die Romanze, allerdings nur in selbständig gewordenen Teilen, bis ins 19. / 20. Jh. auch bei den Sefarden bekannt ist; cf. etwa Millet 1998, 106, 114–117, 311–322, Heintze 2005, 254s. Laut Millet 1998, 103–105, 217–219, wurden die drei ältesten bekannten pliegos sueltos (Millets A4-A6) von Jacob Cromberger in Sevilla (um 1510–1515) gedruckt; ich zitiere im Folgenden A5 nach dem Text bei Millet op. cit., 245–254. (Zur Gesamtheit der – wenig variierten – Nachdrucke dieser Fassung cf. Armistead / Silverman 1989, 31 n. 1, Millet op. cit., 217–222.) Essentiell gleichaltrig mit den Cromberger-Drucken ist eine Fassung allein der zentralen Szene (Melisenda auf dem Balkon) im handschriftlichen Cancionero Musical de Palacio, um 1505–1520; cf. Heintze 2005, 253 mit n. 5, 256, 260s., ein Aufsatz, der passim der weiteren, in sich sehr variablen Sondertradition dieser Beschränkung auf die zentrale Szene in Fassungen des 16. Jh. gewidmet ist. Was insgesamt die Beliebtheit des Gaiferos-Stoffes in Spanien angeht, überschneidet sich Heintzes Dokumentation mit der Liste von «Zitate[n], Nachdichtungen und Glossierungen» des Gaiferos-Stoffes bei Millet 1999, 28 n. 38; eine Liste von entremeses und Lustspielen, die auf dem Gaiferos-Stoff beruhen, bei Millet art. cit., 29 n. 39; cf. auch die Liste bei Millet 1998, 122–124; zu der Gaiferos-als-Puppenspiel-Szene im Don Quijote Millet 1998, 11–16, und 1999, 19s.. Wolf / Hofmann 1856 (kurz: WH), Nr. 173. Zu den Aufzeichnungen aus der mündlichen Überlieferung (die sich als von der Drucktradition essentiell unabhängig erweist, also

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bis dann vor etwa einem Jahrzehnt auch die anderen, weit spärlicher überlieferten Gaiferos-Romanzen (WH 171–174) in den Blick kamen. Und zwar ist die GaiferosÜberlieferung in der Forschung kontrovers darauf untersucht worden, ob sie sich aus A) der Walter-Sage oder B) dem Beuve de Hantone oder C) der Sage um Bahlnjl ibn Marznjq speist. Auch heute ist es nicht überflüssig, die Frage aufzunehmen; denn es ist keineswegs ein breiter Konsens erreicht: noch 2008 verwies Victor Millet für den sagenhistorischen Hintergrund des Waltharius-Gaiferos-Komplexes global zurück auf seine eigene Darstellung von 1998, wo er für A eintrat, B in der damals zugänglichen Form heftig bestritt und auch C definitiv ablehnte – obwohl Michael Heintze inzwischen in seinen Publikationen der Jahre 1999–2005 die These B komplex ausgebaut hat und obwohl auch die These C, mit der Heintze sich nicht auseinandersetzt, meines Erachtens zwar mit Millet abzulehnen ist, aber aus anderen Gründen.4

Waifars Pro-Karolingisierung I: von Karls Feind zu Karls Schwiegersohn – und von Berta zu Melisenda Doch bevor man in einen Vergleich dieser Thesen eintritt, muss eine wichtige Voraussetzung genauer abgehandelt werden als bisher geschehen: Waifars ProKarolingisierung. Denn der in der Geschichte des 8. Jh. in heroisch antikarolingischem Kampf untergehende, in der Erinnerung Südwestfrankreichs aber mit positiver Wertung weiterlebende Waifar(ius) – später altfrz. Gaifier, mittellat. Gaifer(i)us und in Spanien schließlich Gaiferos genannt – wird unter der überwältigenden Wirkung des Nachruhms Karls des Großen spätestens gegen 1100 als weiterhin positive Gestalt in den Kreis um Karl gezogen – damit also wie Radbod / Rembalt von Friesland und wie teilweise Audegar / Ogier und Gerhart / Girart von Vienne auf «prokarlisch» umgepolt –, ja sogar zu einem nahen Agnaten, sehr wahrscheinlich Schwiegersohn, Karls gemacht, was im Einleitungsteil von WH 173 nachlebt. Das bloße Faktum der Pro-Karolingisierung Waifars war schon Gaston Paris und Paul Aebischer5 aufgefallen, doch Dronke sah es 1977 erstmals in unserem Zusammenhang.6 Waifar kämpft auf Karls Seite in mehreren Epen (z. B. im Aspremont) sowie in den Gesta Karoli Magni ad Carcassonam et Narbonam, 7 er ist ein enger Vertrauter Karls im Girart de Viane,8 ja er stirbt für Karl: im

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letztlich auf eine andere Tradition schon der Zeit vor und um 1500 zurückgeht) cf. Millet 1998, 209–322. Millet 2008, 120s., sowie 1998, speziell 167 und 146–150, Heintze 1999, 2001, 2003 und besonders 2000, passim. Paris 1895, 623 (= 1912, 205); Aebischer 1970, p. 270s. des Wiederabdrucks 1975. P. Dronke 1977, 56–58. La Chanson d’Aspremont, ed. Brandin 1923, v. 42 (li riches Gaifier) und 4804; Gesta, ed. Heitzmann 1999, p. 4.24 und 53.8. Bertrand de Bar-sur-Aube, Le Roman de Girard de Viane, ed. Tarbé 1850, p. 165 (li riches dux Gaifiers).

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Sachsenkrieg nach der Langfassung (L) der Saisnes9 und dem Renaut de Montauban (Fassung des Ms. Douce 121),10 in Italien durch Ogier nach der Chevalerie Ogier,11 doch – und das ist offenbar die Haupttradition und für einen Mann des Südwestens das Nächstliegende – in Roncevaux nach dem Rolandslied (Ms. O, s. oben), dem Pseudo-Turpin (cap. 29), der diesen ausschreibenden Chronique dite saintongeaise,12 der Cansó d’Antioca (wo er wahrscheinlich zu den zwölf Pairs gehört)13 sowie dem Gaydon.14 Der interessanteste Text für die Pro-Karolingisierung Waifars ist aber die am ehesten zwischen 1090 und 1100 geschriebene Epistula II des im Kloster Fleury (heute Saint-Benoît-sur-Loire) eine hohe Stellung einnehmenden Rodulfus Tortarius (* wohl um 1063, † wohl nicht 1114, sondern kurz nach 1122, jedenfalls deutlich vor 1135).15 Sie erzählt die Geschichte von den beiden sich täuschend ähnlichen Freunden Amicus, Sohn des Herrn von Blaye, und Amelius, Sohn des Grafen der Auvergne, sowie der Königstochter Beliardis, die Amelius’ Geliebte wird, deren Ruf dann aber der als Amelius auftretende Amicus im Duell verteidigen muss, wobei ihm in einer Duellpause Beliardis das einst Roland gehörende Schwert zukommen lassen kann. Die Epistula wird von Dronke nur kurz erwähnt, später von Millet genauer berücksichtigt.16 Millet weist unter anderem (aus einem

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Jean Bodel, La Chanson des Saisnes, ed. Brasseur, 1989, Fassung L v. 5115–5123: Gaifier, Anführer der Poiteviner, Gascogner und Limousins, wird von Guiteclin getötet. Renaut de Montauban, ed. Thomas 1989, v. 569. Raimbert de Paris, La Chevalerie Ogier de Danemarche, ed. Tarbé 1832–1848, v. 6360– 6376: li riches dux Gaifiers wird durch Ogier tödlich verwundet. Chronique dite Saintongeaise, ed. de Mandach 1970, p. 322. Cansó d’Antioca, ed. Sweetenham / Paterson 2003, v. 581; die Namenliste, in der Waifar erscheint, wird von Menéndez Pidal 1960, 169s., mit guten Argumenten als (durch den Kopisten versehentlich um zwei Namen verkürzte) Liste der zwölf Pairs gedeutet. Gaydon, ed. Subrenat 2007, v. 232s. Geburtsjahr: LM, Art. Radulfus [sic, G.A.B.] Tortarius von M. A. Aris. Werke: Rodulfus Tortarius, Carmina, ed. Ogle / Schullian 1933. Authentische Namensform Rodulfus, nicht Radulfus: ed. cit., p. XI. Hohe Stellung in Fleury: ed. cit., p. IX («dominus Rodulfus, noster venerabilis frater»). Todesdatum: ed. cit., p. XII; Hugo von Fleury alias de Sancta Maria, der (nach Aussage seines Vorwortes) Rodulfus’ durch Tod unvollendet gebliebene Prosa-Miracula Sancti Benedicti fortsetzte, ist seinerseits seit spätestens 1109 schriftstellerisch tätig und spätestens 1135 gestorben, cf. LM, Art. Hugo v. Fleury von P. Bourgain. Vermutetes Datum der Epistula II: de Certain 1854–1855, 498; doch cf. auch ed. Ogle / Schullian, p. XIII n. 1. Zur Sache: ed. Ogle / Schullian, Epistula II, speziell: rex Gaiferus (v. 180, 186), Herr über Poitou, Auvergne und Gascogne (v. 132, cf. 123–126, 276), Gemahl der regina Berta (v. 139, 269) und Eigentümer (v. 230) des Schwertes, das Magnus Karolus seinem Neffen Rutlandus geschenkt hatte, der damit semper kämpfte und Tausende von Heiden tötete (v. 231–234). Dass die Geschichte dem Gallus und Saxo bekannt war (v. 117s.), wird von Ogle / Schullian, p. XV, meines Erachtens richtig wiedergegeben: «known in Gaul and Britain»; es soll wohl nur besagen, dass sie im kapetingischen Reich sowie den Romanophonen im anglonormannischen Reich bekannt war (Rodulfus kannte die Normandie aus eigener Anschauung, ed.cit. p. XI, und liebt eine leicht hyperbolische Ausdrucksweise). Dronke 1977, 57, Millet 1998, 175–179, 183, 187, 198, 201.

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hier nicht zur Diskussion stehenden Grunde) darauf hin, dass Waifar oder, wie er hier heißt, König Gaiferus, der Vater der Beliardis, bereits das Schwert besitzt, mit dem Roland ‘allezeit’ die Heiden bekämpft hatte – ähnlich wie später in der Romanze Gaiferos als junger Mann leihweise von Roland dessen Waffen erhalten wird. Doch kommt dabei ein zweiter Umstand nicht klar heraus: König Gaiferus, dessen Herrschaftsgebiet das Poitou, die Auvergne und die Gascogne umfasst, ist auch Gatte einer Berta. Was besagen das Schwertmotiv und dieser Name zusammengenommen? Bekanntlich ist die epische Tradition Frankreichs ganz fest darin, dass Durendal nach Rolands Tod nie in unwürdige Hände fiel. In späten Fassungen des Rolandsliedes (CV7T) kann Roland es noch selbst in tiefes Gewässer werfen, wo es nie jemand finden wird. In den anderen Fassungen des Roland-Stoffes liegt es bei Rolands Leiche, so dass Karl darüber verfügen kann. Im okzitanischen Ronsasvals und in der altnordischen Karlamagnús-Saga wirft auch Karl es auf Nimmerwiedersehen in ein Gewässer; doch im Oxforder Roland, wie ihn zumindest schon Konrad (v. 7770) verstanden hat und wie ihn unbefangene heutige Leser verstehen, gibt Karl es dem jungen Rabel, der an Rolands Stelle treten soll.17 Auch bei Rodulfus Tortarius hat es Roncevaux überdauert, Karl hat also darüber verfügt und – das ist jedenfalls die einfachste Schlussfolgerung – hat es Waifar als einem hoffnungsvoll-würdigen Nachbesitzer geschenkt. Paralleles gilt für Berta: sie trägt ja den weiblichen Karolingernamen par excellence. In der Geschichte hießen so eine Urgroßmutter und die Mutter Karls des Großen, eine seiner Töchter (die Geliebte Angilberts) sowie je eine Tochter Lothars I., Ludwigs des Deutschen und Lothars II.;18 in der Epik heißen so die Mutter Karls (passim in den vielfältigen Fassungen der Legende von Berthe au(x) Grand(s) Pied(s)19 und in der Karlamagnús-Saga I, gelegentlich im Mainet, Renaut de Montauban, Girart de Viane und Gui de Nanteuil) und Karls Schwester, also die Mutter Rolands, Frau Milos, dann Ganelons (in späten Fassungen des Rolandsliedes, Entrée d’Espagne, Mort Charlemagne, Berta e Milone und Orlandino).20 Gerade weil sich bei Rodulfus das Schwert- und dieses Namen-Motiv gegenseitig stützen, darf man sicher sein, dass schon in Rodulfus’ Vorstellung Waifars Frau eine Karolingerin war – so wie sie das noch im Einleitungsteil von WH 173 sein wird. Doch wäre sie Rolands Mutter (die also nach Ganelons Tod in dritter Ehe Waifar geheiratet hätte), ihre Tochter Beliardis also Rolands (Halb-)Schwester, so würde uns das doch wohl gesagt; zudem wäre es merkwürdig, dass Karl das Schwert nach seinem Neffen seinem Schwager, also einem gegenüber Roland etwa eine Generation älteren statt einem jungen hoffnungsvollen Mann, gegeben hätte. Deshalb dürfte schon in Rodulfus’

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Cf. Menéndez Pidal 1960, 171, 174–176. Die von ihm bevorzugte Alternative ist, dass der Oxforder Roland Durendals Verbleib schlicht mitzuteilen vergessen hat. Sowie in weiblicher Linie je eine Tochter König Hugos und Kaiser Berengars von Italien; cf. etwa K. F. Werner 1967, speziell die separate Tafel am Bandende. Dazu jetzt Beckmann 2008a, passim. Moisan 1986, s. v. Berte.

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Vorstellung Karl dem Waifar nicht eine Schwester, sondern eine Tochter zur Ehe gegeben haben – so wie dies noch den Einleitungsteil von WH 173 bestimmt.21 Bedenkt man nun, dass unter den schon im frühen 11. Jh. dreihundert (!) Mönchen des Loire-Klosters Fleury, wo Rodulfus schrieb, gewiss mancher Südfranzose war, dass dem Kloster insbesondere das Priorat La Réole an der Garonne, eines der wichtigsten Klöster des Herzogtums Gaskogne, unterstand 22 und dass Rodulfus im Auftrag seines Klosters einmal längere Zeit in einem Kloster am Sankt-JakobsWeg in Pyrenäennähe weilte,23 also zweifellos auch La Réole gut kannte, so wird man nicht bezweifeln, dass er eine südwestfranzösische, in der Heimat des historischen Waifar umlaufende Geschichte wiedergibt. Dazu passen auch die beiden Namen nicht-germanischer Herkunft Amelius und Amicus, beide seit dem 6. bzw. dem 9. Jh. ganz überwiegend in der Südhälfte Frankreichs bezeugt, Amelius als Name dreier südfranzösischer Bischöfe.24 Etwa zwei Generationen nach Rodulfus’ Epistula II erzählt uns ein französischer Autor ohne erkennbare Dialektmerkmale, also wohl mit überregionalem Anspruch, die Geschichte von Ami et Amile als Chanson de geste. Da ihm der regionale südwestliche Hof eines Waifar offensichtlich nichts besagt, vereinfacht er die Handlung und gibt ihr zugleich mehr Glanz, indem er sie an Karls des Großen

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Ich glaube nicht, dass die von vornherein prowaifarische, im 11. Jh. aber auch retrospektiv-prokarolingisch gewordene Gestimmtheit des französischen Südwestens einer elaborierten Erzählung bedurft hätte, um Waifar zum Schwiegersohn Karls zu machen. Millet 1998, 125–129, vermutet allerdings auf Grund des Eingangs der sefardischen GaiferosFassungen, dass Gaiferos die von den Muslimen verschleppte Kaisertochter erst durch seinen Sieg im (die Romanze einleitenden) Brettspiel, hier gegen den Kaiser selbst, gewonnen habe, so dass sein folgender Befreiungszug zugleich seine Liebeserklärung an die Kaisertochter gewesen wäre. Die sefardische Erzählung ist in der Tat sehr reizvoll, kann aber, selbst wenn sie schon aus dem späten Mittelalter stammt, eine sekundäre Ausgestaltung der Romanze sein. Ich möchte meine obige Darstellung nicht unnötig dadurch belasten, dass ich dieses Motiv schon für den französischen Südwesten der Rodulfus-Zeit in Anspruch nähme. Im Einleitungsteil aller nicht-sefardischen Fassungen der Romanze vom 16. Jh. bis heute ist Gaiferos jedenfalls schon Karls Schwiegersohn. Übrigens wird auch Roland, der hier dem Gaiferos sein Schwert zur Verfügung stellt, in den ältesten pliegos sueltos (A3–7 bei Millet 1998) zunächst sein primo (v. 20) genannt; doch da Roland der Ältere und Kampfbewährtere ist, redet ihn Gaiferos dann respektvoll als mi tío an (v. 25) und wird seinerseits von Roland sobrino (v. 75, 237) genannt. Die jüngeren pliegos tragen das tío dann auch in v. 20 hinein, cf. Armistead 1989–1990, 41, Millet 1998, 246 n. 1. Immerhin ist unter den rezenten Fassungen Roland noch Gaiferos’ primo in E1 (neben tío), 2, 3, P3, 4, 27–29, 31 (und Melisendas primo in E3 und E5); häufiger ist er Gaiferos’ bzw. (E6, 7, 9–11, C2) Melisendas Onkel. N. Bulst, Art. Fleury, und B. Cursente, Art. La Réole, im LM. Epistula V: das Kloster liegt in Pyrenäennähe (v. 13–14) und eindeutig am Sankt-JakobsWeg (v. 55–58). Die Erwähnung der Säulen des Herkules (v. 17–18) ist, weil mit dem Sankt-Jakobs-Weg gänzlich unvereinbar, nur als großzügige rhetorische Floskel anzusehen, die Rodulfus nicht einmal im eigenen Namen ausspricht, sondern nur hypothetischhumorig dem Denken des Adressaten unterstellt. Morlet 1971–1972, II 18a.

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Hof spielen lässt.25 Dadurch wird sie eine Generation kürzer: die Karlstochter Berta und deren Tochter Beliardis, die Geliebte des Amelius, verschmelzen zu einer Person, der Karlstochter Belissent, der Geliebten des Amile. Die Namen Beliardis und Belissent entspringen ein und derselben Mode. Historisch leiten sie sich zwar aus den germ. Namen Bili-gard(is) und Bili-sind(is) her, ihr Vorkommen in den uns interessierenden Erzählungen beruht aber zweifellos darauf, dass man bel(l)- ‘schön’ hineinhörte.26 Belissent entspricht dieser Namenmode noch besser, denn es klingt sogar an bellissima an und wird deshalb allmählich zum erfolgreichen Konkurrenten des altbackenen Berte als Karolingerinnen-Name: in der späteren Epik heißen Belissent Karls Großmutter (Berta de li gran pié), seine Frau (Berta e Milone), seine Schwester, Frau des Rembalt de Frise (Karlamagnús-Saga I), und seine Tochter, Frau des Otinel (Otinel) bzw. hier des Amile (Ami et Amile). Da die Fassungen der Amicus-und-Amelius-Legende gewiss kein gegeneinander abgeschottetes Leben führten, kann man sich durchaus vorstellen, dass das modernere Belissent bis in den Südwesten ausstrahlte und den Namen Berta schließlich aus der südwestlichen Form der Legende verdrängte, ohne auch die zentralere Person Waifars daraus zu verdrängen. Mit dem Dreieck Karl – Belissent – Gaifier ist dann fast schon die Konstellation von WH 173 erreicht. Nur heißt dort die Karlstochter nicht *Belisenda, sondern Melisend(r)a; es ist dies der durch angehängtes -a eindeutiger als Femininum charakterisierte germ. Name Mili-sind(is), wie er in der Galloromania seit dem späten 9. Jh. belegt ist (gelegentlich auch schon mit -a statt -is, also frz. *-e).27 Lässt sich ein Wechsel von Belissent zu *Melissent, Melis(s)ende erklären oder sogar einigermaßen datie-

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Ami et Amile, ed. Dembowski 1987. Der Erzähler ist wohl nicht der erste, der so verfährt, da sich auch in der Vita sanctorum Amici et Amelii carissimorum (vermutlich erste Hälfte 12. Jh.) und bei Gottfried von Viterbo († 1191) Karl der Große um beider Grabstätte in Mortara kümmert; cf. Bédier 1926–1929, II 180–182. Doch ist Rodulfus’ Lokalisierung in den frz. Südwesten nicht nur die früher bezeugte und inhaltlich die lectio difficilior, sondern zu ihr passen auch die Namen Amicus und Amelius besser, cf. oben den Haupttext mit der vorigen n. Morlet 1971–1972, I 57b (zu Biligardis kommen auf 5 Bili- 11 Beli-Formen, darunter Beliardis seit Mitte 9. Jh.; zu *Bilisindis eine Bellisindis a. 1008). – À propos Bel(l)- und Bel(l)is(s)-: in nicht-haupttonigen Silben unterscheidet das Altfrz. nicht zwischen /ҽ/ (< /Ʊ/) und /Ċ/ (< /Ɵ/); zudem sind die geminierten Konsonanten vereinfacht (-ll- phonisch und graphisch, -ss- meist nur phonisch). Cf. Pope 1952, § 234 (und 665), 366. Zum Namen cf. Morlet 1971–1972, I 169a. Auch in der Romanzenforschung ist zu Recht die Namensform ohne das -r- gebräuchlich, das – wohl über unerforschte Zwischenstufen – letztlich aus Namen wie altspan. Aleixandre stammt und schon das erste pliego suelto, dann fast die ganze Überlieferung erobert hat; immerhin findet man Namensformen ohne -r- (wenn auch z.T. mit anderen leichten Entstellungen) noch in Millets (1998) rezenten Versionen E 11, P 8, C 4, 5 und (neben der -r-Form) C 3. Melisenda ohne -r- heißt die Kaiserstochter schließlich auch in der hier nicht zu behandelnden Romanze Melisenda insomne oder Todas las gentes dormían, die sich an eine andere Episode der Amicuset-Amelius-Handlung anlehnt, Gaiferos nicht erwähnt, ja mit der hier zu behandelnden Gaiferos-Handlung unvereinbar ist; cf. zu dieser Romanze Armistead 1998, passim.

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ren? Durchaus. Melisende hieß die historisch nicht hervorgetretene Frau des nach 1118 gestorbenen Grafen Hugo I. von Rethel. Der jüngere Sohn beider, Balduin, machte im Heiligen Land Karriere: er trat die Nachfolge seines Vetters Balduin von Flandern 1100 als Graf Balduin II. von Edessa und 1118 als König Balduin II. von Jerusalem an, blieb aber ohne Söhne und ließ 1127 oder 1128 durch ein Konzil seine nach der Großmutter benannte Tochter Melisende als Erbin des Königreiches anerkennen. Diese heiratete 1129 den Grafen Fulko von Anjou, und nach Balduins Tod 1131 wurden beide in der Jerusalemer Grabeskirche gekrönt. Seit 1136 trat Melisende an der Seite ihres Gatten auch politisch hervor; nach seinem Tod 1143 übernahm sie für ihren noch unmündigen Sohn Balduin III. die Regierung, die sie 1145 beim Eintritt seiner Volljährigkeit nicht abgab. Erst 1150 kam es zur Auseinandersetzung, die Balduin 1152 mit dem vorläufigen Ausschluss seiner Mutter von der Politik beenden konnte; doch hatte sie von 1154 bis zu ihrem Tod 1161 abermals einigen Einfluss. Mit Bernhard von Clairvaux stand sie in regelmäßiger Korrespondenz, für Wilhelm von Tyrus war sie ‘eine hochweise Frau, erfahren in allen Staatsgeschäften, die über die Grenzen ihres Geschlechts triumphierte’.28 Man kann sich vorstellen, welchen Eindruck eine solche Erbtochter von Jerusalem, die den nobelsten aller Königinnen-Titel dreißig Jahre lang trug, im Abendland machen musste und wie ihr Name eine Zeitlang den lautlich benachbarten Namen Belissent an Glanz überstrahlen und in einer Erzählung an dessen Stelle treten konnte. Aber da sie die einzige bekannte Frau dieses Namens blieb, dürfte dies nur bis wenige Jahrzehnte nach ihrem Tod der Fall gewesen sein. In der altfranzösischen Epik hat der Name nur eine Spur hinterlassen, doch charakteristischerweise im Kreuzzugszyklus, nämlich in einer Szene des Chevalier au Cygne (wohl noch spätes 12. Jh.): dort heißt eine Burg Chastel Melisent, und die Burgherrin wird bezeichnet als la dame Melisent.29 Belissent (und fast schon Melisenda) als Karls Tochter, Gaifier als sein Schwiegersohn: wir haben diese beiden Elemente zwar nicht in ein und derselben, sondern nur in verwandten Fassungen des Amicus-und-Amelius-Stoffes nachweisen können; doch machen sie zusammen es so gut wie sicher, dass die in der Einleitung von WH 173 vorliegende Konstellation schon im Frankreich des 12. Jh., und zwar wahrscheinlich im Südwesten, entstanden ist. Zumindest insoweit ist die spanische Romanze zu den karolingischen, nicht mit Menéndez Pidal30 zu den pseudokarolingischen zu zählen.

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S. Schein, Art. Balduin II., Melisende und Balduin III. im LM. Le Chevalier au Cygne, ed. Nelson 1985, v. 1091–1105, 1125, 1248. Menéndez Pidal 1953, 273, 286.

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Das Brettspiel, ein Einleitungstopos der altfranzösischen Epik In der Einleitung von WH 173 tritt nun zu dieser Dreierkonstellation Karl – Tochter Melisend(r)a – Schwiegersohn Gaiferos noch das Motiv des Brettspiels. Armistead hat die Szene ausführlich untersucht;31 doch möchte ich sie, mich an ihn anlehnend, mit eigenen Worten behandeln. Auch das Motiv des Brettspiels stammt schon aus der altfranzösischen Epik, es ist dort ein beliebter Einleitungstopos, weil es ein abruptes Umschlagen ermöglicht32 von der scheinbar gelösten Spielatmosphäre in eine schicksalsgeladene Spannung, in der dann bald der Protagonist und das Thema des ganzen Epos manifest werden: einer der Spieler wird bis ins Mark getroffen durch einen ehrenrührigen Vorwurf zu seiner Person (so im Renaut de Montauban 33 Renaut als treuloser Schurke) oder spezieller – und wörtlich genommen zu Recht – durch einen Vorwurf zu einem elementaren Mangel seiner familiären Situation (so wird in der Chevalerie Ogier Ogiers Sohn, typischer im Bâtard de Bouillon, im Galien und im Dieudonné de Hongrie der jeweilige Protagonist als Bastard bezeichnet, was in den beiden letztgenannten Fällen mehr heißt als ‘unehelich’, nämlich so viel wie ‘Sohn eines Unbekannten’); meist ergreift dabei sogar einer der beiden Beteiligten das Spielbrett und führt damit eine Gewalthandlung aus. Der Protagonist wird durch diese Entwicklung in eine Quête hineingetrieben, und erst wenn er durch exemplarische Tapferkeit den Mangel siegreich behoben (bzw. beim Vorwurf der Unehelichkeit als irrelevant erwiesen) hat, kann er, jetzt auf eine höhere Stufe der Ehre gehoben, an den Ausgangspunkt der Handlung zurückkehren. Im vorliegenden Fall nun sitzt Gaiferos beim Brettspiel (scheinbar gelöste Spielatmosphäre). Da erinnert ihn der eintretende Karl daran, dass sich Gaiferos’ Frau, Karls Tochter Melisenda, in maurischer Gefangenschaft befindet; wäre Gaiferos an einem Waffengang so viel gelegen wie am Brettspiel, so würde er zur Befreiung der Frau ausziehen, die ihn – wie der Kaiser jetzt bedauert – aus Liebe geheiratet hat; hätte sie einen anderen geheiratet, so wäre sie nicht in Gefangenschaft (ehrenrühriger Vorwurf gegenüber Gaiferos: elementarer Mangel der familiären Situation). In äußerster Erregung unterbricht Gaiferos das Brettspiel. Nur knapp hält ihn der Respekt vor seinem hochrangigen Mitspieler davon ab, das

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Armistead 1990–1991, passim. Voraussetzung ist, dass vom Spiel nur zweier Personen, nicht einer Personenmehrheit die Rede ist; es genügt, an Rol. v.111s. zu denken, wo die folgende Schürzung des Knotens nichts mit dem Spiel zu tun hat. Genau genommen steht die Szene hier nicht am Anfang des ganzen Epos, sondern seines Hauptteils – wenn man nämlich, wie heute üblich, den Beuve d’Aigremont, der nirgends selbständig überliefert ist, nicht als eigenes Werk, sondern als Einleitungsteil des Renaut ansieht. Trotzdem beurteilt Alexander Neckham die Dramatik des Ganzen richtig, wenn er nicht den Mord an Beuve d’Aigremont, sondern erst Renauts Schachspiel als das Ereignis ansieht, das viele Tausende ihr Leben gekostet hat («O quot milia animarum Orco transmissa sunt» etc., zitiert z. B. bei Bédier 1926–1929, IV 219 n. 1; bezeichnenderweise beginnt auch Bédier p. 196 seine Inhaltsangabe mit der Brettspielszene und lenkt erst dann auf deren lange Vorgeschichte zurück!).

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Brett zu zerschmettern; wie Armistead34 betont, schleudert er in der bei Cervantes vorgeführten Variante und in modernen Aufzeichnungen der Romanze wirklich das Brett weit von sich (Gewalthandlung mit dem Spielbrett).

Gaiferos wie schon der Gaiferus des Rodulfus im Besitz von Rolands Waffen Dann macht er sich sofort zur Befreiung seiner Frau auf. Doch da er seine ritterliche Ausrüstung seinem Freund Montesinos geliehen hat, der damit auf Turnierfahrt ging, muss er sich jetzt von Roland dessen Pferd und Waffen ausleihen. Und zwar wird diese Szene auffällig explizit gestaltet: Roland verweigert zuerst jede Hilfe, möchte dann wenigstens den noch jungen Gaiferos auf seiner Fahrt begleiten, ehe er schließlich Gaiferos’ Wunsch erfüllt und ihm Pferd und Rüstung gibt, ja schließlich aus eigenem Antrieb sein bewährtes Schwert dazugibt. Natürlich kann man den Umstand, dass hier der junge Gaiferos während seiner Großtat als (zeitweiliger) Besitzer gerade von Rolands Waffen einschließlich des Schwertes erscheint, nicht trennen von der Tatsache, dass er schon bei Rodulfus Tortarius als bejahrter (Unter-) König Eigentümer des ‘einst’ Roland gehörenden Schwertes war. Aus elementaren chronologischen Gründen dürfte das Romanzen-Motiv das jüngere sein; es ist dann also so zu dem Tortarius-Motiv hinzuerfunden worden, wie Enfances zu Primärepen hinzuerfunden wurden, in der erzählten Zeit rückwärtsschreitend: Gaiferos verdient sich schon auf dieser Fahrt die Anwartschaft auf seinen späteren Besitz. Natürlich dürfen sich die Rezipienten von Rolands Pferd und Schwert, so diese von einem unerschrockenen Kämpfer geführt werden, nahezu Wunder erwarten. Doch wird der Waffentausch im zentralen Teil der Romanze noch etwas weit Spezielleres leisten: er erklärt nämlich, weshalb die in Almanzors Schloss am Fenster stehende Melisenda den sich unten auf dem Platz der Stadt zeigenden Gaiferos zwar an seiner Rüstung als einen den zwölf Pairs ähnlichen Ritter, aber nicht als Gaiferos erkennt. Nur dank dieser halben Erkenntnis wagt sie ihm als Botschaft für Gaiferos anzuvertrauen, sie liebe diesen unverändert, werde aber bald nicht mehr der Nötigung widerstehen können, Muslimin zu werden und einen muslimischen König des Orients zu heiraten; indem Gaiferos so erfährt, dass die Dinge bis hierher, aber nicht weiter gediehen sind, kann er sein Inkognito lüften und gerade noch früh genug zum Retter werden. (Gaiferos Quête hat den von den Rezipienten erwarteten Erfolg, und dem mit Melisenda in sein karolingisches Ambiente heimkehrenden Helden reiten der

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Armistead 1990–1991, 138 mit n. 21. Wie Armistead art. cit., 134–137, ausführt, finden wir in der altspanischen Literatur das Brettspiel-Motiv zur Schürzung eines Knotens außer in WH 173 noch in der zweiten Redaktion der Infantes de Lara (Vorwurf «fijo de ninguno») und in der Bernardo-del-Carpio-Erzählung der Primera Crónica General (Mitteilung, dass der Vater des Protagonisten in Gefangenschaft sitzt). Zu Millets Hypothese, das Brettspiel sei in die Gaiferos-Handlung ursprünglich noch enger integriert gewesen, cf. oben n. 21.

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Kaiser mit Roland, Alda, Olivier und anderen sieben Meilen entgegen; Gaiferos wird jetzt, wie es ausdrücklich heißt, von den zwölf Pairs weit höher als vorher geschätzt und durch ein großes Fest geehrt: Rückkehr auf höherer Stufe nach Beseitigung des Mangels.) Man kann also sagen, dass sich – wie evidenterweise der Schluss – so auch der Einleitungsteil von WH 173, ohne dass es dazu Beuves, Walters oder Bahlnjls bedürfte, zwanglos aus der karolingischen Epik herleiten lässt, nämlich aus der Dreierkonstellation Karl – Tochter Melissenda – Schwiegersohn Gaiferos plus dem epischen Topos «Brettspiel» (samt dessen Aura) plus dem Motiv «Gaiferos als Handhaber von (~ Anwart auf) Rolands Waffen», wobei letzteres in den zweiten Teil hineinwirkt.

Waifars Pro-Karolingisierung II: sein Königstitel und sein Ringreichtum Noch zwei wichtige Attribute des historischen Waifar haben sich in der südwestfrz. Überlieferung vom 8. Jh. an durchgehalten und sind mit seiner Gestalt in die Karlsepik eingewandert. Da ist erstens sein Königstitel. Der historische Waifar († 768) ist zwar als ‘Herzog’ von Aquitanien in die zeitgenössische – ihm feindliche, weil völlig von den Karolingern beherrschte – Historiographie eingegangen. Doch sein Großvater Eudo hatte als Herr von Aquitanien eine Zeitlang mit Einverständnis des neustrischen Merowingerkönigs, aber nicht mehr Karl Martells den Königstitel geführt,35 und wir dürfen annehmen, dass auch Waifar diesen Ehrgeiz nicht aufgegeben hatte. In der Epik führt er dann – faktisch als Unterkönig Karls – den Königstitel nicht nur, wie schon erwähnt, um 1100 bei Rodulfus Tortarius,36 sondern auch im Pseudo-Turpin (cap. 11 und 29) samt der diesen ausschreibenden Chronique dite saintongeaise,37 im Otinel,38 im Jourdain de Blaye,39 im Gui de

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Cf. U. Nonn, Art. Waifar, und D. Claude, Art. Eudo im LM. Den Königtitel führt Eudo auch noch in voll lautgesetzlicher Entwicklung seines Namens (Eudonem > *Ieðon > *Ieon > Ion) als roi Yon des Renaut de Montauban. (Einen König in Poitiers namens Dreu ‘Drogo’ als Vasallen Karls des Großen kennen in der altfranzösischen Epik auch Aspremont und die Karlamagnús-Saga I; cf. Beckmann 2008b, 87.) Immerhin war Aquitanien 418–507, 629–632, 781–877 und 984–986 ein Königreich; die Herzöge von AquitanienPoitou (und seit 1032 von Teilen, seit 1058 der Gesamtheit der Gaskogne) waren im 10., 11. und frühen 12. Jh. reicher als ihre nominellen kapetingischen Oberherren, so dass sich Wilhelm V. der Große († 1030) totius Aquitaniae monarchus nannte und laut seinem Zeitgenossen Ademar von Chabannes ‘mehr als König denn als Herzog’ sah. All das muss sehr zur Bewahrung eines solchen königlichen Bewusstseins beigetragen haben. Cf. n. 15. Chronique dite Saintongeaise, ed. de Mandach 1970, p. 322. Otinel, ed. Guessard / Michelant 1859, v. 1104: die Karlstochter Belissent überreicht ihrem schon bekehrten und nun für Karl in die Schlacht reitenden Otinel l’enseigne au roi Gaifier – man erfährt nicht, ob aus ihrem persönlichen oder aus Karls Besitz. Jourdain de Blaye, ed. Dembowski 1991, v. 175 (cf. v. 46): Li rois Gaiffiers als Lehnsherr des Herzogs von Blaye.

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Nanteuil,40 in einem Zusatzvers des Ms. C des Maugis d’Aigremont,41 überdies in zumindest einem mittellat. Text des 13. Jh.42 Und da ist zweitens Waifars Reichtum, wie er sich speziell verkörpert in seinen Schmuckringen, den bous Gaifier. Riche, das neben ‘mächtig’ und ‘vornehm’ primär schon ‘reich’ bedeutet, ist für Waifar festes Epithet – so im Rolandslied (Ms. O, v. 798), im Aspremont, im Girart de Viane, in der Chevalerie Ogier und im Gaydon.43 Mehrfach hören wir, ohne dass die Handlung mit Waifar zu tun hat, dass eine Person etwas nicht einmal für Waifars ganzes or, seinen tresor oder seine biens tun würde – so im Jourdain de Blaye, Gui de Nanteuil, Maugis d’Aigremont (Ms. C) und Garin de Monglane.44 Solcher Reichtum wäre an sich nicht erstaunlich, neigen doch die altfranzösischen Epiker dazu, Länder und Örtlichkeiten im Süden oder Südosten ihrer angevinisch-normannischen oder kapetingischen Heimat sozusagen a priori als reich anzusehen.45 Doch Waifars epischer Reichtum konkretisiert sich eben im Motiv seiner ‘Armringe’, altfrz. bous ~ altokz. baus. Lange Zeit kannten die Philologen diese bous Gaifier nur dadurch, dass um 1274 die (altfrz.) Chronik von Saint-Denis berichtet, Pippin habe nach Waifars Tod Armringe, die dieser zu festlichen Gelegenheiten anzulegen pflegte, als Trophäe beim Hochaltar von Saint-Denis aufhängen lassen, wo sie sich noch befänden, nur dass sie jetzt, genauer gesagt, unter dem Goldkreuz hingen.46 Doch

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Gui de Nanteuil, ed. McCormack 1970, v. M 566=V 603, V 788. König Gaifier ist dort Bruder oder Schwager des verstorbenen (M 423) König Yon, M 779 (zu letzterem cf. n. 35!). Maugis d’Aigremont, ed. Vernay 1980, v. 4308+. Gesta Guillelmi Episcopi Andegavensis, bei Mabillon 1723, III 369: Idem Episcopus habebat anulum [= altfrz. bou!] qui a nomine cuiusdam Regis Gaiferius vocatus ab infirmis requirebatur; Hinweis darauf bei Lejeune 1964, 366 n. 17. Cf. unten n. 46 in fine! Zu Aspremont cf. oben n. 7, zum Girart de Viane n. 8, zur Chevalerie Ogier n. 11; Gaydon, ed. Subrenat 2007, v. 232. Jourdain de Blaye, ed. Dembowski 1991, v. 3792, Gui de Nanteuil, ed. McCormack 1970, v. M 1093 (cf. V 1094), 2867, Maugis d’Aigremont, ed. Vernay 1980, v. 1178 (Ms. C), Garin de Monglane, neues Fragment, ed. Hendrickson 1975, v. 4856. Die Bezeichnung riche duc teilen sich im Rolandslied mit Gaifier der nicht lokalisierte Sansun (Spätere sehen in ihm einen Burgunder) und Austorges von Valence an der Rhône. Auffällig häufig erscheinen in den Nicht-für-alles-Gold-von-X-Formeln der altfranzösischen Epik Montpellier (bekannt durch mediterrane Handelsbeziehungen und durch seine Goldschmiedegilde, cf. J. Verger, Art. Montpellier im LM), Spanien (or d’Espagne, or espanois) und (stellvertretend für das Kaufmannstum ganz Norditaliens) Pavia und Mailand. Letztlich spiegelt sich hierin die Tatsache, dass spätestens seit der Merowingerzeit ein extrem starkes Gefälle im Goldbesitz vom islamischen Orient und von Byzanz über das westliche Mittelmeerbecken hin nach Westeuropa bestand, wobei überdies in Westeuropa (anders als schon in Norditalien) das Gold fast zur Gänze in kirchlicher Hand gebunden war. Zudem ist aber innerhalb des hoch- und spätmittelalterlichen Frankreich Goldwäscherei «vor allem [für] Wasserläufe im späteren Département Haute-Vienne» belegt, also im zu Waifars Herrschaftsbereich gehörigen Limousin, nachgewiesen, cf. V. H. Elbern, Art. Gold im LM. Les grandes chroniques de France, ed. Viard 1920–1953, II 258; besprochen z. B. von

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1964 wies Rita Lejeune nach, dass die baus Gaifier eindeutig schon bei Marcabru (also in Südwestfrankreich, zwischen etwa 1130 und kurz nach 1150) erscheinen und dort eine auf sie gerichtete skrupellos-söldnerhafte, aber böse scheiternde Goldgier symbolisieren;47 man darf somit annehmen, dass im Südwestfrankreich des frühen 12. Jh. die baus Gaifier sprichwörtlicher Inbegriff eines begehrten, aber unerreichbaren Goldschatzes waren.

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Gaston Paris 1895, 623 (= 1912, 205), und Bédier 1926–1929, IV 169s. Um Marcabrus (sogleich im Haupttext zu besprechende) Anspielung auf die baus Gaifier mit größerer Wahrscheinlichkeit auf einen Waifar beziehen zu können, auf den schon die Walter-Fabel übertragen wäre, möchte Peter Dronke 1977, 60s., gegen Gaston Paris, Bédier und Lejeune 1964, 365s., 369s. die Mitteilung der Chronik zu einer ganz jungen Erfindung der Mönche von Saint-Denis stempeln. Doch dazu besteht leider kaum Grund. Nach acht Feldzügen Pippins gegen ihn floh Waifar in die Wälder des Périgord, wo einer seiner Männer ihn tötete, um sich bei Pippin einzuschmeicheln. Man darf als selbstverständlich annehmen, dass Waifars Leiche samt dem, was ihm an persönlichen Herrschaftsinsignien geblieben war, zu Pippin gebracht wurde – wobei ja goldene Armreife seit der La-TèneZeit, speziell dann in der Merowinger- und Karolinger-Zeit und bis mindestens tief ins 11. Jh., immer wieder als Herrschaftsinsignien auftreten; cf. im RgA die Art. Armring, speziell p. 422 b, 423, Childerich, p. 452 b, und Kolbenarmring, p. 170, sowie im LM den Art. Armilla von W. Arenhövel. Pippin erkrankte kurz darauf und zog nach Paris zurück, wo er starb und in Saint-Denis begraben wurde, in der Abtei, die er außerordentlich gefördert und ausdrücklich (cf. Mühlbacher 1906, Nr. 26) als seine Grabstätte ausersehen hatte, da dort schon der letzte große Merowingerkönig Dagobert und sein eigener Vater Karl Martell ruhten. Unter diesen Umständen ist die Saint-Deniser Geschichte glaubwürdig; Dronkes Vermutung, sie sei von den Mönchen von Saint-Denis erfunden, um mit Saint-Martial von Limoges zu konkurrieren, das von Pippin eine dem Waifar abgejagte Standarte bekommen hatte, ist eine logisch sehr dürftige ad-hoc-Annahme und fände wohl vor keinem Fachhistoriker Gnade. Übrigens: auch jener ‘Ring des Königs Gaiferius’, der im 13. Jh. im Besitz des Bischofs von Angers war (cf. oben n. 42), mag von Pippin diesem Bistum geschenkt worden sein; die Tatsache aber, dass er als heilkräftig galt, kann sich dann nicht aus seinem Charakter als karolingisches Beutegut erklären, sondern deutet darauf, dass Waifar auch hier nahe der unteren Loire als positive Gestalt weiterlebte. Die Korrektur des sonst unverständlichen bals Gaifier der Überlieferung (beibehalten in der ed. Dejeanne 1909, Nr. 19, Doas cuidas, v. 20) zu baus Gaifier durch Lejeune 1964 ist überzeugend und wird, wie ich glaube, von niemandem je wieder angefochten. – Für leider wenig wahrscheinlich muss ich hingegen Dronkes Vermutung (1977, 64s.) halten, die francs am Schluss von Marcabrus Gedicht (v. 71) könnten als ‘Franken’ statt als ‘Freie, Edle’ zu verstehen und dann identisch sein mit den goldgierigen soudadier (v. 19), d.h. nach Dronkes Vermutung letztlich mit Gunthers ‘Franken’ im Waltharius; dazu ist in Marcabrus Gedicht dazwischen von zu vielen anderen (haltlosen Liebhabern, Ehemännern, Damen) die Rede, und der Gedanke, echte «Freude» als ethischer Wert schwinde auch aus der Oberschicht (den ‘Freien, Edlen’), passt zu gut zum allgemeiner Tenor von Marcabrus Dichtung.

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Vorschlag: eine Kombination der Walter- und der Beuve-These Nun also zur Struktur des Hauptteils von WH 173! Speist er sich aus A) einer Form der Walter-Sage (z. B. dem Waltharius selbst), B) dem Beuve de Hantone oder oder C) der Sage um Bahlnjl ibn Marznjq? Der Transparenz halber nenne ich gleich meinen Lösungsvorschlag: ich optiere für eine Kombination von A und B. Nachdem Waifar im geschilderten Umfang pro-karolingisiert worden ist, lösen seine Status- und Heimat-Identität, seine Namensähnlichkeit mit der Walter-Gestalt sowie das gemeinsame Motivpaar «die Armringe Waifars bzw. Walters» eine weitere epische Ausgestaltung Waifars aus durch Übertragung des Walter-Themas auf ihn (A). Doch dieses nunmehr (auch) an Waifar haftende Thema lädt seinerseits sehr bald dazu ein, die ihm strukturell ähnliche, aber speziell im Liebesthema reichere und damals modernere Sage von Beuve de Hantone ebenfalls, und zwar in breiterer Form (WH 171–174), auf Waifar zu übertragen (B), wo sie nunmehr (in WH 173) die Spuren der Walter-Sage teilweise überdeckt. Eine gewisse Ähnlichkeit mit dem ersten Teil der Sage von Bahlnjl (C) ist hingegen zufällig.

Beuve de Hantone und Gaiferos Ebenfalls aus Gründen der Transparenz sei die jüngste These, B, zuerst besprochen. Das Jahr 2000 brachte eine kleine Revolution in der Gaiferos-Forschung: damals erschien im Druck Michael Heintzes ausführliche Darlegung seiner These, dass nicht nur WH 173, sondern alle Gaiferos-Romanzen, also WH 171–174, strukturell aus dem Beuve de Hantone ableitbar seien – freilich unter Heranziehung der verschiedenen Fassungen (A anglonormannisch, F I bis III festländisch).48 WH 174, Gaiferos’ Selbstbefreiung aus dem Kerker des sarazenischen Königs Abrasmonte, ist nur aus drei Drucken des 16. Jh. bekannt, nämlich zwei pliegos sueltos (in denen sie nicht die einzige Romanze ist) und einem Romancero; die Variantenbildung zwischen den beiden pliegos ist nahezu gleich Null, die zum Romancero etwas größer, doch so, dass man noch immer mit Heintze von une seule version connue sprechen kann; in der Mündlichkeit des 19. und 20. Jh. hat die Romanze keine Spuren hinterlassen. Nach durchschnittlichen Romancero-Maßstäben

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Genauer: ableitbar aus dem älteren Teil der Beuve-Handlung (bis zur Rache des Herangewachsenen an dem Mörder seines Vaters), cf. Heintze 2000, passim. Da der Aufsatz an Einzelheiten überaus reich ist, oft auch mehrere Möglichkeiten diskutiert, empfiehlt sich die vorherige oder parallele Lektüre der gleichnamigen Kurzfassung, Heintze 2001. (Gut lesbar im selben Sinne auch Alviti, 2004, passim.) Ergänzend Heintze 1999, passim, sowie der Abschnitt «Asentado está Gaiferos» in Heintze 2003, 222–228. Für WH 173 hatte Heintze schon 1986 in kürzerer Form die Herleitung aus dem Beuve vertreten (hinter dem jedoch für ihn damals wiederum die Walter-Sage stand; eine ähnliche Andeutung noch 2001, 931).

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darf man sie somit als marginal bezeichnen.49 Hier liegen die Dinge relativ einfach. Es gibt in der altfranzösischen Epik nur wenige Selbstbefreiungen; diejenige Beuves aus dem Kerker des sarazenischen Königs Bradmund (so Hauptform in A) / Braidimont (F I bis III) von Damaskus passt als Quelle recht gut. In einem wichtigen Zug stimmt die Romanze genauer zum anglonorm. Beuve (A), einzelnes lässt nach Heintze sogar auf einen davorliegenden Ur-Beuve schließen. Doch vor allem, Heintzes System besteht hier die Nagelprobe: der Name Bradmund kehrt wieder als Abrasmonte, was nicht Zufall sein kann;50 allerdings hat die Stellung des Namens – vokativisch am Ende der Handlung, wenn dem Herrscher das Entkommen des Gaiferos gemeldet wird – ihr Analogon in F III, nicht in A.

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Zur Verbreitung: Heintze 2000, 322 n. 7, und Millet 1998, 117s. und 222. Inhaltliche Diskussion: Heintze 2000, 325–339; id., 2001, 929s. Die Beziehung ist wohl genügend spezifisch, obwohl Bradmund ja nur eine der vielen Namenvarianten ist, die in der altfrz. Epik auf den arab. Namen ࡐAbdarra‫ۊ‬mƗn zurückgehen, wie ihn schon Karl Martells 732 getöteter Gegner ࡐAbdarraতmƗn al-GhƗfiqƯ, dann zwischen 755 und 961 die drei größten (in Córdoba residierenden) Beherrscher des muslimischen Spanien trugen. Nach Frankreich ist dieser Name zweimal gelangt, wobei jeweils der relativ seltene Nexus -bd- spätestens dann störte, wenn sich eine Tendenz zur Aphärese des Anlauts meldete. Aus einer frühen Übernahme (mit Aphärese des ab- als vermeintlicher lat. oder okzit. Präposition, Deutung des -n als unfestes okzit. -n und schließlichem Einrasten in das altfrz. Part. deramé ‘ébranché, déchiré, détruit’) entstand der Name des Deramé von Cordres der Wilhelmsepik (von dort sporadisch auch übergegangen in Girbert de Mez, Anseïs de Cartage, Gui de Bourgogne und Meliador). Die zweite (zuerst von Rajna erkannte) Übernahme – wohl aus Spanien im letzten Drittel des 11. Jh. – ist dadurch gekennzeichnet, dass (auch hier bei Aphärese des a-) das -b- erhalten blieb, dafür das -d- entweder in eine Metathesis bdar- > brad- einging oder einfach ausgestoßen wurde; der vorkons. Reibelaut -‫ۊ‬- wurde teils umgehört in den nächstverfügbaren Reibelaut /j/ (vergleichbar dem einstigen [factum >] faȤto > fait), teils ignoriert; das -man (hier mit festem -n) wurde eingeformt zu -mant und teilweise noch attrahiert durch die zahlreichen Namen auf -mont / -munt < germ. -mund. So ergab sich (bei Ignorierung geringfügiger sekundärer Varianten): a) mit Bewahrung des -d-: Bradmund, ~t (gelegentlich auch Brademound sowie in Einzelmss. Bradamon, ~nd, Brandon) im Beuve A, Braidimont in Beuve F I–III (und als Hapax für einen Komparsen im Ogier), Bradimon(t) (var. Braidimont) in der Melusine sowie vermutlich auch Brando(i)ne im Maugis, Vivien de Monbranc und Élie de Saint-Gilles ; b) mit Ausstoßung des -d-: Braiman(t) (z.T. > Braimont) in Mainet, Ogier, Enfances Ogier, Doon de Maience, Gaufrey, Maugis, Mort Maugis, Chanson de Jerusalem und Bel Inconnu sowie (für Komparsen) im Beuve F I und III. Auch Bramidonie/Bramimonde halte ich für eine (erst im Frz. erfolgte) Femininisierung des Namens. – Der Wandel -d- > -s- in Bradmund > Abrasmonte ist vielleicht schon im Anglonorm. angelegt: dort stehen -d- und -s- vor Nasal oder Liquida in Variation, so z. B. adnes, vadlez (in Li Quatre Livre des Reis) neben normal-altfrz. asnes ‘Esel’, vaslez ‘Bursche’ (cf. auch heutiges engl. to meddle ‘sich einmischen’, medley ‘Gemisch, Potpourri’, medlar ‘Mispelbaum’ < altfrz. mesler, meslee, meslier), und Pope 1952, § 1177, nimmt hier für das Anglonorm. die Aussprache /ð/ an. Doch ist auch an eine Parallele zu dem im Altfrz. weit verbreiteten Typ Rhodanus > */roðnԥ/ > Rosne (Rol. 1626 und Spätere) zu denken. Das A- im Abrasmonte des Gaiferos dürfte, weil in Frankreich völlig unbekannt, in Spanien durch sekundäre Annäherung an den arab. Namen restituiert worden sein.

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Die Doppelromanze WH 171–172 ist belegt in fünf pliegos und einzelnen Aufnahmen aus dem 20. Jh., auch dies noch eine unterdurchschnittliche Verbreitung.51 Hier liegen die Dinge wesentlich komplizierter. Erstens geht es um eine Grundstruktur, die gleich mehreren altfrz. Abenteuerromanen zugrunde liegt, und zweitens: in der Romanze «des passages différents de la chanson de geste confluent».52 WH 171 beruhe auf Beuves Verjagung aus dem väterlichen Lehen durch Doon de Maience (im Wesentlichen wieder nach A, allerdings mit starker Vereinfachung) und seiner (viel späteren) Rückkehr, die Beuve zunächst zu seinem Onkel, dem Erzbischof von Köln, führt. Doch die inhaltlich anschließende Romanze WH 172, Gaiferos’ Rache an seinem Stiefvater in Gegenwart seiner (unschuldigen) Mutter, beruhe keineswegs auf der Rache, die Beuve, ebenfalls inhaltlich anschließend, an seinem Stiefvater in Gegenwart seiner (kriminellen) Mutter nimmt, sondern auf seinem weit früheren Zusammentreffen mit seiner geliebten Josiane im heidnischen Monbranc; hier stimmt bei völlig anderer, fast gegensätzlicher Grundidee die Sequenz der Einzelmotive überein (Verkleidung als Pilger, Frage nach der Wohnstätte der Frau, Bitte um Nahrung, Frage der Frau nach der Identität des Pilgers, deren Enthüllung, freudige Umarmung) – wobei die Romanze dem Ms. C von F III am nächsten steht. Weiterhin glaubt Heintze, dass die stark positive Tonalität dieses Wiedersehens mit der Geliebten in WH 172 sozusagen rückwirkend schon in WH 171 zur Entkriminalisierung der Mutter geführt habe; unterstützend habe hier noch der Umstand gewirkt, dass die versetzte und umfunktionierte Wiedersehensszene überdies amalgamiert sei mit einer anderen Szene, in der Beuve Josiane in Köln aus den Händen eines Rivalen befreien muss. Bezöge sich Heintze auf diese Romanze allein, so hätte ich Mühe, diese recht komplizierte Konstruktion anzuerkennen.53

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Zur Verbreitung: Millet 1998, 120. Inhaltliche Diskussion: Heintze 2000, 361–370; id., 2001, 930s. (dort auch das Zitat). Alternativ scheint Heintze allerdings in einer Anmerkung (2000, 367 n. 139) auch die Möglichkeit zuzulassen, für die Unschuld der Mutter eine Nebenquelle von der Art des Daurel e Beton anzuerkennen: für diesen ist die Zwangsverheiratung der Mutter mit dem Mörder ja der wichtigste Differenzierungspunkt seiner sonst so Beuve-ähnlichen, nur rudimentäreren Handlung gegenüber dem Beuve. Man kann hinzufügen, dass der Daurel nicht wie alle Beuve-Fassungen aus Britannien oder Nordfrankreich stammt, sondern, was bei Heintze nicht völlig klar wird, aus dem Westokzitanischen (Poitou-LimousinGascogne) und damit mitten aus Waifar-Land. – Bei dieser Gelegenheit sei bemerkt, dass die Datierung des Daurel und sein Verhältnis zum Beuve wohl einer erneuten Untersuchung bedürften, da die Ed. Kimmel 1971 zwar der editorisch-linguistischen und der literarisch-deskriptiven Aufgabe liebevoll gerecht wird, aber an den literarhistorischen und historisch-geographischen Problemen scheitert durch den verkrampften Versuch des Editors, seinen Daurel e Beton vom Beuve de Hantone völlig zu trennen (eine Probe, op. cit. 40 mit n. 19: der Protagonist des Beuve de Hantone habe mit Betons Vater Boves d’Antona nichts zu tun, da im einen Fall Hampton in England gemeint, im andern Fall Antona «a common family name» sei [nach Kimmel Mitte des 12. Jh.!] und da ein Antonniat [< *Antoniácum!] im Département Dordogne existiere – über dessen Geschichte Kimmel dann kein Wort mehr glaubt verlieren zu müssen, et pour cause!). Auch die seit 1971 erschienene Sekundärliteratur zum Daurel führt bisher kaum weiter.

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Was schließlich unsere hochberühmte Romanze WH 173 angeht,54 so ist nach Heintze deren Einleitung, Gaiferos’ Aufbruch zur Befreiung seiner Frau nach Karls Vorwurf, «composé avec la plus grande liberté», und zwar «d’après la mission à Damas dont le roi Hermin charge Beuve», essentiell wie in A. Dieser Punkt scheint mir von Heintze um der Ausnahmslosigkeit willen in sein System aufgenommen zu sein. Er überzeugt gar nicht, da Beuve weg aus der Gegenwart seiner geliebten Josiane durch deren verräterischen Vater mit einem Uriasbrief an einen Hof geschickt wird, wo er hingerichtet werden soll und immerhin in lange Kerkerhaft gerät – das ist in vielem geradezu das Gegenteil der Romanzenhandlung. Nicht nur fehlen hier Verbalreminiszenzen und Namensähnlichkeiten, auch die angebotenen motivischen Parallelen sind szenisch und funktional in beiden Werken sehr verschieden; beispielsweise soll die kurzfristige Weigerung Rolands, Gaiferos seine Waffen auszuhändigen – eine Weigerung, die er schnell zurücknimmt, um ihm sogar sein Schwert aufzudrängen, ein typisches retardierendes Moment also – dem Romanzendichter durch die hinterhältige Handlungsweise Hermins eingegeben worden sein, Beuve mit einem ihm fremdem Reittier und in A auch einem fremden Schwert loszuschicken. Ich sehe nicht, welche kompositorische Hilfe der Romanzendichter hier von der Beuve-Handlung erwartet haben sollte, und verweise stattdessen auf meine «karolingische» Herleitung weiter oben. Doch zum folgenden Hauptteil von WH 173 heißt es: «la fuite de Gaiferos avec Melisenda de Sansueña, dont les circonstances rappellent certainement l’évasion secrète de Walther et de Hiltgunt,55 s’explique aussi bien par le moment où Beuve et Josiane quittent Monbranc à l’insu d’Yvorin». Und zwar stehe stehe hier die Romanze der Beuve-Fassung F III am nächsten; dabei seien in der Wiederfindensszene sogar Wortanklänge festzustellen: Josianes Bekenntnis (F III, v. 3331, von Beuve schon mitgehörter Monolog mit Anrede an den vermeintlich Fernen) La vostre amour ne puis entroublïer ~ (WH 173, v. 161, Melisenda zu dem vermeintlichen Boten) mas amores de Gayferos no los puedo olvidar sowie Beuves Geständnis (F III, v. 3482) Je sui cis, dame, que vous avés plevi ~ (WH 173, v. 166) yo soy el infante Gayferos, señor de París la grande. Obwohl die beiden Sätze in der Quelle durch 150, in der Nachahmung nur durch vier Verse voneinander getrennt sind, scheinen sie mir für einen Zusammenhang beweiskräftig. Davon profitiert dann die ganze Szene einschließlich jener Aussagen, die einzeln betrachtet sich jederzeit von neuem einstellen könnten; Heintze fasst die Szene so zusammen: «Melisenda wie Josiane wähnen den geliebten Mann ohne sie glücklich in seiner Heimat,

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Zur Bezeugung cf. oben n. 1–3. Zur Romanze insgesamt Heintze 2000, 339–361; id., 2001, 930. Speziell zu ihrer Einleitung 2000, 355–358, die Zitate 2000, 355, und 2001, loc. cit.; zum Hauptteil 2000, 340–351 und 358–361. Heintze 2001, 930; cf. auch 2000, 322, wo der Autor anerkennt, dass WH 173 «lui seul a des points communs indéniables avec la légende de Walther», und art. cit. 324, wo er Menéndez Pidal als denjenigen bezeichnet «dont le mérite durable est d’être le premier à avoir montré jusque dans les détails la parenté des romances sur Gayferos avec la légende de Walther» – Berührungen, die er dann freilich anders erklärt.

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verdächtigen ihn, einer anderen Frau seine Aufmerksamkeit zugewandt zu haben, fordern ihn auf, sie als die ihm seit langem angetraute Gefährtin in sein Land zu holen, teilen ihm mit, wohin er sich zu diesem Zweck begeben muss, unterrichten ihn über die ihnen aufgenötigte, erst noch beabsichtigte oder bereits geschlossene Ehe und versprechen ihm unwandelbare Treue.» 56 Ich halte es nicht für Zufall, dass auf diese Weise die Einwirkung des Beuve auf WH 173 gerade in dieser erst monologischen, dann dialogischen Liebesszene am eindeutigsten manifest wird. Denn der Beuve ist in allen Fassungen zwar formal eine chanson de geste, inhaltlich aber ein Abenteuerroman und gehört damit einer Gattung an, die immerhin in den Liebesszenen den Einfluss des frühen höfischen Romans nicht verleugnet; in dem uns interessierenden Gespräch kommt dazu noch der effektvolle Höhepunkt ‘Ich selbst bin’s.’. Zusammenfassend schließt Heintze, dass alle diese Beuve-Elemente zweifellos nicht in disparater Form bis in die Romanzen gelangt seien, sondern dass es ein spanisches Cantar de Gaiferos gegeben habe, «que nous devons considérer comme la version espagnole de Beuve de Hantone.»57 (Ich würde hier statt «spanisches Cantar» höchstens «westokzitanische Chanson de geste, danach dann wohl auch spanisches Cantar» sagen, da ja der Name Waifar südlich der Pyrenäen zunächst gar nichts besagt, der Namenwechsel – um die Vorgänge einmal bis auf diesen Begriff zu vereinfachen – also nördlich der Pyrenäen stattgefunden haben muss.) Was ist nun insgesamt von Heintzes System zu halten? Der Beuve de Hantone ist (selbst in A) ungewöhnlich reich an Abenteuern – als habe schon sein erster Dichter das Non-plus-ultra der Gattung Abenteuerroman liefern wollen;58 da sich zudem die vier Fassungen beträchtlich unterscheiden (von inhaltlichen Varianten einzelner Manuskripte nicht zu reden), verfügt Heintze für seine These über einen ungewöhnlich großen «Ausgangspool» an Möglichkeiten, besonders wenn mit erzähllogischer Argumentation unbelegte Elemente eines Ur-Beuve postuliert werden dürfen. Weiterhin läuft eine postulierte Amalgamierung bzw. Versetzung von Passagen auf eine abermalige, beträchtliche Erweiterung der Möglichkeiten hinaus, weil dabei ein Grundprinzip einfachen Erzählens, die lineare Abfolge, außer Kraft gesetzt wird. Nimmt man dazu noch Heintzes sehr detaillierte Erwägungen zur Erklärung von Umprägungen bis ins Gegenteil, so wird man sagen müssen, dass hier eine Methode bis an ihre Grenzen beansprucht wird. Wenn ich trotzdem den weitaus größeren Teil von Heintzes Darlegungen akzeptiere – nämlich nahezu alles außer den schon kritisierten Abschnitten –, so bestimmen mich dabei das einmalige Gelingen der erwähnten Nagelprobe, d.h. die Übernahme des Namens Bradmund (o.ä.) als Abrasmonte in WH 174, sowie der doppelte Textanklang in WH 173. Denn damit ist die Gefahr einer völligen

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Heintze 2001, 930. Heintze 2000, 349–355, 370s.; id., 2001, 931. Das die Szenen zusammenfassende Zitat bei Heintze 2005, 258. Schon für A nimmt der uns interessierende Teil von Stimmings Inhaltsangabe zwölf Seiten (1899, LIX–LXX) ein!

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Quellen-Illusion faktisch auf Null herabgesetzt, d.h. es ist prinzipiell erwiesen, dass Beuve-Material den Weg in das Gaiferos-Corpus gefunden hat, und von diesem grundlegenden Faktum profitieren dann andere Details. Heintze hat also das große Verdienst, eine wichtige und unerwartete Quelle der Gaiferos-Romanzen entdeckt zu haben. Doch legt er Wert auf die Feststellung, dass seine Beuve-These alle Gaiferos-Romanzen, die Walter-These von Menéndez-Pidal und anderen hingegen nur die eine davon erkläre,59 so dass man von beiden Thesen die seine als diejenige mit der größeren Reichweite vorziehen müsse. Hierin kann ich ihm nicht folgen; denn das sicher aus dem Beuve stammende Motivmaterial deckt ja keineswegs die gesamte Handlung von WH 173 in so überwältigend plausibler Weise ab, dass es jeden Blick auf andere mögliche Quellen unnötig machen würde. Nicht selten überanstrengt ja ein Entdecker seinen Fund, indem er einem überzeugenden Argumentationskern eine weniger überzeugende Generalisierung anfügt. Wir sind also durchaus nicht der Aufgabe enthoben, auch die Thesen A und C zu prüfen – von denen jetzt die erstere untersucht sei.

Forschungsgeschichte der Walter-Gaiferos-These Dass die auffälligen Handlungsparallelen und die Ähnlichkeit im Namen des Protagonisten zwischen einerseits dem mittellat. Waltharius (und gegebenenfalls den Nebenzeugen der Walter-Sage wie den altengl. Waldere- und den mhd. Waltherund-Hildegund-Fragmenten, dem Nibelungenlied, der þiðreks saga, dem Biterolf) und andererseits der Romanze von Gaiferos als Befreier Melisendas (WH 173) auf Abhängigkeit der Romanze von irgendeiner Form der Walter-Sage beruhen, postulierten schon 1892 Friedrich (Federico) Hanssen,60 um 1925 Morley,61 vor allem

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Am bündigsten Heintze 2001, 931. – Befremdlich ist aber andererseits die Kürze und Schärfe, mit der Millet 1998, 167, auf einer knappen Seite Heintzes gesamtes System ablehnt – und zwar durch eine kursorische Formel auch die damals erst im Druck befindliche Arbeit Heintze 2000 einschließend, die ihm also der Autor freundlicherweise in Manuskriptform zur Verfügung gestellt hatte –; unter anderem schwingt Millet dazu die Methodenkeule: Heintze «parte de unas premisas completamente erróneas». Hanssen 1892, 14s. Zögernd positiv bis unentschieden auch Entwistle 1969, 78s., 97, 177, 385. (Die Bemerkung p. 177 bezieht sich außerdem auf die Romanze WH 174, die uns gegenwärtig nicht interessiert. Die 2. und 3. Aufl. des Buches sind essentiell Reprints der 1. Aufl., 1939, mit Einzelkorrekturen bzw. einer bis zu seinem Tod fortgeführten Bibliographie der Aufsätze des Autors.) Zu Hanssen und Entwistle genügt es für unsere Zwecke, kursorisch zu verweisen auf Menéndez Pidal 1953, 293–295, und Millet 1998, 133–137. Morley 1925–1928, 224 n. 32. Im Gegensatz zu den anderen oben im Folgenden Genannten, die traditionalistische Positionen vertreten, nimmt Morley an, ein spanischer Mönch habe den Waltharius gelesen. Hier kann man anschließen Aubrun 1958–61, 71–73 und 77s., der der Meinung ist, dass, wenn zwischen Waltharius und Gaiferos überhaupt eine genetische Beziehung bestehe, sie auf gelehrte Lektüre des Waltharius zurückgehe.

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aber Menéndez Pidal, zuerst 1910, in weit detaillierterer Argumentation 1953.62 Für einen solchen Zusammenhang sind seitdem ebenfalls eingetreten Armistead und Silverman (1989, Armistead auch 1989–1990 und kurz 2000) sowie mit veränderter Begründung Dronke (1977) und abermals mit veränderter, sehr auf Kautelen bedachter Methodik Millet (1992, 1995, 1998).63 Begrifflich noch vorsichtiger als Millet, verzichtete schließlich 1997 sein Lehrer Walter Haug darauf, an der mutmaßlichen Nahtstelle von Walter- und Waifar-Sage eine bestimmte Filiation anzunehmen, und sprach lieber von einem zugrunde liegenden «Erzähltypus», der letztlich auf anthropologischen Konstanten beruhe und selbst nahe dieser Nahtstelle noch in der essentiell mündlichen Form multipler Varianten realisiert worden sein könne.64

Ein geeigneter Westgote – aber keine Kontinuität im westgotischen Spanien Gesetzt, man akzeptiert die Verbindung von Walter-Sage und Gaiferos-Romanze, wo und wann wäre es dann zu dem Namenwechsel gekommen? Menéndez Pidal glaubte an das latente Weiterleben eines von vornherein westgotischen Sagenstoffes durch die Jahrhunderte des Westgotenreiches und seiner asturisch-leonesisch-kastilischen Nachfolge bis zum Beginn der Neuzeit. Nun setzte – was heute leider durchweg übersehen wird! – schon Kluge65 den Protagonisten des Waltharius mit dem Westgotenkönig Wal(l)ja (Vallia, Valia, 415–418 oder 419) gleich, dem «ältere[n] Zeitgenossen des Burgunderkönigs Gunther». Historisch würde das sehr gut passen. Nach der Ermordung Athaulfs und kurzen Wirren zum König gewählt, führte Wal(l)ja sein Volk nach Südspanien, verzichtete aber auf die geplante Übersetzung nach Afrika, kämpfte stattdessen im Auftrag der Römer erfolgreich gegen Vandalen und Alanen, erhielt daraufhin vom Kaiser die Aquitania II mit Toulouse (und wohl auch schon Bordeaux) als Siedlungsgebiet zugewiesen und scheint eines natürlichen Todes gestorben zu sein. Er ist also eindeutig der Begründer des aquitanischen (tolosanischen) Gotenreiches,66 ein

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Menéndez Pidal 1959, 22–25, detaillierter (und noch immer am besten zur Referenz geeignet) 1953, 286–300, etwas kürzer aufgegriffen 1955, 55–66, verteidigt gegen individualistische Kritik 1963, 146–151. Armistead / Silverman 1989, passim; Armistead 1989–1990, passim; id. 2000, 9s.; Dronke 1977, 50–55; Millet speziell 1998, passim. W. Haug 1997, passim. Kluge 1906–1907, 144. An Kluge angeschlossen hat sich Bach 1952–1956, I, § 93.3. Befremdlicherweise kennen weder Regeniter 1971 noch Dronke 1977 noch Millet 1998 Kluges Beitrag; besonders Millets Ablehnung der Menéndez Pidalschen These fällt unter anderem dadurch unangemessen forsch aus. Kluge 1906–1907 geht davon aus, dass zu diesem Reich auch das Baskenland gehörte, ahd. Wascônolant (und cf. hierzu aus dem frühen 8. Jh. die sogar gleichsetzende Glosse Equitania (!) uuasconolant, Gillespie 1973, 137). Er ist weiterhin der Überzeugung, dass von diesem Namen dann auch (durch Übertragung bzw. Verkennung) der Kampfplatz

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Wal(l)ja-von-Aquitanien par excellence. Als Reichsgründer, dessen authentische Jugendgeschichte unbekannt ist und möglicherweise eben deshalb einer dichterischlegitimierenden Verherrlichung offenstand, könnte er sehr wohl der primäre Held der Walter-Fabel sein67 – zumal seine Geburt vielleicht noch vor jenem Jahr 375 liegt, als West-und Ostgoten sich trennten, weil nur letztere das hunnische Joch zu akzeptieren bereit waren; beispielsweise könnte ein junger vornehmer Ostgote hunnische Geisel geworden, doch dann zu den Westgoten geflohen und dort heimisch geworden sein.68 Was die philologische Seite der Gleichsetzung angeht, so

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herrühre, also Vosagus, Vosegus im Waltharius v. 490 u. ö. (~ lat., aber ahd. beeinflusst Wasacus bei Ermoldus Nigellus [kurz vor 830, cf. unten Exkurse, n. 43] ~ ahd., aber lat. beeinflusst Wosega silva a. 802 ~ ahd. Wasge a. 987, Wasego a. 992 u.ä., Bach 1952–1956, II, § 431); für die umgekehrte Einflussrichtung plädiert allerdings Baesecke 1940, 434. Dass überhaupt ein Zusammenhang zwischen beiden Geographica besteht, scheint mir nicht sicher. (Ferner sei der Deutlichkeit halber nach Panzer 1948, 12, 54–56, und Gillespie loc. cit. hinzugefügt, dass wohl erst im 12. Jh. ein Wasabuhil ~ Wassenstein ‘Scharfenhügel, Scharfenstein’ an der elsässisch-pfälzischen Grenze bei Obersteinbach durch volksetymologische Anlehnung an den Namen Wasge o. ä. ‘Vogesen’ zu Wasgenstein, auch Waskenstein, heute meist Wasichenstein, wurde. Das ermöglichte im Nibelungenlied eine präzisierende, aber nahezu sicher sekundäre Lokalisierung zunächst des Kampfes an diesen Waskenstein, der bald auch zu Walters «Zunamen» wurde: er ist vom Wasgensteine im Rosengarten A und rheinischer Fürst im Rosengarten C, af Vaskasteini [var. Vascannsteini, Waskasteipi] in der þiðreks saga.). So wie eine verblüffend ähnliche Fabel einem zweihundert Jahre vor Wal(l)ja wirkenden Reichsgründer angehängt wurde, cf.. unten Teil III, p. 117–124. Zu solchen individuellen Fluchten aus dem Hunnenreich cf. unten Teil III, n. 23! Es sei noch besonders darauf hingewiesen, dass eine Teilung der Goten in Ost(ro)goten und heute sog. Westgoten (zunächst: «Vesier») erst im späten 3. Jh. sichtbar wird und dass nicht nur die Ostgoten 375 unter Ermanarich, sondern ein Jahr später auch die Westgoten unter Athanarich von den Hunnen militärisch geschlagen wurden. Als dann die Mehrheit der letzteren ins römische Reich übertrat, schlossen sich ihnen auch manche Ostgoten an; nach Jordanes Getica cap. 33 hofften die Amaler Thorismund / Beremud und Vidirich auf Grund ihrer Herkunft sogar, bei den Westgoten zum König gewählt zu werden; selbst gegen 473 stieß noch einmal eine Fraktion der Ostgoten unter Theoderichs des Großen Vetter Vidimer zu den Westgoten; 493 heiratete Thiudigoto, die Tochter des Ostgotenkönigs Theoderich des Großen, den Westgotenkönig Alarich II., der dann 507 gegen die Franken fiel; 511 kam das Westgotenreich überhaupt unter Theoderichs Kontrolle, und die Heiraten zwischen Ost- und Westgoten wurden «auffallend häufig»; Theoderich wollte beide Reiche auf Dauer vereinigen, indem er nunmehr seine Erbtochter Amalasuntha dem Westgoten Eutharich zur Frau gab und diesen adoptierte, als Nachfolger seines Gesamtreiches (!) designierte und als solchen sogar von Kaiser Justinus bestätigen ließ; der Plan scheiterte jedoch 522 an Eutharichs Tod. Theoderich ließ das Westgotenreich nunmehr durch seinen Statthalter Theudis regieren, der sich nach Theoderichs Tod (526) bald zum König der Westgoten aufwerfen und diese Würde bis 548 behaupten konnte. «Tatsächlich […] bestanden im 5. und 6. Jh. die westlichen Goten ebenso aus Ostrogothen, wie Vesier an der Ethnogenese ihres östlichen Brudervolkes teil genommen hatten.» Cf. W. Pohl im Art. Goten III, § 7e, 7g und 12–14, des RgA, Wenskus 1961, 474s. und den Art. Ostgoten, I von H.-Wolfram im LM. Nach Vernadsky 1951, 375s. (leider ohne Quellenangabe!), wären auch die Westgoten in lockerem Sinne «Attilas Vasallen» gewesen. Wie dem auch sei – es wäre sicherlich verfehlt, eine Trennung des ost- und des westgot. Stammes- und

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ist zwar eine Konsonanten-Assimilation -ldj- (oder -lÞj-) > -llj- (oder -lj-) im Gotischen sonst nicht zu belegen; aber Kurznamen69 zeigen ja in der Mehrzahl der Fälle gegenüber dem Vollnamen eine mehr als lautgesetzliche Vereinfachung.70 Dass in der offiziellen Geschichte ein Gotenkönig unter einem Kurznamen, ja Lallnamen, fungieren konnte, zeigt der Name Totila (neben dem auch belegten, schon «expliziteren» Badwila, so dass in *To-t(o)+-ila das Element to- die anfangs kindersprachliche Nachahmung des gehörten [Ba]du- ist; der zweite Teil des eigentlichen Vollnamens ist nicht bekannt). Und dass ein Sagenheld des gotischen Kreises in der lat. Überlieferung unter seinem Kurznamen, in der volkssprachlichen unter seinem Vollnamen weiterleben konnte, dafür bringt Kluge als Analogon den Fall Ammius (< *Hammius, bei Jordanes, cap. 24) ~ altnord. Hamðír71 bei. Man sollte also eine Ablehnung der Menéndez-Pidalschen These nicht auf das Argument gründen wollen, ihr fehle ein geeigneter westgotischer Held. Doch auch wenn diese Gleichsetzung des Protagonisten mit dem Westgotenkönig richtig sein sollte, bleibt die Frage des in Menéndez Pidals These implizierten Weiterlebens des Vollnamens got. *Walda-harjis72 durch die Jahrhunderte im westgotischen Einflussbereich. Abermals scheint ein positivistisches Argument in der Diskussion ungenutzt zu sein. Dass der Vollname bei den Goten existierte, scheint nur aus dem Toponym Gualderago bei Florenz hervorzugehen, das Gamillscheg vermutlich zu Recht als gotisch einstuft, weil bei einem langobardischen Namen «-t- zu erwarten wäre (durch Assimilation an -h-)».73 Im westgotischen Einflussbe-

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Geschichtsbewusstseins einschließlich seiner sagenhaften Züge vorauszusetzen. Jordanes ist eine wichtige Quelle auch für die westgotische Gerschichte, und der Codex Argenteus mit der Bibelübersetzung des Westgoten Wulfila ist um 520 in Ravenna von ostgotischen Schreibern geschrieben. Ich benutze den Begriff «Kurznamen» in rein formaler Definition für einstämmige Namen ohne oder mit -k- oder -l- («Hypokoristikon»-)Suffix, wie hier für Wal(l)ja, so weiter unten für Hildiko. Andere sehen freilich in Wal(l)ia den Kurznamen nicht (cf. got. waldan ‘herrschen’) eines Walda-, sondern eines Wala-Vollnamens, war doch z. B. Valamer ein Onkel Theoderichs des Großen, so Schönfeld 1965, s. v. Valia; oder sie vermuten darin got. waljan ‘wählen’, so Holthausen 1934, s. v. Walja, und Piel / Kremer 1976, § 290 – aber meines Wissens kommt dieser Stamm sonst in der germ. Anthroponymie nicht vor. Zur Vollform des Namens gehören übrigens auch das oberflächlich aus dem Mhd. («vulgariter») relatinisierte Hamidiecus in Ekkeharts Chronicon Urspergense und selbst das entstellte Hernidus < *Hemidius der Annales Quedlinburgenses; cf. Gillespie 1973, 37. Kluge 1906–1907 setzt got. *WalÞ-harjis an, aber vielleicht nur durch (pace Kluge) eine momentane Rückanlehnung an das Epos. Zu erwarten ist höchstens ein kurzzeitiges *Wald-harjis (so vorausgesetzt bei Gamillscheg 1934–1936, II 12 [Abschnitt III 50]), wo aber dann das -h- wohl schwände, bevor es auf das -d- entstimmlichend einwirken könnte, cf. Kieckers 1928, § 85b (unergiebig Gamillscheg op. cit., I 324 [Abschnitt III 15]); ursprünglich liegt natürlich unsynkopiertes *Walda-harjis vor (so Bach 1952–1956, loc. cit.); cf. die im Haupttext gleich zu nennenden sämtlich unsynkopierten westgot. Namen mit Walda- > Walde- (und Kieckers op. cit., § 85a)! Gamillscheg 1934–1936, II 12 (Abschnitt III 50) (weniger dezidiert über die Trennung von Gotisch und Langobardisch allerdings II 106 [Abschnitt IV 35]). Ähnlich bei den

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reich finden wir an Vollnamen mit Walda- > Walde- etwa Uvaldefredus a. 654–656, Galdericus a. 883, Waldegarius a. 983, Gualdemarus a. 1030, an Kurznamen Walda (m.) a. 812, Gualdio a. 1033, Gualdinus a. 1159, also immer -d-Formen; hingegen zeigt das kurz vor 900 südlich der Pyrenäen zunächst in Katalonien auftauchende Waltarius, Gualterus u.ä. ebenso konstant ein -t- entsprechend der Form des Namens in der Galloromania.74 Diese Form kommt aus dem Fränkischen, wo (wie im Langobardischen) die Synkope des auf Wald- folgenden Themavokals zu einer Zeit erfolgte, als das -h- noch lautete und deshalb assimilatorischen Stimmtonverlust des -d- bewirkte; daher im Frz. von der ältesten Zeit bis heute Gualt(i)er > Gautier. Der Name ist also nach Südfrankreich und auf die iberische Halbinsel letztlich aus dem Fränkischen eingeführt und scheint keine Kontinuität aus dem Westgotischen zu besitzen. Angesichts des relativen Reichtums der hispanogotischen Namensüberlieferung wäre bei einem Weiterleben der Sage in diesem Bereich ein Unsichtbarwerden des Namens des Protagonisten (und Gründers des tolosanischen Reiches) zumindest merkwürdig. Allerdings hat auch der Kurzname Wal(l)ja mit seinem Stamm Wal(l)jan- in diesem Bereich nur eine, noch dazu fragliche Spur hinterlassen: ob das nordportugiesische Toponym Galeães / Galiães aus ihm abgeleitet ist, bleibt «sehr fraglich, da eher *Galhães zu erwarten wäre».75 Vermutlich hat sich im toledanischen Westgotenreich gegenüber dem tolosanischen, vor allem durch den Übergang zum Katholizismus und zum Vulgärlatein bzw. Protoromanischen,76 ein Bewusstseinswandel vollzogen, bei dem die Erinnerung an den «häretischen» und nicht dynastiebildenden Eroberer eines schon nach neunzig Jahren wieder verlorenen Gebietes keinen hohen Stellenwert mehr hatte.

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Burgundern: «a. 814 Cart. Cluny Waldierio ON. muss < burg. Waldaharjis kommen,» op. cit., III 155 (Abschnitt VII 79), von Morlet 1971–1972, I 213a, allerdings zu Waldegarius gestellt. Kremer 1972, 219s.; Piel / Kremer 1976, § 289. (Dazu kommt noch bei Gamillscheg 1934–1936, I 324 [Abschnitt III 15] ein aus dem heutigen Toponym Vaudelan, DeuxSèvres, rekonstruiertes got. *Waldila.) Nun könnten zwar Valdingus a. 655, Valdericus a. 683–688, Valdemarus a. 684 u.ä. nach Kremer und Piel / Kremer loc. cit., auch zu germ. Bald- gehören; doch hätten sie selbst dann wegen des identischen Lautkontextes -alda- > -alde für die Nicht-Synkopierung und die Beibehaltung des -d- analoge Beweiskraft. Piel / Kremer 1976, § 290. Eine entsprechende Kautel wäre am Platze, wenn Gamillscheg 1934–1936, I 308 und 323 (Abschnitte III 6 und 15) ein Azagal bei Carcassonne sowie ein G(u)aliana des 12. Jh. bei Albi an Wal(l)ja anschließen will. «Ein genauer Zeitpunkt dafür [scil. für die Aufgabe des Gotischen] lässt sich nicht ausmachen. Die einzige Anspielung auf die Kenntnis der ‘barbarischen’ Sprache befindet sich in einer Chronik des 11. Jh.s (MGH. AA. 10, Chron. min. II, 387), in der von König Recceswinth (649–672) behauptet wird, er sei sapientissimus in lingua barbara», cf. Piergiuseppe Scardigli im Art. Goten I § 3 des RgA. Die Aussage macht nur Sinn, wenn eine quasi-muttersprachliche Beherrschung des Got. zumindest in der Oberschicht – ohne deren Engagement zu dieser Zeit auch die Pflege einer heroischen Poesie nicht erfolgreich sein konnte – schon die große Ausnahme war.

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Die Gaiferos-Handlung ist in Südwestfrankreich entstanden Dazu kommt die Tatsache, dass eine Ersetzung von Walt(h)arius-G(u)alt(i)er durch Waifarius-G(u)aif(i)er nach menschlichem Ermessen nur in Südwestfrankreich eingesetzt haben kann. Denn der Name Waifar war nur dort ein gleichzeitig heimischer und geschichtsträchtiger Name, da der 768 durch Pippin zu Tode gehetzte Waifar von Aquitanien innerhalb ganz West- und Südwesteuropas die einzige geschichtlich bekannt gewordene Gestalt dieses Namens ist. Es muss also ohnehin nach dem Namenstausch eine Wanderung der Sage mit dem neuen Namen Gaifier über die Pyrenäen südwärts angenommen werden, freilich unter Berücksichtigung eines sehr interessanten Umstandes: da in den aus der Mündlichkeit registrierten GaiferosFassungen die Hauptgestalt in einer katalanischen Fassung (Millets C 7) vielmehr Gaitero und in mehr als der Hälfte der portugiesischen Fassungen (Millets P 4, 7, 8, 11–17, 24, 26–31) Galfeiro / Galfeiros heißt,77 also Namensformen, die sich ohne Rest als Kreuzungen von G(u)altier x G(u)aifier erklären lassen, so kann sich die Sage, als sie südwärts über die Pyrenäen wanderte, noch im Zustand einer schwebenden Doppelnamigkeit befunden haben. Diese Varianten sprechen somit speziell dagegen, die Verbindung von Walter-Sage und Gaiferos-Romanze völlig kappen zu wollen, also die Lösung A in toto zu verwerfen. Auch die Namensform Gaiferos der Haupttradition der Romanze mit ihrem -os weist zurück auf Frankreich, und zwar auf ein (im stofflich-literarischen Sinne) karolingisches Ambiente. Es lohnt sich, einen Augenblick bei ihr zu verweilen. In der arabischen Historiographie, in deren Blickfeld Karl der Große 778 kam, heißt er QƗrlo, nicht QƗrlos;78 übernommen wurde also einfach – wohl in Nordspanien – der romanische Akkusativ (Obliquus) als der häufigste, dort vielleicht schon einzige Kasus. In der spanischen Romanzenliteratur hingegen finden wir bei Gestalten aus der Karolingerepik Namensformen wie Carlos, Arnaldos, Baldovinos, Belardos, Guarinos, Oliveros und sogar für einen Heiden Calaínos, also durch das -o- eingeformte Entsprechungen der altfrz. Rektusformen Charles, Arnauz,

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Millet 1998, 159, 228–238, 278–297, 307s. Selbst das einmal belegte portugiesische Valsério (P 5) ist (trotz Millet 1998, 202) ähnlich zu erklären (das -s- ist schon Reibelaut wie -f-, vertritt aber noch die Artikulationsstelle von -t-; denn ein /ș / existiert ja im Port. nicht); das in P 3 belegte Dalfeiro schließlich ist eine weitere Entstellung der Kreuzungsform Galfeiro. Dass die schriftliche spanische Überlieferung (Millet op. cit., 216–223) seit dem Erstdruck keine solchen Kreuzungsvarianten kennt, ist nicht erstaunlich: die Drucker der piegos sueltos und der romanceros kopieren einander aus verständlicher Bequemlichkeit ziemlich genau, und ihre feste Tradition wirkt im Spanischen wenigstens im Namen der Romanze (nicht notwendigerweise im sonstigen Text) auch auf die mündliche Überlieferung: dort gibt es an Varianten nur Gaiférez (E 3, 5–8, 12; Verwechslung des -os mit dem ubiquitären Abstammungssuffix -ez, vielleicht auch Anlehnung an das ebenfalls edel klingende alférez ‘Fahnenträger’) bzw. Caiferes (E 10, 11) sowie ein aus (Gai)férez weiter abgeirrtes singuläres (don) Félix (E 9). Menéndez Pidal 1960, 520s.

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Baldewins, Berarz, Guarins, Oliviers, Cahanins.79 Das Einformungs-«Rezept» – nicht jeder Einzelfall – weist also zurück in eine Zeit, wo nördlich der Pyrenäen noch ein leidlich intaktes Zweikasussystem bestand; damals mussten im Süden mit seinem Einkasussystem gerade diese Rektusformen auffallen und konnten (in der eingepassten Form) zu einer Art karolingischem Gütesiegel werden. Freilich wurden sie dann eben deshalb nachgeahmt in Namenbildungen ohne karolingerepische Grundlage wie Alarcos, Celinos, Claros, Dirlos, Montesinos oder Olinos. Gaiferos gehört, weil bloße Einpassung des in Frankreich gut belegten Gaifiers, zu der erstgenannten Gruppe. Da sich auch Menéndez Pidals sonstige Argumente für den gotischen Ursprung der altspanischen Epik ohne allzu große Mühe wegerklären lassen,80 ist die These von den spanischen Westgoten als Tradenten der Walter-Überlieferung mit ihrer extrem langen Latenzzeit heute weitgehend aufgegeben. Es ist das bleibende Verdienst Peter Dronkes, 1977 den Blick der GaiferosForschung von Spanien auf die Südhälfte des mittelalterlichen Frankreich umorientiert zu haben; dort ist er zu Recht bis heute geblieben – allerdings mit sehr unterschiedlichen Resultaten.

Geographische Absicherung: in Südwestfrankreich wurde im späteren 11. Jh. die Walter-Handlung zumindest in der Form des Waltharius-Epos bekannt Ich selbst würde vielleicht die Walter-Gaiferos-These nicht wieder aufgreifen, wenn nicht, wie oben schon kurz berührt, noch ihrem markantesten rezenten Vertreter, Victor Millet (1998), in seiner insgesamt wichtigen und weiterführenden Arbeit ein handwerklicher Fehler unterlaufen wäre: ihm ist entgangen, dass das heute Pariser Ms. («P») des Waltharius, das älteste vollständig erhaltene Manuskript und nach Streckers Urteil das beste Manuskript der besten Familie, schon 1959 von Élisabeth Pellegrin definitiv Fleury (Saint-Benoît-sur-Loire) zugewiesen werden konnte; dazu kommt, dass es kürzlich auch eindeutig in die erste Hälfte des 11. Jh. datiert wurde.81 Wenn nun Millet – als einen zentralen Punkt seiner Darlegungen – wahrscheinlich zu machen sucht, dass die Walter-Sage vor 1100 zwar nicht notwendigerweise dem Floriacenser Mönch Rodulfus Tortarius selbst, doch in dessen Lebensbereich und zwar räumlich wohl noch weiter südwestlich bekannt war, so muss seine Leserschaft glauben, diese sei sonst nur in der fernen Germania belegt; denn selbst aus der Person des Gualter del Hum im Rolandslied lässt sich

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Rotlane, Bertlane in der Nota Emilianense zeigen allerdings eine andere Entwicklung – und eine andere Problematik, die hier nicht zur Diskussion steht. Auch dass vereinzelte Hagionyme aus dem Lat. auf -os statt -o ausgehen (Marcos, Mateos neben Mateo), steht Obigem nicht entgegen. Millet 1998, 19–26, 205–207. Strecker in der Waltharius-Edition 1951, 5s., 10s., 14s., Pellegrin 1959, 25–43, M. Tischler 2001, 1142–1156, speziell 1153s. mit n. 776.

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ja die Walter-Handlung nicht erschließen. Doch in Wirklichkeit stand, als Rodulfus schrieb, das heute beste Waltharius-Manuskript seit einem halben Jahrhundert in der Bibliothek seines eigenen Klosters! Da dürfen wir doch sicher sein, dass ein so neugieriger, für Erzählungen aufgeschlossener Literat wie Rodulfus die WalterSage zumindest in der Form des Waltharius kannte. Und sicher nicht nur er: denn da, worauf ich oben hingewiesen habe, unter den schon im frühen 11. Jh. mehr als dreihundert Mönchen des Loire-Klosters Fleury gewiss auch mancher Südfranzose war und da La Réole, eines der wichtigsten Klöster der Gascogne, überhaupt Priorat von Fleury war, ist eine Kenntnis des Walter-Stoffes im südwestlichen Frankreich um 1100 nicht etwa geographisch unwahrscheinlich, sondern a priori sehr wahrscheinlich! Damit hoffe ich aus der Diskussion erstmalig und hoffentlich endgültig den grundsätzlichen geographischen Vorbehalt des vermeintlichen gesunden Menschenverstandes ausgeschaltet zu haben, der sichtlich auf ihr lastete, obwohl ihn selten jemand so unbefangen aussprach wie Karl Strecker gegen Menéndez Pidal.82 Strecker hielt nämlich das Ms. P noch für unlokalisierbar, kannte die Verbindung Fleury-La Réole nicht und wusste nicht, dass die Entscheidung über den Zusammenhang nicht im Spanien des 16. Jh., sondern im südwestlichen Frankreich des 11. –13. Jh. gesucht werden muss; deshalb sein simples geographisch begründetes Fazit: «der Waltharius müsste also im 16. Jh. in Spanien bekannt gewesen sein. Das wahrscheinlich zu machen reichen die wenigen Anhaltspunkte aber nicht aus.» Punktum. Um ein Missverständnis zu vermeiden: ich möchte mit dem obigen Nachweis keineswegs ausschließen, dass bis nach Südwestfrankreich neben dem Waltharius auch mündliche Varianten der Walter-Sage kursiert haben mögen. Denn erfahrungsgemäß zieht ja die Kenntnis eines Stoffes auch ein Interesse für seine Varianten nach sich (‘dort, woher wir das Manuskript haben, erzählen manche auch…’). Die Bekanntschaft mit dem erhaltenen Waltharius ist also sozusagen nur das Minimum, hinter das meines Erachtens die Diskussion in geographischer Hinsicht nicht zurückfallen sollte. In der Tat haben ja von den bisherigen Untersuchern der Walter-Gaiferos-Beziehung nur Morley (1925) und Aubrun (mit starken Reserven, 1958–1961) mit dem erhaltenen Waltharius als Ausgangspunkt gearbeitet, hingegen schon Menéndez Pidal mit einer von ihm selbst aus allen Zeugen der Walter-Sage rekonstruierten Erzählung; da darin aber þiðreks saga, Biterolf und Waldere nur je einen – die beiden letzteren sogar nur einen ziemlich trivialen – Punkt zur Rekonstruktion beitragen, ist der Unterschied nicht allzu groß.83 Bei Dronke (1977) wiederum ist das Neue und Richtige sein Blick auf Südwestfrankreich, aber forciert und wahrscheinlich verfehlt ist sein Versuch, schon Marcabru zu einer Zwischenstation zwischen Germania und Ibero-Romania zu machen, indem er ihm eine Waifar-Gestalt abpressen

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Strecker 1941, 375. Cf. im einzelnen unten n. 89.

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will, die nicht nur in der Tat (durch das baus-Motiv) zur Verschmelzung mit Walter einlädt, sondern die diese Verschmelzung bereits voraussetzen soll.84 Gerade weil damit Marcabru als Zwischenstation zwischen der Germania und der iberischen Halbinsel nicht die erwünschte Eindeutigkeit aufweist, hat Millet (1992 und 1998) seine Argumentation vielmehr auf Rodulfus Tortarius abgestellt. Millets Ansatz ist methodisch breiter. Die Walter-Fabel gehöre im Prinzip unter das «esquema de la conquista amorosa con rapto consentido».85 Aber die Tatsache, dass sie in der Germania immer, doch in verschiedenem Grade, «nibelungisiert»,86 d.h. mit der weitläufigen Nibelungen-Fabel verquickt ist (in der þiðreks saga nur durch die Gestalt Hagens, sonst durch Gunther und Hagen), mache es (gegen Menéndez Pidal und Dronke) notwendig, sie zunächst durch vorsichtigen Vergleich aller Zeugnisse aus der Germania zu «denibelungisieren» und zugleich ihre Spezifika herauszuarbeiten.87 Als das vielleicht wichtigste Spezifikum dieser ursprünglichen Form der Sage stellt Millet – wie ich glaube, zu Recht – heraus, dass der Protagonist beim Zerschellen seines normalen Schwertes über ein zweites Schwert verfügen kann, das ihn rettet, und zwar nach Millets Meinung ein berühmtes Schwert, vielleicht – aber hier wird Millet unsicher – eines, das ihm Hildegund aus Attilas Besitz zugebracht hat.88 Im Waltharius, so dürfen wir hinzufügen, ist dieses zweite, rettende Schwert immerhin, wenn auch nicht Attilas, so doch ausdrücklich ein hunnisches Schwert.

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Cf. n. 46 und 47. Millet 1998, 79s. Cf. jetzt auch Millet 2008, 109: «Das Grundmuster der Sage ist eine Brautraub-Flucht-Geschichte.» Ich benutze «nibelungisiert» / «denibelungisiert» statt «burgundisiert» / «deburgundisiert», da im Waltharius Hagen und Gunther gerade keine Burgunder sind, wohl aber Heririch und Hildegund, und da im Deutschen «Nibelungen-Sage» viel gängiger ist als «Burgunder-Sage». Millet 1998, 79–94. Das Verfahren ist nicht nur legitim, sondern wohl auch notwendig, hat aber seine Schwächen, insofern es den Forscher der Versuchung aussetzt, unbewusst auf das gewünschte Ergebnis zu schielen. Millets Neigung, das Goldmotiv herunterzuspielen (op. cit., 85), und seine Tendenz, Brautraub (nicht gemeinsame Flucht von Verlobten) als Grundstruktur der Walter-Fabel zu postulieren (op. cit., 79 u. ö.), passen verdächtig genau zu WH 173. Cf. die Kritik bei Heintze 1997, 137 und 138. Millet stützt sich nicht nur auf den Waltharius, sondern, wie ich glaube, zu Recht speziell auf die Waldere-Fragmente (Millet op. cit., 43–48); die faszinierende Vorstellung, dass Walter dieses zweite Schwert durch Hildegund aus Attilas Besitz haben könnte, ventiliert Millet p. 47 und 88; zu ihr cf. unten Teil III, p.109–111. In der þiðreks saga gebraucht Walter im ersten Kampf sein normales Schwert, im zweiten Kampf ist an die Stelle des zweiten Schwertes der Schenkelknochen des von den beiden Flüchtigen gerade verzehrten Wildebers getreten, dessen sich Walter bedienen muss, weil ihm gegen den herangeschlichenen Hagen keine Zeit mehr für den Griff zur Waffe bleibt (Millet op. cit., 87). Ich halte dies für eine Übernahme aus Walters (gegenüber der þiðreks saga etwa zwei Jahrhunderte älterer) Mönchsgeschichte, wo mir das Motiv auch wegen seiner biblischen Herkunft (Richter 15.15–17) näherliegend erscheint (das dort von Walter dann zusätzlich einem der Räuber entrissene Schwert ist eine sekundäre ad-hoc-Erfindung, um amplifizierend den weiteren Sieg über die ganze Bande erzählen zu können); umgekehrt allerdings Dronke 1977, 49.

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Status, Name, Heimat, Goldringmotiv und Handlungselemente als Gemeinsamkeiten der Walter- und der Gaiferos-Gestalt Die bisherige Forschung hat beim Vergleich zwischen der Walter-Sage und WH 173 vor allem die Handlungsparallelen untersucht.89 Vielleicht würde ich ihnen zum Trotz doch zögern, einen genetischen Zusammenhang zwischen Walter-Sage und Gaiferos anzuerkennen, wären da nicht Status, Name, Heimat und Goldringe der beiden Protagonisten; sie sind meines Erachtens bisher nicht stringent genug parallelisiert worden. Es waren nebeneinander in Südwestfrankreich wohl schon

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Auf knappe Weise den besten Eindruck von diesen Parallelen zu vermitteln scheint mir auch heute noch (trotz der Kritik von Millet 1998, speziell 9, 27s., 77s., 139–141, und Millets eigener Parallelisierung, 180–189) Menéndez Pidals Zusammenstellung, 1953, 298s. Nicht übersehen darf man dabei freilich, dass Menéndez Pidal auf Grund seiner traditionalistischen Grundhaltung 1) statt des Waltharius vereinzelt die Walter-Handlung im Biterolf, der þiðreks saga oder dem Waldere heranzieht, und dass 2) nach seiner (meines Erachtens richtigen) Überzeugung neben der Gaiferos-Romanze WH 173 auch die in Katalonien, Südfrankreich und Piemont bekannte Ballade La Escriveta an der Gemeinsamkeit teilhat; im Folgenden bezeichnet demnach Gaif. = Gaiferos, Escr. = Escriveta, Walt. = Waltharius. «[1] La hija de un rey (Gaif. Escr. Walt.), rey llamado Enrique, es desposada muy niña (Escr. Walt.) con Gaiferos, que es también de poca edad (Gaif. Walt.). Él, dejando a su esposa crecer, sirve en la guerra (Escr. Walt.). El rey Moro roba a la niña (Gaif. Escr.), a la cual trata como hija (Gaif. Escr. Walt.); ella se hace núbil en la cautividad, y el Moro le confía las llaves del tesoro (Escr. Walt.). Al regresar de la guerra Gaiferos, es incitado a rescatar a su esposa; probablemente le incita su suegro el rey (Gaif.), más bien que su madre (Escr.). [2] Gaiferos resuelve airadamente el ir a rescatar su esposa, y pide armas para ello (Gaif. Escr.). [3] Volverá con la esposa o le matarán los moros (Gaif. Escr.). [4] En busca de la esposa, encuentra a un cautivo u otro personaje que le da informes (Gaif. Escr.). [5] Ve a su esposa en una ventana del palacio del rey Moro (Gaif. Escr.). [6] Presentimiento y tristeza de la esposa (Gaif. Escr.). El esposo, cuando va a proponer la fuga a su esposa, bebe antes en la copa que ella le da (Escr. Walt.). [7] Ella le dice que la quieren casar con un moro (Gaif. Escr.; el desposorio de Walter se ve amenazado en su destierro, pues le quiere casar Átila). [8] Reconocimiento (Gaif. Escr.). Proyecto de fuga (Gaif. Escr. Walt.). Ella hace dormir al Moro (Escr. Walt. variante del Biterolf); toman el mejor caballo del establo y la esposa sustrae riquezas del tesoro real (Escr. Walt.). [9] Cuando el Moro se despierta (Escr. Walt.), se lamenta desesperadamente y manda perseguir a los fugitivos (Gaif. Escr. Walt. en la variante de Thidrikssaga los perseguidores son enviados por Átila). La doncella anima a su esposo para que combata con sus perseguidores, y le infunde confianza en su caballo o en su espada (Gaif. Waldere anglo-sajón). [10] El esposo fugitivo hace que su esposa entre en un bosque mientras él combate con los perseguidores (Gaif. Walt.). [11] Vencedor en el combate, vuelve a buscar a la esposa; ella se dispone a vendar las heridas (Gaif. Walt.). [12] Puestos de nuevo en camino, ‹de noche por los caminos, de día por los jarales›, los fugitivos reciben nuevo sobresalto al ver acercarse un caballero suspechoso o dos perseguidores (Gaif. Walt.) [13] Llegada a la patria y fiestas (Gaif. Walt.).» Allerdings kann die Ähnlichkeit des nur in einer einzigen Aufzeichnung der Escriveta vorkommenden Namens Enrique mit dem Heriricus des Waltharius (Teil von Punkt [1]) zufällig sein; beanstanden kann man ferner, dass das Zuschneiden der Motive manchmal mit Blick auf das Ergebnis erfolgt.

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im späteren 11. Jh., sicher aber vor 1150 bekannt: zum einen, wie wir gesehen haben, ein einheimischer König Waifarius / G(u)aif(i)er(ius) von Aquitanien, charakterisiert durch den Besitz eines beneidenswerten Schatzes von Goldringen, den sprichwörtlichen baus Gaifier; zum anderen nunmehr auch – zumindest durch den schriftlichen Waltharius – ein König 90 Waltarius91 / G(u)alt(i)er von Aquitanien, charakterisiert durch den Besitz eines beneidenswerten Schatzes von Goldringen, nämlich jener armillae, die den Waltharius wie ein Leitmotiv durchziehen (v. 266, 613, 662s., 1193, 1404). Als man in Aquitanien die Jugendgeschichte dieses Walter von Aquitanien kennenlernte, muss man sie mit freudigem Interesse bewillkommnet haben: ein berühmter Sohn der Heimat. Und man muss sich gefragt haben: war er bisher dort wirklich unbekannt? Die Namen ‘Waifarius bzw. G(u)aif(i)er von Aquitanien’ und ‘Waltarius bzw. G(u)alt(i)er von Aquitanien’ unterschieden sich nur in zwei Phonemen bzw. zwei Graphemen. Man könnte sogar sagen: in knapp zwei Graphemen. Denn bevor gegen 1200 das i-Strichlein (der Vorläufer des heutigen i-Punktes) etwas häufiger wurde, unterschieden sich das und das nur durch die Länge; auch danach hing die Unterscheidung weitgehend davon ab, ob das i-Strichlein vom Hauptstrich sauber getrennt blieb. Ferner hatte das meist keine Unterlänge und war dadurch dem ähnlich, speziell seit in Frankreich in der zweiten Hälfte des 12. Jh. einerseits das unten einen kleinen weiterführenden Bogen nach rechts bekam (wie ihn das schon hatte), andererseits das oberhalb des Querstrichs eine klare Oberlänge ausbildete (wie sie das dort schon hatte).92 Diese phonische und mehr noch graphische Ähnlichkeit von G(u)aif(i)er(s) und G(u)alt(i)er(s) erweist ihre psychologische Realität in der altfranzösischen Literatur auch sonst in gelegentlichen Übergängen. So zählt das Couronnement de Louis93 nach den meisten

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So ja nach dem Waltharius-Schluss, speziell v. 1450. Der Name wird im Mittellat. der Galloromania sehr oft mit -t- statt -th- geschrieben; eine Fülle von Belegen dafür bei Morlet 1971–1972, I 213. Auch in der handschriftlichen Überlieferung des Epos muss diese Graphie häufig sein; cf. global dazu (leider ohne Einzelnachweise!) Strecker s. v. Waltharius im Namenindex seiner Edition 1951. Wilmotte 1918, 20 n. 1, erwähnt, dass das Manuskript P [also das aus Fleury] in den v. 1–362 und 620–811, also in etwa zwei Dutzend Vorkommensfällen des Namens, kein -th- aufweise. Von den alten Bibliothekskatalogen haben einfaches -t- die von Stavelot, Egmond, Toul (hier für alle drei Exemplare), Lobbes und der Katalog Bern 4 des unidentifizierten, am ehesten belgischen Klosters; cf. Strecker in seiner Edition 1951, 2s., sowie oben Teil I, n. 187 und 188. Der Chroniker der Novalesa schreibt zunächst (cap. 3) Vualtarius, dann, als er zu den Distichen kommt (cap. 7), Uualtharius, fällt bei der Vorstellung der Personen des Epos (cap. 8) in Vualtarius zurück, hält in den Zitaten und der Periphrase des Epos (cap. 9) Vualtharius durch und benutzt schließlich bei den Mönchserzählungen (cap. 10–12) beide Formen promiscue; unbeeinflusst schriebe er also zweifellos ständig Vualtarius. Man vergleiche etwa die und das (in utilitas) sowie das und das (in perfectibus) im Art. Gotische Buchschrift des LM von G. Karpp, Abb. 1 (12. Jh., zweite Hälfte). Ed. Langlois 1925, v. 564–569, speziell 567.

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Mss. (und dem kritischen Text) zu den zwölf Pairs auch Gualtiers, zweifellos Gualter del Hum. Hier lag der Einwand nahe, Gualter als Rolands Lehnsmann könne nicht zu den zwölf per definitionem ‘Gleichen’ gehören; wohl deshalb ersetzte ihn die Handschriftenfamilie A durch Gaifiers, d.h. durch jenen Gaifier, der immerhin in Ms. O des Rolandsliedes und wohl auch in der Cansó d’Antioca zu den Pairs zählt (zu beiden s. oben). Die Änderung war dann zwar eine bewusste, die Wahl des Namens Gaifier aber durch die Ähnlichkeit nahegelegt. Einen Austausch in umgekehrter Richtung bringt schon Dronke94 bei: im einzigen Manuskript des Jourdain de Blaye (um 1200) heißt der unmittelbare Lehnsherr des Herrn von Blaye – nämlich unser südwestlicher Unter-König – bei der Erstnennung Gautier, später richtig Gaifier. Hier reicht zur Erklärung die Annahme, dem Kopisten (dessen Sprache lothringisch-wallonische Spuren zeigt) sei der Name Gaifier wenig geläufig gewesen;95 so «verbesserte» er ihn zunächst in den nächstliegenden Namen Gautier, vertraute später aber doch der Vorlage.96 Immerhin zeigen solche Fälle, dass ein Übergang zwischen beiden Namen gleichsam in der Luft lag. Da nun in unserem Fall das Endprodukt einerseits den genauen Protagonistennamen mit der Gaifier-Seite, andererseits die Grundzüge der Handlung mit der Walter-Seite, schließlich Status, Herrschaftsbereich und eine weitgehende Ähnlichkeit des Protagonistennamens mit beiden teilt, kann ich nicht an einen Zufall glauben. Freilich dürfte es sich genaugenommen nicht um einen schöpferischen Irrtum, sondern um einen kleinen coup de pouce an der Namensform handeln, und schon war die Story von dem im Südwesten bisher nichtssagenden Namen Walter auf den geliebten heimischen Gaifier umgepolt, und zwar offensichtlich – das ist insbesondere in chronologischer Hinsicht wichtig – , ohne dass sich zwischen beide der ganz unähnliche Name Beuve / Bovo geschaltet haben kann. (Was die konkurrierende Beuve-These betrifft, weist Heintze zwar zu Recht darauf hin, dass beim Übergang eines Handlungsgerüstes aus der Epen- in die Romanzenliteratur auch sonst gelegentlich der Protagonistenname wechselt, so dass man diesen Wechsel nicht gegen seine Beuve-These ins Feld führen könne.97 Doch gilt auch, dass,

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Dronke 1977, 57s. In der Tat kann Morlet 1971–1972, I 107a [Fehleinordnung] und 222b, für den Namen Waifar nach sechs Belegen aus dem 9. Jh. nur noch drei aus dem 10. Jh. aufführen (wobei von allen höchstens zwei aus der Nordhälfte Frankreichs stammen). Aus dieser relativen Fremdheit des Namens für manche Nordfranzosen des 12. und 13. Jh. erklärt es sich auch, dass in mehreren Epen sarazenische Komparsen Gaifier heißen; cf. Moisan 1986, s. v. Dronke fragt sich sogar, ob nicht schon der von ihm beigebrachte Fall auf eine zeitweilige Austauschbarkeit beider Namen deute, die eben durch die Übertragung der Walter-Fabel auf Waifar bedingt sei. Das bleibt unbeweisbar, solange es eine weniger spektakuläre Erklärung gibt. Heintze 2000, 375–377, betont unter anderem, dass Beuve sich, um ungestört an den Verräter heranzukommen, in der Rache-Szene anfangs Giraut (var. Gerart, Aïmer, Milon) nennt – ja, aber eben nicht Gaifier, und wo wäre ein solcher ausdrücklich als Verkleidung eingeführter Name von Rezipienten bzw. Nachdichtern je als der eigentliche Name

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wenn von zwei Thesen die eine einen Eigennamen in Quelle und Nachahmung verbinden kann, die andere nicht, dies ein Pluspunkt der ersteren ist. Diese Logik ist bei der Person des Bradmund-Abrasmonte Heintzes These zugute gekommen; jetzt muss sie, hier sogar beim Protagonisten und deshalb a fortiori, der WalterThese zugute kommen.) Doch nun zu der Handlung! Zu ihrer Grundstruktur sei hier daran erinnert, dass es sich vom Beginn der Flucht an bei Walter und Hildegund wie bei Gaiferos und Melisenda prinzipiell um die Geschichte der gefährdeten Heimkehr eines Paares handelt; «von der Schwierigkeit heimzukehren» überschreibt sie zu Recht Walter Haug. (Von Beuve und Josiane kann man Entsprechendes nur cum grano salis sagen; denn abgesehen davon, dass die noch ungetaufte Josiane in einem viel tieferen Sinne in die Fremde zieht als Hildegund und dass sie in Köln zeitweilig zurückgelassen wird, ist Höhepunkt und Ziel des allein hier interessierenden Teils der Handlung in allen Fassungen nicht Beuves bloße Heimkehr, sondern erst die Wiedererringung seines Erbes und die Bestrafung des Mörderpaares. Für WH 173 wird also die Walter-Handlung zur Quelle, weil ein Erzähler bewusst ihre Grundstruktur vom Beginn der Flucht an auf Gaifier überträgt, die Beuve-Handlung hingegen, weil sie in der Abenteuer- und Liebeshandlung ihres ausgedehnten Mittelteils Partien bietet, die zum Einbau in den Mittelteil von WH 173 reizen.) Unter den Details des Walter-Gaiferos-Vergleichs beeindruckt mich schon die wenig beachtete Tatsache, dass so, wie Attila und seine Frau gegenüber beiden Geiseln elterliche Gefühle hegen, es auch von Almanzor ausdrücklich heißt, er behandle Melisenda gütig como a su hija carnal (v. 127).98 Denn während – einmal abgesehen von Walters und Hildegunds individuellen Qualitäten – eine gute Behandlung von Geiseln immerhin auch im Staatsinteresse liegt, ist väterliche Güte bei einem Herrscher, der Melisenda gekidnapt hat und in den Orient verheiraten will, nicht a priori einleuchtend. (Heintze99 nimmt demgegenüber an, die Gestalt des Almanzor sei amalgamiert aus dem [doch hochgradig unsympathischen] Yvori und dem [verräterischen] König Hermin der Beuve-Handlung. Dies scheint mir eine papierene Konstruktion, die mit der klaren funktionalen Parallele zwischen Attila und Almanzor nicht konkurrieren kann.) Wenn der Protagonist unvermittelt vor dem gleichzeitigen Kampf mit mehr als einem Gegner steht, dirigiert er seine Gefährtin in Eile in ein nahes Wäldchen oder Gebüsch: Walth. 1222 luco succede propinquo ~ WH 173, v. 210 en esta grande

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verkannt worden? Wenn übrigens der Justamon(t) der Saisnes im Span. umbenannt ist in Nuño Vero (Heintze 2000, 377), so führte just- doch wohl auf vero, und die sieben Hasten von *-mun (einer leicht dialektalen Graphie für -mon, das in diesem Namen sehr gut neben -mont belegt ist, cf. Moisan 1986 s. v.) dürften die sieben Hasten von *nunisuggeriert haben, das dann auf den präexistenten Namen Nuño führte; die Umbenennung wäre dann also nicht willkürlich. Ähnlich auch der Maurenkönig die entführte christliche Königstochter in der Escriveta (cf. oben n. 89). Heintze 2000, 351s.

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espessura podréys, señora, aguardar. (Auch Heintze100 führt unter den Parallelen zwischen der Beuve- und der Gaiferos-Handlung an: «la fiancée qui de sa cachette observe le combat contre les persécuteurs». Doch ist die Situation – die sich nur in F II und F III findet – szenisch eine durchaus andere als im Gaiferos: während Beuve nicht allein, sondern mit der entscheidenden Hilfe Açoparts ein muslimisches Schiff kapert, also aggressiv, nicht defensiv agiert, ist Josiane – ohne dass wir von einer auf ihren Schutz gerichteten Aufforderung durch Beuve hören – einfach zurückgeblieben, und zwar in F II in der Höhle, in der vorher das Paar und der begleitende Açopart einige Tage gehaust haben, cf. v. 4293s., in F III am Rande eines Waldes, wo sie die Pferde bewacht, cf. v. 4311 und 4349. Zumindest im ersten Fall scheint mir «observe», zumindest im zweiten «cachette» die Situation nicht zu treffen.) Was die Details der Flucht betrifft, konstatieren Armistead und Silverman101 (1989) hier eine so große Ähnlichkeit, dass man zufällige Übereinstimmung ausschließen könne. Es geht im Waltharius um die Motivsequenz: nächtliche Fluchtstrecken + tagsüber Verstecktbleiben im Walde + Nahrungsbeschaffung aus der Natur + Liebesthema (laut dem geistlichen Autor lobenswerter Verzicht auf voreheliche körperliche Erfüllung) + Ankunft in Francia, entsprechend im Gaiferos um die Motivsequenz: Liebesthema (Liebesgespräche ohne körperliche Erfüllung) + nächtliche Fluchtstrecken + tagsüber Verstecktbleiben im Walde + Nahrungsbeschaffung aus der Natur + Ankunft in Francia. Der vorgeführte Parallelismus bleibt eindrucksvoll, auch wenn genaugenommen das Paar im Gaiferos tagsüber trotz seines Verstecktbleibens por los xarales weiterzieht, die Nahrung im Waltharius aus Vögeln und Fischen, im Gaiferos aus yervas verdes y agua si pueden hallar besteht und Francia nicht beidemal dieselbe Bedeutung hat. Denn diese drei Unterschiede können einfach, um es mit einem Wort der Märchenforschung zu sagen, ökotypisch bedingt sein. Der erste ergibt sich aus unterschiedlichen Raumvorstellungen: der Waltharius-Autor rechnet von Ungarn bis zum Rhein realistisch vierzig Tage- (bzw. Nacht-) Reisen (v. 428), so dass sich ein Marsch bei Tag und Nacht schlechthin verbietet; der Gaiferos-Autor gibt dem Gaiferos für den Ritt von Karls Hof nach Sansueña nur acht Tage, empfindet also in der Weise der spanischen Reconquista Islam und Christentum als räumlich enger benachbart. Der zweite Unterschied spiegelt den Gegensatz zwischen der vielfältigen, wald-undwasserreichen Landschaft längs der Donau gegenüber der kargeren Zentralspaniens. Der dritte resultiert daraus, dass der jüngere Autor in den geographischen Begriff Francia automatisch die gewohnte Bedeutung hineinlegt. Armistead hat kurz darauf 102 die Parallelen an Hand moderner mündlicher Fassungen des Gaiferos noch wesentlich verfeinern können: dort findet man wie im Waltharius auch die Szene, in der, während der Held eingeschlafen ist, seine wachende Begleiterin das Her-

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Heintze 2000, 343, cf. 342 mit n. 61. Armistead / Silverman 1989, 36–42, die obige Zusammenfassung 41. Armistead 1989–1990, passim.

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annahen eines bzw. mehrerer Bewaffneter wahrnimmt und ihn weckt. (Im BeuveCorpus gibt es für das fliehende Paar nur in F I 4055–4058 eine ganz kurze Szene des Ausruhens und Liebkosens, das aber dort sogleich durch die Ankunft des noch feindlichen Açopart v. 4101ss. brutal unterbrochen wird. Wegen einer geringfügigen inhaltlichen Ungereimtheit denkt Heintze103 sich diese Szene im Ur-Beuve expliziter und damit dem Gaiferos ähnlicher. Ist hier die Konstruktion des Ur-Beuve wirklich noch frei von einem Seitenblick auf den Gaiferos?) Sympathische Erwägung verdient schließlich Dronkes104 Parallelisierung Hagens (ursprünglich Freund, dann Feind, schließlich wieder Freund) mit Montesinos (ursprünglich Freund, dann vermeintlich Feind, schließlich wieder Freund). Dabei schlägt sehr zu Buche, dass der Protagonist seiner Begleiterin gegenüber als gefährlichen Gegner nur Hagen (Walth. v. 567–569) bzw. den einzelnen Reiter (WH 173, v. 267s.) bezeichnet, der sich dann als Montesinos entpuppt. (Heintze hingegen vergleicht, wenn ich ihn recht verstehe, Montesinos zunächst mit Escopart [~ Açopart]; denn die Vergleichselemente: «la rencontre [des fliehenden Paares] avec une personne qui d’abord apparaît comme une menace aux fuyards et puis se révèle être leur ami; le retour du couple avec leur compagnon»105 können sich nur auf Escopart beziehen. Doch ist der aus der Fremde auftauchende ungeschlachte, noch muslimische Riese, der erst besiegt werden muss, vergleichbar mit Gaiferos’ den Rezipienten schon bekanntem ritterlichem Freund? Kurz danach setzt Heintze aber Montesinos auch mit den christlichen Kaufleuten gleich, die das Paar an Bord nehmen: «Quant à sa source [scil. der gelingenden Flucht des Paares], on ne peut être relativement sûr que de ceci: elle doit avoir contenu la rencontre avec les commerçants qui prennent à bord les fuyards, car cet événement constitue vraisembablement la base propre pour la rencontre du couple amoureux avec Montesinos.»106 Hier ist nun die visuelle Ähnlichkeit der verglichenen Szenen nahezu Null. Aber selbst gesetzt, man akzeptiert den hohen Abstraktheitsgrad des einen wie des anderen Vergleichs – sollen denn wirklich beide Szenen gleichzeitig die Montesinos-Szene angeregt haben? Noch eine Amalgamierung?) Doch für eine faire Beurteilung der Walter-These müssen wir auch die Gegenprobe machen, d.h. die immerhin eingetretenen, nicht unwichtigen Handlungsverschiebungen im Gaiferos erklären. Das erweist sich als ziemlich einfach. Erstens, à propos Sansueña, wo Melisenda gefangen ist (WH 173, v. 35, 98, 109, 113, 156): Außer im Rolandslied kommen in der altfranzösischen Epik die Hunnen nicht vor, und zumindest den Südwestfranzosen und Spaniern bedeutete auch der Name Attila so gut wie nichts. Frankreichs großer epischer Feind im Osten waren vielmehr die Saisnes (< Saxǂnes), die ‘Sachsen’ zunächst in der frühmittelalterlichen Bedeutung des Wortes als heidnischer Stamm, also in der

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Heintze 2000, 349. Dronke 1977, 52–55. Heintze 2000, 343. Heintze 2000, 345.

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Hauptsache den heutigen Westfalen und Niedersachsen entsprechend – wobei aber im späteren epischen Bilde dieser Karlszeit-Sachsen auch die für Frankreich bedrohlich-demütigende Macht der Ottonen und noch der Salier mitklang und so die Aversion über den silence des siècles hinweg aufrecht erhielt. Wahrscheinlich ist schon innerhalb Frankreichs für Attilas (im Waltharius nur sehr vage als donauländisch charakterisierte) Residenz vielmehr ‘Sachsen’ eingetreten. Es sei daran erinnert, dass Gaifier ja nach der Langfassung der Saisnes und nach dem Renaut de Montauban dereinst in Sachsen fallen wird.107 Wenn ferner Millet recht hat, dass die Walter-Sage Südwestfrankreich [ich füge hinzu: auch] in anderer Form als durch den Waltharius erreichte, wird hier zudem der (von Millet übersehene) Umstand relevant, dass in der þiðreks saga, die ja doch eine wichtige Form der Walter-Sage wiedergibt, Attila überhaupt in Soest und damit im mittelalterlichen Sachsen residiert; die Versetzung der Handlung vom Donauland in die Saxonia wäre damit schon vorfranzösisch geleistet. Nun entsprechen sich ja lautgerecht mittellat. Saxǂnia / Saxǀnia ~ altfrz. Saissoigne (gelegentlich Sass-, Sans-, Sens-, vereinzelt -oine, -onne) ~ altokzit. Sancsueyna / Samsuenha (normalisiert *Sansuenha) ~ span. Sansueña;108 doch ist im Gaiferos dieses Sansueña nach Ausweis des Kontextes – nämlich als Residenz des (wie in der realen Geschichte) immer muslimisch-südspanischen Almanzor, die man aus Frankreich auf dem Landwege erreicht – zu einer nicht näher lokalisierten Stadt im maurischen Spanien geworden. Diese Verlegung von Sansueña war umso natürlicher – um nicht zu sagen: unvermeidbar – , als Gaifier, ein Mann des französischen Südwestens, ja schon in einer breiten altfranzösisch-altokzitanischen Tradition (wie wir gesehen haben, vertreten durch das Rolandslied-Ms. O, den Pseudo-Turpin, die Cansó d’Antioca, die Chronique saintongeaise und den Gaydon) dereinst in Roncevaux sterben sollte, also ein Glaubenskämpfer gegen die Mauren war, und sie war umso erwünschter, als damit schon die Großtat des jungen Gaiferos auch in spanischen Augen den Mehrwert des Glaubenskampfes bewahrte.109

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Cf. oben p. 54s. Cf. Menéndez Pidal 1953, 204–206, Millet 1998, 172–175, und vor allem Millet 1999, passim, deren Materialsammlung ich dankbar augebeutet habe. Die im Altokzit. (gegen das Altfrz.) eingetretene Diphthongierung ist zu vergleichen mit den dort als Varianten belegten Namensformen G(u)ascuenha und Cataluenha, cf. Wiacek 1968 s. v. Die obige Darlegung setzt natürlich voraus, dass die Verlegung von Sansueña nach Südspanien primär im hier besprochenen Stoffzusammenhang erfolgte und deshalb an dieser Stelle erklärt werden muss, während in der wenig verbreiteten Romanze von Calaínos Übertragung aus unserer Romanze vorliegt und im Marqués de Mantua überhaupt unklar bleibt, wo der dort erwähnte rey de Sansueña als Karls Vasall herrscht; so Millet 1999, passim. – Menéndez Pidal 1953, 204–206, vertrat demgegenüber die Auffassung, der Begriff Sansueña sei mit der Handlung der Saisnes (für die er natürlich zentral ist) nach Spanien gekommen und in den aus ihr entspringenden Romanzen von Balduin umgedeutet worden; allerdings ist er in diesen (anders als in der Gaiferos-Handlung) dann weitgehend durch Sevilla ersetzt worden, wobei zweifellos – unlogisch, aber psychologisch einleuchtend – der Umstand wirkte, dass die Heidenkönigin der Saisnes gerade Sebile hieß. Wenn Menéndez Pidal Recht hat, erfolgte im Gaiferos die Umlokalisierung um so

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Zweitens: aus dem Lande eines mächtigen Feindes nebenbei einen Goldschatz zu entwenden steht einem Großen der Karolingerepik durchaus an (man denke etwa an die von Skrupeln unbeschwerten Wilhelmsepen), dem Cid wahrscheinlich auch noch (Raquel und Vidas gäben mir Recht), aber einem Grande des späten 15. Jh. mit kastilischer Ehrauffassung wohl nicht mehr; so schwindet – doch wohl erst allmählich110 – das Schatzmotiv aus der Handlung. Und drittens: dass Gaiferos’ Königstitel in der Vorstellungswelt der Romanzen fehlt – obwohl Gaiferos auch dort Karls Schwiegersohn bleibt – kann einfach daran liegen, dass die Romanzen nur von dem jungen Gaiferos erzählen, oder aber daran, dass sie auch sonst eine einfachere, weniger gegliederte Vorstellung von Karls des Großen Hof und Reich haben als die Karolingerepik selbst und man eben in Spanien nie Grund hatte, Aquitanien als Königreich, und sei es als Unterkönigreich, zu sehen.

Der Kompromiss zwischen der Walter-These (A) und der Beuve-These (B) Damit dürfte eindeutig klar geworden sein, dass man auf die Walter- ebenso wenig wie auf die Beuve-These verzichten kann. Ich plädiere deshalb für eine Kombination beider. Spätestens gegen 1100 war Waifar von Aquitanien als positive Gestalt, ja als Karls Schwiegersohn und Unterkönig, in die karolingische Epik integriert und als solcher speziell in seinem einstigen Herrschaftsbereich Poitou-AuvergneGascogne, aber auch z. B. in Fleury an der Grenze Aquitaniens bekannt. Seit spätestens 1050 war in Fleury auch der Waltharius vorhanden und konnte von da nach Aquitanien ausstrahlen, z. B. in Fleurys große Dépendance La Réole, eines der größten Klöster der Gascogne; dort wurde also die Walter-Sage zumindest in der Form des Waltharius bekannt. Angesichts der Identität von Titel und Herrschaftsbereichs und der großen Namenähnlichkeit des (Königssohnes, dann) Königs Waltarius-G(u)alt(i)er von Aquitanien mit dem König Waifarius-G(u)aif(i)er von Aquitanien und angesichts des beiderseitigen Goldringe-Motivs lag im französischen Südwesten die Übertragung der jugendlichen Großtat des bis dato Unbekannten auf den schon bekannten, aber noch durch keine jugendliche Großtat ausgezeicheneten «Unsrigen» geradezu in der Luft. Nachdem hier der zündende Funke über-

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leichter, als die neue Bedeutung des Begriffes schon bereitstand. – Heintze 2002, passim, arbeitet zwar (wie schon 1994, passim), die Wichtigkeit eines Cantar de Sansueña als Grundlage mehrerer Romanzen heraus, hält aber (2002, 878) im Calaínos gerade das Sansueña-Motiv für eine Übernahme aus dem Gaiferos, trifft sich also in diesem Detail mit Millet. Wenn man gegen Millet (1998, 9), aber mit Menéndez Pidal (cf. oben n. 89) und meines Erachtens zu Recht, die (katalanische, südfrz. und piemontesische, also großenteils noch cispyrenäische) Escriveta-Ballade in die genetische Beziehung miteinschließt, ist das sogar sicher: dort entführt das Paar (die gekidnapte christliche Königstochter und ihr verkleideter Verlobter) dem ebenfalls väterlichen Maurenkönig nämlich noch einen Goldschatz, erst im (transpyrenäischen) Gaiferos fehlt das Motiv.

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gesprungen war, wurde eben dadurch Gaifier als Narrationsträger dem reicheren Narrationsträger Beuve de Hantone ähnlich. Das lud, sobald eine Beuve-Version im Südwesten bekannt wurde,111 seinerseits ein zur großzügigen Übertragung von Handlungselementen daraus auf Gaifier, und zwar verständlicherweise zunächst von solchen, die damals in der volkssprachlichen Erzählliteratur eine Neuigkeit waren: den Liebesgesprächen; sekundär erzeugte es auch die Stoffgrundlage der späteren, marginalen Romanzen WH 171–172 und WH 174, zunächst wohl in der Form einer Chanson de geste. Im Gegensatz zu den beiden Einzelthesen ist die Kombinationsthese «zweistöckig», also logisch komplizierter; dafür wird aber die Gesamtheit der Fakten – Struktur und Onomastik – erklärt, und es wird hinter beiden Phasen der Entwicklung je eine einfache Triebkraft fassbar.

Bahlnjl ibn Marznjq Nun zu Bahlnjl ibn Marznjq!112 Mitte des 20. Jh. fand sich in einer Jerusalemer Privatbibliothek ein längeres Fragment der im Übrigen verlorenenen geographischhistorischen Beschreibung von al-Andalus aus der Feder des (Aতmad b. ૽Umar b.

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Wann entstand die erste (nicht erhaltene) Beuve-Erzählung? Selbst wenn das (nur in einem Ms. erhaltene) Ensenhamen des Guiraut / Guerau de Cabrera, das unter anderem schon den altfrz. Trojaroman und den Erec-Stoff (möglicherweise in einer Chrétienschen Frühfassung) kennt, von Guerau III. von Cabrera († wohl zwischen 1168 und 1170) und damit aus seinen allerletzten Lebensjahren stammt und wenn dort in de Viviana ni de Bovon (v. 138) der Frauenname in Josiana emendiert werden darf, was beides de Riquer wahrscheinlich gemacht hat, sehe ich keinen Grund, einen Ur-Beuve auf vor 1150 zu datieren. Sollte das Ensenhamen aber erst von Guerau IV. stammen, so sind zwischen 1187 und 1190 eine Anspielung auf Buf d’Antona bei Guilhem de Berguedan und zwischen 1191 und 1194 ein Sirventés el son de Boves d’Antona von Guiraut del Luc die ältesten Zeugnisse für die Existenz eines Beuve (cf. de Riquer 1957, 274s., 332–351). Zumindest dürfte also zwischen der Adaptation der Walter-Sage auf Gaifier und der Einwirkung des Beuve-Themas reichlich eine Generation verbleiben – etwa der nach unserer Kombinationsthese zu erwartende Zeitraum. Fradejas Lebrero 1982–1983, 1984 und 1988, passim. Ein merkwürdiges Schlaglicht fällt auf Fradejas’ Arbeitsweise schon dadurch, dass er Hildegund in allen drei Veröffentlichungen – insgesamt über 20-mal – konsequent Hitilgunda (sic) nennt, außer im Richthofen-Zitat, dessen Hildegund ihm aber wohl nicht nachahmenswert erschien. Die Lektüre des umfangreichen Aufsatzes 1982–1983 wird sehr dadurch erschwert, dass der Autor in hemmungsloser Weise vermeintlich lehrreiche Parallelen von Gilgamesch und Moses bis zur spanischen Literatur des Mittelalters, dazu umfangreiche Berufungen auf Propp, Campbell, Eliade, Dumézil und andere in den Haupttext (!) einfließen lässt, so dass man immer wieder den Faden zu verlieren droht. Ein Tiefpunkt der Darstellung ist der ‘Nachweis’, 1983, 13ss., der Waltharius sei ‘mythisch’, und die noch verblüffendere Folgerung, deshalb sei er jünger als die großenteils ‘historische’ Erzählung von Bahlnjl. (Wieviel einfacher als der heutige Forscher hatte es doch seinerzeit Heusler 1935, 75, wenn er ohne Furcht vor Widerspruch, nur im Bewusstsein seines eigenen – richtigen! – Urteils, sagen durfte: «Die Fabel von Walther und Hildegund gehört zu denen mit wirklichkeitstreuem Baustoff. Kein mythisches Jenseits spielt hinein.»!)

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Anas) al-૽UdhrƯ (gest. 1085); es wurde 1965 ediert, 1967 größtenteils ins Spanische übersetzt.113 Unabhängig von al-૽UdhrƯ ist uns über Bahlnjl nur weniges Elementares bekannt. In die arabische Historiographie tritt er unvermittelt ein, als al-ণakam I. Ende 796 Amrnjs, den Chef der Oberen Militärgrenze, nach Córdoba zurückbeordert: von Amrnjs’ Abwesenheit profitierend, kann ein Bahlnjl ibn Marznjq sich Huescas, bald auch Saragossas bemächtigen. Er lässt der fränkischen Führung in Aquitanien Geschenke überbringen und bittet um Frieden: Necnon et Bahaluc [sic] Sarracenorum ducis, qui locis montuosis Aquitaniae proximis principabatur, missos pacem petentes et dona ferentes suscepit et remisit [scil. rex Hludovicus] (Anonymi Vita Hludovici, cap. 8). Aber al-ণakam sendet ein Heer gegen Bahlnjl aus, das ihn aus Saragossa zunächst nach Hoch-Aragón vertreibt, und kurz nachdem al-ণakam 802 auch Amrnjs erneut als Chef an die Obere Militärgrenze schickt, findet Bahlnjl den Tod.114 Was al-૽UdhrƯ über Bahlnjls Aufstieg und Fall zu berichten weiß, lässt sich in diesen historisch gesicherten Rahmen zwar notdürftig einfügen, macht aber einen legendären Eindruck, weil es aus zwei bekannten Erzählschemata besteht. Zunächst zu Bahlnjls Fall, der Geschichte des Mannes, der sich ruiniert, indem er gerade dem Treuesten misstraut. ঩alaf ibn RašƯd ist sein Intimus, den er auch mehrfach als Boten ins christliche Aquitanien zum dortigen ‘Großen des Hauses’ schickt. Doch dieser empfiehlt Bahlnjl heimlich, ঩alaf zu töten, offenbar als angeblich verräterischen Boten. Bahlnjl ignoriert diesen Rat, bis seine Frau zufällig zu ihm sagt, er habe unter seinen Soldaten keinen stattlicheren als ঩alaf. Jetzt auch von Eifersucht geblendet, lässt er ঩alaf festnehmen und zum ‘Großen des Hauses’ schicken. Den Tod oder schwere Haft vor Augen, kann ঩alaf aber unterwegs durch einen Bediensteten seines Vaters seine gesamte Sippe mobilisieren, die dann seine fünfundzwanzig Wärter umbringt; bald danach kann er eigenhändig Bahlnjl in einer Höhle in Pallars töten. Al-૽UdhrƯ schreibt hier: ‘Amrnjs drang in Saragossa ein, bemächtigte sich der Stadt und regierte sie wieder einige Zeit; Bahlnjl ibn Marznjq wurde im Jahre 186 [= 802] umgebracht; ihn tötete ঩alaf ibn RašƯd in der Höhle, die noch Bahlnjls Namen trägt.’ 115 Man hat so den Eindruck, dass al-૽UdhrƯ das schriftlich vorgefundene Historische und das von ihm aus mündlicher Tradition Hinzugefügte harmonisiert. Diese Story von Bahlnjls Fall enthält eine immerhin bemerkenswerte Einzelheit: Bahlnjl wendet sich auf christlicher Seite nicht an einen ‘König’ – das wäre in der Historie der damals noch nicht zwanzigjährige König Ludwig von Aquitanien, der spätere Kaiser Ludwig der Fromme, sondern an den ‘Großen des Hauses’, was vermutlich eine Lehnübersetzung von ‘Majordomus’ ist, jedenfalls den bezeichnen soll, der de facto die fränkische Macht in Aquitanien

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Al-૽UdhrƯ, ed. ૽Abd al-૽AzƯz al-AhwƗnƯ 1965; de la Granja 1967. Von ibn Marznjq handeln die § 19 und 149–156. Fradejas 1982, 197s. Fradejas 1982, 191–194.

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handhabt – das wäre damals (bis 804) Graf Wilhelm von Toulouse, der spätere epische Willelme al curb nés. Der Titel ‘Majordomus’ kam ihm zwar nicht offiziell zu, da die Karolinger diesen Titel, nachdem sie über ihn zur Königswürde aufgestiegen waren, abschafften, um niemanden zur Nachahmung zu reizen; doch könnte er hier sehr wohl in inoffizieller Ausdrucksweise Wilhelms Amt bezeichnen.116 Die Story dürfte also entstanden sein, als man sich auch auf arabischer Seite noch vage daran erinnerte, dass zu Karls des Großen Zeit in Aquitanien die reale Macht bei einer Art ‘Majordomus’ gelegen hatte, sagen wir, nicht wesentlich nach 900. Mehr als Bahlnjls Fall interessiert uns sein Aufstieg. Die Hand der Bannj SalƗma lastet schwer auf der Oberen Militärgrenze in Aragón, so dass viele Bewohner durch den frommen Ibn al-Mugallis Gott anflehen lassen, ihnen einen Befreier von dieser Herrschaft erstehen zu lassen. Daraufhin werden die Bannj SalƗma misstrauisch insbesondere gegen Bahlnjls Vater und nehmen den stattlichsten seiner dreißig Söhne, eben Bahlnjl, als Geisel; sie halten ihn in der Burg von Huesca fest, doch nicht eingekerkert. So lernt ihn eine Sklavin kennen, die für Ibn SalƗmas Harem bestimmt ist, verliebt sich in den stattlichen Burschen und gelobt, ihn aus der Burg herauszubringen. Nachts entweichen beide unter Mitnahme des größeren Teils von Ibn SalƗmas Schätzen. Als dieser seine Sklavin, gleich darauf auch Bahlnjl vermisst, reitet er sofort zur Verfolgung aus – doch vergeblich. Bahlnjl bringt mit der Sklavin und den Schätzen einige Zeit bei seinen Verwandten nahe Barcelona und Barbastro zu, kann dort eine Streitmacht sammeln und lässt es zur Schlacht mit den Bannj SalƗma kommen; als diese sich dabei eine mittägliche Siesta erlauben, kann er sie überraschen und alle töten. Er bemächtigt sich dann Huescas, Saragossas und sogar Tortosas. «Man sagt, er sei schließlich sogar WƗlƯ von Toledo geworden.»117 (Ob die im oben referierten zweiten Teil der Erzählung erwähnte Frau Bahlnjls mit der Sklavin identisch ist, erfährt man nicht.) Nicht erst die historisch völlig absurde Erwähnung Toledos lässt die Erzählung legendär erscheinen; doch muss auch ihr Grundstock zu einer Zeit entstanden sein, als Bahlnjls wenige Jahre dauernde Herrschaft in Huesca und Saragossa noch ein diffuses (und damit leicht formbares) rückblickendes Interesse erregte, wiederum nicht wesentlich nach 900. Jedenfalls war die Erzählung, wie ihr Auftauchen bei al-૽UdhrƯ zeigt, in der zweiten Hälfte des 11. Jh. im nördlichen al-Andalus volksläufig, ist also etwa so alt oder älter als alles, was wir oben über Gaiferos und über Beuve vorzubringen hatten. Und nicht nur des Datums wegen sollten bei ihrer Lektüre romanistische Leser – gerade wenn sie von der Gaiferos- oder der Beuve-Fabel herkommen – aufgezuckt sein. Denn hier sind wir strukturell der Waltharius-Fabel ja unerwartet nahe: nicht ein Held befreit seine Frau unter deren Mithilfe, sondern zwei junge Menschen

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Dass Wilhelm gegen seine Feinde nicht nur mit Tapferkeit, sondern mindestens im gleichen Grade mit List vorging, bestätigt ihm der Anonymus gleich bei Wilhelms Einführung (Vita Hludovici cap. 5: tam astu quam viribus); auch die altfrz. Epik hat diesen Charakterzug durchgehalten (Charroi de Nîmes u. a.). Das ihm bei al-૽UdhrƯ unterstellte Verhalten ist also nicht ganz unglaubwürdig. Fradejas 1982, 175s., 177, 179s., 182s., 186–190.

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gegensätzlichen Geschlechts, die gegen ihren Willen beide an den Hof eines ihnen unsympathischen Potentaten gebunden und dadurch in ihrer Menschenwürde eingeschränkt, aber nicht in ihrer Existenz bedroht sind, erkennen die Identität ihrer Interessen und verbinden ihre Schicksale durch gemeinsame Flucht – wobei sie Realisten genug sind, einen möglichst großen Teil des Goldschatzes jenes Potentaten mitgehen zu heißen. Menéndez Pidal († 1968) hat wahrscheinlich al-૽UdhrƯs Erzählung nicht mehr kennengelernt – er hätte vermutlich frohlockt. Denn was könnte seine These mehr stärken, als – nach dem Reichsgründer König Wal(l)ja als erstem Pfeiler – jetzt als zweiter Pfeiler die unversehrte Walter-Fabel mitten in der vermeintlichen Latenzspanne in Spanien selbst? Wir werden hier nicht mitfrohlocken; denn wir werden unten eine andere genetische Erklärung der Bahlnjl-Sage vorschlagen. José Fradejas Lebrero freilich, der al-૽UdhrƯs Erzählung in die Romanistik eingeführt hat, will ganz anderes und viel mehr. Die Erzählung zeige zwar gewisse sagenhafte Züge, sei im Grunde aber als historisch an den Anfang zu stellen: aus ihr sei e n t w e d e r (cf. die Schemata 1983, 20, und 1988, 69) eine nordpyrenäisch-benachbarte frühe Waifarius-Sage hervorgegangen und aus dieser einerseits Gaiferos (und Escriveta), andrerseits die gesamte Walter-Sage, die, durch Südgallien in die Germania wandernd, dort ihre literarische Ausformung als WalthariusEpos des 10. Jh. gefunden habe (Fradejas kennt nur die Spätdatierung), o d e r aber, als verfeinerte Variante (cf. die Schemata 1983, 30, und 1984, 294), aus der Bahlnjl-Sage sei eine Waifarius-Sage, daraus die Walter-Sage in allen ihren Formen geworden; doch hätte auf die Gaiferos-Romanze neben dem (Bahlnjl-)WaifariusStrang kontaminatorisch auch die Walter-Sage (also letztlich zum zweiten Mal die Bahlnjl-Sage) gewirkt. Damit steht als radikale Herausforderung an die Romanistik und mehr noch an die Germanistik die Behauptung im Raum,118 die gesamte Gaiferos- und sogar die gesamte Walter-Sage seien aus der Bahlnjl-Sage abgeleitet. Angesichts einer solchen These müssen wir unseren Blick noch einmal auf die Walter-Sage selbst richten. Ist hinsichtlich ihrer Entstehung wirklich die Grenze des sinnvoll Vermutbaren erreicht?

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Die Kritik von Millet 1998, 146–150, an Fradejas These ist leider simplistisch: er minimalisiert die Tatsache, dass sich hier anders als im Gaiferos, aber wie im Waltharius, zwei Quasi-Gefangene zur Flucht aneinander binden, wobei der Beitrag der Frau ein faktisch wichtiger ist; er verdächtigt ohne Angabe von Indizien die Geschichte, nicht traditionell zu sein, sondern ihre fiktiven Motive erst von al-૽UdhrƯ empfangen zu haben (was sehr atypisch wäre für al-૽UdhrƯs wegen seiner «geographisch-historischen Nachrichten […] überaus wertvolles Werk», so H.R. Singer im Art. al-ࠣUdhrƯ des LM); er spricht von einem christlichen ‘König’ statt vom ‘Großen des Hauses’ und verwischt damit ein wichtiges Indiz; schließlich legt er den Akzent völlig auf die zweite Hälfte der Geschichte und kann dann schließen: «Son dos historias completamente distintas.»

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III. Waltharius

Anzeichen für Hildegunds Präexistenz Als Friedrich Panzer1 1948 den Waltharius zu einem Ur-Lied erklärte, dessen Hauptpersonen und dessen Handlung (letztere allerdings mit Anlehnung an Passagen der lat. Epik und an das Nibelungenlied) in der Hauptsache frei erfunden seien, fand er zwar bei einigen Fachgenossen Zustimmung.2 Doch die Ablehnung seiner These ging dann insbesondere von Minis und Stackmann aus und scheint heute fast allgemein zu sein.3 Auffällig oft werden dabei allerdings nur die zahlreichen Unterschiede zwischen dem Waltharius und den anderen Fassungen, vor allem dem Waldere, betont, ohne dass für die Prioritätsfrage mehr als vage Wahrscheinlichkeiten festzustellen sind. Zur Herkunft der Sage erfährt man erst recht nichts Greifbares. Ich selbst habe mich stattdessen, bevor ich zu der im Folgenden darzulegenden Hypothese kam, speziell an ein inner-waltharisches Argument gehalten, das ich mich nicht entsinnen kann irgendwo gelesen zu haben. Hildegund ist im Waltharius, wie oft mehr oder minder betont worden ist, «eigentlich nur das unterwürfige, verängstigte Wesen»,4 die virguncula (v. 256, 1225). Aber hild und gund bedeuten beide ‘Kampf’ und sind als Appellativa im 9. Jh. im deutschen Raum im Hildebrandslied (v. 6, 60) belegt;5 onomastisch ist Hildegund also eine ‘Kampfkämpfe’,

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Panzer 1948, passim. Schumann 1950, passim, sowie 1951b, 195–202, und speziell Felix Genzmer 1954, 161–178. (Der letztgenannte Artikel beruht in ärgerlichem Maße auf einem engen Bild von dem edel-altheroischen Dauergermanen, der insbesondere nicht stiehlt. Wie viel unbefangener war da z. B. schon Hermann Schneider 1928, 342! «In Wahrheit ist nichts zu erklären. Die kulturellen Verhältnisse sind Völkerwanderungszeit: der König mit seinen ersten Kriegern überfällt schatzbeladene Landfahrer, Füchtlinge aus hunnischer Gefangenschaft.»). Später hat sich Karl Ferdinand Werner 1990, 103s., im Rahmen seiner Ermoldus-These voll zu Panzer bekannt; dazu cf. unten Exkurs I. Minis 1948–1949, passim, Stackmann 1950, passim. Cf. z. B. auch Kroes 1955, passim, Georges Zink 1956, passim, sowie Hans Kuhn 1963, passim. So Heusler 1935, 73. Dazu Komposita wie gundfano, gundfanari, gundhamo (Hildebrandslied 5), hiltediu und (halb-onomastisch für einen berühmten Helm) hiltegrîn. Man wird nicht ernsthaft mit der Möglichkeit rechnen müssen, dass der Dichter eines von beiden Namenselementen nicht mehr verstünde.

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eine Kämpferin par excellence. Nun ist der Waltharius-Dichter doch, wie zu allermindest Hagano spinosus und paliurus (v. 1351, 1421) erweisen,6 an der Etymologie seiner Namen durchaus interessiert. Da sollte ein und derselbe Mann sowohl Hildegunds Charakter ersonnen als auch ihr diesen Namen beigelegt haben? Weil nun, wie oft bemerkt worden ist, dieser Charakter Hildegunds im Waltharius überwiegend einen klerikalen Eindruck macht, also dem Dichter zugeschrieben werden kann, darf man im Umkehrschluss die Gestalt samt ihrem Namen, aber mit einem härteren, lebenskräftigeren Charakter für älter als das mittellat. Epos halten. Ist es Zufall, dass sich so bei immanenter Analyse die Gestalt der Hildegund klarer als die Walters als präexistent erweist? Oder haben wir ursprünglich mit einer Sage von «Hildegund und Walter» zu tun?7 Wo wäre Hildegund dann am ehesten zu suchen? Es sei gestattet, in Beantwortung dieser Frage eine fast vergessene8 These zur Entstehung der Sage in neuer Umformung vorzuführen.

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Auch v. 629–631 deuten auf ein etymologisches Verständnis des zweiten Namensteiles von Hagathie(n) hin. Ferner ist saltibus assuetus faunus (v. 763) eine pseudo-etymologische, scherzhafte Anspielung auf den Namen Walter (Herleitung von ‘Wald’ statt ‘walten’). (Franci) nebulones (v. 555) ist mit Sicherheit scherzhaft doppelsinnig (‘prahlerische Nichtsnutze’ ~ ‘Nibelungen’). Wenn man an Ekkehart als Dichter glaubt, ist natürlich mit Morgan 1986, passim, auch an ecce […] retunsus (v. 1452) als etymologische Signatur mit umgekehrtem Vorzeichen zu erinnern. (Der Einwand von Vollmann 1991, 1217, Ekkehart habe lat. ecce nicht ekke, sondern ekze ausgesprochen, trifft zwar zu; aber wenn Ekkehart den ersten Teil seines Namens lautlich unterbringen wollte, blieb kein anderer Ausweg als diese leichte Deformation.) Alle diese Stellen sprechen also nicht gegen, sondern für das etymologische Interesse des Dichters. (Bei Morgan auch instruktive Beispiele für etymologisches Denken in Werken von Zeitgenossen des Waltharius-Dichters.) Auffällig noch im erhaltenen Waltharius ist immerhin, dass sie – unter einer Königin, die den sonst durch keine Sage beglaubigten Namen Ospirin trägt – zur Hüterin aller Schätze, damit sogar von Attilas Helm und seiner berühmten Brünne, eingesetzt ist (v. 113s.): Postremum custos thesauris provida cunctis / Efficitur modicumque deest quin regnet et ipsa. Welcher Frau seiner Umgebung hätte wohl der geschichtliche Attila den Zugriff auf diese Waffen ermöglicht? Hätte bei einer weniger zentralen Stellung Hildegunds die Flucht überhaupt stattgefunden? «Das Mädchen ist aus der Geschichte nicht wegzudenken: Hiltgunt gehört zu jenem Kern, der die konstitutiven Elemente des Stoffes enthält: Es gibt keine Form der Walthersage, die ohne die Gestalt des Mädchens als solche anzusprechen wäre» (Schwab 1979, 231) – sehr richtig, aber weshalb? Schon W. Grimm 1813, passim, schreibt auf Grund von Jordanes cap. 49 unmissverständlich: «Ildico ist niemand anderes als Hildegund […], von welcher ausführlich in dem lateinisch aufgeschriebenen, aber ursprünglich deutschen Gedicht von Walter von Aquitanien und kurzer [sic] in der Wilkina Saga [=þiðreks saga] vorkommt [sic].» Er scheint aber später auf diese Idee nirgends zurückgekommen zu sein, vermutlich, weil an der entscheidenden Gabelung von Hildikos Weg in die germanische Sagenwelt der Weg zu Kriemhild seine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Laut Karl Müllenhoff 1865, 432, ist in den Annales Boiorum (Ingolstadt, Weißenhorn, 1554 , II 232, cf. ed. Leidinger / Riezler / Lexer, II 306, cf. auch IV² 1143) des Aventinus [† 1534] die Hyldegunda filia Herrici [also wie im Waltharius Hiltgunt, Tochter des Heriricus] reguli Francorum [im Waltharius hingegen Burgundionum] Attilas nova nupta. Doch sagt Müllenhoff dann missbilligend, Aventinus habe Ildico mit Hildegund «zusammengeworfen» – «an obvious confusion» des Aventinus urteilt auch Gillespie 1973, s. v. Hildegunt; aber kann es

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Die historische Hildiko, Attilas letzte Frau Wenige Ereignisse der gesamten europäischen Geschichte änderten so abrupt, so tiefgreifend und vor allem für die Zeitgenossen so klar erkennbar die Machtverhältnisse wie 453 Attilas unerwarteter Tod. Zwar hatten von den Germanenstämmen vor allem Gepiden und Ostgoten auf seiner Seite gekämpft, und die ostgotischen Königsbrüder Valamer, Vidimer und Theodemer (letzterer der Vater des zukünftigen Theoderich des Großen, des Dietrich von Bern der germanischen Heldensage) standen ihm persönlich, wenn auch in absolutem Gehorsam, nahe9 – woraus sich in der Folge das eine der germanischen Attila-Bilder, das positive, entwickeln sollte. Doch als kurz nach Attilas Tod seine Söhne uneinig wurden und zunächst die Gepiden abfielen, brach innerhalb von zwei Jahren in zwei großen Völkerschlachten das hunnische Reich zusammen, und Europa war einen Albdruck los, der über dreiviertel Jahrhundert (375–450) ständig zugenommen und durch Aëtius’ Quasi-Sieg von 451 erst wenig gemildert war. Dass 469 Attilas mittlerer Sohn Dengitzik die Reste seines Volkes sammelte, aber beim Angriff auf Ostrom Schlacht und Leben verlor, wirkt da wie ein belangloses Nachspiel. Attila war eines plötzlichen, aber natürlichen Todes gestorben. Der authentischste Bericht stammt von Jordanes (6. Jh.), der hier ausdrücklich die verlorene

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sich nicht vielmehr um eine ahnungsvolle Kombination des um Kombinationen ja nie verlegenen Aventinus handeln? Matthäi 1902, 20, nahm die Aventinus-Stelle wieder als Spiegelung einer echten Tradition, ohne sich genauer über diese auszulassen. Schütte 1935–1936, II 51, zitiert die Aventinus-Stelle und fährt fort: «wahrscheinlich bildet dieser Vollname [scil. Hyldegunda] den Ausgangspunkt für die Kurzform Hildico. Laut dem Waltharius ist Hildegund, Herrichs Tochter, nicht die Gemahlin Attilas, sondern ihm als Geisel überliefert und wird von Walther entführt.» Auch Baesecke, der Schüttes Vermutung kennt (1936, 371 n. 1), zeigt sich en passant ihr gegenüber aufgeschlossen (art. cit., 372). Doch von Schüttes Vermutung unterscheidet sich unsere folgende These in einem entscheidenden Punkt: in der Entwicklungsrichtung des Namens: Hildiko (genauer: Hildikun) ĺ Hildegund. Zudem geht Schüttes Vermutung dank der allgemeinen Sprunghaftigkeit seiner Darstellung in der Fülle nichtssagender oder verfehlter Namensvergleiche unter, und man sieht nicht, wie weit er sie hätte unterbauen können; gleich darauf suggeriert er z. B. abwegig, hinter dem Attila der Sage verstecke sich hier wie «wiederholt» der historische Chlodwig. Man versteht deshalb einigermaßen, dass Schramm 1965, 39 n. 2, Schüttes Gedanken ohne weitere Begründung als «ganz abwegig» abqualifiziert. – Es sei daran erinnert, dass Aventins Annales Boiorum (samt ihrer deutschen Umsetzung, der Bairischen Chronik) als vorherige Frau Attilas, welche canitur apud nos, auch Greimhyld, Grimylda […] filia Guntheri regis Turogorum (bzw. «Frauw Grimhilt, König Günthers auß Thüringen Tochter») kennt (cf. W. Grimm, Die Deutsche Heldensage, ed. Ehrismann 1999, 339–341 [= 301–303 der alten Pagination], ed. Leidinger / Riezler / Lexer II 306, IV² 1157), wobei gerade in unserem Zusammenhange auffallen muss, dass auch Kriemhild Gunthers Tochter, nicht Schwester, sein soll, was chronologisch besser in die Geschichte des 5. Jh. (437–453) passen würde. Jordanes, De origine actibusque Getarum [= Getica], ed. Giunta / Grillone 1991, oder (mit detaillierterem Apparat) Jordanes, [Romana et] Getica, ed. Mommsen 1882, cap. 38 und 48.

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Darstellung des Priskos (5. Jh.) ausschreibt. Nach ‘unzähligen anderen Ehefrauen’ hatte Attila ein ‘hochedles’ Mädchen namens Ildico geehelicht und war nach zu ausgelassener Hochzeitsfeier, trunken auf dem Rücken schlafend, an einer Nasenblutung erstickt. Am folgenden Tag wagte man erst spät, in sein Schlafgemach einzudringen, und fand ihn dort ohne äußere Wunde tot, das Mädchen noch im Brautschleier weinend neben der Leiche. Auch das preisende Totenlied, das man ihm sang und das uns Jordanes in Übersetzung mitteilt, betont seinen natürlichen Tod: ‘nicht durch Verwundung seitens eines Feindes, nicht durch einen Verrat der Seinen, sondern inmitten seines unversehrten Volkes und inmitten allgemeiner Freude selbst froh starb er, ohne Schmerz gefühlt zu haben’.10 Ildico ist der germ., hier in der ostgerm.11 Nominativform der n-Deklination erscheinende Name Hildikǀ.12

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Jordanes, cap. 49, ausdrücklich als Zitat aus Priskos und deshalb von hoher Authentizität: Qui, ut Priscus historicus refert, exitus sui tempore puellam Ildico nomine decoram valde sibi in matrimonio post innumerabiles uxores, ut mos erat gentis illius, socians, eiusque in nuptiis hilaritate nimia resolutus, vino somnoque gravatus, resupinus iacebat. redundans sanguinis, qui ei solite de naribus effluebat, dum consuetis meatibus impeditur, itinere ferali faucibus illapsus eum extinxit.[…] sequenti vero luce, cum magna pars diei fuit exempta, ministri regii, triste aliquid suspicantes, maximos fores effringunt inveniuntque Attilae sine ullo vulnere necem, sanguinis effusione peractam, puellamque dimisso vultu sub velamine lacrimantem. […] non vulnere hostium, non fraude suorum, sed gente incolumi inter gaudia laetus, sine sensu doloris occubuit. Da die einzige leidlich bekannte ostgerm. Sprache das Gotische ist, spreche ich im Folgenden mehrfach von «gotisch» statt «ostgermanisch», ohne damit andere ostgerm. Stämme, etwa die Heruler, die Rugier und insbesondere die bis in die zweite Hälfte des 6. Jh. historisch wichtigen Gepiden, nach Jordanes, cap. 94–96, enge Verwandte der Goten, ausschließen zu wollen. Natürlich ist es möglich, dass Priskos ostgerm. Hildikǀ nach dem Muster der griech. femininen Namen auf Nom. / Akk. -ȫ wie ਹȤȫ, ȀĮȜȣȥȫ dekliniert hätte; das würde es erlauben, den Namen auch in (Priskos’ und) Jordanes’ Satzzusammenhang als Akk. zu verstehen, wie man ihn hier bei Anlegung strenger grammatischer Maßstäbe (Apposition zu puellam) erwarten muss. Doch darf man Jordanes wohl auch den «nennenden» Nominativ zutrauen; cf. Löfstedt 1911, 50s., und 1942, 75–79, Hofmann / Szantyr 1965, 27s. (mit weiterer Lit.). – Der anlautende ursprüngliche Reibelaut ist im Got. vorvokalisch so gut wie sicher schon zum bloßen Hauchlaut geworden, und im gesprochenen Griech. und Lat. ist der Hauchlaut längst verstummt. Deshalb schreibt Priskos gelegentlich spiritus lenis statt asper: ੗ȞȘȖȒıȚȠࢫ ‘Hunegais’, ੗ȞȠȠ૨ȜijȠȢ ‘Hunewulf’, und der romanisierte Gote Jordanes lässt das weg: Asdingi ‘die Hasdinge, Hartunge’, Ilderich (var. Hilderit u.ä.) ‘Hilderich / Hilderit’, Ulmerugi ‘die Holmrugier’. So hier also auch Ildico ‘Hildikǀ’, wobei laut Ed. Mommsen im 9.–12. Jh. die Mss. VA sogar hildico restituieren und im 11.–12. Jh. die Mss. XYZ (~ ed. Giunta / Grillone c) heldico schreiben, beide also das Element Hild- erkennen. – Das -kǀ statt -ka im femininen n-Stamm bezeugt die (hier auch aus historischen Gründen a priori zu erwartende) ostgerm., offenbar gotische Vermittlung, es bezeugt aber strenggenommen die Person selbst nur als Germanin, nicht als Ostgermanin. Nach Schramm 1965, 42s., wären k-Kurznamen (beider Geschlechter) überhaupt auf Deutschland, hauptsächlich Norddeutschland, beschränkt: «Nicht nur skandinavische und angelsächsische, sondern auch ostgermanische und westfränkische Belege dürften ganz fehlen.» Träfe dies voll zu, so könnte Hildikǀ immerhin die (um diese Zeit intra-germanisch contra Schramm noch gängige) automatische, hier also ostgermanische

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Trotz der erwähnten Polygamie deuten das Wort matrimonium, die bloße Tatsache, dass der Name der Braut mitteilenswert ist, und vor allem deren (zumindest auch soziologische, nicht rein äußerliche) Kennzeichnung als valde decora darauf, dass es sich um ein germanisches Mädchen aus hohem Stand, vermutlich eine Fürstentochter, handelt.

Attilas letzte Frau als seine Mörderin, Fehlen einer Bestrafung: Zeugnisse bei Historikern Wie zu erwarten, fiel es schon Jordanes Zeitgenossen schwer zu glauben, dass dieser den Weltenlauf verändernde Tod ein so natürlicher, makaber-trivialer gewesen wäre.

Anpassung des Namens z. B. einer Thüringerin Hildika sein; denn wie Schramm selbst nachweist, zogen im hunnischen Heer von 451 auch Thüringer mit. Zwar existiert nun bei den Maskulina die postulierte geographische Beschränkung der k-Kurznamen bei Weitem nicht in dieser Schärfe: man findet mit einiger Mühe altnordisch Bokki, Brynki, Sveinki (zu Böðvarr, Brynjólfr, Sveinn, auch neuisländisch noch möglich, etwa in Runki zu Runólfur, Krahe / Meid 1969, 213), ferner bei den Ostgermanen den Burgunderkönig Gibica (wie er als Erster in der Königsliste der Lex Burgundionum erscheint, Gillespie 1973, s. v. Gibeche), die Goten Alica und Adica, den (wahrscheinlich) Skiren Edica bzw. (Priskos, mehrfach) ਫįȑțȦȞ (Krahe / Meid, 1969, 212s.), die Ostgoten oder noch ostgotisch Benannten Ardica, Maurica, Widica (Jud 1907, 43s.), Birrica und Cillica (L. Bertini 1970, s. v.), die Westgoten oder noch westgotisch Benannten Ardega, Begica, Egica / Eika (viele, neben Egila / Eila), El(l)ec(c)a (zwei), Sonnica (neben Sunila, Förstemann 1901, s. v. AGI, ALJA, SUNJA, und Jud op. cit., 45s.) sowie den Wandalen Heldica (Reichert 1987, s. v.); bei den Westgermanen den Angelsachsen Aluca und den Suebenkönig Audeca (Krahe / Meid 1969, 212, 216), die Langobarden oder noch langobardisch Benannten Birico, Brunico (Jud op. cit., 86) und wohl Rinco (L. Bertini 1970, s. v.) sowie die noch westfränkisch Benannten Ambrico, Arnico, Berico / Birico, Bernico, Erleco, Hemico, Herico, Rorico, Salico und Sicco (< *Sigico, Morlet, 1971–1972, I 35a, 41b, 53b, 54b, 82a, 122b, 128a, 191a, 194b, 200a). Doch im Gegensatz dazu haben frühe feminine k-Kurznamen in der Tat – seit dem 9. Jh. erkennbar – ihren Schwerpunkt eindeutig in (Nord-) Westdeutschland (von daher heutiges Heike, Elke u.ä.) mit nach Süd(west)en rapide nachlassender Häufigkeit gegenüber den l-Kurznamen: zwar kann Bach 1952–1956, § 104, noch hochdt. Bilicha, Liuzicha und Diudecha beibringen, doch im relativ reich überlieferten langobard. Namenschatz scheinen Belege völlig zu fehlen (Bruckner 1895 und vor allem L. Bertini 1970, passim). Auch aus den übrigen Gebieten germanischer Onomastik gibt es nur sporadische Belege: Morlet 1971–1972, I 59a, 132a nennt westfränkisch benannte Blitga und Hiltga / Ildeca; Krahe / Meid, 1969, 212s., kennen außer unserem ostgerm. Hildico ein «urnord. Aluko f.» (dazu neuisl. als Beispiel für den noch möglichen Verkürzungstyp Ranka zu Ragnhildur) sowie ein mir im Genus unklares altgutnisches Ormica. Doch ist wohl für das Ostgerm. das Corpus der belegten Frauennamen zu klein, als dass man einen Schluss ex silentio ziehen könngte. Festzuhalten ist aber, auch wenn man Hildikos Stammeszugehörigkeit besser nicht zu präzisieren versucht, dass ihr Name zunächst in ostgerm. Form und damit offensichtlich in ostgerm. Kreisen tradiert erscheint.

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– Schon Jahrzehnte vor Jordanes, nur etwa siebzig Jahre nach dem Ereignis, berichtet Marcellinus Comes, dass Attila, der Schrecken Europas, nachts, also offenbar in der Situation der Beiwohnung, von einer (oder: seiner) Frau erdolcht wurde: Attila rex Hunorum, Europae turbator provinciae, noctu mulieris manu cultroque confoditur. Die wirkliche Ursache fügt er als die für ihn schon weniger wahrscheinliche hinzu: quidam vero sanguinis reiectione necatum perhibent. 13 Obwohl Marcellinus den Namen der Frau nicht nennt, kann hier nach menschlichem Ermessen nicht von irgend einer anderen (notwendigerweise ebenfalls letzten!) Frau Attilas als bei Priskos / Jordanes die Rede sein, sondern der namentlich bekannt gewordenen Hildiko schrieb man bald die ins Aktive umschlagende Rolle zu. Und die damit begründete Erzähltradition erweist sich als erstaunlich langlebig. – Kurz nach 628 folgt das Chronicon paschale zunächst dem Bericht des Priskos, macht dabei allerdings das Mädchen zur ‘hunnischen Kebse’, fügt dann aber als jetzt sichtlich schon ununterdrückbar hinzu: ‘selbiges Mädchen steht auch im Verdacht, ihn getötet zu haben.’14 – In der ersten Hälfte des 9. Jh. berichtet Agnellus in seinem Liber pontificalis ecclesiae Ravennatis über Attila ebenfalls, er sei von einer (oder: seiner) ,höchst verachtenswerten Frau’ erdolcht worden.15 Auch wenn die Qualifikation als ʌĮȜȜĮțȓȢ bzw. vilissima mulier in den beiden letztgenannten, stark klerikal geprägten Zeugnissen dem prinzipiellen Abscheu der Autoren vor der Polygamie entsprossen sein mag, soll bei ihnen doch, wie de Boor16 es treffend ausdrückt, die Herabsetzung der Mörderin vor allem das Ende des verhassten Barbarenkönigs selbst entwürdigen. – Um 890 erzählt der Poeta Saxo, Attila sei nachts von seiner Frau, der Königin, umgebracht worden, die damit den Tod ihres eigenen Vaters rächte.17

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Marcellinus Comes, ed. Mommsen 1894, 86. Marcellinus schrieb ab 518 den bis zu diesem Jahr gehenden Hauptteil seiner Chronik und fügte kurz nach 534 das bis dorthin reichende (für uns nicht relevante) auctarium hinzu (Mommsen op. cit., 42). Chronicon paschale [beendet kurz nach 628, später notdürftig weitergeführt bis 1042], ed. Dindorf 1832, 588: ੒ ਝIJIJȓȜĮȢ IJİȜİȣIJઽ țĮIJĮijȠȡઽ Į੅ȝĮIJȠȢ įȚ੹ IJ૵Ȟ ૧ȚȞ૵Ȟ ਥȞİȤșİ੿Ȣ ȞȣțIJઁȢ ȝİIJ੹ ȅ੢ȞȞĮȢ ʌĮȜȜĮțȓįȠȢ Į੝IJȠ૨ țĮșİȪįȦȞ, ਲIJȚࢫ țȩȡȘ ਫ਼ʌİȞȠȒșȘ ੖IJȚ Į੝IJ੽ ਕȞİ૙ȜİȞ Į੝IJȩȞ· ʌİȡ੿ Ƞ੤ ʌȠȜȑȝȠȣ ıȣȞİȖȡȐȥĮIJȠ ੒ ıȠijȫIJĮIJȠȢ ȆȡȓıțȠȢ Ĭȡઽȟ. Die Bezeichnung der Kebse als ‘hunnisch’ ist wohl einfach sensu latiore als ‘einem von Attilas Untertanenvölkern angehörig, Barbarin’ zu nehmen, schließt dann also eine Germanin nicht aus. Agnellus von Ravenna, ed. Holder-Egger 1878, 302: Et post haec omnia a vilissima muliere cultro defossus mortuus est. De Boor 1932, 20. Poeta Saxo, ed. von Winterfeld 1899, III v. 25–37: Denique continuis Francos compluribus annis / Sic impugnabant Huni, rex donec eorum / Attila, multorum totiens victor populorum, / Feminea periit dextra sub tartara trusus. / Namque ferunt, quod eum vino somnoque gravatum, / Cum nox omnigenis animantibus alta quietem / Suggereret, coeptis crudelibus effera conjunx / Ducens insomnes odiis stimulantibus umbras, / Horrendo regem regina peremerit ausu; / Ulta necem proprii tamen est hoc crimine patris. / Hoc res Hunorum tristi velut omine lapsa, / Post rediit retro, nec prosperitate priori / Sunt

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– Spätestens um 103018 lesen wir in den Annales Quedlinburgenses, dass Attila, der Hunnenkönig und Schrecken ganz Europas, von einem Mädchen, das er unter Tötung ihres Vaters mit Gewalt geraubt hatte, erdolcht worden sei.19 Nun hatte dieses Annalenwerk schon kurz vorher z. B. berichtet, Theoderich habe sich zu Attila geflüchtet, als er auf Anstiften Odoakers durch Ermanarich aus Verona vertrieben worden sei, doch nachdem er dann bei Ravenna gesiegt habe, habe Attila umgekehrt dafür gesorgt, dass der unterlegene Odoaker an den Zusammenfluss von Elbe und Saale verbannt wurde – kurzum, das Werk taucht manchmal sehr tief in die Sage ein, und zwar auch in eine lokalsächsisch angereicherte Sage.20 Zwar kennen diese Annalen nachweislich den Poeta Saxo, doch ist dadurch die Mitteilung, die junge Frau sei bei der Ermordung ihres Vaters mit Gewalt geraubt worden, nicht abgedeckt. Vielmehr hat man mit der Herausgeberin der jüngst erschienenen Monumenta-Ausgabe21 den Eindruck,

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posthaec usi. Zu diesen Versen erklärte der erste moderne Herausgeber des Poeta Saxo, Georg Heinrich Pertz, in MGH. SS. 1, 247 n. 8b, der Poeta verwechsle Attilas mit Alboins Ermordung auf Anstiften seiner Frau Rosamunde (Paulus Diaconus, Historia Langobardorum, II 28). Offensichtlich waren Pertz in diesem Augenblick die sonstigen Zeugnisse für Attilas Tod durch Frauenhand nicht präsent; sonst hätte er sich nuancierter ausgedrückt. Zwar rächte Rosamunde in der Tat an Alboin den Tod ihres Vaters, und sie hatte dabei zwei Helfer, von denen sie immerhin den einen zu ihrem schlafenden Gatten führte; doch handelte es sich, wie Paulus detailliert mitteilt, um einen mittäglichen, nicht nächtlichen Schlaf, und Alboin war alles andere als trunken. Die Motive Trunkenheit und Nacht hingegen sind geradezu konstitutiv für die Ermordung Attilas; zudem ist der Bericht des Marcellinus Comes ja älter als Rosamundes Tat, und man wird gleich beim Aufkommen der Mordversion auch nach der Motivation von Attilas Mörderin gefragt und sie angesichts von Attilas Lebenslauf am ehesten in familiären Rachegelüsten gefunden haben. Niemand wird annehmen wollen, der ganze Motivkomplex «nächtliche Ermordung des trunkenen Attila durch seine Frau» sei zweimal unabhängig voneinander entstanden, das zweite Mal durch einen puren Irrtum. Der Poeta hat also nicht einfach Attila mit Alboin verwechselt, sondern bietet prinzipiell die Erzählung vom nächtlichen Tod des trunkenen Attila durch seine Frau, nur kontaminiert mit Motiven aus dem Komplex um Alboins Tod. Es ist schwer zu entscheiden, ob es sich dabei um einen persönlichen Lapsus des Poeta handelt, der z. B. einer flüchtigen Bekanntschaft mit der Alboin-Sage entsprang, wie sie ja nach dem ausdrücklichen Zeugnis des Paulus Diaconus (Historia Langobardorum, I 27 in fine) im späten 8. Jh. noch bei Bayern, Sachsen (!) und anderen Gruppen ‘derselben Sprache’ in eorum carminibus kursierte und auch im angelsächs. Widsith v. 70–74 durch Nennung von ‘Alboin, dem Sohn Audoins’ als Beherrscher Italiens bezeugt ist, oder ob schon Tradenten vor dem Poeta die Kontamination besorgt hatten. – Dass nach Attilas Tod der Rückgang der hunnischen Macht beim Poeta Saxo nur ein relativer ist, liegt daran, dass in seinen Augen Karl der Große noch an ihnen [recte: den Avaren] die große Vergeltung zu vollziehen hat; cf. oben Teil I, n. 149. Annales Quedlinburgenses, ed. Giese 2004, 56s. Ed. Giese 2004, 415: Attila, rex Hunorum et totius Europae terror, a puella quaedam, quam a patre occiso vi rapuit, cultello perfossus interiit. Ed. Giese 2004, 410s. Cf. dazu im einzelnen Giese op. cit., 108s. Giese 2004, 109–111.

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dass hier der Bericht des Poeta auf Grund einer noch lebendigen mündlichen Erzähltradition angereichert ist. Insgesamt haben wir also eine Erzähltradition vor uns, die ein halbes Jahrtausend lang lebendig war;22 das gilt auch dann, wenn das Quedlinburger Annalenwerk

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Gelegentlich wurde in der Germanistik versucht, den Zusammenhalt dieser Tradition zu minimalisieren. De Boor 1932, 20–22, bestimmte sie zunächst bis zu Agnellus einschließlich als «byzantinisch» – das ist richtig, wenn man sich bewusst bleibt, dass damit wahrscheinlich das Ostgermanische eingeschlossen ist, dass Agnellus von Ravenna zwar dem byzantinischen Kulturkreis zugerechnet werden kann, aber romanophon ist und dass bis zum 9. Jh. von östlich des Rheins mangels Schriftlichkeit nun einmal keinerlei Bericht zu erwarten ist. Erst «durch Paulus Diaconus und seine Beziehungen zum Karolingischen Hofe» scheine «die Kunde vom Tode Attilas» in den Westen gelangt zu sein und tauche nun zuerst beim Poeta Saxo auf – aber Paulus Diaconus (Historia Romana, ed. Droysen 1879, 14.5) wiederholt doch im Wesentlichen nur die Darstellung des Jordanes mit Nennung Hildikos ohne jedes Mordmotiv: Attila […] reversus ad proprias sedes supra plures, quas habebat, uxores puellam valde decoram Ildicco nomine sibi in matrimonium iunxit; ob cuius nuptias profusa convivia exercens dum tantum vini quantum numquam antea insemel bibisset, cum supinus quiesceret, eruptione sanguinis, qui ei de naribus solitus erat effluere, suffocatus extinctus est. Gewiss kann die Mordtradition mit einiger Verspätung den Westen erreicht haben, doch wieso kann dann Paulus ihr Tradent sein? Wenn er es nicht ist, wieso soll Byzantinisches hier und nur hier ausgerechnet beim Poeta Saxo auftauchen? Und weiter: seit der Erzählung des Poeta habe dann anscheinend «diese neue […] Anschauung über den Tod Attilas […] speziell auf sächsischem Boden als gelehrte Tradition» weitergelebt – aber wir haben soeben gesehen, dass die letzte Herausgeberin der Annales Quedlinburgenses aus gutem Grunde anders urteilt. De Boors Tendenz erklärt sich daraus, dass er Niederdeutschland keine nennenswerte Attila-Epik zutraut («ist ihr Dasein mit Recht bezweifelt worden», op. cit., 13) – ein komplexes Thema, das unter anderm von seiner Beurteilung der þiðreks saga abhängt (p. 12, 14 und 23s.), deren explizite Beziehung etwa zu Soest de Boor übergeht. Im Gegensatz dazu lesen wir etwa bei E. E. Metzner im Art. Dietrich von Bern IV / 3 des LM zur þiðreks saga: «In aller Regel verweist die verwendete Überlieferung auf niederdt. Herkunft, wie ja auch die Saga von Anfang an mehrfach niederdt. Gewährsleute, zuweilen ausdrücklich städtischer Provenienz, benennt; des öfteren wird deutlich niederdt. Ortssage gespiegelt.» Nun betrachtet man zwar heute die þiðreks saga essentiell nicht mehr als eine Übersetzung aus dem Niederdt., sondern als eine in nordischer Verantwortung entstandene Komposition, aber doch mit zumindest überwiegend niederdt. Stoffgrundlage (Kramarz-Bein 2002, passim, zusammenfassend 342–349). Bei uns, also in Bezug auf eine viel frühere Zeit, geht es nicht um die Qualität solcher Epik, sondern um ihren bloßen Inhalt – wenn man will, um bloße Sage, ohne dass über deren dichterische Form eine präzisere Aussage nötig ist. Was nun Skandinavien betrifft, stirbt doch schon im alten Atlilied, der Atlakviða wohl aus dem späten 9. Jh., der Hunnenherrscher durch die Hand seiner Frau – nur dass sie nicht ihren Vater, sondern ihre Brüder rächt – , so dass auch das älteste fassbare Attila-Bild des Nordens an entscheidender Stelle schon Attilas germanische, ihn um familiärer Rache willen ermordende Ehefrau einschließt. Dass dieses Motiv zweimal entstanden sein sollte, kann auch de Boor nicht glauben (p. 25). Aber um nun den Weg der Tradition nach Skandinavien nicht über Niederdeutschland führen zu müssen, möchte er sie gleich von den Goten durch das heutige Osteuropa über die Ostsee nach Skandinavien gelangen lassen (p. 26ss.). Doch sollte man nicht angesichts der þiðreks saga auch Niederdeutschland einiges an epischer Potenz zuzutrauen? Cf. in

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des 11. Jh. nur noch ein archaisch-lateraler Zeuge ist, weil man sich die Sache weiter südlich schon auf andere Weise (oder: andere Weisen) erzählte. Mindestens ebenso eindrucksvoll wie die zeitliche sollte für uns aber auch die räumliche Erstreckung dieser Tradition sein. Der heutigen Germanistik ist die Tradition im Wesentlichen nur dadurch präsent, dass die Niederlage des Burgunderheeres unter König Gundacharius durch die Hunnen, vor Hildikos vermeintliche Tat gesetzt, das historische Substrat der Nibelungen-Sage in ihrer älteren Form bildet: Attilas Frau rächt an ihrem Mann den Tod ihrer Brüder. Die Erinnerung an die burgundische Niederlage dürfte zunächst vor allem bei den Burgundern selbst weitergelebt haben, dann bei den Franken, die im doppelten Sinne deren Erben – in Worms wie in Südostfrankreich – wurden, und hier, im burgundisch-fränkischen Raum, dürfte die Niederlage später auch mit der Rache verbunden worden sein. Denn weiter südlich, von Aquitanien und der iberischen Halbinsel über Italien bis Byzanz, einem zeitweilig ostgermanisch geprägten Raum, gibt es keine Tradition vom Burgunder-Untergang, also auch keine Verbindung beider Traditionen. Da nun aber die Hildiko-Tradition, wie wir gesehen haben, auch viel weiter südöstlich und südlich belegt ist als ihre Verbindung mit der burgundischen Niederlage, bleibt durchaus genug geographischer Raum für die Möglichkeit, dass sie sich hier ganz anders entwickelte als zur Geschichte einer Rache für die Burgunder. Dieser Möglichkeit wenden wir uns jetzt zu. Bisher meines Wissens unbeachtet, aber sehr auffällig sollte in diesem Zusammenhang an der gesamten Hildiko-Tradition – und speziell an ihren frühen, südlichen Zeugen – ex silentio eines sein: nirgends ist auch nur andeutungsweise von einer Bestrafung der Mörderin die Rede. Wagen wir deshalb eine Zusatzannahme, die an Selbstverständlichkeit kaum noch zu überbieten ist: jemand kam auf den Gedanken, explizit zu erzählen, «wie Hildiko überleben konnte». Wie müsste eine solche Erzählung aussehen?

Wie sähe eine Erzählung von Hildikos Überleben aus? Da Hildiko nach Lage der Dinge ihre Täterschaft vor den Hunnen nicht verheimlichen, aber auch keinen Staatsstreich zu ihren Gunsten erhoffen kann, muss sie nach der Tat noch in der Nacht die Flucht antreten, eine sehr weite, wochenlange Flucht aus dem unmittelbaren und mittelbaren hunnischen Machtbereich, entweder nach Westen bis über den Rhein hinaus oder nach Süden bis über die Alpen.23 Diese

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diesem Sinne etwa H. M. Heinrichs im Art. Atlilieder der Edda des LM: «Die A[tla] kv[iða] in ihrer jetzigen Gestalt dürfte auf die Umdichtung eines wohl altniederdt. Liedes zurückgehen, die gegen Ende des 9. Jh. im Norden entstand.» Attilas Residenz lag in der Theißebene (Art. Attila von G. Wirth im LM), im 12. / 13. Jh. stellte man sie sich in Esztergom (Gran) oder Buda vor; das Reich des historischen Attila reichte «vom Kaukasus bis zum Rhein […] in Form einer rigoros zusammengehaltenen Föderation» (Wirth art. cit.). Die von den Hunnen unabhängigen Germanenreiche lagen

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Flucht will nicht nur gut vorbereitet sein, sie wäre ohne männliche Begleitung in der Realität wie auch im Selbstverständnis des ganzen Mittelalters so gut wie unmöglich; denn eine «fahrende Frau», selbst eine berittene, wäre der Willkür jedes männlichen Bewaffneten, dem sie begegnet, ausgeliefert. Hildiko muss sich also vor der Tat mit einem männlichen Partner durch ein heimliches Gelöbnis verbunden haben. Es gibt nicht viele geeignete Partner; denn dieser Partner muss bereit sein, sein zumindest materiell erträgliches Hofdasein einzutauschen gegen die Gefahren der gemeinsamen Flucht, und da sich nach germanischem Empfinden Hildiko nicht gut von einem Mann niederen Stammes abhängig machen kann, sollte er parallel zu Hildiko seine eigene konkrete Hoffnung auf eine freiere, auch sozial gehobenere Existenz haben. Faktisch kommt dafür nur ein Nichthunne, also ein hochgestellter Germane,24 in Frage, der im Grunde gezwungen, etwa als Geisel, am Hof weilt, also sozial ein in gewissem Grade paralleles Schicksal zu Hildiko hat. Zugleich ist klar, dass Hildiko nicht etwa mehrere Mitverschworene gebrauchen kann: mit jedem von ihnen würde, z. B. durch Eifersüchteleien, die Gefahr des Verrates oder der sonstigen vorzeitigen Entdeckung größer. Wohl aber legt die Situation es nahe, dass das Paar sich in seinem Gelöbnis angesichts der großen, gemeinsam durchzustehenden Gefahren und Entbehrungen gleich für das Leben aneinander bindet. Freilich wäre die sexuelle Erfüllung dieses Gelöbnisses in Heimlichkeit schon am Hunnenhof für eine Braut des Herrschers und ihren Liebhaber eine tödliche Gefahr, sie hat also bis nach gelungener Flucht zu warten. Andererseits kann sich das Paar in dieser Situation keinerlei ethische Rücksichtnahme auf die Hunnen, am wenigsten auf deren Eigentumsvorstellungen, leisten; es muss vielmehr auch materiell nach bestem Vermögen für die eigene Zukunft sorgen einschließlich der Möglichkeit, sich während späterer Etappen der Flucht aus einer Notsituati-

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also (nord- bis süd-)westlich davon, essentiell westlich des Rheins. Italien war zwar im Jahre 453 und noch 23 Jahre danach in römischen Händen; doch wenn die Fluchtgeschichte im 6.Jh. entstand, konnte man sich da leicht um wenige Jahrzehnte irren oder ver-phantasieren. – Eine Flucht aus dem Hunnenreich nach Westen oder Süden war nichts Unerhörtes, cf. Heinzel 1889, 63–66: «Die Streitigkeiten zwischen [Attilas Onkel] Rua(s) und Attila [einerseits] und den Römern [andererseits] in den dreißiger und vierziger Jahren des 5. Jahrhunderts entstanden zum großen Teil durch das Begehren der hunnischen Fürsten, dass ihnen Untertanen oder Gefangene, welche zu den Römern entwichen waren, ausgeliefert würden. Sie werden meist nur ijȣȖȐįİȢ, țĮIJĮijȣȖȩȞIJİȢ genannt»; zeitgenössisch belegt ist die Flucht von Hunnen, Angehörigen verwandter Völker, Römern sowie die des Hofzwergs von Attilas Bruder Bleda. Laut Fredegar sind auch der spätere Frankenkönig Childerich und seine Mutter mit der Hilfe eines gewissen Wiomad aus hunnischer Gefangenschaft entflohen; cf. Fredegar III 11 (MGH. SS. Mer. II 95), wo dies rückblickend in einem Relativsatz gesagt wird: Wiomadus Francus fidelissimus ceteris Childerico, qui eum, cum a Chunis cum matre captivus duceretur, fugaciter liberaverat […]. In dem von Jordanes, cap. 49, überlieferten Totenlied Attilas, das durchaus authentisch wirkt, heißt es, dass er inaudita ante se potentia solus Scythica et Germanica regna possedit – aber ein Hunne oder Nordiranier (archaisierend: ‘Skythe’) würde nicht mit dem Mädchen nach Westen oder Süden ziehen.

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on freikaufen zu müssen. Nun galten Steppenvölker wie die Hunnen und später die Avaren ja nicht ohne Grund als äußerst goldgierig: ihre Taktik der schnellen berittenen Kriegszüge ließ ein Mitführen anderen Beutegutes kaum zu. Vor allem aber waren sie Meister der Erpressung: der historische Attila erpresste aus dem oströmischen Reich ins Ungeheuerliche wachsende Goldsummen (im Jahre 434: 350 Pfund Gold, doch 443 oder 448: einmalig 6.000 und jährlich 2.100 Pfund Gold);25 im 6. bis 7. Jh. zahlte Ostrom dann auch den Avaren jährlich immerhin 80.000 bis 120.000 Solidi, vor allem wohl in Münzgold, und als der Avarenschatz schließlich in Karls des Großen Hände fiel, soll dessen Transport nach Aachen einer glaubwürdigen Tradition zufolge fünfzehn vierspännige Ochsenwagen beansprucht haben.26 Selbst Einhart fühlt sich berechtigt zu der Feststellung, dass ‘die Franken gerechterweise den Hunnen das raubten, was diese vorher andern Völkern ungerechterweise geraubt hatten’ – man beachte die grundsätzliche Antithese zwischen ungerecht und gerecht, wie immer sie auch zu rechtfertigen gewesen sein mag.27 Wenn somit hunnisches bzw. avarisches Gold grundsätzlich als Raubgold und dessen Rückgewinnung als gerecht galt, so wären auch für Hildiko und ihren Partner moralische Skrupel unangebracht. Die beiden dürfen sich also an Attilas Goldschatz schadlos halten, so gut sie das dank ihrer Stellung am Hof nur irgend können.28 Und zwar können sie das am besten, wenn sie – im mhd. Walter-Epos und im Biterolf psychologisch überzeugender das Mädchen, im Waltharius nach mönchischen Anstandsbegriffen lieber der Mann – die Hunnen einschließlich Attilas in einem Fest sinnlos trunken machen, wobei eben dieses Fest samt Attilas Volltrunkenheit ja von der Historie schon vorgegeben ist! Und schließlich: bevor die beiden die sichere Freiheit erreichen,29 wird sich kein germanischer Erzähler

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Art. Attila von G. Wirth und Hunnen von I. Bóna im LM. Art. Avarenschatz von V. H. Elbern im LM. Vita Karoli 14: ut merito credi possit hoc Francos Hunis iuste eripuisse, quod Huni prius aliis gentibus iniuste eripuerunt. Wohlgemerkt, im Denken der Völkerwanderungszeit (nicht mehr notwendigerweise im erhaltenen Waltharius, wo Walter wenigstens nach einer Interpretenmeinung, die ich selbst nicht teile, an der avaritia / cupiditas partizipiert, die er schließlich im gegenseitigen Selbstgericht des Endkampfes büßen wird, so Gottzmann 2000, passim). Ich halte es also für wahrscheinlich, dass die Walter-Sage schon vor ihrer Nibelungisierung das Goldmotiv enthielt. Man erinnere sich, dass noch im Waltharius (v. 471s.) Gunther der Auffassung ist oder zu sein vorgibt, jetzt kehre durch Gottes Fügung – also gleichsam in gerechter Wiedergutmachung – der einst von seinem Vater dem Hunnenkönig gezahlte Schatz zu ihm zurück. – Wenn man das Eindringen von Alboin-Motiven in die Attila-Sage beim Poeta Saxo (cf. oben n. 17) nicht für einen persönlichen Lapsus des Poeta, sondern für älter hält, ist hier zu bedenken, dass auch Alboins Frau Rosamunde und ihr Komplize Helmichis relativ schnell nach der Tat fliehen mussten, und zwar unter Mitnahme des langobardischen Königsschatzes (Paulus Diaconus, Historia Langobardorum I 29). Die Einzelmotive der Fluchtbeschreibung (wie die Nachtmärsche oder die Nahrungsbeschaffung) zähle ich zu dem Beiwerk, dessen Herkunft an dieser Stelle nicht zu interessieren braucht. Ich sehe ferner keinen Grund, gegen a l l e Quellen einen ursprünglich tragischen Ausgang anzunehmen, wie ihn «rein gefühlsmäßig [!] […] am überzeugendsten

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die Gelegenheit entgehen lassen, sie durch höchst gefährliche Kämpfe zu führen – wie dies Waltharius, Waldere, das mhd. Epos, der Biterolf und die þiðreks saga auf je eigene Weise bezeugen. Mit anderen Worten: nehmen wir den Gedanken von Hildikos Überleben ernst, so steht überraschenderweise der Handlungsablauf fast der gesamten Walter-Sage vor uns – was nicht gut Zufall sein kann.

Die Namensform: von Hildiko(n)~Hildikun zu Hildegund Irgendwann zwischen dem 6. und dem 8. Jh. möge nun diese Erzählung von den Ostgermanen – hier ist im Wesentlichen an die Ostgoten, auch und wohl vor allem an die überlebenden Ostgoten im Langobardenreich zu denken30 – zu den West-

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Neckel» gefordert habe – so Hermann Schneider 1928, 336, sondern halte es mit Andreas Heusler 1935, 74: «Wir glauben an kein tragisches Ende. Der Bogen ist nicht gespannt auf ein so gewaltsames Bersten. Nicht alle germanischen Sagen enden mit dem Tod der Hauptgestalt.» Cf. beispielsweise Wenskus 1961, 485: «Hier scheint Agathias I 1 zuverlässiger zu sein, der als eine der Kapitulationsbedingungen erwähnt, dass die Goten als Untertanen des Kaisers auf ihre Besitzungen zurückkehren sollten. L. Schmidt [1944, 9–11, auf den mit Nachdruck zu verweisen ist, G.A.B.] hat die zahlreichen urkundlichen und linguistischen Zeugnisse für das Verbleiben der Goten in Italien zusammengestellt. Auch unter den Langobarden blieben die Rechts- und Eigentumsverhältnisse der Goten im Gegensatz zu denen der Römer bestehen, da die Langobarden ständig bemüht waren, ihre Reihen zu erweitern. Erst im 11. Jahrhundert scheinen die Goten in Italien ihr Recht aufgegeben zu haben.» (Letzteres gilt aber wahrscheinlich nur noch für den Bereich um Goito, von wo Schmidt eine Urkunde von 1045 anführt, in der die Stifter als lege Gothorum viventes bezeichnet werden.) Gamillscheg macht sich zwar über das Schicksal der überlebenden Ostgoten während der kurzen Byzantinerzeit (555–568) zu negative Vorstellungen (1934–1936, II 29, korrigiert von L. Schmidt op. cit., 11), stellt dann aber zu Recht fest, dass später manche von ihnen ihre Sprache nachweislich noch mit dem Langobard. vertauschten, bevor sie der Romanisierung verfielen (op. cit., II 200–202). Auch Scardigli 1987, 193–196, 199s., schätzt die kulturelle Bedeutung des gotischen Erbes für die Langobarden hoch ein; darüber hinaus kann man unter seinen Belegen für sprachliche Übereinstimmungen des Langobard. mit dem Gotischen gegen das Althochdt. (op. cit., 216–218) die meisten lexemgebundenen sowie die Oszillationen zwischen -i- und -e-, -u- und -o- am einfachsten in diesem Sinne erklären. Zum starken Einfluss des westgot. Rechts auf die älteste Verschriftung des langobardischen Rechts, das Edictum Rothari, cf. Beyerle in der Einleitung zu seiner Ausgabe der Leges Langobardorum (1962, 10). – Bezüglich desselben Raumes (Italien, oberdt. Sprachgebiet) kann man noch bei zwei anderen Gelegenheiten vom Aufgehen ostgermanischer Gruppen im Westgerm. sprechen: sicher beim Untergang des Gepidenreiches, wo sich nach dem Zeugnis des Paulus Diaconus (Historia Langobardorum I 27) viele Gepiden lieber den Langobarden als den Avaren unterwarfen und sogleich nach Italien mitwanderten, und vielleicht bei der Ethnogenese (wenn nicht sogar noch bei der frühen Osterweiterung) der Bayern, wo ostgerm. Restgruppen in ihnen aufgingen (cf. hierzu z. B. aus sprachlicher Sicht Wiesinger 1985, 186, 195s. und 200, sowie 1986, 123s.). Die Probleme der Namensform wären etwa dieselben wie im Folgenden oben dargestellt; doch spricht inhaltlich nichts für diese Wanderwege.

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germanen und zudem von einer Sprache ohne die Zweite Lautverschiebung31 zu einer Sprache mit dieser gelangt sein. Die beiden Vorgänge sind dann wahrscheinlich, aber nicht mit Sicherheit identisch, da weder über das Ursprungsgebiet noch über die Chronologie der Zweiten Lautverschiebung Konsens besteht.32 Setzt man wie schon Steche und später noch radikaler Mitzka33 die Verschiebung bei den Alemannen früh an, so ist nicht auszuschließen, dass beide Vorgänge zusammen schon gegen Ende des Ostgotenreiches im Übergang zu den Alemannen eintraten; das Verhältnis beider Völker war ja traditionell eng und freundschaftlich.34 Doch auch wenn der Stoff erst durch langobardische Vermittlung zu den Oberdeutschen gelangte,35 bleiben zwei Möglichkeiten. Erstens können beide Vorgänge zusammen

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Die folgende Darstellung setzt also im Einklang mit der heutigen Forschungsmeinung (begründet vor allem von Mitzka 1967 passim, cf. auch Scardigli 1987, 227s.) voraus, das das got. -k- vielleicht aspiriert, aber nicht einer Zweiten Lautverschiebung avant la lettre bis zur Affrikata oder gar Spirans unterworfen war. Die Literatur dazu ist bei Weitem zu umfangreich, um hier im Einzelnen berücksichtigt zu werden. Ich greife die m. E. markantesten Positionen heraus. Steche, 1937, 18, setzt die Tenuesverschiebung im (südlichen) Alem. und im Langobard. fast gleichzeitig in der zweiten Hälfte des 6. Jh. an, doch wurden dabei ihm zufolge (Steche 1939, 143) die einfachen Spiranten aus den (zunächst in allen Stellungen entstandenen) Affrikaten im Alem. noch im 6. Jh., im Langobard. erst Mitte des 7. Jh. erreicht; Mitzka 1951a, 2, und 1951b, 67s., nimmt Erstentstehung der Zweiten Lautverschiebung bei den Alemannen an, und zwar wahrscheinlich schon irgendwann innerhalb der alemannischen Landnahmezeit vom 3. bis zum 5. Jh. einschließlich. Es sei nur daran erinnert, 1) dass nach der oder den alemannischen Niederlagen gegen die Franken (zwischen 496 und 506) Theoderich der Große als Beschützer zu allermindest der vielen in sein alpines Reichsgebiet übergetretenen Alemannen gegen seinen Schwager Chlodwig mahnend bis drohend auftrat, wenn Theoderich nicht überhaupt eine Form der Souveränität über das verbleibende alemannische Gebiet (die späteren Bistümer Konstanz und Augsburg) ausübte (cf. z. B. einerseits Schmidt 1940, 62–65, Wolfram 1979, 390ss., und Th. Zotz im Art. Alamannen des LM, andererseits H. Jänichen im Artikel Alemannen, II Geschichtliches, § 9, des RgA), und 2) dass umgekehrt in der Schlussphase des ostgotisch-byzantinischen Krieges die Alemannenherzöge Leuthari und Butilin mit einem starken Heer bis nach Süditalien den Ostgoten zu Hilfe eilten, wo eine Mehrheit der letzteren Butilin sogar die gotische Königskrone anbot, das Alemannenheer dann aber, soweit es nicht von einer Seuche dezimiert wurde, von Narses geschlagen wurde (cf. z. B. Schmidt 1944, 6s.). Auch das Verhältnis der Langobarden zu den Oberdeutschen, am stärksten (schon dynastisch und dadurch allgemein bekannt) zu den Bayern, aber auch den Alemannen, war traditionell gut, cf. etwa Scardigli 1987, 208–210. Der Langobardenherzog Droctulf (spätes 6. Jh.) stammte aus Alemannien, cf. Bruckner 1895, 193, Hlawitschka 1960, 17ss. mit n. 2. Für das Hildebrandslied geht die noch immer am ehesten konsensfähige (auch von Scardigli op. cit., 260 mit n. 31 befürwortete) These aus von einer Entstehung des Liedes bei den Langobarden in Oberitalien und seiner Wanderung nach Bayern (dann weiter nach Fulda und in dessen niederdt. Missionsgebiet). Gut begründet ist ferner die Vermutung, dass sich wenigstens einige der «gotischen» Kirchenwörter im Deutschen einer langobardischen Vermittlung verdanken (so zu dem bair. und alem. Pfaffe zuletzt von Polenz / N. R. Wolf 2009, 35, zu dem bair. und bis ins 14. Jh. auch ostalem. Dult speziell Wiesinger 1985, 173 und 190–193). Auch der archäologisch fassbare Einfluss,

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im Übergang von den überlebenden Ostgoten zu den Langobarden eingetreten sein, mag man nun bei letzteren die Zweite Lautverschiebung mit Betz und Hammerich36 früh, mit Steche und Bruckner 37 immerhin leidlich früh oder mit Scardigli spät (d.h. als im siebten Jahrhundert noch nicht voll durchgeführt) ansetzen.38 Bei der Spätdatierung tut sich daneben die zweite Möglichkeit auf: der Stoff könnte schon vor Eintritt der Verschiebung bei den Langobarden von diesen weitergewandert sein zu den Oberdeutschen, die die Verschiebung schon hatten.39 Die Frage ist nun, ob bei diesen Vorgängen die Übertragung des Namens phonemisch, morphemisch und wortbildungsmäßig «korrekt» erfolgte, weil man die eingetretene Auseinanderentwicklung von Ausgangs- und Zielsprache noch richtig nachfühlte, oder ob sie einfach der phonetischen Oberfläche naheblieb, gerade dadurch aber in der Zielsprache für eine Uminterpretation offen wurde. Zunächst zum Nominativ. Das standardgot. (~ bibelgot.) ǀ war im späten Ostgotisch wahrscheinlich zu u geworden.40 Doch im Nominativ der bei Hildikǀ vorliegenden n-Deklination entsprach ihm sowohl im Langobard. als auch im Oberdt. ein -a. Dazu kam nun die Zweite Lautverschiebung. Zwar fielen in ihrem Gebiet altes /k/ und /g/ wohl nirgends zusammen, aber beide wurden verschoben: in

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vor allem in Gestalt der Goldblattkreuze, geht seit etwa 550 in dieselbe Richtung, cf. etwa J. Werner 1952, passim, W. Müller 1974, 174–177, Menke 1987, 341–344 (doch sind die Langobarden keine «gens ostgermanischer Herkunft»!), H. W. Böhme im Art. ‘Goldblattkreuze’, § 7, des RgA, und vor allem (ebenfalls zu den Goldblattkreuzen) Knaut 2003, passim. – Nach 774 stellten Alemannen überhaupt ein gutes Drittel der nach Italien kommenden «Franken», cf. Hlawitschka 1960, passim, speziell 17ss., 48. Betz 1953, 96–97, Hammerich 1955, 170, 193, 197–203; für Betz ist innerhalb des Westgerm. das Langobardische explizit das Ursprungsgebiet, für Hammerich zumindest ein Kerngebiet, vielleicht das Ursprungsgebiet, der Zweiten Lautverschiebung. Steche 1937, speziell 7s. und 18, setzt zumindest die Tenuesverschiebung essentiell vor das Jahr 643, nämlich vor das Edictum Rothari; ähnlich W. Bruckner 1895, 154. Ein – m. E. voll beweiskräftiges – Hauptargument Steches ist, dass derselbe langobardische Königsname, der bei Prokop († 562) noch als ȅ੝੺țȘȢ erscheint, im Edictum schon Wacho (in einigen Mss. Waccho) lautet. Ferner bezeugt nicht nur das älteste erhaltene Manuskript des Edictum (Codex Sangallensis 730, wahrscheinlich aus Bobbio, nach essentiell übereinstimmendem Urteil von E. A. Lowe, Bernhard Bischoff und Alban Dold vor oder um 700, cf. van der Rhee 1970, 13s.), sondern auch die gesamte weitere Manuskripttradition (cf. van der Rhee jeweils s. v.) die Tenuisverschiebung in sculdahis und uualopaus (sowie mit geringen Abstrichen in camfio und crapauurfin), die Medienverschiebung (großenteils bis zum – sit venia verbo – streng-ahd. Stand) in pans, ploderabi, sonorpair, uualopaus und meta (sowie mit geringen Abstrichen in crapauurfin). Scardigli 1987, 183, 225–232, das Zitat 232. Scardigli verwirft – m. E. zu Unrecht – prinzipiell das Zeugnis von Eigennamen und datiert appellativische Belege (speziell aus dem Edictum Rothari) grundsätzlich nach den Manuskripten ohne stemmatische Rückschlüsse auf das Original. (Explizit anders urteilte Mitzka 1951a, 4: «Bei dieser Überlieferung ist die Verschiebung [zu ff, f, hh und tz] schon dem Original von 643 zuzusprechen.») Keineswegs auszuschließen ist bei diesem Befund auch, dass der Stoff die Alpen zweimal überquert hat, einmal in seiner gotischen, dann in seiner langobardisierten Form; cf. unten n. 54. Gamillscheg 1934–1936, II 33 (Abschnitt III 59), und schon Wrede 1891, 164.

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schwacher Stellung (die bei diesem Suffix von vornherein verallgemeinert wurde, weil zum Zeitpunkt der Verschiebung der Fugenvokal davor meist oder stets noch erhalten war) wurde /k/ (>/kȤ/> /ȤȤ /) > /Ȥ/; es musste also /-Ȥa/ entstehen. Doch war dieses Suffix schon im Oberdt. ziemlich selten, weil dort vielmehr das l-Suffix die klare Norm war; im Langobard. ist es (im Fem.) überhaupt nicht zu belegen.41 Dazu kommt, dass in der ernsten Handlung ein Hypokoristikon inhaltlich nicht zu erwarten war.42 Eine «korrekte» Übertragung wäre also eher unwahrscheinlich. Doch stünde auch eine der Ausgangsform nahebleibende Übertragung im Oberdt. und Langobard. formal isoliert da und gäbe wohl zu keinen Assoziationen Anlass. Anders die (zusammengenommen mindestens ebenso wichtigen) Casus obliqui. Dort ist die Flexion bibelgotisch Gen. -ǀns, Dat.-Akk. -ǀn (im späten Ostgot. wohl wieder mit -u-). Im Ahd. herrscht für alle drei Kasus einheitliches -njn. Entsprechend nimmt man auch für das Langobard. eine einheitliche Form an, und zwar am ehesten -ǀn. Denn während -un dort nicht zu finden ist, belegt Bruckner43 im Fem. immerhin einmal -ǀn in Gestalt eines latinisierten -on-i (Warnoni), sonst allerdings immer -an-i, -an-e (Ahani, Attani, Bertilani, Grimani, Lubane) nach einem wohl spätvulgärlat.-frührom. Deklinationstyp.44 Auch hier darf man bezweifeln, dass die Sprecher das gehörte /-kun/ richtig in das seltene bis unbekannte, inhaltlich nicht erwartete Suffix /-Ȥǀn/ (oder gar /Ȥan/?) bzw. /-Ȥnjn/ übertragen hätten. Denn hier drängte sich überhaupt eine Uminterpretation auf: wer das hypokoristische Suffix als solches nicht erkannte, musste es als Zweitglied eines Vollnamens zu deuten suchen. Nun hatte sich das alte /g/ ja dem ursprünglichen Platz des /k/ genähert, d.h. es war zumindest zur stimmlosen Lenis /ƥ/ (regional vielleicht sogar zur unbehauchten Fortis /k/) geworden und wurde im Langobard. ebenso wie im Altoberdt. häufig oder geschrieben. Insbesondere führt für das Langobard.45 Bruckner46 die Schreibung des femininen zweiten Namensteils -gund in Perticunda a. 719, Austreconda a. 730 (?), Rodicunda a. 747, Bonecunda a. 768, Austricunda

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Cf. oben n. 12. Im Ostgerm. sind Kurznamen mit «hypokoristischem» Suffix so häufig, dass man das Noch-Vorhandensein eines hypokoristischen Sinnes bezweifeln muss; doch das Ahd. kommt in diesem Punkt schon dem heutigen Oberdt. nahe. W. Bruckner 1895, 234, 299, 238, 230, 316, cf. 263. Man erklärt ihn entweder nach G. Paris und anderen als Fortsetzung der sogenannten declinatio semigraeca (vulgärlat. -a, Gen. -Ɨnis usw.) oder nach Jakob Jud als frührom. Umbildung eines westgerm. Femininums -a, -ǀn zu -a , -Ɨne nach dem Muster des westgerm. und lat. Maskulinums -ǀ, - ǀn(e); die sehr komplizierte Forschungsgeschichte braucht hier nicht zu interessieren. Ist eine der beiden Erklärungen richtig, so beweist der Typ nichts für das Langobardische. Anders lägen die Dinge, wenn man die Proportionsbildung schon ins Langobard. selbst verlegte und dort für die Casus obliqui (wie innerhalb des Westgerm. im Ingwäonischen) -an ansetzte; dann wäre der Sprung vom spätgot. Ausgangs-un zum langobard. Ziel-an noch größer, also noch unwahrscheinlicher. Übrigens ist schon das crapawurfin des Edictum Rothari (643) zwar im ältesten Manuskript (um 700) nicht ganz klar zu lesen, aber stemmatisch ausgezeichnet beglaubigt, cf. van der Rhee 1970, 78. W. Bruckner 1895, 199ss. Ich führe nur Belege aus der Zeit vor 774 an, da alles Spätere

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a. 769 und Walcunda a. 772 an, wobei -a wohl nur eine latinisierende Deklinationskonvention ist, der gesprochene Name, ein ursprünglicher i-Stamm, vielmehr wie im Oberdt. durch Fall des -i nach langer Silbe konsonantisch ausging. Ebenso findet man aus dem bair. und alem. Bereich bei Förstemann47 viele Cund- als erstes Namenglied unter den Gund-Namen, als zweites, feminines Namenglied z. B. in Autcunda/Otcunt, Pericunt/Perecunt/Bercunt/Percunt (s. v. Beregund), Erkund u.ä., und Schatz48 vermerkt ausdrücklich, dass / im zweiten Namensglied selbst nach stimmhaften Lauten «häufig» und bei manchen Schreibern überhaupt die Norm war, also nicht nur Otcund, Liutker usw., sondern auch Hilticund, Pilicrim u.a. Somit lag es im Obliquusstamm nahe, das zu rezipierende /kun/ als phonemisch /ƥun~kun/ zu hören und dann – sogleich oder allmählich, nicht zwangsläufig überall gleichzeitig – , es vermeintlich korrigierend, zu komplettieren zu /ƥund~kund/, dem ganz alltäglichen Zweitglied der zweigliedrigen Namen. Zusätzlich erleichtert wurde diese Umdeutung vielleicht dadurch, dass seit dem 8. Jh. für finales /nd/ in der Tat eine Sprechvariante mit geschwächtem oder unterdrücktem /d/ belegt ist; denn unter Förstemanns Formen findet man z. B. aus dem langobard. Bereich (latinisiertes) Hiliprannus (a. 764, Farfa nordöstlich Rom) und Gualpranu ( -nn- handelt, der sonst erstmalig gegen 825 in Süditalien zu belegen ist und langsam nach Mittelitalien vordringt, ohne je das Toskanische und damit die Schriftsprache zu erreichen. Ich habe Förstemanns Belege wo nötig an den neueren Ausgaben nachgeprüft. Ähnliche Erscheinungen in anderen Gegenden (temporär in Ostfrankreich, durchgedrungen in Südfrankreich und in Niederdeutschland) bleiben hier außer Betracht; auch einzelne fränkische Belege wie Ermensina (Fulda), Wachmun, Warlan (Lorsch) lohnen in unserem Zusammenhang keine Diskussion. Die Urkunde jetzt bei A. Bruckner 1949, 298, Nr. 470. Nicht völlig auszuschließen (obwohl als Ausgangspunkt abenteuerlich) ist natürlich auch die Möglichkeit, dass Hildegund von vornherein Hildikos Vollname war, cf. Schütte 1935– 1936, II 51; dafür, dass in der lat. Überlieferung ein Kurzname, in der germ. heroischen

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Der männliche Partner Die Person des männlichen Partners einschließlich seiner ethnischen Zugehörigkeit ist in dieser Sichtweise zunächst eine Frage zweiten Ranges; man könnte geradezu sagen: hier lädt eine Leerstelle zur Füllung ein, vielleicht sogar zu konkurrierenden Füllungen. Das Mädchen steht etwa siebzig Jahre nach Attilas Tod als seine Mörderin da, doch lässt sich nicht abschätzen, ob relativ zum Mordgerücht die erste Erzählung von ihrem Überleben und ihrer Flucht nur wenige Jahre oder ein Jahrhundert später anzusetzen ist. Jedenfalls ist man schon so weit von Attilas Todesdatum entfernt, dass für den oder die in die Leerstelle Eintretenden keine volle historische Gleichzeitigkeit verlangt werden kann, allerdings auch völlig freie Erfindung noch wenig wahrscheinlich ist; in Frage kommen in diesem Zeitraum wohl nur ein Gote (am ehesten ein Westgote oder ein sich den Westgoten anschließender Ostgote)53 oder schon ein Langobarde.54 Doch so vage seine Anfänge, so glänzend

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Dichtung aber der Vollname weiterleben konnte, hat ja Kluge 1906–1907 schon Ammius (< *Hammius) ~ Hamðir beigebracht, cf. oben Teil II, p. 73. Zum Stichwort «Gote» erinnere ich mit Nachdruck auf das oben im Teil II, p. 71–73, zugunsten von Wal(l)ja Gesagte und speziell an das oben Teil II, p. 72 n. 68, Gesagte zu den Übertritten vom Ost- zum Westgotentum und zum weitgehend gemeinsamen ost- und westgotischen Geschichtsbewusstsein. Zum Stichwort «Langobarde» ist vor allem auf Regeniter 1971, 359–366, zu verweisen. Er erinnert daran, dass der volle Name Walter als Königsname nur bei den Langobarden bezeugt ist, wo Walthari (539–546) der achte König war [aber als Jüngling, anscheinend noch unter Audoins Vormundschaft stehend, starb, womit zugleich das erste Königsgeschlecht der Langobarden, die Lethinge, ausstarb, cf. Prokop, De bello Gothico 3.35.17s., G.A.B.], und dass dieser Name (ebenso wie Alphari, der Name von Walters Vater im Waltharius, Waldere und der mhd. Überlieferung) bei den Langobarden auch später gut bezeugt ist. Regeniter will den König – als zu spät – nicht mit dem Sagenhelden gleichsetzen, fragt sich aber, ob nicht ein homonymer fürstlicher Ahn in der Attila-Zeit gelebt haben könnte; denn da König Walthari eine Halbschwester väterlicherseits namens Walderada hatte, dürfte die Wald(e)-Onomastik schon in der Ahnenschaft von beider Vater König Wacho etabliert gewesen sein, auch wenn sie in der Königslinie vorher nicht nachweisbar ist. Die Langobarden scheinen auf ihrer Südostwanderung von der Unterelbe aus schon vor der Hunnenzeit Böhmen erreicht zu haben, cf. Schwarz 2009, n. 26 und Register s. v. Böhmen. Ungefähr mit Bezug auf dieselbe Zeit schildert Paulus Diaconus, Historia Langobardorum 1.16s., zwei Niederlagen und einen Sieg der Langobarden unter Lamissio gegen die Bulgari; hinter diesem eindeutig anachronistischen Terminus sieht die Forschung (nach Fredegar 3.65) die Hunnen (oder eines ihrer Hilfsvölker) bei einem Vorstoß nördlich der Karpaten um 403. Die drei auf Lamissio folgenden Langobardenkönige Lethuc (er soll 40 Jahre geherrscht haben), Hildeoc und Godeoc (über die Dauer ihrer Herrschaft verlautet nichts) haben dann hybride germ.-hunnische Namen (Attilas Vater hieß Mundzuc), cf. Schwarz op. cit., n. 26s. (mit Lit.), was auf zeitweiligen starken hunnischen Einfluss deutet. Da die hunnische Ausbeutungspolitik von der ungarischen Tiefebene aus im Wesentlichen auf das (west- und ost-) römische Reich gerichtet war, könnten die im böhmischen Becken gleichsam im Windschatten sitzenden Langobarden sich zwar einer «gewisse[n] Unabhängigkeit» (Schwarz, loc. cit.) erfreut haben; doch selbst in diesem Fall darf man annehmen, dass sie Geiseln zu stellen hatten. Die Kenntnis

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seine weitere Karriere. Denn die bei weitem einfachste Art, den Stoff auszuweiten, ist die Amplifikation der Kämpfe; weil dabei der Mann und nicht das Mädchen Siegesruhm auf sich lädt, wird aus der Sage von «Hildegund und Walter» allmählich die von «Walter und Hildegund». Die ursprünglichen Feinde des fliehenden Paares waren Attilas Hunnen. Bei einem Ostgoten oder Langobarden (bzw. langobardisch Versippten, Typ þiðreks saga) als Protagonisten waren die Fluchtrichtung Süden und das Stichwort «Alpen» vorgegeben, und die Hunnen (gleichgültig, ob von Hagen angeführt oder nicht) behielten ihre Verfolgerrolle, weil auf diesem Wege kein berühmterer Feind sie verdrängte.55 Bei einem Westgoten oder zu den Westgoten fliehenden Ostgoten (später ‘Aquitanier’, Typ Waltharius) war die Fluchtrichtung Westen vorgegeben, und auch hier waren die Feinde zunächst die Hunnen. Aber hier musste sich irgendwann das Stichwort «Rheinüberquerung» einstellen und mangels kartographischer Genauigkeit schließlich der Gedanke an Gunthers rheinisches Reich,56 das namhaftere Antagonisten bot, freilich nur unter

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davon kann zur Zeit des Paulus schon verdrängt, zu der uns interessierenden Zeit aber noch lebendig gewesen sein. Regeniters Annahme ist also im Kern durchaus plausibel, selbst wenn in unserer Sage die Hunnengeisel erst retrospektiv, weil sie ein jugendlicher Lething sein sollte, nach dem Namen des letzten – jugendlich verstorbenen – Lethings benannt worden sein sollte. Wer für die Langobarden optiert, wird sich mit Regeniter auf die þiðreks saga berufen, deren Walter-Erzählung unter anderem durch die nur geringfügige Nibelungisierung (für eine solche halte ich gegen Regeniter und mit Millet immerhin die Person Hagens) archaisch wirken kann: hier flieht Walter ja mit Hildegund, der Tochter des Griechenkönigs Ilias, von Attilas Hof ‘südwärts über die Berge’ (suðr um feall) zu Walters Onkel, dem König Ermanarich. Man hat Mühe, alles das abwertend anzusehen als eine Erfindung des Saga-Autors, etwa mit dem einzigen und willkürlichen Ziel, den positiv gezeichneten Walter zum Neffen und späteren treuen Bannerträger eines extrem negativ gezeichneten Ermanarich zu machen. Ich selbst halte es für nicht unwahrscheinlich, dass eine gotische und eine langobardisierte Fassung längere Zeit nebeneinander standen und sich beeinflussten, etwa so, dass die erstere aus der letzteren wenn nicht sogar den Vollnamen des Protagonisten (statt des Kurznamens Walja, falls nicht schon dieser überhaupt für Waldaharjis steht), so doch den Name Alphari seines Vaters übernahm, während später in umgekehrter Richtung die so erfolgreiche Nibelungisierung auf die Erzählung der þiðreks saga immerhin ein wenig abfärben konnte (Hagen, dazu der Beiname af Vaskasteini, aber aus elementaren geographischen Gründen nicht Gunther). Darf ich mir zur Rechtfertigung dieser Annahme eine Formulierung ausleihen, die Walter Haug bei einer meines Erachtens ähnlichen Gelegenheit geprägt hat? «Die historische Entwicklung [der literarischen Ausprägungen, G.A.B.] braucht dabei keineswegs einlinig zum einen oder zum anderen Pol hinzutendieren, sondern die beiden Perspektiven können immer wieder neu sich einander zuordnen, sich überkreuzen, sich gegenseitig zurückdrängen usw.» – so anlässlich der Ermanarichsage offensichtlich zu Recht W. Haug 1975, zitiert nach dem Wiederabdruck 1990, 283. Italien wird in der þiðreks saga als zu dieser Zeit im Besitz Ermanarichs, nicht Dietrichs gedacht; Dietrich kann also ganz aus dem Spiel bleiben. Innerhalb des germanischen heroic age werden mit dem Mittel- und Oberrhein sonst nur die Harlunge assoziiert, die als potentielles Hindernis für die Flüchtlinge nicht ernsthaft mit dem Wormser Burgunderreich konkurrieren könnten. – Was die «dahinter» liegende Heimat Hildegunds betrifft, so wird im Waltharius als Stadt in Burgund nur Chalon-sur-

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einer weiter unten zu besprechenden einschneidenden Voraussetzung. Noch der Waltharius-Dichter muss sich sichtlich ein Kabinettstück einfallen lassen, um die ihm erzählerisch unerwünschte, weil ermüdende Folge von Kämpfen gegen zweierlei Gegner, Dronkes double ordeal, aus der Fabel zu verbannen: einen Attila, der einen ganzen Tag in Entschlusslosigkeit sinnlos vergeudet, um am zweiten Tag auf Walter vergeblich einen umso höheren Preis auszusetzen – wo ein auch nur leidlich realistisch gezeichneter Attila gleich im Augenblick der Entdeckung nicht einen Anreiz, sondern einen Befehl zur Verfolgung ausgesprochen hätte. Möglicherweise bestimmte sowohl bei der West- wie bei der Süd-Variante der Erzählung die Stammeszugehörigkeit des jetzt dominierenden Mannes sekundär sogar die des Mädchens im Sinne einer plausiblen Nachbarschaft: zum Westgoten gehört die – jetzt schon (süd)ostfranzösische, nicht rheinische – Burgunderin, zum Ostgoten oder Langobarden ohne falsche Bescheidenheit die Tochter des Griechenherrschers. Insofern macht unser Ansatz auch das merkwürdige Schwanken der geographischen Grundlagen des Stoffes – Waltharius vs. þiðreks saga – plausibel. An dieser Stelle ist es zweckmäßig, einen Blick auf die Waldere-Fragments zu werfen. Ute Schwab57 hat mit Nachdruck hingewiesen auf v. 28–29a des (üblicherweise, aber willkürlich) als erstes bezeichneten Fragments; dort sagt Hildegund zu Walter über Gunther: Forsoc he ðam swurde and ðam syncfatum, / beaҊa58 mæniҊo […] ‘Er hat das Schwert zurückgewiesen und die Schatztruhen, die Menge der Ringe’. Schwab fragt: «Aber warum – wir wiederholen es – möchte denn

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Saône (v. 52) genannt – keine schlechte Wahl, da Chalon immerhin Altersresidenz und Begräbnisort des bedeutenden Merowingerkönigs Guntram «von Burgund» (561–592 oder 593) war (was der Dichter aus Gregor von Tours, Hist. V 27 und passim, Fredegar III 80, IV 14 oder Liber historiae Francorum cap. 35 wissen konnte); dass die Route von der ungarischen Tiefebene über Worms nach Chalon und / oder Aquitanien ein Umweg war, konnte man damals noch ignorieren. Doch als im frühen 13. Jh. das mhd. Walter-Epos entstand, war – vor allem wohl durch den Verkehr zu und von den Champagnermessen – das geographische Erfahrungsnetz in Ostfrankreich wesentlich präziser, kartenähnlicher geworden. Da man auf Worms nicht mehr verzichten konnte, geht die Weiterreise jetzt nach Langres (in der Luftlinie 120 km nördlich von Chalon, im burgundisch-champagnischen Grenzland), wo allerdings nicht Hildegunds, sondern gleich Walters Vater herrscht und die Hochzeit des jungen Paares vorbereitet; die Stadt empfahl sich als Königssitz schon durch ihre wahrhaft imposante Lage auf einem isolierten Hochplateau. Mit Langres bleibt Walter auch in Dietrichs Flucht und dem Rosengarten verbunden. (Hingegen war er im Nibelungenlied in vereinfachender Änderung des gelehrten und nach Panzer 1948, 52, «überalterten» Aquitania nach Spânje versetzt worden, was – neben oder vielmehr trotz Langres! – auch in das mhd. Walter-Epos überging; im Biterolf sitzt er gar in Paris und hat als Vasallen oder Alliierte Kärlingen und Nâvarren – «Größe» statt Präzision – , und Hildegund, die des [nun wieder] Burgunders Gunther wegen nicht mehr Burgunderin ist, aber Walters Nachbarin bleiben soll, stammt aus Arragûn.). Schwab 1979, 366s. und 243. Nebenbei gesagt: altengl. beaҊ (Pl. beaҊa) < germ. baug ist dasselbe Wort wie altfrz. bou, altokzit. bau in bous / baus Gaifier. Wenn wir letztere weiter oben mit den armillae des Waltharius gleichgesetzt haben, sprechen wir also in der Tat von den gleichen, nicht nur ähnlichen Gegenständen.

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Guðhere überhaupt noch kämpfen, nachdem ihm Waldere alles angeboten hat, seine Angriffswaffe und sein Vermögen? Darauf gibt es nur eine Antwort: Der Konflikt hat sich hier nicht primär durch die Schatzgier Gunthers ergeben, sondern… um den Besitz des Mädchens, das dem Sieger gehören soll.» Diese wichtige Entdeckung bedarf meines Erachtens einer leichten Korrektur.59 Es ist unvorstellbar, das Walter «das», d.h. sein einziges, Schwert angeboten hätte; denn ein Germane von Adel trägt es ständig, auch im täglichen Leben. Besonders unvorstellbar ist hier die Aussicht, dass ein schwertloser Walter und Hildegund durch die Lande weiterzögen, dem Angriff eines jeden Bewaffneten ausgesetzt, und, wenn überhaupt, so schließlich waffenlos wie fahrendes Volk bei ihrem oder seinem Vater einträfen. Walter hat also nicht «sein» (einziges) Schwert angeboten, sondern eins von zweien, die die Flüchtlinge mit sich führen, wobei das zweite nach menschlichem Ermessen aus Attilas Besitz stammen muss.60 Doch es wird an erster Stelle vor dem Schatz genannt, nicht diesem subsumiert, als sei es das Wertvollste überhaupt und gehöre nicht eigentlich zu dem Schatz. Handelt es sich dann überhaupt um «ein» Schwert Attilas und nicht vielmehr um «das» Schwert Attilas? (Der historische Attila glaubte bekanntlich, das Schwert des Kriegsgottes zu besitzen, das ihm die Weltherrschaft verspreche.61) Und wer hätte dann je Attila dieses Schwert abnehmen können wenn nicht seine Mörderin? Damit ist nicht gesagt, dass Hildegund noch im Waldere Attilas Mörderin war. Aber auch wenn sie es nicht mehr war, kann das Motiv, durch den Kontext um eine Stufe verharmlost, stehengeblie-

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Vielleicht sogar einer doppelten solchen. Denn statt «das dem Sieger gehören soll» wäre vielleicht richtiger: «das Walter entrissen werden soll». Da nämlich Gunther im Waldere («zweites» Fragment, v.14) sagenecht wine Burgenda ‘Freund [=Beherrscher] der Burgunder’ genannt wird, könnten dort Gunther und Hildegund beide Burgunder sein, und Gunther könnte als jetziger Chef des Hauses die Verlobung seiner Schwester (?) Hildegund mit Walter nicht anerkennen wollen (so einleuchtend Vollmann 1991, 1180–1182). Das würde übrigens auch erklären, warum die Verlobten im mhd. Fragment in Langres bei Walters und nicht Hildegunds Vater Hochzeit feiern, und damit das mhd. Epos als nicht aus dem lat. Waltharius abgeleitet erweisen. Diese Interpretation behält auch dann ihre Gültigkeit, wenn in dem traditionellerweise als zweites bezeichneten Fragment die dort zuerst redende Person, die auch im Besitze eines zweiten, unübertrefflichen Schwertes zu sein versichert, nicht Walter (so meines Erachtens wohl richtig Frederick Norman schon in der 1. Aufl. seiner Ausgabe 1933) oder Hildegund (so Dronke 1977, 38 n. 21, von Schwab 1979 noch nicht berücksichtigt), sondern Gunther (so Schwab 1979, 238–241, 249 n. 34) sein sollte, der das angebotene Schwert hochmütig ablehnen würde, weil er selber deren mehrere besitze. Doch halte ich Schwabs These für wenig wahrscheinlich, weil sie Gunther eine gewundene Geschwätzigkeit unterstellt, die schlecht zum Stil des Waldere passt. Jordanes hält dieses Schwert für so wichtig, dass er es schon in cap. 35 seiner Getica, dem ganz der Person Attilas gewidmeten Vorstellungskapitel, gleich nach der Beschreibung von Attilas Äußerem erwähnt. Cf. im Übrigen Altheim 1962, 312s., oder MaenchenHelfen 1978, 203s. Das Motiv findet sich noch Ende des 12. Jh. – meines Wissens ohne bekannte Zwischenstufe – beim Autor der Vita des Bischofs Altmann von Passau, cap. 26 (MGH. SS. 12, 237).

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ben sein; im Waltharius ist es dann um eine weitere Stufe verharmlost zu «einem» (aber immer noch:) hunnischen Schwert schlechthin.

Die Tilgung von Attilas Tod aus der Handlung Und damit sind wir bei dem vorherzusehenden Haupteinwand gegen unsere These: die Sage soll doch einst mit der Ermordung62 Attilas begonnen haben! Gibt es plausible Triebkräfte für deren späteres Verschwinden? Ja, wir haben sogar die Qual der Wahl zwischen drei – freilich miteinander verwandten – Möglichkeiten. Erstens: Spätestens musste Attilas Ermordung aus der westlichen Form der Sage bei deren Nibelungisierung verschwinden, d.h. sobald Gunther und seine Leute als Verfolger des Paares auftraten. Der historische Gunther und sein burgundisches Heer erlitten 437 gegen die Hunnen jene vernichtende Niederlage, die das Kernstück aller Nibelungen-Epik bildet. Attila und sein Bruder Bleda treten zwar schon 434 als Hunnenherrscher in die Geschichte ein, doch so, dass Attila bis zur Ermordung Bledas 444 eher für den hunnischen Osten zuständig zu sein scheint. Auch wenn somit wahrscheinlich nicht Attila über Gunther siegte, wurde im Rückblick ihm der Sieg zugeschrieben; das ausdrückliche Zeugnis dafür haben wir aber erst im späten 8. Jh. bei Paulus Diaconus:63 Attila itaque primo impetu mox ut Galliam introgressus est, Gundicarium Burgundionum regem sibi occurrentem64 protrivit. Sobald also der Gunther des so zusammengefügten Burgundenkomplexes auch in unsere Sage eintrat – das kann ein halbes, aber auch zwei Jahrhunderte nach deren Entstehung gewesen sein –, musste Attila a fortiori noch leben, konnte nicht schon ermordet sein. Während diese erste Möglichkeit vor allem die westliche Form der Walter-Sage betrifft, affizieren die beiden folgenden auch die südliche. Nämlich – zweitens: Aus Attilas Mörderin Hildiko ist ja nicht nur nach unserer These in der Walter-Sage die Hildegund, sondern, wie oben schon erwähnt, auch nach der in der Germanistik herrschenden und bestens begründeten Forschungsmeinung in der Nibelungen-Sage «König Etzels» burgundische Frau hervorgegangen,65 die

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Vielleicht sogar einschließlich ihrer Motivierung (z. B. Rächung eines von Attila umgebrachten Verwandten Hildikos); die würde natürlich mit dem Verschwinden der Ermordung auch verschwinden. Historia Romana, ed. Droysen 1879, 14.5. Das ‘Entgegengehen’ ist hier sicher noch feindlich gemeint, es konnte aber übergehen in die Vorstellung, Gunther werde zu Attila hingelockt. Locus classicus, nachlesenswert: Heusler 1965, 25; Heusler betrachtet dort auch die Namen Ildico und Grîmhild als genetisch zusammenhängend. De Boor (ed.), Nibelungenlied, 1967, p. VIII: «Attilas Tod: […] Der Name Hildico ist germanisch, die Verkleinerungsform eines Frauennamens auf -hild (Hildchen). [Non sequitur, mit größerer Wahrscheinlichkeit wäre Hild- das erste Namensglied, G.A.B.] […] Früh schon berichten byzantinische Geschichtsschreiber, das Mädchen habe Attila ermordet. Hier setzt die germanische Dichtung an. […] So erzählt es der Norden: Attila fällt der Rachetat einer Frau

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Guðrún der nordischen, die Kriemhilt der deutschen Überlieferung. Denn nachdem Attila als Vernichter Gunthers und seines Burgunderheeres feststand, wurde dieser Konflikt – wie so oft in der mittelalterlichen Epik – psychologisch verständlich, ja abgründig gemacht durch Versippung, indem Attilas Frau zur Burgunderin – zwar nicht zu Gunthers Tochter, doch zu seiner Schwester – und dadurch zum Werkzeug ihres goldgierigen Ehemannes wurde, wie uns zwar keine deutsche Überlieferung mehr, wohl aber die nordische Überlieferung (als die geographisch-laterale, archaischere) in der Atlakviða – und im Wesentlichen auch später noch in den Atlamál – berichtet. Die Ehe besteht hier längere Zeit, da Attilas Frau ihrem Mann schließlich die gemeinsamen Kinder, von ihr eigenhändig getötet, als Speise vorsetzt, bevor sie auch ihn tötet. Damit haben sich endgültig Hildegund und Kriemhild-Gudrun nicht nur im Namen, sondern auch in der Biographie getrennt, nur eine von beiden kann Attila getötet haben.66 Falls nun diese ältere Form der Nibelungen-Sage und die Hildegund-Sage noch in Deutschland aufeinander trafen – was nicht unwahrscheinlich ist – ,67 dürfte sich die Nibelungen-Sage als die stärkere erwiesen haben. Aus der Hildegund-Sage musste damit Attilas Ermordung weichen. Drittens ist das positive Attilabild großer Teile der deutschen Epik zu bedenken. Es gilt als ostgotischer Herkunft, sicherlich nicht zu Unrecht; doch sollte man sich hier meines Erachtens hüten vor einer Verabsolutierung, als habe im ostgotischen Bereich von vornherein nur dieses Bild Lebensrecht gehabt. Der einzige Ostgote, den wir von Attila reden hören, Jordanes, stellt gleich einleitend (cap. 35) fest,

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zum Opfer, deren Brüder er umgebracht hat. Diese Brüder sind die Burgundenkönige» usw. Heinzle 2003, 4: «[…] Hildico (Koseform von Kriemhild?) […] Offenbar ist die Burgundensage aus der Verbindung der Überlieferung vom Ende des Burgundenkönigs Gundaharius und vom Ende des Hunnenkönigs Attila gebildet worden: Die Germanin wurde zur Schwester und Rächerin des Burgundenkönigs gemacht, der durch die Hunnen Reich und Leben verloren hatte.» Selbst Schramm (1965), der zunächst (p. 39ss.) alles tut, einen Namenszusammenhang zwischen Hildiko und Kriemhild zu leugnen, gibt schließlich zu: «[…] bleibt es nach wie vor wahrscheinlich, dass die Spekulationen um eine Ermordung Attilas durch eine Frau, von der wir erstmals durch […] Marcellinus Comes […] hören, zum Kristallisationskern des Burgundenstoffes wurden» (p. 46), ja dass dabei «vielleicht schließlich der vage Namenanklang von Kriemhilt und Hildiko» eine Rolle spielte (p. 45). – Im Norden ist der Name von Attilas Frau ersetzt worden durch Guðrún (< *Gunn-rún < *Gun࡛i-rnjnu, cf. Heusler 1967, § 155), damit er mit dem Erstglied des Namens ihres Bruders Gunnarr ‘Gunther’ identisch sei. (Doch ist die Ersetzung wohl erst sekundär, da man im Norden auch das dem Dt. entsprechende Grímhildr kennt, aber auf die Mutter abgeschoben hat.) Die deutsche Nibelungen-Tradition hingegen hat das erste Namenglied von Hildiko zum zweiten gemacht und an die erste Stelle ein Grîm- oder Kriem- gesetzt. Ursprünglich scheint sich im Norden Attilas Frau zum Schluss selbst den Tod gegeben zu haben, cf. den Schlusssatz der Atlakviða: «ehe die Tapfere starb». Bald aber ließ man sie (in den Hamðismál und später), um hier die Ermanarichsage anschließen zu können, eine weitere Ehe mit einem König Jónakr eingehen (wobei *jónak- < *eunak- anklingt an Ernac und Ellac, die Namen der beiden bekannteren Söhne Attilas). Weder das eine noch das andere passt zu Hildegund. Cf. die Meinung namhafter Germanisten unten in n. 69!

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dass Attila seine beispiellose Macht durch Mord an seinem Bruder erreicht hatte; er erwähnt zwar einzelne positive Charakterzüge wie seine Milde gegen sich Unterwerfende und seine weitere Loyalität ihnen gegenüber, beschreibt ihn aber als kleinwüchsig, breitbrüstig, großköpfig, kleinäugig, bartarm, das Haupthaar mit grauen Einsprengseln, kurznasig und von hässlicher Hautfarbe, also ziemlich als Gegenteil jedes germanischen oder romanischen Schönheitsideals; er relativiert die Vertrautheit der Amalerbrüder mit ihm durch die Mitteilung (cap. 48), die Brüder hätten als Preis dafür keinen Kampf gegen die Westgoten verweigern können und auch ein parricidium begehen müssen; er schildert zwar (cap. 49) eine eindrucksvolle hunnische Trauerfeier für Attila, nennt dessen Tod aber vorher (cap. 48) ‘allen [!] Völkern einschließlich der Römer erwünscht’. Auch wenn Jordanes Cassiodor und dieser in nicht genau bestimmbarem Umfang Priskos ausschreibt, hätte Cassiodor oder Jordanes doch wohl manche Züge dieses Bildes wie etwa die Schilderung von Attilas Äußerem unterdrückt, wenn der Hunnenherrscher im ostgotischen Bewusstsein damals schon eine schlechthin unbezweifelbare Heldengestalt gewesen wäre.68 Eine Vereinfachung dieses komplexen Bildes hin zur monolithisch-positiven (doch zugleich ziemlich inaktiven) Majestät drängte sich erst auf, als TheoderichDietrich trotz mancher Siege den Großteil seines Lebens als Exul an Attila-Etzels Hof verbringen musste – auf einer Sagenstufe also, die Theudemer-Dietmar und seinen Sohn Theoderich-Dietrich zu einer Person verschmolzen hatte und so einen ursprünglichen Nebenumstand, Theudemer-Dietmars langen Aufenthalt am AttilaHof, zum Hauptumstand erheben konnte. Diese Stufe kann nach menschlichem Ermessen nicht mehr bei den Ostgoten, sondern, da sie uns zuerst im Hildebrandslied entgegentritt, vermutlich erst im 8. Jh. spätlangobardisch oder gar erst oberdeutsch erreicht worden sein. Ich halte es deshalb für ziemlich unwahrscheinlich, dass eine von den Westgoten zu den Ostgoten gekommene Sage schon bei diesen unter dem Druck eines positiven Attila-Bildes ihre Einleitung, Hildikos Tat, verloren hätte; umso eher könnte dies bei den Langobarden oder den Oberdeutschen geschehen sein. Bei den Letzteren war das positive Attilabild ja schließlich – wenn auch vielleicht erst nach der Zeit des lat. Waltharius69 – stark genug, die Nibelungen-Sage

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Auch de Boor 1932 setzt ja bei den Ostgoten neben der bekannten pro-attilanischen (p. 43) ausgiebig anti-attilanische Dichtung (p. 26–34) voraus. Mit den Worten (v. 322s.) Et licet ignicremis vellet dare moenia flammis, / Nullus, qui causam potuisset scire, remansit zeigt uns der Waltharius-Dichter bekanntlich e contrario, dass er das Bild der brennenden Halle am Hunnenhof kennt. (Die Stelle wurde missverstanden und die Folgerung zu Unrecht geleugnet von Önnerfors 1992, 636s.). Doch fragt es sich, ob diese Halle 1) in der Vorlage des Dichters noch von Hildegund oder 2) in des Dichters Kenntnis der älteren Nibelungen-Sage noch über den (wie im Waltharius!) volltrunkenen Hunnen oder 3) schon in Kenntnis der jüngeren Nibelungen-Sage über den Burgunden angezündet wurde. Die Forschung entschied sich in der Regel für 2). So Singer 1922, 56, zum Saalbrand: «Auch die Erwägung dieser Möglichkeit wird dem alten Liede angehören; ausführen aber konnte es die Tat nicht lassen, weniger aus sittlichen Bedenken, als weil die Sage vom Untergang der Burgunden durch Attila [also nicht durch Kriemhild, G.A.B.][…] zu bekannt war, als dass er Attila vorher hätte zugrunde gehen

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entscheidend umzuprägen: bei der Vernichtung der Burgunden war nicht mehr Attilas burgundische Frau das Werkzeug ihres goldgierigen Mannes, sondern Attila das gutgläubige Werkzeug seiner ob Siegfrieds Ermordung rachedurstigen Frau, er selbst am Gang der Dinge so unschuldig, dass im Nibelungenlied nur die Frau der Hinrichtung durch Hildebrand verfällt, Attila aber klagend-tatenlos überleben darf. War somit das positive Attila-Bild im oberdt. Raum stark genug zur Umprägung der Nibelungen-Sage, so könnte es dort auch schon stark genug zur Umprägung der Hildegund-Sage gewesen sein; das würde zugleich den milden, letztlich inaktiven Attila des Waltharius erklären. Werfen wir einen Blick zurück auf die Entwicklung unserer These! Wir sind ausgegangen von einem historischen Faktum (Hildiko als einzige Anwesende bei Attilas unerwartetem Tod) und dessen früh und nachhaltig dokumentierter sagenhafter Überhöhung (Hildiko als Attilas Mörderin). An eigenen Annahmen wurden nur zwei sehr elementare nötig. Erstens haben wir aus dem völligen Fehlen von Erwähnungen einer Bestrafung Hildikos geschlossen, dass man sich bald Gedanken machte, wie sie überleben konnte. Unsere zweite Annahme war dann, dass bei der Übernahme der Sage in eine andere Ethnie ein dort als Kurznamen-Obliquus ungewohntes /-kun/ als /-ƥun ~ -kun/ gehört und zu /-ƥund ~ -kund/ «korrigiert», d.h. wieder ins Namensystem eingebettet, wurde. Bezüglich des männlichen Partners entschieden wir uns nicht zwischen den beiden präexistenten Thesen, der (west-) gotischen und der langobardischen, halten eine solche Entscheidung aber auch für zweitrangig. Alles Übrige waren bloße Folgerungen, von der Fluchtidee bis zu der durch den Nibelungen- oder den Dietrich-Komplex irgendwann erzwungenen Tilgung des einst so produktiven Einleitungsmotivs der Hildegund-Sage. Gerade die Tatsache, dass sich diese Folgerungen aus den nur zwei elementaren Annahmen ergaben, sollte uns in der Überzeugung bestärken, dass unsere These das Richtige trifft. Dann aber fällt damit offensichtlich Fradejas Herleitung des Waltharius aus der Bahlnjl-Sage70.

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lassen können.» Panzer (1948, 86s.): «Das darf dahin gedeutet werden, dass der Dichter mit dem Motiv von Attilas Berauschung auch das der unbemerkten Brandstiftung kannte, wie die eddischen Atlilieder es nach deutscher Vorlage überliefern.» Wenn Walter Haug 1975, 287 sagt: «Der goldgierige Gunther ist schwerlich anders denn als Replik auf den goldgierigen Attila der Nibelungentradition auf der Stufe des alten Atliliedes denkbar», kommt das indirekt auf dasselbe hinaus. Ebenso verweist Ziolkowski 2000, 38, auf die Atlakviða. Ich selbst bin unsicher: wenn Waltharius 1411 fidei si iura reservet nicht nur auf Hagens gerade begangenen Bruch der Waffenbruderschaft zugunsten seines Königs, sondern auch auf einen künftigen solchen Konflikt anspielen sollte, ließe sich der Gedanke an Siegfrieds Ermordung und damit wohl auch an Kriemhilds Rache kaum abweisen. Cf. oben Teil II, p. 90.

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Wie weit wirken präexistente Erzählschemata mit? Doch bleibt hier ein methodologisches Problem zu diskutieren. Beim heutigen Forschungsklima muss auffallen, dass wir bei der Entwicklung unserer These bisher gar nicht mit der Übernahme eines präexistenten Erzählschemas gearbeitet haben. Denn während die ältere Epenforschung allgemein von dem Grundsatz ausging, den Menéndez Pidal in dem berühmten Satz En el principio era la historia formuliert hat, und dann die weitere Entwicklung prinzipiell als etappenweise, unvermeidliche Entleerung des historischen Gehalts ansah, hat bekanntlich Walter Haug faktisch seit 1971, programmatisch seit etwa 1975 in Aufnahme eines schon 1934 von Hans von Mžik vertretenen Ansatzes die Ansicht vertreten, dass «historische Erfahrung [erst, G.A.B.] mittels literarischer Schemata zu sich selbst kommt», d.h., dass das historische Rohmaterial in der mittelalterlichen Epik gleich von Anfang erklärt, mit Sinn erfüllt werden müsse, was eben dadurch geschehe, dass ihm durchaus bewusst ein auf die spezielle Personen- und Ereigniskonstellation leidlich passendes, aber in der Regel prototypisches Motivationsmuster, d.h. ein der Variabilität fähiges, aber letztlich präexistentes Erzählschema, übergestülpt werde (und dass auch im weiteren Verlauf das Verhältnis der Epik zur jeweiligen Historie ein dialektisches bleibe).71 Nun hat sich zwar die bisherige Forschung nicht auf einen historischen Ausgangspunkt der Walter-Sage einigen können, sie umso eifriger aber irgendwo im breiten Fundus der Brautentführungs-Erzählungen festzumachen versucht. Lange Zeit erfreute sich die Herleitung aus der Hildesage beträchtlicher Beliebtheit (Müllenhoff, Sijmons, Boer, Jiriczek u.a., für die Person Hagens auch noch Regeniter).72 Doch wie z. B. schon Hermann Schneider, Kroes, Ute Schwab und Millet73 kann auch ich ihr nichts abgewinnen, da nichts darauf deutet, dass die Walter-Sage je (wie ursprünglich die Hildesage) eine Brautraubsage mit Verfolgung durch den Vater und doppelt tragischem Ausgang gewesen wäre. Insbesondere sehe

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Von Mžik 1934, passim; W. Haug 1971, passim, vor allem id. 1975, passim, schließlich id., 1981, passim. Themabedingt stehen Erzählschemata im Vordergrund schon bei Frings 1943 sowie bei Frings / Braun 1947. In der Romanistik zeichnen sich die Bemühungen von Joel Grisward und seiner Schule faktisch durch Ignorieren der Historie und durch den Versuch aus, bei der Identifizierung der Erzählschemata riesige Räume und Entfernungen ohne Nennung von Zwischenstufen zu überbrücken; insofern zögere ich, sie mit den vorgenannten Arbeiten auf eine Stufe zu stellen. Cf., auch zu den älteren Forschungsbeiträgen, Regeniter 1971, 410–415 mit n. 160 und 161 (p. 498s.). Wisniewski 1969, 24s., 35s. verschiebt das Problem insofern, als sie den Waltharius strukturell nicht zur Hilde-, sondern zur Gudrun-Sage stellt; damit verschwinden aber zugleich die Namenparallelen Hagen und Hilde(gund), die der älteren Forschung überhaupt die Anregung gaben. Schneider 1928, 342, Kroes 1955, 79, Schwab in der Waldere-Edition 1967, 66–70, Millet 1998, 89s.

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ich keine tragfähige (selbst sekundäre) Beziehung zwischen dem Hagen der HildeSage und dem der Nibelungen- und der Walter-Sage.74 Van der Lee75 wiederum wollte wahrscheinlich machen, dass der WalthariusDichter sich überhaupt beschränkt habe auf die Wiedergabe der ersten Hälfte einer präexistenten zweiteiligen Walter-Erzählung (des Typus «Brautentführung» plus «Rache an der ungetreuen Gattin»76), die als solche erst in der Großpolnischen Chronik (Ende des 13. Jh.) fassbar wird (hier auf einen polonisierten Walterus von Tyniec und eine deutsch gebliebene Helgunda bezogen), vielleicht aber auch im mhd. Walter-Epos des 13. Jh. vorgelegen habe, von dem ja nur kleine Teile erhalten sind. Doch selbst wenn die polnische Erzählung schon Mitte des 12. Jh. entstand, wie Labuda77 vermutet, vermag ich die vermeintlichen Spuren der zweiten Hälfte der Erzählung, also der Untreue der Gattin und ihrer Vergeltung, die im Polnischen sichtlich das Erzählziel des Ganzen sind und aus ihr eine tendenziöse Anti-Geschichte mit nationalem Unterton machen, nicht einmal in der þiðreks saga geschweige denn im Waltharius zu erkennen. Allerdings, was van der Lee im Übrigen an Parallelen beibringt – von der Herbort-Sage und der spätaltnordischen Göngu-Hrólfs Saga über die «Jungfrau im Turm», das russische Brünhildemärchen, die russische Byline von Ivan Godinoviþ, das russische Lied von Tugarin und Anastasja bis zu jenem serbischen Brautentführungslied von Stojan und der Schwester des ýekmen-Asan-Aga, das schon Simonoviü 1916 als dem Waltharius verblüffend ähnlich erkannt hatte78 – ist zwar in keinem Fall beweisbar älter als der Waltharius, beeindruckt aber kumulativ; denn selbstverständlich scheut man

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Selbst Panzer (1948, 87), der die Herleitung einer (für ihn ja inexistenten) Walter-Sage aus der Hilde-Sage selbstverständlich ablehnt, vermutet, «dass der Dichter die Hildesage gekannt hat. Darauf weisen doch wohl die Namen Hiltgund und Hagano in Verbindung mit dem Grundmotiv der Flucht des Helden mit einer Frau und der daran geknüpften Verfolgung und ihren Kämpfen.» Es ist dies die einzige Stelle, wo Panzer wenigstens den Namen der einen der beiden Hauptgestalten des Epos erklärungsbedürftig findet. Und hier kann ich ihm nicht zustimmen: ein Komplex vom Gesamtumfang der germanischen Epik bietet, ohne dass man den Zufall zu strapazieren braucht, Platz für zwei Hagen, die nichts miteinander zu tun haben, und Hiltgunt ist nicht Hilde; wer beim Lesen des Waltharius angesichts der anderthalb gemeinsamen Namen die Hilde-Sage in den Sinn bekäme, gewönne nichts, sondern würde permanent gestört – gerade das spricht dafür, dass der Dichter sich den Namen nicht aus der Hilde-Sage geholt hat! Van der Lee 1959, passim. Ein solcher zweiteiliger Typus ist von Byzanz aus durch die Erzählung von Salomos untreuer Frau früh gemeineuropäisch geworden und im Dt. zuerst durch das Spielmannsepos Salman und Morolf (wohl noch 12. Jh.), in Westeuropa partiell durch die Raso-Sage in Walter Maps (hauptsächlich 1181–82 entstandenem) De nugis curialium repräsentiert; die Grundzüge der Entwicklung schon bei F. Vogt in der Einleitung zu seiner Ausgabe von Salman und Morolf 1880, XLI-LXXVIII. Zur reichen Vertretung in der russischen und serbischen Volksdichtung cf. etwa Frings / Braun 1947, 17–19, 24–30, 39, 45s., 50–52 (14. Jh.!), 54–63. Labuda 1961, 307s. Simonoviü 1916, 55ss.; cf. auch Frings 1943, 25–27. Beide glauben, dass eine Fassung der deutschen Walter-Sage nach Serbien gelangte.

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sich, die Ersterfindung aller dieser Einzelmotive dem oder den Gestaltern der vorlateinischen Walter-Sage zuzuschreiben. In der Tat wird sich also die Walter-Sage in nicht wenigen Einzelmotiven79 inspiriert haben an diesem uralten, wie van der Lee es ausdrückt, «Stoffbereich […], dessen Kreis außerordentlich weit gespannt und dessen Variationsbreite ungemein groß war», «zumal sich die darin vorkommenden Aufbauelemente durch ihren beweglichen und schwebenden Charakter» auszeichneten. Nur trägt dies alles multa und nicht multum zum Verständnis der Sage bei, es betrifft, bildhaft gesagt, das Fleisch und nicht das Skelett der Sage. Für die Personen der Handlung und die Frage, weshalb ihnen überhaupt – im Sinne von Mžiks und Walter Haugs – die Grundstruktur der Sage übergestülpt werden konnte, ist damit nichts gewonnen. Millet schließlich bezeichnete – wie schon erwähnt – die Walter-Sage als eine Ausprägung des Erzählschemas von der «conquista amorosa con rapto consentido», ohne sie darüber hinaus aus einer bestimmten Sage ableiten zu wollen, und sah insbesondere ihre Nibelungisierung als durchaus sekundär an.80 Insgesamt wird man die Leitidee dieser Bemühungen – dass die Walter-Sage mit diesem Fundus von Erzählschemata zusammenhängt – nicht ablehnen; nur sagen sie gerade über das Spezifische der Walter-Sage nichts aus. Bisher haben wir Strukturähnlichkeit als Beweis eines genetischen Zusammenhanges nur anerkannt, wenn sie durch eine onomastische Ähnlichkeit flankiert wurde. Bleiben wir dabei, was ich für legitim halte, so ist kein präexistentes Erzählschema in Sicht. Geben wir die onomastische Zusatzbedingung auf, so sollten wir kompensatorisch größere Ähnlichkeit der Grundstruktur fordern.

Das Erzählschema im KƗrnƗmak Dann ist meines Erachtens aus genügend alter Zeit nur ein Fall diskussionswürdig: das sogenannte KƗrnƗmak, die mittelpersische Legende von ArtakhšƯr [spätere Namensformen: ArdašƯr u.ä.], der um 226 n.Chr. das neupersische (sassanidische) Reich begründete. Sie wurde in detaillierter Form durch Arthur Haug 1965 in die Waltharius-Forschung eingeführt.81 Hier zunächst eine Inhaltsangabe der für uns relevanten Teile.

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Das gilt speziell für die Einzelheiten der Flucht, doch halte ich gerade diese zugleich für ökotypisch leicht variierbar (cf. oben Teil II, p. 83), weshalb ich insgesamt wenig auf sie eingegangen bin. Cf. oben Teil II, p. 71 und 78 (mit s. 87 und 88). A. Haug 1965. Ich inspiriere mich bei der folgenden Inhaltsangabe an Haug, p. 97–99, vergleiche aber ständig die volle dt. Übersetzung von Nöldeke 1878, passim. Zwei rezente, sprachlich mir nicht zugängliche Editionen des mittelpers. Originals mit neupers. Übs., Glossar und Erklärungen sind: KƗrnƗmah, ed. Mašknjr 1990 und ed. FarawašƯ 1975.

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«In der Geschichte des ArtakhšƯr, Sohnes des PƗpak, steht Folgendes geschrieben:»82 […] Gegen den Willen seines Vaters83 PƗpak, eines Fürsten von PƗrs [= des eigentlichen Persien] und Vasallen des Partherkönigs ArdawƗn [griech.-lat. Artabanos, -us], wird der fünfzehnjährige ArtakhšƯr zur weiteren Erziehung an ArdawƗns Hof beordert. Nach anfänglicher Förderung muss er auf Grund eines Streites als Pferdejunge Dienst tun. Am Hof hält sich auch ein ‘herrliches Mädchen’ auf, das für ArdawƗn ‘alle Dienste, welcher Art sie auch waren’ tat und die Nächte mit ihm teilte. Diese junge Frau und ArtakhšƯr verlieben sich ineinander, und sie kommt jeweils, wenn ArdawƗn eingeschlafen ist, bis nahe an den Morgen zu ArtakhšƯr. Einmal hört sie mit an, wie dem König ArdawƗn aus den Sternen prophezeit wird, dass ein Diener, der in den nächsten drei Tagen seinem Herrn entfliehe, zu Herrscherwürde gelangen und seinen Herrn besiegen werde. Sie erzählt das in der nächsten Nacht dem Geliebten. [Man darf aus dem Folgenden wohl schließen, dass sie sich bewusst ist, ihm damit die Chance seines Lebens zuzuspielen.] Er ist sofort zur Flucht bereit und sagt zu ihr: ‘Wenn dein Sinn gegen mich treu und gefügig ist, so wollen wir innerhalb dieser drei […] Tage von hier fortgehen, um die (ganze) Welt zu gewinnen. So Gott uns […] zu Hilfe kommt, entrinnen wir […], und ich mache, dass in der Welt kein seligerer Mensch als du sein soll.’ Sie antwortet: ‘Das halte ich für edel; lass uns alles tun, was du gebietest.’ Sobald in der folgenden Nacht der König eingeschlafen ist, entwendet sie aus seinem Schatz ‘ein indisches Schwert, einen goldenen Sattel, einen [es folgt ein unverständliches Adjektiv] Gürtel, eine goldene Krone, einen goldenen Becher voll Juwelen, Gold- und Silbermünzen, einen Panzer, viel geschmücktes Sattelzeug’ und anderes. ArtakhšƯr sattelt zwei der besten Pferde für sich und das Mädchen, und die Flucht in Richtung PƗrs (immer ‘meerwärts’, d.h. südwestwärts) beginnt; gleich das erste Dorf umgehen sie, um nicht erkannt zu werden. Als am Morgen das Fehlen des Mädchens, dann ArtakhšƯrs und der beiden Pferde, schließlich der Schätze auffällt, wird ArdawƗn ‘sehr betrübt’. Er verfolgt mit einer Truppe die Flüchtlinge; aber bevor er sie erreicht, erfährt er etappenweise, dass sein Widder, das Symbol des Königtums, ausgebrochen ist, die Flüchtlinge eingeholt hat und von ArtakhšƯr auf sein Pferd gehoben wurde. Daraufhin bricht er die Verfolgung ab. ArtakhšƯr kann im heimatlichen, ihm zugeneigten PƗrs eine Truppe sammeln, ‘metzelt ArdawƗns ganzes Heer nieder’, tötet schließlich ArdawƗn selbst und …heiratet dessen Tochter, die zur Mutter seines Nachfolgers ŠƗhpuhr [griech.-lat. Sapor(es)] wird.84 [Man erfährt nicht, wie er gleichzeitig seine Fluchtpartnerin zum ‘seligsten Menschen der Welt’ macht.]

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Dies ist in wörtlicher Übersetzung der Einleitungssatz der uns erhaltenen Redaktion des Stoffes, so, als beziehe sich diese auf eine wesentlich ältere Vorlage; zum Problem cf. weiter unten! Genau genommen ist PƗpak in der Sage ArtakhšƯrs Großvater mütterlicherseits und zugleich sein Adoptivvater. Er hat nämlich erkannt, dass sein Hirt Sassan Nachkomme des großen Achämeniden Darius ist, gibt ihm daraufhin seine Tochter, adoptiert aber den Sohn aus dieser Ehe. (Dadurch präsentieren sich die von 226 n. Chr. bis 651 herrschenden Sassaniden als legitime Erben der von 558 bis 330 v. Chr. herrschenden altpersischen Großkönige.) Cf. auch sogleich n. 84! Dadurch präsentieren sich die Sassaniden (226 n. Chr. bis 651) als legitime Erben auch der Partherkönige (etwa 256 v. Chr. bis 226 n.Chr.), Cf. auch n. 83!

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ArtakhšƯr erklärt Bahlnjl Was hier überrascht: die weiter oben vorgestellte, auf Arabisch überlieferte Sage von Bahlnjl ibn Marznjq sieht jetzt aus wie eine matte, kleiner dimensionierte Kopie der mittelpersischen Sage von ArtakhšƯr – von der Beischläferin des Tyrannen bis zur schließlichen Vernichtung des Tyrannen in offener Feldschlacht. Nun weiß man, dass der 815/816 [=200 H.] gestorbene AbbƗn ben ‫ލ‬AbdulতamƯd al-LƗতiqƯ ar-RaqƗšƯ von dem mittelpersischen ‘Buch vom Leben des ArdašƯr’, unter dem man laut Nöldeke «füglich nur das Kârnâmak verstehen» kann, eine arabische Bearbeitung in gereimten Doppelversen verfasste.85 Diese muss man sehen im Kontext der vom frühabbassidischen Baghdader Kalifat in die ganze islamische Welt ausstrahlenden klassischen Epoche der arabischen Literatur, welche sich aus den drei Hauptkomponenten der arabisch-islamischen Tradition, der griechischen Wissenschaft und eben der sassanidischen Hofliteratur speiste.86 (Das neugegründete Baghdad lag im Zentralgebiet des alten Sassanidenreiches, nur 25 km von dessen Hauptstadt Ktesiphon entfernt. Sogar personell bestand damals in der Baghdader Führungsschicht eine Art Gleichgewicht zwischen arabischstämmigen AltMuslimen und großenteils iranischstämmigen, wenn auch zunehmend arabophonen Neu-Muslimen; so heiratete ণusayn, der Sohn des vierten Kalifen ૽AlƯ, die Tochter des letzten Sassanidenkönigs Yezdegerd.) Komplementär dazu sind nun im omayyadischen Spanien gerade die Zeit ‫ލ‬AbdarraতmƗns II. (822–852) und die Folgezeit bis etwa 900 auf kulturellem, speziell literarischem Gebiet eine Epoche «forcierter Orientalisierung»87 durch systematische, schließlich geradezu enzyklopädische88 Übernahme der Baghdader Kultur. Ich halte es für wahrscheinlich, dass innerhalb dieses kaum zu überschätzenden Kulturstromes auch die Erzählung von ArtakhšƯr direkt oder in uns unbekannten Zwischenstufen ins islamische Spanien gelangte und dort um etwa 900 auf Bahlnjl übertragen wurde. Über ein «wahrscheinlich» möchte ich nur deshalb nicht hinausgehen, weil Namensähnlichkeiten zwischen beiden Sagen fehlen. Immerhin reicht dieses «wahrscheinlich», um es zwangsläufig unwahrscheinlich zu machen, dass die Bahlnjl-Sage Zeugnis einer westgotischen Wal(l)ja-Überlieferung im Sinne Menéndez Pidals wäre.

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Nöldeke 1878, 25. So R. Jacobi im Art. Arabische Sprache und Literatur des LM, col. 851s. Cf. dort besonders: «Die politische Auflösung des Kalifenreiches, die schon 756 mit der Gründung des Emirats von Córdoba beginnt, hat den kulturellen Austausch nicht verhindert. Indem mehrere rivalisierende Zentren die von Baghdad ausgehenden Strömungen aufnehmen, kommt es zu fruchtbaren Wechselwirkungen und einer im Ganzen einheitlichen literarischen Entwicklung.» So H.-R. Singer im Art. Omayyaden des LM, col. 1406. Zu diesem großen orientalischen, auch persisches Kulturgut einschließenden Einfluss auf das islamische Spanien cf. etwa A. Clot 2002, 67–75. Um 900 im Werk des Ibn ‫ލ‬AbdrabbihƯ, cf. R. Jacobi, Art. Arabische Sprache und Literatur des LM, col. 852, und H.-R. Singer, Art. Ibn ҳAbdrabbihƯ des LM.

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ArtakhšƯr und Walter? Doch nun zu der schwierigeren Frage des Verhältnisses zwischen ArtakhšƯr-Sage und Walter-Sage. Sie wurde in der Germanistik im Abstand von nur vier Jahren entgegengesetzt beantwortet. De Vries89 stellte 1961 die ArtakhšƯr-Sage als Beispiel dafür vor, «wie allgemein verbreitet epische Motive sein können». Leider bleibt unklar, ob er an Polygenese oder aber an nicht mehr präzisierbare Zusammenhänge im Nebel der Frühgeschichte dachte oder schließlich die Entscheidung zwischen beiden Möglichkeiten vermeiden wollte. Arthur Haug90 hingegen sah dieselbe Sage 1965 als eine der Hauptquellen des Waltharius an. Hier kann sein komplizierter Gedankengang nur gedrängt resümiert werden. Er zieht zwei persische Erzählungen heran: erstens das KƗrnƗmak in der uns erhaltenen Redaktion aus dem 6. Jh. oder der Wende vom 6. zum 7. Jh.91, zweitens das heute meist sogenannte YƗdgƗr-i ZarƯrƗn,92 das in einer Redaktion der Zeit um 500 n.Chr. vorliegt, sich inhaltlich nicht mit dem KƗrnƗmak berührt, vielmehr in der uns allein interessierenden Episode VištƗsp [griech. Hystaspes], einen altpersischen Fürsten des 6. vorchristlichen Jahrhunderts, zum Mittelpunkt hat.93 Hier diese Episode: Am Vortag einer Schlacht fragt VištƗsp seinen prophetischen Minister nach dem zu erwartenden Ausgang. Der sagt zunächst starke eigene Verluste voraus, darunter den Tod ZarƯrs, des Bruders des Königs. Darauf fährt ihn der König an: «Fluch über dich, arger Zaubersklave [‹Sklave› unsicher], deine Mutter war eine Zauberin, dein Vater ein Götzenanbeter!» Doch der Minister fährt fort, schließlich werde aber der Feind völlig vernichtet, ein bestimmter Vasall des Königs werde sogar den feindlichen König fangen, ihm Hand, Fuß, Ohr abhacken, ein Auge ausstechen und ihn auf einem Esel zu seiner Schande in die Heimat zurückschicken. So kommt es dann auch. Wohlgemerkt: Die Prophezeiung ist keine

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De Vries 1961, 159. A. Haug 1965, 97–100 und passim bis 127. Für die Mitte des 6. Jh. plädierte Christensen 1936, 82s., für das Ende des 6. Jh. tentativ schon Nöldeke 1878, 23, dann (ohne weitere Begründung) Klíma 1959, 44. Nöldeke art. cit. 22, erwähnt aber auch, dass offenbar ein unhistorischer Grundzug der Sage, freilich in Entstellung wohl durch vermittelnde christliche Perser, schon dem Byzantiner Agathias (um 536 bis 582) in seinen bis 558 reichenden Historien bekannt war; ähnlich Christensen op. cit., 81s., und Klíma loc. cit. Statt YƗdgƗr, YƗdigƗr, YƗtkƗr findet man auch AwyƗtkƗr u. ä. Dt. Übersetzung: Geiger 1890, passim. Edition (samt partieller frz. Übs.) mit dem Anspruch, aus der erhaltenen oberflächlichen Prosifikation der Zeit um 500 den Verstext der Partherzeit (nach p. 291 wahrscheinlich sogar der Zeit «au début de notre ère») als eines Bindegliedes zwischen alt- und mittelpers. Literatur zu restituieren: Benveniste 1932, passim. (Der Titelheld ZarƯr war sogar schon zur Zeit Alexanders des Großen als [altpers.-gräzisiert] Zariadres Titelheld einer berühmten Entführungsgeschichte, wie Alexanders Audienzmeister Chares von Mytilene berichtet, cf. Christensen 1936, 136s.). Eine rezente, sprachlich mir nicht zugängliche Edition des (überlieferten) mittelpers. Originals mit neupers. Übs. ist: YƗdigƗr, ed. NawwƗbƯ 1995.

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Warnung an den König, sondern im Gegenteil die Voraussage eines teuer erkauften (aber deshalb umso heroischeren) Sieges, in die der Erzähler lediglich als retardierendes Moment die vorschnelle Reaktion des Königs eingebaut hat; dieser wirft dem prophetischen Minister nicht etwa persönliche oder ererbte Feigheit, sondern eine Art defätistischen Schadenszauber vor; in der Schelte wird nicht nur der Vater, sondern auch, und zwar an erster Stelle, die Mutter des Wahrsagers verunglimpft; der vorausgesagte Verlust von Hand, Fuß, Ohr und Auge trifft ein und denselben Mann (so dass eigentlich nur die aufzählende Aufspaltung einer einheitlichen Idee vorliegt, nämlich der systematischen Halbierung als maximaler Verstümmlung); und schließlich – was bei Arthur Haug nicht leicht zu erkennen, aber doch das Wichtigste ist – der zunächst gescholtene Wahrsager und der Verstümmelte sind keineswegs identisch, sondern gehören sogar gegensätzlichen Parteien an. Unter diesen Umständen kann ich keinen genetischen Zusammenhang mit Hagens Prophezeiung im Waltharius erkennen, möchte also das YƗdgƗr aus dem angestrebten Beweis streichen.94 Auch Arthur Haugs weiteres Vorgehen ist nicht unproblematisch: er nimmt eine schon im Orient entstandene Überarbeitung des KƗrnƗmak an, in die jene Szene aus dem YƗdgƗr eingearbeitet worden sei – eine Hypothese, auf die kein Iranist je verfallen würde, sondern nur jemand, der anschließend den Waltharius durch einen einmaligen Stofftransport aus dem Orient erklären will.95 Dieser Stofftransport soll dann bei Gelegenheit der beiden Antwortgesandtschaften HƗrnjn ar-RašƯds an Karl den Großen erfolgt sein – eine gerade durch ihre nahezu punktuelle Enge verdächtige Annahme. Wir sind damit zurückgeworfen auf die Frage, ob zwischen ArtakhšƯr- und Walter-Sage ein genetischer Zusammenhang besteht. Hier ist zwar keine definitive Antwort möglich, doch möchte ich wenigstens der Meinung entgegenwirken, Polygenese sei so gut wie sicher. Erstens in räumlich-zeitlicher Perspektive: Die erhaltene Redaktion der ArtakhšƯr-Sage wird auf das 6. Jh. oder die Zeit um 600 datiert nur wegen einzelner, zum Hauptstrang der Erzählung peripherer Kleinigkeiten, nämlich wegen eines in diese Zeit gehörigen Titelgebrauchs und wegen der Nennung eines ‘KhƗkƗns der Türken’ im Schlusspassus.96 Der Hauptstrang der Erzählung kann also viel älter

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Wer anderer Meinung ist, möge zumindest berücksichtigen, dass die ganze Szene schon in dem von Benveniste restituierten Text steht, den er in die Partherzeit, also die Zeit vor 226 n.Chr., wenn nicht sogar ins 1. Jh. n.Chr., datiert, cf. n. 93. Ich halte es für unnötig, einzugehen auf A. Haugs Versuch, diese Annahme zu stützen durch eine Besprechung (1965, 103–112) der beiden späten Erzählungen von ‫ދ‬AlƗ‫ ތ‬adDƯn Abu aš-ŠamƗt (249.–269. Nacht) und von Nnjr ad-DƯn und Maryam der Gürtlerin (863.–894. Nacht) aus Tausendundeine Nacht (nach Littmann 1953, VI 701s. und 704s. beide aus Ägypten, 14. Jh. oder später) sowie auf Haugs Auslassungen (p. 114–121) über persische Fischsymbolik. Nöldeke 1878, 23 und 68; Christensen 1936, 82s. (doch cf. auch das Vorwort, p. 5: das Kârnâmak gehört zu den «trois livres pehlevis qui survivent dans des rédactions relati-

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sein.97 Geht man mit von Mžik und Walter Haug davon aus, dass gleich die erste volkstümlich-literarische Erzählung einer Ereignisfolge Sinngebung ist, sowie davon, dass die ArtakhšƯr-Sage die Etablierung der Sassanidendynastie und das damit verbundene Ende einer parthischen Oberherrschaft zu legitimieren hat, so könnte die Sage schon wenige Generationen nach ArtakhšƯr zu einer Zeit aufgekommen sein, wo sich jeder Perser noch vage an die Unterdrückung durch die Parther erinnerte, z. B. noch im späten dritten Jahrhundert.98 Nun erreichten ja die Goten im 3. Jh. n. Chr. das Schwarze Meer99 und traten dort in eine so enge Beziehung zu Nordiraniern (Sarmaten, Alanen u.a.), dass beispielsweise Vernadsky von einer «germanisch-sarmatischen Symbiose» hat sprechen können.100 Zu dem (südiranischen) Sassanidenreich traten sie 242 in kriegerische Beziehung als Alliierte (oder als großes Truppenkontingent) des römischen Kaisers Gordianus und wurden von ArtakhšƯrs Sohn ŠƗhpuhr in seiner dreisprachigen Inschrift von Ka૽ba-i Zardušt namentlich erwähnt; auf eine intimere Kenntnisnahme des parthischen oder sassanidischen Militärwesens durch die Goten deutet nach Benveniste und Mayrhofer die Tatsache, dass die gotischen Wörter hundafaþs und þnjsundifaþs ‘Führer einer Hundert- bzw. einer Tausendschaft’ Lehnbildungen nach altiranisch șata-pati- bzw. hazahra-pati- sein müssen.101 Dank der fortdauernden vielfältigen Beziehungen zwischen den Goten und den nordiranischen Alanen auch nach 375 einerseits, dank der iranischen Elemente auch in Attilas Reich andererseits102 hat die «Symbiose»

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vement récentes, voilà tout. L’exposé que je présente ici aux lecteurs est essentiellement un aperçu sur une vaste littérature qui n’existe plus.»). Cf. Klíma 1959, 45: «Der Stoff ist in dieser Gestalt schon sehr alt», nämlich relativ zur erhaltenen Redaktion; dort auch über Reflexe des Stoffes in der armenischen und griechischen Literatur. Auffällig ist, dass gegen Ende des KƗrnƗmak dem Enkel des ArtakhšƯr, Hormizd I, in absurdem Maße geschmeichelt wird, cf. Nöldeke 1878, 67–69 mit 69 n. 1. RgA, Art. Goten, II, Archäologisches von V. Bierbrauer, § 9d, speziell: «Die Südost-Verlagerung der Wielbark-Kultur ist somit nichts anderes als der von Jordanes überlieferte Zug der Goten zum Schwarzen Meer, nach Oium bzw. ‘bis in den entferntesten Teil Skythiens, der an den Pontus grenzt’ (Jordanes, Getica cap. 26–28; 13, 94–96, 52f.)»; RgA, Art. Goten, III, Historisches von W. Pohl, § 11, speziell: «255–257 begann die Zeit gotischer Seezüge über das Schwarze Meer, deren Voraussetzung die Besetzung griechischer Küstenstädte, vor allem des bosporanischen Reiches auf der Krim war.» Vernadsky 1951, passim (wo aber manche der Spekulationen über Völker- und Personennamen zu streichen sind), speziell 351s. (wo die angeblichen Goten in Indien zu streichen sind), 356–364, 366 (unten)–371. Vor 300 n. Chr. haben Ostgermanen von den Iraniern wohl auch germ. paþ- ‘Pfad, Weg’ entlehnt. Zum ganzen Komplex R. Schmitt, Art. Iranische Sprachen im RgA, § 5. Vernadsky 1951, passim, speziell 358s., 363, 369, 372s., 375–377 (wo aber die Herleitung des Namens Ardarich verfehlt ist), 381; Altheim 1962, speziell p. VI («Zugehörigkeit zur frühsassanidischen Kultur scheidet die Hunnen von ihren Nachfolgern, die durch die spätsassanidische Kultur geprägt wurden») und 29–68; R. Rolle im Art. Sarmaten des LM; kritischer allerdings Maenchen-Helfen 1978, 303, aber auf sehr schmaler Argumentationsbasis (iranische Namen nicht unter den wenigen namentlich bekannten hunnischen Untertanen Attilas, sondern erst unter den Hunnen des 6. Jh. im Dienst von Byzanz).

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wohl in einiger Intensität bis mindestens 451 angehalten. In dieser Perspektive wird man die Übernahme eines iranischen Erzählschemas durch die Goten nicht als a priori unwahrscheinlich bezeichnen können. Zweitens in inhaltlicher Beziehung: Für die ArtakhšƯr- (samt der Bahlnjl-) Sage und die Walter-Sage ist gegen den sonstigen Sagentypus der Brautentführung (auch der einverständigen und der Rückentführung) konstitutiv, dass – wie wir es oben schon beim Vergleich der Bahlnjl- mit der Walter-Sage herausgearbeitet haben – nicht ein Held von außen seine Braut (bzw. Frau) unter deren mehr oder minder großer Mithilfe befreit, sondern dass zwei junge Menschen gegensätzlichen Geschlechts, die gegen ihren Willen beide an den Hof ein und desselben ihnen unsympathischen Potentaten gebunden und dadurch in ihrer Menschenwürde eingeschränkt, aber nicht in ihrer bloßen Existenz bedroht sind,103 die Identität ihrer Interessen erkennen und ihre Schicksale durch gemeinsame Flucht verbinden – wobei sie Realisten genug sind, einen möglichst großen Teil des Goldschatzes jenes Potentaten mitgehen zu heißen.104 Ersetzen wir die Waltharius-Fassung durch unsere Hildiko-Fassung, so ist den drei genannten Sagen noch ein weiterer, mindestens ebenso charakteristischer Zug gemeinsam: der Anstoß zur Flucht kann nur von der Frau ausgehen auf Grund eines Wissensvorsprunges, der gerade aus der Prekarität ihrer sexuellen Situation entspringt (sie ist Sexualpartnerin des Potentaten oder unmittelbar davor, es zu werden). Dieser Wissensvorsprung kann darin bestehen, dass sie zur Ermordung des Potentaten entschlossen ist oder dessen Gefährdung durch den Stand der Sterne mitbekommen hat oder auch nur durch vielfältigen Kontakt mit ihm die Wege aus der Festung kennt; er schließt aber in allen drei Fällen ein, dass sie und nicht ihr Fluchtpartner Zugang zu den Schätzen des Potentaten hat und dass sie diese auch physisch in das gemeinsame Abenteuer einbringt. Wir haben oben das Entstehen der Walter-Fabel ohne Rückgriff auf ein präexistentes Erzählschema erklärt. Aber stellen wir uns vor, dass zu der Zeit, als man in Hildiko die Mörderin Attilas sah und die Frage nach ihren Überlebensmöglichkei-

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Hierdurch unterscheiden sich diese Sagen – und zwar in ihrer gesamten Tonalität – auch von jenen, in denen der im vollen Sinne gefangene oder sogar schon vom Tode bedrohte Held die Liebe der Tochter (ausnahmsweise: Frau in unvollzogener Ehe, so Prise d’Orange) seines Zwingherrn gewinnt und zusammen mit ihr freikommt (so Bohemund bei Ordericus Vitalis, ed. le Prévost 1840–1852, IV 144–158, ferner häufig die Helden der serbischen Volksepik laut Frings / Braun 1947, 33). Die Mitnahme von Schätzen allein wäre selbstverständlich kein genügendes Trennkriterium, weil sie als Motiv zu nahe lag: sie findet sich z. B. in der (spätestens zur Baghdader Schicht gehörenden, also vermutlich vor 1100 entstandenen) Geschichte vom [persischen] Prinzen BahrƗm und der Prinzessin ad-Datma (597.–598. Nacht) sowie in der (erst der ägyptischen Schicht und frühestens dem 14. Jh. angehörenden) ‘Geschichte von Maryam der Gürtlerin und Nnjr ad-DƯn’ (863.–894. Nacht) von Tausend und eine Nacht, ferner in allen Beuve-Fassungen, in der spätaltnordischen Göngu-Hrólfs-Saga des 14. Jh., und sie erscheint in der serbischen Volksepik bei der einverständigen Entführung nahezu schablonenhaft (van der Lee 1959, 79, Frings / Braun 1947, 33, 35, 136, 147, Millet 1998, 192).

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ten stellte, dieses Erzählschema bereitstand – würde sich da die weitere Entwicklung nicht noch glatter vollziehen?

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IV. Exkurse

Exkurs I: Die Muttersprache des Waltharius-Dichters Zwei Forscher haben in den letzten vierzig Jahren1 die Meinung vertreten, der Waltharius-Dichter sei galloromanischer, nicht (althoch-)oberdeutscher Muttersprachler. Da dies mit unserer oben vorgeführten These schwer vereinbar scheinen mag, möchte ich es hier zu widerlegen suchen. Die These von Alf Önnerfors Alf Önnerfors glaubte 1979 und 1988 aus sprachlichen Gründen in dem Dichter einen Französichsprecher zu erkennen.2 Was die von ihm aufgezählten «Romanismen» angeht, so hat Dieter Schaller3 1983 die Mehrzahl von ihnen in reichem Maße auch bei eindeutig angelsächsischen oder deutschen Autoren der Zeit nachgewiesen und damit als Kriterien der Frankophonie gegenstandslos gemacht. Doch wird man

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Einige Veröffentlichungen im und unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg bedürfen heute keiner Widerlegung mehr. Was an den Argumenten von Maurice Wilmotte 1918, passim, bedenkenswert bleibt, hat im Wesentlichen Önnerfors (cf. folgende n.) aufgegriffen. Önnerfors 1979, 47–53,78, 80, id., 1988, 33–37. Dieter Schaller 1983, 71–74 (wichtig!). Zum substantivierten Infinitiv (vestrum) velle (v. 257) sei noch hinzugefügt, dass er im Spätlat. sehr durch die Kirchensprache gefördert wurde (cf. Vulgata Phil. 2.13 Deus est enim qui operatur in vobis et velle et perficere, Tertullian adv. Prax. 10 dei […] posse velle est, Sedulius carm. 4.14 cui condere velle est ‘dessen Wille es ist zu erschaffen’, Corippus Iust. 2.39 velle tuum fac posse meum u.a.), weiterhin, dass meon vol in den Straßburger Eiden gerade keinen Infinitiv, sondern den Verbalstamm als maskulines Abstraktum enthält (eine im Altfrz. von Anfang an häufige Bildung, cf. Nyrop 1908, § 540–542 und speziell 544.7), schließlich, dass die Konstruktion des substantivierten Infinitivs mit Possessivpronomen auch im Dt. altangestammt ist (mîn wesan Otfrid, sîn twêlen Erec, ir dringen Kudrun usw.), also nicht auf romanische Muttersprache deutet. Ferner sei zum Plusquamperfektum statt Perfektum als Erzähltempus daran erinnert, dass die Vermischung beider auch durch das Fehlen der relativen Zeitstufen sowohl im Altengl. (Alkuin!) als auch im Ahd. gefördert wurde, was gerade der Mittellatinist W. Meyer aus Speyer, 1899, 117 n. 1, zur Hauptursache der Erscheinung erklärte, die er als den «stärkste[n] und zum Verständnis der Worte oft wichtige[n] Germanismus» des Waltharius ansah.

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wohl selbst von den fünf «Romanismen», die Önnerfors 1988 als von Schallers Kritik nicht betroffen aufzählt,4 drei noch relativieren müssen. Dass sich in ambierat (v. 1142) statt einer Form von ambigere und leviabat (v. 1173) statt levigabat das (vor)altfrz. Lautgesetz -g- (zwischen hellen Vokalen) > /-j-/ (das dann in benachbartem -i- aufgeht) manifestiere, scheint mir sehr fraglich. Denn erstens: lat. ambigere lebt ja nicht fort, und eine semantische Überschneidung von ‘dachte hin und her, machte sich sorgenvolle Gedanken über’ mit ‘bemühte sich (eigentlich: ging herum) um, strebte nach’ dürfte nicht unmöglich sein. Und zweitens: wenn der von Önnerfors zitierte Meyer-Lübke ein *leviare ansetzte (wo inzwischen wegen des TLL-Artikels das Sternchen wegfällt), so bezog er sich gerade nicht auf jenes Lautgesetz, sondern postulierte die inzwischen belegte Neubildung levi(s) + -are, die durchaus logischer wirken musste als das etymologisch nicht mehr durchschaubare levigare; das Kompositum alleviare ist übrigens seit der Vulgata (Jona 1.8, Apg. 27.38, Jak. 5.15) gutes Kirchenlatein. Önnerfors zählt ferner 21 Fälle, wo ille statt klassisch is oder hic einfach anaphorisches Personalpronomen ist (‘er, sie, es’ = ‘der, die, das soeben Erwähnte’). Dieses Vordringen von ille endet in der Tat mit dem Untergang von is und im Wesentlichen auch von hic vor Beginn der romanischen Überlieferung. Aber im Waltharius steht dieses ille 19 von den 21 Malen (und zwar v. 228 und 1194 sogar in der vergilisch-archaisierenden Form olli, ollis) am Versende, wo ein Mehrsilber höchst erwünscht ist, so dass der Autor hier statt einem romanisch-muttersprachlichen Impuls wohl einer sich anbietenden prosodischen Möglichkeit folgt. Und schließlich: Der einmalige Dativus (statt des Ablativus) comparationis in v. 1028 ocior illi ‘schneller als jener’ ist alles andere als «für die romanische Syntax typisch». Im Vulgärlat. wurde der Ablativus comparationis zunächst durch ab, später durch de ersetzt, das sich (konkurrenziert natürlich durch que < quam) bis ins Altfrz. (und z. B. im Ital. als di bis heute) erhielt.5 Doch ob nun die verbleibenden Fakten – vor allem causa v. 325 wie chose einfach als ‘(materieller) Gegenstand, Ding’, je einmal Konjugationswechsel in mordit

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Önnerfors 1988, 34. Gamillscheg 1967, 56, 251. Die von Önnerfors 1979, 53, als «absurd» verworfene alternative Deutung der Stelle (olli mit Enjambement zum Folgevers) geht übrigens nicht auf den von ihm herb gescholtenen Langosch, sondern auf Karl Strecker zurück, cf. die Kommasetzung seiner Ausgabe! – Hier schließt Önnerfors 1988, 34, neu die Bemerkung an, auch der «autonome Gebrauch des Dativus sympatheticus» (er meint den Typ ‘jemandem das Haupt abschlagen’ statt ‘jemandes Haupt abschlagen’, v. 1329, 1363, 1393, 1395) sei in diesem Zusammenhang «sehr zu beachten». Aber dieser Typ findet sich nicht nur bei dem von Önnerfors genannten Plautus und damit «volkssprachlich», sondern auch z. B. bei Augustin (Serm. 5.7) mulieri quae volebat illi tergere pedes (also illi statt eius), somit in gutem Spätlatein. Zudem ist hier der Dativ nicht nur im Frz., sondern von Anfang an auch im Dt. das Normale: schon aus Otfrid findet man einhundert (!) Belege vom Typ saztun imo in houbet then ring (4,22,21) bei Erdmann 1876, § 254.

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statt mordet (v. 671, aber mordet in TV) und tondamus statt tondeamus (v. 1117) wie (schon alt)frz. mordre, tondre gegenüber lat. mordƝre, tondƝre, schließlich ungewöhnliche Häufigkeit des Plusquamperfekts statt des erzählenden Perfekts – für Önnerfors’ Hypothese ausreichen mögen oder nicht, ist für uns nicht entscheidend.6 Denn Önnerfors hielt bei alledem fest an einem «altgermanische[n] Walther-Lied» als Vorlage des Dichters.7 Zugleich identifizierte er diesen hypothetisch mit Grimald, Schüler von Karls des Großen Hofschule in Aachen, Lehrer auf der Reichenau, archicapellanus Ludwigs des Deutschen, schließlich Abt von St. Gallen und Weißenburg († 872), der von zwei jüngeren Zeitgenossen als Dichter hochgeschätzt wurde, uns aber höchstens sechs Verse hinterlassen hat,8 so dass ein Vergleich des Waltharius mit seinen Dichtungen unmöglich ist. Hierzu erwähnte Önnerfors schon 1979 nebenbei, dass Grimald «aus vornehmem fränkischem Geschlecht» stammte.9 Da Kritiker dies als widersprüchlich zu der ihm unterstellten Frankophonie empfanden, präzisierte Önnerfors 1988, dass Grimald zwar «einem mächtigen rheinfränkischen Geschlecht» angehörte [so dass Fränkisch jedenfalls seine «Vatersprache» war, G.A.B.] , dass «aber nichts der Annahme im Wege» stehe, dass seine Mutter – von der wir gar nichts wissen – «eine Romanin gewesen sein kann.»10 Bedenkt man, dass Grimald seit der Reichsteilung ohne Schwanken dem ostfränkischen Reich treu blieb, so wird man schließen dürfen, dass dort nicht nur die Heimat seines «Geschlechtes», sondern auch sein vom Vater ererbter Grundbesitz, zumindest dessen Großteil, lag und dass er nach menschlichem Ermessen nicht ohne engen, auch kulturellen Kontakt zu dieser Heimat aufwuchs. Das genügt für unsere These. Die These von K. F. Werner Karl Ferdinand Werner wiederum ist fest überzeugt, den Waltharius-Dichter in Ermoldus Nigellus gefunden zu haben.11 Nun ist Ermold unter allen Poeten des 9. und 10. Jh. der Aquitanier par excellence und eindeutig romanophon – als er nach Straßburg verbannt ist, klagt er über die dort wohnende Bevölkerung mit ihrer

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Falls übrigens der Waltharius doch von Ekkehart I. von St. Gallen stammt, sind diese verbleibenden Romanismen unschwer zu erklären. Denn als einmal Ekkeharts Diener mit einem betrügerischen Bettler, Gallus genere, in einen wüsten Streit geriet, trennte Ekkehart die beiden, indem er jenen deutsch, diesen aber romanice anfuhr (Ekkehart IV. von St. Gallen, Casus Sancti Galli, cap. 88). Einen galloromanischen Dialekt konnte man damals nicht aus Büchern, sondern nur aus intensivem mündlichem Kontakt lernen; einen solchen hatte Ekkehart I. also gehabt, auch wenn wir nicht wissen, wo und wann. Önnerfors 1979, 46, und 1988, 19s. mit n. 30. Schaller 1983, 64 mit n. 8. Önnerfors 1979, 44–46, das Zitat 45. Önnerfors 1988, 40–43, das Zitat 43. K. F. Werner 1990, passim.

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barbara lingua.12 Seine Heimat kann man im loire-nahen Aquitanien13 oder an der Charente14 vermuten. A. 818 begleitet er König Pippin von Aquitanien zu Ludwigs des Frommen Feldzug gegen die Bretonen, und wir erfahren, dass Pippin zu ihm ein gutmütig-persönliches Verhältnis hat. A. 825 / 826 wird er von Kaiser Ludwig «vermutlich wegen Verfehlungen als Berater Pippins»15 nach Straßburg verbannt. Sein gesamtes auf uns gekommenes Œuvre ist ein einziger Versuch aus den Jahren 826–828, die Rücknahme dieser Verbannung zu erreichen. Als er dazu eine panegyrische Dichtung in honorem Hludowici Christianissimi Caesaris Augusti in vier Büchern schreibt, wählt er als Thema gleich des ersten Buches die Eroberung von Barcelona (801), die den Höhepunkt der fränkischen Erfolge unter dem jungen Ludwig als König von Aquitanien darstellt. Dem gleichen Zweck dienen fast gleichzeitig zwei Briefelegien an König Pippin von Aquitanien, von denen er inständig hofft, dass sie dem König vordeklamiert werden. «Der Erfolg all dieser poetischen Bemühungen ist ungewiss» ebenso «wie die Identität mit einem Abt Hermoldus, den 834 Kaiser Ludwig an seinen Sohn Pippin delegierte (Astronomus, cap. 53), oder mit dem 838 als Kanzler Pippins bezeugten Hermoldus»16 – aber der Name (H)Ermoldus ist im 9. Jh. nicht gerade häufig; während der Ereignisse um 830 dürfte Ermold mehr als genug Gelegenheit gehabt haben, Ludwig seine Loyalität zu beweisen; und zum einen könnte 834 die Zwischenstellung zwischen Ludwig und Pippin, zum anderen 838 die Qualität eines ausgezeichneten Latinisten, die man von einem Kanzler verlangte, für die Identität sprechen. Nach Werners Überzeugung nun, der sich hier emphatisch zu Panzer bekennt, hat Ermold die Handlung des Waltharius samt den beiden Hauptgestalten einschließlich der aquitanischen Nationalität Walters frei erfunden;17 was er aus der

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Ich zitiere Ermold hier und im Folgenden nach der Ausgabe Dümmler 1884, 1–99 (hier erster Brief an König Pippin v. 153–155), und kontrolliere jeweils nach an der Ausgabe von Faral 1932. In dem vierteiligen Werk für Ludwig zählt Dümmler die Verse der Widmung und jedes Buches getrennt, Faral durchgehend; ich gebe Farals Zählung jeweils nach dem Schrägstrich. Bei den Briefen an Pippin zählen beide Editoren in gleicher Weise, nämlich für beide Briefe getrennt. So Schaller im Art. Ermoldus Nigellus des LM. Werner 1990, 109 mit n. 394. Schaller im Art. Ermoldus Nigellus des LM. Schaller im Art. Ermoldus Nigellus des LM. Werner 1990, 105s. («incroyable») mit n. 366 erregt sich darüber, dass Paul von Winterfeld in seiner dt. Übersetzung des Waltharius den Begriff Aquitanus mit ‘gotisch’ wiedergab und dabei die Billigung Ludwig Traubes fand. Aber schon der älteste Abschreiber des Waltharius, dessen Arbeit (wenigstens fragmentarisch) auf uns gekommen ist, der Lorscher Schreiber von H, sah in Waltharius zweifellos einen Westgoten. Denn in dem erhaltenen Fragment folgt der Waltharius unmittelbar auf das Ende des berühmten Briefes des Hieronymus an die Goten Sunnia und Fretela (ep. 106, Migne PL 22, col. 837–867), ein in seiner Art einzigartiges Dokument; cf. die Beschreibung des Fragments bei Bischoff 1989, 54 und 66 mit n. 46. Das kann doch nicht Zufall sein! Der Brief suggeriert, dass auch Goten gute Christen sein konnten – und machte so mögliche Gewissensbisse beim Abschreiben des Waltharius gegenstandslos.

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germanischen Sagenwelt, vor allem also zu den Nibelungen, weiß, hat er in seinem Straßburger Exil gelernt. Schon hier müsste man sich über die Stoffwahl und Stoffbehandlung sehr wundern: ein Aquitanier und exzellenter Kenner der lateinischen Literatur, der seinem von lateinischer Kultur durchtränkten Land eine epische Vergangenheit schaffen wollte, soll einen Barbarenkönigssohn und eine Barbarenkönigstochter ohne berühmte Ahnen frei erfunden und einem weiteren Barbarenkönig gegenübergestellt haben, der den Aquitaniern herzlich wenig, wahrscheinlich überhaupt nichts bedeutete? Erwarten würde man doch zumindest irgend eine genealogische Anknüpfung an die Antike – so wie schon Fredegar die Franken von den Trojanern und wie wohl kurz vor Ermold ein Metzer Anonymus die Karolinger von einer spätantiken Senatorenfamilie abstammen lässt.18 Aber auch wenn wir dieses grundsätzliche Bedenken zurückstellen, könnten wir uns gegenüber Werner einfach auf den Standpunkt zurückziehen, dass, wer in Straßburg so viel von der germanischen Nibelungensage erfahren haben soll, spätestens dort in der räumlichen Nähe zu den Vogesen auch eine Walter-Sage kennen gelernt haben kann.19 Doch würden dann zwei Fragen im Raum stehen bleiben: Ist der Waltharius-Autor Romane? Und kann er mit Ermold identisch sein? Glücklicherweise kann man beide Fragen im Wesentlichen in ein und demselben Arbeitsgang beantworten, indem man den Namengebrauch beider Dichter vergleicht.

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Zu Letzterem: Oexle 1967, 252ss., Freise 1989, 226s. mit n. 88. Parallel dazu wäre inhaltlich erstens hinzuweisen auf Attilas ohnmächtigen Wunsch v. 403–407, der zum altnord. Hunnenschlacht-Lied 13 eine solche Affinität besitzt, dass nicht nur Germanisten wie Jacob Grimm und Gustav Neckel, sondern auch Latinisten wie Strecker (in der Ausgabe ad loc.) oder Önnerfors 1988, 20 n. 30, und 1992, 647, nicht an einen Zufall glauben konnten. Ähnlich verhält sich nach der brillanten Deutung Alfred Wolfs 1940–1941, 81–89 (gegen erneuerte Fehldeutungen überzeugend verteidigt von Zwierlein 1970, n. 83 auf p. 164–166), der torques aureus (v. 1059) zu einem Passus der Óláfs saga Tryggvasonar innerhalb der Heimskringla. Legt man die Messlatte etwas niedriger an, so kann man hier noch manches andere nennen, etwa dass der Gegner dem Helden gerade ‘zwei Locken’ abscheren kann (so Wolfdietrich B und D, zitiert bei H. Althof 1905, ad v. 971–973), oder die ironische Nebenbedeutung ‘herausfordern’, die nach dem Muster von mhd. grüeвen (op. cit., ad v. 1224) anscheinend auch dem lat. salutare beigelegt ist, oder auch die wilden Scherzreden im Angesicht von Verwundung und Tod (op. cit., ad v. 1424). (Fasbender 2003, passim, hat noch von einer Reihe anderer Motive, die man mit Alois Wolf für «raffinierte Verbiegung heldenepischer Darstellungsmuster» [oder gar mit Kratz für mock-epic] hielt, gezeigt, dass sie einfach ernstzunehmen sind und durchaus in die Komplexitätsbreite germanischer Epik passen.) Da es jeweils nicht um den Nibelungen-Stoff geht, müsste man fragen: Hat sich der Romane Ermoldus auch über den Nibelungen-Stoff hinaus in die germ. Heldenepik eingearbeitet? Wenn ja, ist es dann nicht bei Weitem das Einfachste, an eine Fassung der Walter-Sage zu denken? Doch wer den altengl. Waldere um 1000 aus dem Waltharius entstanden denkt, würde es vermutlich auch für möglich halten, dass solche Motive ihren Weg weiter nach Skandinavien fanden und etwa in das Hunnenschlacht-Lied bzw. die Sage von Olaf Tryggvason integriert wurden…

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Der Waltharius-Dichter kennt ahd. wald ‘Wald’; das ermöglicht ihm den pseudo-etymologischen Scherz Waltharius ~ saltibus assuetus faunus (v. 763).20 Er kennt ‘Nibelungen’ als Bezeichnung der Wormser um Gunther; das ermöglicht ihm, sie scherzhaft doppelsinnig nebulones (v. 555) ‘Nichtsnutze’ zu nennen. Er kennt ahd. hag (> mhd. hac) ~ ahd. *hago(n) (z. B. in ahd. haganthorn) (> mhd. hagen) ‘Dornstrauch, -gesträuch’; das ermöglicht ihm, Hagen als spinosus (v. 1351) zu bezeichnen und als o paliure (v. 1421) anzureden. So viel Althochdeutsch könnte auch Ermold gelernt haben. Schwieriger wird es mit der Wielandia fabrica (v. 965), Walters von dem mythischen Schmied Wieland geschmiedeter Brünne: für einen Galloromanen müsste es vielmehr eine Walandia fabrica sein.21 Soll Ermold auch auf solche lexemgebundenen Singularitäten des Lautstandes aufmerksam geworden sein? Und warum sollte er der Straßburger Form vor der romanischen den Vorrang geben? Noch schwieriger wird es bei Hagens Vater, von welchem, wie Gunther in einem Wutanfall behauptet, Hagen seine angebliche Feigheit ererbt hat (v. 628– 631). In dem dortigen Hexameter-Schluss Hagathien ipse benutzt der Dichter den gräzisierenden Akkusativ,22 weil Hagathiem eine Verschleifung mit sich bringen und dadurch wohl den Namen akustisch verunklären, überdies aus prosodischen Gründen eine Umformulierung des Verses nötig machen würde. Da ferner das Latein -ie- nicht als Diphthong kennt, nimmt es der Dichter als zwei Kürzen und muss nun, um den Namen überhaupt im Hexameter unterbringen zu können, das zweite -a- längen; es ist dies einer der insgesamt zwei Fälle poetischer Lizenz, die er sich in dem gesamten Werk gegenüber den germ. Vokalquantitäten erlaubt.

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Erkannt, aber anschließend für den zweiten Namensteil -here überzogen fortgesetzt von Morgan 1972, passim; cf. die Kritik bei Schwab 1979, 234 n. 9. Einige weitere Versuche, diesem oder jenem Namen auf Grund seiner dt. Bedeutung einen symbolischen Sinn abzugewinnen oder hinter einer zweigliedrigen lat. Formel eine dt. Alliteration zu finden, lässt Ziolkowski 2000, 34s. und 37, Revue passieren. Beckmann 2004, 9–48. Im Waltharius ist die Variante Walandia in T (15. Jh.) zwar romanischer Herkunft (Beckmann op. cit., 35 mit n. 56), kann aber gegen Wielandia BPE, Welandia ĮV keinesfalls in den Text gesetzt werden. Edward Schröder 1944, 89, hält -thien allerdings für einen dt. (in die starken männlichen Eigennamen hineinwuchernden) schwachen Akkusativ, wie er sich schon bei Otfrid (-an), Tatian und Notker (-en) findet (Braune / Eggers 1975, § 195) und im Mhd. die Regel ist, also mhd. (Gêrnôt :) Gêrnôten analog zu (Otto > Otte :) Otten; sollte er Recht haben, so spräche auch das für das Dt. als Muttersprache des Dichters. Doch kommen sonst im Waltharius nur dt. Nominative, nicht dt. Flexionsformen vor. Wohl aber bildet der Dichter auch sonst griech. Akkusative: in Thilen ‘Thule’ (v. 1131) einen richtigen auf -n, in Eleuthrin (v. 1017, Eleutrim Į) anscheinend einen misslungenen, aber immerhin verständlichen zu seinem Nominativ Eleuthir (v. 1008; im Spätlat. ist der Nominativ Eleuther statt Eleutherus häufig, cf. Morlet 1971–1972, II 45, weist auf 25 Belege bei Dessau, Diehl und Baumgart hin; diese Form könnte dem Dichter nach dem Muster von accipiter u.ä. die 3. Deklination suggeriert haben, so dass Eleut[h]rim, nicht -rin in den Text gehören würde), schließlich in Haganona (v. 477, 1064, 1322) einen richtigen auf -a; deshalb bevorzuge ich die obige Erklärung.

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Der zu erschließende Nominativ *Hagathie ist ein zweistämmiger, regulär gebildeter und zu dem einstämmigen Hagano passender germ. Name,23 doch enthält er eine kleine, zu dem Feigheitsvorwurf gehörende Bosheit: der zweite Namensteil bedeutet ‘Diener, Höriger’ (ahd. theo, deo > spätahd. - thie, -die).24 Da der Feigheitsvorwurf einen erkennbaren Sinn nicht in der Nibelungen-Handlung, sondern erst hier momentan in der Walter-Handlung hat, dürfte der Name entweder aus einer deutschen Walter-Sage als Vorlage des Waltharius-Dichters stammen (so mit Emphase Edward Schröder25) – dann ist Werner bezüglich dieses Hauptpunktes im Unrecht –, oder der Name wurde erst vom Waltharius-Dichter eingeführt. Nun geht aber nicht nur das maskuline Appellativum theo, deo (so die Lemmaform für unser -thie) innerhalb des Ahd. unter,26 sondern auch die damit gebildeten Namen überleben außerhalb Sachsens nur in den wenigsten Fällen die Zeit um 900.27 Sollen wir da dem Deutschlerner Ermold trotz seiner Abneigung gegen die Menschen seines Exilsortes und deren Sprache wirklich die Wissensbreite und zugleich subtil-boshafte Treffsicherheit zutrauen, aus der germanischen Namenfülle diesen seltenen und schon veraltenden Namen auswählen zu können? Noch klarer zeigt sich der Waltharius-Dichter als germanophon und nicht mit Ermold identisch in der Handhabung der Vokalquantitäten der germ. Namen. Beide Dichter machen in ziemlichem Umfang von der Möglichkeit Gebrauch, germ. Namen ohne lat. Endung zu lassen28 – aber welch ein Unterschied!

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Hagan- (> Hagen-, Hein-) überwiegt in dem eingliedrigen Namen, in zweigliedrigen ist Haga- etwas häufiger; cf. Förstemann 1901, s. v. HAG und HAGAN. Die (semantisch merkwürdigen) Namen mit diesem Zweitglied sind in heidnischer Zeit vermutlich dadurch zustande gekommen, dass im ersten Glied ursprünglich der Name eines Numens stand, cf. noch Irmintheo, Ansedeus. Eine Übersicht über diese Namen bei Förstemann 1901, s. v. THIVA; unser Name erscheint als Hagadeus und (cf. n. 23) Heindio. Zur Lautform im Waltharius cf. unten n. 42. Edward Schröder 1944, 89. Das Maskulinum zuletzt bei Notker dem Deutschen. Hingegen bleibt das Femininum ahd. thiu, diu, mhd. diu noch die ganze mhd. Zeit hindurch lebendig; vielleicht ließ dieser Umstand die männlichen Namen auf -deo um 900 sogar weibisch klingen. Cf. Förstemann 1901, s. v. THIVA. In die lat. Bibelübersetzungen, auch die Vulgata, wurden viele hebr. Namen ohne latinisierende Endung und damit als Indeklinabilia übernommen. Namen aus den Vernakularsprachen folgen dann diesem Beispiel, wobei freilich aus Gründen der Verständlichkeit die endungslose Form meist nur im Nominativ verwandt wird und selbst dort manchmal frei variiert mit der latinisierten Form auf mask. -us, fem. -a oder (speziell bei i-Stämmen der Gebersprache) -is. Einen guten Überblick ermöglichen die fünf Bände Poetae Latini Aevi Carolini der MGH (wo die Stellen über die Namenregister leicht aufzufinden sind). Hier lassen iroschottische Dichter keltische Namensformen zu wie Dicuil (Selbstnennung), Dungal, Thuvahel / Tudvael, der Iroschotte Martin von Laon nennt in gräzisierender graphischer Spielerei die Frau Karls des Kahlen HPMINǻPOYǻ, Angelsachsen gebrauchen für ihresgleichen Formen wie Aelfwine, Alchuine / Alcuine (Selbstnennung Alkuins), Balthere, Ecgbercht, Suidbert (der Heilige), Vynfreth (Bonifatius’ Selbstnennung im Akrostichon) u.a. Unter den Deutschen spricht z. B. Walahfrid von Degan (dem Ludwigsbiographen Thegan), Wolfhart (einem Abt), Einmuot und Palman (Mitmönchen),

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Im Waltharius standen für die drei männlichen Hauptgestalten feste Latinisierungstypen bereit. Der n-Stamm ahd. Hăgăno geht automatisch (wie auch bei den Nebenpersonen die Namen Cămălo, GƱbƱcho und KƯmo) in ein -ǀ, Gen. -ǀnis der 3. Deklination über; nur erlaubt sich der Dichter aus prosodischen Gründen einige Mal gräzisierende Formen: den Nominativ Hăgănǀn (v. 1089, 1313) statt -ǀ zur Vermeidung der Verschleifung vor Vokal, den Akkusativ Hăgănǀnă (v. 477, 1064, 1322) statt -em vor einfachem Konsonanten zur Wahrung der Silbenkürze. Weiter gehört zu den germ. Namen auf -hărƱ > -hƟrƱ> -hƟrƟ der «seit der späten Merowingerzeit gefestigte»29 Latinisierungstyp -hărius, also Gunthărius (einschließlich der flektierten Formen 18 Mal) und Walthărius (einschließlich der flektierten Formen 53 Mal). Aus dem lat. Versmaß erklärt sich der einzige vorkommende Vokativ WalthƗrƯ (v.1266); denn *WalthărƯ würde in einen Hexameter nur bei Verschleifung mit folgendem ungedecktem Kurzvokal passen, was der syntaktischen Selbständigkeit und damit Klarheit des Vokativs widerstreiten würde30 – das ist der zweite und letzte Fall poetischer Lizenz, den sich der Dichter gegen die germ. Vokalquantitäten erlaubt. Die beiden verbleibenden Einzelformen sind wichtig: GunthƟrƟ (v. 1171) und WalthărƟ (v. 1434, PT WalthƟrƟ 31), beides wohlgemerkt Nominative, nicht Vokative; denn sie spiegeln – gegen das */gontiȑr/ und */g৶altiȑr/ eines Galloro-

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Odalrih und Ruadrih (Grafen, im Akrostichon); Brun Candidus in Fulda erwähnt Sturmi und Aegil (seine Äbte), Liobgyd (Angelsächsin, Bonifatius’ Nichte), Odilhoh (Mitmönch); Hraban nennt Tutin (seinen Bruder), Aegil / Aeigil (den Abt), Gertrud (die Heilige), Isanbert und Rodulph (Mitmönche); Sankt Galler Verse nennen dortige Mönche Wikeli und Wolfcoz. Bei den Langobarden überdauert das Verfahren – offenbar, wie der mit großem Stolz weitergeführte Volksname, als eine Art leicht konservierbares Markenzeichen – die Romanisierung; so nennt z. B. nicht nur Paulus Diaconus seinen Zeitgenossen, den Langobardenprinzen, (im Akkusativ und Ablativ!) Adelchis / Adelgis, auch die Laudes der Stadt Verona (um 800) nennen den Prinzen (im Genitiv) Adelgis, der Abt Berthari von Montecassino († 883) nennt sich selbst in dieser Form, zumindest einzelne Fürstennamen wie Radelchis reichen, etwa in Epitaphien, bis gegen 900. Um auch ein Prosawerk zu vergleichen: im Chronicon Salernitanum reichen Namen wie Grimoalt, Radelchis, Rofrit, Radoalt bis etwa zur Mitte des 9. Jh. (In den Urkunden sind solche Formen in Süd- und Mittelitalien seltener als im Norden, was aber teilweise an der nachträglichen Latinisierung in der kopialen Überlieferung von Farfa liegt, cf. J. Tischler 1989, 203–209.) Ebenso spricht der romanisierte Westgote Theodulf, Bischof von Orléans, sich an Karl den Großen wendend, von dessen Töchtern Chrodtrudh und Hiltrudh, Erzbischof Hinkmar, jahrzehntelang Stütze des Westreiches, nennt sich Hincmar, und selbst der gebürtige Neustrier Abbo von Saint-Germain erwähnt in den letzten Jahren des 9. Jh. in seinem Hexameter-Epos einen Ervic. Zumindest bei Theodulf und Ermold sollen die zahlreichen germ. Namensformen vermutlich Vertrautheit signalisieren mit den engsten Hofkreisen der Karolinger, in denen ja noch germanisch gesprochen wurde. Edward Schröder 1944, 81. Schröders durch die Hss. nicht gedeckter Vorschlag (1944, 81s.), ǀ WalthƟrƟ statt WalthƗrƯ zu lesen, stieß zu Recht auf Streckers Ablehnung (cf. Schröder op. cit., 91). Diese Variante möchte Schröder 1944, 81 mit n. 1, aus sprachgeschichtlichen Gründen gegen Strecker in den Text gesetzt sehen, da Walthare «nur ein unwillkürlicher Schreiberkompromiss zwischen Waltharius und Walthere» sein könne.

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manen – offenbar die germ. Muttersprache des Dichters.32 Hier anzuschließen ist im selben Sinne AlphƟrƟ (v. 77, 80, Nominative), das nur in dieser Form erscheint (und wozu die Ableitung AlphărƱdƝs v. 839 u. ö. gehört). Von den beiden wohldefinierten Sonderfällen abgesehen, respektiert der Dichter überall die germ. Vokalquantitäten. Sehr bemerkenswert ist Hiltgunt, schon ohne Bindevokal (in allen fünf Nominativen; Typ *Hiltgundis in den fünf flektierten Formen). Germ. sind ferner: ƞkƱvrƱd,33 GerwƯtus,34 Hădăwart (v. 789, Hădăwardus v. 782), Helmnǀd, HƟrƱrƯcus, OspƱrƱn, PătăvrƱd, Randolf, Scărămundus,35 WČrƱnhardus sowie hinsichtlich des Namensstammes WƱƟlandia 36 (fabrica).37 (Da wir gerade bei der Durchmusterung der Namen des Waltharius sind, seien hier auch die dialektologische und die chronologische Frage berührt. Dialektologisch sprechen für das Oberdt. – gerade, weil sie keine Oberdeutschen bezeichnen! – die für den Archetyp aller Manuskripte gesicherten Formen Camalo [zu altengl. вamol ‘alt’, ahd. noch in gi-gamalod ‘gealtert’], Gerwitus, Ekivrid, Ospirin und Patavrid [sowie Kimo, wenn man es mit Jacob Grimm als Gimo deutet, und Tro-

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Man erinnere sich e contrario an das WaltƝrus bei dem Frankophonen Egbert von Lüttich (oben Teil I, p. 50s.)! Zu Eki-, nicht Ekki- cf. Schröder 1944, 84 n. 1, sowie bei Förstemann 1901 Ekibert, Ekihard, Ekiheri (alle mehrfach aus St. Gallen), Ekerich (Salzburg) samt vielen anderen Namensformen ohne Gemination. Zu v. 770 cf. eher Strecker bei Schröder 1944, 92, als Schröder selbst, 84s. Anders ausgedrückt: der Waltharius-Dichter erlaubt sich wie seine Zeitgenossen im Hexameter manchmal eine Zäsur nach der ersten Silbe des fünften Versfußes (Posthephthemimeres oder seminonaria), cf. Önnerfors 1979, 38 mit n. 179 (und 85), und in der mittellat. Literatur gilt die Silbe vor der Zäsur weithin als anceps. Mit germ. -Ư- angesetzt auch bei Schröder 1944, 84. Schon Förstemann 1901, s. v. VID, lässt außer germ. wƱdǎ ‘Wald’ (wie in Widukind) auch germ. wƯd ‘weit’ als Namenselement zu (ursprünglich im ersten Namensteil verstärkend, dann, so darf man ergänzen, in den zweiten übertragen); ebenso Kaufmann 1968, 398, und Morlet 1971–1972, I 220b. In der Tat finden sich bei beiden zahlreiche Namen, die von vornherein nach Wid-, Wit- nie einen Fugenvokal zeigen, was auf Länge des ersten Vokals deutet. Zu ahd. scără. Der Name selbst ist a. 1189 als Scarmundus (auf der Reichenau) belegt, Schröder 1944, 88. Selbstverständlich wieder mit Diärese des Diphthongs, wie oben bei HagathƱƟn. AttƱlă ist als lat. zu rechnen, Tănastus ist nicht germ. deutbar. ċleuthƱr ist für den Dichter griechisch (cf. n. 22, selbst wenn der Name als Gräzisierung des germ. Leuthere aufzufassen ist, wofür Regeniter 1971, 369s., einen Beleg beibringt). Trogus ist für den Dichter primär der lat. Name (wie in Pompeius Trogus, selbst wenn er den Namen im Waltharius als Latinisierung des germ. Drogo aufgefasst haben sollte); er benutzt ihn mit -ǀ-, was wenn falsch, so doch entschuldigt ist, da sich der Name nicht in antiker Dichtung findet. Der germ. Name Gimo (wohl Kurzname für Giselmar, Giselmund u.ä.) ist z. B. in Cluny und Savigny belegt (Jud 1907, 67 n.3, 71). Doch da germ. Helmnod und «griech.» Eleuthir dieselbe Person bezeichnen, frage ich mich, ob nicht auch zu germ. Scaramund(us) statt eines germ. Kimo ~ Gimo vielmehr griech. Kimo (< ȀȓμȦȞ) gehört; der Name kommt ja für Griechen als Cimon, Cimo, Akk. Cimona (was der WalthariusDichter leicht zu Kimo regräzisieren konnte) bei vielen lat. Schriftstellern vor, so bei Nepos, Cicero, Plinius, Justin, Laktanz u.a., cf. Forcellinis Onomasticon s. v. Cimon. Zu Hnjni cf. Teil I, n. 156.

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gus, wenn dahinter germ. Drogo steht38], die zusammengenommen auch das Südrheinfrk. und das Ostfrk. ausschließen.39 Oberdt., also alem. oder bair., war also die Sprache des Archetyps und damit – in Abwesenheit von Gegengründen – wohl auch die des Dichters. Chronologische Anhaltspunkte sind schwerer zu finden und weniger präzis. Ich stelle im Folgenden innerhalb des Oberdt. auf Alemannien ab, und zwar auf St. Gallen und die Reichenau, wo am ehesten statistisch relevante Aussagen zu erwarten sind. In St. Gallen wagt sich in den Vorakten -here vereinzelt schon 804 hervor, -her 820, in den [Reinschrift-] Urkunden finden wir Alphere 837, 854, 864 [2x], 866 usw., Cundhere 860, 869, 874, 882 usw., Waldhere / Walthere 846, 853, 857 [2x], 861 usw.; grob gesagt, -here wird Mitte des 9. Jh. häufiger. Auf der Reichenau wird -here gegen 880 majoritär.40 Gegenüber -frid / -fred findet sich in St. Gallen nach Sonor -vrid / -vred gelegentlich seit etwa 800, es bleibt aber bis mindestens 920 deutlich minoritär. Auf der Reichenau ist vor 900 nur ein -vrid gegenüber etwa 40 -frid / -fred zu belegen.41 Das nur knapp für den Archetyp des Waltharius zu sichernde Wielandia [BPE, gegen Welandia ĮV] ist im Ahd. generell seit etwa 850 majoritäre Graphie, in St. Gallen finden wir die Form Wielant 864, 882, 885 und später. 42 Insgesamt darf man dann sagen, dass der Archetyp

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Cf. n. 37. Cf. Braune / Eggers 1975, § 135, 136, 149, 163 (jeweils mit den Anmerkungen!). Um einen veralteten, aber bequemen Terminus zu benutzen: konsistenter «streng-ahd.» Konsonantismus wird bekanntlich selbst in bair. Texten oder in den alem. Vorakten fast nie erreicht, geschweige denn in den sonstigen alem. Texten, also Urkunden und literarischen Texten, mag deren Inkonsistenz auf frk. Einflüssen beruhen oder nicht. Da man nun den Waltharius doch nicht mit den notizhaften Vorakten («Fixierung der gesprochenen Sprache, des Unmittelbaren, des auf dem Lande Gehörten», so Sonderegger 1961, 285), sondern mit den reflektierteren Texten vergleichen wird, bedürfen die nicht streng-ahd. Formen wie Gunthere, Hadawart usw. keiner Erklärung. Braune / Eggers 1975, § 58, Sonderegger 1961, 257, 273, Wartmann 1866, jeweils unter den Daten, Baesecke 1928, 111s. – Auf das «falsche» Fugen-a statt -u in Hadaward(us) und Patavrid kann man keine Spätdatierung bauen, da in St. Gallen z. B. schon a. 766 Patarich, a. 798 Hadabertus erscheint; Baesecke 1928, 110s., rechnet wegen des auch auf der Reichenau majoritären -a- (> -e-) und völligen Fehlens der -u- oder -o- beide Stämme für Zwecke der Komposition überhaupt zu den a-Stämmen. Wilkens 1891, § 132, Sonderegger 1961, 267 (atypisch). Wartmann 1866 bietet vor 920 für St. Gallen: Erchanvred 797, Ghisalvred 805, Herivrit / -vrith um 824, Adalvrid und Perevrid 858, Meginvred 864 und 903, Willivrid 868 (2x), Sigevrid 890–920, Reginvrid 903 – aber um ein Mehrfaches häufiger bleibt -frid / -fred. Baesecke 1928, 97–101, 116, hat in Nr. 210 ein einzelnes Siguvrid (nach 880) gegen viermaliges Sigifrid(us), weitere -frid / -fred unter Nr. 203, 215, 250, 302, 392, 445, 570, 631 mit jeweils 3–6 Zeugnissen. Zu ersterem cf. Braune / Eggers 1975, § 35 mit n. 1, Wartmann 1866. Hagathien ist die einzige Namensform im Waltharius, die kaum oberdt. sein kann. Denn germ. -th- im Anlaut eines zweiten Namensgliedes gehört nach 800 im Oberdt. zu den großen Ausnahmen (Braune / Eggers 1975, § 167, Wilkens 1891, § 123; Baesecke 1928, 114); das ie < eo (< ew) hingegen erscheint (laut Braune / Eggers op. cit., § 48 mit n. 1) einmal a. 797, selten im 9. Jh., wird aber im Großen und Ganzen erst im Laufe des 10. Jh. erreicht, ähnlich auch Baesecke 1928, 107. (Letzteres würde auch für die alternative Erklärung von Edward

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der Waltharius-Manuskripte wohl nicht vor dem spätesten 9. Jh., vermutlich sogar erst im 10. Jh. entstand.) Bei Ermold hingegen herrscht bezüglich der Vokalquantitäten in offener Silbe schlechthin die Willkür. Statt *HƟrƱbert, das sich gut in einem Hexameter unterbringen ließe, erscheint HƝrƯpreth (In honorem Hludovici, I, v. 274 / 309). Zwar kann man HiltƯpreth (I, v. 275 / 310), HiltƯberth (I, v. 362 / 397) damit entschuldigen, dass -Ʊ- in keinen Hexameter gepasst hätte; aber der Waltharius-Dichter hätte hier, nach seinem ausnahmslosen Hiltgunt zu urteilen, schon *Hiltbert gesagt. Neben richtigem Witchărium (III, v. 71 / 1324, 106 / 1359), Wicchării (III, v. 185 / 1438) erscheint ohne erkennbaren Grund WicchƗrius (III, v. 91 / 1344, 205 / 1458), dazu Witchăr, Wicchăr (III, v. 89 / 1342, 107 / 1360 u. ö.); ebenso neben richtigem Hlnjthărius (IV, v. 417 / 2298 u. ö.) HlutthƗrius (IV, v. 395 / 2276). Der Name Hildwin erscheint für ein und dieselbe Person IV, 413 / 2294 als HildnjƯnus, also mit zwei falschen Längen, doch in III, v. 272 / 1525, als HilthǎƱn, also mit zwei Kürzen. Im Gegensatz zu dem ƞkƱvrƱd und PătăvrƱd des Waltharius erscheint MatfrƯdus einschließlich seiner Flexionsformen (III, v. 277 / 1530, IV, v.124 / 2005, 295 / 2176, 424 / 2305) immer mit falschem -Ư-, auf das Ermold auch dann nicht aufmerksam wird, wenn er zweimal kurz darauf (III, v. 289 / 1542, IV, v. 429 / 2310) FrƱdǎgƯsus bzw. (Vok.) -e mit richtigem -Ʊ- bringt – es kommt offensichtlich gar nicht darauf an. HƝrold (IV, 89 / 1970), HƝroldus samt seinen Flexionsformen (IV, 149 / 2030 u. ö.) erscheint immer mit ungerechtfertigtem -Ɲ-; die gleichzeitigen Reichsannalen schreiben noch Herioldus, d.h. HƟrƱoldus. Doch der auffälligste prosodische Unterschied zwischen beiden Dichtern liegt ausgerechnet in jenem geographischen Namen, der in beiden Werken eine Rolle spielt: im Namen der Vogesen. Der Waltharius-Dichter, der sich nach Ausweis seiner Einleitung für gelehrte Geographie interessiert, kennt das antike Vǂsăgus (v. 490, 769, 946) bzw. VǂsƟgus (v. 823)43 und kann deshalb bei der ersten Nennung sagen, das Gebirge habe ‘schon damals’ diesen Namen geführt. Ermold hingegen hat sich in seiner ersten Epistel an Pippin aus seinem Straßburger Exil ein Zwiegespräch einfallen lassen zwischen dem Rhein und dem WƗsăcus (so v. 79, 93, 95, Vokativ WƗsăce v. 86, 124, 137). Er hat also den Namen erst in Straßburg

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Schröder gelten, cf. oben n. 22.) Der Name gehört also entweder der germ. Vorlage des Waltharius an (so, wie zu erwarten, Schröder), oder der Dichter gibt ihm bewusst fränk. oder (falls es nur um -th- geht) leicht archaisches Kolorit. Von beiden Formen ist VǂsƟgus älter bzw. besser gesichert, aber auch Vosagus spätestens im 6. Jh. belegt; die Kürze der beiden Stammsilben ergibt sich aus VǂsƟgus bei Lukan Phars. 1, 397. Strecker unterstellt dem Archetyp aller erhaltenen Waltharius-Mss. (aber damit nicht zwangsläufig dem Dichter) in v. 823 ein singuläres Vosegus, weil hier mit BP (uosegus) aus Ȗ auch I aus Į vom bisherigen -a- zum -e- wechselt (I allerdings in der halbgerm. Form wăsƟgus). Die halbgerm. Form – hier wăsƟgus, in I 946 und in V uuăsăgus – kann nirgends in den Text gesetzt werden, da jeweils andere Į- Mss. mit Ȗ uos- lesen. Dass der Dichter am Wortanfang konsequent Vǂs-, im Wortausgang -gus hatte, ist also unbestreitbar; erst recht ist für ihn die Kürze der beiden Stammsilben metrisch gesichert..

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kennen gelernt in einer ahd. Form mit -ă- < vorgerm. -ǂ- (ähnlich dem belegten Wasego44 und dem rezenten dt. ‘Wasgau’, ‘Wasgenwald’), welches er mit falscher Quantität als -Ɨ- wiedergibt.45 Insgesamt ist also prosodisch der Unterschied zwischen beiden Dichtern – einschließlich der althochdeutschen, und zwar wahrscheinlich alemannischen, Muttersprache des einen, der galloromanischen des anderen – verblüffend klar. Ich habe dieses positivistische Argument an den Anfang gestellt, da es am eindeutigsten intersubjektive Gültigkeit beanspruchen kann. Doch fehlen die Gegensätze auch auf den «höheren» Ebenen nicht. Die beiden Dichter sind durch deutlich unterschiedene Bildungserlebnisse geprägt.46 Zwar – wie bei lat. Dichtern des 9. und frühen 10. Jh. von vornherein zu erwarten – dominiert Vergil mit seinem Gesamtwerk die Dichtungen beider. Aber schon an zweiter Stelle kommt bei Ermold die Überraschung: er ist voll des ganzen Ovid. Nicht nur klingen immer wieder die Metamorphosen an, sondern (ungefähr nach fallender Häufigkeit der Anklänge) auch Fasti, Ars amatoria, Tristia, Amores, Ex Ponto, Heroides, Remedia amoris und anscheinend selbst Ibis. So nennt er denn auch gleich zu Beginn seiner Ludwigsdichtung Ovid als Zweiten nach Vergil in der Dichterliste,47 nennt ihn abermals am Ende seiner ersten Epistel an Pippin –

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Cf. oben Teil II, n. 66. Thalia teil zunächst mit (v. 86), der Wasacus lasse Wälder wachsen. Der Rhein wendet das ins Negative: der Wasacus produziere, von Sturm und Regen gepeitscht, nur Brennholz (v. 93s.). Der Wasacus weist entgegnend darauf hin, dass aus seinem Holz auch Paläste und Kirchen gebaut werden, dass Könige in ihm jagen und dass man in seinen kleinen Flüssen Fische fängt (v. 97ss.), ja dass er schließlich auch Korn (v. 108) und Wein (v. 111) produziert und dies sogar könnte, wenn es den Rhein gar nicht gäbe. Zu Korn und Wein ist daran zu erinnern, dass schon in der Antike der Vosegus auch «zahlreiche Ackerbaudörfchen» umfasste, cf. den Kleinen Pauly, s. v. Vosegus. Faral gibt Wasacus erwartungsgemäß mit ‘les Vosges’ wieder. Wenn Dümmler im Namenindex seiner Edition Wasacus deutschtümelnd mit ‘Wasgau’ übersetzt, so ist das mit Vosegus nicht nur etymologisch, sondern essentiell auch sachlich identisch; denn ‘Wasgau’ ist, wie schon Panzer (1948, 54) richtig feststellt, lediglich eine volksetymologische Umdeutung von ahd. Was(e)go, einen Was-Gau als administrative Einheit hat es nie gegeben. Man kann also nicht etwa argumentieren, Ermoldus habe mit Wasacus etwas Anderes als den Vosegus gemeint. Ich möchte betonen, dass die folgende Skizze zur Belesenheit beider Dichter Anspruch weder auf Originalität noch auf Vollständigkeit erhebt. Sie stützt sich für Ermoldus vor allem auf die überreichen Verweise in den Apparaten der Editionen Dümmler und Faral, auf den ausgezeichneten Art. Ermoldus Nigellus von D. Schaller im LM und auf die einschlägigen Seiten bei Godman 1985, 45–47, für den Waltharius-Dichter auf die ebenso reichen Verweise in Streckers Apparat, auf Önnerfors 1979, 37–41, und auf Schallers Artikel von 1983. Genauer gesagt, in der Liste der großen Literaten, deren Genius nicht ausreichen würde, Ludwigs Taten würdig zu besingen. Die Liste ist eine panegyrische Übertreibung nicht nur bezüglich Ludwigs, sondern gerade, indem sie von Ermolds Belesenheit zeugen soll, enthält sie einen dubiösen Punkt. Aufgezählt werden nämlich auch «Tullius et Macer, Cicero sive Plato». (Aemilius) Macer ist, wie Faral ad loc. überzeugend ausführt, der Freund Vergils und Ovids, Autor eines De herbis. Daraus folgt dann doch wohl, dass Tullius und Cicero für Ermold zwei Personen sind. Faral sucht diesem Schluss zu entgehen durch den

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hier durch den Mund Pippins – als den Mit-Exilierten unter den Dichtern, dessen Schicksal auch ihm zum Trost gereichen müsse, schließlich zu Beginn der zweiten Epistel vor Vergil als denjenigen Dichter, der ‘gefallen hat’ und ‘gefällt’. Eine solche Breite der Rezeption ist für das frühe 9. Jh. auffällig, ist doch für das Nachleben des Corpus der Ovidschen Liebesgedichte vielleicht nur «eine Handschrift um 800 in Frankreich zu erschließen, wobei offen ist, ob es sich um gallofränkische Texttradition handelt oder um einen Import aus Spanien, der möglicherweise mit [dem Westgoten / Spanier, G.A.B.] Theodulf von Orléans in Verbindung zu bringen wäre.» 48 Das passt nicht nur zu unserem Stichwort Aquitanien, sondern genauer noch dazu, dass sich Ermold auch auszeichnet durch gute Kenntnis sowohl von Theodulf als auch von Theodulfs Korrespondenten Modoin-Naso (beide ahmt er in der ersten Epistel an Pippin nach, von Modoin kennt er auch die Ecloga auf Karl den Großen). In der zweiten Epistel an Pippin imitiert er die Via regia des Smaragdus von Saint-Mihiel, der wie Theodulf Westgote bzw. Spanier war und in seinem Liber in partibus Donati «die unbefangene Nutzung profanantiker Literatur propagiert».49 Aus zeitgenössischer Dichtung ist bei Ermold ferner De Karolo magno et Leone papa präsent, der erhaltene Teil jenes «Aachener Karls-Epos», das offensichtlich die Anregung zu In honorem Hludovici gegeben hat. Von den christlichen Dichtern der Vergangenheit übt – was wiederum zu Aquitanien passt – Venantius Fortunatus den nach Vergil und Ovid stärksten Einfluss auf Ermold aus, und zwar mehr durch seine Carmina als durch die hexametrische Martins-Vita. Eine andere Note bringt die breite Kenntnis Aldhelms sowie die von Bedas Carmen de miraculis Sancti Cuthberti hinein (vermittelt durch Alkuin in Tours?). Juvencus und Sedulius sind als obligatorische Schulautoren der Bibelepik mäßig vertreten, nicht hingegen Arator, und, was weit auffälliger ist, bis auf eine vereinzelte und deshalb kaum aussagekräftige Spur des Cathemerinon scheint der ernste Prudentius zu fehlen. Auch direkte Bibelzitate sind – außer aus thematischen Gründen im zweiten Brief an Pippin – relativ selten. Aus der vorchristlicher Dichtung fehlen außer Vergil die Epiker, im Wesentlichen also Lukan und Statius. Dieses Fehlen ist nicht Zufall: Ermold ist nicht Epiker in dem Sinne, dass es ihn drängte, eine innerlich kohärente, aber gerichtete Handlung in durchgehaltenem weitem Spannungsbogen darzustellen. Sein Ludwigs-«Epos» bezieht seine Einheit nur aus der Person des Herrschers, ist im Übrigen eine Folge von Episoden. Alles in allem stellt sich uns Ermold so dar als ein Weltkind mit der Loire und Aquitanien im Herzen und mit großer Sehnsucht nach Hofluft, sehr belesen speziell in Ovid, aber auch – und sicher von vornherein nicht ohne Karrieregedanken – in der hofnahen Literatur der gerade verklingenden Karlszeit.

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Hinweis, dass Ermold vorher in der Akrostichon-Widmung (v. 13s.) den Dichtergott auch zunächst Phoebus, dann Apollo genannt habe; aber da scheint es sich um eine bewusste Variation des Ausdrucks zu handeln (‘ich möchte nicht auf dem beschwerlichen Pfade in das Reich des Phöbus eindringen, um mir Apolls Hilfe zu verschaffen’). Paul Klopsch, Art. Ovid im LM. F. Rädle, Art. Smaragdus des LM.

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Anders der Dichter des Waltharius. An zweiter Stelle gleich nach Vergil50 steht hier, in klarem Abstand zu allen Folgenden, Prudentius mit (in fallender Häufigkeit der Anklänge) Psychomachia, Apotheosis, Hamartigenia, Peristephanon und Contra Symmachum. Von Ovid haben schon die Metamorphosen, die ja Schullektüre waren, nur einen Bruchteil so viel Anklänge hinterlassen wie bei Ermold, selbst wenn man mit Panzer51 überzeugt ist, der Dichter verdanke inhaltlich (doch selbst laut Panzer kaum verbal) einiges dem Perseus-Kampf zu Anfang des fünften Buches. Ovids andere Werke haben dürftige oder keine Lektürespuren hinterlassen; ich möchte mich zwischen beiden Möglichkeiten nicht entscheiden, jedenfalls haben diese Werke dem Waltharius-Dichter nicht viel bedeutet. Insbesondere kann – man braucht es kaum hinzuzufügen – von einer Sympathie mit Ovids Liebesvorstellungen nicht die Rede sein bei einem Autor, der Walter wegen seiner sexuellen Enthaltsamkeit während der vierzigtägigen Flucht ausdrücklich als laudabilis bezeichnet (v. 427). Was die Poeten der Karlszeit betrifft, kennt der WalthariusDichter einiges von Alkuin, ferner das De Karolo et Leone und von Theodulf zumindest ein Gedicht (Nr. 71) – doch scheint diese Generation für ihn weniger zu bedeuten als für Ermold. Besonders auffällig sind hingegen die Parallelen zu Walahfrid Strabo.52 Nur relativ wenige Anklänge hat im Waltharius anders als bei Ermold Venantius Fortunatus hinterlassen, obwohl deutlich einer seiner Vergleiche auf eine etwas andere Situation übertragen wird.53 Mäßig sind wie bei Ermold die Spuren des Juvencus und des Sedulius, doch anders als bei ihm klingt einige Male auch Arator an, und um ein Mehrfaches häufiger als bei ihm sind die direkten Bibelzitate. Vor allem aber: als gesichert gelten darf bei dem Waltharius-Dichter eine zumindest periphere Kenntnis Lukans und sogar des Eklogendichters Calpurnius Siculus, dazu eine substantiellere des Statius, auch wenn letztere sich kaum in Verbalreminiszenzen, sondern in der Thematik und Motivik niederschlägt und man daraus nicht mit Panzer auf das Fehlen einer germanischen Hauptquelle schließen

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Den er übrigens mitsamt dem im Mittelalter verfügbaren Glossenapparat gelesen zu haben scheint, cf. den wohl generalisierbaren Einzelnachweis bei F. Bertini 1991, 748–750. Panzer 1948, 24–28, speziell 27. Zwar geraten wir damit bereits in den chronologisch weiten Bereich, in dem von namhaften Forschern – hier Dronke und Önnerfors – die umgekehrte Einflussrichtung vertreten worden ist, cf. P. Dronke 1977, 66–79, und 1984, passim, Önnerfors 1979 und 1988, passim; doch sind meines Erachtens beide bündig widerlegt durch Schaller 1989–1990, 424–426, auch zu Calpurnius Siculus. Freilich sind wegen Strittigkeit der Einflussrichtung an dieser Stelle nicht Notker Balbulus und Hartmann von Sankt-Gallen zu nennen, zu denen Interdependenzen bestehen nach Vollmann 1991, 1175, ebenso wenig Heiric von Auxerre und Milo von Saint-Amand, die nach Schumann 1951b, 179, 189–192, die jüngsten Anreger des Waltharius-Dichters waren, geschweige denn Abbo von Saint-Germain, der Poeta Saxo und die Gesta Berengarii, die seitens der Ekkehardianer, soweit man nicht auf Unabhängigkeit plädiert, noch zu den Quellen gerechnet werden müssen. V. 384 spiegelt Carmina 7,14,31; cf. dazu Zwierlein 1970, 169 n. 97.

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sollte;54 bezüglich des Silius Italicus adhuc sub iudice lis est.55 Sozusagen die Summe gezogen aus dem Verhältnis des Waltharius-Dichters zur lateinischen Epik hat 1970 Zwierlein,56 als es ihm in eindrucksvoller Weise gelang, auch Szenen in den Griff zu bekommen, bei denen man sich nicht auf genau eine Quelle berufen kann, doch um so klarer erkennt, wie tief sich der Waltharius-Dichter in die lateinische Epik als überindividuelles Erzähluniversum eingelebt hat.57 Hinter diesem eminenten epischen Können lugt vereinzelt – um auch eine Nebensache noch zu nennen – eine Neigung zur gelehrten Geographie hervor: hierher gehört nicht nur die Bemerkung, dass die Vogesen ‘schon damals so hießen’ (v. 490), sondern auch der wohl aus einem Manuskript von Solinus’ Collectanea geholte Numidus (statt Numidicus) ursus (v. 1337),58 ferner zum Sonnenuntergang die Erwähnung nicht nur der Iren und Spanier, sondern auch Thules (v. 1131) aus Isidors Etymologiae (14,6,4), insbesondere aber die geographische Einleitung (v. 1–10)59 mit dem kla-

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Zu Lukan ist außer auf vier Wortanklänge bei Strecker zu verweisen auf Zwierlein 1970, 160, zu Statius cf. außer Panzer Schumann 1951b, 195–202, id. 1950, passim, und Zwierlein 1970, 155, 158–160 mit n. 44. Dafür Schieffer 1975 und 1980. Vielleicht ist die Aufzählung der Epiker auch damit noch nicht komplett: Schumann 1951b, 178, war überzeugt, dass der Dichter auch Valerius Flaccus und Corippus kannte; doch cf. gegen Valerius-Flaccus-Kenntnis Strecker, am besten referiert bei Önnerfors 1979, 34 mit n. 147. Zwierlein 1970, passim. Auf diese Mischtechnik beim Entlehnen hatte auch Schumann 1951b, 188–190, hingewiesen. Zwierlein 1970, 172s. Dort klingt allerdings v. 10 (gens Hunorum) ultra millenos fertur dominarier annos falsch, doch wie so oft, wenn ein mittelalterlicher Autor naiv wirkt, verdient seine Aussage eine umso genauere Untersuchung. Hier hatte Althof 1905, II, 13s., schon den Hauptteil des Problems gelöst, während sich bei Vollmann 1991, 1190, nur Vagheiten finden. Althof zitiert Hieronymus’ Brief 77: Hunnorum examina […] Hanc gentem Herodotus refert sub Dario rege Medorum viginti annis Orientem tenuisse captivum et ab Aegyptiis atque Aethiopibus annuum exegisse vectigal – wobei Herodot (4,1) natürlich nicht von den Hunnen, sondern von den Skythen sprach. Wenn nun das Mittelalter die Hunnen mit den Avaren, später beide mit den Ungarn identifizierte, so folgte es einem einfachen Grundgedanken: aus den Steppen des Ostens hereinbrechende Reitervölker mit ähnlicher, gefürchteter Kampftaktik (cf. unten n. 85!) und unverständlicher Sprache sind «dasselbe», periodisch wiederkehrende Volk. Dieser Trias konnte man aus der antiken Geographie ein viertes Glied voransetzen: eben die Skythen. Dass ein solcher Gedanke auch unter Hochgebildeten gängig war, bezeugt um 400 n. Chr. Synesios von Kyrene, wenn er behauptet, es gebe keine neuen Barbaren, da die alten Skythen immer neue Namen erdächten, um die Römer irrezuführen (H. Göckenjan, Art. Skythen im LM); in ähnlichen Denkbahnen bewegt sich in dem zitierten Brief offenbar auch Hieronymus. Zur Zeit des WalthariusDichters konnte man auf Lat. von den Skythen – um von Curtius 2,1,44, Macrobius Sat. 1,11 oder Isidor Et. 9,2,43s., 13,21,24, 14,4,6 und speziell 14,3,32s. nicht zu reden – vor allem bei Justinus 2, 1–3, nachlesen, wie diese gens antiquissima, die an Alter sogar die Ägypter zu übertreffen scheine, den großen Kyros mitsamt seinem Heere tötete, Darius schimpflich in die Flucht schlug und auch Alexanders Feldherrn Zopyrion besiegte und tötete. Wenn nun – und hier wird es spezifisch – in zeitlicher Nähe zum WalthariusDichter der Historiograph Regino von Prüm ad a. 889 bei der ersten Erwähnung der

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ren Drei-Kontinente-Zitat (v. 1) aus derselben Quelle (14,2,1); ein Schöngeist wie Ermoldus hätte dieses Zitat vermutlich poetisch verbrämt, um auch den geringsten Anschein von Pedanterie zu vermeiden. Die beiden Dichter unterscheiden sich schließlich entscheidend bei der Frage, die alles Bisherige gleichsam überdacht: weshalb dichtet man eigentlich? Hier hat Wesentliches schon 1985 Peter Godman gesagt in Passagen, die sich wie eine Widerlegung avant la lettre von Werners These lesen.60 Ich möchte es mit eigenen Worten formulieren. Ermolds gesamtes auf uns gekommenes Œuvre ist Panegyrik, nicht nur über gekrönte Häupter, sondern auch unmittelbar an sie gerichtet, in der Hoffnung auf eine substantielle Belohnung, hier den Rückruf aus dem Exil, der dann ja auch irgend eine Versorgung einschließen würde. Wer erfolgreich schmeicheln will, muss den Umschmeichelten und seine Umgebung genau kennen. Hier Godmans instruktives Beispiel: In der Jagdschilderung des vierten Buches des Ludwigs-Epos wird als erfolgreicher Jäger zunächst der Kaiser gezeigt, mit einem einzigen Satz auch Lothar, der immerhin seit 817 Mitkaiser war (v. IV 507–510 / 2388–2391). Doch dann folgt in über zwanzig Versen (v. IV 513–534 / 2394–2415) eine wohlkalkulierte Rührszene. Ein junges Reh rast auf der Flucht dicht vorbei an der Kaiserin Judith und ihrem [dreijährigen] Söhnchen Karl [dem späteren Kahlen, Ludwigs einzigem Sohn aus dieser zweiten Ehe]. Das Kind verlangt, um das Reh zu verfolgen, zunächst ein Pferd, dann wenigstens seine Kindeswaffen, aber seine ‘schöne Mutter’ (pulcra creatrix) und sein pedagogus halten es mit Mühe zurück. Andere fangen das Tier und bringen es unverletzt zu dem Kind, das nun mit seinen Kindeswaffen das Tier niederstreckt (perculit) – ‘gleich dem jungen Apoll, der seiner Mutter Latona Freude bereitet’. Offensichtlich weiß der Dichter sehr gut und möchte es nutzen, dass der Kaiser mehr an seiner jungen schönen Frau und an seinem Benjamin hängt als an seinem ältesten, schon bedenklich selbständig werdendem Sohn. So weit Godmans Beispiel; ich füge zwei weitere hinzu. Das erste zeigt, wie leicht kontraproduktive Nebentöne aufträten, wenn der Panegyriker nicht auf dem Laufenden bliebe. Viermal (zu den Jahren 818, 824 und zweimal zu 826) lässt Ermold den Grafen Matfrid von Orléans, der damals in der Tat einer der engsten Berater Ludwigs war, mit ehrenvollen Aufgaben auftreten (III, v. 277 / 1530, IV, v.124 / 2005, 295 / 2176, 424 / 2305). Wie gut, dass sich Ermold mit seiner Art des

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Ungarn bis auf die Skythen zurückgeht und aus Justin einen Auszug von der Länge fast einer heutigen Druckseite mit den eben genannten Aussagen in sein Werk aufnimmt, so darf man auch dem Waltharius-Dichter entsprechende Kenntnisse zutrauen. Von den Skythen bis zum Sieg Karls des Großen über die Avaren (die der Waltharius-Dichter ja mit den Hunnen gleichsetzt) waren es in der Tat ultra millenos annos. – Nebenbei gesagt: noch ein zweites Mal ist Vollmann 1991, 1208 in ähnlicher Weise im Unrecht, wenn er à propos bipennem (v. 918) die francisca als typische fränkische Waffe der Merowingerzeit für eine «waffengeschichtliche Legende» hält; es genügt, z. B. auf die dichte Fundkarte und den Begleittext bei Menke 1987, 136ss., zu verweisen. Godman 1985, 45–47, 73–78, speziell 73 und 78. Hinweis auf diesen Passus im obigen Sinne bei F. Bertini 1999–2000, 73 n. 41.

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Dichtens beeilte! Denn 827 führte Matfrid eine militärische Mission angeblich unter bewusstem Zögern durch, wurde deshalb im Februar 828 aller seiner Ämter und Lehen entsetzt und war seitdem erbitterter Feind Ludwigs und Parteigänger Lothars.61 Das zweite Beispiel ist geradezu decouvrierend. Im ersten Brief an Pippin sind für Ermold die Sachsen ‘ein intelligenter Stamm’ (gens sagax, v. 149, «la subtile race des Saxons» übersetzt Faral), die Elsässer seines Exilortes Straßburg hingegen ,ein verruchtes Volk, das keine Gottesliebe kennt’ (gens atra nimis […] nescit amare deum, v. 153s.). Hätte man für das frühe 9. Jh. nicht eher die umgekehrte Wertung erwartet? Nein, Ermold muss seinen Exilort so schwarz wie möglich malen, damit es fast eine Christenpflicht ist, ihn da herauszuholen. Aber von dieser Schwarzmalerei muss deutlich sein Bewacher, der Straßburger Bischof Bernold, ausgenommen sein, sonst könnten die Verse das Gegenteil bewirken. Nun ist Bischof Bernold Sachse; also wird auch ihm geschmeichelt! Doch wichtiger noch als solche Schmeicheleien: ein Panegyriker wie Ermold glaubt sich selbst auf Schritt und Tritt in Erinnerung bringen zu müssen. Er beginnt das Akrostichon vor dem Ludwigs-Epos mit seinem eigenen und Ludwigs Namen und bittet in den ersten Versen des Buches Ludwig um Begnadigung; am Ende des ersten Buches fleht er konkreter, zu Pippin zurückkehren zu dürfen; am Ende des zweiten fordert er seine Muse auf, dieses Buch dem ersten Buch nachzubringen; am Ende des dritten bittet er, Ludwig möge sich seiner erinnern; im vierten Buche erwähnt er mit Humor seine Teilnahme in Pippins Kontingent an Ludwigs Bretonenfeldzug und ruft am Ende des Buches als Ermoldus exul, egenus, inops Ludwig wiederum um Erlösung aus dem Exil an. Die erste Epistel an König Pippin schickt er durch Thalia als Boten in seine, Ermolds, patria, wo sich inmitten fruchtbarer Weiden und goldglänzender Ährenfelder das Palatium mit dem ihm so bekannten Hofleben befindet; dort wird Thalia den König näher über Ermolds ‘verschuldetes’ (culpƗ meƗ, v. 46) Exil unterrichten. Zu Beginn der zweiten Epistel erinnert er Pippin daran, dass diesem ‘oft’ (v. 8) Ermolds Verse gefielen, stellt ihm dann mahnend ein detailliertes christliches Herrscherbild vor, ‘wie ich es Dir auch einst in Wort und Schrift vorzustellen pflegte, bevor mich Neider ins Unglück stürzten; aber der himmlische Vater kann mich – dank Deiner Interzession – von Schuld freisprechen’ (v. 201–206). Doch ‘wer den Krieg [mit mir] will, wisse: ich bin gewappnet!’ (v. 219–220) – also doch keine culpa mea? Es folgt die Versieglung mit Ermolds Namen und eine letzte Bitte, sich seiner zu erinnern. Das Ganze ist nicht ohne menschliche Tragik, zeigt aber zugleich einen Dichter, der nicht hinter sein Werk zurückzutreten weiß. Wäre Ermold der Dichter des Waltharius, so sollte man erwarten, dass er auch hier irgendwo sich selbst, zumindest aber über den bloßen Begriff Aquitanien hinaus irgend etwas Aquitanisches erwähnen würde, etwa Alpheres Residenzort, so wie im Waltharius zu den Franken Worms, zu den Burgundern Chalon-sur-Saône genannt wird. Aber nichts dergleichen! Der Waltharius-Dichter tritt in geradezu

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B. Schneidmüller, Art. Matfrid des LM.

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frappanter Weise hinter sein Werk zurück; nur das erklärt ja die nun schon seit Generationen andauernde kontroverse Diskussion um seine Person, um Zeit und Ort der Entstehung seines Werkes. Er wendet sich an fratres (v. 1); nach Vollmann bezieht sich das Wort nur im Predigtstil auf Laien, sonst und damit hier auf ‘Mönchsbrüder’.62 Er ist also – wie schon sein prononciertes Zurückdrängen der Sexualität vermuten ließ – Mönch. Daraus folgt als sehr wahrscheinlich, dass er im Gegensatz zu Ermold nicht um einer materiellen Belohnung willen schreibt. Das einzige sichere Biographische, das wir noch von ihm erfahren,63 ist, dass er noch in sehr jugendlichem Alter steht und dies sein Erstlingswerk ist (v. 1453– 1455). Hier müssen wir ein letztes Mal auf K. F. Werners These zurückkommen. Selbstverständlich war Ermold zur Zeit seines Straßburger Exils, das ja auch für Werner der terminus ante quem non des Waltharius ist, ein «homme mûri ».64 Wie dann die gegenteilige Aussage des Liedes? Für Werner sehr einfach: hier habe sich Ermold vermutlich, wie nur in einer Anmerkung mitgeteilt zu werden braucht,65«un ‘joke’ supplémentaire» geleistet. Leider sieht man nicht, was Ermold bei diesem Versteckspiel – das seiner sonstigen Dichtung diametral entgegenstünde – gewönne. So wird man auch bei einem namhaften Historiker, wenn er ohne Angabe eines plausiblen Grundes aus der Aussage eines mittelalterlichen Autors das Gegenteil des Gesagten herausliest, eine bedenkliche Lockerung der methodischen Grundlagen monieren müssen.66

Exkurs II: Zur Datierung des Waltharius Das Avaren-Argument Angesichts der Dauerdiskussion um die Waltharius-Datierung wäre die Hoffnung eitel, hier mit eigenen Argumenten einen Durchbruch erzielen zu können. Sehr wohl aber darf man darauf hoffen, dass solche Argumente neben denen anderer einiges Gewicht haben könnten. In diesem Sinne sei der folgende Diskussionsbeitrag verstanden. Es geht zunächst um die zeitgeschichtliche Dimension des Werkes. Besonders Önnerfors glaubt seine Datierung ins frühe 9. Jh. zu stützen durch ausgiebige Hinweise auf Karls des Großen Avarenkrieg:67 dieser habe für ein noch Jahrzehnte anhaltendes «Interesse» am Avarenthema gesorgt – das sich eben im Waltharius spiegle.

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Vollmann 1991, 1189; genauer Schaller 1983, 76. Gareth Morgans Anspruch, 1986, passim, eine verkappte ‘Signatur’ Ekkeharts gefunden zu haben, hat ja offensichtlich die Anti-Ekkehardianer, aber auch z. B. den tendenziellen Ekkehardianer Vollmann 1991, 1217, nicht überzeugt. Werner 1990, 119 n. 426. Werner (wie vorige n.). Werners sonstige Argumente sind so eindeutig «weiche» Argumente, dass ich eine Auseinandersetzung für unnötig erachte. Önnerfors 1979, 42–44, und 1988 im ganzen Schlusspassus, wo dieser Punkt sichtlich

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Aber «Interesse» scheint mir nicht ganz das richtige Wort und die Folgerung nicht schlüssig.68 Einhart (Vita Karoli 13) betont, dass Karl den Krieg contra Avaros sive Hunos (!) […] animosius […] et longe maiori apparatu als alle seine anderen Kriege geführt habe. Dazu hatte er auch allen Grund. Aus der Perspektive des Jahres 787 betrachtet, musste er von den Sachsen höchstens fürchten, dass sie in seiner Abwesenheit einmal einen fränkischen Landstreifen rechts des Rheins brandschatzen könnten (wie 778), von den Slaven nicht einmal das; gegen die Bretonen brauchte er nie in Person zu kämpfen, gegen die Beneventaner nur bewaffnete Drohgebärden auszuführen; die Dänen oder Normannen waren noch kaum in sein Blickfeld gekommen; die Basken und sogar – wenn auch unter Gefahren – die spanischen Muslime hielt für ihn sein Verwandter Wilhelm von Toulouse in Schach. Anders hier: nach den Reichsannalen zu 788 gab Herzog Thassilo von Bayern damals zu, dass er, von seiner gegen Karl rachsüchtigen langobardischen Frau angestachelt, Boten zu den Avaren geschickt habe. Auch wenn damit noch kein voller Verrat bewiesen ist, musste Karl einen solchen doch fürchten, musste also fürchten, dass eines Tages ein Reiterheer ohne Warnung tief in sein Reich einfallen und große Verwüstungen anrichten könnte, bevor er überhaupt den schwerfälligen fränkischen Heerbann würde aufbieten können. Schon 788 kam es nach den Reichsannalen zu gewissen Kämpfen mit den Avaren in Italien wie in Bayern; doch unternahm Karl noch 790 gegen seine Gewohnheit nirgendwo einen Feldzug, sondern verhandelte mit den Avaren über Grenzstreitigkeiten – vermutlich um Zeit zur Vorbereitung eines großen Krieges zu gewinnen. Im nächsten Jahre ging er zum Angriff über und zog donauabwärts, offensichtlich in der Meinung, der Fluss sei die Lebensader des Avarenreiches. An der Enns angekommen, hielt man drei Tage lang Bittprozessionen und Messen ab – von keinem anderen Krieg Karls wird Ähnliches berichtet. Dann zog das Heer in zwei Flügeln an beiden Ufern weiter donauabwärts bis zur Raabmündung, doch der Feind vermied eine Schlacht, und das Heer kehrte zurück, sich siegreich fühlend – wobei Karl selbst einer so oberflächlichen Illusion kaum aufgesessen sein dürfte. Von Weihnachten 791 bis Ostern 793 blieb er in Regensburg und ließ dort, wie wiederum die Reichsannalen vermelden, eine Brücke errichten, ‘die mit Ankern und Seilen so verbunden war, dass man sie zusammensetzen und wieder auseinander nehmen konnte’ – wohl in der Hoffnung, sie auf dem nächsten Donaufeldzug einsetzen zu können. Gleichzeitig befahl er, einen Kanal von der Rednitz zur Altmühl zu bauen, der ihm gestattet hätte, seine Donauschiffe durch seine Main-, Rhein- und Küstenflotille zu verstärken, z. B. um gegebenenfalls das Heer an beliebiger Stelle zügig über die

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den Höhepunkt der Argumentation liefern soll. Geringeren Stellenwert hat er bei Werner 1990, 120s. In dem folgenden Abschnitt muss ich allerdings nicht nur Önnerfors, sondern auch Önnerfors’ Opponenten Schaller 1989–1990, 428 n. 23, widersprechen, der im Gegenzug den Avarenkrieg bagatellisiert. Eine ähnliche Haltung bei G. László im Art. Awaren des RgA (§ 3, p. 529s.) lässt jede Auseinandersetzung mit den klaren Aussagen der karolingischen Quellen vermissen.

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Donau setzen zu lassen; aber das Kanalprojekt brach – anscheinend im Herbst 793 – wegen unbeherrschbarer Erdbewegungen zusammen. Von 794 bis 799 war Karl mit der Niederwerfung großer Sachsenaufstände voll ausgelastet. Doch 795 kamen auch die ersten Nachrichten von innerer Uneinigkeit der Avaren: der Tudun bot seine Unterwerfung an, der Kagan und der Jugur befehdeten einander und wurden von eigenen Leuten ermordet. Karl übertrug nun die Kriegführung gegen die Avaren Herzog Erich von Friaul; dieser gab die strategische Bindung an die Donaulinie auf, erstürmte vielmehr mit eigenen Leuten und slavischer, wohl besser ortskundiger Unterstützung den «Ring», das befestigte Avarenzentrum zwischen Donau und Theiß mit dem Staatsschatz, und entschied damit praktisch den Krieg. Etwas später finden wir auch Karls Sohn, König Pippin von Italien, im «Ring», was ihm den Ruf eines Avarensiegers einbrachte. 799 brach noch einmal ein Avarenaufstand los; im Zusammenhang damit, wenn auch nicht in der Schlacht, kamen Herzog Erich und Karls Schwager Gerold, der Präfekt von Bayern, zu Tode. Resümierend sagt Einhart (cap. 13) von dem Avarenkrieg, obwohl Karls Große ihn strenuissime geführt hätten, sei er erst im achten Jahre zu Ende gegangen. Quot proelia in eo gesta, quantum sanguinis effusum sit, testatur vacua omni habitatore Pannonia, et locus, in quo regia kagani erat, ita desertus, ut ne vestigium quidem in eo humanae habitationis appareat. Karls Propaganda hatte zweifellos seinen Leuten eingehämmert, dieser Krieg sei ein Vergeltungskrieg für alle in den vergangenen Jahrhunderten von den «Hunnen» verübten Räubereien; den eindeutigen Widerhall dieser Töne bei Einhart und noch in den letzten Jahrzehnten des 9. Jh. bei Notker Balbulus und dem Poeta Saxo haben wir oben erwähnt.69 Nach einem solchen Krieg zeigt man nicht für die Avaren «Interesse», sondern man fühlt sich von einem Albdruck befreit, dessen Schwere man nur langsam vergisst. Deshalb halte ich es für sehr unwahrscheinlich, dass in der ersten oder zweiten Generation nach diesem Krieg – als jedenfalls die private oral history noch funktionierte – ein Epiker darauf hätte verfallen können, eine kampflose Unterwerfung der Franken unter die Hunnen zu berichten, den Hunnenkönig nahezu als Idealkönig und das Hunnenreich ähnlich dem Imperium Romanum darzustellen, ja den Helden der Erzählung als militärisch höchst erfolgreichen und aller Gewissensqualen baren Aufrechterhalter hunnischer Herrschaft zu zeigen.70 Wer so erzählt, steht nicht mehr

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Cf. oben Teil I, n. 149, und den zugehörigen Haupttext. Der Vergleich mit dem Imperium Romanum bei Vollmann 1991, 1190s.; auch Strecker verwies zu Waltharius v. 9 Foedera supplicibus donans sternensque rebellos schon auf das inhaltlich identische Aeneis 6.853 Parcere subiectis et debellare superbos. Dadurch, dass dieser Attila dann zwei Truppenführer verliert und zwei Tage in Verzweiflung verbringt, wird dieses Bild zwar relativiert, aber keineswegs ausgelöscht, da Attila weder moralisch noch physisch vernichtet wird. – Zu Walter als hunnischem Heerführer cf. insbesondere Waltharius v. 175–178: Walter, nicht Attila, bellatorum confortat corda suorum, / Hortans praeteritos semper memorare triumphos / Promittensque istos solita virtute tyrannos / Sternere et externis terrorem imponere terris.

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unter der Wirkung von Karls «Hunnen»-Krieg, sondern schon in beträchtlichem historischem Abstand zu ihm.71 Das verspottete caput orbis In ähnliche Richtung weist ein anderes, in der Forschung mehrfach als zeitgeschichtlich besprochenes, aber meines Erachtens nicht ausgeschöpftes Detail. In v. 1083 sagt Gunther, heute habe Walter ihn, das caput orbis, mit Schande bedeckt; in diesem Zustand könne er nicht nach Worms zurückkehren. Seit der Antike bezeichnet caput orbis Rom und seinen Beherrscher (bei Prudentius einmal auch Bethlehem), aber schon kurz nach Karls des Großen Kaiserkrönung wird in De Karolo magno et Leone papa (v. 92) der Ausdruck auf Karl übertragen: Rex Karolus, caput orbis […]. Später benutzt Notker, Gesta Karoli I 26, beide Bedeutungen pointiert nebeneinander: auf den Ruf des Papstes hin kam caput orbis ad caput quondam orbis, d.h. kam Karl nach Rom.72 Da nun wie im De Karolo et Leone und bei Notker auch im Waltharius der Ausdruck auf einen Frankenkönig angewandt wird, setzt der Waltharius den seit Karl üblichen Gebrauch des Ausdrucks voraus, parodiert ihn aber durch den krassen Anachronismus und die Anwendung auf den Schwächling Gunther. Und da im 9. und auch noch im 10. Jh. das Publikum weiß, dass in Westeuropa erst Karl der Große und seine kaiserlichen Nachfolger sinnvoll so bezeichnet werden können, was den Begriff mit beträchtlicher Würde aufgeladen haben muss, und da der Dichter weiß, dass das Publikum dies weiß, handelt es sich, wenn auch bei weitem nicht um ein crimen laesae maiestatis, so doch um eine bewusste Flapserei in derselben Richtung: die Respektlosigkeit besteht darin, dass durch diesen Ausdruck dem Publikum vorgeführt wird, dass ein Herrscher von Worms und Umgebung – in der Terminologie der Zeit nach 840 wäre das: ein Ostfranke – auf den Titel caput orbis Anspruch erheben und doch Schwächling sein kann.73

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Auf Grund einer akribischen Untersuchung der Hexameter-Technik des Waltharius spricht sich auch d’Angelo 1992, im Schlusskapitel gegen die These von der Frühentstehung (vor 840, also Dronke, Önnerfors, essentiell auch Werner) aus. Wenn er dann sehr zögernd 840–860 vorschlägt, ist zu bedenken, dass er sich in seiner Studie nur wenig um eine Abgrenzung zur späteren Zeit bemüht hat, so dass man die genannte Spanne wohl als Zeitraum a quo deuten darf. Antik: Ovid met. 15,445 und mehrfach, Livius mehrfach, dazu einige Spätere. Prudentius Ditt. 26,1 p. 395 bei Schumann 1979–1989, s. v. caput orbis. Die mittelalterlichen Stellen ibd. und bei Vollmann 1991, 1211. Allgemeiner gesagt: wer in offenem, auch für das Publikum durchschaubarem Anachronismus, also in gezieltem Illusionsbruch, in eine als vergangen vorgeführte (epische oder dramatische) Handlung ein gegenwärtiges Element einbringt, das im neuen Handlungszusammenhang eine negative Wertung bewahrt oder bekommt, suggeriert dem amüsierten Publikum einen Koexistenzschluss vom Typ «Wie wahr, das passt ja leider auch heute zusammen!» Von eben diesem Kunstgriff machen heute viele unserer Regisseure beim Aufpolieren von Klassikern reichlichen – und manchmal sehr vordergründigen – Gebrauch.

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Auf wen passt diese Charakteristik? Weder Karl dem Großen noch seinen Nachfolgern im Kaisertitel Ludwig dem Frommen, Lothar und Ludwig II. konnte man persönliche Feigheit vorwerfen. Karl der Kahle mag 851 nach seiner ruhmlosen nächtlichen Flucht bei manchen als feige gegolten haben, doch als er 875–877 Kaiser war, erinnerte sich daran wohl niemand mehr; zudem herrschte er auch während seiner Kaiserjahre weder über Worms noch über das anzunehmende oberdt. Ursprungsgebiet des Waltharius. Aber dann kam Karl der Dicke. Als Sohn Ludwigs des Deutschen war er Ostfranke. Er erbte 876 vom Vater Alemannien und Churrätien, 880 und 882 von seinen früh verstorbenen Brüdern das übrige ostfränkische Reich seines Vaters, aber vermehrt um Italien und (sogar West-) Lothringen. So konnte er sich 881 in Rom zum Kaiser krönen lassen. 885 huldigte ihm auch Westfranken, so dass er bis auf den nie ganz besiegten Boso über das Gesamtreich Karls gebot. Aber er versagte zweimal spektakulär gegen die Normannen.74 Zuerst 882 im Ostreich; dort sammelte er gegen sie zwar einen exercitus infinitus (Annales Vedastini), eine ex diversis regnis et gentibus inaestimabilis multitudo (Regino), viri innumerabiles et omnibus hostibus formidandi, si ducem habuissent idoneum (Annales Fuldenses, Mainzer Redaktion), schloss die Normannen sogar ein, hob dann aber in einem schimpflichen Frieden den einen ihrer beiden Führer aus der Taufe und gab ihm Friesland zu Lehen, während er den anderen gar samt einem ihm gezahlten inmensum pondus auri (Regino) ad confusionem sui totiusque exercitus qui illum sequebatur (Mainzer Annales Fuldenses) frei abziehen ließ. Die beste und kürzeste Darstellung gibt Hinkmar in den Annales Bertiniani: Karolus autem nomine [!] imperator contra Nortmannos venit cum multo exercitu usque ad illorum firmitatem. Quo veniens, concidit cor eius – ‘er verlor den Mut’, um nicht zu übersetzen ‘das Herz fiel ihm in die Hose’. Noch schlimmer versagte er 886 im Westreich; er zog – wieder mit großem Heer – zur Sicherung von Paris heran, doch nachdem Graf Heinrich, sein bester ostfränkischer Kämpfer, auf einem Erkundungsritt zu Tode kam, fasste er einen ‘wahrhaft erbärmlichen Entschluss’, ein consilium nimis miserum (Annales Vedastini): er zahlte für Paris eine Loskaufsumme und erlaubte den Normannen, stattdessen Burgund zu plündern. Als er bei der Rückkehr nach Ostfranken in Soissons Station machte, setzte ihm ein Normannenheer nach, und Karl festine rediit in terram suam. Damit war das Maß voll. Als er erfuhr, dass sein Neffe Arnulf ihn abzusetzen entschlossen war, versuchte er sich 887 noch im Zentrum seines Reiches mit einem Hoftag zu Tribur und einem Zug nach Frankfurt, aber Arnulf wurde zum König gewählt, Karl starb im Januar 888, und Arnulf verständigte sich überraschend schnell mit Graf Odo von Paris über die Teilung des Reiches. Die germanische Sagenwelt weiß nichts von Tribur, umso mehr vom nur etwa 30 km entfernten Worms, dem Sitz Gunthers. Wirkt das Scheitern Karls des Dicken, des Ostfranken und damit Beinahe-Wormsers, des caput orbis und dennoch Schwächlings, nicht wie die notwendige und hinreichende Voraussetzung dafür,

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Zum Folgenden cf. die detaillierte Darstellung von Keller 1966, passim.

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dass sich seit diesem Augenblick ein antifränkisches – und jetzt speziell anti-ostfränkisches – Ressentiment der Nichtfranken des Reiches ungeniert Luft machen und auf breiten, leicht hämischen Beifall rechnen konnte? Um dieses Ressentiment einkleiden zu können, durfte man es da nicht wagen, Gunther den Wormser Burgunder gegen die Tradition zum (Ost-) Franken zu machen, zumal nun einmal Worms seit Menschengedenken (ost-)fränkisch war? Und da das Frankentum in die agoniehafte Schlussphase seiner geschichtlichen Aufgabe eingetreten war – schon seit etwa 830 ging es ja mit ihm sichtlich bergab – , durfte man da nicht der Versuchung nachgeben und auch Gunthers «Franken» allesamt zwar nicht als Schwächlinge, aber doch als letztlich wirkungslose Angeber, nebulones, darstellen75 – ad confusionem nicht nur sui, sondern auch des Trupps qui illum sequebatur? Ich halte es also für wahrscheinlich, dass der Waltharius nach 887 entstanden ist. Der Waltharius und die Ungarnkriege Oben habe ich zu zeigen versucht, dass der Waltharius-Dichter zu Karls «Hunnen»Avaren-Krieg schon in historischem Abstand steht. Andererseits lässt er aber auch nirgends das geringste Wissen um eine neue «Hunnen»-«Avaren»-Welle durchblicken. Damit sind wir beim Ungarn-Problem, das die Ekkehardianer meines Erachtens nicht als Stütze, sondern als mögliches Korrektiv für ihre chronologischen Vorstellungen ansehen sollten. Erinnern wir uns:76 Die Identifizierung der Ungarn mit den Hunnen greift spätestens kurz nach 900 um sich, und eines ihrer ältesten Zeugnisse – wenn nicht überhaupt das älteste – stammt aus St. Gallen.77 Die Ungarn attackieren deutsches (oder zumindest in der Germanisierung befindliches) Sprachgebiet, nämlich das ostbayrische Donaugebiet, erstmals im Jahre 900; dann 906 Sachsen; 907 vernichten sie ein bayrisches Heer; 908 finden wir sie erneut in Sachsen, diesmal einschließlich Thüringens, 909 in Alemannien, wobei sie auf dem Rückweg zunächst Freising verwüsten, dann aber eine kleinere Niederlage an der Rott, dem Nebenfluss des Inns, erleiden; 910 besiegen sie zunächst ein Reichsheer aus Franken und Bayern, wobei immerhin die Bayern einen Teilerfolg verbuchen können; 911 / 912 erreichen sie, erstmalig den Rhein überquerend, das Maifeld und den Ahrgau; 913 werden sie auf dem Rückweg von einem Zug nach Schwaben am Inn von Bayern und Schwaben

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Zwar erkennen in v. 58 die Burgunder an, dass die Franken das stärkere Volk sind, und in v. 582 bekommt Francia das Epitheton inclita, doch das ist sozusagen die bisherige communis opinio, die durch die Handlung falsifiziert wird, und zwar in dezenter Form gleich zu Anfang: die Franken kapitulieren vor den Hunnen schon, als diese die Donau überschreiten, die Burgunder erst, als die Hunnen schon in ihrem Land Beutezüge durchführen. Einen in der Quellenverarbeitung annähernd vollständigen und einen perspektivierenden Überblick bieten zwei noch nützliche ältere Arbeiten: Lüttich 1910, Büttner 1956. Cf. oben Teil I, n. 150.

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überrumpelt, aber ohne Nachwirkung; denn schon 915 plündern sie erneut Alemannien, Thüringen und Sachsen und dringen damals oder 918 sogar bis Bremen vor; 917 erreichen sie durch Alemannien, wo sie Basel zerstören, das Elsass und Teile Lothringens; 919 sind ungarische Scharen in Italien, in Lothringen und vor allem, wie anscheinend auch in den Folgejahren, in Sachsen bezeugt; 924 brandschatzen sie – offenbar in mehreren getrennten Unternehmungen – Rom, Südfrankreich, Ostfranken und Sachsen. 926 ziehen sie nach Verdun und den Ardennen sowie in einer anscheinend zweiten Unternehmung durch Bayern nach Alemannien, wobei sie St. Gallen heimsuchen. Die Mönche sind geflohen, aber die am Ort gebliebene Klausnerin Wiborada erleidet den Märtyrertod (um 960–970 wird ein Mönch von St. Gallen, nahezu sicher Ekkehart I. selbst,78 ihre erste Vita schreiben). Die Ungarn ziehen weiter über Konstanz in den Sundgau, wo sie noch einen allerdings verlustreichen Sieg erringen. Inzwischen hatte König Heinrich I. sich durch hohe Tributzahlungen einen mehrjährigen Frieden erkauft, während dessen er wenigstens in Sachsen und Thüringen einen planmäßigen Widerstand aufbauen konnte. Doch ist sein Sieg 933 bei Riade für die Ungarn nur eine leichte Niederlage. Schon 935 erreichen sie über Burgund Grenzgebiete Aquitaniens; 937 ziehen sie abermals durch Bayern, Ostfranken, Schwaben und, einem sächsischen Heer ausweichend, bei Worms über den Rhein und verwüsten die Kirchenprovinzen Reims und Sens, Grenzgebiete Aquitaniens und Teile Burgunds; 938 schwärmen sie durch ganz Sachsen bis ins westfälische Grenzgebiet, werden dabei aber in Ostsachsen in mehreren Treffen dezimiert. Sie meiden daraufhin Deutschland für einige Jahre bis auf kleinere, für sie wenig glückliche Treffen mit den Bayern im Osten des Herzogtums. 951 ziehen sie durch Italien nach Südfrankreich und auf demselben Weg zurück, 954 noch einmal, mit deutschen Gegnern König Ottos nominell verbündet, durch Bayern, Franken und Schwaben wieder bei Worms über den Rhein nach Lothringen, Brabant, Ostfrankreich und nach gewissen Verlusten in Burgund durch Italien zurück. Als sie 955 erneut Bayern durchqueren, wohl in Richtung Frankreich, setzt Otto durch seinen überwältigenden Sieg auf dem Lechfeld ihren Zügen in Mittel-, West- und Südeuropa ein Ende. Weil der Waltharius von einem Oberdeutschen stammt, liegt es nahe, auf der Suche nach einem terminus ante quem schon das Jahr 909, in dem nach Bayern erstmals Alemannien heimgesucht wurde, ins Auge zu fassen. Doch da ein junger Mönch hinter Klostermauern – jetzt lässt sich der Blick auf Ekkehart nicht mehr vermeiden – von den Ereignissen der Zeitgeschichte zunächst leidlich abgeschirmt gelebt haben mag, ist wohl erst die Plünderung St. Gallens 926 eine – jetzt aber steile – Wahrscheinlichkeitsschwelle. Nun starb Ekkehart I. am 14. Januar 973. Damals waren schon vier seiner Neffen in St. Gallen eingetreten; so kann Ekkehart IV. von seines Namensvetters Tod sagen: Tales palmites dum vitis illa iam mitteret, bene matura in die Felicis in

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Cf. Vita Sanctae Wiboradae, ed. Walter Berschin 1983.

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Pincis vindemiata est ipsa.79 Ekkeharts I. Geburtsdatum ist unbekannt; aber da er als vitis bene matura starb, pflegt man seine Geburt «zu Anfang des 10. Jh.»80 oder auch «um 910»81 anzusetzen; der Waltharius wäre dann «etwa im 3. Jahrzehnt des 10. Jahrhunderts»82 oder, um Jacob Grimms vorsichtig-breite Spanne zu zitieren, «jedenfalls zwischen 920 und 940» entstanden.83 Wie man sieht, sind diese Datierungen ohne jeden Blick auf die Ungarnzüge erfolgt. Da soll also möglicherweise nach 926 der junge Ekkehart seinen patriarchalisch-wohlwollenden Attila, sein romähnliches Hunnenreich und seinen als hunnischen Heerführer die Feinde niedermetzelnden Walter dargestellt haben. Er – der doch mehr als jeder andere lat. Epiker des 9. und 10. Jh. «uns den handelnden und redenden Menschen aus der Nähe erleben» lässt und «seine Gefühlswallungen und auch Ängste» zu artikulieren weiß84 – soll dennoch nirgends durch eine vage Andeutung, durch das leiseste Zittern in der Diktion all das himmelschreiende Leid ringsum haben durchklingen lassen?85 Zur Erklärung verweist Schaller auf die Tatsache, dass die Ungarn durch Frontenwechsel christlicher Magnaten «hier und da politische Partner» wurden, und auf die Möglichkeit, dass Ekkehart das vielberufene positive Attila-Bild eines Teiles der germanischen Überlieferung vor sich gehabt haben mag.86 Worauf zu erwidern ist, zum einen: dass es ein Paktieren mit dem Glaubensfeind ganz sicher nie in St. Gallen und nach der Quellenlage auch in

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Casus Sancti Galli, cap. 80. P. Stotz, Art. Ekkehard I. von St. Gallen im Verf.-Lex., hier 447, und entsprechender Art. im LM; ähnlich schon Manitius 1911, 609: «scheint um 900 geboren zu sein». Neue deutsche Biographie, Art. Ekkehart I. (1959), A. Syndikus, Art. Ekkehard I. von St.Gallen (1989) im Literatur-Lexikon, ed. W. Killy 1988–1993, hier 229. So den seit Jacob Grimm üblichen Konsens referierend Schaller 1983, 63. Im Art. Waltharius des Verf.-Lex. spricht Paul Klopsch (Sp. 632) für den Fall, dass Ekkehart I. der Autor ist, von «um 930». Grimm / Schmeller 1838, 58. Schaller 1989–1990, 427, und cf. die treffende Würdigung bei Godman 1985, 73–78. Der von W. Meyer aus Speyer, 1899, 126, versuchte Nachweis, dass der WalthariusDichter die Kampfesweise der Ungarn kannte, ist strenggenommen nicht schlüssig. Denn ein Pfeil- oder Wurfspießhagel als erste und möglichst schon entscheidende Phase der Schlacht ist allgemein für östliche Reiterheere mit ihren kleinen, aber äußerst wendigen Pferden charakteristisch, so schon für die Skythen (Abschnitt Das Kriegswesen der Eisenzeit von S. Sievers bei von Schnurbein 2009, 184, 186 Abb. 197), insbesondere dann für die Hunnen (Altheim 1962, 55); auch die Kombination von Schwert und dolchartigem Kurzschwert (griech. Akinakes, germ. Sax) ist im archäologischen Nachlass sowohl der Skythen als auch der Hunnen sehr gut belegt (Sievers op. cit., 183, und RgA, Art. Hunnen von B. Anke, Abschnitt ‘Bewaffnung / Zubehör’); allerdings sind Saxe auch im merowingischen, dann karolingischen Kulturbereich vom 6. Jh. bis gegen 800 gängig. Das Wissen um die Kurzschwerter der Hunnen kann sich seit dem 5. Jh. im Rahmen eines sie betreffenden Vorstellungsclichés gehalten haben. Freilich wird man sich seit der Jahrhundertwende auch in St. Gallen über die Kampfesweise der Ungarn schon unterhalten haben, bevor man den Krieg mit allen seinen menschlichen Folgen 926 hautnah kennen lernte. Schaller 1989–1990, 428s.

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keinem anderen Kloster gegeben hat, sondern nur bei einigen weltlichen Großen, die die Unterdefiniertheit des Lehnsrechts skrupellos ausnutzten; ein Schluss von ihrer Mentalität auf die eines sanktgallischen Mönches wäre schlechthin abwegig. Und zum anderen: dass die Erzählung von einer Geiselflucht aus Attilas Herrschaftsbereich, also eine im Grundgedanken anti-attilanische Erzählung, es auch im Mittelalter jedem Bearbeiter, insbesondere einem mönchischen und lateinisch schreibenden, ermöglicht hätte – und es damit auch in seine erzählerische Verantwortung stellte –, den menschenverachtenden, mit dem Christentum durchaus unvereinbaren Charakter dieser Herrschaft herauszuarbeiten. Ich glaube also, dass der Waltharius wahrscheinlich nach 887 und sehr wahrscheinlich vor 926 entstanden ist. Das Verhältnis zu zeitnahen Dichtungen Unter dieser Voraussetzung bleibt sein Verhältnis zu drei etwa gleich alten Dichtungen zu diskutieren. Über sein Verhältnis zu Abbo (der die ersten zwei, hier allein in Frage kommenden Bücher seines Epos De bellis Parisiacae urbis wohl noch unter König Odo, also spätestens 897, herausgab) und zum Poeta Saxo (dessen Werk zwischen 889 und 891 entstand) sollten wenige Bemerkungen genügen. Von den Similien zu Abbo bei Schumann87 könnte für die Richtung der Entlehnung höchstens das erste Beweiskraft haben, Abbo 1,76s.: «Iam occidui medium vergebat ad ultima Tile Climatis australis quoque Apollo secutus Olimpho.»

~ Waltharius 1130–34: «Interea occiduas vergebat Phoebus in oras, Ultima per notam signans vestigia Thilen, Et cum Scottigenis post terga reliquit Hiberos. Hic postquam oceanas sensim calefecerat undas, Hesperos Ausonidis obvertit cornua terris.»

Ich folge Önnerfors88 im grammatischen Verständnis der schwierigen Abbo-Stelle: nachgestelltes quoque ist Manierismus statt eines vorangestellten et; also: Iam Apollo (secutus Olympo) vergebat ad ultima occidui, [id est] medium ThilĊ [sic] et climatis australis ,Die Sonne mitsamt dem Himmelsgewölbe neigte sich schon dem äußersten Westen zu, jener Mitte zwischen Thule und den südlichen Zonen’. Doch halte ich gegen Schumann und Önnerfors die umgekehrte Entlehnungsrichtung für wahrscheinlicher: der Waltharius-Dichter macht den Passus transparenter

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Schumann 1951b, 181s. – Schumann zitiert Abbo ungenau, korrigiert bei Önnerfors 1979, n. 150. Önnerfors 1979, n. 150.

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und zugleich konkreter. Er spaltet zunächst die in ihrer Abstraktheit abgeschmackt wirkende Vorstellung vom Westen als ‘Mitte zwischen Thule und dem Süden’ in Erinnerung an Isidor (14,6,4 und 6) in konkretere Teile: die Sonne neigt sich nach Westen, sendet auf das ‘vielberufene’ (und laut Isidor nordwestlich von Britannien liegende) Thule ihre letzten Strahlen herab und lässt auch den übrigen Westrand Europas, nämlich Irland und die iberische Halbinsel, hinter sich. Die noch verbleibende Idee, dass das ganze Himmelsgewölbe der Sonne folgt, wird ebenfalls konkretisiert: nachdem die Sonne hinter dem Horizont im Meer, dieses zwangsläufig erwärmend, versunken ist, lässt auch der Abendstern (nach seinem Aufgang im Osten) seine Strahlen schon auf den Süden fallen. Ich halte es für weniger wahrscheinlich, dass umgekehrt Abbo den Waltharius-Passus in so unglücklicher Weise entkonkretisiert hätte. Von den Berührungen zwischen Waltharius und Poeta Saxo89 kann die einzige wirklich profilierte, nämlich Poeta Saxo 1,390 Namque palatini quidam cecidere ministri ~ Waltharius 215 Ecce palatini decurrunt arce ministri, zustande gekommen sein durch beiderseitige Nachahmung von Prudentius Apoth. 481 Ecce palatinus pateram retinere minister; der Plural ist bei beiden Nachahmern sachlich bedingt. Stärker umstritten ist das Verhältnis zwischen dem Waltharius und den zwischen 915 und 92490 in Norditalien entstandenen Gesta Berengarii. Nach Strecker haben die Gesta den Waltharius benutzt; hingegen erkannte Lawo 1990 von Streckers 24 Similien nur eines als wohl nicht zufällig an, hielt aber auch dieses für richtungsindifferent und warnte abschließend sogar davor, «beide Werke weiterhin miteinander in Beziehung zu setzen».91 Doch im Jahre 2002 brachte Jacobsen92 für die Benutzung des Waltharius eine bisher übersehene Gesta-Stelle bei, die freilich anschließend von Vollmann93 als nicht beweiskräftig beurteilt wurde. Man kann sich also bei dieser Forschungslage durchaus auf die Position zurückziehen, dass eine Beziehung zwischen beiden Werken unbewiesen oder in ihrer Richtung unklar sei. Ich gestehe aber, dass ich die Existenz einer Beziehung, und zwar die Priorität des Waltharius, für etwas wahrscheinlicher halte. Denn erstens fragt man sich bei Lawos permanentem, mehr als einmal knapp ausfallendem94 non sequitur, ob

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Schumann 1951b, 179s. Nämlich nach Berengars Kaiserkrönung (November oder Dezember 915), bis zu der das Epos erzählt, und mit Sicherheit vor seinem Tod (924). Die Vermutung, das Werk sei bald nach der Krönung entstanden, scheint sich im Wesentlichen nur darauf zu stützen, dass darin keine späteren Fakten erwähnt werden. Doch ist ein Epos keine Chronik und verlangt einen markanten Schluss; so könnte auch ein z. B. 922 dichtender Autor die Krönung als einen bis dato unüberbietbaren Handlungsschluss angesehen haben. Lawo 1990, passim, das Zitat 111. Jacobsen 2002, passim. Vollmann 2005, passim. Lawo selbst erkennt seine Nr. 20 (Waltharius 1204s. ~ Gesta 3,42s.) als Indiz an und gesteht (111, n. 90) einen «Rest Unsicherheit» ein bei Nr. 8 (Waltharius 2s. ~ Gesta 1,2) und Nr. 13 (Waltharius 295 ~ Gesta 3,106), Jacobsen 2002, n. 7, beanstandet Lawos non

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nicht viele kleinere Indizien doch kumulierende Kraft haben. Zweitens würde ich viel stärker als Jacobsen betonen, dass das vom Waltharius-Dichter als Bilanz des ganzen Kampfes betonte Nebeneinanderliegen des abgeschlagenen Beins, der abgeschlagenen Hand und des ausgeschlagenen Auges (v. 1402–1403) jedem Leser des Waltharius unvergesslich bleibt und einen damaligen Dichterkollegen bei der Darstellung einer ähnlich makabren Situation offensichtlich zur Übernahme reizen konnte, während man umgekehrt die Gesta schon sehr genau lesen muss, um aufmerksam zu werden95 auf die eineinhalb Verse 1,203–204a Ille manu caret, hic gressu, nec visibus iste / Integer obruitur. Dabei frappiert mich wie Jacobsen drittens, dass diese eineinhalb Verse eingeschoben sind in ein Plagiat von neun Versen – «Zitat» kann man das wirklich nicht mehr nennen – aus der Ilias latina (dort v. 474–482). Um sich die Mühe des Einschubs zu machen, muss der Autor der Gesta diesen doch wohl für ein motivisches Schmuckstück gehalten haben, auf das er nicht verzichten mochte. Das wäre bei einer Übernahme aus dem Waltharius plausibler, als wenn ihm nur die von Vollmann in die Diskussion eingebrachte uralte triadischen Formel «Fuß, Hand, Auge» = ‘der gesamte Körper’ bekannt gewesen wäre, die erst in unseren beiden Werken in einen kriegerischen Kontext gestellt (und auf drei Körper verteilt!) erscheint. Und viertens: die Abneigung mancher Forscher, beim Gesta-Autor eine Kenntnis des Waltharius anzuerkennen, scheint mir daraus zu resultieren, dass man sich fragt, wie denn der Italiener, bei dem sich Lawo zufolge noch keinerlei nachvenantianischen Einflüsse, insbesondere also keine aus der karolingischen Renaissance, haben nachweisen lassen,96 ausgerechnet das Werk eines transalpinen jungen Mönchs schon wenige Jahre nach dessen Entstehung kennen sollte, obwohl sich dieses Werk sonst außerhalb St. Gallens frühestens nach 960 nachweisen lässt. Um ein solches Bedenken zu zerstreuen, sollte es wohlgemerkt nicht eines Nachweises, sondern nur des Aufzeigens einer plausiblen Möglichkeit bedürfen. Hier hat Jacobsen eine interessante neue Spur gefunden.97 Der geistliche Autor der Gesta – er nennt sich famulus Christi – lässt sich im Prolog (v. 15s.) vonseiten seines Buches vorwerfen, es habe ihm bisher nichts genutzt, harte Mühen ertragen und weite Reisen gemacht zu haben. Der zeitgenössische Glossator der Gesta, mag er nun mit dem Dichter identisch sein oder nicht, erläutert das: duros labores habe der Dichter ertragen in eundo et redeundo in Gallia. Anders ausgedrückt: der Dichter ist mindestens einmal für Berengar in ‘Gallien’ gewesen. Jacobsen schließt: «Es wäre also durchaus möglich, dass der Dichter auf dieser kurzen Rei-

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sequitur bei Nr. 10 (Waltharius 17s. ~ Gesta 1,102s.). Man muss sich methodisch darüber im Klaren sein, dass Lawos Verfahren einer bloßen Nachprüfung der Streckerschen Similien nur entweder kein neues oder nur ein negativeres Ergebnis als dasjenige Streckers erbringen kann. Bewiesen wird das eben dadurch, dass vor Jacobsen niemand, auch Lawo nicht, auf die Stelle aufmerksam geworden ist. Lawo 1990, 111. Jacobsen 2002, 210.

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se nach Gallien – welches Gebiet auch immer damit gemeint sei – den Waltharius kennen lernte.» Man kann das noch konkretisieren. Erstens ist zu bedenken, dass Gallia ein Begriff der gelehrten Geographie ist und das gesamte Land westlich des Rheins, insbesondere auch das heutige Belgien, umfasst. Nun gehörte Berengar der Familie der Unruochinger an, die unter Karl dem Großen, Ludwig dem Frommen und Karl dem Kahlen eine der mächtigsten grafenbaren Familien im heutigen belgisch-nordfrz. Raum war. Graf Unruoch unterschrieb als Zeuge das Testament Karls des Großen; sein Sohn Eberhard, als dux von Friaul eingesetzt, erhielt um 836 von Ludwig dem Frommen dessen einzige Tochter aus zweiter Ehe zur Frau; bei Eberhards Tod 866 ging seine Würde zunächst auf seinen ältesten überlebenden Sohn Unruoch über, nach dessen Tod 874 auf den jüngeren Bruder Berengar, der in seiner langen Lebenszeit 888 König von Italien und schließlich 915 Kaiser wurde. Da die Hauptmasse der Familiengüter aber im heutigen belgisch-nordfrz. Raum lag, hatte Eberhard um 854 bei Lille das Kloster Cysoing (5 km vor der heutigen belgischen Grenze) gegründet, das auch als Grablege der Familie dienen sollte, und zwei weitere seiner Söhne, Adalhard und Rudolf, hatten nacheinander die Abtei inne, zumindest Rudolf nur als Laienabt, da er auch den Grafentitel (einer nicht bestimmbaren Nachbargrafschaft) trug und Laienabt der noch bedeutenderen Abtei St. Vaast bei Arras war. Mit seinem Tod 892 verblieben im Heimatraum die Schwester Heilwig und wohl schon deren im Kindesalter stehende Söhne, von denen zwei, aus zwei Ehen stammend, später – sie starben 926 bzw. 942 – als Grafen von Laon bzw. Amiens bezeugt sind; außerdem gehörte zur Sippe wahrscheinlich der 907 belegte Graf Berengar von Namur. Es ist nur natürlich, dass Berengar von Italien, der mit Vorliebe in Verona residierte, gelegentlich wegen familiärer oder politischer Angelegenheiten – die beiden Bereiche ließen sich damals ja im Hochadel kaum trennen – Boten in die ferne alte Heimat schicken musste; so intervenierte er nachweislich 920 als Sachwalter karolingischer Interessen in Lüttich.98 Zumindest eine dieser Botenreisen dürfte also der GestaDichter für ihn ausgeführt haben. Ein Blick auf die Karte zeigt, dass die Luftlinie von Verona in den Raum Lüttich-Cysoing nicht allzu weit von St. Gallen verläuft. Wenn der geistliche Herr die Einkehr in geistliche Etappenquartiere bevorzugte, würde er wohl auf seiner Reise vom Comer See an, dessen Südostarm er bei Lecco erreichte,99 jene Route nehmen, die schon zu römischer Zeit stark frequentiert

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Zum Vorangehenden cf. die Artikel Berengar I. von H. H. Kaminsky, Cysoing von G. Berings und Unruochinger von E. Hlawitschka im LM sowie K. F. Werner 1967, Positionen III 15, IV 26–30, V 28–30. Zur Wahl der Route: Der später so wichtige St. Gotthard, über den die kürzeste Route von Norditalien nach Basel verläuft, wurde erst durch den Bau des Steges durch die Schöllenen um 1200 begehbar. Wenn vorher z. B. ein gesamtfränkisches Heer auf Pavia marschierte wie unter Karl dem Großen, zog es dazu natürlich über die Westalpen, d.h. über den Mont Cenis und / oder den Großen St. Bernhard. Wenn hingegen ein austrasisches Heer von Reims aus gen Italien zog wie speziell 590, zog es über Chur und einen der Bündner Pässe (genauer zur Geographie F. Schneider 1929, passim, und Clavadetscher 1979, 167), desgleichen auf ihren Romreisen z. B. noch 1191 vom Hennegau aus Gislebert

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war und im Itinerarium Antonini verzeichnet ist,100 von den Karolingern als einzige Straße der Zentralalpen systematisch gesichert wurde und bis ins 15. Jh. eine der großen Alpenstraßen blieb:101 die Straße von Mailand über Chiavenna und den Julier (bzw. Septimer),102 d.h. genauer, über die stabula oder tabernae von Sils, Bivio und Marmorera, das Kloster St. Peter Mistail bzw. dessen in Tallage benachbarten Klosterhof Prada, die beiden tabernae in oder bei Lantsch (dt. Lenz) und das Kloster Ascheras (dt. Churwalden) – sie alle bestanden nachweislich schon Mitte des 9. Jh. – zur Bischofsstadt Chur. Sodann dem Hochrhein folgend, konnte er bei

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von Mons oder 1193 von Luxeuil aus Kardinal Cincius (Tyler 1930, 32, 95s., 109). Als 917 Erzbischof Hatto von Mainz Rom aufsuchte, nahm er Hin- und Rückweg über St. Gallen; seinen Rückweg kennen wir genauer: es ist die Straße über Como-Chur-St. GallenKonstanz (Casus Sancti Galli cap. 23). Die deutschen Kaiser bevorzugten zwar insgesamt den Brenner; doch zog – für uns räumlich und zeitlich besonders interessant – Kaiser Karl der Dicke 883 von Pavia zurück über einen der Bündner Pässe unmittelbar nach St. Gallen (Ringel 1997, 285); mehrfach zogen Kaiser des 10. und 11. Jh., dann einmal Barbarossa selbst, mehrmals Teile seiner Heere und noch Heinrich VI. (dieser 1191 und 1194) über Chur und den Julier/Septimer (cf. Tyler op. cit., 42, 81–84, 93, 96, 109s. sowie unten n. 102). Die zweite Route von Como nach Chur – über den Splügen –, seit römischer Zeit mit Saumtieren begangen (Ringel 1997, 241), aber für die Karolingerzeit nicht zu belegen (Ringel op. cit., 285 n. 238), erbrächte gegenüber der oben beschriebenen Straße nur eine geringfügige Veränderung. Selbst der Weg von Verona über die Bischofsstadt Trient, das karolingische Kloster Müstair und den Ofen-Pass hätte danach entweder durch das Engadin wieder über den Julier oder aber über den im Mittelalter wenig bekannten Flüelapass (cf. Scheffel 1914, 212, Tyler op. cit., 132) und auch in diesem Fall bei Landquart (am Hochrhein, 15 km nördlich Chur) wieder auf die oben beschriebene Straße geführt. Der Weg schließlich über einen der noch weiter östlichen Pässe (Reschen, Brenner) wäre ein sehr großer Umweg gewesen. Cf. den Art. Alpenpässe von H.C. Peyer im LM. Stähelin 1948, 367–370 (Bregenz-Chur), 380–384 (Chur-Mailand). Ausführlich zur gesamten Bündner Route Ringel 1997, passim, speziell 258 zur Funktion der stabula und tabernae für die Unterbringung und Verproviantierung von «Missi und fremden Gesandten» (!), sowie Clavadetscher 1955, 8–25, speziell 25: «Vor allem der Julier mit den tabernae in Lantsch / Lenz und Marmorera und den beiden stabula in Bivio und Sils ist im Frühmittelalter wie zur Römerzeit der Hauptpass in den Bündner Alpen, ja zur Karolingerzeit ist er die einzige königliche Passstraße Bündens.» Cf. ferner aus älterer Zeit Scheffel 1914, 204–212, wo nur die Lokalisierung des Hospizes St. Peter wohl verfehlt ist, cf. Ringel 1997, 271–284. Speziell zu Mistail cf. Ringel, loc. cit., und Kaiser 2005, 319s. Wie in der Antike geht heute die Straße wieder über den Julier. Die den Julier etwa 15 km westlich umgehende, heute wieder verlassene Abkürzung über den Septimer wurde in augusteischer Zeit im Saumtierverkehr benutzt (Ringel 1997, 227–229, 246s.), geriet aber schon gegen 50 n. Chr. gegenüber dem Julier völlig ins Hintertreffen, wurde in den unklaren Anfängen ihres Wiederaufstiegs etwa im 9. Jh. vielleicht vom Kloster Pfäfers gefördert, cf. Clavadetscher 1955, 13s., 25 (doch cf. auch Scheffel 1914, 208s.), und war etwa vom 11. Jh. an berühmt (Ringel art. cit. 287–294). Alles, was Clavadetscher zugunsten des Julierpasses sagt (mit Ausnahme der Station Sils), gilt dann a fortiori für den Septimer; cf. zu letzterem auch die informative Zusammenfassung bei Schrod 1931, 12–14. Die ältere Literatur spricht häufig, oft ohne sich des Problems bewusst zu sein, schon für die Frühzeit vom Septimer statt vom Julier.

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der ebenfalls schon im 9. Jh. belegten Maienfelder Fähre im gastfreundlichen103 Kloster Pfäfers einkehren und würde weiter flussabwärts bei der ebenso alten Fähre von Schaan auf die Straße gelangen, die links des Bodensees bei Rorschach (wo St. Gallen 947 einen Markt gründete) durch die Nachbarschaft des nicht weniger gastfreundlichen Klosters St. Gallen104 weiter zur Bischofsstadt Konstanz und zum Kloster Reichenau105 führte; von dort aus konnte er die Rheinstraße zumindest bis zur Bischofsstadt Basel, vielleicht zu weiteren dortigen Bischofsstädten, benutzen. Was hätte für ihn als gebildeten Geistlichen auf einer solchen Route näher gelegen als der kleine Abstecher in das damals schon berühmte St. Gallen? Falls sich der Gast dann noch als ausgezeichneter Kenner der lateinischen Epik oder womöglich als Dichter zu erkennen gab, mag man ihm auch die heimische Produktion vorgeführt oder sogar eine Abschrift mitgegeben haben… Wie gesagt: eine plausible Möglichkeit – aber mehr brauchen wir nicht. Dass im Übrigen der Waltharius frühestens gegen 960, vielleicht sogar erst nach 1000 wieder auftaucht,106 ist nicht erstaunlich. Wenn unsere Datierung stimmt, musste das Werk kurz nach seiner Fertigstellung infolge der anhaltenden Ungarn-

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Cf. Schulte 1900, 62: «Übrigens kehrten die Fremden – von dem direkten Wege abweichend – auch wohl gern in den Klöstern ein, über die Hospize von St. Gallen und Pfävers haben wir zahlreiche Nachrichten.» Nach Hermann Wartmann (zitiert bei Liebenau 1891, 26–28) erhielt Pfäfers so förmlich die Bedeutung eines Hospizes für die Alpenreisenden. Ekkeharts (freilich erst um 1050 geschriebene und recht unzuverlässige) Casus Sancti Galli erzählen für das späte 9. Jh. unter anderem (cap. 8 und 9), wie ein Bischof von Verona (!) und mehrfach ein ‘Erzbischof’ [recte: Bischof] von Treviso, ein ehemaliger St. Galler Klosterschüler, im Kloster einkehrten, letzterer jeweils, wenn er von Rom per Septimum zurückkam und nach dem Umweg über St. Gallen seine Heimat bei Windisch besuchte; auf einer solchen Reise kam er nur bis Rorschach am Bodensee und verstarb dort. Aus dieser Erzählung sieht man, dass Rorschach der Punkt auf der Fernstraße war, von dem aus man den Abstecher nach St. Gallen unternahm (für einen Reiter weniger als zwei Stunden – und auch die geistlichen Alpenreisenden waren ja beritten, cf. Scheffel 1914, 77). Zum Straßenabschnitt vom Hochrhein nach Rorschach Scheffel op. cit., 200s., zum Rorschacher Markt Tyler op. cit., 152s.: er war «conveniently placed for the Septimer», d.h. für den Italienhandel über den Julier / Septimer. Schon für 917 sprechen die Casus Sancti Galli (cap. 22) von aus Italien zurückkommenden Kaufleuten wie von einer Selbstverständlichkeit. Einige weitere Details zur St. Galler Gastfreundschaft bei Liebenau 1891, 28s., der übrigens (p. 29, n. 2) schreibt: «Dieses Minimum an Speisen [eine Mahlzeit aus Hülsenfrüchten und ‹Mus› mit Speck und Bier] fanden die Mönche von St. Gallen wohl auf allen ihren zahlreichen Klosterhöfen, die vom Oberrheine bis nach Mailand so zahlreich waren, dass sie immer auf ihren Reisen nach Italien auf eigenen Villen übernachten konnten.» Ähnliches hätte man gewiss auch einem Prälaten nicht verweigert, der im Dienste eines Königs oder Kaisers unterwegs war – doch weiß ich nicht, für welche Zeit genau Liebenaus Feststellung zutrifft. Zur Bedeutung des Klosters Reichenau als Etappe für Pilger und sogar für Reichsheere auf der Italienroute cf. Tyler 1930, 12 und 40. Ersteres, wenn man den Erkenbald des Geraldus-Briefes für den Straßburger hält und / oder Bischoffs Datierung des Fragments H in das späte 10. Jh. anerkennt; Letzteres, wenn man in Erkenbald den Mainzer sieht und für H z. B. mit einem Schreiber in höherem Lebensalter rechnet.

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züge sehr unmodern und inopportun erscheinen. Erst Ottos Sieg von 955 setzte der ständigen Angst ein Ende. Doch auch in den folgenden Jahrzehnten gab es noch Kämpfe, als die Bayern ihre Ostgrenze langsam wieder vorschoben. Erst seit 972 gestattete und förderte Großfürst Géza die katholische Mission, und erst mit der Königskrönung seines Sohnes Stephan trat Ungarn 1000 / 1001 in die Reihe der Monarchien des katholischen Europa ein. Diese Entwicklung erlaubte es allmählich, den Waltharius so entspannt zu lesen, wie Geraldus es vorschlägt. Neuere Argumente zugunsten Ekkeharts Wenn der Waltharius also wohl schon zwischen 887 und 915 (oder spätestens kurz vor 924) entstanden ist, muss man dann Anti-Ekkehardianer sein? Die Frage drängt sich auf, weil unbestreitbar Ekkeharts Sache heute weitaus besser dasteht als in den 1950er Jahren. Schon 1959 wies Norbert Fickermann nach, dass jener Geraldus, der mit einem eigenen Gedicht ein Waltharius-Exemplar einem pontifex summus Erkenbald übersendet, nicht auch der Autor des Waltharius sein kann;107 ein mittelalterliches Zeugnis zu seinen Gunsten hat seitdem also nur Ekkehart I. von St. Gallen. Gleich mehrere Entdeckungen verdanken wir Schaller. Er konnte 1965 zeigen,108 dass Geraldus gerade (und sehr wahrscheinlich nur) die beiden Briefgedichte des exilierten Theodulf bzw. Modoins an Theodulf kannte, deren Kenntnis (außer für den Raum Orléans) nur für St. Gallen und dort schon für das 9. Jh. nachzuweisen ist; wahrscheinlich dort lernte sie damals allerdings auch Ermenrich von Ellwangen kennen, und in St. Gallen selbst wurden sie im 10. Jh. noch einmal abgeschrieben. Ferner weisen die meisten anderen Anklänge in Geraldus’ Gedicht, «denen überhaupt irgendein Gewicht beizumessen ist», nach Sankt Gallen. Dadurch wird es wahrscheinlich, dass Geraldus zumindest zeitweilig in St. Gallen saß, und man fragt sich unwillkürlich, ob er sich nicht dort auch das Waltharius-Exemplar beschafft haben könnte. 1981 zeigte Schaller vier Berührungen auf zwischen Ekkeharts I. Paulus-Sequenz und dem Waltharius, von denen zumindest eine sehr ernst zu nehmen ist; bedenkt man den geringen Umfang der Sequenz und die große prosodische wie inhaltliche Kluft zwischen beiden Werken, Umstände, die engere Berührungen als die von Schaller aufgezeigten fast unmöglich erscheinen lassen, so verliert damit das Vorurteil seine Gültigkeit, der Waltharius könne schon aus poetischen Gründen nicht vom selben Mann stammen wie die geistlichen Dichtungen Ekkeharts I. Im Jahre 1983 wies Schaller erstens nach, dass auch der Waltharius selbst (v. 27s.) jenes Theodulf-Gedicht Nr. 71 (v.3) – allerdings möglicherweise (mit v. 587s.) auch Theodulf Nr. 36 (v. 7) – gekannt zu haben scheint, und belegte zweitens eine unbestreitbare Beziehung zwischen einem Vers des St. Galler Mönchs Hartmann (um 883?) und dem Waltharius (v. 380), drittens

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Fickermann 1959, passim. Zu einem Nachzügler der Geraldus-These cf. Schaller 1981b, passim. Schaller 1965, passim.

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einzelne Ähnlichkeiten zwischen dem Waltharius und den Werken Ekkeharts IV. (erste Hälfte des 11. Jh.).109 Brauchte man letztere dort noch nicht ernstzunehmen, so erhöhte sich doch ihre Zahl und Qualität 1988 bzw. 1989–1990 durch weitere Beobachtungen Schallers und einen Fund von Gereon Becht so, dass kein Zweifel mehr bestehen kann.110 Das hat eine gravierende Konsequenz: man muss sich jetzt nämlich fragen, ob denn ein Ekkehart IV., der nachweislich unseren Waltharius kannte, seine bekannte Kritik an Ekkeharts I. Jugendwerk so ohne Furcht vor einem Missverständnis hätte formulieren können, wenn er zwei Waltharii gekannt hätte. Gleichzeitig konnte Schaller durch Aufzeigen einer plausiblen Möglichkeit diese Kritik Ekkeharts IV. samt seinen angeblichen (wohl nur die Wortstellung betreffenden) «Verbesserungen» am Jugendwerk seines Namensvetters erstmalig aus der vorliegenden Überlieferung erklärbar machen, so dass diese Aspekte nicht mehr gegen eine Identität des von Ekkehart IV. beschriebenen Werkes mit unserem Waltharius gewendet werden können. 1989–1990 zeigte Gereon Becht, dass auch Herimann von St. Gallen in seiner Umarbeitung (kurz nach 1072) von Ekkeharts I. Vita Wiboradae einen ganzen Hexameter aus dem Waltharius (v. 51) zitiert.111 Bedenkt man schließlich mit Vollmann,112 dass der Waltharius das caput orbis für den Frankenherrscher mit De Karolo et Leone und Notkers Balbulus’ Gesta Karoli (I 26) und das Verbum murcare nur mit der Vita Sancti Galli und wiederum Notkers Gesta Karoli (I 32) gemeinsam hat, so darf man auch einen Zusammenhang zwischen dem Waltharius-Dichter und Notker vermuten. Umrahmt von den Sangallensia Hartmanns (um 883), Notkers (kurz danach), des reifen Ekkehart I. (etwa Mitte des 10. Jh.), Ekkeharts IV. (erste Hälfte des 11. Jh.) und Herimanns (kurz nach 1072), mag der Waltharius geradezu wie ein Stück sangallensischer Hausliteratur wirken. Es lohnt deshalb, sich zu fragen, ob unsere Vorstellungen von der Entstehungszeit des Waltharius nicht doch mit einer Autorschaft Ekkeharts zu vereinbaren sind. Ekkeharts mutmaßliches Geburtsdatum Eine Möglichkeit, Ekkehart I. den Waltharius vor 915 fertigstellen zu lassen, besteht in der Vorverlegung seines mutmaßlichen Geburtsdatums. Ekkeharts IV. Metapher vom ‘vollreifen Weinstock mit seinen Schößlingen’ ist sichtlich primär durch den Gedanken an die vier in St. Gallen eingetretenen Neffen Ekkeharts I., nicht durch dessen Sterbealter ausgelöst und würde deshalb für letzteres eine beträchtliche Dehnung zulassen. Wenn dergleichen meines Wissens bisher nie vorgeschlagen wurde, so wohl, weil von diesen vier Neffen – deren Geburtsjahre, wie zu erwarten, ebenfalls unbekannt sind – nur Ekkehart III. in einem unbekannten Jahr starb,

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Schaller 1981a, passim, 1983, 65–67, 74–76. Schaller 1988, 140s., und 1989–1990, 429s. Becht 1989–1990, 7–9. Vollmann 1991, 1211 und 1215.

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Ekkehart II. (Palatinus) 990, Abt Purchart II. und Notker der Deutsche erst 1022.113 Doch ist diese Tatsache von zweischneidiger Aussagekraft; denn der späte Tod der beiden Letztgenannten, 49 Jahre nach ihrem Onkel, lässt ja auch vermuten, dass Langlebigkeit in Ekkeharts Sippe nicht eben selten war. Man kann wohl sogar verallgemeinern: gegenüber weltlichem Leben dürfte benediktinisches Leben statistisch die Aussicht auf Erreichen eines wesentlich höheren Lebensalters geboten haben: die Gefahr, in den vielen Kriegen und Fehden getötet zu werden, war um ein Vielfaches geringer; Ernährung wie Arbeit verliefen geregelter und mieden Exzesse nach beiden Seiten; auch Hygiene und medizinische Versorgung dürften im Kloster meist besser gewesen sein als außerhalb. Nehmen wir nun für Ekkehart I. ein Sterbealter von z. B. 78 Jahren an, so wäre er 895 geboren, könnte 901 als Oblat in das Kloster gekommen sein, in den nächsten drei Jahren den Elementarunterricht im Lesen und Schreiben (von vornherein lateinischer Texte!) durchlaufen haben, im Alter von neun Jahren mit der VergilLektüre begonnen und in den folgenden zehn Jahren – Jahren bester sprachlicher Rezeptionsfähigkeit – begierig jeden Buchstaben lateinischer Dichtung in sich aufgesogen haben, den er in der sehr gut ausgestatteten Klosterbibliothek finden konnte, manches davon vermutlich in Anthologien. Mit 19 Jahren, also 914, könnte er den Waltharius begonnen haben, der ihn, sagen wir, ein Jahr Arbeit kostete. «[…] denn für große Begabung und Produktivität sehr junger Dichter gibt es ja wohlbekannte Beispiele: Lucan im 1. Jahrhundert, Claudian im 4. / 5., Walahfrid Strabo im 9., Walter von Speyer im 10. Jahrhundert.»114 Weil Ekkehart zum geistlichen Stand bestimmt wurde, möge er z. B. das dritte Kind seines Vaters gewesen sein. Fälle, in denen zwischen den Geburtsdaten des ältesten und jüngsten Kindes eines Mannes etwa 30 bis 35 Jahre liegen, waren in der damaligen Zeit nicht selten, vor allem, weil infolge der hohen Kindbettsterblichkeit der Frauen viele Männer mehr als einmal heirateten.115 Nehmen wir davon 25 Jahre in Anspruch, so können Ek-

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Die Daten nach Haefele im Index seiner Edition (1980) von Ekkeharts IV. von St. Gallen Casus Sancti Galli. – Von den Steinen, 1948, 439, sowie die Artikel Ekkehart I. in der Neuen Deutschen Biographie (1959) und in Killys Literatur-Lexikon (1989) setzen Ekkeharts I. Neffen ‘Abt Purchart’ mit Purchart I. (Abt 958–971) gleich, doch Haefele, loc. cit., sowie Duft 1986, 118, und 1991, 211, mit Purchart II. (Abt 1001–1020 / 1022). Letzteres ist richtig, da nach den Casus (cap. 93) Ekkehart II. (Palatinus) einmal seine Vettern, Ekkehart III. und den noch im Jünglingsalter stehenden ‘späteren Abt Purchart’, mitnahm zu Herzogin Hadwig von Schwaben, die erst seit 973 verwitwet war. – Die Feststellung z. B. von den Steinens, loc. cit., Ekkehart I. habe Notker Balbulus († 912) nicht mehr kennen gelernt, aber dessen Schüler Gerald zum Lehrer gehabt, folgt nur aus dem (bei von den Steinen unmittelbar vorausgehenden) Ansatz seiner Geburt auf «um 910» und ist nicht etwa durch eine mittelalterliche Quelle gedeckt. Schaller 1983, 71. Beispielsweise wurde Karl der Große (*eher 747 als 742) schon 770 und noch 807 Vater, Ludwig der Fromme (* 778) schon 794 und noch 823, Lothar I. (* 795) schon 825 und noch 853, Karl der Kahle (* 823) schon 844 und noch 876, cf. K. F. Werner 1967, speziell die Falttafel am Bandende. Es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass die Karolingerfamilie sich durch ungewöhnliche biologische Kraft auszeichnete; wohl aber

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keharts (Halb-) Brüder und -Schwestern bis zu 23 Jahren jünger als er gewesen, also bis 917 geboren sein, die folgende Generation dann etwa zwischen 930 und 965, womit für sie die Todesdaten 990 und 1022 unauffällig wären. Damit wäre sogar 915, das frühestmögliche Entstehungsdatum der Gesta Berengarii, als terminus ante quem eingehalten. Will man die Gesta Berengarii aus dem Spiel lassen, so genügt schon ein Sterbealter von 67 Jahren, also das Geburtsjahr 906, um 926 als terminus ante quem zu halten.116 Nachwort zur Datierungsfrage Wenn unsere Vorstellung von der Entstehung des Waltharius stimmt, dann sollte man vor 926 und möglichst sogar vor 915 im Kloster St. Gallen eine germanische Walter-Sage gekannt haben. In diesem Zusammenhang sei die vorliegende Studie mit einer Frage statt einer Behauptung geschlossen. Es geht um Notker Balbulus’ Gesta Karoli II 1. Ich finde es frappant, dass nach Notkers Meinung (und damit doch wohl nach der St. Galler communis opinio des späten 9. Jh.) die Hunnen per Franciam et Equitaniam vel Gallias sive Hispanias zunächst Raubzüge unternommen, schließlich wie in einem Flächenbrand (quasi latissimum incendium) ‘alles’ verwüstet und beraubt hätten – wobei sich Letzteres nur auf Attilas großen Zug nach Westen beziehen kann. Hier ist zwar Francia nur ein leichter Anachronismus für ‘Nordgallien’ (ein Terminus, der ab 486 zutraf, wird auf 451 angewandt), und Galliae könnte man als vages totum pro parte verstehen. Doch wieso Aquitanien und Spanien? Bemerkenswerterweise ergeben sie zusammen das westgotische Reich des 5. Jahrhunderts. Nun hat zwar Aëtius, als er inmitten seines an Umschwüngen und Listen reichen Lebens um 437–439 von Mittelgallien aus auch gegen die Westgoten Krieg führte, dorthin seinen Unterfeldherrn Litorius mit hunnischen Hilfstruppen geschickt, welche die Westgoten zunächst an der Belagerung Narbonnes hindern konnten, dann vor Toulouse unterlagen.117 Aber dieser Zug ist in der ereignisgesättigten Geschichte jenes Jahrhunderts doch nicht mehr als ein fait divers; selbst wenn er hier gemeint sein sollte, bliebe die Erwähnung Spaniens unerklärt. Denn Attila kam später ja nur bis Orléans und hat die Loire nicht überschritten. Eine schriftliche historische Quelle, die Notker hier seine Raumvorstellung geliefert haben könnte, scheint nicht zu finden zu sein; eine schriftliche, heute verlorene Quelle um Notkers willen zu postulieren wäre fazil – ganz abgesehen davon, dass man Mühe hat, einem galloromanischen Autor eine geographische Insouciance dieses Kalibers zuzuschreiben. Auch der lat. Waltharius ist nicht etwa schon Notkers Quelle; denn der spricht nirgends von Spanien.

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ist hier die Dokumentation besonders dicht, während sonst meist die Geburtsdaten nicht genau genug zu erschließen sind, die Kinderliste vielleicht unvollständig ist. Und schließlich: trauen wir umgekehrt Ekkehart ein Sterbealter von 84 Jahren zu, so könnte der Waltharius vor 909, dem ersten Ungarneinfall in Alemannien, fertiggestellt gewesen sein. Prosper, Epitoma Chronicon ad a. 437. 439, Jordanes Getica, cap. 34s.

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Dann scheint Notker also aus einer mündlichen Überlieferung zu schöpfen, und für St. Gallen wird man sich diese sprachlich eher germanisch als romanisch vorzustellen haben. Mit dem wenige Jahrzehnte nach Notker entstehenden Waltharius hat diese Überlieferung auffälligerweise den Schlüsselbegriff Aquitanien gemein, nur verfährt sie mit der Geographie insofern etwas genauer, als sie das Westgotenreich zu meinen scheint. Wie darf man sich diese Überlieferung vorstellen?

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V.

Rückblick

Wir haben einen langen Weg mit mancherlei Windungen hinter uns; da ist eine Bilanz angebracht. Sie klingt zwangsläufig apodiktischer als die jeweilige detaillierte Darstellung im Corpus der Arbeit. Thema und Methodik: Thema der vorliegenden Arbeit ist die mittelalterliche WalterGestalt, «nur» eine einzelne Gestalt also, aber eine, die wie kaum eine andere seit über einem Jahrhundert gleich mehreren Philologien ungelöste zentrale Fragen aufgibt, so dass von vornherein nicht mehr auf einfache Antworten zu hoffen ist. Und methodischer Ansatzpunkt der Arbeit ist die in der heutigen Mediävistik alles andere als gängige Überzeugung, dass bei der Lösung solcher Fragen bisher übersehene linguistische – sowohl onomastische als auch im engeren Sinne linguistische – Details sehr hilfreich sein können. Dies gilt freilich gerade hier nur unter der komplementären Voraussetzung, dass man, um eine Verabsolutierung punktueller Ergebnisse zu vermeiden, ständig genügend breite Erscheinungsformen der Gestalt, ja im Hintergrund des Denkens die ganze Walter-Überlieferung im Blick behält und, wenn nötig, auch Grenzüberschreitungen nicht scheut, deren Tradition bei diesem Thema schon 1889 der Germanist Heinzel begründete.

A)

Gualter del Hum

Gualters Funktion: Im Rolandslied ist Gualter del Hum wie sein Lehnsherr Roland ein Mann der France im engeren Wortsinn, doch auf christlicher Seite der einzige Vasall zweiten Grades, er existiert somit ganz «auf Roland hin» und soll zeigen, wie dieser auch von Untergebenen, die seine Ideale teilen, keineswegs als schroff autoritär, sondern als im Kampfe stärkender und schützender Pol empfunden wird, dem man, am entschlossensten in seiner unmittelbaren Nähe, bis in den Opfertod hinein zu folgen bereit ist. Ein solcher Vasall bedarf, um überzeugend zu erscheinen, einer Einkleidung. Im premier âge féodal um 1100 heißt das im Wesentlichen zweierlei: durch Zugehörigkeit zu einer Adelsfamilie bekommt er geographische Heimat und sozialen Status, und als Individuum bedarf er eines Charakters, am einfachsten veranschaulicht durch die Anspielungen auf schon geleistete exemplarische Taten.

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Gualter, li niés Droün: Bei der Familienzugehörigkeit ist dem Dichter, wie Gefrei d’Anjou und andere seiner Gestalten zeigen, die Geographie und der dazu passende Personenname wichtiger als die Chronologie; denn Leitnamen und Lehen wurden ja meist vererbt und wirkten damit tendenziell zeitlos. Für Gualter ist somit zu fragen: gab es im historischen Vorfeld des Rolanddichters, in Franzien und möglichst in dessen westlichen Teilen, ein Grafengeschlecht von (meist) nur indirekten Königsvasallen mit den Leitnamen Walter und Drogo? Bei diesen bewusst eng formulierten Bedingungen könnte die Antwort sehr leicht negativ ausfallen. Dass sie positiv ausfällt, macht einen Zufall von vornherein unwahrscheinlich: ja, diesen Bedingungen entspricht ein und nur ein Geschlecht, die Grafen von Vexin, die in einem entscheidenden geschichtlichen Augenblick auch Anspruch auf das Maine hatten und von denen ein Glied sogar in England an der fernen walisischen Grenze aktiv war. So also, wie der Dichter mit Gefrei d’Anjou das Geschlecht der Geoffroy (Gauzfride oder Fulkonen) evoziert und dadurch deren Lehnsraum rückwirkend schon für die Karlszeit mit Anschauung erfüllt, so mit Gualter, li niés Droün, einen anderen Teil der France. Ki cunquist Maëlgut: Eine schon geleistete Großtat Gualters ist der Sieg über Maëlgut. Hier erweist sich die Rückführung auf eine Madalgudis als Irrweg der Forschung; die einzige Alternative führt auf den walisischen Nationalhelden Maelgwn. Seine Gestalt passt überraschenderweise nicht nur gut zur antiwalisischen Aktivität der genannten Grafenfamilie, sondern sie lässt Gualter schon bei der im Liede rückblickend postulierten Eroberung Britanniens durch Roland, ganz wie später in Roncevaux, als dessen Flankenschutz erscheinen: er ist der Mann, dem Roland relativ selbständige, flankierende Aufgaben anvertrauen kann, hier den Kampf gegen den Waliser Maelgwn. Eine gewisse Bestätigung unserer Deutung von Maëlgut als Maelgwn erbringt das Rolandslied-Ms. P: für seinen Schreiber ist Maëlgut Nachkomme (wohl Enkel) des Artus. Del Hum, de Hums: Die Variantenvielfalt von Gualters Beinamen in den jüngeren Roland-Manuskripten ist ohne Rest erklärbar und erweist sich als irrelevant: der Archetyp aller erhaltenen Manuskripte hatte del Hum. Doch der Versuch, an den Sinnzusammenhang der bisher untersuchten Namen noch del Hum anzuschließen und damit Gualter ganz vom sonstigen Walter-Komplex zu trennen, misslingt: der Beiname lässt sich guten philologischen Gewissens nicht als Name eines Lehens deuten. Damit ist man abermals verwiesen auf die einzige komplementäre These, dass del Hum ‘vom Hunnen (zurückgekommen)’ bedeute. Auch hier fügen sich wider Erwarten die Beobachtungen zu einem aussagekräftigen Komplex zusammen. Da man diese Bedeutung des Namens zunächst für weit abliegend und deshalb unwahrscheinlich halten könnte, ist der Nachweis willkommen, dass im anglonormannisch-westfranzösischen Denken des späten 11. und frühen 12. Jh. nicht nur (vermeintliche) «Hunnen», sondern sogar «von den/dem Hunnen zurückgekommen» relativ bekannte Vorstellungsinhalte waren. Zudem erweist sich ein zwischen 1100 und 1110 in der Normandie belegter walterus lehuns mit größerer 162

Wahrscheinlichkeit als ‘Walter der Hunne’ (eine vereinfachende Variante zu ‘Walter vom Hunnen’) denn als ‘Walter Löwe’. Unter dieser Voraussetzung bestätigt er einerseits die Bekanntheit eines «Hunnen»-Begriffes, andererseits führt er – da man die Übereinstimmung im Namen Walter kaum für Zufall halten kann – schon auf eine entsprechende Deutung der Epengestalt; doch selbst wenn der Name ‘Walter Löwe’ bedeuten sollte, ist er nicht ganz uninteressant, da er dann möglicherweise die Umdeutung vorwegnähme, die nachweislich in V4 eingetreten ist. Seit langem ist ferner aufgefallen, dass das Ms. O auch in der Liste der Baligantvölker v. 3254, wo es sich nur um die Hunnen handeln kann, Hum schreibt; von dieser Form lässt sich zeigen, dass sie sowohl paläographisch als auch phonemisch erklärbar, zudem durch einzelne Parallelbelege (auch aus der räumlich-zeitlichen Nachbarschaft des Oxforder Rolandsliedes) gesichert, also einerseits keine Verschreibung, andererseits doch so selten und markant ist, dass innerhalb des Liedes ihre Identität in Gualters Beinamen und im Volksnamen ein nicht-triviales Argument darstellt. Vor allem aber kann man in O den Wechsel von del Hum und de Hums im Abstand von weniger als dreißig Versen nicht als Unachtsamkeit werten; denn obligatorischer Artikel im Singular und häufige Artikellosigkeit im Plural kennzeichnen im Altfrz. spezifisch die Völkernamen. Für O ist also Hum(s) auch in Gualters Beinamen der Völkername, und man sieht nicht, wie es für den Dichter etwas anderes hätte sein können. So eindeutig dieses Ergebnis ist, so sehr schafft es Erklärungsbedarf. Wie viel oder eher wie wenig wusste der Rolanddichter vom Helden des Waltharius? Der Rolanddichter reichert also seine im Grundstock westfranzösisch gedachte Gualter-Gestalt an, indem er für sie von dem homonymen Helden der WalterSage den episch klingenden Beinamen del Hum und offenbar auch – wie schon Rita Lejeune richtig gesehen hat – die Bewährtheit im Gebirgskampf entlehnt, die für die flankierende Schutzfunktion in Roncevaux und vermutlich schon in Wales wichtig war. Was die Frage nach dem Auslöser dieses Prozesses betrifft, so wäre es keineswegs erstaunlich, wenn sich die historischen Grafen Walter auf Grund der Namengleichheit für Nachkommen des epischen gehalten hätten oder von anderen dafür gehalten worden wären; doch da es dafür keine Indizien gibt, rechnet man besser neben der vorgegebenen Gleichheit im Namen Walter mit dem Motiv des Gebirgskampfes als Auslöser. Ein solches Hineinziehen einer der RoncevauxHandlung fremden Gestalt ist für den Rolanddichter insofern nicht singulär, als er sein Werk ad maiorem Karoli Magni gloriam auch mit Gestalten wie Gefrei d’Anjou oder Richart le veill von der Normandie anreichert, die schon aus chronologischen Gründen nichts mit dem Roncevaux-Komplex zu tun hatten, ja sogar mit solchen wie Ogier, Girart de Roussillon, Rembalt von Friesland und (zumindest in O) Gaifier, die von Haus aus Karlsfeinde waren. Andererseits befindet sich der Rolanddichter hier aber in flagrantem Widerspruch zu fünf dem Waltharius zufolge grundlegenden Fakten, dass der Titelheld nämlich (1) während der Völkerwanderungszeit (2) noch 30 Jahre lang (3) einarmig (4) als König (5) von Aquitanien herrschen würde. Diskrepanzen dieser Stärke deuten doch wohl darauf hin, dass die rudimentäre Kenntnis der Walter-Gestalt im 163

Rolandslied nicht auf einer Lektüre des Waltharius beruht. Andererseits aber bedarf es, um sie zu erklären, für das frz. Sprachgebiet auch keiner vollen, d.h. dem Waltharius-Schriftepos parallelen, aber von ihm völlig unabhängigen mündlichen Walter-Sage, die von den Franken vor und nach ihrer Romanisierung gepflegt worden wäre, wie dies Millet (1992, 1995 und 1998) annimmt; vielmehr reicht dazu eine Form sekundärer, reduzierter Oralität, ein vages Wissen um die Existenz und einzelne Grundzüge der Gestalt, so dass für das Rolandslied wohl diese Lösung als die weniger spektakuläre gegenüber der Milletschen zu bevorzugen ist. Freilich werden wir mit der Aufgabe, eine solche rudimentäre Kenntnis der Gestalt im frz. Sprachgebiet plausibel zu machen, erstmals hineingezogen in die breite Problematik um den Waltharius. Die vermeintliche zweite Waltharius-Gestalt: Hier lässt sich durch straffere Auswertung bekannter Fakten zeigen, dass die spätestens um 1000 erfundene Moniage-Handlung von einem Walter nur sekundär in der Novalesa naiverweise auf einen dortigen realen Mönch Walter bezogen wurde, primär vielmehr einfach die Waltharius-Handlung ergänzte (so wie auch alle späteren Moniages einen Epenhelden voraussetzen und nicht eine weitere Person in die Epik einführen). Ebenfalls unabhängig von der Novalesa ermöglichte der zeitlos gewordene «Hunnen»Begriff – und begünstigte diese Moniage-Vorstellung – eine Verlegung des Helden in die Zeit um 800, wobei am Ostrand der Galloromania schon kurz nach 1000 nicht nur in der Novalesa, sondern auch in Lüttich von diesem starken Walter gefabelt wurde, und zwar in Lüttich auf Französisch; das zeigt die zweimalige auf Gehör und gerade nicht auf Lektüre eines mittellat. Textes (etwa des Waltharius) beruhende, metrisch gesicherte Form WaltƝrus (~ * nordfrz. Waltier ~ zentralfrz. Gualtier) bei Egbert von Lüttich statt der um diese Zeit längst normalen, auch im Epos herrschenden mittellat. Form Walthărius, die bei Egbert an beiden Stellen metrisch ebenso gepasst hätte.

B)

Gaiferos

Auch die einzige berühmte Gaiferos-Romanze (WH 173) ist in ihrer Genese bis heute umstritten: speist sie sich aus dem Walter-Komplex (d.h. dem Waltharius oder einer mündlichen Sage), aus dem Beuve de Hantone oder aus der arabischen, in Nordspanien beheimateten Sage von Bahlnjl ibn Marznjq? Karolingerepisches Erbe: Gegenüber allen drei Parteien sind zunächst die karolingerepischen Grundlagen der Gestalt voll auszuschöpfen. Der historische Aquitanier Waifar, heroischer Gegner König Pippins und noch des jungen Karl, des späteren Großen, lebte in der kollektiven Erinnerung Aquitaniens als positive Gestalt weiter, wurde aber unter dem überwältigenden Druck des positiven Karlsbildes umgedeutet zum (weiterhin positiven) Lehnsmann Karls, d.h. zu seinem (Unter-) König in Aquitanien, und ging als solcher, wie mehrere Epen zeigen, in die Karolingerepik 164

ein; zugleich lebte das Motiv von Waifars Armringen, den bous/baus G(u)aifier, als Inbegriff seines Reichtums weiter. In der südwestfranzösischen Amicus-und-Amelius-Geschichte, wie sie uns zuerst der Mönch Rodulfus Tortarius von Fleury (SaintBenoît-sur-Loire) in seiner Epistula II (wahrscheinlich kurz vor 1100) erzählt, ist er, als südwestfranzösischer König Gaiferus, zudem offenbar von Karl selbst nach Rolands Tod mit dessen Schwert beschenkt worden und verheiratet mit der Karolingerin Berta, die eher als Karls Tochter denn als seine Schwester gedacht ist; beider Tochter heißt Beliardis. Die frz. Fassung Amis et Amiles verkürzt dann diese Konstellation um eine Generation, wodurch die beiden Frauenrollen zusammenfallen, und nennt Karls Tochter Belissent (was man als Modernisierung von Berta und zugleich als Schwesterform von Beliardis auffassen kann). Eine Kombination beider Fassungen führt auf einen aquitanischen G(u)aifier, Besitzer von Rolands Schwert und Gatten der Karlstochter Belissent. Der Name Melissent/Melissenda schließlich wurde für kurze Zeit europaweit berühmt durch die Erbtochter Balduins II. von Jerusalem, von 1131–1161 hochgeachtete Königin von Jerusalem; unter ihrem Einfluss dürfte vor oder um 1200 auch der Name der Karlstochter noch einmal leicht umgeformt worden sein. Nimmt man dazu noch das Motiv des Schachspiels, das in der altfrz. Epik topisch ist zum schnellen Aufbau einer Spannung, welche den Helden hineindrängt in eine Quête der Bewährung (die dann die Haupthandlung ist), so hat man alle Elemente der Einleitung von WH 173: Karl, seine Tochter Melisend(r)a, seinen Schwiegersohn Gaiferos im Besitz von Rolands Waffen, Gaiferos’ Aufbruch zur Befreiung seiner Frau. Beuve de Hantone: Eine wichtige Entdeckung verdanken wir Michael Heintze (partiell 1986, sehr detailliert 2000): nicht nur WH 173, sondern auch die anderen, wenig populären Gaiferos-Romanzen WH 171–172 und 174 sind markant beeinflusst durch den Beuve de Hantone. Obwohl der Beuve ungewöhnlich handlungsreich ist, in vier Fassungen vorliegt und Heintze auch mit Amalgamierungen operiert, so dass der Ausgangspool seines Vergleichs durch ungewöhnliche Breite verdächtig sein könnte, gibt es ein onomastisches Argument und einige Passagen, die Zufall faktisch ausschließen; von ihnen profitieren dann Zweifelsfälle. Die Frage bleibt aber, ob für WH 173 der Beuve-Einfluss stark genug ist, die ältere These vom Einfluss des Walter-Komplexes überflüssig zu machen; wir sind also nicht davon dispensiert, diese ältere These als Ganzes zu prüfen, dann im Einzelnen ihre Leistungsfähigkeit mit der Beuve-These zu vergleichen. Der Walter-Komplex: Menéndez Pidal (ansatzweise 1910, detailliert 1953) glaubte an eine ununterbrochene Tradition in Spanien von den Westgoten bis zu WH 173. Seine Auffassung scheitert nicht etwa am Fehlen eines geeigneten westgotischen Helden (König Walja, der Begründer des tolosanischen Westgotenreiches, ist ein guter Anwärter auf diese Rolle), sondern sie scheitert an zwei onomastischen Tatsachen, dass nämlich in der dann anzunehmenden enormen Latenzspanne der Name Walter keine Kontinuität auf der Pyrenäenhalbinsel hat, vielmehr (Re-?) Import aus dem fränkisch-galloromanischen Namenfundus ist und dass auch der 165

Name Waifar an dem aquitanischen Fürsten des 8. Jh. hängt und abgesehen von der Gaiferos-Handlung südlich der Pyrenäen unbekannt ist. Peter Dronke hat daraus 1977 den richtigen Schluss gezogen, dass die Gaiferos-Handlung (wie immer sie entstanden sein mag) schon als solche aus Südwestfrankreich nach Spanien gewandert sein muss. Nun lehnen zwar die beiden markantesten Vertreter der Walter-These, Menéndez Pidal und Millet, aus ihren (wiewohl unterschiedlichen) Grundhaltungen heraus einen Einfluss des Schriftepos Waltharius emphatisch ab; doch belastet diese Haltung (nach Wegfall von Menéndez Pidals innerspanischer Kontinuität) die Walter-These geographisch, weil damit die Wanderung einer voll-lebendigen mündlichen Sage germanischen Ursprungs (nicht nur ihres reduziert-oralen Schattens) immerhin bis nach Südwestfrankreich angenommen werden muss. Demgegenüber ist zugunsten des Schriftepos zu betonen, dass das Waltharius-Ms. P (nach dem Urteil Karl Streckers, des Herausgebers der editio citanda, das beste Ms. der besten Familie!) gemäß einer brillanten Entdeckung von Élisabeth Pellegrin (1959) in Fleury entstand, und zwar nach den überzeugenden Forschungen von Matthias Tischler (2001) in der ersten Hälfte des 11. Jh. Im selben Fleury also, wo Rodulfus Tortarius seine nach Millet von der mündlichen Walter-Sage geprägte Amicus-und-Amilius-Geschichte in seiner Epistula II niederschrieb, konnte er vielmehr seit seinen Jugendtagen diese Sage in der Form des Waltharius lesen! Mehr noch: eines der bedeutendsten Klöster der Gascogne, La Réole, war Priorat von Fleury; es wäre mehr als erstaunlich, wenn man dort die Kunde von dem berühmten Sohn Aquitaniens nicht spätestens um 1100 (und damit weit früher als den Beuve!) erfreut zur Kenntnis genommen und wohl auch weiterverbreitet hätte. Die Möglichkeit, dass im Kielwasser des Schriftepos auch mündliche Varianten in den Südwesten gekommen wären, sei damit nicht ausgeschlossen; wohl aber sollte die Bekanntheit zumindest des Schriftepos die Walter-These endgültig vor dem Vorwurf der geographischen Unwahrscheinlichkeit schützen, den selbst Strecker noch als einzigen und vermeintlich entscheidenden Einwand gegen sie erheben konnte. Damit wirkt sich wieder ein onomastisches Argument aus: mit dem Bekanntwerden des Waltharius in Waifars Heimatland standen dort nebeneinander ein (Königssohn, dann langjähriger) König Waltarius/G(u)alt(i)er von Aquitanien, Besitzer eines berühmten Schatzes von Goldringen (armillae), von dem man jetzt eine ruhmreiche Jugendgeschichte kennen lernte, und ein (weitgehend geschichtlicher) immer noch geliebter König Waifarius/G(u)aif(i)er von Aquitanien, Besitzer eines berühmten Schatzes von Goldringen (baus Gaifier), von dem es anscheinend noch keine besondere Jugendgeschichte zu erzählen gab – ein Unterschied im Namen von nur zwei Phonemen bzw. paläographisch nur knapp zwei Graphemen. Kann man sich bessere Voraussetzungen vorstellen für die Naturalisierung eines fremden Helden, d.h. hier für seine Verschmelzung mit einem einheimischen, erwartungsgemäß unter dem Namen des einheimischen als dem unbezweifelt richtigen Namen? Die Walter-These ist der Beuve-These also überlegen in der Ähnlichkeit der beiden Namen des Protagonisten sowie in der Identität ihrer Heimat (ferner meines Erachtens des Ringschatzmotives, das im Gaiferos zwar verloren, aber in der 166

Escriveta-Ballade erhalten ist). Dazu kommen, wie im Detail gezeigt wird, noch Attilas/Almanzors unerwartete väterliche Güte, die Charakteristika des Fluchtalltags sowie, wenn der Held kämpfen muss, die kurzfristige Unterbringung seiner Begleiterin in einem Gebüsch. Kombination der Walter- und der Beuve-These: Unter diesen Umständen erscheint die Walter- durch die Beuve-These keineswegs überflüssig gemacht. Vielmehr ist für eine Kombination beider zu plädieren: die G(u)aifier-Gestalt wurde mit der Walter-Handlung eingekleidet, aber eben dadurch der Beuve-Gestalt ähnlich, deren narrativ reichere Geste dann zur weiteren Einkleidung einlud. Bahlnjl ibn Marznjq: Nach Fradejas Lebrero (1982–1983,1984) ist die aus Nordspanien stammende arabischsprachige [und im Grundstock wohl spätestens um 900 entstandene, G. A. B.], vor 1085 belegte (und nach Fradejas Meinung in den großen Zügen historische, jedenfalls ihrerseits keiner Quelle bedürftige) Erzählung von Bahlnjl ibn Marznjq die Quelle sowohl der Gaiferos-Romanze WH 173 als auch der Walter-Sage, insbesondere des Waltharius. Träfe dies zu, so wären für Gaiferos sowohl die Walter- wie die Beuve-These als auch unser Kompromiss gegenstandslos, die herrschende germanistische Lehre von Walter-Sage und Waltharius müsste radikal umgeschrieben werden, und vielleicht müssten auch einige unserer Befunde zu Gualter del Hum umformuliert werden. Inhärent widerlegen lässt sich Fradejas’ These (trotz beträchtlicher Mängel in der Präsentation) anscheinend nicht. Deshalb können wir eine abermalige und noch einschneidendere Grenzüberschreitung nicht vermeiden: die Frage nach den Ursprüngen der Walter-Sage muss neu gestellt werden.

C)

Waltharius

Forschungsstand: Die gegenwärtige majoritäre Forschungsmeinung in der Germanistik über die Walter-Sage ist unbefriedigend, weil man zwar allgemein wieder (gegen Panzer 1948) an eine dem Waltharius präexistente, auch im Waldere vorliegende Sage glaubt, aber über deren Ursprünge kaum noch Hypothesen wagt. Hildegunds Name: Die Tatsache, dass Hildegunds Name ‘Kampfstreite’ bedeutet, aber nicht zu ihrem Charakter im Waltharius passt, deutet darauf hin, dass ihre Gestalt älter ist als der Waltharius – was sich von Walter jedenfalls nicht auf ebenso einfache Weise wahrscheinlich machen lässt. Hildiko, Attilas letzte Braut, als seine Mörderin: Gibt es weitere Anzeichen für eine Sage von «Hildegund und Walter» oder sogar von «Hildegund und X», wobei die männliche Rolle zunächst eine Art Leerstelle wäre, die zur Auffüllung einlud? Genau dafür plädiert der Sache nach eine These des jungen Wilhelm Grimm (1813): Hildegund ist Hildiko, Attilas letzte Braut, die spätestens 70 Jahre nach seinem 167

Tod als seine Mörderin galt. Diese These geriet sehr bald mehr noch in eine FastVergessenheit als in Misskredit, weil stattdessen der Weg von Hildiko zu Kriemhild, d.h. die Verschmelzung der Themen von Attilas Tod und vom Burgundenuntergang, alle Aufmerksamkeit in Anspruch nahm. Doch die Sage von Attilas letzter Braut als seiner Mörderin scheint auch in einer Form, die keinerlei Nibelungisierung erkennen lässt, ein halbes Jahrtausend – von Marcellinus Comes bis zu den Annales Quedlinburgenses – lebendig geblieben zu sein und ist auf diese Weise räumlich vom byzantinischen Kulturkreis über Italien bis nach Sachsen belegt. Es bleibt also genug geographischer Raum für eine ziemlich frühe Weggabelung: hier zu Kriemhild, dort zu Hildegund. Wie konnte Hildiko als Attilas Mörderin überleben? Da keine Quelle vom Tod der «Mörderin» spricht, musste man sich früh auch im nicht-nibelungisierten Traditionsstrang fragen, wie Hildiko überleben konnte. Die einfachste Antwort war eine Fluchtgeschichte, wobei die Flucht – eine zwangsläufig weiträumige Flucht aus dem hunnischen Einflussbereich nach Westen oder Süden – auch in der damaligen Realität nicht ohne die Hilfe eines sozial etwa gleichrangigen männlichen Partners mit ähnlicher Interessenlage denkbar war: damit ergab sich die Walter-Sage in ihrer Westflucht- (= Waltharius-) bzw. ihrer Südflucht- (= þiðreks-saga-) Form. Von Hildiko (Stamm spätgot. Hildikun) zu Hiltgunt: Ob hinter Hildikos einstämmig-«hypokoristischem» Namen ein zweistämmiger Vollname stand und, wenn ja, welcher unter den Dutzenden von Möglichkeiten, ist unbekannt; mit Schütte (1935–1936) für die historische Hildiko kurzerhand den Vollnamen Hildigunþ o.ä. anzunehmen, wirkt als Vorwegnahme des erst zu Beweisenden und reizt zum Widerspruch. Eine andere Lösung liegt nahe: bei der Wanderung der Sage in ein Sprachgebiet (wie es ganz Oberdeutschland war) mit Zweiter Lautverschiebung und nur seltenem hypokoristischen -k- (bzw. jetzt -ch-) Suffix wurde das Suffix phonemisch als /ƥun/ gedeutet und zum Zweitglied -gund eines vermeintlichen Vollnamens ergänzt. Der männliche Partner: Die Herkunft der Walter-Gestalt bleibt offen; doch ist zumindest nicht auszuschließen, dass eine ältere gotische Westflucht-Form mit Walja (mag dahinter der Vollname *Walda-harjis o.ä. stecken, wie Friedrich Kluge 1906– 1907 glaubte, oder nicht) langobardisch umgeformt wurde zu einer Südflucht-Form mit dem langobardischen Königsnamen Walthari (die Regeniter 1971 für primär hielt) und dass in der Folge beide Formen einander dergestalt beeinflussten, dass der Vollname Walthari in die Westfassung, der Kampf mit Hagen in die Südfassung überging. Die Tilgung von Attilas Tod: Doch wie kam es dann zur Tilgung von Attilas Tod aus der Handlung? Bei der Beantwortung dieser Frage hat man nur den embarras du choix, wenn man sich die gleichzeitige Erfolgsgeschichte des Nibelungen-Stoffes klarmacht. Aus der westlichen Form unserer Sage musste Attilas Tod spätestens 168

getilgt werden, als gegen das fliehende Paar statt verfolgender Hunnen Gunther und Hagen antraten, die ja – in der älteren wie der jüngeren Form der NibelungenSage – an Attilas Hof sterben sollten. Ebenso kann aber auch die Tatsache, dass in der älteren Nibelungen-Sage die (von Hildegund längst getrennte) KriemhildGuðrún Attila mordete, einen zweiten Mord an Attila unmöglich gemacht haben. Und schließlich kann auch das positive Attila-Bild, das sich in Deutschland im Verein mit der jüngeren Form der Nibelungensage durchsetzte, mit einem positiv bewerteten Mord an Attila unvereinbar gewesen sein. Ein präexistentes Erzählschema? Abschließend wird die Möglichkeit diskutiert, dass die skizzierte Entwicklung unserer Sage unterstützt wurde durch die Präexistenz eines passenden Erzählschemas; bei dieser Gelegenheit lernen wir nebenbei die mutmaßliche Quelle der Bahlnjl-Sage kennen.

D)

Exkurs I

Der Waltharius-Dichter ein Romane? 1) Contra Önnerfors (1979, 1988): Die große Mehrzahl von Önnerfors’ Argumenten erweist sich als nicht beweiskräftig; die wenigen verbleibenden dürfen als irrelevant gelten, da der von Önnerfors für den Waltharius-Dichter gehaltene Grimald einer rheinfränkischen, also germanophonen Familie angehört, es auch für eine romanophone Mutter keine Indizien gibt. 2) Contra K. F. Werner (1990): Ermoldus Nigellus ist nicht der Dichter des Waltharius, da, von mehreren anderen Argumenten abgesehen, beide Dichter die Prosodie der germ. Namen (und des für beide wichtigen Begriffs «Vogesen») extrem unterschiedlich handhaben.

E)

Exkurs II

Zur Datierung des Waltharius. Nach seinem Verhältnis zur Zeitgeschichte zu urteilen, dürfte der Waltharius nach 887 und vor 926 entstanden sein. Da sich in neuerer Zeit wieder die Argumente für eine Verfasserschaft Ekkeharts I. von Sankt Gallen mehren, könnte ein Zurückverlegen seines nur geschätzten Geburtsdatums in das späte 9. Jh. die chronologischen Engpässe beseitigen.

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Indices n nach der Seitenangabe: Erwähnung nur in der Fußnote. Reichen Fußnoten auf die Folgeseite hinüber, zählt die Anfangsseite.

1) Primärliteratur Ziffern vor dem Doppelpunkt: Verse (aus dem Rolandslied, der Gaiferos-Romanze WH 173 oder dem Waltharius). Alle übrigen Ziffern: Seiten der vorliegenden Arbeit. Rolandslied allgemein (d.h., ohne Nennung von Einzelversen), auch Roland-Gestalt: 1s., 5-52, 55n, 56, 61s., 81, 85, 161-164 36: 29n 40-46: 50 49: 39n 111s.: 60n 207: 39n 245: 30n 373s.: 15s. 416: 23n 471: 39n 484: 39n 506: 39n 566: 39n 655: 30n 681: 30n 716: 39n 798: 55, 63 800: 5, 25n 801: 5 803: 28, 39 803-813: 5 804: 7 805: 51 809: 51 918: 39n 973: 29n 1007: 39n 1038: 39n 1126: 39n 1131: 39n 1162s.: 39n 1222: 39n 1340: 39n 1347: 39n

1384: 22n 1608: 39n 1626: 66n 1632: 39n 1679: 39n 1808: 5n 1898: 39n 1929: 39n 2031-2034: 8 2035s.: 8 2039: 28, 39 2042: 7 2045s.: 5 2047: 15n 2047s.: 8, 24 2049: 5s. 2050-2052: 7 2054: 8 2058s.: 6 2067: 28, 32, 39 2069: 6 2097: 29n, 39 2116: 22n 2203: 30n 2244: 39n 2268: 22n 2322ss.: 26 2331s.: 16, 18n 2336: 39n 2379: 14n 2447: 30n 2501-2508: 14n 2545: 39n 2675: 39n 2683: 39n 2740: 30n

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2910: 29n, 39 2975: 39n 2990: 23n 3014-3095: 28n 3023-3086: 26n 3026-3083: 7n 3045: 39n 3146: 15n 3204: 23n 3240: 23n 3248: 22n 3253: 23n 3258: 23n 3285: 23n 3287: 39n 3298: 15n

3354: 23n 3413: 39n 3454: 38 3511: 39n 3533: 39n 3641: 23n 3734: 22n 3925: 22n 3952: 5n Plusverse der Nicht-O: V4: 28 C: 26n, 29, 56 V7: 26n, 29, 56 P: 26n T: 56

Gaiferos allgemein (d.h. ohne Nennung von Einzelversen), auch supponiertes Cantar de Gaiferos: 1s., 53-90, 163-167 WH 171: 67 WH 171-172: 67 WH 171-174: 54, 65s., 165 WH 172: 67 WH 173: 53-87, 164-167 WH 173-20: 57n WH 173-25: 57n WH 173-35: 84 WH 173-75: 57n

WH WH WH WH WH WH WH WH WH WH WH WH

173-98: 84 173-109: 84 173-113: 84 173-127: 82 173-156: 84 173-161: 68 173-166: 68 173-210: 82s. 173-237: 57n 173-267s.: 84 173-Varianten: 57n, 75 174: 66, 69.

Waltharius allgemein (d.h. ohne Nennung von Einzelversen), auch Walter-Sage: 1-3, 14, 38n, 40-52, 54, 65, 68, 70-86, 87n, 89-169 1: 140, 142 1-10: 139 1-362: 80n 2s.: 151n 9: 144n 10: 139n 17s.: 151n 25s.: 50 27s.: 156 40: 36n 51: 157 52: 108n 58: 147n 62s.: 49

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77: 51n, 133 80: 51n, 133 90: 50 114s.: 92n 175-178: 144n 215: 151 225: 46 228: 126 256: 91 257: 125n 266: 51n 295: 151n 322s.: 113n 325: 126 380: 156 401-407: 129n 427: 138 428: 83

471s.: 101n 477: 130, 132 490: 71n, 135, 139 552s.: 46 555: 92n, 130 564s.: 46 567-569: 84 582: 147n 587s.: 156 620-811: 80n 621-627: 49n 628-631: 130 629-631: 92n 671: 126s. 763: 92n, 130 769: 135 770: 133n 782: 133 789: 133 823: 135 839: 133 918: 139n 946: 135 965: 130 968: 48n 971-973: 129n 1005: 48n 1017: 130n 1028: 126 1059: 129n 1064: 130n, 132

1083: 145 1089: 132 1117: 127 1130-1134: 150 1131: 130n, 139 1142: 126 1157-1167: 46 1171: 51n, 132 1173: 126 1189: 133n 1194: 126 1204s.: 151n 1222: 82 1224: 129n 1266: 132 1313: 132 1322: 130n, 132 1329: 126n 1337: 139 1351: 92, 130 1363: 126n 1393: 126n 1395: 126n 1402s.: 152 1411: 113n 1421: 92, 130 1424: 129n 1434: 51n, 132 1450: 80n 1452: 92n 1453-1456: 142

Sonstige Werke Ist der Autor eines Werkes bekannt, wird vom Werktitel aus auf ihn verwiesen. Kursiv: Werktitel sowie (mit º) verwandte Begriffe (z._B. Sagenstoffe, Urkundensammlungen). Abbo v. St.-Germain 131n, 138n, 150s. Acta Sancti Marcelli, Forts., cf. Ursio Ademar v. Chabannes 62n Ado v. Vienne 36n, 38n Aemilius Macer 136n Aeneis cf. Vergil Agathias 102n, 120n Agnellus v. Ravenna 38n, 96, 98n ұAlƗҲ ad-DƯn, Märchen, 121n ºAlboin-Sage 96n, 101n Aldhelm 137 Alexander Neckam 42, 60n Alexanderroman 31

Alkuin 36n, 38n, 125n, 131n, 137s. Ambrosius 39n Ami(s) et Amile(s) 57-59, 165 Ammianus Marcellinus 38n Amores cf. Ovid angelsächs. lat. Dichter 131n Anianus (= Avianus) 47n Annales Alamannici 38n Annales Alamannici, St. Galler Fortsetzung, 36n Annales Bertiniani 36n, 146 Annales Boiorum cf. Aventinus Annales Cambriae 20, 23s.

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Annales Fuldenses, Altaicher Fortsetzung, 36n Annales Fuldenses, Mainzer Redaktion, 146 Annales Quedlinburgenses 73n, 97-99, 168 Annales Regni Francorum 36n, 38n, 143 Annales Vedastini 30n, 146 Ansëis de Cartage 66n Apotheosis cf. Prudentius Aquilon de Baviere 29 Arator 137s. Arbeo v. Freising 36n, 38n Ars amatoria cf. Ovid ºArtakhšƯr-Sage 117-123 Äsop 47n Aspremont 54, 62n, 63 Atlakviða 98n, 112, 113n Atlamál 49n, 112 Augustin 126n Ausonius 38n Aventinus 92n ºAymeriden-Epik 5n ºBahlnjl ibn Marznjq, Sage von, 1s., 54, 62, 65, 87-90, 114, 119, 123, 167, 169 BahrƗm und ad-Datma, Märchen, 123n Bairische Chronik cf. Aventinus Baldovinos cf. Valdovinos Bâtard de Bouillon 60 Beda 38n, 47n, 137 Bel Inconnu 66n Berta de li gran pié 58 Berta e Milone 56, 58 Berthari v. Montecassino 131n Berthe au(x) Grand(s) Pied(s) 56 Beuve d’Aigremont 60n Beuve de Hantone 1s., 54, 62, 65-70, 8184, 87, 89, 123n, 165, 167 Bibel cf. Vulgata Biterolf 70, 77, 79n, 101s., 108n Bonifatius 131n Brendan, anglonorm., 22n Bretel cf. Jacques B. Brun Candidus 131n ºBrünhildemärchen, russ., 116 Brut cf. Wace Calaínos, Romanze, 85 Calpurnius Siculus 138 Cân Rolant, walis. (auch w als Textzeuge des Rolandsliedes), 1n, 23n Cansó d’Antioca 55, 81, 85 Carmen de miraculis Sacti Cuthberti cf. Beda Carmina cf. Venantius

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Cassiodor 38n, 113 Casus Sancti Galli cf. Ekkehart IV. Cato 47n Cervantes, Miguel de, 53n, 61 Chanson de Guillaume cf. Wilhelmslied Chares von Mytilene 120n Charroi de Nîmes 89n Chevalerie Ogier 11n, 42, 55, 60, 63, 66n Chevalerie Vivien 29n Chevalier au Cygne 59 Chrétien de Troyes 87n Chronica Caesaraugustana 38n Chronica Gallica ad a. 511, 38n Chronicon Paschale 96 Chronicon Salernitanum 45n, 131n Chronik d. 11. Jh., spanische, 74n Chronik der Novalesa 41-47, 80n, 164 Chronik von Montecassino 45n Chronik von Saint-Denis, altfrz., 63 Chronique (dite) Saintongeaise 55, 62, 85 Cicero 133n Claudian 38n, 158 ºCodex Argenteus 72n Collectanea cf. Solinus Contra Symmachum cf. Prudentius Conversio Othgerii militis 42 Corippus 125n, 139n Cornelius Nepos 133n ºCottoniana-Weltkarte 38n Couronnement de Louis 80 Curtius Rufus 139n Daurel e Beton, okzit., 67n De bello Persico cf. Prokop De bello Gothico cf. Prokop De Karolo magno et Leone papa 137s., 145, 157 De naturis rerum cf. Alexander Neckam Dietrichs Flucht 108n Dieudonné de Hongrie 60 ºDiplomata cf. Karl d. Gr., Pippin Don Quijote cf. Cervantes Doon de Mayence 66n ºEbstorfer Weltkarte 38n Ecloga cf. Modoin Edictum Rothari 102n, 104n Egbert v. Lüttich 42n, 45s., 50s., 133n, 164 Einhart 26n, 36n, 38n, 50, 101, 143s. Ekkehart I. v. St. Gallen 40n, 44n, 92n, 127n, 142n, 148s., 156s., 169 Ekkehart IV. v. St. Gallen 43n, 127n, 148, 153n, 155n, 157 Ekkehart v. Aura 73n Enfances Ogier 66n

Ensenhamen cf. Guerau Entrée d’Espagne 56 Epistula(e) cf. Ambrosius, Hieronymus, Rodulfus Tortarius ºErec-Stoff 87n Erec cf. auch Chrétien de Troyes und Hartmann v. Aue ºErmanarich-Sage 51n, 97, 107n, 112n Ermenrich v. Ellwangen 156 Ermoldus Nigellus 71n, 91n, 127-131, 135138, 140-142, 169 Escriveta, Ballade, 79n, 82n, 86n, 166s. Etymologiae cf. Isidor Ex Ponto cf. Ovid Fatti di Spagna 29 Fecunda Ratis cf. Egbert v. Lüttich Flodoard 38n, 51n Foucon de Candie 11n Fredegar 36n, 38n, 99n, 108n, 129 Fulbert v. Chartres 48n Galien 60 Gallus Anonymus 36n, 38n Garin de Monglane 63 Gaufrey 29, 66n Gaydon 29n, 55, 63, 85 Genealogia Sancti Arnulfi 41, 47, 129 ºGenealogien, walis., 20, 23 Geoffrey of Monmouth 20s., 23, 25, 39n Geoffrey of Monmouth, walis. Übs., 20 Geraldus (Begleitgedicht zum Waltharius), 155n, 156 Gervasius v. Tilbury 36n, 38n Gesta Berengarii 47n, 138n, 151-155, 159 Gesta Berengarii, Glossator der, 152 Gesta Episcoporum Cameracensium, Fortsetzung, 36n, 38n Gesta Episcoporum Mettensium 36n Gesta Guillelmi Episcopi Andegavensis 63n Gesta Karoli cf. Notker Balbulus Gesta Karoli Magni ad Carcassonam et Narbonam 54 Gesta Principum Polonorum cf. Gallus Anonymus Gildas 19s. Gilgamesch 87n Giraldus Cambrensis 18n Girart de Roussillon 29n Girart de Viane 27, 55s., 63 Girbert de Mez 66n Gislebert v. Mons 153n ºGöngu-Hrólfs saga 116, 123n Gormont et Isembart 21 Gottfried v. Viterbo 58n

Gregor v. Tours 36n, 38n, 108n Grimald v. St. Gallen 127, 169 Grimaltos, Romanze, 81n Großpolnische Chronik 116 ºGudrun-Sage 115n Guerau/Guiraut III., IV., von Cabrera 87n Gui de Bourgogne 66n Gui de Nantueil 56, 62s. Guibert v. Nogent 10 Guilhem de Berguedá 87n Guiraut del Luc 87n Guiraut cf. auch Guerau Haager Fragment 48n Hamartigenia cf. Prudentius Hamðismál 112n Hanes Taliesin 21s. ºHarlungen-Sage 108n Hartmann v. Aue 125n Hartmann v. St. Gallen 138n, 156s. ºHeiligenviten, walis., 21 Heimskringla 129n Heiric v. Auxerre 138n Helgaud v. Fleury 10 ºHerbort-Sage 116 ºHereford-Weltkarte 38n Herimann v. St. Gallen 157 Hermann v. Laon 18n Hermoldus cf. Ermoldus Herodot 139n Heroides cf. Ovid Hieronymus 128n, 139n Hildebrandslied 91, 104n ºHilde-Sage 115s. ºHildiko-Sage 92n, 95-106, 111-114, 123s. Hinkmar 47n, 131n, 146 Historia Brittonum 20s. Historia Langobardorum cf. Paulus Diaconus Historia Romana cf. Paulus Diaconus Historiae adversus paganos cf. Orosius Homer 49n, 132n Hrabanus Maurus 38n, 49n, 131n Hugo v. Fleury 10, 36n, 38n Hugo v. St. Viktor 36n, 38n Hunnenschlacht-Lied, altnord., 113n, 129n Ibis cf. Ovid Ibn ૽AbdrabbihƯ 119n Ilias Latina 152 In honorem Hludovici cf. Ermoldus Infantes de Lara 61n iroschott. lat. Dichter 131n Isidor v. Sevilla 36n, 38n, 43, 47n, 139, 151

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ºItinerarien, römische, 154n Itinerarium Peregrinorum 39n Ivan Godinoviþ, Byline, 116 Jacques Bretel 31n Jérusalem, Chanson de, 11n, 66n Jordanes 38n, 72n, 73, 92n, 93-96, 98n, 100n, 110n, 112, 122n, 159n Jourdain de Blaye 62s., 81 Jungfrau im Turm, Märchen, 116 Justin 133n, 139n Juvencus 137s. ºKaࠣba-i Zardušt, Inschrift von, 122 Karl d. Gr. (ºDiplomata) 13n Karlamagnús-saga (auch ‘n’ als Textzeuge des Rolandsliedes) 1n, 2n, 5n, 8n, 26n, 56, 58, 62n KƗrnƗmak 1, 117-123 ºKatalog im Ms. Bern 4: 48n, 80n Konrad, der Pfaffe (auch ‘K’ als Textzeuge des Rolandsliedes), 1n, 2n, 5n, 6n, 9n, 26n, 34n, 38n, 56 Kudrun, mhd., 125n Laktanz 133n Lambert v. Saint-Omer 38n Laudes auf Verona 131n Leges Langobardorum 102n Lex Burgundionum 95n Liber Historiae Francorum 108n Liber in partibus Donati cf. Smaragdus Livius 145n Llyfr Taliesin 21s. ºLothringer-Epen 11n Lukan 135n, 137s., 158 Macer cf. Aemilius Macrobius 139n Mainet 56, 66n Marcabru 63n, 64, 77 Marcellinus Comes 38n, 96, 111n, 168 Marqués de Mantua, Romanze, 85n Martin v. Laon 131n Maryam die Gürtlerin cf. Nnjr ad-DƯn Maugis d’Aigremont 63, 66n Meliador 66n Melusine 66n Metamorphosen cf. Ovid Milo v. Saint-Amand 138n Modoin 137, 156 Moniage Guillaume (I und II) 42 Montesinos, Romanze, 81n ºMont-Saint-Michel, Kartular des, 33n Mort Charlemagne 56 Mort Maugis 66n Moyenmoutier, Chronik von, 36n, 38n

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Narbonnais 11n ºNibelungen-Stoff (Sage, Lied, «Nibelungisierung») 49n, 70, 71n, 78, 91, 101n, 107n, 108n, 111-114, 117, 129-131, 168s. Nota Emilianense 76n Notker Balbulus 36n, 42n, 138n, 144s., 157, 159 Notker d. Dt. 130n, 158 Novalesa cf. Chronik Nuño Vero, Romanze, 81n Nnjr ad-DƯn, Märchen, 121n Óláfs saga Tryggvasonar 129n Ordericus Vitalis 10, 36n, 37, 38n, 123n Orlandino 56 Orosius 38n, 43 Otia Imperialia cf. Gervasius v. Tilbury Otfrid 125n, 126n, 130n Otinel 58, 62 Ovid 136-138, 145n Paulus Diaconus 36n, 38n, 96n, 98n, 101n, 102n, 107n, 111, 131n Paulus Orosius cf. Orosius Paulus-Sequenz cf. Ekkehart I. Peristephanon cf. Prudentius ºPeutingersche Tafel 154 Pharsalia cf. Lukan Philippe de Thaon 39n Pippin (ºDiplomata) 13n Plato 136n Plautus 49n Plinius 133n Poeta Saxo 36n, 38n, 96-98, 101n, 138n, 144, 151 Polyptychon Irminonis 15 Polyptychon sancti Remigii 15 Pompeius Trogus 133n Primera Crónica General 61n Prise d’Orange 89n, 123n Priskos 94, 96, 112 Prokop 44n, 107n Prosa-Tristan 35n Prosper v. Aquitanien 159n Prudentius 137s., 151 Pseudo-Turpin 13n, 26, 62, 85 Psychomachia cf. Prudentius Pulci 29 Quatre Livre des Reis, 66n Radulfus Glaber 36n, 38n Raoul de Caen 36n, 37 Raoul de Cambrai 5n RaqƗšƯ, ar-, 119 ºRaso-Sage cf. Walter Map

Regino v. Prüm 139n, 146 Reichsannalen cf. Annales regni Francorum Remedia amoris cf. Ovid Renaut de Montauban 55s., 60, 62n, 85 Rinaldo da Monte Albano, Cantari von, 29 Robert de Torigni 34n Rodulfus Tortarius 55-57, 61-62, 76-78, 165s. Rolandslied, mhd., cf. Konrad Roman de Thèbes 39n Ronsasvals 56 Rosengarten 71n, 108n Rotta di Roncisvalle 29 ºSaint-Wandrille, Urkunde für, 30s. Saisnes 55, 85 Salman und Morolf 116n Salvian 38n ºSankt Galler lat. Verse 131n ‘sapiens versicanorus’, Autor der ºWalterDistichen, 43s.,46 Sedulius 47n, 125n, 137s. Sidonius Apollinaris 38n Sigebert v. Gembloux 38n, 48n Silius Italicus 139 Sirventés el son de Boves d’Antona cf. Guiraut de Luc Smaragdus v. Saint-Mihiel 137 Solinus 139 Spagna, La, 29 Statius 137s. Stojan und die Schwester des ýekmenAsan-Aga, serb. Lied, 116 ºStraßburger Eide 125n Synesios v. Kyrene 139n Taliesin 21s. Tatian, ahd., 130n Tausendundeine Nacht 121n, 123n Tertullian 125n Theodulf v. Orléans 131n, 137s., 156 Þidreks saga 70, 71n, 77s., 79n, 85, 92n, 98n, 102, 107n, 108s., 116, 168 Thietmar v. Merseburg 36n Tournoi de Chauvency cf. Jacques Bretel Traumbuch, pseudo-Danielisches, 49n ºTraumlexika, byzantinische, 49n ºTriaden, walisische 22 Tristia cf. Ovid Trojaroman, altfrz., 87n Tugarin und Anastasja, russ. Lied, 116 Tullius cf. Cicero Turold 19

૽UdhrƯ, al-, 87-90 Ursio v. Hautmont 36n Valdovinos, Romanzen von, 85n Valerius Flaccus 139n Vegetius 38n Venantius Fortunatus 137s. Vergil 136-138, 144n, 158 Versus de evangelio ad picturam 43 Via regia cf. Smaragdus Viaggio di Carlomagno in Ispagna 29 Vita d. Altmann v. Passau 110n Vita d. Richard v. St-Vanne 36n, 38n Vita Hludowici, anonyme (des ‘Astronomus’), 88, 89n Vita Karoli cf. Einhart Vita sanctae Wiboradae 148 Vita sanctae Wiboradae, Umarbeitung, cf. Herimann Vita Sancti Galli 157 Vita Sancti Martini cf. Venantius Vita sanctorum Amici et Amelii 58n ºVita Waltharii christiani, supponiertes Werk, 44n ºVolksepik, serb., 123n Vulgata 36n, 131n, 137s. Vulgata, Dan., 49n Vulgata, Iudices, 42, 78n Vulgata, Luc., 45 Vulgata, Matth., 45 Vulgata, Phil. 125n Wace 20, 25, 33n Walahfrid Strabo 131n, 138, 158 Waldere 70, 77, 78n, 79n, 91, 102, 107n, 109s., 129n Walter Map 116n Walter v. Speyer 158 Walterus v. Tyniec 1, 116 Walther und Hildegund, mhd., 70, 101, 110n, 116 Widsith 51n, 96n ºWieland-Sage 130, 133 Wilhelm v. Poitiers 10 Wilhelmslied, ºWilhelmsepik 29n, 66n, 86, 89 Wilkina saga cf. Þidreks saga William of Malmesbury 18n, 36n, 37, 38n Wolfdietrich (B und D) 129n Wulfila 72n YƗd(i)gƗr-i ZarƯrƗn 120s. ZarƯr/Zariadres, altpers. Entführungsgeschichte,, 120n

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2) Historische und literarische Personen (und Personifikationen) Wiederholt werden die schon unter 1) genannten Autoren und Titel(gestalten), wenn sie im vorliegenden Buch Gegenstand einer Diskussion sind, nicht aber, wenn sie im Wesentlichen nur zitiert werden. Nicht aufgenommen sind ferner Namen (aus Urkunden u.ä.), die nur zur Exemplifizierung ihrer Form aufgeführt sind (z. B. zum Nachweis, wann -hari > -here wurde). Varianten sind nur aufgenommen, wenn sie ungewöhnlich weit (z. B. schon im Anfangsbuchstaben) abweichen. * = historische Gestalt; ** = historische Gestalt, wesentlich eingegangen in einen im vorliegenden Buch behandelten Primärtext (auch als dessen Widmungsempfänger u.ä.). A. = Abt, Adl. = Adlige(r), Bf. = Bischof, G. = Graf, Hs. = Herrscher, Hz. = Herzog, K. = König(in), Ks. = Kaiser, S. = Sohn, T. = Tochter. Gestalten: (R) = im Rolandslied, (B) = im Beuve de Hantone, (E) = in sonstigen afrz. Epen, (Rm) = in Romanzen, (W) = im Waltharius.

*(*?)૽Abd-ar-RaতmƗn al-GhƗfiqƯ, arab. Feldherr, 66n **૽Abd-ar-RaতmƗn I., II., III., Hs. v. alAndalus (E), 66n, 119 Abrasmonte (Rm) 66, 69, 82 Açopart (B) 84 *Adalhard, A. v. Cysoing, 153 *Aëtius, spätröm. Feldherr, 93, 159 Aïmer, Deckname (B), 81n Aiol (E) 81n *Alarich II., Gotenk., 72n **Alboin, Langobardenk., 96n Alda (R), 14n, 62 **Alexander d. Gr. 139n *૽AlƯ, Kalif, 119 **Almanzor (Rm) 61, 82, 167 *Alphari, langob. Adl., 107n, Alphere (W) 51n, 133 *Amalasuntha, T. Theoderichs d. Gr., 72n Amelius, Freund d. Amicus, 55, 57s. Amicus, Freund d. Amelius, 55, 57s. Ammius cf. Hamðir *Amrnjs, Chef der Oberen Militärgrenze, 88 Anseïs (R), 27n Apollo 136n, 140, 150 *Aragis, Hz. v. Benevent, 50 **ArdawƗn/Artabanos, Partherk., 118 *Arnulf, Ks., 146 **ArtakhšƯr, pers. Reichsgründer, 117-123 (**?)Artus, brit. K., 9n, 18-21, 24s., 162 **Asinarius, A. d. Novalesa, 42 Ate/Ote (R) 27n *Athanarich, Gotenk., 72n

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*Athaulf, Gotenk., 71 **Attila/Etzel, Hunnenhs. (W) 36n, 41, 44, 46, 51, 78, 82, 84s., 93-99, 100n, 101, 107, 108-114, 122, 129n, 133n, 144n, 149s., 159, 167-169 *Audoin, Langobardenk., 96n, 107n Austorges v. Valence (R) 63n **Autgarius/Ogier (R) 47, 52, 54, 163 *Badwila cf. Totila Baldewin (R) 27n *Balduin I., II., III., K. v. Jerusalem, 59, 165 Basan (R) 27n Basbrun (R) 5n, 27n Basilië (R) 27n Beliardis, T. Waifars, 55-58, 165 Belissent, T. Karls d. Gr., 58, 62n, 165 *Beremud, Gote, 72n **Berengar, Ks., 56n, 151n, 152s. Berenger (R) 27n *Bernhard v. Clairvaux 59 **Bernold, Bf. v. Straßburg, 141 **Berta, Karolingerinnen, 55n, 56, 58, 165 Besgun (R) 5n, 27n Blancandrin (R) 15s., 39n, 50 **Bleda, Hunnenhs., 99n, 111 **Bohemund v. Tarent 123n *Boso, K. v. Südburgund, 146 Bradmund/Braidimont/Braimant (B, E) 66, 69, 82 *Butilin, Alemannenhz., 104n Caiferes, statt Gaiferos (Rm), 75n Camalo (W) 132s. **Childerich, Merowingerk., 99n

*Chilperich, Merowingerk., 41n *Chlodwig, Merowingerk., 92n, 104n *Chlothar I., II., Merowingerk., 41 *Cincius, Kardinal, 153n *Dagobert, Merowingerk., 63n Dalfeiro, statt Gaiferos (Rm), 75n **Darius, Perserk., 118n, 139n *Dengitzik, S. Attilas, 93 **Deramé de Cordres (E), 66n **Desiderius, Langobardenk., 42 Dietmar cf. Theudemer Dietrich v. Bern cf. Theoderich d. Gr. Doon de Maience (B) 67 *Droctulf, Langobardenhz., 104n *(*?)Drogo, frk. G. (8. Jh.), 13 **Drogo/Droon, G. v. Vexin (R), 2, 8-13, 16, 19, 25, 27n, 35, 162 Drogo/Dreu, K. v. Poitiers (E), 62n Drogo cf. auch Trogus *Eberhard, Hz. v. Friaul, 153 *Edgar Clito, Enkel des Edmund Ironside, 37s. *Edmund Ironside, Bruder Eduards d. Bekenners, 37 *Eduard, S. d. Edmund Ironside, 37 *Eduard d. Bekenner, engl. K., 10s., 16s., 37 *Ekkehart I. v. St. Gallen 40n, 44n, 92n, 127n, 142n, 148s., 156s., 169 *Ekkehart II., III. v. St. Gallen 157s. Ekivrid (W) 133, 135 Eleuthir (W) 133n Elffin, brit. Hs., 22 Élie de Bourgogne (E) 81n **Ellac, S. Attilas, 112n Enrique, K., cf. Heriricus *Erich, Hz. v. Friaul, 144 **Erkenbald, Eb. oder Bf., 155n, 156 **Ernac, S. Attilas, 112n **Ermanarich, Gotenk., 51n, 72n, 97, 107n, 108n *Ermenfried, G. v. Amiens, 9 Escopart cf. Açopart Etzel cf. Attila **Eudo/Yon, K. v. Aquitanien (E), 62n, 63 *Eutharich, Gote, 72n Félix, Don, statt Gaiferos (Rm), 75n Ferracutus (E) 13n *Floberge/Froberge, Frauen- (und Schwerter-)name (E), 14 *Florence, Frauen- (und Schwerter-)name (E), 14 **Fretela, Gote, 128n

**Fridugisus, frk. Adl., 135 *Friedrich Barbarossa, 153n *Fulko, K. v. Jerusalem, 59 Gaiférez, statt Gaiferos (Rm), 75n Gaiferos (Rm), Gaifier (E) cf. Waifar Gaitero, Namenmischform, 75 Galfeiro(s), Namenmischform, 75 Ganelon/Guenelun (R) 23n, 27s., 39n, 56 Gaucelm cf. Godselme Gaudiosa cf. Joiuse Gautier de Montloon (E) 29n Gauvain, Artus’ Neffe, 18n Gebuïn (R) 27n **Geoffroi/Gefrei, G. v. Anjou (R), 9, 12, 25s., 27n, 51, 162, 163 *Gerald v. St. Gallen, 158n Gerer (R) 27n **Gerhard, G. v. Vienne/ Girart de Roussillon (R, E), 27, 52, 54, 163 Gerart cf. Giraut Gerin (R) 27n *Gerold, Präfekt v. Bayern, 144 Gerwitus (W) 133 *Géza, ungar. Hs., 156 **Gibicho, Burgunderk., 132 Gimo cf. Kimo *Girard II., A. v. St.-Wandrille, 30n Girart de Roussillon cf. Gerhard, G. v. Vienne Giraut, Deckname (B), 81n Glewlwyd, ‘Pförtner’ d. walis. Mythologie, 23n *Goda (Godgifa), Schwester Eduards d. Bekenners, 10, 37 *Godeoc, Langobardenk., 107n Godselme (R) 27 *Gordian, röm. Ks., 122 *Gruffydd ap Llywelyn, walis. Hs., 16s., 20 *Grimald v. St. Gallen 127, 169 Grimaltos (Rm) 81n Gualter del Hum (R) 1s., 5-52 -gudis-Namen 13-15 Guenelun cf. Ganelon Guillelme cf. Wilhelm Guineman (R) 27n Guinemer (R) 27n **Gunt(h)er/Gundacharius, K. d. Burgunder/Franken (W), 41, 49n, 51n, 71, 78, 92n, 99, 101n, 107n, 108-112, 130, 132, 134n, 145-147 *Guntram, Merowingerk., 41, 108n Guðrún, Gestalt d. nord. Nibelungensage, 111, 169

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Hadaward(us) (W) 133, 134n *Hadwig, Hz. v. Schwaben, 158n Hagathie (W) 92n, 133n, 134n Hagen (W) 49n, 78, 84, 92, 108n, 113n, 115s., 132 Hagen, Hildes Vater, 115s. *ণakam, al-, Hs. v. al-Andalus, 88 **঩alaf ibn RašƯd, Gestalt der BahlnjlSage, 88 Hamðir, Gestalt der Hunnenschlacht-Sage, 73, 106n Hamon (R), Genosse des Rembalt, 27 *Harold, K. v. England, 37 *Harold, S. des Earls Radulf, 16n *HƗrnjn ar-RašƯd, Kalif, 121 **Hatto, Eb. v. Mainz, 153n *Heilwig, frk. Adl., 153 *Heinrich I., dt. K., 148 *Heinrich I., K. v. England, 12, 18, 30n *Heinrich I., K. v. Frankreich, 10s. *Heinrich III., Ks., 36n *Heinrich V., Ks., 12n *Heinrich VI., Ks., 153n *Heinrich d. Löwe 31n **Heinrich, G. v. Luxemburg, 31n *Heinrich, ostfrk. G., 146 *Helmichis, langob. Adl., 101n Helmnod (W) 133 Henri (R), 27n *Herbert, G. v. Maine, 11 **Heribert, frk. G., 135 **Heriold(us), Dänenprinz, 135 Heriricus (W), 78n, 79n, 92n, 133 Hermin (B), 68 Hesperos, der Abendstern (W), 151 Hildegund cf. Hildiko *Hildeoc, Langobardenk., 107n **Hildiko/Hildegund, ursprünglich Attilas letzte Frau (W), 68, 73n, 78, 82, 87n, 91-95, 99-114, 116n, 123s., 133, 167169 **Hilduin(us), frk. A., 135 **Hiltibert(h), frk. Adl., 135 **Hludovicus cf. Ludwig d. Fr. **Hlutharius cf. Lothar I. **Hormizd, Perserk., 122n *Hugo, K. v. Italien, 56n *Hugo Capet, K. v. Frankreich, 9 *Hugo de Hulmo, Normanne, 33n *ণusayn, S. d. Kalifen ૽AlƯ, 119 Hystaspes cf. VištƗsp Ildiko cf. Hildico Ilias, Griechenhs., 107n

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Ive (R) 27n Ivorië (R) 27n Joiuse, Frauen- (und Schwerter-)name (R), 14 Jónakr, letzter Gemahl der Guðrún, 112n Josiane (B) 67-69, 82-84, 87n Jozeran de Provence (R) 27 **Judith, Frau Ludwigs d. Frommen, 140 *Jugur, Avarenhs. (eigentl. Titel), 144 Justamont (E) 81n *Justinus, Ks., 72n *Kagan, Avarenhs (eigentl. Titel)., 144 *Karl d. Dicke 146 **Karl d. Gr. (R, E) 7, 13s., 21, 27n, 28, 29n, 30n, 42s., 47, 50-52, 54-58, 6062, 68, 75, 83, 86, 89, 96n, 101, 121, 127, 131n, 137s., 139n, 142-147, 153, 158n, 164s. *Karl d. Kahle 26, 51, 140, 146, 153, 158n **Karl Martell 45n, 47, 52, 62, 63n **Karlmann, S. Karl Martells, 45n **Keredic, brit. Hs., 21 Kimo (W) 132s. *Knut d. Gr. 10, 37 Kriemhilt 49n, 92n, 112, 113n, 168s. **Kyros, Perserk., 139n *Lamissio, Langobardenk., 107n Latona, Apollos Mutter, 140 **Leo, Papst, 137s. *Lethuc, Langobardenk., 107n *Leuthari, Alemannenhz., 104n Leuthere cf. Eleuthir *Litorius, spätröm. Feldherr, 159 Lorant (R) 27n *Lothar I., 135, 140s., 146, 158n *Ludwig d. Dt. 127, 146 *Ludwig d. Fr. 21, 27n, 88, 128, 135, 136n, 137, 140s., 146, 153, 158n *Ludwig II., Ks., 146 *Ludwig VI., K. v. Frankreich, 12n Madalgudis, Frauenname, 13-15 Maëlgut, vermeintlich Sarazene, Frau oder Schwert (R), 8, 13-15 **Maelgwn/Maelgut (R), walis. Hs., 2, 8, 13n, 15, 19-25, 33, 40n, 52, 162 **Malo, bret. Heiliger (R), 26n Mansuetus, Heiliger, 48n **Manৢnjr, al- cf. Almanzor *(*?)Mar(g)edudd, mehrere walis. Hs., 23s. **Matfrid, G. v. Orléans, 135, 140s.

*Mathilde, K. v. England, 18 Melisend(r)a (W), 53, 57n, 58-62, 68s., 82, 84, 165 *Melisende, G. v. Rethel, 59 **Melisende, K. v. Jerusalem, 59, 165 Milon cf. Giraut Milon d’Angliers (E) 24n, 56 Milun (R) 27n Montesinos (Rm) 61, 81n, 84 *Moses, 87n Mugallis, Ibn al-, 89 *Mundzuc, Attilas Vater, 107n Naimes, Hz. (R), 26n, 27s. Narses, byzant. Feldherr, 104n Nevelun (R) 27 Nuño Vero (Rm) 81n *Odo, K. v. Frankreich, 146, 150 **Odoaker 97 **Ogier cf. Autgarius Olivier (R)6, 27s., 62 Ospirin (W) 92n, 133 Ote cf. Ate Otun le marchis (R) 27 *Otto d. Gr. 148, 156 **Papak, ArtakhšƯrs Vater, 118 Patavrid (W) 133, 135 *Pentecost, Normanne, 16 Perseus 138 *Petrus, Sankt (R), 15 *Philipp I., K. v. Frankreich, 12 Phoebus cf. Apollo **Pippin, Frankenk., 13, 45n, 63, 75, 164 **Pippin I., K. v. Aquitanien, 128, 136s., 141 *Pippin, K. v. Italien, 144 Precïuse, Frauen- (und Schwerter-) name (R), 14s. *Purchart I., II., Ä. v. St. Gallen, 158 Rabel (R) 27n, 56 **Radbod/Rembalt, Hz. d. Friesen (R, E), 27, 52, 54, 58, 163 *Radulf de Humme, Normanne, 33n *Radulf I., II., G. v. Valois, 10-12 *Radulf, Earl of Herefordshire, 10s., 1620, 24, 35 *Radulf, G., Vater Walters I., 9 Randolf (W) 133 Raquel, Gestalt aus dem Çid, 86 **Ratald, Neffe od. Enkel Walters v. d. Novalesa, 42 **Rather, S. Walters v. d. Novalesa, 42 *Recceswinth, Gotenk., 74n Rembalt cf. Radbod

Rhein, der, personifiziert, 135, 136n *Richard Löwenherz, engl. K., 31n *Richard de Hum(m)e, Normanne, 33n, 34n **Richard I., ‘der Alte’, Hz. d. Normandie (R), 9, 12, 25, 27n, 51, 163 *Richard, S. Scrobs, Normanne, 16 *Robert d. Tapfere, frk. G., 26n *Robert de Hummo, Normanne, 33n *Robert I., II., Hz. d. Normandie, 10, 34n, 37 *Robert II., K. v. Frankreich, 10 **Rosamunde, Langobardenk., 96n, 101n *Rua, Hunnenhs., 99n *Ruallend(us) de Hulmo, Normanne, 33n *Rudolf, westfrk. G., 153 **ŠƗhpuhr/Sapor(es), Perserk., 118, 122 SalƗma, Ibn/Banu, 89 **Salomo, bibl. K., 116n Sansun (R) 27n, 63n **Sassan, Begründer einer pers. Dynastie, 118n Scaramundus (W) 133 Siegfried 113n, 114 *Simon, G. v. Valois, 12 *Stephan, K. v. England, 18 *Stephan, K. v. Ungarn, 156 *Suger, A. v. St. Denis, 12n **Sunnia, Gote, 128n Tanastus (W) 133n **Tedbald de Reins (R) 27 **Tetfrid, A. v. Bonneval, 48n Thalia 136n, 141 *Thassilo, Hz. v. Bayern, 143 **Theodemer, Vater Theoderichs d. Gr., 93, 113 **Theoderich d. Gr. 72n, 73n, 93, 97, 104n, 108n, 113 *Theudis, Gote, 72n *Thiudegoto, T. Theoderichs d. Gr., 72n *Thorismund, Gote, 72n T(h)ierri, Bruder des Gefrei d’Anjou (R), 27n T(h)ierri d’Argone (R) 27n *Totila, Gotenk., 73 Trogus (W) 133s. *Tudun, Avarenhs. (eigentl. Titel), 144 **Turpin (R) 6s., 39n *Unruoch, frk. G., 153 *Unruoch, Hz. v. Friaul, 153 *Valamer, Gote, 73n, 93 Vald-Namen cf. Wald-Namen Valsério, statt Gaiferos (Rm), 75n

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Vidas, Gestalt aus dem Çid, 86 *Vidimer, Gote, 72n, 93 *Vidirich, Gote, 72n **VištƗsp/Hystaspes, altpers. Adliger, 120 Viviana cf. Josiane *Wacho, Langobardenk., 107n **Waifar/Gaifier, Hz. v. Aquitanien (R, E, Rm), 2, 27, 51, 54-58, 62-65, 75, 80, 81, 86s., 164-166 Wald-/Guald-/Vald-Namen 73s. *Walderada, langob. Adl., 107n **Walja, Gotenk. (W?), 2, 71-74, 90, 107n, 119, 165, 168 Waltari cf. Walt(h)ari **Walter I., II., III., G. v. Vexin (R), 8-13, 16, 19, 25, 35, 52, 162 *(*?)Walter, G. (8. Jh.), 13 *Walter, G. v. Dreux, 10n *Walter, Kastellan von Huy, 29n *Walter lehuns, Schenker für St.-Wandrille, 30s., 40, 52, 162s. **Walter, Mönche d. Novalesa, 41-43, 45 *Waltgar, G. v. Laon, 30n

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*Walt(h)ari, langob. Heerführer, 107n **Walt(h)ari, Langobardenk., 108n, 168 Wasacus ‘die Vogesen’, personifiziert, 135s. Werinhardus (W) 133 WƱd- und WƯd-Namen 133n Wielandia (fabrica) (W) 133 **Wiborada, Klausnerin, 148 **Wilhelm, G. v. Toulouse (E), 47, 88s., 143 *Wilhelm de Humeto, Normanne, 33n *Wilhelm d. Eroberer, engl. K., 10-12, 17, 18n, 37s. *Wilhelm Rufus, engl. K., 12, 17s., 34n *Wilhelm, Eb. v. Rouen, 30n *Wilhelm, Eb. v. Tyrus, 59 *Wilhelm V., Hz. v. Aquitanien, 62n **Wiomad, merowing. Adliger, 99n **Witcharius, frk. A., 135 *Yezdegerd, Perserk., 119 Yon cf. Eudo Yvorin (B) 68 **Zopyrion, Feldherr Alexanders d. Gr., 139n