Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle: Erfüllung des Verfassungsauftrags durch den einfachen Gesetzgeber? Verfassungsanspruch und Rechtswirklichkeit [1 ed.] 9783428477364, 9783428077366

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Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle: Erfüllung des Verfassungsauftrags durch den einfachen Gesetzgeber? Verfassungsanspruch und Rechtswirklichkeit [1 ed.]
 9783428477364, 9783428077366

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VOLKER EPPING

Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle Erfüllung des Verfassungsauftrags durch den einfachen Gesetzgeber? Verfassungsanspruch und Rechtswirklichkeit

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 636

Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle Erfüllung des Verfassungsauftrags durch den einfachen Gesetzgeber? Verfassungsanspruch und Rechtswirklichkeit

Von

Volker Epping

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Epping, Volker: Grundgesetz und Kriegswaffenkontrolle : Erfüllung des Verfassungsauftrags durch den einfachen Gesetzgeber? ; Verfassungsanspruch und Rechtswirklichkeit / von Volker Epping. - Berlin : Duncker und Humblot, 1993 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 636) Zugl.: Bochum, Univ., Diss., 1992 ISBN 3-428-07736-9 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1993 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin 65 Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-07736-9

Meinen Eltern

Geleitwort Das verfassungsrechtliche Genehmigungserfordernis für Waffen, die zur Kriegführung bestimmt sind (Art. 26 Abs. 2 GG), hat jahrzehntelang zu jenen Vorschriften des Grundgesetzes gehört, die in der Kommentarliteratur eher "pflichtgemäß" behandelt worden sind und die - sofern überhaupt - nur ein begrenztes monographisches Interesse gefunden haben. Gleiches gilt auch für das dem verfassungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalt entsprechende Gesetz, das Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG), das jahrelang etwas im Schatten des wissenschaftlichen Interesses gestanden hat. So hat das Kriegswaffenkontrollrecht insgesamt über lange Zeit hinweg vorwiegend einen kleinen Kreis ausgesprochener Spezialisten beschäftigt. Eine gründliche und umfassende Aufarbeitung der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG und ihrer Umsetzung in das Kriegswaffenkontrollrecht war bislang im rechts wissenschaftlichen Schrifttum nicht zu verzeichnen. Erst in den vergangenen vier Jahren ließen Vorkommnisse von erheblicher Öffentlichkeitswirkung wie die deutsche Beteiligung an der libyschen Chemiewaffenfabrik in Rabta sowie der Prozeß wegen der Versorgung des Irak mit Bauteilen für die Verbesserung der Reichweite der im Golfkrieg eingesetzten Scud-Raketen ein zunehmendes Interesse am Kriegswaffenkontrollrecht und an seinen verfassungsmäßigen Grundlagen aufkommen. Wenn sich dieses Interesse zunächst eher sektoral auswirkte - wie beispielsweise in dem ersten größeren Kommentar zum KWKG von Pottmeyer (1991) -, so ist dies darin begründet, daß das Kriegswaffenkontrollrecht im Schnittbereich zwischen dem Verfassungsrecht, dem Völkerrecht, dem Außenwirtschaftsrecht und - angesichts der Strafbewehrung von Verstößen - dem besonderen Strafrecht liegt. Die Bewältigung eines dergestalt in verschiedene Rechtsbereiche hineinreichenden Themas setzte mithin ebenso umfassende wie gründliche Fähigkeiten und Kenntnisse voraus, wie sie nur bei jungen Juristen mit besonderer wissenschaftlicher Begabung anzutreffen sind. Volker Epping hat mit der vorliegenden Arbeit, der die Juristische Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation höchstes Lob gezollt hat, diese Fähigkeiten und Kenntnisse nachgewiesen. Es ist ihm gelungen, sowohl die dogmatischen Grundlagen des verfassungsrechtlichen Aspekts der Kriegswaffenkontrolle in gebührender Weise aufzuarbeiten wie auch die akribische Kleinarbeit an den einschlägigen Normen des einfachen Gesetzesrechts zu lei-

8

Geleitwort

sten. So ist die vorliegende Schrift nicht nur für den Verfassungsrechtler von hohem Interesse, sondern wird auch der Praxis eine willkommene Hilfe sein, die in Teilen nahezu Handbuchcharakter aufweist. Volker Epping hat mit seiner Schrift einen Beitrag geleistet, an dem die einschlägige wissenschaftliche Diskussion künftig nicht vorbeigehen kann. Bochum, den 15. Februar 1993 Prof. Dr. Dr. h.c. Knut Ipsen LLD h.c. Direktor des Instituts für Friedenssichemngsrecht und Humanitäres Völkerrecht

Vorwort Die vorliegende Untersuchung wurde im Wintersemester 1992/1993 von der Juristischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur konnten bis Dezember 1992 berücksichtigt werden. Zu besonderem Dank bin ich meinem akademischen Lehrer, Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Knut Ipsen LLD h.c. verpflichtet, von dem ich zahlreiche wissenschaftliche Anregungen empfing und der mich in jeder Beziehung förderte und unterstützte. Herrn Prof. Dr. Peter J. Tettinger bin ich für die Erstellung des Zweitgutachtens sowie für seine wertvollen Anregungen dankbar. Schließlich sei all denjenigen gedankt, die durch ihre bereitwillige Unterstützung zum Entstehen der Arbeit beigetragen haben. Bochum, im Januar 1993 Volker Epping

Inhaltsverzeichnis Einleitung

21

Erster Teil Der Begriff der Kriegswaffe

Λ . 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen' i.S. des Art. 26 Abs. 2 G G I.

II.

27

30

Der Begriff der'Waffe'

30

1. Der Waffenbegriff des Waffengesetzes

32

2. Der Waffenbegriff des StGB

33

3. Der Waffenbegriff als Querschnittsbegriff

34

4. Der begrenzte Waffenbegriff des KWKG

36

5. Ergebnis zu 1

37

Der Kriegsbegriff

37

1. Der Begriff des Krieges i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG

37

2. § 1 Abs. 2 letzter Halbsatz KWKG

40

3. Spannungs- und Verteidigungsfall

41

4. Völkerrechtliche Begriffsbestimmung

43

a) Existenz des Rechtsinstituts 'Krieg' (1) Der Krieg als Rechtsinstitut und das Gewaltverbot (2) Die Ablösung des Kriegsbegriffs durch den Begriff des internationalen bewaffneten Konflikts b) Die Elemente des völkerrechtlichen Kriegsbegriffs

44 45 46 49

(1) Der Gebrauch der Gewalt

50

(2) Überwältigung des Gegners

55

(3) Definierbarkeit des Kriegsbegriffs ?

56

c) Die Parteien des Krieges

57

d) Ergebnis zu 4

59

12

nsverzeichnis

5. Übernahme des völkerrechtlichen Begriffsinhalts ? a) 'Völker' i.S. des Art. 26 GG

60

(1) Der Begriff des 'Volkes' i.S. des Grundgesetzes

60

(2) Der Begriff des 'Volkes' i.S. des Völkerrechts

62

(3) Ergebnis zu a)

65

b) Das Friedensgebot des Grundgesetzes

66

(1) Teleologische Auslegung

66

(2) Systematische Auslegung

68

(3) Historische Auslegung

69

(4) Die Rüstungsexportpraxis

III.

59

71

6. Ergebnis zu II

71

'Zur Kriegführung bestimmt'

72

1. Subjektive Beurteilung ?

72

2. Bestimmung 'zur Kriegführung'

76

3. Erfassung ambivalenter Waffen

79

IV. Ergebnis zu A

81

Β. Die unterschiedlichen Kriegswaffenbegriffe des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG und des K W K G

81

I. II.

Konsequenzen aus dem Zurückbleiben des KWKG hinter den verfassungsrechtlichen Vorgaben

82

Der erweiterte Kriegswaffenbegriff des KWKG

84

1. Wesentliche Bestandteile

84

2. Die sog. Baugruppen- oder Bausatztheorie

88

b) Das KWKG

88

c) Ersatzteile und unvollständige Kriegswaffen

91

d) Praktikabilität des Prinzips der leichten Herrichtbarkeit 3. Ergebnis zu II III.

87

a) Art. 26 Abs. 2 GG

91 93

Bewertung der Systematik der Erfassung von Kriegswaffen durch das KWKG

94

1. Auffangtatbestand und Bestimmtheitsgebot

94

2. Praktikabilität der Kriegswaffenliste

100

3. Ergebnis zu III

103

nsverzeichnis

Zweiter

13

Teil

Der Genehmigungsvorbehält des A r t 26 Abs. 2 G G und seine partielle Umsetzung durch den Gesetzgeber

104

A. Die rechtliche Qualität des Genehmigungsvorbehalts

104

I.

Die traditionelle Unterscheidung

105

II.

Art. 26 Abs. 2 GG

108

1. Die gesetzliche Terminologie

108

2. Systematische Auslegung

110

3. Sinn und Zweck ("Sozialschädlichkeit")

112

4. Die Entstehungsgeschichte

115

5. Ergebnis zu II

120

III.

Der Genehmigungsvorbehalt des KWKG

121

IV.

Ergebnis zu A. und Genehmigungspraxis

125

B. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen I.

127

Das Herstellen

127

1. Herstellen i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG

128

a) Umbau/Ausbau

128

b) Zusammenbau

129

c) Demontage

129

d) Wiederherstellung

130

(1) Ausbesserung

130

(2) Wiedergewinnung

131

e) Forschung und Entwicklung

132

2. Herstellen i.S. des KWKG

136

3. Der Hersteller

137

4. Die Genehmigungspflicht bei der Herstellung von Kriegswaffen im Ausland

138

a) Art. 26 Abs. 2 GG

138

b) Das KWKG

143

(1) Vereinbarkeit von § 21 KWKG mit dem Grundgesetz

143

(2) Völkerrechtliche Zulässigkeit des Erlasses von Hoheitsakten mit Auslandswirkung 145 (a) Das Weltrechtsprinzip

148

(b) Das Schutzprinzip

149

14

nsverzeichnis

(c) Das aktive Personalitätsprinzip (aa) Die Konzeption des Deutschen Strafrechts

154

(bb) Völkergewohnheitsrecht ?

157

(3) Ergebnis zu b) II.

164

Das Befördern

164

1. Ortswechsel

165

2. Der Genehmigungspflichtige

169

a) Art. 26 Abs. 2 GG b) Das KWKG 3. Die Ein-, Aus- und Durchfuhr

169 170 173

a) Die Erfassung durch Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG

173

b) Die Erfassung durch § 3 Abs. 3 KWKG

177

c) Regelungsbedarf im KWKG ?

182

d) Ergebnis zu 3

185

4. Sonstiges Verbringen

186

5. Die Beförderung außerhalb des Bundesgebietes

186

a) Beförderungsmittel

186

(1) Seeschiffe

186

(2) Luftfahrzeuge

188

(3) Ergebnis zu a)

III.

152

189

b) Außerhalb des Bundesgebietes

189

c) Extraterritorialer Geltungsbereich

191

(1) Geltung der deutschen Rechtsordnung auf Seeschiffen

192

(2) Geltung der deutschen Rechtsordnung in Luftfahrzeugen

195

d) Ergebnis zu 5

197

Das Inverkehrbringen

198

1. Verfügungsgewalt

200

2. Die Erwerbsgenehmigung

202

a) Ableitung eines eigenständigen Erwerbstatbestandes aus Art. 26 Abs. 2 GG ? b) Erwerb als Bestandteil des Inverkehrbringens ?

203 204

(1) Wortlaut

204

(2) Sinn und Zweck

205

(3) Regelungslücke: originärer Erwerb ?

206

(4) Ergebnis zu 2

206

3. Überlassen i.S. von § 2 Abs. 2 KWKG 4. Ergebnis zu III

207 209

nsverzeichnis

Dritter

15

Teil

Die Genehmigungsbehörde A. Der Begriff der Bundesregierung i.S. des A r t 26 Abs. 2 Satz 1 G G

210 210

I.

Art. 65 GG und die innere Organisationsstruktur der Bundesregierung ...... 211

II.

Art. 62 GG als Legaldefinition ?

215

1. Der Gebrauch des Begriffe 'Bundesregierung' im Grundgesetz

217

2. Sinn und Zweck der Übertragung der Genehmigungskompetenz aus Art. 26 Abs. 2 GG auf das Bundeskabinett

218

3. Entstehungsgeschichte

219

a) Der Begriff der 'Reichsregierung' i.S. der Weimarer Reichsverfassung

220

b) Die strenge Normativität des Grundgesetzes

222

4. Der Verfassungsauftrag des Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG

223

ΙΠ.

Zwischenergebnis zu A

223

IV.

Der Bundessicherheitsrat und die Fälle von sog. 'besonderer politischer Bedeutung'

224

B. Folgen der sachlichen Unzuständigkeit

228

C. Ergebnis

231

D. Ausbück

231

Abschließende Bewertung

233

Zusammenfassende Thesen

235

Literaturverzeichnis

239

Anhang

257

Abkürzungsverzeichnis a. Α.

anderer Ansicht

a.E. AA

am Ende Auswärtiges Amt

Abs.

Absatz

AdG

Archiv der Gegenwart

AG

Amtsgericht

AHK

Alliierte Hohe Kommission

ähnl.

ähnlich

AIDI

Annuaire de l'Institut de droit international

AJIL Anm. AO AÖR Art.

American Journal of International Law Anmerkung Abgabenordnung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel

ASIL

American Society of International Law

Aufl.

Auflage

AVR

Archiv des Völkerrechts

A-Waffen AWG AWV

Atomare Waffen Außenwirtschaftsgesetz Außenwirtschaftsverordnung

BAnz. BauGB

Bundesanzeiger Baugesetzbuch

BauO Bay BayOblG

Bauordnung Bayern, bayerischer Bayerisches Oberstes Landesgericht

BB Bd. BDGV

Der Betriebs-Berater Band Berichte der Deutschen Gesellschaft für

Beil.

Beilage

Völkerrecht BFH

Bundesfinanzhof

BGBl.

Bundesgesetzblatt

BGH

Bundesgerichtshof

BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Bundeskanzler

BK

Abkürzungsverzeichnis

BMF

Bundesminister(ium) der Finanzen

BMI

Bundesminister(ium) des Innern

BMJ

Bundesminister(ium) der Justiz

BMVg

Bundesminister(ium) der Verteidigung

BMWi

Bundesminister(ium) für Wirtschaft

BR

Bundesrat

BSR

Bundessicherheitsrat

BT

Bundestag, Deutscher

BtMG

Betäubungsmittelgesetz

BVerfG

Bundesverfassungsgericht

Β Ve rfGG

Bundesve rfassungsge richtsgesetz

BVerwG

Bundesverwaltungsgericht

BW

Baden-Württemberg

B-Waffen

biologische Waffen

BYIL

British Yearbook of International Law

C-Waffen

chemische Waffen

ders.

derselbe

dies.

dieselben

Diss.

Dissertation

Doc.

Document

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung

Drs.

Drucksache

DVB1.

Deutsches Verwaltungsblatt

DVO

Durchführungsverordnung

DWiR

Deutsche Zeitschrift für Wirtschaftsrecht

DWJ

Deutsches Waffenjournal

E

Entscheidung(en)

EA

Europa-Archiv

ebd.

ebenda

EPIL

Encyclopedia of Public International Law

f.

folgende (Seite)

FAZ

Frankfurter Allgemeine Zeitung

ff.

fortfolgende

FlaggenG

Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und der Flaggenführung der Binnenschiffe (Flaggenrechtsgesetz)

Fn.

Fußnote

GA

Goltdammers's Archiv für Straf recht

GewArch

Gewerbe archi ν

GG

Grundgesetz

GO

Gemeindeordnung

Habil.

Habilitation

2 Epping

17

18

Hess

Abkürzungsverzeichnis

Hessen, hessischer

Hrsg.

Herausgeber

HS

Halbsatz

HuV-I

Humanitäres Völkerrecht - Informations Schriften

i.d.F.

in der Fassung

i.E.

im Ergebnis

i.S.

im Sinne

i.V.m.

in Verbindung mit

ICJ

International Court of Justice

ICLQ

International and Comparative Law Quarterly

IGH

Internationaler Gerichtshof

ILM

International Legal Materials

insbes.

insbesondere, insbesondere

IPBPR

Internationaler Pakt über bürgerliche

iur.

juristisch

und politische Rechte vom 19.12.1966 JA

Juristische Arbeitsblätter

JÖR

Jahrbuch des öffentlichen Rechts der

JR

Juristische Rundschau

Jura

Jura

JuS

Juristische Schulung

JW

Juristische Wochenschrift

JZ

Juristenzeitung

Kap.

Kapitel

Gegenwart

KDVG

Kriegsdienstverweigerungsgesetz

KWKG

Kriegswaffenkontrollgesetz

KWL

Kriegswaffenliste

LG

Landgericht

lit.

littera

LuftVG

Luftverkehrsgesetz

LuftVZO

Luftverkehrszulassungsverordnung

m.a.W.

mit anderen Worten

MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

MR

Ministerialrat

m.w.N.

mit weiteren Nachweisen

n.F.

neue Fassung

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

No.

Number

Nr.

Nummer

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

Abkürzungsverzeichnis

NTIR

Nederlands Tijdschrift voor Internationaal Recht

NVA

Nationale Volksarmee

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NW

Nordrhein-Westfalen

NZWehrR

Neue Zeitschrift für Wehrrecht

o.g.

oben genannt

OLG

Oberlandesgericht

OVG

Oberverwaltungsgericht

ÖZöR

Österreichische Zeitschrift für öffentliches Recht und Völkerrecht

PCU

Permanent Court of International Justice

Proc.

Proceedings

RDir

Regierungsdirektor

Rep.

Report

Res

Resolution

RG

Reichsgericht

RGBl.

Reichsgesetzblatt

RGDIP

Revue générale de droit international public

RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in

RIW Rn. Rspr. S.

Recht der Internationalen Wirtschaft

SchwZStR

Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht

Ser.

Series

Strafsachen

sm s.o. sog. SRÜ

Randnummer Rechtsprechung Seite

Seemeilen siehe oben sogenannt UN-Seerechtsübereinkommen

Sten. Ber.

Stenographische Berichte

Sten. Prot.

Stenographische Protokolle

StGB

Strafgesetzbuch

StGH

Staatsgerichtshof

StIGH

Ständiger Internationaler Gerichtshof

StVO u.a. UN

Straßenverkehrsordnung

UNCTAD UNO

unter anderem United Nations United Nations Conference on Trade and Developement United Nations Organization

19

20

Abkürzungsverzeichnis

UNTS

United Nations Treaty Series

UPR

Umwelt- und Planungsrecht

VB1.

Verwaltungsblatt

VerwArch

Verwaltungsarchiv

VerwRspr

Verwaltungsrechtsprechung in Deutschland

VG

Verwaltungsgericht

VGH

Verwaltungsgerichtshof

vgl.

vergleiche

Vol.

Volume

WdStRl

Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer

VwVfG

Verwaltungsverfahrensgesetz

WaffG

Waffengesetz

WPflG

Wehrpflichtgesetz

WRV

Weimarer Reichsverfassung

z.T.

zum Teil

ZaöRV

Zeitschrift für ausländisches öffentliches Recht

Ziff.

Ziffer

ZLW

Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht

ZöR

Zeitschrift für öffentliches Recht

ZP I

Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom

und Völkerrecht

12.8.1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) ZP II

Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12.8.1949 über den Schutz der Opfer nicht internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll

ZParl. ZRP ZStW ZVglRWiss

II) Zeitschrift für Zeitschrift für Zeitschrift für wissenschaft Zeitschrift für schaft

Parlamentsfragen Rechtspolitik die gesamte Strafrechtsvergleichende Rechtswissen-

Einleitung In einem pointierten Bericht der Wochenzeitschrift 'Die Zeit n mit dem Titel "Deutsche Waffen für die Welt" wurden publik gewordene Rüstungsexporte wie z.B. die Weitergabe von U-Boot-Blaupausen der bundeseigenen Howaldtswerke Deutsche Werft A G an Südafrika und die Lieferung von Chemieanlagen durch die Firma Imhausen nach Rabta/Libyen aufgearbeitet. Moniert wurden die Umgehungsmöglichkeiten der deutschen Ausfuhrkontrollen für Rüstungsexporte. Diese wurden vor allem in folgendem gesehen: - Zum einen würden nicht unter die Ausfuhrkontrolle fallende Einzelteile ins Ausland exportiert und dort von z.T. zum Konzern gehörenden ausländischen Firmen zu jetzt nicht mehr der deutschen Ausfuhrkontrolle unterliegenden Kriegswaffen zusammengebaut. - Durch fehlerhafte Endverbleibsangaben der zu exportierenden Kriegswaffen würden Genehmigungen erschlichen. - Anstatt Kriegswaffen würden die Fertigungsanlagen (Werkzeugmaschinen) zur Produktion von Kriegswaffen exportiert. - Es würden zivile Produktionsanlagen, die durch einfache technische Änderungen leicht zur Kriegswaffenproduktion umgerüstet werden können, exportiert. - Im Rahmen von kostensenkenden Kooperationen mit westeuropäischen Bündnispartnern (z.B. TORNADO) würden deutsche Kriegswaffen durch die Kooperationspartner exportiert. Zentraler Begriff dieser Gravamina ist die 'Kriegswaffe 1, wenngleich er in diesem Zusammenhang im juristischen Sinne nicht zutreffend benutzt wird. Der angesprochene Export von Rüstungsgütern betrifft nämlich die Regelungsbereiche des Art. 26 Abs. 2 GG, des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KWKG) und des Außenwirtschaftsgesetzes (AWG). Regelungsgegenstand von Art. 26 Abs. 2 GG und des KWKG sind aber ausschließlich Kriegswaffen, während das A W G neben den Kriegswaffen auch die sonstigen rüstungs-

1

'Die Zeit' vom 3. Februar 1989, S. 11 ff.

Einleitung

22

relevanten Güter erfaßt 2 . Blaupausen für den U-Boot-Bau, Werkzeugmaschinen und sonstige Fertigungsanlagen fallen daher schon von der natürlichen Wortbedeutung des Begriffs der Kriegswaffe her nicht in den Regelungsbereich des Art. 26 Abs. 2 GG und des KWKG, sondern allenfalls in den des AWG, sofern sie nämlich über den enumerativen Warenkatalog der Ausfuhrliste überhaupt erfaßt sind 3 . Damit aber ist die kaum lösbare Frage der Kriegsgeeignetheit von Produkten aufgeworfen, die sich bei den Kriegswaffen so nicht stellt. Denn diese müssen, um die grundgesetzliche Terminologie einzuführen, zum einen schon "Waffen 11 und zum anderen auch noch "zur Kriegführung bestimmt", also nicht nur 'auch* zur Kriegführung geeignete Produkte (sog. dual-use-Güter 4 ) sein. Diese spezifische Widmung zur Kriegführung wiederum ist der Anknüpfungspunkt des Art. 26 Abs. 2 GG, den Umgang mit diesen Waffen unter einen Genehmigungsvorbehalt zu stellen. Art. 26 Abs. 2 GG ordnet an, daß "zur Kriegführung bestimmte Waffen ... nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden" dürfen. Außer der Bundesverfassung der schweizerischen Eidgenossenschaft 5 enthält somit auch das Grundgesetz - soweit ersichtlich - als einzige Verfassung überhaupt eine Regelung zur Kontrolle des Umgangs mit Kriegswaffen, was zugleich die Bedeutung zeigt, die der Parlamentarische Rat aus der historischen Perspektive der jüngeren deutschen Geschichte dieser Materie beimaß. Wenngleich das alliierte Besatzungsrecht in der Bundesrepublik Deutschland auf dem Gebiet der Kriegswaffenkontrolle bereits 1955 aufgehoben

2

Vgl. hierzu V. Epping, DWiR 1991, 276 (279 ff.).

3

AWG vom 28. April 1961 (BGBl. I, S. 481), zuletzt geändert am 21.12.1992 (BGBl. I, S. 2208 f.). 4 5

Hierzu jüngst: K.-P. Dolde, RIW 1992, 517 ff.

Art. 41 Abs. 2 - 4: "Herstellung, Beschaffung und Vertrieb von Waffen, Munition, Sprengmitteln, sonstigem Kriegsmaterial und deren Bestandteilen bedürfen einer Bewilligung des Bundes. Die Bewilligung darf nur an Personen oder Unternehmungen erteilt werden, die vom Standpunkte der Landesinteressen aus die nötige Gewähr bieten. Die Regiebetriebe des Bundes werden vorbehalten. Die Einfuhr und Ausfuhr von Wehrmitteln im Sinne dieser Verfassungsbestimmung darf nur mit Bewilligung des Bundes erfolgen. Der Bund ist berechtigt, auch die Durchfuhr von einer Bewilligung abhängig zu machen. Der Bundesrat erläßt unter Vorbehalt der Bundesgesetzgebung in einer Verordnung die zum Vollzug der Abs. 2 und 3 nötigen Vorschriften. Er stellt insbesondere nähere Bestimmungen über Erteilung, Dauer und Widerruf der Bewilligung und über die Überwachung der Konzessionäre auf. Er bestimmt ferner, welche Arten von Waffen, Munition, Sprengmitteln, sonstigem Material und welche Bestandteile unter diese Verfassungsbestimmung fallen."

Einleitung

wurde 6 , dauerte es noch rund sechs Jahre, bis der Gesetzgeber dem Verfassungsauftrag aus Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG, "das Nähere" durch ein Bundesgesetz zu regeln, mit dem Erlaß des 'Ausführungsgesetzes zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes (Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen)', abgekürzt KWKG, nachkam, das unter dem 1.6.1961 in Kraft trat 7 . Seit dieser Zeit ist das KWKG siebenmal geändert worden, wobei aber lediglich den Änderungen durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung des Waffenrechts vom 31.5.1978 8 und durch das Gesetz zur Verbesserung der Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs und zum Verbot von Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen vom 5.11.1990 9 eine wesentliche Bedeutung zukommt 10 . Das erstgenannte Gesetz ist auf dem Hintergrund der Terroranschläge des Jahres 1977 zustande gekommen. Es standen also Aspekte der inneren Sicherheit bei dieser Novelle im Vordergrund 1 1 . Neben der Beseitigung von Strafbarkeitslücken und Strafverschärfungen wurde in das KWKG u.a. auch ein Genehmigungsvorbehalt für die Vermittlungen von Geschäften über Kriegswaffen, die sich im Ausland befinden, aufgenommen (§ 4a KWKG). Aufgeschreckt durch die Beteiligung deutscher Unternehmen am Aufbau einer Chemiewaffenfabrik in Rabta/Libyen (Imhausen) und an der Aufrüstung 6 Durch Art. 2 des Gesetzes Nr. A-38 der Alliierten Hohen Kommission (AHK) über die Beseitigung der Wirksamkeit und Aufhebung bestimmter Rechtsvorschriften auf den Gebieten der Abrüstung und Entmilitarisierung vom 5.5.1955, Amtsblatt AHK 1955, S. 3271 f.; BAnz. Nr. 92 vom 13.5.1955, S. 3. 7

Gesetz vom 20.4.1961, BGBl. I, S. 444.

8

BGBl. 1978 I, S. 641.

9 BGBl. 1990 I, S. 2428; Neubekanntmachung auf Grund Art. 4 des vorgenannten Gesetzes BGBl. 1990 I, S. 2506. 10

Die übrigen fünf Änderungen erfolgten durch Art. 7 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten vom 24.5.1968 (BGBl. I, S. 481), Art. 25 des Einfuhrungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2.3.1974 (BGBl I, S. 469) und durch den Einigungsvertrag vom 31.8.1990, in Kraft gesetzt durch Gesetz vom 23.9.1990 (BGBl. II, S. 885), Art. 4 des Gesetzes über die Errichtung des Bundesausfuhramtes vom 28.2.1992 (BGBl. I, S. 377) und Art. 18 des Verbrauchssteuer-Binnenmarktgesetzes vom 21.12.1992 (BGBl. I, S. 2208). 11 BT-Drs. 8/1614, S. 1, 14; vgl. auch die Ausführungen der Berichterstatter des federführenden Wirtschaftsausschusses Miltner und Pensky in der 81. Sitzung der 8. Wahlperiode des Deutschen Bundestages vom 16.3.1978, Sten.Prot. S. 6431 ff.; BVerfG, Beschluß vom 12.2.1979 - 1 BvR 840/78, S. 2 (unveröffentlicht); OVG NW, Urteil vom 11.11.1988 - 20 A 1552/85, S. 3 (unveröffenüicht); Β. Schulz, NJW 1978, 150.

24

Einleitung

des Irak 1 2 , für die die Bundesrepublik erhebliche internationale, aber auch nationale Kritik 1 3 erfahren hatte, wurde das KWKG letztmalig durch das o.g. Gesetz vom 5.11.1990 novelliert 14 , indem der Umgang mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen generell, d.h. ohne die Möglichkeit der Genehmigung, verboten wurde (§§ 17 ff. KWKG). Außer im Zusammenhang mit den vorgenannten Ereignissen ist das KWKG jüngst erneut der breiten Öffentlichkeit bewußt geworden, als eine von der Bundeswehr und vom Bundesnachrichtendienst beabsichtigte Lieferung ehemaliger und als landwirtschaftliche Geräte deklarierter NVA-Waffen an den israelischen Geheimdienst noch im deutschen Verladehafen gestoppt wurde 1 S . Ferner erregte das sich bereits im Mittelmeer befindliche und unter deutscher Flagge fahrende Frachtschiff 'Godewind', das 16 aus tschechischer Produktion stammende Panzer des Typs Τ 72 von Stettin nach Syrien verschiffen sollte, Aufsehen, als es unter Begleitung der 'Bremen', einer Fregatte der Bundeswehr, ohne Anlaufen des Zielhafens zurückbeordert wurde 1 6 . Das A W G wurde zeitlich parallel zum KWKG erlassen 1 7 und gerade in jüngster Zeit aus den gleichen Gründen wie das KWKG mehrfach novelliert 1 S . Im Gegensatz zu dem verfassungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalt des Art. 26 Abs. 2 GG geht das AWG aber zunächst von der grundsätzlichen Freiheit des Außenwirtschaftsverkehrs aus, sofern nicht das A W G selbst Einschränkungen enthält oder ermöglicht (§ 1 Abs. 1 AWG), wie z.B. für den Bereich der rüstungsrelevanten Güter im weiteren Sinne. Da Kriegswaffen be12 Vgl. hierzu den offenen Bericht der Bundesregierung zu den legalen und illegalen Rüstungslieferungen in den Irak durch Firmen der Bundesrepublik Deutschland, BT-Drs. 12/487 sowie BT-Drs. 11/3762 und 3995. 13 Z.B. FAZ vom 18.4.1990, S. 7 zum am 17.4.1990 veröffentlichten Bericht der Carnegie-Stiftung sowie 'Die Zeit' vom 3. Februar 1989, S. 11 ff. 14 Zu den Motiven der Novelle vgl. BT-Drs. 11/4609, S. 6 f.; V. Epping, RIW 1991, 461 f. 15 Vgl. nur FAZ vom 29. und 31.10.1991. Zum gesamten Umfang der Lieferung von Waffen aus ehemaligen NVA-Beständen vgl. FAZ vom 3.12.1991, die über den diesbezüglichen Bericht des Bundesministers für Verteidigung an die Mitglieder des Verteidigungsausschusses des Deutschen Bundestages informiert. 16

Vgl. nur FAZ vom 1.2.1992.

17

Vom 28.4.1961, BGBl. I, S. 481.

18

Das fünfte und sechste Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, beide vom 20.7.1990 (BGBl. 1990 I, S. 1457 und 1460), das Gesetz zur Verbesserung der Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs und zum Verbot von Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen vom 5.11.1990 (BGBl. 1990 I, S. 2428) und das Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze vom 28.2.1992 (BGBl. I, S. 372).

Einleitung

reits über das KWKG reglementiert werden, liegt die Hauptbedeutung des AWG weniger in der Erfassung der Kriegswaffen als vielmehr der sonstigen rüstungsrelevanten Güter. Mit strafrechtlichen und völkerrechtlichen Einzelaspekten dieses Problemkreises haben sich in jüngerer Zeit bereits vier Dissertationen befaßt: Jürgen Brauer behandelt in seiner 1988 erschienenen Trierer Dissertation "Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens" ebenso wie Friedrich von Burchard in seiner 1987 erschienenen Freiburger Dissertation "Das Umgehungsgeschäft beim Waffenexport in Drittländer aus strafrechtlicher Sicht" den Fragenkreis der sog. Verwaltungsakzessorietät des Strafrechts. Mit völkerrechtlichen Aspekten des Waffenhandels befaßt sich die 1988 erschienene Bonner Dissertation von Thomas Roeser mit dem Titel "Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen" sowie die 1992 erschienene Heidelberger Dissertation von Stefan Oeter mit dem Titel "Neutralität und Waffenhandel". Überdies hat im Bereich des Kriegswaffenkontrollrechts der 1991 erschienene Kommentar von Klaus Pottmeyer eine Lücke in diesem Bereich geschlossen, die seit der 'Frühkommentierung' 1 9 des KWKG von Gerhard Potrykus aus dem Jahre 1962 bestanden hatte. Wie Klaus Pottmeyer in der Einleitung seines Kommentars ausweist, hat das KWKG bisher eine allenfalls 'stiefmütterliche' Behandlung in der juristischen Literatur erfahren 2 0 , wobei der strafrechtliche Aspekt einen deutlichen Schwerpunkt gerade auch in der Judikatur bildet. Verwaltungsrechtliche oder gar verfassungsrechtliche Judikate sind, sofern überhaupt vorhanden, zum überwiegenden Teil unveröffentlicht. Wie allein die Durchsicht der verfassungsrechtlichen 'Kommentarlandschaft' zu Art. 26 Abs. 2 GG zeigt, ist dieser Bereich nicht als verfassungsrechtliches "Neuland", sondern vielmehr als "Brachland" zu bezeichnen: Die noch als umfänglichste zu bezeichnende Kommentierung von Theodor Maunz (S. 14 - 18 der Kommentierung zu Art. 26 GG) datiert vom März 1964. Die Kommentierung von Eberhard Menzel im Bonner-Kommentar (S. 19 - 21 der Kommentierung zu Art. 26 GG) stammt sogar noch aus der Zeit vor Erlaß des KWKG. Gleiches gilt für die Kommentierung "Das Kriegswaffengebot" von Friedrich Klein in dem von ihm in zweiter Auflage fortgeführten Kommentar von Hermann von Mangoldt (S. 689 des Kommentars). Die übrigen Kommentierungen erschöpfen sich demgegenüber schon von ihrer Grundkonzeption her und aufgrund der bisher vergleichsweise geringeren Bedeutung

19

Erschienen ca. ein Jahr nach Inkrafttreten des KWKG.

20

Vgl. die Literaturaufstellung zum KWKG in: K. Pottmeyer,

KWKG, S. 35.

26

Einleitung

des Art. 26 Abs. 2 GG im Verhältnis zu anderen Grundgesetzbestimmungen in allenfalls rudimentären Ausführungen. Angesichts der gerade in den letzten Jahren gewachsenen Bedeutung dieses 'sensiblen' Bereichs erscheint es angezeigt, die Problematik des Umgangs mit Kriegswaffen nunmehr auch von ihrem verfassungsrechtlichen Ausgangspunkt aus zu beleuchten. Dabei können verwaltungs- und völkerrechtliche Aspekte von der Regelungmaterie her nicht ausgespart bleiben. Denn Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG beschreibt einen Genehmigungstatbestand, der zwar im Grundgesetz seinen Niederschlag gefunden hat, dessen rechtsdogmatische Figur gleichwohl geradezu 'klassisch' im Verwaltungsrecht zu verorten ist. Darüber hinaus verweist der Regelungsgegenstand des Art. 26 Abs. 2 GG, die 'zur Kriegführung bestimmte Waffe', durch die Bezugnahme auf den mit dem Begriff 'Krieg' beschriebenen zwischenstaatlichen Gewaltzustand auf den Regelungsbereich des Völkerrechts. Überdies bedingt die im KWKG angelegte verwaltungsakzessorische Pönalisierung nicht genehmigter, aber genehmigungspflichtiger Handlungen im Umgang mit Kriegswaffen in Teilbereichen auch eine Auseinandersetzung mit dem Strafrecht. Die vorliegende Untersuchung hat sich zum Ziel gesetzt, ausgehend von Art. 26 Abs. 2 GG sich mit der Frage zu befassen, ob der Gesetzgeber durch den Erlaß des KWKG den Verfassungsauftrag aus Art. 26 Abs. 2 GG erfüllt hat. Dieser Ansatz erfordert zugleich eine Analyse der einzelnen Elemente des verfassungsrechtlichen Genehmigungstatbestandes, nämlich den Regelungsgegenstand (die zur Kriegführung bestimmte Waffe), die genehmigungspflichtigen Handlungen (das Herstellen, das Befördern und das Inverkehrbringen) sowie die Genehmigungsbehörde (die Bundesregierung). Deren nähere Ausgestaltung im Ausführungsgesetz gilt es sodann zu überprüfen. Im Nachfolgenden sollen also die verfassungsrechtlichen Vorgaben in Beziehung zu den entsprechenden Normen des Ausführungsgesetzes gesetzt und die Frage der Deckungsgleichheit untersucht werden. 'Überprüfungsgegenstand' im Bereich des KWKG ist damit in erster Linie nur der erste Abschnitt des KWKG ("Genehmigungsvorschriften"), und zwar im speziellen die §§ 1 4 KWKG. Die primär im fünften Abschnitt des KWKG niedergelegten Strafund Bußgeldvorschriften (§§ 19 - 24), die im Wege der sog. 'Verwaltungsakzessorietät' mit den Genehmigungsvorschriften des ersten Abschnitts korrespondieren, werden ebenso wie die übrigen Abschnitte des KWKG nur angesprochen, soweit sie für den Untersuchungsgegenstand von Bedeutung sind.

Erster Teil

Der Begriff der Kriegswaffe Gemäß Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG dürfen zur Kriegführung bestimmte Waffen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, befördert und in Verkehr gebracht werden. Eine genaue Definition dessen, was unter einer 'zur Kriegführung bestimmten Waffe' zu verstehen ist, gibt Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG selbst nicht. Das in Erfüllung des Verfassungsauftrags aus Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG ergangene Ausführungsgesetz, das Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen (KWKG) 1 , bestimmt per Legaldefinition lediglich, daß 'zur Kriegführung bestimmte Waffen' Kriegswaffen sind, § 1 Abs. 1 KWKG. Aus Gründen der Praktikabilität 2 hat sich der Gesetzgeber dafür entschieden, daß die in der Anlage zum Gesetz (KWKG), der sog. Kriegswaffenliste, aufgeführten Gegenstände, Stoffe und Organismen Kriegswaffen i.S. des Gesetzes sind. Einer deflatorischen Klärung des Begriffs der Kriegswaffe entbehrt aber auch das KWKG. Die Kriegswaffenliste hat abschließenden Charakter. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 KWKG, wonach Kriegswaffen im Sinne dieses Gesetzes die in der Kriegswaffenliste aufgeführten Gegenstände, Stoffe und Organismen sind. Bestätigt wird dieser enumerative Charakter der Kriegswaffenliste überdies durch das Fehlen des für eine exemplarische Aufzählung typischen Gesetzespassus 'sind insbesondere, sind vor allem' 3 . Dadurch werden die mit einer abstrakten Definition ansonsten verbundenen Einordnungsschwierigkeiten insofern vermieden, als die Adressaten durch einen Blick in 1 In der Fassung der Neubekanntmachung vom 22.11.1990, BGBl. I, S. 2506, zuletzt geändert am 21.12.1992, BGBl. I, S. 2208. 2 BT-Drs. 3/1589, S. 13; BT-Drs. 10/4275, S. 6; BT-Drs. 11/6427, S. 7; R. Hinze y Waffenrecht, § 1 KWKG Anm. 5; Medicus, in: Deutsches Bundesrecht, I A 15, S. 13 f.; G. Potrykus, KWKG, § 1 Anm. 4 (S. 36). 3 BT-Drs. 3/1589, S. 13; BVerwGE 61, 24 (29); F. Klein, in: Β. Schmidt-Bleibtreu/F: Klein, Art. 26 Rn. 4; G. Potrykus, KWKG, § 1 Anm. 4 (S. 36 f.); G. Potrykus/J. Steindorf, Waffenrecht, § 1 KWKG Anm. 1 (S. 687); Κ Pottmeyer, KWKG, § 1 Rn. 14 m.w.N.; T. Roeser, Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, S. 101; G. Sprögel, in: H. Bebermeyer, Deutsche Ausfuhrkontrolle 1992, S. 21.

28

1. Teil: Der Begriff der Kriegswaffe

die Kriegswaffenliste sofort feststellen können, ob der Gegenstand, Stoff oder Organismus eine Kriegswaffe darstellt 4 und insoweit auch eine Genehmigung erforderlich ist. Dies erscheint - vorbehaltlich der nachfolgenden Untersuchung - im Hinblick auf die Strafbewehrung durch § 22a KWKG, insbesondere auch im Hinblick auf die Erfordernisse des Bestimmheitsgrundsatzes aus Art. 103 Abs. 2 GG sinnvoll 5 . Dabei kann jedoch nicht übersehen werden, daß durch die Wahl dieser Gesetzestechnik nicht bekannte oder neuentwickelte Gegenstände, Stoffe oder Organismen vor ihrer Aufnahme in die Kriegswaffenliste - nach dem KWKG - nicht als Kriegswaffen qualifiziert werden können 6 . Dies gilt selbst dann, wenn diese Gegenstände militärischen Einsatzzwecken im weitesten Sinne dienen 7 . Mit dieser Gesetzestechnik hat sich der Gesetzgeber aber nur im Hinblick auf die Anwendung des KWKG, d.h. die Verwaltungspraxis bei der Genehmigung, der Auslegungsfragen enthoben. Im übrigen enthält § 1 Abs. 2 KWKG die Ermächtigung der Bundesregierung, "die Kriegswaffenliste entsprechend dem Stand der wissenschaftlichen, technischen und militärischen Erkenntnisse derart zu ändern und zu ergänzen, daß sie alle Gegenstände, Stoffe oder Organismen enthält, die geeignet sind, allein, in Verbindung miteinander oder mit anderen Gegenständen, Stoffen oder Organismen Zerstörungen oder Schäden an Personen oder Sachen zu verursachen und als Mittel der Gewaltanwendung bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Staaten zu dienen." Für die Bundesregierung wird daher - will sie von der Ermächtigung Gebrauch machen - die Frage aufgeworfen, ob der betreffende Gegenstand, Stoff 4 OLG Karlsruhe, NJW 1992, 1057 (1058); R. Hinze, Waffenrecht, ebd.; Medi eus, ebd., S. 14; G. Potrykus, KWKG, ebd. 5 Vgl. BT-Drs. 11/6427, S. 6 f. zur Ablehnung des SPD-Entwurfs (BT-Drs. 11/2920) zur Sicherung der Kriegswaffenkontrolle, der u.a. einen Auffangtatbestand in der Kriegswaffenliste vorsah; die Rechtssicherheit und -klarheit betonend: OLG Karlsruhe, NJW 1992, 1057 (1058). 6 G. Potrykus, KWKG, ebd.; G. Potrykus/J. Steindorf, Waffenrecht, ebd.; K. Pottmeyer, KWKG, § 1 Rji. 15; T. Roeser, Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, S. 101; unzutreffend: R. Hinze, Waffenrecht, § 2 Anm. 3, der die Erforderlichkeit einer Herstellungsgenehmigung nach § 2 KWKG auch dann bejaht, wenn die Waffe oder das Gerät, welche nicht in die Kriegswaffenliste aufgenommen worden ist, nach dem gegenwärtigen Stand militärwissenschaftlicher Erkenntnisse zur Kriegführung geeignet sind (demgegenüber ders. auch a.A. in DWJ 1981, 786). 7 K. Pottmeyer, KWKG, ebd., führt zutreffend als Beispiel einen LKW an, der nicht dadurch zur Kriegswaffe wird, daß er militärisch z.B. als Munitionstransporter eingesetzt wird.

1. Teil: Der Begriff der Kriegswaffe

und Organismus eine Kriegswaffe ist. § 1 Abs. 2 KWKG gibt zwar insofern einen gewissen Anhalt, löst jedoch keineswegs alle Zweifelsfragen 8 : Zum einen gibt es zumindest bei kleineren kriegerischen Auseinandersetzungen kaum einen Gegenstand, der nicht auch als Kampfmittel verwendet werden könnte 9 . Zum anderen gibt es neben ausschließlich der Kriegführung vorbehaltenen Waffengattungen (z.B. schwere Artillerie) auch sog. ambivalente Waffen, die sowohl für Kriegszwecke als auch für solche polizeilicher Art bestimmt sind, und schließlich sogar solche Waffen, die nicht nur staatlichen, sondern auch privaten Zwecken dienen (z.B. Revolver) 10 . Sowohl der Wortlaut von Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG als auch § 1 Abs. 2 KWKG haben es insofern offen gelassen, ob für die Genehmigungspflicht der spezielle oder der generelle Verwendungszweck maßgeblich sein soll 1 1 . Dieser Befund wirft mehrere Vorfragen auf, um den Begriff der Kriegswaffe, genauer - das Grundgesetz verwendet den Begriff der Kriegswaffe selbst nicht - einer zur Kriegführung bestimmten Waffe i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG zu bestimmen: - Was ist eine Waffe? Ist der Begriff der technischen Waffe i.S. des Waffengesetzes oder der strafrechtliche Waffenbegriff zugrunde zu legen? - Wie umfassend ist der Begriff der Kriegführung bzw. des Krieges i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG? Ist dieser Begriff deckungsgleich mit dem völkerrechtlichen Kriegsbegriff? Werden auch Bürger- und Befreiungskriege von dem Kriegsbegriff umfaßt? - Wann ist eine Waffe zur Kriegführung

bestimmt?

An die Bestimmung des Kriegswaffenbegriffs des Grundgesetzes schließt sich sodann die Frage der Erfüllung des Verfassungsauftrages aus Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG an.

8

Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 47.

9

Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 46.

10 F. Klein, in: H. v. Mangoldt/F. Klein, Art. 26 Anm. IV. (S. 689); E . Menzel, in: Bonner-Kommentar, Art. 26 Anm. II. 6.; G. Potrykus, KWKG, § 1 Anm. 2 (S. 34). 11

E. Menzel, ebd.; G. Potrykus,

KWKG, § 1 Anm. 2 (S. 35).

30

1. Teil: Α. 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

A. Zur Kriegführung bestimmte Waffen v i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG Die Beantwortung der Frage, wann eine Waffe zur Kriegführung bestimmt ist, hängt zunächst von der Beantwortung der Vorfrage ab, was unter einer Waffe i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG zu verstehen ist.

L Der Begriff der Waffe' Der Begriff der Waffe wird in einer Vielzahl von Gesetzen verwandt. Besondere Bedeutung kommt ihm - schon von der Bezeichnung des Gesetzes im Waffengesetz (WaffG) und im Strafgesetzbuch (StGB) zu. Das Grundgesetz selbst erwähnt den Begriff der Waffe noch im Zusammenhang mit der Kriegsdienstverweigerung in Art. 4 Abs. 3 und 12a Abs. 2 GG, der Versammlungsfreiheit in Art. 8 Abs. 1 GG, dem Verteidigungsfall in Art. 115 Abs. 1, 4 und 5 GG und als Fall der konkurrierenden Gesetzgebung in Art. 74 Nr. 4a GG, ohne jedoch zur Klärung des Waffenbegriffs des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG beizutragen. Entsprechend dem jeweiligen telos der Verfassungsbestimmung verweist die Kommentarliteratur lediglich auf andere spezifische Waffenbegriffe, ohne eine allgemeine Begriffsbestimmung vorzunehmen. Zur Kriegsdienstverweigerung ('Kriegsdienst mit der Waffe') und zum Verteidigungsfall ('Waffengewalt') wird auf den Begriff der Kriegswaffe zurückverwiesen : - Da der Kriegsdienstverweigerer durch Art. 4 Abs. 3 GG vor dem Zwang bewahrt werden soll, in einer Kriegshandlung einen anderen Menschen töten zu müssen, wenn ihm sein Gewissen eine Tötung grundsätzlich und ausnahmslos zwingend verbietet 12 , werden alle Dienste umfaßt, die unmittelbar auf die Tötung von Menschen in Kriegszeiten gerichtet sind 1 3 . Aus der ratio des Art. 4 Abs. 3 GG, nicht am Töten mitwirken zu müssen, und aus der Erkenntnis, daß der moderne Waffeneinsatz ein arbeitsteiliger Einsatz ist, folgt, daß der Begriff des Waffendienstes weit auszulegen ist und nicht nur auf den direkten Kampf mit Hieb-, Stich- und Handfeuerwaffen

12 BVerfGE 12, 45 (56 f.); 23, 191 (205); 28, 243 (262); 32, 40 (46); 48, 127 (164); 69, 1 (54); C. Starck, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/C. Starck, Art. 4 Rn. 93. 13 BVerfGE 69, 1 (54); R. Zippelius, in: Bonner-Kommentar, Art. 4 Rn. 127; C. Starck, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, Art. 4 Rn. 93; R. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 4 Rn. 181; ähnlich: I.v. Münch, in: ders./P. Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 4 Rn. 74.

I. Der Begriff der 'Waffe'

31

14 15 begrenzt ist (sog. "Drucktastenkrieg" ) . Immer muß es sich aber um eine Tätigkeit handeln, die - nach dem Stande der jeweiligen Waffentechnik - in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Einsatz von Kriegswaffen steht 16 .

- Art. 115a GG regelt den Begriff und die Feststellung des Verteidigungsfalls durch die dazu berufenen Staatsorgane. Entsprechend der Legaldefinition des Art. 115a Abs. 1 Satz 1 GG liegt der Verteidigungsfall dann vor, wenn zumindest ein Angriff auf das Bundesgebiet mit Waffengewalt droht. Unter Waffen werden in diesem Zusammenhang "alle technischen Waffen i.S. des StGB" verstanden, wobei es sich um konventionelle, nukleare oder sonstige Waffen handeln kann 1 7 . In praktischer Hinsicht wird daher auch auf die Kriegswaffenliste verwiesen 1 8 . Zur Bestimmung des in Art. 8 Abs. 1 GG verwandten Begriffs der Waffe ('friedlich und ohne Waffen') wird der waffenrechtliche oder der strafrechtliche Waffenbegriff herangezogen: - Grundrechtlich geschützt wird durch Art. 8 Abs. 1 GG nur das Sich-Versammeln ohne Waffen. Das Bewaffnungs verbot als Konsequenz des Unfriedlichkeitsverbots soll gewalttätiges Vorgehen bei Versammlungen und Demonstrationen verhindern 1 9 . Waffen in diesem Sinne sind jedenfalls Waffen im technischen Sinne, wie sie in § 1 WaffG niedergelegt sind, 14 R. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 4 Rn. 181; R. Zippelius, Bonner-Kommentar, Art. 4 Rn. 127.

in:

15 R. Zippelius, in: Bonner-Kommentar, Art. 4 Rn. 127; C. Starck, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, Art. 4 Rn. 93; R. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 4 Rn. 181; ähnlich: I.v. Münch, in: ders./P. Kunig, GrundgesetzKommentar, Art. 4 Rn. 74 f. 16 R. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 4 Rn. 181; ähnl. I.v. Münch, in: ders./P. Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 4 Rn. 74; R. Zippelius, in: BonnerKommentar, Art. 4 Rn. 127; C. Starck, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, Art. 4 Rn. 93; HD. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Art. 4 Rn. 35; O.-E. Kempen, in: Alternativkommentar zum GG, Art. 4 Abs. 3 Rn. 11. 17 L.-A. Versteyl, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 115a Rn. 12; R. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 115a Rn. 28. 18 R. Herzog, ebd.; ähnl. E. Menzel, in: Bonner-Kommentar, Art. 115a Rn. 4, der insoweit das moderne Kriegsbild und die moderne Waffentechnik berücksichtigt wissen will; ebenso A. Hamann (jun.), in: A. Hamann (sen.)/H. Lenz, Art. 115a Anm. A. (S. 677), der nicht jede Waffengewalt als ausreichend ansieht, sondern diese so ausgestaltet sein muß, daß zur Abwehr des gegnerischen Angriffs der Einsatz der Bundeswehr erforderlich ist. 19 R. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 8 Rn. 67; A. Dietel/K zel/M. Kniesel, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, § 2 Rn. 13.

Gint-

32

1. Teil: Α. 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen

und - sofern man nicht im übrigen die weitere Einschränkung der (Un-) Friedlichkeit der Versammlung als eingreifend erachtet 2 0 - jeder Gegenstand, der nach dem "vom Besitzer (Benutzer) gewollten Zweck zur Beibringung von Verletzungen - gleichviel ob im Angriff oder in der Verteidigung - bestimmt ist" 2 1 . Von diesem Befund ausgehend und vor dem Hintergrund, daß das Waffengesetz aufgrund der Kompetenz des Art. 74 Nr. 4a GG ergangen ist und diese Kompetenz alle Arten von Waffen erfassen soll 2 2 , erscheint es zumindest indiziell 2 3 naheliegend, von der sedes materiae, dem Waffengesetz ausgehend - und sofern notwendig - unter Einbeziehung des (weiten) strafrechtlichen Waffenbegriffs einen für Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG maßgeblichen Waffenbegriff zu erschließen. 1. Der Waffenbegriff

des Waffengesetzes

Das Waffengesetz (WaffG) erfaßt Schußwaffen (§ 1 Abs. 1), schußwaffenähnliche tragbare Geräte (§ 1 Abs. 2, 6), wesentliche Teile von Schußwaffen (§ 3), Munition und Geschosse für Schußwaffen (§ 2), Zubehörteile für Schußwaffen (Schalldämpfer, Nachtzielgeräte etc., §§3, 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2), Hieb- und Stoßwaffen (§ 1 Abs. 7) sowie einige für Schußwaffen nicht bestimmte Geschosse, Wurfkörper oder sonstige Gegenstände (§ 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7-9, insbes. Molotow-Cocktails 2 4 ) . Der Begriff der Waffe i.S. des WaffG ist somit im wesentlichen fixiert auf Schußwaffen 2 5 sowie 20 So aber: U. Schwäble, Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit, S. 128 f.; HD. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Art. 8 Rn. 6. 21 I.v. Münch, in: ders., Grundgesetz-Kommentar, Art. 8 Rn. 25; ders., in: Bonne r-Kommentar, Art. 8 Rn. 30; R. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 8 Rn. 66; F. Klein, in: H. v. Mangoldt/F. Klein, Art. 8 Anm. III. 4. b) (S. 308); M. Kloepfer, in: Handbuch des Staatsrechts, Band. VI, § 143 Rn. 38; A. Hamann (jun.), in: A. Hamann (sen.)/H. Lenz, Art. 8 Anm. B. 4. (S. 220); ebenso A. Dietel/K. Gintzel/M. Kniesel, Demonstrations- und Versammlungsfreiheit, § 2 Rn. 13, die expressis verbis das Waffenverbot auf lediglich zur Sachbeschädigung geeignete und bestimmte Gegenstände erstrecken. 22

Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 74 Rn. 98.

23

Grundlegend hierzu: W. Leisner, Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung, insbes. S. 23, 32, 39, 61 ff. 24 Vgl. hierzu G. Potrykus/J. (S. 221).

Steindorf,

Waffenrecht, § 37 WaffG Anm. 8.

25 Schußwaffen sind nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 1 WaffG Geräte, die zum Angriff, zur Verteidigung, zum Sport, Spiel oder zur Jagd bestimmt sind und bei denen Geschosse durch einen Lauf getrieben werden. Ein Lauf ist jedoch nicht unbedingt erforderlich, da tragbare Geräte, die zum Abfeuern von Munition bestimmt sind, den Schußwaffen nach § 1 Abs. 2 WaffG gleichstehen (sog. Schußwaffen im weiteren Sinne, vgl. G. Potrykus/J. Steindorf, Waffenrecht, § 1 WaffG Anm. 5).

I. Der Begriff der 'Waffe'

33

Hieb- und Stichwaffen 2 6 . Schon aus dieser Begrenzung folgt, daß der Begriff der zur Kriegführung bestimmten Waffe nicht deckungsgleich mit dem der Waffe i.S. des WaffG ist. 'Klassische' bzw. 'typische' Kriegswaffen wie ABC-Waffen, Flugkörper, Kampfflugzeuge und -hubschrauber, Kriegsschiffe und Kampffahrzeuge werden nicht vom WaffG umfaßt. Gleichwohl werden, wie § 37 Abs. 2 Nr. 3 WaffG zeigt, von der Begriffsbestimmung der Schußwaffe nach dem WaffG auch Kriegswaffen i.S. des KWKG erfaßt. Danach findet das Verbot des § 37 Abs. 1 WaffG dann keine Anwendung, wenn eine Schußwaffe zugleich Kriegswaffe ist 2 7 . Mithin geht das WaffG davon aus, daß auch bestimmte Schußwaffen Kriegswaffen sein können 2 8 . 2. Der Waffenbegriff

des StGB

Gegenüber dem insoweit zu engen Waffenbegriff des WaffG erstreckt die nicht unumstrittene Rechtsprechung des BGH den strafrechtlichen Waffenbegriff der §§ 113 Abs. 2 Nr. 1; 121 Abs. 3 Nr. 2; 125a Nr. 2; 127 Abs. 2 und 3; 223a; 244 Abs. 1 Nr. 2; 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf alle gefährlichen Werkzeuge, selbst wenn sie keine Waffen im technischen Sinne, d.h. i.S. des WaffG sind 2 9 . Der Waffenbegriff des WaffG ist also im strafrechtlichen Waffenbegriff enthalten. Diese, sich auf den Wortlaut und die Materialien des § 223a StGB stützende Auslegung versteht folglich unter dem Begriff der

26 Hieb- und Stichwaffen sind nach der Legaldefinition in § 1 Abs. 7 WaffG Waffen, die ihrer Natur nach dazu bestimmt sind, unter unmittelbarer Ausnutzung der Muskelkraft durch Hieb, Stoß oder Stich Verletzungen beizubringen. Ihnen stehen Geräte gleich, die ihrer Natur nach dazu bestimmt sind, unter Ausnutzung einer anderen als mechanischen Energie durch körperliche Berührung Verletzungen beizubringen. 27

Legt man das KWKG zugrunde, betrifft dies Maschinengewehre, Maschinenpistolen, vollautomatische Gewehre (KWL-Nr. 29. a-c und § 37 Abs. 1 S. 1 Nr. l d WaffG), halbautomatische Gewehre, die nicht Sport- oder Jagdzwecken dienen und die ihrer äußeren Form nach den Anschein der vorbezeichneten Waffen erwecken (KWL-Nr. 29. d und § 37 Abs. 1 S. 1 Nr. le WaffG), Rohre und Verschlüsse zu den vorbezeichneten Waffen (KWL-Nr. 34., 35. und §§ 37 Abs. 1 S. 1 Nr. ld, e; 3 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nr. 2 WaffG); vgl. Κ Pottmeyer, KWKG, Einl. Rn. 89-100. 28 Zum problematischen Verhältnis von Kriegswaffenrecht und Waffenrecht bei tragbaren Kriegsschußwaffen (§ 6 Abs. 3 WaffG) vgl. instruktiv D. Holthausen, NStZ 1982, 363 ff. m.w.N. und OLG Karlsruhe, NJW 1992, 1057 (1058 f.). 29 So schon RGSt 30, 176 (178); 68, 238 (239); BGHSt 1, 1; 4, 125 (127); BGH NJW 1978, 1206; vgl. auch: E. Dreher/H. Tröndle, StGB § 223a Rn. 2; HJ. Hirsch, in: Leipziger Kommentar zum StGB, § 223a Rn. 6; a.A. W. Stree, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 223a Rn. 4 m.w.N. 3 Epping

34

1. Teil: Α. 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

Waffe einen alle gefährlichen Werkzeuge umfassenden Oberbegriff 30 . Gefährliches Werkzeug wiederum ist ein solches, das unter Berücksichtigung seiner objektiven Beschaffenheit und nach Art der Benutzung konkret geeignet ist, erhebliche Körperverletzungen bei dem Angegriffenen hervorzurufen 3 1 . Dieses weite Verständnis hat zur Folge, daß sogar grundsätzlich ungefährliche Gegenstände wie ein Bindfaden eine Waffe i.S. des Strafrechts darstellen kann 3 2 . Somit wird - entgegen dem natürlichen Wortsinn der Definition nicht verlangt, daß das Medium abstrakt gefährlich ist. D.h., die objektive Beschaffenheit ist letztendlich nicht maßgeblich 3 3 . Diese Auffassung berücksichtigt, daß nahezu jedes Medium vom Täter bei einem Angriff oder Kampf zu Angriffs- und Verteidigungszwecken als Waffe eingesetzt werden kann und deshalb die darin liegende besondere Gefährlichkeit der Pönalisierung durch das StGB unterliegen muß 3 4 . Folglich werden Waffen durch das StGB nur als Ausdruck einer besonderen Gefährlichkeit des Täters, der diese zur Sicherstellung des Erfolgs einer Straftat gegenüber dem Opfer oder einem Dritten einsetzt, als strafschärfende Sanktion erfaßt. In diesem Sinne hat der Waffenbegriff eine 'personenbezogene1 Ausrichtung. So stellt die Sachbeschädigung nicht einmal in einer Qualifikation -jedenfalls nicht expressis verbis und allgemein (vgl. §§ 310b ff. StGB) -, begrifflich auf die Einwirkung von Waffen ab. 3. Der Waffenbegriff

als Querschnittsbegriff

Die unterschiedlichen Waffenbegriffe des WaffG und des StGB beruhen auf den unterschiedlichen Schutzzwecken der Gesetze. Das WaffG dient dem 30 Ebd.; insbes. H.J. Hirsch, in: Leipziger Kommentar zum StGB, § 223a Rn. 6; ebenso Th. Oppenhoff, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, § 223a Anm. 3 unter Verweis auf die Materialien (S. 516); da insofern Einigkeit besteht, daß nicht schon immer die Verwendung einer Waffe ausreicht, um diesen Tatbestand zu erfüllen, vielmehr auch in einem solchen Fall die Voraussetzungen eines gefährlichen Werkzeugs gegeben sein müssen, ist der Streit nur akademischer Natur, so: E. Horn, in: Systematischer Kommentar zum StGB, § 223a Rn. 8 und HJ. Hirsch, ebd. 31 RGSt 4, 397; BGHSt 3, 105 (109); E. Dreher/H. Tröndle, StGB, § 223a Rn. 2 m.w.N.; H.J. Hirsch, in: Leipziger Kommentar zum StGB, § 223a Rn. 7 m.w.N.; W. Stree, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 223a Rn. 4 m.w.N. 32 E. Horn, in: Systematischer Kommentar zum StGB, § 223a Rn. 12; ebenso H. Schröder, JZ 1967, 522 (524) 33 Allgemeine Ansicht, vgl. nur H.J. Hirsch, in: Leipziger Kommentar zum StGB, § 223a Rn. 8; E . Dreher/H. Tröndle, StGB, § 223a Rn. 2; W. Stree, in: A. Schönke/ H. Schröder, StGB, § 223a Rn. 4 jeweils m.w.N. auch aus der Rechtsprechung; a.A. E. Horn, in: Systematischer Kommentar zum StGB, § 223a Rn. 10, 12. 34 H.J. Hirsch, in: Leipziger Kommentar zum StGB, § 223a Rn. 8; W. Stree, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 223a Rn. 4.

I. Der Begriff der 'Waffe'

35

Schutz der inneren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und zur Regelung der Berufsausübung im Waffenherstellungsgewerbe und im Waffenhandel 3 5 . Wesentliches Ziel des WaffG ist es, den Umgang mit dem gefährlichen Gegenstand 'Waffe* so zu gestalten, daß unzuverlässige Personen von diesem ferngehalten werden, um einem Mißbrauch von Waffen und Munition vorzubeugen 3 6 . Mithin erstreckt sich der Regelungsbereich des WaffG auf solche Waffen, die zur Begehung von Straftaten und anderen, die innere Sicherheit gefährdenden Delikten eingesetzt werden 3 7 . In dieser Hinsicht ist der Waffenbegriff also begrenzt. Die Zielrichtung des StGB geht darüber hinaus. Es soll den Rechtsfrieden zwischen den Bürgern schützen und Rechtsverletzungen ahnden 3 8 , was die Weite des strafrechtlichen Waffenbegriffs rechtfertigt. Gleichwohl scheidet wegen des darin liegenden grundsätzlichen Verzichts auf die abstrakte Gefährlichkeit des Mediums dieser Begriff als für Art. 26 Abs. 2 GG maßgeblicher Waffenbegriff aus. Sowohl die waffenrechtliche als auch die strafrechtliche Begriffsbestimmung geben überdies keine abstrakte Umschreibung des Mediums Waffe, sondern weichen aus auf die Bezeichnung der Wirkungen der Waffe - die Herbeiführung von Körperverletzungen und Sachbeschädigungen - und den Verwendungszweck - zu Sport- und Jagd- bzw. Angriffs- und Verteidigungszwecken - 3 9 . Gleichwohl gibt die weite strafrechtliche Definition des Waffenbegriffs Merkmale vor, die auf einen über das StGB hinausgehenden Waffenbegriff übertragbar sind, der im Hinblick auf den Waffenbegriff des Art. 26 Abs. 2 GG auch Sachschäden erfassen muß. Unter Zugrundelegung der strafrechtlichen Definition - nicht aber des spezifischen Verständnisses - ergibt sich jedenfalls, daß die objektive Beschaffenheit ein maßgebliches Merkmal des Begriffs der Waffe ist. Dies bestätigt auch der Schußwaffenbegriff des WaffG, der in seinem weiten Verständnis ein Gerät zum Abschuß von Munition verlangt, § 1 Abs. 2 WaffG. Dehnt man den 'personenbezogenen' Waf35

G. Potrykus, KWKG, Einl. Anm. 5 (S. 8); G. Potrykus/J. Steindorf, Waffenrecht, Vorbem. KWKG Anm. 5 (S. 685); K. Pottmeyer, KWKG, Einl. Rn. 79; T. Roeser, Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, S. 95. 36

J. Steindorf,

Waffenrecht, Einführung, S. 11 f.

37

T. Roeser y Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, ebd. 38

T. Roeser, ebd., S. 96.

39

Ähnlich: T. Roeser, ebd., S. 101.

36

1. Teil: Α. 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

fenbegriff des StGB überdies auf Sachbeschädigungen aus, muß das Medium - mag es ein Gegenstand, ein Stoff oder ein Organismus sein, wie es das KWKG in § 1 definiert - nach der objektiven Beschaffenheit geeignet sein, Verletzungen und/oder Sachbeschädigungen hervorzurufen. 4. Der begrenzte Waffenbegriff

des KWKG

Indes fragt sich, ob die in § 1 KWKG vorgenommene Fixierung auf Gegenstände, Stoffe und Organismen dem für Art. 26 Abs. 2 GG maßgeblichen Waffenbegriff entspricht. Ein Versuch einer allgemeinen Definition legt den Waffenbegriff, insbesondere den ABC-Waffen Rechnung tragend, nicht auf mechanische Waffen fest, wie dies bereits der BGH in seiner ersten, in der amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidung betonte: "Die für die enge Auslegung angeführten Gründe, die ihren Ursprung hiernach nicht in strafrechtlichen Erwägungen, sondern gerade in der außerstrafrechtlichen Auffassung vom Wesen der Waffe hatten, haben durch die seitdem eingetretene Entwicklung ihre Berechtigung verloren. Wie die Kriegstechnik in wachsendem Maße Waffen auch zur Herbeiführung von Verbrennungen, Betäubungen, Vergiftungen hergestellt und verwendet hat und damit sogar Waffenwirkungen von viel entsetzlicherer Art schuf, als sie den mechanischen Kampfmitteln eignen, so rechtfertigt auch rein gedanklich das fortgeschrittene Forschungsbild der Naturwissenschaften nicht mehr, die Scheidung zwischen mechanischen und chemischen Vorgängen mit der gleichen Strenge zu betonen, wie das früheren Zeiten geboten erschien. Dieser Entwicklung ist auch der allgemeine Sprachgebrauch in dem, was er unter "Waffen" versteht, längst gefolgt." 4 0

Wenngleich der BGH in dem zu entscheidenden Fall nur über chemische Waffenwirkungen zu befinden hatte, subsumiert er ausdrücklich alle anderen, insbesondere neuentwickelte Waffen nicht nur unter den Waffenbegriff des StGB, sondern auch unter den des allgemeinen Sprachgebrauchs. Der Waffenbegriff wird also offen vor allem für Neuentwicklungen verstanden. Der in § 1 KWKG vorgenommenen Fixierung auf Gegenstände, Stoffe und Organismen ist daher mit den Worten der vorzitierten BGH-Entscheidung zur Entwicklung des Waffenbegriffs zu widersprechen. Hatte man im 19. Jahrhundert u.a. noch keine Vorstellungen über atomare und biologische Waffen, so zeigt heute beispielsweise die auch anhand der Ereignisse des 2. Golfkriegs (1990/91) diskutierte Frage der Umwelt als Waffe 4 1 neue Perspektiven des 40 41

BGHSt 1, 1 (3); Hervorhebung durch den BGH.

Vgl. hierzu: S. Witteler, Umwelt und bewaffneter Konflikt - Die Regelungen der neuen Verträge des humanitären Völkerrechts und des Rechts der Rüstungsbegrenzung mit direktem Umweltbezug und H. Spieker, Völkergewohnheitsrechtlicher Schutz der natürlichen Umwelt im internationalen bewaffneten Konflikt.

37

II. Der Kriegsbegriff

Waffenbegriffs auf. Angesichts der fortschreitenden Entwicklung ist die feste Begrenzung des Waffenbegriffs auf körperliche Gegenstände, Stoffe - unter die die Substanzen für A- und C-Waffen sowie Sprengstoffe gefaßt werden 4 2 - und Organismen - biologische Kampfmittel 4 3 -, wie sie das KWKG vornimmt, nicht tauglich, den sich wandelnden und sich weiterentwickelnden Waffenbegriff zu erfassen. Mag die Definition des § 1 Abs. 2 KWKG, die überdies die drei Waffenmedien allein, in Verbindung miteinander oder anderen Gegenständen, Stoffen oder Organismen erfaßt, dem gegenwärtigen Stand der Waffentechnik und der derzeitigen menschlichen Vorstellungskraft entsprechen, so bleibt sie, wie gerade die zitierte BGH-Entscheidung darlegt, hinter dem offenen Begriff der Waffe, wie ihn Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG und das StGB erfordern, zurück. 5. Ergebnis zu I. Eine Waffe im natürlichen Wortsinn und i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG liegt dann vor, wenn das Medium nach der objektiven Beschaffenheit zur Hervorrufung von Verletzungen oder/und Sachbeschädigungen geeignet ist. Durch die in § 1 KWKG vorgenommene Begrenzung des Mediums auf Gegenstände, Stoffe und Organismen bleibt das KWKG hinter dem für neue Entwicklungen offenstehenden Waffenbegriff des Art. 26 Abs. 2 GG zurück.

Π . Der Kriegsbegriff Um die spezifische Zweckbestimmung der Waffe i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG zu erfassen, d.h. den Unterschied zwischen einer Waffe im vorgenannten Sinne und einer zur Kriegführung bestimmten Waffe, bedarf es zunächst der Bestimmung des Begriffs des Krieges in Art. 26 Abs. 2 GG. 1. Der Begriff des Krieges i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG Der Wortlaut des Art. 26 Abs. 2 GG selbst gibt keinen Aufschluß über den Begriff des Krieges. Gleiches gilt für das Grundgesetz im übrigen, in dem der Begriff des 'Krieges' noch verwendet wird in den Art. 4 Abs. 3 und Art. 12a Abs. 2 Satz 1 GG, die das Grundrecht der Kriegsdienstverweigerung betref-

42

G. Potrykus,

43

Ebd.

KWKG, § 1 Anm. 3 (S. 36); Κ Pottmeyer,

KWKG, § 1 Rn. 3.

1. Teil: Α . 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

38

fen, sowie in Art. 26 Abs. 1 GG, der das friedliche Zusammenleben der Völker schützt und demgemäß alle Handlungen verbietet, die einen friedensstörenden Charakter haben. Als Sonderfall der friedensstörenden Handlung wird in Art. 26 Abs. 1 beispielhaft die Führung eines Angriffskrieges hervorgehoben, während der den Untersuchungsgegenstand bildende Abs. 2 einen Spezialfall der Friedensgefährdung 4 4 9 nämlich die Gefährdung des Friedens durch Kriegswaffenherstellung und -vertrieb im Sinne eines Genehmigungsvorbehaltes regelt 4 5 . Nicht nur, daß diese Artikel ebenso wie das gesamte Grundgesetz überhaupt einer Definition des Begriffs 'Krieg 1 entbehren, wird dieser zudem an keiner Stelle allein, sondern nur in Verbindung mit anderen Begriffen benutzt: - Kriegsdienst

(Art. 4 Abs. 3 und 12a Abs. 2 Satz 1 GG),

- Angriffskrieg (Art. 26 Abs. 1 GG) und - Ausführung (Art. 26 Abs. 2 GG). Legt man die populär-wissenschaftliche Begriffsbestimmung des Brockhaus zugrunde, wird der Begriff Krieg in Abgrenzung zum Bürgerkrieg als bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Staaten 4 6 definiert. Indes bedarf diese Definition zunächst einer verfassungsrechtlichen Einschränkung. Dem Wortlaut des Art. 26 GG kann entnommen werden, daß der Kriegsbegriff des Abs. 1 gegenüber dem Kriegsbegriff des Abs. 2 auf den Angriffskrieg beschränkt ist. Der Verteidigungskrieg ist, wie überdies die Art. 65a, 80a, 87a

44 Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 74 Rn. 71; Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 41; ders., in: Festgabe für C. Schmitt, 1. Teilband, S. 285 (292); F. Klebt, in: B. Schmidt-Bleibtreu/F. Klein, Art. 26 Rn. 4; F. Klein, in: H. v. Mangoldt/F. Klein, Art. 26 Anm. IV. 1.; K -Α. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 29; H Lenz, in: A. Hamann/H. Lenz, Art. 26 Anm. B.4. ("Konkretisierung des Art. 26 Abs. 1 Satz 1"); ebenso G. Frank, in: Alternativkommentar zum GG, Art. 26 Rn. 44 ("verfassungsrechtlich ausformulierte Konkretisierung"); D. Holthausen, NStZ 1982, 363 (368); Κ Pottmeyer, KWKG, Einl. Rn. 63. Dies bestätigen auch die Materialien zum Grundgesetz: Der Abgeordnete F. Eberhard schlug in der 12. Sitzung des Grundsatzausschusses des Parlamentarischen Rates am 15.10.1948 eine Ergänzung des jetzigen Art. 26 GG vor. Zur Betonung der Friedfertigkeit sollte das Grundgesetz auch etwas über die Produktion, den Transport, die Einfuhr und das Inverkehrbringen von Waffen und Munition sagen (Sten. Prot. S. 32, zitiert nach D. S. Lutz, Krieg und Frieden als Rechtsfrage im Parlamentarischen Rat 1948/49, S. 35, 46). 45

Ähnl. der Berichterstatter Dahlgrün in: Sten.Prot. der 144. Sitzung des BT (3. Wahlperiode) am 22.2.1961, S. 8160 (D). 46

Brockhaus Enzyklopädie, 12. Band (KIR-LAG), S. 491 (Stichwort: "Krieg").

II. Der Kriegsbegriff

39

sowie die Regelungen über den Verteidigungsfall in Art. 115a ff. GG zeigen, erlaubt 4 7 . Auch die überwiegende Ansicht sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Literatur geht in Entsprechung der vorgenannten populär-wissenschaftlichen Begriffsbestimmung davon aus, daß Art. 26 GG und damit auch der Kriegsbegriff nur den zwischenstaatlichen Bereich betreffen kann 4 8 . Ob diese Auslegung tragfähig ist, unterliegt zumindest in zweierlei Hinsicht Zweifeln: Zum einen haben seit Ende des Zweiten Weltkrieges in erster Linie Bürgerund Befreiungskriege und nicht zwischenstaatliche Konflikte das Bild der bewaffneten Auseinandersetzungen bestimmt 4 9 . Geht man zum anderen von einem einheitlichen Kriegsbegriff des Grundgesetzes aus 5 0 , steht der Ausgrenzung interner bewaffneter Konflikte die Wertung des Art. 4 Abs. 3 GG und damit auch des Art. 12a Abs. 2 Satz 1 GG, der an die in Art. 4 Abs. 3 GG geregelte Kriegsdienstverweigerung anknüpfend die Möglichkeit der Heranziehung zum Ersatzdienst normiert, entgegen. Der Kerngehalt des Grundrechts aus Art. 4 Abs. 3 GG besteht darin, den Kriegsdienstverweigerer vor dem Zwang zu bewahren, in einer Kriegshandlung einen anderen töten zu müssen, wenn ihm sein Gewissen eine Tötung grundsätzlich und ausnahmslos

47 F. Klein, in: H. v. Mangoldt/F. Klein, Art. 26 Anm. ΙΠ 3 c (m.w.N.); Κ Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, S. 509; Th. Maunz, in: Maunz/ Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 26 Rn. 24; E. Menzel, in: Bonner-Kommentar, Art. 26 Anm. II 4. c). Begründet wurde diese Differenzierung des Krieges vom Parlamentarischen Rat damit, daß der Verteidigungskrieg nicht verboten sein dürfe, so Th. Dehler in der 48. Sitzung des Hauptausschusses des Parlamentarischen Rates vom 9.2.1949, was zur Ersetzung des zunächst vorgeschlagenen Begriffs Krieg durch Angriffskrieg führte (Sten.Ber. S. 626), vgl. K-B. v. DoemmingjR.W. Füsslein/W. Matz, JÖR 1 (1951), 240: "kein Volk hat das Recht, sich der Pflicht zu seiner Verteidigung zu entziehen"; ebenso bereits H. v. Brentano in der 6. Sitzung des Hauptausschusses vom 19.11. 1948, vgl. K-B. v. Doemming/R. W. Füsslein/W. Matz, JÖR 1 (1951), 237. 48 BVerwG NJW 1982, 194 (195 f.) = DÖV 1983, 118 (119 f.); BVerwGE 61, 24 (31 a.E.); Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 12; E. Menzel, in: Bonner-Kommentar, Art. 26 Anm. II 1; F. Klein, in: H. v. Mangoldt/F. Klein, Art. 26 Anm. III 1; H.D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Art. 26 Rn. 1; wohl auch BVerfGE 63, 343 (370: "Das Grundgesetz geht von der Eingliederung des von ihm verfaßten Staates in der Völkerrechtsordnung der Staatengesellschaft aus [Präambel, Art. 24 bis 26 GG]"). 49

K. Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 61 Rn. 6.

50

So: V. Epping, Der Staat, 31 (1992), 39 ff. (insbes. 58).

40

1. Teil: Α. 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

zwingend verbietet 5 1 . Wenn dem einzelnen durch Art. 4 Abs. 3 GG also erspart werden soll, sich gegen sein Gewissen an Tötungshandlungen beteiligen zu müssen, so gilt dies auch bei einem Einsatz in einem internen Konflikt wie z.B. einem Bürgerkrieg. Denn die Gewissensnot, vor der Art. 4 Abs. 3 GG bewahren will, unterscheidet sich in beiden Fällen nicht 5 2 . Daher umfaßt der Krieg i.S. des Art. 4 Abs. 3 GG auch den internen Konflikt wie z.B. den Bürgerkrieg 5 3 . 2. § 1 Abs. 2 letzter Halbsatz KWKG Das KWKG definiert in § 1 Abs. 2 letzter Halbsatz die Kriegswaffe als Mittel der Gewaltanwendung zwischen Staaten. Es fragt sich, ob diese Definition dem Kriegsbegriff des Art. 26 GG Abs. 2 GG gerecht wird, denn Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG, nach welchem "das Nähere" durch Bundesgesetz geregelt wird, enthält eine Verpflichtung (einen sog. Verfassungsauftrag) des Gesetzgebers zum Erlaß eines konkretisierenden Gesetzes 5 4 . Im Zusammenhang mit dem Verfassungsauftrag aus Art. 4 Abs. 3 Satz 2 GG hat sich das BVerfG grundsätzlich dahingehend geäußert, daß ein Grundrecht, soweit die Verfassung dies nicht zuläßt, durch einfaches Gesetz in seinem sachlichen Gehalt nicht eingeschränkt werden kann. Denn die Grundrechte sind, wie Art. 1 Abs. 3 GG ausdrücklich feststellt, unmittelbar geltendes Recht, das auch den Gesetzgeber bindet. Daraus folgert das BVerfG, daß, soweit sich schon durch Auslegung die sachliche Reichweite eines Grundrechts unmittelbar erschließen läßt, kein Raum für eine konstitutive Regelung durch den einfachen Gesetzgeber bleibt, eine authentische Interpretation der Verfassung ihm mithin verwehrt ist. Versucht daher dennoch ein Gesetz, den Gehalt des Grundrechts mit eigenen Worten verdeutlichend zu umschreiben, 51

St. Rspr. des BVerfG, E 12, 45 (56 f.); 23, 191 (205); 28, 243 (262); 32, 40 (46); 48, 127 (163 f.); 69, 1 (54); Η Bethge, in: Handbuch des Staatsrechts, Band VI, § 137 Rn. 54 (S. 465); Ch. Starck, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, Art. 4 Abs. 3 Rn. 93; R. Zippelius, in: Bonner-Kommentar, Art. 4 Rn. 125; R. Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 4 Rn. 179; I.v. Münch, in: ders./P. Kunig, Grundgesetz-Kommentar, Art. 4 Rn. 74; W. Hantel, in: K.A. Bettermann/ H.C. Nipperdey/U. Scheuner, Die Grundrechte, 4. Band, 1. Halbband, S. 105. 52

R. Zippelius, ebd.

53

Ch. Starck, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, Art. 4 Abs. 3 Rn. 94; R. Zippelius, in: Bonner-Kommentar, Art. 4 Rn. 124; R. Scholz, in: Maunz/Dürig/ Herzog/Scholz, Art. 4 Rn. 180; O.-E. Kempen, in: Alternativkommentar zum GG, Art. 4 Abs. 3 Rn. 11; V. Epping, Der Staat, 31 (1992), 39 (49); W. Steinlechner, Kriegsdienstverweigerungsgesetz, § 1 Rn. 7. 54

Th. MaunZy in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 54; H.D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Art. 26 Rn. 8.

II. Der Kriegsbegriff

41

so geschieht das auf die Gefahr, daß dieser Interpretationsversuch mit der Verfassung in Widerspruch gerät 5 5 . Diese Grundsätze sollen - so das Bundesverfassungsgericht - auch gelten, wenn der Gesetzgeber in einer Grundgesetznorm ermächtigt ist, "das Nähere" zu regeln, wie weit auch immer im übrigen der Umfang dieser Befugnis im Einzelfall erstreckt werden muß 5 6 . D.h., ob der Kriegsbegriff des § 1 Abs. 2 letzter Halbsatz KWKG mit dem des Art. 26 Abs. 2 GG übereinstimmt oder von ihm abweicht, ist im Wege der Auslegung aus der Verfassung selbst zu entnehmen 5 7 . Daß diese Aussage auch für Art. 26 GG gelten muß, der selbst kein Grundrecht ist, folgt letztlich aus Art. 20 Abs. 3 GG. Die in § 1 Abs. 2 letzter Halbsatz KWKG in Erfüllung des Verfassungsauftrags erlassene Regelung läßt somit keinen Schluß darauf zu, was unter dem Begriff 'Krieg' i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG zu verstehen ist. 3. Spannungs- und Verteidigungsfall Der Begriff Krieg hat im Grundgesetz keinen weiteren als den erwähnten Niederschlag gefunden. Zur verfassungsrechtlichen Erfassung und Handhabbarkeit möglicher internationaler Konfliktsituationen (sog. äußerer Notstand) sind in das Grundgesetz der 'Spannungsfall' (Art. 80a) und der 'Verteidigungsfall· (Art. 115a GG) aufgenommen worden, die vom Regelungsbereich her möglicherweise Aufschluß über den Kriegsbegriff geben könnten. Nach der Legaldefinition des Art. 115a Abs. 1 Satz 1 GG liegt der Verteidigungsfall dann vor, wenn das Bundesgebiet mit Waffengewalt angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht. Auf den ersten Blick liegt es 55 BVerfGE 12, 45 (53); 28, 243 (260); 48, 127 (163); 69, 1 (22 f., 52, 54). Ebenso: R. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 4 Rn. 194; Ch. Starck, in: Η. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, Art. 4 Abs. 3 Rn. 113; R. Zippelius, in: BonnerKommentar, Art. 4 Abs. 3 Rn. 141; vgl. auch BVerfGE 7, 377 (403 f.). 56 BVerfGE 12, 45 (53); zur Problematik, daß mit dieser Aussage der Gesetzesvorbehalt, auf Grund dessen der Gesetzgeber das betreffende Grundrecht einschränken darf (Art. 2 Abs. 2 Satz 3; 5 Abs. 2; 8 Abs. 2; 10 Abs. 2 Satz 1, 13 Abs. 2 GG) und die Ermächtigung zu einer bloßen Regelung des Näheren gleichgesetzt wird, vgl. R. EkkertZy Die Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen als Grenzproblem des Rechts, S. 332 ff. und R. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 3 Rn. 195. 57 Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 54; H.D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Art. 26 Rn. 8: "Das Gesetz gem. Abs. 2 S. 2, ..., kann keine Abweichungen vom sachlichen Gehalt des Abs. 2 S. 1 vorsehen, ...". Vgl. grundlegend: W. Leisner y Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze zur Gesetzmäßigkeit der Verfassung, insbes. S. 39, 61 ff.

42

1. Teil: Α . 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen

nahe, lediglich die erste und nicht die zweite Alternative des Art. 115a Abs. 1 GG (es droht erst ein Angriff mit Waffengewalt) unter den Kriegszustand zu subsumieren. Denn in tatsächlicher Hinsicht entspricht die erste Alternative, der Angriff auf die Bundesrepublik mit Waffengewalt, dem völkerrechtlich relevanten Zeitpunkt des Beginns der Feindseligkeiten, der eine Möglichkeit für den Beginn eines internationalen bewaffneten Konflikts darstellt 5 8 . Indes beschreibt die erste Alternative - wenn überhaupt - nur einen möglichen Teilaspekt des Krieges. Daß der Begriff des Verteidigungsfalls nicht mit dem Begriff des Krieges deckungsgleich ist, hat K. Ipsen überdies schon unter Verweis auf die Funktion des Begriffs 'Verteidigungsfair aufgezeigt 5 9 . Denn die Begründung des Regierungsentwurfs zu diesem Gesetz, das noch den später durch den Ausdruck 'Verteidigungsfair ersetzten Begriff 'Zustand äußerer Gefahr' enthielt 6 0 , führt hierzu aus: "Die Feststellung des Zustandes äußerer Gefahr hat, wie sich aus den Artikeln

115b bis 1151 ergibt, weittragende

Folgen für die innerstaatliche

Rechtsordnung

Sie eröffnet u.a. die Möglichkeit, von einigen Grundrechtsbestimmungen verfahrensmäßig abzuweichen, läßt dem Bund erweiterte Gesetzgebungskompetenzen zuwachsen und ermöglicht - durch den Gemeinsamen Ausschuß - ein vereinfachtes und abgekürztes Gesetzgebungsverfahren." 6 1

Der Normzweck von Art. 115a GG liegt also in der Abwehr der für die Bundesrepublik durch einen bewaffneten Angriff von außen bewirkten Gefahr durch eine den Abwehrerfordernissen entsprechende Umstellung ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung 6 2 , ohne diese Situation aber als Krieg zu definieren bzw. überhaupt definieren zu können. Dementsprechend ist der 'Verteidigungsfall' lediglich ein Tatbestandsmerkmal, von dessen Vorliegen andere Normen den Eintritt einschneidender Rechtsfolgen abhängig machen 6 3 . Gleiches gilt auch für den Spannungsfall nach Art. 80a G G 6 4 . Denn dieser ist

58

Vgl. nur: Κ Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 66 Rn. 1.

59

Κ Ipsen, DÖV 1971, 583 (585 ff.).

60

Kurzprotokoll der 73. Sitzung des Rechtsausschusses - 5. Wahlperiode - vom 7.3.1968, S. 8; vgl. hierzu eingehend und unter Bezugnahme auf den gestrichenen Art. 59a GG: Κ Ipsen, DÖV 1971, 583 (585). 61

BT-Drs. 5/1879, S. 24; Hervorhebung im Anschluß m Κ Ipsen, ebd.

62

Κ Ipsen, ebd.; N.K. Riedel, Der Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland, S. 68 f.; H. Woopen f NZWehrR 1983, 201 (210); B. Rieder, Die Entscheidung über Krieg und Frieden nach deutschem Verfassungsrecht, S. 299 f. 63

16 f.

Κ Ipsen, ebd.; R. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 115a Rn.

64 K. Ipsen, DÖV 1971, 583 (586); N.K Riedel, Der Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland, S. 69; V. Epping f Der Staat, 31 (1992), 39 (44).

43

II. Der Kriegsbegriff

- ohne auf das Problem der Bestimmbarkeit dieses Begriffs einzugehen

65

- als

eine Vorstufe des Verteidigungsfalles konzipiert und ebenfalls ausschließlich auf die Abwehr einer äußeren Gefahr für die Bundesrepublik

66

durch zweck-

entsprechende Anpassung der innerstaatlichen Rechtsordnung an die Gefahrenlage gerichtet. Der Spannungsfall liegt somit auch zeitlich vor einem Kriegszustand, ist mit dem Begriff Krieg also nicht identisch. Die Begriffe Spannungsfall und Verteidigungsfall geben somit auch keinen Aufschluß über den Begriff des Krieges 4. Völkerrechtliche

67

.

Begriffsbestimmung

I m Gegensatz zur Reichsverfassung von 1871 verfassung

69

68

und der Weimarer Reichs-

hat nunmehr Art. 26 G G , um mit E. Menzel zu sprechen, das

Problem des im Völkerrecht verorteten "Kriegßhrungsrechts

einer verfas-

65 Vgl. hierzu K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, § 55 II 2. (S. 1440); K.-A. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 80a Rn. 13; eine Übersicht über die Definitionsversuche gibt K.O. Juschka, Bundeswehrverwaltung 1970, 194. 66 Die Begründung des Rechtsausschusses im Entwurf 1965 definierte den Spannungsfall als "eine vor der formalen Feststellung des Zustandes der äußeren Gefahr liegende bedrohliche Situation" (vgl. den schriftlichen Bericht des Rechtsausschusses zu BT-Drs. 4/3493, S. 10). 67 Lediglich Art. 115a Abs. 5 GG, der die völkerrechtliche Erklärung des Bundespräsidenten über das Bestehen des Verteidigungsfalls regelt, stellt für das innerstaatliche Tatbestandsmerkmal Verteidigungsfall einen internationalen Bezug her, indem diese Regelung dem auch für die Bundesrepublik geltenden Abkommen über den Beginn der Feindseligkeiten vom 18.10.1907 (sog. III. Haager Abkommen - RGBl. 1910, 82) Rechnung trägt (K. Ipsen, DÖV 1971, 583 [587]; E. Menzel, in: BonnerKommentar, Art. 115a Rn. 80 - 82). Jedoch erlangt der Verteidigungsfall (bzw. genauer seine Feststellung) als bloßes Tatbestandsmerkmal des Art. 115a Abs. 5 GG selbst noch keine völkerrechtliche Qualität. Denn Art. 115a Abs. 5 GG legt nur die innerstaatlichen Voraussetzungen fest, damit ein Verfassungsorgan Erklärungen abgeben kann, die Rechtsfolgen auf dem Gebiet des Völkerrechts herbeiführen (K. Ipsen, DÖV 1971, 583 [586]; E. Menzel, in: Bonner Kommentar, Art. 115a Rn. 77 79; R. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 115a Rn. 88 f.; V. Epping, Der Staat, 31 [1992], 39 [44 f.]). 68 Die Kriegserklärung und der Friedensschluß waren Sache des Kaisers, der gem. Art. 11 nur zur Erklärung von Angriffskriegen der Zustimmung des Bundesrates bedurfte. Durch Gesetz vom 28.10.1918 wurde dieses Recht aber dahingehend eingeschränkt, daß der Kaiser zur Erklärung des Krieges und zum Abschluß von Friedensverträgen in allen Fällen der Zustimmung des Bundesrates und des Reichstages bedurfte. 69 Art. 45 Abs. 2 WRV enthielt lediglich eine Bestimmung über die innerstaatlichen Voraussetzungen einer Kriegserklärung und eines Friedensschlusses: "Kriegserklärung und Friedensschluß erfolgen durch Reichsgesetz."

44

1. Teil: Α. 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

sungsrechtlichen Regelung unterzogen" 7 0 , weshalb es naheliegen könnte, die Lösung der hier in Rede stehenden Frage u.a. auch im Völkerrecht zu suchen. Denn der Krieg oder ein bewaffneter Konflikt überhaupt ist in erster Linie ein Zustand der internationalen Gewaltanwendung, der durch das Völkerrecht definiert wird und in dem sich die Rechtsbeziehungen, d.h. die Rechte und Pflichten der kriegführenden Parteien, nach dem Kriegsvölkerrecht bestimmen. Dies wird angesichts des im Grundgesetz lediglich geregelten Spannungs- und Verteidigungsfalls und des eben nicht geregelten Krieges oder des bewaffneten Konflikts deutlich: Das Verfassungsrecht kann lediglich das auf einen Krieg bezogene Verhalten der nationalen Staatsorgane regeln 7 1 . Methodisch stellt sich dabei die Frage, wie die Übernahme einer völkerrechtlichen Begriffssubstanz in die innerstaatliche Rechtsordnung zu begründen ist, da es sich sowohl beim Völkerrecht als auch beim nationalen Recht zunächst um voneinander unabhängige, autonome Rechtsordnungen mit jeweils eigenständigem Geltungsgrund, Rechtsetzungsverfahren und Anwendungsbereich handelt. Art. 25 GG als Verbindungsnorm zwischen Staats- und Völkerrecht ist hierfür nicht fruchtbar zu machen, denn diese Transformationsnorm kann nur völkerrechtlichen Rechtsnormen Geltung im innerstaatlichen Rechtsbereich verschaffen. Da aber unbestrittenermaßen ein Sachverhalt beide Rechtsbereiche tangieren kann und eine tatsächliche wechselseitige Durchdringung schon angesichts der nicht nur postulierten Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes vorliegt, erfolgt die Begriffsbestimmung dann im Lichte der im Einzelfall betroffenen Rechtsordnung, d.h. der hier zu bestimmende Begriff des Krieges wird mit Hilfe des Völkerrechts definiert bzw. der völkerrechtliche Kriegsbegriff gegebenenfalls sogar als der staatsrechtliche übernommen, sofern die innerstaatliche Rechtsordnung dem nicht entgegensteht 7 2 . a) Existenz des Rechtsinstituts 'Krieg' Betrachtet man die den neueren deutschsprachigen Gesamtdarstellungen zum Völkerrecht entnommenen Definitionen des Begriffs 'Krieg', ist auffal7 0

E. Menzel, in: Bonner-Kommentar, Art. 26 Anm. II. 4.

7 1

P. Radura , Staatsrecht, Κ 7 (S. 564).

72

Ebenso Α. Coridaß, Der Auslandseinsatz von Bundeswehr und Nationaler Volksarmee, S. 30 f.; vgl. auch BVerfGE 74, 51 (57 ff.; insbes. 57: "Die Vorschrift des Art. 16 Abs. 2 Satz 2 GG knüpft inhaltlich an das völkerrechtliche Institut des Asylrechts an. ... Es sollte ... das bestehende und bekannte, im Völkerrecht wurzelnde Institut des Asylrechts ... zu einem grundrechtlichen Rechtsanspruch des Asylsuchenden werden [vgl. BVerfGE 54, 341 (356); auch BVerwGE 67, 184 (185)])".

II. Der Kriegsbegriff

45

lend, daß hierzu auf das klassische Völkerrecht rekurriert wird, ohne selbst eine unserer Zeit entsprechende Definition zu geben 7 3 . (1) Der Krieg als Rechtsinstitut und das Gewaltverbot Dies könnte einmal damit zusammenhängen, daß die Vertreter einiger Staaten im UN-Sicherheitsrat 7 4 sowie Stimmen im völkerrechtlichen Schrifttum 7 5 von der Prämisse ausgehen, daß die Schaffung eines Kriegszustandes mit dem gewohnheitsrechtlich geltenden und in Art. 2 Ziff. 4 der UN-Charta niedergelegten Gewaltverbot 7 6 nicht vereinbar sei, so daß der Krieg als Institut des Völkerrechts nicht mehr existiere und deshalb auch keine Rechtsfolgen aus diesem Status folgen könnten. Da mithin kein Staat mit Ausnahme der Selbstverteidigung (Art. 51 UN-Charta) sowie im Rahmen kollektiver Zwangsmaßnahmen (Art. 42, 53 UN-Charta) 7 7 militärische Gewalt einsetzen dürfe, sei es eine "rechtstheoretische Absurdität" 7 8 , den Kriegszustand anzuerkennen und damit zu legitimieren mit der Konsequenz, dem Rechtsbrecher aus seinem Rechtsbruch noch zusätzliche Rechte zuzuerkennen 7 9 . Diese Konsequenz aber ist bereits in der Struktur dieses Rechtsinstituts angelegt. Denn der Krieg ist eine Tatsache, ein soziales Phänomen, an den das Kriegsrecht erst anknüpft 8 0 . Die gegenwärtige Funktion des Kriegsrechts besteht nämlich einmal in der Gewährleistung des Individualschutzes und zum anderen in der Gewährleistung der Verhältnismäßigkeit der Methoden und

73

Vgl. K. Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 64 Rn. 10; A. Verdross/B. verselles Völkerrecht, § 1337 (m.w.N. in Fn. 5); /. Seidl-Hohenveldern, Rn. 1830.

Simma, UniVölkerrecht,

74 Z.B. Stellungnahme des Ständigen Vertreters von Mexiko vor dem Sicherheitsrat am 19.6.1981, UN-Doc. S/PV.2288, S. 43, und von Israel am 26.7.1951, S.C.O.R., 549th Meeting, S. 41 f. 75 E. Lauterpacht, ASIL Proc. 1968, 58 ff.; N. Feinberg, The Legality of a "State of War" after the Cessation of Hostilities, S. 41 ff. 76 Zur gewohnheitsrechtlichen Geltung vgl. nur: H. Fischer, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 57 Rn. 27. 77 Die Rechte aus den Feindstaatenklauseln der Art. 107, 53 Abs. 1 S. 2 UNCharta sind obsolet geworden, vgl. V. Epping, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 28 Rn. 27 ff. m.w.N. 78

Begrifflichkeit nach S. Oeter, Neutralität und Waffenhandel, S. 74 in bezug auf den diesbezüglichen Ausspruch von E. Lauterpacht, ASIL Proc. 1968, 58 (63: "a genuine measure of absurdity"). 79

E. Lauterpacht, ebd.

80

S. Oeter, Neutralität und Waffenhandel, S. 74.

46

1. Teil: Α. 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

Mittel in diesen Konflikten 8 1 . Zwar soll das Gewaltverbot auch den Krieg als soziales Phänomen beseitigen. Die darauf gerichteten Normen sind jedoch keinesfalls geeignet, den Erfolg, also die Beseitigung des Krieges, zu belegen 8 2 . Vielmehr belegen gerade die über 160 bewaffneten Konflikte 8 3 seit der Beendigung des Zweiten Weltkrieges und damit seit Kodifizierung des Gewaltverbots in Art. 2 Ziff. 4 der UN-Charta das Gegenteil, wie auch einige Friedensverträge in der jüngeren Staatenpraxis 8 4 . Angesichts der häufigen Anwendung von bewaffneter Gewalt zwischen Staaten ist daher in umgekehrter Richtung die gewohnheitsrechtliche Geltung des Gewaltverbots in Frage gestellt worden 8 5 . (2) Die Ablösung des Kriegsbegriffs durch den Begriff des internationalen bewaffneten Konflikts? Gleichwohl fragt sich, ob das Problem der völkerrechtlichen Bestimmung des Begriffs Krieg durch die Ersetzung dieses Begriffs durch den des internationalen bewaffneten Konflikts seine Bedeutung für das Völkerrecht verloren hat. Das Problem der Begriffsbestimmung des Krieges lag bzw. liegt darin, daß das Völkerrecht nur zwischen Friedensrecht und Kriegsrecht unterscheidet, hingegen in tatsächlicher Hinsicht immer wieder militärische Gewaltmaßnahmen während des 'Friedenszustandes' verzeichnen muß. Zudem beginnt nach herkömmlicher Auffassung der (Staaten-) Krieg mit einer den Kriegszustand begründenden Kriegserklärung, einem bedingten Ultimatum oder der Eröffnung von Feindseligkeiten mit der Absicht, den

81

K. Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 63 Rn. 2.

82

So zutreffend: S. Oeter, ebd.; H. Lauterpacht, in: L. Oppenheim, International Law, Band 2, S. 202; ebenso: H. Kelsen/R.W. Tucker , Principles of International Law, S. 23; Ch. Greenwood , ICLQ 1987 (Vol. 36), 283. 83 Zahl nach Κ. Ipsen , in: ders., Völkerrecht, § 61 Rn. 6; vgl. auch S. Oeter, Neutralität und Waffenhandel, S. 87 (Fn. 1 m.w.N.). 84 Z.B. der ägyptisch-israelische Friedensvertrag, I L M 1979, S. 362 (363: Art. 1 Nr. 1: "The state of war between the parties will be terminated and peace will be established between them ...") und der israelisch-libanesische Truppenrückzugs vertrag aus dem Libanon-Vertrag, I L M 1983, S. 708 (709: Art. 1 Nr. 2: "The parties confirm that the state of war between Israel and Lebanon has been terminated and no longer exists."). 85 T.M. Franck , AJIL 81 (1987), 116 (119); D'Amato , AJIL 81 (1987), 101 (103). Zu diesem Einwand R.A. Mullerson , AJIL 83 (1989), 494 (507) und H. Fischer , in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 57 Rn. 27.

II. Der Kriegsbegriff

47

Kriegszustand herbeizuführen 8 6 . Die Abgabe einer solchen einseitigen, empfangsbedürftigen Kriegserklärung, die nach Art. 1 des III. Haager Abkommens über den Beginn von Feindseligkeiten vom 18.10.1907 8 7 für den Beginn des Kriegszustandes maßgeblich war, hat, wie die Nichtbeachtung dieser Vorschrift in der Staatenpraxis insbesondere vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg zeigt, jedoch keine gewohnheitsrechtliche Geltung erlangt 8 8 . Dies ist einerseits sicherlich die Folge des mit einem Überraschungsangriff verbundenen militärischen Vorteils 8 9 . Andererseits scheuen sich die Staaten angesichts des Gewaltanwendungsverbots in Art. 2 Ziff. 4 der UN-Charta davor, ihren Rechtsverstoß durch eine Kriegserklärung offenkundig werden zu 90 lassen, wollen also dem 11Odium eines Angriffkrieges /der Rechtswidrig91 keit " entgehen. Demzufolge war und ist es die Regel, daß selbst größere bewaffnete Auseinandersetzungen wie der Falklandkrieg zwischen dem Vereinigten Königreich und Argentinien (1982) ohne Eintritt des Kriegszustandes und ohne alle sich daran knüpfenden Rechtsfolgen geführt wurden 9 2 . Im Falklandkrieg wurde das Bestehen eines Kriegszustandes von beiden Konfliktparteien bestritten 93. Exemplarisch hierfür ist die Stellungnahme hinsichtlich der rechtlichen Qualifikation dieser Auseinandersetzung durch den Lordpräsidenten des Kronrates J. Biffen :

86 K. Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 63 Rn. 5; ders., in: Festschrift für E. Menzel, 405 (420); E. Castren, The Present Law of War and Neutrality, S. 31; W. Meng, in: EPIL 4 (1982), 283 (287); D. Schindler, in: Α. Cassese, The New Humanitarian Law of Armed Conflict, S. 3 (16); K.J. Partsch , in EPIL 3 (1982), 25; N.K. Riedel, Der Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland, S. 43; T. Roeser, Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, S. 116; G. Moritz, NZWehrR 1970, 55 (56). 87

RGBL 1910, 82.

88

K. Ipsen, ebd.; W. Meng, ebd.; T. Roeser, Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, S. 116 (Fn. 77); S. Oeter, Neutralität und Waffenhandel, S. 75. 89

So ausdrücklich: E. Menzel, Völkerrecht, S. 360.

90

E. Menzel, Völkerrecht, S. 353.

91

M. Hakenberg, Die Iransanktion der USA während der Teheraner Geiselaffäre aus völkerrechtlicher Sicht, S. 29; N.K. Riedel, Der Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland, S. 45. 92

K. Ipsen, ebd.; vgl. auch N.K. Riedel, Der Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland, S. 44, Fn. 24; eine gelungene Aufarbeitung der zwischenstaatlichen Konflikte seit 1945 in der Staatenpraxis findet sich bei S. Oeter, Neutralität und Waffenhandel, S. 87 ff. 93

S.-S. Junod, La protection des victimes du conflit armé des Iles Falkland-Malevinas, S. 18; S. Oeter, Neutralität und Waffenhandel, S. 111 m.w.N. zur Qualifkation dieses Konflikts in der Staatenpraxis.

48

1. Teil: Α . 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

"... we do not consider that there exists a state of war between this country and Argentina." 9 4

sowie die Erklärung des Regierungssprechers im britischen Oberhaus Viscount Trenchard: "... neither side has in the old-fashioned way declared war on the other. I am not a lawyer, but I understand that the majority of lawyers today take the view that we are not at war but that hostilities are being carried out under Article No. 51 in selfdefence, which has been described many times before." 9 5

Um insbesondere die Rechtsfolgen des humanitären Völkerrechts auch ohne den nach dem klassischen Völkerrecht hierfür erforderlichen Kriegszustand eintreten zu lassen, hat sich in den Kodifikationen nach dem Zweiten Weltkrieg, angefangen mit dem gleichlautenden Art. 2 Abs. 1 der Vier Gefer Abkommen vom 12.8.1949 9 6 zum Schutz von Opfern bewaffneter internationaler Konflikte der Begriff 'bewaffneter Konflikt' (armed conflict) durchgesetzt. Die Konventionen gelten "in allen Fällen eines erklärten Krieges oder eines anderen bewaffneten Konflikts, der zwischen zwei oder mehreren der Hohen Vertragsparteien entsteht, auch wenn der Kriegszustand von einer dieser Parteien nicht anerkannt wird". Die Genfer Abkommen verwenden also noch beide Begriffe, d.h. den Krieg und den bewaffneten Konflikt nebeneinander, haben den Begriff 'Krieg' also nicht ersetzt, sondern ihn in dem weitergehenden Begriff des internationalen bewaffneten Konflikts, für den der Krieg ein Beispielsfall ist, aufgehen lassen 9 7 . Während für die Anwendung der humanitären Vorschriften des Kriegsrechts die Charakterisierung des Konflikts als internationaler bewaffneter Konflikt ausreicht, wird überdies für die Anwendung des Neutralitätsrechts weiterhin das Vorliegen des Kriegszustandes im klassischen Sinne verlangt 9 8 . 94

BYIL 53 (1982), 520.

95

BYIL 53 (1982), 519.

96

BGBl. 1954 II, S. 917. Vgl. auch Art. 18 Abs. 1 der Kulturschutzkonvention (BGBl. 1967 II, S. 1235). 97 K. Ipsen, in: ders, Völkerrecht, § 64 Rn. 10; ders., in: Festschrift für E. Menzel, S. 405 (421 f.); G. Moritz, NZWehrR 1970, 55 (57). 98 Jüngst eingehend auch unter Auswertung der Staatenpraxis seit 1945: 5. Oeter, Neutralität und Waffenhandel, S. 68 ff. (Ergebnis S. 128); siehe weiter nur&L. Bindschedler, in: EPIL 4 (1982), 9 (10); D. Schindler, in: A. Cassese, The New Humanitarian Law of Armed Conflict, S. 3 (5, Fn. 8 m.w.N.; 13). Wie K. Ipsen (in: ders., Völkerrecht, § 63 Rn. 7) am Beispiel der Resolution des Institut de droit international zu den Wirkungen bewaffneter Konflikte auf Verträge vom 28.8.1985 (AIDI 61, II [1986], 278) aber zutreffend aufzeigt, wird künftig insofern eine Gleichstellung anzunehmen sein.

49

II. Der Kriegsbegriff

Ferner ist der Begriff des internationalen bewaffneten Konflikts ein Sammelbegriff für sämtliche Erscheinungsformen zwischenstaatlicher Anwendung von Waffengewalt wie sie ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit in Art. 3 des Anhangs zur Aggressionsdefinition 1 0 0 aufgeführt sind. Damit umfaßt der Begriff des internationalen bewaffneten Konflikts auch solche Waffengewalt, die üblicherweise als sog. kriegsähnliche Maßnahmen (measures short of war) - wie die bewaffnete Intervention, die friedliche Blockade und die militärische Repression - nicht vom Kriegsbegriff erfaßt werden sollen 1 0 1 . Folglich ist aus völkerrechtlicher Sicht die Definition des Kriegsbegriffs - als notwendiger Anknüpfungspunkt für die Regeln des Kriegsvölkerrechts nicht entbehrlich. b) Die Elemente des völkerrechtlichen Kriegsbegriffs Bis zum Ende des Ersten Weltkrieges wurde die Definition des Krieges in der Völkerrechtswissenschaft an zwei Merkmalen festgemacht: (1) in objektiver Hinsicht an dem Gebrauch von Gewalt und (2) in subjektiver Hinsicht an dem Ziel der Überwältigung des Gegners

102

.

Die friedenssicherungsrechtlichen Kodifikationen der Zeit seit dem Ersten Weltkrieg - z.B. die Völkerbundsatzung, die sogar ein Kriegsverbot bzw. eine Kriegsächtung enthaltenden Verträge wie der Locarno-Pakt vom 16.10. 1925 1 0 3 und der Briand-Kellog-Pakt vom 27.8.1928 1 0 4 sowie schließlich die UN-Charta - brachten in Ermangelung einer Definition des Kriegsbegriffs oder definitorischer Ansätze keine weiteren Aufschlüsse über den Begriffsinhalt. Vielmehr setzten sie den Begriff des Krieges als gewohnheitsrechtlich

99

Κ Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 64 Rn. 14.

100

UN-Res. 3314 (XXIX) vom 14.12.1974.

101

Vgl. J.L. Kunz, in: Wörterbuch des Völkerrechts, Band 2, S. 329 (330); Κ Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 64 Rn. 10-14; ders, in: Festschrift für E. Menzel, S. 405 (420). 102 Vgl. W; Meng, EPIL 4 (1982), 282 (283). Als Beispiel hierfür wird in aller Regel auf die bekannte Definition von C. von Clausewitz (1780-1831; in: Vom Kriege, Kap. 1, Nr. 2, 24.) verwiesen: "Der Krieg ist also ein Akt der Gewalt, um den Gegner zur Erfüllung unseres Willens zu zwingen"; so z.B. W. Meng, ebd.; F. Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, II. Band, S. 2; I. Detter de Lupis, The Law of War, S. 6; Κ Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 62 Rn. 6. 103

RGBl. 1926 II, 583.

104

RGBl. 1928 II, 97.

4 Epping

1. Teil: Α . 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

50

feststehend voraus 1 0 5 . So ist es nicht verwunderlich, daß auch noch nach dem Zweiten Weltkrieg Teile der Völkerrechtswissenschaft den vorgenannten beiden 'klassischen1 Merkmalen verhaftet waren 1 0 6 . (1) Der Gebrauch von Gewalt Demgegenüber wurde bzw. wird unter Verweis auf die 'papierenen1 Kriegserklärungen vieler lateinamerikanischer Staaten, die gegenüber dem Deutschen Reich sowohl im Ersten als auch im Zweiten Weltkrieg erklärt worden waren, ohne daß es vorher oder nachher überhaupt zu militärischen Gewaltakten gekommen war, eingewandt, daß die bewaffnete Gewalt nicht mehr notwendiger Bestandteil des Kriegszustandes s e i 1 0 7 . Diese Auffassung trägt der Staatenpraxis bis zur Beendigung des Zweiten Weltkrieges Rechnung, wonach schon allein durch die papierenen Kriegserklärungen bereits ein Kriegszustand entstand 1 0 8 . Andererseits wurde im Hinblick auf die in der Praxis lediglich deklaratorisch abgegebenen Kriegserklärungen gefolgert, daß die Gewaltanwendung das konstituierende Merkmal des Kriegzustands s e i 1 0 9 . Knüpft man zur Überprüfung dieser Thesen insofern an Art. 1 des III. Haager Abkommens (über den Beginn der Feindseligkeiten) an, so stellt dieser auf die unzweideutige Benachrichtigung, respektive die Kriegserklärung ab. Erst danach dürfen die Feindseligkeiten beginnen. Da jedoch der Beginn der Feindseligkeiten das weitere, zeitlich nachfolgende Tatbestandsmerkmal des Art. 1 ist und des weiteren der Beginn der Feindseligkeiten, wie der Titel des Abkommens und seine Präambel deutlich machen,das bestimmende Merkmal des III. Haager Abkommens ist, kann der Beginn der Feindseligkeiten nicht unbeachtlich sein. Wenngleich der Eintritt des Kriegszustandes somit

105 Dies gilt im gleichen Maße für die kriegsvölkerrechtlichen Abkommen, vgl. G. Moritz, NZWehrR 1970, 55 (56). 106 L. Oppenheim, International Law, Band II, S. 202, hierzu eingehend: Y. Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, S. 8 ff.; Ch. Rousseau, Droit international public, S. 537. 107 F. Berber f Lehrbuch des Völkerrechts, Π. Band, S. 3 (Fn. 6); A. Verdross, Völkerrecht, S. 433; J.L. Kunz, in: Wörterbuch des Völkerrechts, Band 2, S. 329 (331); W. Meng, EPIL 4 (1982), 282 (283). 108 Jüngst aufgearbeiteten und nachgewiesen von H.-J. Wolff , Kriegserklärung und Kriegszustand nach klassischem Völkerrecht, S. 38-78, insbes. 58 (Fn. 177 m.w.N.) u. 77 f.; vgl. auch E. v. Puttkamer y EPIL 4 (1982), S. 276 m.w.N.; H. Mosler/K Doehringy Die Beendigung des Kriegszustandes mit Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, S. 257 ff.; Ch. Dominicéy La notion du caractère ennemi des biens privés dans la guerre sur terre, S. 27 m.w.N. 109

L. DelbeZy RGDIP 1953, 177 (193).

II. Der Kriegsbegriff

51

unmittelbar nur an die unzweideutige Benachrichtigung anknüpft, so jedoch nur dann, wenn auch Feindseligkeiten folgen sollen. Denn anderenfalls würden bei einem lediglich formal erklärten Krieg die wesentlichen Teile des Kriegsrechts in Ermangelung eines Einsatzes bewaffneter Gewalt gar nicht zur Anwendung kommen können 1 1 0 . Daß ein Krieg lediglich formal, d.h. ohne aktive Feindseligkeiten bzw. ohne den Einsatz bewaffneter Gewalt nicht gegeben sein dürfte, läßt sich neben dem allgemeinen Sprachgebrauch 1 1 1 insbesondere aus dem humanitären Völkerrecht ableiten, das den Begriff des Krieges in dem weitergehenden Begriff des (internationalen) bewaffneten Konflikts hat aufgehen lassen. Entsprechend dem gleichlautenden Art. 2 Abs. 1 der Vier Genfer Abkommen vom 12.8.1949 ist - wie bereits erörtert - der Krieg nur ein Beispielsfall des (internationalen) bewaffneten Konflikts. Daraus folgt, daß der in dem Begriff Krieg enthaltene Konflikt 'bewaffnet 1 sein muß. Bewaffnet ist ein Konflikt dann, wenn eine Konfliktpartei gegen die andere das Instrument der Waffe einsetzt 112 . Mithin ist diese Eigenschaft zu verneinen, wenn die schädigenden und auch völkerrechtswidrigen Aktivitäten unterhalb der Schwelle des Waffeneinsatzes bleiben, wie z.B. die bloße Drohung mit der Anwendung bewaffneter Gewalt 1 1 3 . Denn das Kriegsrecht bzw. das Recht des internationalen bewaffneten Konflikts ist ausschließlich auf solche Schädigungshandlungen zugeschnitten, die unter Waffengewalt, d.h. unter Einsatz eines technischen Instrumentariums, vorgenommen werden 1 1 4 . Der Begriff des Krieges erfordert daher wesensnotwendig die Anwendung von Waffengewalt. Das Abstellen auf das Kriterium des Gebrauchs von Gewalt für die Definition des Kriegsbegriffs erscheint aber aus einem anderen Grund problematisch, da die bewaffnete Intervention, die friedliche Blockade und die militärische Repression, üblicherweise als sog. kriegsähnliche Maßnahmen (meas-

110

H. Kelsen/R.W.

Tucker , Principles of International Law, S. 23.

m Vgl. dazu die 'Brockhaussche' Begriffsbestimmung, s.o. S. 38. 112 K. Ipsen y in: ders., Völkerrecht, § 64 Rn. 4; ders., in: Festschrift für E. Menzel, S. 405 (419). 113 Κ Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 64 Rn. 5; ders., in: Festschrift für E. Menzel, S. 405 (419).

114

Κ Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 64 Rn. 6; E. Menzel, Völkerrecht, S. 351.

1. Teil: Α. 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

52

ures short of war) nicht vom Kriegsbegriff erfaßt werden 1 1 5 . Zurückzuführen ist diese Auffassung auf das Bemühen der Staatenpraxis im 19. Jahrhundert, Kategorien von im Vergleich zum Krieg beschränkten gewaltsamen Operationen zu entwickeln, um die rechtlichen Folgen des Krieges zu vermeiden 1 1 6 . Die measures short of war wurden vom Krieg anhand ihrer faktischen Begrenzung nach Ziel, Mittel, Eingriffsgut und -dauer abgegrenzt. Dazu wurde auf die Begrenztheit, die Friedlichkeit der eigenen Ziele, die Begrenzung der eingesetzten Mittel, die Beschränkung des Eingriffs auf bestimmte Rechtsgüter des anderen Staates bzw. seiner Staatsangehörigen und die sofortige Einstellung der Gewaltmaßnahmen bei Zielerreichung abgestellt. Zur Rechtfertigung der Gewaltanwendung im Frieden wurde besonders die Rechtmäßigkeit des eigenen Anspruchs behauptet 117 . Gerade am Beispiel der Intervention zeigt sich, daß auch die jüngere Staatenpraxis weiterhin dazu neigt, militärische Interventionen mit dem Anspruch völkerrechtsgemäßen Handelns zu decken 1 1 8 . Dies gilt gleichermaßen für die militärische Repression, die von der klassischen Völkerrechtslehre und Staatenpraxis als äußerstes Selbsthilfemittel - unter der Geltung des Friedensvölkerrechts - zur Durchsetzung rechtmäßiger Ansprüche, deren Erfüllung vom gegnerischen Staat zu Unrecht verweigert wurde, betrachtet wurde 1 1 9 . Angesichts des gewohnheitsrechtlich verfestigten und in Art. 2 Ziff. 4 UNCharta kodifizierten Gewaltverbots, das jede Anwendung von (militärischer) Gewalt mit Ausnahme zur Selbstverteidigung (Art. 51 UN-Charta) und gemäß den Beschlüssen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen (Kap. V I I UNCharta) verbietet, ist heutzutage sowohl die militärische Intervention als auch die militärische Repressalie zum Zwecke der Einhaltung des Friedensvölkerrechts außerhalb des Krieges im Gegensatz zum klassischen Völkerrecht jedenfalls als rechtswidrig zu qualifizieren.

115

Vgl. J.L. Kunz, in: Wörterbuch des Völkerrechts, Band 2, S. 329 (330); Κ Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 64 Rn. 10-14; ders., in: Festschrift für E. Menzel, S. 405 (420). 116 H.-J. Wolff , Kriegserklärung und Kriegszustand nach Klassischem Völkerrecht, S. 38. 117 H.-J. Wolff , Kriegserklärung und Kriegszustand nach Klassischem Völkerrecht, S. 41 f. m.w.N. 118 Vgl. nur die militärischen Interventionen der USA in Grenada und Panama und die der UdSSR in Afghanistan. Vgl. hierzu H. Fischer, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 57 Rn. 17. 119 E. Menzel, Völkerrecht, S. 353; K.J. Partsch, in: Wörterbuch des Völkerrechts, Band 3, S. 103 [104]) unter Verweis auf die Definition des Institut de droit international (Annuaire 38 [1934], S. 708).

II. Der Kriegsbegriff

53

Wenngleich die Frage nach der Existenz von kriegsähnlichen Maßnahmen zugleich die Frage nach ihrer Zulässigkeit im Friedenszustand ist, dürfen beide Aspekte nicht verwechselt werden 1 2 0 . Die grundsätzliche Rechtswidrigkeit der kriegsähnlichen Maßnahmen hat zwar die Bedeutung der Differenzierung zwischen Krieg und kriegsähnliche Maßnahmen in den Hintergrund treten lassen 1 2 1 , hingegen aber nicht zur Lösung der hier in Rede stehenden Frage beigetragen. Denn für den völkerrechtlichen Kriegsbegriff ist es ohne Belang, ob die Anwendung militärischer Zwangsmaßnahmen im konkreten Fall rechtswidrig oder rechtmäßig i s t 1 2 2 . Wenn die kriegsähnlichen Maßnahmen sich - wie ausgeführt - grundsätzlich dadurch auszeichnen sollen, daß sie immer nur auf einen begrenzten Zweck oder ein begrenztes Ziel gerichtet sind, so trifft dies auch auf Kriege zu, die eben nicht nur mit dem Ziel der vollständigen Vernichtung des Gegners geführt werden müssen 1 2 3 . Somit ist die in den kriegsähnlichen Maßnahmen enthaltene Begrenzung als objektives Abgrenzungsmerkmal vom Krieg untauglich. Deshalb ist auch seit dem 19. Jahrhundert stets von einer starken Minderheit von Autoren die Auffassung vertreten worden, jede zwischenstaatliche Anwendung militärischer Gewalt sei rechtlich Krieg 1 2 4 . Diese Auffassung widerspricht aber insbesondere der Staatenpraxis, die seit dem 19. Jahrhundert den Willen, den Kriegszustand herbeizuführen, den animus belligerendi, als den maßgeblichen Entstehungsgrund des Rechtszustandes Krieg heranzieht 125 . Diese Staatenpraxis, wie sie sich jüngst u.a. auch im Golf-Konflikt zwischen dem Iran und dem Irak widerspiegelte 1 2 6 , stellt daher 120 H.-J. Wolff , Kriegserklärung und Kriegszustand nach Klassischem Völkerrecht, S. 38 (Fn. 32); L. Keller, Die nichtkriegerische militärische Gewaltmaßnahme, S. 60 f. 121

K.J. Partsch, in: Wörterbuch des Völkerrechts, Band 3, S. 103 (106).

122

E. Menzel, Völkerrecht, S. 352.

123

Für die Repression so: K.J. Partsch, in: Wörterbuch des Völkerrechts, Band 3, S. 103 (106); J.L. Kunz, in: Wörterbuch des Völkerrechts, Band 2, S. 331. 124 H.-J. Wolff , Kriegserklärung und Kriegszustand nach Klassischem Völkerrecht, S. 55 f. unter Verweis auf dort zitiertes älteres Schrifttum; H. Kelsen, ZöR 12 (1932), 481 (591). Ähnlich Y. Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, S. 18, der den Krieg als eine feindliche Auseinandersetzung zwischen zwei oder mehreren Staaten, entweder im technischen oder im materiellen Sinne definiert. Krieg im technischen Sinne ist der durch eine Kriegserklärung eingetretene Zustand, während der Krieg im materiellen Sinne durch den Einsatz militärischer Gewalt durch zumindest eine Konfliktpartei erzeugt wird.

125 Ygi // _/ Wolff, Kriegserklärung und Kriegszustand nach Klassischem Völkerrecht, S. 38 ff.; K. Strupp, Grundzüge des positiven Völkerrechts, S. 170. 126 S. Oeter, Neutralität und Waffenhandel, S. 112 m.w.N.; C. Greenwood , ICLQ 1987 (Vol. 36), 283 (295 f.).

54

1. Teil: Α. 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

unter der - wenn auch teilweise unausgesprochenen - Akzeptanz weiter Teile der Völkerrechtslehre 1 2 7 auf den Willen der beteiligten Staaten ab, ob sie das Friedensrecht weiter gelten lassen wollen 1 2 8 . Orientiert am Gedanken der Krisenbeherrschung dürfte aber hierfür vielmehr die Vorstellung der Staaten maßgeblich sein, daß selbst ein Konflikt, der zur Anwendung von Waffengewalt geführt hat, von den Parteien nicht unbedingt als völkerrechtlicher Krieg mit all seinen Rechtsfolgen gewollt sein muß 1 2 9 . Es fragt sich daher, ob nicht der Kriegführungswille eines Staates ein notwendiges oder zumindest brauchbares Element einer Definition des Kriegsbegriffs ist. Für die Handhabbarkeit der Definition aber wäre es erforderlich, daß der Kriegführungswille erkennbar i s t 1 3 0 . Im Falle einer Kriegserklärung wäre dies unproblematisch. Kommt man jedoch auf den schon mehrfach angeführten Falkland-Konflikt zurück, in denen beide Parteien keine Kriegserklärung abgaben, das Vorliegen eines Krieges verneinten und damit auch einen Kriegführungswillen in Abrede stellten, zeigt sich die Problematik eines animus belligerendi 1 3 1 . Denn auch wenn man dem angegriffenen Staat diese Feststellung überläßt, bleibt es eine subjektive Entscheidung des angegriffenen Staates - unabhängig von dem objektiven Ausmaß eines bewaffneten Konflikts -, ob er das Friedensrecht suspendiert wissen will. Dies bedeutet, daß 127 Z.B. Κ Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 62 Rn. 5; ders., DÖV 1971, 583 (587); H. Kelsen/R.W. Tucker , Principles of International Law, S. 24; K.J. Partsch, in: Wörterbuch des Völkerrechts, Band 3, S. 103 (106); F. Rajower, Das Recht des bewaffneten nicht-internationalen Konflikts seit 1949, S. 2 f. m.w.N. in Fn. 13; N.K. Riedel, Der Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland, S. 43; D. Schindler, in: A. Cassese, The New Humanitarian Law of Armed Conflict, S. 3 (16); eine instruktive Synopse dieser Vertreter findet sich bei M.S. McDougal/F.P. Feliciano, Law and Minimum World Public Order, S. 97 ff.; A.D. McNair, The Legal Meaning of War and the Relation of War to Reprisals, The Grotius Society Transactions, Band 11 (1925), S. 29 (38, 45 - zumindest eine Partei muß die Situation als Krieg qualifizieren).

128 Ygj % Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 62 Rn. 5, der beispielsweise u.a. auf den Suez-Konflikt 1956 zwischen Frankreich/Großbritannien/Israel und Ägypten, den Himalaya-Konflikt 1959-1962 zwischen Indien und China, den Goa-Konflikt 1961 zwischen Indien und Portugal, die verschiedenen indisch-pakistanischen Konflikte (Kaschmir 1947-49, Ladaq 1965, Bangladesch 1972), die Konflikte zwischen China und Vietnam 1979 und den Falkland-"Krieg" zwischen Großbritannien und Argentinien (1982) verweist; ders., DÖV 1971, 583 (587); K.J. Partsch, in: Wörterbuch des Völkerrechts, Band 3, S. 103 (106). 129 Κ Ipsen, DÖV 1971, 583 (587); vgl. auch£. Menzel, in: Bonner-Kommentar, Art. 115a Rn. 22 m.w.N. 130 Y. Dinstein, War, Aggression and Self-Defence, S. 16 f.; W.J. Ronan, AJIL 31 (1937), 642 (656). 131 So auch F. Rajower, der selbst hervorhebt, daß der animus belligerendi naturgemäß häufig nur aus dem tatsächlichen Verhalten der Parteien ersichtlich sei (Das Recht des bewaffneten nicht-internationalen Konflikts seit 1949, S. 3).

II. Der Kriegsbegriff

55

sich das äußere Bild der Auseinandersetzung unter Friedensrecht objektiv nicht nur nicht von der Auseinandersetzung unter Kriegsrecht unterscheiden muß, sondern auch in Ausmaß und Grad darüber hinausgehen kann. Das aber führt zu der befremdlichen Konsequenz, daß abstellend auf einen animus belligerendi die Begrifflichkeit von Krieg und Frieden variabel wird 1 3 2 . Insofern vermag auch das von den Vertretern dieses subjektiven Ansatzes in ihre Definition eingebrachte - objektive - Korrektiv, daß für die Erkennbarkeit des animus belligerendi es ausreichend sei, wenn dieser aus den Umständen bzw. den Aktionen einer Partei klar erkennbar oder zumindest ableitbar sei 1 3 3 , nicht zu überzeugen, wie schon die zitierte Staatenpraxis des Falkland-Konflikts zeigt. Die Fragwürdigkeit der Ausgrenzung der kriegsähnlichen Maßnahmen insbesondere über den subjektiven Ansatz zeigt, daß die Begriffsbestimmung des Krieges, folgt man der Staatenpraxis, immer auch ein Problem der Abgrenzung gegen sog. kriegsähnliche Maßnahmen ist. (2) Überwältigung des Gegners Das zweite (subjektive) Merkmal des klassischen Kriegsbegriffs 1 3 4 , die Überwältigung des Gegners, steht hingegen mit der Staatenpraxis im Widerspruch, da der typische Verteidigungskrieg gegen einen übermächtigen Aggressor ausschließlich zur Verteidigung, nicht aber zur Niederringung des Gegners geführt wird 1 3 5 . Deshalb liegt es nahe, bei lang anhaltenden und erheblichen bewaffneten Auseinandersetzungen von der Begrifflichkeit her das Vorliegen eines Krieges sogar dann zu bejahen, wenn die Konfliktparteien einen Kriegführungswillen oder/und das Vorliegen eines Krieges ausdrücklich verneinen 1 3 6 . Jedoch kann die militärische Gewalt schon angesichts der schwer praktikablen Attribute 'lang anhaltend und erheblich' nicht das entscheidende Kriterium des Kriegsbegriffs sein. 132 Ebenso z.B. Ch. Greenwood , ICLQ 1987 (Vol. 36), 283 (286); Y. Dinstein , War, Aggression and Self-Defence, S. 17. 133 Z.B. D. Schindler , in: Α. Cassese, The New Humanitarian Law of Armed Conflict, S. 3 (16); vgl. auch A.D. McNair , The Legal Meaning of War and the Relation of War to Reprisals, The Grotius Society Transactions, Band 11 (1925), S. 29 (38, 45); Ch. Greenwood , ICLQ 1987 (Vol. 36), 283 (286); jüngst auch S. Oeter , Neutralität und Waffenhandel, S. 78 ff. 134

S.o. S. 49.

135

Ebenso J.L. Kunz, in: Wörterbuch des Völkerrechts, Band 2, S. 329 (331).

136

J.L. Brierly, International Law and Resort to Armed Force, The Cambridge Law Journal, Vol. I V (1930-32), 308 (313); ebenso Y. Dinstein , War, Aggression and Self-Defence, S. 17; ebenfalls auf das Ausmaß der Gewaltanwendung abstellend H. Kelsen, ZöR 1932, 481 (591).

56

1. Teil: Α . 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

(3) Definierbarkeit des Kriegsbegriffs? Es stellt sich daher die Frage, ob die in der Völkerrechtswissenschaft vertretene Ansicht der Unmöglichkeit der Begriffsbestimmung zutreffend i s t 1 3 7 . Dem wird man zustimmen müssen, wenn man den Krieg als "denjenigen Zustand der Beziehungen zwischen zwei Staaten ... unter dem die Geltung des normalen Völkerrechts - des sog. allgemeinen Friedensrechts - zwischen ihnen suspendiert ist" 1 3 8 definiert. Denn dann setzt man den Kriegsbegriff mit seiner Rechtsfolge gleich. Aber auch wenn diese Definition dahingehend modifiziert wird, daß man den Krieg als "denjenigen Zustand der Beziehungen zwischen Staaten bezeichnet, in deren Folge die Geltung des normalen Völkerrechts suspendiert wird", führt dies - abgesehen von der heute nicht zu mehr zu verzeichnenden Rechtsfolge der Gesamtsuspendierung des Friedensvölkerrechts 1 3 9 - nicht weiter, da damit der Kriegsbegriff durch die Rechtsfolge definiert wird, ohne dem Kriegsbegriff selbst eigene definitorische Züge zu geben. Eine Lösung des in Rede stehenden Definitionsproblems bietet sich aber dann an, wenn man den Tatbestand nicht mit der Rechtsfolge gleichsetzt, sondern von der Rechtsfolge auf den Tatbestand Krieg geschlossen wird. Da schon die partielle Anwendung kriegsvölkerrechtlicher Regeln durch die Konfliktparteien stets verbunden ist mit einer Umgestaltung ihrer friedlichen Beziehungen zueinander, ließe sich der Krieg in seinem zweiten Element als Umgestaltung der friedlichen Beziehungen zwischen den Streitparteien, die bis zum vollständigen Abbruch ihrer Beziehungen zueinander gehen kann, definieren 1 4 ° . Dadurch wird zum einen eine taugliche Abgrenzung zu den measures short of war getroffen, ohne zum anderen die militärische Gewalt, den Zweck oder den Kriegführungswillen zum allein entscheidenden Kriterium des Kriegsbegriffs zu machen. Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen wird dabei ein starkes und zudem sichtbares Indiz für die Umgestaltung der gegenseitigen friedlichen Beziehungen sein, ebenso wie die Veränderung der kommerziellen Beziehungen zum Gegner (z.B. Handels- und Zahlungsverbote), die Behandlung feindlicher 'Ausländer' oder die Anwen-

137 Z.B. J.L. Kunz, in: Wörterbuch des Völkerrechts, Band 2, S. 329 (331); F. Grob, The Relativity of War and Peace, 1949. 138

F. Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, II. Band, S. 3.

139

S.o. Fn. 92.

140

Ähnlich: A. Verdross, Völkerrecht, S. 432, der den Krieg als zwischenstaatlichen Gewaltzustand unter Abbruch der friedlichen Beziehungen definiert; A. Ver-

dross hB. Simma, Universelles Völkerrecht, § 1337.

II. Der Kriegsbegriff

57

dung des Neutralitätsrechts 1 4 1 . Voraussetzung aber ist, daß das Indiz bzw. die Indizien einhergehen mit Zwangsmaßnahmen, die - wie unter Hinweis auf den internationalen bewaffneten Konflikt ausgeführt - bewaffneten Charakter aufweisen müssen 1 4 2 . Maßgeblich ist also, ob die Anwendung von Waffengewalt unter Aufrechterhaltung des friedlichen Verkehrs zwischen den Streitteilen oder aber unter Umgestaltung der gegenseitigen friedlichen Beziehungen erfolgt. Der Krieg im völkerrechtlichen Sinne ist also eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen den Kriegsparteien unter Umgestaltung ihrer friedlichen Beziehungen zueinander, die bis zum vollständigen Abbruch ihrer Beziehungen reichen kann. c) Die Parteien des Krieges Ausgehend von dem klassischen völkerrechtlichen Kriegsbegriff können Parteien eines Krieges nur die Staaten sein. Daran knüpft auch die gleichlautende Bestimmung des Art. 2 Abs. 1 in den Vier Genfer Abkommen vom 12.8.1949 an. Danach ist der Krieg ein bewaffneter Konflikt, der sich nur auf Kriege der Vertragsparteien der Genfer Abkommen, d.h. nur auf Auseinandersetzungen zwischen Staaten bezieht. Dies folgt im Umkehrschluß auch aus dem gleichlautenden Art. 3 der Vier Genfer Abkommen, die einen Mindeststandard für Konflikte ohne internationalen Charakter festlegen 1 4 3 . Dementsprechend ist der Krieg auch nach den Vier Genfer Abkommen ein internationaler bewaffneter Konflikt 1 4 4 , d.h. grundsätzlich - abgesehen von der i.E. unbeachtlichen Möglichkeit der Anerkennung Aufständischer als 'Kriegführende' 1 4 5 - eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Staaten.

141 S. Oeter, Neutralität und Waffenhandel, S. 77, insbes. S. 82 ff., benutzt u.a. die letzten drei aufgeführten Indizien (S. 83 ff.) als "objektive" Anhaltspunkte für den für ihn maßgeblichen Kriegführungswillen. 142 Denn ein aufgrund politischer Dissonanzen herbeigeführter bloßer Abbruch der diplomatischen Beziehungen führt nicht automatisch zum Krieg zwischen den Streitparteien, S. Oeter, Neutralität und Waffenhandel, S. 83; i.E. so auch A. Verdross, Völkerrecht, S. 432; beispielhaft kann hier auf die von der Bundesrepublik in den 60er Jahren praktizierte sog. Hallstein-Doktrin verwiesen werden, wonach die diplomatischen Beziehungen mit denjenigen Staaten abgebrochen werden sollten, die diplomatische Beziehungen mit der ehemaligen DDR aufnahmen. 143

K. Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 64 Rn. 17.

144

K. Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 63 Rn. 9; G. Moritz, NZWehrR 1970, 55

(57). 145

Vgl. hierzu K. Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 63 Rn. 12; V. Epping, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 8 Rn. 11; E.H. Riedel, EPIL 4 (1982), S. 167 ff. m.w.N.

58

1. Teil: Α. 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

Der internationale bewaffnete Konflikt wiederum hat durch Art. 1 Abs. 4 des I. Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte vom 12.12.1977 (ZP I), dem Selbstbestimmungsrecht der Völker Rechnung tragend, eine Ausweitung über den reinen Staatenkonflikt hinaus erfahren. Was den internationalen Charakter angeht, sind durch Art. 1 Abs. 4 ZP I über die reine Auseinandersetzung von Staaten auch sog. Befreiungskriege als international zu qualifizieren, die in Ausübung des Selbstbestimmungsrechts geführt werden, sofern sich die als Volk bezeichnete Konfliktpartei hierbei gegen Kolonialherrschaft, fremde Besetzung oder rassistische Regimes wendet. Es fragt sich daher, ob die Begriffe Krieg und internationaler bewaffneter Konflikt im Hinblick auf diese Erstrekkung deckungsgleich sind, d.h., ob der Krieg auch die vorgenannten Befreiungskriege erfaßt. Denn die durch das ZP I kodifizierte Einbeziehung der Befreiungskriege in den internationalen bewaffneten Konflikt würde jedenfalls den Begriff des Krieges damit über den rein zwischenstaatlichen Bereich hinaus ausdehnen. Ausgehend von dem zuvor erörterten, insofern immer noch klassisch orientierten Kriegsbegriff ist dies zu verneinen. Dies bestätigt auch der Wortlaut des Art. 1 Abs. 4 des ZP I, der - im Gegensatz zu den Vier Genfer Abkommen - nur den bewaffneten Konflikt, nicht aber den Krieg erwähnt. Zwar ließe sich dagegen einwenden, daß der Krieg entsprechend der Regelung des gleichlautenden Art. 3 der Vier Genfer Abkommen ein bewaffneter Konflikt sei. Jedoch wurde vor und während der Genfer Diplomatischen Konferenz von den damaligen sozialistischen Staaten und den Staaten der Dritten Welt lediglich geltend gemacht, daß die Befreiungskriege gewohnheitsrechtlich als internationale bewaffnete Konflikte 1 4 6 , nicht aber als Kriege einzuordnen seien. Darüber hinaus besteht für die Ausdehnung des Kriegsbegriffs auch keine Notwendigkeit, da die Befreiungskriege jedenfalls durch das ZP I über den Begriff des internationalen bewaffneten Konflikts erfaßt werden. Demgegenüber fallen Bürgerkriege, die über das II. Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12.8.1949 über den Schutz der Opfer nicht-internationaler bewaffneter Konflikte (ZP II) und über den gleichlautenden Art. 3 der Vier Genfer Konventionen von 1949 erfaßt werden, nicht unter den Begriff des internationalen bewaffneten Konfliktes bzw. des Krieges, sondern unter den Begriff des nicht-internationalen bewaffneten Konflikts.

146

K. Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 64 Rn. 17.

59

II. Der Kriegsbegriff

d) Ergebnis zu 4. Nach der völkerrechtlichen Begriffsbestimmung ist der Krieg somit eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Staaten unter Umgestaltung ihrer friedlichen Beziehungen zueinander. 5. Übernahme des völkerrechtlichen

Begriffsinhalts

?

Damit entspricht die völkerrechtliche Begriffsbestimmung nicht nur weitgehend der in § 1 Abs. 2 letzter Halbsatz KWKG vorgenommenen Definition des Krieges, sondern auch der überwiegend in der Rechtsprechung und im Schrifttum vertretenen Auffassung, die ausgehend vom Schutzgut des Art. 26 GG - dem Schutz des friedlichen Zusammenlebens der Völker - zu dem Ergebnis kommt, daß Art. 26 GG nur den zwischenstaatlichen Bereich betreffen kann 1 4 7 . Der innerstaatliche Frieden ist nach dieser Auffassung als solcher nicht durch Art. 26 GG geschützt; Bürgerkriege werden allenfalls dann erfaßt, wenn sie zugleich geeignet sind und in der Absicht geführt werden, das internationale friedliche Zusammenleben der Völker zu stören 1 4 8 . D.h., Unterstützungshandlungen von Bürgerkriegen sollen nur bei schwerwiegenden, ernsten und nachhaltigen Beeinträchtigungen des internationalen Verkehrs für Art. 26 GG von Bedeutung sein 1 4 9 . Angesichts dieser ' Deckungsgleichheit' scheint die Begriffssubstanz auch dem Völkerrecht entlehnt zu sein, zumal - wie eingangs festgestellt - der Krieg einen zwischenstaatlichen Gewaltzustand beschreibt und daher sedes materiae das Völkerrecht ist. Indes fragt sich, ob angesichts der unterschiedlichen Diktion der völkerrechtlichen Begriffsbestimmung und des Art. 26 GG im Hinblick auf die Parteien der Auseinandersetzung überhaupt eine Übernahme der völkerrechtlichen Definition möglich ist.

147 BVerwG NJW 1982, 194 (195 f.) = DÖV 1983, 118 (119 f.); BVerwGE 61, 24 (31 a.E.); Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 12; E. Menzel, in: Bonner-Kommentar, Art. 26 Anm. I I 1; F. Klein, in: H. v. Mangoldt/F. Klein, Art. 26 Anm. III 1; H.D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Art. 26 Rn. 1; wohl auch BVerfGE 63, 343 (370: "Das Grundgesetz geht von der Eingliederung des von ihm verfaßten Staates in der Völkerrechtsordnung der Staatengesellschaft aus [Präambel, Art. 24 bis 26 GG]"). 148

BVerwG, DÖV 1983, 118 (119 f.).

149

BVerwG, ebd. m.w.N.

60

1. Teil:

. 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

a) 'Völker' i.S. des Art. 26 GG Die vorzitierte Interpretation des Art. 26 GG geht folglich von der Prämisse aus, daß der Begriff 'Völker' synonym ist mit dem der 'Staaten' 1 5 0 . Ob diese Prämisse für den Anwendungsbereich des Art. 26 GG zutreffend ist, hängt - sieht man den Staatsbegriff nach der auf G. Jellinek zurückgehenden Drei-Elementen-Lehre 1 5 1 als definiert an (Staat = Staatsgebiet -I- Staatsvolk + Staatsgewalt) - demgemäß davon ab, was unter 'Volk' zu verstehen ist. Denn nur wenn Volk i.S. des Art. 26 Abs. 1 GG ausschließlich das Staatsvolk sein kann, ist diese Prämisse haltbar. (1) Der Begriff des 'Volkes' i.S. des Grundgesetzes Das BVerfG hat in den Entscheidungen zum kommunalen Ausländerwahlrecht den Begriff des Volkes i.S. des Art. 20 Abs. 2, 28 Abs. 1 Satz 2 GG einer verfassungrechtlichen Klärung zugeführt. Trotz beachtlicher, z.T. nicht gewürdigter Gegenargumente 1 5 2 hat das BVerfG unter Volk im Sinne des Verfassungsgrundsatzes "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus" (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG) das Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland, das von den Staatsangehörigen (Art. 116 GG) gebildet wird, definiert 153 . Es stellt sich daher die Frage, ob dieser Volksbegriff im Sinne einer einheitlichen Begriffsauslegung des Grundgesetzes ebenfalls dem Art. 26 Abs. 1 GG zu Grunde liegt. Hiergegen spricht, daß es in der verfassungsrechtlichen Entscheidung allein um die Frage ging, wer das Volk ist, das in Wahlen, Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung die Staatsgewalt in der Bundesrepublik Deutschland ausübt. Es stand also allein die Bestimmung des Staatsvolks der Bundesrepublik Deutschland in Rede, während Art. 26 GG vom friedlichen Zusammenleben der Völker, also nicht vom Staatsvolk der Bundesrepublik Deutschland spricht. Dem trägt das BVerfG auch insofern Rechnung, als es neben anderen Regelungen des Grundgesetzes, die einen Bezug zum Volk i.S. des für die Entscheidung zu bestimmenden Staatsvolkes aufweisen, nicht Art. 26 GG heranzieht 154 . 150

E. Haas-Traeger,

DÖV 1983, 105 (108).

151

G. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 396 ff.; vgl. hierzu V. Epping, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 5 Rn. 2 ff. 152

Vgl. nur H. Meyer, in: Handbuch des Staatsrechts, Band II, § 38 Rn. 6 ff.

153

BVerfGE 83, 37 (50 ff.); 60 (71).

154

BVerfGE 83, 37 (51): es verweist auf Art. 33 Abs. 1 und 2; 56; 64 Abs. 2; 116; 146 GG und die Präambel.

61

II. Der Kriegsbegriff

Da Art. 26 GG auf das friedliche Zusammenleben der Völker rekurriert und damit unzweideutig zumindest auch auf dem Völkerrecht unterliegende Außenbeziehungen abstellt, ist es naheliegend, diesen Terminus im Völkerrecht anzusiedeln 1 5 5 , mithin für den Regelungsbereich des Art. 26 GG auch einen völkerrechtlichen Volksbegriff zugrunde zu legen 1 5 6 , sofern ein solcher überhaupt definierbar ist. Daß der Terminus 'friedliches Zusammenleben der Völker' aus dem Völkerrecht in das GG übernommen wurde 1 5 7 , ist allerdings ausweislich der Materialien zum Grundgesetz nicht nachvollziehbar. Sie geben insbesondere keinen Hinweis darauf, daß die Charta der Vereinten Nationen für die Formulierung dieser Bestimmung maßgeblich w a r 1 5 8 . Wenn C. Schmid im Hauptausschuß ausführte, daß, ".. .wenn Gewalt ausgeübt werden muß, diese Gewalt nicht als nationaler Souveränitätsakt ausgeübt werden soll, sondern als Akt des kollektiven Selbstschutzes aller Nationen, die dafür sorgen, daß auf der ganzen Welt der Friede erhalten bleibt und es Angreifern unmöglich gemacht wird, den Frieden zu stören ...",

so kann dies kaum als mittelbarer Hinweis auf die Gewaltverbotsregeln der Satzung der Vereinten Nationen verstanden werden 1 5 9 . Denn vorliegend ging es im Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates um die Frage der Ersetzung des zunächst für den jetzigen Art. 26 Abs. 1 GG vorgesehenen Begriffs des Krieges durch das Wort Angriffskrieg 1 6 ° . Wie schon seinerzeit E. Forsthoff ausführte, erklärt sich das Bekenntnis des Grundgesetzes zur Verwerfung des Angriffskrieges und aller Handlungen, die das friedliche Zusammenleben der Völker stören, vielmehr aus der Lage, in der sich Deutschland unter dem Odium der Angreifernation gegenüber der politischen Umwelt befand 1 6 1 . Dies belegt u.a. auch die Stellungnahme H. v. Brentanos zum seiner Ansicht 155 E. Menzel, in: Bonner-Kommentar, Art. 26 Anm. II. 1. (S. 6); Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 6 ff.; K.-A. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 8; F. Klein, in: B. Schmidt-Bleibtreu/F. Klein, Art. 26 Rn. 1. 156 Zur Übernahme einer völkerrechtlichen Begriffssubstanz in die innerstaatliche Rechtsordnung s.o. S. 35. 157 So wohl E. Menzel, in: Bonner-Kommentar, Art. 26 Anm. II 1; F. Klein, in: Η. v. Mangoldt/F. Klein, Art. 26 Anm. III 1. 158

E. Menzel, in: Bonner-Kommentar, Art. 26 Anm. II 1.

159

So aber J. Stratmann, lungen, S. 72. 160 161

Das grundgesetzliche Verbot friedensstörender Hand-

Vgl. K-B. v. Doemming/R. W. Füsslein/W.

E . Forsthoff, 312 (318).

Matz, JÖR 1 (1951), 237.

in: Der Kampf um den Wehrbeitrag, Band. 2, 2. Halbband, S.

62

1. Teil: Α. 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

nach von den Nürnberger Urteilen klar herausgearbeiteten Begriff des Angriffskrieges im Hauptausschuß des Parlamentarischen Rates. Diese zeigt auf, daß der Verfassungsgeber neben der Kriegsschulddiskussion 1 6 2 nach den beiden Weltkriegen insbesondere auch durch das Statut und die Urteile des Internationalen Militärgerichtshofes in Nürnberg veranlaßt wurde, eine derartige Bestimmung in die Verfassung aufzunehmen 1 6 3 . (2) Der Begriff des 'Volkes' i.S. des Völkerrechts Der Begriff des Volkes wird im Völkerrecht vielfach benutzt, jedoch nicht definiert. Führt man sich die sog. Vielvölkerstaaten wie das Beispiel der ehemaligen UdSSR, des ehemaligen Jugoslawiens oder Indiens und der dort (noch) ständig schwelenden Konflikte zwischen den verschiedensten Bevölkerungsgruppen vor Augen, erkennt man im Zusammenhang mit dem insbesondere von den Vereinten Nationen forderten Selbstbestimmungsrecht der Völker die Brisanz dieser Frage: Denn im Gegensatz zu den sog. Minderheiten, die nach Art. 27 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) auf ethnische, religiöse und sprachliche Minderheiten beschränkt sind und, da ihnen das Recht auf Selbstbestimmung nicht zusteht, das System, in dem sie leben, respektieren müssen, können Völker unter Berufung auf das ihnen zukommende Selbstbestimmungsrecht Ansprüche auf die Errichtung einer eigenen politischen Ordnung und Abtrennung geltend machen. Das den Völkern zukommende Selbstbestimmungsrecht bietet daher ein für den Bestand der Vielvölkerstaaten, wie K. Hailbronner es formuliert, gefährliches Einfallstor für politische Separation und Sezession 1 6 4 . Die verschiedenen Wissenschaftszweige geben selbst unterschiedlichste Antworten 1 6 5 . Daran anknüpfend ist auch die Meinungsvielfalt in der völkerrechtlichen Literatur nachvollziehbar. So definiert K. Doehring als Völker solche Menschengruppen mit kulturell homogener Struktur, mit dem Bewußtsein von und dem Willen zur Homogenität und deren Erhaltung, mit einem gemeinsamen geschichtlichen Schicksal, die ein abgegrenztes Territorium be-

162 K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, S. 510; P. Wilkitzki, ZStW 99 (1987), 455 (465). 163 Ebenso P. Wilkitzki, ZStW 99 (1987), 455 (465), der die oben angesprochene Orientierung auch auf das Statut und die Urteile des Internationalen Militärgerichtshofes in Tokio erstreckt. 164 165

K. Hailbronner,

in: Festschrift für D. Schindler, S. 75 (80).

M. Nowak, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll, CCPR-Kommentar, Art. 1 Rn. 27; R. Grawert, in: Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 14 Rn. 2, 8.

II. Der Kriegsbegriff

63

wohnen 1 6 6 . Der Spezialberichterstatter der Vereinten Nationen zum Selbstbestimmungsrecht A. Cristescu bezeichnet soziale Einheiten, die eine klare Identität, typische gemeinsame Merkmale und eine Beziehung zu einem Territorium aufweisen und keine Minderheiten i.S. des Art. 27 IPBPR sind, als Völker 1 6 7 . A. Cassese wiederum versteht hierunter nationale oder ethnische Gruppen, die als Bestandteil eines multinationalen Staates verfassungsrechtlich anerkannt, aber keine Minderheit sind 1 6 8 . Nach R. Arzinger ist das Volk eine große Gruppe von Menschen, die als kompakte Masse in einem gemeinsamen Territorium lebt und durch eine oder mehrere bestimmte Gemeinsamkeiten wie z.B. nationaler, kultureller, sprachlicher, religiöser oder anderer Art, Gemeinsamkeiten des historischen Schicksals, des ökonomischen und sozialen Lebens und auch der Staatsmacht sowie Gemeinsamkeiten der Ziele des Kampfes und die nationale Befreiung, miteinander verbunden i s t 1 6 9 . Wie diese vielzitierten 1 7 0 völkerrechtlichen Definitionsversuche zeigen, kann von einer juristisch handhabbaren Definition des Begriffs Volk keine Rede sein. Wenn K. Ipsen bei der Identifikation eines Rechtssubjektes im internationalen bewaffneten Konflikt ausführt, daß sich das Volk durch sein territoriales, kulturelles und (gegebenenfalls) historisches Bezugssystem sowie durch seinen - mit dem Waffeneinsatz in letztmöglicher Deutlichkeit bekundeten - Willen zur Homogenität und Autonomie konkretisiert 171 , ist dem auf dem Hintergrund des damit offen zu Tage tretenden konkretisierenden Willenselements des Waffeneinsatzes grundsätzlich zuzustimmen. Jedoch darf nicht verkannt werden, daß ohne das konkretisierende Willenselement des Waffeneinsatzes als subjektives Element anhand objektiver Kriterien allein eine handhabbare Begriffsbestimmung des Volkes nicht praktikabel ist. Daher ist W. Wenglers Befund durchaus zuzustimmen, daß weder die staatlichen Rechte noch das Völkerrecht Abgrenzungskriterien entwickelt haben, aufgrund welcher objektiver Kriterien sich eine Summe von Menschen als ein von anderen Völkern verschiedenes Volk darstellt und an Hand welcher Eigenschaften oder Vorgänge die Zugehörigkeit einzelner Menschen zu die166

K. Doehring, in: BDGV, Band 14 (1974), S. 48 These 11.

167

A. Cristescu , The Right to Self-Determination, 404/Rev.l, S. 41. 168

UN-Doc.

E/CN.4/Sub.2/

A. Cassese, in: L. Henkin, The International Bill of Rights, S. 92 (95 f.).

169

R. Arzinger , Das Selbstbestimmungsrecht im Allgemeinen Völkerrecht der Gegenwart, S. 252. 170 So beispielsweise von K.J. Partsch, V N 1990, 41 (43) und M. Nowak, UNOPakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll, CCPR-Kommentar, Art. 1 Rn. 28 f.; H.-J. Heintze, ZaöRV 1990, 39 (45 f.). 17 1

K. Ipsen, in: Festschrift für E. Menzel, S. 405 (414).

64

1. Teil: Α . 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

sem oder jenem Volk besteht 172 . Vielmehr liegt angesichts der Komplexität der vorgenannten Abgrenzungsfragen der Schluß nahe, daß sich der Begriff des Volkes nicht mit juristischem Inhalt füllen l ä ß t 1 7 3 . Unbestritten ist lediglich, daß ein Staatsvolk z.B. eines sog. Vielvölkerstaates auch mehrere Völker i.S. des Selbstbestimmungsrechts der Völker haben kann, sofern es sich nicht um Minderheiten i.S. des Art. 27 IPBPR handelt 174 . Hieraus folgt zugleich, daß der Staat bzw. sein Staatsvolk im Sinne der von der Allgemeinen Staatslehre entwickelten und auf G. Jellinek zurückgehenden Drei-Elementen-Lehre nicht zwangsläufig identisch sein muß mit dem in Rede stehenden Begriff des Volkes, es aber oftmals sein wird 1 7 5 . Dies belegen anschaulich auch die ehemaligen beiden Deutschen Staaten. Diese waren zur Zeit ihrer Existenz Staaten im Sinne des Völkerrechts 1 7 6 . Beide wiesen unbestrittenermaßen alle drei hierfür notwendigen Elemente auf: ein eigenes Staatsgebiet, ein eigenes Staatsvolk und eine eigene Staatsgewalt. Trotz der zwei bis zum 3. Oktober 1990 bestehenden Staatsvölker gab es aber nur ein Deutsches Volk 1 7 7 . Daraus folgt zugleich, daß auch der Rückgriff auf die Allgemeine Staatslehre den völkerrechtlichen Volksbegriff nicht vollständig erschließen kann 1 7 8 . Denn nach der Drei-Elementen-Lehre ist das Staatsvolk lediglich ein auf Dauer angelegter Verbund von Menschen, über den der Staat die Hoheitsgewalt im Sinne der Gebietshoheit und bei Aufenthalt außerhalb des Hoheitsgebiets die Personalhoheit innehat. Anknüpfungspunkt für diesen Verbund ist

17 2 W. Wengler, Das Selbstbestimmungsrecht der Völker als Menschenrecht, S. 7; ebenso H.-J. Heintze, ZaöRV 1990, 39 (46); M. Nowak, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll, CCPR-Kommentar, Art. 1 Rn. 31. 173

Ebenso O. Kimminich,

Rechtsprobleme der polyethnischen Staatsorganisation,

S. 17. 17 4 M. Nowak, UNO-Pakt über bürgerliche und politische Rechte und Fakultativprotokoll, CCPR-Kommentar, Art. 1 Rn. 31. 17 5

K. Hailbronner,

176

So deutlich BVerfG 36, 1 (22 f.).

in: Festschrift für D. Schindler, S. 75 (80).

17 7

W. Heintschel v. Heinegg, DÖV 1990, 425 (430); V. Epping, JZ 1990, 805 (807); in diesem Sinne ist auch der Einspruch der Bundesrepublik Deutschland gegen die interpretative Erklärung Indiens, daß sich das Selbstbestimmungsrecht ausschließlich auf Völker unter Fremdherrschaft beziehe (UN-Doc. CCPR/C/l/Rev. 2.), zu verstehen; instruktiv hierzu: R. Grawert, in: Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 14 Rn. 14 ff., 42 ff. und K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, § 8 II 1. b) (S. 261 -271). 178 So zutreffend O. Kimminich (Rechtsprobleme der polyethnischen Staatsorganisation, S. 17), der seinen Befund auf die Lehrbücher der Allgemeinen Staatslehre stützt; ebenso H.-J. Heintze, ZaöRV 1990, 39 (45).

II. Der Kriegsbegriff

65

allein die Zusammenfassung von Menschen unter einer gemeinsamen Rechtsordnung 1 7 9 . (3) Ergebnis zu a) Die vorgenommene Gleichsetzung von Staat und Volk bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs des Art. 26 Abs. 1 GG läßt sich angesichts des vorgenannten Befundes nicht aufrecht erhalten, da das Volk nicht identisch mit dem Staatsvolk i.S. der Drei-Elementen-Lehre zu sein braucht. Folglich ist eine Beschränkung des Art. 26 Abs. 1 GG auf den rein zwischenstaatlichen Bereich über die Prämisse 'Völker = Staaten1 nicht möglich. Angesichts dieses Ergebnisses liegt es nahe, ebenso wie bei den Art. 4 Abs. 3 und 12a Abs. 2 Satz 1 GG davon auszugehen, daß auch der Kriegsbegriff des Art. 26 GG über den völkerrechtlichen Kriegsbegriff hinausgeht. Indes kann aus dem Wortlaut des Art. 26 Abs. 1 GG dieser Schluß nicht gezogen werden, da der Angriffskrieg, der überdies nur einen Teilaspekt des Kriegsbegriffs ausmacht, dort nur als ein Beispiel ("insbesondere") für eine Störung des friedlichen Zusammenlebens aufgeführt und keinesfalls hierfür als Synonym genannt wird. Wenig aufschlußreich ist auch der Rückgriff auf Art. 26 Abs. 2 GG. Zwar geht Art. 26 Abs. 2 GG, der einen Spezialfall des Art. 26 Abs. 1 GG regelt 1 8 ° , über die dort geregelte Friedensgefährdung insoweit hinaus, als er, nicht anknüpfend an den in Art. 26 Abs. 1 GG genannten Angriffskrieg, sondern an den Krieg an sich, auch die Kriegswaffenherstellung für den Verteidigungskrieg erfaßt. Damit verschließt sich das Grundgesetz nicht der Erkenntnis, daß zum einen eine Differenzierung zwischen Angriffs- und Verteidigungswaffen kaum durchführbar ist, zum anderen, daß kaum eine Waffe ausschließlich als Verteidigungswaffe eingesetzt werden kann 1 8 1 . Dies führt aber nicht zu einer erweiternden Bestimmung des Kriegsbegriffs, wie es das Verständnis des Terminus Völker i.S. des Art. 26 Abs. 1 GG nahelegt.

179

V. Epping, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 5 Rn. 5.

180

S.o. Fn. 44.

181

Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 41; a.A. G. Frank, in: Alternativkommentar zum GG, Art. 26 Rn. 44. 5 Epping

1. Teil: Α . 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen

66

b) Das Friedensgebot des Grundgesetzes (1) Teleologische Auslegung Anzusetzen ist daher am materiellen Inhalt des Art. 26 GG, d.h. an seinem Sinn und Zweck. Art. 26 GG konkretisiert namentlich das Friedensgebot des G G 1 8 2 , wie es auch schon in der Präambel, Art. 1 Abs. 2, 9 Abs. 2, 24 - 26 und 79 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommt 1 8 3 . Art. 26 GG bildet dabei den normativen Kern und garantiert verfassungsrechtlich das völker-fri edensfreundliche Verhalten der Bundesrepublik und ihrer Organe 1 8 4 . Bildlich beschreibt dies K.-A. Hernekamp: Der durch Art. 26 GG bezweckte Beitrag zum Weltfrieden bestehe darin, "vor der eigenen Tür zu kehren 11, d.h. soweit der eigene hoheitliche Einfluß reiche, soll die deutsche Friedensbereitschaft nicht mehr im klassischen Sinne des ius ad bellum politisch disponibel, sondern von Verfassungs wegen justitiabel sein und dadurch glaubhaft nach innen und außen demonstriert werden 1 8 5 . Daher verbietet Art. 26 Abs. 1 GG auch expressis verbis alle Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören. Doch sind es in der überwiegenden Mehrzahl nicht die zwischenstaatlichen bewaffneten Auseinandersetzungen, die seit der Beendigung des Zweiten Weltkriegs das friedliche Zusammenleben der Völker gestört haben. Wie allein die mehr als 160 bewaffneten Konflikte seit 1945 dokumentieren, kann hiervon kaum ein Fünftel als zwischenstaatliche Konflikte und damit als Kriege im völkerrechtlichen Sinne qualifiziert werden. Vielmehr haben Bür-

182 Vgl. BVerfGE 47, 327 (382); Κ Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band. I, § 14 IV. 6. c) (S. 509; Fn. 192 m.w.N.); K -Α. Hernekamp, in: 1.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 1; F. v. Schlabrendorff, in: Festschrift für Gebhard Müller, S. 403 (404 ff.); Th. Maunz, in: Festgabe für C. Schmitt, S. 285 (288); Hettlage/F.A. v. der Hey de, in: Der Kampf um den Wehrbeitrag, Band 2, S. 666 (669); HP. Schneider, Recht und Politik 1985, 138 (141). 183 Vgl. Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 2 f.; ders., in: Festgabe für C. Schmitt, S. 285 ff.; K -Α. Hernekamp, in: I.v. Münch, GrundgesetzKommentar, Art. 26 Rn. 1; Hettlage/F.A. v. der Heydte, ebd.; J. Stratmann, Das grundgesetzliche Verbot friedensstörender Handlungen, S. 4 ff.; H.-P. Schneider, Recht und Politik, 1985, 138 (140) führt auch noch Art. 87a GG, die grundsätzliche Beschränkung der Bundeswehr auf die Verteidigungsfunktion, an. 184 F. Klein, in: B. Schmidt-Bleibtreu/F. Klein, Art. 26 Rn. 1; Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 1; ähnl. auch Κ.Ά. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 1 f. 185

Κ.Ά. Hernekamp y in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 2.

II. Der Kriegsbegriff

67

gerkriege 1 8 6 und Befreiungskriege 1 8 7 das Bild der bewaffneten Auseinandersetzungen bestimmt 188 . Führt man als Beispiele hierfür nur Nicaragua, den Libanon und Äthiopien an, wird sogleich deutlich, daß diese nicht zwischenstaatlichen bewaffneten Auseinandersetzungen zum großen Teil gerade als sog. 'Stellvertreterkriege 1 sehr wohl das friedliche Zusammenleben der Völker zielgerichtet gestört haben. Orientiert am Sinn und Zweck des Art. 26 GG bedeutet dies, daß diese Vorschrift, gerade weil sie das friedliche Zusammenleben der Völker schützt, entsprechend dem Wortlaut auch alle zur Störung dieses Zusammenlebens geeigneten Handlungen, also - im Gegensatz zur nahezu einhelligen Rechtsprechung und Literatur 1 8 9 - auch Bürger- und Befreiungskriege erfassen muß 1 9 0 . Eine Beschränkung auf Bürger- und Befreiungskriege, die von einer Gruppe unter der Regie und mit militärischer Unterstützung einer ausländischen Macht gegen die eigene Regierung initiiert werden 1 9 1 , ist angesichts der hierfür erforderlichen "Auslotung" der Hintergründe jedes Einzelfalls 1 9 2 nicht praktikabel. Denn wenn aus dem Geltungsbereich des Grundgesetzes oder von deutschen Staatsbürgern beispielsweise Unterstützungshandlungen zu Bürger- und Befreiungskriegen geleistet werden, trägt dies, nicht nur weil damit die inneren Angelegenheiten eines auswärtigen Staates berührt werden, zwangsläufig zur Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker bei. Denn erfahrungsgemäß kann eine nicht humanitär begründete Unterstützung einer Bürgerkriegspartei einen zunächst staatlich begrenzten Konflikt in eine internationale Krise überleiten, die dann als 'Stellvertreterkrieg' ausgetragen wird. Auch wird der Bürgerkrieg durch die Unterstützung - auch aller Bürgerkriegsparteien - in der Regel nicht abgekürzt, sondern durch die internationale Beteiligung verlängert und verschärft 1 9 3 .

186

Z.B. Libanon seit 1975, Sri Lanka seit 1983 sowie die auf Grund ihrer Zielrichtung auch als sog. revolutionäre Kriege bezeichneten (so: K. Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 61 Rn. 6) Bürgerkriege in z.B. Nicaragua 1979, Uganda seit 1979 und Sudan seit 1980. 187

Z.B. Osttimor seit 1975, Westsahara seit 1979 und Namibia bis 1988.

188

K. Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 61 Rn. 6.

189

S.o. Fn. 147.

190

Ähnlich auch E . Haas-Traeger, DÖV 1983, 105 (108), die aber nur solche Bürgerkriege von Art. 26 Abs. 1 GG erfaßt wissen will, in denen sich jeweils eine Gruppe unter der Regie und mit militärischer Unterstützung einer ausländischen Macht gegen die eigene Regierung erhebt. 191

E. Haas-Traeger,

DÖV 1983, 105 (108).

192

E. Haas-Traeger,

ebd.

193

Ebenso G. Frank, in: Alternativkommentar zum GG, Art. 26 Rn. 41.

1. Teil: Α. 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

68

(2) Systematische Auslegung Dieses aus dem Sinn und Zweck des Art. 26 Abs. 1 GG abgeleitete Ergebnis entspricht auch dem der systematischen Auslegung. Das Friedensgebot des Grundgesetzes, dessen normativer Kern zwar Art. 26 GG bildet, folgt insbesondere auch aus der Präambel und Art. 1 Abs. 2 GG. Diese nennen übereinstimmend entweder als erklärtes Ziel oder Bekenntnis des deutschen Volkes "den Frieden in der Welt". Das darin ebenfalls enthaltene Friedensgebot wird also nicht wie in Art. 26 Abs. 1 GG einengend lediglich als friedliches Zusammenleben der Völker beschrieben 1 9 4 . Wenngleich die Präambel in erster Linie Aufschluß über die entstehungsgeschichtliche Lage, die Beweggründe und Ziele der Verfassungsschöpfer gibt, wird sie schon seit dem Parlamentarischen Rat nicht nur als Bestandteil der Verfassung, sondern als mit rechtlichem Gehalt ausgestattet betrachtet 195 . Sie ist aufgrund ihrer Funktion als Staatszielbestimmung ein wichtiges Mittel zur Auslegung anderer Normen des Grundgesetzes und enthält Rechtspflichten für die Staatsorgane 1 9 6 , namentlich dem Frieden zu dienen 1 9 7 . Die Präambel enthält also bereits selbst das verfassungsrechtliche Friedensgebot 198 als Staatszielbestimmung, das wiederum in den Art. 24 - 26 GG konkretisiert wird 1 9 9 . Daher ist Art. 26 GG "korrespondierend" 2 0 0 , d.h. im systematischen Zusammenhang mit der Staatszielbestimmung der Präam194 A.A. wohl H.D. Jarass (in: ders./B. Pieroth, Präambel Rn. 8 und Art. 24 Rn. 1), der aus S. 1 der Präambel zusammen mit Art. 24-26 GG das Verfassungsprinzip des friedlichen Zusammenlebens der Völker ableitet, also den in der Präambel und in Art. 1 Abs. 2 GG in Bezug genommenen Frieden in der Welt mit dem engeren Begriff des friedlichen Zusammenlebens der Völker des Art. 26 Abs. 1 GG gleichsetzt. 195 So C. Schmid als Berichterstatter des Redaktionsausschusses zur Ausarbeitung eines Präambel-Entwurfs für den Grundsatzausschuß, vgl. K.-B. v. Doemming/R.W. Füsslein/W. Matz, JÖR 1 (1951), S. 25; vgl. im übrigen nur BVerfGE 5, 85 (127); 12, 45 (51); 36, 1 (17); Ch. Starck, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, Präambel Rn. 20; I.v. Münch, in: ders., Grundgesetz-Kommentar, Präambel Rn. 2. 196

Vgl. nur BVerfGE 5, 85 (127); Ch. Starck, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, Präambel Rn. 20 f.; Κ Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 1, § 14 IV. 6. b); I.v. Münch, in: ders., Grundgesetzkommentar, Präambel Rn. 2; H.-P. Schneider, Recht und Politik 1985, 138 (142 f.). 197 Ch. Starck, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, Präambel Rn. 37; Κ Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 1, § 14 IV. 6. b). 198 K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 1, § 14 IV. 6. b) (Fn. 191 m.w.N.). 199 Η. v. Mangoldt, AöR 75 (1949), 273 (274); J. Stratmann, Das grundgesetzliche Verbot friedensstörender Handlungen, S. 6; N.K. Riedel, Der Einsatz deutscher Streitkräfte im Ausland, S. 16. 20 0

Ch. Starck, in: H. v. Mangoldt/F. Klein/Ch. Starck, Präambel Rn. 21.

69

II. Der Kriegsbegriff

bei, die durch die inhaltsgleiche Aussage in Art. 1 Abs. 2 GG unterstützt wird, auszulegen: Art. 26 GG konkretisiert das Friedensgebot dort im negativen Sinn als Verbot, indem es selbst nur alle Handlungen, die das friedliche Zusammenleben der Völker stören, für verfassungswidrig erklärt. Die Auslegung aber hat sich an dem Staatsziel, dem ausdrücklichen - positiv formulierten - Friedensgebot zu orientieren, wie das dynamische Element "dienen" in der Präambel offenbart, das auf den (weitergehenden) Frieden in der Welt gerichtet ist. Das in Art. 26 GG konkretisierte Friedensgebot betrifft daher nicht nur den zwischenstaatlichen - internationalen - Bereich, sondern ist über das friedliche Zusammenleben - der wie auch immer definierten - Völker hinaus auf den Frieden in der Welt gerichtet. (3) Historische Auslegung Bestätigt wird dieses Ergebnis durch die historische Auslegung. So betonte der Herrenchiemseer Konvent zwar, "... daß das GG einer Bestimmung bedürfe, wonach Handlungen unter Strafe zu stellen sind, die in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören; ... ".

Wenn er im Anschluß daran aber weiter ausführt: "... vor allem aber alle Handlungen, die in der Absicht unternommen werden, die Führung eines Krieges vorzubereiten ...",

macht er durch den Gebrauch des Terminus 'vor allem* im Zusammenhang mit der Führung eines Krieges deutlich, daß, selbst ausgehend vom Kriegsbegriff i.S. des Staatenkrieges, keinesfalls hiermit nur der zwischenstaatliche Konflikt gemeint ist, wie die anschließenden Ausführungen des Konvents bestätigen: "Das Recht des Bundes soll künftig die Möglichkeit bieten, Personen zur Rechenschaft zu ziehen, deren Tätigkeit mit Vorbedacht darauf gerichtet ist, von seinem Gebiet aus den Frieden in gefährlicher Weise zu gefährden, möge es sich um geheime Aufrüstung handeln oder um militärische und nationalistische Verhetzung der Gemüter." 2 0 1

Aus dieser Auslegung des Terminus der 'Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker' folgt hingegen noch nicht unmittelbar, daß der Kriegsbegriff des Grundgesetzes auch Bürger- und Befreiungskriege einschließt. Denn Art. 26 Abs. 1 GG setzt die in ihm geregelte Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker nicht gleich mit dem Kriegsbegriff, sondern 201

Vgl. K-B. v. DoemmingJR. W. Füsslein/W.

Matz, JÖR 1 (1951), 236.

70

1. Teil: Α. 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

führt lediglich als Beispiel für eine Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker einen Teilaspekt des Krieges, den Angriffskrieg, an. Diese Erstreckung des Kriegsbegriffs i.S. des Grundgesetzes auch auf Bürger· und Befreiungskriege folgt vielmehr erst aus dem systematischen Zusammenhang mit Art. 26 Abs. 2 GG, der einen Spezialfall des Art. 26 Abs. 1 G G 2 0 2 , mithin auch einen Fall der Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker regelt. Indem Art. 26 Abs. 2 GG die Herstellung, die Beförderung und das Inverkehrbringen von zur Kriegführung bestimmten Waffen unter einen grundgesetzlichen Genehmigungsvorbehalt stellt, qualifiziert er diesen Umgang als störungsgeeignete Handlung i.S. des generellen Tatbestandes des Art. 26 Abs. 1 GG. Daraus folgt nicht nur, daß der von Art. 26 Abs. 2 GG erfaßte Export von Kriegswaffen an eine an einem Bürgeroder Befreiungskrieg beteiligte Partei zweifelsohne auch eine störungsgeeignete Handlung i.S. des Art. 26 GG ist, sondern auch, daß der Kriegsbegriff des Art. 26 Abs. 2 GG sich über die Definition des § 1 Abs. 2 letzter Halbsatz KWKG und das völkerrechtliche Begriffsverständnis hinaus auch auf Bürger- und Befreiungskriege erstreckt. Denn wenn § 1 Abs. 2 letzter Halbsatz KWKG den Begriff der Kriegswaffe nur als Mittel der Gewaltanwendung bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Staaten und damit den Krieg als bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Staaten definiert, bleibt außer acht, daß zum einen auch diese Waffen bei innerstaatlichen Auseinandersetzungen als Kriegswaffe eingesetzt werden können und zum anderen, daß dem Sinn und Zweck des Friedensgebots des Art. 26 GG nur dann vollständig Rechnung getragen werden kann, wenn sämtliche Gefahren für den Frieden in der Welt, die nach der Wertung des Art. 26 Abs. 2 GG auch von Kriegswaffen ausgehen, erfaßt werden. Der Begriff des Krieges i.S. des Art. 26 GG ist daher im Zusammenhang mit dem grundgesetzlichen Friedensgebot, wie es insbesondere in der Präambel und in Art. 26 GG zum Ausdruck kommt und in Verbindung mit der in Art. 26 Abs. 2 GG vorgenommenen grundgesetzlichen Wertung zum grundsätzlichen Umgangsverbot mit Kriegswaffen zu bestimmen. Danach ist der Krieg als offener Begriff dergestalt zu definieren, daß von ihm über den völkerrechtlichen Kriegsbegriff im Sinne eines reinen Staatenkrieges hinaus auch innerstaatliche bewaffnete Auseinandersetzungen, wie Bürger- und Befreiungskriege, erfaßt werden, mit der Konsequenz, daß der in § 1 Abs. 2 letzter Halbsatz KWKG niedergelegte Kriegsbegriff nicht dem des Art. 26 GG entspricht.

202

S.o. Fn. 44.

II. Der Kriegsbegriff

71

(4) Die Rüstungsexportpraxis Für den Bereich des Rüstungsexports, respektive des Art. 26 Abs. 2 GG, ist diese Auffassung schon durch den Beschluß der Bundesregierung vom 28. April 1982 über 'die politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern1 2 0 3 , die als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften für die Genehmigungen nach dem Außenwirtschaftsgesetz und dem Ausführungsgesetz zu Art. 26 Abs. 2 GG, dem KWKG, zu qualifizieren sind 2 0 4 , umgesetzt worden. In der Präambel dieser Grundsätze wird, orientiert an dem grundgesetzlichen Friedensgebot, betont, daß durch die Begrenzung und Kontrolle des Rüstungsexports ein Beitrag zur Sicherung des Friedens in der Welt geleistet werden soll, ohne dies auf rein zwischenstaatliche Auseinandersetzungen zu beschränken. Deutlicher wird dies noch in Nr. 13 der rüstungsexportpolitischen Grundsätze, in der ausgeführt wird, daß Lieferungen von Kriegswaffen nicht zu einer Erhöhung bestehender Spannungen - also auch interner - beitragen dürfen. Lieferungen an Länder, bei denen eine Gefahr für den Ausbruch bewaffneter Auseinandersetzungen - also auch interner - besteht, scheiden deshalb schon grundsätzlich aus. Diese für den Rüstungsexport letztendlich maßgeblichen ermessenslenkenden Grundsätze bedingen somit, daß die von Art. 26 Abs. 2 GG erfaßten Kriegswaffen nicht in Gebiete exportiert werden (dürfen), in denen schon die Gefahr für den Ausbruch interner bewaffneter Auseinandersetzungen, besteht. 6. Ergebnis zu IL

Der Kriegsbegriff des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG ist nicht deckungsgleich mit dem völkerrechtlichen Kriegsbegriff. Während letztgenannter sich nur auf bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Staaten unter Umgestaltung ihrer friedlichen Beziehungen zueinander erstreckt, umfaßt der Kriegsbegriff des Grundgesetzes auch die internen bewaffneten Auseinandersetzungen. Demgegenüber bleibt die in Erfüllung des Verfassungsauftrags aus 26 Abs. 2 Satz 2 GG vorgenommene Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 2 letzter Halbsatz KWKG zurück, die den Krieg ähnlich der völkerrechtlichen Begriffsbestimmung als bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Staaten definiert.

203

Abgedruckt im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 38, S. 309 vom 5.5.1982. 20 4

K. Pottmeyer,

KWKG, Einleitung Rn. 228.

72

1. Teil: Α . 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

ΙΠ. 'Zur Kriegführung bestimmt1 Nach der zunächst gebotenen Teilanalyse ist nun fraglich, wie das gesamte Tatbestandsmerkmal 'zur Kriegführung bestimmt' zu verstehen ist. Dabei ist zu beachten, daß es kaum eine Waffe gibt, die in kriegerischen Auseinandersetzungen - gerade unter der im Rahmen des Art. 26 GG erforderlichen Einbeziehung interner bewaffneter Auseinandersetzungen - keine Verwendung finden kann. Neben den Waffen, die ausschließlich der Kriegführung vorbehalten sind (Kampfpanzer, Artillerie) gibt es auch Waffen, die sowohl für militärische als auch für staatliche, insbesondere polizeiliche (leichte Panzerwagen, Maschinenpistolen) und private Zwecke (Jagd- und Sportgewehre, Pistolen) verwendet werden (sog. ambivalente Waffen 2 0 5 ) 2 0 6 . Daher muß überlegt werden, ob bei der Genehmigung i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG der generelle oder der spezielle Verwendungszweck des Mediums maßgeblich ist 2 0 7 . 1. Subjektive Beurteilung? Die etymologische Bedeutung des Wortes bestimmen war im mittelhochdeutsch "mit der Stimme [bejnennen, durch die Stimme festsetzen". Diese Grundbedeutung entwickelte sich schon früh weiter zur allgemeinen Bedeutung "anordnen" 2 0 8 . Legt man diesen Bedeutungsgehalt zugrunde, kommt man nicht umhin, dem Begriff bestimmen einen subjektiven Gehalt zuzumess e n 2 0 9 , wie dies beispielsweise beim Bestimmen i.S. der §§ 26, 216 StGB und bei § 315 BGB der Fall ist 2 1 0 . Dies hätte zur Folge, daß es bei der Qualifizierung als Kriegswaffe ausschließlich darauf ankäme, welchen Verwendungszweck der Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt einer Waffe dieser beimißt, d.h. Gegenstände wären dann zur Kriegführung bestimmt, wenn

20 5

Κ Pottmeyer,

KWKG, § 1 Rn. 5.

206

E. Menzel, in: Bonner Kommentar, Art. 26 Anm. II. 6. a) (S. 19); F. Klein, in: H.v. Mangoldt/F. Klein, Art. 26 Anm. I V 2. (S. 689). 20 7 E. Menzel, in: Bonner-Kommentar, Art. 26 Anm. II. 6. a) (S. 19); G. Potrykus, KWKG, § 1 Anm. 2 (S. 34 f.). 208

Duden, Band 7, Das Herkunftswörterbuch, S. 62.

20 9

F. Klein, in: H. v. Mangoldt/F. Klein, Art. 26 Anm. IV. 2 (S. 689); ähnl. E. Menzel, in: Bonner-Kommentar, Art. 26 Anm. II 6 a). 210 So ist § 315 BGB unanwendbar, soweit der Umfang der Leistung durch objektive Beurteilungsmaßstäbe festgelegt ist, vgl. H. Heinrichs, in: O. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, § 315 Anm. 2) c).

III. 'Zur Kriegführung bestimmt'

73

dessen Inhaber sie als zur Kriegführung geeignet ansieht 2 1 1 . Ob der Gewaltinhaber die Waffe über seine subjektive Beurteilung ihrer Eignung zur Kriegführung hinaus auch für den kriegerischen Einsatz verwenden will 2 1 2 , kann aus dem Terminus 'zur Kriegführung bestimmt1 bei subjektiver Deutung hingegen nicht abgeleitet werden. Die weitere, aus der philosophischen Fachsprache des 18. Jahrhunderts stammende 2 1 3 etymologische Bedeutung des Wortes bestimmen - nach Merkmalen abgrenzen, definieren -, weist eher in eine objektive Richtung. Die natürliche Wortbedeutung gibt somit kein eindeutiges Bild für das Verständnis des Begriffs bestimmen. Der Wortlaut ist vielmehr als offen zu bezeichnen 2 1 4 . Dieses mehrdeutige Begriffsverständnis spielte auch im Parlamentarischen Rat eine Rolle: In der 30. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 6.12.1948 wurde nämlich auf Vorschlag des Abgeordneten F. Eberhard der Ausdruck "zur Kriegführung bestimmte Waffen" in "zur Kriegführung geeignete Waffen" geändert, weil sich die Bundesregierung mit der Absicht, zur Kriegführung bestimmte Waffen herzustellen, überhaupt nicht befassen könne 2 1 5 . Nachdem der Allgemeine Redaktionsausschuß in seinem Vorschlag vom 13.12.1948 seinen ursprünglichen Ausdruck empfohlen hatte 2 1 6 , beantragte der Abgeordnete F. Eberhard in der 29. Sitzung des Hauptausschusses vom 5.1.1949 wiederum die Ersetzung der Worte "zur Kriegführung bestimmte Waffen" durch "zur Kriegführung geeignete Waffen", weil auf die physische Eignung und nicht auf die Absicht zur Kriegführung abgestellt werden müsse. Der Abgeordnete Brockmann wiederum fragte, wer zu bestimmen habe, was zur Kriegführung geeignete Waffen sind. Diese Feststellung sei sehr schwierig. Der Antrag wurde - äußerst knapp - mit 10:9 Stimmen abgelehnt 2 1 7 , was zugleich die aufgezeigte Problematik des Begriffsverständnisses bestätigt.

211

BT-Drs. 3/1589, S. 12 f.

212

So Κ Pottmeyer,

213

Duden, ebd.

KWKG, § 1 Rn. 5.

214 Ebenso: BT-Drs. 3/1589, S. 12 f.; K. Pottmeyer, KWKG, § 1 Rn. 5; T. Roeser t Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, S. 98; F. Klein, in: H. v. Mangoldt/ F. Klein, Art. 26 Anm. IV. 2.; E. Menzel, in: Bonner-Kommentar, Art. 26 Anm. II 6 a). 215

Vgl. K-B. v. Doemming/R.

W. Füsslein/W

Matz, JÖR 1 (1951), 242.

216

Vgl. K-B. v. Doemming/R.

W. Füsslein/W.

Matz, JÖR 1 (1951), 243.

217

Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, Bonn 1948/49, S. 349; vgl. ebenso K-B. v. Doemming/R. W. Füsslein/W. Matz, JÖR 1 (1951), 243.

74

1. Teil: Α. 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

Auch im übrigen sind die Materialien zum Grundgesetz - wenngleich sie lediglich zur Bestätigung eines durch die anderen Auslegungsmethoden gefundenen Ergebnisses herangezogen werden können 2 1 8 - zur Beantwortung dieser Frage auf den ersten Blick nicht aufschlußreich. Denn der Abs. 2 des Art. 26 GG ist erst in Ergänzung des vom Herrenchiemseer Konvent vorgeschlagenen Artikels über das Verbot friedensstörender Handlungen auf Anregung des Abgeordneten F . Eberhard in der 12. Sitzung des Grundsatzausschusses vom 15.10.1948 in die dortigen Diskussionen einbezogen worden. Der ursprüngliche Terminus stellte weder auf Eignung noch Bestimmung ab, sondern sprach zunächst lediglich von 'Waffen und Munition', wurde aber dann zur Ausgrenzung der Jagdwaffen in 'Kriegsgerät jeder Art' abgeändert 2 1 9 . Der Begriff 'Kriegsgerät' wurde ebenfalls als zu weit verstanden, da die Genfer Verhandlungen zwischen den beiden Weltkriegen darunter auch Rohstoffe verstanden hätten, die etwa zu Kriegsgerät verarbeitet werden könnten. Nach Erörterung der Formulierung 'im Kriege verwendbare Waffen' einigte sich der Grundsatzausschuß am 10.11.1948 in seiner 20. Sitzung schließlich auf die Formulierung 'zur Kriegführung bestimmte Waffen' 2 2 0 . Diese definitorische Arbeit im Parlamentarischen Rat demonstriert zwar das Bemühen um Eingrenzung des Begriffs der Kriegswaffe, ohne jedoch den Maßstab hierfür - entweder subjektiv oder objektiv - festzulegen. Jedoch zeigt sich an diesen Eingrenzungsbestrebungen im Parlamentarischen Rat deutlich, daß nicht alle Waffen und jegliches rüstungsrelevante Gut unter dem Genehmigungsvorbehalt des Art. 26 Abs. 2 GG stehen sollte. Legt man nun den Terminus der 'zur Kriegführung bestimmten Waffe' nach subjektiven Merkmalen aus, besteht gerade die diesen Bestrebungen gegenläufige Gefahr. Denn dann könnten durch die Entscheidung des Inhabers der tatsächlichen Gewalt einerseits "nicht nur Luftgewehre und Schrotflinten, sondern auch Speere und Lanzen, Pfeile und Bogen Kriegswaffen i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG werden" 2 2 1 . Andererseits könnten auch 'typische' Kriegswaffen, d.h. die nach objektiven Kriterien zur Kriegführung geeignet sind, ihre Kriegswaffeneigenschaft verlieren, wenn der Inhaber glaubhaft vortragen könnte, diese ausschließlich zum zivilen Gebrauch einsetzen zu

218

BVerfGE 1, 299 (312); 11, 130 ff.; 54, 298; 62, 45.

219

Vgl. K-B. v. Doemming/R.

W. Füsslein/W.

Matz, JÖR 1 (1951), 241.

220

Vgl. K-B. v. Doemming/R.

W. Füsslein/W.

Matz, JÖR 1 (1951), 241.

221

BT-Drs. 3/1589, S. 13.

III. 'Zur Kriegführung bestimmt'

75

wollen 2 2 2 . Der Inhaber hätte es daher in der Hand, einer typischen Kriegswaffe eine andere Zweckbestimmung beizugeben. Im Ergebnis ist daher den Erwägungen in der Entwurfsbegründung zum KWKG beizupflichten: "Diese Konsequenzen einer Auslegung des Artikels 26 Abs. 2 GG nach subjektiven Merkmalen machen deutlich, daß sie keine brauchbare Grundlage für eine gesetzliche Regelung ist; denn es wäre mehr oder weniger in das Belieben des einzelnen gestellt, ob ein Gegenstand als Kriegswaffe anzusehen wäre oder nicht, und von seiner subjektiven Entscheidung hinge es ab, ob die Herstellung, Beförderung und das Inverkehrbringen dieser Gegenstände genehmigungspflichtig wären oder nicht. Dies würde jedoch eine untragbare Behinderung der in Art. 26 Abs. 2 GG vorgeschriebenen Überwachung des Umgangs mit Kriegswaffen bedeuten und würde die Wirksamkeit einer solchen Überwachung ernstlich in Frage stellen." 2 2 3

Diese auf Praktikabilitätserwägungen beruhende Argumentation läßt sich im Wege der Auslegung des Wortlauts des Satzes 1 des Art. 26 Abs. 2 GG (auch) in eine juristisch tragfähige Begründung fassen: Der in Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG normierte Umgang mit Kriegswaffen steht unter dem Genehmigungsvorbehalt der Bundesregierung. Dies wiederum läßt den Schluß zu, daß - wenn überhaupt - allenfalls die Bundesregierung, die nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG die Herstellung, Beförderung und das Inverkehrbringen von Kriegswaffen zu genehmigen hat, definieren muß, was Kriegswaffen, d.h. zur Kriegführung bestimmte Waffen überhaupt sind 2 2 4 . In diesem Sinne hat auch § 1 Abs. 2 KWKG ausschließlich die Bundesregierung zur Änderung und Ergänzung der Kriegswaffenliste, mithin zur Bestimmung der Kriegswaffeneigenschaft nach dem KWKG ermächtigt (vgl. § 1 Abs. 1 KWKG). Damit ist jedoch erst festgestellt, daß die spezielle Bestimmung einer Waffe zur Kriegführung nicht auf einer subjektiven Beurteilung des jeweiligen Gewaltinhabers beruhen kann. Zur Beantwortung der eingangs genannten Problemkreise bedarf es aber weiterer Kriterien für die Ausfüllung des unbestimmten Verfassungsbegriffs der Bestimmung zur Kriegführung.

22 2 K. Pottmeyer, KWKG, § 1 Rn. 6, und T. Roeser, Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, S. 104, die insofern auf die Verwendung eines Panzers zur Bekämpfung von Waldbränden verweisen. 223 224

BT-Drs. 3/1589, S. 13; R. Hinze, Waffenrecht, § 1 KWKG Anm. 2-3 C).

A.A. R. Hinze, Waffenrecht, § 1 KWKG Anm. 2-3 C) (S. 6), der auf die generelle Zweckbestimmung vor allem seitens des Herstellers, aber auch des Beförderers und des Besitzers abstellen will.

76

1. Teil: Α . 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

2. Bestimmung 'zur Kriegführung' Zwar könnte man der Ansicht sein, daß alle Gegenstände oder sonstigen Medien, die zu kriegerischen Kampfhandlungen eingesetzt werden könnten, nur um dem Gefährlichkeitsaspekt Genüge zu tun, auch Kriegswaffen sind und daher der Genehmigungspflicht des Art. 26 Abs. 2 GG zu unterwerfen seien. Eine solche, über Gebühr ausdehnende Auslegung dieser speziellen Waffenbegriffe würde aber mit der durch Art. 12 GG garantierten Gewerbeund Berufsfreiheit sowie dem Gebot der Verhältnismäßigkeit nicht in Einklang zu bringen sein 2 2 5 . Die Hineinnahme einer Zweckbestimmung dient daher gerade dazu, der Gefahr der uferlosen Ausweitung des Anwendungsbereichs entgegenzuwirken 2 2 6 . Als Spezialfall des Art. 26 Abs. 1 GG dient der Genehmigungsvorbehalt des Art. 26 Abs. 2 GG dem Ziel, Störungen des friedlichen Zusammenlebens der Völker durch den Umgang mit Kriegswaffen zu verhindern 2 2 7 . Unter Einbeziehung dieser Zielsetzung können daher nur solche Waffen zur Kriegführung bestimmt i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG sein, die den Völkerfrieden zu stören vermögen. Nur solche Waffen sind nach dem Sinn und Zweck des Art. 26 GG unter den Begriff der zur Kriegführung bestimmten Waffen subsumierbar. Ausschlaggebend kann daher nur sein, ob die Waffe den Völkerfrieden zu stören in der Lage ist, d.h., ob sie dazu geeignet ist. Mithin bemißt sich die Frage, ob eine Waffe zur Kriegßhrung bestimmt ist, nach objektiven Kriterien 2 2 8 , was jedoch noch nicht die Frage beantwortet, wann wiederum eine Waffe geeignet ist, den Völkerfrieden zu stören, wie das Beispiel der ambivalenten Waffen zeigt. K.-A. Hernekamp entzieht sich diesen definitorischen Problemen, indem er für den Begriff der 'zur Kriegführung bestimmten Waffen' nicht eine ab-

225 Ähnlich: G. Potrykus, WaffR, S. 12.

KWKG, § 1 Anm. 2 (S. 35); J. Steindorf,

226

So R. Hinze, Waffenrecht, § 1 WaffG Anm. 4 (S. 5) für das WaffG.

227

S.o. Fn. 44.

228

Waffenrecht,

BT-Drs. 3/1589, S. 13, und unter Bezugnahme darauf BT-Drs. 3/2433, S. 2 (zu § 1); Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 46.; i.E. K.-A. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn 27, der auf die KWL und § 1 Abs. 2 KWKG verweist; T. Roeser, Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, S. 98; R. Hinze, Waffenrecht, § 1 KWKG Anm. 3; K. Pottmeyer, KWKG, § 1 Rn. 12; wohl auch G. Potrykus, KWKG, § 1 KWKG Anm. 2 (S. 35); a.A. wohl F. Klein, in: H. v. Mangoldt/F. Klein, Art. 26 Anm. I V 2.; E. Menzel, in: Bonner-Kommentar, Art. 26 Anm. II 6 a).

III. 'Zur Kriegführung bestimmt'

77

strakte Definition für maßgeblich hält, sondern nach § 1 Abs. 1 KWKG die enumerative 2 2 9 Aufzählung in dessen Anlage, der Kriegswaffenliste 2 3 0 . Die Kriegswaffenliste ist zwar für den Regelungsbereich des KWKG maßgeblich. Jedoch bedarf es auch dort einer abstrakten Definition, um den Maßstab für die Aktualisierung der Kriegswaffenliste der Exekutive vorzugeben. § 1 Abs. 2 KWKG, der nicht nur die Ermächtigung, sondern auch die Verpflichtung 2 3 1 der Bundesregierung zur Änderung und Ergänzung der Kriegswaffenliste ( M . . . , daß sie alle Gegenstände, Stoffe und Organismen enthält, die ...") enthält, beinhaltet demzufolge auch die Beschreibung der ergänzungspflichtigen Gegenstände, Stoffe und Organismen. § 1 Abs. 2 KWKG ist somit nicht nur ein Anhalt, sondern zugleich die Definition der Kriegswaffe nach dem KWKG 2 3 2 . Zur Kriegführung bestimmt sind danach alle Gegenstände, Stoffe und Organismen, die nach dem Stand der wissenschaftlichen, technischen und militärischen Erkenntnisse geeignet sind, allein, in Verbindung miteinander oder mit anderen Gegenständen, Stoffen oder Organismen Zerstörungen oder Schäden an Personen oder Sachen zu verursachen und als Mittel der Gewaltanwendung bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Staaten zu dienen 2 3 3 . Dies aber zeigt schon, daß maßgeblich für die Bestimmung des Begriffs der Kriegswaffe an sich nicht die Kriegswaffenliste sein kann. Denn ansonsten wären, neben den o.g. Bedenken gegen die durch § 1 Abs. 2 KWKG vorgenommene Begrenzung der Kriegswaffe auf Gegenstände, Stoffe und Organismen, selbst neuentwickelte Gegenstände, Stoffe und Organismen, die die vorgenannten Kriterien des § 1 Abs. 2 KWKG eindeutig erfüllen, bis zur Aufnahme in die Kriegswaffenliste keine zur Kriegßhrung bestimmten Waffen i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG. Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG räumt der Legislative zwar ein, "das Nähere" durch ein Bundesgesetz - das KWKG - zu regeln, was auf eine Bestätigung

229

S.o. Fn. 3.

230

K.-A. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 27; wohl auch E. Menzel, Art. 26 Anm. U. 6 a) (S. 19), dessen Kommentierung aus der Zeit vor Erlaß des KWKG datiert, aber diese Abgrenzungsaufgabe im Zusammenhang mit der Definition des Begriffs der "zur Kriegführung bestimmten Waffen" dem Regelungsbereich des zu erlassenden Gesetzes als dessen Aufgabe vorbehalten sieht. 231 Instruktiv hierzu K. Pottmeyer, KWKG, § 1 Rn. 132 ff., der zutreffend ein durch § 1 Abs. 2 KWKG gebundenes Ermessen der Bundesregierung bei der Entscheidung über Änderungen oder/und Ergänzungen der Kriegswaffenliste annimmt; ebenso D. Holthausen, NStZ 1982, 363 (368). 232

Ähnlich T. Roeser, Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, S. 101. 233

K. Pottmeyer,

KWKG, § 1 Rn. 7; G. Potrykus,

KWKG, § 1 Anm. 2 (S. 35).

78

1. Teil: Α. 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

der Auffassung von K.-A. Hernekamp hinauslaufen könnte. Dem steht aber entgegen, daß es dem ('einfachen') Gesetzgeber verwehrt ist, eine authentische Interpretation von unter dem Vorbehalt des Art. 79 GG stehenden Normen der Verfassung vorzunehmen, da ansonsten die Verfassung zur Disposition des 'einfachen' Gesetzgebers stünde 2 3 4 . Die Kriegswaffenliste ist folglich nur für das KWKG maßgeblich. Im übrigen, d.h. im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Begriff der zur Kriegführung bestimmten Waffe ist der Begriffsinhalt im Wege der Auslegung aus Art. 26 GG selbst zu bestimmen 2 3 5 . Eine Waffe ist somit nur dann zur Kriegführung bestimmt, wenn sie objektiv zur Störung des Völkerfriedens geeignet ist. Die hierzu erforderliche fachlich-wissenschaftliche Beurteilung hat sich an dem Stand der wissenschaftlichen, technischen und militärischen Erkenntnisse zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Genehmigung zu orientieren. Denn in Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerfG zum Bereich des technischen Sicherheitsrechts 2 3 6 ist angesichts des in Kriegswaffen an sich schon liegenden sehr hohen Gefährdungspotentials für den Völkerfrieden das höchste Niveau innerhalb der sog. 'Drei-Stufen-Formel' 2 3 7 , nämlich der "Stand von Wissenschaft und Technik" - hier sachbezogen in Kombination mit militärwissenschaftlichen Erkenntnissen - anzulegen. Denn je höher das Risiko, je größer das Gefährdungspotential, um so höher hat der erforderliche Sicherheitsstandard zu sein 2 3 8 . Zwar steht im Rahmen des Art. 26 Abs. 2 GG nicht das mit dem technischen Sicherheitsrecht zu bewältigende Problem der Gefährdung des Einzelnen oder der Allgemeinheit durch die Anwendung von Technik an sich 2 3 9 in Rede, sondern vielmehr die von Kriegswaffen ausgehende potentielle Gefahr für das friedliche Zusammenleben der Völker. Dennoch sind diese Maßstäbe insofern übertragbar, als es sich sowohl im technischen Sicherheitsrecht als auch im Kriegswaffenkontrollrecht um die Erfassung von Gefährdungstatbeständen handelt, die von der fortschreitenden wissenschaftlichen und technischen Entwicklung maßgeblich bestimmt werden. Die Dik-

234 S.o. S. 40 f.; ausdrücklich für den grundgesetzlichen Kriegswaffenbegriff: D. Holthausen, NStZ 1982, 363 (367). 235

Ebd.

236

Vgl. BVerfGE 49, 89 (134 ff.) - 'Kalkar'.

237

Ch. Gusy, VerwArch 79 (1988), 68 (77).

238

Vgl. K. Ipsen/P.J.

m.w.N. 239

Κ Ipsen/P.J.

Tettinger,

Tettinger,

Altlasten und kommunale Bauleitplanung, S. 25

AlÜasten und kommunale Bauleitplanung, S. 25.

79

III. 'Zur Kriegführung bestimmt'

tion der sog. 'Kalkar-Entscheidung' des BVerfG aufgreifend 2 4 0 , wird nämlich - wie im Atomrecht - nur durch die Bezugnahme auf den jeweils neusten theoretischen und praktischen Stand der Wissenschaft gewährleistet, daß mit der wissenschaftlichen und technischen Entwicklung Schritt gehalten wird 2 4 1 . Nur so wird die erforderliche - "dynamische" 2 4 2 - Vorsorge gegen Verletzungen des mit einem sehr großen Gefärdungspotential behafteten Verfassungsrechtsgutes aus Art. 26 Abs. 2 GG getroffen. Gerade im Hinblick auf die Genehmigungspflichtigkeit der Herstellung von Kriegswaffen muß diese in einem frühen Stadium einsetzen, um den Schutzzweck des Art. 26 Abs. 2 GG bestmöglich zu verwirklichen, wie dies auch der einfache Gesetzgeber durch den Terminus "entsprechend dem Stand der wissenschaftlichen, technischen und militärischen Erkenntnisse" in § 1 Abs. 2 KWKG - aber nur zur Änderung und Ergänzung der Kriegswaffenliste - umgesetzt hat. Wenngleich der Krieg i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nicht mit der Definition des § 1 Abs. 2 KWKG als bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Staaten gleichgesetzt werden kann, wird doch durch die ausdrückliche Bezugnahme auf die Völker in Art. 26 Abs. 1 GG, deren friedliches Zusammenleben geschützt werden soll, ein gewisses Ausmaß bzw. ein gesteigertes Maß an bewaffneter Auseinandersetzung beschrieben. Dieses Ausmaß ist - wie die Kriegsgeschichte zeigt - der Definition des § 1 Abs. 2 KWKG entsprechend durch Zerstörungen und Schäden an Personen und Sachen (Plural!) gekennzeichnet. Somit sind Waffen mit großer Zerstörungskraft, die eine großformatige Gewaltanwendung erlauben, jedenfalls Kriegswaffen. 3. Erfassung ambivalenter

Waffen

Zur klaren und einfachen Bestimmung des Kriegswaffenbegriffs - in negativer Hinsicht - könnte sich daher der Waffenbegriff des WaffG anbieten: Alle unter den Waffenbegriff des WaffG subsumierbaren Waffen wären danach nicht zur Kriegführung bestimmt, während die nicht unter den Waffenbegriff des WaffG fallenden Waffen samt und sonders Kriegswaffen wären. Damit würde zugleich das Problem der Ambivalenz im Bereich der Schußwaffen, die sowohl für innerstaatliche (Polizei) als auch für private Zwecke (Sport, Jagd) genutzt werden, auf einfache Art gelöst.

240

BVerfGE 49, 89 (136).

241

Vgl. P.J. Tettinger y Rechtsanwendung und gerichtliche Kontrolle im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 403; K. Ipsen/P.J. Tettinger, Altlasten und kommunale Bauleitplanung, S. 25 m.w.N. 242

Vgl. BVerfGE 49, 89 (137).

80

1. Teil: Α . 'Zur Kriegführung bestimmte Waffen'

Die These, alle Waffen, die unter das WaffG fallen, nicht als zur Kriegführung bestimmt i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG zu qualifizieren, findet auf den ersten Blick ihre Stütze in der Zielsetzung des Art. 26 Abs. 2 GG und des WaffG. Art. 26 Abs. 2 GG dient in erster Linie dem Schutz des friedlichen Zusammenlebens der Völker 2 4 3 , was durch die im Wortlaut erwähnte Zweckbestimmung und die Entstehungsgeschichte bestätigt wird. Danach sollen nur die speziellen, ausschließlich für den Krieg bestimmten Waffen erfaßt werden. Demgegenüber verfolgt das WaffG innerstaatliche, nämlich sicherheitspolitische und gewerberechtliche Zwecke (Waffenherstellung und Waffenhandel) 2 4 4 . Von der generellen Zielsetzung her dient Art. 26 Abs. 2 GG somit der externen Friedenswahrung, das WaffG demgegenüber der internen Sicherheit. Von dem WaffG werden jedoch auch vollautomatische Waffen erfaßt, die, wie das Schnellfeuergewehr G 3 bei der Bundeswehr, als Standardbewaffnung eines Soldaten in den Streitkräften der heutigen Zeit anzusehen sind. Da aber gerade vollautomatische Waffen, insbesondere die Maschinengewehre und -pistolen nach der objektiven Beschaffenheit, durch die spezielle Schnell- und Selbstladevorrichtung, mit erhöhter Zerstörungskraft ausgestattet sind, sind sie - unstreitig - zur Kriegführung konzipiert. Mithin läßt sich eine Trennung von Kriegswaffen i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG und Waffen i.S. des WaffG nicht erreichen, wie auch § 37 Abs. 2 Nr. 3 WaffG bestätigt. Denn danach sind in der Kriegswaffenliste auch diese Waffen i.S. des WaffG verzeichnet: Maschinengewehre, Maschinenpistolen, vollautomatische Gewehre (KWLNr. 29. a-c und § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. ld WaffG), halbautomatische Gewehre, die nicht Sport- oder Jagdzwecken dienen und die ihrer äußeren Form nach den Anschein der vorbezeichneten Waffen erwecken (KWL-Nr. 29. d und § 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. le WaffG), sowie Rohre und Verschlüsse zu den vorbezeichneten Waffen (KWL-Nr. 34., 35. und §§ 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. ld, e; 3 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 WaffG) 2 4 5 . Als Lösung der Frage, wann eine Waffe zur Kriegführung bestimmt ist, bietet sich daher nur an, alle sog. ambivalenten Waffen - insbesondere die vorgenannten Schußwaffen - auch als Kriegswaffen zu behandeln, da sie objektiv zur Störung des Völkerfriedens geeignet sind und bei ihnen zumindest die Möglichkeit der Verwendung als Kriegswaffe besteht. Dies würde zwar

243 G. Potrykus/J. Steindorf, Waffenrecht, Vorbem. KWKG Anm. 5; G. Potrykus, KWKG, Einl. Anm 5 (S. 8); K. Pottmeyer, KWKG, Einl. Rn. 79. 244 G. Potrykus/J. Steindorf, Waffenrecht, Vorbem. KWKG Anm. 5; G. Potrykus, KWKG, Einl. Anm 5 (S. 8); K. Pottmeyer, KWKG, Einl. Rn. 79; s.o. S. 35. 245

Vgl. K. Pottmeyer,

KWKG, Einl. Rn. 89-100.

I V . Ergebnis zu Α .

81

bedeuten, daß beispielsweise auch vollautomatische Sportgewehre und ähnliche Waffen insbesondere für die Polizei als Kriegswaffen einzustufen wären. Damit würden diese generell zur Kriegführung geeigneten Waffen aber nur der zusätzlichen Genehmigungspflicht des Art. 26 Abs. 2 GG unterfallen, was angesichts der besonderen Gefährlichkeit dieser Waffen - dem Sinn und Zweck des Art. 26 Abs. 2 GG Rechnung tragend - auch geboten ist. Die Frage der Überlassung dieser Waffen beispielsweise zu sportlichen und polizeilichen Zwecken ist dementsprechend eine Frage der Genehmigung. Diese wiederum besitzt die notwendige Flexibilität zur Berücksichtigung der speziellen Zweckbestimmung der Nutzer.

IV. Ergebnis zu A. Zur Kriegführung bestimmt sind demnach solche Waffen, die sich aufgrund ihrer objektiven Beschaffenheit eignen, den Völkerfrieden zu stören. Dies ist dann der Fall, wenn sie mit einer solch großen Zerstörungskraft ausgestattet sind, daß sie sich generell nur zum Einsatz bei bewaffneten Auseinandersetzungen größeren Ausmaßes, seien sie internationaler oder nationaler Art, eignen, also eine großformatige Gewaltanwendung erlauben. Maßgeblich hierfür ist der Stand in Forschung und Technik in Kombination mit militärwissenschaftlichen Erkenntnissen.

B. Die unterschiedlichen Kriegswaffenbegriffe des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG und des K W K G Legt man die Definition des § 1 Abs. 2 KWKG zugrunde, lassen sich schon aufgrund der vorhergehenden Erörterungen sowohl Übereinstimmungen mit als auch Abweichungen vom Kriegswaffenbegriff des Art. 26 Abs. 2 GG feststellen: 1. Maßgeblich für die Bestimmung, ob eine Waffe generell geeignet ist, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, ist sowohl für Art. 26 Abs. 2 GG als auch für das KWKG der Stand in Forschung und Technik in Kombination mit militärwissenschaftlichen Erkenntnissen. 2. Der Begriff der Waffe i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG ist nicht wie in § 1 Abs. 2 KWKG fixiert auf Gegenstände, Stoffe und Organismen, sondern ist ein unbestimmter Verfassungsbegriff, der losgelöst von den drei genannten Medien des KWKG der waffentechnischen Entwicklung offen steht. 6 Epping

82

1. Teil: Β. Die unterschiedlichen Kriegswaffenbegriffe des GG und des KWKG

3. Maßgeblicher Zeitpunkt für diese Bestimmung ist der Zeitpunkt der Entscheidung über die Genehmigungserteilung. Dem wird die insofern statische Kriegswaffenliste nicht gerecht, da beispielsweise neu entwickelte Kriegswaffen erst dann Kriegswaffen i.S. des KWKG sind, wenn sie in die Kriegswaffenliste aufgenommen sind. 4. Der Begriff des Krieges i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG ist nicht wie im KWKG (§ 1 Abs. 2) auf bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Staaten begrenzt.

I· Konsequenzen aus dem Zurückbleiben des KWKG hinter den verfassungsrechtlichen Vorgaben Soweit das KWKG hinter Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG zurückbleibt, kommt folglich der verfassungsrechtliche Genehmigungsvorbehalt zur Anwendung 2 4 6 . D.h. die Bundesregierung könnte beispielsweise die Herstellung eines als Kriegswaffe zu qualifizierenden Gegenstandes, auch wenn er (noch) nicht in die Kriegswaffenliste aufgenommen worden ist, nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG versagen. Ist also eine Handlung nach dem KWKG nicht genehmigungspflichtig, hat dies nicht zwangsläufig zur Konsequenz, daß sie auch erlaubt ist. Nach dem KWKG nicht genehmigungsbedürftige Handlungen mit Kriegswaffen, die allein nach Art. 26 Abs. 2 GG genehmigungspflichtig sind, werden gleichwohl nicht pönalisiert, da die verwaltungsakzessorischen Strafbestimmungen des KWKG (insbes. § 22a) hierzu an die Genehmigungspflichtigkeit der Tatbestände der §§ 2 - 4a KWKG anknüpfen, nicht aber an die Genehmigungspflichtigkeit der Handlungen an sich. Wird die nur nach Art. 26 Abs. 2 GG verbotene Handlung gerade wegen der fehlenden Pönalisierung durch das KWKG ausgeführt, so stellt sich die Frage der Durchsetzbarkeit des Verbots. Insofern bietet sich das allgemeine Polizei- und Ordnungsrecht an. Der in dieser nach Art. 26 Abs. 2 GG ungenehmigten Handlung liegende Verstoß gegen Art. 26 Abs. 2 GG ist ein Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit i.S. der polizei- und ordnungsrechtlichen Generalklauseln, die die Unverletzlichkeit der objektiven Rechtsordnung 2 4 7 , mithin auch die des Art. 26 Abs. 2 GG erfassen. Ein Eingreifen des allgemeinen Polizei- und Ordnungsrechts ist aber grundsätzlich nur dann möglich,

246 247

Ebenso Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 42.

W. Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 15 Anm. 1. (S. 232); V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 75; G. Heise IH. Tegtmeyer, Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen, § 1 Rn. 15.

I. Konsequenzen aus dem Zurückbleiben des KWKG

83

wenn das im konkreten Fall nicht eingreifende Sonderordnungsrecht - hier das KWKG - nicht abschließend diesen Bereich regelt 2 4 8 (sog. subsidiäre Anwendbarkeit der allgemeinen Generalermächtigung). Denn Spezialregelungen gehen nach dem anerkannten Grundsatz der Rechtsanwendung lex specialis derogat legi generali aus rechtssystematischen wie teleologischen Gründen der allgemeinen Regelung vor 2 4 9 . Das KWKG enthält jedoch selbst keine Normen zur Durchsetzung des in einer Nichtgenehmigung liegenden Verbotes. Die Regelungstechnik des KWKG besteht vielmehr darin, die Einhaltung des Verbots ungenehmigter Handlungen im Zusammenhang mit Kriegswaffen durch Bußgeld- und Strafsanktionen (insbes. §§ 22a und 22b KWKG) zu sichern. In diese Regelungslücke treten die allgemeinen Generalermächtigungen 2 5 0 . Die Befugnis zur Unterbindung des Handelns ohne Genehmigung muß folglich den allgemeinen polizei- und ordnungsrechtlichen Generalermächtigungen entnommen werden. D.h. die Ordnungsbehörde kann eine ungenehmigte und damit materiellrechtlich verbotene Handlung i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG, die nicht vom Regelungsbereich des KWKG umfaßt wird, als Rechtsnormenverstoß im Wege der polizei- und ordnungsrechtlichen Generalklauseln als Gefahr für die öffentliche Sicherheit unterbinden. Dies bedeutet, daß zur Kriegführung bestimmte Waffen i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG, selbst wenn sie nicht vom KWKG über die Kriegswaffenliste erfaßt werden, genehmigungspflichtig sind und daß Verstößen mit ordnungsrechtlichen Mitteln begegnet werden kann. Konkret betrifft diese grundgesetzliche Genehmigungspflichtigkeit beispielsweise alle Vorrichtungen, Teile, Geräte, Einrichtungen, Substanzen und Organismen, die zivilen Zwecken oder der wissenschaftlichen, medizinischen oder industriellen Forschung auf den Gebieten der reinen und angewandten Wissenschaft dienen, sofern bzw. sobald sie als zur Kriegführung bestimmte Waffen i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG zu qualifizieren sind. Diese werden nämlich für den 248 W. Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 11 Anm. 1. (S. 155); P.J. Tettinger, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 322 (zum Versammlungsgesetz); K.H. Friauf, in: I. v. Münch/E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 2. Abschnitt Rn. 149 (S. 156). 249

W. Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 11 Anm. 1. (S. 155); V. Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 446. Zum Verhältnis Versammlungsgesetz und allgemeines Polizeirecht: BVerwG, NVwZ 1988, 250 f.; VGH Mannheim, BWVB1. 1986, 299 (304 m.w.N.); V G Hamburg, NVwZ 1987, 829 (831: "allgemein anerkannt") - sog. 'Hamburger Kessel'; P.J. Tettinger, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 322; R. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 8 Rn. 110; W. Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 11 Anm. 2. g) ß) (S. 177). 25 0 W. Martens, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 11 Anm. 1. (S. 156); V. Götz y Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, Rn. 448; G. Heise/H. Tegtmeyer, Polizeigesetz Nordrhein-Westfalen, § 8 Rn. 3; P.J. Tettinger, Besonderes Verwaltungsrecht, Rn. 322 (zum Versammlungsgesetz).

84

1. Teil: Β. Die unterschiedlichen Kriegswaffenbegriffe des GG und des KWKG

Bereich der ABC-Waffen durch die Kriegswaffenliste ausdrücklich (Teil A vor I. 2 5 1 ) nicht als Kriegswaffe qualifiziert. Indes können sie nach der höherrangigen Bestimmung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nur durch eine Genehmigung der Bundesregierung diesen Tätigkeiten zugänglich gemacht werden, sofern sie zur Kriegführung bestimmte Waffen i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG sind 2 5 2 . Durch die Fiktion der Kriegswaffenliste sind die unter Teil A vor I. definierten Gegenstände, Substanzen und Organismen nach der Systematik des KWKG somit lediglich keine Kriegswaffen i.S. des KWKG. Das KWKG hat also mit seiner Fiktion die Genehmigungsfrage über die Kriegswaffenliste auf die vorher zu beantwortende Frage der Qualifikation als Kriegswaffe i.S. des KWKG vorverlagert. Unbeschadet dessen besteht weiterhin die Genehmigungspflicht nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG, sofern sie als zur Kriegführung bestimmte Waffen nach dem Grundgesetz zu qualifizieren sind.

Π. Der erweiterte Kriegswaffenbegriff des KWKG i. Wesentliche Bestandteile In der Kriegswaffenliste werden auch sog. wesentliche Bestandteile für Kriegswaffen wie z.B. Triebwerke für Raketen 2 5 3 und Kampfflugzeuge 2 5 4 , Rümpfe für Kriegsschiffe 2 5 5 , Fahrgestelle 2 5 6 und Türme 2 5 7 für Panzer sowie Rohre und Verschlüsse für bestimmte Rohrwaffen 2 5 8 aufgeführt 2 5 9 . Nach der Systematik des § 1 Abs. 1 KWKG sind diese Bestandteile somit selbst Kriegswaffen i.S. des KWKG. Der Gesetzgeber hat ausweislich der Gesetzesmate-

251

KWL in der Fassung der 7. Änderungsverordnung vom 19.4.1991 (BGBl. I, S.

913). 252

Das KWKG steht diesem Ergebnis - wohl ungewollt - nicht entgegen, da § 6 Abs. 4 KWKG andere Genehmigungen, also auch die nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG, unberührt läßt. 253

KWL-Nr. 12, 16.

254

KWL-Nr. 16.

255

KWL-Nr. 23.

256

KWL-Nr. 27.

257

KWL-Nr. 28.

258

KWL-Nr. 29 - 3 5 .

259

Vgl. des weiteren KWL-Nr. 15, 33, 36, 49, 52, 54 - 58.

II. Der erweiterte Kriegswaffenbegriff des KWKG

85

rialien diese Gegenstände in die Kriegswaffenliste aufgenommen, "weil es sich bei ihnen um die wesentlichen Teile dieser Waffen handelt und sie sehr leicht durch Zufügung der entsprechenden anderen Gegenstände zu vollständigen Kriegswaffen zusammengesetzt werden können" 2 6 0 und daher ebenfalls der eigenständigen Kontrolle bedürfen. Das KWKG erfaßt somit auch Gegenstände als Kriegswaffen, die schon von ihrer objektiven Beschaffenheit her nicht geeignet sind, Körperverletzungen oder Sachbeschädigungen herbeizuführen 2 6 1 . Sie können daher nicht als zur Kriegführung bestimmte Waffen i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG definiert werden. Deshalb fragt sich, ob diese über die Vorgaben des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG hinausgehende Erfassung verfassungrechtlichen Bedenken ausgesetzt ist. Art. 26 Abs. 2 GG ordnet lediglich an, daß die dort genannten Handlungen genehmigungspflichtig sind. Den weiteren Rahmen der Ausgestaltung des Ausführungsgesetzes legt Art. 26 Abs. 2 GG nicht fest. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des verfassungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalts, der keine Anhaltspunkte für eine enumerati ve Aufzählung der Genehmigungstatbestände enthält. Dem könnte zwar vom Wortlaut aus argumentierend entgegengehalten werden, daß ebenso auch keine Anhaltspunkte für eine exemplarische Aufzählung ('insbesondere', 'vor allem') in Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG vorhanden sind. Eine solche Argumentation würde jedoch den systematisch-teleologischen Hintergrund des verfassungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalts verkennen. Als Spezialfall des Art. 26 Abs. 1 GG dient der Genehmigungsvorbehalt des Art. 26 Abs. 2 GG dem Ziel, Störungen des friedlichen Zusammenlebens der Völker durch den Umgang mit Kriegswaffen zu verhindern 2 6 2 . Diesem Ziel kann aber das Ausführungsgesetz nur nachkommen, wenn neuere Entwicklungen im Bereich des Umgangs mit Kriegswaffen zur Gewährleistung der generellen Zielsetzung des Art. 26 GG auch über die verfassungsrechtlichen Grundaussagen in Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG berücksichtigt werden können. Art. 26 Abs. 2 GG stellt somit die zwingend vom Ausführungsgesetz zu erfüllenden Minimalanforderungen an die Kriegswaffenkontrolle fest 2 6 3 . Darüber hinaus ist der Gesetzgeber im übrigen wie auch bei allen anderen Materien frei bei der Erfassung und Normierung von Lebenssachverhalten, soweit er nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstößt, Art. 20 Abs. 3 GG. Er kann somit grundsätzlich über Art. 26 Abs. 2

260

BT-Drs. 3/1589, S. 14.

261

So deutlich BGH NJW 1992, 1053 (1054).

262

S.o. Fn. 44 f.

263

K. Westbomke, Grundzüge des Kriegs Waffenkontrollrechts, S. 2 (unveröffentlicht) spricht insofern vom 'Kernbereich'.

86

1. Teil: Β. Die unterschiedlichen Kriegswaffenbegriffe des GG und des KWKG

GG hinaus auch andere Gegenstände und Handlungen dem KWKG unterwerfen 2 6 4 . Legt man die Definition des § 1 Abs. 2 KWKG zugrunde, die alle Gegenstände, Stoffe und Organismen enthalten soll, "die geeignet sind, allein, in Verbindung miteinander oder mit anderen Gegenständen, Stoffen oder Organismen Zerstörungen oder Schäden an Personen oder Sachen zu verursachen", würde letztlich jede Schraube eines Waffensystems unter diese weite Begriffsbestimmung fallen 2 6 5 . Damit aber würde sich die Frage der Vereinbarkeit mit der durch Art. 12 GG geschützten Berufs- und Gewerbefreiheit stellen. Zwar würde eine durch § 1 Abs. 2 KWKG bestimmte Erfassung der wesentlichen Bestandteile von Kriegswaffen durch vernünftige Gründe des Gemeinwohls die Verhinderung friedensgefährdender Handlungen, den Schutz des deutschen Ansehens im Ausland und die Abwehr von Gefahren für die innere Sicherheit - hinreichend gerechtfertigt 2 6 6 . In gleicher Weise geeignete mildere Mittel 2 6 7 sind aber gegeben. So bedient sich beispielsweise die Bundesregierung einer Studie des Bundesministers für Wirtschaft vom 2. Mai 1968 2 6 8 . Erfüllt danach ein Objekt die Funktion der Zerstörung oder Gewaltanwendung nur teilweise bzw. nicht selbständig, so muß es wenigstens die Kriegswaffeneigenschaft des übergeordneten Systems teilweise determinieren, um als Kriegswaffe eingestuft zu werden 2 6 9 . Wie bereits T. Roeser hervorgehoben hat, ist diese Studie, deren Hauptaussage hier nur wiedergegeben wurde, allenfalls bedingt geeignet, die Frage nach selbständig zu erfassenden Waffenteilen zu beantworten: Fahrgestelle für Kampfpanzer (Nr. 27 der KWL) beispielsweise determinieren zwar nicht dessen Funktion der Zerstörung und Gewaltanwendung, sind aber ebenso wichtig wie das Feuerleitsystem und das Geschütz 2 7 0 . Wenngleich somit das Fahrgestell eines Kampfpanzers sich durch die Studie nicht als Kriegswaffe bestimmen läßt, zeigt die vorgenannte

264 Ebenso (zu § 4a KWKG): K. Pottmeyer, KWKG, § 4a Rn. 8; K. Westbomke, Grundzüge des Kriegswaffenkontrollrechts, S. 2 f. (unveröffentlicht); G. Sprögel, in: H. Bebermeyer, Deutsche Ausfuhrkontrolle 1992, S. 21 f.; a.A. R. Hinze, Waffenrecht, § 13 KWKG Anm. 5 (S. 3 f). 26 5 T. Roeser, Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, S. 103 f. 266

BVerfG, Beschluß vom 12.2.1979 - 1 BvR 840/78 -, S. 2 (unveröffentlicht).

267

So wörtlich BVerfG, ebd.

268

- Z A 1-10 17 05 -, Kurzfassung in R. Hinze, Waffenrecht, Anlage III zu § 1

KWKG. 269 27 0

Ähnlich: BGH NJW 1992, 1053 (1054).

T. Roeser, Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, S. 104.

II. Der erweiterte Kriegswaffenbegriff des KWKG

87

vorzunehmende Bewertung aber gerade die Bedeutung dieses Teils für die Gesamtwaffe Kampfpanzer. Die Weite der Definition des § 1 Abs. 2 KWKG wird somit durch die technisch-militärwissenschaftlich orientierte Beurteilung der Bundesregierung begrenzt. Zusammengefaßt bedeutet dies, daß die Erfassung von sog. wesentlichen Bestandteilen durch die Kriegswaffenliste und der damit einhergehenden Einstufung als Kriegswaffe verfassungsrechtlich 'inbedenklich ist, soweit nicht die verfassungsmäßige Ordnung verletzt wird, Art. 20 Abs. 3 GG. Die von der Kriegswaffenliste erfaßten wesentlichen Bestandteile sind aber keine zur Kriegführung bestimmten Waffen i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG, da ihnen schon die objektive Beschaffenheit zur 'selbständigen' Herbeiführung von Verletzungen und Sachbeschädigungen fehlt. 2. Die sog. Baugruppen- oder Bausatztheorie Probleme treten aber dann auf, wenn nicht in der Kriegswaffenliste aufgeführte Gegenstände exportiert werden sollen, diese aber zu einer Kriegswaffe zusammengebaut werden können. Das OLG Düsseldorf vertritt hierzu die Auffassung, daß allein die Zerlegung von Kriegswaffen in Baugruppen die Kriegswaffeneigenschaft nicht in Frage stelle. Maßgeblich für die Beurteilung der Kriegswaffeneigenschaft der in Baugruppen zerlegten Kriegswaffe sei allein die Einsatzbereitschaft. Diese wiederum sei gewährleistet, sofern "... die Einzelteile mit allgemein gebräuchlichen Werkzeugen ohne großen Arbeitsaufwand wieder zusammengefügt werden..."

könnten 2 7 1 (sog. 'Prinzip der leichten Herrichtbarkeit'

272

).

Daß Bausätze, deren Kriegswaffeneigenschaft erst durch den Zusammenbau begründet werden, nach der sog. Bausatztheorie mit Kriegswaffen i.S. des KWKG und des Art. 26 Abs. 2 GG gleichgesetzt werden, scheint auf den ersten Blick einsichtig, könnte doch eine andere Auslegung der Umgehung des KWKG Vorschub leisten und daher mit dem Kontrollzweck des Gesetzes nicht vereinbar sein 2 7 3 : Kriegswaffen könnten in Teile zerlegt werden, die nicht auf der Kriegswaffenliste verzeichnet sind, sodann ohne das Genehmigungserfordernis des KWKG und des GG z.B. in nicht genehmigungsfähige 271 OLG Düsseldorf, NStZ 1987, 566 f.; zustimmend D. Holthausen, NStZ 1988, 206 (208) unter Verweis auf BGH NStZ 1985, 367; ähnlich OLG Stuttgart, NStZ 1982, 33 (34); LG Itzehoe, Urteil v. 6.6.1983 - 8 KLs 33/81/1 -, S. 8 (unveröffentlicht); vgl. hierzu auchX; Pottmeyer, KWKG, § 1 Rn. 48, 91 ff. 27 2

K. Pottmeyer,

27 3

D. Holthausen, NStZ 1988, 206 (208).

ebd.

88

1. Teil: Β. Die unterschiedlichen Kriegswaffenbegriffe des GG und des KWKG

Spannungsgebiete exportiert und dort vor Ort wieder zu einer kompletten Kriegswaffe - aufgrund des Territorialitätsprinzips nun ohne Kontrollmöglichkeit der deutschen Genehmigungsbehörden - zusammengebaut werden 2 7 4 . Es fragt sich aber, ob diese an dem Umgehungsgedanken, mithin an Sinn und Zweck des Art. 26 Abs. 2 GG und des KWKG orientierte Auslegung überhaupt möglich ist. a) Art. 26 Abs. 2 GG Greift man nochmals die Motive des Gesetzgebers zur Aufnahme sog. wesentlicher Bestandteile von Kriegswaffen in die Kriegswaffenliste auf, stößt man auf eine der Argumentation des OLG Düsseldorf gleichgelagerte Begründung. Diese Gegenstände sind nämlich in die Kriegswaffenliste aufgenommen worden, "weil es sich bei ihnen um die wesentlichen Teile dieser Waffen handelt und sie sehr leicht durch Zufügung der entsprechenden anderen Gegenstände zu vollständigen Kriegswaffen zusammengesetzt werden können" 2 7 5 . Der Unterschied zu den Einzelteilen i.S. der Bausatztheorie besteht lediglich darin, daß es sich hierbei nicht um wesentliche Bestandteile von Kriegswaffen handeln muß. Argumentum a maiore ad minus muß dies zur Verneinung der Eigenschaft einer zur Kriegführung bestimmten Waffe i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG führen, da im Falle der Bausatztheorie die einzelnen Bestandteile selbst noch nicht einmal die Qualität eines - wie auch immer bestimmbaren - wesentlichen Bestandteils einer Kriegswaffe haben müssen. Denn wesentliche Bestandteile selbst können schon nicht als zur Kriegführung bestimmte Waffe i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG qualifiziert werden, da sie nach ihrer objektiven Beschaffenheit eben nicht geeignet sind, (selbständig) Körperverletzungen oder Sachbeschädigungen hervorzurufen. Folglich muß das gleiche für die Bestandteile i.S. der Bausatztheorie gelten. Diese sind ebenfalls nach ihrer objektiven Beschaffenheit nicht geeignet, (selbständig) Körperverletzungen oder Sachbeschädigungen hervorzurufen. b) Das KWKG Der Umgang mit Kriegswaffen ist ohne die erforderliche Genehmigung nach den §§ 2 - 4a KWKG gem. § 22a Abs. 1 Nr. 1 - 5, 7 KWKG strafbar. Die genannten Strafvorschriften des § 22a Abs. 1 KWKG sind mithin ver274 In der Konsequenz besteht für Inlandfälle angesichts der insofern erforderlichen Herstellungsgenehmigung kein Bedürfnis für ein Zurückgreifen auf die Bausatztheorie. 275

BT-Drs. 3/1589, S. 14.

. Der erweiterte Kriegswaffenbegriff des KWKG

89

waltungsakzessorisch, d.h. die strafrechtliche Bewertung ist an die verwaltungsrechtlichen Vorgaben gebunden. Der Strafrichter hat daher von dem Bestehen einer wirksam erteilten bzw. nicht erteilten Genehmigung auszugehen 2 7 6 . Da § 22a Abs. 1 KWKG nur ein Handeln ohne Genehmigung verlangt, ist auch die Frage der Genehmigungsfähigkeit für die Strafbarkeit an sich ohne Relevanz 2 7 7 . Die Bausatztheorie hat folglich zur Konsequenz, daß sich auch derjenige strafbar macht, der nicht nur ungenehmigt mit einer Kriegswaffe umgeht, sondern bereits solche Handlungen mit Einzelteilen vornimmt, die selbst keine Kriegswaffen sind, aber zu solchen zusammengebaut werden können. Maßstab für die Auslegung von Strafnormen, also auch Verwaltungsstrafnormen 2 7 8 im vorgenannten Sinne ist aber das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG. Das BVerfG hat in seinen Grundsatzentscheidungen 2 7 9 unter Betonung der weitgehenden Zustimmung des Schrifttums 2 8 0 hierzu ausgeführt, daß der mögliche Wortsinn des Gesetzes die äußerste Grenze zulässigerrichterlicher Interpretation ist 2 8 1 : "Führt erst eine über den erkennbaren Wortsinn der Vorschrift hinausgehende 'Interpretation' zu dem Ergebnis der Strafbarkeit eines Verhaltens, so darf dies nicht zu Lasten des Bürgers gehen. Die Gerichte müssen daher in Fällen, die vom Wortlaut einer Strafhorm nicht mehr erfaßt sind, zum Freispruch gelangen. Dies gilt auch dann, wenn als Folge der wegen des Bestimmtheitsgebots möglichst konkret abzugrenzenden Strafhorm besonders gelagerte Einzelfälle aus dem Anwendungsbereich eines Strafgesetzes herausfallen, mag auch das Verhalten in ähnlicher Weise strafwürdig erscheinen. Insoweit muß sich der Gesetzgeber beim Wort nehmen lassen. Es ist seine Sache zu entscheiden, ob er die sich aus der Strafbarkeitslücke ergebende Lage bestehen lassen oder eine neue Regelung schaffen will. Den Gerichten jedenfalls ist es durch Art. 103 Abs. 2 GG verboten, dieser Entscheidung vorzugreifen." 2 8 2

27 6

Κ Pottmeyer,

277

Z.B. BVerfGE 75, 329 (346); R. Breuer, DÖV 1987, 169 (179 f.).

KWKG, § 22a Rn. 12 m.w.N.

27 8

B. Pieroth, in: H.D. Jarass/B. Pieroth, Art. 103 Rn. 19; R. Breuer, ebd.; BVerfGE 75, 329 (340 ff.). 279

(393 f.).

BVerfGE 73, 206 (234 ff.); 71, 108 (114 ff.); 47, 109 (123 f.); 64, 389

280 BVerfGE 73, 206 (236) mit Verweis auf die Nachweise bei M. Kr ahi, Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs zum Bestimmtheitsgrundsatz im Strafrecht (Art. 103 Abs. 2 GG), S. 220 ff. 281

BVerfGE 73, 206 (235).

282

BVerfGE 73, 206 (236).

90

1. Teil: Β. Die unterschiedlichen Kriegswaffenbegriffe des GG und des KWKG

Wie bereits dargestellt, sind aber die Gegenstände, Stoffe und Organismen, die Kriegswaffen i.S. des KWKG sind, abschließend in der Kriegswaffenliste aufgezählt. Eine an dem möglichen Wortsinn orientierte Auslegung des § 1 Abs. 1 KWKG führt daher keinesfalls dazu, daß auch Teile bzw. Bausatzgruppen - da sie eben nicht in der Kriegswaffenliste zumindest unter einem Gattungsbegriff aufgeführt sind - Kriegswaffen sind. Hätte der Gesetzgeber diesen Fall erfassen wollen, so hätte er ihn in § 1 Abs. 1 KWKG bzw. in die Kriegswaffenliste aufnehmen müssen. Wie es das BVerfG gerade betont, ist es jedoch allein Sache des Gesetzgebers, mögliche Strafbarkeitslücken zu schließen. Nach Maßgabe des Gewaltenteilungsprinzips sind keinesfalls die Exekutive oder die Judikative befugt, dieser (möglichen) Entscheidung des Gesetzgebers vorzugreifen, mögen die nach dem Bestimmtheitsgebot nicht mehr erfaßten Einzelfälle auch in ähnlicher Weise strafwürdig erscheinen 2 8 3 . Die Heranziehung des 'Rechtsinstituts Gesetzesumgehung' 2 8 4 , wie es zur Begründung bemüht wird, ist im strafrechtlichen Bereich wegen des anhand der Rechtsprechung des BVerfG beschriebenen Bestimmtheitsgebots, das regelmäßig als sog. Analogieverbot bezeichnet wird 2 8 5 , gem. Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB unzulässig 2 8 6 und kann daher vorliegend keine Anwendung finden 2 8 7 .

283 Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des BVerfG zum Bestimmtheitsgebot ist es umso mehr verwunderlich, daß dies eine ständige Praxis der Genehmigungsbehörden ist (so: D. Holthausen, NStZ 1988, 206 (208); K. Pottmeyer, KWKG, § 1 Rn. 87), obgleich es sich bei den zitierten Feststellungen um die diese Entscheidung tragenden Gründe handelt, die gem. § 31 Abs. 1 BVerfGG an der Bindungswirkung von Entscheidungen des BVerfG für alle Gerichte und Behörden teilnehmen. 284

So: F. v. Burchard, Das Umgehungsgeschäft beim Waffenexport in Drittländer aus strafrechtlicher Sicht, S. 171 ff.; vgl. hierzu auch K. Tiedemann, in: Festschrift für G. Spendei, S. 591 (603 ff.). 285 Das BVerfG betont insofern zutreffend: "Das Erfordernis gesetzlicher Bestimmtheit schließt nach der Rechtsprechung eine analoge oder gewohnheitsrechtliche Strafbegründung aus. Dabei ist 'Analogie' nicht im engeren technischen Sinne zu verstehen; ausgeschlossen ist vielmehr jede Rechtsanwendung, die über den Inhalt einer gesetzlichen Sanktionsnorm hinausgeht." (E 73, 206 [235]). 286

Dies hat gerade der federführende Wirtschaftsausschuß bei seinen ablehnenden Stellungnahmen zu den SPD-Gesetzesentwürfen in der 10. und 11. Legislaturperiode hinsichtlich der mit den Entwürfen angestrebten Aufnahme eines Auffangtatbestandes betont, BT-Drs. 11/6427, S. 7. 287 F. v. Burchard, Das Umgehungsgeschäft beim Waffenexport in Drittländer aus strafrechtlicher Sicht, S. 173; V. Epping, DWiR 1991, 276 (279); R. Nippoldt, Die Strafbarkeit von Umgehungshandlungen, dargestellt am Beispiel der Erschleichung von Agrarsubventionen, S. 75 f.; Η Stockei, Gesetzesumgehung und Umgehungsgesetze im Strafrecht, S. 150 f.; ders., ZRP 1977, 134 (135 f.); K. Tiedemann, NJW 1980, 1557 (1559).

II. Der erweiterte Kriegswaffenbegriff des KWKG

91

c) Ersatzteile und unvollständige Kriegswaffen Wenn aber schon komplette Bausätze nach der derzeitigen Gesetzeslage nicht als Kriegswaffen i.S. des KWKG zu qualifiziert sind, können - entgegen der Genehmigungspraxis des Bundeswirtschaftsministeriums - erst recht keine Ersatzteillieferungen oder sonstige unvollständige 'Kriegswaffen' als Kriegswaffen i.S. des KWKG qualifiziert werden 2 8 8 . Denn hier ist wegen der Unvollst ändigkeit schon das für den Bausatz nach der Rechtsprechung maßgebliche Moment der Einsatzbereitschaft der Kriegswaffe nicht gegeben. Will man auch in diesen Fällen einer möglichen Umgehung entgegentreten, ist eine Legalisierung der bislang unzulässigen Verwaltungspraxis in diesem Bereich durch den Gesetzgeber unumgänglich. d) Praktikabilität des Prinzips der leichten Herrichtbarkeit Aber selbst wenn die bisher unzulässige Genehmigungspraxis eine Legalisierung erfahren sollte, begegnet das zur Erfassung von Bausätzen, aber auch von Ersatzteilen und unvollständigen ' Kriegswaffen ' 2 8 9 angewandte 1Prinzip der leichten Herrichtbarkeit' im Hinblick auf seine Praktikabilität Bedenken. Als Maßstab für die vom OLG Düsseldorf zur Erfassung von Bausätzen geprägte Formel der Zusammenfügbarkeit "mit allgemein gebräuchlichen Werkzeugen und ohne großen Arbeitsaufwand" wird auf die Rechtsprechung des BGH zum Verlust der Kriegswaffeneigenschaft einer Waffe abgestellt. Danach büßt eine Waffe ihre Eigenschaft als Kriegswaffe nicht dadurch ein, daß bei ihr eingebaute Vorrichtungen ihre volle Funktionsfähigkeit behindern, sofern diese Vorrichtungen "... mit geringem Aufwand und verhältnismäßig einfachen Mitteln von jedermann beseitigt werden können, der sich über die Möglichkeiten dazu informiert." 2 9 0

Wie K. Pottmeyer in seinen hilfsweise angestellten Erwägungen (er geht ebenfalls von der Unzulässigkeit der Bausatztheorie aus) zutreffend feststellt, 288 Nach der Genehmigungspraxis des Bundeswirtschaftsministeriums sind Indizien für die Kriegswaffeneigenschaft der Grad der Vollständigkeit eines in der Kriegswaffenliste genannten Gegenstandes, das Vorhandensein wesenüicher Teile, die Möglichkeit der Beschaffung der Restteile und ein möglicherweise notwendiges Komplettie rungs-Know how (so: K. Westbomke IC. Wieland, Auslegungen zu Teil Β der Kriegswaffenliste [KWL], S. 3 f. [unveröffentlicht]). Maßgeblich ist also auch hier das Prinzip der leichten Herrichtbarkeit. 289 290

Ebd.

BGH NStZ 1985, 367; D. Holthausen, NStZ 1988, 206 (208); K. Pottmeyer, KWKG, § 1 Rn. 45 ff. (insbes. 48, 50 ff.), 91 ff.

92

1. Teil: Β. Die unterschiedlichen Kriegswaffenbegriffe des GG und des KWKG

kann es daher nicht auf besondere individuelle Fertigkeiten und Kenntnisse, sondern nur auf die Fertigkeiten und Kenntnisse des durchschnittlichen Gewaltinhabers ankommen ('jedermann'), der sich anhand von Unterlagen, die er aus allgemein zugänglichen Quellen erlangen kann, sachkundig gemacht hat 2 9 1 . Ausgehend vom Umgehungsgedanken reduziert er den in Betracht kommenden Personenkreis aber auf diejenigen, die in einer zumindest nicht unbeträchtlichen Zahl von Fällen mit Kriegswaffen in Berührung kommen. Dies ist zum einen der Privatmann (Waffensammler, private Museen, verbotswidriger Besitz), und außerhalb der Streitkräfte der Techniker in der wehrtechnischen Industrie, deren unterschiedliche Kenntnisse und Fertigkeiten er jedoch insofern berücksichtigt, als er für die letztgenannte Gruppe auf die gegenüber dem Privatmann erhöhten Kenntnisse und Fähigkeiten eines durchschnittlichen Technikers in der wehrtechnischen Industrie abstellen will 2 9 2 . Damit aber rückt er selbst von dem von ihm postulierten objektiven Maßstab, den Kenntnissen und Fertigkeiten eines durchschnittlichen Gewaltinhabers ("jedermann") ab, da er damit gerade die individuellen Fähigkeiten des Technikers in der wehrtechnischen Industrie gesondert berücksichtigen will. Inkonsequenterweise finden überdies bei dieser Betrachtungsweise die Fähigkeiten und Kenntnisse sonstiger Techniker und Ingenieure keine Berücksichtigung. An diese Differenzierung anknüpfend bestimmt K. Pottmeyer auch das Merkmal des 'allgemein gebräuchlichen Werkzeugs'. Hinsichtlich des Privatmannes wird auf solche Werkzeuge abgestellt, über die jeder Durchschnittshaushalt verfügt oder die ein Privatmann in einfacher Weise beschaffen kann. Für den Techniker der wehrtechnischen Industrie soll der dort üblicherweise vorhandene Ausrüstungsstandard maßgeblich sein 2 9 3 . Insofern gelten wiederum die vorgenannten Einwände. Hinsichtlich des Merkmals 'ohne großen Arbeitsaufwand' wird eine Orientierung an dem durch den Zusammenbau erzielten Wertzuwachs versucht, wobei der Einzelfall maßgeblich sein soll. Der Aufwand ist dabei in Beziehung zu setzen zu dem Wert der Bauteile einerseits und dem Wert der Gesamtwaffe andererseits. Nur wenn der Vorgang des Zusammenbaus zu einer

291

K. Pottmeyer, KWKG, § 1 Rn. 50, der im weiteren (Rn. 51 f., 92 f.) von dem Umgehungsgedanken ausgehend zwischen dem Privatmann und dem Techniker in der wehrtechnischen Industrie differenziert. 292

K. Pottmeyer,

KWKG, § 1 Rn. 51 f.

293

K. Pottmeyer,

KWKG, § 1 Rn. 94.

II. Der erweiterte Kriegswaffenbegriff des KWKG

93

prozentual gesehen geringfügigen Steigerung des Wertes der Gesamtwaffe gegenüber den Bauteilen führt, liege ein Fall der Bausatztheorie vor 2 9 4 . Neben dem so eingegrenzten unterschiedlichen Personenkreis und Ausrüstungszustand unterliegt insbesondere die versuchte Orientierung des letztgenannten Merkmals an dem durch den Zusammenbau erzielten Wertzuwachs erheblichen Bedenken. Gerade die Schwellenländer und die Staaten der Dritten Welt kaufen - wie Libyen und der Irak zeigen - oftmals Kriegswaffen und Kriegstechnologie, die in keiner Relation zum jeweiligen Staatshaushalt stehen, nur um in den Besitz von vornehmlich Massenvernichtungsmitteln zu kommen. Wie die durch Waffenimporte ausgelöste Überverschuldung der Staatshaushalte dieser Staaten zeigt, spielt der finanzielle Aspekt allenfalls eine untergeordnete Rolle, so daß der durch den Zusammenbau erreichte Wertzuwachs auch bei einer Einzelfallbetrachtung keinen Maßstab bilden kann. Die so aufgeschlüsselte, von der Rechtsprechung entwickelte Formel der leichten Herrichtbarkeit zur Erfassung von Bausätzen und Ersatzteilen einer Kriegswaffe sowie von unvollständigen 'Kriegswaffen' ist daher - abgesehen von der Verfassungswidrigkeit - nicht einmal praktikabel. 3. Ergebnis zu IL Weder wesentliche Bestandteile von Kriegswaffen, die von der Kriegswaffenliste enumerativ erfaßt und damit nach dem KWKG als Kriegswaffe zu behandeln sind, noch Bausätze, Ersatzteile von Kriegswaffen und unvollständige 'Kriegswaffen' sind solche i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG, da sie von der objektiven Beschaffenheit her schon nicht in der Lage sind, (selbständig) Körperverletzungen oder Sachbeschädigungen hervorzurufen. Während die Erfassung von wesentlichen Bestandteilen von Kriegswaffen durch das KWKG nur unter dem Vorbehalt der verfassungsmäßigen Ordnung (Art. 20 Abs. 3 GG) steht, ist sie grundsätzlich - jedenfalls in der derzeitig gültigen Fassung - zulässig. Demgegenüber verstößt die sog. Bausatztheorie, die auch solche Gegenstände erfassen will, die nicht in der Kriegswaffenliste verzeichnet sind, gleichwohl aber zu einer Kriegswaffe zusammengebaut werden können, gegen Art. 103 Abs. 2 GG. Die diesbezügliche Rechtsprechung und Verwaltungspraxis ist daher verfassungswidrig. Nur der Gesetzgeber kann durch Änderung des Wortlauts des KWKG Bausätze und Ersatzteile von Kriegswaffen

294

K. Pottmeyer,

KWKG, § 1 Rn. 95.

94

1. Teil: Β. Die unterschiedlichen Kriegswaffenbegriffe des GG und des KWKG

sowie unvollständige 'Kriegswaffen 1 dem Regelungsbereich des KWKG unterwerfen 2 9 5 .

ΙΠ. Bewertung der Systematik der Erfassung von Kriegswaffen durch das KWKG Aufbauend auf dem Befund, daß das KWKG bei der Erfassung von Kriegswaffen hinter der Verfassungsbestimmung des Art. 26 Abs. 2 GG zurückbleibt, stellt sich die Frage, ob eine Übernahme des unbestimmten Verfassungsbegriffs des Art. 26 Abs. 2 GG in das KWKG überhaupt juristisch machbar (1.) und praktikabel (2.) ist. i. Auffangtatbestand

und Bestimmtheitsgebot

Die vollständige Erfassung von zur Kriegführung bestimmten Waffen ließe sich durch einen Auffangtatbestand in der Kriegswaffenliste realisieren. Einen solchen Auffangtatbestand sahen die - letztendlich nicht realisierten 2 9 6 - nahezu identischen Gesetzentwürfe der SPD-Fraktion im 10. und 11. Deutschen Bundestag 2 9 7 vor, mit denen verhindert werden sollte, daß die Produktion von Teilen von Kriegswaffen und der Handel mit ihnen dem Genehmigungsverfahren des Kriegswaffenkontrollgesetzes entzogen werden 2 9 8 . Die Seirichtung dieses Auffangtatbestandes bestand also nicht darin, die zur Kriegführung bestimmten Waffen i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG vollständig zu 295 Diese Intention hatten beispielsweise die in den Gesetzesentwürfen der SPD vorgesehenen Auffangtatbestände (BT-Drs. 11/2920 vom 16.9.1988, S. 9 und 13 sowie BT-Drs. 10/3342 vom 14.5.1985, S. 8 und 12). 296

Beide Entwürfe wurden federführend vom Wirtschaftsausschuß beraten, scheiterten jedoch jeweils aufgrund seiner ablehnenden Empfehlungen (BT-Drs. 10/ 4275 vom 13.11.1985 und 11/6427 vom 7.2.1990) im Bundestag (Sten.Prot. 10/ 253 vom 4.12.1986, S. 19754; Sten.Prot. 11/199 vom 7.3.1990, S. 15374). Gleichwohl hat dieser Entwurf noch Relevanz, da die SPD-Fraktion für den Fall veränderter Mehrheiten angekündigt hat, den Entwurf nochmals, d.h. zum dritten Mal einzubringen (Sten.Prot. 11/215 vom 1.6.1990, S. 16937 [a.E.]). 297 BT-Drs. 11/2920 vom 16.9.1988, S. 9 (als XI. Auffangtatbestand Nr. 62.); BT-Drs. 10/3342 vom 14.5.1985, S. 8 (als IX. Nr. 81, im übrigen aber wortgleich); zum erstgenannten Gesetzentwurf M. Schön, ZParl. 1986, 158 (164 ff.), insgesamt X. Pottmeyer, KWKG, Einl. Rn. 57-61. 298 "Gegenstände, Stoffe und Organismen, die ausschließlich für die unter I bis V i n aufgeführten Kriegswaffen Verwendung finden können oder bei denen sich aus den Umständen ergibt, daß sie zum Einbau in die unter I bis VIII aufgeführten Kriegswaffen bestimmt sind oder Bestandteil dieser Kriegswaffen werden sollen und deren Verwendungszweck ausschließlich militärischer Art ist."

III. Bewertung der KWKG-Systematik

95

erfassen, sondern ging vielmehr in die Richtung, Einzelteile i.S. der vorgenannten Bausatztheorie zu erfassen 2 9 9 . Für einen wie immer formulierten Auffangtatbestand sind dennoch die Begründungen des federführenden Wirtschaftsausschusses in seinen diesbezüglichen (ablehnenden) Beschlußempfehlungen an den Bundestag bedeutsam. In diesen wurde jeweils ausgeführt, daß der Auffangtatbestand mit seinen subjektiven Merkmalen und unbestimmten Rechtsbegriffen 3 0 0 auf dem Hintergrund der strafrechtlichen Bestimmungen des KWKG, für die der Kriegswaffenbegriff von entscheidender Bedeutung sei, nicht mit dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG in Einklang zu bringen sei 3 0 1 . Nach der Rechtsprechung des BVerfG sind unbestimmte und wertausfüllende Rechtsbegriffe sowie Generalklauseln nicht von vornherein zu beanstanden, sofern sich mit Hilfe der üblichen Auslegungsmethoden - insbesondere durch Heranziehung anderer Vorschriften desselben Gesetzes und durch Berücksichtigung des Normzusammenhangs - oder aufgrund einer gefestigten Rechtsprechung eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Norm gewinnen läßt, so daß der einzelne die Möglichkeit hat, den durch die Strafnorm geschützten Wert sowie das Verbot bestimmter Verhaltensweisen zu erkennen und die staatlichen Reaktionen vorauszusehen 3 0 2 . Der einzelne soll zwar von vornherein wissen, was strafrechtlich verboten ist und welche Strafe ihm im Fall eines Verstoßes gegen das Verbot droht, damit er in der Lage ist, sein Verhalten danach einzurichten 3 0 3 . Das Bestimmtheitsgebot darf aber deswegen nicht dahingehend übersteigert werden, daß der Gesetzgeber stets gezwungen ist, jeden Straftatbestand bis ins Letzte auszuführen, da dann die Gefahr drohen würde, daß die Gesetze nicht mehr dem Wan-

299

Vgl. die Begründung des SPD-Gesetzentwurfs in BT-Drs. 11/2920, S. 13: "Die Ziffern 62 und 63 gelten auch, wenn aus der Bundesrepublik Deutschland eine Zulieferung aus dem Ausland erfolgen soll, um dort Kriegswaffen zusammenzubauen ..." [unter: Zu X I I I (64)]. 300 i»2 u r Herstellung/zum Einbau bestimmt; die Bestandteile werden sollen; Verwendungszweck; bei denen sich aus den Umständen ergibt"; während in der ersten Alternative enge objektive Zweckbestimmungen zugrunde zu legen gewesen wären, wäre nach der Entwurfsbegründung in der zweiten Alternative auf die Angaben des Antragstellers abzustellen gewesen, BT-Drs. 10/3342, S. 12; BT-Drs. 11/2920, S. 13. 301 BT-Drs. 10/4275, S. 6 f.; BT-Drs. 11/6427, S. 6 f. 302 BVerfGE 25, 269 (285); 26, 186 (204); 48, 48 (56 f.); 66, 337 (355); 73, 206 (235); 75, 329 (341); 78, 374 (381 f.). 303 BVerfGE 25, 269 (285); 26, 41 (42); 37, 201 (207); 38, 348 (371 f.); 41, 314 (319); 47, 109 (120 f.); 48, 48 (56); 57, 250 (262); 73, (235); 75, 329 (341); 78, 374 (382); K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, § 20 I V 4 f ß (S. 830).

9 6 1 .

Teil: Β. Die unterschiedlichen Kriegswaffenbegriffe des GG und des KWKG

del der Verhältnisse oder der Besonderheit des Einzelfalls gerecht werden könnten 3 0 4 . Maßgebend für den Adressaten ist daher gleichwohl in erster Linie der verstehbare Wortlaut des gesetzlichen Straftatbestandes 3 0 5 . Erst wenn eine über den erkennbaren Wortsinn der Vorschrift hinausgehende Interpretation zu dem Ergebnis der Strafbarkeit eines Verhaltens führt, kann dies nicht mehr zu Lasten des Bürgers gehen 3 0 6 . Ausreichend ist es nach der großzügigen Rechtsprechung des BVerfG aber schon, wenn "der Gesetzgeber wenigstens seinen Grundgedanken, das Ziel seines gesetzgeberischen Wollens11 3 0 7 vollkommen deutlich macht 3 0 8 . An diesen weiten Ziel vorgaben des Bestimmtheitsgrundsatzes orientiert, liegt es nahe, den Begriff der zur Kriegführung bestimmten Waffe bzw. der Kriegswaffe aus dem natürlichen Wortsinn heraus als durchaus verständlich zu betrachten, zumal übersteigerte Begriffsinterpretationen nach der Rechtsprechung des BVerfG nicht zu Lasten des einzelnen gehen können 3 0 9 . Dieses Ergebnis findet auch rechtstatsächlich seine Bestätigung: Mit Kriegswaffen in Berührung kommt im wesentlichen nur die wehrtechnische Industrie, in seltenen Ausnahmefällen - vom verbotswidrigen Besitz abgesehen - auch der Privatmann, vornehmlich als Waffensammler 3 1 ° . Denn nach dem Zweck des in Art. 26 Abs. 2 GG enthaltenen Genehmigungsvorbehalts ist davon auszugehen, daß zur Kriegführung bestimmte Waffen grundsätzlich nicht in die Hand von Privatpersonen gehören 3 1 1 . Dem daher nur in Betracht kommenden begrenzbaren Personenkreis aber ist die objektive Beschaffenheit und die Zweckbestimmung der entsprechenden Waffen, mithin die Kriegswaffeneigenschaft wohlbekannt, zumal es nach der Rechtsprechung des BVerfG auch darauf ankommt, "an welchen Kreis von Adressaten sich die Vorschrift wendet. Richtet sie sich ausschließlich an Personen, bei denen aufgrund ihrer Ausbildung oder praktischen Erfahrung bestimmte Fachkenntnisse regelmäßig vorauszusetzen sind, und regelt sie Tatbestände, auf die sich solche Kenntnisse zu beziehen pflegen, so 304

BVerfGE 14, 245 (251); 48, 48 (56 f.); 75, 329 (342 f.); K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, § 20 I V 4 f ß (S. 830). 305

BVerfGE 75, 329 (341).

306

BVerfGE 47, 109 (121, 124); 64, 389 (393); 75, 329 (341).

307

BVerfGE 17, 306 (314); 54, 237 (247); ähnlich 48, 210 (226); 56, 1 (18 ff.).

308

K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, § 20 I V 4 f β (S. 829); hierzu insgesamt auch P.J. Tettinger, Rechtsanwendung und gerichtliche Kontrolle im Wirtschaftsverwaltungsrecht, S. 22 ff. (insbes. S. 23 f.). 309

BVerfGE 47, 109 (121, 124); 64, 389 (393); 75, 329 (341).

310

Vgl. K. Pottmeyer,

311

BVerwGE 61, 24 (31); H.D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Art. 26 Rn. 7.

KWKG, § 1 Rn. 51.

III. Bewertung der KWKG-Systematik

97

begegnet die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe unter dem Gesichtspunkt des Art. 103 Abs. 2 GG keinen Bedenken, wenn allgemein davon ausgegangen werden kann, daß der Adressat aufgrund seines Fachwissens imstande ist, den Regelungsinhalt solcher Begriffe zu verstehen und ihnen konkrete Verhaltensanweisungen zu entnehmen." 3 1 2

Der unbestimmte Verfassungsbegriff der 'zur Kriegführung bestimmten Waffe' des Art. 26 Abs. 2 GG könnte auch unter Beibehaltung der vom Gesetzgeber durch Erlaß des KWKG in der jetzigen Fassung intendierten Erfassung wesentlicher Bestandteile von Kriegswaffen über die Kriegswaffenliste in das KWKG übernommen werden. Realisierbar wäre dies durch die Einfügung eines 'AuffangtatbestandsmerJanais ', beispielsweise des gesetzestechnisch geläufigen Begriffs 'insbesondere' oder 'vor allem' in § 1 Abs. 1 KWKG: "Zur Kriegführung bestimmte Waffen im Sinne des Gesetzes (Kriegswaffen) sind insbesondere die in der Anlage zu diesem Gesetz (Kriegswaffenliste) aufgeführten Gegenstände, Stoffe und Organismen."

Damit wären einmal sowohl die grundgesetzlich zu erfassenden Kriegswaffen als auch die darüber hinausgehenden wesentlichen Bestandteile erfaßt. Zum anderen würden mit der Aufzählung exemplarisch Kriegswaffen zur besseren Verdeutlichung dieses unbestimmten Verfassungsbegriffis genannt. Aber selbst dann, wenn man den unbestimmten Verfassungsbegriff der 'zur Kriegführung bestimmten Waffe' trotz der weiten Vorgaben des BVerfG als nicht mehr mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar ansehen sollte, bleibt der einfache Gesetzgeber durch den Verfassungsauftrag des Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG gleichwohl gezwungen, diesen in das KWKG zu übernehmen. Da - der vorangestellten Prämisse folgend - dann lediglich die bisherige verwaltungsakzessorische Pönalisierung nicht mehr mit Art. 103 Abs. 2 GG vereinbar wäre, müßte die Strafbarkeit sich z.B. wie bisher auf die in der Kriegswaffenliste enumerati ν aufgeführten Medien beschränken. Dies hätte dann zur Folge, daß das KWKG zwei Kriegswaffenbegriffe aufweisen würde: Zum einen den durch den unbestimmten Verfassungsbegriff gekennzeichneten und für den verfassungsrechtlich vorgegebenen verwaltungsrechtlichen Bereich maßgeblichen weiten Kriegswaffenbegriff, der dem Verfassungsauftrag aus Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG gerecht würde und zum anderen der in ihm nahezu deckungsgleich enthaltene und allein für die - verfassungsrechtlich nicht geforderte - Strafbewehrung maßgebliche enge Kriegswaffenbegriff, der durch seine enumerati ve Aufzählung dem Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG - wie bisher - entsprechen würde.

312 7 Epping

BVerfG, NJW 1978, 1423 unter Hinweis auf BVerfGE 26, 186 (204).

9 8 1 .

Teil: Β. Die unterschiedlichen Kriegswaffenbegriffe des GG und des KWKG

Betrachtet man die in der Kriegswaffenliste verzeichneten Waffen, scheint diese Möglichkeit der Übernahme des unbestimmten Verfassungbegriffs der zur Kriegführung bestimmten Waffe i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG in das KWKG im wesentlichen nur auf die konventionellen Waffen zuzutreffen. Denn die in der Kriegswaffenliste in Teil A erfaßten ABC-Waffen werden in Teilbereichen erst durch die subjektive Zweckbestimmung zur Kriegswaffe 3 1 3 . Dem Umstand Rechnung tragend, daß beispielsweise die in der Kriegswaffenliste unter Nr. 3. und 5. in Teil A. genannten Stoffe und Organismen auch in der chemischen und pharmazeutischen, nicht-wehrtechnischen Industrie zivil genutzt werden 3 1 4 , ergibt sich dies in erster Linie aus der allgemeinen Feststellung in Teil A. vor I. der Kriegswaffenliste, der sog. Zivilklausel 3 1 5 , "Von der Begriffsbestimmung der Waffen ausgenommen sind alle Vorrichtungen, Teile, Geräte, Einrichtungen, Substanzen und Organismen, die zivilen Zwecken oder der wissenschaftlichen, medizinischen oder industriellen Forschung auf den Gebieten der reinen und angewandten Wissenschaft dienen. Ausgenommen sind auch die Substanzen und Organismen der Nummern 3. und 5., soweit sie zu Vorbeugungs-, Schutz- oder Nachweiszwecken dienen."

unabhängig davon, ob z.B. die in der Kriegswaffenliste unter Nr. 3. und 5. genannten Stoffe und Organismen erst dann zum Kampfstoff oder Kampfmittel werden, wenn ihr Inhaber ihnen die militärische Zweckbestimmung, ihnen also das Attribut 'Kampf' beimißt 3 1 6 oder der Verwendungszweck auf die jeweils zu beurteilende (für sich genommene neutrale) Tathandlung zu beziehen ist, d.h. es darauf ankommen soll, zu welchem Zweck z.B. hergestellt, befördert, überlassen oder ausgeführt wird bzw. werden soll 3 1 7 . Des weiteren wird in der Kriegswaffenliste unter Nr. 1., 2., 4. und 6. das subjektive Tatbestandsmerkmal "eigens dazu bestimmt" verwendet, das aus Anlage I I des Protokolls Nr. I I I über die Rüstungskontrolle des WEU-Vertrages übernommen wurde. Die im englischen Originaltext verwandten Formulierungen "expecially" bzw. "expressly designed to", die der deutsche Gesetzgeber in Art. I. a) (Atomwaffen) 3 1 8 , II. a) (Chemische Waffen) und III. a) 313 D. Holthausen, NJW 1992, 2113 (deutlich auch in Fn. 13 auf S. 2115); K. Pottmeyer, KWKG, § 1 Rn. 12 f. 314

D. Holthausen, NJW 1992, 2113; K. Pottmeyer,

KWKG, § 1 Rn. 13.

315

Ebd.

316

So: K. Pottmeyer,

317

So: D. Holthausen, NJW 1992, 2113 (2114) und BGH, NJW 1992, 1053.

318

ebd.

Die amtliche Übersetzung von Art. I a) hat hierbei wohl Art. I b) des Originaltextes, der allein die Formulierung "especially designed to" enthält, miteinbezogen.

III. Bewertung der KWKG-Systematik

99

(biologische Waffen) als "eigens dazu bestimmt sind" amtlich übersetzt und übernommen hat, ist im Sinne von geplant, erdacht, konstruiert, zugeschnitten oder absichtlich zu verstehen 3 1 9 . D.h., daß es für diese in der Kriegswaffenliste verzeichneten Medien nicht maßgeblich ist, ob sie objektiv dazu geeignet sind, ABC-Waffen aufzunehmen oder für militärische Zwecke verwendbar sind. Allein entscheidend ist, was der Hersteller oder Besitzer mit diesen Medien beabsichtigt 3 2 0 . Die Maßgeblichkeit der Zweckbestimmung hat der Verordnungsgeber schließlich noch durch die zitierte Zivilklausel in der Kriegswaffenliste festgeschrieben. Bestätigt wird dieser Befund auch durch die Materialien zum KWKG. Der bei der Beratung des KWKG federführende Wirtschaftsausschuß war der Ansicht, daß sich sowohl "... aus dem Zweck und Inhalt des Gesetzes als auch den gemeinsamen Merkmalen der in der Kriegswaffenliste aufgeführten Gegenstände, Stoffe und Organismen ergibt, daß das Gesetz diesen immer nur dann Kriegswaffencharakter verleiht, wenn sie als Mittel der Gewaltanwendung bei bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Staaten zu dienen geeignet sind. Sonst wären entsprechende Zusätze bei anderen Gegenständen (z.B. bei Unterseebooten und Flugkörpern) angebracht. Schädlingsbekämpfungsmittel und die Produkte der pharmazeutischen Industrie fallen daher nicht unter die Vorschriften des Kriegswaffengesetzes." 3 2 1

Indes kann - wie bei der Begriffsbestimmung der zur Kriegführung bestimmten Waffe herausgearbeitet - die Bestimmung einer Waffe zur Kriegführung nicht auf einer subjektiven Beurteilung des jeweiligen Gewaltinhabers beruhen 3 2 2 . Sind beispielsweise Schädlingsbekämpfungsmittel und andere Produkte der pharmazeutischen Industrie als zur Kriegführung bestimmte Waffen i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG entsprechend den erarbeiteten Kriterien zu qualifizieren, sind sie Kriegswaffen im verfassungsrechtlichen Sin-

319

K. Pottmeyer,

KWKG, § 1 Rn. 12.

320

K. Pottmeyer, ebd.; a.A. - wenngleich i.E. auch von einer subjektiven Zweckbestimmung ausgehend - D. Holthausen, NJW 1992, 2113 (2116), der aber in Fn. 19 einräumt, daß die deutsche Übersetzung wenig glücklich ist. 321 BT-Drs. 3/2433, S. 2 f.; ebenso R. Hinze, Waffenrecht, § 1 KWKG Anm. 2-3 N; G. Potrykus, KWKG, § 1 Anm 5 (zu Α. II. - S. 38); G. Potrykus/J. Steindorf, Waffenrecht, § 1 KWKG Anm. 2 Α. II. (S. 688); vgl. auch die Ausführungen des Berichterstatters Dahlgrün in Sten.Prot. 3/144 v. 22.2.1961, S. 8161. 322

S.o. S. 75.

323

S.o. S. 84.

100

1. Teil: Β. Die unterschiedlichen Kriegswaffenbegriffe des GG und des KWKG

Der Verfassungsauftrag aus Art. 26 Abs. 2 Satz 2 KWKG gebietet daher, auch diese im Bereich der ABC-Waffen durch die Kriegswaffenliste angelegte 'subjektive Maßgeblichkeit' zu beseitigen. 2. Praktikabilität

der Kriegswaffenliste

Der Gesetzgeber hat sich, z.T. hinter den Anforderungen des Verfassungsauftrages aus Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG zurückbleibend, im Sinne der Praktikabilität einer abstrakten Definition entzogen und sowohl die Genehmigung von Handlungen mit Kriegswaffen als auch die daran anknüpfende Pönalisierung ungenehmigter Handlungen mit Kriegswaffen auf die enumerative Kriegswaffenliste fixiert. Jedoch ist die Kriegswaffenliste nur in beschränktem Maße flexibel. Für Änderungen der Kriegswaffenliste steht der Bundesregierung nur das Mittel der Rechtsverordnung, die überdies noch der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zur Verfügung, § 1 Abs. 2 KWKG. Bei neuentwikkelten Kriegswaffen, die nicht in der Kriegswaffenliste verzeichnet sind, ist somit eine Aufnahme in die Kriegswaffenliste mit einem 'zeitlichen Nachlauf' behaftet. Für diese nicht unerhebliche, zumindest über einige Wochen sich erstreckende Zwischenzeit 3 2 4 , wären die Kriegswaffen nicht vom KWKG erfaßt, zumal zumeist mangels eigener Sachkunde der Bundesregierung die Anhörung von Experten unumgänglich wäre. Während die Genehmigungspflichtigkeit nach Art. 26 Abs. 2 GG die des KWKG kompensieren würde, wäre hingegen die Schärfe der Kriegswaffenkontrolle durch die fehlende Strafandrohung, die ja an die in der Kriegswaffenliste aufgeführten Kriegswaffen anknüpft, genommen. Nach dem grundgesetzlichen Postulat des Art. 26 Abs. 2 GG wäre dies nicht zu beanstanden. Denn im Gegensatz zu Art. 26 Abs. 1 GG, der in Satz 2 anordnet, daß die in Satz 1 aufgeführten friedensstörenden Handlungen unter Strafe zu stellen sind, stellt Art. 26 Abs. 2 GG lediglich die Herstellung, Beförderung und das Inverkehrbringen von zur Kriegführung bestimmten Waffen unter einen Genehmigungsvorbehalt. Das Grundgesetz ordnet also insoweit keine Pönalisierung an. Indes ist das KWKG seiner gesetzlichen Bezeichnung nach das Ausführungsgesetz zu Art. 26 Abs. 2 GG. Wenn die Regelungen des KWKG aber als Ausführung des Verfassungsauftrags des Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG verstanden werden, wird damit auch die insbesondere in § 22a KWKG angeordnete strafrechtliche Bewehrung umfaßt. Dies aber ist keine verfassungsrechtlich vor324 In der Begründung des Gesetzentwurfs zur Änderung des AWG vom 28.6.1991, BT-Drs. 12/899, S. 7, ist bei nicht zustimmungsbedürftigen Rechtsverordnungen von einer zeitlichen Verzögerung von zwei bis drei Wochen die Rede.

III. Bewertung der KWKG-Systematik

101

gegebene Wertentscheidung, sondern die des einfachen Gesetzgebers, der "im Hinblick auf die möglichen Folgen eines nichtgenehmigten Handelns ... (die) Zuwiderhandlungen gegen die durch das Gesetz (d.h. das KWKG und nicht das GG) vorgeschriebene Genehmigungspflicht als Kriminalunrecht" wertet 3 2 5 . Gleichwohl gibt es einen verfassungsrechtlichen Zusammenhang mit den Tatbeständen des KWKG, d.h. zu den verwaltungs- als auch strafrechtlichen Tatbeständen. Unzweifelhaft vom Verfassungsauftrag des Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG werden nämlich nicht nur die in Art. 26 Abs. 2 Satz 1 aufgeführten genehmigungspflichtigen Handlungen, sondern auch der Begriff der zur Kriegführung bestimmten Waffe erfaßt. Letztgenannter ist der Regelungsgegenstand des KWKG, der über § 1 Abs. 1 KWKG ebenso entscheidend für die Strafbestimmungen des KWKG ist 3 2 6 . Denn nur nicht genehmigte Handlungen mit Kriegswaffen sind strafbewehrt. Da aber nur dann von einer Erfüllung des Verfassungsauftrags aus Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG durch das KWKG gesprochen werden kann, wenn der Kriegswaffenbegriff des KWKG zumindest nicht hinter dem des Art. 26 Abs. 2 GG zurückbleibt, wird bei der vom Gesetzgeber von Verfassungs wegen anzustrebenden Erfüllung des Verfassungsauftrages nach der bisherigen verwaltungsakzessorischen Regelungstechnik des KWKG zwangsläufig auch die Pönalisierung umfaßt, soweit dabei gleichzeitig dem Bestimmtheitsgrundsatz entsprochen werden kann. Verfassungsrechtlich ist es daher geboten, nicht in der Kriegswaffenliste verzeichnete, insbesondere neu entwickelte Waffen, mittels einer Einzelaktsermächtigung - zumindest über einen bestimmten Zeitraum - in die Kriegswaffenliste aufzunehmen, um dem grundgesetzlichen Postulat des Art. 26 Abs. 2 GG weitestmöglich unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten nahe- und nachzukommen. Eine entsprechende Ermächtigung für den Bereich des AWG ist jüngst in § 2 Abs. 2 AWG aufgenommen worden, um eine dem KWKG ähnliche Regelungslücke zu schließen: "Der Bundesminister für Wirtschaft kann im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt und dem Bundesminister der Finanzen die notwendigen Beschränkungen von Rechtsgeschäften oder Handlungen im Außenwirtschaftsverkehr anordnen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die in § 7 Abs. 1 genannten Rechtsgüter abzuwenden.

325

BT-Drs. 3/1589, S. 24 (zu § 17).

326

BT-Drs. 10/4275, S. 6; BT-Drs. 11/6427, S. 7.

1 0 2 1 . Teil: Β. Die unterschiedlichen Kriegswaffenbegriffe des GG und des KWKG

... Die Anordnung tritt sechs Monate nach ihrem Erlaß außer Kraft, sofern die Beschränkung nicht durch Rechtsverordnung vorgeschrieben wird. H 3 2 7

Vor Aufnahme dieser Ermächtigung in das A W G bestand aufgrund der bis dahin lediglich vorhandenen Verordnungsermächtigung in § 27 A W G das Problem, daß nicht erfaßte und damit der Genehmigungspflicht des A W G und der A W V nicht unterfallende Technologien und sonstige sensitive Waren rechtlich von den Zollbehörden zur Ausfuhr freizugeben waren, solange die Bundesregierung nicht eine entsprechende Regelung verabschiedet und verkündet hatte, die diese Waren erfaßte 3 2 8 . Interessant an dieser Ermächtigung ist die Befristung. Sechs Monate nach ihrem Erlaß tritt die Anordnung außer Kraft, sofern die Beschränkung nicht durch Rechtsverordnung vorgeschrieben wird. Nach einem Zeitraum von sechs Monaten wird - so die Entwurfsbegründung 3 2 9 - in der Regel ein einzelner Ausfuhrvorgang und die sich hierauf beziehende Einzelanordnung erledigt sein, es sei denn, es besteht über den Einzelfall hinaus Bedarf an einer generellen Regelung durch Rechtsverordnung. Zweck der Regelung ist es, die Eingriffe in den freien Außenwirtschaftsverkehr (vgl. § 1 Abs. 1 AWG) im Einzelfall auf ein überschaubares Maß zu begrenzen. Überträgt man diesen Gedanken der Entwurfsbegründung auf die Kriegswaffenliste des KWKG, ließe sich beispielsweise folgende Einzelermächtigung formulieren: Die Bundesregierung kann die Kriegswaffenliste ohne Zustimmung des Bundesrates ergänzen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für das durch Art. 26 Abs. 2 GG geschützte friedliche Zusammenleben der Völker abzuwenden. Die Anordnung tritt drei Monate nach ihrem Erlaß außer Kraft, sofern die Beschränkung nicht durch Rechtsverordnung nach § 1 Abs. 2 KWKG vorgeschrieben wird.

Die in Satz 2 angeordnete zeitliche Begrenzung soll den Eilcharakter der Einzelermächtigung betonen und das Zustimmungserfordernis des Bundesrates

327 Gesetz zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuchs und anderer Gesetze vom 28.2.1992, BGBl. I, S. 372; vgl. hierzu K. Pottmeyer, DWiR 1992, 133 ff.

328 BT-Drs. 12/899, S. 6 f.; aus jüngerer Zeit sei insofern auf die Beschränkung der Durchfuhr von Waren und Fertigungsunterlagen verwiesen, die im Zusammenhang mit dem irakischen Vorhaben eines Ferngeschützes standen. Diese wurden, da nicht dem KWKG unterfallend, erst durch eine eiligst veranlaßte Änderung der A W V möglich (7. Verordnung zur Änderung der A W V vom 21.6.1990 [BGBl. I, S. 1121: Einfügung eines neuen § 38 Abs. 3 ÄWV] und 68. Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste vom 21.6.1990, BAnz. vom 27.6.1990 [Nr. 116], S. 3270 f.). 329

BT-Drs. 12/899, S. 7.

. Bewertung der KWKG-Systematik

103

wahren. Zur endgültigen Aufnahme in die Kriegswaffenliste bedürfte es gem. § 1 Abs. 2 KWKG weiterhin einer zustimmungsbedürftigen Rechtsverordnung der Bundesregierung. Der Zeitraum gibt der Bundesregierung nur die Möglichkeit, insbesondere neue Waffen auf die Qualifizierung als zur Kriegführung bestimmt zu überprüfen und die Zustimmung des Bundesrates für eine entsprechende Rechtsverordnung zur Ergänzung der Kriegswaffenliste einzuholen. 3. Ergebnis zu III. Der vom Gesetzgeber und der Kommentarliteratur hinsichtlich der enumerativen Kriegswaffenliste in den Vordergrund gestellte Praktikabilitätsaspekt 'kompensiert1 in keiner Weise die verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 26 Abs. 2 GG. Zum einen werden durch die Kriegswaffenliste nicht alle zur Kriegführung bestimmten Waffen i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG erfaßt. Zum anderen weist das KWKG auch nicht die erforderliche Flexibilität zur sofortigen Erfassung nicht auf der Kriegswaffenliste verzeichneter Kriegswaffen auf.

Zweiter Teil

Der Genehmigungsvorbehalt des Art. 26 Abs. 2 GG und seine partielle Umsetzung durch den Gesetzgeber Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG macht die Herstellung, das Befördern und das Inverkehrbringen von Kriegswaffen von einer Genehmigung der Bundesregierung abhängig. Das Genehmigungserfordernis besagt zunächst lediglich, daß im Einzelfall ein gesetzliches Gebot aufgehoben und eine bestimmte Betätigung oder ein bestimmtes Verhalten gestattet werden kann 1 . Kriterien für eine Genehmigungserteilung bzw. -versagung enthält Art. 26 Abs. 2 GG nicht.

A. Die rechtliche Qualität des Genehmigungsvorbehalts Kriterien für die Handhabung des Genehmigungserfordernisses könnten sich aus der rechtlichen Qualität des verfassungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalts ableiten lassen. Folgt man der 'traditionellen* 2 aber auch noch heute überwiegend vertretenen 3 Lehre, könnten sich insofern Rückschlüsse aus der Qualifikation des verfassungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalts entweder als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt oder als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ziehen lassen. 1

Vgl. nur: H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 vor Rn. 51; J. Brauer, Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, S. 47. 2 Vgl. nur: K.H Friauf, JuS 1962, 422 (423, Fn. 13), R. Wahl, DVB1. 1982, 51 (52) und F. Ossenbühl, DÔV 1968, 618 (623) jeweils m.w.N.; so schon O. Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, I. Band, 239 ff. (insbes. S. 240 i.V.m. Fn. 4); vgl. auch Ch. Gusy, JA 1981, 80 (81); J. Schwabe, JuS 1973, 133 f. 3

Vgl. nur: H. Maurer, Allgmeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 51 ff. m.w.N.; R. Wahl, DVB1. 1982, 51 (52); K. Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 23 Nr. 5 a) (S. 354 ff.); § 26 1. a) (S. 443 ff.); P. Badura, in: I.v. Münch/E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 3. Abschnitt Rn. 124 (S. 253); aus der Rspr. z.B.: BVerfGE 8, 71 (76); 20, 150 (158); 34, 165 (200); 41, 378 (399); 46 120 (157); 49, 89 (145); BVerwGE 41, 1 (6); 48, 123 (127 f.); 78, 357 (360); OVG Lüneburg, OVGE 26, 343 (344 f.); abweichend: Ch. Gusy, JA 1981, 80 (81); H. Rupp y NJW 1966, 2037 (2039); J. Schwabe, JuS 1973, 133 (134 f.).

I. Die traditionelle Unterscheidung

105

I. Die traditionelle Unterscheidung Sofern der verfassungsrechtliche Genehmigungsvorbehalt als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt zu qualifizieren wäre 4 , würde es sich bei einer Genehmigung um eine Ausnahmebewilligung handeln. Denn in diesen Fällen ist das von der entsprechenden Norm erfaßte Verhalten als sozial schädlich oder sozial unerwünscht generell verboten. Die verbotene Tätigkeit soll gänzlich verhindert werden, weil hiermit eine konkrete Gefahr oder eine Rechtsgutverletzung verbunden ist. Lediglich in besonders gelagerten Ausnahmefällen wird eine Befreiung von diesem Verbot erteilt. Mit Hilfe der Ausnahmebewilligung will der Gesetzgeber die schematische Strenge des Gesetzes mildern und Härten und Schwierigkeiten begegnen, die sich ergeben können, wenn aufgrund der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls der Anwendungsbereich des Gesetzes und seine materielle Zielrichtung nicht miteinander übereinstimmen 5 . Die Genehmigung wirkt in diesen Fällen also konstitutiv, da erst ihr Vorliegen die Tätigkeit rechtmäßig macht 6 . Im Gegensatz zum vorgenannten repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt werden beim präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt Tätigkeiten oder Vorhaben nicht generell verboten. Das präventive Verbot beruht auf einer abstrakten Gefährlichkeit der Tätigkeit oder des Vorhabens. Die Genehmigungspflichtigkeit ergibt sich lediglich daraus, daß vorweg behördlich geprüft werden soll, ob notwendig erscheinende und gesetzlich geregelte Voraussetzungen erfüllt sind (sog. Kontrollfunktion 7 ) . Dies bedeutet zugleich, daß, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, die Genehmigung zu erteilen ist. Der Antragsteller hat dann einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung. Das 4 So: J. Brauer, Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, S. 118 ff.; G. Frank, in: Alternativkommentar zum GG, Art. 26 Rn. 47; K.-A. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 29; HD. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Art. 26 Rn. 7; Th. Roeser, Völkerrechtliche Aspekte des internationalen Handels mit konventionellen Waffen, S. 97. 5

Vgl. nur: BVerwGE 78, 357 (360); 48, 123 (127 f.); 41, 1 (6); H. Maurer, Allgmeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 55; F. Ossenbühl, DÖV 1968, 618 (624); K. Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 23 Nr. 5 a) (S. 356); § 26 1. b) (S. 447); P. Badura, in: I.v. Münch/E. Schmidt-Aßmann, Besonderes Verwaltungsrecht, 3. Abschnitt Rn. 124 (S. 253). 6 J. Brauer, Die strafrechüiche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, S. 48. 7 Vgl. nur: H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 51, der insofern auch von der 'Kontrollerlaubnis ' im Gegensatz zur Ausnahmebewilligung beim repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt spricht (§ 9 Rn. 55); E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, I. Band, § 13 2. c) (S. 267); K.H. Friauf, JuS 1962, 422 (423); K. Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 23 Nr. 5 a) (S. 355); § 26 1. a) (S. 443).

106

2. Teil: Α . Die rechtliche Qualität des Genehmigungsvorbehalts

Verbot steht also von vornherein unter dem Vorbehalt, die Genehmigung zu erteilen, wenn sich im Genehmigungsverfahren keine gesetzlichen Versagungsgründe ergeben 8 . Durch die Genehmigung wird im Falle des präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt also kein subjektives öffentliches Recht erst erteilt oder erworben. Es wird lediglich die allgemeine Handlungsfreiheit, die durch das Verbot beschränkt war, wiederhergestellt 9 , während die Ausnahmebewilligung den Rechtskreis des Bürgers erweitert, da sie die an sich verbotene Tätigkeit ausnahmsweise für zulässig erklärt 10 . Die Genehmigung wirkt daher nicht konstitutiv, sondern lediglich deklaratorisch 1 1 . Gegen diese 'traditionelle1 Differenzierung wird eingewandt, daß sowohl das präventive wie das repressive Verbot etwas endgültig verbieten oder erlauben 1 2 . Dem ist zuzugeben, daß die Wirkung beider Verbotsarten sicherlich dem Ziel der Verhinderung verbotener, d.h. ungenehmigter Tätigkeiten dienen 1 3 . Daraus jedoch zu schlußfolgern, daß der Unterschied lediglich ein gesetzestechnischer und damit quantitativer s e i 1 4 , verkennt, daß sich beide grundlegend darin unterscheiden, daß einerseits eine Betätigung als solche erlaubt ist, sich damit innerhalb des grundgesetzlich garantierten Freiheitsraumes bewegt und nur wegen der potentiellen Gefährlichkeit vorläufig verboten ist, während andererseits eine Betätigung generell verboten i s t 1 5 . Im Gegensatz zum repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt spricht das präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt kein materielles Unwerturteil über die 8 Vgl. nur: BVerfGE 8, 71 (76); 20, 150 (158); 34, 165 (200); 41, 378 (399); 46, 120 (157); 49, 89 (145); H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 51; K. Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 23 Nr. 5 a) (S. 354 f.); § 26 1. b) (S. 443 ff.). 9

K. Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 23 Nr. 5 a) (S. 355, Fn. 77 m.w.N.); H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 52; R. Rengier, ZStW 101 (1989), 874 (875). 10

R. Rengier, ZStW 101 (1989), 874 (875).

11

J. Brauer, Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfahigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, S. 47. Die materielle Beweislast ist insofern auch günstiger, da die Genehmigung zu erteilen ist, sofern die Voraussetzungen für die Ablehnung von der Genehmigungsbehörde nicht nachgewiesen werden, so: H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 53 unter (2); F. Ossenbühl, D Ö V 1968, 618 (624); J. Brauer y Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfahigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, S. 47. 12

Ch. Gusy y JA 1981, 80 (81); J. Schwabe y JuS 1973, 133 (134 f.).

13

J. Brauer y Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, S. 47, der diese Wirkung als "vordergründig" wertet. 14 15

J.

Schwabey

JuS 1973, 133 (134 f.); ähnlich

Ch.

Gusy y JA 1981, 80 (81).

J. Brauer y Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, S. 48 f.; F. Ossenbühl, DOV 1968, 618 (623 f.).

I. Die traditionelle Unterscheidung

107

verbotene Tätigkeit aus. Dementsprechend kann auch nur im Fall des präventiven Verbots einer genehmigungspflichtigen Tätigkeit, die ohne die erforderliche Genehmigung vorgenommen wird, nicht die Beseitigung des gegebenenfalls. Geschaffenen verlangt werden, wenn nicht die Tätigkeit oder das Vorhaben auch materiell rechtswidrig ist. Hingegen kennt das repressive Verbot mit Befreiungsvorbehalt keine formelle Rechtswidrigkeit, weil formelle und materielle Legalität nicht auseinanderfallen können 1 6 . Der Unterschied zwischen dem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt und dem repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt besteht somit in einer Umkehrung von Grundsatz und Ausnahme, ist folglich qualitativer 1 7 , nicht aber quantitativer A r t 1 8 . Dieser erforderlichen Differenzierung steht auch nicht entgegen, daß in beiden Fällen eine Rechtspflicht zum Erlaß der Genehmigung seitens der Behörde bestehen kann 1 9 . Bei einem repressiven Verbot kann sich eine solche Rechtspflicht der Behörde bzw. ein entsprechender Anspruch des Antragstellers nur dann ergeben, wenn eine dahingehende sog. Ermessensreduzierung 'auf Null' vorliegt. Denn bei einem repressiven Verbot hat der Betroffene lediglich einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung im Hinblick auf die im Gesetz aufgezeigte Dispensierungsmöglichkeit 2 0 , während beim präventiven Verbot die Genehmigung schon zu erteilen ist, sofern die Voraussetzungen für die Versagung einer Genehmigung von der Genehmigungsbehörde nicht nachgewiesen werden können.

16 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 53 unter (4); J. Brauer, Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, S. 48. 17 K. Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 26 1. b) (S. 447); J. Brauer, Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, S. 48; OVG Lüneburg, OVGE 26, 343 (345: "Während beim präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt die Erteilung der Erlaubnis ... der Normalfall ist, stellt sich bei den repressiven Verboten die Dispensation von diesen im Wege eines Ermessensaktes ... als die Ausnahme, das Festhalten an dem Verbot als der Normalfall dar."). 18

So: J. Schwabe, JuS 1973, 133 (134 f.); ähnlich: Ch. Gusy, JA 1981, 80 (81).

19

So aber: J. Schwabe, JuS 1973, 133 (134).

20 A.A. Ch. Gusy, JA 1981, 80 (84), der dem Bürger lediglich ein Recht auf Durchführung des Erlaubnisverfahrens, nicht aber auf fehlerfreie Ausübung der Entscheidungskompetenz der Behörden einräumt, weil ein Dispens ausschließlich aufgrund öffentlicher Belange erteilt werden könne und infolgedessen der Grundrechtsschutz überhaupt nicht tangiert sei (ebenso: F. Ossenbühl, DÖV 1968, 618 [625 m.w.N.]).

108

2. Teil: Α. Die rechtliche Qualität des Genehmigungsvorbehalts

Π. Art. 26 Abs. 2 GG 1. Die gesetzliche Terminologie Für die Frage, welche Art von Genehmigungsvorbehalt Art. 26 Abs. 2 GG enthält, könnte zumindest indiziell auf die Gesetzestechnik abgestellt werden. In der Gesetzessprache haben sich nämlich eine Reihe stereotyp wiederkehrender Formeln eingebürgert, auf die der Gesetzgeber zumeist zurückgreift, wenn er zwar Ausnahmen von einer Norm zulassen, gleichwohl aber an dem grundsätzlichen Verbot festhalten will (repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt). Dies ist regelmäßig bei der Verwendung der gebräuchlichen Begriffe 'Ausnahme' 2 1 und 'Befreiung' 2 2 sowie 'Dispens' und 'Abweichung' der Fall 2 3 . Denn der Gebrauch dieser Begriffe ist logisch nur möglich, wenn ein generelles Verbot besteht. Somit wird durch die Benutzung dieser Begriffe hinreichend deutlich ausgedrückt, daß an der grundsätzlich zwingenden Natur der Regelung, von der Ausnahmen zugelassen werden dürfen oder von der befreit bzw. abgewichen werden darf, nichts geändert werden soll 2 4 . Demgegenüber wird die gesetzliche Formulierung 'Das Verhalten bedarf der Genehmigung' 2 5 als typische Gesetzestechnik für ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gedeutet 2 6 . Wie jedoch schon eine frühe Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 2 7 gezeigt hat, ist die reine Begrifflichkeit zu vordergründig und wegen der gleichwohl in der Praxis fließenden Übergänge 2 8 allenfalls indizieller 21

Z.B.: § 31 Abs. 1 BauGB, § 68 Abs. 1, 2 BauONW, § 37 Abs. 3 WaffG, § 46

StVO. 22

Z.B.: § 31 Abs. 2 BauGB, § 68 Abs. 3 BauONW.

23

So instruktiv R. Mussgnug, Der Dispens von gesetzlichen Vorschriften, S. 64 ff.; J. Schwabe, JuS 1973, 133 (134); K. Pottmeyer, KWKG, Einl. Rn. 72; vgl. auch K.H. Friauf, JuS 1962, 422 (423 f., insbes. Fn. 15); K. Vogel, in: Drews/Wacke/ Vogel/Martens, § 26 1. b) (S. 447). 24

R. Mussgnug, Der Dispens von gesetzlichen Vorschriften, S. 67.

25

Z.B.: § 7 0 BauONW.

26

K.H. Friauf, JuS 1962, 422 (424, Fn. 15 [gleichwohl aber die Mehrdeutigkeit dieser Formulierung betonend]); K. Pottmeyer, KWKG, Einl. Rn. 72; J. Schwabe, JuS 1973, 133 (134 f.). 27 28

BVerfGE 8, 71 ff.

J. Brauer, Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, S. 48 Fn. 102; K.H. Friauf, JuS 1962, 422 (424); wohl auch K. Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 26 1. b) (S. 447), wenn er ausführt,

II. Art. 26 Abs. 2 GG

109

Natur. Daher deutet die Gesetzestechnik des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG allenfalls auf ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt hin. Da der Wortlaut des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG auch im übrigen keinen Aufschluß darüber gibt, ob es sich insofern um ein repressives oder ein lediglich präventives Verbot handelt, ist im Wege der Auslegung weiter der Charakter dieses Genehmigungsvorbehalts zu ermitteln, um sodann der Frage der dementsprechenden Umsetzung durch das KWKG nachgehen zu können. Denn wenn J. Beschorner demgegenüber behauptet, daß die Folgen der unterschiedlichen Charakterisierung dieses grundgesetzlichen Genehmigungsvorbehalts in der Praxis gering 29 , mithin i.E. wohl vernachlässigenswert seien, übersieht er die unter Berufung auf Art. 26 Abs. 2 GG 3 0 im KWKG angelegte verwaltungsakzessorische Pönalisierung nicht genehmigter, aber genehmigungspflichtiger Handlungen im Zusammenhang mit dem Umgang mit Kriegswaffen (insbesondere in § 22a Abs. 1 Nr. 1-5, 7 KWKG). Sofern die Vornahme einer Tätigkeit ohne Genehmigung unter Strafe gestellt wird, stellt sich nämlich im Hinblick auf die unterschiedlichen Folgen im Falle rechtswidrig erteilter Genehmigungen 3 1 sowie im Falle des Irrtums 3 2 die Frage, ob die Genehmigung ein Tatbestandsmerkmal oder lediglich einen Rechtfertigungsgrund darstellt. Nach den insofern primär im Umweltstrafrecht ent-

daß "für eine Unterscheidung im Einzelfall ... jeweils auf den Bereich der Fälle abzustellen" sei, "für den die Verbotsvorschrift eine Ausnahme möglich macht". 29

J. Beschorner, ZVglRWiss 90 (1991), 262 (267 Fn. 27).

30

G. Potrykus sieht in der durch § 16 KWKG a.F. (nun § 22a n.F.) geregelten Pönalisierung die Erfüllung des Gesetzgebungsauftrags aus Art. 26 Abs. 1 S. 2 GG, friedensstörende oder den Angriffskrieg vorbereitende Handlungen unter Strafe zu stellen (KWKG, § 16 Anm. 1.). Die Zielsetzung ist zwar zutreffend, gleichwohl ist das KWKG das Ausführungsgesetz zu Art. 26 Abs. 2 S. 2 GG und Art. 26 Abs. 2 seinerseits ein Spezialfall des Art. 26 Abs. 1 GG. In diesem Sinne auch Κ Pottmeyer, KWKG, § 22a Rn. 1 i.V.m. Einl. Rn. 63. 31 Vgl. hierzu: G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 16. Abschn., Rn. 29a; G. Heine /V. Meinberg, Gutachten D für den 57. Deutschen Juristentag, D 48 ff.; Κ Pottmeyer, KWKG, § 22a Rn. 12 ff. und 22 ff.; R. Rengier, ZStW 101 (1989), 874 (884 ff.; 896 ff.); Κ Tiedemann/U. Kindhäuser, NStZ 1988, 337 (343 f.); W. Winkelbauer, NStZ 1988, 201 (205 f.). 32 Tatbestandsirrtum oder Erlaubnistatbestandsirrtum; i.E. hat diese Irrtumsfrage jedoch nur Bedeutung, wenn man entgegen der strafrechtlichen Rspr. und der überwiegenden Literatur, die in beiden Fällen zur direkten oder analogen oder rechtsfolgenverweisenden Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 StGB kommen (vgl. hierzu m.w.N.: P. Cramer , in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 16 Rn. 16 ff.), der strengen Schuldtheorie folgt (so einschränkend auch Κ Pottmeyer, KWKG, Einführung Rn. 70 a.E.). Diese kommt nämlich im Falle des Erlaubnistatbestandsirrtums zum Verbotsirrtum nach § 17 StGB (vgl. hierzu m.w.N.: P. Cramer , in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 16 Rn. 15).

110

2. Teil: Α. Die rechtliche Qualität des Genehmigungsvorbehalts

wickelten, aber hier ebenso anwendbaren Grundsätzen 3 3 ist die Genehmigung nach der ganz überwiegenden Ansicht Tatbestandsmerkmal, wenn ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt, dagegen Rechtfertigungsgrund, wenn ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt vorliegt 3 4 . 2. Systematische Auslegung Aus der Systematik des Art. 26 GG ergibt sich, daß der durch Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG erfaßte Umgang mit Kriegswaffen als potentieller Störungsfaktor für das durch Art. 26 GG geschützte friedliche Zusammenleben der Völker qualifiziert wird 3 5 . Wenn nun die lex generalis, Art. 26 Abs. 1 GG, sämtliche Handlungen, die geeignet sind, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, für verfassungswidrig erklärt, liegt es nahe, hieraus den Schluß zu ziehen, daß die in Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG genannten genehmigungspflichtigen Tätigkeiten generell verboten sind, mithin unter einem repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt stehen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, daß sich die Qualifkation der friedensstörenden Handlungen i.S. des Art. 26 Abs. 1 als 'verfassungswidrig' im Parlamentarischen Rat gegen die ebenfalls vorgeschlagene Qualifikation 'sind verboten und unter Strafe zu stellen' durchsetzte. Von daher ist die wohl überwiegend im Parlamentarischen Rat geteilte Interpretation dieses Merkmals durch C. Schmid zu unterstellen: "Durch den Ausdruck 'verfassungswidrig' soll die in der Verfassung stärkste rechtliche Verurteilung eines Tuns ausgesprochen werden. Wenn hier erklärt wird, daß der Akt verfassungswidrig ist, so bedeutet es, daß ohne komplizierte Rechts-

33 J. Brauer, Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, S. 44 ff.; F.v. Burchard, Das Umgehungsgeschäft beim Waffenexport in Drittländer aus strafrechtlicher Sicht, S. 17; Κ Pottmeyer, KWKG, § 22a Rn. 9 f. 34 J. Brauer, Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, S. 44 ff.; F.v. Burchard, Das Umgehungsgeschäft beim Waffenexport in Drittländer aus strafrechtlicher Sicht, S. 17; G. Heine/V. Meinberg, Gutachten D für den 57. Deutschen Juristentag, D 46 (m.w.N. in Fn. 90 f.); H.J. Hirsch, in: Leipziger Kommentar, StGB, Vor § 32 Rn. 160; G. Jakobs, Strafrecht Allgemeiner Teil, 16. Abschn. Rn. 29 (mit krit. Anmerkungen); H.H. Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 4. Auflage, § 33 V I 2. und 3. (S. 331); Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 32 Rn. 61; ders., in: Festschrift für G. Pfeiffer, S. 27; K. Pottmeyer, KWKG, Einführung Rn. 70, § 22a Rn. 9 ff.; R. Rengier, ZStW 101 (1989), 874 (874 f., 878: "... hilfreicher Ausgangspunkt - aber nicht mehr."); K. Tiedemann/U. Kindhäuser, NStZ 1988, 337 (342 f.); W. Winkelbauer, NStZ 1988, 201 (202 m.w.N.); a.A. H. Ostendorf\ JZ 1981, 165 (174 f.: Tatbestandsausschluß bei Sozialadäquanz); E. Horn, UPR 1983, 362 (365 f.: objektive Straflosigkeitsbedingung). 35

S.o. S. 38 (Fn. 44 f. m.w.N.).

II. Art. 26 Abs. 2 GG

111

verfahren Paroli geboten werden kann, während mir, wenn es nur heißt, 'sind verboten und unter Strafe gestellt', diese Möglichkeit nicht in dieser Weise gegeben zu sein scheint." 3 6 "Ich glaube ferner, daß die Formulierung ...'sind verfassungswidrig' einen besonderen Sinn hat, den Sinn nämlich, daß gegen solche Handlungen vorgegangen werden kann, ohne daß der Betroffene gegen dieses Vorgehen den Schutz der Verfassung anrufen kann. Es scheint mir sehr wichtig zu sein zu sagen, daß - ich gebrauche absichtlich einen sehr starken Ausdruck - einer, der so etwas tut, sich gewissermaßen 'hors la loi' stellt, wie es im Französischen heißt. Das sollte klar zum Ausdruck kommen." 3 7

Die in Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG angeordnete Rechtsfolge der Verfassungswidrigkeit umfaßt demnach nicht nur den Charakter des Verbotenseins, sondern geht sogar darüber hinaus. Die Besonderheit zeigt sich daran, daß eine Rechtfertigung durch andere Verfassungsgüter nicht möglich ist 3 8 . Daß die in Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG erfaßten Handlungen potentiell geeignet sind, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, steht nicht nur nach der Systematik des Art. 26 GG außer Zweifel. Die Eignung zur Friedensgefährdung ist jedoch nur eine von zwei kumulativ notwendigen Voraussetzungen zur Bejahung des Tatbestandes des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG und der Qualifizierung als verfassungswidrig. Erforderlich ist des weiteren eine entsprechende Absicht auf der subjektiven Seite. D.h., daß auch nur dann, wenn eine entsprechende Absicht bei den genehmigungspflichtigen Handlungen zu konstatieren ist, die Rechtsfolge des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG als die lex generalis ausgelöst wird. Im Umkehrschluß wiederum bedeutet dies, daß, sofern eine solche Absicht i.S. des Art. 26 Abs. 1 Satz 1 GG nicht festzustellen ist, die in Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG beschriebenen Handlungen nicht dem auch durch den Genehmigungsvorbehalt zu schützenden Rechtsgut des Art. 26 GG zuwiderlaufen. Wenn aber dementsprechend die Genehmigung nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nur dann zu versagen ist, wenn auch eine Absicht zur Friedensgefährdung festzustellen ist, bedeutet dies, daß im umgekehrten Fall eine Genehmigung 36

Parlamentarischer Rat, Hauptausschuß, 6. Sitzung, 19.11.1948, Sten.Prot. S. 72. Ebenso K.-A. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 25; E. Forsthoff, in: Der Kampf um den Wehrbeitrag, Band 2, 2. Halbband, S. 312 (318). Vgl. hierzu auch Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 4, der in der Verfassungswidrigkeit nichts anderes als ein in besonders feierlicher Form ausgesprochenes Verbot der Handlungen sieht. 37

348. 38

Parlamentarischer Rat, Hauptausschuß, 29. Sitzung, 5.1.1949, Sten.Prot. S. H.D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Art. 26 Rn. 4.

112

2. Teil: Α. Die rechtliche Qualität des Genehmigungsvorbehalts

zu erteilen ist. Die Systematik legt somit nahe, daß dem Genehmigungsvorbehalt kein generelles Verbot zugrunde liegt. 3. Sinn und Zweck ("Sozialschädlichkeit") Legt man den traditionellen Dualismus der Charakterisierung der Genehmigungsvorbehalte zugrunde, ist im Hinblick auf Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG dessen Sinn und Zweck zu erforschen: Liegt er in einem generellen Verbot, von dem Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nur in atypischen Ausnahmefällen Befreiungen gestatten will, oder liegt er lediglich in der beschriebenen Überwachungs- und Kontrollfunktion? Geht man von der letztgenannten Funktion des Genehmigungsvorbehalts aus, wäre der Umgang mit Kriegswaffen i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG grundsätzlich erlaubt, d.h. sozialadäquat. Es ist also zu fragen, ob das Herstellen, Befördern oder Inverkehrbringen von Kriegswaffen als sozialadäquat oder als sozialschädlich zu qualifizieren ist 3 9 . Der primären Zweckbestimmung der Kriegswaffen entsprechend werden diese dazu benutzt, bewaffnete Auseinandersetzungen zu führen oder politische Konflikte zu lösen. Ihre Anwendung ist daher darauf gerichtet, Menschen zu töten bzw. zu verletzen und Sachen zu beschädigen. Die Pönalisierung dieser Handlungen durch das StGB zeigt, daß diese nicht sozialadäquat sind. Fraglich ist nur, ob sich dieses abstrakte Werturteil auch auf den hier maßgeblichen Kriegsfall übertragen läßt, d.h., ob die Tötung und Verletzung von Feinden sowie die Beschädigung von feindlichen Sachen im Kriege als sozialadäquat angesehen werden können 4 0 . H.J. Hirsch hebt treffend hervor, daß nach dem "Anschauungsunterricht", den das deutsche Volk in zwei Weltkriegen erhalten habe, es nicht mehr gewagt werden könne, die Frage nach der sozialen Adäquanz ohne inneres Widerstreben zu stellen 4 1 . Die Sozi al adäquanz läßt sich keinesfalls daraus herleiten, daß man in der Tötung oder Verletzung von Feinden sowie der Zerstörung von Sachen Handlungen sieht, die den normalen menschlichen Betätigungen, in denen sich das Sozialleben abwickelt, gleichstehen. Das Töten und Verletzen von Feinden ist sicherlich keine Tätigkeit im Rahmen der Ord39 So die unter dem Aspekt der Sozialadäquanz entwickelte Abgrenzung: F.v. Burchard, Das Umgehungsgeschäft beim Waffenexport in Drittländer aus strafrechtlicher Sicht, S. 21; K.H Friauf, JuS 1962, 422 (423); H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 55; K. Pottmeyer, KWKG, Einl. Rn. 77. 40 Die Sozialadäquanz bejahen ausdrücklich: F. Schaffstein, ZStW 72 (1960), 369 (379); H.v. Weber, in: Festschrift für E. Mezger, S. 183 (188); K. Engisch, ZStW 70 (1958), 566 (593). 41

HJ. Hirsch, ZStW 74 (1962), 78 (107).

II. Art. 26 Abs. 2 GG

113

nung des normalen menschlichen Zusammenlebens 4 2 . Vielmehr stellt schon der Krieg nach Maßgabe des völkerrechtlichen Gewalt Verbots, das in Art. 2 Ziff. 4 der UN-Charta seine Kodifizierung gefunden hat, grundsätzlich eine völkerrechtswidrige Handlung dar, sieht man von dem in Art. 51 der UNCharta kodifizierten Selbstverteidigungsrecht und den militärischen Sanktionsmaßnahmen nach Art. 43 der UN-Charta ab. In gleichem Maße verbietet das primär in Art. 26 GG kodifizierte Friedensgebot des Grundgesetzes jegliche friedensgefährdende Handlung. Aus dieser grundsätzlichen Bewertung des Krieges an sich folgt jedoch nicht automatisch, daß jegliche Tötungs-, Verletzungs- und Beschädigungshandlung im Kriege sofort völkerrechtswidrig und daher auch sozialinadäquat ist 4 3 . Denn in einem Kriege ist immer eine Partei die angegriffene, die sich auf das Selbstverteidigungsrecht aus Art. 51 UN-Charta berufen kann, sofern sich eine Unterscheidung zwischen Angreifer und Angegriffenem überhaupt durchführen läßt 4 4 . Daher kommt im Falle des Krieges unabhängig von dieser Wertung allein das humanitäre Völkerrecht zur Anwendung. Danach ist nur die Zivilbevölkerung nicht Kriegs- bzw. Kampfobjekt, sondern Schutzobjekt. D.h., nur Schädigungshandlungen gegen die Zivilbevölkerung sind völkerrechtswidrig und daher auch nicht sozialadäquat. Völkerrechtlich zulässige, d.h. auch sozialadäquate Ziele bewaffneter Schädigungshandlungen im Kriege sind hingegen militärische Objekte. Dies sind, was die Personen anbetrifft, nur die Kombattanten der kriegführenden Parteien, also im wesentlichen die Angehörigen der Streitkräfte 4 5 . Ebenso sind auch nur die (rechtmäßigen) Kombattanten völkerrechtlich befugt, bewaffnete Schädigungshandlungen gegen militärische Ziele vorzunehmen 4 6 . Hieraus folgt, daß das Töten und Verletzen von feindlichen Kombattanten sowie die Beschädigung von militärischen Sachen durch rechtmäßige Kombattanten im Kriege völkerrechtsgemäß ist, soweit andere Regeln des Kriegs-

42

H.J. Hirsch, ebd.

43

So wohl auch H.J. Hirsch, ebd.

44

So deutlich C. Schmid im Parlamentarischen Rat (Hauptausschuß, 6. Sitzung, 19.11.1948, Sten.Prot. S. 72): "Letzten Endes ist der Unterschied zwischen Angriffskrieg und Verteidigungskrieg weitgehend zu einer Flause geworden." Ebenso Th. Maunz (in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 8): "... das uralte Problem der Kriegsschuld ...". 45 Zum Begriff des 'Kombattanten' und zur Differenzierung zwischen 'rechtmäßigen' und sog. 'illegalen' bzw. 'nichtprivilegierten' Kombattanten vgl. K. Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 66 Rn. 34 ff. 46

K. Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 66 Rn. 33.

8 Epping

114

2. Teil: Α. Die rechtliche Qualität des Genehmigungsvorbehalts

rechts dem nicht entgegen stehen. Nur insoweit ist daher eine Sozialadäquanz dieser ansonsten grundsätzlich nicht sozialadäquaten Handlungen zu bejahen. Wie aber gerade wieder der zweite Golfkrieg 4 7 gezeigt hat, werden durch militärische Schädigungshandlungen bewußt oder unbewußt zivile Objekte beschädigt und vernichtet 4 8 . Die nach dem Völkerrecht zwingend vorzunehmende Differenzierung eweist sich in tatsächlicher Hinsicht somit als sehr problematisch, weshalb die vorher festgestellte Sozialadäquanz militärischer Schädigungshandlungen jedenfalls von der tatsächlichen Seite her in Frage gestellt werden muß. Dieser Aspekt betrifft den Einsatz bzw. die Anwendung von Kriegswaffen, nicht aber die Herstellung, die Beförderung und das Inverkehrbringen von Kriegswaffen. Nur diese Handlungen sind jedoch Regelungsgegenstand des Art. 26 Abs. 2 GG. Hieraus könnte gefolgert werden, daß der diesen Handlungen erst nachfolgende tatsächliche Einsatz von Kriegswaffen aus der Betrachtung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG unter dem Gesichtspunkt der Sozialadäquanz keine Berücksichtigung finden dürfe. Dies aber wäre schon im Hinblick auf die Zielsetzung von Art. 26 Abs. 1 GG kaum haltbar. Vielmehr ist, wie die letzten Jahrzehnte des nun überwundenen Ost-West-Konfliktes gezeigt haben, der Einsatz von Kriegswaffen zu Schädigungshandlungen nicht der alleinige Sinn und Zweck von Kriegswaffen. Wie gerade der sog. 'NATODoppelbeschluß' deutlich gemacht hat, hat auch das bloße Vorhandensein von Kriegswaffen eine friedenssichernde und kriegsverhindernde Dimension 4 9 . Exemplarisch sei hierzu auf die Entwurfsbegründung der Bundesregierung im Zusammenhang mit der Ende 1990 vorgenommenen Einfügung neuer Straf- und Verbotsvorschriften in das KWKG gegen den generellen Umgang mit Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen (§§ 17 - 22 KWKG) 5 0 verwiesen:

47 Vom 2.8.1990 (Einfall irakischer Truppen in Kuwait) bis zum 3.3.1991 (Irakische Regierung akzeptiert die UN-Resolution 686); vgl. hierzu nur die chronologische Übersicht in: HuV-I 1991, 6 ff. 48 Z.B. Zerstörung eines Bunkers in Bagdad am 13.2.1991 durch eine US-amerikanische cruise missile, wodurch nach irakischen Angaben mehrere hundert Zivilisten getötet wurden (AdG 1991, 35387); Flächenbombardements durch amerikanische B52 Langstreckenbomber. 49 F. v. Burchard, Das Umgehungsgeschäft beim Waffenexport in Drittländer aus strafrechtlicher Sicht, S. 22; H.G. Goldmann, Die behördliche Genehmigung als Rechtfertigungsgrund, S. 105; K. Pottmeyer, KWKG, Einl. Rn. 77. 50 Vgl. hierzu V. Epping, RIW 1991, 461 ff.; D. Holthausen, NJW 1991, 203 ff.; K. Pottmeyer, KWKG, §§ 16 - 17 Rn. 1 ff.

. Art. 26 Abs. 2 GG

115

"Nuklearwaffen sind und bleiben Kernelement der auf Kriegsverhinderung gerichteten Abschreckungsstrategie des Bündnisses. Sie sind entscheidender Garant der sicherheitspolitischen Stabilität, die sich in zahlreichen politischen Lagen mit unterschiedlicher Krisenintensität, zum Teil mit einem hohen Maß an Konfliktpotential, immer wieder bewährt hat. Die westlichen Nuklearmächte handeln in Erfüllung dieser Strategie nicht nur im Sicherheitsinteresse der Bundesrepublik Deutschland, sondern mit ausdrücklicher Unterstützung der Bundesregierung, wenn sie - Nuklearwaffen entwickeln, herstellen, verbessern, einsatzbereit halten, - auf deutschem Territorium lagern, verfügbar halten, transportieren und - im Bündnisrahmen gemeinsam mit den anderen Partnern Einsatz- und Übungskonzepte für Nuklearwaffen entwickeln." 5 1

Aus dieser friedenssichernden Dimension der Abschreckung folgt somit, daß der Umgang mit Kriegswaffen nicht grundsätzlich als sozialinadäquat zu bewerten ist. Das Vorhandensein der Bundeswehr und ihre durch die grundgesetzliche Friedenspflicht vorgegebene Ausrichtung auf den Verteidigungsfall bestätigen diese These. Kriegswaffen, mit denen die Bundeswehr ausgerüstet ist, leisten somit auch einen wesentlichen Beitrag für die Verteidigungsbereitschaft der Bundesrepublik Deutschland 5 2 . Ferner darf nicht übersehen werden, daß auch die Polizei und der Bundesgrenzschutz mit Kriegswaffen ausgerüstet sind. Kriegswaffen tragen somit neben der Sicherung des äußeren Friedens auch zur Gewährleistung der inneren Sicherheit bei 5 3 . Der Umgang mit Kriegswaffen kann im Hinblick auf diese positiven Aspekte mithin nicht als generell sozialschädlich bewertet werden. Diese Wertung wiederum läßt einen Schluß auf die Qualifikation des verfassungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalts als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt nicht zu. 4. Die Entstehungsgeschichte

Im Gegensatz zu den vorgenannten Auslegungsergebnissen leitet J. Brauer allein aus der Entstehungsgeschichte des Art. 26 Abs. 2 GG ab, daß der Genehmigungsvorbehalt ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt enthalte 5 4 .

51

BT-Drs. 11/4609, S. 8 f.

52

So deutlich K. Pottmeyer,

53

Ebd.

54

KWKG, Einl. Rn. 77.

J. Brauer, Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, S. 119.

116

2. Teil: Α. Die rechtliche Qualität des Genehmigungsvorbehalts

Betrachtet man die Materialien zum Grundgesetz, so fällt auf, daß zwar die Idee zur Ergänzung des Verbots friedensstörender Handlungen um eine Bestimmung über Waffen-

und Munitionsproduktion von F.

Eberhard

im

Grundsatzausschuß des Parlamentarischen Rates ausging, die, soweit es die Formulierung der Genehmigungspflicht angeht, der heutigen Fassung des G G entspricht: "... dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung ... ".

55

Tragender Gesichtpunkt seiner Auffassung war der Aspekt, "... daß die SA und SS sich (nicht) hätten bewaffnen können, wenn die Weimarer Verfassung eine Bestimmung enthalten hätte, die den Transport, die Einfuhr, die Lagerung und das Inverkehrbringen von Munition und Waffen verboten hätte." 5 6 I m übrigen aber wurde der Genehmigungsvorbehalt, bis er in der zweiten Lesung des Hauptausschusses auf Antrag von R. Lehr ohne weitere Aussprache auf die endgültige Fassung gebracht wurde 5 7 , restriktiver formuliert: "... dürfen außer mit Genehmigung der Bundesregierung weder ... ".

58

A u f eine Anregung von C. Schmid "Sollen wir nicht eine klare und unverklausulierte Erklärung abgeben, daß in Deutschland keine Kanonen mehr gebaut werden sollen, nicht nur für uns nicht, sondern auch für andere nicht?" 5 9 war sogar im Grundsatzausschuß zwischenzeitlich der Genehmigungsvorbehalt gestrichen worden. Das Verbot der Waffenherstellung wurde aber neben der scharfen Ablehung des Krieges - dem Verbot friedensstörender Hand-

55 Parlamentarischer Rat, Ausschuß für Grundsatzfragen, 12. Sitzung, 15.10. 1948, - ohne Drs.-Nr. vervielfältigt, so: K.-B.v. Doemming/R.W Füsslein/W. Matz, JÖR 1 (1951), 241 Fn. 36 . 56 Parlamentarischer Rat, Ausschuß für Grundsatzfragen, 12. Sitzung, 15.10.1948 S. 5 ff., zitiert nach D.S. Lutz, Krieg und Frieden als Rechtsfrage im Parlamentarischen Rat 1948/49, S. 35; vgl. auch K.-B.V. Doemming/R.W. Füsslein/W. Matz, ebd. Hervorhebung durch den Verfasser. 57

349. 58

241 ff.

Parlamentarischer Rat, Hauptausschuß, 29. Sitzung, 5.1.1949, Sten.Prot. S. Vgl. übersichtlich in: K.-B.V. Doemming/R.W.

Füsslein/W.

Matz, JÖR 1 (1951),

59 Parlamentarischer Rat, Ausschuß für Grundsatzfragen, 20. Sitzung, 10.11. 1948, Sten.Prot. S. 48 ff., zitiert nach K.-B.V. Doemming/R.W. Füsslein/W. Matz, JÖR 1 (1951), 241.

II. Art. 26 Abs. 2 GG

117

lungen - für nicht notwendig erachtet 6 0 . Neben dem weiter eingewandten Aspekt, daß die Materie der Waffenherstellung zur Zeit der deutschen Zuständigkeit entzogen sei 6 1 , vertrat H. v. Brentano die Auffassung, daß es nach dem Verbot nicht einmal möglich wäre, in Deutschland Revolver zur Bewaffnung der Polizei zu produzieren: "Wenn wir nämlich diesen Artikel in der ursprünglichen Fassung des Art. 32 hier aufnehmen, wäre es in Deutschland nicht einmal möglich, Revolver herzustellen, um die Polizei zu bewaffnen. Das ist eine ganz nüchterne Feststellung. Wir sagen, daß keinerlei Kriegsgerät außer mit einer ausdrücklichen Genehmigung der Bundesregierung hergestellt werden kann, und wenn wir oben - was unsere allgemeine Absicht ist - in eindeutiger Weise zum Ausdruck bringen, daß wir den Krieg grundsätzlich als Mittel des Austrags internationaler Streitigkeiten ablehnen, kann nur derjenige, der bösen Willens ist, daraus ein Mißverständnis herleiten." 6 2

Zum einen zeigen diese Erörterungen, daß sich ein von C. Schmid intendiertes verfassungsrechtliches Verbot betreffend den Umgang mit Kriegswaffen im Parlamentarischen Rat nicht durchsetzen konnte. Wenngleich F. Eberhard im Hinblick auf den von ihm eingebrachten historischen Aspekt der Bewaffnung von SA und SS von einer Verbotsbestimmung spricht, darf nicht übersehen werden, daß er, wie sein Vorschlag ausweist, gleichwohl von einem Genehmigungsvorbehalt ausging, dem Kontrollcharakter zukommen sollte: "Aber wir sollten die Waffenproduktion von uns aus einer deutschen Kontrolle unterstellen, wobei die Einzelheiten in ein besonderes Gesetz gehören. Aber der Grundsatz als solcher sollte ausgesprochen werden; er hat auch innenpolitische Bedeutung. Ich glaube nicht, daß die SA und SS ..." 6 3

Wenn unter Verweis auf den jetzigen Art. 26 Abs. 1 GG die grundsätzlich Ablehnung des Krieges als Mittel des Austrags internationaler Streitigkeiten von Η. v. Brentano hervorgehoben wird, wird insofern allenfalls der Aspekt des Einsatzes von Kriegswaffen zu Schädigungshandlungen eingestellt, ohne jedoch eine konkrete Aussage zu einem generellen Verbot mit Befreiungsvorbehalt in Art. 26 Abs. 2 GG zu enthalten bzw. zuzulassen. Selbst wenn man 60 F. Eberhard für die SPD-Fraktion, Parlamentarischer Rat, Hauptausschuß, 6. Sitzung, 19.11.1948, Sten.Prot. S. 73 f. 61

Ebd.

62

Parlamentarischer Rat, Hauptausschuß, 6. Sitzung, 19.11.1948, Sten.Prot. S. 74; Hervorhebung durch den Verfasser. 63 Parlamentarischer Rat, Ausschuß für Grundsatzfragen, 12. Sitzung, 15.10.1948 S. 5 ff., zitiert nach D.S. Lutz, Krieg und Frieden als Rechtsfrage im Parlamentarischen Rat 1948/49, S. 35; K-B.v. Doemming/R.W. Füsslein/W. Matz, JÖR 1 (1951), 241. Hervorhebung durch den Verfasser.

118

2. Teil: Α. Die rechtliche Qualität des Genehmigungsvorbehalts

in dem von F. Eberhard angesprochenen Kontrollaspekt den Ansatz für ein präventives Verbot mit Erlaubnis vorbehält erblicken will, darf nicht übersehen werden, daß diese Stellungnahme die erste in den Beratungen zu Art. 26 Abs. 2 GG im Parlamentarischen Rat war und daher keine Rückschlüsse auf die erst anschließend stattfindende Meinungsbildung im Parlamentarischen Rat zuläßt. Insgesamt sind die Aussagen im Parlamentarischen Rat zu der Qualifikation des Genehmigungsvorbehalts fragmentarisch, insbesondere wie es nach dem ersten Formulierungsvorschlag von F. Eberhard zu der restriktiveren Formulierung ('außer') des Gesetzesvorbehalts kam. Gleiches gilt für die in der zweiten Lesung des Hauptausschusses ohne Aussprache erfolgte Änderung der Fassung des Genehmigungsvorbehalts in seine endgültige Form 6 4 . Dennoch scheint die lange Zeit im Parlamentarischen Rat vertretene restriktivere Formulierung ('außer') auf ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt hinzudeuten, so daß der von J. Brauer gezogenen Schluß, daß es sich bei der Ersetzung des Wortes 'außer' durch 'nur' lediglich um eine redaktionelle Verbesserung handelte 6 5 , nicht nur gut vertretbar, sondern auch naheliegend ist 6 6 . Denn dieser Schluß deckt sich auch mit der abschließenden Bemerkung von C. Schmid : "Die redaktionelle Änderung - das Wort 'außer' durch 'nur' zu ersetzen - ist wohl allgemein akzeptiert. - Ich stelle Ihre Zustimmung fest." 6 7

K. Pottmeyer ist zwar zuzugeben, daß beide Formulierungen ('außer' und 'nur') sich vom Grundsätzlichen her unterscheiden, denn 'außer' assoziiert die Ausnahme 6 8 , also von der Formulierung her ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt 6 9 . Wenn er es aber als nicht belegt ansieht, daß der Parlamentarische Rat lediglich eine redaktionelle, d.h. keine inhaltliche Änderung 64

Ansatzweise wohl auch K. Pottmeyer,

KWKG, Einl. Rn. 74 f.

65

J. Brauer, Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, S. 119, schließt dies jedoch lediglich aus der Tatsache, daß über diese Frage keine Aussprache erfolgt sei. Die diese Behandlung abschließende Feststellung von C. Schmid wird dabei nicht eingestellt. Nur unter dieser Prämisse erscheint die in der nachfolgenden Fn. genannte Kritik von K. Pottmeyer an der Auffassung von J. Brauer zutreffend. 66

A.A.: K. Pottmeyer,

KWKG, Einl. Rn. 75.

67

Parlamentarischer Rat, Hauptausschuß, 29. Sitzung, 5.1.1949, Sten.Prot. S. 349; Hervorhebung durch den Verfasser. 68 Vgl.: Duden, Das Herkunftswörterbuch, S. 42, Stichwort 'außer': "Im heutigen Sprachgebrauch wird 'außer' ... gewöhnlich nur noch im übertragenen Sinn von 'abgesehen von, mit Ausnahme von' verwendet." 69

S.o. S. 108.

II. Art. 26 Abs. 2 GG

119

habe vornehmen wollen, übersieht er die die Behandlung dieses Artikels abschließende eindeutige Stellungnahme von C. Schmid . Von einer 'naheliegenden ' Möglichkeit, daß der Parlamentarische Rat ebenso seinen früheren Standpunkt überdacht haben könnte und hierbei zu dem Ergebnis gelangt sei, daß die von Kriegswaffen ausgehenden Gefahren durch ein präventives Verbot ausreichend abgewehrt werden könnten 7 0 , kann daher nicht gesprochen werden. Die Entstehungsgeschichte legt somit das Verständnis des verfassungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalts aus Art. 26 Abs. 2 GG als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt nahe. Dieses im Wege der genetischen Auslegung gefundene Ergebnis findet in gewisser Weise seine Bestätigung in früheren kriegswaffenkontrollrechtlichen Bestimmungen. Schon der Versailler Friedensvertrag benutzte in § 170 Abs. 1 die Formulierung "ist ausdrücklich verboten". Die Formulierung "ist verboten" benutzten § 1 des Gesetzes betreffend die Ein- und Ausfuhr von Kriegsgerät 7 1 , § 1 des Gesetzes über Kriegsgerät 7 2 und Art. I Abs. 1 Satz 1 des Kontrollratsgesetzes Nr. 43 7 3 . Daß diese restriktive Tendenz gerade unter dem seinerzeitigen Eindruck der Kriegserlebnisse aufgegeben werden sollte, läßt sich nicht konstatieren. Vielmehr war diese Materie - wie F. Eberhard im Parlamentarischen Rat zutreffend einwandte 7 4 - nicht in deutscher Zuständigkeit. Eine in dem Grundgesetzentwurf zum Ausdruck kommende weitgehende Lockerung des Genehmigungsvorbehalts hätte überdies im Hinblick auf die seinerzeit nicht diskutable Remilitarisierung Deutschlands sicherlich zu Irritationen und Vorbehalten der Alliierten gegenüber dem genehmigungspflichtigen Entwurf geführt. Denn das erst zwei Jahre vor den Beratungen im Parlamentarischen Rat in Kraft getretene Kontrollratsgesetz Nr. 43 führte als Zielsetzung vor seinem Art. 1 quasi als Präambel aus, daß es auf die Verhinderung der Wiederaufrüstung Deutschland gerichtet sei 7 5 .

70

So aber: K. Pottmeyer,

71

Vom 22.12.1920, RGBl. I, S. 2167 i.d.F. vom 26.6.1921, RGBl. I, S. 767.

72

Vom 27.7.1927, RGBl. I, S. 239.

KWKG, Einl. Rn. 75.

73

Vom 20.12.1946, Amtsblatt des Kontrollrates in Deutschland, S. 234.

74

Parlamentarischer Rat, Hauptausschuß, 6. Sitzung, 19.11.1948, Sten.Prot.

S. 73. 75

Vom 20.12.1946, Amtsblatt des Kontrollrates in Deutschland, S. 234.

120

2. Teil: Α. Die rechtliche Qualität des Genehmigungsvorbehalts

5. Ergebnis zu IL Allein die Entstehungsgeschichte des Art. 26 Abs. 2 GG spricht für die Qualifikation des verfassungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalts als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt. Demgegenüber gelangen alle übrigen Auslegungsmethoden zum Vorliegen eines präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt. Wenn J. Brauer nun allein aus der Entstehungsgeschichte den Schluß ziehen will, daß der Genehmigungsvorbehalt ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt enthalte, setzt er sich in Widerspruch zu der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 7 6 , die ausgehend vom objektiven Ansatz den sog. Willen des Gesetzgebers nur insoweit berücksichtigt, als er ein auf andere Art und Weise aufgefundenes Ergebnis bestätigt 7 7 . Regelungsabsichten des Gesetzgebers, die in einem eindeutigen Normtext nicht ausgedrückt worden sind, müssen bei der Auslegung der Norm unbeachtet bleiben 7 8 . Diese Rechtsprechung ist zwar nicht unbestritten 7 9 . Ihr kommt wegen der aus § 31 BVerfGG folgenden Verbindlichkeit aber letztlich ausschlaggebende Bedeutung zu 8 0 . Legt man diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zugrunde, so erlangt der sich aus der Entstehungsgeschichte ergebende repressive Charakter des GenehmigungsVorbehalts keine Bedeutung. Denn sie bestätigt nicht das durch die vorhergehenden Untersuchungen gefundene objektive Auslegungsergebnis, das den Genehmigungsvorbehalt des Art. 26 Abs. 2 GG als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt ausweist 8 1 . 76

Darauf weist auch

Pottmeyer,

KWKG, Einl. Rn. 75 hin.

77

BVerfGE 2, 124 (128, 132 ff.); 3, 248 (252); 3, 407 (414); 6, 32 (38); 6, 55 (72 f., 76); 6, 309 (347); 9, 305 (331); 10, 285 (291); 11, 126 (129 f.); 12, 205 (236); 15, 1 (18); 19, 135 (137); 25, 269 (287 ff.); 26, 186 (202); 27, 44 (53 ff.); 30, 90 (101 f.); 37, 1 (28 ff.); 52, 303 (352); 72, 330 (398). 78

Z.B. BVerfGE 13, 261 (268); 8, 38 (41).

79

Vgl. insbes. K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 53 ff. (insbes. Rn. 55 ff. - "Fragwürdigkeit"); E.-W. Böckenförde, NJW 1976, 2089 ff.; F. Müller, Juristische Methodik, insbes. S. 30 ff.; M. Sachs, DVB1. 1984, 73 ff. jeweils m.w.N. 80 So nur: K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band 1, § 4 III 6 (S. 130, m.w.N. in Fn. 140, 142); E.-W. Böckenförde, NJW 1976, 2089. 81 So auch die überwiegende Ansicht: BVerwGE 61, 24 (31 f.); VG Köln, Urteil vom 26.4.1985 - 20 Κ 4855/83 -, S. 6, nicht veröffentlicht; F. Klein, in: B. SchmidtBleibtreu/F. Klein, GG, Art. 26 Anm. 4; H. Lenz, in: A. Hamann/H. Lenz, GG, Art. 26 Anm. B. 5.; F. Klein, in: H.v. Mangoldt/F. Klein, GG, Art. 26 Anm. IV. 1. (S. 689); Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 42; P.J. Tettinger, in: Münchener Rechtslexikon, Band 2, S. 796; J. Steindorf, in: G. Potrykus/J. Steindorf, Waffenrecht, § 2 KWKG; ders., in: G. Erbs/M. Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 2 KWKG; G.Potrykus, NJW 1963, 941 (942).

III. Der Genehmigungsvorbehalt des KWKG

121

ΙΠ. Der Genehmigungsvorbehalt des KWKG Das KWKG regelt die Genehmigungspflichtigkeit betreffend den Umgang mit Kriegswaffen in den §§ 2 - 4 a 8 2 . Der Wortlaut der gleichlautenden Genehmigungsvorbehalte ("bedarf der Genehmigung") scheint im Hinblick auf die typischen Formulierungen eines repressiven Verbots mit Befreiungsvorbehalt 8 3 zunächst ein Indiz für ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt darzustellen. Hingegen wird in § 6 Abs. 1 KWKG festgeschrieben, daß kein Anspruch auf die Erteilung einer Genehmigung besteht. Diese ungewöhnlich deutliche gesetzliche Normierung könnte es nahelegen, daß das KWKG selbst den Umgang mit Kriegswaffen mit einem repressiven Verbot mit Befreiungsvorbehalt belegt hat 8 4 . Damit würde das KWKG sogar über die verfassungsrechtliche Vorgabe hinausreichen. Ein derartiges Hinausgehen über den Verfassungsauftrag ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dem Gesetzgeber obliegt zunächst einmal nur die Erfüllung des Verfassungsauftrags, der insoweit lediglich den Erlaß eines präventiven Verbots mit Erlaubnisvorbehalt verlangt. Eine Verschärfung dieser Anforderung durch Erlaß eines repressiven Verbots, also ein 'mehr' gegenüber dem Verfassungsauftrag aus Art. 26 Abs. 2 GG, steht im gesetzgeberischen Ermessen, denn der Verfassungsauftrag gibt nur die Mindestvoraussetzungen vor 8 5 . Die These von dem repressiven Charakter des in das KWKG umgesetzten Genehmigungsvorbehalts erfährt jedenfalls insofern eine Bestätigung, als § 22a KWKG genehmigungspflichtige, aber nicht genehmigte Handlungen strafbewehrt. Indem der Gesetzgeber ungenehmigte Handlungen sogar als Verbrechen (§ 12 Abs. 1 StGB) qualifiziert, erscheint die Auffassung, daß

82 Mit Ausnahme der ABC-Waffen, die gem. §§ 17, 18 KWKG einem generellen Verbot unterliegen, vgl. hierzu: V. Epping, RIW 1991, 461 ff.; D. Holthausen, NJW 1991, 203 ff.; K. Pottmeyer, KWKG, §§ 16 - 17 Rn. 1 ff. 83

S.o. S. 108.

84

So :J. Brauer, Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, S. 119; K.-A. Hernekamp, in: I.v. Münch, GrundgesetzKommentar, Art. 26 Rn. 29; Ch. Gusy, JA 1981, 80 (84); ebenso die Bundesrepublik in ihrer Berufungserwiderung zu OVG NW vom 2.11.1976 - X I V A 1829/75 - S. 5, nicht veröffentlicht. 85

S.o. S. 85 f..

122

2. Teil: Α. Die rechtliche Qualität des Genehmigungsvorbehalts

§ 22a KWKG als Unrechtsnorm lediglich Verwaltungsrecht pönalisiere 8 6 , zumindest angreifbar 8 7 . Denn die Strafandrohung sieht Freiheitsstrafen von einem bis zu fünf Jahren (§ 22a Abs. 1 KWKG), in besonders schweren Fällen bis zu 10 Jahren (§ 22a Abs. 2 KWKG) sowie bei fahrlässiger Handlungsweise Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe vor. Jedoch widerspricht die Systematik des § 6 KWKG einer Charakterisierung des GenehmigungsVorbehalts als repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt. Im Anschluß an den Ausschluß eines Genehmigungsanspruchs in Abs. 1 enthält der Abs. 2 die fakultativen und Abs. 3 die zwingenden Versagungsgründe. Hätte der Gesetzgeber ein generelles Verbot im Umgang mit Kriegswaffen in § 6 KWKG festschreiben wollen, so wäre es widersinnig gewesen, Gründe aufzunehmen, bei deren Vorliegen die Genehmigung zu versagen ist. Er hätte stattdessen entsprechend der üblichen Gesetzestechnik Befreiungstatbestände formuliert 8 8 . Dieser Schluß findet seine Bestätigung in den zwingenden Versagungsgründen des § 6 Abs. 3 KWKG. Nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 KWKG ist die Genehmigung zu versagen, wenn die Gefahr besteht, daß die Kriegswaffen bei einer friedensstörenden Handlung, insbesondere bei einem Angriffskrieg verwendet werden. Dieser Versagungsgrund ist folglich direkter Ausfluß des Art. 26 Abs. 1 GG. Er soll gewährleisten, daß nicht gegen das verfassungsrechtliche Verbot friedensstörender Handlungen verstoßen w i r d 8 9 . Diese Zielrichtung wird durch § 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG abgesichert, der vorsieht, daß Kriegswaffengenehmigungen nicht an Personen erteilt werden, die nicht die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen 9 0 . Diese Versagungsgründe ergeben sich somit unmittelbar aus dem Sinn und Zweck des Art. 26 Abs. 2 GG 9 1 als lex specialis zu Art. 26 Abs. 1 GG, da diese Tatbestände friedens86

So z.B. B. Schünemann, in: W. Krekeler/K. Tiedemann/K. Ulsenheimer/G. Weinmann, Handwörterbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, Stichwort: Kriegswaffenkontrollgesetz, Anm. II 1, III 4. 87 Ebenso: J. Brauer, Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, S. 118. 88 F. v. Burchard, Das Umgehungsgeschäft beim Waffenexport in Drittländer aus strafrechtlicher Sicht, S. 23 f.; K. Pottmeyer, KWKG, Einl. Rn. 76. 89

BT-Drs. 3/1589, S. 17.

90

Vgl. auch BT-Drs. 3/1589, S. 17 f.

91

Die Begründung des Gesetzentwurfs zum KWKG will auch Nr. 2 (Genehmigungsversagung, wenn völkerrechtliche Verpflichtungen der Bundesrepublik verletzt oder deren Erfüllung gefährdet würde) unmittelbar aus dem Sinn und Zweck des Art. 26 Abs. 2 GG herleiten (BT-Drs. 3/1589, S. 17). Anknüpfungspunkte für die Beachtung völkerrechtlicher Verpflichtungen gibt Art. 26 Abs. 2 GG jedoch nicht. Angesichts der Weite der Formulierung 'völkerrechtliche Verpflichtung' des § 6

III. Der Genehmigungsvorbehalt des KWKG

123

störende Aktivitäten darstellen und daher nach der verfassungsrechtlichen Bewertung auch nicht sozialadäquat sind. Deshalb ist auch nur in den Fällen des § 6 Abs. 3 KWKG zwingend die Genehmigung zu versagen. In den sonstigen Fällen, die exemplarisch und nicht abschließend in § 6 Abs. 2 KWKG aufgeführt sind ("insbesondere'1), 'kann' die Genehmigung lediglich versagt werden, weil ihnen grundsätzlich eben keine friedensstörende Tendenz anhaftet. Im Gegensatz zu den generell verbotenen Fällen des § 6 Abs. 3 KWKG sind somit alle sonstigen Handlungen im Zusammenhang mit Kriegswaffen grundsätzlich nicht verboten. Daraus folgt, daß § 6 KWKG kein Indiz für ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt ist. Ein weiteres systematisches Argument gegen die Qualifizierung des KWKG-Genehmigungsvorbehalts als repressives Verbot mit Befreiungssvorbehalt kann im übrigen aus den mit der Novellierung vom 5.11.1990 in das KWKG eingefügten §§ 17 - 22 KWKG entnommen werden. Diese Vorschriften normieren ein generelles Umgangsverbot mit ABC-Waffen. Ausnahmen hiervon sind bündnispolitisch bedingt vor dem Hintergrund der bestehenden NATO-Strategie für Atomwaffen 9 2 durch § 16 KWKG und der völkerrechtlichen Verpflichtung aus dem sog. Truppenstationierungsvertrag 9 3 für chemische Waffen durch § 22 KWKG zugelassen. Wenngleich diese Ausnahmen von dem generellen Umgangsverbot mit ABC-Waffen keiner gesonderten behördlichen Bewilligung mehr bedürfen, sondern qua Gesetz in dem beschriebenen Rahmen der §§ 16, 22 KWKG erlaubt sind und damit die §§ 17, 18 KWKG kein repressives Verbot mit Bereiungsvorbehalt mangels Vorbehalts enthalten, hat hier der Gesetzgeber gleichwohl sehr deutlich den generellen Verbotscharakter und damit die fehlende Sozialadäquanz ausgedrückt ("verboten"). Schon dieser terminologisch deutliche Unterschied zu den Genehmigungsvorbehalten in den §§ 2 - 4a KWKG ("bedarf der Genehmigung") indiziert eine Qualifizierung der letztgenannten Genehmigungsvorbehalte als präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt. Dies trotz des Umstandes, daß die § § 2 - 4 KWKG der Ursprungsfassung aus dem Jahre 1961 Abs. 3 Nr. 2 KWKG ist diese These jedenfalls nicht haltbar, da nicht jede Verletzung einer völkerrechtlichen Verpflichtung (z.B. keine Entrichtung der UN-Beiträge) einer Friedensgefährdung gleichgesetzt werden kann. 92 BT-Drs. 11/4609, S. 8 f., s.o. S. 139; BT-Drs. 11/7221, S. 7 f.; vgl. hierzu z.B. das Kommuniqué der 47. Tagung der Nuklearen Planungsgruppe der NATO vom 8.-10.5.1990 in Kananaskis/Calgery, abgedruckt in: Sicherheit und Frieden (S+F) 1990, 102 ff. (insbes. 102) sowie EA 1990, Ζ 157 zur Gipfelkonferenz der Staats- und Regierungschefs der NATO-Mitgliedstaaten vom 5./6.1990. 93

Vertrag über den Aufenthalt ausländischer Streitkräfte in der Bundesrepublik Deutschland vom 23.10.1954, BGBl. 1955 II, S. 253.

124

2. Teil: Α. Die rechtliche Qualität des Genehmigungsvorbehalts

und der § 4a KWKG aus dem Jahre 1978 entstammen, während die §§ 16 - 22 KWKG erst mit der Novelle aus dem Jahre 1990 in das KWKG eingefügt wurden. Denn hätte der Gesetzgeber angesichts der strafrechtlichen Problematik der Verwaltungsakzessorietät und der sich daran anknüpfenden unterschiedlichen Einordnung der Genehmigung als Tatbestandsmerkmal oder Rechtfertigungsgrund eine Änderung oder Klarstellung im Hinblick auf eine Qualifizierung der Genehmigungsvorbehalte der §§ 2 - 4a KWKG als repressive Verbote mit Befreiungsvorbehalt gewollt, wäre dies gerade im Zusammenhang mit der Novellierung vom 5.11.1990 angezeigt gewesen. Infolge der erheblichen Veränderungen innerhalb des KWKG hat der Gesetzgeber nämlich das KWKG unter diesem Datum nicht nur novelliert, sondern sogar neu bekanntgemacht 9 4 . Dieses Ergebnis findet sich auch in den Gesetzesmaterialien zu § 6 Abs. 3 KWKG wieder, in denen betont wird, daß bestimmte Gründe als so schwerwiegend anzusehen sind, daß bei ihrem Vorhandensein eine Kriegswaffengenehmigung nicht erteilt werden dürfe 9 5 . D.h., nur wenn diese Gründe vorliegen, ist eine Genehmigung zu versagen. In allen übrigen Fällen ist der Umgang mit Kriegswaffen hingegen grundsätzlich erlaubt. In den Fällen des § 6 Abs. 2 KWKG wird daher durch den Gebrauch des Begriffs 'kann* in gesetzestypischer Weise deutlich zum Ausdruck gebracht, daß die Genehmigungsbehörde über die Versagung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden hat. § 6 Abs. 1 KWKG drückt daher nur das aus, was ohnehin selbstverständlich ist, daß nämlich auf Genehmigungen, die in das Ermessen einer Behörde gestellt sind, grundsätzlich (Ausnahme: sog. Ermessensreduzierung auf Null) kein Rechtsanspruch, sondern lediglich ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung besteht 9 6 . Dem Ausschluß eines Rechtsanspruchs auf Genehmigungserteilung in § 6 Abs. 1 KWKG kommt daher auch ausweislich der Gesetzesmaterialien nur Klarstellungsfunktion zu: "Absatz 1 stellt klar, daß auf die Erteilung einer Kriegswaffengenehmigung kein Anspruch besteht. Die Zubilligung eines Rechtsanspruchs auf Erteilung einer Genehmigung ist wegen der besonderen Gefahren, die der Umgang mit Kriegswaffen sowohl in bezug auf außenpolitische als auch auf innenpolitische Belange haben kann, sachlich nicht vertretbar. Der Antragsteller hat jedoch die Möglichkeit, ge-

94 BGBl. 1990 I, S. 2506; gem. Art. 4 des Gesetzes zur Verbesserung der Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs und zum Verbot von Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen, BGBl. 1990 I, S. 2428 (2431). 95

BT-Drs. 3/1589, S. 17.

96

K. Pottmeyer,

KWKG, Einl. Rn. 76; § 6 Rn. 5 ff.

IV. Ergebnis zu Α. und Genehmigungspraxis

125

gen die Entscheidung, durch die er in seinen Rechten verletzt wird, Klage vor dem Verwaltungsgericht zu erheben." 9 7

Der klarstellende Charakter wird gerade durch den Verweis auf den Verwaltungsgerichtsweg nochmals hervorgehoben. Denn ohne der Genehmigungsbehörde ein pflichtgemäßes Ermessen einzuräumen, wäre für eine solche spezifische Rechtsschutzmöglichkeit kein Raum 9 8 . Der tragende Gedanke der ausnahmsweisen ausdrücklichen Aufnahme dieser Selbstverständlichkeit in den Gesetzestext ist, wie auch die Gesetzesmaterialien belegen 9 9 , die Erkenntnis, daß auf Grund der von Kriegswaffen ausgehenden Gefährdungen politischer Belange die Zubilligung eines Anspruchs nicht vertretbar i s t 1 0 0 . Wenn aber ein solcher Anspruch lediglich im Hinblick auf politische Belange nicht gewährt wird, kann daraus nicht gefolgert werden, daß die genehmigungspflichtige Handlung generell als verboten anzusehen ist 1 0 1 . Der Umgang mit Kriegswaffen unterliegt, wie § 6 KWKG ausweist, keinem generellen Verbot. Der Genehmigungspflicht kommt daher lediglich Kontrollcharakter zu. Das KWKG geht in den §§ 2 - 4a mit anderen Worten von einem präventiven Verbot mit Erlaubnisvorbehalt aus 1 0 2 .

IV· Ergebnis zu A. und Genehmigungspraxis Sowohl der verfassungsrechtliche als auch der kriegswaffenkontrollrechtliche Genehmigungsvorbehalt beinhalten präventive Verbote mit Erlaubnisvorbehalt. Ihnen kommt lediglich eine Kontrollfunktion zu.

97

BT-Drs. 3/1589, S. 17.

98

Ebenso: K. Pottmeyer,

99

BT-Drs. 3/1589, S. 17.

KWKG, § 6 Rn. 8.

100 F.v. Burchard, Das Umgehungsgeschäft beim Waffenexport in Drittländer aus strafrechtlicher Sicht, S. 25; R. Hinze, Waffenrecht, § 6 KWKG Anm. 1 a.E.; G. Potrykus, KWKG, § 6 Anm. 3; K. Pottmeyer, KWKG, Einl. Rn. 76. 101 F.v. Burchard, Das Umgehungsgeschäft beim Waffenexport in Drittländer aus strafrechtlicher Sicht, S. 25. 102 Ebenso: F.v. Burchard, Das Umgehungsgeschäft beim Waffenexport in Drittländer aus strafrechtlicher Sicht, S. 21, insbes. S. 27; K. Pottmeyer, KWKG, Rn. 71 ff.; i.E. wohl auch W. Winkelbauer, NStZ 1988, 201 (203) und B. Schünemann, in: W. Krekeler/K. Tiedemann/K. Ulsenheimer/G. Weinmann, Handwörterbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, Stichwort: Kriegswaffenkontrollgesetz, Anm. IV.

126

2. Teil: Α. Die rechtliche Qualität des Genehmigungsvorbehalts

Von diesem Verständnis geht auch die Bundesregierung ausweislich der von ihr beschlossenen 'Politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern 1 vom 28. April 103 104 1982 aus . Danach sind Rüstungsexporte in NATO-Länder "...grundsätzlich nicht zu beschränken, es sei denn, daß aus besonderen politischen Gründen in Einzelfällen eine Beschränkung geboten ist." 1 0 5

Neben der eindeutigen Formulierung ("grundsätzlich nicht zu beschränken") weist auch das Abstellen auf politische Gründe, wie schon der Titel des Beschlusses ("Politische Grundsätze") andeutet, auf das Verständnis des Genehmigungsvorbehalts als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt hin. Denn wenn - wie bereits angesprochen - eine Genehmigung lediglich unter dem Vorbehalt politische Belange steht, kann daraus nicht gefolgert werden, daß die genehmigungspflichtige Handlung generell als verboten anzusehen i s t 1 0 6 , da sich politische Belange ständig ändern. Als anschauliches Beispiel für sich ändernde politische Belange kann auf das gespannte Verhältnis der NATO-Mitgliedstaaten Griechenland und Türkei verwiesen werden. Während des Zypern-Konflikts 107 wären sicherlich Kriegswaffenexporte - auch nach den seinerzeit noch geltenden rüstungsexportpolitischen Grundsätzen von 1971 1 0 8 - an die beiden NATO-Partner aus politischen Gründen, natürlich insbesondere wegen der vorliegenden Verletzung des Völkerfriedens, zu versagen gewesen. Demgegenüber sah die Bundesregierung im zweiten Golfkrieg 1990/1991 1 0 9 die Ausrüstung der türkischen Streitkräfte mit deutschen Waffen als opportun an u o .

103

Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung Nr. 38, S. 309 vom 5.5.1982; vgl. hierzu: V. Epping, DWiR 1991, 276 (281 ff.); J. Krause, EA 1982, 527 ff. 104 Anders noch die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Berufungserwiderung zu OVG NW vom 2.11.1976 - X I V A 1829/75 - S. 5, nicht veröffentlicht. 105

Grundsatz I. 1. Abs. 2; Hervorhebung durch den Verfasser.

106

F.v. Burchard, Das Umgehungsgeschäft beim Waffenexport in Drittländer aus strafrechtlicher Sicht, S. 25. 107

AdG 1974, 18851 ff.

108

Kabinettsbeschluß vom 16.6.1971; Text nur in Wehrdienst, Beilage zur Ausgabe vom 13.6.1977, publiziert; vgl. hierzu/. Krause, EA 1981, 363 ff. 109 110

Chronologischer Überblick in: HuV-11991, 6 ff.

AdG 1991, 35265 (militärisches Material im Wert von 1,5 Milliarden D M sowie 110 Millionen D M sonstige Hilfe).

I. Das Herstellen

127

Da die Bundesregierung von der ihr durch § 11 Abs. 2 und 3 KWKG eingeräumten Delegationskompetenz durch § 1 der ersten Durchführungsverordnung zum KWKG (1. DVO KWKG) 1 1 1 Gebrauch gemacht hat, stellen die rüstungsexportpolitischen Grundsätze der Bundesregierung generelle Anordnungen für die in tatsächlicher Hinsicht tätigen Genehmigungsbehörden zur näheren Bestimmung des bei der Genehmigung (vgl. § 6 Abs. 2 KWKG) auszuübenden Ermessens dar 1 1 2 . Sie sind folglich ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften, sog. Ermessensrichtlinien, die bestimmen, in welcher Weise von dem der Verwaltung eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht werden soll, um eine einheitliche und gleichmäßige Ermessensausübung sicherzustellen 1 1 3 . Die rüstungsexportpolitischen Grundsätze binden folglich die der Bundesregierung nachgeordneten Genehmigungsbehörden und stellen daher die Orientierungsmaßstäbe für die Genehmigungspraxis dar. Folglich spiegelt sich auch in der Genehmigungspraxis das sowohl dem Art. 26 Abs. 2 GG als auch dem KWKG zugrunde liegende präventive Verbot mit Erlaubnisvorbehalt wider 1 1 4 .

B. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

I· Das Herstellen Der erste Genehmigungstatbestand betrifft das Herstellen von Kriegswaffen. Herstellen ist alles von Menschen unmittelbar oder mittelbar durch Maschinen bewirkte Geschehen, durch das ohne weiteres oder in fortschreitender Entwicklung ein bestimmtes körperliches Ergebnis, hier eine Kriegswaffe, zustande gebracht wird 1 1 5 . Trotz dieser unbestrittenen 1 1 6 und auf den ersten Blick plausiblen Begriffsbestimmung ergeben sich im Einzelfall immer wieder 111

Vom 1. Juni 1961 (BGBl. I, S. 649) in der Fassung vom 28.2.1992 (BGBl. I,

S. 377). 112 Vgl. F.v. Burchard, Das Umgehungsgeschäft beim Waffenexport in Drittländer aus strafrechtlicher Sicht, S. 24; V. Epping, DWiR 1991, 276 (281). 113 H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 Rn. 10; F.v. Burchard, Das Umgehungsgeschäft beim Waffenexport in Drittländer aus strafrechtlicher Sicht, S. 24; F. Ossenbühl, in: Erichsen/Martens, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 7 Rn. 36. 114

F.v. Burchard, Das Umgehungsgeschäft beim Waffenexport in Drittländer aus strafrechtlicher Sicht, S. 24. 115

RGSt 41, 205 (207); K. Pottmeyer, § 2 Anm. 2. (S. 46). 116

Vgl. ebd.

KWKG, § 2 Rn. 2; G. Potrykus,

KWKG,

128

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

Abgrenzungsfragen, so beispielsweise, ob die Reparatur oder die Forschung bzw. die Entwicklung einer Kriegswaffe unter den Begriff der Herstellung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG subsumierbar sind. Angesichts des arbeitsteiligen Herstellungsprozesses ist auch problematisch, wer denn die Herstellungsgenehmigung zu beantragen hat, d.h. wer letztendlich Hersteller i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG ist. Schließlich bleibt die Frage des Geltungsbereichs der genehmigungspflichtigen Handlungen zu beantworten, die erstmals im Zusammenhang mit der Beschäftigung deutscher Spezialisten in der ägyptischen Kriegswaffenindustrie zu Beginn der 60er Jahre diskutiert wurde 1 1 7 . L Herstellen i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG Der Herstellungsbegriff soll nicht nur die originäre, sondern auch die derivative Produktion umfassen. Damit ist neben der Neuanfertigung, d.h. der Fertigung aus Rohstoffen und Halbfertigerzeugnissen oder Fertigteilen 1 1 8 , auch die Fertigung durch Zusammenbau und Umbau gemeint 119 . Im einzelnen kommen nach überkommener Auffassung für die sog. derivative Produktion der Um- und Ausbau zu einer Kriegswaffe, der Zusammenbau von bereits genehmigt hergestellten (Einzel-) Kriegswaffen zu einer (Gesamt-) Kriegswaffe sowie die Wiederherstellung und Wiedergewinnung einer Kriegswaffe in Betracht 120 . a) Umbau/Ausbau Ein Um- oder Ausbau zu einer Kriegswaffe liegt dann vor, wenn ein zunächst zivil genutzter Gegenstand durch den Um- oder Ausbau seinen zivilen Charakter verliert und zur Kriegswaffe wird 1 2 1 . Mit dem Um- oder Ausbau wird also eine Kriegswaffe hergestellt und folglich auch die Genehmigungspflichtigkeit dieses Vorgangs begründet. 117

Vgl. G. Potrykus,

NJW 1963, 941 ff.

118

Zur Begriffsbestimmung der sog. Neuanfertigung: K. Pottmeyer, KWKG, § 2 Rn. 4; Medicus, in: Das Deutsche Bundesrecht, Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, IA 15, Erläuterungen zu § 2. 119 Κ.Ά. Hernekamp y in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 30; G. Frank, in: Alternativkommentar zum GG, Art. 26 Rn. 48; Medicus, in: Das Deutsche Bundesrecht, Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, IA 15, Erläuterungen zu § 2; R. Hinze, Waffenrecht, § 2 KWKG Anm. 3 (S. 2). 120 BT-Drs. 3/1589, S. 14; R. Hinze, Waffenrecht, § 2 KWKG Anm. 3 (S. 2); Medicus y in: Das Deutsche Bundesrecht, Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, IA 15, Erläuterungen zu § 2; K. Pottmeyer, KWKG, § 2 Rn. 3 ff; G. Potrykus, KWKG, § 2 Anm. 2 (S. 46). 121

K. Pottmeyer y KWKG, § 2 Rn. 5.

I. Das Herstellen

129

b) Zusammenbau Demgegenüber liegt beim Zusammenbau schon zumindest eine Kriegswaffe vor. Durch den Zusammenbau entsteht lediglich eine neue, andere Kriegswaffe 1 2 2 . Da in diesem Fall eine neue Kriegswaffe hergestellt wird, ist jedenfalls die Genehmigungspflichtigkeit nach Art. 26 Abs. 2 GG gegeben, unabhängig davon, daß die Einzelteile selbst schon Kriegswaffen sind, ihre Herstellung daher schon einer eigenständigen Herstellungsgenehmigung bedurften. c) Demontage Fraglich ist, ob auch im umgekehrten Fall eine Herstellungsgenehmigung erforderlich ist, wenn also durch die Demontage wie z.B. bei der Verschrottung selbständige Kriegswaffen anfallen. Diese Frage stellt sich insbesondere dann, wenn eine größere Kriegswaffe demontiert wird und dabei einzelne Kriegswaffen 'abfallen'. Die Einzelteile waren vor der Demontage Kriegswaffen und sind es nachher auch geblieben. Schon dieser Umstand legt es nahe, insofern einen Herstellungsvorgang zu verneinen 1 2 3 . Daß keine Herstellungsgenehmigung erforderlich ist, folgt überdies daraus, daß für die Herstellung der Kriegswaffe bereits seinerzeit eine Herstellungsgenehmigung erforderlich war 1 2 4 . Theoretisch kann aber dann eine Herstellung i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG vorliegen und damit eine Genehmigung erforderlich sein, wenn bei der Demontage einer Nicht-Kriegswaffe, d.h. eines zivilen Gegenstandes, eine Kriegswaffe anfällt. Denn erst dann entsteht durch die Demontage eine Kriegswaffe 1 2 5 . In diesem speziellen Fall stellt die Demontage eine genehmigungspflichtige Herstellungshandlung dar. 122

K. Pottmeyer,

KWKG, § 2 Rn. 13 f.

123

K. Pottmeyer,

KWKG, § 2 Rn. 21.

124

Selbst wenn lediglich eine Herstellungsgenehmigung für einen Kampfpanzer beantragt wird, umfaßt 'die' Genehmigung zur Herstellung des Kampfpanzers zwangsläufig auch eine Genehmigung für das beispielsweise auf diesem (regelmäßig bzw. serienmäßig) zu montierende Maschinengewehr. Die Herstellungsgenehmigung - wenn sie in einem Bescheid erteilt wird - umfaßt daher tatsächlich mehrere Genehmigungen, nämlich für jede - für sich betrachtet - einzelne Kriegswaffe, mögen sie nach dem Zusammenbau auch als eine Kriegswaffe erscheinen (z.B. Kampfpanzer). 125

K. Pottmeyer, KWKG, § 2 Rn. 5, verweist für den KWKG-Bereich - also nicht vom Kriegswaffenbegriff des Grundgesetzes ausgehend - auf den Fall der Entfernung bestimmter Bestandteile einer - nicht KWKG-pflichtigen - Überdrucktreibladung durch den eine dem KWKG unterliegende Treibladung (Nr. 55 der Kriegswaffenliste) entsteht. 9 Epping

130

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

d) Wiederherstellung Die Wiederherstellung von Kriegswaffen setzt begriffsnotwendig voraus, daß ursprünglich eine Kriegswaffe vorgelegen hatte, diese ihre Kriegswaffeneigenschaft aber zwischenzeitlich eingebüßt h a t 1 2 6 . Durch die Wiederherstellung erlangt die ehemalige Kriegswaffe ihre Eignung zur Kriegführung wieder und wird damit erneut zur Kriegswaffe mit der Folge der Genehmigungspflichtigkeit dieses Vorgangs. (1) Ausbesserung Im Gegensatz zur genehmigungspflichtigen Wiederherstellung soll die Ausbesserung (Instandsetzung) genehmigungsfrei sein. Ausweislich der Gesetzesmaterialien zum KWKG soll eine Ausbesserung dann vorliegen, wenn eine Kriegswaffe lediglich vorübergehend in ihrer Verwendbarkeit und Einsatzfähigkeit eingeschränkt ist und dieser Zustand durch Instandsetzungsarbeiten behoben werden kann. Als Beispiel wird auf den Einbau eines neuen Motors in ein Flugzeug verwiesen 1 2 7 . Aber gerade dieses Beispiel wirft die Überlegung auf, ob ein Kampfflugzeug ohne oder mit irreparablem Triebwerk überhaupt als Kriegswaffe zu qualifizieren ist. Ohne funktionsfähiges Triebwerk ist einem Kampfflugzeug jedenfalls nur dann die Eignung zur Kriegführung, mithin die Kriegswaffeneigenschaft, wegen des fehlenden objektiven Moments abzusprechen, wenn die Waffensysteme an Bord des nicht flugfähigen Flugzeugs auch nicht mehr vom Boden aus einsetzbar sind. Maßgeblich für die Differenzierung zwischen Wiederherstellung und bloßer Instandsetzung kann daher nur die Kriegswaffeneigenschaft sein, d.h. die Eignung zur Hervorrufung von Schädigungshandlungen. Ist diese Eignung zu verneinen, kann die Kriegswaffe auch nicht mehr als solche eingesetzt werden. In diesem Fall ist also eine (genehmigungspflichtige) Wiederherstellung der Kriegswaffeneigenschaft erforderlich. Eine bloße Instandhaltung, d.h. eine genehmigungsfreie Ausbesserung, liegt daher nur dann vor, wenn die Kriegswaffeneigenschaft als solche, wenn auch eingeschränkt, noch in irgendeiner Weise erhalten ist. Durch die Ausbesserung wird also nur die Einschränkung der Verwendbarkeit und Einsatzfähigkeit einer Kriegswaffe beseitigt, während die Kriegswaffeneigenschaft als solche auch vor der Ausbesserung zu bejahen sein muß.

126 BT-Drs. 3/1589, S. 14; K. Pottmeyer, 127

KWKG, § 2 Rn. 7.

BT-Drs. 3/1589, S. 14; ebenso/?. Hinze, Waffenrecht, § 2 Anm. 3 KWKG.

I. Das Herstellen

131

Gleiches gilt für die sog. Remontage , d.h. den Zusammenbau nach der Demontage. Verliert die ursprüngliche Kriegswaffe durch die Demontage in Einzelteile ihre Kriegswaffeneigenschaft, stellt der Zusammenbau auch eine genehmigungspflichtige Herstellungshandlung dar. Denn erst durch den Zusammenbau der Einzelteile entsteht (wieder) eine Kriegswaffe 1 2 8 . (2) Wiedergewinnung Der Wiederherstellung soll die Wiedergewinnung von Kriegswaffen entsprechen. Als Beispiel wird insofern die Delaborierung unbrauchbar gewordener oder die Hebung im Meer versenkter Munition angeführt 129 , die Wiederherstellbarkeit, also spätere Benutzbarkeit, vorausgesetzt 130. Mithin ist die Wiedergewinnung zumindest ein spezieller Unterfall des Wiederherstellens 1 3 1 , sofern man den Begriff als terminus technicus auf die Delaborierung von Munition begrenzen w i l l 1 3 2 . Näher liegt es aber, die Wiedergewinnung als Synonym für die Wiederherstellung zu sehen. Denn gemeinsam ist beiden, daß ursprünglich schon eine Kriegswaffe vorgelegen hatte, die ihre Kriegswaffeneigenschaft aber zwischenzeitlich eingebüßt h a t 1 3 3 und diese Eigenschaft erst durch den Vorgang, der als Wiederherstellung oder Wiedergewinnung bezeichnet werden kann, zurückerlangt. Demzufolge liegt grundsätzlich kein Fall der genehmigungspflichtigen Wiederherstellung vor, wenn im Meer versunkene Kriegswaffen gehoben werden 1 3 4 . Wenn die ursprüngliche Kriegswaffe vornehmlich durch längere Wassereinwirkung (z.B. Korrosion) ihre Kriegswaffeneigenschaft, d.h. die 128

Ähnlich: K. Pottmeyer,

KWKG, § 2 Rn. 10.

129

BT-Drs. 3/1589, S. 14; G. Potrykus, Waffenrecht, § 2 KWKG Anm. 3.

KWKG, § 2 Anm. 2 (S. 46 f.); R. Hinze,

130

R. Hinze, Waffenrecht, § 2 KWKG Anm. 3.

131

So: K. Pottmeyer,

KWKG, § 2 Rn. 11.

132

Dies könnte trotz des Zusatzes 'z.B.' aus der Orientierung der Ausführungen zur Begriffsbestimmung der 'Wiedergewinnung1 auf Munition geschlossen werden, vgl. nuiK. Pottmeyer, ebd.; R. Hinze, ebd.; BT-Drs. 3/1589, S. 14; anders G. Potrykus, KWKG, § 2 Anm. 2 (47), der auch das Wiedereinsatzfähigmachen von gehobenen U-Booten unter den Begriff der Wiedergewinnung ziehen will. Verfehlt ist jedenfalls der ebenfalls als Wiedergewinnung zitierte Umbau von Handelsschiffen zu Kriegsschiffen oder von Verkehrsflugzeugen zu Kriegsflugzeugen. In diesen Fällen lag nämlich nie zuvor eine Kriegswaffe vor, so daß der Zusatz 'Wieder' schon von der Wortbedeutung her nicht greifen kann. 133 134

BT-Drs. 3/1589, S. 14; K. Pottmeyer,

KWKG, § 2 Rn. 7.

So aber ohne nähere Begründung: BT-Drs. 3/1589, S. 14; R. Hinze, Waffenrecht, § 2 KWKG Anm. 3; G. Potrykus, KWKG, § 2 Anm. 2 (S. 46 f.).

132

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

Eignung zur Kriegführung verloren hat, wird die ehemalige Kriegswaffe durch die Hebung noch nicht automatisch wieder zur Kriegswaffe. Hierzu ist vielmehr eine Wiederherstellung erforderlich, die die Eignung zur Kriegführung, d.h. die Funktionstauglichkeit und damit die Kriegswaffeneigenschaft erst (wieder) herstellt. Ist hingegen die Eignung zur Kriegführung trotz der Versenkung im Meer erhalten geblieben, wird an der bestehenden Kriegswaffeneigenschaft auch durch die Hebung nichts geändert. Es lag und liegt weiterhin eine Kriegswaffe vor. Von einer (Wieder-) Herstellung kann daher keine Rede sein 1 3 5 . e) Forschung und Entwicklung Es fragt sich weiter, ob für die Forschung und Entwicklung im Zusammenhang mit Kriegswaffen eine Herstellungsgenehmigung erforderlich ist. Zum Teil wird dies verneint, indem eine Herstellungsgenehmigung erst ab der Serienreife verlangt wird 1 3 6 . Dabei wird jedoch der allein maßgebliche verfassungsrechtliche Kriegswaffenbegriff übersehen 1 3 7 . Danach ist allein entscheidend, ob das jeweilige (einzelne) Produkt schon zur Kriegführung geeignet ist, was aber schon bei dem ersten Versuchsstück der Fall sein kann. Deshalb wird eine Herstellungsgenehmigung auch erst dann verlangt, wenn im Zuge der Entwicklung Versuchsstücke oder Prototypen gefertigt werden, die zur Kriegführung geeignet sind 1 3 8 . Demgegenüber soll die der Entwicklung noch vorgelagerte Forschungstätigkeit, d.h. die reine Labortätigkeit, auch soweit es sich um Forschung im Zusammenhang mit ABC-Waffen han-

135

Ebenso: K. Pottmeyer,

KWKG, § 2 Rn. 12.

136

So aber G. Potrykus, NJW 1963, 941 (942); ebenso wohl Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 48, der erst von Herstellung spricht, wenn das Stadium der Fertigung erreicht ist, wobei die Anfertigung von Versuchsstücken noch der nicht genehmigungspflichtigen Forschungstätigkeit zugerechnet wird. 137 138

Ebenso: K. Pottmeyer,

KWKG, § 2 Rn. 24.

BT-Drs. 3/1589, S. 14; R. Hinze, Waffenrecht, § 2 KWKG Anm. 3; D. Holthausen, NJW 1991, 203 (206); G. Potrykus, KWKG, § 2 Anm. 4 (S. 47); Auslegungsrichtlinien des BMWi vom 14.9.1973 - IV Β 4 - 10 17 03 -, Nr. 6. In diesem Sinne auch K. Pottmeyer, KWKG, § 2 Rn. 25, der als Anhaltspunkt für die Beantwortung der Frage der Herstellungsgenehmigungspflichtigkeit die sog. Phasen- und Stufenentscheidungen der Bundeswehrplanung (Anlage 3 zum Rahmenerlaß des BMVg vom 28.1.1971) aufgreift. Der 'Phasenvorlauf, die 'Konzeptphase' und die 1 Definitionsphase' sind genehmigungsfrei, ebenso wie die Entwicklungsphase bis zum Unterpunkt 'Fertigungsfreigabe Prototyp'. Erst mit Beginn des Unterpunktes 'Prototyp-Bau' soll die Genehmigungspflichtigkeit einsetzen, da das Ergebnis dieser Phase eine objektiv einsetzbare Kriegswaffe ist.

133

I. Das Herstellen

delt, nicht vom Herstellungsbegriff erfaßt werden 1 3 9 . Es wird also eine klare Trennung zwischen Forschung und Entwicklung (im vorgenannten Sinne) vorgenommen, wobei nur die letztgenannte Phase genehmigungspflichtig sein soll. Diese Auffassung ist jedoch nur tragfähig, wenn man den Herstellungsbegriff des Art. 26 Abs. 2 GG als 'statischen* Begriff begreift, der allein auf das zur Kriegführung geeignete Produkt abstellt. Herstellen beschreibt jedoch nach der zuvor genannten unstreitigen Definition 1 4 0 einen fließenden Vorgang, der lediglich als Endpunkt das einsatzfähige Produkt, d.h. die zur Kriegführung geeignete Waffe hervorbringt. Insofern spricht manches dafür, daß die Herstellung auch die wissenschaftliche Forschung im Zusammenhang mit Kriegswaffen mitumfassen muß. Deutlich wird dies, wenn man sich die wissenschaftliche Forschung im Zusammenhang mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen vergegenwärtigt. Denn gerade in diesem Bereich werden in den Laboratorien schon durchaus zur Kriegführung geeignete Waffen hergestellt. Ohne die Produktion solcher Waffen sind nämlich Vorbeugungs-, Schutz- oder Nachweismittel gegen diese Waffen nicht produzierbar. Nicht ohne Grund hat daher der Gesetzgeber durch die Fiktion in Teil A vor I. der Kriegswaffenliste 1 4 1 von der Begriffsbestimmung der Waffen i.S. des KWKG expressis verbis die Substanzen und Organismen im Bereich der biologischen Kampfmittel und chemischen Kampfstoffe, soweit sie zu Vorbeugungs-, Schutz- oder Nachweiszwecken dienen, ausgenommen, ebenso wie alle Vorrichtungen, Teile, Geräte, Einrichtungen, Substanzen und Organismen, die zivilen Zwecken oder der wissenschaftlichen, medizinischen oder industriellen Forschung auf den Gebieten der reinen und angewandten Wissenschaft dienen 1 4 2 . Das zur Begründung der Ausgrenzung der Forschungstätigkeiten aus dem Begriff der Herstellung angeführte Argument, im Zusammenhang mit reiner Forschungstätigkeit könnten noch keine Kriegswaffen hergestellt werden 1 4 3 , ist daher schon vom Grundsätzlichen her nicht tragfähig. Auch darauf abzustellen, daß mengenmäßig erhebliche, also ein-

139 BT-Drs. 3/1589, S. 14; 3/2433, S. 3; Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 26 Rn. 48; K.-A. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 30; D. Holthausen, NJW 1991, 203 (204); G. Potrykus, KWKG, § 2 Anm. 4 (S. 47); ders., NJW 1963, 941 (942); ders., Die Polizei, 1964, 369 (370); G. Potrykus/J. Steindorf, Waffenrecht, § 1 KWKG Anm. 3; K. Pottmeyer, KWKG, § 2 Rn. 23. 140 K. Pottmeyer, KWKG, § 2 Rn. 2; G. Potrykus, vgl. RGSt 41, 205 (207). 141

KWKG, § 2 Anm. 2. (S. 46);

S.o. S. 83 f.; vgl. auch S. 98 ff.

142

Vgl. zu entsprechenden Überlegungen: Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 26 Rn. 48; K. Pottmeyer, KWKG, § 1 Rn. 13 m.w.N. 143

G. Potrykus,

KWKG, § 2 Anm. 4 (S. 47); K. Pottmeyer,

KWKG, § 2 Rn. 23.

134

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

satzfähige Kriegswaffen bei Entwicklungsarbeiten nicht anfallen würden 1 4 4 , verbietet sich. Denn nicht die Menge, sondern allein die Eignung zum Kriegseinsatz ist entscheidend. Diese aber ist gerade im biologischen und chemischen Bereich auch schon bei kleinen und leicht produzierbaren Mengen gegeben. Weiteren Aufschluß zu Beantwortung der oben aufgeworfenen Frage, ob bereits für die Forschung eine Genehmigung eingeholt werden muß, könnte die Qualifikation des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG als präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt geben. Denn ein solcher Genehmigungsvorbehalt intendiert, daß vorweg geprüft werden soll, ob notwendig erscheinende und gesetzlich geregelte Voraussetzungen erfüllt sind 1 4 5 . D.h., die Herstellungsgenehmigung muß vor der Herstellung eingeholt werden. Dies bedeutet zugleich, daß eine schon zur Kriegführung geeignete Waffe, sei es in Form eines Versuchsstücks oder eines Prototyps, noch gar nicht vorliegen darf. Wäre eine zeitliche Zäsur zwischen Forschung und Herstellungsvorgang möglich, müßte die Herstellungsgenehmigung nach Feststellung der Herstellungsmöglichkeit einer Kriegswaffe - dem Forschungsziel - beantragt werden, wobei die Feststellung der Herstellungsmöglichkeit keinesfalls schon quasi als Testprodukt ein Versuchsstück beinhalten dürfte, das schon zur Kriegführung eingesetzt werden könnte. Dieses Verständnis wird auch vom Sinn und Zweck des verfassungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalts getragen. Das Ziel der Genehmigungspflicht in Art. 26 Abs. 2 GG ist die Abwehr von Gefahren für den Völkerfrieden, die speziell von Kriegswaffen ausgehen. Durch die Pflicht zur vorherigen Genehmigung der Herstellung einer Kriegswaffe soll möglichst frühzeitig verhindert werden, daß Kriegswaffen ohne behördliche Billigung entstehen. Wegen seiner besonderen Gefahren soll sich bereits der Herstellungsvorgang nur mit behördlicher Erlaubnis vollziehen 1 4 6 . Wenn demgegenüber eingewandt wird, daß die speziellen Gefahren, die von Kriegswaffen ausgehen, erst dann entstehen, wenn diese für ihren speziellen Zweck objektiv eingesetzt werden können, d.h. wenn die Kriegswaffeneigenschaft der herzustellenden Gegenstände, Stoffe oder Organismen begonnen h a t 1 4 ? , ist dem zwar einzuräumen, daß sich

144

So: R. Hinze, Waffenrecht, § 2 KWKG Anm. 3.

145

Η Maurer, Allgmeines Verwaltungsrecht, § 9 Rn. 51; E. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, § 13 2. c) (S. 267); K.H. Friauf, JuS 1962, 422 (423); K. Vogel, in: Drews/Wacke/Vogel/Martens, § 23 Nr. 5 a) (S. 355) und § 26 1. a) (S. 443). 146 147

Ebenso: R. Hinze, Waffenrecht, § 2 KWKG Anm. 3.

K. Pottmeyer, KWKG, § 2 Rn. 35; G. Sprögel, in: H. Bebermeyer, Deutsche Ausfuhrkontrolle 1992, S. 21 (23).

I. Das Herstellen

135

erst zu diesem Zeitpunkt die spezielle Gefahr konkretisiert. Wenn aber die Kriegswaffeneigenschaft schon begonnen haben soll, kann dies nichts anderes bedeuten, als daß der Gegenstand, Stoff oder Organismus bereits die Schwelle zur Kriegswaffe überschritten hat, also schon selbst eine solche - wenngleich vielleicht noch nicht vollständig fertiggestellte - ist. Überdies steht im Rahmen des Art. 26 Abs. 2 GG zunächst die Frage des 'Ob' im Vordergrund. Aus dem Zusammenhang der einzelnen, nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG genehmigungspflichtigen Handlungen folgt, daß schon der Herstellungsvorgang der Genehmigung bedarf. Die 'Fixierung1 des Tatbestandsmerkmals 'herstellen* auf den Endpunkt des Herstellungsvorgangs läßt sich auch nicht mit der zitierten natürlichen Wortbedeutung des Herstellens in Einklang bringen. Das Grundgesetz hat ausdrücklich den Begriff des Herstellens und eben nicht Formulierungen wie 'unmittelbar vor' oder 'mit Erreichen der Kriegswaffeneigenschaft' gewählt 1 4 8 . Jedenfalls aus der Verbindung des Herstellungsbegriffs mit der Genehmigungspflicht, die eine vorherige Kontrolle ermöglichen soll, folgt zwingend, daß vor dem Herstellungsvorgang die Genehmigung einzuholen i s t 1 4 9 . Daß diese juristische Differenzierung im Tatsächlichen schwer nachvollziehbar ist, ergibt sich anschaulich schon aus der angesprochenen sog. Laborphase im ABC-Waffenbereich. Daher ist auch die Differenzierung nach Forschung, Entwicklung und Herstellung in der Praxis untauglich. Denn nach dem hier vertretenen weiten Herstellungsbegriff sind Forschung und Entwicklung auch Stufen innerhalb der Herstellung. Am Ende der Forschung oder Entwicklung steht nämlich zumeist schon eine Kriegswaffe, da das Ergebnis der Forschung bzw. der Entwicklung die 'Eignung zur Kriegführung' aufweist. Die Herstellungsgenehmigung muß daher jedenfalls dann erteilt sein, wenn mit dem Arbeitsgang begonnen wird, in dessen Verlauf die Kriegswaffe ent-

148

Aus diesem Grund können auch keine 'Anleihen' im Werkvertragsrecht (§§ 631 ff. BGB) gemacht werden, wo zwar die Herstellung eines Werkes geschuldet wird, jedoch allein das Ergebnis, also das geschuldete Werk im Vordergrund steht. Diese 'Fixierung' auf den geschuldeten Erfolg, also das fertiggestellte Werk, ergibt sich daraus, daß allein dieser der Anknüpfungspunkt für die sich daran orientierenden schuldrechtlichen Folgen ist, die primär im Werkvertragsrecht des BGB ihre Regelung erfahren. 149 Für § 2 Abs. 1 KWKG leiten dies R. Hinze, Waffenrecht, § 2 KWKG Anm. 2 (vgl. aber auch Anm. 3 a.E., wo R. Hinze - insofern widersprüchlich - diesen Zeitpunkt auf die Zeit "vor Fertigung des ersten Stücks" fixieren will), und G. Potrykus, KWKG, § 2 Anm. 1 (S. 45 f.), aus dem dort verwendeten Wort "will" ab.

136

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

steht 1 5 0 . Dies kann aber auch schon die Forschung und/bzw. die Entwicklung sein. Deshalb ist eine Differenzierung nach starren Phasen - Forschung, Entwicklung, Herstellung - abzulehnen. Vielmehr ist nach der Qualifikation des Genehmigungsvorbehalts, dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG die Genehmigung vor der Herstellung einer Kriegswaffe - im beschriebenen weiten Sinne - zu beantragen. 2. Herstellen i.S. des KWKG Im Gegensatz zum objektbezogenen Genehmigungstatbestand des Art. 26 Abs. 2 GG ist der Herstellungstatbestand in § 2 Abs. 1 KWKG personenbezogen gefaßt: "Wer Kriegswaffen herstellen will, bedarf der Genehmigung."

Eine Definition des Begriffs ' Herstellens ' entbehrt aber auch das KWKG. Durch die Klarstellung, daß schon derjenige einer Genehmigung bedarf, der eine Kriegswaffe herstellen W / \ setzt das KWKG die im Wege der Auslegung zu Art. 26 Abs. 2 GG erarbeitete verfassungsrechtliche Prämisse, daß die Genehmigung vor Herstellung einer Kriegswaffe zu beantragen ist, im Wortlaut der entsprechenden Norm um 1 5 1 . Des weiteren ist die Entwicklung von Kriegswaffen auch nicht unter den Begriff des Herstellens i.S. des § 2 Abs. 1 KWKG subsumierbar. Dies ergibt sich im Wege der systematischen Auslegung der §§ 17, 18 KWKG, die neben dem Herstellen auch das Entwickeln von ABC-Waffen ausdrücklich erfassen, während § 2 Abs. 1 KWKG nur das Herstellen erwähnt. Gleichwohl beseitigt dies nicht die aufgezeigten Probleme, da die Genehmigung schon nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 KWKG vor Herstellung einer Kriegswaffe zu beantragen ist, die Entwicklung nach einem weiten Herstellungsbegriff aber Stufen innerhalb der Herstellung beschreibt 152 . Überdies hat das KWKG durch seine Novellierung vom 5.11.1990 1 5 3 die Herstellung von ABC-Waffen verboten, §§ 17, 18 KWKG. Von diesem Verbot ausgenommen ist lediglich die Herstellung von Atomwaffen im Rahmen 150

Ähnlich: Κ Pottmeyer, KWKG, § 2 Rn. 37, jedoch nur im Hinblick auf die dortige abstrakte Zusammenfassung; R. Hinze, ebd.; G. Potrykus, ebd., alle jeweils zu § 2 Abs. 1 KWKG. 151 G. Potrykus, KWKG, § 2 Anm. 1 (S. 45 f.); R. Hinze, Waffenrecht, § 2 KWKG Anm. 2 (vgl. aber auch Anm. 3 a.E.). 152

S.o. S. 132 ff.

153

BGBl. 1990 I, S. 2428.

I. Das Herstellen

137

der bestehenden NATO-Strategie 1 5 4 , §§ 16, 17 Abs. 1 KWKG. Abgesehen von dieser Ausnahme 1 5 5 erstreckt sich demnach die Genehmigungspflichtigkeit für die Herstellung von Kriegswaffen nach dem KWKG nur noch auf die sog. konventionellen Kriegswaffen. Diese gegenüber der verfassungsrechtlichen Ausgangsnorm vorgenommene weitergehende Verschärfung steht im Einklang mit Art. 26 Abs. 2 GG, der lediglich die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen der Genehmigungspflicht festlegt, es ansonsten aber dem gesetzgeberischen Ermessen überläßt, im Rahmen der durch die Verfassung im übrigen gesetzten Grenzen über den Verfassungsauftrag hinauszugehen 1 5 6 . 3. Der Hersteller Hersteller, d.h. derjenige, der die Herstellungsgenehmigung i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG beantragen muß, ist die natürliche oder juristische Person, die selbständig und im eigenen Namen die Kriegswaffe herstellt. Da Kriegswaffen nahezu ausschließlich in Unternehmen arbeitsteilig hergestellt werden, ist nicht der einzelne Beschäftigte Hersteller. Denn Bezugspunkt der Genehmigungspflicht aus Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG ist die Kriegswaffe und die von ihr ausgehende potentielle Gefahr für den Völkerfrieden. Selbst wenn eine Vielzahl von Personen in unterschiedlichsten, auch leitenden Funktionen an der Herstellung der Kriegswaffe beteiligt sind, ist Genehmigungsobjekt allein die Kriegswaffe, die von dem Unternehmen hergestellt wird. Nach der Diktion des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG ist nämlich lediglich für den Gesamtvorgang der Herstellung einer Kriegswaffe eine Genehmigung erforderlich. Der Wortlaut verlangt gerade nicht, daß alle an der Herstellung einer Kriegswaffe Beteiligten einer Genehmigung bedürfen 1 5 7 . Die Genehmigungspflicht nach Art. 26 Abs. 2 GG trifft daher allein den Geschäftsherr, sei es der Einzelkaufmann, die Personengesellschaft oder die juristische Person 1 5 8 .

154

S.o. S. 114 f. und S. 123, Fn. 92.

155

Im Regelfall gelten die erforderlichen Genehmigungen bei Handlungen im Rahmen von NATO-Projekten gem. § 27 S. 2 KWKG als erteilt. 156

S.o. S. 85 f.

157

Ebenso D. Merten, M D R 1964, 806 (809), der betont, daß Abs. 2 im Gegensatz zu den personenbezogenen Regelungen des Abs. 1 einen objektbezogenen Tatbestand enthält. 158 K. Pottmeyer, KWKG, § 2 Rn. 40; G. Potrykus, NJW 1963, 941 (942); Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 50, hält es für zweifelhaft, ob auch leitende Angestellte und Konstrukteure dem Anwendungsfall unterfallen; a.A. G. Frank, in: Alternativkommentar zum GG, Art. 26 Rn. 48, ohne Begründung.

138

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

In diesem Sinne enthält das KWKG im Gegensatz zu Art. 26 Abs. 2 GG sogar ausdrückliche Anhaltspunkte. In negativer Hinsicht bestimmt § 5 Abs. 1 KWKG, daß derjenige keiner Genehmigung bedarf, der unter Aufsicht oder als Beschäftigter eines anderen tätig wird. Es bedarf also nur deijenige einer Genehmigung, für den die Tätigkeit ausgeübt wird, d.h. in dessen Verantwortungsbereich die genehmigungspflichtige Tätigkeit vorgenommen wird 1 5 9 . Leitende Angestellte, Techniker, Arbeitnehmer und andere Personen in abhängiger Stellung bedürfen daher keiner Genehmigung 160 . Trotz der personenbezogenen Fassung des § 2 Abs. 1 KWKG entspricht daher der Hersteller nach dem KWKG den verfassungsrechtlichen Vorgaben des objektbezogenen Art. 26 Abs. 2 GG. Der genehmigungspflichtige Hersteller i.S. des KWKG ist jedoch nur beschränkt auf den konventionellen Bereich, da die Herstellung von ABC-Waffen mit Ausnahme des angesprochenen NATO-Bereichs für Atomwaffen (§ 16 KWKG) nach dem KWKG verboten ist. Das Verbot beschränkt sich nicht nur auf den Hersteller im definierten Sinne, sondern erfaßt schlechthin jedermann, der bereits eine solche Handlung fördert 1 6 1 , §§ 17 Abs. 1 Nr. 2, 18 Abs. 1 Nr. 2 KWKG. Dieses umfassende Herstellungsverbot führt jedoch nicht zu einer Erweiterung des Herstellerbegriffs auf Leitende Angestellte, Techniker, Arbeitnehmer und andere Personen in abhängiger Stellung, da eben keine Genehmigungsmöglichkeit zur Herstellung von ABC-Waffen (mehr) besteht 162 . 4. Die Genehmigungspflicht bei der Herstellung von Kriegswaffen im Ausland a) Art. 26 Abs. 2 GG Zu Beginn der 60er Jahre hatte die Beschäftigung deutscher Spezialisten in der ägyptischen Kriegswaffenindustrie auch in der juristischen Literatur das

159 BT-Drs. 3/1589, S. 17; BT-Drs. 11/4609, S. 7; Κ Pottmeyer,

KWKG, § 5 Rn.

lf. 160

Deutlich BT-Drs. 11/4609, S. 7 (unter 2. a.E.).

161

Hierzu: D. Holthausen, NJW 1991, 203 ff.

162

Zur Schlüssigkeit der damit einhergehenden und allein beabsichtigten (vgl. BTDrs. 11/4609, S. 7 [unter 2.]; ebenso D. Holthausen, NJW 1991, 203 [insbes. Fn. 5]) strafrechtlichen Erweiterung des Täterkreises vgl. V. Epping, RIW 1991, 461 (464 f.); ebenso Κ Pottmeyer, KWKG, § 16-17 Rn. 3.

I. Das Herstellen

139

Problem aufgeworfen, ob diese Tätigkeit nach Maßgabe des Art. 26 Abs. 2 GG genehmigungspflichtig s e i 1 6 3 . Es stellte sich nämlich die Frage, ob die Herstellung von Kriegswaffen, ebenso wie die übrigen in Art. 26 Abs. 2 GG beschriebenen Handlungen, durch deutsche Staatsangehörige im Ausland einer Genehmigung bedürfen. Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages zu den verfassungsrechtlichen Erwägungen zu § 4a des Entwurfs eines Änderungsgesetzes zum KWKG von Formanek/Braun leitet eine solche Auslandserstreckung des Art. 26 Abs. 2 GG aus der Personalhoheit ab: "Andererseits wird man aber auch die deutschen Staatsangehörigen ausnahmslos als an Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG gebunden betrachten müssen, ohne Rücksicht darauf, ob sich ihre Tätigkeit innerhalb oder außerhalb des Bundesgebietes abspielt. Das rechtfertigt sich ebenso aus dem Grundsatz der Personalhoheit der Bundesrepublik Deutschland wie aus dem Willen des Gesetzgebers, daß von keinem Deutschen eine friedensstörende Aktivität ausgehen soll." 1 6 4 ... "Die generelle Möglichkeit, solche Geschäfte im Sinne des § 4a KWKG von einer Genehmigung abhängig zu machen, ergibt sich für den Grundgesetzgeber schon aus Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG. Danach wird für die Herstellung, die Beförderung und den Vertrieb von Kriegswaffen eine Genehmigung verlangt. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, ob sich ein Bundesbürger im Inland oder im Ausland befindet auf Grund der Personalpolitik 1 6 5 der Bundesrepublik Deutschland. Insoweit sind alle Deutschen an Artikel 26 Abs. 2 GG und dadurch auch an § 4a KWKG gebunden, gleich ob im In- oder Ausland." 1 6 6

Personalhoheit bedeutet die Ausübung der Staatsgewalt über das Staatsvolk 1 6 7 , d.h. die Staatsangehörigen. Diese bleiben selbst dann der Personalhoheit ihres Heimatstaates untergeordnet, wenn sie sich im Ausland aufhalten. Kraft seiner Personalhoheit kann ein Staat grundsätzlich auch das Verhalten seiner Staatsangehörigen im Ausland regeln 1 6 8 . Allein abstellend auf die Personalhoheit könnten somit alle deutschen Staatsangehörigen auch im Ausland an das Grundgesetz und damit an die Genehmigungspflicht aus 163 Vgl. G. Potrykus, NJW 1963, 941 ff.; Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 26 Rn. 50; D. Merten, M D R 1964, 806 ff.; vgl. neuerdings den Hinweis darauf von D. Holthausen, NJW 1992, 214 (216 a.E.). 164

Formanek/Braun,

165 Formanek/Braun

S. 6. meinen wohl die Personalhoheit.

166

Formanek/Braun,

167

D. Oehler, in: I. Seidl-Hohenveldern, Lexikon des Rechts - Völkerrecht, S.

234.

S. 10.

168 D. Oehler, ebd.; I. Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rn. 1364, 1370; D. Holthausen, NJW 1992, 214 (215; Fn. 12 m.w.N.); in diesem Sinne auch: A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, § 1225.

140

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

Art. 26 Abs. 2 GG gebunden sein. Verfassungsrechtlicher Ansatzpunkt hierfür ist Satz 3 der Präambel. Danach gilt mit der Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands "dieses Grundgesetz für das gesamte Deutsche Volk", mithin für alle deutschen Staatsangehörigen i.S. des Art. 116 G G 1 6 9 . Voraussetzung für eine Auslandserstreckung ist zunächst, daß die Norm überhaupt einen wie auch immer gearteten Auslandsbezug aufweist 1 7 ° . Aus dem Wortlaut des Art. 26 Abs. 2 GG ließe sich lediglich isoliert abstellend auf den dort gebrauchten Begriff 'Kriegführung' ein Auslandsbezug insofern herstellen, als der Krieg einen völkerrechtlichen Gewaltzustand beschreibt. Jedoch wird dieser Begriff in Art. 26 Abs. 2 GG lediglich zur Qualifikation des Regelungsgegenstandes, der (Kriegs-) Waffe, verwendet. Überdies ist Art. 26 Abs. 2 GG ein objektbezogener Tatbestand 1 7 1 . Regelungsgegenstand ist die Kriegswaffe, deren Herstellung, Beförderung und Inverkehrbringen es zu überwachen g i l t 1 7 2 . Diese Überwachung kann jedoch nur im Bundesgebiet stattfinden. Denn die Erstreckung dieser hoheitlichen Tätigkeit auf fremdes Territorium würde gegen das Prinzip der territorialen Souveränität 173 und das dieses Prinzip absichernde Interventionsverbot 174 verstoßen 1 7 5 . Jeder Staat übt auf seinem Territorium eine von anderen Staaten 169 Zum Begriff des Deutschen Volkes: BVerfGE 83, 37 ff. und 60 ff.; StGH Bremen, DÖV 1992, 164. 17 0 Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 23 Rn. 95; K. Pottmeyer, § 4a Rn. 64. 17 1

D. Merten, M D R 1964, 806 (809); s.o. S. 137.

172

Ebd.

173

Vgl. hierzu nur Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 23 Rn. 3 ff.

KWKG,

174

Vgl. hierzu nur H. Fischer, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 57 Rn. 50 ff.; Th. Oppermann, in: EPIL, Band 3 (1982), 233 ff. 175 F.v. Burchard, Das Umgehungsgeschäft beim Waffenexport in Drittländer aus strafrechtlicher Sicht, S. 49, 51; D. Merten, ebd.; K. Pottmeyer, KWKG, § 2 Rn. 38; G. Potrykus, NJW 1963, 941 (942); R. Hinze, Waffenrecht, § 4a KWKG Anm. 2. Diese Erkenntnis war auch maßgeblich für die 1978 durchgeführte Einfügung des § 4a KWKG (vgl. auch BT-Drs. 8/1614, S. 16 zur seinerzeitigen Einfügung des § 4a KWKG; hierzu wiederum K. Pottmeyer, KWKG, § 4a Rn. 55 ff.; B. Schulz, NJW 1978, 1510; Κ.Ή. Weber, NJW 1979, 1282 f.; H. Runkel, Wehrtechnik 1982, Heft 5, S. 62; i.E. auch A G Bergisch-Gladbach, NStZ 1982, 515; im Grundsatz auch D. Holthausen, NStZ 1982, 515 [516]) sowie die Gesetzesnovelle vom 5.11.1990 (vgl. auch BT-Drs. 11/4609, S. 7 [unter 2.: "§ 16 KWKG erfaßt nicht im Ausland begangene Taten, weil die in dieser Vorschrift strafbewehrten Genehmigungstatbestände [d.h. alle genehmigungspflichtigen Handlungen i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG, der Verf.] nach unbestrittener Auffassung nur für das Bundesgebiet gelten."]; ebenso D. Holthausen, NJW 1991, 203; ders., NJW 1992, 214; V. Epping, RIW 1991, 461 [465]; K. Pottmeyer, KWKG, § 16-17 Rn. 3; ders., NStZ 1992, 57 f.). A.A. HD. Ja-

I. Das Herstellen

141

unabhängige Hoheitsgewalt aus. Er allein hat auf seinem Staatsgebiet die Gebietshoheit, d.h. die ausschließliche Zuständigkeit zum Erlaß von Hoheitsakten 1 7 6 . Aus dieser Gebietsausschließlichkeit der Staaten folgt, daß auf dem jeweiligen Staatsgebiet grundsätzlich nur durch ihn oder mit seiner Zustimmung Hoheitsakte gesetzt werden dürfen 1 7 7 . Völkerrechtlich unzulässig sind daher alle Fälle, in denen fremde Staatsorgane in einem anderen Staat hoheitliche Maßnahmen vornehmen 1 7 8 . Einen solchen Fall würde aber die Wahrnehmung von hoheitlichen Tätigkeiten durch die Bundesregierung i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG auf fremdem Staatsgebiet darstellen. Dieses Ergebnis wird auch durch das BVerfG in seinem sog. 'Grundlagenvertragsurteil· bestätigt: "Sie (die Bundesrepublik Deutschland 1 7 9 ) beschränkt staatsrechtlich ihre Hoheitsgewalt auf den 'Geltungsbereich des Grundgesetzes' (vgl. BVerfGE 3, 288 [319]; 6, 309 [338, 363]),...". 1 8 0

Gleiches folgt aus der systematischen Stellung und dem Sinn und Zweck des Art. 26 Abs. 2 GG. Art. 26 Abs. 2 GG befindet sich im zweiten Kapitel des Grundgesetzes, das die Grundaussagen zum Bund und den Ländern enthält. Als verfassungsrechtlicher Spezialfall des Art. 26 Abs. 1 GG steht er mit dieser Norm, die namentlich das Friedensgebot des Grundgesetzes konkretisiert 181 , in unmittelbarem Zusammenhang. Art. 26 GG insgesamt bildet den normativen Kern und garantiert verfassungsrechtlich das völkerfriedensfreundliche Verhalten

rass, in: ders./B. Pieroth, Art. 26 Rn. 5 ("Die Teilnahme an derartigen Handlungen, auch im Ausland, wird gleichfalls erfaßt."); Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 26 Rn. 49; ebenso wohl i.E. auch A. Hamann/H. Lenz, Art. 26 Anm. 5. 176

Vgl. nur: Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 23 Rn. 3.

177

Vgl. nur: Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 23 Rn. 6.

178 Ygj n u r : Gloria, ebd.; O. Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, S. 159 f.; W.J. Habscheid, in: I. Seidl-Hohenveldern, Lexikon des Rechts - Völkerrecht, Stichwort: Gebietshoheit, S. 102 (103). 179

Eingefügte Erläuterung durch den Verfasser.

180

BVerfGE 26, 1 (16).

181

K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, § 14 IV. 6. c) (S. 509; Fn. 192 m.w.N.); K.-A. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 1; F.v. Schlabrendorff\ in: Festschrift für G. Müller, 403 (404 ff.); Th. Maunz, in: Festgabe für C. Schmitt, 285 (288); Hettlage/F.A.v. der Heydte, in: Der Kampf um den Wehrbeitrag, Band 2, 2. Halbband, S. 666 (669).

142

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

der Bundesrepublik und ihrer Organe 1 8 2 . Der durch Art. 26 GG bezweckte Beitrag zum Weltfrieden besteht also darin, wie dies Κ. -A. Hernekamp zutreffend bildlich beschreibt, "vor der eigenen Haustür zu kehren" 183. Auch aus der Entstehungsgeschichte des Art. 26 Abs. 2 GG ergeben sich keine Anhaltspunkte für seine Anwendung auf im Ausland befindliche deutsche Staatsangehörige. Ausweislich der Aussage von C. Schmid im Parlamentarischen Rat "Sollen wir nicht eine klare und unverklausulierte Erklärung abgeben, daß in Deutschland keine Kanonen mehr gebaut werden sollen, ..." 1 8 4

ging man vielmehr davon aus, daß Art. 26 Abs. 2 GG lediglich die Herstellung von Kriegswaffen im Bundesgebiet und ihre Ausfuhr erfassen sollte 1 8 5 . Dies obgleich im Anschluß an die Beendigung des zweiten Weltkrieges bekanntermaßen viele deutsche Staatsangehörige in der Rüstungsproduktion der USA und der seinerzeitigen UdSSR tätig waren und es von daher nahegelegen hätte, eine diesbezügliche Regelung zu treffen 1 8 6 . Der Tatbestand des Art. 26 Abs. 2 GG weist somit keinen wie auch immer gearteten Auslandsbezug auf. Die Herstellung, ebenso wie die Beförderung und das Inverkehrbringen von Kriegswaffen durch deutsche Staatsangehörige außerhalb des deutschen Hoheitsgebiets, unterfällt daher nicht der Genehmigungspflicht aus Art. 26 Abs. 2 GG. Mithin wird von dem verfassungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalt lediglich die Herstellung, die Beförderung und das Inverkehrbringen von Kriegswaffen im Bundesgebiet erfaßt 1 8 7 . Ob Hersteller ein deutscher Staatsangehöriger, ein Ausländer oder ein Staatenloser ist, ist insofern ohne Relevanz, da zum einen schon nach dem Wortlaut des Art. 26 Abs. 2 GG allein die Herstellung von Kriegswaffen An-

182

F. Klein, in: B. Schmidt-Bleibtreu/F. Klein, Art. 26 Rn. 1; Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 1; ähnlich auch K -Α. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 1 f. 183

K -Α. Hernekamp y in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 2.

184

Zitiert nach: K-B.v. Doemming/R.W.

Füsslein/W.

Matz, JÖR 1 (1951), S. 241.

185

Ebenso: D. Merten, M D R 1964, 806 (809); vgl. ferner K. Loewenstein, in: Der Kampf um den Wehrbeitrag, Band 2, 2. Halbband, S. 337 (356). 186 187

Darauf weist auch D. Merten (ebd.) hin.

I.E. ebenso: D. Merten, M D R 1964, 806 (809); G. Potrykus, NJW 1963, 941 (942); K. Pottmeyer y KWKG, § 2 Rn. 38 (zu § 2 KWKG); a.A. Formanek/Braun, S.

6, 10.

I. Das Herstellen

143

knüpfungspunkt der Genehmigungspflicht ist und zum anderen sich die Gebietshoheit eines jeden Staates auf alle Personen erstreckt, die sich auf seinem Territorium befinden 1 8 8 . b) Das KWKG Entsprechend den vorgenannten Ausführungen erstreckt sich die kriegswaffenkontrollrechtliche Genehmigungspflicht aus § 2 Abs. 1 KWKG mangels Auslandsbezug ebenfalls nur auf das Bundesgebiet. Dies folgt zugleich auch aus der Eigenart des KWKG als 'Ausführungsgesetz zu Art. 26 Abs. 2 GG', aus der rechtslogisch nur abgeleitet werden kann, daß dieses Ausführungsgesetz keinen weiterreichenden räumlichen Geltungsbereich als die Verfassungsnorm selbst haben kann, sofern es lediglich - wie bei § 2 Abs. 1 KWKG - den Verfassungsauftrag umsetzt und nicht darüber hinausgeht. Demgegenüber nimmt § 21 KWKG für deutsche Staatsangehörige betreffend den nach den §§ 17, 18 KWKG umfassend verbotenen Umgang (Entwickeln, Herstellen, Handeltreiben, Erwerben, Überlassen, Einführen, Ausführen, Durchführen, sonstiges Verbringen in das oder aus dem Bundesgebiet, sonstige Ausübung der tatsächlichen Gewalt) sowie das Fördern dieses Umgangs mit ABC-Waffen ausdrücklich eine Auslandserstreckung in strafrechtlicher Hinsicht vor (§ 21 i.V.m § 19 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5 und 6 sowie § 20 KWKG). Da der Verfassungsauftrag aus Art. 26 Abs. 2 GG lediglich die durch § 2 Abs. 1 KWKG insoweit erfüllten Mindestanforderungen festlegt, stellt sich die Frage, ob das in § 21 KWKG zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Ermessen mit der verfassungsmäßigen Ordnung im übrigen in Einklang steht (Art. 20 Abs. 3 GG) 1 8 9 . (1) Vereinbarkeit von § 21 KWKG mit dem Grundgesetz Bedenken könnten sich aus Art. 25 GG ergeben, da die Anwendung inländischen Strafrechts durch inländische Gerichte auf Auslandstaten die Ausübung eigener Strafgewalt auf fremdem Hoheitsgebiet, mithin einen Verstoß gegen den völkerrechtlichen Grundsatz der territorialen Souveränität darstel-

188

Vgl. nur: Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 24 Rn. 1.

189

S.o. S. 85 f.

144

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

len könnte 1 9 ° . Denn nach Art. 25 GG sind die allgemeinen Regeln des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts und gehen den Gesetzen vor. D.h., die durch Art. 25 GG in das Bundesrecht rezipierten allgemeinen Regeln des Völkerrechts gehen dem einfachen Bundesrecht - wie dem KWKG - im Rang vor 1 9 1 . Steht also § 21 KWKG mit den allgemeinen Regeln des Völkerrechts i.S. des Art. 25 GG nicht in Einklang, so wird es verdrängt oder zumindest völkerrechtskonform angewandt 192 , sofern es nicht sogar unwirksam i s t 1 9 3 . Die in Art. 25 GG genannten allgemeinen Regeln des Völkerrechts sind solche, die sich aus übereinstimmender Staatenpraxis und Rechtsüberzeugung ergeben 1 9 4 . Allgemeine Regeln dieser Art, welche die räumliche Geltung einer staatlichen Rechtsordnung begrenzen, sind das in Betracht zu ziehende Prinzip der territorialen Souveränität und das dieses Prinzip absichernde völkerrechtliche Interventionsverbot, d.h. das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines fremden Staates 1 9 5 . Ob die These, daß fremde Souveränität verletzt werde, wenn der inländische Staat von eigenen Staatsangehörigen für seine Normen Gehorsam auf fremdem Hoheitsgebiet fordert und den angeblichen Ungehorsam bestraft 196 , 190 So: H. Mayer, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1953, S. 91 f.; ders., Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1967, S. 40; ders., JZ 1952, 609 f.; K. Pottmeyer, NStZ 1992, 57 ff.; ders. KWKG, §§ 19-22 Rn 20 ff.; H. Schorn, JR 1964, 205 (206). 191 Daß die allgemeinen Regeln des Völkerrechts dem einfachen Bundesrecht vorgehen, ist unstreitig, vgl. BVerfGE 6, 309 (363); 37, 271 (279); BFHE 157, 39 (439); R. Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, § 38 IV. (S. 190 ff.); W.K. Geck, in: Festgabe BVerfG, II. Band, S. 125 (137); Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 74 Rn. 27; HD. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Art. 25 Rn. 6; Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/ Herzog/Scholz, Art. 25 Rn. 24; O. Rojahn, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 25 Rn. 36 m.w.N.; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, § 14 II. 8. (S. 493 f.); M. Zuleeg, in: Alternativkommentar zum GG, Art. 24 Abs. 3/Art. 25 Rn. 22 ff. m.w.N. auch zu den insofern anderen, heute allenfalls noch vereinzelt vertretenen Auffassungen, die von einem Verfassungsrang (so insbes. K.J. Partsch, BDGV Heft 6 (1964), S. 13 [70 a.E.]) oder gar Überverfassungsrang der allgemeinen Regeln des Völkerrechts ausgehen (so insbes.: E. Menzel, in: Bonner Kommentar, Art. 25 Anm. II.4.). 192 BVerfGE 23, 288 (316); 36, 342 (365); BGHSt 27, 30 (31 f.); K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, § 14 II. 8. (S. 494); W.K. Geck, in: Festgabe BVerfG, Band II, 125 (139); Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 25 Rn. 25; M. Zuleeg, in: Alternativkommentar zum GG, Art. 24 Abs. 3/Art. 25 Rn. 24; D. Oehler, JR 1977, 424. 193 BVerfGE 6, 309 (363); HD. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Art. 25 Rn. 5; K. Pottmeyer, KWKG, §§ 19-22 Rn. 25. 194

BVerfGE 73, 339 (375).

195

S.o. S. 140, Fn. 173 ff.

196

H. Mayer, JZ 1952, 609 (610); K. Pottmeyer,

NStZ 1992, 57 (58).

145

I. Das Herstellen

auch dann gilt, wenn - wie hier - der Staatsangehörige nach dem Recht des ausländischen Staates zu diesem Verhalten nicht gezwungen

197

, es ihm jedoch

gestattet wird, bedarf unter dem Gesichtspunkt, daß damit zulässiges und erlaubtes Handeln i m Ausland innerstaatlich pönalisiert wird, einer näheren Betrachtung der durch § 2 1 K W K G aufgeworfenen Fragestellung nach der völkerrechtlichen Zulässigkeit des Erlasses von Hoheitsakten mit Auslandswirkung.

(2) Völkerrechtliche Zulässigkeit des Erlasses von Hoheitsakten mit Auslandswirkung I n seiner grundlegenden und die auch heute noch geltende Völkerrechtslage

198

wiedergebenden Entscheidung des Ständigen Internationalen Gerichts-

hofes (StIGH) zum 1Lotus-Fall

1

wurde hierzu festgestellt:

"Now the first and foremost restriction imposed by international law upon a State is that - failing the existence of a permissive rule to the contrary - it may not exercise its power in any form in the territory of another State. In this sense jurisdiction is certainly territorial; it cannot be exercised by a State outside its territory except by virtue of a permissive rule derived from international custom or from a convention. It does not, however, follow that international law prohibits a State from exercising jurisdiction in its own territory, in respect of any case which relates to acts which have taken place abroad, and in which it cannot rely on some permissive rule of international law. Such a view would only be tenable if international law contained a general prohibition to States to extend the application of their laws and the jurisdiction of their courts to persons, property and acts outside their territory, and if, as an exception to this general prohibition, it allowed States to do so in certain specific cases. But this is certainly not the case under international law as it stands at present. Far from laying down a general prohibition to the effect that States may

197 Dies gilt sicherlich dann, wenn der inländische Staat ein Verhalten seiner Staatsangehörigen bestraft, zu dem sie nach dem Recht des Tatorts verpflichtet sind (sog. Normenkonflikt). So auch: H. Tröndle, in: Leipziger Kommentar zum StGB, Vor § 3 Rn. 10; A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, § 1225; H. Mayer, JZ 1952, 609 (610); H.-H. Jescheck, in: Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 4. Band, 1958, S. 14; ders., Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. 1972, S. 133; I. Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rn. 1371; Κ Pottmeyer, NStZ 1992, 57 (58; Fn. 34 m.w.N.); wohl auchD. Holthausen, NJW 1992, 214 (216; Fn. 22 m.w.N.); a.A.: G. Dohm, Zur Problematik des Völkerstrafrechts, S. 26. - Da § 21 KWKG n.F. diese Fallgestaltung nicht berührt, bedarf es insofern keiner weiteren Erörterung. 198 Vgl. nur Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 23 Rn. 95; W. Meng, ZaöRV 44 (1984), 675 (737 ff. m.w.N.); KM. Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, S. 74 ff.; so auch schon Dreher, JZ 1953, 421 (423). 10 Epping

146

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

not extend the application of their laws and the jurisdiction of their courts to persons, property and acts outside their territory, it leaves them in this respect a wide measure of discretion which is only limited in certain cases by prohibitive rules; as regards other cases, every State remains free to adopt the principles which it regards as best and most suitable." 199

Das Völkerrecht läßt also grundsätzlich zu, daß ein Staat Gesetze erläßt, die Auslandssachverhalte regeln. Es beschränkt sich lediglich darauf, die räumliche Geltung staatlicher Rechtssätze zu begrenzen 2 0 ° . Da aber dennoch - wie der StIGH ausführt - die Möglichkeit der Anknüpfung staatlicher Rechtsnormen an Sachverhalte, die sich außerhalb des Staatsgebietes zutragen, gegeben ist, muß man zwischen dem räumlichen Geltungsbereich einer Rechtsnorm und ihrem sachlichen Anwendungsbereich unterscheiden. Während der räumliche Geltungsbereich einer Norm das Gebiet bestimmt, in dem staatliche Hoheitsgewalt im Wege der Gesetzgebung Normen setzt, sie durch Rechtsprechung anwenden und durch vollziehende Gewalt durchsetzen läßt, bezeichnet der sachliche Anwendungsbereich diejenigen Sachverhalte, auf die sich die Regelung durch Gesetzesnorm erstrecken darf. Dies hat jedoch nicht zur Folge, daß ein Staat seine Gesetze beliebig über den räumlichen Geltungsbereich hinaus auf Sachverhalte mit Auslandsberührung erstrecken darf. Vielmehr decken sich in der Regel der räumliche und sachliche Anwendungsbereich; die Erstreckung des sachlichen Anwendungsbereichs auf Auslandssachverhalte ist die Ausnahme 2 0 1 . Deshalb dürfen die Staaten Sachverhalte, die z.B. wegen des ausländischen Tatortes einen 'internationalen Einschlag' aufweisen, nicht willkürlich, d.h. nach freiem politischen Ermessen, ihrer Strafgewalt unterwerfen. Auch hier sind sie an die Grenzen gebunden, die das Völkerrecht der Ausdehnung der staatlichen Rechtssetzungsbefugnis setzt 2 0 2 . Eine Begrenzung erfolgt insofern durch das allgemeine Prinzip des Völkerrechts, daß zwischen dem normierenden Staat und dem von ihm normierten Auslandssachverhalt eine 'echte Verknüpfung' ('genuine link', 'sufficient connection') vorliegen muß. Das Völkerrecht verlangt insofern, daß eine Gesetzesnorm, die einen Auslandssachverhalt regelt, zugleich einen Inlandssachverhalt betreffen muß, mit dem der erfaßte Auslandssachverhalt 'echt'

199

PCÜ Ser. A, No. 10 (1927), 18 f.

20 0

Ch. Gloria, in: K. Ipsen, § 23 Rn. 98; W. Rudolf

(17 f.).

BDGV Heft 11 (1971), S. 7

201

Zum Ganzen: Ch. Gloria, ebd.

20 2

H.-H. Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1988,

S. 149.

147

I. Das Herstellen

oder 'substantiell und hinreichend* verknüpft sein muß 2 0 3 . Als Anknüpfungspunkte werden vom Internationalen Strafrecht - der Begehungsort (Territorialitätsprinzip), - das Prinzip der stellvertretenden

Strafrechtspflege,

- der Schutz von Interessen universalen Charakters (Weltrechtsprinzip), - der Schutz bestimmter inländischer Rechtsgüter (Schutz- oder Realprinzip) sowie - die Staatsangehörigkeit des Täters oder des Opfers (aktives Personalitätsprinzip) genannt

204

bzw. passives

.

Da der Begehungsort der Tat gerade nicht die Bundesrepublik ist, kommt das Territorialitätsprinzip nicht als möglicher Anknüpfungspunkt hinsichtlich der durch § 21 KWKG vorgenommenen Ausdehnung des sachlichen Anwendungsbereichs der §§ 19 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5 und 6 sowie 20 KWKG auf Deutsche, die an der Herstellung von ABC-Waffen im Ausland mitwirken, in Betracht. Ebenso scheidet das Prinzip der stellvertretenden Strafrechtspflege aus. Dieses kommt nämlich nur dann zur Anwendung, wenn die Tat am Tatort strafbewehrt ist und die territorial zuständige ausländische Strafjustiz aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen an der Durchsetzung ihres Strafanspruchs gehindert ist 2 0 5 . § 21 KWKG greift jedoch unabhängig vom Recht des Tatorts. Auch das passive Personalitätsprinzip bildet keinen möglichen Anknüpfungspunkt, weil § 21 KWKG keine Norm ist, die einen

203 V g l die Rsp r des Internationalen Gerichtshofs im sog. 'Nottebohm'-Fall (ICJ Rep. 1955, S. 24 ff.) und im sog. 'Barcelona Traction'-Fall (ICJ Rep. 1970, S. 3, 105); BGHSt 27, 30 (32); 34, 334 (336); Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 23 Rn. 97; A. VerdrossIB. Simma, Universelles Völkerrecht, § 1183; D. Holthausen, NJW 1992, 214; H.-H. Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1988, S. 149; F. Nowakowski, ÖZöR Band V I (neue Folge, 1955), 10 (20); D. Oehler, JR 1977, 424; I. Brownlie, Principles of Public International Law, S. 298 ff., 307 ff.; A.v. Bogdandy y VerwArch 1992, 53 (81 f.); vgl. hierzu und zu den unterschiedlichsten Formulierungen zur allgemeinen Umschreibung der erforderlichen Qualifikation eines zulässigen Anknüpfungspunktes W. Meng, ZaöRV 44 (1984), 675 (740 ff. m.w.N.). 20 4 D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 111 ff.; Η.Ή Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1988, S. 149 ff.; K. Ipsen, in: ders. (s. Fn. 27), § 38 Rn. 6 ff.; Ρ. Kunig, JuS 1978, 594 (595); A. Verdross IB. Simma, Universelles Völkerrecht, § 1183; M. Lemke, in: Alternativkommentar zum StGB, vor § 3 Rn. 5 ff. 205

A. Eser, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem §§ 3-7 Rn. 9.

148

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

Ausländer, der im Ausland ein Delikt gegen einen Inländer begeht, im Inland nach inländischem Recht bestraft 2 0 6 . (a) Das Weltrechtsprinzip Das Weltrechtsprinzip, wie es in § 6 StGB seinen Niederschlag gefunden hat, greift bei der Verletzung international anerkannter Rechtsgüter unabhängig von der Nationalität des Täters ein 2 0 7 . Das betreffende Rechtsgut muß vertraglich oder international völkergewohnheitsrechtlich als besonders schutzwürdig und seine Verletzung daher als strafwürdig anerkannt sein. Eine hinreichende Anknüpfung besteht also nur dann, wenn die Schutzwürdigkeit des Rechtsguts und die Strafwürdigkeit seiner Verletzung durch Vertrag oder Völkergewohnheitsrecht festgelegt ist 2 0 8 . Der sog. Atomwaffensperrvertrag 2 0 9 verpflichtet zum einen die beigetretenen Kernwaffenstaaten, Kernwaffen an niemanden weiterzugeben (Art. I), und zum anderen die dem Vertrag beigetretenen Nichtkernwaffenstaaten, Kernwaffen weder herzustellen noch sonstwie zu erwerben oder anzunehmen (Art. II). Wenngleich damit das Schutzgut - die Verhinderung der Weiterverbreitung von Kernwaffen - völkervertraglich festgelegt ist, enthält der Atomwaffensperrvertrag keine Bestimmung über die Strafwürdigkeit der Verletzung der vertraglich übernommenen Verpflichtungen. Gleiches gilt für den Bereich der biologischen und chemischen Waffen. Zwar wird der Einsatz dieser Waffen durch das Genfer Protokoll über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen sowie bakteriologischen Mitteln im Kriege vom 17.6.1925 2 1 0 (sog. Genfer Giftgasprotokoll) völkervertragsrechtlich und mittlerweile auch völkerge-

206

Vgl. D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 632.

207

A. Eser, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem §§ 3-7 Rn. 8.

208

K. Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 38 Rn. 7; D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 878 ff. (insbes. Rn. 881); ders., JR 1977, 424; ders., in: Festschrift für K. Carstens, S. 435 (443); Η.Ή. Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1988, § 18 II. 5. (S. 152); P. Kunig, JuS 1978, 594 (595); ebenso: BGHSt 27, 30 (33) hinsichtlich der Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität, wo zur Begründung der Abdeckung durch das Weltrechtsprinzip neben der völkervertragsrechtlichen Pflicht zur Bekämpfung der Rauschgiftkriminalität auch die völkervertragsrechtliche Verpflichtung zur Bestrafung herangezogen wird; ebenso BGHSt 34, 334 (338). 209

Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen, BGBl. 1974 II, S. 786.

210

RGBl. 1929 II, S. 173.

I. Das Herstellen

149

wohnheitsrechtlich 2 1 1 verboten. Darüber hinaus haben die biologischen Waffen durch das Übereinkommen über das Verbot der Entwicklung, Herstellung und Lagerung bakteriologischer (biologischer) Waffen und von Toxinwaffen sowie über die Vernichtung solcher Waffen vom 10.4.1972 2 1 2 (sog. B-Waffen-Konvention) sogar eine umfassende völkerrechtliche Ächtung erfahren 2 1 3 . Gleichwohl enthält aber weder das Genfer Giftgasprotokoll und auch das diesbezügliche Völkergewohnheitsrecht noch die B-Waffen-Konvention - trotz der insoweit sowohl völkervertragsrechtlichen als auch völkergewohnheitsrechtlichen Schutzwürdigkeit - eine Aussage zur Strafwürdigkeit eines Verstoßes. Deshalb stellt auch das Weltrechtsprinzip keine hinreichende Verknüpfung für die in § 21 KWKG normierte Auslandserstreckung dar 2 1 4 . (b) Das Schutzprinzip Das Schutzprinzip (Realprinzip) läßt in völkerrechtlich zulässiger Weise 2 1 5 grundsätzlich die Ausdehnung der inländischen Strafgewalt auf Taten zu, die im Ausland begangen werden, jedoch inländische Rechtsgüter gefährden oder verletzen 2 1 6 . Beschränkt man das Schutzprinzip nur auf Auslandstaten von Ausländern 2 1 7 , kommt § 21 KWKG als möglicher Anknüpfungspunkt ebenfalls 211 M. Bothe, Das völkerrechtliche Verbot des Einsatzes chemischer und bakteriologischer Waffen, S. 38 ff.; K. Ipsen, Biologische und chemische Kampfmittel im Völkerrecht, S. 159 ff.; ders., in: ders., Völkerrecht, § 66 Rn. 29. 212

BGBl. 1983 II, S. 132.

213

Vgl. K. Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 66 Rn. 28 - 30.

214

Diese Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Weltrechtsprinzips übersieht D. Holthausen, NJW 1992, 214 (215, Fn. 14); zutreffend daher K. Pottmeyer, NStZ 1992, 57 (61). Vgl. auch D. Oehler (in: W. Krekeler/K. Tiedemann/K. Ulsenheimer/G. Weinmann, Handwörterbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, Stichwort: Internationales Strafrecht, Anm. II.4. [Stand dieser Kommentierung: Mai 1987]), der darauf hinweist, daß seit dem zweiten Weltkrieg kein von der Bundesrepublik unterzeichneter Vertrag auf das Weltrechtsprinzip Bezug nimmt. 215 BGHSt 34, 334 (339); E . Dreher, JZ 1953, 421 (423); J. Herrmann, Die Anwendung des politischen Strafrechts auf Deutsche im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, S. 93; P. Ku~ nig, JuS 1978, 594 (595); D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 122; F.C. Schroeder, GA 1968, 353 (355); ders., NJW 1969, 81 (82); E. Samson, in: Systematischer Kommentar zum StGB, Vor § 3 Rn. 5.; G. Dahm, Völkerrecht, S. 257 ff.; ders., Zur Problematik des Völkerstrafrechts, S. 28 f.; K. Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 38 Rn. 6; A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, § 1183 f. 216 H. Tröndle, in: Leipziger Kommentar zum StGB, Vor § 3 Rn. 6; E. Dreher/H. Tröndle, StGB, § 5 Rn. 1. 217

So: D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 544; Κ . Ipsen, in: ders., Völker-

150

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

nicht zur Anwendung. In Abgrenzung zum aktiven Personalitätsprinzip ist diese Beschränkung auch schlüssig, denn bei Angriffen auf Staatsgüter durch Staatsangehörige im Ausland liegt das Schwergewicht des Schutzes nicht auf dem Gut, sondern vielmehr auf der Treueverpflichtung 2 1 8 des Staatsangehörigen gegenüber seinem Heimatstaat, dessen Güter nicht zu verletzen oder zu gefährden. Dem Schutzprinzip ist ein Straftatbestand vielmehr erst dann zuzuordnen, wenn Ausländer und Inländer unterschiedslos benannt sind, da dann der Nachdruck auf dem Schutzgut liegt 2 1 9 . Erstreckt man gleichwohl das Schutzprinzip auch auf eigene Staatsangehörige, wofür die durch eine entsprechende Pönalisierung zum Ausdruck kommende besondere Schutzbedürftigkeit gewisser Rechtsgüter des Staates angeführt wird 2 2 0 , stellt sich die Frage, ob das von § 21 KWKG zu schützende Rechtsgut überhaupt vom Schutzprinzip erfaßt werden kann. Das Schutzprinzip ist abgesehen von dem hier nicht in Betracht kommenden Schutz bestimmter Individualgüter 2 2 1 nur auf die Fälle beschränkt, in denen der Staat Strafnormen zum Schutz der eigenen Existenz, seiner verfassungsmäßigen Ordnung oder eigenen Institutionen aufstellt 2 2 2 . Denn im Gegensatz zu der allumfassenden und u.a. auch im Strafrecht zum Ausdruck kommenden Ordnungsfunktion eines Staates für Ereignisse im Inland weicht diese beim Schutzprinzip einer an den elementaren Sicherungsfunktionen des Staates ausgerichteten Betrachtungsweise, die allein auf den Selbstschutz des Staates gerichtet ist 2 2 3 . Das KWKG ist nach seiner amtlichen Bezeichnung das recht, § 38 Rn. 6; H.-H. Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1988, S. 151 f.; A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, § 1184; H. Tröndle, in: Leipziger Kommentar zum StGB, Vor § 3 Rn. 7; M. Lemke, in: Alternativkommentar zum StGB, vor § 3 Rn. 9. 218 H. Tröndle, in: Leipziger Kommentar zum StGB, Vor § 3 Rn. 10; K. Lackner, StGB, Vor §§ 3-7 Anm. 2; vgl. ferner//. Schröder, JZ 1968, 241 (m.w.N. auf ältere Literatur); D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 544, 750. Im gleichen Sinne sprechen von Gehorsam: z.B. G. Jakobs, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 5. Abschnitt Rn. 8 (S. 110 f.); E.-W Böckenförde, in: Festgabe für C. Schmitt, 2. Teilband, S. 423 (434). 219

D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 544, 750.

220 Ygj ψ Zieher, Das sog. Internationale Strafrecht nach der Reform, S. 78. 221

Sog. 'Individualschutzprinzip

f

in § 5 Nr. 6-8 und § 7 Abs. 1 StGB.

222

Sog. 'Staatsschutzprinzip\ vgl. G. Dahm, Zur Problematik des Völkerstrafrechts, S. 28; E. Dreher IH. Tröndle, StGB, § 5 Rn. 1; A. Eser, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem §§ 3-7 Rn. 7, § 5 Rn. 1; O.A. Germann, SchwZStR 69 (1954), 237 (238, 245); K. Lackner, StGB, Vor §§ 3-7 Anm. 2.; H. Mayer, JZ 1952, 609 (611); H. Roggemann, Strafanwendung und Rechtshilfe zwischen beiden deutschen Staaten, S. 41; H. Tröndle, in: Leipziger Kommentar zum StGB, Vor § 3 Rn. 7, § 5 Rn. 1; W. Zieher, Das sog. Internationale Strafrecht nach der Reform, S. 78 f. 223

A. Eser, in: A. Schönke/H. Schröder, Vorbem §§ 3-7 Rn. 7; W. Zieher, Das

151

I. Das Herstellen

'Ausführungsgesetz zu Art. 26 Abs. 2 des Grundgesetzes'

224

. Schutzgut des

Art. 26 Abs. 2 G G , der einen Spezialfall des Verbots des Angriffskrieges in 225

Art. 26 Abs. 1 G G regelt der Völker

226

, ist der Schutz des friedlichen Zusammenlebens

und wohl auch der Schutz des Ansehens der Bundesrepublik

Deutschland im Ausland

227

. Dies sind aber keine, wie für das Schutzprinzip

erforderlich, spezifisch inländischen Rechtsgüter zum Selbstschutz des Staates 2 2 8 . Der auch in dem Verbot der Mitwirkung Deutscher an der ungehinderten Ausbreitung von ABC-Waffen liegende Beitrag zur eigenen Sicherheit der Bundesrepublik kann ebenfalls nicht als Schutzgut in diesem Sinne herangezogen werden

229

gung des § 2 1 K W K G setzesmaterialien

231

. Dieser Aspekt ist allenfalls ein Reflex der Einfü-

230

. Ani aß für die Einfügung war ausweislich der Ge-

nämlich ausschließlich die Beteiligung Deutscher am Bau

von Chemiewaffenanlagen in Libyen

232

und im Irak

republik internationale Kritik erfahren hatte

234

233

, für die die Bundes-

.

sog. Internationale Strafrecht nach der Reform, S. 78; Th. Vogler, in: Festschrift für H. Grützner, 1970, 149 (155); E. Dreher/H. Tröndle, StGB, § 5 Rn. 1; H. Roggemann, Strafanwendung und Rechtshilfe zwischen beiden deutschen Staaten, S. 41. 224

Vgl. BGBl. 19611, S. 444.

225

S.o. S. 38 (Fn. 44 f.).

226

BVerfG, Beschluß vom 12.2.1979 - 1 BvR 840/78 -, S. 2 (nicht veröffentlicht); BT-Drs. 3/1589, S. 12, 17 f.; 3/2433, S. 1; BayObLG, NJW 1971, 1375 (1376); J. Brauer, Die strafrechtliche Behandlung genehmigungsfähigen, aber nicht genehmigten Verhaltens, 1988, S. 118 f.; F.v. Burchard, Das Umgehungsgeschäft beim Waffenexport in Drittländer aus strafrechtlicher Sicht, S. 6, 141; R. Hinze, Waffenrecht, § 1 KWKG, Anm. 1 f.; G. Potrykus, KWKG, Einl. Anm. 5; K. Pottmeyer, NStZ 1992, 57 (59). 227 BVerfG, Beschluß vom 12.2.1979 - 1 BvR 840/78 -, S. 2 (nicht veröffentlicht); Sten.Prot. 8/81 vom 16.3.1978, S. 6433 f.; D. Holthausen, NJW 1992, 214 (215); K. Pottmeyer, KWKG, §§ 19-22 Rn. 23; ders., NStZ 1992, 57 (59). Das weitere Schutzgut des KWKG, der Schutz der inneren Sicherheit, kommt in diesem Zusammenhang nicht in Betracht (a.A. wohl D. Holthausen, NJW 1992, 214 [215], wenn er hinsichtlich der B-Waffen von einer terroristischen Bedrohung über Kontinente hinweg spricht), vgl. auch BT-Drs. 11/4609, S. 6 f. 228 So zutreffend G. Stratenwerth bei der Sachverständigenanhörung zu dem Gesetzentwurf, Sten.Prot. der 56. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft vom 23.10. 1989, S. 149 f.; K. Pottmeyer, KWKG, §§ 19-22 Rn. 23 229

So aber D. Holthausen, NJW 1992, 214 (215).

230

Ebenso: K. Pottmeyer,

231

BT-Drs. 11/4609, S. 6 f.

232

Vgl. hierzu: BT-Drs. 11/3995.

233

Vgl. hierzu: BT-Drs. 12/487.

234

KWKG, §§ 19-22 Rn. 23; ders., NStZ 1992, 57 (59).

V. Epping, RIW 1991, 461 (462); andeutungsweise auch D. Holthausen, NJW 1992, 214 (215).

152

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

Mithin wird die Regelung des § 21 KWKG nicht vom Schutzprinzip gedeckt. (c) Das aktive Personalitätsprinzip Die völkerrechtlich geforderte Verknüpfung zwischen dem normierenden Staat und dem normierten Auslandssachverhalt ergibt sich beim aktiven Personalitätsprinzip aus der Personenbezogenheit, die darin zum Ausdruck kommt, daß der Staat die Auslandstaten seiner Staatsangehörigen ahndet 2 3 5 . Das aktive Personalitätsprinzip stellt als Anknüpfungspunkt für die Erstrekkung der staatlichen Strafgewalt somit auf die Staatsangehörigkeit ab und wird daher auch als Staatsangehörigkeitsgrundsatz bezeichnet 2 3 6 . Die Staatsangehörigkeit ihrerseits ist ein rechtliches Band, das auf einer tatsächlichen sozialen Bindung gründet, räumlich unbeschränkt ist und aus der sich bestimmte Rechte und Pflichten gegenüber dem Staat ergeben 2 3 7 . Die Staatsangehörigkeit stellt also eine auf eine Gegenseitigkeitserwartung beruhende Rechte- und Pflichtenbeziehung zwischen dem Staatsangehörigen und seinem Heimatstaat her 2 3 8 , die schon daraus folgt, daß der Staat in erster Linie ein Personalverband ist und insofern auf einer 'persönlichen' Grundlage basiert, als er ein Treueverhältnis zwischen dem Staat und seinem Staatsvolk voraussetzt 2 3 9 . Dementsprechend wird die Erstreckung des Heimatrechts auf die Auslandstat des Staatsangehörigen schon seit dem Mittelalter mit der Treue des Staatsbürgers zum Gesetz seines Heimatstaates auch im Ausland begründet, die ihr Gegenstück in dem Recht des Heimatstaates findet, seine Staatsbürger im und gegen den Aufenthaltsstaat zu schützen (sog. diplomatischer Schutz) 2 4 0 . 235 236

K. Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 38 Rn. 6.

BT-Drs. 4/650, S. 105; H. Tröndle, § 3 Rn. 9.

in: Leipziger Kommentar zum StGB, Vor

237 ICJ Rep. 1955, S. 4 (23: "According to the practice of States, to arbitral and judical decisions and to the opinions of writers, nationality is a legal bond having as its basis a social fact of attachment, a genuine connection of existence, interests and sentiments, together with the existence of reciprocal rights and duties." ['NottebohmFall']); vgl. nur Λ. Randelzhof er, in: EPIL, Band 8 (1985), 416 (417); Ch. Gloria , in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 24 Rn. 3; R. Gr awert, in: Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 14 Rn. 33. 238

Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 24 Rn. 3.

239

A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, § 389, § 1191; Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 24 Rn. 1. 240 Vgl. nur A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, § 1226 (Fn. 5 m.w.N.); Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 24 Rn. 32 ff.; ders., Das steuerliche Verständigungsverfahren und das Recht auf diplomatischen Schutz, S. 106 ff.;

I. Das Herstellen

153

In Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit wird die Begründung des aktiven Personalitätsprinzips daher nach überkommener Auffassung in der Treuepflicht des Bürgers zu seinem Staat gesehen

241

.

Unter Hinweis auf die deutschen Tatbestände des Hoch- und Landesverrats, die für In- und Ausländer in gleicher Weise Geltung beanspruchen, wird demgegenüber eine diesbezügliche Legitimation des aktiven Personalitätsprinzips verneint, da trotz der postulierten besonderen Treuepflicht deutsche Straftäter nicht härter bestraft würden

242

. Auch folge aus dem geringen di-

plomatischen Schutz, den der Staat seinen Bürgern im Ausland zukommen läßt, als Äquivalent keine so weitreichende Treuepflicht des Bürgers zu den eigenen Strafgesetzen im Ausland

243

. Als Begründung für die Zulässigkeit

des aktiven Personalitätsprinzips wird nicht die Treuepflicht des Bürgers zu seinem Staat, sondern die internationale Solidarität bei der Verbrechensbekämpfung herangezogen

244

. Dies hat zur Konsequenz, daß der Staatsangehö-

K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, § 8 I. 4. (S. 257 ff. m.w.N.); W. Graf Vitzthum, in: Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 16 Rn. 5; H. Vogt, Die Geltung von Gesetzen über das Staatsgebiet hinaus, S. 43; siehe auch BVerfGE 36, 1 (30); vgl. auch D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 730 (Fn. 2 m.w.N.), der jedoch i.E. a.A. ist. 241 H. Tröndle, in: Leipziger Kommentar zum StGB, Vor § 3 Rn. 10; K. Lackner, StGB, Vor §§ 3-7 Anm. 2; M. Lemke, in: Alternativkommentar zum StGB, vor § 3 Rn. 8; V. Krey, JR 1980, 45 (47 f.); V. Epping, RIW 1991, 461 (467); vgl. ferner die umfangreichen Nachweise auf ältere Literatur bei H. Schröder, JZ 1968, 241; vgl. auch D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 750; so z.B. auch schon J. Kohler, Internationales Strafrecht, S. 89 f., 101. Im Staats- und völkerrechtlichen Schrifttum wird maßgeblich auf das Treueband bzw. die Treueverpflichtung gegenüber dem Heimatstaat abgestellt, vgl.: Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 24 Rn. 1; I. Brownlie, Principles of Public International Law, S. 303 (m.w.N. in Fn. 28); I. SeidlHohenveldern, in: H. Neuhold/W. Hummer/Ch. Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Band 1, Rn. 704, 631; D. Oehler, in: I. Seidl-Hohenveldern, Lexikon des Rechts - Völkerrecht, S. 234; A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, § 389; K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I, § 8 I. 4. (S. 257); W. Graf Vitzthum, in: Handbuch des Staatsrechts, Band I, § 16 Rn. 5; vgl. auch R. Grawert, Staat und Staatsangehörigkeit, § 19. Im gleichen Sinne sprechen von Gehorsam: z.B. G. Jakobs, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 5. Abschnitt Rn. 8 (S. 110 f.); E.-W. Böckenförde, in: Festgabe für C. Schmitt, 2. Teilband, S. 423 (434). 242 D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 139, 729 ff. (D. Oehler stellt auf die internationale Solidarität ab und sieht in der Erstreckung der inländischen Strafgewalt auf Auslandstaten eine Sonderpflicht, die der Staat seinen Staatsbürgern auferlegt [Rn. 794]); ders., in: Festschrift für Grützner, S. 110 (122 f.); ders., in: Festschrift für Mezger, S. 83 (97); ders., in: I. Seidl-Hohenveldern, Lexikon des Rechts, Völkerrecht, S. 234; ebenso z.B.: A. Eser, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 3 Rn. 2; H. Schröder, JZ 1968, 241 f.; K. Pottmeyer, NStZ 1992, 57 (60) 243 244

Ebd.

D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 139, 734, 736, 741; ders., in: Festschrift für H. Grützner, S. 110 (123); ders., in: I. Seidl-Hohenveldern, Lexikon des

154

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

rige in seinem Heimatstaat für eine Auslandstat bestraft wird, derer er sich zwar im Ausland nach dem dortigen Recht (lex loci) schuldig gemacht hat, für die er im Ausland aber nicht abgeurteilt worden ist (sog. eingeschränktes aktives Personalitätsprinzip) 2 4 5 . Bei der Begründung des aktiven Personalitätsprinzips mit der Solidarität der Staaten ist somit die Strafbarkeit begriffsnotwendig von einer identischen Strafnorm am Tatort abhängig 2 4 6 , was vorliegend nicht der Fall ist, da nach § 21 KWKG eben unabhängig vom Recht des Tatorts bestraft wird. Dieser Auffassung folgend, müßte die völkerrechtlich erforderliche echte Verknüpfung zwischen dem normierenden Staat und dem von ihm normierten Auslandssachverhalt mit der Folge verneint werden, daß § 21 KWKG gegen das Völkerrecht verstoßen würde 2 4 7 . (aa) Die Konzeption des deutschen Strafrechts Der letztgenannten Auffassung ist zuzugeben, daß in diesem Sinne das geltende deutsche Strafrecht konzipiert ist. Nach der Entwurfsbegründung ( Έ 1962') sollten "Auslandstaten, für die das deutsche Strafrecht ausnahmsweise gelten solle", im StGB "tatbestandlich bestimmt und abschließend geregelt" sein und nur Fälle betreffen, "in denen ein unabweisbares Bedürfnis für den Schutz des eigenen Staates ... besteht oder in denen übergeordnete gemeinsame Belange der Völkerrechtsgemeinschaft diesen Schutz erfordern" 2 4 8 .

In ausdrücklicher Abkehr von dem vom nationalsozialistischen Gesetzgeber 1940 eingeführten 2 4 9 und bis 1974 in der Bundesrepublik geltenden aktiven Personalitätsprinzip geht das StGB vom Territorialitätsprinzip aus (§ 3 StGB).

Rechts - Völkerrecht, S. 234 (235); Th. Vogler, in: Festschrift für R. Maurach, S. 595 (604); R. Maurach/H. Zipf, Strafrecht, Allgemeiner Teil, Teilband 1, S. 136; Η Η. Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1988, § 18 II. 3. (S. 151); H. Schröder, JZ 1968, 241 ff.; A. Eser, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, Vorbem §§ 3-7 Rn. 11; § 3 Rn. 1 f. 245 So deutlich D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 139-142, 734, 736, 741; ders., in: Festschrift für Grützner, S. 110 (123); H. Mayer, JZ 1952, 609 (610); Κ . Pottmeyer, NStZ 1992, 57 (60); H. Schorn, JR 1964, 205 (206). 246 D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 139-142, 734, 736, 741; ders., in: Festschrift für Grützner, S. 110 (123); K. Pottmeyer, NStZ 1992, 57 (60). 247 So: K. Pottmeyer, NStZ 1992, 57 (60); ders., KWKG, §§ 19-22 Rn. 22; H. Mayer, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1953, S. 91 f.; ders., Strafrecht, Allgemeiner Teil, 1967, S. 40; ders., JR 1952, 609 f.; H. Schorn, JR 1964, 205 (206); H. Vogt, Die Geltung von Gesetzen über das Staatsgebiet hinaus, S. 53 f. 248

BT-Drs. 4/650, S. 150.

249

Durch Verordnung vom 6.5.1940 (RGBl. I, 754).

I. Das Herstellen

155

Die Abkehr vom aktiven Personalitätsprinzip lag - so die Entwurfsbegründung - auch im Zuge der Rechtsentwicklung, da das gegenwärtige Verhältnis der Kulturstaaten die weltweite Erstreckung des Strafanspruchs fragwürdig mache 2 5 0 . Damit wurde zugleich der Tatsache Rechnung getragen, daß infolge grenzüberschreitender Mobilität der Bevölkerung Loyalitätskonflikte zwischen Heimat- und Gastlandrecht sehr viel häufiger auftreten können 2 5 1 . Mit Rücksicht darauf sollte es einem deutschen Staatsangehörigen, der sich im Ausland aufhält und dort seinen Wohnsitz hat, unbenommen bleiben, nach der Rechtsordnung des Gastlandes zu leben 2 5 2 . In diesem Sinne ist auch die Stellungnahme des Staatssekretärs v. Würzen (BMWi) bei der Sachverständigenanhörung zu dem Gesetzentwurf betreffend die Einfügung des § 21 KWKG 2 5 3 zu sehen: "Ich sehe natürlich auch die Randbezirke, die hier erwähnt worden sind, mit jemandem, der seit 10, 15 Jahren seine Lebensgrundlage nicht mehr hier hat. Wir haben diese Randbezirke gesehen. Bloß, wir haben angesichts der Vielzahl der Fälle, ich darf ehrlich sagen: nichts Praktikables zur Abgrenzung gefunden." 2 5 4

In der Tat stellt sich die Frage, ob der Staatsangehörige seinem Staat auch dann noch Treue im oben erörterten Sinne schuldet, wenn er seinen Lebensmittelpunkt ständig und seit einem langen Zeitraum in einem anderen Staat hat, eine von ihm gegebenenfalls sogar begehrte Einbürgerung dort aber nicht möglich ist. Auf diesem Hintergrund ist die Regelung des § 21 KWKG entweder als Rückschritt oder aber als Folge der Erkenntnis des Gesetzgebers zu sehen, daß das gegenwärtige Verhältnis der Kulturstaaten nicht dem in der Entwurfsbegründung ( Έ 1962') beschriebenen entspricht 2 5 5 . 250

BT-Drs. 4/650, S. 150.

25 1

A. Eser, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 3 Rn. 2.

252

BT-Drs. 4/650, S. 150; so auch die Forderung von E. Rosswog, Das Problem der Vereinbarkeit des aktiven und passiven Personalgrundsatzes mit dem Völkerrecht, S. 173. 253

BT-Drs. 11/4609.

254

Sten.Prot. der 56. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft vom 23.10.1989, S.

151. 255 Darüber hinaus hat der Gesetzgeber auch - wenngleich vereinzelt - im Nebenstrafrecht auf das aktive Personalitätsprinzip zurückgegriffen: §§ 370 Abs. 6 S. 2; 374 Abs. 2 S. 2 Abgabenordnung (AO); § 148 Abs. 1 Bundesberggesetz (BBergG) vom 13.8.1980 (BGBl. I, S. 130), zuletzt geändert am 12.2.1990 (BGBl. I, S. 215); § 18 des Gesetzes über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe (Flaggenrechtsgesetz) vom 8.2.1951 (BGBl. I, S. 79), zuletzt geändert am 12.3.1989 (BGBl. I, S. 550); § 35 des Gesetzes zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisation (MOG) vom 31.8.1972 (BGBl. I, S. 1617), i.d.F. vom 27.8.1986 (BGBl. I, S. 1397), zuletzt geändert am 29.9.1989 (BGBl. I, S. 1742); § 131a Seemannsgesetz vom 26.7.1957 (BGBl. II, S. 713; BGBl. III, 9513-1), zuletzt geändert am 23.9.1990 (BGBl. II, S. 885); Art. 3 des Gesetzes zu dem Europäischen Über-

156

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

Am Beispiel Deutschlands zeigt sich auch, wie problematisch aus rechtshistorischer Sicht das Zurückgreifen auf das aktive Personalitätsprinzip ist. Hinter der erstmaligen Einführung des unbeschränkten aktiven Personalitätsprinzips in das deutsche Strafrecht stand nämlich eine nationalsozialistische Motivation. Zwar ist die Feststellung des BGH durchaus zutreffend, daß das 1940 eingeführte aktive Personalitätsprinzip kein spezifisch nationalsozialistisches Gedankengut ist 2 5 6 . Hingegen verdeckt, wie H.-H. Jescheck ausführt, die zweite Sentenz der Feststellung des BGH, daß das aktive Personalitätsprinzip "zwar nationalsozialistischen Lehren entgegengekommen" sei, die "volle Wahrheit" 2 5 7 . Unter Verweis auf "wahre Spitzenleistungen gesinnungsstarker Konstruktionsjurisprudenz" 2 5 8 in drei Entscheidungen des Reichsgerichts hinsichtlich der Strafbarkeit auch im Ausland begangener Rassenschande habe der nationalsozialistische Gesetzgeber 1940 den "Ruf des Großen Senats" zum Schutz der Belange des deutschen Volkes erhört. Dies hatte die 'Perversion1 zur Konsequenz, "daß der jüdische Mitbürger seine eigene von Staats wegen durchgeführte Entehrung und Entrechtung auch im freien Ausland zu respektieren" 2 5 9

hatte. Das aktive Personalitätsprinzip war 1940 also ausschließlich zum Zwecke der Durchsetzung ideologischer, machtpolitischer und rassistischer Ziele des Nationalsozialismus eingeführt worden 2 6 ° . Allein auf diesem Hintergrund war die Rückkehr zum bis 1940 in Deutschland geltenden Territorialitätsprinzip 1974 angezeigt 2 6 1 . Damit wird zugleich die im Hinblick auf einkommen vom 22.1.1965 zur Verhütung von Rundfunksendungen, die von Sendestellen außerhalb der staatlichen Hoheitsgebiete gesendet werden vom 26.9.1969 (BGBl. II, S. 1939; BGBl. III, 9022-7), zuletzt geändert am 2.3.1974 (BGBl. I, S. 469). 256

BGH NJW 1951, 769.

257

Niederschriften über die Sitzungen der Großen Strafrechtskommission, 4. Band 1958, S. 12. 258

Ebd.

259

Ebd.

260

So zum Ganzen: H-H. Jescheck, ebd.; ebenso E. Rosswog, Das Problem der Vereinbarkeit des aktiven und passiven Personalgrundsatzes mit dem Völkerrecht, S. 26, der in Fn. 19 auf entsprechende nationalsozialistische juristische Literatur verweist; auch Η Vogt, Die Geltung von Gesetzen über das Staatsgebiet hinaus, S. 54. 261 Auch das deutsche Strafrecht greift noch in § 5 Nr. 8, 9 und § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB auf das aktive Personalitätsprinzip zurück. Während hinsichtlich § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB eine lex loci verlangt wird, also das eingeschränkte aktive Personalitätsprinzip gilt, knüpfen § 5 Nr. 8 und 9 StGB an das uneingeschränkte aktive Personalitätsprinzip an (A. Eser, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 5 Rn. 1: "jedenfalls in Nr. 9 und 12, wohl aber auch Nr. 8 (Lackner 1) und Nr. 12, 13 (Tröndle LK 1)"; Η Tröndle, in: Leipziger Kommentar zum StGB, § 5 Rn. 4, 13-18; W. Zieher, Das sog. Internationale Strafrecht nach der Reform, S. 134 ff.). Dabei ist jedoch zu beachten,

I. Das Herstellen

157

diesen Aspekt bestehende rechtshistorische Problematik der Regelung des § 2 1 K W K G beleuchtet

262

, wie sie im strafrechtlichen Schrifttum dadurch

zum Ausdruck gebracht wird, daß betont wird, daß das uneingeschränkte aktive Personalitätsprinzip als Anknüpfungspunkt autoritärem Staatsdenken entgegenkommt

263

.

(bb) Völkergewohnheitsrecht? Wenngleich eine Vielzahl von Staaten die Strafbarkeit von Auslandstaten ihrer Staatsangehörigen von einem lex loci abhängig machen 2 6 4 , gilt dennoch in einer nicht unbeträchtlichen Anzahl auch westeuropäischer Staaten 2 6 5 das

daß der Gesetzgeber neben der Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit zusätzlich eine "persönliche Beziehung" (H.-H. Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1988, § 18 III 3 [S. 155]) dergestalt verlangt, daß der Täter seine Lebensgrundlage im räumlichen Geltungsbereich des Strafgesetzes haben muß (A. Eser, in: A. Schönke/H. Schröder, § 5 Rn. 9 m.w.N., 14, 17). H.-H.Jescheck spricht daher insofern von einem "intensivierten Personalitätsprinzip" (Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1988, § 18 III 3 [S. 155]). Eine solche persönliche Beziehung weist § 21 KWKG nicht auf. Er verlangt lediglich, daß der Täter Deutscher und Inhaber eines Personaldokuments der Bundesrepublik Deutschland ist (§ 21 Nr. 1 KWKG) oder gem. § 21 Nr. 2 KWKG verpflichtet wäre, einen Personalausweis zu besitzen, falls er eine Wohnung im Geltungsbereich dieser Vorschrift hätte (Diese Verpflichtung ergibt sich aus § 1 Abs. 1 Personalausweisgesetz, wonach Deutsche, die das 16. Lebensjahr vollendet haben und nach den Vorschriften der Landesmeldegesetze der allgemeinen Meldepflicht unterliegen, verpflichtet sind, einen Personalausweis zu besitzen. Der allgemeinen Meldepflicht wiederum unterliegt z.B. nach § 1 Abs. 1 Meldegesetz NW derjenige, der im Bundesgebiet eine Wohnung bezogen hat). Da nach § 21 Nr. 2, 2. HS KWKG nicht einmal verlangt wird, daß der Deutsche tatsächlich überhaupt einen Wohnsitz in der Bundesrepublik hat ("falls ... hätte"), gilt § 21 KWKG also unabhängig davon, ob der Deutsche seinen ständigen Wohnsitz in der Bundesrepublik oder im Ausland hat, für jeden Deutschen, der das 16. Lebensjahr vollendet hat. § 21 KWKG geht also über das bisher geltende Strafrecht, das in § 5 StGB noch an das zusätzliche persönliche Element der Lebensgrundlage anknüpfte, hinaus. 262 Vgl. die oben (S. 156) zitierte Stellungnahme des Staatssekretärs v. Würzen (BMWi), Sten.Prot. der 56. Sitzung des Ausschusses für Wirtschaft vom 23.10.1989, S. 151. 263 Z.B. H. Tröndle, in: Leipziger Kommentar zum StGB, Vor § 3 Rn. 10; H.-H. Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1988, § 8 II 3 (S. 151); andeutungsweise auch G. Jakobs, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 5. Abschn. Rn. 6 (S. 110). 26 4 265

D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 710 ff.

Darauf weist ausdrücklich!). Holthausen, NJW 1992, 214 (215 f., insbes. Fn. 20) u.a. auch unter Bezugnahme auf das "äußerst weitgreifende Rechtssystem der USA" hin (ebenso in NStZ 1992, 268 [269]). Vgl. die Aufstellung der europäischen Staaten bei D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 708; Rn. 753 ff. (Großbritannien); USA: Rn. 758.

158

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

uneingeschränkte aktive Personalitätsprinzip 2 6 6 , weshalb für die Voraussetzung des lex loci ein diesbezüglicher Nachweis weder von Völkergewohnheitsrecht, das nach Art. 38 Abs. 1 lit. b IGH-Statut 2 6 7 als Ausdruck einer allgemeinen, als Recht anerkannten Übung definiert wird, noch eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes, der von allen oder zumindest den meisten Staaten anerkannt sein muß 2 6 8 , geführt werden kann 2 6 9 . Daß selbst das uneingeschränkte aktive Personalitätsprinzip keinen Verstoß gegen die beiden vorgenannten Prinzipien des Völkerrechts darstellt, folgt schon daraus, daß sich der Heimatstaat jeglicher Ausübung seiner Hoheitsgewalt auf fremdem Boden enthält. Insofern ist klar zu differenzieren zwischen der völkerrechtlich nicht zulässigen Ausübung der Strafgewalt auf fremdem Territorium und ihrer völkerrechtlich zulässigen Ausübung im eigenen Territorium unter Anknüpfung an Vorgänge, die sich im Ausland abgespielt haben. Wenn der Heimatstaat also Straftaten seiner eigenen Staatsangehörigen, die diese im Ausland begangen haben, bestraft, so wird nicht eine 'stellvertretende Strafrechtspflege' für das Ausland betätigt, sondern die eigene Rechtsordnung im eigenen Territorium zur Geltung gebracht 2 7 0 . Schon deshalb ist es nicht erforderlich, daß sich ein Völkergewohnheitsrecht im Sinne einer allgemeinen Rechtsüberzeugung gebildet hat, das das ak266 Übersicht bei: D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 707 ff.; darauf verweisen auch D. Holthausen, NJW 1992, 214 (215) und NStZ 1992, 268 f. sowie K. Pottmeyer, NStZ 1992, 57 (60). 267

BGBl. 1973 II, S. 505.

268 vgl ψ Heintschel v. Heinegg, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 17. 269 E. Rosswog weist daher zutreffend darauf hin, daß das lex loci auch kein allgemeiner Rechtsgrundsatz i.S. von Art. 38 Abs. 1 lit. c IGH-Statut ist (Das Problem der Vereinbarkeit des aktiven und passiven Personalgrundsatzes mit dem Völkerrecht, S. 149 - 158). Wenn W. Glatzel in dem Prinzip der identischen Norm ein allgemein anerkanntes Prinzip sieht, was sich im wesentlichen aus der Normidentität nationaler Auslieferungsregeglungen und zwischenstaatlicher Auslieferungsverträge ergebe (Völkerrechtliche Grenzen für den Anwendungsbereich des staatlichen Strafgesetzes, S. 147 ff.), so übersieht er, daß es sich bei dem aktiven Personalitätsprinzip nicht um die Rechtshilfe bei der Verwirklichung eines fremden Strafanspruchs, sondern um die Inanspruchnahme eines eigenen Strafanspruchs handelt (so deutlich E. Rosswog, Das Problem der Vereinbarkeit des aktiven und passiven Personalgrundsatzes mit dem Völkerrecht, S. 153). 270 So schon G. Dahm, Zur Problematik des Völkerstrafrechts, S. 25; A. Schönke, in: Festschrift für E. Mezger, 1954, S. 105 (110 f.); O.A. Germann, SchwZStR 69 (1954), 237 (238); D. Oehler, in: Festschrift für E. Mezger, 1954, S. 83 (95 f.); E. Rosswog, Das Problem der Vereinbarkeit des aktiven und passiven Personalgrundsatzes mit dem Völkerrecht, S. 101; E. Dreher, JZ 1953, 421 (423); vgl. auch K. Herndl, in: Wörterbuch des Völkerrechts, 2. Band, S. 431 (433); a.A. K. Pottmeyer, KWKG, §§ 19-22 Rn. 22.

I. Das Herstellen

159

tive Personalitätsprinzip in seiner unbeschränkten Form zuläßt 2 7 1 . Diese Forderung würde überdies zu einem überwundenen Völkerrechtsverständnis zurückführen, wonach das Völkerrecht die grenzüberschreitende Hoheitsausübung der Staaten im Sinne einer Kompetenzverleihung autorisiere 2 7 2 , die Hoheitsausübung mit Auslandswirkung also einer ausdrücklichen völkerrechtlichen Ermächtigung bedürfe. Diesem Völkerrechtsverständnis ist entgegenzuhalten, daß nur die Staaten aufgrund ihrer im Grundsatz universellen Kompetenz 2 7 3 vertraglich oder gewohnheitsrechtlich Völkerrecht erzeugen können. Denn die Völkerrechtsordnung ist nach ihrer Struktur eine Gemeinschaft unabhängiger Staaten, die zwar zum einen an das Völkerrecht gebunden sind, zum anderen aber es auch erzeugen. Wo nichts geregelt ist, bleiben sie grundsätzlich frei 2 7 4 , wobei angesichts der zunehmenden "Verdichtung des Netzes allgemeiner Grundsätze des Völkerrechts" heutzutage kaum noch ein Gebiet vorstellbar ist, "in dem noch eine uneingeschränkte Vermutung zugunsten der Freiheit der Staaten bestehen könnte" 2 7 5 . Gleichwohl delegiert das Völkerrecht nicht die staatliche Hoheitsausübung, sondern begrenzt diese nur, wie der StIGH ebenfalls im 'Lotus-Fall' zutreffend festgestellt hat: "Far from laying down a general prohibition to the effect that States may not extend the application of their laws and the jurisdiction of their courts to persons, property and acts outside their territory, it (international law) 2 7 6 leaves them in this respect a wide measure of discretion which is only limited in certain cases by

271

So aber: Κ Pottmeyer,

NStZ 1992, 57 (60).

272

So noch: H.W. Verzijl, NTIR, Band V I I I (1961), 3 ff.; G. Jaenicke, in: The International Law Association, Report of the Fifty-First Conference, Tokyo (1964), 304 (318 ff.); ebenso die dissenting opinions von vier der sechs unterlegenen Richter Loder, Weiss, Finlay und Nyholm im Lotus Fall, PCIJ Ser. Α., No. 10 (1927), 18 (34 f.; 42 [49]; 52; 60 [63]); instruktiv zu diesem Streit: E. Rosswog, Das Problem der Vereinbarkeit des aktiven und passiven Personalgrundsatzes mit dem Völkerrecht, S. 35 ff. m.w.N., 103 ff. m.w.N.; K.M. Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartellrechts, S. 74 ff. m.w.N.; W. Meng, ZaöRV 44 (1984), 675 (737 ff. m.w.N.), der ausdrücklich hervorhebt, daß Konsens darüber besteht, daß die Staaten durch das Völkerrecht beschränkt werden, eine Hoheitsausübung mit Auslandswirkung daher keiner völkerrechtlichen Ermächtigung bedarf (S. 739). 273

So deutlich J.H. Kaiser, BDGV Heft 7 (1967), 1 (12).

274

So grundsätzlich der StIGH im 'Lotus-Fall', PCÜ Ser. A, No. 10, S. 19 (s.o. S. 145 f.); W. Meng, ZaöRV 44 (1984), 675 (738). 27 5 W. Meng, ZaöRV 44 (1984), 675 (739); ähnlich auch E. Rosswog, Das Problem der Vereinbarkeit des aktiven und passiven Personalgrundsatzes mit dem Völkerrecht, S. 108. 276

Einfügung durch den Verfasser.

160

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

prohibitive rules; as regards other cases, every State remains free to adopt the principles which it regards as best and most suitable." 2 7 7

Müßten die Staaten beispielsweise zur Wahrnehmung neuartiger Zuständigkeiten die ('schwerfällige 1 2 7 8 ) Bildung eines entsprechenden Völkergewohnheitsrechts im Sinne einer Ermächtigungsnorm abwarten, so würde dies zum Auseinanderfallen von Völkerrecht und der Wirklichkeit internationaler Beziehungen führen 2 7 9 . Daher ist W. Mengs Befund, daß die grenzüberschreitende Hoheitsausübung der Staaten keiner völkerrechtlichen Ermächtigung bedarf, die Staaten vielmehr grundsätzlich frei sind und allein völkerrechtlichen Beschränkungen unterliegen 2 8 ° , zuzustimmen. Aus dem Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten folgt daher, daß ein Staat bezüglich seines Staatsvolkes die ausschließliche Kompetenz hat, den Rechtsstatus seiner natürlichen und juristischen Personen zu bestimmen 2 8 1 . Das aktive Personalitätsprinzip findet somit seine Grundlage in der jedem Staat unbestrittenermaßen zukommenden Personalhoheit, die dem Staat die rechtliche Befugnis verleiht, die ihm unterstehenden Personen einseitig kraft hoheitlicher Überlegenheit zu verpflichten und zu berechtigen. Auch wenn sich die Staatsangehörigen im Ausland aufhalten, bleiben sie der Personalhoheit ihres Heimatstaates unterworfen. Der Heimatstaat kann seine Staatsangehörigen daher dazu verpflichten, bestimmte Handlungen vorzunehmen oder zu unterlassen, die durch die Gesetze des Aufenthaltsstaates nicht verboten sind 2 8 2 . Ohne Differenzierung wird daher zumeist auch die völkerrechtliche Zulässigkeit des aktiven Personalitätsprinzips schon bejaht 2 8 3 . 277

PCD Ser. A, No. 10, S. 18 f. (s.o. S. 145 f.).

27 8

W. Meng, ZaöRV 44 (1984), 675 (740).

27 9

K.M. Meessen, Völkerrechtliche Grundsätze des internationalen Kartell rechts, S. 78; W. Meng, ebd. 28 0 W. Meng, ebd; ebenso unter ausdrücklicher Berufung auf die 'Lotus'-Entscheidung des StIGH Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 23 Rn. 95 f.; H.-J. Schlochauer, Die extraterritoriale Wirkung von Hoheitsakten nach dem öffentlichen Recht der Bundesrepublik Deutschland und nach internationalem Recht, S. 40; W. Rudolf; BDGV Heft 11 (1971), 7 (18 f.); J.K Kaiser, BDGV Heft 7 (1967), 1 (12); vgl. auch K. Vogel, Der räumliche Anwendungsbereich der Verwaltungsrechtsnorm, S. 101 ff. (m.w.N. in Fn. 70 ff.). 281

Vgl. nur Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 24 Rn. 2.

282

Vgl. hierzu insgesamt: A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, § 1225 f.; Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 24 Rn. 1 ff.; E.-W. Böckenförde, in: Festschrift für C. Schmitt, 2. Teilband, S. 423 (431); ebenso E. Rosswog, Das Problem der Vereinbarkeit des aktiven und passiven Personalgrundsatzes mit dem Völkerrecht, S. 172, 189; D. Holthausen, NStZ 1992, 268. 283 BGH, NJW 1951, 769 f.; NJW 1969, 1542 f.; E. Dreher, JZ 1953, 421 (423); O.A. Germann, SchwZStR 69 (1954), 237 (238); J. Herrmann, Die Anwendung des

I. Das Herstellen

161

Aber selbst wenn man dem überkommenen Verständnis des Völkerrechts folgt, wird man durchaus der fundierten Untersuchung von E. Rosswog zustimmen können, der schon 1965 konstatierte, daß eine allgemeine Norm des Völkergewohnheitsrechts existiere, die es den Staaten grundsätzlich erlaubt, den Geltungsbereich ihrer Strafgesetze auf strafbare Handlungen auszudehnen, die von ihren Staatsangehörigen im Ausland begangen werden 2 8 4 . Die allgemeine, als Recht anerkannte Übung ist entsprechend der allgemeingültigen und in Art. 38 Abs. 1 lit. b IGH-Statut kodifizierten Begriffsbestimmung konstitutiv für die Entstehung von Gewohnheitsrecht 2 8 5 . Eine solche Übung kann neben den nach außen gerichteten Handlungen und Erklärungen der zur Exekutive gehörenden Staatsorgane anerkanntermaßen auch aus innerstaatlichen Akten, soweit diese einen völkerrechtlichen Bezug aufweisen, abgeleitet werden 2 8 6 . Das aktive Personalitätsprinzip hat in vielen Staaten in deren innerstaatlichen Praxis seinen Niederschlag gefunden 2 8 7 , wie der Befund von D. Oehler, der dieses akribisch aufgelistet hat, nachweist 2 8 8 . Die darin zu erblikkende Übung i.S. des Art. 38 Abs. 1 lit. b des IGH-Statuts findet ihre Bestätigung im völkerrechtlichen Schrifttum 2 8 9 und den völkerrechtlichen Kodifikationsversuchen zum internationalen Strafrecht. Lediglich nach der Empfehlung der Konferenz zur Vereinheitlichung des Strafrechts in Warschau im Jahre 1927 sollte das aktive Personalitätsprinzip von einer lex loci abhängig gemacht werden (Art. 2) 2 9 0 . Die übrigen Kodifikationsversuche lassen hingepolitischen Strafrechts auf Deutsche im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, S. 93; K. Ipsen, in: ders., Völkerrecht, § 38 Rn. 6; P. Kunig y JuS 1978, 594 (595); H. Tröndle, in: Leipziger Kommentar zum StGB, Vor § 3 Rii. 9-12; E. Samson, in: Systematischer Kommentar zum StGB, Vor § 3 Rn. 4; A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, § 1183 f.; D. Holthausen, NJW 1991, 203 f.; ders., NJW 1992, 214 (215, insbes. vor 2.). 28 4

E. Rosswog, Das Problem der Vereinbarkeit des aktiven und passiven Personalgrundsatzes mit dem Völkerrecht, S. 66 f. 285

W. Heintschel v. Heinegg, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 16 Rn. 3; zum Meinungsstand: U.R. Haltern, ZVglRWiss 91 (1992), 1 (16, Fn. 83 ff.). 286

W. Heintschel v. Heinegg, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 16 Rn. 18 f.; Sh. Rosenne, Practice and Methods of International Law, S. 56; G.J.H. v. Hoof , Rethinking the Sources of International Law, S. 110; a.A. Th. Schweisfurth, ZaöRV 43 (1983), 566 ff. 287 E. Rosswog, Das Problem der Vereinbarkeit des aktiven und passiven Personalgrundsatzes mit dem Völkerrecht, S. 58 ff. 288

D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 711 ff.

289

Vgl. S. 153, Fn. 241.

290

AJIL 29 (1935), Supplement, 641 f.

11 Epping

162

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

gen keinen Zweifel an der völkerrechtlichen Vereinbarkeit des aktiven Personalitätsprinzips aufkommen, wie die Resolutionen des Institut de Droit International von 1877 (Art. 7) "Chaque Etat conserve le droit d'étendre sa loi pénale nationale à des faits commis par ses nationaux à l'étranger." 2 9 1 , von 1931 und 1950 (Art. 3) "Chaque Etat a le droit d'étendre sa loi pénale à toute infraction ou à tout acte de participation délicteuse commis par ses nationaux à l'étranger." 2 9 2 sowie der Entwurf amerikanischer Juristen aus dem Jahre 1935 (Art. 5 § a) "A state has jurisdiction with respect to any crime committed outside its territory by a natural person who was a national of that state, when the crime was committed, or who is a national of that state, when prosecuted or punished." 2 9 3 ausweisen. Diese Einhelligkeit 2 9 4 hatte schon J.L. Brierly als Berichterstatter des Völkerbundsunterausschusses für ein diesbezügliches Kodifikationsvorhaben klar zum Ausdruck gebracht, indem er schon zu Beginn seines Berichts vorgeschlagen hatte, das aktive Personalitätsprinzip als Anknüpfungspunkt überhaupt nicht zu diskutieren, da dessen Ausgestaltung und Annahme ins Belieben der einzelnen Staaten gestellt sei und die Inkorporation eines derart gesicherten Grundsatzes in ein völkerrechtliches Abkommen keinem guten Zweck zu dienen vermöge 2 9 5 .

291 H. Wehberg, 1873 - 1956, S. 374.

Institut de Droit International - Tableau Général des Résolutions

292 So die ausgedehnte Vorschrift aus dem Jahre 1931 (H. Wehberg, Institut de Droit International - Tableau Général des Résolutions 1873 - 1956, S. 377), die auf der Tagung im Jahre 1950 keine Änderung erfuhr (H. Wehberg, ebd., S. 384). 293 Draft Convention on jurisdiction with respect to crimes, AJIL 29 (1935), Supplement, S. 435 (439 f.). Nach D. Oehler (Internationales Strafrecht, Rn. 728) soll das Restatement of the Law Second, Foreign Relations Law of the US, des American Law Institute aus dem Jahre 1965 (§ 30 Abs. 1 lit. a) dem ähnlich sein. 294 Dies gilt auch für den Beschluß des Internationalen Gefängniskongresses im Jahre 1900, der das uneingeschränkte Personalitätsprinzip auf alle auslieferungsfähigen Taten angewandt wissen wollte (vgl. AJIL 29 [1935], Supplement, 639). In ähnlichem Sinne auch der Beschluß der 4. Sektion des Internationalen Kongresses für Rechtsvergleichung in Den Haag im Jahre 1932, der nur eine Erstreckung des aktiven Personalitätsprinzips auf einzelne Auslandsdelikte befürwortete (Bulletin de la Société de Legislation Comparée 61 [1931-32], S. 411 f.). 295

S. 253.

Report of the Sub-Committee, AJIL 20 (1926), Supplement, Special Numbers,

163

I. Das Herstellen

Ausdruck hat diese allgemeine Rechtsüberzeugung in einer Vielzahl von internationalen, insbesondere den europäisch bedeutsamen strafrechtlichen Übereinkommen erfahren, in denen von der völkerrechtlichen Zulässigkeit des uneingeschränkten aktiven Personalitätsprinzips ausgegangen wird

296

.

Überdies ist trotz der insofern dürftigen völkerrechtlichen Staatenpraxis bisher kein Fall eines abweichenden Verhaltens oder gar Protestes gegen das aktive Personalitätsprinzip bekanntgeworden

297

. Deshalb ist der Befund

D.

Oehler s zutreffend, wenn er ausführt, daß das aktive Personalitätsprinzip als Ausfluß der personalen Souveränität eines Staates heutzutage für Taten i m Ausland in Rechtsprechung und Literatur keinem Staat bestritten wird und überdies sehr häufig in Verträgen auftrete, weil deren Mitgliedstaaten neben der Anwendung

des Territorialitätsprinzips

zur

Bestrafung

Staatsangehörigen für die betreffenden Taten aufgerufen werden tive Personalitätsprinzip ist somit völkerrechtskonform

299

der 298

eigenen . Das ak-

.

296

Vgl. nur Art. 3 des Übereinkommens vom 10.5.1952 zur Vereinheitlichung von Regeln über die strafgerichtliche Zuständigkeit bei Schiffszusammenstößen und anderen mit der Führung eines Seeschiffes zusammenhängenden Ereignissen (BGBl. 1972 II, S. 653, 668); Art. V I I I des Antarktis-Vertrages vom 1.12.1959 (BGBl. 1978 II, S. 1517); Art. 3 lit. a des Europäischen Übereinkommens vom 22.1.1965 zur Verhütung von Rundfunksendungen, die von Sendestellen außerhalb der staatlichen Hoheitsgebiete gesendet werden (BGBl. 1969 II, S. 1939); Art. 109 der Convention on the Law of the Sea 1982 (UN, Conference on the Law of the Sea, A/Conf. 62 L. 78, 28); Art. 5 Abs. 1 lit. b des Internationalen Übereinkommens vom 18.12.1979 gegen Geiselnahme (BGBl. 1980 II, S. 1361); zu weiteren Abkommen siehe D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 720 ff.; Rn. 751. 297 E. Rosswog, Das Problem der Vereinbarkeit des aktiven und passiven Personalgrundsatzes mit dem Völkerrecht, S. 57; er weist insofern auf die die Völkergewohnheitsmäßigkeit des aktiven Personalitätsprinzips durchgängig "in gleichförmiger Weise" bejahenden Staaten Deutschland, Frankreich, Italien, USA und England hin (S. 52 ff.), geht aber selbst zutreffend davon aus, daß das gefundene Ergebnis auf einer wesentlich breiteren Basis beruhe (S. 57 Fn. 17). 298 D. Oehler, in: Festschrift für K. Carstens, 1984, 435 (439); ders., Internationales Strafrecht, Rn. 751 m.w.N. (insbes. Fn. 27 f.); ders., in: Festschrift für E. Mezger, 83 (96). 299 D. Oehler, ebd.; BGH NJW 1951, 769 f.; NJW 1969, 1542 f.; grundsätzlich und mit umfänglichen Nachweisen insbes. auf ältere Literatur und Rspr.: E. Rosswog, Das Problem der Vereinbarkeit des aktiven und passiven Personalgrundsatzes mit dem Völkerrecht, S. 51 ff. (insbes. S. 66 f.), 172, 189; G. Dohm, Zur Problematik des Völkerstrafrechts, S. 24 ff.; 7. Brownlie, Principles of Public International Law, S. 303 (m.w.N. in Fn. 28); 7. Seidl-Hohenveldern, in: H. Neuhold/W. Hummer/Ch. Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Band 1, Rn. 704, 708; M. Lemke, in: Alternativkommentar StGB, vor § 3 Rn. 8, 15; E. Dreher, JZ 1953, 421 (423); V. Epping, RIW 1991, 461 (467 f.); O.A. Germann, SchwZStR 69 (1954), 237 (238); J. Herrmann, Die Anwendung des politischen Strafrechts auf Deutsche im Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik, S. 93; D. Holthausen, NJW 1991, 203 f.; ders., NJW 1992, 214 (215); ders., NStZ 1992, 268 f.; H.-H Jescheck, Lehrbuch des Strafrechts, Allgemeiner Teil, 4. Aufl. 1988, § 18 II. 3. (S. 151 m.w.N. in Fn. 42); E. Knittel, Jura 1989, 581

164

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

(3) Ergebnis zu b) Das aktive Personalitätsprinzip stellt die völkerrechtlich erforderliche echte Verknüpfung zwischen dem normierenden Staat, der Bundesrepublik, und dem durch § 21 KWKG geregelten Auslandssachverhalt dar. § 21 KWKG steht daher mit dem Völkerrecht und somit auch mit Art. 25 GG in Einklang.

Π. Das Befördern Unter Befördern versteht man das Verbringen einer Kriegswaffe von einem Ort zu einem anderen Ort, d.h. jede Art von Transport 3 0 0 . Angesichts dieser Definition erscheint der Begriff des Beförderns auf den ersten Blick wenig erörterungsbedürftig. Gleichwohl wirft diese genehmigungspflichtige Handlung gerade auch in der Praxis eine Vielzahl von Zweifelsfragen auf: - Neben den Vorfragen, wann überhaupt ein Ortswechsel vorliegt (1.) und wer der Genehmigungspflichtige ist (2.), steht im Mittelpunkt dieses Genehmigungstatbestandes die Frage der Erfassung des äußerst sensiblen Bereichs des Kriegswaffenexports: Ist sowohl nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG als auch nach dem KWKG die Ausfuhr selbst oder nur die Beförderung zum Zwecke der Ausfuhr genehmigungspflichtig (3.) ? - Indem § 4 KWKG auch Beförderungen von Kriegswaffen mit Seeschiffen und Flugzeugen deutscher Staatszugehörigkeit außerhalb des Bundesgebietes der Genehmigungspflicht unterwirft, stellt sich überdies die völkerrechtliche Frage des zulässigen extraterritorialen Geltungsbereichs der deutschen Rechtsordnung (5.). Erst jüngst ist dieser Tatbestand auch in das Bewußtsein der breiten Öffentlichkeit getreten: Das unter deutscher Flagge fahrende Frachtschiff 'Godewind' hatte im Januar 1992 ohne die nach § 4 Abs. 1 KWKG erforderliche Genehmigung in Stettin 16 aus der CSFR kommende Panzer des

(582); P. Kunig, JuS 1978, 594 (595); E. Samson, in: Systematischer Kommentar zum StGB, Vor § 3 Rn. 4; H. Tröndle, in: Leipziger Kommentar zum StGB, Vor § 3 Rn 9-12; H.J. Schlochauer, Die extraterritoriale Wirkung von Hoheitsakten nach dem öffenüichen Recht der Bundesrepublik Deutschland und nach internationalem Recht, S. 47; A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, § 1183 f.; Th. Vogler, in: Festschrift für R. Maurach, S. 595 (597 f., 604 f.). 300

R. Hinze, Waffenrecht, § 3 KWKG Anm. 6; Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/ Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 51; K -Α. Hernekamp, in: I.v. Münch, GrundgesetzKommentar, Art. 26 Rn. 30; K. Pottmeyer, KWKG, § 3 Rn. 2, der auf den hiermit identischen Begriff der Beförderung im frachtrechtlichen Sinne verweist, vgl. hierzu A. Baumbach/K. Duden/K.J. Hopt, Handelsgesetzbuch, § 425 Anm. l.C.

II. Das Befördern

165

Typs Τ 72 eingeladen, um sie nach Syrien zu verschiffen. Nach Kontaktaufnahme der Bundesbehörden mit dem in der Nähe von Rendsburg ansässigen Eigner, einer Reederei, ordnete diese, nach Ablehnung eines nachträglich gestellten Genehmigungsantrags, die Rückkehr der sich bereits im Mittelmeer befindlichen ' Godewind ' an, die auf ihrer Rückkehr dann von einer Fregatte der Bundesmarine zur Gewährleistung einer 'sicheren Heimfahrt' begleitet wurde 3 0 1 . 2. Ortswechsel Entsprechend der eingangs genannten Definition wird zunächst jeder Ortswechsel einer Kriegswaffe vom Tatbestand des Beförderns i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG erfaßt. Die Genehmigungspflichtigkeit wird daher nicht nur durch bloßes Mitführen einer Kriegswaffe ausgelöst, sondern beispielsweise auch dann, wenn die Kriegswaffe selbst das Mittel des Ortswechsels darstellt 3 0 2 , wie z.B. der Überführungsflug eines Kampfhubschraubers. Dabei stellt sich die Frage, wann überhaupt ein nach Art. 26 Abs. 2 GG genehmigungspflichtiger Ortswechsel vorliegt. § 3 KWKG, der in Ausführung des grundgesetzlichen Genehmigungstatbestands 'Befördern' ergangen ist, stellt nicht jedwede Ortsveränderung unter einen Genehmigungsvorbehalt, sondern nur denjenigen 'außerhalb eines abgeschlossenen Geländes'. Intention des Gesetzgebers war es, im Hinblick auf die Kriegswaffen produzierenden Unternehmen nicht jeglichen Standortwechsel, d.h. denjenigen auf einem abgeschlossenen Werksgelände, unter den kriegswaffenkontrollrechtlichen Genehmigungsvorbehalt fallen zu lassen 3 0 3 . Eingedenk der Tatsache, daß sich Kriegswaffen in der Bundesrepublik grundsätzlich nicht in der Hand von Privatpersonen befinden 3 0 4 , sondern, abgesehen von der Verfügungsgewalt von Hoheitsträgern über Kriegswaffen (Bundeswehr, Polizei), Kriegswaffen sich nahezu ausschließlich bei den Pro301 Siehe FAZ vom 31.1.1992 (Überschrift: "Schiff mit Panzern an Bord im Mittelmeer gestoppt") und vom 1.2.1992 (Überschrift: "Die 'Godewind' soll freiwillig auf Heimatkurs gegangen sein - Bonn: Von der Marine wurde kein unmittelbarer Zwang ausgeübt - Genehmigungsantrag abgelehnt/Frachtschiff wird in einer Woche in deutschen Hoheitsgewässern zurückerwartet"). 302 Vgl. K. Pottmeyer, KWKG, § 3 Rn. 2 - 4 KWKG. Da bei Prototypen die Kriegswaffeneigenschaft schon besteht, ist folglich auch für Testflüge und Testfahrten eine Beförderungsgenehmigung erforderlich, so zutreffend: K. Pottmeyer, KWKG, § 3 Rn. 3; a.A. ohne nähere Begründung: K.-A. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 30.

303 B X _ D r s 3/1589, S. 15; G. Potrykus, KWKG, § 3 Rn. 5. 304

Vgl. BVerwGE 61, 24 (31).

KWKG, Anm. 2 (S. 50 f.); K. Pottmeyer,

166

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

duzenten befinden, erscheint dies auch nach Maßgabe von Sinn und Zweck des Art. 26 Abs. 2 GG sinnvoll. Denn die Produzenten benötigen zur Herstellung von Kriegswaffen bereits eine Herstellungsgenehmigung, d.h. der durch Art. 26 Abs. 2 GG intendierten umfassenden Kontrolle des Umgangs mit Kriegswaffen ist mit dieser Genehmigung bereits genügt. Denn ebenso wie die Herstellungsgenehmigung dient auch die Beförderungsgenehmigung dem Ziel, daß durch die genehmigungspflichtigen Handlungen das friedliche Zusammenleben der Völker nicht gefährdet wird. Deshalb bedarf der mit dem (genehmigten) Herstellungsvorgang notwendigerweise verbundene Standortwechsel einer Kriegswaffe innerhalb der Produktionsstätte keiner Beförderungsgenehmigung, sondern er ist bereits von der Herstellungsgenehmigung erfaßt. Es handelt sich bei diesen Standortwechseln folglich schon gar nicht um Beförderung, sondern um Herstellung i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG 3 0 5 . Fraglich ist, ob sich diese Betrachtungsweise auch auf einen Produktionsstättenwechsel - als anschauliches Beispiel für die Abgrenzung zum genehmigungspflichtigen Transport - übertragen läßt. In der heutigen hochtechnisierten Kriegswaffenherstellung sind insbesondere größere Kriegswaffen wie Panzer, Kampfflugzeuge und Kriegsschiffe Gemeinschaftsprodukte vieler Unternehmen mit räumlich verschiedenen Produktionsstätten. Dieser Umstand bringt es mit sich, daß einzelne Kriegswaffen (z.B. Maschinengewehre), die mit anderen Kriegswaffen zu einer Gesamtkriegswaffe zusammengefügt werden, zumeist zum Montageort des Endprodukts transportiert werden müssen. Es liegt also kein produktionsstätteninterner Standortwechsel der Kriegswaffe mehr vor. Die gesonderte Erfassung des Beförderungsvorgangs durch Art. 26 Abs. 2 GG soll den mit diesem Vorgang konkret verbundenen Gefahren für das friedliche Zusammenleben der Völker vorbeugen, insbesondere dem Abhandenkommen der Kriegswaffe 3 0 6 (vgl. auch § 12 Abs. 1 KWKG). Denn gerade außerhalb der Produktionsstätte ist die Kriegswaffe zwangsläufig einem erleichterten Zugriff Dritter eröffnet. Je nach Kriegswaffe sind daher Beförderungen nur bei Gewährleistung von entsprechenden Sicherheitsvorgaben zulässig. Daß Kriegswaffen gerade aufgrund ihrer objektiv gefährlichen Beschaffenheit vor allem im Munitionsbereich Gefahren auch für die Bewohner und die Umwelt entlang des Transportwegs darstellen, ist zudem ein ord-

305

In diesem Sinne auch BT-Drs. 3/1589, S. 15.

306 BT-Drs. 3/1589, S. 15; R. Hinze, Waffenrecht, § 3 KWKG, Anm. 3; G. Potrykus, KWKG, Anm. 2 (S. 51); K. Pottmeyer, KWKG, § 3 Rn. 10.

II. Das Befördern

167

nungsrechtlicher Belang 3 0 7 . Dieser Belang findet jedoch nicht in die verfassungsrechtliche Betrachtung aus dem Blickwinkel des Art. 26 Abs. 2 GG Eingang. Denn alleinige Zielrichtung der verfassungsrechtlichen Bestimmung ist die Vermeidung von Gefahren für das friedliche Zusammenleben der Völker. Hingegen finden diese ordnungsrechtlichen Erwägungen über den fakultativen Versagungsgrund des § 6 Abs. 2 Nr. 3 KWKG Eingang in das Genehmigungsverfahren nach dem KWKG, wonach die Genehmigung insbesondere dann versagt werden kann, wenn eine im Zusammenhang mit der genehmigungsbedürftigen Handlung nach anderen Vorschriften erforderliche Genehmigung nicht nachgewiesen wird. Der Vorgang des Beförderns, d.h. eines Ortswechsels einer Kriegswaffe außerhalb des 'abgeschlossenen Geländes' der Produktionsstätte, bedarf zur Gewährleistung des Zwecks des verfassungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalts aus Art. 26 Abs. 2 GG somit einer Beförderungsgenehmigung. Eine ausdrücklich auch den Produktionsstättenwechsel umfassende und gegebenenfalls sogar als Herstellungsgenehmigung titulierte Genehmigung würde dann sowohl die Genehmigung zur Herstellung als auch zur Beförderung umfassen. Da die spezifischen Gefahren des Beförderns für das Schutzgut aus Art. 26 GG gerade beim Ortswechsel außerhalb "physisch gesicherter Territorialität" 3 0 8 auftreten, fragt sich, ob der im KWKG verwandte Terminus 'abgeschlossenes Gelände' als Beschreibung des Anfangs- und Endpunktes des Beförderungsvorgangs auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht nicht nur sachgerecht ist, sondern auch dem Sinn und Zweck des Art. 26 Abs. 2 GG entspricht 3 0 9 . Abgeschlossen ist ein Gelände dann, wenn es physisch gesichert, d.h. eine physisch wirkende Schutzwehr vorhanden ist. Dies folgt aus der in Art. 26 Abs. 2 GG gesondert erfaßten Beförderung und den mit diesem Vorgang verbundenen spezifischen Gefahren für das Schutzgut aus Art. 26 GG. Denn nur dann bestehen die mit dem Beförderungsvorgang spezifisch verbundenen Gefahren nicht.

307 Z.B. Anforderungen nach dem SprengstoffG, dem Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter, den Gefahrgutverordnungen. 308 Terminologie nach Κ Amelung, ZStW 98 (1986), 355 (403 ff., zusammenfassend); Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 123 Rn. 3. 309 So ausdrücklich: Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 51; i.E. ebenso: K.-A. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 30; G. Frank, in: Alternativkommentar zum GG, Art. 26 Rn. 48.

168

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

G. Potrykus

ist insofern zuzugeben, daß der Begriff 'abgeschlossenes Ge-

lände' an den Begriff des 'befriedeten Besitztums' erinnert

31

° . D a das Merk-

mal der physischen Sicherung auch durch Wohnungen und Geschäftsräume gewährleistet wird, liegt es durchaus nahe, sogar eine Identität zu den Regelungsbereichen des § 123 StGB und des § 4 Abs. 4 WaffG anzunehmen

311

.

Ein abgeschlossenes Gelände liegt, ohne daß es eines Eingehens auf das Schutzgut des § 123 StGB b e d a r f 3 1 2 , in Anlehnung an die Definition des befriedeten Besitztums i.S. des § 123 StGB

313

und des § 4 Abs. 4 W a f f G

314

danach dann vor, wenn dieses in äußerlich erkennbarer Weise mittels zusammenhängender natürlicher oder künstlicher Schutzwehren wie Mauern, Hekken, Drähte, Zäune etc. gegen willkürliches Betreten durch andere gesichert ist

315

, also auch Wohnungen und Geschäftsräume.

D a aufgrund dieser so definierten physischen Sicherung die mit dem Beförderungsvorgang spezifisch verbundenen Gefahren nicht bestehen, entspricht die im K W K G vorgenommene Beschreibung des Anfangs- und Endpunktes des Beförderungsvorgangs als 'abgeschlossenes Gelände' auch dem Sinn und Zweck des Art. 26 Abs. 2 G G .

310

G. Potrykus,

KWKG, § 3 Anm. 2 (S. 50).

311

So für den Bereich des KWKG: K. Pottmeyer, § 3 Rn. 5 ff.; ähnlich G. Potrykus, KWKG, § 3 Anm. 2 (S. 50), der sich aber nicht ausdrücklich auf den Begriff des befriedeten Besitztums stützt ("erinnert an"). R. Hinze, WaffR, § 3 KWKG Anm. 3, geht sogar von einer Deckungsgleichheit der Begriffe 'abgeschlossenes Gelände' und 'befriedetes Besitztum' i.S. der §§ 4 Abs. 4 WaffG und 123 StGB aus. K. Pottmeyer, KWKG, § 3 Rn. 5, ist in seinem 'erst-recht-Schluß' zuzustimmen, wenn er ausführt, daß "wenn der KWKG-Gesetzgeber schon die Beförderung innerhalb eines - möglicherweise sehr weiträumig angelegten - Werks nicht von einer Genehmigung abhängig machen wollte [vgl. BT-Drs. 3/1589, S. 15; G. Potrykus, KWKG, § 3 Anm. 2 (S. 50 f.) - der Gesetzgeber hatte nämlich ausweislich der Gesetzesmaterialien zum KWKG in erster Linie an das Betriebs- und Werksgelände der Kriegswaffenhersteller gedacht, ebenso K. Pottmeyer, ebd.], so muß dies erst recht für Transporte innerhalb kleinerer abgeschlossener Einheiten, nämlich den Standortwechsel innerhalb einer Wohnung oder eines Geschäftsraumes, gelten." 312 Nach überwiegender Auffassung wird durch § 123 StGB das Hausrecht geschützt, vgl. Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 123 Rn. 1; Schäfer, in: Leipziger Kommentar zum StGB, § 123 Rn. 1, jeweils m.w.N.; zum Meinungsstand instruktiv K. Amelung, ZStW 98 (1986), S. 355 ff. 313 St. Rspr., vgl. nur RGSt 11, 293 (294); 20, 150 (155); 36, 395 (397); 54, 42 (44); ebenso das überwiegende Schrifttum, vgl. Th. Lenckner, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 123 Rn. 6 m.w.N.; Schäfer, in: Leipziger Kommentar zum StGB, § 123 Rn. 15. 314 Insoweit wird auf die strafrechtliche Begriffsbestimmung verwiesen, vgl. nur G. Potrykus/J. Steindorf, Waffenrecht, § 4 WaffG Anm. 6. 315

So auch G. Potrykus, KWKG, § 3 Anm. 2 (S. 51); K. Pottmeyer, Rn. 8; i.E. wohl auch R. Hinze, WaffR, § 3 KWKG Anm. 3.

KWKG, § 3

II. Das Befördern

169

2. Der Genehmigungspflichtige a) Art. 26 Abs. 2 GG Die Frage, wer genehmigungspflichtig für die Beförderung von Kriegswaffen ist, ergibt sich nicht ausdrücklich aus dem Wortlaut des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG. Da Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG einen eigenständigen Genehmigungstatbestand darstellt, kann diese Frage unter Verweis auf das Ausführungsgesetz zu Art. 26 Abs. 2 GG, das KWKG, nicht unbeantwortet bleiben, sondern ist letztlich unter Heranziehung von Sinn und Zweck dieser Verfassungsnorm zu bestimmen. Als Genehmigungspflichtiger kommt zunächst der sog. Selbstbeförderer in Betracht, also deijenige, der die Beförderung der Kriegswaffe in personam oder durch eigene Angestellte 3 1 6 durchführen will. Dies kann einmal der Inhaber der tatsächlichen Gewalt über die Kriegswaffe, also insbesondere der Hersteller sein. In Betracht kommt aber auch derjenige, der die tatsächliche Gewalt erst erwerben will. Fraglich ist, ob sich diese Beurteilung des Genehmigungspflichtigen dann ändert, wenn eine der beiden vorgenannten Personen sich eines Dritten, beispielsweise eines Frachtführers i.S. des § 425 HGB, bedienen will. Der Wortlaut des Art. 26 Abs. 2 GG stellt die Beförderung unter die Genehmigungspflicht, also lediglich den tatsächlichen Vorgang des Transports. Dies läßt den Schluß darauf zu, daß der tatsächliche Beförderer, also der Inhaber der tatsächlichen Gewalt während des Transports, der Genehmigungspflichtige i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG ist 3 1 7 . Dieser Schluß wird auch vom Sinn und Zweck dieser Genehmigungspflicht, der mit dem Beförderungsvorgang verbundenen Gefahr des Abhandenkommens von Kriegswaffen zu begegnen, getragen. Denn der durch den tatsächlichen Vorgang der Beförderung begründeten Gefahr des Abhandenkommens, insbesondere in Form des erleichterten Zugriffs Dritter, muß der tatsächliche Beförderer und nicht derjenige, in dessen Interesse bzw. auf dessen Veranlassung die Beförderung durchgeführt wird, begegnen. Nur der Beförderer verfügt über das Beförderungsmittel, d.h. auch nur er ist in der Lage zu verhindern, daß der Kriegswaffentransport in Widerspruch zu den Zielen des Art. 26 Abs. 2 GG er-

316

Vgl. S. 137 f.

317

So: G. Potrykus,

KWKG, § 3 Anm. 3 (S. 51).

170

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

folgt 3 1 8 . Während der Beförderer auch durch seine Angestellten, die gegebenenfalls die Beförderung durchführen, über diese entscheidende tatsächliche Möglichkeit verfügt, steht der Auftraggeber der Beförderung lediglich in vertraglicher Beziehung zum tatsächlichen Beförderer. Folglich benötigt der Auftraggeber der Beförderung keine Beförderungsgenehmigung i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG. Dies gilt ebenso für den möglicherweise mit der Beförderung beauftragten Spediteur. Denn nach der Legaldefînition des § 407 HGB ist Spediteur derjenige, der es gewerbsmäßig übernimmt, Güterversendungen durch Frachtführer oder durch Verfrachter von Seeschiffen für Rechnung eines anderen (des Versenders) in eigenem Namen zu besorgen. Ebenso wie der (oder sogar sein) Auftraggeber ist der Spediteur nämlich nicht der tatsächliche Beförderer, also auch nicht der Genehmigungspflichtige i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG. Für die Beförderung i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG ist somit ausschließlich der tatsächlich die Kriegswaffe Befördernde genehmigungspflichtig, also sowohl der sog. Selbstbeförderer als auch der hierzu direkt Beauftragte. b) Das KWKG Nach dem KWKG ist zum einen derjenige genehmigungspflichtig, der die Kriegswaffe 'befördern lassen will' (§ 3 Abs. 1 KWKG), und zum anderen derjenige, der die Kriegswaffe hergestellt oder die tatsächliche Gewalt erworben hat und sie befördern will (§ 3 Abs. 2 KWKG). Bei der Beförderung von Kriegswaffen außerhalb des Bundesgebiets mit die Bundesflagge führenden Seeschiffen und mit in der Luftfahrzeugrolle der Bundesrepublik eingetragenen Flugzeugen bedarf schließlich derjenige der Beförderungsgenehmigung, der die Kriegswaffe befördern will (§ 4 Abs. 1 KWKG). § 3 Abs. 2 KWKG bestimmt somit den auch unproblematisch von Art. 26 Abs. 2 GG erfaßten sog. Selbstbeförderer zum Genehmigungspflichtigen i.S. des Beförderungstatbestandes. Das KWKG entspricht also insoweit Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG. Vom Selbstbeförderer abgesehen, stellt das KWKG aber nicht einheitlich, sondern lediglich bei der Beförderung von Kriegswaffen außerhalb des Bundesgebietes mit den in § 4 Abs. 2 KWKG bezeichneten Seeschiffen und Luftfahrzeugen auf den tatsächlichen Beförderer ab. Durch die Verwendung des Zeitwortes 'lassen' in § 3 Abs. 1 KWKG wird zum Ausdruck gebracht, daß 318 Diese Erwägung hat der KWKG-Gesetzgeber lediglich bei § 4 KWKG eingestellt: BT-Drs. 3/1589, S. 16; auf den Widerspruch in der Begründung zu § 3 KWKG geht mittelbar auch K. Pottmeyer, KWKG, § 4 Rn. 12 ein.

II. Das Befördern

171

im übrigen nicht der beauftragte, aber tatsächliche Beförderer genehmigungspflichtig i.S. des KWKG ist 3 1 9 , sondern nur derjenige, der die Beförderung durch Einschaltung eines Dritten, z.B. eines Frachtführers veranlaßt. 'Befördernlasser' 3 2 0 i.S. des § 3 Abs. 1 KWKG ist somit der Auftraggeber, oder, sofern sich der Auftraggeber eines Spediteurs bedient, nur der Auftraggeber des Spediteurs, also nicht der Spediteur selbst 3 2 1 . Im Gegensatz zum verfassungsrechtlichen Genehmigungstatbestand wäre nach § 3 Abs. 1 KWKG folglich der tatsächliche Beförderer nicht genehmigungspflichtig. Dies scheint auf den ersten Blick auch § 3 Abs. 2 KWKG zu bestätigen. Ausweislich der Entwurfsbegründung zu § 3 Abs. 2 KWKG und dem dieser Sichtweise folgenden Schrifttum soll durch diesen Tatbestand allein der sog. Selbstbeförderer erfaßt werden, bei dem Auftraggeber und Beförderer miteinander identisch sind 3 2 2 , er mithin selbst nicht unter § 3 Abs. 1 KWKG fällt, nach dem KWKG also ansonsten keiner Genehmigung für die Selbstbeförderung bedürfen würde 3 2 3 . Indes ist diese, in der Entwurfsbegründung angelegte 3 2 4 und durchgängig übernommene Lesart 3 2 5 des § 3 Abs. 2 KWKG keineswegs zwingend, wie 319 G. Potrykus, KWKG, § 3 Anm. 3 (S. 51); dies folgt aber nicht aus § 5 Abs. 2 KWKG, der den (beauftragten) tatsächlichen Beförderer lediglich von einer eigentlich für den Beförderungsvorgang erforderlichen Erwerbs- und Überlassungsgenehmigung nach § 2 Abs. 2 KWKG dispensiert, hingegen keine Rückschlüsse auf eine Beförderungsgenehmigung zuläßt (so aber: K. Pottmeyer, KWKG, § 3 Rn. 28 a.E.). 320

Terminologie nach: K. Pottmeyer,

KWKG, § 3 Rn. 28 ff.

321

R. Hinze, Waffenrecht, § 3 KWKG Anm. 3; G. Potrykus, KWKG, § 3 Anm. 3 (S. 51 f.); K. Pottmeyer, KWKG, § 3 Rn. 30 a.E. (mißverständlich aber Rn. 29, wo als Befördernlasser bei Zwischenschaltung eines Spediteurs auf den Vertragspartner des Spediteurs abgestellt wird; Vertragspartner des Spediteurs ist aber sowohl der Auftraggeber des Spediteurs als auch der vom Spediteur beauftragte Frachtführer); wohl auch Medicus, in: Das Deutsche Bundesrecht, Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen, IA 15, Erläuterungen zu § 3 KWKG (S. 14); G. Potrykus/J. Steindorf, Waffenrecht, § 16 KWKG, Anm. 2 c (S. 710); J. Steindorf, in: G. Erbs/M. Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Κ 189, § 22a KWKG Anm. 2 c (S. 37). Wohl auch BTDrs. 3/1589, S. 15, die bei Einschaltung eines Spediteurs auf denjenigen abstellt, in dessen Interesse der Spediteur die Beförderung besorgt, gleichzeitig aber betont, daß der Beförderer oder derjenige, der die Beförderung durchführt, keiner Genehmigung bedarf (vgl. hierauf eingehend K. Pottmeyer, KWKG, § 3 Rn. 30). 322 BT-Drs. 3/1589, S. 15; R. Hinze, Waffenrecht, § 3 KWKG, Anm. 6; K. Pottmeyer, KWKG, § 3 Rn. 110. 323 Deshalb betont auch BT-Drs. 3/1589, S. 15, daß Abs. 2 den Abs. 1 ergänzt; ebenso G. Potrykus, KWKG, § 3 Anm. 4 (S. 52). 324 B T . D r s 3/1589, S. 15. 325

R. Hinze, Waffenrecht, § 3 KWKG, Anm. 6; K. Pottmeyer, 110; auch G. Potrykus, KWKG, § 3 Anm. 4 (S. 52 f.).

KWKG, § 3 Rn.

172

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

die Einhelligkeit dieser Lesart zunächst vermuten läßt. Denn wenn § 3 Abs. 2 KWKG von demjenigen, der die tatsächliche Gewalt an einer Kriegswaffe erworben hat, dann eine Genehmigung verlangt, wenn er die Kriegswaffe selbst befördern will, trifft dies auch auf den mit der Beförderung beauftragten Frachtführer zu. Dieser erwirbt nämlich zum Zwecke der Beförderung die tatsächliche Gewalt an der Kriegswaffe und befördert diese auch selbst. Dem Wortlaut des § 3 KWKG verhaftet hat diese Lesart des § 3 Abs. 2 KWKG somit zur Konsequenz, daß neben dem Auftraggeber, d.h. dem Veranlasser der Beförderung, auch der tatsächliche Beförderer zusätzlich ("Ferner...") einer Beförderungsgenehmigung bedarf. Dem steht auch nicht § 5 Abs. 2 KWKG entgegen. § 5 Abs. 2 KWKG dispensiert den beauftragten und tatsächlichen Beförderer nämlich nur von der Erwerbs- und Überlassungsgenehmigung, nicht aber von der Beförderungsgenehmigung. Nur diese Lesart des § 3 KWKG steht mit Art. 26 Abs. 2 GG in Einklang, da danach der tatsächliche Beförderer in jedem Fall einer Genehmigung bedarf. Dementsprechend konstituiert § 3 Abs. 1 KWKG lediglich über den verfassungsrechtlichen Genehmigungstatbestand hinaus eine zusätzliche Genehmigungspflicht für den Auftraggeber bzw. den Veranlasser einer Beförderung, die aber durch den Regelungsspielraum des Gesetzgebers abgedeckt ist. Denn das von der Entwurfsbegründung zu § 3 Abs. 1 KWKG genannte Ziel dieser Regelung, die Kontrolle bei der Kriegswaffenbeförderung zum frühestmöglichen Zeitpunkt einsetzen zu lassen, ist jedenfalls auf einen vernünftigen Erwägungen des Gemeinwohls entsprechenden Zweck gerichtet 3 2 6 . Gleichwohl stellt sich die Frage, ob diese verfassungskonforme Auslegung 3 2 7 auch zwingend ist. Denn gem. § 11 Abs. 4 KWKG i.V. mit § 4 der Zweiten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen 3 2 8 (2. DVO KWKG) muß der Genehmigungsantrag nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 KWKG u.a. den Namen und die Anschrift des Beförderers sowie das Beförderungsmittel enthalten, § 4 Abs. 1 Nr. 7 und Nr. 9 der 2. DVO KWKG. Dies ist aber kein rein formaler Aspekt, wie gerade der zwingende Versagungsgrund des § 6 Abs. 3 Nr. 3 i.V. mit § 6 Abs. 2 lit. b

326

licht).

Vgl. BVerfG, Beschluß vom 12.2.1979 - 1 BvR 840/78 -, S. 2 (unveröffent-

327 Zur verfassungskonformen Auslegung vgl. die ständige Rspr. seit BVerfGE 2, 266 (282); 8, 28 (34); 9, 194 (197 ff.); 12, 45 (49 ff.); 14, 56 (73); 16, 306 (329); 18, 18 (34); 19, 1 (5); 242 (247); 268 (281); 21, 292 (305); 33, 52 (65); 48, 40 (45); 49, 148 (157); 69, 1 (55); vgl. insgesamt K. Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 339 ff. 328

376).

Vom 1.6.1961 (BGBl. I, S. 649) in der Fassung vom 28.2.1992 (BGBl. I, S.

II. Das Befördern

173

KWKG ausweist. Danach ist der Beförderer selbst, d.h. seine Zuverlässigkeit im Hinblick auf die beabsichtigte Beförderung, maßgeblich für die Erteilung der Beförderungsgenehmigung. In Anlehnung an die für das Gewerberecht entwickelten 3 2 9 und auf das KWKG übertragbaren 3 3 0 Grundsätze der Zuverlässigkeit ist deijenige unzuverlässig i.S. des § 6 Abs. 3 Nr. 3 KWKG, der keine Gewähr dafür bietet, daß er die konkret beabsichtigte, nach dem KWKG genehmigungspflichtige Handlung ordnungsgemäß ausführen wird. Nicht ordnungsgemäß wiederum ist die Handlung durch eine Person, die nicht willens und in der Lage ist, die im öffentlichen Interesse erforderlichen Rechtsvorschriften für die konkrete Handlung zu beachten 3 3 1 . Der tatsächliche Beförderer der Kriegswaffe findet somit auch im Genehmigungsverfahren nach dem KWKG gerade im Hinblick auf die mit dem Vorgang der Beförderung von Kriegswaffen typischerweise verbundenen spezifischen Gefahren für das Rechtsgut aus Art. 26 GG umfassend Berücksichtigung. Die Tatsache, daß grundsätzlich der tatsächliche Beförderer - der Entwurfsbegründung zum KWKG und der bisherigen Lesart des § 3 Abs. 1 und Abs. 2 KWKG folgend - im Gegensatz zum Genehmigungstatbestand aus Art. 26 Abs. 2 GG nicht Antragsteller und auch nicht Adressat des die Beförderung genehmigenden oder versagenden Verwaltungsaktes ist, gebietet es daher nicht, allein unter dem hier maßgeblichen Aspekt des Rechtsguts aus Art. 26 Abs. 2 GG von einer auch in diesem Punkte mit dem Verfassungsauftrag nicht zu vereinbarenden Ausführung durch das KWKG auszugehen. Unabhängig von der Lesart des § 3 Abs. 2 KWKG hat somit das KWKG jedenfalls den Verfassungsauftrag insoweit erfüllt. 3. Die Ein-, Aus- und Durchfuhr a) Die Erfassung durch Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG Die Einfuhr, die Ausfuhr und die Durchfuhr von Kriegswaffen sind expresses verbis in Art. 26 Abs. 2 GG nicht als genehmigungspflichtige Tatbestände aufgeführt. Lediglich der Ursprungsentwurf im Parlamentarischen Rat, der sog. Entwurf Eberhard, bezog die Einfuhr und Ausfuhr ausdrücklich in 329 Gewerberechtlich unzuverlässig ist, wer keine Gewähr dafür bietet, daß er sein Gewerbe in Zukunft ordnungsgemäß ausüben wird, so st. Rspr. seit BVerwG GewArch 1971, 200 (201); BVerwGE 61, 1 f.; P. Mareks, in: R.v. Landmann/G. Rohmer, Band 1, Gewerbeordnung, § 35 Rn. 29. 330

Vgl. K. Pottmeyer, Anm. 13 (S. 73 f.). 331

K. Pottmeyer,

ebd.

KWKG, § 6 Rn. 94 ff.; i.E. auch G. Potrykus,

KWKG, § 6

174

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

den Genehmigungsvorbehalt mit ein 3 3 2 . Sämtliche folgenden Entwürfe im Parlamentarischen Rat erfaßten nur noch die auch in der Fassung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG vorhandene Trias der von diesem Tatbestand erfaßten Handlungen, nämlich die Herstellung, die Beförderung und das Inverkehrbringen 3 3 3 . Da sich aus den Materialien keine Anhaltspunkte für die Reduzierung des Entwurfs Eberhard auf diese drei Handlungen ergeben, liegt es durchaus nahe, den Schluß zu ziehen, daß diese reduzierte Formulierung aus Vereinfachungs- und Abkürzungsgründen vom Parlamentarischen Rat gewählt wurde 3 3 4 . Daraus erklärt sich, daß es "allgemeine Meinung" 3 3 5 ist, daß der Verfassungsauftrag auch die Ein-, Aus- und Durchfuhr umfaßt, obwohl diese Tatbestände in Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nicht ausdrücklich erwähnt sind 3 3 6 . Die Erfassung der Ausfuhr, Einfuhr und Durchfuhr durch den verfassungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalt beruht im wesentlichen auf der insbesondere durch die Entwurfsbegründung zu § 3 Abs. 3 KWKG 3 3 7 'genährten' These, daß "mit diesen Handlungen ... notwendigerweise immer eine Beförderung innerhalb des Bundesgebietes verbunden " ist 3 3 8 . Gleichwohl fragt sich, ob diese Anbindung der in Rede stehenden Handlungen an den in Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Realakt der Beförde-

332 "Waffen und Munition jeder Art dürfen nur mit Genehmigung der Bundesregierung hergestellt, eingeführt, ausgeführt, befördert, gelagert und in Verkehr gebracht werden." Vgl. zum Text dieses Entwurfs, der ohne Drs.-Nr. vervielfältigt wurde: K-B.v. Doemming/R.W. Füsslein/W. Matz, JÖR 1 (1951), S. 241. 333

Vgl. im Überblick zu den verschiedenen Entwürfen K-B.v. Doemming/R.W. Füsslein/W. Matz, JÖR 1 (1951), S. 241 - 243. 334

LG Düsseldorf, NStZ 1988, 231 (232); G. Potrykus,

KWKG, § 3 Anm. 5

(S. 53). 335

So: D. Holthausen, RIW 1987, 893 (899).

336

So für den praxisrelevanten Fall der Ausfuhr: LG Düsseldorf, NStZ 1988, 231 (232); J. Beschorner, ZVglRWiss 90 (1991), 262 (269); Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/ Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 51; D. Mertens, M D R 1964, 806 (809); K -Α. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 30 ("auch grenzüberschreitendem Transport"); G. Potrykus, KWKG, § 3 Anm. 5; D. Holthausen, RIW 1987, 893 (899); ders., NStZ 1988, 206; wohl auch H.v. Mangoldt/F. Klein, Art. 26 Anm. IV. 2. durch die generelle Inbezugnahme der drei genehmigungspflichtigen Handlungen; i.E. wohl auch Κ Loewenstein, in: Der Kampf um den Wehrbeitrag, Band 2, 2. Halbband, 337 (356). 337 338

BT-Drs. 3/1589, S. 15.

LG Düsseldorf, NStZ 1988, 231 (232); J. Beschorner, ZVglRWiss 90 (1991), 262 (269); G. Potrykus, KWKG, § 3 Anm. 5 (S. 53); mit ähnlicher, aber nicht auf der Entwurfisbegründung zu § 3 Abs. 3 KWKG beruhender Argumentation: Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 51; K -Α. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 30 ("Befördern bedeutet jede Art von [auch grenzüberschreitendem] Transport ").

II. Das Befördern

175

rung zwingend ist 3 3 9 . So sah der Vorläufer des KWKG, die 'Bekanntmachung des Bundeswirtschaftsministers über das vorläufige Kriegswaffengenehmigungsverfahren nach Art. 26 Abs. 2 des Grundgesetzes' vom 28.11. 1957 3 4 0 , unter IV. die Ein- und Ausfuhr als Unterfall des Inverkehrbringens "Als Inverkehrbringen im Sinne des Artikels 26 Abs. 2 des Grundgesetzes kommen u.a. die Ein- und Ausfuhr von Kriegswaffen sowie die Überlassung von Kriegswaffen an einen anderen in Betracht."

und nur die Durchfuhr unter V.3. als Unterfall der Beförderung vor: "V. Beförderung (Zwischen Orten im Inland, zwischen Orten im Ausland durch den Geltungsbereich des Grundgesetzes, mit See- oder Luftfahrzeugen unter dem Hoheitszeichen der Bundesrepublik außerhalb des Bundesgebietes) 3. Beförderungsanträge ohne Verbindung mit anderen Kriegswaffenanträgen werden in der Regel nur bei der Durchfuhr von Kriegswaffen durch den Geltungsbereich des Grundgesetzes oder bei Beförderungen von Kriegswaffen mit See- und Luftfahrzeugen unter dem Hoheitszeichen der Bundesrepublik in Betracht kommen.".

Eine, wenngleich naheliegende Reduzierung dieser beiden unterschiedlichen Auslegungen auf die Feststellung, die fraglichen Handlungen seien entweder unter das Befördern oder das Inverkehrbringen (bis auf die Durchfuhr) i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG zu subsumieren, wird dem Grundansatz der beiden vertretenen Auslegungsmöglichkeiten nicht gerecht. Sie knüpfen nämlich übereinstimmend an das Territorialitätsprinzip an. Der Geltungsbereich des Grundgesetzes und damit auch der des Art. 26 Abs. 2 GG läßt eine unter deutscher Verwaltungshoheit 3 4 1 sich befindende Erstreckung des Beförderungsvorgangs nur auf das Bundesgebiet zu 3 4 2 . Im eigentlichen Sinne findet daher keine für die deutsche Hoheitsgewalt erfaßbare Beförderung - Transport von Ort zu Ort - bei der Grenzüberschreitung mehr statt, da trennscharf dann die Beförderung bei der Ausfuhr schon auf dem ausländischen Hoheitsgebiet stattfindet, also vom Grundgesetz als Beförderung nicht mehr erfaßbar ist. Dementsprechend wird auch bei der Einfuhr erst mit der Berührung des Bundesgebietes, d.h. der äußeren 'Kante' der bundesrepublikanischen Grenze, der Vorgang für das Grundgesetz über den Beförderungsvor339 So deutlich: D. Holthausen, RIW 1987, 893 (894); ders., NStZ 1988, 206 f. (insbes. Fn. 6). 340

BAnz. Nr. 233 vom 4.12.1957, S. 1; Hervorhebung durch den Verfasser.

341

Terminus nachD. Holthausen, RIW 1987, 893 (894).

342 Ebenso ausdrücklich hierzu: D. Holthausen, RIW 1987, 893 (894); vgl. im übrigen grundsätzlich S. 138 ff.

176

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

gang zum Zielort der Einfuhr durch Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG erfaßbar. Die vertretene Subsumtion sowohl der Ein- als auch der Ausfuhr unter das Inverkehrbringen verzichtet also keineswegs auf die genehmigungspflichtige Erfassung des Transports von der Grenze bis zum Zielort (Einfuhr) bzw. des Absendeorts bis zur Grenze (Ausfuhr) 3 4 3 , wie sich aus V . l . der o.g. Bekanntmachung über das vorläufige Genehmigungsverfahren ergibt: "1. Mit der Genehmigung zur Herstellung wird zugleich die Beförderung zu den Betriebsstätten oder Lagern eines Herstellers, Einführers oder Ausführers oder zu den im Antrag bezeichneten Empfängern genehmigt, wenn die genannten Personen die Beförderung selbst (d.h. mit ihren Fahrzeugen und ihrem Personal) ausführen. Für solche Beförderungen bedarf es keines besonderen Antrags."

Die Beförderung wird vielmehr bei der Ein- und Ausfuhr lediglich gleichzeitig mit dem für den Akt der Grenzüberschreitung nach dieser Auffassung erforderlichen Inverkehrbringen genehmigt. Vom Sinn und Zweck der Genehmigungspflichtigkeit der Beförderung wäre eine Negierung der jedenfalls bestehenden Beförderung auch nicht in Einklang mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben zu bringen. Als Zwischenergebnis ist daher zunächst festzuhalten, daß jedenfalls die Grenzüberschreitung, die eigentliche Einfuhr in den bzw. die eigentliche Ausfuhr aus dem Geltungsbereich des Grundgesetzes, nach beiden Auffassungen keine Beförderung i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG ist. Indes stellt sich die Frage, ob denn die Grenzüberschreitung selbständig und zusätzlich über den Begriff des Inverkehrbringens i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG erfaßbar ist. Definiert man das Inverkehrbringen i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG als die Herauslösung einer Kriegswaffe aus dem bestehenden tatsächlichen Verfügungsverhältnis in dem Sinne, daß damit anderen die tatsächliche Verfügungs- bzw. Zugriffsmöglichkeit auf die Kriegswaffe eröffnet wird, so ist diese, in dem Vorläufer des KWKG niedergelegte Erfassung der Ein- und Ausfuhr im Sinne der Grenzüberschreitung jedenfalls nicht unter den verfassungsrechtlichen Genehmigungstatbestand des Inverkehrbringens subsumierbar. Denn mit der eigentlichen Grenzüberschreitung ist zwingend keineswegs die zuvor definierte Zurverfügungstellung, also die Eröffnung der tatsächlichen Verfügungs- und Zugriffsmöglichkeit über die Kriegswaffe für andere verbunden. Dies aber ist die Aussage von Punkt IV. der Bekanntmachung über das vorläufige Kriegswaffengenehmigungsverfahren, die unter das Inver343

Fn. 6).

In diesem Sinne aber: D. Holthausen, ebd.; ders., NStZ 1988, 206 (207

II. Das Befördern

177

kehrbringen i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG die Ein- und Ausfuhr sowie die Überlassung von Kriegswaffen an einen anderen subsumiert 3 4 4 . Die Einund Ausfuhr wird also ausdrücklich nicht gleichgesetzt mit dem Überlassen der Kriegswaffen an einen anderen. Dies obgleich bei der Fremdbeförderung - wie auch das KWKG durch § 5 Abs. 2 KWKG ausweist - ein Überlassungsvorgang stattfindet: - Im Falle der Einfuhr bedarf nämlich derjenige, der die Waffe zuliefert, also von der bundesrepublikanischen Grenze bis zum Zielort befördert und dort einem anderen übergibt, neben der Beförderungsgenehmigung auch einer Genehmigung zum Inverkehrbringen für den Überlassungsvorgang. Im Falle der sog. Selbstbeförderung liegt hingegen kein über das Inverkehrbringen erfaßbarer Lebenssachverhalt vor, da der Selbstbeförderer von Anfang an, d.h. von der bundesrepublikanischen Grenze an - dem nach dem Territorialitätsprinzip frühestmöglichen Zeitpunkt - selbst schon Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt über die Kriegswaffe ist und auch am Zielort bleibt. - Im Falle der Ausfuhr bedarf es dementsprechend nur dann einer Genehmigung zum Inverkehrbringen, wenn der ursprüngliche Inhaber der tatsächlichen Verfügungsgewalt die Kriegswaffe im Inland nicht selbst befördert, sondern sich hierzu eines Beförderers bedient und zum Zwecke des Transports die tatsächliche Verfügungsgewalt an einen Beförderer überträgt. Sofern aber auch hier der Fall der Selbstbeförderung gegeben ist, ist ebenfalls nur eine Beförderungsgenehmigung erforderlich, denn der eigentliche Vorgang des Inverkehrbringens ist dann im Ausland angesiedelt, also von der deutschen Hoheitsgewalt nicht erfaßbar. Dies hat zur Konsequenz, daß die nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG eigenständig nicht genehmigungspflichtigen Vorgänge der Ein-, Aus- und Durchfuhr 3 4 5 verfassungsrechtlich lediglich über die Beförderungsgenehmigung erfaßt werden, also nur die innerdeutsche Beförderung genehmigungspflichtig ist. b) Die Erfassung durch § 3 Abs. 3 KWKG Anknüpfend an den verfassungsrechtlichen Befund, daß Art. 26 GG die Einfuhr, die Ausfuhr und die Durchfuhr von Kriegswaffen nicht als genehmigungspflichtige Tatbestände aufführt, stellt die Entwurfsbegründung zu § 3 344

S.o. S. 175.

345

D. Holthausen, NStZ 1988, 206.

12 Epping

178

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

Abs. 3 KWKG fest, daß mit diesen Handlungen notwendigerweise immer eine Beförderung innerhalb des Bundesgebietes verbunden ist 3 4 6 . "Um die Überwachung der Beförderung von Kriegswaffen so wirksam wie möglich durchzuführen und bereits an den Grenzen des Bundesgebietes beginnen lassen zu können,"

hat der Gesetzgeber in § 3 Abs. 3 KWKG ausdrücklich normiert, "daß Kriegswaffen nur eingeführt, ausgeführt und durch das Bundesgebiet durchgeführt werden dürfen, wenn die hierzu erforderliche Beförderung genehmigt ist." 3 4 7

Angesichts dieser Diktion und unter Einstellung der vorgenannten verfassungsrechtlichen Erkenntnis des KWKG-Gesetzgebers drängt sich daher die Frage auf, ob nicht § 3 Abs. 3 KWKG lediglich ein bloß deklaratorischer bzw. klarstellender Charakter zukommt 3 4 8 . Denn nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 3 KWKG ist die Ein-, Aus- und Durchfuhr selbst nicht genehmigungspflichtig, da insoweit allein auf die Beförderungsgenehmigung abgestellt wird 3 4 9 , die Beförderung aber selbst sowohl nach Art. 26 Abs. 2 GG als auch nach dem KWKG (§§ 3 und 4 KWKG im übrigen) genehmigungspflichtig ist. Liegt die Beförderungsgenehmigung vor, ist automatisch auch die im konkreten Fall damit verbundene grenzüberschreitende Handlung erlaubt. Wenn § 3 Abs. 3 KWKG auf die Beförderung "im Sinne des Absatzes 1 oder 2" und beispielsweise nicht auf den Terminus "hierzu erforderliche Beförderung" verweist 3 5 ° , trägt dies der in diesen Absätzen vorgenommenen Differenzierung ausdrücklich Rechnung. Denn § 3 Abs. 1 und 2 KWKG bestimmen die für die genehmigungspflichtige Handlung des Beförderns von Kriegswaffen Genehmigungspflichtigen. Insofern ist die in § 3 Abs. 3 KWKG vorgenommene Verweisung auf die beiden vorhergehenden Absätze durchaus schlüssig, werden doch damit unterschiedslos sämtliche Beförderungen nach dem KWKG, also sowohl die sog. Selbstbeförderung als auch die Beförde346 BT-Drs. 3/1589, S. 15. 347

Ebd.

348

So: K. Pottmeyer, KWKG, § 3 Rn. 142; P. Selmer, Rechtsfragen des Regelungsgehalts kriegswaffenkontrollrechtlicher Beförderungs- und außenwirtschaftlicher Ausfuhrgenehmigungen - unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen unzutreffender Endverbleibsangaben des Antragstellers, Rechtsgutachten vom 15.8.1983, S. 16 - unveröffentlicht, zitiert nach D. Holthausen, RIW 1987, 893 (894 Fn. 4; 898 Fn. 31); hiergegen: D. Holthausen, ebd., 898. 349 J. Beschorner, ZVglRWiss 90 (1991), 262 (269); K. Pottmeyer, Rn. 137. 350

A.A. D. Holthausen, RIW 1987, 893 (894).

KWKG, § 3

II. Das Befördern

179

rung durch Dritte erfaßt. Der Wortlaut des § 3 Abs. 3 KWKG ist somit eindeutig, wie auch die zitierte Entwurfsbegründung zu § 3 Abs. 3 KWKG bestätigt, indem sie expresses verbis auf die "hierzu erforderliche Beförderung im Bundesgebiet" 3 5 1 abstellt, ohne in dem Verweis auf die ersten beiden Absätze des § 3 KWKG einen Ansatzpunkt für Unklarheiten im Wortlaut zu lassen: Ist die Beförderung nach § 3 Abs. 1 oder Abs. 2 KWKG, also der inländische Realakt der Beförderung der Kriegswaffe, genehmigt, darf die Kriegswaffe der jeweiligen Beförderungsgenehmigung entsprechend ein-, ausoder durchgeführt werden. Die genehmigte Beförderung im Inland ist daher - um bei dem im Vordergrund stehenden Fall des Kriegswaffenexports zu bleiben - nicht der inländische Anknüpfungspunkt für die Ausfuhrregelung, die auch die Einbeziehung des ausfuhrbezogenen Beförderungsziels verlangt, sondern die einzige Voraussetzung für die Ein-, Aus- und Durchfuhr 3 5 2 . Ihre Bestätigung findet diese am klaren Wortlaut des § 3 Abs. 3 KWKG orientierte Auslegung in der systematischen Stellung des § 3 Abs. 3 KWKG. Die amtliche Überschrift des § 3 KWKG lautet nämlich "Beförderungen innerhalb des Bundesgebietes", d.h. Regelungsgegenstand des § 3 Abs. 3 KWKG ist allein die Beförderung im Bundesgebiet, nicht aber die Ein-, Ausoder Durchfuhr selbst 3 5 3 . Dem entspricht auch die verwaltungsakzessorische Strafbewehrung durch § 22a Abs. 1 Nr. 4 KWKG, der ausdrücklich nicht auf die Ein-, Aus- und Durchfuhr abhebt, sondern die Strafbarkeit allein daran knüpft, "daß die hierzu erforderliche Beförderung" nicht genehmigt ist. Konsequent wird diese Diktion auch bei den Durchführungsvorschriften für die nach dem KWKG genehmigungspflichtigen Beförderungen beibehalten: Die amtlichen Überschriften der §§ 4 und 5 der 2. DVO KWKG differenzieren nach Anträgen auf Erteilung einer Genehmigung zur Beförderung innerhalb (§ 4) oder außerhalb des Bundesgebietes (§ 5). Die Beförderungen zum 'Zwecke' der Ausfuhr und der Durchfuhr werden dabei durch § 4 Abs. 2 der Beförderung innerhalb des Bundesgebietes zugeordnet. Gegen die Qualifikation des § 3 Abs. 3 KWKG als reinen Beförderungstatbestand, der nur den inländischen Realakt der Beförderung erfaßt, können 351

BT-Drs. 3/1589, S. 15; s.o. S. 178.

352

So aber D. Holthausen, RIW 1987, 893 (894 f.); S. Oeter, Neutralität und Waffenhandel, S. 194, der ohne Begründung insofern von einer 'kryptischen1 Formulierung des § 3 Abs. 3 KWKG spricht, undA.v. Bogdandy, VerwArch 1992, 53 (81), der von einer Tatbestandsreduktion ausgeht. 353 K. Pottmeyer, KWKG, § 3 Rn. 139; diesen Aspekt sieht auch D. Holthausen (RIW 1987, 893 [894 unter Β. I. 'Wörtliche Auslegung']).

180

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

überdies auch keine Wertungswidersprüche aus dem KWKG eingewandt werden: - Aus § 4a KWKG, der vom Bundesgebiet ausgehende Transaktionen über im Ausland befindliche Kriegswaffen, die ohne Berührung des Bundesgebietes von Ausland zu Ausland verschoben werden sollen, genehmigungspflichtig macht, kann argumentum a maiore ad minus nicht geschlußfolgert werden, daß dies unter denselben Voraussetzungen 'erst recht' für vom Inland aus ins Ausland verbrachte Kriegswaffen gelten müsse 3 5 4 . Zum einen ist § 4a KWKG erst nachträglich 1978 zur Verschärfung der bis dato geltenden Gesetzeslage eingefügt worden 3 5 5 , und zum anderen regelt § 4a KWKG ausdrücklich Auslandsgeschäfte, weist also den für die Auslandserstreckung notwendigen Anknüpfungspunkt aus, während § 3 Abs. 3 KWKG vom zwingenden Wortlaut (Art. 103 Abs. 2 GG) her nur den inländischen Beförderungsvorgang erfassen kann. - Auch können die von § 4 der 2. DVO KWKG vorgeschriebenen Antragsangaben nicht auf einen Ausfuhrtatbestand hinweisen 3 5 6 . Schon die amtliche Überschrift des § 4 - "Antrag auf Erteilung einer Genehmigung zur Beförderung innerhalb des Bundesgebietes" - bestätigt das bereits vom Wortlaut des § 3 Abs. 3 KWKG vorgegebene Ergebnis: Die Genehmigung ist allein auf die Beförderung innerhalb des Bundesgebietes gerichtet. Aber selbst die in § 4 Abs. 2 vorgesehene Endverbleibsabgabe läßt keine andere Auslegung des § 3 Abs. 3 KWKG zu. Denn ein formelles Gesetz wie das KWKG kann niemals einer Auslegung durch eine in der Normenhierarchie unterrangige Rechtsverordnung zugänglich sein. - Schließlich erfordern auch nicht die obligatorischen Versagungsgründe des § 6 Abs. 3 Nr. 2 und 3 KWKG einen Ausfuhrtatbestand 3 5 7 , da gem. § 4 Abs. 1 Nr. 3, 8 der 2. DVO KWKG Empfänger und Zweck der Beförderung im Genehmigungsantrag anzugeben sind, die Genehmigungsbehörde also durchaus in der Lage ist zu prüfen, ob die Beförderung zum Zwecke der Ausfuhr genehmigungsfähig ist 3 5 8 . Folglich erledigt sich auch der aus §§ 3 Abs. 4, 8 Abs. 2 und 3 KWKG erhobene Einwand, daß sich die nach diesen Ermächtigungen mögliche allgmeine Genehmigung - durch Rechts354

So: D. Holthausen, RIW 1987, 893 (899).

355

Vgl. z.B. K. Pottmeyer, KWKG, § 4a Rn. 1 ff.; B. Schulz, NJW 1978, 1510 f.; K.-H. Weber, NJW 1979, 1282 f. 356

LG Düsseldorf, NStZ 1988, 231 (232); D. Holthausen, RIW 1987, 893 (899).

357

LG Düsseldorf, NStZ 1988, 231 (232); D. Holthausen, RIW 1987, 893 (898).

358

K. Pottmeyer,

KWKG, § 3 Rn. 143.

181

II. Das Befördern

Verordnung, § 8 Abs. 1 K W K G - nicht auf den bloßen Beförderungsvorgang beziehe, sondern auf bestimmte Durchfuhr-Zielländer

359

.

Dementsprechend ist § 3 Abs. 3 K W K G als sog. Einfuhrbeförderungs-, 360 Ausfuhibeförderungsoder Dmchfuhibeförderungstatbcstand zu qualifizieren, da weder die Ein- und Ausfuhr noch die Durchfuhr als solche von einer Genehmigung abhängig sind, sondern lediglich die Beförderung zum Zwecke der Ein-, Aus- oder D u r c h f u h r 3 6 1 . Somit versperrt schon der eindeutige Wortlaut, der seinerseits in Einklang mit der systematischen Auslegung und der Entstehungsgeschichte steht, eine Auslegung des § 3 Abs. 3 K W K G als sog. echten Einfuhr-, Ausfuhr- oder Durchfuhrtatbestand 3 6 2 . Die von der Judikative

363

und von der Exekutive

364

gleichwohl vorge-

nommene selbständige Erfassung der Ausfuhr stellt angesichts der verwal359

So aber: Ζλ Holthausen, RIW 1987, 893 (898)

360

Terminologie in Anlehnung an D. Holthausen, NStZ 1988, 206 (207), der jedoch nur die Ausfuhr untersucht und dementsprechend auch nur zwischen Aufuhrtatbestand und Ausfuhrbeförderungstatbestand unterscheidet. 361

K. Pottmeyer, KWKG, § 3 Rn. 136 ff.; B. Schünemann, in: W. Krekeler/K. Tiedemann/K. Ulsenheimer/G. Weinmann, Handwörterbuch des Wirtschafts- und Steuerstraf rechts, Kriegswaffenkontrollgesetz, Anm. III. 3. c); ders., Rechtsgutachten zur Vorlage vor der Wirtschaftsstrafkammer beim LG Düsseldorf vom 5.10.1983, S. 95 ff. - unveröffentlicht, zitiert nach D. Holthausen, RIW 1987, 893 (894, Fn. 5); P. Selmer, Rechtsfragen des Regelungsgehalts kriegswaffenkontrollrechtlicher Beförderungs- und außenwirtschaftlicher Ausfuhrgenehmigungen - unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen unzutreffender Endverbleibsangaben des Antragstellers, Rechtsgutachten vom 15.8.1983, S. 23 ff. - unveröffentlicht, zitiert nach D. Holthausen, RIW 1987, 893 (894, Fn. 4); J. Waldowski, Wehrtechnik, Heft 9/1983, 17 (18). 362 So aber: OLG Düsseldorf, NStZ 1987, 565 f.; LG Düsseldorf, NStZ 1988, 231 f.; A.v. Bogdandy, VerwArch 1992, 53 (81 f.); D. Holthausen, RIW 1987, 893 ff.; ders., NStZ 1988, 206 ff., 256 ff.; ders., NJW 1992, 34; ders., NJW 1992, 2113 (2116 Fn. 18); H.-D. Spohn, DWiR 1991, 263; so auch die Auffassung der Bundesregierung: BT-Drs. 11/4928, S. 1 f. auf eine kleine Anfrage der Fraktion Die Grünen, BT-Drs. 11/4564. 363 364

OLG Düsseldorf, NStZ 1987, 565 f.; LG Düsseldorf, NStZ 1988, 231 ff.

So auch der Parlamentarische Staatssekretär im BMWi Riedel in Beantwortung einer kleinen Anfrage der Fraktion Die Grünen, BT-Drs. 11/4564, namens der Bundesregierung in BT-Drs. 11/4928, S. 1: "Die Bundesregierung kann nicht bestätigen, daß § 3 des Kriegswaffenkontrollgesetzes (KWKG) nur die Inlandsbeförderung von Kriegswaffen nach der Kriegswaffenliste (KWL) unter Genehmigungsvorbehalt stellt. § 3 Abs. 3 KWKG ist vielmehr echter Ausfuhrgenehmigungstatbestand in dem Sinne, daß sich die erforderliche KWKG-Genehmigung auf ein bestimmtes Ausfuhrland und einen bestimmten Empfänger beziehen muß." Ebenso: D. Holthausen (MR im BMWi, Leiter des Referats Ζ Β 1 [Kriegswaffenrecht]), RIW 1987, 893 ff.; ders., NStZ 1988, 206 ff., 256 ff.; ders., NJW 1992, 34; H.-D. Spohn (RDir im BMWi, Referent im Referat Ζ Β 1), DWiR 1991, 263. Zu den Rechts- und Kontrollreferaten der Bundesministerien siehe Anhang S. 261.

182

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

tungsakzessorischen Strafbewehrung durch § 22a Abs. 1 Nr. 4 KWKG einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG dar 3 6 5 , das den Maßstab für die Auslegung von Strafnormen, d.h. auch der Verwaltungsstrafnormen wie § 22a KWKG bildet: Der mögliche Wortsinn ist jedenfalls in diesem Bereich die äußerste Grenze der zulässigen Auslegung 3 6 6 . Mag ein Verhalten im Vergleich zu den vom Wortlaut erfaßten Fällen auch ähnlich strafwürdig erscheinen, ist es gleichwohl alleinige Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob er die sich dadurch ergebende Lücke schließen will. Keinesfalls dürfen Judikative und Exekutive dieser Entscheidung vorgreifen, Art. 20 Abs. 3 GG 3 6 7 . c) Regelungsbedarf im KWKG? Indes stellt sich die Frage, ob die durch das KWKG angestrebte umfassende Kontrolle des Verkehrs mit Kriegswaffen nicht nur dann gewährleistet wird, wenn nicht nur die Beförderung, sondern auch die Ein-, Aus- und Durchfuhr als solche eigenständig genehmigungspflichtig sind. Dann müßte der Genehmigungstatbestand des § 3 Abs. 3 KWKG als sog. echter Aus368 fuhr(genehmigungs)tatbestand ausgestaltet werden 3 6 9 . Ableiten läßt sich diese Forderung aber nicht aus dem Verfassungsauftrag des Art. 26 Abs. 2 GG 3 7 0 , da dieser die in Rede stehenden Tatbestände lediglich über die inländische Beförderung und nicht selbständig erfaßt. Auch wenn der verfassungsrechtliche Genehmigungsvorbehalt eine umfassende Kontrolle des Umgangs mit Kriegswaffen anstrebt, ist dieses Ziel doch ausdrücklich auf die drei in Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG genannten Genehmigungstatbestände reduziert. 365 Ähnlich: B. Schünemann, Rechtsgutachten zur Vorlage vor der Wirtschaftsstrafkammer beim LG Düsseldorf vom 5.10.1983, S. 48 ff. - unveröffentlicht, zitiert nach D. Holthausen, NStZ 1988, 256 (257 f. - Fn. 24 i.V. mit NStZ 1988, 206 [Fn. 1]). 366

Vgl. BVerfGE 73, 206 (235); umfassend hierzu S. 89 ff.

367

Vgl. BVerfGE 73, 206 (236); umfassend hierzu S. 89 ff.

368

Terminologie nach: D. Holthausen, NStZ 1988, 206 (207).

369

S.o. die Nachweise zu Fn. 362-364, die schon nach der derzeitigen Fassung des § 3 Abs. 3 KWKG diesen als solchen qualifizieren; vgl. insbes. LG Düsseldorf, NStZ 1988, 231 (232) unter Berufung auf G. Potrykus, KWKG, § 3 Anm. 5 (S. 53), der aber selbst nur auf die Beförderungsgenehmigung nach § 3 Abs. 1 oder 2 KWKG für die Grenzüberschreitung abhebt, ohne ausdrücklich die Ausfuhr als eigenständig genehmigungspflichtig zu qualifizieren. 370 So deutlich: OLG Düsseldorf, NStZ 1987, 565 (566); LG Düsseldorf, NStZ 1988, 231 (232); D. Holthausen, RIW 1987, 893 (899); in diese Richtung gehend auch A. v. Bogdandy, VerwArch 1992, 53 (82).

II. Das Befördern

183

Eine selbständige Erfassung der Ein-, Aus- und Durchfuhr durch das KWKG steht mithin im gesetzgeberischen Ermessen, das aber erst betätigt werden muß, da der klare Wortlaut des Beförderungstatbestandes des § 3 Abs. 3 KWKG einer solchen Auslegung nicht zugänglich ist. Aus der Tatsache, daß das KWKG durch das Gesetz zur Verbesserung der Überwachung des Außenwirtschaftsverkehrs und zum Verbot von Atomwaffen, biologischen und chemischen Waffen vom 5.11.1990 3 7 1 entscheidend geändert und ergänzt sowie unter dem 22.11.1990 aufgrund der Ermächtigung des Art. 4 des vorgenannten Gesetzes überdies sogar neu bekanntgemacht wurde 3 7 2 , läßt sich jedenfalls der Schluß ziehen, daß der Gesetzgeber keinen Handlungsbedarf zur Änderung des § 3 Abs. 3 KWKG sah. Dies hat sicherlich seinen Grund darin, daß die Aufnahme des Verbots von ABC-Waffen das schon umfängliche Ziel dieser Novelle war. Gleichwohl ist diese Problematik des Verständnisses des § 3 Abs. 3 KWKG seit dem vielbeachteten Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 27.5.1986 3 7 3 bekannt und Gegenstand der juristischen Diskussion 3 7 4 . Daß der Gesetzgeber im Gegensatz zu außenwirtschaftsrechtlichen Klarstellungen im rüstungsrelevanten Bereich 3 7 5 bisher nicht tätig wurde, liegt aber schon daran, daß auch kein praktisches Bedürfnis für eine eigenständige Erfassung insbesondere der Ausfuhr von Kriegswaffen

371

BGBl. 1990 I, S. 2428.

372

BGBl. 1990 I, S. 2506.

373

LG Düsseldorf, NStZ 1988, 231 ff.

37 4

D. Holthausen, NStZ 1988, 206 ff., 256 ff.; ders., RIW 1987, 893 ff.; B. Schünemann, in: W. Krekeler/K. Tiedemann/K. Ulsenheimer/G. Weinmann, Handwörterbuch des Wirtschafts- und Steuerstrafrechts, Kriegswaffenkontrollgesetz, Anm. III. 3. c); ders., Rechtsgutachten zur Vorlage vor der Wirtschaftsstrafkammer beim LG Düsseldorf vom 5.10.1983, S. 95 ff. - unveröffentlicht, zitiert nach D. Holthausen, RIW 1987, 893 (894, Fn. 5); P. Selmer, Rechtsfragen des Regelungsgehalts kriegswaffenkontrollrechtlicher Beförderungs- und außenwirtschaftlicher Ausfuhrgenehmigungen - unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen unzutreffender Endverbleibsangaben des Antragstellers, Rechtsgutachten vom 15.8.1983, S. 23 ff. unveröffentlicht, zitiert nach D. Holthausen, RIW 1987, 893 (894, Fn. 4); J. Waldowski, Wehrtechnik, Heft 9/1983, 17 (18) (erschienene Literatur bis zur vorgenannten Novelle). 375 Um die Auslegungsprobleme zu beseitigen, die sich im Zusammenhang mit dem sog. Samarra-Fall aus der Systematik des § 7 AWG ergeben hatten (vgl. hierzu zum einen FG Kassel, NJW 1985, 1726 [1728] und V G Darmstadt, NJW 1988, 2198 [2199] und zum anderen HessVGH, NJW 1990, 2704 [2706] und BVerwG, DÖV 1992, 445 ff.), hat der Gesetzgeber unter Verweis auf die Unklarheiten (vgl. BR-Drs. 615/88, S. 8; BT-Drs. 11/7218, S. 4 [unter II. zu Art. 1 Nr. 3] und 12/487, S. 5) § 7 Abs. 2 AWG neu gefaßt (BGBl. 1990 I, S. 1457). Ebenso hat er in der gleichen AWG-Novelle beispielsweise auch nach seiner Ansicht bestehende Strafbarkeitslücken (§ 34 AWG a.F., vgl. hierzu BT-Drs. 11/7218, S. 5 und BR-Drs. 615/88, S. 6 und 12) geschlossen.

184

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

i m K W K G besteht. Sämtliche Ausführen von Kriegswaffen bedürfen nämlich - wie es § 6 Abs. 4 K W K G , der die Genehmigungspflichtigkeit nach anderen Gesetzen unberührt läßt, einräumt - auch einer spezifischen Ausfuhrgenehmigung nach dem A W G (§§ 7 Abs. 1, Abs. 2 N r . 1 lit. a; 2 A W G ; 5 Abs. 1 Satz 1 A W V )

376

, da alle Kriegswaffen der Kriegswaffenliste auch in Teil I

Abschnitt A der Ausfuhrliste eingestellt sind. Würde man § 3 Abs. 3 K W K G gleichwohl als Ausfuhrtatbestand qualifizieren wollen, hätte dies zwangsläufig zwei gleichlaufende, aber rechtlich selbständige zur Folge

378

377

Genehmigungsverfahren

. Daß dies nicht vom Gesetzgeber gewollt sein kann, folgt zum

einen daraus, daß sowohl das K W K G als auch das A W G gleichzeitig - beide datieren vom April 1961 3 7 9 - und beide unter maßgeblicher Beteiligung des Wirtschaftsausschusses

380

entstanden. Zum anderen wird das Genehmigungs-

verfahren nach dem A W G nicht wie im KWKG-Bereich von der Bundesregierung bzw. den zuständigen Bundesministern amt

382

381

, sondern vom Bundesausfuhr-

, also einer selbständigen Bundesoberbehörde

383

durchgeführt. Ange-

376 Die Durchfuhr von Kriegswaffen wird über § 38 A W V , die Einfuhr über §§ 23 ff. A W V erfaßt. 377 Dies betont auch der Parlamentarische Staatssekretär im BMWi Riedel in Beantwortung einer kleinen Anfrage der Fraktion Die Grünen, BT-Drs. 11/4564, namens der Bundesregierung in BT-Drs. 11/4928, S. 1 f.: "zwei rechtlich selbständige Genehmigungen". 378 So aber J. Beschorner, ZVglRWiss 90 (1991), 262 (269). I.E. ebenso D. Holthausen, NStZ 1988, 206 (208); ders., RIW 1987, 893 (899). 379 Das AWG stammt vom 28.4.1961 (BGBl. I, S. 481, 495, 1555), das KWKG stammt vom 20.4.1961 (BGBl. I, S. 444). 380 Vgl. zum KWKG: Beschluß des Bundestages in der 99. Sitzung der 3. Wahlperiode am 10.2.1960, Sten.Prot. S. 5422; BT-Drs. 3/2433 (Bericht des Berichterstatters Dahlgrün); federführend der Wirtschaftsausschuß, mitberatend der Rechtsausschuß. - Vgl. zum AWG: Beschluß des Bundestages in der 84. Sitzung der 3. Wahlperiode am 22.10.1959, Sten.Prot. S. 4564; BT-Drs. 3/2386 (Bericht des Berichterstatters Diebäcker); federführend der Außenhandelsausschuß, mitberatend der Wirtschaftsausschuß. 381 Gem. § 11 Abs. 1 und 2 KWKG i.V.m. § 1 der ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1.7.1961 (BGBl. I, S. 649) in der Fassung vom 1.4.1992 (BGBl. I, S. 376). 382

Die Zuständigkeit des Bundesausfuhramtes zur Genehmigungserteilung im Bereich der Warenaus - und Wareneinfuhr sowie des sonstigen Warenverkehrs ergibt sich aus § 28 Abs. 3 AWG i.V. mit § 1 Abs. 1 der Verordnung zur Regelung von Zuständigkeiten im Außenwirtschaftsverkehr vom 18.7.1977 (BGBl. I, S. 1308) in der Fassung der Änderung durch das Gesetz über die Errichtung eines Bundesausfuhramtes vom 28.2.1992 (BGBl. I, S. 376). Bis zur Errichtung des Bundesausfuhramtes, d.h. bis zum 1.4.1992, nahm diese Aufgabe das Bundesamt für (früher: gewerbliche) Wirtschaft wahr. 383 Im Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft, § 1 des Gesetzes über die Errichtung eines Bundesausfuhramtes vom 28.2.1992 (BGBl. I, S. 376).

II. Das Befördern

185

sichts dieses Befundes ist die These durchaus schlüssig, daß der Gesetzgeber eine derartige Doppelregelung nicht beabsichtigt haben kann: Dem Wortlaut der maßgeblichen KWKG- und AWG-Bestimmungen entsprechend erfaßt daher § 3 Abs. 3 KWKG den innerstaatlichen Beförderungsvorgang, während das AWG die Ausfuhr als solche genehmigungspflichtig erfaßt 3 8 4 . Damit aber wird schon eine umfassende Kontrolle des Umgangs mit Kriegswaffen gewährleistet, ohne daß es hierzu einer nicht mit dem Wortlaut in Einklang zu bringenden Auslegung des § 3 Abs. 3 KWKG als Ausfuhrtatbestand 3 8 5 oder einer Gesetzesänderung bedarf. Die eigentliche sedes materiae für die Ausfuhr ist das AWG, nicht aber das KWKG. Dem steht auch nicht, wie D. Holthausen einwendet, die verfassungsrechtliche Wertung des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG entgegen. Denn die Ausfuhr von Kriegswaffen als solche unterfällt selbst nicht dem verfassungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalt. Sie ist also auch nicht von Verfassungs wegen von der Genehmigung durch die Bundesregierung abhängig 3 8 6 , weshalb die eigentliche Ausfuhrkontrolle durchaus von dem Bundesausfuhramt als Genehmigungsbehörde wahrgenommen werden kann 3 8 7 . d) Ergebnis zu 3. Die Einfuhr, die Ausfuhr und die Durchfuhr sind weder nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG noch nach dem KWKG eigenständig genehmigungspflichtige Handlungen. Diese Vorgänge werden lediglich über die sowohl nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG als auch nach § 3 Abs. 3 KWKG über den danach genehmigungspflichtigen Realakt der Beförderung innerhalb des Bundesgebietes erfaßt. Nur insoweit ist es daher zulässig, die Einfuhr, die Ausfuhr und die Durchfuhr als Unterfälle des Beförderns zu qualifizieren 3 8 8 .

384

K. Pottmeyer, KWKG, § 3 Rn. 146; P. Selmer, Rechtsfragen des Regelungsgehalts kriegswaffenkontrollrechtlicher Beförderungs- und außenwirtschaftlicher Ausfuhrgenehmigungen - unter besonderer Berücksichtigung der Auswirkungen unzutreffender Endverbleibsangaben des Antragstellers, Rechtsgutachten vom 15.8.1983, S. 14 - unveröffentlicht, zitiert nach D. Holthausen, RIW 1987, 893 (894, Fn. 4; 899 Fn. 39); K. Tiedemann, in: Festschrift für Günter Spendei, S. 591 (600). 385

Nachweise in Fn. 361.

386

So aber wohl D. Holthausen, RIW 1987, 893 (899; entsprechend der damaligen Rechtslage wird noch auf das Bundesamt für Wirtschaft abgestellt, s.o. Fn. 382 f.). 387 388

K. Pottmeyer,

KWKG, § 3 Rn. 147.

Ohne diese Prämisse so: J. Beschorner, ZVglRWiss 90 (1991), 262 (269); Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 51.

186

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

4. Sonstiges Verbringen § 3 Abs. 3 KWKG erfaßt im übrigen noch die Beförderung im Falle des 'Auffangzwecks' 3 8 9 , des sonstigen Verbringens einer Kriegswaffe in das oder aus dem Bundesgebiet. Ebenso wie bei der Einfuhr, der Ausfuhr und der Durchfuhr ist wiederum nur der inländische Realakt der Beförderung genehmigungspflichtig 3 9 0 . Insofern ergibt sich daher ebenfalls kein Abweichen von der verfassungsrechtlichen Vorgabe. 5. Die Beförderung

außerhalb des Bundesgebietes

Im Gegensatz zur inländischen Beförderung von Kriegswaffen nach § 3 KWKG, die lediglich auf den Vorgang des Transports, nicht aber auf das Transportmittel abhebt, wird von § 4 KWKG die Beförderung von Kriegswaffen ohne Berührung des Bundesgebietes als genehmigungspflichtige Handlung erfaßt, sofern die Beförderung mit Seeschiffen, die die Bundesflagge führen, oder Luftfahrzeugen, die in die Luftfahrzeugrolle der Bundesrepublik eingetragen sind, erfolgen soll. a) Beförderungsmittel (1) Seeschiffe Wann Seeschiffe die Bundesflagge führen, bemißt sich nach dem Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flaggenführung der Binnenschiffe (Flaggenrechtsgesetz - FlaggenG) 3 9 1 . Nach der Legaldefinition des 389 Widersprüchlich insofern K. Pottmeyer, KWKG, § 3 Rn. 130, der, obgleich er § 3 Abs. 3 KWKG als Beförderungstatbestand qualifiziert, in dieser Variante des § 3 Abs. 3 KWKG von einem Auffangtatbestand für Handlungen spricht, in denen nicht ein Ein-, Aus- oder Durchfuhrtatbestand verwirklicht ist. Denn weder die Ein-, Ausund Durchfuhr noch die in Rede stehende vierte Variante des § 3 Abs. 3 KWKG sind eigenständige Genehmigungstatbestände. 390 Diese vierte 'Zweckvariante ' des § 3 Abs. 3 KWKG hatte seinerzeit (1961) Kriegswaffentransporte von und nach Westberlin und der DDR im Auge (BT-Drs. 3/1589, S. 15: "sowjetisch besetzte Zone"; R. Hinze, Waffenrecht, § 3 KWKG Anm. 7, 9; G. Potrykus, KWKG, § 3 Anm. 6 [S. 54: "sowjetische Besatzungszone"]; G. Potrykus /J. Steindorf, Waffenrecht, § 16 KWKG Anm. 2 d); K. Pottmeyer, KWKG, § 3 Rn. 130; J. Steindorf', in: G. Erbs/M. Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Κ 189. Ausführungsgesetz zu Artikel 26 Abs. 2 des Grundgesetzes, § 22 Anm. 2. d). In dieser Hinsicht hat diese letzte Variante des § 3 Abs. 3 GG durch die Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten am 3.10.1990 ihre Bedeutung verloren (ähnlich K. Pottmeyer, ebd.). 391

550).

Vom 8.2.1951 (BGBl. I, S. 79) in der Fassung vom 23.3.1989 (BGBl. I, S.

II. Das Befördern

187

§ 1 Abs. 1 FlaggenG sind Seeschiffe alle Kauffahrteischiffe und sonstige zur Seefahrt bestimmte Schiffe. Ohne auf den überkommenen, sich gleichwohl in Art. 27 GG widerspiegelnden Begriff des Kauffahrteischiffs 3 9 2 eingehen zu müssen, sind die Seeschiffe jedenfalls von den Binnenschiffen sowohl nach der amtlichen Überschrift des FlaggenG als auch nach dem Anwendungsbereich des § 4 Abs. 1 KWKG - Beförderung außerhalb des Bundesgebietes - zu trennen, da ein Binnenschiff regelmäßig nur der Fahrt auf Binnengewässern dient. Gleichwohl ist allein die gegenwärtige Verwendung maßgeblich, da beispielsweise der aus der Bauart ersichtlichen ursprünglichen Bestimmung oder der Eintragung in das Seeschiffahrtsregister (§ 13a FlaggenG) in tatsächlicher Hinsicht nur indizielle Bedeutung zukommt 3 9 3 . Zur Flaggenführung verpflichtet sind gem. § 1 Abs. 1 des FlaggenG alle Seeschiffe, deren Eigentümer Deutsche sind und ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben. Gleiches gilt dann, wenn Eigner eines Seeschiffes eine OHG oder eine KG mit Sitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes ist, sofern die Mehrheit sowohl der persönlich haftenden Gesellschafter als auch der zur Geschäftsführung und Vertretung berechtigten Gesellschafter aus Deutschen besteht und außerdem die deutschen Gesellschafter nach dem Gesellschaftsvertrag die Mehrheit der Stimmen haben (§ 1 Abs. 2 lit. a FlaggenG). Entsprechendes gilt auch für juristische Personen, wenn Deutsche im Vorstand oder in der Geschäftsführung die Mehrheit haben (§ 1 Abs. 2 lit. b FlaggenG). Hingegen dürfen im Sinne einer Berechtigung auch solche Seeschiffe die Bundesflagge führen, deren Eigentümer Deutsche ohne Wohnsitz im Geltungsbereich der Bundesrepublik sind (§ 2 Abs. 1 FlaggenG) sowie Seeschiffe, die im Eigentum von bestimmten Partenreedereien und Erbengemeinschaften stehen (§ 2 Abs. 2 FlaggenG). Das Recht zur Führung der Bundesflagge gemäß §§ 1 und 2 FlaggenG ist trotz der Verpflichtung in den Fällen des § 1 FlaggenG von dem konstitutiven Akt der Erteilung des Schiffszertifikats (§ 3 Abs. 1 FlaggenG), eines Flaggenzeugnisses (§ 3 Abs. 3 FlaggenG) oder einer Flaggenbescheinigung (§ 4

392 Ebenso D. Dörr, Die Deutsche Handelsflotte und das Grundgesetz, S. 41, der ausführlich diesen Begriff aus seiner historischen Komponente heraus untersucht (S. 39 ff.; ebenso G. Hoog, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 27 Rn. 4); E. Beckert/G. Breuer, Öffentliches Seerecht, Rn. 453, und Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/ Herzog/Scholz, Art. 27 Rn. 17, definieren diesen Begriff als Handelsschiff. 393 D. Dörr, Die Deutsche Handelsflotte und das Grundgesetz, S. 42; eingehend: G. Schaps/H.J. Abraham, Das deutsche Seerecht, Band 1, S. 231 ff. (Anm. 13).

188

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

Abs. 1 und 2 FlaggenG) abhängig 3 9 4 . Ausgenommen davon sind Seeschiffe i.S. des § 1 FlaggenG, deren Bruttoraumgehalt 50 Kubikmeter nicht übersteigt (§ 5 FlaggenG) 3 9 5 . Neben dem letztgenannten Fall, in dem ausnahmsweise die materielle Flaggenführungspflicht und die formelle Befugnis zur Ausübung des Flaggenrechts zusammenfallen 3 9 6 , unterfallen alle Seeschiffe, die nach dem FlaggenG die materielle (§§ 1 und 2 FlaggenG) und die formelle Berechtigung ( § § 3 - 5 FlaggenG) zur Flaggenführung haben, dem Genehmigungstatbestand des § 4 Abs. 1 KWKG, sofern sie Kriegswaffen außerhalb des Bundesgebietes befördern wollen. (2) Luftfahrzeuge Luftfahrzeuge sind nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 des Luftverkehrsgesetzes (LuftVG) 3 9 7 Flugzeuge, Drehflügler, Luftschiffe, Segelflugzeuge, Motorsegler, Frei- und Fesselballone, Drachen, Fallschirme, Flugmodelle und sonstige für die Benutzung des Luftraums bestimmte Geräte, insbesondere Raumfahrzeuge, Raketen und ähnliche Flugkörper. Davon sind in die Luftverkehrsrolle ausschließlich nur Flugzeuge, Drehflügler, Luftschiffe und Motorsegler eintragungsfähig und von Amts wegen auch eintragungspflichtig, sofern die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 LuftVG erfüllt sind (§ 14 Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung - LuftVZO 3 9 8 ) . Entsprechend den Eigentums- und Verfügungs- bzw. Kontroll Verhältnissen bei den vorgenannten Seeschiffen verlangt § 3 Abs. 1 LuftVG, daß die eintragungsfähigen Luftfahrzeuge im ausschließlichen Eigentum deutscher Staatsangehöriger stehen. Gleichgestellt sind juristische Personen und Gesellschaften des Handelsrechts mit dem Sitz im Inland, sofern das überwiegende Vermögen oder Kapital sowie die tatsächliche Kontrolle darüber deutschen Staatsangehörigen zusteht und die Mehrheit der Vertretungsberechtigten oder persönlich haftenden Personen deutsche Staatsangehörige sind. 394

D. Dörr, Die Deutsche Handelsflotte und das Grundgesetz, S. 67.

395

Zu den Ausnahmen wie im Fall der Überlassung an einen Ausrüster, der nicht Deutscher ist oder seinen Wohnsitz oder Sitz nicht im Geltungsbereich des Grundgesetzes hat, zur Bereedung im eigenen Namen und der Verleihung der Flaggenführungsbefugnis wie im Fall der Überführung vgl. §§ 7, 10, 11 FlaggenG. 396

D. Dörr, Die Deutsche Handelsflotte und das Grundgesetz, S. 67.

397

Vom 1.8.1922 (RGBl. I, S. 681) in der Fassung vom 23.1.1992 (BGBl. II, S.

178). 398

904).

Vom 19.6.1964 (BGBl. I, S. 370) in der Fassung vom 15.4.1991 (BGBl. I, S.

II. Das Befördern

189

Solange also die vier eintragungsfälligen und -Pflichtigen Kategorien von Luftfahrzeugen in der Luftfahrzeugrolle eingetragen sind, bedürfen sie einer Genehmigung nach § 4 Abs. 1 KWKG, wenn sie außerhalb des deutschen Bundes-gebietes Kriegswaffen befördern sollen. (3) Ergebnis zu a) Für die Genehmigungspflichtigkeit nach § 4 Abs. 1 KWKG ist im Hinblick auf das Beförderungsmittel somit allein maßgeblich, ob die Seeschiffe die Bundesflagge führen müssen oder von ihrem Recht, diese zu führen, Gebrauch machen und die Luftfahrzeuge in die Luftfahrzeugrolle eingetragen sind 3 " . Da die Eintragung in die Luftfahrzeugrolle u.a. auch die Pflicht begründet, das Staatszugehörigkeitszeichen zu führen 4 0 0 , ist es zulässig, die Beförderungsmittel i.S. des § 4 Abs. 1 KWKG auch vereinheitlichend und vereinfachend als die das deutsche Hoheitszeichen führenden Seeschiffe und Luftfahrzeuge zu bezeichnen. b) Außerhalb des Bundesgebietes Eine Erfassung durch § 4 KWKG findet nur dann statt, wenn sich die Beförderung der Kriegswaffe außerhalb des Bundesgebietes vollzieht. Die zu transportierende Kriegswaffe ist also zum einen außerhalb des Bundesgebietes ein- und auszuladen und darf zum anderen auch nicht durch das Bundesgebiet durchgeführt werden, darf es also nicht berühren. Denn dann läge eine inländische Beförderung in Form der Durchfuhr vor, die dann auschließlich nach § 3 Abs. 3 KWKG zu genehmigen ist. Über die nach § 3 Abs. 3 KWKG genehmigungspflichtige Beförderung würde im Durchfuhr-Fall der von Art. 26 Abs. 2 GG und dem KWKG intendierte Kontrollmechanismus nämlich schon gewährleistet. Eine solche Durchfuhr liegt bei Seeschiffen bereits dann vor, wenn das bundesdeutsche Küstenmeer berührt wird. Gemäß Art. 1 Abs. 1 des Genfer Übereinkommens über das Küstenmeer und die Anschlußzone (sog. Küstenmeerkonvention) 4 0 1 erstreckt sich die Souveränität eines Staates über das Hoheitsgebiet zu Lande und seine Binnengewässer hinaus auf einen an seine Küste grenzenden Meeresstreifen, der als Küstenmeer bezeichnet wird, unter

399

Ebenso: K. Pottmeyer,

KWKG, § 4 Rn. 8.

400

R. Schmid , in: E. Giemulla/R. Schmid/U. Lau/W. Müller-Rostin, Luftverkehrsgesetz Kommentar, § 3 Rn. 1; vgl. § 2 Abs. 6 LuftVG, § 15 Nr. 2 LuftVZO. 401

UNTS Band 516, S. 205.

190

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

Einschluß des darüber befindlichen Luftraums und des darunter liegenden Meeresgrundes und Meeresuntergrundes (Art. 2 der Küstenmeerkonvention). Die Küstenmeerkonvention, fortgeschrieben durch das UN-Seerechtsübereinkommen

402

, kodifiziert damit den völkergewohnheitsrechtlich geltenden Satz,

daß das Küstenmeer als Teil des Staatsgebietes anzusehen ist Frage der Breite des Küstenmeeres

404

403

. Ohne auf die

eingehen zu müssen, hat die Bundesre-

publik ihr Küstenmeer mit Beschluß der Bundesregierung vom 12.11.1984 im Bereich der Deutschen Bucht auf bis zu 16 Seemeilen (sm) ausgedehnt

405

, um

in der Lage zu sein, Tankerunfällen in diesem vielbefahrenen Bereich begegnen zu können. I m übrigen beansprucht sie weiterhin nur eine 3-SeemeilenZone

406

.

Bei Luftfahrzeugen liegt bereits dann eine nicht mehr nach § 4 Abs. 1 K W K G , sondern auschließlich nach § 3 Abs. 3 K W K G genehmigungspflichtige Beförderung vor, wenn der deutsche Luftraum berührt wird. Das Staatsgebiet umfaßt nämlich nicht nur den geographisch gekennzeichneten Gelän-

402 Art. 2 der 'United Nations Convention on the Law of the Sea', U N Doc. A/Conf. 62/122 and Correction, I L M 1982, 1261 (derzeit noch nicht in Kraft; die Bundesrepublik hat die Konvention nicht unterzeichnet; vgl. hierzu Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, Vor § 47 Rn. 7 f.). 403

Ch. Gloria , in: Κ. Ipsen, Völkerrecht, § 48 Rn. 1; I. Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rn. 1204; A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, § 1069 (an Fn. 1). 404 Vgl. hierzu Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 48 Rn. 3 ff. Die weitaus größte Zahl der Staaten beansprucht heute eine 12-Seemeilen-Zone (110 Staaten 1989; so auch Art. 4 SRÜ), wobei streitig ist, ob angesichts dieser großen Akzeptanz der 12-Seemeilen-Zone sich insofern schon Völkergewohnheitsrecht gebildet hat, so: D. Dörr, Die deutsche Handelsflotte und das Grundgesetz, S. 120 (Fn. 208 m.w.N.); a.A. Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 48 Rn. 5; A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, § 1071. 405 Völkerrechtlich läßt sich die Ausdehnung über die 12-sm-Zone für die Deutsche Bucht durch eine sinn- und zweckentsprechende Anwendung der Völkergewohnheitsrecht kodifizierenden Bestimmungen für Reeden in Art. 9 der Küstenmeerkonvention und Art. 12 SRÜ rechtfertigen; hierzu: J. Kokott/L. Gündling, ZaöRV 1985, 675 ff.; R. Wolfrum, AVR 24 (1986), 247 (256 ff.); S. Petersen, Deutsches Küstenrecht, Rn. 29 (S. 50). 406 BGBl. 1984 I, S. 1366; dort Festlegung in Koordinatenangaben im EuropaDatum unter ausdrücklicher Betonung "der gegenwärtigen 3-sm-Grenze des Küstenmeeres der Bundesrepublik"; der Beschluß trat am 16.3.1985 in Kraft. Er wurde mit den schwierigen und gefährlichen Verkehrsverhältnissen in dem dicht befahrenen Seegebiet südlich und östlich von Helgoland bis zu der nördlich der Inseln Baltrum und Langeoog gelegenen Tiefwasserreede begründet, die angesichts der dort zahlreichen 'Beinahe-Unfälle' eine klare und eindeutige Verkehrsregelung verlangten, die nicht durch die internationalen Regeln für den Schiffsverkehr gewährleistet würden, vgl. Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 16.11. 1984, Nr. 140, S. 1233.

191

II. Das Befördern

deteil, sondern auch den darüber befindlichen Luftraum

407

. Art. 1 des Ab-

kommens über die Zivilluftfahrt (sog. Chicagoer Abkommen)

408

hat daher

auch den schon völkergewohnheitsrechtlich geltenden Satz kodifiziert, daß jeder Staat über seinem Hoheitsgebiet die volle und ausschließliche Lufthoheit besitzt

409

. Die Lufthoheit erstreckt sich somit nicht nur auf den Luftraum

über dem bundesrepublikanischen Hoheitsgebiet zu Lande, sondern gem. § 2 der vorgenannten Küstenmeerkonvention und Art. 2 des Chicagoer Abkommens 4 1 0 auch auf den Luftraum über dem beschriebenen bundesrepublikanischen Küstenmeer.

c) Extraterritorialer Geltungsbereich? Indem § 4 Abs. 1 K W K G Beförderungen außerhalb des Bundesgebietes

411

der Genehmigungspflicht unterwirft, stellt sich die Frage der völkerrechtlichen Zulässigkeit dieser Regelung.

407 V. Epping, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 5 Rn. 4; R. Wolfrum, in: I. SeidlHohenveldern, Lexikon des Rechts, Völkerrecht, S. 201 ("Luftraum'); O. Kimminich, Einführung in das Völkerrecht, S. 148. 408 409

BGBl. 1956 II, S. 411.

H. Fischer, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 51 Rn. 11; A. Verdross/B. Universelles Völkerrecht, § 1050.

Simma,

410

Das Chicagoer Abkommen verwendet den Terminus 'Küstenmeer' noch nicht, sondern den Begriff 'und angrenzende Hoheitsgewässer'. 411

Damit hat der KWKG-Gesetzgeber zugleich die verbreitete These verworfen, daß Schiffe und Luftfahrzeuge frei bewegliche Stücke des Staatsgebietes seien; so aber noch der StIGH im 'Lotus-Fall', PCIJ Ser. Α., No. 10 (1927), 1 (25), der ausführte, daß Ereignisse an Bord eines Schiffes auf Hoher See so angesehen werden müßten, als seien sie auf dem Territorium des Staates vorgenommen, dessen Flagge das Schiff zu führen berechtigt sei; ebenso beispielsweise: J. Abraham, Das Seerecht, § 7 I V (S. 54); Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 27 Rn. 24; weitere Nachweise bei C.J. Colombos, International Law of the Sea, S. 232 ff. Th. Maunz (ebd., unter wörtlicher Zitierung von A. Ross, Lehrbuch des Völkerrechts, S. 141) seinerseits räumt in bezug auf Schiffe schon selbst ein: "Das schwimmende Staatsgebiet unterscheidet sich vom geographischen nur dadurch, daß weder der Luftraum über ihm noch die es umgebenden Meeresteile zum Seegebiet gehören." Zudem läßt sich diese Auffassung (u.a.) nicht mit dem völkerrechtlichen Befund in Einklang bringen, daß Schiffe in ausländischen Häfen ebenso wie Flugzeuge auf ausländischen Flughäfen ausschließlich der Gebietshoheit des ausländischen Staates unterstehen. Instruktiv hierzu: D. Dörr, Die deutsche Handelsflotte und das Grundgesetz, S. 53 ff.; J. Wille, Die Verfolgung strafbarer Handlungen an Bord von Schiffen und Luftfahrzeugen, S. 22 (unter Verweis auf die Materialien zu § 5 StGB von 1927, die Schiffe und Luftfahrzeuge nach einem alten anerkannten Grundsatz des Völkerrechts als wandernde Bestandteile des Heimatstaates darstellen), S. 28 ff.

192

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

(1) Geltung der deutschen Rechtsordnung auf Seeschiffen I m Hinblick auf die auf der Hohen See befindlichen Schiffe übt der Flaggenstaat auf allen seine Flagge rechtmäßig führenden Schiffen die ausschließliche Hoheitsgewalt aus, wie bereits der S t I G H im 'Lotus-Fall

festge-

stellt hatte 4 1 2 . Diesen völkergewohnheitsrechtlich anerkannten Rechtssatz hat das Genfer Übereinkommen über die Hohe See

414

413

in den Art. 4 - 7 und

das UN-Seerechtsübereinkommen (SRÜ) in Art. 90 - 92 und 94 kodifiziert

415

.

Gem. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 des Genfer Übereinkommens über die Hohe See besitzen Schiffe die Staatszugehörigkeit

416

des Staates, dessen Flagge sie zu

führen berechtigt sind. Die Regelung der Staatszugehörigkeit von Schiffen ist somit als innerstaatliche Angelegenheit ausgestaltet (vgl. auch § 5 Abs. 1 Satz 1 des Genfer Übereinkommens über die Hohe See 4 1 7 ) , die die Bundesrepublik durch das FlaggenG ausgefüllt hat. Die nach § 5 Abs. 1 Satz 3 des Genfer Übereinkommens über die Hohe See (ebenso wie Art. 91 Abs. 1 Satz 3 S R Ü ) erforderliche echte Verbindung ('genuine link') zwischen Schiff und Flaggenstaat hat die Bundesrepublik durch die Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit des/der Eigner jedenfalls erfüllt 412

418

, so daß es keines Nachge-

PCU Ser. A, No. 10 (1927), 1 (25).

413

R. Wolfrum, in: Bonner Kommentar, Art. 27 Rn. 3; D. Dörr, Die deutsche Handelsflotte und das Grundgesetz, S. 49 f., 56; wohl auch Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 49 Rn. 10. 414

BGBl. 1972 II, S. 1091.

415

Deutlich insofern die Präambel des Genfer Übereinkommens über die Hohe See: "...im wesentlichen als Feststellung geltender Grundsätze des Völkerrechts ...". 416 In der amtlichen Übersetzung (BGBl. 1972 II, S. 1091) wird der Begriff 'Staatsangehörigkeit' verwendet; ebenso: I. Seidl-Hohenveldern, in: H. Neuhold/W. Hummer/Ch. Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Band 1, Rn. 642; ders., Völkerrecht, Rn. 1352; Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 27 Rn. 24; hierzu auch L. Gündling, in: I. Seidl-Hohenveldern, Lexikon des Rechts, Völkerrecht, S. 282 ('Schiffe'). 417 Danach legt nämlich jeder Staat die Bedingungen fest, zu denen er Schiffen seine Staatszugehörigkeit gewährt, sie in seinem Hoheitsgebiet in das Schiffsregister einträgt und ihnen das Recht einräumt, seine Flagge zu führen. 418

In Anlehnung an das Urteil des IGH im 'Nottebohm-Fall' (ICJ Rep. 1955, 4 [26]) wird gefordert, daß ein 'genuine link' - wie in Art. 5 Abs. 1 S. 3 der Konvention über die Hohe See - zwischen dem Seeschiff und dem Flaggenstaat besteht. In seinem Urteil vertrat der IGH die Ansicht, daß sich die Staatsangehörigkeit eines Menschen nicht ausschließlich nach den Gesetzen des Staates richte, sondern eine effektive Verknüpfung zwischen dem Staatsangehörigen und seinem Staat erforderlich sei. Vgl. in diesem Sinne und die insofern ausreichende Anknüpfung an die Eigner im FlaggenG bejahend: E. Beckert/G. Breuer, Öffentliches Seerecht, Rn. 452 ff. (u.a. auch Verweis auf das auf Betreiben der UNCTAD am 7.2.1986 abgeschlossene

193

II. Das Befördern

hens der streitigen Frage bedarf, ob im Hinblick auf die sog. 'billigen Flaggen' diese Voraussetzung überhaupt völkerrechtliche Geltung hat

419

.

Nach Maßgabe des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 des Genfer Übereinkommens über die Hohe See, der die Seeschiffe der ausschließlichen Hoheitsgewalt des Flaggenstaates unterstellt

42

° , unterstehen die unter deutscher Flagge fahrenden

Seeschiffe somit der deutschen Hoheitsgewalt. D . h . , mit der Verleihung der Berechtigung der Flaggenführung nach dem FlaggenG wird das Seeschiff der deutschen Rechtsordnung, mithin auch dem K W K G und dem Grundgesetz unterworfen

421

. Dies gilt für die Hohe See grundsätzlich uneingeschränkt

422

und hat seinen Grund u.a. darin, daß die Schiffe ansonsten auf Hoher See keiner Rechtsordnung unterliegen würden

423

.

Übereinkommen über die Bedingungen der Registrierung von Schiffen - United Nations Convention on Conditions for Registration of Ships, U N Doc. TD/RS/CONF/23 vom 13.3.1986 = I L M 26 [1987], 1236, vgl. auch D.D. Caroti, in: EPIL, Band 11 [1989], S. 289 [291 f.]); Ch. Gloria, in: Κ. Ipsen, Völkerrecht, § 49 Rn. 5; G. Hoog, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 27 Rn. 5; I.v. Münch, Internationales Seerecht, S. 83; W. Schwenk, Z L W 1965, 195 (199 f.); A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, § 1129; R. Wolfrum, in: Bonner-Kommentar, Art. 27 Rn. 3 f.; vgl. auch D.P. O'Connell, The International Law of the Sea, Band 2, S. 760 f. 419 D. Dörr, Die Deutsche Handelsflotte und das Grundgesetz, S. 58 ff.; wohl auch L. Gündling, in: I. Seidl-Hohenveldern, Lexikon des Rechts, Völkerrecht, S. 282 ('Schiffe'); D.P. O'Connell, The International Law of the Sea, Band 2; S. 757 ff.; /. Seidl-Hohenveldent, Völkerrecht, Rn. 1353; ders., in: H. Neuhold/W. Hümme r/Ch. Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Band 1, Rn. 642, jeweils unter Verweis auf das Rechtsgutachten des IGH im sog. 'IMCO-Fall' (ICJ Rep. 1960, 150 [170 f.]), in dem der IGH lediglich auf die Größe der unter der Flagge registrierten Tonnage abstellte, ohne sich mit der Frage des 'genuine link' auseinanderzusetzen, sondern vielmehr die unter den 'Billig-Flaggen' fahrenden Schiffe Liberias und Panamas als liberianische und panamesische Schiffe qualifizierte und damit das Fehlen eines 'genuine link' für unbeachtlich hielt. 420

Ebenso Art. 92 SRÜ.

421

Nicht ohne Grund verlangt Art. 5 Abs. 1 S. 3, 2. HS des Genfer Übereinkommens über die Hohe See, daß der Staat über die seine Flagge führenden Schiffe seine Hoheitsgewalt und seine Kontrolle in technischen, sozialen und Verwaltungsangelegenheiten tatsächlich ausführen muß. 422 So schon der StIGH im 'Lotus-Fall', PCU Ser. Α., No. 10 (1927), 1 (25); D. Dörr, Die deutsche Handelsflotte und das Grundgesetz, S. 55; Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 49 Rn. 10; A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, § 1129. 423 E. Beckert/G. Breuer, Öffentliches Seerecht, Rn. 451; L. Gündling, in: I. Seidl-Hohenveldern, Lexikon des Rechts, Völkerrecht, S. 282 ('Schiffe'); W. Schwenk, Z L W 1965, 195 (200); J. Wille, Die Verfolgung strafbarer Handlungen an Bord von Schiffen und Luftfahrzeugen, S. 28. 13 Epping

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

194

I m Hoheitsgebiet fremder Staaten, die das deutsche Seeschiff im Rahmen der tatbestandsmäßigen Handlung nach § 4 Abs. 1 K W K G zur Ein- und Ausladung der Kriegswaffe aufsuchen muß (Küstenmeer), ist das Seeschiff hingegen grundsätzlich der Rechtsordnung des betreffenden Staates unterworfen

424

. Dabei erfährt aber die küstenstaatliche Souveränität eine erhebliche

Einschränkung durch das ebenfalls völkergewohnheitsrechtlich Recht auf friedliche Durchfahrt

425

, das seine Kodifizierung in Art. 14 ff. der

Küstenmeerkonvention und in Art. 17 ff. S R Ü erfahren hat der Schiffahrtsfreiheit

anerkannte

426

. Zugunsten

sind die Hoheitsbefugnisse des Küstenstaates stark

eingeschränkt. Treffend ist daher der Konflikt zwischen den Hoheitsbefugnissen des Flaggen- und des Küstenstaates so zu umschreiben, daß der Flaggenstaat eine fortdauernde, aber eingeschränkte Jurisdiktion, während der Küstenstaat seine Jurisdiktion zwar umfassend, aber nicht unbegrenzt ausübt

427

.

Die deutsche Rechtsordnung hat daher auf allen Seeschiffen, die die bundesrepublikanische Flagge berechtigterweise führen, sowohl auf Hoher See oder im Küstenmeer grundsätzlich Geltung

428

.

42 4 E. Beckert/G. Breuer, Öffentliches Seerecht, Rn. 464; D. Dörr, Die deutsche Handelsflotte und das Grundgesetz, S. 123, 124; Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 48 Rn. 11.

425 Ygj hierzu Art. 1 Abs. 2 der Küstenmeerkonvention, wonach der Küstenstaat verpflichtet ist, seine Souveränität nur nach Maßgabe der Bestimmungen der Konvention und anderer Regeln des Völkerrechts auszuüben. 426 D. Dörr, Die deutsche Handelsflotte und das Grundgesetz, S. 120 ff.; Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 48 Rn. 11 ff.; A. Verdross/B. Simma, Universelles Völkerrecht, §§ 1022, 1074 f. 427

So deutlich Ch. Gloria, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 48 Rn. 11; ebenso D. Dörr, Die deutsche Handelsflotte und das Grundgesetz, S. 123 f.; S. 138 ff. m.w.N. zur Einschränkung der Gebietshoheit bei 'inneren Angelegenheiten' fremder Schiffe, der unter Aufarbeitung der Staatenpraxis dies zutreffend als eine Courtoisie ansieht (S. 140 m.w.N.); in diesem Sinn auch 1. Brownlie, Principles of Public International Law, S. 317 ff.; D.P. O'Connell, International Law of the Sea, S. 612; W. Schwenk , Z L W 1965, 195 (201); i. E. ebenso: E. Beckert/G. Breuer, Öffentliches Seerecht, Rn. 465; J. Wille, Die Verfolgung strafbarer Handlungen an Bord von Schiffen und Luftfahrzeugen, S. 30 f.; H. Krüger, in: Wörterbuch des Völkerrechts, Band III, S. 247 f; D. Oehler, Internationales Strafrecht, Rn. 426. 428 Vgl. nur: Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 27 Rn. 24; /. Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rn. 1352; L. Gündling, in: I. Seidl-Hohenveldern, Lexikon des Rechts - Völkerrecht, S. 282 ('Schiffe'); J. Wille, Die Verfolgung strafbarer Handlungen an Bord von Schiffen und Luftfahrzeugen, S. 30 f.; D. Dörr, Die deutsche Handelsflotte und das Grundgesetz, S. 124, 268 - ausdrücklich für bordinterne Vorgänge; H.J. Abraham, Das Seerecht, § 4, 4. (S. 33) sowie zwangsläufig auch alle anderen Autoren, die Schiffe als schwimmende Gebietsteile des Staates qualifizieren. Dies gilt unabhängig von der dogmatischen Konstruktion der sog. Flaggenhoheit als Teil der Personalhoheit oder der Territorialhoheit ("schwimmender Teil des Staatsgebiets"; s.o. Fn. 411) oder als eigenständige Form staatlicher Souveränität; zu dieser Frage vgl. nur: D. Dörr, Die deutsche Handelsflotte und das Grundgesetz, S.

II. Das Befördern

195

(2) Geltung der deutschen Rechtsordnung in Luftfahrzeugen Ahnlich der Regelung bei den Seeschiffen haben Luftfahrzeuge gem. Art. 17 des Abkommens über die Internationale Zivilluftfahrt (sog. Chicagoer Abkommen) 4 2 9 die Staatszugehörigkeit des Staates, in dem sie eingetragen sind. Die Regelung der Staatszugehörigkeit von Luftfahrzeugen ist daher ebenfalls als innerstaatliche Angelegenheit ausgestaltet. Die Eintragung vollzieht sich gem. Art. 19 des Chicagoer Abkommens nach den Gesetzen und Vorschriften der Vertragsstaaten, in der Bundesrepublik also nach dem LuftVG und der LuftVZO. Mit der Eintragung in die Luftverkehrsrolle der Bundesrepublik erlangt das Luftfahrzeug somit die deutsche Staatszugehörigkeit und wird damit der deutschen Rechtsordnung unterworfen 4 3 0 . Völkergewohnheitsrechtlich übt der Eintragungsstaat die ausschließliche Gerichtsbarkeit über die bei ihm registrierten Luftfahrzeuge aus, solange sie sich auf seinem Gebiet, über der Hohen See oder über staatenlosem Gebiet befinden. Auf dem Territorium und im Luftraum anderer Staaten gilt hingegen die Jurisdiktion dieser Staaten 4 3 1 . Wenngleich ein dem Recht auf friedliche Durchfahrt entsprechendes Recht auf friedlichen Durchflug nicht existiert, so geht doch u.a. das Chicagoer Abkommen ebenso wie das Abkommen über strafbare und bestimmte andere an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen (sog. Abkommen von Tokio) 4 3 2 davon aus, daß auch im Luftraum anderer Staaten Hoheitsbefugnisse des Eintragungsstaates bestehen, was seinen sachlichen Grund sicherlich auch darin hat, daß sich der Begehungsort in großer Höhe und mit großer Geschwindigkeit oftmals gar nicht feststellen läßt 4 3 3 .

50 ff.; I.v. Münch, Internationales Seerecht, 81 ff.; J. Wille, Die Verfolgung strafbarer Handlungen an Bord von Schiffen und Luftfahrzeugen, S. 27 ff., jeweils m.w.N. 429

BGBl. 1956 II, S. 411.

430

So deutlich H. Fischer, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 51 Rn. 37: "Mit der Verleihung der Staatszugehörigkeit gelangt der verleihende Staat hinsichtlich des Luftfahrzeugs ähnlich wie bei Schiffen in eine Rechte- und Pflichtenstellung. ..."; ebenso: I Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rn. 1352; K. Lenzen, JR 1983, 181 (182 f.); G. Hafner, in: H. Neuhold/W. Hummer/Ch. Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Band 1, Rn. 1997; J. Wille, Die Verfolgung strafbarer Handlungen an Bord von Schiffen und Luftfahrzeugen, S. 30 f. m.w.N.; W. Schwenk, ZLW 1965, 195 (201); ders., Z L W 1970, 130; ders., Z L W 1986, 294 (295).. 431 Vgl. nur: H Fischer, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 51 Rn. 37, 52; M. Milde, in: EPIL, Band 11 (1989), S. 23; G. Hafner, in: H. Neuhold/W. Hummer/Ch. Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Band 1, Rn. 1879. 432

BGBl. 1969 II, S. 121.

433

H. Tröndle,

in: Leipziger Kommentar zum StGB, § 4 Rn. 2.

196

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

Das letztgenannte Abkommen verpflichtet durch Art. 3 Abs. 2 die Vertragsstaaten als Eintragungsstaaten, die Gerichtsbarkeit über Straftaten auszuüben, die an Bord der bei ihnen eingetragenen Luftfahrzeuge begangen wurden. Eine territoriale Begrenzung der Jurisdiktion des Eintragungsstaates findet insoweit folglich nicht statt. Wenn das Chicagoer Abkommen die Vertragsstaaten verpflichtet, eine möglichst weitgehende Sicherheit des internationalen Luftverkehrs beispielsweise durch die Befolgung der jeweils geltenden Luftverkehrsregeln (Art. 12), der Lufttüchtigkeit des Luftfahrtgeräts (Art. 31) und des Luftfahrtpersonals (Art. 32) hinsichtlich der bei ihnen eingetragenen Luftfahrzeuge zu gewährleisten, so wird zwar zunächst der Eintragungsstaat mit der Eintragung des Luftfahrzeugs der verantwortliche Adressat für die Erfüllung der (u.a.) vorgenannten völkerrechtlichen Verpflichtungen. Diese kann er aber nur erfüllen, wenn ihm die hierzu erforderlichen Hoheitsrechte - gegebenenfalls auch neben den territorial begründeten anderer Staaten - erhalten bleiben 4 3 4 . Gem. Art. 5 des Chicagoer Abkommens genießen Flugzeuge der Vertragsstaaten im nicht-planmäßigen Fluglinienverkehr überdies das Recht, ohne die Einholung einer vorherigen Erlaubnis in das Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates einzufliegen oder es ohne Aufenthalt zu durchfliegen und dort nichtgewerbliche Landungen vorzunehmen. Ebenso gewährt das Zusatzabkommen, die Vereinbarung über den Durchflug im Internationalen Fluglinienverkehr 4 3 5 , der lediglich aufgrund der Anzahl ihrer Vertragsparteien 4 3 6 eine beschränkte Aussagekraft zukommt 4 3 7 , auch das - wenngleich einschränkbare Recht zum freien Überflug ohne Landung und das Recht der Landung zu nicht-gewerblichen Zwecken (Art. I Abschnitt 1 Satz 1). Dem Territorialitätsprinzip entsprechend gilt daher für das ausländische Luftfahrzeug die Rechtsordnung des Staates, in dem es sich befindet, subsidiär aber auch die Rechtsordnung des Eintragungsstaates 4 3 8 . Daher verzichtet regelmäßig der ausländische Staat - ähnlich der gleichgelagerten Staatenpraxis 434

Ebenso: H.-H. Jescheck, Strafrecht, Allgemeiner Teil, 4. Aufl., S. 150 (unter

2.)· 435 Das Abkommen über den Durchflug im Internationalen Fluglinienverkehr (BGBl. 1956 II, S. 442). 436 98 Vertragsparteien (BGBl. II, Fundstellennachweis Β vom 31.1.1992, Stand: 31.12.1991). 437 Vgl. nur: H. Fischer, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 51 Rn. 6, der zutreffend darauf hinweist, daß die Gewährung und Ausgestaltung von Freiheiten für den internationalen gewerblichen Fluglinienverkehr bilateral erfolgt ist. 438 W. Schwenk, ZLW 1986, 294 (295); ders., ZLW 1970, 130; ders., ZLW 1965, 195 (201); W. Rudolf, NJW 1954, 219 (220; Fn. 9 m.w.N.).

II. Das Befördern

197

bei den Seeschiffen - auch auf die Ausübung seiner Jurisdiktion über Luftfahrzeuge fremder Staatszugehörigkeit, so daß insoweit die Hoheitsgewalt des Eintragungsstaates an die Stelle der Territorialhoheit des ausländischen Staates tritt 4 3 9 . d) Ergebnis zu 5. Das Völkerrecht unterstellt sowohl die berechtigterweise unter deutscher Flagge fahrenden Seeschiffe als auch die in der Luftfahrzeugrolle der Bundesrepublik eingetragenen Luftfahrzeuge der deutschen Rechtsordnung. Daher ist die Feststellung in der Entwurfsbegründung zu § 4 KWKG durchaus zutreffend, daß "das deutsche Recht und insbesondere das Grundgesetz auch an Bord von Seeschiffen, die die Bundesflagge führen - gleichgültig, ob sie sich auf hoher See oder in den Küstengewässern eines anderen Staates befinden -, und an Bord von Luftfahrzeugen, die in die Luftfahrzeugrolle der Bundesrepublik eingetragen sind"

gilt, und infolgedessen "die Beförderung von Kriegswaffen außerhalb der Bundesrepublik ... daher der in Art. 26 Abs. 2 GG vorgeschriebenen Genehmigung (bedarf), sofern sie mit den genannten Schiffen oder Luftfahrzeugen durchgeführt wird." 4 4 0

Der Genehmigungsvorbehalt aus Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG erfaßt also auch die Beförderung von Kriegswaffen außerhalb des Bundesgebietes, sofern der Transport mit Seeschiffen, die berechtigterweise die deutsche Flagge führen, und Luftfahrzeugen, die in die Luftfahrzeugrolle eingetragen sind, durchgeführt wird. § 4 Abs. 1 KWKG ist daher die ausdrückliche Umsetzung dieser sich aus dem Völkerrecht ergebenden Rechtslage in das KWKG.

439

W. Schwenk, ZLW 1965, 195 (201); wohl auch H. Fischer, in: K. Ipsen, Völkerrecht, § 51 Rn. 37; /. Seidl-Hohenveldern, Völkerrecht, Rn. 1352; K. Lenzen, JR 1983, 181 (183); G. Hafner, in: H. Neuhold/W. Hummer/Ch. Schreuer, Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Band 1, Rn. 1997; J. Wille, Die Verfolgung strafbarer Handlungen an Bord von Schiffen und Luftfahrzeugen, S. 30 f. m.w.N.; H. Tröndle, in: Leipziger Kommentar zum StGB, § 4 Rn. 2; C.J. Colombos, International Law of the Sea, S. 235. - Die hinreichende Verknüpfung zwischen Eintragungsstaat und Luftfahrzeug ('genuine link') - sofern man sie für erforderlich halten sollte - wäre überdies durch die Anknüpfung der Eintragungsfahigkeit der Luftfahrzeuge an die deutsche Staatsangehörigkeit der Eigner (§ 3 LuftVG) gegeben. 440

BT-Drs. 3/1589, S. 16.

198

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

ΙΠ. Das Inverkehrbringen Nach allgemeinem Begriffsverständnis bedeutet 'in Verkehr bringen' i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG jede Art von Verhalten, auf die der tatsächliche Gewahrsam über eine Kriegswaffe vom bisherigen Gewahrsamsinhaber auf einen anderen übertragen wird 4 4 1 . G. Potrykus ist der Ansicht, daß dieser Begriff der strafrechtlichen Nomenklatur, d.h. dem Inverkehrbringen von Falschgeld als echt (§§ 146 ff. StGB), entnommen ist 4 4 2 . Hierfür scheint zunächst zu sprechen, daß die Definitionen gleichlautend sind 4 4 3 . Für die These der Übernahme des Begriffsinhalts aus den §§ 146 ff. StGB ergeben sich jedoch keine Hinweise aus den Materialien zum Grundgesetz. Vielmehr geht die Verwendung dieses Begriffs auf den überhaupt ersten Vorschlag zur Erfassung von Kriegswaffen durch das Grundgesetz, d.h. auf den ursprünglichen Vorschlag von F. Eberhard zurück. Er war von Beginn der Beratungen im Parlamentarischen Rat zum jetzigen Art. 26 Abs. 2 GG stets ohne Änderung Bestandteil der unterschiedlichen Formulierungsvorschläge 4 4 4 . Der Begriff des Inverkehrbringens ist ein in den unterschiedlichsten Gesetzen anzutreffender Begriff 4 4 5 , der teilweise sogar legaldefiniert wird. Bei441 G. Frank, in: Alternativkommentar zum GG, Art. 26 Rn. 47; auch (zusätzlich) den Erwerb umfassend: Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 52; K.-A. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 30; HD. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Art. 26 Rn. 5. 442

G. Potrykus,

KWKG, § 2 Anm. 5.

443

Das Inverkehrbringen i.S. der §§ 146 ff. StGB wird als jeder Vorgang definiert, durch den der Täter das Falschgeld in der Weise aus seinem Gewahrsam entläßt, daß ein anderer tatsächlich in die Lage versetzt wird, sich des falschen Geldes zu bemächtigen und mit ihm nach seinem Belieben umzugehen, es insbes. weiterzugeben, vgl. RGSt 67, 167 (168); BGHSt 1, 143 (144); 27, 255 (259 f.); 35, 21 (33); BGH NJW 1952, 311 (312); 1976, 294 (295); M. Herdegen, in: Leipziger Kommentar zum StGB, § 146 Rn. 13; H.-J. Rudolphi, in: Systematischer Kommentar zum StGB, § 116 Rn. I I a ; K. Lackner, StGB, § 146 Anm. 3 d aa; W. Stree, in: H. Schröder/A. Schönke, StGB, § 146 Rn. 21. 444

Vgl. K.-B.V. Überblick. 445

Doemming/R.W.

Füsslein/W.

Matz, JÖR 1 (1951), S. 241 ff. im

Z.B. § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 29 Abs. 1 Nr. 1 Betäubungsmittelgesetz - BtMG (vom 28.7.81, BGBl. I, S. 681, i.d.F. vom 2.2.1992, BGBl. I, S. 1593); Legaldefinition in § 7 Abs. 1 Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz - LMBG (vom 15.8.1974, BGBl. I, S. 1945, i.d.F. vom 22.1.1991, BGBl. I, S. 121); Legaldefinition in § 2 Abs. 1 Nr. 13 Pflanzenschutzgesetz - PflSchG (vom 15.9.1986, BGBl. I, S. 1505, i.d.F. vom 28.6.1990, BGBl. I, S. 1221); § 20 des Gesetzes zur Bekämpfung von Geschlechtskrankheiten (vom 23.7.1953, BGBl. I, S. 700, i.d.F. vom 12.9.1990, BGBl. I, S. 2002); Legaldefinition in § 4 Abs. 17 des Arzneimittelgesetzes (vom

III. Das Inverkehrbringen

199

spielsweise ist das Inverkehrbringen nach der Begriffsbestimmung des § 2 Abs. 1 Nr. 13 Pflanzenschutzgesetz 'das Anbieten, Vorrätighalten zur Abgabe, Feilhalten und jedes Abgeben an andere' und nach der des § 4 Abs. 17 des Arzneimittelgesetzes 'das Vorrätighalten zum Verkauf oder zu sonstiger Abgabe, das Feilhalten und die Abgabe an andere'. Diese Einbeziehung von sonstigen Verhaltensweisen findet ihre Begründung in dem jeweiligen spezifischen Gesetzeszweck 4 4 6 . Dies hat schon im Grundsatz das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung betont, wonach für die Bestimmung des Begriffs Inverkehrbringen jeweils der Zweck des einzelnen Gesetzes maßgeblich, mithin eine unterschiedliche Auslegung möglich sein sollte 4 4 7 . Gleichwohl weisen bei aller Unterschiedlichkeit der Regelungsmaterien die Gesetze, die den Begriff des Inverkehrbringens verwenden, eine gemeinsame Struktur auf. Sie betreffen nahezu durchgängig alle Materien, in denen Gegenstände, Stoffe oder Organismen, die nach ihrer Art oder Beschaffenheit für bestimmte Rechtsgüter gefährlich sind, aus der Hand des jeweiligen Inhabers heraus und in den Bereich eines anderen oder vieler anderer gelangen und dort Schäden anrichten können 4 4 8 , die die verschiedenen Gesetze zu vermeiden suchen. Das Reichsgericht hat daher trotz der von ihm betonten unterschiedlichen Interpretierbarkeit "gleichsinnig" 4 4 9 das Inverkehrbringen definiert als "jedes, gleichviel wie geartete, Eröffnen der Möglichkeit, daß ein anderer die tatsächliche Verfügung über den Gegenstand erlangt und ihn nach eigener Entschließung verwende, also jede Verursachung eines Wechsels in der Verfügungsgewalt" 4 5 0 .

24.8.1976, BGBl. I, 2245, i.d.F. vom 11.4.1990, BGBl. I, S. 717); § 35 Abs. 2 Eichgesetz (vom 11.7.1969, BGBl. I, S. 759, i.d.F. vom 26.11.1986, BGBl. I, S. 2089); im StGB auch noch in § 319 StGB. 446 Zu den in diesen Legaldefinitionen angesprochenen Fällen des von E. Horn so bezeichneten "uneigentlichen" Inverkehrbringens vgl. E. Horn, NJW 1977, 2329 (2331 ff.). 447 RGSt 7, 412 (betreffend das damalige Nahrungsmittelgesetz); 26, 51 (52); 36, 424 f. (beide betreffend das damalige Gesetz zur Prüfling von Handfeuerwaffen); 62, 369 (388 f.; betreffend das Inverkehrbringen von Rauschgift [damaliges Opiumgesetz]); 67, 167 (168; zu § 147 StGB); vgl. auch E. Horn, NJW 1977, 2329 (2333); HH. Körner, BtMG, § 29 Rn. 500. 448

E. Horn, NJW 1977, 2329 (2330).

449

E. Horn, NJW 1977, 2329 (2333).

450 RGSt 62, 369 (389; zum Inverkehrbringen von Rauschgift [damaliges Opiumgesetz]); vgl. E . Horn, NJW 1977, 2329 (2333).

200

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

1. Verfügungsgewalt Damit drängt sich zunächst die Frage nach der näheren Qualifizierung der Verfügungsgewalt auf, wobei ein Zurückgreifen auf die Verfügungsbefugnis im rechtsgeschäftlichen Sinne von vornherein nicht in Betracht kommt. Unabhängig von der oft schwierigen und zeitraubenden Feststellung der Eigentumsverhältnisse 4 5 1 hängt die Entscheidung, ob eine Kriegswaffe zu friedensstörenden Handlungen verwendet wird, in erster Linie von der Entscheidung desjenigen ab, der die tatsächliche Verfügungsgewalt über die Kriegswaffe ausübt 4 5 2 . Durch Rechtsgeschäfte selbst wird überdies noch keine Kriegswaffe in Verkehr gebracht, sondern lediglich das nachfolgende Inverkehrbringen vorbereitet 4 5 3 . Geht man mit G. Potrykus von der Übernahme des in den §§ 146 ff. StGB definierten Begriffsinhalts aus, wäre folgerichtig der strafrechtliche Gewahrsamsbegriff für die Bestimmung der Verfügungsgewalt zugrunde zu legen. Gewahrsam im strafrechtlichen Sinne ist das tatsächliche Herrschaftsverhältnis zwischen einer Person und einer Sache, das von einem Herrschaftswillen getragen wird. Das tatsächliche Herrschaftsverhältnis besteht, wenn der unmittelbaren Verwirklichung des Einwirkungswillens auf die Sache keine Hindernisse entgegenstehen. Maßgeblich ist insofern die sog. natürliche Auffassung des täglichen Lebens 4 5 4 . Ob dieser Gewahrsamsbegriff den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Art. 26 Abs. 2 GG genügt, ist in Ermangelung von verwertbaren Anhaltspunkten aus dem Wortlaut, der Systematik und aus dem Sinn und Zweck des Art. 26 Abs. 2 GG zu beantworten. Sinn und Zweck des Genehmigungsvorbehalts ist es, daß die für das friedliche Zusammenleben der Völker grundsätzlich gefährlichen Kriegswaffen nicht unkontrolliert in Umlauf gelangen. Art. 26 Abs. 2 GG dient also der Überwachung jeglichen Umgangs mit Kriegswaffen. Dies im umfassenden Sinne zu gewährleisten bedeutet, daß jeder, der eine Kriegswaffe in die tatsächliche Verfügungsgewalt eines anderen gelangen lassen will, für diesen Vorgang der Genehmigung bedarf. Die Verfügungsgewalt ist also vorgangs45 1 45 2

R. Hinze, Waffenrecht, § 2 KWKG Anm. 4.

K. Pottmeyer, Anm. 4. 453 454

KWKG, § 2 Rn. 46; R. Hinze, Waffenrecht, § 2

KWKG

BT-Drs. 3/1589, S. 15.

Vgl. nur BGHSt 16, 271 (273 m.w.N.); 22, 180 (182); A. Eser, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 242 Rn. 23 ff.

III. Das Inverkehrbringen

201

bezogen, d.h. bezogen auf die jeweiligen tatsächlichen Verhältnisse, zu bestimmen. In der Praxis des Umgangs mit Kriegswaffen hat zumeist eine Vielzahl von Personen die Möglichkeit, über eine Kriegswaffe zu verfügen, d.h. diese aus dem bisherigen Gewaltverhältnis zu entlassen. Auch der Arbeiter ist wegen der ihm zukommenden tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeit hierzu in der Lage. Auch er bedarf für diesen Vorgang des Entäußerns seiner tatsächlichen Verfügungsgewalt aus dem bisherigen tatsächlichen Verfügungsverhältnis einer vorherigen Genehmigung. Nur so wird dem in Art. 26 Abs. 2 GG zum Ausdruck kommenden Kontrollbedürfnis Genüge getan, selbst wenn der Fall wegen der in ihm zumeist ohnehin liegenden Widerrechtlichkeit (insbesondere i.S. des StGB und des BGB) hypothetisch ist. Allein und nicht nur in erster Linie 4 5 5 kommt es daher auf die effektive, jederzeit ausübbare tatsächliche Verfügungsgewalt an. Diese unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit kann aber auch jemand haben, der nicht Gewahrsamsinhaber im strafrechtlichen Sinne ist. Wenn nämlich die im Gewahrsamsbegriff verkörperte tatsächliche Herrschaftsmacht nach der natürlichen Auffassung des täglichen Lebens bestimmt wird, hat dies zur Folge, daß Gewahrsam einerseits selbst dann nicht ausgeschlossen ist, wenn die unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit, wie im Falle der sog. Gewahrsamslockerung, beeinträchtigt ist, und andererseits Gewahrsam zu verneinen ist, obwohl die unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit uneingeschränkt, wie im Rahmen sozialer Abhängigkeitsverhältnisse, vorliegt 4 5 6 . Daher kann jemand im Rahmen eines solchen sozialen Abhängigkeitsverhältnisses - mithin ohne eigenen strafrechtlichen Gewahrsam - gleichwohl die wie auch immer gegebene tatsächliche Möglichkeit haben, eine Kriegswaffe aus dem bestehenden Gewahrsamsverhältnis herauszulösen 4 5 7 . Der fehlende Gewahrsam im strafrechtlichen Sinne kann aber im Rahmen des Art. 26 Abs. 2 GG entsprechend seinem Sinn und Zweck nicht dazu führen, daß damit dieses Inverkehrbringen nicht mehr genehmigungsbedürftig ist. Dieses Defizit im Hinblick auf Art. 26 Abs. 2 GG besteht in gleicher Weise, wenn insofern der unmittelbare Besitz i.S. des BGB zugrundegelegt wird. Denn der in einem erkennbaren sozialen Abhängigkeitsverhältnis stehende Besitzdiener hat gem. § 855 BGB selbst keinen unmittelbaren Besitz, obgleich er die tatsächliche Gewalt über eine Sache weisungsabhängig für 455 So aber bei Zugrundelegung des strafrechtlichen Gewahrsamsbegriffs, vgl. nur BGH GA 1979, 390 (391); A. Eser, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 242 Rn. 25. 456 So die überwiegend vertretene Ansicht im Strafrecht, vgl. nur A. Eser, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 242 Rn. 25 ff.; W. Ruß, in: Leipziger Kommentar zum StGB, § 242 Rn. 21 ff. 457

Z.B. das Reinigungspersonal in einem Labor.

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

202

einen anderen in dessen Erwerbsgeschäft oder einem ähnlichen Verhältnis ausübt und damit letztendlich (auch) die tatsächliche Verfügungsgewalt innehat. Zur Bestimmung der Verfügungsmacht kann deshalb ebenfalls nicht auf die besitzrechtlichen Vorschriften des BGB zurückgegriffen werden 4 5 8 . Anknüpfend an den zitierten Sinn und Zweck des verfassungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalts hat dies auch der Gesetzgeber bei Erlaß des KWKG erkannt: "Die vom Grundgesetzgeber durch Art. 26 Abs. 2 GG erstrebte Überwachung des Umgangs mit Kriegswaffen ist daher am besten und sichersten zu erreichen, wenn an die tatsächliche Gewalt angeknüpft, d.h. derjenige angesprochen wird, der diese tatsächliche Gewalt innehat (unmittelbarer Besitzer und Besitzdiener). " 4 5 9

Selbst wenn die nachfolgende Feststellung im hohen Grade hypothetisch ist, bedarf derjenige, der beispielsweise als Beschäftigter eines anderen in einem sozialen Abhängigkeitsverhältnis weisungsabhängig (d.h. ohne strafrechtlichen Gewahrsam und ohne unmittelbaren Besitz) tätig ist, einer Genehmigung nach Art. 26 Abs. 2 GG, wenn er - gegenüber seinem Besitzherrn oder dem Gewahrsamsinhaber eigenmächtig - die Kriegswaffe aus dem bestehenden Verfügungsverhältnis herauslöst. Es bedarf also derjenige, der tatsächlich über die Kriegswaffe verfügen kann, einer Genehmigung zum Inverkehrbringen, wenn er die Kriegswaffe aus dem bestehenden tatsächlichen Verfügungsverhältnis herauslöst und damit anderen die tatsächliche Zugriffsbzw. Verfügungsmöglichkeit auf die Kriegswaffe eröffnet. 2. Die Erwerbsgenehmigung Der grundgesetzliche Genehmigungstatbestand des Inverkehrbringens von Kriegswaffen wird in § 2 Abs. 2 KWKG entsprechend der Begründung des Gesetzentwurfs "zur Erleichterung der Gesetzesanwendung näher umschrieben" 460, indem (u.a.) auch derjenige, der die tatsächliche Gewalt erwerben will, einer Genehmigung bedarf. Es fragt sich aber, ob der Erwerb von Kriegswaffen überhaupt eine nähere Umschreibung dieses grundgesetzlichen Genehmigungstatbestandes ist, der Erwerb also - wie im Schrifttum teilweise behauptet - unter den Begriff des Inverkehrbringens i.S. des Art. 26 Abs. 2

458 So aber für § 2 Abs. 2 KWKG: K. Pottmeyer, KWKG, § 2 Rn. 50 ff.; R. Hinze, KWKG, § 2 Anm. 4, und für das Waffenrecht BGHSt 26, 12 (15 f.), die nur auf den unmittelbaren Besitz unter Ausgrenzung der Fiktion des Erbenbesitzes gem. § 857 BGB und des mittelbaren Besitzers gem. § 868 BGB abstellen wollen; OLG Karlsruhe, NJW 1992, 1057. 4

*> BT-Drs. 3/1589, S. 14 a.E.

460

BT-Drs. 3/1589, S. 14 f.

III. Das Inverkehrbringen

203

GG subsumiert werden kann 4 6 1 . Als Begründung für die Einbeziehung des Erwerbs unter den verfassungsrechtlichen Begriff des Inverkehrbringens wird auf den Sinn des Art. 26 Abs. 2 GG rekurriert 4 6 2 , der die Einbeziehung dieses "bedeutsameren und gefährlicheren" 4 6 3 Akts zulasse. In der Konsequenz eines solchen Begriffsverständnisses soll - insoweit in Entsprechung zu § 2 Abs. 2 KWKG - nicht nur der 'Inverkehrbringen, sondern auch der Erwerber eine Genehmigung i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG benötigen 4 6 4 . a) Ableitung eines eigenständigen Erwerbstatbestandes aus Art. 26 Abs. 2 GG? Der insoweit eindeutige Wortlaut des Art. 26 Abs. 2 GG umfaßt eigenständig und damit genehmigungspflichtig jedenfalls nicht den Vorgang des Erwerbens, sondern lediglich den des Inverkehrbringens. Aber selbst wenn der Begriff des Inverkehrbringens den Erwerb mitumfassen würde, verlangt Art. 26 Abs. 2 GG für diesen Vorgang nur eine Genehmigung, und zwar für das Inverkehrbringen. Eine selbständig genehmigungspflichtige Einbeziehung des Erwerbs als des "bedeutsameren und gefährlicheren Akts" 4 6 5 ist überdies auch nicht erforderlich. Denn der mit dem verfassungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalt intendierte Zweck, die Überwachung des Umgangs mit Kriegswaffen, wird bereits durch den Genehmigungstatbestand des Inverkehrbringens umfänglich abgedeckt: Dieser Tatbestand erfaßt jede denkbare Änderung der tatsächlichen Gewalt, überdies aufgrund der damit einhergehenden räumlichen Verlagerung der Kriegswaffe zumeist zusätzlich flankiert von dem Beförderungstatbestand. Auch wird vom Inverkehrbringen der Erwerb, sofern es, wie im Regelfall, zu einer Verlagerung der tatsächlichen Verfügungsgewalt auf einen Dritten kommt, insofern mitumfaßt, als gerade die Verlagerung genehmigungsbedürftig ist. Besteht beispielsweise bei dem im Antrag auf Erteilung einer Ge-

461 K.-A. Hernekamp y in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 30; HD. Jarass y in: ders./B. Pieroth, Art. 26 Rn. 5; G. PotrykuSy KWKG, § 2 Anm. 5 (S. 48); Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 52. 46 2

Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 52; G. Potrykus KWKG, § 2 Anm. 5 (S. 48). 463

G. Potrykus,

KWKG, § 2 Anm. 5 (S. 48).

46 4

Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 52; G. Potrykus, KWKG, § 2 Anm. 5 (S. 48); in der Konsequenz ihrer Auffassungen wohl auch K.-A. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 30; HD. Jarass f in: ders./B. Pieroth, Art. 26 Rn. 5. 465

G. Potrykus,

KWKG, § 2 Anm. 5 (S. 48).

9

204

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

nehmigung zum Inverkehrbringen einer Kriegswaffe genannten Erwerber die Gefahr, daß die Kriegswaffe durch den Erwerb zu friedensgefährdenden Handlungen verwendet wird, darf eine diesbezügliche Genehmigung zum Inverkehrbringen nicht erteilt werden. Es bedarf also keines zusätzlichen Antrags seitens des potentiellen Erwerbers auf Erteilung einer Erwerbsgenehmigung, da diese Frage auf Seiten des bisherigen tatsächlichen Gewaltinhabers geprüft, entschieden und in dem entsprechenden Genehmigungs- bzw. Ablehnungsbescheid (mit-) beschieden wird. Dem Sinn und Zweck des Art. 26 Abs. 2 GG wird somit Genüge getan, da die Überwachungsintention umfassend gewahrt wird. b) Erwerb als Bestandteil des Inverkehrbringens? Obgleich Art. 26 Abs. 2 GG von dem Erwerber einer Kriegswaffe keine Genehmigung verlangt, bedarf die eingangs zitierte These des KWKG-Gesetzgebers, daß § 2 Abs. 2 KWKG eine nähere Umschreibung des grundgesetzlichen Genehmigungstatbestands des Inverkehrbringens sei, gleichwohl einer Überprüfung. Denn sollte diese These zutreffend sein, würde das Inverkehrbringen zwingend als Endpunkt der Entäußerung der tatsächlichen Verfügungsgewalt an einer Kriegswaffe einen Erwerb dieser Verfügungsgewalt durch eine andere Person voraussetzen. (1) Wortlaut Ausgehend von dem auf den allgemeinen Sprachgebrauch zurückgehenden natürlichen Verständnis des Begriffs Inverkehrbringen umfaßt dieser jedenfalls nicht zwingend den Erwerb der tatsächlichen Gewalt durch einen Dritten, sondern vielmehr allein den Vorgang des Entäußerns der tatsächlichen Gewalt auf Seiten des 'Inverkehrbringen'. Der Erwerb der tatsächlichen Verfügungsgewalt durch einen Dritten kann und wird im Regelfall zwar den Endpunkt des gestreckten Vorgangs des Inverkehrbringens bilden. Er muß es aber nicht, da allein die Möglichkeit des Zugriffs durch andere nach Entlassung aus dem bisherigen tatsächlichen Gewalt Verhältnis, z.B. im Wege der Dereliktion, zur Erfüllung des Tatbestandes ausreicht. Der Begriff des Inverkehrbringens ist entsprechend seinem natürlichen Verständnis somit weiter als der des Erwerbs i.S. des § 2 Abs. 2 KWKG, da er auch, ohne daß ein Erwerb stattfindet, schon die dem vorgelagerte Entlassung aus dem bisherigen tatsächlichen Verfügungsverhältnis zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals ausreichen läßt.

III. Das Inverkehrbringen

205

(2) Sinn und Zweck Die Frage muß daher dahingehend gestellt werden, ob es nach dem Sinn und Zweck des Art. 26 Abs. 2 GG für das Inverkehrbringen erforderlich ist, daß ein Dritter die Verfügungsgewalt tatsächlich erlangt hat, oder ob bereits die Möglichkeit der Erlangung genügen soll 4 6 6 . Insoweit kann an die allgemeine Struktur der Tatbestände, die das Inverkehrbringen von Gegenständen, Stoffen und Organismen regeln, angeknüpft werden. Diesen Tatbeständen ist gemein, daß sie Gegenstände, Stoffe und Organismen erfassen, die für das jeweilige Rechtsgut, das durch den Tatbestand geschützt werden soll, gefährlich sind. So sind Kriegswaffen nach der verfassungsrechtlichen Wertung grundsätzlich geeignet, das durch Art. 26 GG geschützte friedliche Zusammenleben der Völker zu gefährden. Eine Gefährdung dieses Schutzgutes ist aber nicht allein durch den Erwerb der Kriegswaffe durch einen anderen, sondern auch im Vorfeld, d.h. durch das bloße Eröffnen der Zugriffsmöglichkeit auf eine Kriegswaffe durch Dritte zu sehen. Bereits zu diesem Zeitpunkt wird der mit dem Genehmigungsvorbehalt des Art. 26 Abs. 2 GG intendierte Zweck, die Überwachung der Veränderung der tatsächlichen Gewalt über die Kriegswaffe zur Verhinderung einer Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker 'aktiviertUm eine Gefährdung des Schutzgutes aus Art. 26 Abs. 2 GG zu vermeiden, hat daher schon möglichst früh, also schon mit der Einräumung der Zugriffsmöglichkeit an Dritte, der Schutz einzusetzen 4 6 7 . Aus dem Sinn und Zweck des Art. 26 Abs. 2 GG läßt sich somit auch nicht ableiten, daß der Erwerb i.S. des § 2 Abs. 2 KWKG eine (Teil-) Umschreibung des Inverkehrbringens i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG ist.

466

Vgl. zu den divergierenden Meinungen, die z.T. auch in der Eigenart der unterschiedlichen Materien begründet sind, E. Horn, NJW 1977, 2129 (2333, insbes. Fn. 57 ff.). Im Bereich der Geld- und Wertzeichendelikte jedenfalls reicht die Möglichkeit, d.h., daß jemand in die Lage versetzt wird, sich des Falschgeldes zu bemächtigen und mit ihm umzugehen, aus (s.o. Fn. 443). In einer jüngeren Entscheidung hat der BGH - insofern konsequent - ein Inverkehrbringen auch dann angenommen, wenn Falschgeld in der Weise weggeworfen wird, daß damit die naheliegende Gefahr begründet wird, daß Dritte es auffinden und als echt weitergeben (BGHSt 35, 21 [insbes. 25]; ebenso: W. Stree, in: A. Schönke/H. Schröder, StGB, § 146 Rn. 21 [m.w.N.]). Ausgangspunkt dieser Betrachtung ist der Schutzzweck der Vorschrift, die Gewährleistung der Sicherheit und Funktionstauglichkeit des Geldverkehrs, die durch dieses so definierte Wegwerfen nach der Auffassung des BGH berührt wird. 467

Ähnlich auch E. Horn, NJW 1977, 2329 (2334).

206

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

(3) Regelungslücke: originärer Erwerb? Diesem Ergebnis stehen auch nicht die Fälle des sog. originären Erwerbs, d.h. des Erwerbs der tatsächlichen Gewalt an einer Kriegswaffe durch beispielsweise Fund, Diebstahl oder Erbschaft entgegen. In Ermangelung eines Entäußerungsaktes der tatsächlichen Gewalt können diese schon rein begrifflich keine Erfassung durch den Tatbestand des Inverkehrbringens erfahren 4 6 8 . Daß dem originären Erwerb überdies keine kriegswaffenkontrollrechtliche Bedeutung zuerkannt wird, zeigt sich auch an der Formulierung des 'Ausführungstatbestandes' des § 2 Abs. 2 KWKG, der nur den Erwerb der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe von einem anderen, also nur den des sog. derivativen Erwerbs erfaßt 4 6 9 . (4) Ergebnis zu 2. Ein Inverkehrbringen liegt dann vor, wenn derjenige, der tatsächlich über die Kriegswaffe verfügen kann, diese aus dem bestehenden tatsächlichen Verfügungsverhältnis herauslöst und damit anderen die tatsächliche Zugriffsbzw. Verfügungsmöglichkeit auf die Kriegswaffe eröffnet. Die Begründung eines auf zumindest eine andere Person bezogenen neuen tatsächlichen Verfügungsverhältnisses, also ein Erwerb, ist hingegen weder vom Wortlaut noch vom Sinn und Zweck 4 7 0 des Art. 26 Abs. 2 GG erforderlich. Art. 26 Abs. 2 GG stellt auch nicht den Erwerb einer Kriegswaffe selbst und zusätzlich unter den verfassungsrechtlichen Genehmigungsvorbehält. Der 468 Gleichwohl wird in den beiden erstgenannten Fällen in der Regel eine Erfassung durch Art. 26 Abs. 2 GG gegeben sein, da der Genehmigungstatbestand des Beförderns erfüllt sein wird. Hinsichtlich der Erlangung der tatsächlichen Verfügungsgewalt an einer Kriegswaffe im Wege der Erbfolge fragt sich überdies, ob in diesem Falle überhaupt das Schutzgut berührt wird. Ein Einsatz zur Störung des friedlichen Zusammenlebens der Völker wird vielmehr erst dann in Betracht kommen, wenn die Kriegswaffe eine notwendige räumliche Veränderung zu entsprechenden Einsatzzwecken erfahrt. Dann aber wird ebenfalls der Genehmigungstatbestand des Beförderns erfüllt, mithin eine Erfassung durch Art. 26 Abs. 2 GG gewährleistet. In tatsächlicher Hinsicht ist dieser Fall im übrigen auch kaum realistisch, da sich derzeit Kriegswaffen entsprechend der Maßgabe des Bundesverwaltungsgerichts, daß Kriegswaffen nicht in die Hand von Privatpersonen gehören (BVerwGE 61, 24 [25, 31 f.]; V G Köln, Urteil vom 26.4.1985 - 20 Κ 4855/83 -, S. 6 [unveröffentlicht]), wohl nicht in Privathand befinden. 469

HessVGH, Urteil vom 29.9.1982 - V OE 9/81 -, S. 7 (unveröffentlicht); R. Hinze, Waffenrecht, § 2 Anm. 5; G. Potrykus, KWKG, § 2 Anm. 6; K. Pottmeyer, KWKG, § 2 Rn. 62; J. Steindorf, in: G. Erbs/M. Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, Κ 189, § 22a KWKG Anm. 2. b) (S. 36 f.). 470

giebig.

Die Systematik und die Entstehungsgeschichte (s.o. S. 200) sind insofern uner-

III. Das Inverkehrbringen

207

Erwerb wird vielmehr schon durch den Tatbestand des Inverkehrbringens erfaßt. Von einer näheren Umschreibung des Begriffs Inverkehrbringen durch die ausdrückliche Aufnahme der Genehmigungsbedürftigkeit des Erwerbs einer Kriegswaffe in § 2 Abs. 2 KWKG, wie es der Gesetzgeber des KWKG behauptete 4 7 1 , kann daher keine Rede sein. Dementsprechend hat das KWKG, bezogen auf den verfassungsrechtlichen Genehmigungsvorbehalt des Art. 26 Abs. 2 GG, auch nicht den Genehmigungstatbestand des Inverkehrbringens im KWKG erweitert, sondern einen neuen Genehmigungstatbestand, nämlich den des derivativen Erwerbs, hinzugefügt. 3. Überlassen i.S. von § 2 Abs. 2 KWKG Zur näheren Umschreibung des verfassungsrechtlichen Begriffs des Inverkehrbringens hat der Gesetzgeber des KWKG neben dem Erwerben auch das Überlassen einer Kriegswaffe in § 2 Abs. 2 KWKG aufgenommen 4 7 2 . Entsprechend der Entwurfsbegründung soll danach derjenige, der eine Kriegswaffe einem anderen überlassen will, der Genehmigung bedürfen. Da jedenfalls der vom verfassungsrechtlichen Begriff des Inverkehrbringens erfaßte Entäußerungsakt auch den Begriff des Überlassens abdeckt, fragt sich, ob beide Begriffe insoweit synonym sind. Der Vorgang des Überlassens umfaßt einen Vorgang, an dem begriffsnotwendig zwei Personen beteiligt sein müssen, der Überlasser und der Übernehmer 4 7 3 . Indem § 2 Abs. 2 KWKG nur das Überlassen an einen anderen von der Genehmigungspflicht erfaßt, ist der Regelungsinhalt des Überlassens zwar auf die Entäußerungskomponente reduziert. Jedoch bleibt das Überlassen, im Gegensatz zum Inverkehrbringen, ein zielgerichteter, d.h. auf einen anderen gerichteter Vorgang. Das Überlassen erfaßt folglich z.B. nicht die Dereliktion. Ebenso wie der durch § 2 Abs. 2 KWKG normierte Genehmigungstatbestand des Erwerbs bleibt also auch das Überlassen an einen anderen insoweit hinter dem verfassungsrechtlichen Begriff des Inverkehrbringens zurück.

471

BT-Drs. 3/1589, S. 14 f.; siehe Zitat S. 202 (zu Fn. 460).

472

BT-Drs. 3/1589, S. 14 f.

47 3

Κ Pottmeyer, KWKG, § 2 Rn. 62 a.E.; G. Potrykus/J. Steindorf, Waffenrecht, § 4 WaffG Anm. 3; R. Hinze, Waffenrecht, § 4 WaffG Anm. 5; vgl. auch V. Dolimayr, in: J. Grimm/W. Grimm, Deutsches Wörterbuch, 11. Band, II. Abteilung, U Umzwingen (Band 23 des Nachdrucks), Spalte 366 zu 'überlassen', der diesen Begriff ebenfalls 2-Personen-bezogen definiert: "an jemand überlassen".

208

2. Teil: Β. Die einzelnen genehmigungspflichtigen Handlungen

Fraglich bleibt, ob das Überlassen über das Inverkehrbringen hinausgeht, sofern die Legaldefinition des § 4 Abs. 2 WaffG auch auf § 2 Abs. 2 KWKG übertragbar ist. Gemäß § 4 Abs. 2 WaffG überläßt bereits jemand dann einen Gegenstand an einen anderen, wenn er ihm die tatsächliche Gewalt einräumt. Danach erfordert das Überlassen nicht die Aufgabe der tatsächlichen Gewalt. Zur Erfüllung des Tatbestandsmerkmals Überlassen genügt daher schon ein Verhalten, das unter gleichzeitiger Aufrechterhaltung der eigenen Sachherrschaft einem Nichtberechtigten die selbständige Waffenverwendung ermöglicht 4 7 4 . Seine Begründung findet diese Auffassung in dem Sinn und Zweck des § 5 Abs. 1 Nr. 3 WaffG, die vom Gesetzgeber als gefährlich bewertete Waffenführung durch Nichtberechtigte zu verhindern. Diese Gefahr besteht auch dann, wenn der Überlasser noch seine eigene Sachherrschaft aufrechterhält 4 7 5 . Die vorgenannten waffenrechtlichen Überlegungen lassen sich auf den kriegswaffenrechtlichen Bereich übertragen. Zwar enthält das KWKG keine dem § 5 Abs. 1 Nr. 3 WaffG entsprechende Bestimmung, die das Führen von Waffen durch Nichtberechtigte in der Öffentlichkeit verhindern soll 4 7 6 . Das KWKG geht aber darüber hinaus, da es nicht nur das Führen von Kriegswaffen durch Nichtberechtigte in der Öffentlichkeit, sondern von vornherein schon jeglichen Umgang mit Kriegswaffen zu unterbinden sucht, wie beispielsweise die gegenüber den Anzeigepflichten aus § 43 WaffG weitergehenden Pflichten aus § 12 Abs. 6 KWKG ausweisen. Aber unabhängig von der Bewertung nach dem KWKG 4 7 7 wird das Überlassen i.S. des § 4 Abs. 2 WaffG auch von dem definierten verfassungsrechtlichen Begriff des Inverkehrbringens erfaßt, der auch sonstwie motiviertes Zurverfügungstellen, mithin auch die selbständige Kriegswaffenverwendung durch Dritte bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung der eigenen Sachherrschaft als genehmigungspflichtig einbezieht.

474 BVerwG, Urteil vom 6.12.1978 -BVerwG 1 C 7.77-, S. 5 (unveröffentlicht; nur der Leitsatz ist in NJW 1979, 1564 veröffentlicht [dort Nr. 2; siehe Anmerkung der Redaktion a.E. der Entscheidung]); ähnlich BayObLG, NJW 1977, 1737 f.; G. PotrykusU. Steindorf, Waffenrecht, § 4 WaffG Anm. 3. 475

BVerwG, ebd.; BayObLG, ebd.

47 6

K. Pottmeyer,

47 7

KWKG, § 2 Rn. 69.

K. Pottmeyer, KWKG, der eine Übertragung des waffenrechtlichen Überlassungsbegriffs auf das KWKG für nicht erforderlich hält.

III. Das Inverkehrbringen

209

4. Ergebnis zu III. Die durch § 2 Abs. 2 KWKG intendierte nähere Umschreibung des grundgesetzlichen Genehmigungstatbestandes des Inverkehrbringens von Kriegswaffen erfüllt nicht den Verfassungsauftrag aus Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG, da er die grundgesetzlichen (Mindest-) Vorgaben nicht umsetzt. Zwar erweitert § 2 Abs. 2 KWKG - in verfassungsrechtlich zulässiger Weise - den grundgesetzlichen Genehmigungsvorbehalt dahingehend, daß auch der Erwerb von Kriegswaffen selbständig genehmigungspflichtig ist. Gleichwohl bleiben die kriegswaffenkontrollrechtlich genehmigungspflichtigen Handlungen des Überlassens an einen anderen und des Erwerbs von einem anderen i.S. des § 2 Abs. 2 KWKG insofern hinter den verfassungsrechtlichen Anforderungen zurück, als das Inverkehrbringen i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG keinen zielgerichteten, d.h. auf eine andere Person gerichteten Entäußerungsvorgang verlangt, sondern auch die Dereliktion oder das sonstwie motivierte, nicht zielgerichtete Zurverfügungstellen als genehmigungspflichtige Handlung erfaßt.

14 Epping

Dritter

Teil

Die Genehmigungsbehörde Die in Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG beschriebenen Handlungen bedürfen der Genehmigung der Bundesregierung. Dies bestätigt auch § 11 Abs. 1 KWKG. Jedoch hat der Gesetzgeber durch § 11 Abs. 2 KWKG die Bundesregierung ermächtigt, durch Rechtsverordnung diese Befugnis auf die Bundesminister für Verteidigung (Nr. 1), der Finanzen (Nr. 2), des Innern (Nr. 3), für Wirtschaft (Nr. 4) und durch § 11 Abs. 3 KWKG auf den Bundesminister für Verkehr zu übertragen, was durch die erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes über die Kontrolle von Kriegswaffen vom 1. Juni 1961 1 (1. DVO KWKG) auch geschehen ist. Danach ergibt sich eine grundsätzliche Zuständigkeit des Bundesministers für Wirtschaft, da die übrigen Bundesminister lediglich für die spezifischen Genehmigungen im Zusammenhang mit ihren jeweiligen Ressorts zuständig sind. So ist für die Genehmigungen nach §§ 2, 3 Abs. 1 und 2 und § 4a KWKG der Bundesminister für Verteidigung für den Bereich der Bundeswehr, der Bundesminister der Finanzen für den Bereich des Zollgrenzdienstes, der Bundesminister des Innern für den Bereich der für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit zuständigen Behörden oder Dienststellen sowie der Behörden des Strafvollzugs und der Bundesminister für Verkehr im Einvernehmen mit dem Bundesminister des Auswärtigen für Beförderungsgenehmigungen nach § 4 Abs. 1 KWKG zuständig 2 .

A. Der Begriff der Bundesregierung i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG Sachliche Begründung für die Delegationsermächtigung in § 11 KWKG war die auf Praktikabilitätsüberlegungen beruhende Feststellung, daß "abgesehen von wenigen Fällen mit besonderer politischer Bedeutung ... es jedoch weder erforderlich noch möglich (ist), mit der Entscheidung über die Erteilung 1 2

BGBl. 19611, S. 649, in der Fassung vom 1.4.1992 (BGBl. I, S. 377).

Vgl. die Übersicht bei C. Wieland, trolle 1992, S. 29 [30]).

in: H. Bebermeyer, Deutsche Ausfuhrkon-

I. Art. 65 und die innere Organisationsstruktur der Bundesregierung

211

oder den Widerruf einer Genehmigung in jedem Einzelfall das Bundeskabinett zu befassen." 3

Fraglich ist die daran anschließend getroffene Aussage, daß "der Wortlaut des Grundgesetzes ... auch nicht dazu (zwinge), denn als Bundesregierung ist auch der einzelne Bundesminister für den Bereich seines Ressorts anzusehen." 4

Denn gem. Art. 62 GG besteht die Bundesregierung aus dem Bundeskanzler und aus den Bundesministern. Gleichwohl räumt ein nicht unbeachtlicher Teil des Schrifttums dem Gesetzgeber auch die Möglichkeit ein, die Delegierung jeweils auf solche Bundesminister vorzusehen, deren Geschäftsbereich durch den jeweiligen Umgang mit Kriegswaffen in erster Linie betroffen ist 5 . Mithin ist insofern der Aspekt der Sachnähe der tragende Gedanke der Delegation 6 . Trotz des einleuchtenden Praktikabilitäts- und Sachnähearguments stellt sich gleichwohl die Frage, ob angesichts des Wortlauts des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG und der Bestimmung des Art. 62 GG die im KWKG vorgenommene Delegation an einzelne Ressortminister überhaupt verfassungsrechlich zulässig ist.

I· Art· 65 GG und die innere Organisationsstruktur der Bundesregierung Sofern dem Gesetzgeber die Möglichkeit zugestanden wird, die grundgesetzlich begründete Zuständigkeit der Bundesregierung auf einzelne Ressortminister zu delegieren, hat dies unausgesprochen seine dogmatische Prämisse

3

BT-Drs. 3/1589, S. 19 f.

4

BT-Drs. 3/1589, S. 20; ebenso: D. Holthausen, NStZ 1982, 363 (367), der überdies die Delegation mit der Vertretung gleichsetzt ("An die Stelle der vom KWKG vorgesehenen Genehmigungsbefugnis der Bundesregierung, vertreten durch den Bundesminister für Wirtschaft" - so Satz zu Fn. 43). 5 So ausdrücklich K. Pottmeyer, KWKG, § 11 Rn. 2; Κ.Ά. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 26 Rn. 29 - ohne Begründung -; R. Hinze, § 11 KWKG Anm. 1 ff. (im Wortlaut weitestgehend deckungsgleich mit BT-Drs. 3/1589, S. 20 - s.o. im Text); G. Frank, in: Alternativkommentar zum GG, Art. 26 Rn. 47 (a.E.) - ohne Begründung -; J. Kölble, DÖV 1973, 1 (3), sieht Zuständigkeitsverschiebungen vom Bundeskabinett zugunsten einzelner Bundesminister unterhalb der Schwelle des Verfassungsrechts im Wege der einfachen Gesetzgebung als zulässig an. Tendenziell - wenngleich i.E. offenlassend - wohl auch OVG NW, Urteil vom 11.11.1988 - 20 A 1552/58 -, S. 11 (unveröffentlicht). 6

Ebenso J. Beschorner, ZVglRWiss 90 (1991), 262 (286).

212

3. Teil: Α. Der Begriff der Bundesregierung

in dem Verständnis des Art. 65 GG als der Zentralnorm für den Regierungsbereich 7 . Art. 65 GG wird in dem Sinne verstanden, daß auch die außerhalb des Art. 65 GG im Grundgesetz genannten Regierungszuständigkeiten auf die in Art. 65 GG angeordnete Kompetenzverteilung zurückzuführen sind 8 . M.a.W. sollen die in Art. 65 GG niedergelegten Organisationsprinzipien die Organisation der Regierung generell regeln. Ausgangsthese dieser, auf E. -W. Böckenförde zurückgehenden Ansicht ist die Annahme, daß der Begriff 'Bundesregierung' im Grundgesetz zwei unterschiedliche Begriffsinhalte hat, nämlich zum einen Bundesregierung als das Gesamtorgan, das Kanzler, Minister, Kollegium in sich vereinigt, und zum anderen Bundesregierung als das Kollegium von Kanzler und Ministern, das sog. Bundeskabinett 9 . Wo das Wort Bundesregierung das Gesamtorgan bezeichne, könne die Aufgabe oder Zuständigkeit von dem nach der inneren Organisationsstruktur zuständigen 'Organ* wahrgenommen werden. Dieses Organ' stehe dann für die 'Bundesregierung' 1 0 . Im Verhältnis der obersten politischen Verfassungsorgane zueinander spreche im allgemeinen eine Vermutung dafür, daß das Gesamtorgan Bundesregierung bezeichnet sei. Beispielhaft wird insoweit auf Anfragen an die 'Bundesregierung' verwiesen, die in der Sache an den zuständigen Ressortminister oder in Richtlinienfragen an den Bundeskanzler gerichtet seien und von diesem eigenständig für die Bundesregierung (nicht im Namen des Kollegiums) beantwortet würden. Ebenso sei die 'Regierungserklärung' eine Erklärung des Gesamtorgans der Regierung, die in der Regel der Bundeskanzler kraft seiner Richtlinienkompetenz (Art. 65 GG), nicht aber als Vertreter und Beauftragter des Kabinetts für die Regierung abgebe. Andererseits müsse der Einbringung von Gesetzesvorlagen beim Bundestag (Art. 76 Abs. 1 GG) ein Beschluß des Kollegiums zugrunde 7 Die diese Auffassung vertretende Literatur zu Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nimmt hierauf keinen Bezug und entbehrt überdies einer jeglichen Begründung. 8 E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 138 (in Fn. 40), 179 ff.; W.P. Hoffmann, Rechtsfragen der Währungsparität, S. 146 ff.; eingehend hierzu: M. Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, S. 137 ff. 9 E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 138 (Fn. 40); vgl. auch F. Klein, in: H.v. Mangoldt/F. Klein, Vorbemerkungen vor Art. 62 ff., IV. (S. 1196 ff.).Das Gesamtorgan wird auch als Bundesregierung im weiteren Sinne und das Kabinett als Bundesregierung im engeren Sinne bezeichnet; so die Terminologie z.B. bei F. Klein, in: H.v. Mangoldt/F. Klein, Vorbemerkungen vor Art. 62 Anm. IV. 1. a)-c) (S. 1196) und G.v. Wiek, Kompetenzwahrnehmung im Bereich der Bundesregierung, S. 14 f. m.w.N. in Fn. 5 - 7, 22 f. 10

E.-W. Böckenförde y Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 138 (Fn. 40); vgl. hierzu auch G.v. Wiek, Kompetenzwahrnehmung im Bereich der Bundesregierung, S. 53, der darauf verweist, daß nach dieser Ansicht der Minister die Kompetenz der Regierung wahrnehmen könne, weil und soweit er die Regierung "repräsentiere", so z.B. W.v. Brünneck, DÖV 1951, 257.

I. Art. 65 und die innere Organisationsstruktur der Bundesregierung

213

liegen. Eine genaue Feststellung, welchen Begriff von Bundesregierung die Bezeichnung Bundesregierung in den einzelnen Artikeln des Grundgesetzes meine, bedürfe jeweils einer gesonderten Untersuchung 11. Aber selbst wenn für die Angelegenheit nach außen die Regierung als Kollegium zuständig sei, entstehe dadurch keine Ressortzuständigkeit des Kollegiums. Für die Sachbearbeitung und Erledigung sei vielmehr der Minister zuständig, in dessen Ressort die Angelegenheit gehöre, was lediglich der Sanktionierung durch das Kollegium bedürfe. Dem Kollegium komme dabei also nur eine "ausgleichende Koordinationskompetenz"12 zu, da ansonsten die verfassungsbegründete Ressortzuständigkeit des Ministers entgegenstehe, die einer Richtlinienbestimmung durch das Kabinett nicht unterworfen sei. Reine Kollegialzuständigkeiten, die nach ihrem Gegenstand nicht unter ein Ressort oder in den Richtlinienbereich fielen, sondern vielmehr allgemeinpolitischer Art seien, seien demgegenüber auf Ausnahme- oder Sonderfälle wie beispielsweise den Beschluß über Maßnahmen nach Art. 37 Abs. 1 GG (Bundeszwang), 81 (Gesetzgebungsnotstand) sowie 85 Abs. 4 und 113 GG beschränkt 1 3 . Nach dieser Ansicht ist folglich jeder Sachbereich, der ressortfähig ist, dem entsprechenden Minister zugeordnet, während die Regierung als Kollegium selbst ressortfrei i s t 1 4 . Wie gerade § 11 Abs. 2 KWKG zeigt, lassen sich die nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG erforderlichen Akte problemlos ressortmäßig zuordnen 1 5 . Die Ressortfähigkeit ist also zu bejahen. M. Oldiges weist daher zutreffend darauf hin, daß - der Auffassung von E.-W. Böckenförde folgend - dem Begriff der Bundesregierung dann nur noch

11 E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 138 (Fn. 40); ähnlich für eine Kabinettszuständigkeit bei Entscheidungen von grundsätzlicher politischer Bedeutung G.v. Wiek, Kompetenzwahrnehmung im Bereich der Bundesregierung, S. 88 f.; F. Münch, Die Bundesregierung, S. 204; für eine Einzelfallbetrachtung ebenso: F. Klein, in: B. Schmidt-Bleibtreu/F. Klein, Art. 62 Rn. 6. 12 13

E.-W. Böckenförde y Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 180.

E.-W. S. 179 ff. 14

Böckenförde y Die Organisationsgewalt

So selbst zusammenfassend E.-W. Böckenförde, reich der Regierung, S. 181. 15

S. 65.

im Bereich der Regierung, Die Organisationsgewalt im Be-

Ebenso P. Beinhof er, Das Kollegialitätsprinzip im Bereich der Regierung,

214

3. Teil: Α. Der Begriff der Bundesregierung

der Charakter eines "Verweisungsbegriffs" 1 6 zukäme: Da Art. 65 Satz 3 GG dem Kollegium lediglich die Funktion der Schlichtung von Ressortstreitigkeiten zuweist, müßte folglich unter Bundesregierung i.S. des Grundgesetzes der intern zuständige Bundesminister zu verstehen sein. Selbst wenn man dieses Verständnis des Art. 65 GG zunächst nur für die Binnenstruktur der Bundesregierung konzipiert sieht, ist eine Auseinandersetzung mit dieser Auffassung keineswegs entbehrlich. Denn zum einen würde dieses Verständnis des Art. 65 GG die im KWKG vorgenommene Delegation der grundgesetzlichen Genehmigungszuständigkeit aus Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG auf die ressortzuständigen Bundesminister sogar vor dem Hintergrund rechtfertigen, daß diese Auffassung dem Regierungskollegium lediglich eine Ausgleichs- und Koordinierungsfunktion zubilligt, die Sachentscheidungskompetenz aber gleichwohl - durch Art. 65 Satz 2 GG garantiert - dem Ressortminister zugesteht. Zum anderen bliebe die darüber hinausgehende Frage klärungsbedürftig, ob denn Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nicht verlangt, daß die Entscheidung über Genehmigungen i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG grundsätzlich vom Bundeskabinett als Kollegium selbst zu treffen ist, eine auch nur interne Entscheidungsverlagerung auf einzelne Ressortminister mithin generell - unabhängig von der ausdrücklichen Delegationsvorschrift des § 11 Abs. 2 und 3 KWKG - schon unzulässig ist. Das in Rede stehende Verständnis des Art. 65 GG setzt voraus, daß Art. 65 GG überhaupt als abschließende Regelung der inneren Organisationsstruktur der Bundesregierung und insbesondere als abschließende Umschreibung des Regierungskollegiums hierin aufzufassen i s t 1 7 . Aussagekräftig ist insofern nur die systematische Stellung des Art. 65 GG. Die in Art. 65 Satz 3 GG enthaltene Kompetenz des Regierungskollegiums zur Entscheidung von Meinungsverschiedenheiten zwischen Bundesministern ist im Zusammenhang mit der in Satz 2 geregelten Ressortzuständigkeit zu sehen, als deren Korrektiv das Kollegialprinzip gedacht i s t 1 8 . Wenn gleichwohl Kollegialbefugnisse in allgemeinpolitischen Angelegenheiten konzediert werden, wird aber vorausgesetzt, daß es neben den durch Art. 65 Satz 1 und Satz 2 GG dem Bundeskanzler bzw. den Bundesministern zugewiesenen Angelegenheiten Kollegialzuständigkeiten gibt, die über bloße ausgleichende Koordinationskompetenzen hinausgehen 1 9 . 16

M. Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, S. 140.

17

M. Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, S. 141.

18

M. Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, S. 142.

19

Ähnlich M. Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, S. 142 f.

II. Art. 62 GG als Legaldefinition?

215

Π. Art· 62 GG als Legaldefwition? Im übrigen besteht gem. Art. 62 GG die Bundesregierung aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern. Es liegt daher nahe, Art. 62 GG als Legaldefinition zu versteheil mit der weiteren Konsequenz, daß die grundgesetzlichen Kompetenzzuweisungen an die Bundesregierung als solche zugunsten des Regierungskollegiums verstanden werden müßten 2 0 . Schließt man sich der Begriffsbestimmung des BVerfG an, die im übrigen auch auf die künstlich erscheinende, und sich im Ergebnis nicht auswirkende Differenzierung 2 1 zwischen dem Verfassungsorgan und dem Kollegium verzichtet, findet die vorgenannte These von der Legaldefinition des Art. 62 GG im Wortlaut des Art. 62 GG seine Bestätigung: "im allgemeinen Sprachgebrauch bedeutet 'Bundesregierung' (...) heute im Zweifel das kollegial gebildete Verfassungsorgan, dem die Staatsleitung obliegt." 2 2

Wenn daher schon G. v. Wiek feststellte, daß die Bezeichnung des Ministers als Regierung im weiteren Sinne (Gesamtorgan) ein übertragener, mehr juristischer Sprachgebrauch sei 2 3 und die wörtliche Bedeutung des Begriffs auf die vorgenannte Definition reduziere, ist dem zuzustimmen. Daß er dennoch hieraus keine Vermutung zugunsten der Regierung im engeren Sinne (Bundeskabinett) ableiten wollte, weil sich aus der philologischen Methode kein brauchbarer Ausgangspunkt gewinnen lasse 2 4 , läßt sich allenfalls mit dem noch seinerzeit präsenten und vertretenen Verständnis des Begriffs der Reichsregierung in der Weimarer Reichsverfassung (WRV) erklären. Abge20 BVerfGE 11, 84 (85); Β. Pieroth, in: H.D. Jarass/B. Pieroth, Art. 62 Rn. 2 (unter Verweis auf BVerfGE 26, 338 [395 f.]) und Art. 84 Rn. 9; A. Hamann (jun.), in: A. Hamann/H. Lenz, Art. 62 Anm. Β. 1.; R. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz, Art. 62 Rn. 6 (Bearbeitung 1984); F. Klein, in: B. Schmidt-Bleibtreu/F. Klein, Art. 62 Rn. 6; ähnlich KH. Friauf, in: Festgabe für H. Herrfahrdt, S. 45 (51 Fn. 37); Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 62 Rn. 22 (Bearbeitung 1959/ 1968/1979); i.E. wohl auch G.v. Wiek, Kompetenzwahrnehmung im Bereich der Bundesregierung, S. 132. 21 Ahnlich Κ Kröger, Die Ministerverantwortlichkeit in der Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland, S. 34 (Fn. 18), und M. Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, S. 137 (Fn. 35), die diese Konstruktion als eigenwillig bezeichnen und für sie keinen "rechte(n) Ani aß sehen". 22 BVerfGE 11, 77 (85); 26, 338 (395 f. und 3. Leitsatz [338]); ebenso z.B. Κ Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, § 31 Anm. I 1. (S. 269); Ch. Degenhardt, Staatsrecht I, Rn. 426; G.v. Wiek, Kompetenzwahrnehmung im Bereich der Bundesregierung, S. 22, 100. 23

G.v. Wiek, Kompetenzwahrnehmung im Bereich der Bundesregierung, S. 100.

24

Ebd.

216

3. Teil: Α. Der Begriff der Bundesregierung

sehen von den Fällen der Art. 56 - 58 WRV hielt man es nämlich für ausreichend, wenn der jeweils zuständige Ressortminister als Reichsregierung in eigener Verantwortung auftrat 2 5 . Im Hinblick darauf mag seine Behauptung, der Begriff der Regierung im weiteren Sinne habe sich im öffentlichen Leben und im Sprachgebrauch der obersten staatlichen Organe durchgesetzt, vertretbar gewesen sein, wie auch sein entsprechender Verweis auf die "Praxis und h.L. unter der WRV" 2 6 belegt. 35 Jahre später kann hingegen diese Auffassung, wie schon die vorgenannte Begriffsbestimmung des BVerfG - die ihre Bestätigung in der verfassungsrechtlichen Literatur der Bundesrepublik erfahren hat - zeigt, nicht mehr aufrecht erhalten werden. Aber selbst wenn heutzutage unter dem Begriff Bundesregierung das Bundeskabinett verstanden wird, so bestimmt Art. 62 GG doch lediglich, daß sich die Bundesregierung kollegial zusammensetzt. Weitere Aussagen, insbesondere wie die Bundesregierung bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben als Kabinett kollegial zusammenwirken soll, enthält Art. 62 GG nicht. Art. 62 GG setzt nicht einmal die Existenz eines Kabinetts als eines kollektiven Handlungs- und Entscheidungsgremiums voraus 2 7 . Auch der Begriff der Kollegialität, der selbst nicht Norminhalt ist, hilft nicht weiter. Denn hierunter kann sowohl ein loses Zusammengehen selbständiger Personen ohne jegliche Unterordnung unter einen kollektiven Willen als auch die völlige Unterordnung unter Reduzierung der eigenen Entscheidungskompetenz auf das bloße Mitwirkungsrecht an der kollektiven Willensbildung gefaßt werden 2 8 . Daß die Bundesregierung gleichwohl auch zu kollegialer Wahrnehmung einzelner Aufgaben nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet ist, ergibt sich folglich nicht aus Art. 62 GG, sondern vielmehr aus den entsprechenden ausdrücklichen grundgesetzlichen Zuweisungen 2 9 . 25

Z.B. RGSt 58, 401 (406 f.); RGZ 112, 8 (10); F. Poetsch-Heffter, in: G. Anschütz/R. Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, 1. Band, § 44 (S. 515); weitere Nachweise in Fn. 47; diese Auffassung vertritt auch Κ Redeker, DÖV 1952, 235 ff. 26 G.v. Wiek, Kompetenzwahrnehmung im Bereich der Bundesregierung, S. 100 Fn. 87; hierauf weist auch W.v. Brünneck, DÖV 1951, 257 hin. 27

M. Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, S. 145 f.

28

M. Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, S. 145; F. Glum, Die staatsrechtliche Stellung der Reichsregierung sowie des Reichskanzlers und des Reichsfinanzministers in der Reichsregierung, 1925, S. 4. 29 M. Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, S. 146; ähnlich K. Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 638, 647; W. Frotscher, Regierung als Rechtsbegriff, S. 173; Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog, Art. 62 Rn. 22 f. (Bearbeitung 1959/1968); F. Klein, in: H.v. Mangoldt/F. Klein, Vorbemerkungen vor Art. 62 Anm. IV. 1 c (S. 1197); Art. 65 Anm. V. 3. (S. 1268); D. Wdke, in: H.v. Mangoldt/F. Klein, Art. 80 Anm. V 2 a (S. 1923 m.w.N. in Fn. 82).

II. Art. 62 GG als Legaldefinition?

i . Der Gebrauch des Begriffs

217

'Bundesregierung ' im Grundgesetz

Bestätigt wird dieses Ergebnis durch den unterschiedlichen Gebrauch der Begriffe Bundesregierung, Bundeskanzler und Bundesminister im Grundgesetz. Das Grundgesetz weist nämlich Aufgaben der Bundesregierung ausdrücklich teils dem Bundeskanzler 3 0 , teils einzelnen Ressortministern 3 1 oder der Bundesregierung zu 3 2 . An anderer Stelle wiederum werden Bundesregierung und Bundesminister oder Bundeskanzler und Bundesminister nebeneinander aufgeführt 3 3 . Dies zeigt, daß die Begriffe Bundesregierung und Bundesminister nicht variabel sind, sondern bewußt unterschiedlich im Grundgesetz verwandt werden 3 4 . Ohne auf umstrittene, für den Untersuchungsgegenstand des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nicht relevante Sonderfälle wie z.B. Art. 86 GG 3 5 einzugehen, ist daher in den Fällen der grundgesetzlichen Kompetenzzuweisung an die Bundesregierung das Kabinett auch entscheidungs- und handlungsbefugt 3 6 . Somit bestätigt die Systematik des Grundgesetzes den Wortlaut des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG, der die Genehmigung ausdrücklich nicht dem Ressortmini -

30 Z.B. Art. 64 Abs. 1, 69 Abs. 1, 3, 65 S. 1 und 4, Art. 39 Abs. 3 S. 3, 43 Abs. 2, 68 Abs. 1 S. 1, Art. 58 GG 31 Dem Finanzminister in Art. 114 Abs. 1, 122 GG, dem Justizminister in Art. 96 Abs. 2 Satz 3, 95 Abs. 2, und dem Verteidigungsminister in Art. 65a GG. 32 Z.B. Art. 26 Abs. 2, 32 Abs. 3, 35 Abs. 3, 37, 43 Abs. 2, 53 Satz 3, 53a Abs. 2, 76, 77 Abs. 2 Satz 4, 80, 80a Abs. 3, 81, 84 Abs. 2-5, 85 Abs. 2-4, 86, 87a Abs. 4, 87b Abs. 2, 91 Abs. 2, 91a Abs. 5, 108 Abs. 2 und 7, 111, 113, 114, 115a Abs. 1, 115d Abs. 2, 115f, 115i Abs. 2, 129 Abs. 1 Satz 2. 33

Z.B. Art. 80 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2; 58 Satz 1; 64 Abs. 2; 66; 69 Abs. 2 und

3 GG. 34 BVerfGE 26, 338 (396); F. Klein, in: H.v. Mangoldt/F. Klein, Vorbemerkungen vor Art. 62 Anm. I V 1. c) (S. 1197); G.v. Wiek, Kompetenzwahrnehmung im Bereich der Bundesregierung, S. 65; R. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 62 Rn. 7 spricht sogar davon, "daß das GG an einer sehr bedeutsamen Stelle die Unterscheidung zwischen Zuständigkeiten des Einzelressorts (und damit des Einzelministers) und Zuständigkeiten der Gesamtregierung bis ins Letzte durchgeführt" habe. 35

Vgl. hierzu z.B. M. Oldiges, m.w.N. 36

Die Bundesregierung als Kollegium, S. 197 ff.

BVerfGE 11, 77 (85); 26, 338 (395 f. und 3. Leitsatz [338]); ebenso z.B. Κ Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, § 31 Anm. I 1. (S. 269); Ch. Degenhardt, Staatsrecht I, Rn. 426; M. Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, S. 146 f. (Fn. 66 m.w.N.); F. Knöpfte, DVB1. 1965, 925 (929 in Fn. 93); W.v. Brünneck, DÖV 1951, 257 (259); KH. Friauf, in: Festgabe für H. Herrfahrdt, S. 45 (51).

218

3. Teil: Α. Der Begriff der Bundesregierung

ster, sondern der Bundesregierung als Kollegialorgan, also dem Bundeskabinett zuordnet 3 7 . 2. Sinn und Zweck der Übertragung der Genehmigungskompetenz aus Art. 26 Abs. 2 GG auf das Bundeskabinett Bei der sich anschließenden Frage nach Sinn und Zweck der verfassungsrechtlichen Übertragung der Genehmigungskompetenz auf die Bundesregierung nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG ist in quasi umgekehrter Richtung zu fragen, weshalb das Grundgesetz diese Kompetenz nicht wie in § 11 Abs. 2 und 3 KWKG den zuständigen Ressortministern übertragen hat. Wie aus § 11 Abs. 2 und Abs. 3 KWKG ersichtlich, berührt die Genehmigungsfrage unterschiedlichste Ressorts, so daß eine ressortübergreifende Behandlung im Kabinettsrahmen zumindest zweckdienlich erscheint. Daß nicht ein einzelner Minister, sondern das Bundeskabinett mit dieser Materie befaßt sein muß, wird man jedenfalls aus der besonderen Bedeutung dieser Materie folgern müssen. Art. 26 Abs. 2 GG beschreibt einen Spezialfall einer friedensgefährdenden Handlung i.S. des Art. 26 Abs. 1 GG 3 8 , ist also Ausdruck des grundgesetzlichen Friedensgebots, dem der Charakter einer Staatszielbestimmung zukommt. Bezieht man die starke Prägung des Grundgesetzes durch die Erfahrungen aus der jüngeren deutschen Geschichte mit ein, ergibt sich daraus die besondere ' allgemeinpolitische ' Bedeutung dieser Materie, die sich in der in Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG niedergelegten Kabinettszuständigkeit widerspiegelt. Von dieser Prämisse geht auch die oben zitierte Begründung des Gesetzentwurfs zum KWKG aus, die, wenngleich nur für Fälle von besonderer politischer Bedeutung, eine Kabinettszuständigkeit konstatiert 3 9 . Daß Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG schon nach dem eindeutigen Wortlaut keine Differenzierungsmöglichkeit nach der politischen Bedeutung des einzelnen Falles läßt, bestätigt die teleologische Betrachtung dieser Frage. Mithin entspricht auch die Auslegung nach dem Sinn und Zweck des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG dem zuvor im Rahmen der Wortlautauslegung und der systematischen Auslegung gefundenen Ergebnis, daß für die Genehmi37

H.D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Art. 26 Rn. 6; T. Maunz, in: Maunz/Dürig/ Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 44; F. Klein, in: B. Schmidt-Bleibtreu/F. Klein, Art. 26 Anm. 4 (a.E.); M. Schröder, in: Handbuch des Staatsrechts, Band II, § 50 Rn. 23; J. Beschorner, ZVglRWiss 90 (1991), 262 (286); Κ Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, § 31 I V 4. b) (S. 311 f.); W.R. Schenke, Jura 1982, 337 (342). 38

S.o. S. 38 (Fn. 44 f.).

39

S.o. S. 210 f.

II. Art. 62 GG als Legaldefinition?

219

gung i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG ausschließlich die Bundesregierung, d.h. das Bundeskabinett, bestehend aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern kollegial zuständig ist. 3. Die Entstehungsgeschichte Schließlich stellt sich die Frage, ob das durch die übrigen Auslegungsmethoden gefundene übereinstimmende Ergebnis auch durch die Entstehungsgeschichte bestätigt wird. In Ermangelung von Hinweisen zum Verständnis des Begriffs der Bundesregierung in den Materialien zu Art. 26 Abs. 2 GG ist dieser Frage zwangsläufig anhand der Entstehungsgeschichte der Art. 62 ff. GG nachzugehen. Die innere Struktur der Bundesregierung in den Art. 62 und 65 GG ist weitgehend aus der Weimarer Verfassung übernommen worden 4 0 . Die in den Erfahrungen der Weimarer Republik begründeten Veränderungen gegenüber der Weimarer Reichsverfassung haben sich vielmehr in den Art. 63, 64 und 67 GG niedergeschlagen und betrafen die Frage der Berufung und des Sturzes des Kanzlers und der Minister 4 1 . Die Übernahme der inneren Struktur der Bundesregierung aus der Weimarer Reichsverfassung in das Grundgesetz wird augenscheinlich an einer Synopse der maßgeblichen Artikel: Art. 52 WRV "Die Reichsregierung besteht aus dem Reichskanzler und den Reichsministern."

stimmt bis auf das fehlende zweite 'aus' vor 'den Bundesministern1 bei Ersetzung der Begriffe 'Reich' durch 'Bund' wörtlich mit Art. 62 GG überein. Auch Art. 65 GG lehnt sich stark an die Art. 56 40 K-B. v. Doemming/R. W. Füsslein/W. Matz, JÖR 1 (1951), 424; Meder, in: Bonner Kommentar, Art. 62 Anm. II. 1.; Ρ. Beinhofer, Das Kollegialitätsprinzip im Bereich der Regierung, S. 25; F. Knöpfte, DVB1. 1965, 857; M. Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, S. 122; Th. Eschenburg, DÖV 1954, 193; N. Achterberg, in: Handbuch des Staatsrechts, Band II, § 52 Rn. 11; Κ Redeker, DÖV 1952, 235. Dahin tendiert auch E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 180 (Fn. 44: "...Die unter der Weimarer Reichsverfassung herrschende Ansicht [...], daß die Befugnisse, die der Regierung verfassungsmäßig zugewiesen sind, zunächst die Regierung als Gesamtorgan meinen, dürfte von daher gesehen mehr für sich haben als die heutige Literatur,..."). 41 Deutlich z.B. M. Oldiges (Die Bundesregierung als Kollegium, S. 122), der betont, daß "der maßgebliche Part der Diskussion, die im Parlamentarischen Rat über die innere Struktur der Regierung stattfand, ... darum eher interpretativer Art" war; ebenso P. Beinhofer, Das Kollegialitätsprinzip im Bereich der Regierung, S. 25 ("weitgehend unkritisch übernommen"); F. Knöpfte, DVB1. 1965, 857; N. Achterberg, in: Handbuch des Staatsrechts, Band II, § 52 Rn. 12.

3. Teil: Α. Der Begriff der Bundesregierung

220

"Der Reichskanzler bestimmt die Richtlinien der Politik und trägt dafür gegenüber dem Reichstag die Verantwortung. Innerhalb dieser Richtlinien leitet jeder Reichsminister den ihm anvertrauten Geschäftszweig selbständig und unter eigener Verantwortung gegenüber dem Reichstag."

und 57 WRV "Die Reichsminister haben der Reichsregierung alle Gesetzentwürfe, ferner Angelegenheiten, für welche Verfassung oder Gesetz dieses vorschreiben, sowie Meinungsverschiedenheiten über Fragen, die den Geschäftsbereich mehrerer Reichsminister berühren, zur Beratung und Beschlußfassung zu unterbreiten."

an. Dies belegt schon, daß die Diskussion über die innere Struktur der Bundesregierung lediglich von der Frage bestimmt war, wie denn die aus der Weimarer Reichsverfassung übernommenen Organisationsregeln künftig zu verstehen seien 4 2 . Den Schwerpunkt bildete dabei die Frage des Inhalts und der Grenzen der kollegialen Schlichtungskompetenz bei Meinungsverschiedenheiten 4 3 . Hingegen wurde auf das Verständnis des Begriffs Bundesregierung nicht eingegangen. Die ansonsten vorgenommene weite und bewußte Übernahme der Regelungen der Weimarer Reichsverfassung legt daher den Schluß nahe, daß auch das Begriffsverständnis der Reichsregierung der Weimarer Reichsverfassung in das Grundgesetzes mitübernommen werden sollte. a) Der Begriff der 'Reichsregierung' i.S. der Weimarer Reichsverfassung Wenngleich nach Art. 52 WRV die Reichsregierung - und damit in Entsprechung zu Art. 62 GG - aus dem Reichskanzler und den Reichsministern bestand, wurde weitgehend unter dem in der Weimarer Reichsverfassung genannten Begriff der Reichsregierung der jeweils zuständige Ressortminister und nicht das Reichskabinett verstanden. Das Reichsgericht führte daher in einer diesbezüglichen Entscheidung 4 4 aus, daß es der ständigen Übung der Reichsregierung entspreche, daß allgemeine Verwaltungsvorschriften i.S. des Art. 77 WRV sowie Rechts- und Verwaltungsverordnungen, zu deren Erlaß die Reichsregierung ermächtigt sei, grundsätzlich von dem jeweils sachlich zuständigen Reichsminister allein, nicht aber von dem Reichskabinett als Kollegium auszuarbeiten und zu unterzeichnen seien. Unter Bezugnahme auf Art. 56 WRV, der die schlichte Zuständigkeit des Reichskanzlers und der ein-

42

M. Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, S. 122.

43

Vgl. z.B. K.-B.V. Doemming/R.W. Füsslein/W. Matz, JÖR 1 (1951), 437; P. Beinhof er, Das Kollegialitätsprinzip im Bereich der Regierung, S. 26 ff.; M. Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, S. 122 ff. 44

RGSt 58, 401 (406 f.) = JW 1925, 481 (482).

II. Art. 62 GG als Legaldefinition?

221

zelnen Reichsminister abgrenze, sei der Begriff Reichsregierung in Art. 52 WRV nicht "ein für allemal festgelegt" 4 5 . Er werde vielmehr in der WRV in zweifachem Sinne gebraucht: Zum einen als Bezeichnung des gesamten Reichskabinetts, also des Reichskanzlers und der Reichsminister (z.B. Art. 52, 55, 57, 58, 65 WRV), und zum anderen auch als allgemeine Bezeichnung für die zuständige "Reichszentralstelle" 4 6 (z.B. Art. 15, 18 Abs. 4 und 6, 33 Abs. 3, 35 Abs. 2, 66, 68, 69, 88, 91 WRV). In der Mehrzahl der Verfassungsbestimmungen sei der Begriff der Reichsregierung daher synonym für den zuständigen Ressortminister gewählt. Ausdrückliche Bestätigung fand diese Ansicht in den auch vom Reichsgericht angeführten diesbezüglichen Verhandlungen des Verfassungsausschusses in der Nationalversammlung. Dieser nämlich hatte den Begriff Reichsregierung absichtlich offengehalten, da es der Reichsregierung selbst überlassen werden sollte, im Wege der Amtsorganisation zu bestimmen, welches Ministerium im einzelnen Falle die Reichsregierung darstelle 4 7 . Lediglich in den in Art. 57 WRV bezeichneten Angelegenheiten habe eine kollegiale Beratung und Abstimmung des Reichskabinetts zu erfolgen. 4 8 Das Begriffsverständnis der Weimarer Reichsverfassung bestätigt also nicht das durch die anderen Auslegungsmethoden erarbeitete Ergebnis, wenn man mit der Übernahme der Strukturbestimmungen der Weimarer Reichsverfassung in das Grundgesetz auch das seinerzeitige Begriffsverständnis als 'mitübernommeni' ansieht 4 9 . 45

Ebd.

46

Ebd.

47

Vgl. den Bericht des Verfassungsausschusses, Verhandlungen der verfassungsgebenden Deutschen Nationalversammlung, Band 336, Anlagen zu den stenographischen Berichten, Nr. 391, S. 41 ff., 79, 167 ff, 296, 300; hierzu auch H.H. Lammers, JW 1924, 1479. 48 So: RGSt 58, 401 (406 f.) mit zustimmender Anm. H.H. Lammers, JW 1925, 481; RGZ 112, 8 (10); ders., JW 1924, 1479 ff.; F. Poetsch-Heffier, in: G. Anschütz/R. Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, 1. Band, 1930, § 44 (S. 515); ders., Handkommentar der Reichsverfassung, Art. 77 Anm. 5 und vor Art. 41 Anm. 2 (S. 208); F. Freiherr Marschall v. Bieberstein, in: G. Anschütz/R. Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, 1. Band, 1930, § 45 (S. 528); H. Triepel, AÖR 39 (1920), 456 (482); A. Hensel, AÖR 6 n.F. (1924), 311 (336); a.A. G. Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 77 Anm. 2. (S. 411 i\F. Giese, Die Verfassung des Deutschen Reiches, Art. 77 Anm. 4; P. Schoen, AÓR 6 n.F. (1924), 133 (161). Hierzu instruktiv M. Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, S. 78 ff.; vgl. auch W. Frotscher, Regierung als Rechtsbegriff, S. 158 ff. 49 So K. Redeker, DÖV 1952, 235 ff.; für die Heranziehung der Weimarer Reichsverfassung bei Auslegungszweifeln im Zusammenhang mit dem Regelungsbereich des Art. 65 GG im Wege der historischen Interpretation N. Achterberg, in: Handbuch des Staatsrechts, Band II, § 52 Rn. 9.

222

3. Teil: Α. Der Begriff der Bundesregierung

b) Die strenge Normativität des Grundgesetzes Indes fragt sich, ob angesichts der durch Art. 79 GG garantierten strengen Normativität des Grundgesetzes 5 0 eine Übernahme dieses Begriffsverständnisses überhaupt möglich ist. Betrachtet man das Normgefüge des Grundgesetzes, so fällt einmal auf, daß im VI. Kapitel des Grundgesetzes, das die Bundesregierung behandelt, eine dem Art. 57 WRV entsprechende Vorschrift, die sämtliche Kollegialkompetenzen der Bundesregierung in einem Artikel beschreibt, nicht enthalten ist. Lediglich die Streitschlichtungskompetenz des Kollegiums in Art. 65 Satz 3 GG ist noch enthalten. Ansonsten sind die übrigen, auch schon unter der Weimarer Reichsverfassung der Reichsregierung zugeordneten Kompetenzen, insbesondere das Gesetzesinitiativrecht in Art. 76 Abs. 1 GG, den einzelnen Sachbereichen - hier der Gesetzgebung, VII. Kapitel des Grundgesetzes - zugeordnet. Da die Problematik zur Zeit der Weimarer Reichsverfassung ihren Ausgangspunkt in Art. 77 WRV hatte, ist u.a. die Fassung der entsprechenden grundgesetzlichen Norm ausschlaggebend. Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG sieht im Gegensatz zu Art. 77 WRV nicht nur die Bundesregierung, sondern expressis verbis auch die Bundesminister als mögliche Verordnungsgeber vox 5 1 . Daß keinesfalls ein Bundesminister die der Bundesregierung als Verordnungsgeber eingeräumte Kompetenz wahrnehmen kann, folgt neben dem schon eindeutigen Wortlaut des Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG auch aus Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG, der die Subdelegation der Verordnungskompetenz regelt. Denn danach kann die Ermächtigung nur weiterübertragen werden, wenn der Gesetzgeber dies ausdrücklich vorsieht. Entscheidend ist also die strenge und durch Art. 79 GG garantierte Normativität des Grundgesetzes gegenüber der Weimarer Reichsverfassung. Die Verfassungspraxis der Bundesrepublik Deutschland ist im Gegensatz zum Deutschen Reich in der Verfassung selbst angelegt, wie schon der gegenüber der Weimarer Reichsverfassung nahezu vollständige Verzicht auf reine Programmsätze und ähnliche unverbindliche Bekundungen im Grundgesetz ausweist 5 2 . Infolgedessen kann nicht davon ausgegangen werden, daß mit der Übernahme der inneren Struktur der Reichsregierung aus der Weimarer 50 Vgl. nur: B.-O. Bryde, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 79 Rn. 5 f.; Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 79 Rn. 1; ebenso/?. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 62 Rn. 6 f. 51 Z.B. J. Kratzer, DÖV 1952, 230 (232); W.v. Brünneck, DÖV 1951, 257 (260); F. Klein, in: H.v. Mangoldt/F. Klein, Vorbemerkung vor Art. 62 Anm. IV. 1. c) (S. 1197); G.v. Wiek, Kompetenzwahrnehmung im Bereich der Bundesregierung, S. 65. 52

Ebenso R. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 62 Rn. 6 f.

223

III. Zwischenergebnis zu A.

Reichsverfassung auch das spezifische Begriffsverständnis Reichsregierung übernommen wurde 5 3 .

des Begriffs

Die Entstehungsgeschichte ist folglich nicht aussagekräftig und kann daher weder zur Bestätigung noch zur Verneinung des mit den anderen Auslegungsmethoden gefundenen Ergebnisses herangezogen werden. 4. Der Verfassungsauftrag

des Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG

Auch auf den Verfassungsauftrag des Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG ("das Nähere regelt ein Bundesgesetz") läßt sich die Delegationskompetenz nicht stützen 5 4 . Eine solche Kompetenz steht mit der eindeutigen verfassungsrechtlichen Adressierung in Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nicht im Einklang. Denn ansonsten würde entgegen der ausdrücklichen Regelung in Art. 79 GG die Verfassung zur Disposition des einfachen Gesetzgebers gestellt 5 5 . Daß die Kollegialkompetenz unterrangig nicht beseitigt werden kann, ergibt sich folglich aus dem Vorrang der Verfassung 5 6 .

ΙΠ· Zwischenergebnis zu A. Der Begriff Bundesregierung in Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG meint mithin das Regierungskollegium 5 7 . Dies hat zur Konsequenz, daß die in § 11 Abs. 2 KWKG vorgenommene Delegation der Genehmigungskompetenz auf einzelne Minister verfassungswidrig 5 8 und überdies eine auch nur interne Übertragung auf einen oder mehrere Minister nicht zulässig ist. Art. 26 Abs. 2 GG verlangt für jede Genehmigung, d.h. für jeden Einzelfall der Herstellung, der Beförderung und des Inverkehrbringens von zur Kriegführung bestimmten Waffen eine diesbezügliche Entscheidung des Regierungskollegiums. Die eingangs zitierte Begründung des Gesetzentwurfs zu § 11 KWKG - so praktika53

Ebenso ausdrücklich/. Kratzer,

54

DÖV 1952, 230 (232).

G. Potrykus, KWKG, § 11 Anm. 2. a) (S. 91); P. Beinhofer, prinzip im Bereich der Regierung, S. 66 f. 55 56

Das Kollegialitäts-

S.o. S. 41, 78.

So ausdrücklich: N. Achterberg, Rn. 62.

in: Handbuch des Staatsrechts, Band II, § 52

57 M. Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, S. 378 (Fn. 16); H.D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Art. 26 Rn. 6; Th. Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 26 Rn. 44. 58 So wohl auch: H.D. Jarass, in: ders./B. Pieroth, Art. 26 Rn. 6; M. Oldiges, Die Bundesregierung als Kollegium, S. 378 (Fn. 16).

224

3. Teil: Α. Der Begriff der Bundesregierung

bei und der Praxis enstprechend sie auch ist - übersieht folglich die zwingend zu beachtenden verfassungsrechtlichen Vorgaben.

IV· Der Bundessicherheitsrat und die Fälle von sog. 'besonderer politischer Bedeutung' Weiterhin stellt sich die Frage, ob die Praxis in den Fällen von sog. besonderer politischer Bedeutung in Einklang mit der Verfassung steht. In solchen Fällen wird die Entscheidung über die Genehmigung ebenfalls nicht vom Bundeskabinett, sondern vom Bundessicherheitsrat getroffen. So berichtete beispielsweise am 24. Juli 1992 die FAZ unter Bezugnahme auf eine Mitteilung des Bundesverteidigungsministeriums im Zusammenhang mit dem Verkauf eines größeren Teils der einstigen DDR-Kriegsmarine an Indonesien, daß "der Verkauf ... vom Bundessicherheitsrat, dem dafür zuständigen Kabinettsausschuß, genehmigt" worden sei 5 9 . Der Bundessicherheitsrat ist ein durch Kabinettsbeschluß gebildeter Kabinettsausschuß, der sich entsprechend seiner früheren Bezeichnung als Verteidigungsrat zunächst als ein spezielles Koordinationsorgan der Bundesregierung für Verteidigungsfragen 60 darstellte. In ihm sind jedoch nicht alle Bundesminister, sondern nur der Bundeskanzler sowie die Bundesminister des Auswärtigen, der Verteidigung, des Innern, der Finanzen und für Wirtschaft repräsentiert 6 1 . Nur sofern erforderlich, können auch andere Minister hinzugezogen werden. Nach seiner derzeit gültigen Geschäftsordnung 6 2 befaßt sich der Bundessicherheitsrat mit sicherheitspolitschen Fragen, also vornehmlich mit Verteidigungs-, Abrüstungs- und Rüstungskontrollfragen. Insoweit kommt ihm sowohl eine beratende wie auch vorbereitende Funktion zu. In 59 FAZ vom 24.7.1992, S. 6; ebenso FAZ vom 29.10.1991 im Zusammenhang mit einer im Hamburger Freihafen gestoppten Lieferung von NVA-Rüstungsmaterial an Israel, das als landwirtschaftliches Gerät deklariert worden war. Ebenso S. Oeter, Neutralität und Waffenhandel, S. 199 m.w.N. in Fn. 132. 60 G.-Ch.v. Unruh, WdStRl 26 (1968), S. 157 (186); E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 247; K.-A. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 65a Rn. 7. 61 K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, § 54 V 4 d ß (S. 1420 f.) und § 42 I V 4 c (S. 875); K.-A. Hernekamp, in: I.v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Art. 65a Rn. 7. 62

Vom 27.1.1959 (Geschäftsordnung des Bundesverteidigungsrates, abgedruckt in: Η Honnacker/G. Grimm, Geschäftsordnung der Bundesregierung, Kommentar, S. 105 ff.) i.d.F. vom 14.2.1979; die Geschäftsordnung des Bundessicherheitsrates ist nicht veröffentlicht. Sie hat dem Verf. zur Einsichtnahme vorgelegen. Einzelheiten und Belege können jedoch nicht mitgeteilt werden.

IV. Der Bundessicherheitsrat - Fälle von 'besonderer politischer Bedeutung

225

dieser Funktion hat er soweit wie möglich Vorentscheidungen zu treffen oder entsprechende Entscheidungen des Bundeskanzlers oder der Bundesregierung vorzubereiten 6 3 . Wenngleich ihm hiernach nur Beratungs- und Empfehlungsfunktion zukommen soll 6 4 , geht er schon von seiner Zusammensetzung und seinen Funktionen über ein vorbereitendes und beratendes Gremium weit hinaus 6 5 . Er ist vielmehr das leitende Organ der Regierung in sicherheitspolitischen Fragen 6 6 . Das Organigramm 6 7 des üblichen Genehmigungsverfahrens (beim Bundeswirtschaftsminister 6 8 ) spricht zwar insofern nur von einer bloßen Befassung des Bundessicherheitsrates, was auf eine lediglich vorbereitende Tätigkeit des Bundessicherheitsrates hindeuten könnte. Gleichwohl findet zum einen keine anschließende Befassung des Bundeskabinetts mehr statt, und zum anderen endet die Befassung des Bundessicherheitsrates ausdrücklich mit einer Entscheidung. Wenn dennoch nach dem Organigramm anschließend das Bundeswirtschaftsministerium noch tätig wird, betrifft dies nur noch die verwaltungstechnische Abwicklung des entsprechenden Genehmigungsantrags, d.h. die letztlich noch erforderliche Umsetzung der (verwaltungsinternen) Entscheidung des Bundessicherheitsrates in die Form des Verwaltungsaktes, der dann gegenüber dem Antragsteller als Genehmigung oder Versagung erlassen wird. Die eigentliche Entscheidung über den Genehmigungsantrag trifft 63 Ahnlich auch Nr. 6 Abs. 2 der politischen Grundsätze der Bundesregierung für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern vom 28.4.1982, Bulletin Nr. 38, S. 309 (310) vom 5.5.1982: "Einwendungen der Bundesregierung gegen die Verwendung deutscher Zulieferungen kommen - nach BSR-Befassung - vor allem in folgenden Fällen in Betracht: ..." 6 4 K. Stern, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band II, § 42 I V 4 c (S. 875). 65 E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 247 f., weist daraufhin, daß sich das Eigengewicht des Bundessicherheitsrates auch durch seine institutionelle Selbständigkeit ausdrückt: Er verfügt über ein eigenes interministerielles Sekretariat, einen Abteilungsleiterausschuß aus den beteiligten Ministerien, er bildet bei Bedarf eigenständig interministerielle Ausschüsse oder Unterausschüsse zur Vorbereitung von Entscheidungen des Bundessicherheitsrates sowie zur Durchführung dieser Entscheidungen. Ferner besteht eine laufende Unterrichtungspflicht der beteiligten Minister gegenüber dem Verteidigungsrat (jetzt: Bundessicherheitsrat). 66

G.-Ch.v. Unruh, WdStRl 26 (1968), S. 157 (186) und E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 248, begrenzen diesen Bereich noch auf Verteidigungsfragen, was im Zusammenhang mit seiner ursprünglichen Bezeichnung als Verteidigungsrat gesehen werden muß. 67 Siehe Anhang I, S. 258 f. (Organigramm in Anlehnung an: C. Wieland, Bebermeyer, Deutsche Ausfuhrkontrolle 1992, S. 29 [34]).

in: H.

68 Zur grundsätzlichen Zuständigkeit des Bundesministers für Wirtschaft in Genehmigungsfragen (§ 11 Abs. 2 Nr. 4 KWKG i.V. mit § 1 Abs. 1 Nr. 4 1. D V O KWKG) s.o. S. 210. 15 Epping

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3. Teil: Α. Der Begriff der Bundesregierung

in den Fällen von besonderer politischer Bedeutung somit nicht, wie es vielleicht das Organigramm auf den ersten Blick nahelegen könnte, der Bundesminister für Wirtschaft. Er vollzieht vielmehr nur noch die Entscheidung des Bundessicherheitsrates, was letztlich auch daraus folgt, daß der Bundeswirtschaftsminister 'geborenes' Mitglied des Bundessicherheitsrates ist. Ohne die faktische Bindung seiner Entscheidungen in die weitere Untersuchung einzustellen, erkennt die Geschäftsordnung dem Bundessicherheitsrat sogar ein 'endgültiges' Entscheidungsrecht zu, "soweit nicht nach dem Grundgesetz oder einem Bundesgesetz ein Beschluß der Bundesregierung erforderlich ist" 6 9 . D.h., sofern eine Entscheidung der Bundesregierung erforderlich ist, kann der Bundessicherheitsrat nur die vorgenannten 'Vorentscheidungen' treffen, im übrigen aber endgültig entscheiden. Nach dem zuvor gefundenen Ergebnis bedeutet dies, daß der Bundessicherheitsrat schon nach seiner Geschäftsordnung keine Entscheidung über Genehmigungen i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG treffen darf, da hierfür ein Beschluß der Bundesregierung erforderlich ist. Daß er in der Praxis gleichwohl die maßgebliche Institution für die Entscheidung politisch bedeutsamer Genehmigungen ist, läßt sich aus § 11 KWKG und der o.g. Ermächtigung in der Geschäftsordnung, wonach ihm das Entscheidungsrecht zukommt, soweit nicht durch Grundgesetz oder durch Bundesgesetz ein Beschluß der Bundesregierung erforderlich ist, herleiten. In den Fällen, in denen eine Kompetenz einem Ressortminister gesetzlich (wie z.B. durch § 11 Abs. 2 Nr. 4 KWKG dem Bundesminister für Wirtschaft) wie grundgesetzlich (wie z.B. durch Art. 65a GG dem Bundesminister der Verteidigung) übertragen ist, kann nämlich danach der Bundessicherheitsrat, sofern die Entscheidung in seinen Aufgabenbereich fällt, diese Kompetenz an sich ziehen. Mithin nimmt er bei Fragen der Genehmigung i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG die über § 11 Abs. 2 und 3 KWKG gesetzlich erteilten Ressortkompetenzen bzw. - wenn man in § 11 Abs. 1 KWKG ein gesetzlich verankertes 'Rückholrecht' 7 0 der Bundesregierung sieht - sogar Kabinettskompetenzen wahr. E)ie Weite dieser Ermächtigung, die nach dem Wortlaut nicht nur die im Bundessicherheitsrat repräsentierten Ressortkompetenzen erfassen kann, begegnet - unabhängig von dem Sinn und der sachlichen Notwendigkeit des Bundessicherheitsrates - durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken, da 69 70

E.-W. Böckenförde,

Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 247.

In Anlehnung an die sog. Allzuständigkeit des Rates auf Kommunalebene (§ 28 Abs. 1 S. 1 GO NW) und die Übertragung der einfachen Geschäfte der laufenden Verwaltung auf den Gemeindedirektor (§ 28 Abs. 3 GO NW), vgl. hierzu H. Körner, Gemeindeordnung Nordrhein-Westfalen, § 28 Anm. 1, 15; E. Rehn/U. Cronauge, Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, § 28 Anm. I, IV.

IV. Der Bundessicherheitsrat - Fälle von 'besonderer politischer Bedeutung*

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die dadurch eingeräumten Kompetenzen der verfassungsrechtlichen Organisationsstruktur der Bundesregierung widersprechen: Zum einen wird die durch Art. 65 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich garantierte Ressortzuständigkeit der einzelnen Minister eingeschränkt. Denn aus dem Grundgesetz läßt sich keine Folgepflicht eines überstimmten Ministers - soweit seine Ressortkompetenz betroffen ist - gegenüber dem Mehrheitsvotum des Bundessicherheitsrates begründen. Vielmehr ist bei Meinungsverschiedenheiten nach Art. 65 Abs. 3 GG das Bundeskabinett anzurufen, was aber durch die in der Geschäftsordnung angelegte Entscheidungskompetenz des Bundessicherheitsrates und die damit intendierte Mehrheitsentscheidung innerhalb dieser Institution mißachtet wird 7 1 . Ein im Bundessicherheitsrat überstimmter Minister kann überdies seine durch die Mehrheitsentscheidung negierte grundgesetzlich garantierte Ressortkompetenz auch nicht wegen der in der Mehrheitsentscheidung sich ausdrückenden Meinungsverschiedenheit zwischen Bundesministern nach Art. 65 Abs. 3 GG zur Kabinettssache machen. Denn die dem Bundessicherheitsrat eingeräumte Entscheidungskompetenz wird in der Geschäftsordnung ausdrücklich als 'endgültig' bezeichnet. Dadurch, daß sich der Bundessicherheitsrat diese Kompetenzen selbst durch Erlaß einer Geschäftsordnung eingeräumt hat 7 2 , wird der Bundessicherheitsrat insoweit auch nicht mehr von dem gegenüber dem Bundeskabinett grundsätzlich als Institution legitimierenden Kabinettsbeschluß, auf dem der Bundessicherheitsrat beruht, getragen. Zum anderen ist der Kabinettsbeschluß betreffend die Einrichtung eines Bundessicherheitsrates selbst verfassungswidrig, wenn dem Bundessicherheitsrat dadurch über bloße Kabinettsbeschlüsse über vorbereitende und beratende Funktionen hinaus eigenständige Entscheidungsfunktionen übertragen wurden. Denn dadurch würden ebenfalls verfassungsrechtliche (z.B. Art. 26 Abs. 2 GG) und sonstige gesetzliche Kompetenzzuweisungen an die Bundesregierung als Kollegium oder an einzelne Minister, die den Aufgabenbereich des Bundessicherheitsrates betreffen, durch einen bloßen Beschluß der Exekutive außer Kraft gesetzt. Selbst eine mit der Einrichtung des Bundessicherheitsrates möglicherweise intendierte Delegation durch das eigentlich zuständige Bundeskabinett ist daher verfassungswidrig. Nicht ohne Grund haben daher schon frühzeitig E.-W. Böckenförde und G.-Ch. v. Unruh eine entsprechende Ergänzung des Art. 65 7 1 E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 248; i.E. wohl auch G.-Ch.v. Unruh, W d S t R l 26 (1968), S. 157 (186 f.). 7 2

E.-W. Böckenförde y Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 247.

228

3. Teil: Β. Folgen der sachlichen Unzuständigkeit

GG gefordert 7 3 . Bedenklich aber erscheint die in diesem Zusammenhang angeführte These, daß diese andauernde und von den Beteiligten als verfassungsmäßig anerkannte Übung contra constitutionem zu einer Verfassungswandlung führen soll 7 4 . Damit würde nämlich in letzter Konsequenz durch dauernde Übung und Rechtsüberzeugung der Exekutive der Verfassung entgegenstehendes, ihr aber vorgehendes Gewohnheitsrecht geschaffen(l). Dies ist schon angesichts des insofern eindeutigen Art. 79 GG, der lediglich unter engen Voraussetzungen der Legislative, nicht aber der Exekutive die Möglichkeit der Verfassungsänderung einräumt, nicht möglich. Die Praxis bei Genehmigungen (i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG) in den Fällen sog. besonderer politischer Bedeutung, die lediglich eine Befassung des Bundessicherheitsrates vorsieht, verstößt folglich ebenfalls gegen Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG, da unter dem Begriff der Bundesregierung das Regierungskollegium zu verstehen ist.

B. Folgen der sachlichen Unzuständigkeit Es fragt sich, welche Konsequenzen dieses Ergebnis für die bisher erteilten Bescheide hat. Wegen Verstoßes gegen die höherrangige Norm des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG ist die in § 11 Abs. 2 und 3 KWKG angelegte Delegation verfassungswidrig mit der Folge, daß alle auf der Grundlage des § 11 Abs. 2 und 3 KWKG vorgenommenen Bescheidungen rechtswidrig sind. Gemäß § 43 Abs. 3 VwVfG sind Verwaltungsakte (§ 35 Satz 1 VwVfG) zunächst aber wirksam, wenn sie nicht nichtig sind (§ 44 VwVfG). Daß Erteilungen oder Ablehnungen von Genehmigungen nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG Verwaltungsakte i.S. des Art. 35 Satz 1 VwVfG sind, bedarf keiner näheren Erörterung. Fraglich ist also, ob die festgestellte sachliche Unzuständigkeit die Nichtigkeit der bisher erteilten Bescheide nach sich zieht. Im Gegensatz zu Verstößen gegen die örtliche Zuständigkeit werden sonstige Verstöße gegen die Zuständigkeit nicht von § 44 Abs. 2 und Abs. 3 73 E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 249; G.-Ch.v. Unruh, WdStRl 26 (1968), S. 157 (187 Fn. 70):"Innerhalb der Bundesregierung können Kabinettsausschüsse mit eigenen Koordinationsaufgaben gebildet werden." 74 So E.-W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, S. 249 und ähnlich G.-Ch.v. Unruh, WdStRl 26 (1968), S. 157 (187).

Β. Folgen der sachlichen Unzuständigkeit

VwVfG erfaßt. Überdies führen Verstöße gegen die örtliche Zuständigkeit abgesehen von dem Fall des § 44 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG, der die örtliche Zuständigkeit bei unbeweglichem Vermögen sowie ortsgebundenen Rechten und Rechtspflichten (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG) betrifft - nicht zur Nichtigkeit, § 44 Abs. 3 Nr. 1 VwVfG. In systematischer Hinsicht ließe sich daraus ableiten, daß, da nur örtliche Zuständigkeitsmängel Aufnahme in den Katalog des § 44 Abs,. 2 und 3 VwVfG gefunden haben und diese grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit führen, auch sonstige Zuständigkeitsmängel grundsätzlich nicht zur Nichtigkeit führen. Ob dennoch die Nichtigkeit der erteilten Genehmigungen anzunehmen ist, bemißt sich letztlich an der Generalklausel des § 44 Abs. 1 VwVfG. Dies setzt zunächst voraus, daß die Unzuständigkeit der bescheidenden Behörde bei den Genehmigungen einen besonders schwerwiegenden Fehler i.S. des § 44 Abs. 1 darstellt 7 5 . Ein besonders schwerwiegender Fehler liegt dann vor, wenn er "den davon betroffenen Verwaltungsakt als schlechthin unerträglich erscheinen, d.h. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar sein läßt". 7 6 Der bloße Verstoß gegen eine Bestimmung des Grundgesetzes selbst führt hingegen noch nicht zur Nichtigkeit 7 7 . Der Verstoß muß vielmehr für die Rechtsordnung schlechterdings unerträglich sein. Bezogen auf Zuständigkeitsmängel bedeutet dies, daß ein mit der Nichtigkeitsfolge bewehrtes Zuständigkeitsdefizit dann vorliegt, wenn ein Fall der 'absoluten Unzuständigkeit* vorliegt, d.h. die Behörde unter keinen wie auch immer gearteten Umständen mit der Sache befaßt sein kann 7 8 .

75 P. Stelkens/M. Sachs, in: P. Stelkens/H.J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 87, weisen unter Verweis auf die Begründung zu § 40 Abs. 3 Nr. 1 Entwurf 73 darauf hin, daß § 44 bewußt keine Regelung der Folgen der sachlichen Unzuständigkeit enthält, da die Rechtsfolgen dieser Fehler je nach Lage des Einzelfalls zu unterschiedlich seien. 76 BVerwG, NJW 1985, 2658 (2659 m.w.N.); BFH, BB 1987, 51 (52) für den § 44 VwVfG entsprechenden § 125 Abs. 1 AO 1977; OVG Lüneburg, OVGE 39, 370 (371 f.); ebenso P. Stelkens/M. Sachs, in: P. Stelkens/H.J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 51; D. Ehlers/Ch. Link, in: K. Obermayer, VwVfG, § 44 Fn. 3 (S. 683); F.O. Kopp, VwVfG, § 44 Rn. 5; diese Auffassung als zu eng qualifizierend H. Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 10 Rn. 32 a.E. 77 BVerwG, NJW 1984, 2113 (2114); Ρ. Stelkens /M . Sachs, in: P. Stelkens/H.J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 51; ähnlich auch BVerwG, NJW 1985, 2658 (2659: "selbst einer sehr wichtigen Rechtsbestimmung"). 78 BVerwG, DÖV 1972, 173; NJW 1974, 1961 (1963) = DVB1. 1974, 562 (564 f. m.w.N.); VGH BW, VB1BW 1981, 291 (292 m.w.N.); Ρ. Stelkens IM. Sachs, in: P. Stelkens/H.J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 55; F. O. Kopp, VwVfG, § 44 Rn. 11 m.w.N.; H. Meyer, in: ders./H. Borgs, VwVfG, § 44 Rn. 11; D. Ehlers/Ch. Link, in: K. Obermayer, VwVfG, § 44 Fn. 50.

230

3. Teil: Β. Folgen der sachlichen Unzuständigkeit

Nach Art. 26 Abs. 2 GG kann ausschließlich das Bundeskabinett als Kollegium über Genehmigungen i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG entscheiden. Dennoch wird man angesichts der durch ein - zwar verfassungswidriges, aber gleichwohl nicht vom BVerfG verworfenes - in Kraft befindliches Bundesgesetz (KWKG) begründeten Zuständigkeit bestimmter Ressortminister kaum konstatieren können, daß diese unter keinen Umständen mit der Materie befaßt sein könnten, zumal das ermächtigende Gesetz expressis verbis das Ausführungsgesetz zu Art. 26 Abs. 2 GG ist. Aber selbst wenn man eine absolute Unzuständigkeit und damit einen besonders schwerwiegenden Mangel i.S. des § 44 Abs. 1 VwVfG in dem Zuständigkeitsdefizit erblicken will, ist jedenfalls die Offenkundigkeit, das für die Bejahung der Nichtigkeit notwendige kumulative Merkmal, zu verneinen. Denn Offenkundigkeit bedeutet, daß die schwere Fehlerhaftigkeit des Verwaltungsaktes für einen unvoreingenommenen, mit den in Betracht kommenden Umständen vertrauten, urteilsfähigen und verständigen Durchschnittsbürger ohne weiteres ersichtlich sein muß 7 9 . Die Fehlerhaftigkeit muß dem Verwaltungsakt gewissermaßen "auf die Stirn geschrieben sein" 8 0 . Im Hinblick auf die Delegationsermächtigung in § 11 Abs. 2 und 3 KWKG sowie das vereinzelt noch vertretene Verständnis, daß auch der sachlich zuständige Ressortminister für die Bundesregierung handeln kann, ist jedenfalls die für die Bejahung der Nichtigkeit der bisher von den Ressortministern bzw. dem Bundessicherheitsrat nach Art. 26 Abs. 2 GG erteilten Genehmigungen notwendige Offenkundigkeit i.S. des § 44 Abs. 1 VwVfG zu verneinen. Folglich sind die Bescheide, sofern sie nicht von der Bundesregierung erteilt wurden, aus diesem Grunde nicht nichtig, sondern lediglich rechtswidrig. Daran schließt sich die Frage an, ob diese rechtswidrigen Genehmigungen aufhebbar, d.h. vernichtbar sind. Dies bemißt sich nach § 46 VwVfG. Danach kann die Aufhebung von nicht nichtigen Verwaltungsakten nicht allein deshalb beansprucht werden, weil sie auf Verletzungen von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustandegekommen sind, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können. Aus der ausdrücklichen Erwähnung der örtlichen Zuständigkeit in § 46 VwVfG folgt, daß sonstige Zuständigkeitsmängel, die nicht nach § 44 79 BVerwG, NVwZ 1987, 230; NJW 1971, 578 m.w.N.; H.J. Wolff/O. Bachof, Verwaltungsrecht I, § 51 I c 4; P. Stelkens/ M. Sachs, in: P. Stelkens/H.J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 44 Rn. 60 f.; F.O. Kopp, VwVfG, § 44 Rn. 9; W. Klappstein, in: H.J. Knack, VwVfG, § 44 Anm. 4.2. 80

VGH BW, VB1BW 1981, 291 (292); F.O. Kopp, VwVfG, § 44 Rn. 9.

3. Teil: D. Ausblick

231

VwVfG nichtig sind, nicht unter § 46 VwVfG subsumierbar sind 8 1 . Dies wiederum bedeutet, daß die in Rede stehenden Genehmigungen grundsätzlich aufhebbar sind.

C. Ergebnis Gemäß Art. 26 Abs. 2 GG sind die Genehmigungen betreffend das Herstellen, Befördern und Inverkehrbringen von zur Kriegführung bestimmten Waffen von der Bundesregierung, d.h. dem Bundeskabinett als Kollegium zu treffen. Die im KWKG in § 11 Abs. 2 und 3 KWKG angelegte und durch die 1. Durchführungsverordnung zum KWKG umgesetzte Delegation dieser verfassungsrechtlichen Kompetenz auf einzelne Ressortminister verstößt daher gegen Art. 26 Abs. 2 GG und ist demzufolge verfassungswidrig. Dies gilt ebenfalls für die durch den Bundessicherheitsrat beschiedenen Genehmigungen, da diese durch einen Kabinettsbeschluß vorgenommene Substitution dieses Aufgabenbereichs nicht mit den Anforderungen des Art. 26 Abs. 2 GG in Einklang gebracht werden kann. Die an dem Zuständigkeitsmangel leidenden Bescheide sind wegen der jedenfalls zu verneinenden Offensichtlichkeit i.S. des § 44 Abs. 1 VwVfG nicht nichtig, wohl aber rechtswidrig und damit aufhebbar.

D. Ausblick I.E. wird diese rechtliche Würdigung kaum zu einer Änderung der Genehmigungspraxis führen, da an den bisherigen Sacherwägungen, die von einem weiten politischen Beurteilungsspielraum getragen werden, festhalten werden wird. Angesichts der Repräsentanz der wesentlichen Kabinettsmitglieder im Bundessicherheitsrat wird bei den Fällen von sog. besonderer politischer Bedeutung ohnehin von einer faktischen Bindung der bisher in diesem Gremium geübten Praxis auch im Bundeskabinett auszugehen sein. Gleiches würde für die übrigen 'tagtäglichen' Genehmigungen, die bisher von den Ressortministern erteilt werden, beispielsweise unter dem Routinegesichtspunkt gelten.

81 BVerwGE 66, 178 (182 f. zu § 127 AO); VGH BW, DÖV 1978, 696; BayVGH, BayVBl. 1979, 54 (55); OVG NW, OVGE 33, 274 (276); P. Stelkens/M. Sachs, in: P. Stelkens/H.J. Bonk/M. Sachs, VwVfG, § 46 Rn. 23; F.O. Kopp, § 46 Rn. 16 (S. 973); M. Oldiges, DÖV 1989, 873 (882); W. Klappstein, in: H.J. Knack, VwVfG, § 46 Anm. 3.1.1. und 3.3.

232

3. Teil: D. Ausblick

Angesichts der Gesetzesbindung der Exekutive (Art. 20 Abs. 3 GG) erscheint aber eine Verfassungsänderung in dem seinerzeit schon bei der Entwurfsbegründung zum KWKG geäußerten Sinne und eine Änderung des § 11 KWKG angezeigt: Das Bundeskabinett, oder bei entsprechender verfassungsrechtlicher Verankerung auch der Bundessicherheitsrat, müßten in Fällen von sog. besonderer politischer Bedeutung die Genehmigung nach Art. 26 Abs. 2 GG bzw. dem KWKG erteilen, während unter dem praktischen Aspekt der Sachnähe die sonstigen Genehmigungen weiterhin von dem jeweils zuständigen Ressortminister erteilt werden könnten. Damit würde die bisherige Genehmigungspraxis lediglich legitimiert werden.

Abschließende Bewertung Die Untersuchung hat gezeigt, daß der Gesetzgeber den Verfassungsauftrag aus Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG noch nicht vollumfänglich erfüllt hat. Dennoch wird das Ausführungsgesetz zu Art. 26 Abs. 2 GG, das KWKG, den derzeitigen Anforderungen an die Kriegswaffenkontrolle weitgehend gerecht. Dies liegt auch daran, daß das KWKG, dem verfassungsrechtlichen Ziel der umfassenden Kontrolle des Umgangs mit Kriegswaffen Rechnung tragend, über den in Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG beschriebenen Regelungsbereich zum Teil hinausgeht. Der verfassungsrechtliche Genehmigungsvorbehalt aus Art. 26 Abs. 2 GG steht dem nicht entgegen, da dieser nur die Mindestvorgaben des Verfassungsauftrags enthält. Im Rahmen seines ihm zukommenden gesetzgeberischen Ermessens steht es dem Gesetzgeber frei, auch andere, nicht verfassungsrechtlich vorgegebene Bereiche zu normieren, sofern er sich dabei im Rahmen der verfassungsrechtlichen Ordnung hält. Indes wird nicht berücksichtigt, daß neben dem KWKG noch Art. 26 Abs. 2 Satz 1 einen selbständigen Genehmigungsvorbehalt enthält, dem lediglich bei vollumfänglicher Erfüllung des Verfassungsauftrags durch die Regelung des Ausführungsgesetzes keine eigenständige kontrollrechtliche Bedeutung mehr zukäme. Sofern aber das Ausführungsgesetz hinter den verfassungsrechtlichen Mindestvorgaben zurückbleibt, erfaßt der verfassungsrechtliche Genehmigungsvorbehalt diesen vom KWKG nicht abgedeckten Bereich. Möglichen Verstößen ist in diesem Bereich mit dem allgemeinen Polizei- und Ordnungsrecht zu begegnen. Um dem Verfassungsauftrag gerecht zu werden, bedarf das KWKG in einigen Punkten einer Ergänzung oder Korrektur Dies gilt insbesondere für den Regelungsgegenstand, die Kriegswaffe. Die aus Praktikabilitätsgründen gewählte enumerative Aufzählung der Waffen in der Kriegswaffenliste wird dem gerade für neue Entwicklungen offenen Kriegswaffenbegriff des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nicht gerecht. Des weiteren ist die sinnvolle, aber verfassungswidrige Praxis der Erfassung von Bestandteilen von Kriegswaffen, die nicht in der Kriegswaffenliste aufgeführt sind, vom Gesetzgeber zu legitimieren. Gleiches gilt für den 1

Vgl. hierzu im einzelnen die nachfolgenden Thesen.

234

Abschließende Bewertung

Kriegswaffenexport. Sowohl der verfassungsrechtliche Genehmigungsvorbehalt als auch § 3 Abs. 3 KWKG erfassen derzeit nur den innerdeutschen Beförderungsvorgang. Indes besteht für die Ausgestaltung des § 3 Abs. 3 KWKG als Ausfuhrtatbestand kein Regelungsbedarf, da dieser Bereich durch die Ausfuhrkontrolle nach dem AWG abgedeckt ist. Daneben ist aber auch der verfassungsändernde Gesetzgeber aufgefordert, die durch das KWKG vorgenommene Delegation der Kabinettskompetenz aus Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG auf einzelne Bundesminister bzw. den Bundessicherheitsrat verfassungsrechtlich zu verankern.

Zusammenfassende Thesen 1.

Zur Kriegführung bestimmt i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG sind solche Waffen, die sich aufgrund ihrer objektiven Beschaffenheit eignen, den Völkerfrieden zu stören. Dies ist dann der Fall, wenn sie mit einer solch großen Zerstörungskraft ausgestattet sind, daß sie sich generell nur zum Einsatz bei bewaffneten Auseinandersetzungen größeren Ausmaßes, seien sie nationaler oder internationaler Art, eignen, also eine großformatige Gewaltanwendung erlauben. Maßgeblich hierfür ist der Stand in Forschung und Technik in Kombination mit militärwissenschaftlichen Erkenntnissen. a)

Eine Waffe im natürlichen Wortsinn liegt dann vor, wenn das Medium nach der objektiven Beschaffenheit zur Hervorrufung von Verletzungen und/oder Sachbeschädigungen geeignet ist.

b)

Der Kriegsbegriff des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG ist nicht dekkungsgleich mit dem völkerrechtlichen Kriegsbegriff. Während letztgenannter sich nur auf bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen Staaten unter Umgestaltung ihrer friedlichen Beziehungen zueinander erstreckt, umfaßt der Kriegsbegriff des Grundgesetzes auch die internen bewaffneten Auseinandersetzungen. Demgegenüber bleibt die in § 1 Abs. 2 letzter Halbsatz KWKG vorgenommene Begriffsbestimmung, die den Krieg ähnlich der völkerrechtlichen Begriffsbestimmung als bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Staaten definiert, zurück.

c)

Für die Bestimmung einer Waffe zur Kriegführung kann nicht auf die subjektive Beurteilung des jeweiligen Gewaltinhabers abgestellt werden.

2.

Der Begriff der Waffe i.S. des Art. 26 Abs. 2 GG ist nicht wie in § 1 Abs. 2 KWKG auf Gegenstände, Stoffe und Organismen fixiert, sondern ein unbestimmter Rechtsbegriff, der losgelöst von den drei genannten Medien des KWKG der waffentechnischen Entwicklung offen steht.

3.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Kriegswaffeneigenschaft ist der Zeitpunkt der Entscheidung über die Genehmigungserteilung. Die Kriegswaffenliste wird dem nicht gerecht, da neu entwickelte

236

Zusammenfassende Thesen

Waffen erst dann Kriegswaffen i.S. des KWKG sind, wenn sie in die Kriegswaffenliste aufgenommen sind. 4.

Der Verfassungsauftrag aus Art. 26 Abs. 2 Satz 2 GG verlangt, daß sämtliche zur Kriegführung bestimmte Waffen auch vom KWKG erfaßt werden. Der für eine enumerative Kriegswaffenliste sprechende Gesichtspunkt der Praktikabilität rechtfertigt ein Zurückbleiben des Kriegswaffenbegriffs auch nicht unter Zugrundelegung des Bestimmtheitsgrundsatzes aus Art. 103 Abs. 2 GG.

5.

Wird eine zur Kriegführung bestimmte Waffe i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG nicht vom KWKG über die Kriegswaffenliste erfaßt, kommt der verfassungsrechtliche Genehmigungsvorbehalt selbst zur Anwendung. In diesem Fall kann Verstößen gegen Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG mit polizei- und ordnungsrechtlichen Mitteln begegnet werden.

6.

Art. 26 Abs. 2 GG ordnet lediglich an, daß die dort genannten Handlungen genehmigungspflichtig sind, legt also nur die zwingend vom Ausführungsgesetz (KWKG) zu erfüllenden kriegswaffenkontrollrechtlichen Mindestanforderungen fest. Darüber hinaus ist der Gesetzgeber im Rahmen seines ihm zukommenden gesetzgeberischen Ermessens frei, auch andere Medien und Handlungen dem KWKG zu unterwerfen, sofern er sich dabei im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung hält (Art. 20 Abs. 3 GG).

7.

Die von der Kriegswaffenliste erfaßten wesentlichen Bestandteile sind lediglich Kriegswaffen i.S. des KWKG. Sie sind keine zur Kriegführung bestimmten Waffen i.S. des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG, da ihnen schon die objektive Beschaffenheit zur selbständigen Herbeiführung von Verletzungen und/oder Sachbeschädigungen fehlt.

8.

Die insbesondere von der Rechtsprechung und der Verwaltungspraxis vertretene sog. Bausatz- oder Baugruppentheorie, die auch solche Gegenstände erfassen will, die nicht in der Kriegswaffenliste verzeichnet sind, gleichwohl aber zu einer Kriegswaffe zusammengebaut werden können, verstößt gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG. Der Gesetzgeber ist insoweit gefordert, dem Anliegen der Bausatztheorie, Gesetzesumgehungen zu vermeiden, Rechnung zu tragen und die verfassungswidrige Verwaltungspraxis zu legitimieren.

9.

Der verfassungsrechtliche Genehmigungsvorbehalt des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG beinhaltet ebenso wie der Genehmigungsvorbehalt des KWKG ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt.

Zusammenfassende Thesen

10. Maßgeblich für die Differenzierung zwischen genehmigungspflichtiger Wiederherstellung und genehmigungsfreier Instandsetzung ist die Kriegswaffeneigenschaft der Waffe. Eine bloße Instandhaltung liegt daher nur dann vor, wenn die Kriegswaffeneigenschaft als solche - wenn auch eingeschränkt - in irgendeiner Weise erhalten ist. 11. Das Herstellen beschreibt einen fließenden Vorgang, der lediglich als Endpunkt das einsatzfähige Produkt, d.h. die zur Kriegführung bestimmte Waffe hervorbringt. 12. Die Herstellgenehmigung muß dann erteilt sein, wenn mit dem Arbeitsgang begonnen wird, in dessen Verlauf die Kriegswaffe entsteht. Dies kann auch die Forschung und/bzw. die Entwicklung sein. Deshalb ist eine Differenzierung nach starren Phasen - Forschung, Entwicklung, Herstellung - abzulehnen. Vielmehr beschreiben Forschung und Entwicklung Stufen innerhalb der Herstellung. 13. Hersteller, d.h. derjenige, der die Herstellgenehmigung sowohl nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG als auch nach § 2 Abs. 1 KWKG beantragen muß, ist allein der Geschäftsherr, nicht aber der einzelne am Herstellungsprozeß Beteiligte. 14. Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG weist keinen Auslandsbezug auf. Das Herstellen, Befördern und Inverkehrbringen von Kriegswaffen durch deutsche Staatsangehörige außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes unterfällt daher nicht dem Regelungsbereich des Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG (siehe These 19). 15. Die durch § 21 KWKG erfolgte Auslandserstreckung steht mit dem Völkerrecht in Einklang und verstößt daher nicht gegen Art. 25 GG. Das völkerrechtskonforme unbeschränkte aktive Personalitätsprinzip stellt die vom Völkerrecht geforderte echte Verknüpfung zwischen dem normierenden Staat, der Bundesrepublik, und dem durch § 21 geregelten Auslandssachverhalt dar. 16. Eine genehmigungspflichtige Beförderung liegt dann vor, wenn eine Kriegswaffe außerhalb eines abgeschlossenen Geländes transportiert wird. 17. Beförderer i.S. von Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG und § 3 Abs. 2 KWKG ist der tatsächliche Beförderer, also derjenige, der die Beförderung selbst oder mit eigenem Personal durchführt. 18. Weder die Ein- und Ausfuhr noch die Durchfuhr als solche sind von einer Genehmigung abhängig. Genehmigungspflichtig sowohl nach Art.

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Zusammenfassende Thesen

26 Abs. 2 Satz 1 GG als auch nach § 3 Abs. 3 KWKG ist lediglich die innerdeutsche Beförderung zum Zwecke der Ein-, Aus- und Durchfuhr. 19. Der Genehmigungsvorbehalt aus Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG erfaßt auch die Beförderung von Kriegswaffen außerhalb des Bundesgebietes, sofern der Transport mit Seeschiffen, die berechtigterweise die deutsche Flagge führen, und Luftfahrzeugen, die in die Luftfahrzeugrolle eingetragen sind, durchgeführt wird. § 4 Abs. 1 KWKG ist die ausdrückliche Umsetzung dieser sich aus dem Völkerrecht ergebenden Rechtslage in das KWKG. 20. Ein Inverkehrbringen i.S. von Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG liegt dann vor, wenn derjenige, der tatsächlich über die Kriegswaffe verfügen kann, diese aus dem bestehenden tatsächlichen Verfügungsverhältnis herauslöst und damit anderen die tatsächliche Zugriffs- bzw. Verfügungsmöglichkeit auf die Kriegswaffe eröffnet. Ein Erwerb der tatsächlichen Verfügungsmacht durch eine andere Person ist nicht erforderlich. 21. Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG stellt den Erwerb einer Kriegswaffe nicht selbständig unter den Genehmigungsvorbehalt. Der Erwerb wird vielmehr schon durch den weiterreichenden Tatbestand des Inverkehrbringens erfaßt. Gleichwohl benötigt der Erwerber einer Kriegswaffe eine Erwerbsgenehmigung nach § 2 Abs. 2 KWKG. 22. Die durch § 2 Abs. 2 KWKG vorgenommene Umschreibung des verfassungsrechtlichen Genehmigungstatbestandes des Inverkehrbringens bleibt hinter den verfassungsrechtlichen Anforderungen zurück, da das Inverkehrbringen keinen zielgerichteten Entäußerungsvorgang verlangt, sondern auch das nicht zielgerichtete Zurverfügungstellen als genehmigungspflichtige Handlung erfaßt. 23. Der Begriff 'Bundesregierung1 in Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG meint das Regierungskollegium. Die durch das KWKG vorgenommene Delegation der verfassungsrechtlichen Genehmigungskompetenz auf einzelne Bundesminister ist daher verfassungswidrig. 24. Die Praxis bei Genehmigungen in den Fällen sog. besonderer politischer Bedeutung, lediglich den Bundessicherheitsrat zu befassen, verstößt ebenfalls gegen Art. 26 Abs. 2 Satz 1 GG. 25. Die an einem Zuständigkeitsmangel leidenden Bescheide nach dem KWKG sind wegen der jedenfalls zu verneinenden Offensichtlichkeit i.S. des § 44 Abs. 1 VwVfG nicht nichtig, wohl aber rechtswidrig und damit aufhebbar.

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