Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst [1 ed.] 9783428507108, 9783428107100

Katharina Pabel erörtert in der vorliegenden Publikation die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Bereich de

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Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst [1 ed.]
 9783428507108, 9783428107100

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 904

Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst Von

Katharina Pabel

Duncker & Humblot · Berlin

K A T H A R I N A PABEL

Grundfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 904

Grandfragen der Kompetenzordnung im Bereich der Kunst Von

Katharina Pabel

Duncker & Humblot • Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn hat diese Arbeit im Jahre 2001 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-10710-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde i m Sommersemester 2001 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn als Dissertation angenommen. Der Text wurde nur in Details überarbeitet; er berücksichtigt die bis Anfang 2002 erschienene Literatur. Herrn Prof. Dr. Dr. Christoph Grabenwarter danke ich für die Anregungen und Ideen, die ich während meiner Arbeit an seinem Lehrstuhl erhalten habe, sowie für wertvolle Hinweise beim Abschluss der Dissertation. Herrn Prof. Klaus Schiaich, bei dem ich die vorliegende Untersuchung begonnen habe, danke ich für seine Geduld und stetige Unterstützung während der Promotionszeit. Beiden Gutachtern möchte ich besonderen Dank für die rasche Erstellung der Voten aussprechen. Die vorliegende Arbeit wäre ohne die Hilfe und den Zuspruch meiner Familie und meiner Freunde nicht entstanden. Für alle Unterstützung, die ich in vielfältiger Weise erfahren habe, möchte ich - auch an dieser Stelle - herzlich danken.

Katharina Pabel

Inhaltsverzeichnis Kapitel 1 Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes I. Entwicklung der Fragestellung 1. Die Kulturhoheit der Länder 2. Kulturpolitische Aktivitäten des Bundes a) Schaffung des Amtes eines Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien b) Kulturausschuss des Deutschen Bundestages c) Kulturpolitische Maßnahmen zur Selbstdarstellung des Gesamtstaats 3. Ziel der Untersuchung II. Bestimmung des untersuchten Sachbereichs staatlicher Tätigkeit 1. Begriff des Sachbereichs 2. Auswahl des Sachbereichs a) Bestimmung des Sachbereichs „Kunstpflege" b) Abgrenzung von anderen Sachbereichen c) Maßnahmen der Staatsrepräsentation

11 11 11 14 14 17 17 19 20 20 20 21 24 26

Kapitel 2 Verteilung der Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege auf Bund und Länder I. Strukturierung der Kompetenzuntersuchung 1. Kunstpflege als Staatsaufgabe a) Meinungsstand b) Stellungnahme 2. Anwendbarkeit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes a) Einschränkende Auslegung von Art. 30 GG b) Weite Auslegung von Art. 30 GG c) Auslegung von Art. 30 GG durch das Bundesverfassungsgericht d) Anwendbarkeit der Kompetenzordnung auf staatliche Kunstpflege 3. Die Feststellung von Länderkompetenzen a) Gleichwertigkeit von Bundes- und Länderkompetenzen b) Methodisches Vorgehen c) Berücksichtigung der Finanzierungskompetenz 4. Aufbau der Kompetenzuntersuchung II. Kompetenzrechtliche Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege 1. Kunstpflege im Inland unter dem Gesichtspunkt gesamtstaatlicher Repräsentation

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Inhaltsverzeichnis

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a) Darstellung der Staatspraxis aa) Kompetenz Wahrnehmung durch den Bund bb) Kompetenzbegründung durch den Bund b) Umfang der Bundeskompetenz für die Förderung kultureller Einrichtungen im Inland aa) Geschriebene Kompetenzen des Bundes bb) Ungeschriebene Kompetenzen des Bundes (1) Annexkompetenzen und Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs (a) Annexkompetenzen (b) Kompetenzen aus dem Sachzusammenhang (c) Zusammenfassende Stellungnahme (d) Anwendung auf Kompetenzen in Zusammenhang mit Kunstpflege (2) Kompetenzen aus der Natur der Sache (a) Ansätze zur Begründung kultureller Kompetenzen des Bundes aus der Natur der Sache (aa) Troeger-Gutachten (bb) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz (cc) Weitere Begründungsmuster (dd) Stellungnahme (b) Die Kompetenz aus der Natur der Sache -Methodische Überlegungen (aa) Rechtsprechung (bb) Schrifttum bzgl. Bundeskompetenzen aus der Natur der Sache (cc) Stellungnahme (c) Kompetenzielle Bewertung der Kunstpflege unter dem Gesichtspunkt der gesamtstaatlichen Repräsentation (3) Ergebnis Kunstpflege in den neuen Bundesländern a) Kompetenzausübung durch den Bund b) Umfang der Bundeskompetenz aa) Kompetenz aufgrund des Einigungsvertrags bb) Kompetenz aufgrund des Grundgesetzes Förderung kultureller Maßnahmen von Flüchtlingen und Vertriebenen a) Kompetenzausübung durch den Bund b) Umfang der Bundeskompetenz Einrichtung und Unterhaltung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz a) Kompetenz Wahrnehmung durch den Bund b) Entstehung und Entwicklung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz c) Umfang der Bundeskompetenz Filmförderung a) Kompetenzausübung durch den Bund b) Umfang der Bundeskompetenz Auswärtige Kulturpolitik a) Kompetenzausübung durch den Bund

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Inhaltsverzeichnis b) Kompetenzumfang aa) Kompetenz zum Betreiben auswärtiger Kulturpolitik bb) Abschluss von Kulturabkommen cc) Akte der Gesetzgebung in Bezug auf auswärtige Kulturpolitik dd) Verwaltungs-und Finanzierungskompetenz ee) Maßnahmen auswärtiger Kulturpolitik: Abgrenzungsprobleme (1) Maßnahmen im Inland (2) Maßnahmen bzgl. des kulturellen Erbes der ehemaligen deutschen Siedlungsgebiete im Osten Europas c) Ergebnis 7. Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen a) Kulturgutsicherungsgesetz b) Künstlersozialversicherung c) Urheberrecht d) Steuerrecht 8. Maßnahmen zur Selbstdarstellung des Staates a) Staatssymbole aa) Festlegung der Staatssymbole (1) Flagge (2) Nationalhymne (3) Wappen (4) Orden und Ehrenzeichen (5) Festlegung von Feier-und Gedenktagen bb) Verbandskompetenz für die Festlegung der Staatssymbole (1) Kompetenz aus Art. 22 GG? (2) Feststellung einer Lücke in der Verfassung (3) Lückenschließung durch Analogie b) Staatsrepräsentation durch die Hauptstadt aa) Festlegung der Hauptstadt bb) Förderung kultureller Maßnahmen in der Hauptstadt cc) Förderung kultureller Maßnahmen in der Bundesstadt Bonn c) Architektonische Selbstdarstellung des Staates d) Pflege des Geschichtsbewusstseins aa) Maßnahmen des Staates zur Pflege des Geschichtsbewusstseins bb) Kompetenz des Bundes zur Pflege des Geschichtsbewusstseins e) Nationalstiftung aa) Diskussion und Errichtung der Kulturstiftung der Länder und der Bundeskulturstiftung bb) Kompetenz zur Gründung einer Nationalstiftung f) Zwischenergebnis III. Zusammenfassung

107 108 109 115 116 118 119 120 120 120 121 122 122 123 124 124 125 125 125 126 126 127 128 128 130 131 134 134 136 139 139 140 140 142 144 144 147 149 149

Kapitel 3 Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst aus der Sicht der Staatsrechtslehre I. Methodische Vorüberlegungen

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Inhaltsverzeichnis

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1. Abstrakter Bundesstaatsbegriff? 2. Untersuchungsanliegen der Staatsrechtslehre 3. Beschränkung auf die Sachmaterie Kunst Strukturunterschiede zwischen Kompetenzwahrnehmung durch den Bund und Kompetenzwahrnehmung durch die Länder 1. Perspektive des Vergleichs von Bundes- und Länderzuständigkeit 2. Feststellung der Strukturunterschiede Verfassungsrechtliche Anforderungen an staatliches Handeln im Bereich der Kunst 1. Sicherung der Kunstfreiheit a) Schutzumfang der Kunstfreiheit b) Folgerungen für staatliches Handeln 2. Kulturstaatsklauseln a) Gesamtstaatliche Ebene b) Länderebene 3. Zusammenfassung Folgerungen für die sachgerechte Verbandszuständigkeit 1. Freiheitssicherung durch Pluralität 2. Örtliche Verankerung der Pluralität a) Existenz von länderspezifischen kulturellen Eigenheiten b) Schutz kultureller Eigenheiten als kulturpolitisches Ziel 3. Berücksichtigung von Minderheiten 4. Zusammenfassung Grundrechtsschutz durch sachgerechte Kompetenzverteilung? 1. Verfassungsrang der Kompetenzordnung 2. Materiale Rechtsfolgen von Kompetenzbestimmungen? 3. Grundrechtsschutz durch Organisation? a) Meinungsstand zum Grundrechtsschutz durch Verfahren und Organisation .. b) Übertragung auf die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern? ... Verhältnis zum Subsidiaritätsprinzip 1. Inhalt des Subsidiaritätsprinzips 2. Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips im Grundgesetz 3. Folgerungen Verhältnis zum Gewaltenteilungsprinzip 1. Horizontale Gewaltenteilung - unter besonderer Berücksichtigung der funktionell-rechtlichen Perspektive 2. Vertikale Gewaltenteilung - unter besonderer Berücksichtigung der funktionellrechtlichen Perspektive Zusammenfassung

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Schlussbemerkung

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Literaturverzeichnis

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Sachwortverzeichnis

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Kapitel 1

Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes I. Entwicklung der Fragestellung 1. Die Kulturhoheit der Länder In der Diskussion in Politik und Rechtswissenschaften ist, wenn die Sprache auf die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Allgemeinen und auf die Kompetenzverteilung im Bereich von Kunst und Kultur im Besonderen kommt, gemeinhin die Rede von der „Kulturhoheit der Länder". Diese Wendung begegnet sowohl als Aufsatztitel 1 als auch als Titel eines Tagungsvortrags 2. Auch in der politischen Auseinandersetzung wird der Verweis auf die Kulturhoheit der Länder verwendet, auf der einen Seite, um Kompetenzansprüche zu untermauern, 3 auf der anderen Seite, um eine Rücksichtnahme auf die Länderzuständigkeiten zu beteuern.4 In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist der Begriff der Kulturhoheit der Länder ebenfalls zu finden. Das Gericht bewertet die Kulturhoheit als ein Kernstück der Eigenstaatlichkeit der Länder.5 Diese Feststellung ist in Zusammenhang mit den Entscheidungen des Gerichts zu sehen, in denen es konstatiert, dass die Länder im Bundesstaat nur dann ihre Staatsqualität behielten, wenn ihnen ein Kern eigener Aufgaben als „Hausgut" verbliebe. 6 Mit dem Herausstellen 1

Vgl. beispielsweise Geis, Die „Kulturhoheit der Länder", DÖV 1992, 522 ff. Vgl. Häberle , Kulturhoheit im Bundesstaat - Entwicklungen und Perspektiven, in: 50 Jahre Herrenchiemseer Verfassungskonvent, 1999, S. 55 ff. Vgl. auch die Diskussion der entsprechenden Arbeitsgruppe, ebenda, S. 153 ff. 3 Vgl. FAZ v. 2.3.2000, S.49 Jeder Schritt, den der Staatsminister [gemeint ist der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien] macht, führt an Fettnäpfchen, auf denen »Achtung: Kulturhoheit der Länder steht'." Die Äußerung des ehemaligen Staatsministers Naumann, die Kulturhoheit der Länder sei „Verfassungsfolklore", löste Entrüstung aus. Dazu auch Weflng , FAZ v. 21.3.2001, S. 67. Vgl. auch Breitenbach , Kulturpolitik aus der Sicht der Bundesländer, in: Festschrift v. Köckritz, S. 119 ff. 4 So wird in der Koalitionsvereinbarung zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen zur Regierungsbildung nach der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag die Bundeskulturpolitik besonders hervorgehoben und gleichzeitig betont, dass die Kulturhoheit der Länder gewahrt werde, Koalitionsvereinbarung v. 20.10.1998, abgedruckt in ZRP 1998,485,500. Vgl. dazu Bischoff, ZRP 1999, 240, 242. 5 BVerfGE 6, 309 (346 f.), insbesondere für die Hoheit auf dem Gebiet des Schulwesens; auch BVerfGE 12, 205 (229). 6 BVerfGE 34, 9 (19f.); auch BVerfGE 87, 181 (196). 2

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Kap. 1: Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes

von Voraussetzungen für die Staatsqualität der Länder wird der Bezug zur Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG hergestellt, der die Staatsqualität der Länder verbürgt. 7 Die Kulturhoheit als „Kernstück der Eigenstaatlichkeit der Länder" rückt somit in den Kreis der durch Art. 79 Abs. 3 GG verbürgten Verfassungselemente. Die Literatur beruft sich immer wieder auf diese Entscheidungen.8 Die Bezugnahme auf den dort verwendeten Begriff der „Kulturhoheit" soll eine „kompakte Materie" 9 ausweisen, die in die Zuständigkeit der Länder fällt. 10 Verbunden mit der „Hausgutformel" kann vor dem Hintergrund des Art. 79 Abs. 3 GG auf diese Weise gegen eine „Erosion der Ländereigenstaatlichkeit" 11 argumentiert werden. 12 Dabei wird jedes Tätigwerden des Bundes im Bereich von Kunst und Kultur kritisch gesehen, da in diesem Aufgabenfeld eine Kompetenzverschiebung die Länder besonders empfindlich treffe. 13 Art. 79 Abs. 3 GG bietet jedoch keine effektive Handhabe gegen eine Ausweitung der Bundesaktivitäten im Bereich von Kunst und Kultur. 14 Die Ewigkeitsklausel schützt nicht bestimmte einzelne Kompetenzen der Länder. Sie sichert lediglich einen gewissen Bestand, das heißt ein quantitatives Minimum, an Zuständigkeiten zur eigenständigen Wahrnehmung.15 Allenfalls bei einer summarischen Betrachtung der vom Bund wahrgenommenen Zuständigkeiten ist eine im Hinblick auf Art. 79 Abs. 3 GG bedenkliche Kompetenz Verlagerung annehmbar. Eine einzelne Kompetenz, die der Bund ausübt, kann nicht zur Feststellung einer Verletzung der Ewigkeitsklausel führen. 16 Die Verwendung des Begriffs der Kulturhoheit der Länder ist denn auch erheblicher Kritik ausgesetzt. Diese wendet sich zunächst gegen die Bezeichnung des staatlichen Handlungsbereichs Kunst und Kultur als „Hoheit". Durch diese Terminologie werde im Bereich von Kunst und Kultur, der sich grundsätzlich durch seine Staatsferne auszeichne, der Eindruck von obrigkeitsstaatlichem Handeln oder von Handeln mit staatlicher Zwangsgewalt erweckt. 17 Insofern muss klargestellt werden, dass mit der Verwendung des Begriffs der Kulturhoheit kein wörtliches Verständnis 7 Zu Art. 79 Abs. 3 GG als Garantie für die Eigenstaatlichkeit der Länder s. Dreier, in: Dreier, Art. 79 III Rdnr. 39; Isensee, HbStR IV, §98 Rdnr. 261 ff.; Lücke, in: Sachs, Art. 79 Rdnr.26f.; Maunz/Dürig, in: Maunz/Dürig, Art. 79 Rdnr. 33. 8 Vgl. etwa Hufen, BayVBl. 1985, 1. 9 So Heintzen, DVB1. 1997, 689, 692. 10 Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 213, sieht darüber hinaus in der Rede von der Kulturhoheit der Länder deswegen „verfassungsrechtlichen Sinn", weil mit dem Begriff der Kulturhoheit eine Vielzahl von Länderkompetenzen zusammengefasst und ein Wirkungsfeld gekennzeichnet werde, das dem deutschen Föderalismus Sinn gebe. 11 Erbguth, Erosion der Ländereigenstaatlichkeit, S. 549 ff. Ebenso Eiselstein, NVwZ 1989, 323. 12 Vgl. z.B. Geis, DÖV 1992, 522, 528. 13 Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 275. 14 Saröevic, Bundesstaatsprinzip, S. 257; Schmalenbach, Föderalismus und Unitarismus, S.48. 15 Isensee, HbStR IV, §98 Rdnr.272; Schmalenbach, Föderalismus und Unitarismus, S.48. 16 So auch Eiselstein, NVwZ 1989, 323; Geis, DÖV 1992, 522, 528.

I. Entwicklung der Fragestellung

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des Hoheitsbegriffs impliziert ist. Gemeint mit „Hoheit" als Bestandteil des Begriffs der „Kulturhoheit" ist die Befassungsbefugnis des Staates, seine Kompetenz.19 Im Übrigen wird aber den Ländern vorgeworfen, sie verwendeten den Verweis auf die Kulturhoheit als Hausgut ihrer Eigenstaatlichkeit „geradezu mystifizierend" 20, um gegen die kompetenzrechtliche Zulässigkeit von kulturpolitischen Aktivitäten des Bundes zu argumentieren. Die Länder seien nicht für alle Aufgaben des Kulturbereichs zuständig, auch der Bund besitze in diesem Sektor Kompetenzen.21 Im Gegenzug wird der Begriff der „Kulturhoheit des Bundes"22 eingeführt, um die Berechtigung des Bundes zur Entfaltung kulturpolitischer Aktivitäten zu verdeutlichen. In der Tat liegt in der Verwendung des Terminus' „Kulturhoheit der Länder" eine gewisse Verallgemeinerung. 23 Einigkeit besteht darin, dass im Bundesstaat, der durch das Grundgesetz konstituiert wird, die Länder den Schwerpunkt der Kompetenzen bezüglich Kunst und Kultur, besitzen.24 Diese mengen- und schwerpunktmäßige Verteilung der Kompetenzen zugunsten der Länder lässt sich zwar zusammenfassend als Kulturhoheit bezeichnen.25 Das heißt aber nicht, dass dem Bund insoweit keinerlei Zuständigkeiten zukämen.26 Zumindest punktuell sind nach der Verfassungslage auch dem Bund Kompetenzen im Bereich von Kunst und Kultur zugewiesen.27 In der Rede von der Kulturhoheit der Länder liegt deshalb eine Verkürzung der differenzierten Verteilung der Kompetenzen auf Bund und Länder. 28 Somit ist es auch nicht ausreichend, für die Begründung einer konkreten Kompetenz zugunsten der Länder unspezifiziert auf ihre Kulturhoheit abzustellen.29 Es ist nicht zu leugnen, dass die Formulierung der Kulturhoheit die Gefahr in sich birgt, die verfas17 Maunz, Festschrift Müller, S. 257, der den Begriff „Kulturbereich" vorschlägt. Geis schlägt vor, von einem verfassungsrechtlichen Kulturauftrag der Länder zu sprechen, Geis, DÖV 1992, 522, 524. In die gleiche Richtung Häberle, Kulturverfassungsrecht, S.55. 18 So auch Häberle, Kulturhoheit, S.76. 19 So auch Maunz, Festschrift Müller, S. 257 f.; ebenso Di Fabio, Eingangsstatement, S. 153; Häberle, Kulturhoheit, S.76. 20 Hense, DVB1. 2000, 372, 379. 21 Maihof er, HbVerfR, §25 Rdnr.64f.; Maunz, Festschrift Müller, S.258. 22 So der Titel der Arbeit von Köstlin aus dem Jahr 1989, in der detailliert die Zuständigkeiten des Bundes im Bereich von Kunst und Kultur aus der Verfassung herausgearbeitet werden. Vgl. auch schon Maunz, Festschrift Müller, S. 258. 23 Von einer verkürzenden Bezeichnung sprechen Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 213; März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 22. 24 Für alle Dittmann, Art. Kulturverfassungsrecht, Sp.775. 25 Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S.556; Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 11 („verfassungsrechtliche Façon de parier"); Thieme, Kulturordnung im GG, S.62. 26 Gegen ein „Kulturmonopol der Länder", Hense, DVB1. 2000, 372, 380. S. auch Isensee, HbStR IV, §98 Rdnr. 213. 27 Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 11. 28 Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 213. 29 Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 11.

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Kap. 1: Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes

sungsrechtliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern verallgemeinernd zusammenzufassen. Zur Erstellung eines Gesamtbildes der Zuständigkeitsverteilung auf Bund und Länder kann auf eine Kompetenzuntersuchung i m Detail nicht verzichtet werden.

2. Kulturpolitische Aktivitäten des Bundes Es ist zu beobachten, dass der Bund in den letzten Jahren in auffallender Weise kulturpolitische Aktivitäten entfaltet. 30 Die Koalitionsvereinbarung der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, die der Regierungsbildung und -arbeit nach der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag zugrunde gelegt wurde, misst der Kulturpolitik des Bundes eine besondere Bedeutung zu. 3 1 Dies soll hier mit drei Beispielen illustriert werden.

a) Schaffung des Amtes eines Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien Nach dem aufgrund der Bundestagswahl 1998 erfolgten Regierungswechsel wurde das A m t eines „Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und der Medien" (im Folgenden: Kulturbeauftragter) mit dem Ziel eingerichtet, die kulturpolitischen Zuständigkeiten des Bundes in diesem A m t zu bündeln. 3 2 Die Einrichtung erfolgte durch einen Organisationserlass des Bundeskanzlers 33 , mit dem der Geschäftsbereich und die Stellung des Beauftragten festgelegt wurden. 3 4 Der Stellung nach ist der Kulturbeauftragte ein Parlamentarischer Staatssekretär. 30

S. dazu Bischoff, Neuer Stellenwert der Kultur in der Politik des Bundes, ZRP 1999,240ff. Die Koalitionsvereinbarung v. 20.10.1998 ist abgedruckt in ZRP 1998, 485ff.; das Bekenntnis zu einer „neuen Offenheit von Politik und Kultur" findet sich unter X. (S.500). Dort werden neben der Einrichtung des Amtes eines Staatsministers für Kultur und Medien folgende Ziele der Kulturpolitik festgelegt: Kulturelle Förderung der Hauptstadt Berlin und der neuen Länder; Entscheidung über das Denkmal für die ermordeten Juden Europas; Erstellung einer „Gedenkstättenkonzeption des Bundes"; Novellierung des Stiftungsrechts; Schaffung neuer Anreize für Mäzene, Stifter und Kultursponsoren durch Änderungen des Steuerrechts, Reformierung des Medien- und Urheberrechts; Erhaltung der Buchpreisbindung durch europapolitische Initiative; Stärkung des deutschen Films; Verbesserung der Künstlersozialversicherung; Intensivierung der Pflege des kulturellen Erbes. Kritisch gegenüber der Notwendigkeit eines zentralen Kulturministeriums v.Beyme, Kulturpolitik und nationale Identität, S.20. 32 Vgl. Koalitionsvereinbarung v. 20.10.1998, ZRP 1998,485,500. Mit der Einrichtung des Amtes eines Kulturbeauftragten soll die Kultur- und Medienpolitik in Deutschland gestärkt werden (vgl. Internet-Auftritt der Bundesregierung, Stichwort: Warum das BKM?), ein Ziel, das schon im Wahlkampf thematisiert worden war, s. etwa Häberle, Kulturhoheit, S. 82 f. mit Fußn. 87. Von vornherein stand allerdings fest, dass es einen Bundeskulturminister mit Rücksicht auf die Länderzuständigkeiten im Kulturbereich nicht geben würde, s. Busse, DÖV 1999, 313,315. Zur Diskussion nach der Einrichtung des Amtes vgl. Weflng, FAZ v. 24.2.1999, S. 47. 33 Organisationserlass v.27.10.1998, BGB1.I, S.3288. 34 Auszugsweise zitiert bei Bischoff, ZRP 1999, 240, 241. 31

I. Entwicklung der Fragestellung

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Wie i m Bundeskanzleramt und i m Auswärtigen A m t führt er die Bezeichnung eines Staatsministers. 35 Er ist als Beauftragter des Bundeskanzlers diesem unmittelbar unterstellt. 36 Seine Aufgabe ist allgemein damit umschrieben, den Bundeskanzler bei der Erfüllung seiner Regierungsaufgaben zu unterstützen. 37 Der Bundesbeauftragte für Kultur und Medien wird als oberste Bundesbehörde angesehen. 38 Dafür spricht, dass ihm ein eigener Geschäftsbereich zugewiesen ist, für den ein eigenes verwaltungsorganisatorisches Grundgerüst vorhanden ist. 3 9 Zudem unterstehen ihm das Bundesarchiv und das Bundesinstitut für ostdeutsche Kultur und Geschichte als nachgeordnete Behörden. Letztlich geklärt ist diese Einordnung jedoch nicht. Insbesondere spricht die Weisungsbefugnis des Bundeskanzlers, die über seine Richtlinienkompetenz hinausreicht, gegen die Stellung als oberste Bundesbehörde. 40 Die Einordnung des Kulturbeauftragten als oberste Bundesbehörde betrifft organisationsrechtliche Fragen auf Bundesebene. Sie verweist auf die Form, in der das A m t in verfassungsrechtlich zulässiger Weise hätte eingerichtet werden müssen. 41 Für das Verhältnis zwischen Bund und Ländern, das Gegenstand der Untersuchung 35

Auffallend ist insofern, dass die „amtliche Abkürzung" für den Kulturbeauftragten „BKM" lautet und somit auf eine Stellung hindeutet, die mit der eines Ministers vergleichbar ist. Auch in der öffentlichen Wahrnehmung führt die offizielle Bezeichnung als „Staatsminister" dazu, dass häufig von einem „Kulturminister" die Rede ist. S. auch Hense, DVB1. 2000, 372, 382. 36 Vgl. Hense, DVB1. 2000, 372, 382. 37 Vgl. § 1 Abs. 2 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Parlamentarischen Staatssekretäre (ParlStG) v. 24.7.1974, BGB1.I, S. 1538. 38 Busse, DÖV 1999,313,315. 39 Dazu zählt insbesondere die ehemalige Abteilung K des Bundesinnenministeriums, die organisatorisch dem Kulturbeauftragten zugewiesen wurde. Besondere Schwierigkeiten entstanden dadurch, dass der Kulturbeauftragte als unmittelbar dem Bundeskanzler unterstellter Staatsminister seinen Sitz in Berlin nahm, während die Abteilung K des BMI gerade eine solche war, die ihren Sitz in Bonn behalten sollte. 40 Auch die Tatsache, dass der Etat des Kulturbeauftragten im Einzelplan 04 des Bundeskanzleramts als Kapitel und insofern nicht eigenständig ausgewiesen ist, spricht gegen eine Einordnung als oberste Bundesbehörde. Im Einzelnen vgl. Bischoff\ ZRP 1999, 240, 243; Hense, DVB1. 2000, 372, 382. Zur Einordnung der dem Bundeskanzler unmittelbar zugeordneten Einheiten Bundeskanzleramt, Bundespresseamt und Bundesnachrichtendienst vgl. insbesondere Schürmann , Öffentlichkeitsarbeit, S. 87 f. Das für diese Einheiten konstatierte „stabsmäßige Element" kann auch für den Bundeskulturbeauftragten festgestellt werden. 41 Im Fall der Ernennung von Michael Naumann zum ersten Kulturstaatsminister war außerdem rechtlich problematisch, dass dieser nicht Parlamentsabgeordneter war. § 1 Abs. 1 ParlStG verlangte, dass Parlamentarische Staatssekretäre Mitglied des Deutschen Bundestages sind. Diese Bestimmung fand auch auf die Staatsminister im Bundeskanzleramt und im Auswärtigen Amt Anwendung. Um eine Ernennung von Michael Naumann zu ermöglichen, schuf man die so genannte „Lex Naumann" (Änderung des ParlStSG v. 15.10.1999, BGB1.I, S. 10). Danach müssen Parlamentarische Staatssekretäre beim Bundeskanzler nicht mehr Mitglied des Deutschen Bundestages sein.

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Kap. 1: Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes

sein soll, hat diese Problematik keine Bedeutung. Welches Organ auf Bundesebene die Zuständigkeiten ausübt, ist in der Frage der Abgrenzung von Bundes- und Länderzuständigkeit unerheblich. Insofern stellt sich allein die Frage, ob die Schaffung des Amtes eines Kulturstaatsministers auf Bundesebene verfassungsrechtlich zulässig ist. Maßgeblich dafür ist, welche Zuständigkeiten der Kulturbeauftragter ausübt und ob diese dem Bund oder den Ländern zustehen.42 Dem Kulturbeauftragten sind Aufgaben zugewiesen, die zuvor in anderen Ressorts auf Bundesebene wahrgenommen wurden, etwa im Bundesinnenministerium, im Bundeswirtschaftsministerium oder im Bundesbauministerium.43 Zu den Aufgaben des Kulturstaatsministers zählen im Einzelnen die folgenden Bereiche: 44 Erstens ist die kulturelle Förderung der Bundeshauptstadt Berlin und der Bundesstadt Bonn zu nennen. Zweitens ist die Gewährung von Finanzhilfen für die kulturelle Infrastruktur in den neuen Ländern zu den Aufgaben des Kulturbeauftragten zu zählen, wobei dem Denkmalschutz eine besondere Rolle zugedacht wird. Hinzu kommt die Unterstützung der Länder und Kommunen bei ihren gesamtstaatlich wichtigen kulturellen Aktivitäten, die durch den Kulturbeauftragten wahrgenommen wird. Schließlich sind die Umsetzung der neuen Konzeption für die historischen Gedenkstätten und die Realisierung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas in Berlin Teil des Geschäftsbereichs des Kulturbeauftragten. Daneben wird in der Aufgabenbeschreibung des Bundeskulturbeauftragten eine Anzahl von kulturpolitischen Initiativen beispielhaft genannt, nämlich die Modernisierung des Stiftungsrechts, die Verbesserung der rechtlichen und sozialen Rahmenbedingungen für Kunst, Künstler und Medien und die Stärkung des Films in Deutschland. Außerdem werden dem Bundeskulturbeauftragten die Rückführung von kriegsbedingt verbrachtem Kulturgut sowie die Pflege des kulturellen Erbes und der Schutz von Kulturgütern anvertraut. 45 Für diese Aufgaben muss im Einzelnen untersucht werden, ob sie in die Zuständigkeit des Bundes oder in die der Länder fallen (s. dazu unten, S. 49 ff.). Ein Verfassungsverstoß gegen die Zuständigkeitsverteilung auf Bund und Länder allein wegen der Schaffung des Amtes kann nicht angenommen werden. 42

So auch Busse, DÖV 1999, 313, 315. Damit wurde die politische Forderung nach einer klareren Strukturierung der kulturellen Tätigkeit des Bundes zumindest ein Stück weit erfüllt. Nach der Einrichtung des Amtes war es umstritten, ob auch der umfangreiche Bereich der kulturellen Außenpolitik zur Aufgabe des Kulturstaatsministers werden sollte. Schließlich konnten sich diejenigen Stimmen durchsetzen, die wegen der engen Verbindung mit der allgemeinen Außenpolitik für einen Verbleib dieser Tätigkeit beim Auswärtigen Amt votierten. Vgl. etwa Sartorius, Glanz und Gloria des neuen deutschen Kulturstaats?, in: Die Zeit v. 6.8.1998. 44 Quelle: Internet-Auftritt der Bundesregierung, Stichwort: „Die Aufgaben des Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien" sowie Koalitionsvereinbarung v. 20.10.1998, ZRP 1998, 485, 500. 45 Diese Aufgaben und kulturpolitischen Zielsetzungen spiegeln sich im Haushalt des Bundesbeauftragten wider, der Titel für die einzelnen Aufgaben vorsieht. Vgl. beispielhaft Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04 (Bundeskanzleramt), Kapitel 0405. 43

I. Entwicklung der Fragestellung

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Festzuhalten ist, dass mit der Schaffung des Amtes eines Kulturbeauftragten auf Bundesebene - unabhängig von der Frage der Zuständigkeit im Einzelnen - eine Aufwertung der Kulturpolitik auf Bundesebene verbunden ist. Durch die Verbindung der kulturpolitischen Aktivitäten mit einer Person wird die öffentliche Wahrnehmbarkeit der entsprechenden Maßnahmen wesentlich erhöht. 46 b) Kulturausschuss des Deutschen Bundestages In der 14. Legislaturperiode richtete der Deutsche Bundestag erneut einen Ausschuss für Kultur und Medien ein. 47 Sein Aufgabenbereich entspricht dem des Kulturbeauftragten. 48 Insbesondere ist der Ausschuss bei der Entscheidungsfindung für das Holocaust-Mahnmal in Berlin tätig geworden. Auch die Forderung nach einem Parlamentsausschuss für Kultur war bereits vor der Wahl erhoben worden. 49 Die Einrichtung des Ausschusses trägt ebenso wie die Schaffung des Amtes des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien dazu bei, die Kulturpolitik des Bundes stärker öffentlich herauszustellen und ihr damit mehr Gewicht zu verleihen. c) Kulturpolitische Maßnahmen zur Selbstdarstellung des Gesamtstaats Über die Einrichtung des Amtes des Kulturbeauftragten und den Kulturausschusses im Parlament hinaus lässt sich feststellen, dass in der öffentlichen Wahrnehmung Themen mit kulturellem Bezug in den letzten Jahren verstärkt diskutiert werden und Gegenstand der politischen Auseinandersetzung sind. Einige Beispiele seien hier genannt: Vor allem die Entscheidung für Berlin als Hauptstadt und die Verlegung des Regierungssitzes hat die kulturpolitische Debatte belebt. So wurden bereits und werden noch in Berlin in großem Umfang neue Gebäude für das Parlament und einige Ministerien errichtet, andere - wie etwa das Preußische Herrenhaus - werden für Staatsorgane umgebaut. Dies führt zu der Frage, in welcher Weise sich der Staat in 46

Zur Bedeutung von Personen als Repräsentanten vgl. Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, ibs.S. 142ff.; Krüger , Staatslehre, S. 243 ff. 47 Bis zur 6. Legislaturperiode gab es bereits einen Kulturausschuss im Parlament. Danach wurden die entsprechenden Angelegenheiten nur in Arbeitsgruppen und Unterausschüssen des Bundestags behandelt. - Der Ausschuss „Kultur und Medien" des 14. Deutschen Bundestags (23. Ausschuss) hat 15 Mitglieder. 48 Auch hier ist ein Indiz für die besondere Bedeutung zu erkennen, die dem Kulturbeauftragten zugemessen wird. In der Regel stellen die Ausschüsse ein Spiegelbild zu den Ressorts der Bundesminister dar; der Ausschuss für Kultur und Medien korrespondiert dem Geschäftsbereich eines Beauftragten im Rang eines Staatssekretärs. 49 S. Häberle, Kulturhoheit, S. 83. 2 Pabel

Kap. 1: Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes

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Gebäuden repräsentieren soll. Dabei ist zu beobachten, dass insbesondere der Vergleich zwischen Bonn und Berlin die Frage nach einem neuen Baustil aufwirft. 50 Ferner wird eine Debatte über die Argumente für und gegen den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses geführt; gleichzeitig werden unterschiedliche Konzeptionen eines Wiederaufbauprojekts diskutiert. 51 Auch andere Aspekte des Kulturlebens in Berlin, z. B. die Finanzierung der Opernhäuser, die Neuorganisation der Museen, die zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz gehören, oder allgemein die Schärfung des kulturellen Profils der Hauptstadt sind immer wieder Thema in Presse und Politik. Hier trifft der Anspruch der Bundesregierung, in Berlin ein „kulturelles Schaufenster" 52 Deutschlands zu gestalten, auf die Frage, wie weit die Kompetenzen des Bundes zum kulturpolitischen Engagement in der Hauptstadt reichen und wo ihre Grenzen sind.53 Gleichzeitig findet eine Erörterung unterschiedlicher Konzepte für Erinnerungsstätten, die sich mit der nationalsozialistischen Vergangenheit auseinandersetzen, statt. Vor allem ist über die Gestaltung des Holocaust-Mahnmals in Berlin heftig gestritten worden, bis man sich auf einen - immer noch nicht einhellig befürworteten - Vorschlag verständigen konnte. Aber nicht nur dieses besonders bedeutsame Denkmal in Berlin, sondern auch die übrigen Gedenkstätten, die sich etwa in den ehemaligen Konzentrationslagern befinden, sind Gegenstand kulturpolitischer Aktivitäten. In diesem Kontext ist auch die immer wieder auftretende Debatte über die Einrichtung einer „Nationalstiftung", die auch als „Bundeskulturstiftung" bezeichnet wird, zu erwähnen.54 Bereits in den siebziger Jahren verfolgte der damalige Bundeskanzler Willy Brandt entsprechende Pläne, die allerdings nie realisiert wurden. Der seit 1998 installierte Kulturbeauftragte Naumann belebte erneut die Diskussion über dieses Projekt; sein Nachfolger Nida-Rümelin setzte die Erörterung möglicher Konzeptionen für eine solche Stiftung fort. Eine Nationalstiftung könnte entweder neben die bereits bestehende Kulturstiftung der Länder und die Stiftung Preußi50

Vgl. beispielsweise v.Beyme, Kulturpolitik und nationale Identität, S. 193 ff., S. 208 ff.; Schreiber, Selbstdarstellung, S. 191 ff. 51 Vgl. Interview des Staatsministers Nida-Rümelin, in: Die Zeit Nr. 11 v. 8.3.2001, in dem er sich gegen den Aufbau des Stadtschlosses als Symbol der Nation ausspricht und die Entscheidung in erster Linie der Stadt Berlin anvertraut. Vgl. auch Wefing, FAZ v. 20.4.2001, S.41; Schuster, ebenda, S.46, zu verschiedenen Vorschlägen hinsichtlich der Nutzung eines neugestalteten Schlossplatzes. Nach fast zweijähriger Beratungszeit übergab am 17.4.2002 die Expertenkommission zum Berliner Schlossplatz Bund und Ländern ihren Bericht, in dem für einen Wiederaufbau des Stadtschlosses mit barocker Fassade und seine Nutzung als Raum für Museen und Bibliotheken plädiert wird. S. dazuIllies, FAZ v. 17.4.2002, S.45; Stölzl, ebenda, S.47. 52 Internet-Auftritt der Bundesregierung, Stichwort: „Kulturpolitische Zielsetzung der Bundesregierung". 53 Vgl. Wefing, FAZ v. 13.3.2000, S.49; Augstein, SZ v. 17.3.2000, S. 15; Bannas, FAZ v. 15.6.2001, S. 4. 54 Siehe dazu unten, S. 144 ff.

I. Entwicklung der Fragestellung

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scher Kulturbesitz treten, die jede für sich Funktionen, die einer zentralen Stiftung zukommen könnten, bereits übernommen haben, oder diese unter einem Dach vereinen.56 Zusammenfassend ist zu beobachten, dass eine lebhafte Diskussion über ein neues Selbstverständnis des Staates stattfindet, die sich im Einzelfall häufig an kulturpolitischen Entscheidungen entzündet.57 Offensichtlich scheint in den letzten Jahren des 20. Jahrhunderts in Deutschland ein größerer Wunsch nach gesamtstaatlicher Selbstdarstellung zu bestehen.58 Insbesondere die mit der Globalisierung der Wirtschaft und der voranschreitenden europäischen Integration zunehmende Distanz des Einzelnen zu politischen Entscheidungen wird als Grund für ein Bedürfnis nach nationaler Identifikation angesehen.59 Auch darin ist eine Ursache zu sehen, warum der Bund seine kulturpolitischen Aktivitäten verstärkt hat. 60

3. Ziel der Untersuchung In diesem Spannungsfeld zwischen der Betonung der Kulturhoheit der Länder auf der einen Seite und der Entfaltung kulturpolitischer Aktivitäten auf Bundesebene auf der anderen Seite setzt die vorliegende Arbeit an. Ziel ist es, die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern in einem bestimmten Sachbereich zu untersuchen, nämlich dem der Kultur im engeren Sinn, das heißt der Kunst.61 Dabei soll ein Gesamtbild der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern erstellt werden, das - anders als der generelle Verweis auf die Kulturhoheit der Länder - auch Details aufzeigt. Die Untersuchung will aber bei der bloßen Darstellung der Kompetenzverteilung in dem Teilausschnitt aus dem Sachbereich Kultur nicht stehen bleiben. In einem 55

Vgl. dazu S. 96 ff. Mit Kabinettsbeschluss v. 23.1.2002 errichtete die Bundesregierung - zunächst ohne Beteiligung der Länder - eine Bundeskulturstiftung, die von der Kulturstiftung der Länder und der Stiftung Preußischer Kulturbesitz unabhängig ist. S. dazu unten, S. 144ff. 57 Vgl. etwa den Gegenstand des 44. Kulturpolitischen Kolloquiums der Evangelischen Akademie Loccum „Deutschland und die Welt" im Jahr 2000, in deren Rahmen über das Selbstverständnis des vereinigten Deutschlands und die Frage seiner Darstellung diskutiert wurde, oder eine im März 2001 abgehaltene Tagung der Deutschen Verwaltungshochschule in Speyer zum Thema des Wandels der Staatssymbolik, s. dazu Kemmerer , FAZ v. 22.3.2001; Krausnick , DÖV 2002, 158 ff. 58 Beispielhaft Stürmer , Die Republik auf der Suche nach Staat und Stil, in: Festschrift v.Köckritz, S. 15 ff.; Di Fabio , Eingangsstatement, S. 154; Hense, DVB1. 2000, 372, 380. Es gibt selbstverständlich auch Gegenstimmen, die von einer „Repräsentationsbesessenheit" gerade im Blick auf Berlin sprechen, vgl. Heyme , FAZ v. 29.3.1999, S. 55. 59 S. z. B. Naumann, in: Die Zeit v. 5.1.2000, S. 32; Di Fabio , Eingangsstatement, S. 154; vgl. auch Millgramm, DVB1. 1990,740ff. 60 Di Fabio , Eingangsstatement, S. 154. 61 Zur genauen Festlegung des untersuchten Sachbereichs s. unten, S.20ff. 56

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Kap. 1: Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes

zweiten Schritt soll versucht werden, die Verteilung der Zuständigkeiten auf Bund und Länder in dem untersuchten Bereich einer Bewertung zu unterziehen. Ziel dieser Fragestellung ist es, außerhalb der politischen Diskussion Argumente für oder gegen die Beibehaltung der so genannten Kulturhoheit der Länder zu gewinnen.

II. Bestimmung des untersuchten Sachbereichs staatlicher Tätigkeit Anliegen der Arbeit ist die Untersuchung der Kompetenzverteilung in einem bestimmten Sachbereich. Erster Schritt ist somit, klarzustellen, was mit dem Begriff des Sachbereichs gemeint ist, und diesen zu bestimmen. 1. Begriff des Sachbereichs

Die Arbeit bezieht sich auf einen Ausschnitt der Gesamtheit der staatlichen Tätigkeit. Staatliche Tätigkeit lässt sich nach unterschiedlichen Kriterien in verschiedene Gruppen aufteilen. In Betracht kommt insbesondere eine Differenzierung nach den handelnden Organen oder nach den verschiedenen Formen staatlichen Handelns. Möglich ist aber auch, die staatliche Tätigkeit nach ihrem Inhalt in Bereiche aufzuteilen. Diese letzte Unterscheidung soll der Untersuchung zugrunde liegen. Ist im Folgenden von „Bereich" die Rede, ist damit ein nach dem Inhalt bestimmter Ausschnitt aus der Gesamtheit der staatlichen Tätigkeit gemeint. Synonym wird der Begriff „Gebiet" verwendet. Zur Verdeutlichung wird im Einzelfall ein Kompositum mit „Sache" gebildet („Sachbereich", „Sachgebiet"), um hervorzuheben, dass der Bereich bzw. das Gebiet aufgrund des inhaltlichen Gegenstandes abgesteckt wurde. Auch die Begriffe „Materie" oder „Thema" sollen Verwendung finden, um die Inhaltsbezogenheit der Abgrenzung zu verdeutlichen. 2. Auswahl des Sachbereichs

Untersuchungsgegenstand der Arbeit ist die Tätigkeit des Staates in einem Bereich, der mit „Kunstpflege" bezeichnet werden soll. Der Begriff der Kunstpflege wird in diesem Zusammenhang zur Bezeichnung eines Unterfalls der Kulturpflege verwendet. Die Termini „Kunstpflege" und „Kulturpflege" sind in der juristischen, aber vor allem in der politischen und insbesondere kulturpolitischen Diskussion geläufig. Allerdings ist festzustellen, dass es eine einheitliche Terminologie nicht gibt. 62 62

Das liegt vor allem an dem unterschiedlichen Verständnis von „Kunst" und „Kultur". Oppermann spricht von Kulturpflege und Kulturförderung als der aktiven Vorsorge des Staates für die Kultur, Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 13; vgl. auch den Titel der Arbeit von Küster, Kunst- und Kulturpflege in der Bundesrepublik Deutschland, 1989.

II. Bestimmung des untersuchten Sachbereichs staatlicher Tätigkeit

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Im juristischen Schrifttum hat es sich eingebürgert, das Tätigwerden des Staates hinsichtlich der Kultur in vier Bereiche aufzuteilen. 63 Die beiden ersten sind Bildung und Wissenschaft. Der dritte Bereich wird als „Kunst" oder auch „kulturelle Tätigkeit im engeren Sinn" bezeichnet.64 Als vierter Bereich wird die Religion genannt, womit in diesem Zusammenhang auch das Staatskirchenrecht umfasst ist. 65 Die nachfolgende Untersuchung soll sich auf den dritten Bereich, also auf die Kunst bzw. auf die kulturelle Tätigkeit im engeren Sinn, beschränken.66 Die Aufgaben des Staates zur Regelung und Förderung von Bildung, Wissenschaft und zur Ausgestaltung des Staatskirchenrechts sind nicht Gegenstand der Erörterung. 67 a) Bestimmung des Sachbereichs „Kunstpflege" Der staatliche Tätigkeitsbereich der Kunstpflege ist nicht als solcher im Grundgesetz normiert oder auch nur erwähnt. Die Verfassung enthält keine Aufzählung der staatlichen Tätigkeiten nach ihren Inhalten, etwa in einem Katalog.68 Daher kann aus der Nichterwähnung der Kunstpflege als Staatstätigkeit nicht geschlossen werden, dass ein solcher Bereich nicht formuliert werden kann. Den Kompetenznormen lässt sich ebenfalls keine Abgrenzung der staatlichen Tätigkeit der Kunstpflege entnehmen. Die Kompetenznormen legen die Zuständigkeiten des Bundes fest, diejenigen der Länder bleiben grundsätzlich unerwähnt. 69 Schon aus diesem Grund kann aus den Kompetenzbestimmungen kein abschließendes Bild der staatlichen Tätigkeiten gewonnen werden. 70 Zudem ist mit der Beschreibung eines Bereichs staatlicher Tätigkeit noch nicht gesagt, dass dieser Bereich auch eine einheitliche Kompetenzmaterie darstellt. Die hier vorgenommene inhaltliche Zusammenfassung von Staatstätigkeit zu einem Sektor besagt nicht, dass 63

Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 29 ff.; Dittmann, Art. Kulturverfassungsrecht, Sp. IIA. Die vier Bereiche zusammengefasst ergeben den „additiven" Kulturbegriff, vgl. Geis, DÖV 1992, 522, 524. Zum Kulturbegriffs, auch Häberle, Kulturverfassungsrecht, S. 13 ff. 64 Dittmann , Art. Kulturverfassungsrecht, Sp.777; Geis, DÖV 1992,522,524; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S.33. 65 Maihofer, HbVerfR, § 25 Rdnr. 50. 66 Für diesen Sachbereich wird in der politischen Umgangssprache der Begriff der Kulturpolitik im engeren Sinn verwendet, vgl. Maihof er, HbVerfR, § 25 Rdnr. 51. 67 Eine entsprechende Abgrenzung liegt beispielsweise der Untersuchung von Hufen , Gegenwartsfragen des Kulturföderalismus, BayVBl. 1985,1 ff., den Ausführungen von Maihof er, Kulturelle Aufgaben des modernen Staates, HbVerfR, § 25 Rdnr. 51 ff., oder dem Beitrag von Steiner , VVDStRL 42 (1984), 7, 11, zugrunde. 68 Es findet sich hingegen eine Nennung der staatlichen Funktionen; auch die Staatsorgane als die handelnden Stellen werden durch die Verfassung geschaffen. 69 S. zur Regelungstechnik S. 36 ff. 70 Aus dem Fehlen einer Bundeskompetenz kann daher noch nicht auf das Fehlen oder die grundsätzliche Unzulässigkeit einer Staatstätigkeit geschlossen werden. Auch gegenüber einer entsprechenden „IndizWirkung", die damit begründet wird, dass eine entsprechende Zuständigkeit dem Bund zustehen müsste, ist Vorsicht angebracht, so aber Menzel, RdJB 1998,36,49.

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Kap. 1: Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes

dieser einem in den grundgesetzlichen Regelungen der Kompetenzen enthaltenen Tatbestand entspricht. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährleistet als Grundrecht die Freiheit der Kunst. Der Begriff der Kunst findet hier also in der Verfassung Erwähnung. Er dient der Kennzeichnung des persönlichen Freiheitsraums des Einzelnen gegenüber dem Staat.71 Daraus können möglicherweise Folgerungen für die Art und Weise der staatlichen Tätigkeit gezogen werden, die diesen Freiheitsraum berührt. 72 Der Norm kann jedoch nicht der Zweck entnommen werden, einen staatlichen Tätigkeitsbereich von anderen abzugrenzen. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG kann daher unmittelbar nicht zur Bestimmung des Bereichs staatlicher Tätigkeit herangezogen werden, der hier untersucht werden soll. Zur Bestimmung des Sachbereichs staatlicher Tätigkeit soll lediglich auf den Begriff „Kunst" abgestellt werden. Die Arbeit soll sich mit derjenigen staatlichen Tätigkeit befassen, die „Kunst" betrifft. Dabei sollen die Aktivitäten des Staates den Sachbereich der Kunst nicht nur reflexweise, gleichsam als Nebenfolge, sondern ziel- und zweckgerichtet betreffen. Dem Grundrecht auf Kunstfreiheit können daher Anhaltspunkte entnommen werden, um eine Bestimmung des in Bezug genommenen Bereichs der Staatstätigkeit zu treffen. Das Grundrecht der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährleistet die Freiheit der Kunst. Mit dem Begriff der „Kunst" ist der Schutzbereich des Grundrechts sachlich umschrieben.73 Unter ihn muss subsumiert werden, wenn im Einzelfall die Eröffnung des Schutzbereichs und die Verletzung des Grundrechts geprüft werden soll. Die Formulierung des Grundrechts weist im Fall des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG einen sachlich-gegenständlichen Begriff auf, um den Schutzbereich festzulegen. Nach dem Wortlaut ist die Freiheit der Kunst und nicht die einer handelnden Person - etwa des Künstlers - geschützt.74 Im ersten Schritt der Auslegung ist eine Auseinandersetzung mit dem durch den Wortlaut sachlich-gegenständlich begrenzten Schutzumfang erforderlich, das heißt mit der Frage „Was ist Kunst?".75 Die Per71

Vgl. für die Funktion der Grundrechte als Abwehrrechte, die die Freiheit vom Staat gewährleisten, statt aller Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rdnr. 58. 72 Siehe Kapitel 3, S. 152ff. 73 Zum Grundrechtstatbestand und zum Schutzgegenstand der Abwehrrechte vgl. Sachs, Verfassungsrecht II, A 7 Rdnr. 1 ff. 74 Im Einzelnen s. S. 164 ff. 75 Der Begriff der Kunst gemäß Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ist umstritten. Vgl. insoweit Erbel, Kunstfreiheitsgarantie, S.42ff.; Geis, Kulturstaat, S.238ff.; Häberle, AöR 110 (1985), 577, 600ff.; Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 118ff.; Müller, Freiheit der Kunst, S. 31 ff.; Palm, Kunstförderung, S. 35 ff. Aus der Kommentarliteratur: Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rdnr. 183ff.; Pernice, in: Dreier, Art.5 III (Kunst), Rdnr. 17ff.; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art.5 III Rdnr.22ff.; Starck, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, Art.5 Rdnr.275ff.; Wendt, in: v.Münch/ Kunig, Art. 5 Rdnr. 89; s. auch Denninger, HbStR VI, § 146 Rdnr. 1 ff.; Mahrenholz, HbVerfR, § 26 Rdnr. 24 ff. Aktuelle Ansätze bei Hofmann, Moderne, S. 9 ff.; Kudielka, Thesen, S. 29 ff.; Thiele, Kunstbegriff, S.57ff.

II. Bestimmung des untersuchten Sachbereichs staatlicher Tätigkeit

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sonen und subjektiven Verhaltensweisen, die von der Kunstfreiheit erfasst und geschützt werden, sind in einem zweiten Schritt der Auslegung zu ermitteln. 76 Die Verwendung des Begriffs der Kunstpflege für die Bezeichnung des zu erörternden Bereichs der staatlichen Tätigkeit nimmt Bezug auf den sachlich-gegenständlichen Begriff der „Kunst", wie er in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zur Bestimmung des Schutzbereichs der Kunstfreiheit dient. Zum Gebrauch des Begriffs „Kunst" im Rahmen des Grundrechts der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG besteht jedoch ein wesentlicher Unterschied. Im Falle der Grundrechtsprüfung ist eine Subsumtion unter den Begriff der „Kunst" notwendig, um die Eröffnung des Schutzbereichs festzustellen und damit den Umfang eines einklagbaren subjektiven Rechts festzulegen. An die Zuordnung zum Begriff der „Kunst" sind daher im Rahmen des Grundrechts Rechtsfolgen geknüpft. Sinn und Zweck der Bildung eines Sachbereichs „Kunstpflege" als Teilbereich der staatlichen Tätigkeiten ist demgegenüber die Festlegung eines Gegenstandes für die folgende Untersuchung. Damit soll ein thematischer Arbeitsbereich bestimmt werden. Rechtliche Folgen werden an die Zuordnung einer einzelnen staatlichen Maßnahme zu diesem Sachbereich nicht geknüpft. Insbesondere hängt von ihr nicht die vorzunehmende Kompetenzprüfung ab. Denn der hier umrissene Sachbereich bildet erst das Thema, aus dessen Umfang einzelne staatliche Maßnahmen auf ihre Entsprechung mit der Kompetenzordnung hin untersucht werden. Mit der Themenbestimmung ist nicht einmal vorweggenommen, dass es sich um eine kompetenzrechtlich einheitlich zu bewertende Materie handelt. Somit genügt es, wenn mit einer relativ unbestimmten Formulierung die Betroffenheit der „Kunst" durch die staatliche Tätigkeit verlangt wird. Eine subsumtionsfähige Definition des untersuchten Sachbereichs ist nicht erforderlich. Mangels einer Ableitung von Rechtsfolgen aus der Zuordnung zu dem staatlichen Tätigkeitsbereich Kunstpflege bedarf es einer trennscharfen Definition somit nicht. Eine Deskription der staatlichen Tätigkeit, die Gegenstand der Arbeit sein soll, genügt. In den Tätigkeitsbereich des Staates, der im Folgenden untersucht werden soll, fallen alle Maßnahmen, die sich unmittelbar auf den Sachgegenstand der Kunst beziehen, wie er mit dem Grundrecht gemäß Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG erfasst ist. Umfasst vom Bereich der staatlichen Tätigkeit der Kunstpflege sind alle Maßnahmen, die das Verhältnis von Kunst und Staat betreffen. 77 Damit werden zwar die Definitionsprobleme, die bei der Bestimmung dessen, was Kunst ist, auftreten, mit in die Festlegung des Sachbereichs hineingezogen. Sie stellen sich jedoch in dieser Perspektive deswegen als nicht schwerwiegend dar, da sie lediglich zur Beschreibung einer Tätigkeit dienen, die der Staat ausübt. Ob er so Rechte des Einzelnen verletzt und möglicherweise verfassungswidrig in die Kunstfreiheit eingreift, ist damit noch nicht be76

Zu diesem Vorgang der Auslegung s. Sachs, Verfassungsrecht II, A 7 Rdnr. 23 ff. Durch die Bezugnahme auf den in der Kunstfreiheit verankerten Kunstbegriff wird deutlich, dass hierzu sowohl die klassischen, so genannten „Schönen Künste", das heißt die Bildende Kunst, Theater und Musik, gehören, aber auch alle anderen alten und neuen Formen der künstlerischen Tätigkeit, die nicht zum überkommenen Formenkanon gezählt werden. 77

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Kap. 1: Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes

antwortet. Die Definition von Kunst wirkt anders als im Bereich der Kunstfreiheit nicht schon als potenziell freiheitsbeschränkend 78, so dass die Frage der Definitionsherrschaft keine maßgebliche Bedeutung hat. 79 Mit dem Begriff der „Pflege" der Kunst sollen alle Tätigkeiten des Staates erfasst werden, die er im Verhältnis zur Kunst ausübt. Durch die Verwendung des Begriffes „Pflege" wird zum einen deutlich, dass der Staat grundsätzlich nicht selbst als Kunstschaffender tätig wird, sondern anderweitig entstehende Kunst unterstützt. 80 Zum anderen wird wegen der positiven Konnotation hervorgehoben, dass das Handeln des Staates in erster Linie auf Unterstützung der Kunst, weniger auf Regelung derselben ausgerichtet ist. 81 Der in diesem Zusammenhang ebenfalls geläufige Begriff der „Kunstförderung" wird aber nach dem allgemeinen Wortverständnis zumeist in erster Linie mit finanziellen Leistungen an Kunstschaffende oder -verbreitende assoziiert. 82 Die Tätigkeit des Staates zur Unterstützung der Kunst geht aber darüber hinaus, so dass im Folgenden von „Kunstpflege" die Rede sein soll. b) Abgrenzung von anderen Sachbereichen Wenn damit eine Beschränkung des Themas auf einen Sektor der staatlichen Kulturpflege bereits vorgenommen wurde, so sind doch weitere Abgrenzungsfragen zu klären. Einige Aspekte staatlichen Handelns, die wegen ihres möglicherweise künstlerischen Bezugs dem Thema der vorliegenden Erörterung zugeordnet werden können, sollen im Folgenden außer Betracht bleiben. Die Begründung für diese Begrenzung der Fragestellung ergibt sich aus dem in Kapitel 3 hergestellten Zusammenhang zwischen der Kompetenzverteilung im Sachbereich der Kunstpflege und der Beschränkung staatlichen Handelns durch das thematisch einschlägige Grundrecht des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG. Auch wenn der vom Grundrecht der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG umfasste Lebensbereich „Kunst" nicht zur Definition des hier in Bezug genommenen Bereichs staatlicher Tätigkeit dienen kann, ist es möglich, ihn als Anhaltspunkt für die Abgrenzung zu 78 BVerfGE 30, 173 (191): keine Einschränkung der Kunstfreiheit durch wertende Einengung des Kunstbegriffs; s. auch Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 III, Rdnr.275. 79 Für die Kunstfreiheit bezeichnet Bethge die Definitionsfrage als Kompetenzfrage, vgl. Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rdnr. 183; ebenso Denninger, HbStR VI, § 146 Rdnr.2, 9; Hufen, BayVBl. 1985, 1,2. 80 Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 13; Thieme, Kulturordnung im GG, S.64. 81 Vgl. auch Scheuner, Staatszielbestimmungen, S.234, der „Pflege" und „Förderung" als bestimmte Richtungen staatlichen Handelns versteht. 82 Anders Mahrenholz, HbVerfR, § 26 vor Rdnr. 131, der „Kunstförderung" als Oberbegriff zu Pflege und Förderung der Künste auffasst. Auch die Arbeiten von Geißler, Staatliche Kunstförderung nach dem Grundgesetz und dem Recht der EG, 1995, und von Palm, Öffentliche Kunstförderung zwischen Kunstfreiheitsgarantie und Kulturstaat, 1998, verstehen Kunstförderung nicht lediglich als finanzielle Unterstützung der Kunst. Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 13, trifft keine Differenzierung zwischen „Kulturpflege" und „Kulturförderung".

II. Bestimmung des untersuchten Sachbereichs staatlicher Tätigkeit

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nicht behandelten Sachbereichen heranzuziehen. Dabei ist davon auszugehen, dass es einer trennscharfen Grenzziehung zwischen den Bereichen nicht bedarf. 83 Grundsätzlich binden die Grundrechte die Ausübung staatlicher Gewalt und setzen ihr Grenzen. Um Grundrechtsverletzungen zu vermeiden, berücksichtigt der Staat von vornherein die Anforderungen, die in einem bestimmten Sachbereich von dem thematisch einschlägigen Grundrecht gestellt werden. 84 Insofern findet eine Prägung eines inhaltlich bestimmten Bereichs staatlicher Tätigkeit durch das einschlägige Grundrecht statt. Zur Verdeutlichung: Es geht hier nicht um eine eindeutige Abgrenzung. Schon die Bestimmung eines Sachbereichs staatlicher Tätigkeit ist nicht exakt möglich. Die thematische Einschlägigkeit eines Grundrechts bezieht sich nicht auf eine im Einzelfall notwendige präzise Feststellung der Eröffnung des Schutzbereichs. Auch ist mit der Bezugnahme auf ein einschlägiges Grundrecht nicht ausgeschlossen, dass andere Grundrechte ebenfalls thematisch relevant sind und im Einzelfall ihr Schutzbereich eröffnet ist. Die Herstellung der Verbindung zu einem Grundrecht dient nur zur Begründung und Rechtfertigung der Bildung eines Ausschnitts der staatlichen Tätigkeit, der dieser Untersuchung zugrunde liegen soll. 85 Zudem tritt das „Definitionsdilemma" 86 für den Begriff der Kunst bei der Formulierung eines staatlichen Tätigkeitsbereichs nicht in der gleichen Weise auf wie bei der Bestimmung des Schutzumfangs eines Grundrechts. Das Grundrecht dient der Sicherung des persönlichen Freiheit des Bürgers. Trifft nun der Staat eine Definition dessen, was Kunst ist, liegt darin möglicherweise schon die erste Beschränkung der subjektiven Freiheit. Auf der anderen Seite ist eine Definition notwendig, um das Grundrecht überhaupt zu gewährleisten. Dient der Begriff der Kunst aber nur zur Beschreibung eines Sachbereichs staatlicher Tätigkeit, ist mit der bloßen Zuordnung einer staatlichen Handlung zu diesem Bereich noch keine Beeinträchtigung des Einzelnen verbunden. Damit ist allerdings auch noch nicht ausgeschlossen, dass eine staatliche Maßnahme das Grundrecht der Kunstfreiheit oder ein anderes Grundrecht des Einzelnen verletzt. Aus der Bezugnahme zum Begriff der Kunst wird plausibel, dass bestimmte staatliche Tätigkeiten nicht Gegenstand der Untersuchung sein sollen. Nicht behandelt werden soll zunächst die staatliche Tätigkeit im Bereich von Presse, Rundfunk und Fernsehen. Die staatlichen Maßnahmen in diesem Bereich betreffen vielfach zwar künstlerische Aspekte. Neben diesen kulturellen sind aber auch technische und insbesondere wirtschaftliche Fragen zu berücksichtigen. Zudem erfüllen Presse, Rundfunk und Fernsehen als Informations- und Diskussionsmedien eine wesentliche Funktion für die demokratische Auseinandersetzung. Die Abwägung zwischen den wirtschaftlichen Aspekten und der Bedeutung der Kom83 84 85 86

Vgl. S. 23. Es können auch mehrere Grundrechte thematisch einschlägig sein. Im Detail zum Einfluss der Kunstfreiheit, siehe S. 164 ff. Denninger, HbStR VI, § 146 Rdnr. 1.

Kap. 1: Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes

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munikationsmittel für die politische Auseinandersetzung und Meinungsbildung steht bei staatlichem Handeln im Bereich von Presse, Rundfunk und Fernsehen zumeist im Vordergrund. Künstlerische Fragestellungen treten in den Hintergrund. Einschlägiges Grundrecht ist insbesondere Art. 5 Abs. 1 GG. Bereiche, die trotz ihrer Nähe zum Sachbereich Kunst ebenfalls unberücksichtigt bleiben sollen, sind das Bibliotheks- und Archivwesen. Hier ist vor allem die Bedeutung der Einrichtungen für Bildung und Wissenschaft zu berücksichtigen. Einschlägig sind insbesondere das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) und die Garantie des staatlichen Schulwesens (Art. 7 GG). Durch die Ausweitung des Begriffs der Kultur (insbesondere auf die so genannte „Soziokultur") wird vielfach auch der Sport in den Kulturbereich mit einbezogen.87 Mag auch die gesellschaftliche Bedeutung des Sports enorm sein, so handelt es sich doch um einen Lebensbereich, der sich wesentlich von dem der Kunstpflege unterscheidet. Staatliches Handeln hat hier typischerweise nicht das Grundrecht der Kunstfreiheit zu berücksichtigen. In der vorliegenden Untersuchung soll staatliches Handeln im Sachbereich Sport deswegen außer Betracht bleiben. Ferner sind die Bereiche Natur- und Landschaftsschutz sowie Denkmalpflege nicht Gegenstand der Arbeit. Auch hier ist - verallgemeinernd gesprochen - nicht in erster Linie der Gegenstandsbereich „Kunst" betroffen, auch wenn im Einzelfall Berührungspunkte festzustellen sind. c) Maßnahmen der Staatsrepräsentation Mit in die Untersuchung einbezogen wird die Staatstätigkeit, die als Staatsrepräsentation oder Selbstdarstellung des Staates bezeichnet wird. Staatsrepräsentation ist ein Teil der Staatspflege in dem von Krüger geprägten Sinne.88 Krüger sieht die Staatspflege als Vorgang, durch den sich der Staat den Bürgern immer wieder in Erinnerung zu bringen versucht und durch den er auf ihre Motivation und Einstellung ihm gegenüber einzuwirken bemüht ist. 89 Ziel ist es, die Staatsbildung, verstanden als einen permanenten Prozess des Über-Sich-Hinauswachsens des Einzelnen, durch Prägung des Staatsbewusstseins des Bürgers zu ermöglichen. 90 Damit dient die staatliche Selbstdarstellung der Gewinnung der Zustimmung der Bürger, auf die der Staat angewiesen ist. 91 Durch sie soll an das Staatsgefühl der Bürger appelliert werden. 92 Mit der Wahl der Symbole wird an historische Traditionen angeknüpft oder bewusst 87

Vgl. z.B. Häberle, Die Verwaltung 1991, 169, 179; Scheuner, Kulturstaat, S. 116. Krüger, Staatslehre, S.214ff. 89 Krüger, Staatslehre, S.214; zur Auseinandersetzung mit dem Begriff der Staatspflege, insbesondere bei Krüger, vgl. Wefing, Parlamentsarchitektur, S. 31 ff. 90 Krüger, Staatslehre, S. 151, unter Bezugnahme auf Smends Integrationslehre. Vgl. auch Isensee, Staatsrepräsentation, S.223. 91 Hartmann, Selbstdarstellung, S. 176. 88

II. Bestimmung des untersuchten Sachbereichs staatlicher Tätigkeit

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mit ihnen gebrochen, so dass die Staatssymbole Grundzüge der Staatsform und die Identifizierung mit einer Nation veranschaulichen können oder auch Rückschlüsse auf das beanspruchte Staatsgebiet zulassen. Auch den Staat prägende Wertvorstellungen93 und Leitbilder können in den Staatssymbolen versinnbildlicht werden. Zur Repräsentation des Staates werden unterschiedliche Mittel eingesetzt.94 Schon das Auftreten der für den Staat handelnden „Repräsentanten"95 ist ein Mittel der Integration 96 und kann als Element der Selbstdarstellung verstanden werden. Weiterhin sind Staatsakte jeglicher Form und die Errichtung von öffentlichen Bauten und Denkmälern Maßnahmen, die der Selbstdarstellung des Staates dienen. Darüber hinaus werden kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen in Anspruch genommen, um Staatsrepräsentation zu betreiben. 97 Als besondere Gruppe von Maßnahmen der Selbstdarstellung des Staates sind die Staatssymbole zu nennen.98 Staatssymbole sind konkrete Zeichen, mit denen sich der Staat darstellt. Sie sind Abbilder bzw. Versinnbildlichungen des Staates.99 Ihr Zweck besteht ausschließlich und unmittelbar in der Verkörperung des Staates, aber auch der Staatlichkeit. Ein unvoreingenommener Beobachter wird bei Wahrnehmung der Staatssymbole sofort die mit dem Symbol versehene Einrichtung, Handlung oder Veranstaltung dem Staat zuordnen. Die Repräsentationsfunktion der Symbole wirkt sowohl im Inland als auch im Ausland. 100 Nach innen dienen die Staats92 So BVerfGE 81,278 (293) unter Verweis auf Krüger, s. auch Wefing, Parlamentsarchitektur, S. 31. 93 So Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 162 f. 94 Smend nennt Wappen, Fahnen, Staatshäupter, politische Zeremonien und nationale Feste, Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 163. 95 Es ist zu unterscheiden zwischen der Repräsentation als Selbstdarstellung des Staates und dem Repräsentationsprinzip als Element der parlamentarischen Demokratie. Die hier erwähnten „Repräsentanten" sind vom Willen des Volkes abhängige, für den Staat handelnde Personen. Ihre Installierung ist Ausfluss der Repräsentationsprinzips. Gleichzeitig können sie durch ihren Auftritt der Selbstdarstellung des Staates dienen. Zum Begriff der Repräsentation s. Hofmann, Repräsentation, S. 15 ff. 96 Zur Integration durch Personen, insbesondere durch Monarchen oder Herrscher des Führertyps Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 142 ff. S. dazu auch Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit, S. 17 f.; auch ebenda S. 220 zur Notwendigkeit einer Öffentlichkeits„arbeit". 97 Siehe zu den Maßnahmen, die der Bund insofern trifft, S.49ff. Zur Integrationswirkung der Kunst vgl. speziell für die Verhüllung des Reichstags, Sendler, NJW 1995, 2602f. 98 Klein, HbStR I, § 17 Rdnr. 1; Krüger, Staatslehre, S. 225 ff.; Stern, StR I, § 9 III 1 (S. 282); Wefing, Parlamentsarchitektur, S.46; von der Repräsentation durch Staatssymbole spricht auch Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 144 f. 99 Nach Krüger sind Symbole die Verkörperung einer geistigen oder seelischen Wesenheit in ein mit Sinnen wahrnehmbares Gebilde, Krüger, Staatspflege, S. 226. S. auch Maunz/Zippelius, Staatsrecht, § 9. Zur Etymologie s. Wieland, Festschrift Hollerbach, S. 82. 100 Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 22 Rdnr. 1; Hartmann, Selbstdarstellung, S. 175 ff.; Huber, in: Sachs, Art. 22 Rdnr. 5; Isensee, Staatsrepräsentation, S.223; Quaritsch, DÖV 1993, 1070,1073.

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Kap. 1: Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes

symbole vor allem der Identifikation 101 und Integration der Bevölkerung, das heißt der Bildung von Gemeinschaft in einer pluralistischen Gesellschaft. 102 In der zwischenstaatlichen Praxis dienen sie in erster Linie der Identifikation, also zur Kenntlichmachung eines Staates.103 Ein allgemeingültiger Kanon an Staatssymbolen besteht nicht. Im Einzelnen bestehen Differenzen dahingehend, welche Maßnahmen zu dem (engeren) Kreis der Staatssymbole zu zählen sind und welche in einem weiteren Sinne als Repräsentationsmaßnahmen aufzufassen sind. Überzeugend ist es, unter Staatssymbolen nur sinnlich wahrnehmbare Zeichen zu verstehen, die einen Bezug von historischer oder gegenwärtiger Bedeutung zum Staat haben.104 Die für Monarchien typischen Staatssymbole und Herrschaftsinsignien von Krone, Szepter und Reichsapfel sind in der Republik ungebräuchlich geworden. In modernen Staaten sind Flagge und Fahnen, die gleichzeitig die Farben eines Landes enthalten, sowie Wappen und eine Hymne übliche Staatssymbole.105 Gelegentlich werden auch Amtsschilder und Siegel 106 sowie Orden und Ehrenzeichen 107 zu den Staatssymbolen gezählt.108 Ein weiteres Element in der Selbstdarstellung des Staates, das teilweise zu den Staatssymbolen gerechnet wird, 1 0 9 ist die Einrichtung von nationalen Feier- oder Gedenktagen (insbesondere eines Nationalfeiertags). 110 In der Auswahl des Datums für den Feiertag manifestiert sich aufgrund der gewählten historischen Anknüpfung das Selbstverständnis des Staates.111 Der Nationalfeiertag lässt sich als emotionale 101 Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 22 Rdnr. 1; Hartmann, Selbstdarstellung, S. 177; Wieland, Festschrift Hollerbach, S.82. 102 Zum Vorgang der Integration als einem Prozess der ständigen Erneuerung, durch den der Staat in Erscheinung tritt, s. grundlegend Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 136ff.; zur Bedeutung der Staatssymbole s. ebenda, S. 144 f.; vgl. auch Wefing, Parlamentsarchitektur, S. 48. Zur Bedeutung der Bundesflagge als wichtigem Integrationsmittel, das Staatsleitziele verkörpert, s. BVerfGE 81, 278 (294). 103 Wefing, Parlamentsarchitektur, S.47f. 104 So Stern, StR I, § 9 I 2 (S. 277). Demzufolge werden Institutionen des Staates und Normen nicht als Staatssymbole verstanden. Ähnlich Krüger, Selbstdarstellung, S.226. Schon für die Weimarer Verfassung stellte Graf zu Dohna fest, dass es eine Tendenz zur „Vergeistigung" der Symbole gebe, indem auch staatliche Institutionen, Hymnen und Feiertage als Staatssymbole angesehen würden, Graf zu Dohna, Die staatlichen Symbole und der Schutz der Republik, HbDStR I, § 17, S. 200. 105 Das Bundesverfassungsgericht hat Flagge und Hymne ausdrücklich als Staatssymbole angesehen, BVerfGE 81, 278 (293 f.); E 81, 298 (308). 106 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 22 Rdnr. 5. 107 Hattenhauer, Nationalsymbole, S. 173 ff.; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 143; Wieland, in: Dreier, Art. 22 Rdnr. 17; ablehnend Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 22 Rdnr. 12. 108 Stern, StR I, § 9 I 2 (S. 277), zählt auch Uniformen und Amtstrachten dazu. 109 Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 22 Rdnr. 12; Hattenhauer, Nationalsymbole, S. 104ff.; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art.22 Rdnr.6; Stern, StR I, §912 (S.277); Klein, in: BK, Art. 22 Rdnr. 93, für den Tag der deutschen Einheit.

II. Bestimmung des untersuchten Sachbereichs staatlicher Tätigkeit

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Konsensquelle der Bürger verstehen, auf die der Staat zur Verwirklichung der Integration nicht verzichten kann. 112 Feier- und Gedenktage sind daher Staatssymbole. Die Bundeshauptstadt kann ebenfalls als Staatssymbol aufgefasst werden. 113 Anders als die zuerst genannten Symbole stellt sie aber keine Verkörperung in einem Gegenstand dar, sondern „privilegiert" eine Stadt, in der sich die höchsten Repräsentanten des Staates regelmäßig treffen. 114 Ohne Zweifel prägt die Entscheidung darüber, welche Stadt als Hauptstadt festgelegt wird, die Wahrnehmung des Staates im In- und Ausland. 115 Im Inland hat sie eine identitätsstiftende Funktion. 116 Sie ist daher ein Element der Selbstdarstellung des Staates.117 Schließlich sind zur Selbstdarstellung des Staates Maßnahmen zu zählen, die der Pflege der Geschichtsbewusstseins dienen.118 Unter diesen Begriff fallen in der staatlichen Praxis der Bundesrepublik Stiftungen zur Erinnerung an bedeutende Politiker 119 sowie die Einrichtung und Unterhaltung von nationalen Gedenkstätten.120 Die Einrichtung von Gedenkstätten hat zum Zweck, eine Identifizierung des Staates mit den dort verkörperten Anliegen zu schaffen. So formuliert die Bundesregierung in dem von ihr vorgelegten „Gedenkstättenkonzept" aus dem Jahr 1999, dass die Erinnerung an die NS-Terrorherrschaft und die SED-Diktatur Teil des demokratischen Selbstverständnisses der Bundesrepublik Deutschland seien.121 Aus Anlass eines Gedenktages oder eines Staatsaktes bieten die Gedenkstätten Repräsentanten des Staates einen Ort, an dem sie sich versammeln und damit das Bekenntnis des Staates zu den verkörperten Anliegen deutlich machen können. Sie sind damit ein Element unmittelbarer staatlicher Selbstdarstellung. 110

So auch Häberle, Feiertagsgarantien, S. 11 ff.; Krüger, Selbstdarstellung, S.48. Häberle, Feiertagsgarantien, S.28. 112 Häberle, Feiertagsgarantien, S.28 f.; s. auch Hartmann, Selbstdarstellung, S. 177. 113 So z.B. Schreiber, Selbstdarstellung, S. 192; Wieland, in: Dreier, Art.22 Rdnr. 18. 114 So Schreiber, Selbstdarstellung, S. 192. 115 Vgl. zu den mit der Hauptstadtentscheidung Bonn oder Berlin verbundenen sozialpsychologischen Wirkungen Hufen, NJW 1991, 1321, 1327; Wieland, Der Staat 31 (1990), 231, 232. 1,6 Vgl. Naumann, in: Die Zeit v. 5.1.2000, S. 32. 117 So auch Klein, in: BK, Art. 22 Rdnr. 99; Maunz/Zippelius, Staatsrecht, § 9 II 2. 118 Mit „Pflege des Geschichtsbewusstseins" ist die Titelgruppe im Haushalt des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien bezeichnet, die Etatmittel für Stiftungen zur Erinnerung an bedeutsame Politiker sowie solche für nationale Gedenkstätten bereit hält. Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04, Kap. 0405, Tgr.06. 119 Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus, Stiftung Reichspräsident Ebert-Gedenkstätte; Otto-von-Bismarck-Stiftung, Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuss-Haus; Willy-BrandtStiftung (BGB1.I, S.3128). 120 Huber, in: Sachs, Art. 22 Rdnr. 5, spricht von „Stätten kollektiver und überregionaler Erinnerung". Gedenkstätten werden teilweise den Staatssymbolen zugerechnet, Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 22 Rdnr. 5; Huber, in: Sachs, Art. 22 Rdnr. 5; Stern, StR I, § 9 12 (S. 277). 121 Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung, BT-Drs. 14/1569, S. 3. 111

Kap. 1: Bestimmung des Untersuchungsgegenstandes

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Die Begründung für die Ausweitung des Untersuchungsgegenstandes auf die Selbstdarstellung des Staates liegt darin, dass sich der Staat in der Wahrnehmung dieser Aufgabe selbst künstlerischer Mittel bedient.122 So werden etwa die Flagge, die Wappen und die Hymne zunächst künstlerisch ausgestaltet und dann als Mittel der Repräsentation eingesetzt. Auch in anderer Weise besteht eine Verbindung zwischen der Tätigkeit der Kunstpflege und der Tätigkeit der Repräsentation: der Staat setzt kulturelle Einrichtungen oder Veranstaltungen dazu ein, sich selbst darzustellen. So werden beispielsweise Staatstheater oder Staatsopern unterhalten 123, es werden Museen gegründet, die geschichtliche Entwicklungen des Staates nachzeichnen oder in anderer Weise der Repräsentation des Staates dienen124, oder der Staat stiftet Preise und ersteht Kunstwerke, um sich mit Künstlern und Kunstwerken selbst zu präsentieren. Mit diesem Einsatz der Mittel staatlicher Kunstpflege zur Selbstdarstellung des Staates wird ersichtlich, dass es einen Schnittbereich zwischen den beiden Tätigkeitsbereichen gibt. Das lässt es als sinnvoll erscheinen, den Bereich der Staatsrepräsentation ebenfalls mit in die Untersuchung einzubeziehen.

122

So auch Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 141. In Deutschland zur Zeit nur in einigen Bundesländern, nicht aber auf Bundesebene. 124 So dient etwa das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland der Darstellung der deutschen Nachkriegsgeschichte (s. dazu Schäfer, Festschrift v. Köckritz, S. 155 ff.). Die Bundeskunsthalle wird für die kulturelle Repräsentation des Gesamtstaats in Anspruch genommen (s. dazu Jacob, Festschrift v. Köckritz, S. 147 ff.; Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.92ff.). 123

Kapitel 2

Verteilung der Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege auf Bund und Länder Nach der Bestimmung der Kunstpflege als Untersuchungsgegenstand ist nunmehr zu erörtern, wie innerhalb dieses Bereichs staatlicher Tätigkeit die Zuständigkeiten auf Bund und Länder verteilt sind. Dabei muss in einem ersten Schritt die Vorgehensweise für die Kompetenzuntersuchung methodisch vorbereitet werden (I.). Daran schließt sich die Untersuchung im Konkreten an (II.). Abschließend wird im Rahmen einer Zusammenfassung die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern im Sachbereich der Kunstpflege in ein Gesamtbild gebracht (III.).

I. Strukturierung der Kompetenzuntersuchung Bevor im Einzelnen die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern im Sachbereich der Kunstpflege einer Untersuchung unterzogen werden kann, sind drei grundsätzliche Fragen zu klären. Zum einen muss festgestellt werden, ob der Staat in diesem Sachbereich überhaupt zulässigerweise tätig werden kann (s. unter 1.). Zweifel an der Handlungsbefugnis bestehen deswegen, weil gerade im Bereich der Kunst sich nicht-staatliche Kräfte ohne Eingreifen des Staates entfalten sollen.1 Zum anderen ist der Prüfungsmaßstab für die Zuständigkeitsuntersuchung zu bestimmen (s. unter 2.). Insbesondere muss die Anwendbarkeit der Kompetenzverteilungsregeln des Grundgesetzes für die Staatsaktivitäten im hier untersuchten Sachbereich festgestellt werden. Schließlich ist methodisch zu überlegen, in welcher Weise die Untersuchung der Kompetenzen vonstatten gehen muss, um ein Gesamtbild von der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern im genannten Bereich zu gewinnen (s. unter 3.).

1. Kunstpflege als Staatsaufgabe Fraglich ist, ob es sich bei der als staatlicher Tätigkeit in einem bestimmten Sektor definierten Kunstpflege um eine Staatsaufgabe handelt. Der Begriff der Staatsaufgabe soll so verstanden werden, dass eine solche vorliegt, wenn der Staat in ei1 Prinzip der Staatsferne, vgl. Pernice , in: Dreier, Art. 5 III (Kunst), Rdnr. 16; Heintzen , HbStR IX, § 218 Rdnr. 61.

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

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nem bestimmten Sachbereich zulässigerweise tätig wird. 2 Unabhängig davon, ob einzelne staatliche Maßnahmen im Bereich der Kunstpflege als rechtmäßig, insbesondere als kompetenzmäßig, zu bewerten sind, ist zunächst festzustellen, ob der Staat in diesem Bereich überhaupt in zulässiger Weise tätig werden kann. Allgemein ist damit die in der Staatslehre diskutierte Problematik angesprochen, ob die Tätigkeitsmöglichkeiten des Staates von vornherein beschränkt sind, das heißt, ob die staatliche Tätigkeit in bestimmten Bereichen - unabhängig von ihrer Ausgestaltung im Einzelfall - unzulässig ist. Es geht insofern um die Abgrenzung des staatlichen vom gesellschaftlichen Sektor. a) Meinungsstand Die herrschende Meinung im Schrifttum geht von der grundsätzlichen Allzuständigkeit des Staates aus.3 Durch demokratische Verfahren werde der Staat legitimiert, den Wirkungskreis der öffentlichen Gewalt zu definieren und seine Aufgaben selbst zu wählen.4 Die Verfassung enthalte keine Bestimmung der zulässigen Staatstätigkeiten und gehe nicht davon aus, dass für jegliches Tätigwerden eine Ermächtigung durch die Verfassung erfolgen müsse.5 Auch die staatliche Kunstpflege als spezieller Tätigkeitsbereich wird gemeinhin als zulässige Staatstätigkeit angesehen.6 In ständiger Rechtsprechung geht das Bundesverfassungsgericht davon aus, dass die Kunstfreiheitsgarantie des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG nicht nur ein Abwehrrecht darstelle, sondern dem Staat die Aufgabe stelle, ein freiheitliches Kunstleben zu erhalten und zu fördern. 7 Damit erkennt auch die Rechtsprechung die Tätigkeit des Staates im Bereich der Kunst als Staatsaufgabe an. Gegen die Annahme einer theoretischen Allzuständigkeit des Staates wendet sich Geis. Er ist der Auffassung, öffentliche Kulturgestaltung bedürfe neben der parlamentarischen weiterer Legitimation.8 Staatliche Kulturpolitik sei weder aus der Kulturqualität 9 oder der Kulturhoheit 10 des Staates noch aus einem generellen Auf2

Definition der Staatsaufgaben nach Bull, Staatsaufgaben, S.44. Das Vorliegen von Staatsaufgaben lässt sich für bestimmte Materien bzw. Gegenstände feststellen, Isensee, HbStR III, §57 Rdnr. 137; Wahl, Staatsaufgaben, S.30. 3 Isensee, HbStR III, §57 Rdnr. 159; Wahl, Staatsaufgaben, S.35f. 4 Pernice, in: Dreier, Art. 30 Rdnr. 26. Zum Prozess der Entwicklung staatlicher Aufgaben s. Bull, Staatsaufgaben, S. 118. 5 Bauerl Möllers, JZ 1999, 697, 699; Wahl, Staatsaufgaben, S.35ff. 6 Bull, Staatsaufgaben, S. 303 ff.; Hufen, NVwZ 1983, 516, 519; Steiner, HbStR III, §86 Rdnr. 1; Maihof er, HbVerfR, § 25 Rdnr. 34, geht von einem Verfassungsauftrag zum Schutz und zur Pflege der Kultur aus. 7 BVerfGE36, 321 (331); E81, 108 (116). 8 Geis, Kulturstaat, S.230. 9 Geis, Kulturstaat, S.221. 10 Geis, Kulturstaat, S.222f.

I. Strukturierung der Kompetenzuntersuchung

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trag zum Schutz individueller Freiheit zu rechtfertigen. Auch einen abstrakten Kulturauftrag des Staates könne man nicht annehmen.12 Geis folgert einen staatlichen Kulturauftrag aus der Menschenwürde gemäß Art. 1 Abs. 3 GG und ihrer Ausprägung in den Einzelgrundrechten. 13 Im Ergebnis ist der Staat somit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG als dem einschlägigen Grundrecht im hier untersuchten Bereich der Kunstpflege zum Tätigwerden legitimiert. Die Fragestellung der Begrenzung der staatlichen Aufgaben gewann durch die Diskussion anlässlich der Rechtschreibreform, die durch die Kultusministerkonferenz der Länder am 30.1 l . / l . 12.1995 beschlossen wurde 14, an Aktualität. Gegner der Reform beriefen sich unter anderem darauf, dass die Sprache ein soziokulturelles, gesellschaftliches Phänomen sei, was zur Folge habe, dass der Staat eine Regelung der Sprache nicht treffen dürfe. 15 Die neue Rechtschreibung entspreche nicht einem Wandel des Schreibverhaltens in der Sprachbevölkerung, das der Staat lediglich nachvollziehe, sondern greife tiefgehend in den Bereich der Gesellschaft ein, der dem Staat entzogen sei.16 Sprache sei Sache des Volkes im Sinne einer rechtlichen Zuordnung. 17 Verallgemeinernd lässt sich ausführen, dass diese Stimmen im Schrifttum mit der Zuordnung von Lebensbereichen ausschließlich in die gesellschaftliche Sphäre (im Sinne der Trennung von Staat und Gesellschaft) die möglichen Tätigkeitsbereiche des Staates, das heißt die Staatsaufgaben, beschränken. Zum Beleg für diese Auffassung wird Art. 30 GG angeführt. Daraus ergebe sich, dass das Grundgesetz davon ausgehe, dass bestimmte Regelungsmaterien von vornherein nicht dem staatlichen Bereich unterfielen. 18 In seiner Entscheidung zur Einführung der neuen Rechtschreibung in SchleswigHolstein hat das Bundesverfassungsgericht dieser Auffassung zumindest im Hinblick auf die Regelung der Sprache eine Absage erteilt. 19 Weder lasse sich dem Grundgesetz ein Verbot zur Regelung der Sprache entnehmen, noch liege ihm die Vorstellung zugrunde, dass sich jede staatliche Maßnahme auf eine verfassungsrechtliche Ermächtigung zurückführen lassen müsse.20 Die Verfassung gehe vielmehr von der generellen Befugnis des Staates zum Handeln im Gemeinwohlinteresse aus.21 11

Geis, Kulturstaat, S. 225 ff. Geis, Kulturstaat, S. 227 ff. 13 Geis, Kulturstaat, S. 235 ff. 14 Zur Beschlussfassung und zur Geschichte der Reform s. BVerfGE 98, 218 (221 ff.); vgl. auch Menzel, RdJB 1998, 36, 39ff. 15 Roth, BayVBl. 1999, 257, 261. Ebenso die Entscheidungen des SächsOVG, SächsVBl. 1997, 298, 300 und des OVG Lüneburg, NJW 1997, 3456, 3459. 16 SächsOVG, SächsVBl. 1997, 298, 300. 17 Roth, BayVBl. 1999, 257, 261. 18 Roth, BayVBl. 1999, 257, 261. Im Ergebnis ebenso Kopke, JZ 1995, 874, 875 f.; Löwer, RdJB 1997, 226. 19 BVerfGE 98, 218ff. Dazu Menzel, in: Menzel, S. 648ff. 20 BVerfGE 98, 218 (246). 21 BVerfGE 98, 218 (246). 12

3 Pabel

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

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Der Annahme, dass die Sprache dem Volk gehöre, könne keine rechtliche Aussage in dem Sinne entnommen werden, dass der Staat deswegen daran gehindert sei, den Sprachgebrauch bestimmten Regeln zu unterwerfen. 22 b) Stellungnahme Der These von der prinzipiellen Allzuständigkeit des Staates ist zuzustimmen. Eine Beschränkung der Tätigkeit des Staates auf Staatsaufgaben kann sich nur aus der Verfassung ergeben. Einer vorrechtlichen Staatsaufgabenlehre kann eine solche Begrenzung nicht entnommen werden. 23 Das Grundgesetz kennt weder einen abgeschlossenen Katalog von Staatsaufgaben noch eine allgemein formulierte Norm, die Voraussetzungen für staatliches Tätig werden überhaupt aufstellt. 24 Insbesondere werden mit den Kompetenznormen keine Aufgabenbereiche als notwendige Staatsaufgaben festgelegt. 25 Lediglich aus Verfassungsaufträgen, Staatszielbestimmungen und aus den Normen der Verfassung resultierenden Schutzpflichten lassen sich Bestandteile der Staatsaufgaben entnehmen.26 Das „Ob" der Tätigkeit des Staates steht nicht unter Verfassungsvorbehalt. Der Staat bedarf keiner verfassungsrechtlichen Ermächtigung zum Tätigwerden. 27 Die Verfassung, die eine Bindung des Staates an die Grundrechte vorsieht und den Ebenen und Organen des Staates Kompetenzen zuweist, setzt einen Staat als den durch die Verfassung Verpflichteten voraus, geht also von der Existenz des Staates aus.28 Dieser ist grundsätzlich allzuständig für jegliches Handeln im Interesse des Gemeinwohls. Das „Wie" des staatlichen Handelns steht allerdings unter Verfassungsvorbehalt. 29 Die Gestaltungsmacht des Staates ist durch die Verfassung beschränkt. Das Grundgesetz stellt Grenzen sowohl formeller als auch materieller Art für seine Aufgabenwahrnehmung auf: So ist das Handeln des Staates an die Kompetenzordnung, eventuell an verfassungsrechtliche Verfahrensvorschriften und materiell insbesondere an die Grundrechte gebunden.30 22

BVerfGE 98, 218 (246). Bauer/Möllers, JZ 1999, 697, 699; so auch Menzel, RdJB 1998, 36, 49. Ebenso wenig kann aus der Annahme eines vorstaatlichen Charakters der Sprache ihre Entstaatlichung und damit die Unzulässigkeit einer staatlichen Sprachregelung geschlossen werden, so aber Löwer, RdJB 1997, 226. 24 Isensee, HbStR III, § 57 Rdnr. 147. 25 So auch Mahrenholz und Böckenförde in ihrer abweichenden Meinung zu BVerfGE 69, 1 ff., ebenda, 57 (60). 26 Herzog, in: HbStR III, §58 Rdnr. 28 ff.; Wahl, Staatsaufgaben, S.32ff. 27 Vgl. Wahl, Staatsaufgaben, S. 35. So auch Hense, DVB1. 2000, 376, 377; Wegener, Jura 1999, 185, 188. 28 Kirchhof, in: HbStR III, §59 Rdnr. 17. Vgl. auch Isensee, Bundesstaat, S.740. 29 Isensee, HbStR III, §57 Rdnr. 137; Geis, Kulturstaat, S.230. 30 BauerlMöllers, JZ 1999, 697, 699; Wahl, Staatsaufgaben, S.36ff. Für den Bereich der Kunstpflege ist insbesondere eine Bindung an Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG - die Kunstfreiheit - anzunehmen, vgl. Geis, Kulturstaat, S. 231 ff.; Maihof er, HbVerfR, § 25 Rdnr. 81. Durch die Aner23

I. Strukturierung der Kompetenzuntersuchung

35

Auch aus Art. 30 GG ergibt sich nichts anderes. Art. 30 GG spricht von der Ausübung der staatlichen Befugnisse und der Erfüllung der staatlichen Aufgaben und stellt sie grundsätzlich in die Zuständigkeit der Länder. Mit der Formulierung von der „Ausübung staatlicher Befugnisse" und der „Erfüllung staatlicher Aufgaben" sollen bereits existente staatliche Tätigkeiten oder Möglichkeiten staatlichen Handelns erfasst und der Kompetenzordnung unterworfen werden. Die Verteilung der Zuständigkeiten ist gegenüber der Feststellung von Staatsaufgaben der nachfolgende Schritt. Der Begriff der Staatsaufgabe liegt noch vor dem der Kompetenz. Zwischen Aufgabe und Kompetenz besteht eine Zweck-Mittel-Relation:31 Die Kompetenz verleiht die Mittel zur Erfüllung von Aufgaben. Art. 30 GG setzt das Vorhandensein von Staatsaufgaben also schon voraus. 32 Der Vorschrift kann kein Hinweis darauf entnommen werden, wie Staatsaufgaben zu definieren oder auch nur festzustellen sind. 33 Aufgrund der prinzipiellen Allzuständigkeit des Staates ist auch staatliche Tätigkeit im Bereich der Kunstpflege zulässig.34 Sie kann daher als Staatsaufgabe im oben beschriebenen Sinn bezeichnet werden. 35 Statt vom Handeln des Staates in einem bestimmten, inhaltlich gekennzeichneten Bereich kann außerdem von der Wahrnehmung einer bestimmten staatlichen Aufgabe gesprochen werden. Dabei ist Kunstpflege nicht ausschließlich die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe. Vielmehr ist gerade dieser Bereich gekennzeichnet durch ein Zusammenwirken öffentlicher und privater Maßnahmen und Initiativen.36

kennung der objektiv-rechtlichen Dimension der Grundrechte findet eine Beschränkung der staatlichen Handlungsbefugnisse nicht nur im Bereich des durch Eingriffe in subjektive Rechte agierenden Staates, sondern auch gegenüber nicht-eingreifender staatlicher Tätigkeit statt, vgl. Geis, Kulturstaat, S. 231. Zur Frage, in welcher Weise Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG die staatliche Tätigkeit der Kunstpflege bestimmt, s. im Einzelnen S. 164ff. 31 Bull, Staatsaufgaben, S.52f.; Heintzen, DVB1. 1997, 689, 692. 32 Stettner, Kompetenzlehre, S. 159ff. 33 Gleiches gilt für Art. 104 a GG. In Art. 104 a Abs. 1 GG wird die Frage, ob Bund oder Länder die Kosten für staatliche Tätigkeit zu übernehmen haben, abhängig gemacht von der Frage, wer die jeweilige Aufgabe übernimmt. Auch in dieser Vorschrift wird also die Existenz bestimmter Staatsaufgaben vorausgesetzt und an ihre Wahrnehmung die Folge der Kostenübernahme geknüpft. 34 So auch Hufen, NVwZ 1983,516,519; Maihof er, HbVerfR, §25 Rdnr.34; Steiner, HbStR III, §86 Rdnr.l. 35 Dass die Kunstpflege tatsächlich als Staatsaufgabe verstanden und wahrgenommen wird, ist auf den übereinstimmenden Willen der politischen Kräfte zurückzuführen, vgl. Steiner, HbStR III, §86 Rdnr.l. 36 Pflug, Festschrift v. Köckritz, S. 313 ff.; Steiner, HbStR III, § 86 Rdnr. 2. Zum Zusammenspiel von gesellschaftlichen und staatlichen Kräften im Kulturbereich vgl. Hense, DVB1.2000, 376, 377. 3*

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

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2. Anwendbarkeit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes In einem weiteren Schritt ist zu fragen, wonach sich die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern im Bereich der staatlichen Kunstpflege überhaupt richtet. Diese Fragestellung zielt auf den Prüfungsmaßstab für die Untersuchung der Zuständigkeitsverteilung ab. Das Grundgesetz regelt die Verteilung der Zuständigkeiten durch die Kompetenzordnung gemäß Art. 70 ff. GG. Zu prüfen ist somit, ob auch die Kunstpflege durch den Staat von der Kompetenzordnung des Grundgesetzes erfasst ist. Verfassungsrechtlicher Anknüpfungspunkt für diese Frage ist Art. 30 GG. Diese Vorschrift bestimmt, dass die Ausübung staatlicher Befugnisse und die Erfüllung staatlicher Aufgaben Sache der Länder ist, wenn das Grundgesetz keine andere Regelung trifft oder zulässt. Damit wird ein Regel-Ausnahme-Verhältnis geschaffen: Die Regel ist eine Zuständigkeit der Länder, Bundeszuständigkeiten sind der Konstruktion nach Ausnahmen.37 Dieses grundsätzliche Schema der Zuständigkeitsverteilung sagt weder etwas über den Umfang noch etwas über die inhaltliche Bedeutung der jeweiligen Kompetenzen aus. Es wird lediglich eine allgemeine Verteilungsregel aufgestellt. Gleichzeitig wird dadurch eine Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder in dem Sinne aufgestellt, dass für die Annahme einer Bundeskompetenz eine verfassungsrechtliche Zuständigkeitszuweisung außerhalb des Art. 30 GG erforderlich ist. 38 Die Regelungstechnik des Art. 30 GG hat zur Folge, dass hinsichtlich der „Ausübung der staatlichen Befugnisse" und der „Erfüllung der staatlichen Aufgaben" die Kompetenzordnung abschließend ist. 39 Entweder kann dem Grundgesetz eine Zuständigkeit des Bundes für die Ausübung bestimmter staatlicher Befugnisse oder 37

Bothe, in: AK, Art. 30 Rdnr. 11; März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 15; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 30 Rdnr. 2; Pernice, in: Dreier, Art. 30 Rdnr. 15; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 30 Rdnr. 1. 38 Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 30 Rdnr. 2; Pernice, in: Dreier, Art. 30 Rdnr. 15. Im Übrigen ist es umstritten, ob und inwieweit Art. 30 GG eine Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder enthält. Dabei bleibt insbesondere ungeklärt, was genau unter einer Zuständigkeitsvermutung zu verstehen ist. Das BVerfG entnimmt Art. 30 GG eine allgemeine Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder und folgert die Notwendigkeit einer grundsätzlich länderfreundlichen Auslegung der Kompetenzordnung (BVerfGE 42,20 [28]; E12,205 [229]; E15,1 [17]; E37,363 [404f.]; so auch Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 30 Rdnr. 1, der von einer widerlegbaren Vermutung für die Zuständigkeit der Länder spricht; Stern, StR I, § 19 III 3 a [S. 672]). Hingegen wird von anderer Seite Art. 30 GG nur im Sinne einer länderfreundlichen Auslegungsregel für den Fall verstanden, dass trotz Anwendung der allgemeinen Auslegungscanones Zweifel bei der Auslegung der Kompetenzordnung verbleiben (.Erbguth, in: Sachs, Art. 30 Rdnr. 9; Kenntner, Justitiabler Föderalismus, ibs. S. 39 f.). Dem Wortlaut von Art. 30 GG ist eine Privilegierung der Länder gegenüber dem Bund bei der Interpretation der Kompetenzordnung nicht zu entnehmen. Der Artikel ist vielmehr als „technischer Verteilungsmodus" CHesse, Art. „Bundesstaat", in: EvStL, Sp. 320) anzusehen, der zusammen mit anderen Vorschriften des Grundgesetzes sowohl dem Bund als auch den Ländern Kompetenzbereiche zuweist und - da die Kompetenzverteilung nicht abdingbar ist - unter Verfassungsvorbehalt stellt; vgl. auch Kenntner, Justitiabler Föderalismus, S. 21 ff.; Pietzcker, HbStR IV, § 99 Rdnr. 22.

I. Strukturierung der Kompetenzuntersuchung

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die Erfüllung bestimmter staatlicher Aufgaben entnommen werden, oder die Länder haben die Kompetenz zur Erfüllung dieser Aufgabe. Ein kompetenzfreier Bereich ist innerhalb dieses Systems nicht denkbar. 40 Art. 30 GG kann daher als „Grundnorm" 41 oder „Generalklausel" 42 der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes bezeichnet werden. Es ist aber zu überlegen, ob es neben der in Art. 30 GG genannten „Erfüllung staatlicher Aufgaben" und der „Ausübung staatlicher Befugnisse" noch andere Tätigkeiten des Staates geben kann, die von der Kompetenzverteilungsregel des Art. 30 GG nicht erfasst sind. Sind neben den von Art. 30 GG erfassten staatlichen Aufgaben und Befugnissen noch weitere Staatstätigkeiten feststellbar, fallen diese in einen „kompetenzfreien" Bereich, unterliegen also nicht der Verteilung der Kompetenzen auf Bund und Länder nach dem Grundgesetz. a) Einschränkende Auslegung von Art. 30 GG Die Literatur nimmt teilweise eine enge Auslegung der Begriffe „staatliche Befugnisse" und „staatliche Aufgaben" vor. Danach erfasst Art. 30 GG nur staatliche Tätigkeiten, also solche, die dem Staat eigentümlich sind. Fiskalische Tätigkeiten fielen nicht unter die Kompetenzordnung des Grundgesetzes.43 Insbesondere die gewinnorientierte Erwerbswirtschaft alsfiskalische Tätigkeit im engeren Sinne sei von Art. 30 GG nicht erfasst. 44 Diese Einschränkung der Anwendung von Art. 30 GG wird damit begründet, dass es für die Kompetenzverteilung im Bundesstaat, die Ziel von Art. 30 GG sei, unerheblich sei, ob der Bund oder die Länder fiskalisch handelten, denn der Bund dringe mit rein fiskalischem Handeln nicht in den Verwaltungsraum der Länder ein. 45 Ferner spreche auch der Wortlaut von Art. 30 GG, der ausdrücklich nur staatliche Aufgaben und Befugnisse nenne, für den Ausschluss der fiskalischen Staatstätigkeit.46 Staatliche Maßnahmen zur Kunstpflege stellen keine erwerbswirtschaftliche Tätigkeit dar. Mit ihrer Vornahme liegt zumindest eine Verwaltungstätigkeit vor, die nicht rein fiskalischer Natur ist. Auch eine gesetzgeberische Tätigkeit ist denkbar. Daher fallen nach dieser einschränkenden Auslegung auch kunstpflegerische Akte 39

Pietzcker, HbStR IV, § 99 Rdnr. 23. März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 14; Pernice, in: Dreier, Art. 30 Rdnr. 24; vgl. auch Erbguth, in: Sachs, Art. 30 Rdnr. 6; Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 189; Stern, StR I, § 19 III 3 a (S. 673); Art. 30 hat „lückenschließende Funktion". 41 März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 1; vgl. auch Stern, StR I, § 19 III 3 (S.672). 42 Erbguth, in: Sachs, Art. 30 Rdnr. 7 m. w. N. in Fußn. 29. 43 Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 30 Rdnr. 8. 44 Isensee, HbStR IV, §98 Rdnr. 192; H. H. Klein, in: Festschrift BVerfG (1976) II, S.279; Pietzcker, in: HbStR IV, § 99 Rdnr. 11, allerdings nur für den Fall, dass die fiskalische Staatstätigkeit nicht in erster Linie der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dient. 45 Pietzcker, in: HbStR IV, § 99 Rdnr. 11. 46 Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 30 Rdnr. 8. 40

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

des Staates in den Anwendungsbereich von Art. 30 GG und damit unter die Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Auch die Annahme, dass informelles Staatshandeln nicht von Art. 30 GG und damit auch nicht von der grundgesetzlichen Kompetenzordnung erfasst werde 47, führt nicht dazu, staatliche Kunstpflege von der Kompetenzordnung auszunehmen. Nach dieser Auffassung sollen solche staatlichen Handlungen, die nicht zur besonderen Inanspruchnahme von sächlichen oder personellen Mitteln des Staates führen, wie die Reden von Ministern, parlamentarische Debatten etc., oder bloß anregendes Tätigwerden des Staates, außerhalb der Kompetenzordnung stehen. Bei staatlicher Kunstpflege handelt es sich jedoch in der Regel nicht um informelle Tätigkeit. Zumindest aber werden staatliche Mittel finanzieller oder nicht-finanzieller Art in Anspruch genommen. Damit unterfällt selbst bei Annahme dieser einschränkenden Auslegung die staatliche Kunstpflege der Kompetenzordnung. Noch einschränkender sieht Peters den Anwendungsbereich von Art. 30 GG. Er fasst unter die „staatlichen Aufgaben und Befugnisse" i. S. v. Art. 30 GG nur obrigkeitliches staatliches Handeln (d.h. Handeln durch Befehle). 48 Aufgrund dieses Verständnisses von Art. 30 GG finde die Kompetenzordnung auf die Leistungsverwaltung keine Anwendung. Schon aus dem Wortlaut „Kulturpflege" werde ersichtlich, dass es sich bei den entsprechenden staatlichen Maßnahmen nicht um obrigkeitlich staatliche handelt. Deswegen unterliegt ein Großteil der Handlungen des Staates zur Kulturpflege nach der Auffassung von Peters nicht der Kompetenzordnung, da hiermit in fördernder Weise Kulturpflege betrieben wird. 49 b) Weite Auslegung von Art. 30 GG Die Gegenposition in der Rechtslehre lehnt es ab, bestimmte staatliche Tätigkeiten aus Art. 30 GG auszuklammern. Nach dieser Ansicht werden alle unter dem Grundgesetz zulässigen potenziellen Staatsaufgaben von Art. 30 GG erfasst. 50 Zweck von Art. 30 GG sei die Abgrenzung der Kompetenzbereiche von Bund und Ländern. Diese Machtverteilung erfülle nur dann ihren Zweck, wenn sie abschließend sei. 51 Die in Art. 30 GG genannten „staatlichen Aufgaben und Befugnisse" müssten alle staatli47

GubelU in: v. Münch/Kunig, Art. 30 Rdnr. 7; Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 195. Peters, Festschrift E. Kaufmann, S. 294. Diese Ansicht, die sich nicht durchsetzen konnte, ist im vorliegenden Zusammenhang deswegen erwähnenswert, da auf ihrer Grundlage umfangreiche Kompetenzen des Bundes im Bereich der staatlichen Kulturpflege angenommen wurden, vgl. Peters, a. a. O., S. 292ff. 49 Peters, Festschrift E. Kaufmann, S. 292 ff. 50 ErbgutK in: Sachs, Art. 30 Rdnr. 32 m. w. N. in Fußn. 99; Heintzen, DVB1.1997,689 (692 mit Fußn. 34); März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 42ff.; RincK Festschrift Müll e r ^ . 290. 51 Bothe, in: AK, Art. 30 Rdnr. 17; Bull, Staatsaufgaben, S. 54; Hamann/Lenz, Art. 30 Anm.B 1; Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.28. 48

I. Strukturierung der Kompetenzuntersuchung

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chen Tätigkeiten umfassen. Im Ergebnis sei eine Tätigkeit dann eine staatliche Aufgabe im Sinne von Art. 30 GG, wenn sich der Staat ihrer annehme.52 Nach dieser Auffassung werden somit auch alle Maßnahmen, die der Staat zur Pflege der Kultur trifft, von der Kompetenzordnung des Grundgesetzes erfasst. c) Auslegung von Art. 30 GG durch das Bundesverfassungsgericht Das Bundesverfassungsgericht hat im so genannten Fernsehurteil hinsichtlich der Reichweite von Art. 30 GG klargestellt, dass alle Aktivitäten des Staates, die der Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen, von Art. 30 GG erfasst sind. Auf die Rechtsform, in der sich das staatliche Handeln vollziehe (öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Handlungsformen), komme es nicht an.53 Wann aber eine Erfüllung öffentlicher Aufgaben vorliegt und ob es daneben noch andere staatliche Tätigkeiten gibt, die von Art. 30 GG nicht erfasst werden, hat das Bundesverfassungsgericht weder in dieser noch in einer anderen Entscheidung explizit festgestellt. 54 Es hat vielmehr ausdrücklich offengelassen, ob Art. 30 GG jedes staatliche Handeln erfasst. 55 Insgesamt lassen sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aber Tendenzen feststellen, die für einen umfassenden Anwendungsbereich des Art. 30 GG sprechen.56 So hat es in der Entscheidung über die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung die Informationstätigkeit durch den Staat, die als typischerweise informelles Staatshandeln entsprechend einer oben dargestellten Meinung nicht als Ausübung einer staatlichen Befugnis bzw. Erfüllung einer solchen Aufgabe hätte verstanden werden können, vollständig der Kompetenzordnung des Grundgesetzes unterstellt. 57 d) Anwendbarkeit der Kompetenzordnung auf staatliche Kunstpflege Der Wortlaut von Art. 30 GG gibt keine eindeutige Auskunft darüber, ob jegliche staatliche Tätigkeit erfasst werden soll oder ob bestimmte Handlungsformen außerhalb des Art. 30 GG stehen. Die Formulierung „staatliche Aufgaben und Befugnisse" kann zum einen dahingehend verstanden werden, dass es neben den staatlichen auch nicht-staatliche Aufgaben und Befugnisse gibt. Damit wäre die Ausnahme der 52

Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.29 nach BVerfGE 12, 205, 243; vgl. zu dieser Sentenz auch Pernice, in: Dreier, Art. 30 Rdnr. 26, der sie in Zusammenhang mit der Fähigkeit des modernen Staates sieht, den Wirkungskreis öffentlicher Gewalt zu definieren und seine Aufgaben selbst zu wählen. 53 BVerfGE 12, 205 (244 f.). 54 Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S. 27; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 30 Rdnr. 4. 55 BVerfGE 12, 205 (244). 56 BVerfGE 44, 125 (149); vgl. auch die Bewertung der Rechtsprechung bei Bleckmann, DVB1. 1985, 832f.; Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.27f. 57 BVerfGE 44, 125 (149); ebenso E63, 230 (243f.).

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

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fiskalischen Tätigkeiten aus dem Anwendungsbereich von Art. 30 GG zu begründen. Auf der anderen Seite kann die Wortlautauslegung auch zu dem Ergebnis führen, dass mit „staatlichen Aufgaben und Befugnissen" jede Form von staatlichem Handeln erfasst werden soll. Für diese Auslegung spricht, dass eine Trennung von Aufgaben und Befugnissen nicht exakt möglich ist und dass diese aber auch nicht notwendig ist, weil mit der Formulierung alle Tätigkeiten erfasst werden sollen.58 In dieser allgemeineren Auslegung können mit dem Adjektiv „staatlich" auch schlicht die Tätigkeiten gemeint sein, die der Staat wahrnimmt, unabhängig davon, ob sie auch ein Privater wahrnehmen könnte oder nicht. Die Zusammenschau der verfassungsrechtlichen Bestimmungen zur Aufteilung der Kompetenzen auf Bund und Länder ergibt, dass Art. 30 GG die Basisnorm und die Grundregel für die Zuständigkeitsverteilung im Bundesstaat darstellt. Diese Norm begründet ein System der Zuständigkeitsverteilung, in das sich alle Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes einordnen lassen. Zuständigkeitsregeln außerhalb dieses Systems enthält das Grundgesetz nicht. Das spricht dafür, dass Art. 30 GG jegliche staatliche Tätigkeit erfasst. Schließlich spricht ein teleologisches Argument dafür, die Regel des Art. 30 GG für jegliche staatliche Tätigkeit anzuwenden. Die Kompetenzordnung hat die Funktion, die Staatsgewalt auf Bund und Länder zu verteilen und damit zu ordnen und zu strukturieren. Gleichzeitig wird damit eine Aufteilung der staatlichen Gewalt auf den Bund und die Länder bewirkt. Diesem Aspekt wird neben der Ordnungsfunkion auch ein gewaltenteilender Effekt beigemessen.59 Diese Funktion der Kompetenzordnung ist aber bei jeglicher Tätigkeit des Staates relevant. Unabhängig davon, in welcher Weise der Staat tätig wird, kann er durch seine gegenüber Privaten besondere Ausstattung mit Machtbefugnissen die Freiheitssphäre des Einzelnen berühren. Eine rechtliche Bindung an die Kompetenzordnung, die sowohl zu einer Ordnung als auch zu einer Mäßigung der staatlichen Gewalt führt, ist daher - ihrem Sinn und Zweck nach - für jede staatliche Tätigkeit erforderlich. Das Motiv für die Ausnahme bestimmter Staatstätigkeiten aus dem Anwendungsbereich von Art. 30 GG ist es, dem Bund die Ausübung bestimmter Staatstätigkeiten - etwa im Bereich desfiskalischen Handelns - zu ermöglichen. 60 Gerade im kulturellen Bereich wird versucht, einzelne Staatstätigkeiten dieser Materie von der Regelung des Art. 30 GG auszunehmen und damit der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung zu entziehen, um einen (vermeintlichen) Mangel an Bundeskompetenzen auszugleichen.61 Es stellt sich jedoch die Frage, ob die beschränkende Auslegung von Art. 30 GG der richtige Weg ist, um eventuelle Lücken in den Bundes58

Erbguth, in: Sachs, Art. 30 Rdnr. 32; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 30 Rdnr. 6 f. Vgl. BVerfGE 55,274 (318); so auch Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 241; Pernice, in: Dreier, Art. 30 Rdnr. 16; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 30 Rdnr. 1. 60 Vgl. März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 44, der betont, dass verwaltungspraktische Überlegungen zum einschränkenden Verständnis von Art. 30 GG führen. 61 Vgl. Peters, Festschrift E. Kaufmann, S. 294. 59

I. Strukturierung der Kompetenzuntersuchung

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kompetenzen zu schließen. Die Auslegung von Art. 30 GG hat ergeben, dass sich diese Norm auf alle Tätigkeiten des Staates erstreckt. Eine Bundeszuständigkeit kann im Einzelfall in methodisch zulässiger Weise nur durch eine zweckmäßige und praxisnahe Auslegung der Kompetenzvorschriften begründet werden. 62 So erscheint es konsequent, die Zuständigkeit für die Hilfsgeschäfte der Verwaltung als Annex zur Zuständigkeit für den jeweiligen Verwaltungsbereich anzusehen.63 Wenn der Bund für eine bestimmte Aufgabe die Verwaltungszuständigkeit besitzt, so kann er auch - zur vollständigen und sinnvollen Durchführung dieser Aufgabe - die entsprechenden Hilfsgeschäfte erledigen. Die erwerbswirtschaftliche Betätigung kann durchaus als Annexkompetenz zur Ausstattung von Bund und Ländern mit Verwaltungs- und Finanzvermögen gesehen werden. 64 Art. 30 GG umfasst zusammengefasst jedes Tätigwerden des Staates. Jegliche Maßnahme, die er zur Pflege der Kultur ergreift, unterliegt somit der Kompetenzordnung. Die folgende Untersuchung der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern muss also die Kompetenzordnung des Grundgesetzes zum Prüfungsmaßstab nehmen.

3. Die Feststellung von Länderkompetenzen Ziel der Untersuchung ist es, für den Sachbereich der Kunstpflege eine Gesamtschau der Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern zu ermöglichen. Da - wie oben gezeigt65 - die Kompetenzordnung abschließend ist, ist es theoretisch denkbar, die Kompetenzverteilung in einem bestimmten Sachbereich in zwei Blöcken, nämlich einen der Bundes- und einen der Landeszuständigkeit, darzustellen. Es ist aber fraglich, ob dieses Denkmodell der Regelung der Kompetenzverteilung im Grundgesetz entspricht, ob man also für Bundes- und Länderzuständigkeiten von zwei strukturell gleichwertigen Kompetenzblöcken sprechen kann.66 a) Gleichwertigkeit

von Bundes- und Länderkompetenzen

Art. 30 GG bestimmt die Länderkompetenzen negativ als diejenigen, die nicht dem Bund zustehen. Im Schrifttum besteht Uneinigkeit darüber, ob den Ländern aufgrund dieser Vorschrift gegenständlich unbestimmte Residualkompetenzen67 zu62

Pietzcker, HbStR IV, § 99 Rdnr. 17. Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 192; Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S. 29; März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 45. - Zur Annexkompetenz im Einzelnen s. S. 55 ff. 64 Bothe, in: AK, Art. 30 Rdnr. 17; März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 45. 65 S.S. 39ff. 66 Formulierung bei März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 22. 67 Bothe, in: AK, Art. 30 Rdnr. 10; Gubelt, in: v. Münch/Kunig, Art. 30 Rdnr. 1; März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 22; Pernice, in: Dreier, Art. 30 Rdnr. 15; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 30 Rdnr. 1; Pietzcker, HbStR IV, § 99 Rdnr. 8. 63

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

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erkannt werden oder ob eine Zuständigkeitszuweisung an die Länder in dem Sinne vorliegt, dass diesen wie dem Bund einzelne Materien als Zuständigkeit zugewiesen werden. 68 Aufgrund der Regelungstechnik des Art. 30 GG erscheinen die nach der Kompetenzordnung den Ländern zustehenden Kompetenzfelder nicht als spezifizierte Materien in der Verfassung. Anders als bei den in den Kompetenzkatalogen enthaltenen Bundeskompetenzen, die durch Auslegung der einschlägigen Artikel ermittelt werden können, findet sich für die Zuständigkeiten der Länder keine textliche Grundlage in einer Norm. Die Sachmaterien, die in der Kompetenz der Länder stehen, müssen also zunächst als Sachmaterie erkannt, formuliert und beschrieben werden. 69 Dabei dient die zur Zeit geübte Staatspraxis als Grundlage. 70 Die Regelungstechnik des Art. 30 GG führt dazu, dass sich die Länderkompetenzen nur durch eine Negativabgrenzung von den Bundeskompetenzen ermitteln lassen. Es muss eine „Umformulierung" 71 der negativen Residualkompetenzen nach Art. 30 GG in positive Kompetenztitel erfolgen. Wegen des Fehlens der textlichen Grundlage sind die Kompetenzbereiche der Länder zunächst nur deskriptiv erfassbar. Die Randbereiche der Kompetenzfelder sind im Einzelfall möglicherweise diffuser als dies bei den Bundeskompetenzen, die auf einem geschriebenen Titel beruhen, der Fall ist. 72 Dieser Unterschied in der Ermittlung der Kompetenzen von Bund und Ländern führt aber nicht dazu, dass Bundes- und Länderkompetenzen grundsätzlich von unterschiedlicher Qualität sind.73 Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes legt sowohl die Bundes- als auch die Länderkompetenzen fest und stellt beide gleichermaßen unter Verfassungsvorbehalt. Insofern kann von einer Beidseitigkeit der Kompetenzordnung gesprochen werden. 74 Da die Länderkompetenzen aber nicht in Kompetenztiteln verfassungsrechtlich verankert sind, ist zu ihrer Bestimmung ein höherer Auslegungs- und Begründungsaufwand zu betreiben. Soll der gesamte Zuständigkeitsbereich der Länder bestimmt werden, so ergibt sich ein recht unscharfes Bild. Das liegt jedoch nicht daran, dass die Verteilung der Zuständigkeiten unpräzise ist oder den Ländern nur eine „inhaltlich nebulöse Residualkompetenz"75 verbleibt. 68

Heintzen, DVB1. 1997, 689, 692. Heintzen, DVB1. 1997, 689, 691; Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 11. 10 Pestalozzi in: v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Art. 70 Rdnr. 132. März, in: v. Mangoldt/ Starck/Klein, Art. 30 Rdnr. 22, ist insofern zuzustimmen, als ihm zufolge die Ermittlung der Länderkompetenzen die tatsächlich in der Staatspraxis ausgeübten Aufgaben und Befugnisse der Länder berücksichtigt, um die Zuständigkeitsbereiche zu fassen. 71 Begriff bei März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 22. 72 Heintzen, DVB1. 1997, 689, 692; Erbguth, in: Sachs, Art. 30 Rdnr. 10. 73 So aber März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 22. Wie hier Scholz, Festschrift BVerfG (1976) II, S.274. 74 Heintzen, DVB1. 1997, 689; dagegen: März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 22. 75 So März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 22. 69

I. Strukturierung der Kompetenzuntersuchung

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Vielmehr kann es eine abschließende Aufzählung der möglichen Staatsaufgaben nicht geben, die als Grundlage einer Bestimmung der Länderkompetenzen dienen könnte.76 Im Einzelfall ist aber eine eindeutige Feststellung, ob die Wahrnehmung einer Staatsaufgabe in Bundes- oder Landeszuständigkeit fällt, durchaus möglich. 77 b) Methodisches Vorgehen Im nächsten Schritt ist das methodische Vorgehen zu bestimmen, nach dem die Zuständigkeiten von Bund und Ländern in einem bestimmten Sachbereich, hier dem der Kunstpflege, festgestellt werden können. Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes verteilt die Zuständigkeiten nach einem strikten Entweder-Oder-Prinzip auf Bund und Länder. Diese exakte Scheidung trifft alle staatlichen Funktionen. Ausnahmen sind allein die in Art. 91 a und 91 b GG normierten Gemeinschaftsaufgaben. Abgesehen von diesen Ausnahmefällen ist eine gleichzeitige Zuständigkeit von Bund und Ländern nicht denkbar. Eine gemeinschaftliche Wahrnehmung einer Kompetenz ist, da Kompetenzen weder übertragbar noch verzichtbar sind, verfassungsrechtlich unzulässig.78 Es ist also für jede staatliche Tätigkeit entweder eine Zuständigkeit des Bundes oder eine der Länder festzustellen. Die Kompetenzordnung des Grundgesetzes nimmt die Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern nach Funktionen und nach Materien vor. 79 Dabei bilden nach der Ausgestaltung der Grundgesetznormen die Funktionen den ersten Anknüpfungspunkt für die Frage nach der Zuständigkeit von Bund oder Län76 Vgl. Heintzen, DVB1. 1997, 689, 692: „Das föderale Kompetenzrecht folgt [...] in seiner Entwicklung den Staatsaufgaben nach."; so auch Goerlich, Kompetenzverständnis, S.42; Fehling, Kompetenzabgrenzung, S. 43 f. Pestalozzi in: v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Art. 70 Rdnr. 132. 77 Ebenso Rinck, Festschrift Müller, S. 290 f. Die Formulierung von Länderkompetenzen ist dann relativ problemlos möglich, wenn eine Sachmaterie zunächst dem Bund kompetenziell zugewiesen war, dann aber durch Verfassungsänderung aus dem Katalog der Bundeszuständigkeiten entfernt wurde. Fraglos steht die betreffende Kompetenz dann den Ländern zu und kann unter Zuhilfenahme der alten textlichen Grundlage bestimmt werden 0Heintzen, DVB1. 1997,689,691). Als Beispiel kann hier die Zuständigkeit für die Regelung der Rechtsverhältnisse des Films genannt werden, die zunächst als Materie der Rahmengesetzgebung nach Art. 75 Nr. 2 GG a. F. dem Bund zustand, dann aber durch die Verfassungsänderung von 1994 aus diesem Katalog eliminiert wurde. S. dazu auch S. 101 ff. Auch können Länderzuständigkeiten dann relativ leicht formuliert werden, wenn Kompetenztatbestände zugunsten des Bundes den Schluss auf Ergänzungen oder Gegenstücke, die in die Kompetenz der Länder fallen, ermöglichen (Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 11). 78 Eine andere Frage ist, ob insbesondere im Rahmen der Verwaltung Bund und Länder zur Wahrnehmung ihrer jeweiligen Kompetenzen kooperieren dürfen. Vgl. für den Bereich der Kulturpflege insoweit Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S. 208 ff. 79 Hesse, Grundzüge, Rdnr. 235.

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

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dem. Das Grundgesetz unterscheidet zwischen Kompetenzen zur Gesetzgebung (Art. 70 ff. GG), zur Verwaltung (Art. 83 f. GG) und zur Rechtsprechung (Art. 92 ff. GG). Der zweite Anknüpfungspunkt für die Kompetenzverteilung ist die Materie, die das staatliche Handeln betrifft. Für die Gesetzgebung und die Verwaltung erfolgt die Zuweisung der Kompetenz durch Bezugnahme auf die jeweils betroffene Sachmaterie. Die Zuständigkeit bezüglich der Rechtsprechung ist unabhängig von Sachmaterien auf Bund und Länder verteilt. Die folgende Untersuchung lässt daher die Rechtsprechungsfunktion außer Betracht, da hier die Bezugnahme auf einen bestimmten Sachbereich kein sinnvolles Kriterium zur Bildung eines Ausschnitts aus der Kompetenzverteilung sein kann. Die Erörterung der ZuständigkeitsVerteilung zwischen Bund und Ländern in einem bestimmten Sachbereich umfasst im Folgenden sowohl die Funktion der Gesetzgebung als auch jene der Verwaltung. Die Regelungstechnik des Grundgesetzes (Art. 30, 70 GG) hat zur Folge, dass eine Untersuchung von Zuständigkeiten ihren Ausgangspunkt jeweils bei den Kompetenzen des Bundes nehmen muss.80 Hier findet sich eine textliche Grundlage in der Verfassung, die Basis für die Auslegung und Bestimmung der Bundeskompetenzen ist und damit der Festlegung der Grenze zu den Landeszuständigkeiten dient. Anschließend kann versucht werden, die Zuständigkeit der Länder nicht nur negativ, das heißt als Nicht-Bundeszuständigkeit, sondern auch positiv zu formulieren. Ziel ist es, eine Sachmaterie zu beschreiben, die in die Kompetenz der Länder fällt. Bei der Art und Weise der Beschreibung ist eine Orientierung an den Kompetenzkatalogen des Grundgesetzes möglich, die ausschließlich die Zuständigkeiten des Bundes bestimmen. Mit einer solchen Formulierung einer Länderkompetenz wird letztlich eine nach der Verfassungslage des Grundgesetzes bestehende Kompetenz sichtbar gemacht, indem sie in eine textliche Fassung gebracht wird. Die Formulierung hat somit deklaratorische Bedeutung. Für die verfassungspolitische Diskussion kann sie jedoch die Funktion übernehmen, den Zuständigkeitsbereich der Länder gegenüber dem Bund deutlicher werden zu lassen und damit eine bessere „Verteidigung" der Länderzuständigkeiten zu ermöglichen. Der Einwand, eine derartige sprachliche Fassung von Länderzuständigkeiten beeinträchtige die Entwicklungsoffenheit des Grundgesetzes, überzeugt nicht. Dieses Argument wird gegen eine abschließende und vollständige Normierung der Länderkompetenzen neben den Bundeskompetenzen angeführt. 81 Jede Formulierung von Zuständigkeiten in Kompetenzkatalogen sei rückwärtsgewandt, da sie überkommene Kategorien und Vorstellungen aufgreife und zukünftige Handlungsoptionen des Staates nicht berücksichtige. 82 Der hier unternommene Versuch der Formulierung 80

Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Art. 70 Rdnr.54. März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 22; zum Zusammenhang zwischen Regelungskonzept des Grundgesetzes und Entwicklungsoffenheit auch Rozek, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 12. 82 Pestalozza, DÖV 1972, 181, 182. 81

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einer Länderkompetenz in einem bestimmten Sachbereich zielt nur darauf ab, in einem beschränkten Bereich die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern zu verdeutlichen. Die vollständige Erfassung der Länderzuständigkeiten ist kein Ziel der Untersuchung. Erst damit wäre aber die Entwicklungsoffenheit der Kompetenzordnung betroffen, da dann die Einordnung neuer Staatsaufgaben möglicherweise nicht mehr ohne Schwierigkeiten vorgenommen werden könnte.83 Aufgrund der Struktur, mit der nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes die Zuständigkeiten auf Bund und Länder verteilt sind, muss die Kompetenzuntersuchung von der Zuständigkeit des Bundes ausgehen. Durch Abgrenzung kann dann in einem zweiten Schritt versucht werden, den Zuständigkeitsbereich der Länder exakt zu bestimmen. c) Berücksichtigung

der Finanzierungskompetenz

Typische Maßnahmen bestehen im Sachbereich der Kunstpflege darin, Gelder für Zwecke der Kunstförderung zur Verfügung zu stellen und auszuzahlen.84 Maßgebliche Tätigkeit ist somit die Finanzierung von innerhalb oder außerhalb des staatlichen Bereichs bestehenden Einrichtungen und Projekten. Es stellt sich daher gerade für den hier untersuchten Sachbereich die Frage, ob auch die Zuständigkeit für die Finanzierung einer Tätigkeit durch das Grundgesetz geregelt ist. 85 Das ist deshalb zweifelhaft, weil nach rein wirtschaftlicher Betrachtensweise die Finanzierung als eine Last erscheint, so dass allenfalls eine Pflicht zur Finanzierung, nicht aber eine entsprechende Kompetenz regelungsbedürftig wäre. In dieser Perspektive müsste es den Ländern nur recht sein, wenn der Bund eine Staatstätigkeit finanziert, die von ihnen wahrgenommen wird. Nach der Ordnung des Finanzwesens im Grundgesetz ist auch die Finanzierung staatlicher Aufgaben als Kompetenz ausgestaltet, die entsprechend einem Trenn83

Würde man allerdings zusätzlich als Regel formulieren, dass neue Aufgaben - sofern sie nicht unter einen Bundeskompetenztatbestand subsumiert werden können - in die Zuständigkeit der Länder fallen, hätte sich gegenüber der bestehenden Verfassungslage keine Änderung ergeben. 84 Die Gewährung von Förderungen, das heißt von Subventionen, kann gesetzlich vorgesehen sein und durch die Verwaltung im Rahmen des Gesetzesvollzugs durchgeführt werden. Es liegt dann ein Fall der gesetzesakzessorischen Verwaltung vor. Typischerweise geschieht der Förderungsvorgang jedoch in der Form, dass für kulturelle Einrichtungen oder Veranstaltungen Mittel im Haushalt vorgesehen und von der Verwaltung bewilligt werden. Diese Vorgehensweise erfolgt in der Regel durch die Bereitstellung eines entsprechenden Titels im Haushaltsplan und die Gewährung der Förderung durch die Verwaltung. Ein Gesetz, das über die allgemeinen Voraussetzungen der Subventionsgewährung und die Pflichten des Empfängers hinaus spezielle Regelungen für die einzelnen Subventionen treffen würde, fehlt. In der Gewährung von Fördermitteln liegt in diesem Fall ein Tätigwerden im Rahmen der gesetzesfreien Verwaltung. 85 Vgl. auch Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 13.

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system dem Grundsatz nach entweder auf den Bund oder auf die Länder verteilt ist. 87 Eine Mischfinanzierung durch Bund und Länder ist nach dem Grundsatz des Art. 104a Abs. 1 GG nicht vorgesehen.88 Gemäß Art. 104a Abs. 1 GG tragen Bund und Länder die Ausgaben, die sich aus der Wahrnehmung der jeweiligen Aufgaben ergeben. Zweck des Art. 104 a Abs. 1 GG ist es, der Gebietskörperschaft, die für den Vollzug einer Aufgabe zuständig ist, auch die Verantwortung für die Finanzierung dieser Aufgabe zuzuweisen. Dabei unterscheidet die Regelung nicht zwischen der Finanzierungslast und der Befugnis zur Finanzierung. 89 Aus der Konnexität zwischen Aufgabenverantwortung und Ausgabenlast90, die Art. 104 a Abs. 1 GG herstellt, ergibt sich, dass unter „Aufgabe" im Sinne dieser Vorschrift die verfassungsrechtlich zugewiesenen, unmittelbar kostenverursachenden Funktionen zu verstehen sind.91 Regelmäßig richtet sich die FinanzierungsVerantwortung also nach der Verteilung der Verwaltungsaufgaben. 92 Das gilt sowohl für die gesetzesakzessorische als auch für die gesetzesfreie Verwaltung. 93 Unerheblich für die Frage der Finanzierungszuständigkeiten ist die Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen, da Kosten nicht schon durch die Verabschiedung eine Gesetzes, sondern erst durch seinen Vollzug entstehen.94 Die Finanzierungszuständigkeit ist also mit der Verwaltungszuständigkeit verbunden.

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Klein, HbVerfR, § 23 Rdnr. 9. Auch die Verteilung der Finanzierungszuständigkeiten ist lückenlos, Isensee, HbStR IV, §98 Rdnr. 193. 88 Insofern enthält Abs. 4 eine Ausnahmebestimmung, nach der der Bund für besonders bedeutende Investitionen der Länder und Gemeinden Finanzhilfen gewähren kann, die zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft oder zur Förderung des wirtschaftlichen Wachstums erforderlich sind. Diese verfassungsrechtliche Ermöglichung einer Mischfinanzierung ist im Bereich staatlicher Kunstpflege nicht einschlägig, da entsprechende staatliche Maßnahmen nicht in erster Linie wirtschaftlichen, sondern kulturellen Zwecksetzungen dienen. 89 v. Arnim, HbStR IV, § 103 Rdnr. 42; Heun, in: Dreier, Art. 104 a Rdnr. 17. 90 BVerfGE 86, 148 (215). 91 BVerfGE 26,338 (390); Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig, Art. 104 a Rdnr. 4. Dieses Ergebnis folgt auch aus dem Umkehrschluss zu Art. 104 a Abs. 2 GG, der - systematisch als Ausnahme zu Abs. 1 - dem Bund die Kosten für die Bundesauftragsverwaltung auferlegt, vgl. Klein, HbVerfR, § 23 Rdnr. 11. 92 BVerfGE 26, 338 (390); Birk, in: AK, Art. 104a Rdnr. 7; Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig, Art. 104 a Rdnr. 4; Heun, in: Dreier, Art. 104 a Rdnr. 10 m. w. N.; Siekmann, in: Sachs, Art. 104a Rdnr.4; Stern, StRII, §47 I I 2 (S. 1138). 93 v. Arnim, HbStR IV, § 103 Rdnr. 53ff.; Siekmann, in: Sachs, Art. 104a Rdnr. 4; Stern, StRII, §47 II 4a (S. 1146). 94 BVerfGE 26,338 (390); BVerwGE 44,351,364. Eine Ausnahme bildet insofern Art. 104 a Abs. 3 GG, wonach Bundesgesetze, die Geldleistungen gewähren und von den Ländern ausgeführt werden, bestimmen können, dass die Geldleistungen ganz oder zum Teil vom Bund getragen werden. Wenn der Bund also eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz wahrnimmt, kann er sich gleichzeitig eine Finanzierungsmöglichkeit schaffen. 87

I. Strukturierung der Kompetenzuntersuchung

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Unter Ausgaben im Sinne des Art. 104 a Abs. 1 GG werden sowohl die Verwaltungsausgaben als auch die Zweckausgaben gefasst, das heißt die Kosten für die Unterhaltung und den Betrieb des Verwaltungsapparates sowie die Kosten, die bei der Erfüllung der eigentlichen Staatsaufgaben anfallen wie etwa die Subventionen.95 Damit ist auch die Bereitstellung und Auszahlung von Fördermitteln eine Ausgabe, die sich nach der Kompetenz für die Aufgabe zu richten hat. 96 Die Abs. 2 bis 5 des Art. 104 a GG enthalten systematisch Ausnahmen zur Grundregel des Abs. 1. Hiernach kann im Einzelfall die Finanzierungskompetenz von der Verwaltungskompetenz abweichen oder eine gemeinsame Finanzierung von Aufgaben durch Bund und Länder durch die Gewährung von Finanzhilfen durch den Bund in Betracht kommen (Abs. 4). Daneben wird diskutiert, ob auch ungeschriebene Finanzierungszuständigkeiten des Bundes in Betracht kommen.97 Angesichts der Neuregelung der Finanzverfassung im Jahr 1969, die ein differenziertes System der Verteilung der Finanzierungslasten und -pflichten geschaffen hat, erscheint es jedoch unzulässig, daneben noch ungeschriebene Finanzierungszuständigkeiten insbesondere zugunsten des Bundes anzunehmen.98 Das Grundgesetz regelt also sowohl eine Finanzierungspflicht, die der Finanzierungslast entspricht, als auch eine Finanzierungskompetenz, die berücksichtigt, dass mit der Befugnis zur Finanzierung erhebliche Einflussmöglichkeiten geschaffen werden. 99 Gleichzeitig ist damit in Art. 104 a Abs. 1 GG das Verbot enthalten, fremde Aufgaben zu finanzieren. 100 Daraus folgt für den hier interessierenden Sachbereich, dass weder Bund noch Länder außerhalb der Kompetenzordnung Kunstpflege durch Finanzierung entsprechender Maßnahmen betreiben dürfen. Insbesondere fehlt dem Bund nach der Verfassungslage die Zuständigkeit, Fördermittel für Maßnahmen der Kunstpflege auszuschütten, wenn er hierfür keine Verwaltungskompetenz in Anspruch nehmen kann. Auch die in der Praxis häufig vorgenommene Mischfinanzierung von kulturellen Einrichtungen 101 entspricht meist nicht der ver95

Heun, in: Dreier, Art. 104a Rdnr. 14f.; so für die Grundregel des Art. 104a Abs. 1 GG auch Fischer-Menzhausen, in: v. Münch/Kunig, Art. 104 a Rdnr. 6. 96 Vgl. auch v.Arnim, HbStR IV, § 103 Rdnr. 53. 97 v. Arnim, HbStR IV, § 103 Rdnr. 54 ff.; Fischer-M enzhausen, in: v. Münch/Kunig, Art. 104a Rdnr.9ff.; Siekmann, in: Sachs, Art. 104a Rdnr.4. 98 So im Ergebnis auch Heun, in: Dreier, Art. 104 a Rdnr. 12; Siekmann, in: Sachs, Art. 104 a Rdnr. 4. Für eine restriktive Annahme ungeschriebener Kompetenzen v.Arnim, HbStR IV, § 103 Rdnr. 54 ff. Kritisch auch Birk, in: AK, Art. 104 a Rdnr. 8. Weniger einschränkend FischerMenzhausen, in: v. Münch/Kunig, Art. 104 a Rdnr. 9 ff. Zur Auseinandersetzung mit den Begründungsansätzen für ungeschriebene Kompetenzen s.S. 58 ff. 99 So v.Arnim, HbStR IV, § 103 Rdnr. 15; Siekmann, in: Sachs, Art. 104a Rdnr.2. 100 Heun, in: Dreier, Art. 104a Rdnr. 17; v.Arnim, HbStR IV, § 104a Rdnr. 10. 101 Beispielsweise gewährt der Bund eine institutionelle Förderung von 46 % für die Stiftung Weimarer Klassik, von 42 % für die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Berlin-Brandenburg, oder von 34 % für die Stiftung Bauhaus, Dessau (vgl. Bundeshaushaltsplan 2002, Kap. 04, Einzelplan 0405, Tgr. 02).

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

fassungsrechtlichen Regelung der Finanzierungskompetenzen, da in der Regel der Tatbestand einer Ausnahmebestimmung, die eine gemeinsame Finanzierung durch Bund und Länder ermöglichte, nicht erfüllt ist. Die Untersuchung der Kompetenzverteilung auf Bund und Länder erfasst damit auch solche Tätigkeiten des Staates im Bereich der Kunstpflege, die ausschließlich in der Finanzierung von Einrichtungen und Projekten innerhalb und außerhalb des staatlichen Bereichs bestehen.102

4. Aufbau der Kompetenzuntersuchung Um sich ein Bild von der Zuständigkeit des Bundes im Sachbereich Kunst zu verschaffen, werden im Folgenden die Maßnahmen zur Kunstpflege, die vom Bund getroffen werden, auf ihre Vereinbarkeit mit der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes hin untersucht. Ausgangspunkt der Kompetenzerörterung ist somit die Staatspraxis im betrachteten Bereich. Eine solche Untersuchung kann nicht in dem Sinne abschließend sein, dass alle entsprechenden Aktivitäten des Bundes erfasst werden. Das liegt daran, dass die Bildung des Sachbereiches Kunstpflege keine Widerspiegelung in der Staatspraxis findet, wie etwa durch einen entsprechenden Geschäftsbereich eines Ministers. Es werden vielmehr Handlungen zusammengefasst, die in unterschiedlicher Art und Weise von verschiedenen Organen wahrgenommen werden. Es wäre jedoch auch unergiebig, die Kompetenzgemäßheit jeglicher Maßnahmen des Bundes zur Kunstpflege zu untersuchen. Im Folgenden werden daher Schwerpunkte gebildet und typische kunstpflegerische Maßnahmen diskutiert. Drei Anknüpfungspunkte dienen zur Strukturierung: erstens der Geschäftsbereich des Kulturbeauftragten, zweitens der Sektor der auswärtigen Kulturpolitik, der in den Geschäftsbereich des Außenministers fällt, und drittens die staatlichen Maßnahmen, die der Selbstdarstellung des Staates dienen. Aus dem Geschäftsbereich des Bundeskulturbeauftragten sollen die Unterstützung der Länder und Kommunen bei ihren gesamtstaatlich wichtigen kulturellen Aktivitäten sowie die Gewährung von Finanzhilfen für die kulturelle Infrastruktur in den neuen Ländern untersucht werden. Weiterhin ist die Unterstützung des Films in Deutschland auf ihre Kompetenzgemäßheit hin zu prüfen. Ferner soll die Förderung kultureller Maßnahmen für Flüchtlinge und Vertriebene kompetenziell erörtert werden. Auch die Beteiligung des Bundes an der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wird diskutiert werden. Im Rahmen der Auseinandersetzung mit der Kompetenz für Maßnahmen der staatlichen Repräsentation geht die Untersuchung auf die Festlegung der Staatssymbole, die kulturelle Förderung der Bundeshauptstadt Berlin und 102 Es kann nicht übersehen werden, dass mit der Finanzierung von Einrichtungen auch Einflussmöglichkeiten verbunden sind; vgl. Bannas, FAZ v. 15.6.2001, S.4, zur Einflussnahme des Bundes auf die teilweise von ihm finanzierte Kulturpolitik Berlins.

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

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der Bundesstadt Bonn und auf die Umsetzung einer neuen Konzeption für die nationalen Gedenkstätten und die Realisierung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas ein.

II. Kompetenzrechtliche Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege 1. Kunstpflege im Inland unter dem Gesichtspunkt gesamtstaatlicher Repräsentation Ausweislich seines Haushalts stellt der Bund Fördermittel zur finanziellen Förderung von solchen Kultureinrichtungen und Kulturveranstaltungen zur Verfügung, denen eine besondere Bedeutung für den Gesamtstaat zuerkannt wird. Mit der Inanspruchnahme bestimmter kultureller Einrichtungen und Veranstaltungen für den Zweck der Repräsentation des Staates wird gleichzeitig eine Kompetenz des Bundes in Bezug auf die Förderung dieser Aktivitäten beansprucht. Auch wenn es auf den ersten Blick überzeugend erscheint, dass der Bund als Inhaber originärer Staatsgewalt Maßnahmen der Selbstdarstellung ergreift und in eigener Entscheidung die Auswahl der dafür eingesetzten Mittel trifft, bedarf die Annahme einer entsprechenden Verbandskompetenz einer verfassungsrechtlichen Begründung. a) Darstellung der Staatspraxis aa) Kompetenzwahrnehmung durch den Bund Zum Geschäftsbereich des Kulturbeauftragten gehört unter anderem die Kulturförderung im Inland, die eine Finanzhilfe für die Länder und Kommunen bei ihren kulturellen Aktivitäten von gesamtstaatlicher Bedeutung leisten soll. 103 Aus dem Haushaltsplan des Kulturbeauftragten ist ersichtlich, welche Einrichtungen und Projekte der Bund unter Inanspruchnahme einer Kompetenz zur gesamtstaatlichen Repräsentation fördert. Sie sind in der Titelgruppe „Kulturförderung im Inland" 104 zusammengefasst. Vorgesehen sind Zuschüsse für Einrichtungen auf dem Gebiet der Musik und Literatur, wobei sowohl institutionelle Förderung als auch Projektförderung geleistet wird. 105 Im Rahmen der Musikförderung formuliert der Bund vier generelle Ziele, die er mit seiner Förderpolitik verfolgt. Gefördert werden sollen der künstlerische Spitzennachwuchs und herausragende Projekte zur Vermittlung zeitgenössischer Mu103 104 105

4 Pabel

Quelle: Internet-Auftritt der Bundesregierung, Stichwort: Aufgaben des BKM. Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04, Kap. 0405, Tgr.02. Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04, Kap. 0405, Tgr.02, Titel 68421-182.

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

sik, ferner werden die Pflege und Bewahrung des nationalen kulturellen Erbes angestrebt sowie bundesweite Veranstaltungen der Laienmusik unterstützt. 106 In der Verfolgung dieser Zwecke stellt der Bund dem Deutschen Musikrat, den Bayreuther Festspielen und dem Bach-Archiv Leipzig Fördermittel zur Verfügung. 107 Auch die Ständige Konferenz Mitteldeutscher Barockmusik und die Junge Deutsche Philharmonie kommen in den Genuss einer Förderung durch den Bund. 108 Für die Literatur ist Ziel der Tätigkeit des Bundes, die deutsche Sprache und Literatur zu fördern. Zu diesem Zweck werden Literaturmuseen und literarische Gedenkstätten finanziell gefördert, deren Aufgabe die Pflege des literarischen Erbes ist. 109 Weiterhin werden über den Deutschen Literaturfonds Stipendien an einzelne Schriftsteller vergeben. Der Deutsche Übersetzerfonds erhält Bundesunterstützung, um durch die Vergabe von Stipendien die Qualität von Übersetzungen zu steigern. Zudem findet eine finanzielle Förderung von einzelnen Projekten statt. 110 bb) Kompetenzbegründung durch den Bund Der Bund fördert einzelne kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen unter dem Gesichtspunkt, dass diese der Selbstdarstellung des Staates nach innen und außen dienen.111 Auch die gesamtstaatliche, zumindest aber die überregionale Bedeutung einer kulturellen Einrichtung oder Veranstaltung wird als entscheidender Aspekt angeführt, um für sie eine Förderzuständigkeit des Bundes anzunehmen.112 Zur Abgrenzung seiner Zuständigkeiten für die gesamtstaatliche Repräsentation bezieht sich der Bund auf das Gutachten zur Finanzreform von 1966 und auf den darauf beruhenden Entwurf einer Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Län106 Quelle: Internet-Auftritt der Bundesregierung, Stichwort: „Förderung von Musik und Tanz", Stand: 24.5.2000. 107 Insofern handelt es sich um institutionelle Förderung, vgl. Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04, Kap. 0405, Tgr.02, Titel 68421-182. 108 Die Förderung erfolgt hier als Projektförderung, vgl. Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04, Kap. 0405, Tgr.02, Titel 68421-182. 109 Eine Bundesförderung erhalten z.B. die Stiftung Weimarer Klassik, das Schiller-Nationalmuseum, das Goethe-Haus in Frankfurt, die Lessing-Gedenkstätte in Kamenz, das Buddenbrookhaus in Lübeck und die Kleist-Gedenkstätte. 110 Quelle: Internet-Auftritt der Bundesregierung, Stichwort: „Kulturförderung", Stand: 24.4.2000. Hufen konstatiert insofern einen „Rosinen-Herauspick"-Effekt, da die Auswahl der vom Bund geförderten Einrichtungen und Projekte eher zufällig sei (Hufen, Kulturstaatlichkeit und Bundesstaat, S.203). 111 S. etwa die Erläuterungen zu den entsprechenden Titeln im Haushalt des Beauftragten der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien, Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04, Kap. 0405. Vgl. auch Hermes, in: Dreier, Art. 86 Rdnr. 19; und kritisch Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, ibs. S. 48 ff. 112 Ygi v. Köckritz, in: Kulturföderalismus und Kulturförderung, S.75; Ritter, in: Kulturfinanzierung, S.43. Die Kompetenz zur Wahrnehmung dieser Fördertätigkeit stützt der Bund auf die Annahme einer Zuständigkeit aus der Natur der Sache, vgl. Hense, DVB1. 2000, 376, 378.

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dem. Im Jahr 1966 erstattete die so genannte Troeger-Kommission das Gutachten über eine Finanzreform für die Bundesrepublik, in dem sich auch Ausführungen über die natürlichen Finanzierungszuständigkeiten des Bundes finden. 113 Auf der Grundlage dieses Gutachtens erarbeitete eine Verhandlungskommission von Bund und Ländern den „Entwurf einer Verwaltungsvereinbarung über die Finanzierung öffentlicher Aufgaben von Bund und Ländern", das so genannte „Rurbereinigungsabkommen" von 1972.114 Ziel der Vereinbarung sollte die Klärung der ungeschriebenen Finanzierungszuständigkeiten zwischen Bund und Ländern sein. Dazu sollten in dem Verwaltungsabkommen die jeweiligen Rechtsauffassungen über den Umfang der ungeschriebenen Finanzierungskompetenzen niedergelegt werden. 115 Der Entwurf des Flurbereinigungsabkommens enthält eine Aufzählung von Aufgabengruppen, für die der Bund eine Verwaltungszuständigkeit aus der Natur der Sache oder kraft Sachzusammenhangs und damit gleichzeitig eine Finanzierungszuständigkeit haben sollte. Darunter werden unter anderem folgende Sachgebiete erwähnt: - Aufgaben der gesamtstaatlichen Repräsentation, das heißt Aufgaben, in denen der Gesamtstaat seine Existenz, seine Staatshoheit oder seine besondere Eigenart zum Ausdruck bringt. Als Beispiele werden die Verleihung nationaler Preise und Orden angeführt. Außerdem werden Aufgaben der Staatsrepräsentation hinzugezählt, für deren Wahrnehmung eine einheitliche staatliche Vertretung des deutschen Volkes erforderlich ist. - Aufgaben der nationalen Repräsentation, das heißt die Förderung geschichtlich, wissenschaftlich oder künstlerisch bedeutender Einrichtungen oder Veranstaltungen, in denen „die Leistungen, die Tradition oder das Ansehen des Deutschen Volkes als einer Kulturnation sinnfällig zum Ausdruck kommen". Als Beispiele werden hier die Förderung der Bayreuther Festspiele und das Germanische Museum genannt.116 - Gesamtdeutsche Aufgaben, worunter unter anderem die Förderung der Wiedervereinigung sowie Maßnahmen für (das damals noch geteilte) Berlin gezählt werden. Die Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern ist nie in Kraft getreten, da auch nach Änderungen des Entwurfes die Länder ihre Zustimmung verwei113 Auszugsweise abgedruckt bei Pestalozzi in: v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Art. 70 Rdnr. 98 ff. 114 BT-Drs. 5/2861. 115 S. dazu v.Arnim, HbStR IV, § 103 Rdnr. 60; Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Art. 70 Rdnr. 97 ff. 116 Das Troeger-Gutachten geht hierbei davon aus, dass Einrichtungen und Veranstaltungen, die der nationalen Repräsentation dienen, in der Regel auch für das kulturelle Leben des Sitzlandes Bedeutung haben und daher auch von ihm gefördert werden könnten. Es sieht also eine gleichzeitige Bundes- und Länderzuständigkeit vor, die nach der Regelung des Grundgesetzes nicht denkbar ist.

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gerten. In der Praxis hat das Abkommen jedoch durchaus Bedeutung erlangt. Gerade für die Frage von Förderungszuständigkeiten des Bundes für kulturelle Maßnahmen wird das Abkommen herangezogen, um durch die Zuordnung von geförderten Einrichtungen zum Zweck der gesamtstaatlichen Repräsentation eine Bundeszuständigkeit zu belegen. So wird die in der Staatspraxis wie im Schrifttum angenommene Kompetenz kraft Natur der Sache inhaltlich durch Verweis auf die oben genannten im Entwurf des Flurbereinigungsabkommens formulierten Bundeszuständigkeiten ausgefüllt. Dabei wird nicht immer ausdrücklich das Abkommen als Bezugspunkt erwähnt. Insgesamt ist aber eine Orientierung an den dort dem Bund zugesprochenen Aufgabenbereichen festzustellen. 118 Das mag daran liegen, dass hier überhaupt einmal der Versuch gemacht wurde, in einem zwischen Bund und Ländern umstrittenen Bereich Bundeskompetenzen abgrenzbar zu formulieren. 119 b) Umfang der Bundeskompetenz für die Förderung kultureller Einrichtungen im Inland Zu prüfen ist, ob der Bund eine Zuständigkeit für die Förderung kultureller Einrichtungen im Inland hat, wenn sie der nationalen Repräsentation dienen oder von gesamtstaatlicher Bedeutung sind. Eine solche Kompetenz müsste sich aus der Kompetenzordnung des Grundgesetzes ergeben. Möglicherweise kommt auch eine so genannte ungeschriebene Kompetenz des Bundes in Betracht. aa) Geschriebene Kompetenzen des Bundes In der Kompetenzordnung des Grundgesetzes ist eine ausdrückliche Zuweisung der Förderung kultureller Einrichtungen in die Zuständigkeit des Bundes nicht ersichtlich. Insbesondere enthalten die in den Art. 73 bis 75 GG niedergelegten Kompetenztitel für die Gesetzgebung und die in Art. 83 ff. GG geregelten Vorschriften für die Verwaltungszuständigkeit keinen Anknüpfungspunkt für die Annahme einer Kompetenz für die Förderung kultureller Einrichtungen. 117

Vgl. v.Arnim, HbStR IV, § 103 Rdnr. 60. Vgl. z.B. die Begründung der Auswahl der durch den Bund geförderten Gedenkstätten, BT-Drs. 14/1469; dazu im Einzelnen unten, S. 174 ff. S. auch Hieronymus, Festschrift v. Köckritz, S. 23; Küster, Kunst- und Kulturpflege, S. 335. 119 Auch wenn im Flurbereinigungsabkommen Blankettbegriffe Verwendung fanden (so kritisch Hufen, BayVBl. 1985,1, 37), werden doch einmal Kriterien aufgestellt, deren Vorliegen für die Annahme einer Bundeszuständigkeit in der politischen Praxis plausibel gemacht werden müssen. Die Länder wenden sich gegen die in der Praxis sehr weite Auslegung der im Troeger-Gutachten formulierten Zuständigkeiten des Bundes. Die inhaltliche Unbegrenztheit dieser Kompetenzen wirke zentralisierend, vor allem weil die Ministerialbürokratie des Bundes definiere, wann die Voraussetzungen für die Annahme dieser Kompetenzen gegeben seien (Geis, DÖV 1992, 522, 527; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 30 Rdnr. 9). 118

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Eine ausdrückliche Zuständigkeit des Bundes für Angelegenheiten der gesamtstaatlichen Repräsentation ist in den genannten Vorschriften ebenfalls nicht zu finden. Auch die Gesichtspunkte der gesamtstaatlichen Bedeutung einer Maßnahme oder ihrer überregionalen Wirkung werden in den Grundgesetznormen, die die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern regeln, nicht als Voraussetzungen für die Annahme einer Bundeskompetenz erwähnt. Eine geschriebene Zuständigkeit des Bundes für die von ihm wahrgenommene Förderung kultureller Einrichtungen und Veranstaltungen, die der gesamtstaatlichen Repräsentation dienen, ist also nicht vorhanden. Bei der Förderung kultureller Maßnahmen zur gesamtstaatlichen Repräsentation handelt es sich auch nicht um eine Gemeinschaftsaufgabe gemäß Art. 91 a Abs. 1 GG, so dass auch die Mitwirkung des Bundes bei der Erfüllung dieser Aufgabe durch die Länder unzulässig ist. Zwar kann man davon ausgehen, dass die Förderung kultureller Einrichtungen für die Gesamtheit bedeutsam ist, so dass eine der Voraussetzungen für das Vorliegen einer Gemeinschaftsaufgabe erfüllt ist. Eine Mitwirkung des Bundes im Rahmen einer Gemeinschaftsaufgabe ist aber nur auf bestimmten Gebieten zulässig. In Betracht zu ziehen wäre allenfalls, dass die Förderung kultureller Einrichtungen als eine nach Art. 91a Abs. 1 Nr. 2 GG zulässige Maßnahme zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur anzusehen ist. Darunter sind jedoch nur solche Maßnahmen zu verstehen, die unmittelbar der Förderung oder Entwicklung der gewerblichen Wirtschaft dienen.120 Die Förderung kultureller Einrichtungen verbessert möglicherweise die regionale Infrastruktur und damit die örtlichen Lebensverhältnisse. Ihr Zweck ist jedoch nicht unmittelbar die Wirtschaftsförderung. Somit kann der Bund die Förderung kultureller Einrichtungen auch nicht auf Art. 91a Abs. 1 Nr. 2 GG stützen.121

bb) Ungeschriebene Kompetenzen des Bundes In Betracht kommt somit nur eine ungeschriebene Zuständigkeit des Bundes.122 Abgesehen von den in der Verfassung geschriebenen Kompetenztiteln, die grundsätzlich den Kompetenzbestand des Bundes festlegen, werden in Rechtsprechung und Lehre in gewissem Umfang ungeschriebene Kompetenzen angenommen. Diese ungeschriebenen Zuständigkeiten kommen in erster Linie dem Kompetenzbestand 120

Heun, in: Dreier, Art. 91 a Rdnr. 16; Mager, in: v. Münch/Kunig, Art. 91 a Rdnr. 21. Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass eine Finanzierungskompetenz des Bundes für kulturelle Einrichtungen nach Art. 104 a Abs. 4 GG ebenfalls nicht in Betracht kommt. Auch insoweit fehlt es am unmittelbar wirtschaftsfördernden Charakter der Bundesmaßnahmen. 122 Die Anerkennung von Befugnissen der zentralen staatlichen Gewalt, die über die ausdrücklich normierten Zuständigkeiten hinausgehen, entspricht staatsrechtlicher Tradition. Zur Reichsverfassung v. 1871 vgl. Triepel, Festschrift Laband, S. 247 ff., ibs. S. 278 ff.; für die WRV vgl. Anschütz, Kommentar, Art. 6 Anm. 1. 121

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

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des Bundes zugute, diskutiert werden jedoch auch ungeschriebene Zuständigkeiten der Länder. 1 2 3 Herkömmlich werden die ungeschriebenen Kompetenzen in drei Kategorien eingeteilt: Annexkompetenzen, Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs und Kompetenzen aus der Natur der Sache. Diese Unterscheidungen finden sich sowohl bei der Rechtfertigung von Kompetenzen i m Bereich der Gesetzgebung als auch i m Bereich der Verwaltung und der Finanzierung. 1 2 4 Vor dem Hintergrund einer geschriebenen Kompetenzordnung, die in Katalogform einzelne Sachmaterien als Kompetenztitel fasst, erscheint die Begründung von ungeschriebenen Kompetenzen jedoch fragwürdig. Art. 30, 70 ff. GG legen die Kompetenzverteilung zwischen Gesamtstaat und Gliedstaaten abschließend fest. Die Annahme von ungeschriebenen, das heißt i m Verfassungstext nicht ausdrücklich aufzufindenden Zuständigkeiten 1 2 5 , lässt eine unzulässige Durchbrechung der Verfassung befürchten. 126 M i t welcher Begründung und in welchem Umfang ungeschriebene Kompetenzen unter der Geltung des Grundgesetzes angenommen werden können, ist daher umstritten. 1 2 7 Die Diskussion soll sich i m Folgenden mit den Argumentationsfiguren zur Begründung der ungeschriebenen Kompetenzen auseinandersetzen. Eine Differenzierung nach Staatsfunktionen ist dabei nicht erforderlich, da sich die Argumentationen insofern nicht unterscheiden.

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Vgl. Stettner, Kompetenzlehre, S.424. Das BVerfG hat ebenfalls ungeschriebene Zuständigkeiten der Länder angenommen, vgl. BVerfGE 7, 29 (38f.); E28, 119 (145ff.). Vgl. auch BVerfGE 88,203 (330); in dieser Entscheidung argumentiert das Gericht mit dem Sachzusammenhang, um die Grenzen der Bundeszuständigkeit aufzuzeigen. 124 Ursprünglich wurden ungeschriebene Kompetenzen des Bundes vor allem im Bereich der Gesetzgebung diskutiert. Heute stellt sich das Problem ungeschriebener Bundeskompetenzen vor allem bei finanziellen Fördermaßnahmen, z. B. im kulturellen Bereich. Es besteht eine Tendenz, dem Bund zusätzlich zu den geschriebenen auch ungeschriebene Finanzierungszuständigkeiten zuzugestehen (s. auch Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S.369). Wegen der Abhängigkeit der Finanzierungskompetenzen von den Verwaltungszuständigkeiten (vgl. oben, S. 45 ff.) werden ungeschriebene Kompetenzen daher nunmehr hauptsächlich für die Verwaltung und damit auch für die Finanzierung diskutiert (Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 30 Rdnr.7). 125 Eine ausführliche Auseinandersetzung mit dem Merkmal „ungeschrieben" findet sich bei Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S. 196 ff. 126 Goerlich, Kompetenzverständnis, S. 87; Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 36; ähnlich Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S. 39. 127 Der Streit um die Begründung der so genannten ungeschriebenen Kompetenzen spiegelt sich in der Bezeichnung dieser Zuständigkeiten wider. Im Schrifttum wird neben „ungeschriebenen" oder „stillschweigenden" (vgl. Achterberg, DÖV 1966, 695, 696) Kompetenzen oft auch von „stillschweigend mitgeschriebenen" Kompetenzen gesprochen (zunächst Küchenhoff,; AöR 82 [1957], 413,415,416; auch März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 57; v.Mutius, Jura 1986, 498, 499; Stern, StR I, § 19 III 3 [S. 676]). Damit soll deutlich gemacht werden, dass auch diese Zuständigkeiten in der Verfassung verankert sein müssen. Zur Diskussion Stettner, Kompetenzlehre, S.425f.; Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S.206.

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(1) Annexkompetenzen und Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs (a) Annexkompetenzen Nach der herkömmlichen Begründung einer Annexkompetenz fasst man unter einen geschriebenen Kompetenztitel zu den dort umschriebenen Sachbereichen auch die damit zusammenhängenden unselbständigen Hilfsmaterien. 128 Der dem Bund durch den Kompetenztitel zugewiesene Regelungsbereich wird so weit verstanden, dass auch die mit diesem zusammenhängenden untergeordneten Aufgaben darunter gefasst werden. 129 Ziel der Ausdehnung der Kompetenz auf die Vorbereitungs- und Durchführungsphase ist die Ermöglichung der umfassenden Verwirklichung des Kompetenztitels.130 Die Annexkompetenz wird daher auch als „sachverhaltsabrundende Kompetenz" bezeichnet.131 Allgemein werden zu den unter die Annexkompetenz fallenden Aufgaben etwa die Planung, die Beratung, Informationsbeschaffung, Forschung, Aus- und Fortbildung, die Regelung von Organisation und Verfahren, Statistik und zum Teil Sonderordnungsrecht gezählt, jeweils in Ergänzung einer dem Bund durch einen Kompetenztitel ausdrücklich zugewiesenen Sachmaterie. 132 Die Zusammenstellung typischer Annexzuständigkeiten macht deutlich, dass mit dieser Kompetenzfigur Maßnahmen einer geschriebenen Kompetenz zugeordnet werden, die ihrem Inhalt nach verschiedenen Kompetenztiteln unterfallen können. 133 Eine Anwendung eines Kompetenztitels auf Materien, die von ihm nicht erfasst sind, findet nicht statt. Insofern verbleibt die Annexkompetenz im geschriebenen Kompetenztitel.134

128 BVerfGE 3, 407 (433); E 8, 104 (118); E 8, 143 (149); E22, 180 (210); Degenhart, in: Sachs, Art. 70 Rdnr.30; Erichsen, Jura 1993, 385, 388; Ipsen, Staatsrecht I, Rdnr.501; Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 70 Rdnr. 25; Rozek y in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 46; Stettner, in: Dreier, Art. 70 Rdnr. 64 f. 129 Vgl. Bullinger, AöR 96 (1971) 236,261 ff. und Wipfelder, DVB1. 1982,477,481, die allerdings die genannte Fallgruppe als Unterfall des Sachzusammenhangs begreifen. 130 So auch BVerfGE 22, 180 (210); E77, 288 (299); E88, 203 (331); in allen drei Fällen wurde allerdings das Vorliegen einer Annexkompetenz abgelehnt. S. auch Degenhart, in: Sachs, Art. 70 Rdnr. 34. 131 März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 68; ebenso Rozek, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 42. 132 Vgl. die Aufzählung bei März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 68; ähnlich auch Stettner, in: Dreier, Art. 70 Rdnr. 66-68. 133 Stettner, Kompetenzlehre, S. 431. - Man kann die Kompetenztitel gemäß Art. 73 Nr. 11 GG (Statistik für Bundeszwecke) und Art. 74 Abs. 1 Nr. 14 GG (Recht der Enteignung) insofern als „Annexkompetenzen" bezeichnen, als sie sich auf die Sachgebiete der ausdrücklich geregelten Kompetenzmaterien beziehen. Sie haben allerdings eine ausdrückliche Regelung gefunden. So auch Stettner, in: Dreier, Art. 70 Rdnr. 65. 134 März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 68; Degenhart, in: Sachs, Art. 70 Rdnr. 30; ders., Staatsrecht I, Rdnr. 106; Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.42.

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(b) Kompetenzen aus dem Sachzusammenhang Anders als die Kompetenzbegründung kraft Annexes erweitert der Sachzusammenhang die geschriebene Zuständigkeit „in die Breite". Die von der Kompetenznorm erfasste Sachmaterie wird um zusätzliche Inhalte erweitert. Nach der vom Bundesverfassungsgericht verwendeten Formel vermag der Sachzusammenhang eine Zuständigkeit nur dann zu stützen, wenn eine dem Bund ausdrücklich zugewiesene Materie verständigerweise nicht geregelt werden könne, ohne dass zugleich eine nicht ausdrücklich zugewiesene Materie mitgeregelt würde, wenn also ein Übergreifen in nicht ausdrücklich zugewiesene Materien unerlässliche Voraussetzung für die Regelung einer der Bundesgesetzgebung zugewiesenen Materie sei. 135 Voraussetzung soll ferner sein, dass der Bund von seiner ausdrücklich zugewiesenen Materie Gebrauch gemacht habe.136 Zur Begründung oder Ablehnung einer Kompetenz kraft Sachzusammenhangs wendet das Bundesverfassungsgericht die Formel nicht immer an. In etlichen Entscheidungen diskutiert das Bundesverfassungsgericht eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs, ohne auf die Formel überhaupt einzugehen (sog. „formelfreier Sachzusammenhang"137). Die Anwendung der Formel führte in der Judikatur des BVerfG bisher stets zur Ablehnung einer Kompetenz aus dem Sachzusammenhang.138 In Entscheidungen, die auf den Sachzusammenhang Bezug nehmen, wird der Begriff des „Sachzusammenhangs" angewendet, um die Reichweite der geschriebenen Kompetenz zu bestimmen. 1 3 9 Zum Teil wird ein ausdrücklicher Hinweis auf die „Verzahnung" zweier Materien angeführt, um den Sachzusammenhang zur geschriebenen Zuständigkeit näher zu erläutern. 140 Außerdem werden mit der Figur des Sachzusammenhangs Fälle gelöst, in denen die Teilregelungen eines Regelungskomplexes zu unterschiedlichen Kompetenzbereichen gezählt werden können. Hier verlangt das Bundesverfassungsgericht für die Annahme einer Kompetenz, dass die Teilbereiche nicht aus dem Regelungsbereich herausgelöst und isoliert betrachtet werden sollen, sondern dass vielmehr aus dem Regelungszusammenhang zu schließen ist, in welchen Kompetenzbereich der Schwerpunkt der Regelung fällt. 141 135

BVerfGE 3, 407 (421) - Baurechtsgutachten; auf diese Formel nimmt das BVerfG auch in der Entscheidung zum Bayerischen Schwangerenhilfeergänzungsgesetz Bezug, BVerfGE 98, 265 (299). 136 BVerfGE 26, 246 (256 f.). 137 Bullinger, AöR 96 (1971), 237, 242ff. Vgl. BVerfGE 7, 29 (38f.); E22, 180 (212f.). 138 Vgl. Bullinger, AöR 96 (1971), 237, 246. 139 Vgl. BVerfGE 11,192 (199); E12,205 (240f.). In BVerfGE 88,203 (330) führte die Argumentation mit dem Sachzusammenhang zu einer Eingrenzung der Bundeskompetenzen. 140 Vgl. BVerfGE 1,264 (272); E22,180 (213). In BVerfGE 98,265 (302) stellte das Gericht ein verfassungsrechtliches Junktim zwischen der Aufhebung strafrechtlicher Vorschriften zum Schutz des ungeborenen Lebens und der Normierung eines alternativen Schutzkonzepts fest, das eine Bundeskompetenz kraft Sachzusammenhangs für innerhalb des Schutzkonzepts unabdingbare Regelungen zur Folge hatte.

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Im Schrifttum besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass es sich bei der Ermittlung einer Kompetenz aus dem Sachzusammenhang um eine Form der Verfassungsauslegung handelt. 142 Die Figur der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs wird als Interpretationsgrundsatz angesehen.143 Als Element funktionaler Verfassungsauslegung verfolge sie das Ziel, den sinnvollen und umfassenden Gebrauch der geschriebenen Kompetenzen zu ermöglichen. 144 Wegen der Einordnung der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs als einer Form der Verfassungsauslegung wird die Figur lediglich als besonderer Umgang mit den Kompetenzbestimmungen und damit als entbehrlich angesehen und auf die allgemeinen Möglichkeiten der Verfassungsinterpretation verwiesen. 145 Andere wiederum setzen den Sachzusammenhang als Topos zur Abgrenzung von Bundes- und Länderzuständigkeiten ein und greifen damit eine der vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fallgruppen heraus. 146 Das Abgrenzungsproblem tritt dann auf, wenn eine Regelung sowohl zu einer Materie, die in Bundeskompetenz fällt, als auch zu einer, die der Länderkompetenz unterliegt, Bezüge aufweist. In dieser Situation genüge ein allgemeiner Hinweis auf einen „Sachzwang" nicht, um eine Bundeszuständigkeit zu begründen. Vielmehr müsse der Schwerpunkt der geplanten Regelung näher bei den dem Bund zugewiesenen Zuständigkeiten liegen, um von einer Kompetenz aus dem Sachzusammenhang auszugehen.147 (c) Zusammenfassende Stellungnahme Den Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs und denjenigen aufgrund eines Annexes ist gemeinsam, dass sie an einen geschriebenen Kompetenztitel anknüp141 BVerfGE 97, 228 (251 f.). Der Begriff des „Sachzusammenhangs" wird in der Entscheidung nicht verwendet. Wohl aber wird auf eben diese Entscheidung in BVerfGE 98,265 (299) Bezug genommen; in letzterer Entscheidung wird eine Kompetenz aufgrund Sachzusammenhangs ausdrücklich angenommen (S. 301 f.). 142 So zunächst Bullinger, AöR 96 (1971), 237, 247; inzwischen h.M., vgl. Scholz, Festschrift BVerfG (1976) II, S.276; Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr.42; März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 66; Stettner, in: Dreier, Art. 70 Rdnr. 60. Versteht man die Kompetenzen aus dem Sachzusammenhang als solche, bei denen durch Anknüpfung an eine ausdrückliche Kompetenz eine unzweifelhaft nicht vorhandene Kompetenz begründet werden soll, sind diese von vornherein verfassungsrechtlich unzulässig (vgl. Pestalozzi in: v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Art. 70 Rdnr. 89). Auch Köstlin hält den Sachzusammenhang für ein untaugliches Auslegungsmittel, Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.41. 143 März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 66. 144 Rozek, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, Art.70 Rdnr.42. 145 Stettner, in: Dreier, Art. 70 Rdnr. 60; ders., Kompetenzlehre, S.429. 146 Bullinger, AöR 96 (1971), 236,246ff.; Fehling, Kompetenzabgrenzung, S.36; März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 66f.; Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Art. 70 Rdnr. 114. 147 März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 67. Bullinger, AöR 96 (1971), 236,248, spricht von einem „stärkeren Sachzusammenhang".

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

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fen. Insofern kann man sie als „akzessorisch" bezeichnen.149 Beide stellen bestimmte Figuren der systematischen und teleologischen Verfassungsauslegung dar, deren Anwendung einer Auslegung der geschriebenen Kompetenz dient. Die Begründung eines Annexes dient dazu, auch Hilfstätigkeiten, die nicht unmittelbar unter die Kompetenznorm zu subsumieren sind, jedoch mit der dort geregelten Materie in unlösbarem inhaltlichen Zusammenhang stehen, zu den von der Kompetenznorm umfassten Gegenständen zu zählen und somit eine umfassende Regelung eines durch die Kompetenznorm zugewiesenen Regelungsbereichs zu ermöglichen. Auf diese Weise erfährt die geschriebene Kompetenz eine Erweiterung nach Sinn und Zweck, nämlich jeweils eine umfassende Wahrnehmung der ausdrücklich eingeräumten Zuständigkeit zu ermöglichen. Die Auslegung nach dem Sachzusammenhang erlangt eigenständige Bedeutung, wenn man sie als Gesichtspunkt bei der Abgrenzung von Bundes- und Länderzuständigkeiten im Einzelfall und damit bei der Auslegung der einzelnen Kompetenzvorschriften ansieht. Insofern bezeichnet der Sachzusammenhang ein Kriterium der weiteren oder engeren Auslegung der geschriebenen Zuständigkeiten im Hinblick auf die dadurch berührten anderen Kompetenzen.150 Ziel ist auch hier die Ermöglichung der effektiven Wahrnehmung geschriebener Zuständigkeiten durch die sinnvolle Zuordnung von Sachmaterien zu den geregelten Bereichen. 151 Es kann daher für beide Kompetenzfiguren festgehalten werden, dass sie einer umfassenden und sinnvollen Wahrnehmung der geschriebenen Kompetenz dienen. Sie sind somit Mittel einer funktionalen, effektuierenden Verfassungsauslegung. 152 Fraglich ist, ob die Kompetenzen kraft Sachzusammenhangs und kraft Annexes, wenn man sie lediglich als Auslegungsmittel betrachtet, nicht entbehrlich sind, da auf die allgemein anerkannten Methoden der Verfassungsauslegung zurückgegriffen werden kann. 153 Dagegen spricht, dass beide Figuren anerkannte Fallgruppen einer bestimmten Auslegung gerade von Kompetenznormen beschreiben. Der Sachzusammenhang und der Annex stellen auf die Auslegung von Kompetenznormen spezifizierte Interpretationsmöglichkeiten dar. Dabei sind sie nicht besondere Methoden der Verfassungsauslegung, sondern Varianten der Auslegung, die eine bestimmte Prägung erfahren haben und formelhaft verwendet werden können, das heißt Topoi der Interpretation. Mit ihnen können gewisse Fallgruppen von durch Auslegung ermittelten Kompetenzausschnitten bezeichnet werden. Weder bei An148 So auch Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 70 Rdnr. 23, 26; Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 70 Rdnr. 40. 149 Für die Annexkompetenz Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 46. 150 Bullinger, AöR 96 (1971), 236, 249. 151 Vgl. etwa BVerfGE 98, 265 (300). Die Zielsetzung betonen auch März, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 66; Scholz, Festschrift BVerfG (1976) II, S. 272. 152 März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 66; Scholz, Festschrift BVerfG (1976) II, S. 272. 153 Stettner, in: Dreier, Art. 70 Rdnr. 60, hält den Sachzusammenhang für entbehrlich.

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

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nex noch bei Sachzusammenhang handelt es sich um,»konturlose Generalklauseln" zur Kompetenzermittlung. 154 Es erweist sich somit als eine Frage der Terminologie, die Figuren des Sachzusammenhangs und des Annexes beizubehalten. Ein Grund für die Aufgabe dieser eingeführten Terminologie ist nicht ersichtlich. Im Schrifttum ist gelegentlich die Auffassung anzutreffen, eine Unterscheidung zwischen der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs und der kraft Annexes sei entbehrlich. 1 5 5 In seiner Entscheidung zum Bayerischen Schwangerenhilfegesetz nennt das BVerfG ebenfalls gleichzeitig die Annexkompetenz und die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs als ungeschriebene Kompetenzen, die dem Bund zustehen, wenn er von einer ihm ausdrücklich eingeräumten Kompetenz nicht ohne Zugriff auf eine den Ländern zustehende Materie sinnvoll Gebrauch machen kann. 156 In einer Kammerentscheidung des BVerfG ist von einer „Annexkompetenz kraft Sachzusammenhangs" die Rede.157 Diese Beispiele machen deutlich, dass auch die Rechtsprechung nicht immer eine genaue Abgrenzung zwischen den beiden Figuren trifft. Zutreffend ist, dass beide Kompetenzbegründungen auf der Auslegung eines geschriebenen Kompetenztitels beruhen und daher in ihrer Struktur sehr ähnlich sind. Trotzdem ist eine Unterscheidung, wie sie hier vorgenommen wird, möglich und erscheint im Hinblick auf eine Klassifizierung der Auslegungsarten nützlich. Zur Abgrenzung der beiden Kompetenzfiguren erscheint es nach wie vor einleuchtend, auf die von Maunz geprägte Unterscheidung zurückzugreifen: Die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs erweitert danach die Zuständigkeit „in die Breite", während die Kompetenz kraft Annexes die Kompetenz „in die Tiefe" ergänzt. 158 Damit wird die unterschiedliche Wirkungsweise der beiden Auslegungstopoi deskriptiv erfasst. Außerdem wird im Schrifttum diskutiert, ob die Annexkompetenz ein Unterfall der Kompetenz kraft Sachzusammenhangs oder eine eigenständige, andersartige Kompetenzfigur ist. 159 Nach der hier vertretenen Meinung werden beide Kompetenzbegründungen als Auslegungsformen geschriebener Kompetenztitel aufgefasst. Sie sind daher insofern in ihrer Struktur gleichartig. Gleichzeitig weisen sie, wie oben beschrieben, unterschiedliche Wirkungsweisen auf: zum einen eine inhaltliche Erweiterung der Zuständigkeit, zum anderen eine auf Vorbereitungs- und Durchfüh154

So aber Stettner, Kompetenzlehre, S.430, für den Sachzusammenhang. Bullinger, AöR 96 (1971), 237,243; Wipfelder, DVB1.1982,477,481; Rengeling, HbStR IV, § 100 Rdnr. 57. 156 BVerfGE 98, 265 (299); vgl. dazu KarpenlBecker, JZ 2001, 966, 967. 157 BVerfG (Kammerbeschluss), NJW 1996, 2497, 2498. 158 Diese Unterscheidung findet sich bei Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 30, Rdnr. 26; Art. 70 Rdnr. 49; die Abgrenzung übernehmen Stettner, in: Dreier, Art. 70 Rdnr. 60; Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 42; Degenhart, in: Sachs, Art. 70 Rdnr. 32. 159 Eigenständige Bedeutung nimmt an: Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.42ff.; wohl auch Schmidt-Bleibtreu, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Vorbem. vor Art. 70 Rdnr. 6. Annex als Unterfall der Kompetenz kraft Sachzusammenhang nehmen an: Hesse, Grundzüge, Rdnr. 236; Achterberg, DÖV 1966, 695, 700; Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 42. 155

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

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rungsmodalitäten ausgedehnte Erweiterung der Zuständigkeit. Bei dieser Anschauung des Sachzusammenhangs und des Annexes lässt sich nicht feststellen, dass der Sachzusammenhang den Annex mitumfasst und letzterer somit als Unterfall angesehen werden könnte. Im Ergebnis kann daher von zwei Kompetenzfiguren mit gleichartiger Begründungsstruktur, aber unterschiedlicher Wirkungsweise gesprochen werden. (d) Anwendung auf Kompetenzen in Zusammenhang mit Kunstpflege Wendet man die gewonnenen Erkenntnisse auf die hinsichtlich der Kompetenzen zu untersuchende Tätigkeit der Kunstpflege unter dem Gesichtspunkt der gesamtstaatlichen Repräsentation an, so kann sowohl eine Kompetenz aufgrund Annexes als auch eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs nur angenommen werden, wenn ein ausdrücklicher Kompetenztitel zugunsten des Bundes eine Auslegung in die Breite oder in die Tiefe ermöglicht, nach der diese Tätigkeit umfasst ist. Ein solcher Kompetenztitel ist jedoch nicht ersichtlich. Allenfalls könnte überlegt werden, ob dem Bund die Kompetenz zur Regelung der Sprache zusteht, so dass Maßnahmen zur Förderung der Literatur als Annex dazu angesehen werden könnten. Es ist jedoch keine Kompetenz im Grundgesetz aufgeführt, die dem Bund die Zuständigkeit zur Regelung der Sprache vermitteln würde. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in der Entscheidung zur Einführung der Rechtschreibreform eine entsprechende Bundeskompetenz abgelehnt.160 Die Annahme einer Annexkompetenz für die Förderung der Literatur als Teil der Sprachpflege scheidet somit aus. Im Ergebnis führt daher weder eine Kompetenz kraft Annexes noch eine solche kraft Sachzusammenhangs dazu, eine Zuständigkeit des Bundes zur Förderung von kulturellen Einrichtungen im Inland aufgrund der dadurch verfolgten nationalen Selbstdarstellung anzunehmen.161 (2) Kompetenzen aus der Natur der Sache

Für die Förderung von kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen im Inland unter dem Gesichtspunkt der nationalen Repräsentation ist jedoch eine Kompetenz aus der Natur der Sache in Betracht zu ziehen. In einer Auseinandersetzung mit der Kompetenzfigur aus der Natur der Sache ist zu erörtern, ob diese Argumentation die Annahme einer Kompetenz auf Seiten des Bundes tatsächlich tragen kann. 160

BVerfGE 98, 218 (249 f.). Zur so genannten ressortakzessorischen Kunst (insbesondere die Ausgestaltung von Amtsräumen) und zur Kunst am Bau, die mit Bundeskompetenzen aus Sachzusammenhang begründet werden, vgl. Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.43; Stettner, Kompetenzlehre, S.433. Vgl. auchS. 173 ff. 161

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

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(a) Ansätze zur Begründung kultureller Kompetenzen des Bundes aus der Natur der Sache Die Zuständigkeiten des Bundes im Bereich von Kunst und Kultur können als besondere Fallgruppe der Kompetenz aus der Natur der Sache angesehen werden. 162 Im Folgenden soll zunächst eine Erörterung der Begründungsansätze vorgenommen werden, die zur Rechtfertigung von Kompetenzen speziell im kulturellen Bereich zugunsten des Bundes aus der Natur der Sache verfolgt werden. (aa) Troeger-Gutachten Die Bestimmung des Umfangs der Bundeskompetenz aus der Natur der Sache erfolgt teilweise allein durch Zuordnung von staatlichen Maßnahmen zu den vom 7röeger-Gutachten gebildeten Fallgruppen der Bundeszuständigkeit. Durch die Annahme eines nationalrepräsentativen oder gesamtstaatlich bedeutsamen Charakters einer kulturellen Einrichtung oder Veranstaltung wird unmittelbar auf eine natürliche Kompetenz des Bundes zur Förderung dieser Einrichtung geschlossen.163 Zur Rechtfertigung von entsprechenden Kompetenzen aus der Natur der Sache genügt ein Verweis auf die Formulierungen des Flurbereinigungsabkommens jedoch nicht. Zum einen ist es nie in Kraft getreten, da eine Zustimmung der Länder fehlte. Zum anderen wäre ein solches Abkommen zwischen Bund und Ländern nicht geeignet, die in der Verfassung verankerte Kompetenzordnung zu ändern. 164 Die Kompetenzordnung ist nicht abdingbar. Sie unterliegt nicht der Disposition von Bund und Ländern. 165 Eine Änderung ist nur im Rahmen einer Verfassungsänderung möglich. Auch im Bereich der ungeschriebenen Kompetenzen kann ein Abkommen nicht die im Einzelfall notwendige verfassungsrechtliche Begründung einer Kompetenz ersetzen. Es kann lediglich die Einigung auf eine bestimmte Verfassungsinterpretation festschreiben. 166 Die Frage, ob mit der im Entwurf des Flurbereinigungsabkommens enthaltenen Zuständigkeitsabgrenzung die Grenze zwischen einer Interpretation und einer Änderung der Verfassung überschritten wurde, kann also erst entschieden werden, wenn feststeht, ob die dort genannten Bundeszuständigkeiten auch nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes dem Bund zustehen.

162 Hermes, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 86 Rdnr. 19; Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.45; Rozek, in: Dreier, Art. 70 Rdnr. 40. 163 So beispielsweise Hieronymus, Festschrift v. Köckritz, S. 23. Beobachtung auch bei Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.45. 164 Pietzcker, HbStR IV, §99 Rdnr. 20; v.Arnim, HbStR IV, § 103 Rdnr. 61. 165 So schon BVerfGE 1, 14 (35), ebenso E32, 145 (156); E63, 1 (39f.). 166 v. Arnim, HbStR IV, § 103 Rdnr. 61.

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

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(bb) Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz Teilweise wird zur Begründung der Zuständigkeiten des Bundes für kulturelle Aktivitäten zur gesamtstaatlichen Repräsentation auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz 167 verwiesen. In dieser Entscheidung hat das Gericht eine Kompetenz des Bundes zur Gründung der Stiftung und der Zuweisung bestimmter Aufgaben festgestellt. Dabei hat es maßgeblich darauf abgestellt, dass die ehemaligen preußischen Sammlungen eine nationale Repräsentationsfunktion aufwiesen und für das kulturelle Leben des Gesamtstaats von Bedeutung seien.168 Aus der Entscheidung wird über den dort behandelten Einzelfall hinaus gefolgert, dass gerade die Kriterien der „gesamtdeutschen Aufgabe" und der „nationalen Repräsentanz" die Zuständigkeit des Bundes im kulturellen Bereich legitimieren können.169 Die Argumentation, die sich zur Begründung der Zuständigkeit für die gesamtstaatliche Repräsentation auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz stützt, überzeugt nicht. Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Möglichkeit der Bundeszuständigkeit im Fall des Preußischen Kulturbesitzes bereits in der Verfassung angelegt ist. Bei Vorliegen eines überwiegenden Interesses des Bundes ist nach Art. 135 Abs. 4 GG die Möglichkeit der Regelung durch den Bund vorgesehen. In der Entscheidung zog das Bundesverfassungsgericht die Kriterien der gesamtdeutschen Aufgabe und der nationalen Repräsentanz dazu heran, das „überwiegende Interesse" des Bundes nach Art. 135 Abs. 4 GG zu begründen. Die Argumentation des Gerichts diente also der Subsumtion unter die Voraussetzungen dieser grundgesetzlichen Norm. Hier liegt im Ergebnis gerade keine Kompetenz aus der Natur der Sache vor. Diese Argumentation kann daher nicht die Begründung einer Kompetenz aus der Natur der Sache für ein Tätigwerden im Bereich der gesamtstaatlichen Repräsentation tragen. (cc) Weitere Begründungsmuster Als ein weiteres Argument für die Annahme einer Zuständigkeit des Bundes zur Förderung von kulturellen Aktivitäten, die der nationalen Repräsentation dienen, wird angeführt, dass jedem verfassungsmäßig konstituierten Gemeinwesen ein gewisses Maß an kulturellen Äußerungen zugestanden werden müsse. Dem Bund müssten daher die Zuständigkeiten im kulturellen Bereich zustehen, ohne die die Funktionen des Gesamtstaats nicht erfüllbar seien.170 Soweit der Gesamtstaat nur 167

BVerfGE 10, 20ff. S. im Einzelnen S. 96 ff. 169 Maihof er, HbVerfR, § 25 Rdnr. 56. 170 Hieronymus, Festschrift v. Köckritz, S. 23; ders., Koordinierende Funktion, S. 11 f.; Maihofer, HbVerfR, § 25 Rdnr. 56. 168

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

durch Maßnahmen des Bundes repräsentiert werden könne, seien diesem auch die entsprechenden Zuständigkeiten zuzuerkennen.171 Die dem Bundesstaat des Grundgesetzes immanente Gesamtstaatlichkeit des Bundes fordere Zuständigkeiten für Fragen der gesamtstaatlichen Repräsentation.172 Zur Begründung wird zudem auf die Eigenschaft der Bundesrepublik als Bundesstaat im Gegensatz zum Staatenbund hingewiesen. Die staatliche Ebene des Bundes habe im Bundesstaat Verantwortung für den Gesamtstaat. Dem Bund stehe daher eine ungeschriebene Zuständigkeit aus dem Sachzusammenhang zu, die mit den Begriffen der gesamtstaatlichen oder nationalen Repräsentation sowie der Beseitigung der kulturellen Folgen der Teilung Deutschlands zu umschreiben sei. 173 In die gleiche Richtung geht das Argument, der Bund trage die Verantwortung für die Pflege der deutschen Geistesgeschichte und die Darstellung des deutschen kulturellen Erbes in seiner Gesamtheit.174 Im Schrifttum finden sich jedoch auch Stimmen, die Kompetenzen des Bundes aus der Natur der Sache für Maßnahmen der nationalen Repräsentation ablehnen. Vor allem wird die verfassungsrechtliche Begründung der Kompetenzen für kulturelle Maßnahmen, die der gesamtstaatlichen Repräsentation dienen, angezweifelt. Die Figur der Kompetenz aus der Natur der Sache dürfe nicht zur Annahme von Zuständigkeiten führen, die im Grundgesetz nicht angelegt seien.175 Gerade im Kulturbereich, der grundsätzlich in die Zuständigkeit der Länder falle, sei auf eine ausreichende Verankerung der Kompetenzbegründung zugunsten des Bundes in der Verfassung zu achten.176 Der unscharfe Begriff der Natur der Sache dürfe nicht dazu führen, ihn so weit zu fassen, dass im Hinblick auf jedes Sachgebiet die gewünschte Kompetenz abgeleitet werden könne.177 Nur in Verbindung mit einem ausdrücklich geregelten Kompetenztitel könne mit dem Kriterium der Natur der Sache eine neue 171 Hufen, BayVBl. 1985, 1, 38; Köngen, Kulturpflege und Bund, S. 191; Schneider, Festschrift v. Köckritz, S. 59. 172 Degenhart, in: Sachs, Art. 70 Rdnr. 27; Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr.40. 173 Hieronymus, Festschrift v. Köckritz, S. 23. - Auch bei diesem Argument geht es um eine ungeschriebene Kompetenz ohne Anknüpfung an einen bestimmten Kompetenztitel, also um eine Zuständigkeit aus der Natur der Sache. Der Begriff „Sachzusammenhang" wird hier im Sinne eine Abstellens auf den Inhalt der Aufgabe verwendet. 174 Vgl. Ritter, in: Kulturfinanzierung, S.54f. - Bleckmann leitet eine solche Zuständigkeit aus Art. 72 Abs. 2 GG a. F. ab. Wenn die dort niedergelegten Ziele, insbesondere die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse, nicht durch eine Aufgabenwahrnehmung durch die Länder erreicht werden könnten, gehe die Kompetenz auf den Bund über (Bleckmann, NWVB1. 1990, 109, 111 ff.). 175 Stern, StRII, §37 II 5 b (S. 613). 176 Hufen, Kulturstaatlichkeit und Bundesstaat, S.212, fordert, dass explizite Kompetenzzuweisungen an die Länder nicht unter Berufung auf die Natur der Sache unterlaufen werden dürften. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass es ausdrückliche Kompetenzzuweisungen an die Länder nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes nicht gibt, vgl. oben, S. 41 ff. 177 Stern, StRII, §37 II 5b (S.613); Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.50.

Kap. : Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

Kompetenz begründet werden. 178 Gerade die Abgrenzung der Aufgaben, die unter die so genannte gesamtstaatliche Repräsentation fallen, sei fließend und ungesichert. 179 Überließe man dem Bund die Entscheidung, festzulegen, was national bedeutsam sei und der gesamtstaatlichen Repräsentation diene, so hätte er eine Formel in der Hand, mit der er seine Kompetenzen beliebig ausweiten und in den kulturellen Kernbereich der Länder eindringen könnte. 180 Die Natur des Aufgabenbereichs Kultur, die insbesondere von einer Differenzierungsbedürftigkeit gekennzeichnet sei, spräche gerade gegen eine Zentralisierung ihrer Verwaltung und für föderative Vielfalt. 181 Darüber hinaus sei es im Bundesstaat nicht zwingend, dass die gesamtstaatliche Repräsentation durch den Bund erfolge. Die deutsche Kultur werde traditionell aus den Ländern heraus repräsentiert und zur gesamtstaatlichen Selbstdarstellung gebracht. 182 Hinzu komme, dass Nationalkultur nicht zwangsläufig Bundeskultur sei. 183 Das folge schon daraus, dass der Bundesstaat des Grundgesetzes nicht nur das Provinzielle für die Länder reserviere, sondern die Nationalkultur als Summe der Regionalitäten und Überregionalitäten voraussetze.184 Auch die Länder und Gemeinden könnten den Gesamtstaat wirksam repräsentieren. Der Ruf Deutschlands als Kulturnation sei gerade durch das Nebeneinander regionaler und lokaler Zentren von internationaler Bedeutung geprägt, so dass es geradezu deutscher Verfassungstradition entspräche, wenn vor allem die Länder und Gemeinden und nicht der Bund den Gesamtstaat repräsentierten. 185 (dd) Stellungnahme Die Ableitung von bestimmten Kompetenzen aus der Tatsache der Staatlichkeit des Bundes ist nicht tragfähig. Im Bundesstaat des Grundgesetzes kommt sowohl dem Bund als auch den Ländern originäre Staatlichkeit zu. 186 Aus der Staatlichkeit folgt zum einen die Verfassungsautonomie, zum anderen die Organisationshoheit.187 Die Organisationshoheit umfasst die freie Entscheidung über die Organisation des Staates,188 das heißt über den Aufbau und die Bildung der Staatsorgane und ihre Aus178

Stern, StRII, §37 II 5b (S.613); Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.50. Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, Vorb. zu Art. 83 Rdnr. 11. 180 Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.51. 181 Hufen, BayVBl. 1985, 1,6; ders., Kulturstaatlichkeit und Bundesstaat, S.212. 182 Eiselstein, NVwZ 1989, 323, 325f.; Steiner, HbStR III, § 86 Rdnr. 18. 183 Hufen, BayVBl. 1985, 1, 37. 184 Heintzen, HbStR IX, §218 Rdnr. 64; Hufen, BayVBl. 1985, 1, 37. 185 Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.49. 186 BVerfGE 1, 14 (34); E 6, 309 (346f.); E36, 342 (360f.); E60, 175 (207f.); E87, 181 (196). Bauer, in: Dreier, Art. 20 (Bundesstaat) Rdnr. 23; Degenhart, Staatsrecht I, Rdnr. 99; Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 268; Maunz, HbStR IV, § 94 Rdnr. 2. 187 BVerfGE 34, 9 (20) für die Staatlichkeit der Länder; vgl. Degenhart, Staatsrecht I, Rdnr. 100ff.; Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 276; Maunz, HbStR IV, § 94 Rdnr. 25 ff. 188 Vgl. BVerfGE 34, 9 (20) für die Organisationshoheit der Länder. 179

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

stattung mit Kompetenzen. Fraglich ist aber, ob durch die Organisationshoheit auch die Kompetenz vermittelt wird, die staatliche Repräsentation zu gestalten, indem einzelne kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen gefördert werden. Staatliche Repräsentation kann dadurch erfolgen, dass der Staat und die ihn verkörpernden Organe in Personen und Zeichen auftreten und dadurch sichtbar werden. Diese Form der Repräsentation ist untrennbar verbunden mit den Staatsorganen, so dass überlegt werden kann, sie zur Organisationshoheit eines Staates zu rechnen. 189 Hier geht es jedoch um kulturelle Maßnahmen, die für die Repräsentation des Gesamtstaats in Anspruch genommen werden. Sie stellen keine Versinnbildlichung des Staates oder seiner Organe selbst dar. Es handelt sich vielmehr um Einrichtungen oder Veranstaltungen, mit denen sich der Staat schmücken will oder deren besondere Bedeutung honoriert werden soll. Ein unmittelbarer Bezug zum Staat oder zu seinen Organen fehlt hierbei. Außerdem kommt es bei den geförderten kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen nicht darauf an, ob diese Einrichtungen oder Veranstaltungen in staatlicher Trägerschaft stehen. Dass und in welcher Höhe eine Förderung durch Bundesmittel erfolgt, wird dem Nutzer oder Beobachter dieser Einrichtungen nicht ohne Weiteres deutlich. Auch insofern besteht ein maßgeblicher Unterschied zu den Symbolen des Staates, die bei einer unvoreingenommen Wahrnehmung sofort als Kennzeichen der Staatlichkeit zu erkennen sind. Aus der Organisationshoheit kann aber nicht eine so weitreichende Befugnis zur Selbstdarstellung abgeleitet werden, dass jegliche Tätigkeiten des Staates mit dem Hinweis, sie diene der Repräsentation, kompetenzgemäß würden. Um eine Ausuferung zu vermeiden, muss die Kompetenz zur staatlichen Selbstdarstellung, die auf die Organisationshoheit gestützt wird, auf die Versinnbildlichung des Staates oder seiner Organe selbst beschränkt sein. Eine solche liegt bei einer Förderung von kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen - wie gezeigt - nicht vor. Aus der Staatlichkeit des Bundes kann ferner gefolgert werden, dass ihm ein gewisser Bestand an Kompetenzen überhaupt zustehen muss. Diese Verknüpfung der Staatlichkeit mit einem Grundbestand an Zuständigkeiten hat das BVerfG für die Länder festgestellt. Es hat entschieden, dass den Ländern aufgrund ihrer Staatlichkeit ein gewisser Kernbestand an Zuständigkeiten zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung zustehen müsse.190 Es erscheint zwingend, diese aus der Staatsqualität abgeleitete Anforderung auch auf den Bund zu übertragen. Jedoch kann aus diesem Erfordernis nicht die Zuerkennung einer bestimmten Kompetenz gefolgert werden. Das Bundesverfassungsgericht verlangt für die Länder ebenfalls lediglich irgendeinen Rest von Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Rechtsprechungszuständigkeiten. 191 Dass gerade eine Zuständigkeit für die Durchführung von kulturellen Maßnahmen, die der gesamtstaatlichen Repräsentation dienen sollen, dem Bund zustehen müsste, ist somit aus der Staatlichkeit des Bundes nicht zu rechtfertigen. 189 190 191

5 Pabel

Im Einzelnen s. dazu oben S. 17 ff. BVerfGE 34, 9 (19f.); E87, 181 (196). BVerfGE 43,9(19).

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

Die Begründung der entsprechenden Kompetenz mit dem Argument, dass der Gesamtstaat nur durch Maßnahmen der Zentralgewalt repräsentiert werden könne, erscheint im Bundesstaat nicht zutreffend. 192 Der Staat repräsentiert sich nicht durch eine einzelne kulturelle Einrichtung, sondern durch eine Vielzahl von Elementen des Kulturlebens, die ein positives Gesamtbild vermitteln sollen. Dabei ist es letztlich unerheblich, ob diese durch die Zentralgewalt oder die Gliedstaaten gefördert werden. Für den Bundesstaat deutscher Tradition kann zudem angeführt werden, dass seine Besonderheit in einer Vielzahl von Zentren auch kultureller Art liegt. 193 Auch auf diese Weise kann ein positives Bild des Gesamtstaats erzeugt und somit die Aufgabe der Repräsentation des Gesamtstaats erfüllt werden. Eine Kompetenz des Bundes kann darauf jedoch nicht begründet werden. Mit der Formulierung, der Bund trage die gesamtstaatliche Verantwortung für die Pflege der deutschen Geistesgeschichte, kann ebenfalls keine Kompetenz begründet werden. Der Begriff der Verantwortung deutet schon auf die politisch-moralische Ebene hin, auf der ein Eintreten des Bundes für den Gesamtstaat gefordert werden kann. Rechtliche Schlüsse, insbesondere die Annahme von einzelnen Zuständigkeiten, lassen sich daraus nicht ziehen.194 Im Bundesstaat mit einer ausgeprägten Kompetenzverteilung ist die Bundeszuständigkeit für Maßnahmen der gesamtstaatlichen Repräsentation nur von scheinbarer Evidenz: Die Kompetenzordnung bestimmt die Verteilung der Zuständigkeiten auf Zentralstaat und Gliedstaaten. Ihr mag - zumindest teilweise - die Vorstellung zugrunde liegen, dass der Bund die Zuständigkeiten zugewiesen bekommt, die die gesamtstaatliche Ebene betreffen. 195 Diese Grundvorstellung spiegelt etwa Art. 72 Abs. 2 GG wider, der die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung von dem Erfordernis einer bundesgesetzlichen Regelung abhängig macht. Als Argument ohne Rückbezug zur Kompetenzordnung ist die gesamtstaatliche Bedeutung einer Maßnahme für die Begründung einer Kompetenz des Bundes jedoch nicht tauglich. Eine Auseinandersetzung mit der Kompetenzfigur aus der Natur der Sache findet im Hinblick auf die angenommene Zuständigkeit des Bundes für die gesamtstaatliche Repräsentation kaum statt. Allenfalls finden sich Verweise darauf, dass die Annahme einer Kompetenz aus der Natur der Sache für kulturelle Angelegenheiten restriktiv gehandhabt werden müsse, da insoweit ein Kernbereich von Länderzuständigkeiten betroffen sei. Die Natur der Sache wird oft als Formel verwendet, um die 192 Eiselstein, NVwZ 1989, 323, 326; Hufen, BayVBl. 1985, 1, 37; Steiner, VVDStRL 42 (1983), 7,21 f. Zweifelnd gegenüber der Annahme einer einheitlichen Nationalkultur Haltern, Der Staat 37 (1998), 591, 596 f. 193 Breitenbach, Festschrift v. Köckritz, S. 121; Plagemann, in: Festschrift v. Köckritz, S. 39. 194 Allenfalls ist an eine Verantwortung nach außen, also gegenüber dritten Staaten, zu denken, die völkerrechtliche Konsequenzen nach sich zieht. Insofern liegt eine ausdrückliche Kompetenz des Bundes auch für kulturelle Maßnahmen nach Art. 32 GG vor (siehe S. 104 ff.). 195 So Rinck, Festschrift Müller, S.299; vgl. auch Bleckmann, NWVB1. 1990, 109, 111.

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

Evidenz der Bundeszuständigkeit zum Ausdruck zu bringen. Die Begründung der Kompetenz kann aber nur durch eine Analyse der Kompetenzfigur gelingen. (b) Die Kompetenz aus der Natur der Sache Methodische Überlegungen (aa) Rechtsprechung Das Bundesverfassungsgericht zieht in seinen Entscheidungen zur Frage von Kompetenzen aus der Natur der Sache zunächst die von Anschütz entwickelte Formel heran. 196 Danach ist eine Kompetenz aus der Natur der Sache begründet nach dem ungeschriebenen Rechtssatz, wonach gewisse Sachgebiete, weil sie ihrer Natur nach eigenste, der partikularen Gesetzgebungszuständigkeit a priori entrückte Angelegenheiten des Bundes darstellen, vom Bund und nur von diesem geregelt werden können.197 Das Bundesverfassungsgericht hat die Anschütz'sehe Formel dahingehend ergänzt, dass Schlussfolgerungen aus der Natur der Sache begriffsnotwendig sein müssten und eine bestimmte Lösung unter Ausschluss anderer Möglichkeiten sachgerechter Lösung zwingend forderten. 198 Die Begründung von Zuständigkeiten aus der Natur der Sache wurde so eingeschränkt. 199 In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Kompetenz aus der Natur der Sache bislang nur in wenigen Fällen anerkannt worden. In dem im Jahr 1954 erstatteten Baurechtsgutachten stellte das Bundesverfassungsgericht eine Kompetenz aus der Natur der Sache für die gesamtstaatliche Raumordnung fest. 200 Auch vor dem Hintergrund der Art. 30 und 70 GG könnten Zuständigkeiten des Bundes für Aufgaben, die sich unmittelbar aus dem Wesen und der verfassungsrechtlichen Organisation des Bundes ergäben, angenommen werden. Das Gericht bezeichnet sie als „natürliche Bundeszuständigkeiten".201 Auf die Anschütz'sehe Formel nimmt es jedoch nicht ausdrücklich Bezug. 202 Welches Kriterium das Gericht für die Anerkennung der Kompetenz aus der Natur der Sache hinsichtlich der gesamtstaatlichen Raumplanung als entscheidend ansieht, führt es nicht explizit aus. In dieser Entscheidung weist das Bundesverfassungsgericht auch - ohne dass dies eigentlich Gegenstand des Gutachtens war - auf die Kompetenzen aus der Natur der Sache hinsichtlich der Bestimmung des Sitzes der Bundesregierung oder der gesetzlichen Regelung der Bundessymbole hin und begründet sie damit, dass insofern eine Regelung durch die Länder „nicht möglich" sei. 203 196 197 198 199 200 201 202 203

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Anschütz, Reichsaufsicht, in: HbDStR I, § 32, S. 367. BVerfGE 11, 89 (98f).; E12, 205 (251); E22, 180 (217); E26, 246 (257). BVerfGE 11, 89 (99); E12, 205 (251); E22, 180 (217). Stern, StRII, §37 I I 5b (S.613). BVerfGE 3, 407 (427 f.). BVerfGE 3, 407 (422). Vgl. BVerfGE 3,407 (421 f., 426). BVerfGE 3, 407 (422).

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

In einer neueren Entscheidung spricht das Bundesverfassungsgericht dem Bund eine Kompetenz aus der Natur der Sache für die unaufschiebbaren gesetzgeberischen Aufgaben zu, die mit der Schaffung der Voraussetzungen für den Beitritt der ehemaligen DDR zwangsläufig verbunden waren. 204 Auch hier fehlt ein ausdrücklicher Verweis auf die Anschütz sehe Formel. Das Gericht begründet die Kompetenz aus der Natur der Sache mit dem Hinweis auf Art. 23 S. 2 a. F. GG, nach dem der Bund zur Schaffung der Voraussetzung des Beitritts verpflichtet sei. 205 Hieraus ergebe sich für die damit verbundenen gesetzgeberischen Aufgaben zwangsläufig eine Kompetenz aus der Natur der Sache. In anderen Entscheidungen, in denen das Bundesverfassungsgericht die Figur der Kompetenz aus der Natur der Sache erwähnt, wird eine solche Zuständigkeit abgelehnt. Dabei wird auf die Anschütz sehe Formel verwiesen, eine Auseinandersetzung mit ihr findet jedoch kaum statt. 206 Die Gründe für die Ablehnung einer Kompetenz aus der Natur der Sache variieren. Die Annahme einer natürlichen Bundeskompetenz scheidet nach der Rechtsprechung aus, wenn die Auslegung der verfassungsrechtlichen Kompetenzbestimmungen eindeutig eine Kompetenz der Länder ergibt. 207 Als Argument gegen die Annahme einer solchen Kompetenz wird auch schlicht die fehlende Notwendigkeit einer bundesgesetzlichen Regelung angeführt. 208 Hinsichtlich des Kriteriums der Überregionalität der zu erfüllenden Aufgabe ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht einheitlich. In der Entscheidung zur Jugendpflege stützte das Gericht die Annahme einer Kompetenz aus der Natur der Sache auf den eindeutig überregionalen Charakter der Aufgabe. 209 Diese Entscheidung wird als Ausnahmefall gegenüber einer ansonsten restriktiven Annahme von Kompetenzen aus der Natur der Sache durch das Gericht angesehen. 210 In anderen Entscheidungen nämlich führt das Gericht ausdrücklich aus, dass 204

BVerfGE 84, 133 (148). BVerfGE 84,133 (148), unter Verweis auf E82,316 (320f.). Vgl. auch BVerfGE 85, 360 (374). In dieser Entscheidung begründet das Gericht die Zuständigkeit des Bundes allein mit dem Verweis auf Art. 23 S. 2 a. F. GG, ohne die Kompetenz aus der Natur der Sache überhaupt zu erwähnen. S. Degenhart, in: Sachs, Art. 70 Rdnr. 27. 206 Vgl. BVerfGE 11,89 (98f.);E15, 1 (24); E22, 180 (217); E26, 246 (257). 207 BVerfGE 15, 1 (24). 208 BVerfGE 26, 246 (257). 209 BVerfGE 22, 180 (217). 210 Bullinger, AöR 96 (1971), 237, 276f. Als Begründung für die Annahme wird auf den zeitlichen Zusammenhang zwischen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts und dem Gutachten der Troeger-Kommission, in dem weitreichende ungeschriebene Kompetenzen für den Bund angenommen wurden, verwiesen. - Speziell für den kulturpolitischen Bereich wird das Kriterium der Überregionalität zur Begründung einer Kompetenz abgelehnt, da mit seiner Anwendung eine zu weite Ausdehnung der Bundeszuständigkeiten verbunden sei. Kulturelle Einrichtungen seien in der Regel örtlich verankert, hätten jedoch zumeist eine überörtliche Bedeutung. Zuständigkeit der Länder meine nicht, dass sie auf die Förderung von Aktivitäten beschränkt seien, deren Wirkung nicht über die Landesgrenzen hinaus reiche; vgl. v.Köckritz, Kulturföderalismus und Kulturförderung, S.75; Köttgen, Kulturpflege und Bund, S. 191; Thieme, Kulturordnung im GG, S.72; Wenke, Festschrift Nawiasky, S.271. 205

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

Überregionalität allein noch nicht genüge, um eine natürliche Zuständigkeit des Bundes zu begründen. 211 Ferner hat das Gericht entschieden, dass eine Kompetenz des Bundes aus der Natur der Sache nicht in Betracht komme, wenn sich auch eine andere Lösung „mit beachtlichen Gründen" rechtfertigen lasse.212 In Betracht zu ziehen sei hier insbesondere, dass die Aufgabe auch durch eine Koordinierung der Länder mit ausreichender Einheitlichkeit erfüllt werden könne. Mit dem Verweis auf die mögliche und tatsächlich erfolgte Koordinierung der Länder hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung über die Einführung der Rechtschreibreform eine Zuständigkeit des Bundes abgelehnt.213 Hier wird zwar nicht ausdrücklich die Möglichkeit einer Kompetenz aus der Natur der Sache erwähnt. Wegen des Erfordernisses der Einheitlichkeit der Rechtschreibung zur Erhaltung der grundrechtlich verbürgten Kommunikationsfreiheit, die das Bundesverfassungsgericht besonders hervorhebt 214, liegt das Ansinnen einer solchen Zuständigkeit aber auf der Hand. 215 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Figur der Kompetenz aus der Natur der Sache nur eine geringe Rolle spielt. Soweit ersichtlich wurde bislang nur in zwei Fällen eine solche angenommen, in wenigen weiteren Fällen wurde sie ausdrücklich abgelehnt. Die Anschütz'sehe Formel wird vom Bundesverfassungsgericht zwar zitiert, die jeweils für die Entscheidung maßgeblichen Gründe für oder gegen eine Kompetenz aus der Natur der Sache ergeben sich jedoch nicht aus der Beschäftigung mit der Formel. Sie entstehen aus einer Auseinandersetzung mit den Umständen des Einzelfalls. Das lässt sich auch in den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu den Fällen mit Bezug zur Wiedervereinigung erkennen. Hier wird teilweise zwar eine Kompetenz aus der Natur der Sache angenommen, gleichzeitig aber ein Bezug zu einer geschriebenen Kompetenz hergestellt, 216 so dass auch die Annahme eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs oder Annexes nahe gelegen hätte. In einer Folgeentscheidung verzichtet das Gericht dann auch auf die Erwähnung einer Kompetenz aus der Natur der Sache.217 Die Gesichtspunkte, auf denen die Rechtsprechung die Annahme oder Ablehnung einer solchen Zuständigkeit stützt, sind daher nur schwer zu systematisieren.218 211 BVerfGE 12, 205 (251 f.); 15, 1 (20ff.; 24); dazu auch Bullinger, AöR 96 (1971), 237, 276 f. Vgl. auch BVerfGE 98,218 (249 f.); nach dieser Entscheidung wird auch für die Regelung der Rechtschreibung, die ein hohes Maß an Einheitlichkeit erfordert, keine Bundeskompetenz angenommen. 212 BVerfGE 11, 89 (98). 213 BVerfGE 98, 218 (248 ff.). 214 BVerfGE 98, 218 (249). 215 Die Annahme einer Kompetenz des Bundes zur Regelung der Rechtschreibung wegen der Notwendigkeit einer einheitlichen Regelung wird vertreten von Roth, Bay VB1.1999,257,263. 216 BVerfGE 84, 133 (148). 217 BVerfGE 85, 360 (374). 218 So schon Bullinger, AöR 96 (1971), 237, 274ff.

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

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(bb) Schrifttum bzgl. Bundeskompetenzen aus der Natur der Sache In der Rechtslehre werden die vom Bundesverfassungsgericht für die Annahme oder Ablehnung von Kompetenzen aus der Natur der Sache entwickelten Anforderungen im Wesentlichen übernommen. Gerade die Ablehnung der Kompetenz aus der Natur der Sache bei einem bloßen Bedürfnis nach bundeseinheitlicher Regelung oder bei Überregionalität der Maßnahme wird in Anlehnung an die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung geteilt. 219 Auch wenn eine Selbstkoordination der Länder möglich erscheint, soll eine Bundeskompetenz aus der Natur der Sache ausscheiden. 220 Im Anschluss an die Baurechtsentscheidung des Bundesverfassungsgerichts221 wird eine Kompetenz aus der Natur der Sache nicht nur für die Staatssymbole und die Bestimmung des Sitzes der Bundesregierung, sondern für jegliche Maßnahmen zur gesamtstaatlichen Repräsentation angenommen.222 In der von einzelnen Fällen bzw. Fallgruppen losgelösten Auseinandersetzung mit der Begründung der Kompetenz aus der Natur der Sache ist allerdings eine Abkehr von der Anschütz'sehen Formel erkennbar. Der Wortlaut der Formel weise, indem er eine „a priori" der Zuständigkeit der Länder entzogene Angelegenheit verlange, über die geschriebene Verfassung hinaus. Mit dem Bezug zur Natur bzw. zum Wesen der Sache werde auf einen unabhängig von der Verfassung bestehenden abstrakten Bundesstaatsbegriff verwiesen. 223 Das Schrifttum betont, dass auch für die Herleitung von ungeschriebenen Kompetenzen wie denen aus der Natur der Sache das Grundgesetz den Maßstab und die Grenze bilde. Auch für sie müsse eine enge Orientierung und Bindung an die Verfassung verlangt werden. 224 Kompetenzen, die nicht aus der Verfassung heraus begründet werden könnten, seien vor dem Hintergrund der Regeln des Art. 30 GG und insbesondere des Art. 70 GG nicht denkbar. 225 Auch Kompetenzen aus der Natur der Sache müssten ihre Wurzeln also in der Verfassung finden, 226 ein Rückgriff auf außerrechtliche, überpositive Kategorien sei nicht zulässig.227 219

Degenhart, in: Sachs, Art. 70 Rdnr. 27; März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 64 f.; Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 39; Stettner, in: Dreier, Art. 70 Rdnr. 57 f. 220 Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 39; Wipfelder, DVB1. 1982,477,483. 221 BVerfGE 3,407 ff. 222 Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 40; vgl. auch Degenhart, in: Sachs, Art. 70 Rdnr. 24; Maihof er, HbVerfR, § 25 Rdnr. 56 ff.; Stettner, in: Dreier, Art. 70 Rdnr. 59. 223 Bothe, in: AK, Art.30 Rdnr. 15; Bullinger, AöR 96 (1971), 236,269f.; März, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 64. - Eine andere Auslegung der Formel trifft Harms. Danach werde mit der Formulierung „a priori" ein bestimmtes Ableitungsverfahren, nämlich logische Folgerungen allein auf Grundlage der Bedeutung eines Begriffs, bezeichnet. Gemeint seien die Rechtsnormen, die den konkreten Bundesstaat prägten {Harms, Der Staat 33 [1994], 409,417). 224 Erbguth, in: Sachs, Art. 30 Rdnr. 39; Gern, JuS 1988, 534, 538; Harms, Der Staat 33 (1994), 409, 411; März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 63; Pernice, in: Dreier, Art. 30 Rdnr. 32; Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 39. 225 Stern, StRII, §37 I I 5b (S.613).

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

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Als Basis der Ableitung aus der Verfassung wird zum einen der Gesamtsinn der Verfassung als einer spezifisch bundesstaatlichen Ordnung genannt.228 Dabei sei nicht von einem abstrakten, der Verfassung vorgehenden allgemeinen Bundesstaatsbegriff auszugehen, sondern der konkrete Sinngehalt des Grundgesetzes als einer bestimmten, historisch-besonderen Bundesstaatsverfassung zugrunde zu legen.229 Durch die Herleitung von Kompetenzen kraft Natur der Sache solle der Bundesstaat, wie ihn das Grundgesetz gebildet habe, im Hinblick auf die Sachstruktur einer bestimmten Kompetenzmaterie am besten zur Geltung gebracht werden. 230 Die Kompetenzfigur wird deswegen auch als ein Mittel zur Rechtsgewinnung und -fortbildung im Rahmen der geltenden Verfassung bezeichnet.231 In methodischer Hinsicht wird hervorgehoben, auch die Kompetenzen aus der Natur der Sache müssten durch Auslegung im weitesten Sinn aus der geschriebenen Verfassung hergeleitet werden und nicht aus einem ungeschriebenen überpositiven Recht. 232 Die Ermittlung der natürlichen Bundeskompetenzen erfolge durch eine dem Bundesstaatsrecht eigene funktionale Auslegungstechnik.233 Mit einer zweckorientierten Interpretation könnten so Befugnisse ermittelt werden, bei denen die Enumeration der Zuständigkeiten im Grundgesetz Lücken aufweise oder die der Verfassung selbstverständlich und daher nicht ausdrücklich geregelt seien.234 Teilweise wird auch die Nähe der Kompetenzfigur aus der Natur der Sache zur Analogie betont.235 Die Kompetenzgewinnung aus der Natur der Sache wird als Mittel zur Füllung von Lücken angesehen, die die Verfassung innerhalb der Kompetenzordnung aufweise. 236 Die Bestimmung der Zuständigkeit solle im Wege der 226 Degenhart, in: Sachs, Art. 30 Rdnr. 27; Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr.39. 227 Gern, JuS 1988, 534, 536. 228 Bothe, in: AK, Art. 30 Rdnr. 15; Bullinger, AöR 96 (1971), 237, 270; Fehling, Kompetenzabgrenzung, S. 35; Rengeling, HbStR IV, § 100 Rdnr. 5. Degenhart sieht „allgemeinere Rechtssätze bundesstaatlicher Provenienz" als Basis für die Ableitung von Kompetenzen aus der Natur der Sache an, Degenhart, in: Sachs, Art. 70 Rdnr. 23. 229 Bothe, in: AK, Art. 30 Rdnr. 15; Bullinger, AöR 96 (1971), 237,272; Harms, Der Staat 33 (1994), 409,413; Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 39; Stettner, Kompetenzlehre, S.435. 230 Bullinger, AöR 96 (1971), 237, 272. 231 Fehling, Kompetenzabgrenzung, S.35; Harms, Der Staat 33 (1994), 409,413. 232 Bothe, in: AK, Art. 30 Rdnr. 15; Bullinger, AöR 96 (1971), 237,270; Pernice, in: Dreier, Art. 30 Rdnr. 32. Wipfeider spricht von „Auslegungshilfen", DVB1. 1982,477,484. 233 März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 63; Scholz spricht in diesem Zusammenhang von der „Effizienz der beabsichtigten Gesetzgebung" und einer gegebenenfalls „zu effektuierenden Zuständigkeit", Scholz, Festschrift BVerfG (1976) II, S.272. 234 März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 63. 235 Bullinger, AöR 96 (1971), 236, 280ff.; Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S. 56f.; s. schon Achterberg, AöR 86 (1961), 63, 93. 236 Gern, JuS 1988, 534, 538; Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 70, Rdnr. 27; Wipfelder, DVB1. 1982,477,483. So auch Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.240.

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

Analogie erfolgen, um so eine Bindung an die gegebene Sachstruktur der Kompetenzordnung und damit an das von der Verfassung geschaffene Kompetenzgefüge zu erreichen. 237 Hervorgehoben wird schließlich, dass hinter der Begründung einer Kompetenz aus der Natur der Sache ein Evidenzargument stehe.238 Das Erfordernis einer gesamtstaatlichen Regelung durch den Bund müsse im Grundgesetz selbst mit hinreichender Evidenz angelegt sein. 239 Harms analysiert auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Kompetenzen aus der Natur der Sache dahingehend, dass ihr dogmatischer Gehalt in der Formulierung evidenter Sätze über den Bundesstaat oder der evidenten Ableitung aus solchen evidenten Sätzen liege. 240 (cc) Stellungnahme 1. Ausgangspunkt für die Erörterung der Kompetenzfigur aus der Natur der Sache soll noch einmal die Anschütz' sehe Formel sein. Mit ihrer Formulierung, nach der bestimmte Angelegenheiten „a priori" der Zuständigkeit der Länder entrückt und in die des Bundes gestellt sind, geht sie davon aus, dass bestimmte Angelegenheiten nicht der Kompetenzordnung des Grundgesetzes unterfallen, sondern von vornherein in der Zuständigkeit des Bundes liegen. Durch die Verwendung des Terminus „a priori" wird - zumindest sprachlich - der Eindruck erweckt, diese Zuständigkeitsverteilung zugunsten des Bundes beruhe auf einem rechtlichen Zustand, der bereits vor der Verfassung und unabhängig von ihr gegeben sei. Dieses Verständnis wird durch die Erläuterung von Anschütz unterstützt, nach der die Kompetenzbegründung aus der Natur der Sache auf einem ungeschriebenen, der Anerkennung durch die Verfassung nicht bedürftigen Rechtssatz beruhe. 241 Die Begründung der Kompetenz aus der Natur der Sache erfolgt nach dem wörtlichen Verständnis der Anschütz sehen Formel unabhängig von der Verfassung. In der Rechtstheorie wird vertreten, dass die Argumentation aus der Natur der Sache die Einbeziehung des Naturrechts, das heißt von vor oder neben der Verfassung stehenden Rechtsquellen, bedeutet. Insbesondere Maihof er sieht in der Argumentation aus der Natur der Sache konkretes Naturrechtsdenken. 242 Argumentationen und Deduktionen aus der Natur der Sache seien Versuche, die Sollenssätze des positiven 237

Bullinger AöR 96 (1971), 237, 280ff.; März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr.65. 238 Insbesondere Harms, Der Staat 33 (1994), 409, 419ff.; auch Rozek, in: v. Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 39. 239 Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 39. 240 Harms, Der Staat 33 (1994), 409, 426. 241 Anschütz, Reichsaufsicht, in: HbDStR I, § 32, S. 367; wie hier Harms, Der Staat 33 (1994), 409, 415. Harms weist zu Recht darauf hin, dass bei Anschütz nicht deutlich wird, ob die Verfassung den ungeschriebenen Rechtssatz zumindest stillschweigend zulassen muss. 242 Maihofer, ARSP 44 (1958), 145, 174.

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

Rechts aus einem Etwas außerhalb der positiven Rechtsordnung abzuleiten.243 Dabei meint er mit der „Sache" die Lebenssachverhalte, die in der Welt feststellbar sind. 244 Letztendlich wird die Natur der Sache so zu einer neben dem Gesetz stehenden Rechtsquelle245, auf die zurückgegriffen werden muss, wenn eine positive Norm fehlt, unvollständig oder unklar ist. 246 Die Ableitung einer Kompetenz aus einem ungeschriebenen Rechtssatz kann jedoch unter der Geltung des Grundgesetzes keinen Bestand haben.247 Die Verfassung ist die höchstrangige Rechtsquelle im Verfassungsstaat. 248 Sie hat Geltungsvorrang gegenüber allen anderen Rechtsquellen. Daraus folgt umgekehrt, dass andere Rechtsquellen nur dann Geltung haben, wenn die Verfassung dies zulässt. Es kann keine Rechtsquellen geben, die nicht vom Geltungsvorrang der Verfassung überlagert werden. Bezüglich der Kompetenzverteilung ist von der Kompetenzordnung des Grundgesetzes auszugehen. Es enthält eine detaillierte Ordnung der Zuständigkeiten, die auf Vollständigkeit angelegt ist. 249 Die Regelungen sind abschließend.250 Daher kann aus einem Recht außerhalb der Verfassung keine Zuständigkeit des Bundes oder der Länder abgeleitet werden. Ist also durch die in der Anschütz'sehen Formel enthaltene Formulierung von der „a-priori"-Zuständigkeit kein Verweis auf eine Rechtsquelle außerhalb der Verfassung anzunehmen, kann mit dem Ausdruck allenfalls noch ein Evidenzargument bezeichnet werden. Auf den Einsatz der Formel von der Natur der Sache als Begründung einer als offenkundig anzusehenden Kompetenz des Bundes wird auch in der Literatur verwiesen. 251 Maßgeblicher Gesichtspunkt für die Annahme einer Bundeskompetenz sei in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Undenkbarkeit einer Regelung durch die Länder. Auch der Verzicht auf jede Argumentation zeige, dass das Gericht davon ausgehe, die angenommene Kompetenz sei offenkundig. 252 Allein der Hinweis auf Offensichtlichkeit kann allerdings noch keine Kompetenz begründen. 253 Die ausgeformte Kompetenzordnung berücksichtigt grundsätzlich 243

Maihofer, ARSP 44 (1958), 145, 156. Maihofer, ARSP 44 (1958), 145, 157. 245 So ausdrücklich Maihofer, ARSP 44 (1958), 145, 173. 246 Maihofer, ARSP 44 (1958), 145, 148. 247 Harms, Der Staat 33 (1994), 409, 412; Müller, Methodik, Rdnr. 123. 248 Für das Grundgesetz folgt dies aus Art. 20 Abs. 3 GG sowie aus Art. 79 Abs. 3 GG. Vgl. für alle Degenhart, Staatsrecht I, Rdnr. 258; Hesse, Grundzüge, Rdnr. 198 f. 249 Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 189; Pernice, in: Dreier, Art. 30 Rdnr. 24. 250 März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 15 f. 251 Harms, Der Staat 33 (1994), 409, 419; s. schon Achterberg, AöR 86 (1961), 63, 93. 252 Harms, Der Staat 33 (1994), 409,419. 253 Vgl. Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 39; auch schon Triepel, in: Festschrift Laband, S. 324 f. In dieser Hinsicht ist auch die Auffassung Klugs zu verstehen, der die Natur der Sache ablehnt, da mit einer scheinbar logischen Argumentation an ein gegebenes oder angebliches Allgemeinverständnis appelliert werde, Klug, Festschrift Tsatsos, S.613f. 244

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

auch die evidenten Zuständigkeiten. Sollte im Einzelfall eine Zuständigkeitsverteilung als „evident" erscheinen 254, die nicht der Kompetenzordnung des Grundgesetzes zu entnehmen ist, so bedarf es einer Verfassungsänderung, um den als evident angesehenen Zustand herzustellen. Damit kann als Zwischenergebnis festgehalten werden, dass die Anschütz'sehe Formel durch ihren Verweis auf eine „a-priori"-Zuständigkeit des Bundes allenfalls ein Evidenzargument für die Annahme einer Bundeszuständigkeit liefern kann. Die Formel kann nicht so verstanden werden, dass sie die Voraussetzungen für die Annahme einer Kompetenz aus der Natur der Sache formuliert. 2. Das Kriterium der Natur der Sache ist Gegenstand ausführlicher Auseinandersetzungen in der Rechtstheorie. Es findet in unterschiedlichen rechtlichen Zusammenhängen Berücksichtigung. 255 Im Folgenden soll das Kriterium der Natur der Sache analysiert werden, um dann zu ermitteln, ob und in welcher Weise damit Kompetenzen für den Bund begründet werden können. Radbruch versteht unter der „Sache" den Stoff, den das Recht zu formen habe, wobei er auch rechtlich geregelte Sachverhalte darunter fasst. 256 Mit der „Natur" der Sache bezeichnet er das Wesen einer Sache, das heißt den aus der Beschaffenheit der Sache selbst zu entnehmenden objektiven Sinn. 257 Indem man den juristischen Sinn eines Lebensverhältnisses und der Rechtsidee, die sich in ihm verwirkliche, suche, gewinne man die juristischen Merkmale einer Sache.258 Diese könnten entsprechend der Rechtsidee zumeist unter teleologischen Gesichtspunkten zu einem Sinngefüge zusammengefasst werden, so dass die Natur der Sache als Ergebnis einer rationalen Methode erscheine. 259 Für Radbruch ist die Natur der Sache damit ein Mittel zur Auslegung und Lückenfüllung der Gesetze. Sie ist nach seiner Ansicht nicht als Rechtsquelle zu sehen, sondern kann nur insoweit gelten, wie eine Rechtsquelle ihr - ausdrücklich oder stillschweigend - Raum gewährt. 260 Die Ansicht, dass die Figur der Natur der Sache zur Erklärung der Wirklichkeit dient, also auf der Seins- und nicht auf der Sollensebene angesiedelt ist, wird von einem Großteil der Rechtslehre geteilt. 261 Ballweg wendet sich jedoch gegen die Auffassung Radbruchs, soweit dieser die Sinnhaftigkeit mit in die Erfassung der Natur der Sache einbezieht. Ballweg definiert die Natur der Sache als „die objektiv fest254

Dabei muss jedoch noch festgestellt werden, welche Kriterien zur Annahme einer Evidenz führen. Die Überregionalität einer staatlichen Tätigkeit wurde bereits als Kriterium ausgeschieden. 255 Vgl. Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 237 ff. 256 Radbruch, Festschrift Laun, S. 159. 257 Radbruch, Festschrift Laun, S. 161. 258 Radbruch, Festschrift Laun, S. 161 f. 259 Radbruch, Festschrift Laun, S. 162. 260 Radbruch, Festschrift Laun, S. 162. 261 Müller, Methodik, Rdnr. 126; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 155; Ballweg, Lehre von der Natur der Sache, S. 68.

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

stellbare, sachlogische Strukturiertheit der Wirklichkeit", deren seinsmäßigen Ordnungscharakter das Recht maßgebend konstruiere. 262 Die Natur der Sache sei eine juristische Denkform, bei der die Lösung im Bereich des Seins gesucht werde. 263 Er hält Radbruch entgegen, dass mit der Einbeziehung der Sinnhaftigkeit als weitbestimmtem Kriterium die Natur der Sache keine seinsmäßige Größe mehr sei. 264 Es ist aber festzuhalten, dass mit der Berücksichtigung des juristischen Sinns einer Sache zur Feststellung ihrer Natur nicht eine Bewertung derselben durch das Einfließenlassen subjektiver Gesichtspunkte vorgenommen wird. Vielmehr geht es um das Erfassen der rechtswesentlichen Eigenschaften eines Ausschnitts der Wirklichkeit. 265 Das bedeutet, dass eine Menge von Tatsachen, die als relevant für die Entscheidung erkannt und ausgewählt wurden (der sog. Normbereich 266 als Ausschnitt der Wirklichkeit), nicht nach beliebigen objektiven Kriterien in ihrer Struktur gekennzeichnet wird, sondern gerade nach solchen, auf die es bei der juristischen Entscheidung ankommt. Die Wirklichkeit kommt also im Rahmen des Geltungsanspruchs einer bestimmten Norm in den Blick 2 6 7 oder allgemeiner formuliert: es werden die Strukturen des Normbereichs beschrieben, auf die es bei der Lösung des rechtlichen Problems ankommt.268 Es findet also eine Selektion unter den feststellbaren Eigenschaften bzw. Strukturen statt. Diese Auswahl erfolgt im Hinblick auf die Relevanz für die juristische Beurteilung. Damit liegt ein Mehr gegenüber dem bloßen Feststellen der objektiven Eigenschaften vor. 269 Dieser Vorgang lässt sich als Sinnermittlung bezeichnen. 262

Ballweg, Lehre von der Natur der Sache, 67. Ballweg, Lehre von der Natur der Sache, S. 68. 264 Ballweg, Lehre von der Natur der Sache, S. 63 f. 265 Müller, Methodik, Rdnr. 126. 266 Definition bei Müller, Methodik, Rdnr. 16. 267 Müller, Methodik, Rdnr. 126; Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 155. 268 So auch Baratta, der die Natur der Sache als Verfahren zur normativen Qualifikation von Fakten ansieht. Dabei werde die von einer Norm, einem Normkomplex oder der systematisch betrachteten Rechtsordnung vorausgesetzte ratio berücksichtigt, Baratta, Festschrift E. Wolf, S.155. 269 Nach Kaufmann verläuft die Rechtsverwirklichung in zwei Entwicklungsschritten: aus der Rechtsidee wird insbesondere im Prozess der Gesetzgebung eine Rechtsnorm gebildet; aus dieser entsteht im Prozess der Rechtsfindung die konkrete Rechtsentscheidung (Kaufmann, Analogie, S. 12). Beide Prozesse müssen die Lebensverhältnisse berücksichtigen. Das geschieht durch ein „In-Entsprechung-Bringen" von Rechtsidee und möglichen Lebenssachverhalten zur Bildung der Rechtsnorm und von Rechtsnorm und tatsächlichen Lebenssachverhalten zum Treffen der Rechtsentscheidung (ebenda, S. 11 f.). Allgemein werden Sein und Sollen in Entsprechung gebracht (ebenda, S. 18). Beide Vorgänge des „In-Entsprechung-Bringens" weisen nach Kaufmann die Struktur der Analogie auf (ebenda, S. 37), nämlich das Gleichsetzen unter bestimmten Gesichtspunkten (ebenda, S. 18 ff., zusammenfassend S. 29). Die Natur der Sache versteht Kaufmann als den „Sinn", in dem die Rechtsidee bzw. die Rechtsnorm mit dem Lebenssachverhalt identisch sein muss, um sie zur Entsprechung bringen zu können (ebenda, S. 44). Die Natur der Sache wird demnach zu einem Topos, in dem sich Sein und Sollen begegnen. 263

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

In der Tat kann man feststellen, dass dem beschriebenen Vorgang ein Moment der Bewertung innewohnt.270 Dieses Moment ist deswegen unverzichtbar, weil die Ermittlung der Natur der Sache einem bestimmten Zweck dienen soll. Ziel ist die rechtliche Erfassung eines Wirklichkeitsausschnitts, um diesen anschließend einer rechtlichen Qualifikation zu unterwerfen. 271 Insbesondere soll sie einen Maßstab für den Recht anwendenden (auslegenden, fortbildenden) Richter bilden. Damit reicht die Natur der Sache als Beschreibung der Wirklichkeit bereits in den Bereich des Sinnhaften und Werthaften hinein. 272 Der Erkenntnisgewinn im Bereich des Seins erfolgt mit Blick auf die Sollensebene. Insofern ist eine strikte Trennung von Sein und Sollen, bei der die Problemlösung allein im Bereich des Seins (des Problems) gesucht und dann auf das Sollen übertragen wird 273 , bei der Argumentation aus der Natur der Sache nicht durchzuhalten. Zusammenfassend kann bis hierhin festgehalten werden, dass mit der Ermittlung der Natur der Sache die rechtswesentlichen Eigenschaften, mit anderen Worten die Struktur eines Ausschnitts der Wirklichkeit, festgestellt werden. Diesem Vorgang ist deswegen ein wertendes Element eigen, weil der Ausschnitt der Wirklichkeit gewählt und über die Rechtswesentlichkeit der Eigenschaft entschieden werden musste. Für die Untersuchung einer Kompetenz aus der Natur der Sache ist der relevante Ausschnitt der Wirklichkeit ein Sachbereich staatlicher Tätigkeit, der im Hinblick auf die Zuständigkeit von Bund oder Ländern untersucht werden soll. 274 Die Ermittlung der Natur der Sache ist ein Erkenntnisvorgang auf der Ebene des Seins. Sie erfolgt als Vorbereitung der nachfolgenden rechtlichen Wertung und deswegen mit Blick auf die Sollensebene, ohne die Seinsebene zu verlassen. 275 3. Im nächsten Schritt ist zu fragen, in welcher Weise die Erkenntnisse über die Natur einer Sache in die juristische Argumentation eingebracht werden können. Nach der Anschützsehen Formel wird allein aus den Erkenntnissen über die Struktur eines Sachbereichs - allenfalls unter Hinzuziehung eines Evidenzarguments - auf die Kompetenz geschlossen. Damit werden aus nach bestimmten Gesichtspunkten gewonnenen Elementen des Seins unmittelbar Konsequenzen für das Sollen gefordert. Die Natur der Sache ist aber keine Rechtsquelle.276 Aus der Natur der Sache können daher unmittelbar keine Folgerungen für die Ebene des Sollens gezogen werden. 270

So Baratta, Festschrift E. Wolf, S. 155. Müller, Methodik, Rdnr. 126. 272 Larenz/Canaris, Methodenlehre, S.237. 273 So Ballweg, Lehre von der Natur der Sache, S. 68 f. 274 Harms bezieht den Begriff der „Sache" auf die Institution Bundesstaat im Sinne eines Inbegriffs von Rechtsnormen, Harms, Der Staat 33 (1994), 409,416. Das überzeugt jedoch nicht. Eine Kompetenzbegründung aus der Natur der Sache würde sich nämlich danach aus einem Inbegriff von Rechtsnormen ergeben, die zwar insbesondere Kompetenznormen umfassen, die erörterte jedoch nicht. Ohne die Einbeziehung zusätzlicher Kriterien liegt damit ein Zirkelschluss vor. 275 Müller, Methodik, Rdnr. 126. 276 So auch Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S.367. 271

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

In der Argumentation anhand der Anschütz'sehen Formel fehlt die Begründung dafür, warum den Erkenntnissen über die Wirklichkeit normative Kraft zur Begründung einer Kompetenz zukommt. Die Argumentation weist insofern eine Lücke auf. 277 Unter der Geltung des Grundgesetzes ist eine normative Verankerung jeder Kompetenz zu verlangen. Die normativen Vorgaben für die Ermittlung von Kompetenzen sind der Verfassung zu entnehmen. Verbreitet ist die Auffassung, bei der Argumentation aus der Natur der Sache handele es sich um ein Mittel zur Auslegung der Gesetze.278 Es erscheint allerdings zweifelhaft, im Hinblick auf die Kompetenzbegründung die Natur der Sache als Auslegungshilfe oder Auslegungsmethode anzusehen. Die Auslegung ist Bestandteil des Subsumtionsvorgangs, der beschrieben werden kann als das „In-Entsprechung-Bringen" von Rechtsnorm und Lebensverhältnissen279 und damit von Sein und Sollen. Die Auslegung bezieht sich dabei auf die Seite der Norm, also der des Sollens. Betrachtet man den gängigen Kanon von Auslegungsmethoden, so wird ersichtlich, dass die Auslegungsmethoden der Gewinnung von Erkenntnissen über die Norm dienen. Es werden der Wortlaut der Norm, ihre Entstehungsgeschichte, der systematische Zusammenhang der Norm in der Gesamtregelung und schließlich der Sinn und Zweck der Norm erfragt. 280 Mit diesen Auslegungsmethoden kann die Natur der Sache nicht in eine Reihe gestellt werden, da sie sich ausschließlich auf die Seite der Lebensverhältnisse, das heißt des Seins bezieht. Die Natur der Sache ist als Kriterium zur Erfassung der Wirklichkeit nach Strukturen, die das Recht vorgibt, zu qualifizieren. Die Argumentationsfigur dient somit ebenfalls einem Schritt des Subsumtionsvorgangs, jedoch nicht im Bereich der Auslegung. 4. In einem Zwischenschritt soll überlegt werden, ob die Argumentation aus der Natur der Sache zur Gewinnung von Kompetenzen nicht parallel zur Verwendung der Figur in anderem Zusammenhang erfolgen kann. Eingesetzt wird die Argumentationsfigur der Natur der Sache auch bei der Prüfung einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG. Nach der so genannten „Willkürformel", die das Bundesverfassungsgericht insbesondere zu Beginn seiner Rechtspre277 In dieser Hinsicht ist eine Parallele zu den Einwänden festzustellen, denen die von Maiwald vertretene naturrechtliche Argumentation ausgesetzt ist. Auch gegen sie wird eingewandt, sie weise eine Lücke in der Deduktion auf und zwar in dem Fehlen des logischen Grundes für die Annahme, die Naturrechtsgedanken entwickelten als normative Prämissen bindende Kraft. Damit liege ein Sprung unmittelbar von den Seinsaussagen über die Natur der Sache zum Sollenssatz vor, Klug, Festschrift Tsatsos, S. 602 f. 278 Radbruch, Festschrift Laun, S. 162; s. speziell für die Kompetenzen aus der Natur der Sache auch Bullinger, AöR 96 (1971), 237, 270; März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 63; Pernice, in: Dreier, Art. 30 Rdnr. 32 sowie die Hinweise in Fußn. 232 und 233. 279 Kaufmann, Analogie, S. 11 f. (vgl. auch Fn. 269). Zippelius spricht von der Feststellung einer partiellen Identität zwischen abstrakten Begriffen (der Norm) und konkreten Tatsachen (des Sachverhalts), Zippelius, Methodenlehre, § 161 (S.90f.). 280 Vgl. Zippelius, Einführung, S.57ff.

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

chung bei der Prüfung von Art. 3 Abs. 1 GG anwandte, sah es den Gleichheitssatz dann als verletzt an, wenn wesentlich Gleiches willkürlich ungleich oder wesentlich Ungleiches willkürlich gleich behandelt wurde. 281 Willkürlich ist nach dieser Rechtsprechung eine Maßnahme dann, wenn sie nicht am Gerechtigkeitsgedanken orientiert ist, 282 das heißt, „wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung bei der Gleichbehandlung nicht finden läßt". 283 Auch nach der so genannten „neuen Formel", die für jede Ungleichbehandlung einen rechtfertigenden Grund verlangt, der dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügt,284 ist die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs für die Frage der Ungleichbehandlung und die Rechtfertigung derselben zu berücksichtigen. 285 Die Frage nach dem sich aus der Natur der Sache ergebenden Grund dient in diesem Zusammenhang also der Auslegung eines Rechtssatzes, nämlich des Art. 3 Abs. 1 GG. 286 Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ist nicht unmittelbar erkennbar, wann Gleichheit im rechtlichen Sinn vorliegt oder wann der Gleichheitssatz verletzt ist. Art. 3 Abs. 1 GG bedarf daher der Auslegung. Diese ist durch die Entwicklung der Willkürformel bzw. der neuen Formel in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erfolgt. Die Natur der Sache dient aber auch im Zusammenhang mit dem Gleichheitssatz nicht unmittelbar als Methode zur Auslegung der Norm, sondern nur mittelbar. Gegenstand der Auslegung von Art. 3 Abs. 1 GG ist die Annahme, dass es für eine Ungleichbehandlung eines rechtfertigenden Grundes bedarf und dass dieser Grund sich aus der „Natur der Sache" ergeben soll. Mit dem Bezug auf die Natur der Sache fließen Erkenntnisse über einen Lebenssachverhalt in die Ermittlung eines rechtfertigenden Grundes ein. Die Einbeziehung der Natur der Sache ermöglicht eine rechtliche Wertung und Gewichtung der Wirklichkeit, die durch den Gesetzgeber in ihrer Ausrichtung vorbestimmt ist. 287 Das Abstellen auf die Natur der Sache erfolgt also in Auslegung des Art. 3 Abs. 1 GG, wobei durch die Bezugnahme auf die Natur der Sache Erkenntnisse über die Wirklichkeit in die Auslegung einfließen. Diese Verwendung der Argumentationsfigur aus der Natur der Sache kann jedoch nicht ohne Weiteres auf den hier zu untersuchenden Fall der Kompetenzbegründung 281

Vgl. BVerfGE 1, 14 (52); E 4, 144 (155). BVerfGE 3, 58 (135 f.); E42, 64 (72); E71, 255 (271). 283 BVerfGE 1, 14 (52) (Hervorhebung nicht im Original); in der neueren Rechsprechung BVerfGE 49,260 (271); E61,138 (147); E89,132 (141); weitere Fundstellen bei Osterloh, in: Sachs, Art. 3 Rdnr. 8, Fußn. 12. 284 BVerfGE55,72 (88); E82,126 (146); E84,133 (157); E88,5(12); E95,39 (45). Weitere Nachweise etwa bei Heun, in: Dreier, Art. 3 Rdnr. 19, Fußn. 102; Osterloh, in: Sachs, Art. 3 Rdnr. 13, Fußn. 23. 285 Vgl. Heun, in: Dreier, Art. 3 Rdnr. 19. 286 Kirchhof,\ HbStR V, § 124 Rdnr. 210. 287 Kirchhof HbStR V, § 124 Rdnr. 211. 282

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

übertragen werden. Die Natur der Sache kann nur im Rahmen der Auslegung herangezogen werden, wenn es eine normative Grundlage gibt. 288 Ohne diese Anbindung an eine Norm ist die Argumentation - wie oben gezeigt - lückenhaft. Das Argument der Sachgerechtigkeit, das sich verallgemeinernd hinter dem Verweis auf die Natur der Sache bei der Anwendung dieser Figur im Rahmen von Art. 3 Abs. 1 GG verbirgt, kann allerdings auch im Bereich der Kompetenzordnung fruchtbar gemacht werden. So kann man die Auffassung vertreten, dass eine bestimmte Materie sachgerecht nur durch eine Bundes- oder Landesregelung geregelt werden kann. Dieses Argument ist jedoch - anders als im Rahmen der Prüfung des allgemeinen Gleichheitssatzes - verfassungspolitischer Natur. Art. 3 Abs. 1 GG weist eine Offenheit auf, die durch die Berücksichtigung der Struktur des Sachbereichs aufgefüllt werden kann. Einen solchen Raum lassen die grundgesetzlichen Kompetenznormen nicht. Die Forderung nach einem Mehr an Sachgerechtigkeit bei der Zuständigkeitsverteilung kann also nur auf eine Verfassungsänderung abzielen. 5. Rechtsgrundlage einer Kompetenz muss - wie gesagt - die Verfassung sein. Innerhalb des Systems der ZuständigkeitsVerteilung im Grundgesetz können so genannte ungeschriebene Kompetenzen nur solche sein, die in der geschriebenen Kompetenzordnung in irgendeiner Weise enthalten sind (vgl. auch die Bezeichnung als „stillschweigend mitgeschriebene Kompetenzen"289). Sie sind durch Auslegung zu ermitteln. 290 Für die angenommenen Kompetenzen aus der Natur der Sache sehen die Kompetenzkataloge keine Zuständigkeit des Bundes vor. Nach Art. 70 GG ist daher nach der Verfassungslage von einer Zuständigkeit der Länder auszugehen. Die Annahme einer Bundeskompetenz, die nicht ausdrücklich im Kompetenzkatalog enthalten ist, steht also zunächst im Widerspruch zu Art. 70 GG. 291 Möglicherweise kann aber der Verfassung außerhalb der Kompetenzkataloge eine Zuständigkeitsbestimmung zugunsten des Bundes entnommen werden. a) Eine in der Literatur vertretene Ansicht leitet die Kompetenzen aus der Natur der Sache aus dem Gesamtsinn der verfassungsrechtlichen Bestimmungen über den Bundesstaat ab. 292 Diese Meinung begegnet erheblichen Bedenken. Sie verzichtet für die Begründung einer Kompetenz auf den Anknüpfungspunkt in einer Norm. 288

Sonst wird die Argumentation aus der Natur der Sache wiederum zur Rechtsquelle; vgl. Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S.367. 289 Vgl. Küchenhojf,\ AöR 82 (1957), 413, 415, 416; März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art.30 Rdnr.57; v.Mutius, Jura 1986,498,499; Stern, StR I, § 19 III 3 (S.676). Vgl. auch Fußn. 127. 290 Degenhart, in: Sachs, Art. 70 Rdnr. 22. 291 Woljf\ Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S.366. 292 Bothe, in: AK, Art. 30 Rdnr. 15; Bullinger, AöR 96 (1971), 237, 270; Rengeling, HbStR IV, § 100 Rdnr. 59. - In dieselbe Richtung geht die Auffassung, die Argumentation aus der Natur der Sache sei eine evidente Ableitung aus evidenten Sätzen über den Bundesstaat, Harms, Der Staat 33 (1994), 409, 426. Woljf\

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

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Vielmehr wird versucht, aus einer Gesamtschau der Normen, die den Bundesstaat betreffen und ihn ausgestalten, allgemeine Aussagen zu formulieren. Evidente Aussagen über den Bundesstaat können aber kaum getroffen werden. 293 Wohl können allgemeine Aussagen über den Bundesstaat formuliert werden. Diese beruhen auf den normativen Vorgaben, die die Verfassung für den Bundesstaat trifft. Zu diesen Vorgaben ist auch die Kompetenzordnung zu zählen. Er erscheint jedoch nicht ausreichend, die Begründung von Zuständigkeiten, die nicht im Kompetenzkatalog enthalten sind, auf diese so gewonnenen Sätze zu stützen. Zum einen sind die Aussagen über den Bundesstaat nicht konkret genug, um einzelne Kompetenzen aus ihnen abzuleiten. Zum anderen sind die zu begründenden Kompetenzen gerade nicht in den Kompetenzkatalogen enthalten, so dass die Argumentationsführung über allgemeine Sätze zum Bundesstaat als „Umgehung" der geschriebenen Kompetenzordnung gewertet werden muss. Außerdem erscheint es als Zirkelschluss, wenn zunächst unter anderem aus der Kompetenzordnung allgemeine Aussagen über den Bundesstaat getroffen werden und diese dann im Anschluss wiederum als Grundlage für die Herleitung neuer Kompetenzen dienen. b) Daneben wird vertreten, dass dem Gesamtzusammenhang der Verfassung bestimmte normative Aussagen zu entnehmen sind, die nicht ausdrücklich ausformuliert wurden. Daher sei die Annahme von nicht im geschriebenen Verfassungstext enthaltenen Kompetenzen möglich. 294 Die Ableitung von Kompetenzen aus dem Gesamtzusammenhang der Verfassung weist auf eine systematische Auslegung der Normen des Grundgesetzes hin. 295 Auf diese Weise können aber bestimmte einzelne Kompetenzen nicht begründet werden. Das Grundgesetz regelt die Kompetenzen ausdrücklich. Die Normen der Kompetenzordnung weisen dem Bund Zuständigkeiten nach Sachbereichen einzeln zu; der Restbereich verbleibt den Ländern. Allgemeine Prinzipien der Zuständigkeitsverteilung werden nicht aufgestellt. Vor dem Hintergrund dieser Regelungstechnik ist die Begründung von ganzen Kompetenzbereichen aus der Zusammenschau verschiedener grundgesetzlicher Normen nicht möglich. c) Weiterhin ist eine Kompetenzbegründung zu überlegen, die auf der Schließung einer Lücke in der Verfassung durch Analogie gestützt wird. 296 Voraussetzung ist das Vorliegen einer Lücke in der Kompetenzordnung. Das Grundgesetz müsste also einen bestimmten Sachbereich übersehen und unbewusst nicht geregelt haben297 und diese Lücke müsste durch eine Analogie geschlossen werden. Im Rahmen des Ana293

Dies räumt auch Harms, Der Staat 33 (1994), 409, 427, ein. Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 70 Rdnr. 22. 295 Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 39. 296 So Larenz/Canaris, Methodenlehre, S. 240. S. schon Triepel, Festschrift Laband, S. 309 ff. 297 Nach Zippelius liegt in einem solchen Fall eine „Wertungslücke" vor: das positive Recht sei zwar seinem Wortlaut nach widerspruchsfrei anwendbar, es bedürfe aber nach dem Rechtsgefühl einer Ergänzung, Zippelius, Einführung, S. 73 f. 294

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

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logieschlusses ließe sich die Natur des Sachbereichs, als Erkenntnis über die Strukturen des relevanten Ausschnitts der Realität aufgefasst, zur Begründung der Analogie heranziehen.298 In ähnlicher Richtung argumentiert ein Ansatz, der die Begründung von Kompetenzen aus der Natur der Sache in der Annahme von ungeschriebenem Verfassungsrecht sieht. 299 Deutlich wird hier aufgezeigt, dass ungeschriebene Kompetenzen im Widerspruch zu Art. 70 GG stehen, der die Kompetenzverteilung abschließend geregelt habe. Der Grund für die Zulässigkeit ungeschriebener Zuständigkeiten wird darin gesehen, dass der Verfassungsgeber diesen Widerspruch selbst geschaffen habe. Er habe bei der Regelung der Kompetenzordnung Sachbereiche entweder vergessen oder sie als Selbstverständlichkeiten nicht für regelungsbedürftig gehalten und damit den Widerspruch zu Art. 70 GG als „rein formal" empfunden. 300 Hingewiesen wird darauf, dass der Verfassungskonvent von Herrenchiemsee von der Existenz ungeschriebener Kompetenzen ausgegangen sei. 301 Auch wenn man grundsätzlich vom Bestehen ungeschriebenen Verfassungsrechts ausgeht, entbindet dies nicht davon, jeden einzelnen ungeschriebenen Rechtssatz genau herzuleiten. Ein genereller Verweis auf die Möglichkeit und Zulässigkeit ungeschriebener Kompetenzen genügt nicht, um für einzelne Sachbereiche eine Kompetenz entgegen den Regelungen der geschriebenen Verfassung anzunehmen. Ein pauschaler Bezug zur Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes reicht jedenfalls für die Annahme einer konkreten ungeschriebenen Kompetenz nicht aus. Vielmehr muss im Einzelnen dargelegt sein, warum für einen einzelnen Sachbereich von einer ungeschriebenen Kompetenz ausgegangen werden muss.302 Als Beleg für die Annahme einer Lücke und als Argumentationsgrundlage für den Analogieschluss kann dann die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes in einer bestimmten einzelnen Hinsicht, ein Vergleich mit den Regelungen der Weimarer Verfassung zu dem in Frage stehenden Sachbereich sowie die Staatspraxis und die Staatsrechtslehre in historischer Perspektive herangezogen werden. Die Feststellung einer Lücke im Grundgesetz im Bereich der Kompetenzordnung begegnet grundsätzlichen Bedenken. Vor dem Hintergrund des Art. 70 GG, der eine vollständige Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern bewirkt, erscheint die Annahme einer Lücke kaum möglich. Art. 70 GG ist insofern zukunftsoffen, als auch neue Sachbereiche, die zum Zeitpunkt der Verfassungsgebung noch nicht als Regelungsmaterien erkannt waren, von ihm erfasst sind. 303 Ist eine Zuständigkeit 298

Vgl. Bullinger, AöR 96 (1971), 236, 281. Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S.368f. 300 Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S. 366. 301 Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S.366f. 302 Allgemein formuliert dies auch Wolff. Er verlangt für die Begründung eines ungeschriebenen Verfassungsrechtssatzes, dass die Frage, warum er nicht im Grundgesetz steht, beantwortet wird, Wolff, Ungeschriebenes Verfassungsrecht, S.462. 299

303

6 Pabel

Heintzen, DVB1. 1997, 689, 691; März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr.21.

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

der Länder für solche Materien verfassungspolitisch nicht gewollt, so ist eine Verfassungsänderung erforderlich. 304 In Bezug auf Kompetenzmaterien, die schon zum Zeitpunkt der Verfassungsgebung als solche erkannt waren, erscheint es vor dem Hintergrund der ausgestalteten, umfassenden Kompetenzordnung ebenfalls kaum möglich, eine Lücke anzunehmen. Es bedarf also einer sorgfältigen Prüfung, um im Einzelfall eine ausfüllungsbedürftige Lücke anzunehmen. Ist für eine bestimmte Kompetenzmaterie eine Lücke durch Heranziehung der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes, der Zuständigkeitsregelung nach der Verfassung von Weimar sowie unter Berücksichtigung der Staatspraxis und der Staatslehre in historischer Perspektive festgestellt worden 305 , so muss diese nach den Regeln der Analogie geschlossen werden. Zur Schaffung einer Basis für den Analogieschluss ist dann die Struktur des Sachbereichs zu untersuchen. Ziel ist es, in der Struktur ähnliche Kompetenzmaterien aufzuspüren, die in der geschriebenen Kompetenzordnung zu finden sind, um deren kompetenzielle Regelung auf den in Frage stehenden Sachbereich zu übertragen. 306 Hier kann also die Natur der Sache Berücksichtigung finden, um die rechtserheblichen Gesichtspunkte der Kompetenzmaterie zu erfassen. Die Kompetenzbegründung erfolgt jedoch durch Analogieschluss, das heißt durch Erstreckung einer geschriebenen Norm auf einen eigentlich nicht erfassten Sachverhalt, und damit durch Auslegung im weitesten Sinn. Zusammenfassend ist als hier vertretene Auffassung festzuhalten, dass in Ausnahmefällen echte Lücken in der Kompetenzordnung denkbar sind. Diese sind durch Analogie zu schließen. Bei der Analogiebildung können die Erkenntnisse über die Natur der Sache zur Bildung der Basis für den Analogieschluss herangezogen werden. 6. Es bleibt die Frage zu beantworten, ob es bei dieser Auffassung von der Argumentation aus der Natur der Sache noch eine Kompetenzfigur aus der Natur der Sache geben kann. 307 Kompetenzen sind allein durch Verfassungsauslegung zu ermitteln. Eine Figur aus der Natur der Sache hätte dann eine Bedeutung, wenn sie - wie die Kompetenzbegründung kraft Annexes oder kraft Sachzusammenhangs - eine bestimmte Auslegungsmethode bezeichnete. Wie oben ausgeführt, wird jedoch mit der Argumen304 Der Kompetenzkatalog des Art. 74 Abs. 1 GG weist solche „neuen" Materien, die durch Verfassungsänderung in die Zuständigkeit des Bundes gestellt wurden, auf. Vgl. etwa Art. 74 Abs. 1 Nrn. 19 a, 24, 26 GG. 305 Zudem spielt der vergleichende Blick auf den Kontext des Gesetzes eine wichtige Rolle bei der Feststellung einer Weitungslücke, vgl. Triepel, Festschrift Laband, S. 318 f., speziell für die Kompetenzermittlung durch Analogie, S.325. 306 Zum Analogieschluss vgl. Zippelius, Methodenlehre, § 11 I I (S. 61 ff.). Beim Analogieschluss werden bestimmte Merkmale eines Sachverhalts als die bestimmenden angesehen und die übrigen außer Acht gelassen, um eine Rechtsnorm, die den Sachverhalt eigentlich nicht erfasst, auch auf diesen zu beziehen. 307 Zweifelnd März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 65.

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

tation aus der Natur der Sache keine Auslegung verfolgt. Vielmehr geht es um nach bestimmten Gesichtspunkten gewonnene Erkenntnisse über die Wirklichkeit. Durch die Kenntnis der wesentlichen Elemente der Sachstruktur einer Kompetenzmaterie kann jedoch eine Kompetenz nicht begründet werden. Erforderlich dafür ist eine Anbindung an die in der Verfassung niedergelegte Kompetenzordnung, gegebenenfalls noch an andere Bestimmungen, aus denen eine Zuständigkeit durch Auslegung ermittelt werden kann. Bei Feststellung einer Lücke in der Kompetenzordnung kann diese durch Analogie geschlossen werden. Die Struktur eines Sachbereichs, die durch die Ermittlung der Natur der Sache erkannt wurde, kann lediglich zur Überprüfung des durch Auslegung gewonnenen Ergebnisses oder zur Fundierung des Analogieschlusses herangezogen werden. Dabei können Gesichtspunkte der Natur der Sache das Ergebnis stützen oder es in Frage stellen. Die Kompetenzbegründung selbst beruht nicht auf diesen Gesichtspunkten. Es bleibt der Einwand, dass es in der Praxis ein Bedürfnis nach der Kompetenzfigur aus der Natur der Sache gebe. Als ein Argument zur Annahme von ungeschriebenen Kompetenzen wird angeführt, dass die Kompetenzordnung nicht versteinern dürfe. Ungeschriebene Kompetenzen dienten der Flexibilität der Kompetenzordnung. 308 Dagegen spricht jedoch, dass das Bundesverfassungsgericht in den nunmehr fünfzig Jahren seiner Rechtsprechung nur sehr vereinzelt Kompetenzen aus der Natur der Sache angenommen hat. Ein großes Bedürfnis nach der Begründung von Zuständigkeiten aufgrund einer Argumentation aus der Natur der Sache liegt offensichtlich nicht vor. Weiterhin spricht dagegen, dass es seit 1949 etliche Verfassungsänderungen im Bereich der Kompetenzordnung gegeben hat. Dabei wurden sowohl die Kompetenzkataloge zugunsten des Bundes erweitert 309, als auch Regeln der Kompetenzverteilung zugunsten einer Erweiterung der Länderzuständigkeiten geändert. 310 Insbesondere zeigte sich aber, dass eine Erweiterung des Kompetenzkataloges vorgenommen wurde, wenn sich eine bundeseinheitliche Regelung als notwendig herausstellte. 311 Einer Versteinerung der Kompetenzordnung wird also durch Maßnahmen des Verfassungsgebers vorgebeugt. 312 Der Verfassungsinterpret muss nicht eine Inflexibilität kompensieren. 308 Zur Entwicklungsoffenheit der Kompetenzverteilung vgl. schon Bullinger, DÖV 1970, 797ff.; auch Fehling, Kompetenzabgrenzung, S.43f.; Scholz, Festschrift BVerfG (1976) II, S. 252; Stettner, Kompetenzlehre, S. 142ff. 309 Neu eingeführt wurden beispielweise die konkurrierende Zuständigkeit für die Erzeugung und Nutzung der Kernenergie zu friedlichen Zwecken (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 a GG) und diejenige für die künstliche Befruchtung beim Menschen, die Untersuchung und die künstliche Veränderung von Erbinformationen sowie die Regelungen der Organstransplantation (Art. 74 Abs. 1 Nr. 26 GG). 310 So etwa Art. 72 Abs. 2 GG. - Einzelne Kompetenzmaterien wurden aus dem Katalog des Art. 74 Abs. 1 GG entnommen und in den der Rahmengesetzgebung nach Art. 75 GG aufgenommen, was ebenfalls eine Erweiterung der Länderzuständigkeiten bedeutet. Vgl. Sommermann, Jura 1995, 393 ff. 311 Stern, StRII, §37 I I 5 b (S.612). 312 So auch Bothe, AK, Art. 30 Rdnr. 16.

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

Letztlich könnte aber auch das Bedürfnis nach einer flexibleren Kompetenzordnung nicht die Annahme von ungeschriebenen Kompetenzen gegen die Verfassung rechtfertigen. Die Feststellung eines solchen Bedürfnisses kann eine verfassungspolitische Forderung nach einer anderen verfassungsrechtlichen Regelung der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern zur Folge haben. Sie kann aber nicht die bestehende Verfassungslage ändern oder zu einer bestimmten, nicht in der Verfassung vorgesehenen „Auslegung" der Kompetenzen führen. Somit kann das Argument des Bedürfnisses nach einer flexibleren Kompetenzordnung nicht die hier vertretene Auffassung zur herkömmlichen Kompetenz aus der Natur der Sache widerlegen. (c) Kompetenzielle Bewertung der Kunstpflege unter dem Gesichtspunkt der gesamtstaatlichen Repräsentation Unter Zugrundelegung der Auffassung zur Kompetenz aus der Natur der Sache bleibt zu klären, ob der Bund einzelne kulturelle Veranstaltungen oder Institutionen deswegen fördern darf, weil sie von nationaler Bedeutung sind, weil sie der nationalen Repräsentation des Gesamtstaats dienen oder weil sie von gesamtstaatlicher oder zumindest überregionaler Bedeutung sind. Nachdem geschriebene Kompetenzen und Kompetenzen aus Annex oder Sachzusammenhang nicht festgestellt werden konnten, ist zu prüfen, ob hier eine Kompetenz durch Analogieschluss zu ermitteln ist. Die Förderung einer kulturellen Einrichtung oder Veranstaltung aus dem Grund, dass sie der nationalen Repräsentation dient, setzt zunächst voraus, dass ihr diese Funktion zuerkannt wird. Die Kompetenz zur Förderung umfasst gleichzeitig auch die Kompetenz festzustellen, welche kulturellen Aktivitäten national repräsentativ sind. Diese Zuständigkeit ist deswegen weitreichend, weil es objektive, allgemein anerkannte Kriterien, die zur Beurteilung einer kulturellen Aktivität als national repräsentativ führen, nicht gibt. Die Entscheidung enthält ein nur auf seine Plausibilität hin nachprüfbares Element der Wertung. Mit der Anerkennung einer Kompetenz zur Förderung kultureller Einrichtungen und Veranstaltungen von gesamtstaatlicher Bedeutung wird dem Kompetenzträger gleichzeitig der Freiraum zugebilligt, zu entscheiden, welche Kriterien zur Anerkennung einer gesamtstaatlichen Bedeutung vorliegen müssen und welche Einrichtungen und Veranstaltungen diese Kriterien erfüllen. Die Argumentation, dass der Bund deswegen keine Kompetenz zur Förderung von kulturellen Aktivitäten zur nationalen Repräsentation habe, da er dann inhaltlich kulturelle Entscheidungen treffen müsse, kann nicht überzeugen.313 Wenn man dem Bund die Zuständigkeit zur finanziellen Förderung von kulturellen Maßnahmen der nationalen Repräsentation zuerkennt, gehört dazu auch die Befugnis, die entsprechenden Kriterien, die zu einer Förderungswürdigkeit der kulturellen Aktivitäten führen, festzulegen. 314 313

So aber Geißler, Kunstförderung, S. 140.

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

Nach den oben angestellten Überlegungen zur Kompetenz aus der Natur der Sache kann eine Kompetenz des Bundes für kulturelle Maßnahmen zur nationalen Repräsentation nur angenommen werden, wenn insofern eine Lücke in der Verfassung festzustellen ist und diese Lücke durch Analogie zugunsten des Bundes geschlossen werden kann. Für kulturelle Aufgaben zur Repräsentation des Gesamtstaats gelingt eine solche Kompetenzbegründung durch Analogie zugunsten des Bundes allerdings nicht. Es lässt sich zunächst schon keine Unvollständigkeit der Verfassung feststellen. Insbesondere kann der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes kein Anhaltspunkt entnommen werden, dass man die Kompetenz des Bundes für kulturelle Maßnahmen zur nationalen Repräsentation ebenso selbstverständlich erachtete wie etwa die Zuständigkeit für die Staatssymbole.315 Gerade die Feststellung, dass dem Bund grundsätzlich keine Kompetenzen für kulturelle Tätigkeiten zustehen316, lässt es als wenig überzeugend erscheinen, dass die Verfassung kulturelle Maßnahmen unter einem bestimmten Aspekt dem Bund kompetenziell zuweisen wollte, insofern aber lückenhaft ist. Die Aussage, dass eine entsprechende Kompetenz aus der Staatlichkeit des Bundes folge, wurde schon oben abgelehnt.317 Selbst wenn man jedoch eine solche Lücke annehmen würde, müsste sie zugunsten der Länder geschlossen werden. Die Zuständigkeit für kulturelle Angelegenheiten liegt hauptsächlich bei den Ländern. Kompetenzen des Bundes in diesem Bereich stellen eine mengenmäßige Ausnahme dar. Schon diese Verteilung nach dem Schwerpunkt spricht dafür, auch für die Förderung kultureller Maßnahmen mit gesamtstaatlicher Bedeutung oder zum Zweck nationaler Repräsentation eine Länderzuständigkeit anzunehmen. Hinzu kommt, dass kulturelle Maßnahmen, die gesamtstaatliche Bedeutung entfalten oder der besonderen Zweckbestimmung der nationa314 Auch in der politischen Auseinandersetzung um die Frage, welche Fördermaßnahmen der Bund ergreifen darf, wird ein Unbehagen daran deutlich, dass eine Förderung des Bundes dann erfolgt, wenn er eine Einrichtung oder Veranstaltung als „gesamtstaatlich bedeutsam" anerkennt oder wenn eine Einrichtung als „national" bezeichnet wird (vgl. etwa G. St., FAZ v. 12.3.2001, S.54). Allerdings lässt sich aus dem Unbehagen gegenüber der Anerkennung einer Kompetenz des Bundes, festzulegen, welche Einrichtungen und Veranstaltungen als gesamtstaatlich bedeutsam anerkannt werden und in den Genuss von Bundesmitteln kommen, ein Indiz für die Länderzuständigkeit ableiten. Die Auswahl der Einrichtungen bzw. Veranstaltungen für die Bundesförderung wird als zufällig empfunden. Das liegt auch daran, dass keine ausgewogene, gleichmäßige Verteilung der Mittel auf Einrichtungen in allen Bundesländern stattfindet, deren Niveau und Ausstrahlungswirkung mit denen der geförderten Einrichtungen vergleichbar ist und denen deshalb ebenfalls gesamtstaatliche Bedeutung zugemessen werden könnte. Die Förderung erstreckt sich jeweils auf Einzeleinrichtungen; die Auswahl hat zum Teil traditionelle Gründe. Diese Konstellation ist ein Indiz dafür, dass die Förderung eigentlich Länderangelegenheit ist, der Bund sich also politisch nicht insgesamt für die Förderung bedeutender Kultureinrichtungen verantwortlich fühlt, sondern - aus unterschiedlichen, politischen Gründen - lediglich bestimmte Einrichtungen herausgreift. 3,5 Vgl. dazu unten S. 130ff. 316 Zu Ausnahmen s. zusammenfassend S. 149ff. 317 S. 64 ff.

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

len Repräsentation unterfallen, gegenüber anderen kulturellen Maßnahmen keine besondere Struktur aufweisen. Die Tätigkeit des Staates besteht bei jeglicher Kunstpflege in der finanziellen Förderung der Maßnahmen durch institutionelle Förderung oder Projektförderung oder die Mitfinanzierung von Baumaßnahmen. Das Kriterium der überregionalen oder gesamtstaatlichen Wirkung einer Einrichtung oder Veranstaltung spricht - wie oben ausgeführt - nicht schon von vornherein für eine Bundeszuständigkeit, da die Zuständigkeit nicht von der Wirkungsbreite oder der Bedeutung einer Maßnahme abhängig ist. Eine Parallele zu den Staatssymbolen, für die eine Bundeszuständigkeit angenommen werden kann 318 , ist nicht festzustellen. Das Wesen von Staatssymbolen im hier vertretenen Wortsinn ist es, dass sie den Staat abbilden, ihn vergegenständlichen. Sie dienen der unmittelbaren Repräsentation des Gemeinwesens. Kulturelle Maßnahmen weisen jedoch gerade aus dem staatlichen Bereich hinaus. Die Repräsentationswirkung, die kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen für den Staat entfalten können, ist mittelbarer Natur. Es findet gerade keine Identifikation des Staates mit bestimmten Kulturereignissen statt. Eine solche ist auch nicht erwünscht. Vielmehr soll durch kulturelle Veranstaltungen, die eine große Resonanz finden, insgesamt ein positives Bild des Staates vermittelt werden. Man kann daher von einer indirekten Repräsentation sprechen. Die kulturellen Aspekte stehen bei den Kulturereignissen im Vordergrund, die Repräsentationswirkung ist ein erwünschter Nebeneffekt. Eine Lückenschließung in Analogie zu einer Kompetenz für die Staatssymbole scheidet somit aus. (3) Ergebnis Der Bund besitzt keine Zuständigkeit zum Betreiben von kultureller Förderung unter dem Gesichtspunkt der kulturellen Repräsentation des Gesamtstaats oder der gesamtstaatlichen Bedeutung einer kulturellen Einrichtung oder Veranstaltung.

2. Kunstpflege in den neuen Bundesländern a) Kompetenzausübung durch den Bund Seit dem Jahr 1999 hat die Bundesregierung das Programm „Kultur in den neuen Ländern" aufgelegt. 319 Die Mittel aus diesem Programm sollen dafür eingesetzt 318

S. 128 ff. Die Mittel finden sich im Haushalt des Bundesbeauftragten für Kultur, Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 0405, Tgr.01, Titel 89415-195. Das Programm sieht Fördermittel bis in das Jahr 2003 vor. Prinzip des Förderprogramms ist es, dass Länder und Kommunen die Mittel des Bundes mindestens in gleicher Höhe komplementär ergänzen. An dieser Vereinbarung wird deutlich, dass die Mitfinanzierung durch den Bund eine Einschränkung der Kompetenzausübung durch die Länder darstellt. Sie sind näm319

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

werden, dass überregional bedeutsame Kultureinrichtungen in den neuen Ländern Unterstützung durch den Bund erhalten. Insgesamt sollen die Fördermaßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur in den neuen Ländern dienen.320 Damit werden insbesondere Baumaßnahmen an kulturellen Einrichtungen, z.B. Museen, Kulturzentren, Theater- und Konzertsälen, durch den Bund zusätzlich finanziell unterstützt. Des Weiteren sind im Haushalt des Kulturstaatsministers auch besondere Investitionszuschüsse für Baumaßnahmen in Bezug auf kulturelle Einrichtungen etatmäßig vorgesehen.321 Hier wurde das Programm „Leuchttürme Ost" aufgelegt, mit dem das Ziel verfolgt wird, in den neuen Ländern Schwerpunkte kulturellen Engagements des Bundes zu bilden, indem gesamtstaatlich bedeutsame Einrichtungen von nationalem und europäischem Rang gefördert werden. 322 b) Umfang der Bundeskompetenz aa) Kompetenz aufgrund des Einigungsvertrags Als Rechtsgrundlage für eine spezielle Regelung hinsichtlich der Kunstförderung in den neuen Bundesländern bietet sich der Einigungsvertrag an, mit dem die Wiedervereinigung zwischen der Bundesrepublik und der DDR vertraglich vollzogen wurde. 323 Kapitel VIII des Einigungsvertrages betrifft die Bereiche Kultur, Bildung und Sport. Innerhalb dieses Kapitels hebt Art. 35 EV die kulturelle Dimension der deutschen Wiedervereinigung hervor. 324 Abs. 1 dieser Bestimmung geht in Form eilich über einen gewissen Zeitraum hinweg hinsichtlich ihrer Mittelverteilung und damit Kompetenzausübung insofern gebunden, als sie diese für die vom Bund geförderten Maßnahmen verwenden müssen, um die Bundesmittel zu erhalten. Zur Förderung in den Jahren 1991 bis 1995 s. Deutscher Kulturrat, Zweiter Bericht zur Kulturpolitik, S. 13 ff.; insbesondere Neufeldt, ebenda, S. 105 ff.; Ritter, in: Kulturfinanzierung, S.43ff.; Wiesand, in: Kulturfinanzierung, S.31 ff. 320 Laut einer Pressemitteilung des Bundespresseamtes v. 9.3.2001 (Mitteilung 97/01) hat das Aufbauprogramm auch beschäftigungspolitische Bedeutung, da die Baumaßnahmen in der Regel durch ortsansässige Firmen durchgeführt werden. 321 Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 0405, Tgr. 02, Titel 89421-183. 322 Vgl .Ritter, in: Kulturfinanzierung, S.50; s. auch Staatsminister Nida-Rümelin, Thüringer Allgemeine v. 22.3.2001. Zusätzlich stehen besondere Mittel für den Denkmalschutz in den neuen Bundesländern zur Verfügung, die in die Förderprogramme „Dach und Fach" und „Denkmalschutz" eingebunden sind. Diese sollen in der vorliegenden Untersuchung jedoch außer Betracht bleiben. 323 Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31.8.1990 (Einigungsvertrag), BGBl. II, S. 885. Der Bundestag transformierte mit Gesetz vom 23.12.1990 (BGBl. II, S. 885) mit Zustimmung des Bundesrates diesen völkerrechtlichen Vertrag gemäß Art. 59 Abs. 2 GG. Der Einigungsvertrag (EV) regelt den Beitritt der Länder Brandenburg, MecklenburgVorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zum Gebiet der Bundesrepublik und bildet die rechtliche Grundlage für die deutsche Wiedervereinigung. 324 Zur Bedeutung von Art. 35 EV als Kulturklausel für die gesamte Bundesrepublik s. Häberle, VA 1991,169, 180; Schulze-Fielitz, NJW 1991, 2456.

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

ner Präambel auf die einheitsstiftende Bedeutung der Kultur ein und unterstreicht ihren Stellenwert auch für das Ansehen des deutschen Staates nach außen. Damit wird betont, dass die deutsche Wiedervereinigung neben ihrer politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen auch eine kulturelle Bedeutung hat. 325 In Abs. 2 ist das Ziel formuliert, dass die kulturelle Substanz im Beitrittsgebiet keinen Schaden nehmen darf. Er umfasst damit eine allgemeine Schutz- oder Bestandsklausel. 326 Die folgenden Absätze von Art. 35 EV konkretisieren diese allgemeine Absichtserklärung mit dem Ziel, die kulturellen Einrichtungen und das kulturelle Leben in den neuen Bundesländern zu sichern. 327 Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Finanzierung der kulturellen Aufgaben, die grundsätzlich entsprechend der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes als Angelegenheit der Länder qualifiziert ist (vgl. Abs. 3), wobei jedoch Mitfinanzierungsmöglichkeiten des Bundes ausdrücklich nicht ausgeschlossen sind. Der Bund soll den neuen Ländern helfend zur Seite treten, um die Wahrnehmung der kulturellen Aufgaben sicherzustellen. 328 So sieht Art. 35 Abs. 4 S. 2 EV eine Mitfinanzierungsmöglichkeit durch den Bund für bisher zentral geleitete kulturelle Einrichtungen vor, die nunmehr in die Trägerschaft der Länder übergegangen sind. Art. 35 Abs. 6 S. 2 EV ermöglicht dem Bund eine Mitfinanzierung des Kulturfonds bis zum 31.12.1994. Ferner wird in Abs. 4 der Übergang der Trägerschaft von bisher zentral geleiteten kulturellen Einrichtungen an Länder und Gemeinden geregelt. Schließlich befasst sich Abs. 5 mit den Angelegenheiten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. 329 Fraglich ist, ob die konkreten Regelungen des Art. 35 EV dem Bund über die Bestimmungen des Grundgesetzes hinaus Finanzierungskompetenzen für kulturelle Maßnahmen in den neuen Bundesländern vermitteln können.330 Der Einigungsvertrag ist als verfassungsänderndes Gesetz gemäß Art. 79 Abs. 2 GG mit der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden. Erforderlich war diese qualifizierte Mehrheit wegen der in Art. 4 EV vorgesehenen beitrittsbedingten Grundgesetzänderungen. 331 Die Bestimmungen des Einigungsvertrages sind also formelles Verfassungsrecht. Dennoch hat der Einigungsvertrag nicht den Rang von Verfassungsrecht. 332 Abgesehen von den in Art. 4 EV genannten Verfassungsänderungen gilt der Einigungsvertrag im Rang eines Bundesgesetzes 325

Schulze-Fielitz, NJW 1991, 2456. Kilian, LKV1992, 241; s. auch Häberle, VA 1991, 169, 180f. 327 Schulze-Fielitz, NJW 1991, 2456. 328 Häberle, Die Verwaltung 1991, 169, 180; Kilian, LKV 1992, 241, 243. 329 S. zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz unten, S. 96ff. 330 Zur Ableitung von Bundeskompetenzen zur Kunstförderung aus dem Einigungsvertrag s. auch Geißler, Kunstförderung, S. 147 ff. 331 Badura, HbStR VIII, § 189 Rdnr. 22; Geiger, GG und Völkerrecht, S. 67. Zur Zulässigkeit der Regelung von Verfassungsänderungen in einem völkerrechtlichen Vertrag vgl. BVerfGE 82, 316ff. 332 Badura, HbStR VIII, § 189 Rdnr. 39. 326

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege 333

fort. Über die in Art. 4 EV genannten Fälle hinaus können die dort getroffenen Regelungen das Grundgesetz nicht abändern. Auch eine Änderung der Kompetenzordnung des Grundgesetzes, speziell eine Erweiterung der Zuständigkeiten des Bundes für die Kunstpflege, kann also durch im EV getroffene Bestimmungen nicht erfolgen. 334 Davon geht auch Art. 35 EV in seinen Absätzen 3 und 6 ausdrücklich aus: Gemäß Art. 35 Abs. 3 EV obliegen Schutz und Förderung von Kunst und Kultur den neuen Ländern und Kommunen entsprechend der Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes. Auch Abs. 6 verweist auf die Kompetenzordnung des Grundgesetzes, indem er eine Mitfinanzierung des Bundes am Kulturfonds ausdrücklich nur in ihrem Rahmen zulässt.335 Damit lassen sich die durch den Bund getroffenen Maßnahmen zur Kunstförderung in den neuen Bundesländern nicht auf Bestimmungen des Einigungsvertrages stützen. bb) Kompetenz aufgrund des Grundgesetzes Eine Grundlage könnten die im Einigungsvertrag niedergelegten Zuständigkeiten sein, wenn sie grundgesetzlichen Bundeskompetenzen entsprächen und nur eine Konkretisierung derselben darstellten. Die dem Bund durch den Einigungsvertrag eingeräumten Kompetenzen zur Sicherung der kulturellen Substanz in den neuen Ländern und zur Förderung des dortigen kulturellen Lebens lassen sich im verfassungsrechtlichen System der Kompetenzverteilung jedoch nicht wiederfinden. Die konkret vorgesehenen Mitfinanzierungsmöglichkeiten des Bundes für einzelne kulturelle Einrichtungen oder für den Kulturfonds finden keine Entsprechung bei den Kompetenzen des Bundes nach dem Grundgesetz. Sie stehen schon deshalb im Widerspruch zur Kompetenzordnung des Grundgesetzes, weil sie eine Mitfinanzierung, also eine gleichzeitige Finanzierung durch Bund und Länder, vorsehen. Im Hinblick auf die Finanzierung von Aufgaben ist die Zuständigkeitsverteilung des Grundgesetzes wie auch bei den Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen von einem strikten Entweder - Oder gekennzeichnet.336 Eine Ausnahme stellen allein die Gemeinschaftsaufgaben nach Art. 91a GG dar, die jedoch keine kulturellen Maßnahmen vorsehen. 337 Eine Zuständigkeit kann sich jedoch eventuell aufgrund der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes im Übrigen ergeben. In der Rechtslehre wird die verfassungsrechtliche Begründung einer Zuständigkeit des Bundes zum Teil auf die „Summe der Art. 20, 28, 134, 135 Abs. 1 GG in Verbindung mit der Präambel des Grundge333

Vgl. Art. 45 Abs. 2 EV; s. auch Badura, HbStR VIII, § 189 Rdnr.38; Hesse, Grundzüge, Rdnr.96. 334 Kilian, LKV1992, 241, 243. 335 Vgl. Schulze-Fielitz, NJW 1991, 2456, 2457. 336 Siehe oben, S. 43. 337 Vgl. oben, S. 53.

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

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setzes" gestützt. Daraus folge eine auch nach der Vereinigung weiter bestehende gesamtstaatliche Verantwortung des Bundes für die Folgen der deutschen Teilung und für die Schaffung der Einheit. 338 Andere folgern eine Zuständigkeit des Bundes aus der Natur der Sache, die dem Bund zur Verfügung stehe, damit er seine kulturelle Verantwortung für die gesamte Bundesrepublik wahrnehmen könne. 339 Für eine bestimmte Zeit könne die kulturelle Zuständigkeit des Bundes weiter reichen, als es die Verfassung normalerweise zulasse.340 Ausdrücklich wird darauf verwiesen, dass der Bund die Aufgabe der Sicherung und Förderung der kulturellen Infrastruktur in den neuen Ländern nur übergangsweise, das heißt für eine befristete Zeit, und nur treuhänderisch für die Länder ausüben darf. 341 Die Möglichkeiten, die Art. 35 EV zur Kunstförderung einräume, seien allerdings restriktiv auszulegen.342 Die Diskussion zeigt auch einen politischen Konflikt. Auf der einen Seite erkennt man eine Notwendigkeit der Finanzierung kultureller Aufgaben in den neuen Ländern durch den Bund, da diese selbst, aber auch die Gemeinschaft der Länder finanziell mit der Unterstützung des kulturellen Bestandes und der Weiterführung in den neugegründeten Ländern auf absehbare Zeit stark belastet sein würden. 343 Nach der Wiedervereinigung befanden sich die neugebildeten Länder in einer historisch besonderen Situation. Durch die erforderliche Umstrukturierung von einem Einheitsin einen föderalen Staat hatten die Länder weder die finanziellen noch die organisatorischen Kapazitäten, um die anfallenden Aufgaben im kulturellen Bereich zu übernehmen. Die DDR, die sich die künstlerische Produktivität zu Eigen gemacht hatte, sofern sie dem kommunistischen Staat diente, hatte für die finanzielle Ausstattung der dienlichen kulturellen Einrichtungen gesorgt. Finanzielle Eigeninitiative und die Mitverantwortung der Kulturträger für die Bestandssicherung im kulturellen Bereich wurden allerdings nicht gefördert. 344 So waren keine Strukturen vorhanden, um die wirtschaftliche Absicherung kultureller Einrichtungen zu gewährleisten. Auf der anderen Seite wird aber auch ein Unbehagen gegenüber den dem Bund eingeräumten Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege deutlich. Man fürchtet einen Einbruch des Bundes in einen nach der grundgesetzlichen Kompetenzordnung den Ländern zustehenden Bereich, der einen wesentlichen Anteil an ihrem Kompetenzbestand ausmacht. Ausdrücklich wird die Besorgnis geäußert, dass der Bund seine Finanzmacht durch die ihm eingeräumten Mitfinanzierungsmöglichkeiten dazu verwenden könnte, seine zentralstaatliche Regelungsmacht auszubauen. Da338

Kilian, LKV1992, 241, 244. Häberle, Die Verwaltung 1991, 169, 182. 340 Häberle, Die Verwaltung 1991, 169, 183. 341 Häberle, Die Verwaltung 1991, 169, 183; Kilian, LKV 1992, 241, 244; Klatt, VA 82 (1991), 430,444. 342 Kilian, LKV 1992, 241, 244. 343 Kilian, LKV 1992, 241. 344 Ermisch, Kulturpolitische Aspekte, in: Festschrift v.Köckritz, S.70; Ritter, in: Kulturfinanzierung, S.45ff. 339

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

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mit entwickele sich ein finanziell unterlegter Kulturzentralismus. Durch eine verstärkte Wahrnehmung von Finanzierungskompetenzen durch den Bund werde die Gewaltenbalance zu Lasten der Länder verschoben. 346 Gerade der Kulturbereich als „domaine reservee" der Länder sei gegenüber Eingriffen des Bundes besonders empfindlich. 347 Aus diesem Unbehagen heraus wird versucht, die Einflussmöglichkeiten des Bundes möglichst zu beschränken, insbesondere zeitlich als Übergangslösung zu charakterisieren. Eine politische Notwendigkeit der Förderung kultureller Einrichtungen in den neuen Ländern mag man annehmen. Eine entsprechende Kompetenz des Bundes ist jedoch nicht ersichtlich. Die Annahme einer Kompetenz aus der Natur der Sache überzeugt nicht. Selbst wenn man von einer Verantwortung des Bundes als Gesamtstaat für die Sicherung des kulturellen Lebens in den neuen Bundesländern ausgeht, ist das eine politische Aussage, sie führt aber noch nicht zur Begründung einer Kompetenz.348 Auch ein Vergleich mit den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, in denen eine Kompetenz des Bundes für die mit der Wiedervereinigung zwangsläufig verbundenen, unaufschiebbaren gesetzgeberischen Entscheidungen angenommen wurde 349 , ergibt für die Frage der Finanzierung kultureller Einrichtungen in den neuen Ländern durch den Bund kein zusätzliches Argument. Bei der Unterhaltung kultureller Einrichtungen handelt es sich nicht um eine unaufschiebbare gesetzgeberische Aufgabe. Sie ist auch keine notwendige Voraussetzung, die zur Ermöglichung der Wiedervereinigung geschaffen werden musste. Außerdem sind neben einer Zuständigkeit des Bundes auch andere Vorkehrungen denkbar, die kulturelle Substanz in den neuen Ländern zu sichern. So kommt eine Erhöhung der Finanzzuweisungen durch den Bund ohne Zweckbindung oder eine Erhöhung der Transferleistungen der anderen Länder in Betracht. Auch ein Abstellen auf eine Zusammenschau von mehreren Verfassungsnormen kann in der dargestellten Art und Weise allenfalls eine Bekräftigung der politischen Verantwortung des Bundes, nicht aber eine Kompetenzbegründung tragen. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass der Bund nach der Verfassungslage für eine Förderung kultureller Maßnahmen in den neuen Ländern keine Zuständigkeit besitzt. Für eine Übergangszeit ist es durchaus denkbar, dass die Länder eine entsprechende Aufgabenwahrnehmung dennoch akzeptieren. Dabei spielt eine wesentliche Rolle, dass damit die finanzielle Belastung der Länder zumindest in einem Bereich geringer wird. Mit dem Vorgehen nach der in Art. 35 EV getroffenen Regelung räumten die Länder wegen ihrer Finanzknappheit der Aufgabenerfüllung Priorität 345

Dittmann, HbStR IX, § 205 Rdnr. 22. Klatt, VA 82 (1992), 430,444. 347 Dittmann, HbStR IX, §205 Rdnr. 22. Vgl. auch Schulze-Fielitz, NJW 1991, 2456, 2459. 348 Ebenso Schulze-Fielitz, NJW 1991, 2456, 2459: keine „extrakonstitutionelle ,Notkompetenz' ". 349 BVerfGE 82, 316 (320f.); E84, 133 (148). 346

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

vor der Wahrung der grundgesetzlichen Kompetenzordnung ein. 350 Es ist jedoch zu erwarten, dass der politische Druck auf den Bund, diese Förderung einzustellen, mit zunehmender Finanzkraft der neuen Länder und einer Angleichung an die alten Länder größer wird, da die alten Länder eine Ungleichbehandlung dann nicht hinnehmen werden. Abgesehen davon spielen selbstverständlich auch fiskalische Interessen des Bundes eine Rolle.

3. Förderung kultureller Maßnahmen von Flüchtlingen und Vertriebenen Als ein weiterer Komplex der Kunstförderung durch den Bund ist die Unterstützung für die kulturellen Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen anzuführen. In diesem Sektor ist eine umfangreiche Tätigkeit des Bundes festzustellen, die jeweils auf die einfachgesetzliche Regelung des § 96 des Bundesvertriebenengesetzes (BVFG) 351 Bezug nimmt. Nach der Neukonzeption der Kulturförderung nach § 96 BVFG ist das Ziel der Förderung des Bundes in diesem Sektor die Bewahrung der kulturellen Traditionen in den ehemals deutschen Kulturlandschaften. 352 Neben kulturellen Maßnahmen im Inland, die insbesondere den Bau von Museen umfassen, soll mit den östlichen Nachbarstaaten ein Kulturaustausch zur Förderung des gegenseitigen Verständigung stattfinden. 353 a) Kompetenzausübung durch den Bund Als Grundlage für die Förderung kultureller Einrichtungen der Flüchtlinge und Vertriebenen dient § 96 BVFG. Nach dieser Vorschrift haben Bund und Länder das Kulturgut der Vertriebenen zu erhalten. Archive, Museen und Bibliotheken müssen gesichert, ergänzt und ausgewertet werden. Außerdem sollen Einrichtungen des Kunstschaffens und der Ausbildung sichergestellt und gefördert werden. Insgesamt ist vorgesehen, das von den Flüchtlingen und Vertriebenen vertretene kulturelle Erbe zu sichern und weiterzuentwickeln. 350

Häberle, Die Verwaltung 1991, 169, 182f.; Klatt, VA 82 (1991), 430,445. Das Bundesvertriebenengesetz (Gesetz über die Angelegenheiten der Vertriebenen und Flüchtlinge [Bundesvertriebenengesetz - BVFG], in der Fass. v. 2.6.1993. BGBl. I, S. 829ff.) wurde zur Regelung der Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen erlassen. Gemäß §§ 1-3 BVFG unterliegen deutsche Staatsangehörige und Volkszugehörige diesem Gesetz. Es bestimmt insbesondere die Verteilung von Spätaussiedlern auf die Bundesländer, ihre Rechte und besonderen Vergünstigungen. 352 S. Bundesregierung, Neukonzeption der Kulturförderung nach § 96 BVFG, v. 20.9.2000, S.2. 353 Bundesregierung, Neukonzeption der Kulturförderung nach § 96 BVFG, v. 20.9.2000, S.2f. 351

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

In Umsetzung des § 96 BVFG sieht der Haushaltsplan des Bundes eine Förderung kultureller Maßnahmen zugunsten von Vertriebenen und Flüchtlingen vor, wobei er sich ausdrücklich auf diese einfachgesetzliche Grundlage bezieht. Unterstützt werden den Vorgaben des Haushaltsplans entsprechend vor allem Vereine und Stiftungen, deren Ziel die Pflege der Kultur aus den Gebieten ist, in denen vor dem Zweiten Weltkrieg Deutsche ansässig waren. 354 Ferner ist ein besonderer Titel eingerichtet, nach dem insbesondere Museen der Gebiete Ostpreußen, Pommern und Schlesien unter der Beteiligung des Bundes finanziert werden sollen.355 In der Erläuterung zu diesem Titel wird als Begründung für die Mittelbereitstellung angeführt, dass diese „großen deutschen Kulturregionen" bisher noch keine umfassende museale Darstellung erfahren hätten. Nach der Titelüberschrift sollen überregionale Einrichtungen gefördert werden. Schließlich stehen Mittel als Hilfen zur Sicherung und Erhaltung deutschen Kulturguts in den historischen Siedlungsgebieten im östlichen Europa 356 und zur Förderung von kulturellen Begegnungen von Deutschen mit der dortigen Bevölkerung 357 zur Verfügung. Außerhalb der oben genannten Titelgruppe ist noch auf die finanzielle Förderung der Bamberger Symphoniker, die 1946 von geflüchteten, ehemaligen Mitgliedern der Deutschen Philharmonie Prag gegründet wurden, und der Philharmonia Hungarica, einem Orchester, das ursprünglich aus 1956 aus Ungarn geflüchteten Musikern bestand, hinzuweisen.358 Auch die Förderung des Deutschen Symphonie Orchesters Berlin ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen. 359 Traditionell wird die Förderung dieser kulturellen Institutionen mit der Aufgabe der Pflege des kulturellen Erbes der Vertriebenen und Flüchtlinge nach § 96 BVFG begründet, 360 auch wenn die Haushaltsmittel inzwischen zu den allgemeinen Maßnahmen der Kunstförderung im Inland gezählt werden.

354 Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04, Kap. 0405, Tgr. 07, Titel 684 71-246. Die Überschrift dieses Titels lautet: „Förderung der Erhaltung und Auswertung deutscher Kultur und Geschichte im östlichen Europa". 355 Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04, Kap. 0405, Tgr. 07, Titel 89372-183. 356 Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04, Kap. 0405, Tgr. 07, Titel 68772-246. 357 Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04, Kap. 0405, Tgr. 07, Titel 68671-249. 358 Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04, Kap. 0405, Tgr. 02 (Kulturförderung im Inland). Die Förderung der Philharmonia Hungarica durch den Bund ist seit Anfang des Jahres 2001 grundsätzlich in Frage gestellt, s. Sandner, FAZ v. 1.2.2001, S. 49; ders., FAZ v. 10.2.2001, S. 41. 359 Das Deutsche Symphonie Orchester hieß vor der Wiedervereinigung Radio Symphonieorchester. Es ist 1946 als Rias-Orchester im amerikanischen Sektor Berlins als Konkurrenz zu dem Ost-Berliner Rundfunk-Symphonieorchester gegründet worden. Es wird nun im Rahmen einer GmbH („Rundfunkorchester und -chöre GmbH") teilfinanziert vom Land Berlin, dem Bund und dem Deutschlandradio. S. dazu Büning, in: FAZ v. 25.1.1999, S.47. 360 Vgl. Küster, Kunst- und Kulturpflege, S.225f.; Geißler, Kunstförderung, S.86.

Kap. : Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

b) Umfang der Bundeskompetenz Die oben genannten Fördermaßnahmen müssten von den Kompetenzen des Bundes gedeckt sein. Einschlägig ist insofern der Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 6 GG, der dem Bund eine konkurrierende Gesetzgebungszuständigkeit vermittelt, umfassend die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen zu regeln. Unter den „Angelegenheiten" der Flüchtlinge und Vertriebenen sind dabei Regelungsfragen zu verstehen, die sich aus dem besonderen Status dieser Personengruppe ergeben. 361 Dabei ist es für die Kompetenz des Bundes unschädlich, wenn zugleich ein anderer Regelungsgegenstand berührt wird. 362 Ziel der durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 6 GG ermöglichten Regelungen ist insbesondere die Integration des erfassten Personenkreises, und zwar in wirtschaftlicher, beruflicher, sozialer, aber auch kultureller Hinsicht. 363 Auf diese Kompetenzgrundlage wurde insbesondere das Bundesvertriebenengesetz gestützt, das in § 96 BVFG eine kulturelle Förderung der Vertriebenen vorsieht. Die Zielsetzung des BVFG insgesamt ist ohne Zweifel die Integration des von Art. 74 Abs. 1 Nr. 6 GG erfassten Personenkreises, so dass es auf die Kompetenznorm des Grundgesetzes gestützt werden kann. Es wird jedoch bestritten, dass Art. 74 Abs. 1 Nr. 6 GG dem Bund auch die Zuständigkeit für die kulturellen Belange der Flüchtlinge und Vertriebenen gewährt. Es sei kein Grund ersichtlich, warum Art. 74 Abs. 1 Nr. 6 GG von der sonstigen Kompetenzverteilung, die kulturelle Angelegenheiten in die Zuständigkeit der Länder stelle, abweichen solle. 364 Diese Auffassung kann jedoch nicht überzeugen. Der Wortlaut von Art. 74 Abs. 1 Nr. 6 GG weist dem Bund die Zuständigkeit für die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen umfassend, das heißt ohne jede Einschränkung zu. Als Bevölkerungsgruppe mit spezifischen Problemen und Bedürfnissen und als Gruppe, an deren Integration der Staat ein besonderes Interesse hat, werden die sie betreffenden Maßnahmen entsprechend dem Kompetenztitel als besondere Sachmaterie verstanden. Für eine Ausnahme der kulturellen Belange der Flüchtlinge und Vertriebenen aus der Kompetenz des Bundes besteht kein Anlass. Insbesondere kann nicht eine allgemeine Kompetenz der Länder für alle kulturellen Angelegenheiten angenommen werden, die von der Bundeskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 6 GG abgegrenzt werden müsste.365 Grundsätzlich kann daher der Bund auch durch kulturelle Maßnahmen die Integration des Personenkreises der Flüchtlinge und Vertriebenen unterstützen. An der kompetenziellen Grundlage des § 96 BVFG ist daher nicht zu zweifeln. 366 361

Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Art. 74 Rdnr. 300. Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 74 Rdnr. 31. 363 Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 74 Rdnr. 31; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 74 Rdnr. 103. 364 Geißler, Kunstförderung, S. 86 Fn. 81. 365 In diese Richtung argumentiert aber Geißler, die von einem Konflikt zwischen der Kompetenz für die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen und der räumlich definierten Länderkulturhoheit spricht, vgl. Geißler, Kunstförderung, S.85. 366 § 96 BVFG unterstellt die kulturellen Maßnahmen des Bundes aufgrund des Bundesvertriebenengesetzes ausdrücklich der Kompetenzverteilung des Grundgesetzes. Dieser Regelung 362

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

Hinsichtlich der Förderung einzelner kultureller Einrichtungen, die der Bund wie oben aufgeführt - gestützt auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 6 GG vornimmt, erscheint jedoch fraglich, ob die Förderung von einzelnen kulturellen Einrichtungen noch Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen sind. 367 Die genannten Orchester bestehen inzwischen kaum noch aus Flüchtlingen, sondern stehen jedem anderen Bewerber gleichermaßen offen. Sie vertreten auch nicht in besonderem Maße die Interessen der in Art. 74 Abs. 1 Nr. 6 GG erfassten Personenkreise, auch wenn sie möglicherweise aus traditioneller Verbundenheit gelegentlich Wohltätigkeitskonzerte zugunsten dieser Personengruppen geben. Eine Rechtfertigung für die Förderung dieser Ensembles durch den Bund aus dem Gesichtspunkt der Zuständigkeit für die Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen ist also entfallen. Bei den Maßnahmen zur Bewahrung des kulturellen Erbes der ehemaligen deutschen Siedlungsgebiete im Osten Europas stellt sich die Frage, ob diese Aufgabe rechtlich noch als Bestandteil der Aktivitäten des Staates zur Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen verstanden werden kann. Dabei ist es unerheblich, ob die Förderung Einrichtungen im Inland betrifft oder ob Mittel zur Förderung in ausländischen Staaten zur Verfügung gestellt werden, in denen früher Deutsche ansässig waren. Über fünf Jahrzehnte nach Ende des Zweiten Weltkrieges und der darauf folgenden Vertreibung und Flucht aus östlichen Teilen Europas sind die Betroffenen in der Gesellschaft der Bundesrepublik aufgegangen. Hier soll nicht in Frage gestellt werden, ob der Staat sich für die Pflege der Kultur in den ehemaligen Siedlungsgebieten im Osten weiterhin einsetzen soll. Diese Entscheidung ist politisch zu treffen. Es handelt sich inzwischen jedoch nicht mehr um Angelegenheiten der Flüchtlinge und Vertriebenen, so dass eine Bezugnahme auf den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 6 GG nicht in Betracht kommt. Allerdings können die Maßnahmen zur kulturellen Außenpolitik gezählt werden, so dass eine Inanspruchnahme der insofern bestehenden Bundeskompetenz möglich erscheint. 368 Dieselbe inhaltliche Bewertung muss auch für die Förderung von kulturellen Begegnungen zwischen der Bevölkerung der ehemaligen Siedlungsgebiete und Deutschen getroffen werden. Auch die diesbezügliche Förderung ist inzwischen als eine außenpolitische Maßnahme zu qualifizieren, kann aber nicht mehr auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 6 GG gestützt werden.

kann jedoch keine eigenständige Bedeutung zugemessen werden, da durch ein einfaches Gesetz nicht die verfassungsrechtliche Zuständigkeitsverteilung abgeändert werden könnte. Der Zusatz erscheint somit als „Beschwichtigung" gegenüber den Ländern, dass der Bund nur in beschränktem Umfang und unter einer bestimmten Zielsetzung kulturelle Aktivitäten entfalten werde. 367 Zweifelnd auch Geißler, Kunstförderung, S. 86. 368 S. unten, S. 120.

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

4. Einrichtung und Unterhaltung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz a) Kompetenzwahrnehmung durch den Bund Mit Gesetz vom 15.10.1957369 errichtete der Bund die Stiftung Preußischer Kulturbesitz als rechtsfähige bundesunmittelbare Stiftung. Durch das Gesetz wurden der Stiftung gleichzeitig näher bezeichnete Vermögenswerte des ehemaligen Landes Preußen - der so genannte „Preußische Kulturbesitz" - übertragen. Nach § 3 Abs. 1 des Stiftungsgesetzes ist Zweck der Stiftung, „bis zu einer Neuregelung nach der Wiedervereinigung die ihr übertragenen preußischen Kulturgüter für das deutsche Volk zu bewahren, zu pflegen und zu ergänzen". 370 Die Stiftung fand in Art. 35 Abs. 5 EV ausdrückliche Erwähnung. Ihr wurde die Aufgabe übertragen, die durch die Nachkriegsereignisse getrennten Teile der ehemals staatlichen preußischen Sammlungen in Berlin wieder zusammenzuführen. 371 Der Stiftung Preußischer Kulturbesitz wurde mit dem Einigungsvertrag zwar zunächst nur die vorläufige Trägerschaft übertragen. Eine neue Regelung für eine Trägerschaft, die in jedem Fall wiederum den gesamten Kulturbesitz umfassen muss, wurde bis heute aber nicht getroffen. 372 Die Organisation der Stiftung ist gekennzeichnet durch eine gemeinsame Trägerschaft von Bund und Ländern. Der Stiftungsrat umfasst 20 Mitglieder; davon sind je zwei Vertreter des Bundes, des Landes Berlin und des Landes Nordrhein-Westfalen. Die übrigen 14 Länder stellen je einen Vertreter. Vorsitzender des Stiftungsrats ist der Kulturbeauftragte des Bundes. Die Vertretungsregeln und Stimm Verteilungen im Stiftungsrat gewährleisten, dass wichtige Beschlüsse nicht gegen die Mehrheit der Länder getroffen werden können. Die Finanzierung der Stiftung ist in einem Abkommen geregelt. Es unterscheidet zwischen Bauhaushalt und Betriebshaushalt. Der Bauhaushalt wird vom Bund und vom Land Berlin je zur Hälfte getragen. Die Finanzierung des Zuschussbedarfs im Betriebshaushalt erfolgt zu 75 % durch den Bund, zu 25 % durch die Länder. 373 b) Entstehung und Entwicklung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Der Gründung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz im Jahr 1957 war ein Konflikt zwischen Bund und Ländern über die Verwaltung des preußischen Kulturbesit369

BGB1.I, S.841. Zur Struktur der Stiftung Preußischer Kulturbesitz s. Knopp, SPK, S. 15 ff. 371 Diese Aufgabe ist inzwischen organisatorisch vollzogen worden. Eine abschließende Realisierung der Zusammenführung wird wegen langwieriger Bauprojekte - etwa auf der Museumsinsel in Berlin-noch Jahre dauern. Vgl. auch Knopp, Festschrift v.Köckritz, S. 175 ff. 372 Zur aktuellen Situation vgl. Lehmann, FAZ v. 14.11.2001, S.51. 373 Das Finanzierungsabkommen ist zum 31.12.2005 kündbar. Das hat zur Folge, dass die Länder - allen voran das Land Berlin - mit der Möglichkeit der Kündigung argumentieren, um finanzielle Entlastungen zu erreichen, vgl. Lehnart, FAZ v. 11.3.2002, S.45. 370

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

zes vorausgegangen. Ursprünglich hatte der Bund die Absicht, mit Beteiligungen und anderen Vermögenswerten auch den preußischen Kulturbesitz in das Eigentum des Bundes übergehen zu lassen.374 Dagegen wandten sich die Länder aus verfassungsrechtlichen Gründen, da sie befürchteten, es werde hierdurch eine Zuständigkeit des Bundes auf dem kulturellen Sektor begründet. 375 Die Länder schlugen statt dessen die Gründung einer Stiftung oder Anstalt vor, die den preußischen Kulturbesitz aufnehmen sollte und an der neben den Ländern auch der Bund beteiligt werden könnte. Daraufhin wurde ein Gesetzentwurf gefertigt, der die Gründung einer Stiftung vorsah, die die ehemaligen preußischen Sammlungen zusammenfassen und in deren Kuratorium der Bund, Berlin und die übrigen Länder vertreten sein sollten. Nach etlichen Überarbeitungen und Änderungen dieses Entwurfs wurde das Gesetz im Februar 1957 verabschiedet und am 25.7.1957 ausgefertigt und verkündet. 376 Am 24.1.1958 stellten die Landesregierungen von Baden-Württemberg, Hessen und Niedersachsen beim Bundesverfassungsgericht einen Normenkontrollantrag zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Stiftungsgesetzes. 377 Sie bestritten die Gesetzgebungsbefugnis des Bundes zum Erlass des Stiftungsgesetzes. Mit Entscheidung vom 15.7.1958 stellte das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes zur Errichtung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und zur Übertragung von Vermögenswerten des Landes Preußen auf die Stiftung fest. 378 In seiner Entscheidung sah es die Kompetenzgrundlage für das Gesetz in Art. 135 Abs. 4 GG. Art. 135 Abs. 2 GG sieht vor, dass das Verwaltungsvermögen der nach dem Krieg untergegangenen Länder - also insbesondere das des aufgelösten Landes Preußen - auf das Land übergeht, das nunmehr die betreffenden Verwaltungsaufgaben erfüllt. Das Grundvermögen nicht mehr bestehender Länder geht samt dem Zubehör auf das Land über, in dem es belegen ist (Art. 135 Abs. 3 GG). Von diesen Grundregeln sieht Art. 135 Abs. 4 GG eine Ausnahmemöglichkeit vor. Der Bund wird ermächtigt, eine von den in Abs. 2 und 3 festgelegten Grundsätzen abweichende Regelung durch Gesetz zu treffen, wenn dies das überwiegende Bundesinteresse erfordert. Ein nach dieser Vorschrift erforderliches überwiegendes Bundesinteresse an einer von den vorangehenden Absätzen abweichenden Regelung nahm das Bundesverfassungsgericht bei der Gründung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz an, wobei es insofern dem Gesetzgeber ein hohes Maß an gestalterischer Freiheit zuerkannte und 374

Küster, Kunst- und Kulturpflege, S. 243. Küster, Kunst- und Kulturpflege, S. 243. 376 Zu weiteren Details der Entstehungsgeschichte der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vgl. Knopp, Juristische Aspekte, S. 331; Küster, Kunst- und Kulturpflege, S. 243 ff. 377 Gleichzeitig strengten die Landesregierungen einen Organstreit gegen den Bundespräsidenten an, mit der Behauptung, das Gesetz sei zustimmungsbedürftig und hätte daher nicht ausgefertigt werden dürfen. Das BVerfG verneinte im Urteil vom 15.7.1958 die Zustimmungsbedürftigkeit des Gesetzes, BVerfGE 10, 20 (48 f.). 378 BVerfGE 10, 20 ff. 375

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

von einer nur beschränkten Überprüfbarkeit ausging.379 Das überwiegende Interesse des Bundes besteht nach Aussage des Gerichts darin, die national-repräsentative Funktion der ehemaligen preußischen Sammlungen für das gesamtdeutsche Kulturleben zu erhalten. Es sei eine gesamtdeutsche Aufgabe, die im Laufe des Krieges verstreuten Gegenstände des preußischen Kulturbesitzes wieder zusammenzuführen, zu ergänzen, zu pflegen und fortzuführen. 380 Ein besonderes Interesse des Bundes sei auch darin zu sehen, die Sammlung als organisch gewachsene Einheit zusammenzubringen.381 Da Art. 135 Abs. 4 GG dem Bund schlechthin das Recht zu einer abweichenden Regelung gewähre, ohne Form und Inhalt näher zu bestimmen, sei es dem Bund auch möglich, eine Stiftung zu gründen und dieser Vermögenswerte zu übertragen. 382 Das Bundesverfassungsgericht hat auch entschieden, es sei verfassungsmäßig, dass der Bund die sich auf den preußischen Kulturbesitz beziehende Verwaltungstätigkeit auf die Stiftung übertragen habe.383 c) Umfang der Bundeskompetenz Die Annahme einer Bundeskompetenz zur Gründung und Unterhaltung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz nach Art. 135 Abs. 4 GG ist nach wie vor überzeugend. Beim Preußischen Kulturbesitz handelt es sich um untypisches Verwaltungsvermögen, da es nicht zum Zweck der Erfüllung bestimmter Verwaltungsaufgaben vorhanden ist, sondern um seiner selbst willen als historisches Dokument bewahrt werden soll. Daher erscheint es konsequent, nicht auf die allgemeine Bestimmung bezüglich des Verwaltungsvermögens der nach dem Krieg untergegangenen Länder gemäß Art. 135 Abs. 2 GG abzustellen.384 Es entspricht dem Sinn der Ausnahmevor379

BVerfGE 10, 20 (40). BVerfGE 10, 20 (41). 381 BVerfGE 10, 20 (41). 382 BVerfGE 10, 20 (42ff.). 383 BVerfGE 10, 20 (46). 384 Geißler ist der Auffassung, die Beteiligung des Bundes an der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und seine fortlaufenden Unterstützungsmaßnahmen entbehrten einer Rechtsgrundlage. Art. 135 Abs. 4 GG überlasse dem Bund nur insoweit die Wahrnehmung von Interessen außerhalb seiner Befugnisse (d.h. im kulturellen Bereich), wie übergeordnete Interessen das Abweichen von den Grundregeln der Kompetenzverteilung erforderten. Eine Berechtigung des Bundes ergebe sich nur wegen der Erforderlichkeit, die Preußischen Sammlungen als Einheit fortzuführen. Über diese Berechtigung sei der Bund mit der Schaffung der Stiftung hinausgegangen, da die Einheitlichkeit der Sammlungen auch durch die Übertragung an ein Land hätte gewährleistet werden können, Geißler, Kunstförderung, S. 132 f. Dieser Einwand gegen eine Bundeszuständigkeit greift jedoch aus zwei Gründen nicht. In tatsächlicher Hinsicht wäre es schwierig zu bestimmen, welchem Land der Preußische Kulturbesitz hätte übertragen werden sollen, da die Verwaltungsaufgabe, an die Art. 135 Abs. 2 GG für die Zuständigkeitsverteilung anknüpft, sich aus der Inhaberschaft an dem Vermögen selbst ergibt. In rechtlicher Hinsicht muss dem Bund ein Entscheidungsspielraum gelassen werden, in dem er über das Vorliegen des „überwiegenden Bundesinteresses", das Art. 135 Abs. 4 GG verlangt, entscheidet. Im Übrigen geht es nicht um ein Handeln „außerhalb der Befugnisse" des Bundes, sondern um das 380

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schrift des Art. 135 Abs. 4 GG, den Preußischen Kulturbesitz, mit dessen Wahrung und Pflege ein Land wahrscheinlich finanziell überfordert wäre, in die Obhut des Bundes zu geben und so seine Geschlossenheit bzw. seine Aufteilung nach kulturhistorischen Gesichtspunkten zu wahren. Dem kann nicht entgegengehalten werden, dass die Einheitlichkeit der Sammlung auch durch die Übertragung an ein Land mit einer eventuellen Beitragspflicht der anderen Länder hätte gewahrt werden können und so die Kulturhoheit der Länder weniger beeinträchtigt worden wäre. 385 Die Kulturhoheit der Länder ist kein „Schutzgut", das mit einer verfassungsrechtlich begründeten Bundeskompetenz in eine Abwägung einzustellen ist. Art. 135 Abs. 4 GG konstituiert eine Ausnahmekompetenz zugunsten des Bundes. Wenn deren Voraussetzungen erfüllt sind, scheidet nach der Verfassungskonzeption der Kompetenzverteilung eine Länderzuständigkeit aus. Ob diese erfüllt sind, ist durch Auslegung zu ermitteln. Im Rahmen seines Einschätzungsspielraums hat hier der Bund ein überwiegendes Interesse an einer bundesgesetzlichen Regelung angenommen. Die Zweckmäßigkeit der Annahme genügt, nach einem „milderen Mittel" im Hinblick auf die Kulturhoheit der Länder ist nicht zu fragen. Es erscheint jedoch fraglich, wie weit die Kompetenz des Bundes in Bezug auf den Preußischen Kulturbesitz reicht. Zweifellos umfasst sie jede Beschäftigung mit dem nach Auflösung des Landes Preußen vorhandenen Kulturbesitz: Restaurierung, Darstellung, Präsentation in Museen, wissenschaftliche Auswertung usw. Auch eine Erweiterung nach kultur- und kunsthistorischen Gesichtspunkten ist zulässig, soweit sie der Ergänzung oder dem besseren Verständnis des vorhandenen Kulturbesitzes dient. Fraglich ist jedoch, ob das Anlegen neuer Sammlungen zur Weiterführung eines Bestandes noch von der Kompetenz umfasst ist, da ein unmittelbarer Zusammenhang mit den Gegenständen des Verwaltungsvermögens fehlt. Eine Grenzziehung zu treffen, ist abstrakt kaum möglich. Gerade aufgrund der Besonderheit, dass es sich beim Preußischen Kulturbesitz um Verwaltungsvermögen handelt, das aus historischen und kunsthistorischen Überlegungen um seiner selbst willen zu bewahren und zu pflegen ist, müssen bei der Bestimmung der Reichweite der Kompetenz die spezifischen Anforderungen dieser Aufgabe berücksichtigt werden. Man wird lediglich festhalten können, dass bei jeglicher Tätigkeit, die auf Art. 135 Abs. 4 GG gestützt werden soll, ein Bezug zum Preußischen Kulturbesitz vorhanden sein muss. Indem die Kompetenz des Bundes zur Gründung und zum Betreiben der Stiftung Preußischer Kulturbesitz auf Art. 135 Abs. 4 GG gestützt wird, wird aber gleichzeitig deutlich, dass es sich insofern um eine spezielle Kompetenz handelt, die eine Ausnahme darstellt. Die Zuständigkeit des Bundes bezieht sich ausschließlich auf den Preußischen Kulturbesitz. Sie ist also gegenständlich gebunden und damit beFeststellen der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Kompetenzvorschrift zugunsten des Bundes. 385 So Geißler, Kunstförderung, S. 132f. 7*

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schränkt. Ausschließlich Tätigkeiten in Zusammenhang mit dem Preußischen Kulturbesitz können auf Art. 135 Abs. 4 GG gestützt werden. Für die Begründung weiterer kultureller Aktivitäten des Bundes bietet Art. 135 Abs. 4 GG keine Kompetenzgrundlage.

5. Filmforderung a) Kompetenzausübung durch den Bund Die Förderung des Films ist ein wesentlicher Bestandteil der kulturpolitischen Maßnahmen des Bundes. Seit dem Regierungswechsel im Jahr 1998 hat die Bundesregierung einen kulturpolitischen Schwerpunkt auf die Förderung des Films gesetzt.387 Die gesetzliche Grundlage für die Filmförderung bildet das Filmfördergesetz (FFG). 388 Durch § 1 FFG wird eine Filmförderungsanstalt gegründet, die mit der Aufgabe der Qualitätssteigerung des deutschen Films und der Verbesserung der Struktur der Filmwirtschaft betraut ist (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 FFG). Die Anstalt gewährt Förderhilfen zur Herstellung von programmfüllenden Filmen, von Kurzfilmen und von Drehbüchern (§§ 14ff. FFG). Ferner wird auch das Filmabspiel gefördert (§§ 56ff. FFG). Durch den Kulturbeauftragten werden zusätzlich Filmförderungsrichtlinien erstellt, die die inhaltliche Ausrichtung der Filmförderung bestimmen. 389 Zur Förderung des Films zählt auch die Verleihung von Preisen für bestimmte Sparten des Films oder für bestimmte Berufsgruppen, die an der Filmschaffung beteiligt sind. Die Verleihung der Preise wird gezielt eingesetzt, um kulturpolitische Ziele in Bezug auf den Film zu verwirklichen. 390 Im Haushalt des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien stehen folgende Mittel für die Filmförderung zur Verfügung: Zunächst ist ein Titel für die „Maßnahmen der wirtschaftlichen Filmförderung" vorgesehen.391 Dieser dient entsprechend den Erläuterungen im Haushaltsplan dem Zweck, die „europäische audiovisuelle Zu386 Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S. 249. Anders v. Köckritz, der den Kern für die Begründung einer Bundeskompetenz darin sieht, dass es sich um die Bewahrung eines Kulturbesitzes für alle Deutschen und somit um eine gesamtstaatliche und nationale Aufgabe handelt, ohne auf den Wortlaut des Art. 135 Abs. 4 GG hinzuweisen, V.Köckritz, Museumsstädte, S.45. 387 Vgl. die Einrichtung eines „Bündnisses für den Film" mit dem Ziel, eine Perspektive für eine dauerhafte Stärkung des Films in Deutschland und in Europa zu erarbeiten. Quelle: Internet-Auftritt der Bundesregierung, Stichwort: „Kulturpolitische Ziele der Bundesregierung". 388 Vgl. Gesetz über Maßnahmen zur Förderung des deutschen Films (Filmförderungsgesetz - FFG), Bekanntmachung v. 25.1.1993, BGBl. I, S. 66 ff. 389 Erlass neuer Filmförderungsrichtlinien am 8.2.2000; Quelle: Internet-Auftritt der Bundesregierung, Stichwort „Neue Filmförderungsrichtlinien". 390 Vgl. Übersicht über die Filmförderungsrichtlinien v. 8.2.2000. Quelle: Internet-Auftritt der Bundesregierung, Stichwort: „Neue Filmförderungsrichtlinien". 391 Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04, Kap. 0405, Tgr. 02, Titel 685 21-183.

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sammenarbeit" zu fördern. Außerdem soll der Vertrieb von Filmen entsprechend den Abkommen mit Frankreich und Österreich sowie der Absatz-des deutschen Films in In- und Ausland gefördert werden. Mittel stehen auch für die Berliner Filmmesse zur Verfügung. Weiterhin ist ein Etatposten für Filmförderung im Rahmen der Förderung kultureller Einrichtungen und Aufgaben im Inland enthalten. Die Berliner Festspiele GmbH erhält eine institutionelle Förderung 392, für den Deutschen Film ist eine Projektförderung vorgesehen.393 b) Umfang der Bundeskompetenz Eine spezielle Kompetenz für das Filmwesen steht dem Bund nach dem Grundgesetz nicht zu. Bis zur Verfassungsänderung im Jahr 1994 enthielt Art. 75 GG eine Rahmengesetzgebungszuständigkeit des Bundes für die allgemeinen Rechtsverhältnisse des Films. 394 Ein Filmrechtsrahmengesetz ist allerdings aufgrund dieser Kompetenz nicht erlassen worden. Nunmehr kommt für den Erlass des Filmfördergesetzes allein eine Berufung auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG in Betracht. Nach dieser Vorschrift hat der Bund die Kompetenz zur Regelung des Rechts der Wirtschaft. Nach der in der Praxis vorgenommenen und durch das Bundesverfassungsgericht bestätigten weiten Auslegung dieses Kompetenztatbestands umfasst Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG die Bundeszuständigkeit zum Erlass aller Normen, die das wirtschaftliche Leben und die wirtschaftliche Betätigung regeln und die sich in irgendeiner Weise auf die Erzeugung, die Herstellung oder die Verteilung von Gütern des wirtschaftlichen Bedarfs beziehen.395 Die Zuständigkeitsnorm wird so zu einer Generalklausel. 396 Es ist offensichtlich, dass die Filmförderung der Unterstützung der deutschen Filmwirtschaft dient und so einen wirtschaftlichen Bezug aufweist. Ergebnisse eines künstlerischen Prozesses können wie Waren anderer Art am Handelsverkehr teilnehmen. Kunst und Kultur bedürfen der Finanzierung und sind so in vielerlei Hinsicht immer wieder Bestandteil des Wirtschaftslebens. Wegen dieser Verbun392

Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04, Kap. 0405, Tgr.02, Titel 68521-183. Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan04, Kap. 0405, Tgr.02, Titel 685 21-183. Diese Mittel sind in den letzten Jahren deutlich angehoben worden. Die Verteilung der Mittel auf die unterschiedlichen Ziele der Filmförderung ergibt sich aus der Selbstdarstellung der Bundesregierung, Quelle: Internet-Auftritt der Bundesregierung, Stichwort: „Neue Filmförderungsrichtlinien". - Für den Kinemathekverbund stehen im selben Titel ebenfalls Mittel zur Verfügung. 394 Zur Diskussion im Rahmen der Verfassungsänderung 1994, s. Schmalenbach, Föderalismus und Unitarismus, S. 161 f. 395 BVerfGE 8, 143 (148f.); E26, 246 (254); E28, 119 (146). 396 Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 74 Rdnr.42; Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74 Rdnr.96. 393

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denheit können Regelungen im Bereich des Rechts der Wirtschaft auch kulturpolitische Implikationen haben. Kulturelle Aspekte können bei der Gestaltung des wirtschaftlichen Lebens Berücksichtigung finden. Es erscheint aber zweifelhaft, die Filmförderung allein aus diesem Grund auf die Kompetenz zur Regelung des Rechts der Wirtschaft zu stützen.397 Wegen der Ökonomisierung nahezu aller gesellschaftlichen Bereiche könnte mit dieser Argumentation nahezu jeder Sachbereich auf die Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG gestützt werden. 398 Es muss daher versucht werden, den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG abzugrenzen. Eine Begrenzung des Kompetenztitels wird nicht dadurch erreicht, dass man die Aufzählung der Tätigkeitsbereiche des Klammerzusatzes in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG als abschließend betrachtet. 399 Durch eine extensive Auslegung der Termini des Klammerzusatzes 400, insbesondere des Begriffs „Gewerbe", wird im Ergebnis gegenüber der Annahme eines die genannten Tätigkeitsbereiche übergreifenden Sektors Wirtschaft keine Beschränkung erreicht. 401 Zur Begrenzung des von Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG bestimmten Kompetenzbereichs wird vorgeschlagen, die Begrenzung nicht aufgrund der Begrifflichkeit des Kompetenztitels vorzunehmen, sondern durch die Abgrenzung von anderen Kompetenzzuweisungen.402 Dieser Ansatz ist in der Abgrenzung zu den Länderzuständigkeiten problematisch, weil dort eine textliche Grundlage bezüglich einzelner Sachbereiche in der Regel fehlt. Wendet man ihn dennoch auf die Filmförderung an, so ist zu berücksichtigen, dass dem Bund bis zur Verfassungsänderung im Jahr 1994 eine Rahmengesetzgebungszuständigkeit für die allgemeinen Rechtsverhältnisse des Films zustand, die mit der Änderung gestrichen wurde. Im Umkehrschluss kann daher argumentiert werden, dass nunmehr die Regelung des Films vollständig in die Zuständigkeit der Länder fallt. Die Kompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG findet damit dort ihre Grenze, wo die Kompetenz zur Regelung des Films beginnt. Die Frage, ob die Filmförderung wegen ihrer wirtschaftlichen Implikationen unter den Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zu fassen ist, oder ob wegen der kultu397

So aber BVerwGE 45, 1 (3); Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 74 Rdnr. 135; Stettner, in: Dreier, Art. 75 Rdnr. 23 Fußn. 57. 398 Zur Problematik der Weite des Kompetenztitels Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 74 Rdnr. 43; Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74 Rdnr. 94; Rengeling, HbStR IV, § 100 Rdnr. 167. 399 Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 74 Rdnr. 135; Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Art. 74 Rdnr. 531; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 74 Rdnr. 22. 400 Vgl. die Rechtsprechung des BVerfG, die darauf abstellt, ob es um wirtschaftliches Leben als solches geht, bzw. darum, ob in irgendeiner Form das Recht der Wirtschaft betroffen sei (BVerfGE 8,143 [148f.]; E26,246 [254]; E28,119 [146]) und damit Art.74 Abs. 1 Nr. 11 GG als Generalklausel auffasst. 401 So auch Rengeling, HbStR IV, § 100 Rdnr. 169. 402 Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74 Rdnr. 100.

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rellen Zielsetzung die Länder zuständig sind, ist damit allerdings noch nicht gelöst. 403 Es erscheint überzeugend, bei Abgrenzungsfragen zwischen zwei Kompetenzbereichen, die durch eine Regelung berührt werden, auf den Schwerpunkt der Zielsetzung der Regelung abzustellen.404 Die Zuordnung der Sachmaterie muss nach dem Hauptzweck, nicht nach einem Nebenzweck erfolgen. 405 Eine Regelung, die sowohl den Sachbereich des Rechts der Wirtschaft als auch einen anderen Sachbereich betrifft, kann demnach auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG nur gestützt werden, wenn sie den Sachverhalt im Schwerpunkt wegen seiner Eigenschaft als wirtschaftliche Angelegenheit erfasst und nicht wegen seiner sonstigen Eigenschaften. 406 Für die Regelung der Materie Filmförderung ist festzuhalten, dass sie auf die Förderung eines kulturellen Angebots abzielt; 407 es geht ihr in erster Linie um den Film als Kulturgut, nicht als Wirtschaftsgut. 408 Daran ändert nichts, dass das Filmfördergesetz ausdrücklich auf die wirtschaftliche Förderung des deutschen Films abzielt. 409 Diese stellt sich als das Mittel dar, das zur Erfüllung des Zwecks - Förderung eines Kulturguts - eingesetzt wird. Gegen die Annahme einer Bundeskompetenz für die Filmförderung spricht auch die Diskussion zur Änderung des Art. 75 Abs. 1 a. F. GG im Rahmen der Verfassungsänderung 1994. Ziel der Grundgesetzänderung war insofern, zur Vervollständigung der Medienzuständigkeit der Länder die Rahmenkompetenz des Bundes für den Film zu streichen. Man ging somit von einer umfassenden Zuständigkeit der Länder für den Film aus.410 403 Eine entsprechende Problematik stellt sich im Bereich des Medienrechts. Aufgrund der zunehmenden Ausbildung von Marktstrukturen im Bereich von Rundfunk und Femsehen findet ein Verlagerungsprozess vom Rundfunkrecht als Teil des Kulturrechts hin zum Wirtschaftsrecht statt. Damit ist auch eine Kompetenzverlagerung von den Ländern auf den Bund verbunden, vgl. Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74 Rdnr. 102. 404 So auch BVerwGE 45, 1 (3f.); Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 32 Rdnr. 43. 405 BVerfGE 8, 143 (149f.); E13, 181 (196f.); Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art.70 Rdnr. 53; Stettner, in: Dreier, Art. 70 Rdnr. 32, jeweils m. w. N. 406 So formuliert es im Allgemeinen auch das BVerwG, vgl. BVerwGE 45, 1 (3f.). Diese Entscheidung kommt jedoch zu dem Ergebnis, dass der Bund ein Kompetenz für die Filmförderung besitzt. Ebenso Pestalozzi in: v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Art. 74 Rdnr. 591. Ihm folgend Degenhart, in: Sachs, Art. 74 Rdnr. 43 a. 407 Das wird belegt durch die Ausführungen der Bundesregierung zur Neuordnung der Organzuständigkeiten im Bereich der Filmförderung. Der Kulturstaatsminister erhält demnach unter Zusammenführung der kulturellen und wirtschaftlichen Filmförderung die Zuständigkeit für dieses Tätigkeitsfeld (Quelle: Internet-Auftritt der Bundesregierung, Stichwort: „Kulturpolitische Ziele der Bundesregierung"). Hieran wird deutlich, dass die Filmförderung selbstverständlich kulturelle Zielsetzungen verfolgt. 408 Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Art. 74 Rdnr. 594. Es kommt dabei nicht darauf an, ob sich die Förderung an der Qualität des Films orientiert, da in jedem Fall der Film als Kulturgut betroffen ist (vgl. ebenda, Fußn. 1121). 409 Vgl. § 1 Abs. 1 FFG. 410 Vgl. Schmalenbach, Föderalismus und Unitarisierung, S. 161 f.

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Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG nicht als Kompetenzgrundlage für das Filmfördergesetz des Bundes dienen kann. Ein anderer Kompetenztitel ist ebenfalls nicht einschlägig, so dass eine Kompetenz der Länder angenommen werden muss.

6. Auswärtige Kulturpolitik Ziel moderner Außenpolitik ist es, die Verständigung zwischen den Völkern zu fördern und auf diese Weise die Rahmenbedingungen für ein friedliches und gemeinschaftliches Zusammenleben der Völker zu verbessern. Diesem Zweck soll auch die kulturelle Außenpolitik dienen, die als eigenständiger Teil der Außenpolitik angesehen wird. 411 Sie gilt als „Dritte Säule der Außenpolitik", neben der diplomatischen Außenpolitik im engeren Sinne und der Außenwirtschafts- und Handelspolitik. 412 Auswärtige Kulturpolitik ist zum einen ein Element nationaler Selbstdarstellung und dient der Förderung des kulturellen Prestiges des handelnden Staates.413 Dieser Aspekt werbender Selbstdarstellung, der sich in Zeiten eines starken oder sogar übersteigerten Nationalgefühls auch bis hin zur Kulturpropaganda als Instrument machtpolitischer Interessen entwickeln kann, ist zumindest in den europäischen Staaten gegenüber einer mehr sachorientierten Zusammenarbeit in den Hintergrund getreten. 414 Anliegen der aktuellen deutschen kulturellen Außenpolitik ist die Vermittlung eines differenzierten und authentischen Bildes des kulturellen und gesellschaftlichen Lebens in Deutschland.415 Daneben bemüht sich 411 Rojahn, in: v. Münch/Kunig, Art. 32 Rdnr. 24. - Die Bezeichnung für das beschriebene Politikfeld wechselt: Es wird sowohl von „auswärtiger Kulturpolitik" als auch von „kultureller Außenpolitik" gesprochen, ohne dass damit etwas Unterschiedliches beschrieben wäre. Im Folgenden wird der geläufigere Begriff der „auswärtigen Kulturpolitik" verwendet. 412 Grewe, in: Staatslexikon, Stichwort: Außenpolitik, Sp.442. S. auch Bericht der Bundesregierung zur auswärtigen Kulturpolitik v. 18.2.1998, BT-Drs. 13/9999, S.4. In einer Rede am 28.6.2000 betonte Bundesaußenminister Fischer vor dem Kulturausschuss des Deutschen Bundestages, dass auswärtige Kulturpolitik nicht allein zuständig für das „Gute, Schöne, Wahre" sei, sondern integraler Bestandteil der deutschen Außenpolitik, die auf Konfliktprävention und Friedenssicherung ausgerichtet sei. Durch diese Aussage wird deutlich, dass es eine strikte Trennung zwischen den drei so genannten „Säulen der Außenpolitik" nicht gibt. 413 Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 605; Grewe, in: Staatslexikon, Stichwort „Außenpolitik", Sp.443. Zur auswärtigen Kulturpolitik des Deutschen Reichs, der Weimarer Republik und des Dritten Reichs, vgl. Abelein, Kulturpolitik, S. 104ff. 414 Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 605; Grewe, in: Staatslexikon, Stichwort „Außenpolitik", Sp.443. 415 Bericht der Bundesregierung zur auswärtigen Kulturpolitik v. 18.2.1998, BTDrs. 13/9999, S.4. Vgl. Glück, Nicht nur eine Arabeske für schöne Stunden, FAZ v. 4.12.1998, S. 15. Glück zeigt die Entwicklung des Anliegens deutscher auswärtiger Kulturpolitik auf. Nachdem in den fünfziger und sechziger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts die Wiederherstellung des durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft zerstörten Ansehens im Ausland im Vordergrund stand, wollte man sich in den siebziger und achtziger Jahren als Kulturstaat im Gegensatz zum übermächtigen Wirtschaftsstaat präsentieren.

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auswärtige Kulturpolitik heute um einen kulturellen Austausch und um interkulturellen Dialog auf der Basis von Gegenseitigkeit und partnerschaftlicher Zusammenarbeit. 416 Neben dem Austausch und der Zusammenarbeit im Bereich der Kunst und Kultur im engeren Sinne spielen in der auswärtige Kulturpolitik der Austausch und die internationale Zusammenarbeit im Wissenschafts- und Hochschulbereich eine bedeutende Rolle. 417 Zur auswärtigen Kulturpolitik zählen auch die Einrichtung und die Unterhaltung von Auslandsschulen und der Betrieb deutscher Rundfunkprogramme im Ausland. Wie in der gesamten Arbeit soll hier auf diese Bereiche nicht näher eingegangen werden, sondern eine Beschränkung auf den Bereich Kunst und Kultur im engeren Sinn erfolgen. Maßnahmen auswärtiger Kulturpolitik fallen zumeist in den Funktionsbereich der Exekutive, der die „operative Funktion" der auswärtigen Gewalt im Sinne der Planungs-, Entscheidungs-, Verhandlungs- und Handlungsbefugnis zukommt. 418 Gesetze werden in diesem Politikbereich kaum erlassen. Hinzu kommen als weitere Handlungsform vertragliche Vereinbarungen mit anderen Staaten.419 a) Kompetenzausübung durch den Bund Maßnahmen auswärtiger Kulturpolitik fallen in der Regel als Teilbereich der Außenpolitik in die Ressortzuständigkeit des Außenministers und werden durch das Auswärtige Amt wahrgenommen. Auch nach der Einführung des Amtes eines organisatorisch beim Bundeskanzler angesiedelten Kulturstaatsministers nach dem Regierungswechsel 1998 verblieb die auswärtige Kulturpolitik im Geschäftsbereich des Außenministers. 420 Begründung für diese organisatorische Entscheidung war der enge sachliche Zusammenhang zwischen der kulturellen Außenpolitik und der sonstigen Außenpolitik. Im Haushalt des Auswärtigen Amtes ist ein Kapitel für die Pflege kultureller Beziehungen zum Ausland vorgesehen.421 416 Bericht der Bundesregierung zur auswärtigen Kulturpolitik v. 18.2.1998, BTDrs. 13/9999, S.4; Grewe, in: Staatslexikon, Stichwort „Außenpolitik", Sp.443. Der damalige Außenminister Kinkel nannte am 13.6.1996 im Bundestag im Rahmen der Erklärung der Bundesregierung zur auswärtigen Kulturpolitik, Bulletin der Bundesregierung Nr. 50 v. 18.6.1996, S. 539ff., S.540, „Dialog statt Monolog, Kulturstaat statt Staatskultur, globale Lerngemeinschaft statt simpler Kulturexport" als Prinzipien der auswärtigen Kulturpolitik. 417 Bericht der Bundesregierung zur auswärtigen Kulturpolitik v. 18.2.1998, BT-Drs. 13/9999, S.6-9. 418 S. Grewe, HbStR III, § 77 Rdnr. 52. 419 Die Organkompetenz ist hier auf Exekutive (Verhandlungsbefugnis), Legislative (Zustimmungsbefugnis, Art. 59 Abs. 2 GG) und speziell auf den Bundespräsidenten als Organ, dem die völkerrechtliche Vertretung des Staates übertragen ist (Art. 59 Abs. 1 GG), verteilt. 420 Zur Diskussion um die Zuordnung der auswärtigen Kulturpolitik zu einem Geschäftsbereich s. Sartorius, Die Zeit v. 6.8.1998; H. Hoffmann, FAZ v. 23.1.1999, S.43. 421 Bundeshaushaltsplan 2002, Kap. 0504.

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

Im hier interessierenden Bereich findet die auswärtige Kulturpolitik in erster Linie durch Förderung kultureller Maßnahmen mit Auslandsbezug statt. Im oben genannten Kapitel des Haushalts ist daher ein Betrag von etwa 37 Mio. Euro für die so genannte Programmarbeit eingeplant.422 Im Rahmen dieses Titels sind im Einzelnen Maßnahmen zur Förderung von Literatur, Film- und Fernseharbeit, von Rundfunkarbeit (einschließlich Tonbänder und Schallplatten), von Musik, Theater und Tanz sowie für Bildende Kunst (einschließlich Ausstellungen) vorgesehen. Außerdem stehen Mittel für einzelne besondere Programmaktivitäten, beispielsweise aus Anlass von Festwochen, zur Verfügung. Die Fördermaßnahmen werden in der Regel nicht durch das Auswärtige Amt oder die Auslandsvertretungen Deutschlands selbst durchgeführt. Es wurden so genannte Mittlerorganisationen geschaffen, die mit den Einzelbereichen der kulturellen Außenpolitik betraut sind. Unter Mittlerorganisationen werden rechtlich selbständige Einrichtungen verstanden, die in enger Verbindung zum Staat Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, die ansonsten die staatliche Verwaltung erfüllen müsste oder die entfielen. 423 Kulturelle Mittlerorganisationen sind in der Regel privatrechtlich organisiert. Sie gestalten im Bereich der kulturellen Außenpolitik übereinstimmend mit der außenpolitischen Konzeption der Bundesregierung und in Absprache mit dem Auswärtigen Amt die kulturelle Zusammenarbeit mit dem Ausland. In der Regel trägt der Bund die gesamten oder einen großen Teil der Kosten der Organisation und kontrolliert ihre Tätigkeit. 424 Durch die Auslagerungen der Entscheidung über die einzelnen Maßnahmen aus der unmittelbaren Staatsverwaltung wird eine größere Unabhängigkeit der Organisationen erreicht. Sie haben die Möglichkeit, durch Facharbeit das Vertrauen des Gastlandes zu erwerben, und sind so relativ unabhängig von politischen Krisen. 425 Zudem kann mit der Einschaltung von Mittlerorganisationen externes Fachpersonal in die oft wertende Entscheidungsfindung eingebunden werden. Zu den Mittlerorganisationen, die im Rahmen der hier interessierenden auswärtigen Kulturpolitik tätig sind, zählen das Goethe-Institut Inter Nationes e.V. 4 2 6 , das 422

Bundeshaushaltsplan 2002, Kap. 0504, Tgr.01, Titel 687 15-024. Dittmann, Bundesverwaltung, S. 123 f. 424 Dittmann, Bundesverwaltung, S. 124f.; Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.67. 425 Dittmann, Bundesverwaltung, S. 125; Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.67. 426 Das Goethe-Institut Inter Nationes e. V. ist durch eine Fusion im Januar 2001 aus dem Goethe-Institut und Inter Nationes hervorgegangen. Es ist die größte Mittlerorganisation. Aufgabe des Goethe-Institutes ist die Vermittlung der deutschen Sprache und Kultur. Das GoetheInstitut unterhielt im Jahr 2001 128 Kulturinstitute in 76 Ländern, die Kulturprogramme und Sprachunterricht anbieten und so ein differenziertes und aktuelles Bild von der Bundesrepublik Deutschland vermitteln sollen. In Deutschland führen 15 Institute Sprachkurse durch und bieten ein Kulturprogramm an. Das Goethe-Institut Inter Nationes ist als Verein organisiert. Die Koordination seiner Arbeit erfolgt auf der Basis eines Rahmenvertrags mit dem Auswärtigen Amt. Die Finanzierung erfolgt zu 100% durch den Bund (Bundeshaushaltsplan 2002, Kap. 0504, Tgr. 04, Titel 68740-024). 423

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Institut für Auslandsbeziehungen 427 und der Deutsche Musikrat 4 2 8 . Zur Förderung junger Künstler i m Ausland stehen insbesondere drei Einrichtungen zur Verfügung, die wesentlich vom Bund mitgetragen werden: Die Deutsche Akademie Villa Massimo in Rom, das Deutsche Studienzentrum in Venedig und die Villa Romana in Florenz. 4 2 9

b) Kompetenzumfang I m Bereich der auswärtigen Kulturpolitik stoßen mit der Außenpolitik und der Kulturpolitik zwei Sachbereiche aufeinander, wovon der eine - die Außenpolitik grundsätzlich dem Bund und der andere - die Kulturpolitik - grundsätzlich den Ländern zugewiesen ist. Die Bundeskompetenz für das Auswärtige wird durch Art. 32, 73 Nr. 1 und Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG bestimmt. Zu prüfen ist, ob diese Bestimmungen auch Kompetenzen für die vom Bund wahrgenommene auswärtige Kulturpolitik vermitteln.

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Das Institut für Auslandsbeziehungen (ifa) wurde 1917 gegründet. Bis 1997 war es als Anstalt des öffentlichen Rechts in Baden-Württemberg tätig. 1997 wurde es durch Landesgesetz in einen eingetragenen Verein mit privatrechtlicher Trägerschaft umgewandelt. Aufgabe des Vereins ist es, die Kenntnis fremder Länder und Völker, ihrer natürlichen Gegebenheiten, ihrer geschichtlichen Entwicklung, ihrer kulturellen Eigenart und ihre Beziehungen zu Deutschland zu fördern. Die Ausstellungsarbeit des ifa stellt die herausragenden Ereignisse deutscher Kunst im Ausland vor. Nach dem Grundsatz der Gegenseitigkeit werden durch das ifa in Deutschland im Rahmen des Kulturaustausches internationale Kunstwerke, insbesondere aus devisenschwachen Ländern gezeigt. Finanziert wird das ifa durch den Bund (zuständige Geschäftsbereiche: Bundespresseamt und Auswärtiges Amt) und das Land Baden-Württemberg. 428 Der Deutsche Musikrat wurde als Deutsche Sektion des Internationalen Musikrates gegründet und als Nationalkomitee der Bundesrepublik Deutschland in den Internationalen Musikrat, eine „non-governmental organization" der UNESCO, aufgenommen. Er ist als eingetragener Verein organisiert. Neben Tätigkeiten im Inland umfasst die Arbeit des Musikrates auch die sog. Musikalische Auslandsarbeit, in deren Rahmen Austauschprogramme vielfältiger Art durchgeführt werden. Außerdem nimmt der Deutsche Musikrat in internationalen Gremien die Interessen Deutschlands wahr. Die Finanzierung der Auslandsarbeit erfolgt durch das Auswärtige Amt sowie durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. 429 Diese drei Einrichtungen fallen in den Geschäftsbereich des Kulturstaatsministers. Die Villa Massimo ist eine unselbständige Anstalt des Bundes. Der Bund unterhält sie zu 100%. Sie dient der Förderung junger Künstler. Auch das Studienzentrum in Venedig wird zu 100% vom Bund institutionell gefördert. Seine Aufgabe besteht zunächst in der Förderung von Wissenschaftlern, die im Bereich der Byzantinistik, der Geschichte, Kunstgeschichte, Musik- und Literaturgeschichte Venedigs forschen. Ferner bietet es Künstlern, die sich mit einem venezianischen Thema befassen, die Möglichkeit eines Arbeitsaufenthaltes. Die Villa Romana wird von einem eingetragenen Verein betrieben, der Bund fördert sie im Rahmen einer Projektförderung mit 50% der Betriebs- und Unterhaltungskosten. Die Villa Romana bietet jährlich vier bildenden Künstlern die Möglichkeit eines Studienaufenthalts. Seit dem Jahr 2001 erhält auch die Villa Aurora, Los Angeles/Berlin, eine Projektförderung durch den Kulturbeauftragten.

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

aa) Kompetenz zum Betreiben auswärtiger Kulturpolitik Gemäß Art. 32 Abs. 1 GG ist die Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten Sache des Bundes. Mit dieser Bestimmung wird ein gesamter Politikbereich - die Außenpolitik - in die Verbandszuständigkeit des Bundes verwiesen. Art. 32 Abs. 1 GG ist daher als eine verfassungsorganisatorische Grundentscheidung hinsichtlich der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern im Bereich der auswärtigen Gewalt anzusehen.430 Anders als die übrige Kompetenzverteilung des Grundgesetzes stellt Art. 32 Abs. 1 GG nicht auf eine Differenzierung nach den staatlichen Grundfunktionen ab. Mit der Zuweisung des Bereich der Außenpolitik wird dem Bund damit eine umfassende Kompetenz über die staatlichen Grundfunktionen hinweg zuerkannt. 431 Der Umfang der aus Art. 32 Abs. 1 GG resultierenden Kompetenzen ist wegen des weitgefassten Wortlauts zunächst nur in Grundzügen durch die Verfassung bestimmt und muss durch Auslegung ermittelt werden. 432 Zum Teil wird die Auffassung vertreten, Art. 32 Abs. 1 GG ermächtige nur zu völkerrechtsförmlichen Akten. 433 Begründet wird dies vor allem mit der Systematik des Grundgesetzes. Das Grundgesetz verteile in den Zuständigkeitsvorschriften nur Rechtsfunktionen, berücksichtige aber die politischen Auswirkungen staatlichen Handelns nicht. Es sei daher systemfremd, wenn das Grundgesetz gerade bei den zwischenstaatlichen Beziehungen einen gesamten Politikbereich dem Bund überantworte. 434 Nicht völkerrechtsförmliche Handlungen im Bereich der Außenpolitik, d. h. völkerrechtlich unverbindliche Akte der reinen Außenpolitik, sollen sich nach dieser Auffassung nach der sonstigen Kompetenzverteilung richten und nicht der dem Bund nach Art. 32 Abs. 1 GG zugewiesenen Kompetenz zugerechnet werden. Damit würden alle informellen Maßnahmen der auswärtigen Kulturpolitik in die Kompetenz der Länder fallen. Diese Auffassung widerspricht jedoch der weiten Formulierung von Art. 32 Abs. 1 GG. Es erscheint als nicht in der Verfassung angelegte und damit unzulässige Einengung, unter „Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten" lediglich außenpolitisches Handeln im Rahmen von völkerrechtsförmlichen Akten zu verstehen. Vielmehr legt der weitgefasste Wortlaut des Art. 32 Abs. 1 GG nahe, eine umfassende Kompetenz des Bundes zu außenpolitischem Handeln anzuerkennen und ihm damit auch die Entscheidung darüber zuzugestehen, in welcher Weise er die auswärtigen 430 Geiger, GG und Völkerrecht, S. 121; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 32 Rdnr. 10; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, Art. 32 Rdnr. 1. Zum Teil wird Art. 32 Abs. 1 GG auch als Zuständigkeitsvermutung angesehen, Grewe, HbStR III, §77 Rdnr. 81. 431 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 32 Rdnr. 5 ff.; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, Art. 32 Rdnr. 1; Streinz, in: Sachs, Art. 32 Rdnr. 9. 432 Rojahn, in: v. Münch/Kunig, Art. 32 Rdnr. 3. 433 Fastenrath, Kompetenzverteilung, S.98. 434 Fastenrath, Kompetenzverteilung, S.85f.

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Beziehungen pflegen will. Zudem ist zu berücksichtigen, dass im Vorfeld von völkerrechtsförmlichen Akten - etwa dem Abschluss von Abkommen - zumeist Handlungen der so genannten reinen Außenpolitik stehen, die den völkerrechtsförmlichen Akt vorbereiten oder das Klima für einen solchen schaffen. Zumindest die unförmlichen Maßnahmen, die der unmittelbaren Vorbereitung eines förmlichen Aktes dienen, müssten aber - unabhängig von der Kompetenzverteilung im Übrigen - noch dem Kompetenzbereich des Bundes zugerechnet werden, damit dieser seine Kompetenz sinnvoll ausüben kann. 436 Eine Grenzziehung zwischen Akten, die unmittelbar dem Abschluss eines völkerrechtsförmlichen Aktes dienen, und anderen, die nur in einem mittelbaren Zusammenhang stehen, ist aber nicht durchführbar. Außerdem spielt sich der größte Teil des staatlichen Handelns zur Pflege der auswärtigen Beziehungen nicht in völkerrechtsförmlichen Akten ab. Akte reiner Außenpolitik sind in gleichem Maße wie völkerrechtsförmliche Akte dazu geeignet, Voraussehbarkeit staatlichen Handelns und damit die Stabilität der internationalen Beziehungen zu fördern. Eine umfassende Kompetenzzuweisung, wie sie Art. 32 Abs. 1 GG dem Wortlaut nach dem Bund gewährt, wäre unvollständig, würde sie außenpolitische Maßnahmen, die nicht in den Formen des Völkerrechts ergehen, auf Seiten des Bundes unmöglich machen.437 Der Bund ist also durch Art. 32 Abs. 1 GG nicht auf die Vornahme völkerrechtsförmlicher Akte beschränkt. Er hat auch die Möglichkeit, durch Maßnahmen der reinen Außenpolitik, bspw. durch Entwicklungspolitik oder Außenwirtschaftspolitik, die auswärtigen Beziehungen zu pflegen. 438 Auch kulturelle Maßnahmen können als außenpolitische Mittel eingesetzt werden, um über einen gegenseitigen Austausch und sachorientierte Gemeinschaftsarbeit die internationale Zusammenarbeit und die zwischenstaatliche Verständigung zu fördern.

bb) Abschluss von Kulturabkommen Auswärtige Kulturpolitik findet einen Schwerpunkt im Abschluss von Kulturabkommen, d. h. von völkerrechtlichen Verträgen mit kulturellem Inhalt. Für den Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen, der grundsätzlich in die allgemeine außenpolitische Kompetenz des Bundes fällt, treffen Art. 32 Abs. 2, 3 GG besondere Regelungen. Gemäß Art. 32 Abs. 2 GG sind die Länder vor Abschluss eines Vertrages, der ihre besonderen Verhältnisse berührt, zu hören. Nach Art. 32 Abs. 3 GG stehen den Ländern eigene Vertragsschlusskompetenzen auf den Gebieten zu, für die sie 435 Grewe, HbStR III, § 77 Rdnr. 82; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 32 Rdnr. 35; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, Art. 32 Rdnr. 3; Streinz, in: Sachs, Art. 32 Rdnr. 12f. 436 Hier müsste eine Annexkompetenz angenommen werden, s. dazu im Einzelnen S. 55 ff. 437 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 32 Rdnr. 34; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, Art. 32 Rdnr. 3; Streinz, in: Sachs, Art. 32 Rdnr. 13. 438 Grewe, HbStR III, § 77 Rdnr. 82; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 32 Rdnr. 34.

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

die Gesetzgebungszuständigkeit besitzen. Diese Regelung wird gerade für den Abschluss von Kulturabkommen relevant, denn sie betreffen einen Bereich, für den auf innerstaatlicher Ebene zumeist die Länder zuständig sind. Es stellt sich allerdings die Frage, ob neben den Ländern auch der Bund für den Abschluss von Kulturabkommen zuständig ist oder ob Art. 32 Abs. 3 GG eine ausschließliche Länderkompetenz gewährt. Diese Frage ist umstritten. 439 Nach der länderfreundlichen, so genannten „föderalistischen" Ansicht hat der Bund im Bereich der ausschließlichen Ländergesetzgebung keine Vertragsschlusskompetenz. 440 Seine umfassende Abschlusskompetenz gemäß Art. 32 Abs. 1 GG sei insoweit eingeschränkt. Die Vertragsschließungskompetenz des Bundes reicht nach dieser Ansicht nur so weit wie seine Gesetzgebungskompetenz. Der Bund kann demnach keine Verträge abschließen, zu deren innerstaatlichem Vollzug ein Gesetz erforderlich wäre, für das die Länder die Gesetzgebungskompetenz besitzen.441 Hingegen sieht die so genannte zentralistische Ansicht in Art. 32 Abs. 3 GG eine Norm, die den Ländern lediglich eine neben die Bundeskompetenz tretende Vertragsschlusskompetenz einräumt. 442 Der Wortlaut spreche für eine konkurrierende Vertragsschlusskompetenz des Bundes und der Länder. 443 Die Verwendung des Wortes „können" in Art. 32 Abs. 3 GG weise darauf hin, dass Länder Teile ihrer Kompetenzen im Bereich des Auswärtigen auf den Bund übertragen dürften. Eine vermittelnde Ansicht nimmt eine Vertragsabschlusskompetenz des Bundes in diesem Bereich an, lehnt aber eine Transformationskompetenz ab. 444 Unabhängig von dieser Diskussion ist der Abschluss von Kulturabkommen durch den Bund unstreitig dann möglich, wenn das Abkommen keinen Vollzug durch ein Landesgesetz erfordert oder wenn der Text des Abkommens einen Vorbehalt zugunsten des landesstaatlichen Vollzugs (Bundesstaatsklausel) enthält oder auf das Versprechen beschränkt ist, auf die Länder unter Respektierung ihrer Zuständigkeiten einzuwirken und sie zu den erforderlichen Vollzugsgesetzen zu veranlassen (Bemühensklausel).445 439 Ausführliche Darstellung des Streitstands bei Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 115 ff.; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 32 Rdnr. 48ff.; s. schon Wenke, Festschrift Nawiasky, S. 286 ff. 440 Blumenwitz, Außenpolitik, S. 180; Geiger, GG und Völkerrecht, S. 126; Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 32 Rdnr. 41; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, Art. 32 Rdnr. 42. 441 Nach Rojahn beruht die Beschränkung der Abschlusskompetenz des Bundes aus dem Mangel an innerstaatlichen Ausführungsbefugnissen, Rojahn, in: v. Münch/Kunig, Art. 32 Rdnr. 44. 442 Hirsch, Kulturhoheit und auswärtige Gewalt, S. 110ff., 140f.; Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S. 64f., Pernice, in: Dreier, Art. 32 Rdnr. 42. 443 Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S. 65. 444 Erbguth, Erosion der Ländereigenstaatlichkeit, S. 551; Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 136; Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 32 Rdnr. 8; Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 32 Rdnr. 55; ähnlich Streinz, in: Sachs, Art. 32 Rdnr. 34. 445 Grewe, HbStR III, § 77 Rdnr. 85; Geiger, GG und Völkerrecht, S. 126.

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In der Praxis verfahren Bund und Länder nach der 1957 getroffenen und als „Lindauer Absprache" bezeichneten „Verständigung zwischen Bundesregierung und den Staatskanzleien der Länder über das Vertragsschließungsrecht des Bundes". 4 4 6 Diese Absprache umfasst vier Ziffern. I n Ziffer 1 wird ausdrücklich festgehalten, dass Bund und Länder an ihrer Rechtsauffassung hinsichtlich der Abschlussund Transformationskompetenzen bei völkerrechtlichen Verträgen festhalten. In Ziffer 2 erklären die Länder ihr Entgegenkommen bei der Anerkennung von Bundeszuständigkeiten beim Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen in bestimmten Sachbereichen (Konsularverträge, Handels- und Schifffahrtsverträge, Verträge über den Beitritt zu oder die Gründung einer internationalen Organisation). Für den Abschluss von völkerrechtlichen Verträgen, die Materien der ausschließlichen Kompetenz der Länder betreffen, regelt Ziffer 3 der Absprache ein bestimmtes Verfahren, durch das die Länder frühzeitig an der Vertragsgestaltung beteiligt werden, und setzt für den Abschluss der Verträge ihr Einverständnis voraus. Für Verträge, die wesentliche Interessen der Länder berühren, sieht Ziffer 4 der Vereinbarung die frühzeitige Unterrichtung der Länder vor sowie die Einrichtung eines ständigen Gremiums, das als Gesprächspartner für das Auswärtige A m t i m Zeitpunkt der Aushandlung internationaler Verträge zur Verfügung steht. Aufgrund dieser Vereinbarung ist die Ständige Vertragskommission der Länder gebildet worden. 4 4 7 446

Vom 14. November 1957, BT-Drs. 7/5924; vgl. auch Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, Art. 32 Rdnr. 58 ff. 447 Die Länder haben die Ständige Vertragskommission (StVK) entsprechend Ziff. 4 Abs. 1 Nr. 2 des Lindauer Abkommens gebildet (konstituiert am 17.6.1958). Sie ist mit Bevollmächtigten der Länder beim Bund besetzt. Entwürfe für bilaterale Kulturabkommen werden durch das Auswärtige Amt an die StVK weitergeleitet. Über die StVK werden die Stellungnahmen aus den Ländern zu dem jeweiligen Abkommen eingeholt. In regelmäßigen Sitzungen der StVK werden der Abkommensentwurf und die dazu abgegebenen Stellungnahmen erörtert und das Ergebnis etwa geäußerter Bedenken dem Auswärtigen Amt mitgeteilt. Der zwischen dem Auswärtigen Amt und dem ausländischen Staat ausgehandelte Vertragstext wird dann erneut der StVK und dem Sekretariat der Kultusministerkonferenz (KMK) zugeleitet. Der StVK empfiehlt, wenn keine Bedenken bestehen, den Ländern die Zustimmung zu dem Abkommen. Die Zustimmung muss dann durch jedes einzelne Land unmittelbar beim Auswärtigen Amt erteilt werden. Vgl. zum Verfahren: Leitfaden KMK auswärtige Kulturpolitik, S. 12 f. Auch das Verfahren zur Durchführung von Kulturabkommen ist zwischen Bund und Ländern im Einzelnen abgesprochen. In regelmäßigen Abständen oder nach Bedarf finden mit den an den Abkommen Beteiligten Sitzungen sog. Gemischter Kommissionen statt. An diesen nimmt auf deutscher Seite neben dem Vertreter des Auswärtigen Amtes als Delegationsleiter auch ein Ländervertreter als sein Stellvertreter teil. Der Ländervertreter ist von den Amtschefs benannt worden und tritt als Vertreter aller Länder auf, denen er Bericht erstattet. Die Länder sind aufgefordert, die sie betreffenden Verhandlungsergebnisse umzusetzen und das Sekretariat der KMK im Hinblick auf dessen Gesamtkoordinierungsfunktion zu unterrichten. Bei der multilateralen Zusammenarbeit im Bereich der Kultur im Rahmen von internationalen Verträgen wirken die Länder zum Teil ständig in entsprechenden Gremien der Organisationen mit. (Als Beispiel ist hier die Tätigkeit der Deutschen UNESCO-Kommission zu nennen. Die UNESCO ist die UN-Organisation für Bildung, Wissenschaft und Kultur. Aufgabe der Deutschen UNESCO-Kommission ist es, die Bundesregierung und die anderen zuständigen Stellen in allen Fragen, die sich aus der Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der UNESCO er-

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

Fraglich ist, ob das Vorgehen nach Ziffer 3 des Lindauer Abkommens - also der Vertragsschluss des Bundes im Einverständnis mit den Ländern - gegen Art. 32 Abs. 3 GG verstößt. Durch das Lindauer Abkommen wurde kein rechtsverbindlicher verfassungsrechtlicher Vertrag geschlossen.448 Gegen die Annahme der Rechtsverbindlichkeit sprechen schon der Wortlaut und der Inhalt des Abkommens. Der Wortlaut enthält keine Berechtigungs- und Verpflichtungssätze. 449 Mit der Erklärung eines „Entgegenkommens" der Länder nach Ziffer 2 des Abkommens wird keine verbindliche Aufteilung der Vertragsabschlusskompetenzen getroffen. 450 Ziffer 3 und 4 des Abkommens betreffen Verfahrensabsprachen zwischen Bund und Ländern und enthalten somit ebenfalls keine bindende Vereinbarung über Zuständigkeitsabgrenzungen.451 Selbst wenn man jedoch dem Lindauer Abkommen eine Rechtsverbindlichkeit zuerkennen würde, könnte dadurch keine Änderung der verfassungsrechtlichen Kompetenzaufteilung erfolgen. Eine vertragliche Änderung der Kompetenzordnung ist verfassungsrechtlich unzulässig.452 Auch können die Länder nicht im Einzelfall durch ein Vorgehen entsprechend Ziffer 3 der Absprache auf eine ihnen durch das Grundgesetz zugewiesene Kompetenz verzichten. Es kommt somit allein darauf an, ob Art. 32 Abs. 3 GG entsprechend der zentralistischen und der vermittelnd föderalistischen Ansicht eine Vertragsabschlusskomgeben, zu beraten. Auch an der Ausführung des Programms der UNESCO in Deutschland ist die Deutsche UNESCO-Kommission beteiligt. Sie besteht aus 100 Mitgliedern aus Staat, Politik, Gesellschaft und Wissenschaft, darunter 6 Vertretern der KMK. Außerdem sind Vertreter der KMK im Vollzugsausschuss und in verschiedenen Fachausschüssen der Kommission vertreten.) Die Länderbeteiligung an internationalen Konferenzen auf dem Gebiet der auswärtigen Kulturpolitik ist durch eine Absprache der Bundesregierung und der Regierungschefs der Länder aus dem Jahr 1968 gesichert. Die personelle Beteiligung der KMK richtet sich nach der jeweiligen Konferenzkategorie und -materie. So überträgt das Auswärtige Amt die Delegationsleitung der KMK, wenn Konferenzgegenstand eine Materie ist, die überwiegend oder ganz in die Zuständigkeit der Länder fällt. Wahrgenommen wird die Delegationsleitung dann in der Regel durch den Präsidenten der KMK. Im Übrigen werden Vertreter der Länder zu internationalen Konferenzen entsandt, sei es als politische Vertreter oder als Fachvertreter. 448 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 32 Rdnr. 60. 449 Winkelmann, DVB1. 1993, 1128, 1130. 450 Rojahn, in: v. Münch/Kunig, Art. 32 Rdnr. 53. 451 Auch die Entstehungsgeschichte des Abkommens wird im Schrifttum als Beleg für die Unverbindlichkeit der Abrede herangezogen. Sie zeige, dass über die Verbindlichkeit zumindest kein Konsens bestanden habe. Ziel sei es gewesen, eine praktische Lösung für den politischen Alltag zufinden, nicht aber eine verbindliche Einigung über die Reichweite der Vertragsabschlusskompetenz zu treffen oder diese gar abzuändern. Vgl. Rojahn, in: v. Münch/Kunig, Art. 32 Rdnr. 53; Winkelmann, DVB1. 1993, 1128, 1129f. 452 Das Bundesverfassungsgericht geht von der Unverfügbarkeit der Kompetenzen aus, BVerfGE 1,14 (35); E32,145 (156), E63,1 (39); für die Lindauer Absprache speziell Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 32 Rdnr. 5. Bei Annahme der Rechtsverbindlichkeit des Abkommens muss daher ein Verfassungsverstoß angenommen werden, so Fastenrath, Kompetenzabgrenzung, S. 139f.; Friehe, JA 1983, 117, 121 f.

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petenz des Bundes vorsieht oder ob im Bereich der Länderkompetenzen Art. 32 Abs. 3 GG eine Vertragsabschlusskompetenz des Bundes ausschließt.453 Wortlaut und Entstehungsgeschichte der Vorschrift sind nicht eindeutig.454 Die Formulierung „die Länder können" kann als das Einräumen einer Kompetenz ohne die Pflicht zum Tätigwerden aufgefasst werden und damit für den föderalistischen Ansatz sprechen.455 Sie kann aber auch als Zuweisung einer Zuständigkeit an Bund und Länder verstanden werden. 456 Die historische Entwicklung der Vertragsabschlusskompetenz des Bundes kann ebenfalls zum Beleg beider Auffassungen angeführt werden. Die zentralistische Auffassung stellt heraus, dass mit Art. 32 Abs. 3 GG das im Kaiserreich in der Weimarer Republik unumstrittene Prinzip, wonach der Bund nur dann vollzugsbedürftige Verträge abschließen kann, wenn er zum Vollzug innerstaatlich zuständig ist, im Grundgesetz aufgegeben worden sei. 457 Die Vertreter der föderalistischen Ansicht führen hingegen an, dass mit Art. 32 Abs. 3 GG gerade eine länderfreundliche Regelung geschaffen werden sollte und insofern keine Änderung gegenüber der Regelung in der Weimarer Reichsverfassung beabsichtigt war. 458 Systematisch könnte zugunsten des so genannten föderalistischen Ansatzes angeführt werden, dass eine konkurrierende Zuständigkeit von Bund und Ländern dem Grundgesetz grundsätzlich fremd ist. Da der Wortlaut von Art. 32 Abs. 3 GG ausdrücklich den Ländern die Vertragsschlusskompetenz zuweist, würde das dafür sprechen, dem Bund insofern keine Zuständigkeit zuzusprechen. Das systematische Argument kann jedoch in Bezug auf die Regelung des Art. 32 Abs. 3 GG nicht überzeugen. Hierbei handelt es sich ohnehin - wie schon oben angeführt - um eine untypische Zuständigkeitsvorschrift, da ein gesamter Politikbereich in die grundsätzliche Zuständigkeit des Bundes gestellt wird. Sie fällt schon aus diesem Grund aus der Systematik der Kompetenzvorschriften heraus. Ein Abstellen auf ein systematisches Argument im Hinblick auf die anderen Vorschriften der Kompetenzordnung kann allein nicht die Auslegung der Vorschrift tragen. Eine systematische Gesamtschau des Art. 32 GG ergibt, dass Abs. 3 dieser Vorschrift den Ländern neben dem Bund eine Zuständigkeit zum Vertragsabschluss in 453 Folgt man der föderalistischen Auffassung, werden durch die Lindauer Absprache Kompetenzen vom Bund auf die Länder übertragen, was verfassungsrechtlich unzulässig ist, vgl. Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 32 Rdnr. 62. Anders Blumenwitz, Außenpolitik, S. 181, der einen vertretbaren modus vivendi annimmt. 454 Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 131; Rojahn, in: v. Münch/Kunig, Art. 32 Rdnr. 42; Winkelmann, DVB1. 1993, 1128, 1129. Zur Argumentation aus der Entstehungsgeschichte auch Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 32 Rdnr. 50. 455 Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 32 Rdnr. 29. 456 Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 32 Rdnr. 49; Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.65. 457 Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S. 65. Vgl. auch Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 32 Rdnr. 50. 458 Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 32 Rdnr. 40.

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

Bereichen zuweist, in denen sie die Gesetzgebungszuständigkeit haben. Abs. 1 dieser Vorschrift stellt den allgemeinen Grundsatz der Bundeszuständigkeit auf. Die Absätze 2 und 3 sehen - in Ergänzung zu diesem Grundsatz - Handlungsmöglichkeiten für die Länder in abgestufter Form vor. Abs. 2 vermittelt lediglich ein Recht, gehört zu werden, während Abs. 3 eine eigene Kompetenz konstatiert. Dieser Absatz dient als Ergänzung zur generellen Kompetenz des Bundes, nicht aber zur Verdrängung. Die „weiche" Formulierung des Absatzes 3 („können") legt in diesem Zusammenhang eine zusätzliche Länderzuständigkeit, nicht eine die Bundeszuständigkeit ersetzende nahe. Art. 32 Abs. 3 GG ermächtigt somit sowohl den Bund als auch die Länder zu Vertragsschlüssen in Materien, in denen die Länder die Gesetzgebungszuständigkeit besitzen. Auch in diesem Bereich besitzt der Bund also die Kompetenz zum Abschluss von Verträgen, beispielsweise von Kulturabkommen. Auch der Vollzug solcher Verträge fällt in die Zuständigkeit des Bundes. Ein Auseinanderfallen von Vertragsabschluss und Vollzug ist nicht zu begründen. 459 Der Bund könnte sonst dem Inhalt des völkerrechtlichen Vertrages keine innerstaatliche Geltung verschaffen, was eine effektive Nutzung seiner Vertragsschlusskompetenz ausschließen würde. Das Argument, die Annahme einer Bundeskompetenz zur Transformation des Vertrages würde die Zuständigkeit der Länder aushöhlen, kann nicht überzeugen. Um die völkerrechtliche Handlungsfähigkeit des Staates zu bewahren, müsste man nämlich bei einer Länderzuständigkeit aus der Bundestreue eine Pflicht zur Transformation folgern, die nicht weniger die Länderkompetenzen beschränkte. 460 Für die länderspezifische Ausgestaltung der Umsetzung des völkerrechtlichen Vertrags bleibt zudem noch Raum, da sich die Zuständigkeit für die erforderlichen Durchführungsmaßnahmen nach Art. 70 ff. GG richtet und somit in die Zuständigkeit der Länder fallen kann. 461 Die Interessen der Länder können durch Rücksichtnahme beim Vertragsschluss und bei der Vollziehung gewahrt werden. 462 Der zentralistischen Auffassung ist also zu folgen. Ein Vorgehen nach dem Lindauer Abkommen ist damit zulässig.463 Es bietet ein Beispiel für eine Ausformung der Rücksichtnahme des Bundes auf die Interessen der Länder. 464 Der Bund gesteht den Ländern eine Beteiligung am Verfahren zu und sichert so, dass ihre Interessen, die aufgrund der Materie der Verträge berührt sind, Berücksichtigung finden. 459

So auch Pernice, in: Dreier, Art. 32 Rdnr. 42. A. A. Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 22 Rdnr. 8; er verlangt, dass der Bund den Vertrag mit einem entsprechenden Vorbehalt zugunsten der Länder abschließt oder das Einverständnis der Länder vor Vertragsabschluss einholt. 461 Pemice, in: Dreier, Art. 32 Rdnr. 42. Gegebenfalls muss auch hier aus dem Grundsatz der Bundestreue eine Pflicht der Länder angenommen werden, die erforderlichen Durchführungsmaßnahmen zu treffen. 460

462

Unter Bezug auf das Gebot der Bundestreue, Pernice, in: Dreier, Art. 32 Rdnr. 42. Pernice, in: Dreier, Art. 32 Rdnr. 42. So auch Kempen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 32 Rdnr. 63, für die zentralistische Auffassung. 464 So auch Bernhardt, HbStR VII, § 174 Rdnr. 17. 463

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

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cc) Akte der Gesetzgebung in Bezug auf auswärtige Kulturpolitik Auch wenn legislative Tätigkeit im Rahmen der auswärtigen Kulturpolitik eine untypische Form des Staatshandelns darstellt, soll hier untersucht werden, ob dem Bund für die Gesetzgebung zur Ausgestaltung der kulturellen Außenpolitik eine Kompetenz zusteht. Abzustellen ist dabei auf Art. 73 Nr. 1 GG. Während Art. 32 GG unabhängig von den Staatsfunktionen dem Bund den Bereich der auswärtigen Gewalt anvertraut, regelt Art. 73 Nr. 1 GG die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes für den Sachbereich des Auswärtigen. Nach dieser Norm ist der Bund ausschließlich zuständig für die auswärtigen Angelegenheiten, die Verteidigung und den Zivilschutz. Durch Auslegung ist zu ermitteln, ob unter den Begriff der „auswärtigen Angelegenheiten" auch kulturelle Angelegenheiten mit Bezug zum Ausland zu fassen sind. Ein Teil der Rechtslehre interpretiert den Begriff der auswärtigen Angelegenheiten in Art. 73 Nr. 1 GG in der Weise, dass hiermit nur der auswärtige Verkehr im engeren Sinn, das heißt die Rechtsverhältnisse des diplomatischen und konsularischen Dienstverkehrs gemeint sind. 465 Art. 73 Nr. 1 GG gewährt dem Bund demnach keine umfassende Gesetzgebungskompetenz für den Erlass aller für die Auslandsbeziehungen des Staats bedeutsamen Normen. 466 Die auswärtige Kulturpolitik, die zwar die Beziehungen zu auswärtigen Staaten betrifft, nicht aber zum diplomatischen oder konsularischen Dienstverkehr zu rechnen ist, könnte daher nicht bundesgesetzlich geregelt werden. Dagegen legt ein anderer Teil des Schrifttums den Begriff der auswärtigen Angelegenheiten gemäß Art. 73 Nr. 1 GG dahingehend aus, dass alle gesetzlichen Regelungen von der Kompetenz gedeckt sind, die die Stellung der Bundesrepublik Deutschland als Völkerrechtssubjekt zu anderen Völkerrechtssubjekten betreffen. 467 Es seien allerdings nicht schlechthin alle Angelegenheiten mit Auslandsbezug erfasst; begriffsnotwendig sei die hoheitliche Beziehung zu einem anderen Völkerrechtssubjekt. 468 Diese Auffassung stützt sich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts. Bei der kompetenziellen Überprüfung einer Norm, die ein Einfuhrverbot enthielt und somit an Einzelpersonen adressiert war, legte das Gericht „auswärtige Angelegenheiten" als die Beziehungen aus, die sich aus der Stellung der Bundesrepu465 Geiger, GG und Völkerrecht, S. 124; Grewe, HbStR III, § 77 Rdnr. 88; Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 73 Rdnr. 6; Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 73 Rdnr. 2; Rengeling, HbStR IV, §100 Rdnr. 71. 466 Geiger, GG und Völkerrecht, S. 124; Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 73 Rdnr. 6; Rengeling, HbStR IV, § 100 Rdnr. 71. 467 Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 73 Rdnr. 8; Stettner, in: Dreier, Art. 73 Rdnr. 9. 468 Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 73 Rdnr. 8.

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

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blik als Völkerrechtssubjekt zu anderen Staaten ergeben. 469 Doch sind Zweifel an der Allgemeingültigkeit der in dieser Entscheidung verwendeten Definition angebracht, da bei der in Frage stehenden Regelung das Vorliegen einer auswärtigen Angelegenheit abgelehnt wurde. Das negative Argument des Gerichts, dass hier schon nicht die Beziehung zu einem anderen Völkerrechtssubjekt betroffen sei, muss nicht darauf schließen lassen, dass dies für eine positive Feststellung das einzige Kriterium wäre. Der Wortlaut des Art. 73 Nr. 1 GG spricht für ein umfassendes Verständnis der auswärtigen Angelegenheiten. Eine Beschränkung ist ihm nicht zu entnehmen. Systematisch ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Kompetenzkataloge der Art. 73 und 74 GG Zuständigkeiten vorsehen, die bei einem weiten Verständnis des Art. 73 Nr. 1 GG überflüssig erscheinen. 470 So fielen insbesondere Gegenstände, für die Art. 73 Nr. 5 GG eine Bundeskompetenz vorsieht, nämlich die Handels- und SchifffahrtsVerträge, die Freizügigkeit des Warenverkehrs und der Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Ausland, bereits unter die weit verstandene Kompetenznorm des Art. 73 Nr. 1 GG. Ein weiteres systematisches Argument ergibt sich aus der Zusammenschau mit Art. 32 Abs. 3 GG. Auch diese Vorschrift liefe bei einem umfassenden Verständnis der auswärtigen Angelegenheiten gemäß Art. 73 Nr. 1 GG leer. 471 So würde die auswärtige Kulturpolitik gemäß Art. 73 Nr. 1 GG als auswärtige Angelegenheit in die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes fallen 472 , wodurch Kulturabkommen, deren Gegenstand der auswärtigen Kulturpolitik zuzurechnen sein wird, nicht mehr der Durchführung durch die Länder bedürften. Der Bund hätte dann neben Vertragsabschluss- und Transformationskompetenz jeweils auch die Durchführungskompetenz. Eine Auslegung von Art. 73 Nr. 1 GG, die sämtliche Regelungen umfasst, die hoheitliche Beziehungen zum Ausland betreffen, ist daher abzulehnen. Der Kompetenztatbestand verleiht dem Bund lediglich die Zuständigkeit zur Regelung der diplomatischen und konsularischen Angelegenheiten. Für den Bereich der auswärtigen Kulturpolitik hat das zur Folge, dass aus der Gesetzgebungskompetenz des Art. 73 Nr. 1 GG keine Zuständigkeiten des Bundes zum Erlass von diesen Bereich regelenden Gesetzen abgeleitet werden können. dd) Verwaltungs- und Finanzierungskompetenz Die Frage der Verwaltungskompetenz ist deswegen besonders bedeutsam, da sich mit ihrer Beantwortung auch entscheidet, ob Bund oder Länder die Zuständigkeit zur Finanzierung der Außenpolitik haben. Die Verwaltungskompetenz im Bereich des Auswärtigen ergibt sich aus Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG, wonach der Auswärtige 469 470 471 472

BVerfGE 33, 52 (60). Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 73 Rdnr. 6. Geiger, GG und Völkerrecht, S. 124. So ausdrücklich Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 73 Rdnr. 9.

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

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Dienst in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt wird. Mit der Verwendung des Begriffs „Auswärtiger Dienst" verwendet das Grundgesetz eine sowohl von Art. 32 GG als auch von Art. 73 Nr. 1 GG abweichende Terminologie. Es stellt sich die Frage, wie der Begriff des „Auswärtigen Dienstes" auszulegen ist und in welchem Verhältnis er zu dem der „Auswärtigen Angelegenheiten" (Art. 73 Nr. 1 GG) und dem der „Pflege der auswärtigen Beziehungen" (Art. 32 Abs. 1 GG) steht. Es ergibt sich schon aus dem geläufigen Wortverständnis, dass unter dem Begriff des „Auswärtigen Dienstes" in Art. 87 Abs. 1S. 1 GG die Unterhaltung von Missionen und Konsulaten im Ausland und ihre Betrauung mit den herkömmlichen diplomatischen und konsularischen Aufgaben, die völkerrechtliche Handlungsfähigkeit voraussetzen, zu verstehen ist. 473 Die Auslegung der Vorschrift ergibt jedoch, dass der Umfang der Kompetenz des Bundes darüber hinausreicht. Von der Kompetenz erfasst ist die gesamte Tätigkeit der ausländischen Missionen der Bundesrepublik, und zwar sowohl die Vornahme von völkerrechtsförmlichen Akten als auch Maßnahmen nichtrechtsförmlicher Art. 4 7 4 Eine Beschränkung auf die klassische Behördenorganisation des Auswärtigen Amtes, auf herkömmliche Aufgaben der Auslandsvertretungen oder auf Aufgaben, die völkerrechtliche Handlungsfähigkeit voraussetzen, kann Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG nicht entnommen werden. 475 Der Wortlaut bestimmt die Bundeskompetenz durch den Begriff des Auswärtigen Dienstes, einer schon während der WRV geläufigen Bezeichnung für die Behörde, die mit der Wahrnehmung der auswärtigen Angelegenheiten betraut ist. Durch diese Terminologie ist aber keine Beschränkung auf der Kompetenz auf die traditionellen Aufgaben von Missionen und Konsulaten im Ausland vorgenommen worden. Die Vorschrift ist offen für weitere Tätigkeiten der Auslandsvertretungen wie etwa die Anknüpfung von Wirtschaftskontakten oder den kulturellen Austausch.476 Mit der Kompetenz zur Einrichtung des Auswärtigen Dienstes wird der Bund auch nach herkömmlichem Verständnis zum Aufbau einer Behörde ermächtigt, die sämtliche Aufgaben der Außenpolitik umsetzen kann. Diese Auffassung wird durch die teleologische Auslegung bestätigt. Es kann nicht Ziel der Vorschrift des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG sein, nur die klassischen Formen außenpolitischen Handelns zu ermöglichen und damit einen zum Zeitpunkt der Verfassungsgebung vorhandenen Kanon festzuschreiben. Die Wahrnehmung außenpolitischer Interessen erfolgt heute nicht mehr allein im Wege der klassischen Diplomatie. Einbezogen werden auch entwicklungs-, gesellschafts-, wirtschafts- und kulturpolitische Gesichtspunkte. Ein Ausschluss neuer Mittel der Außenpolitik aus dem Umfang der durch Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG gewährten Kompetenz würde für un473 474 475 476

Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 110; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 Rdnr. 55. So auch Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 110. Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 110. Fastenrath, Kompetenzverteilung, S. 111.

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

terschiedliche Maßnahmen der Außenpolitik unterschiedliche Organisationsformen erfordern. Der Bund müsste für die nicht-klassischen Handlungsformen auf die durch Art. 87 Abs. 3 GG ermöglichten Strukturen ausweichen. Zweck des Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG ist es jedoch, dass der Bund die Behörde zur Umsetzung der im Wesentlichen durch ihn bestimmten Außenpolitik einrichten kann und dabei nicht auf bestimmte Handlungsformen beschränkt ist. Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG weist also die Verwaltungsmaterie dem Bund zu, die sich inhaltlich mit den „auswärtigen Angelegenheiten" gemäß Art. 73 Nr. 1 GG unter Einschluss der „Pflege der auswärtigen Beziehungen" nach Art. 32 Abs. 1 GG deckt. 477 Damit steht dem Bund gleichzeitig entsprechend der Systematik des Grundgesetzes eine umfassende Finanzierungskompetenz für den Bereich der auswärtigen Angelegenheiten und der Pflege der auswärtigen Beziehungen zu. Er ist demnach für die Finanzierung von kulturellen Maßnahmen im Bereich der Außenpolitik zuständig. In vielen Fällen erfolgt die Aufgabenwahrnehmung im Rahmen der auswärtigen Kulturpolitik nicht unmittelbar durch die Bundesverwaltung (also das Auswärtige Amt), sondern durch die so genannten Mittlerorganisationen. 478 Auch diese besondere Organisationsform ist durch die Kompetenzordnung des Grundgesetzes gedeckt. Geht man nämlich wie hier davon aus, dass Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG nicht nur die klassische Behördenorganisation des Auswärtigen Amtes ermöglicht, sondern bezweckt, dem Bund für die auswärtige Kulturpolitik eine umfassende Verwaltungskompetenz einzuräumen, so fällt die Einrichtung von Mittlerorganisationen und ihre Integration in das Konzept auswärtiger Kulturpolitik in die Zuständigkeit nach Art. 87 Abs. 1 S. 1 GG. 479

ee) Maßnahmen auswärtiger Kulturpolitik: Abgrenzungsprobleme Um für eine bestimmte Maßnahme der Kunstförderung eine Kompetenzbestimmung zugunsten des Bundes oder der Länder treffen zu können, muss diese Maßnahme einem Politikfeld - inländische Kulturpolitik oder auswärtige Kulturpolitik - zugeordnet werden. 480 477

Broß, in: v.Münch/Kunig, Art. 87 Rdnr. 10; Dittmann, Bundesverwaltung, S. 115; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 87 Rdnr. 55. 478 S. dazu oben, S. 128 ff. 479 Dittmann, Bundesverwaltung, S. 124f.; Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.70; Rojahn, in: v. Münch, Art. 32 Rdnr. 24. 480 Vgl. überspitzt Zehetmair, FAZ v. 20.12.2001, S.47: „...weil er [der Bund] aber qua Verfassung die Finger von reinen Länderkompetenzen lassen muss, schmückt er sich mit zeitgenössischer Kunst, die irgendwie mit dem Ausland zu tun hat. Wenn wir Herrn Nida-Rümelin richtig verstehen, wird dann die Darstellung eines Abendrotes über der Mecklenburgischen Seenplatte nur unter zwei Bedingungen von seiner Kulturstiftung gefördert werden: entweder der Künstler kommt aus dem Ausland, oder er lässt wenigstens die Sonne dort untergehen."

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

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(1) Maßnahmen im Inland Schwierigkeiten kann die Frage bereiten, ob eine Maßnahme, die ausschließlich im Inland stattfindet, jedoch über die Grenzen hinaus Wirkung zeigt, als Maßnahme der kulturellen Außenpolitik zu qualifizieren ist. 481 Letzten Endes können alle kulturellen Maßnahmen das Bild prägen, das man sich im Ausland von dem Kulturleben in Deutschland macht. Jede kulturelle Tätigkeit ist damit ein potenzieller Baustein zur Selbstdarstellung des Staates auch nach außen. Diese Erkenntnis kann jedoch keinen Einfluss auf die Kompetenzabgrenzung haben, da sonst jegliche Maßnahme der Kunstförderung als Bestandteil auswärtiger Kulturpolitik aufgefasst werden könnte und damit in die Kompetenz des Bundes fiele. Es wird vertreten, dass Maßnahmen zur Darstellung des Staates gegenüber dem Ausland im Inland nicht unter die Kompetenz für auswärtige Angelegenheiten zu fassen seien, da die Beziehungen zu auswärtigen Staaten hierdurch nicht betroffen seien.482 Das Abstellen auf den Ort, an dem eine Maßnahme durchgeführt wird, ist jedoch kein geeignetes Kriterium für die Kompetenzabgrenzung. Zwar bietet es ein gut handhabbares Abgrenzungsmerkmal zwischen inländischer Kulturpolitik und kultureller Außenpolitik. 483 Doch muss dem Inhaber der Kompetenz überlassen bleiben, zu bestimmen, in welcher Weise und auch an welchem Ort er die ihm überlassene Kompetenz wahrnimmt. Der Bund muss einen weiten Spielraum haben, in dem er die auswärtige Kulturpolitik gestaltet. Eine Beschränkung auf Maßnahmen im Ausland würde eine ungerechtfertigte Begrenzung dieses Freiraums darstellen. Abgrenzungskriterium zwischen inländischer und auswärtiger Kulturpolitik kann nur die Zielsetzung einer Maßnahme sein.484 Bezweckt eine Maßnahme ihrem Schwerpunkt nach die Verbesserung der zwischenstaatlichen Beziehungen und damit der außenpolitischen Rahmenbedingungen, so zählt sie zu den außenpolitischen

481 Zu denken ist hier beispielsweise an Sprachkurse für Ausländer in Deutschland durch das Goethe-Institut, aber auch an Veranstaltungen für Deutsche, die der Völkerverständigung dienen. Nach dem Bericht der Bundesregierung über die Auswärtige Kulturpolitik v. 18.2.1998, BT-Drs. 13/9999, S. 25, wird beispielsweise auch das Haus der Kulturen der Welt in Berlin zu den Mittlerorganisationen auswärtiger Kulturpolitik gezählt. Hierbei handelt es sich um eine Einrichtung, die im Inland die Ziele auswärtiger Kulturpolitik verfolgt. Ziel des Hauses der Kulturen der Welt ist es, beim deutschen Publikum Interesse und Verständnis für fremde Kulturen zu wecken und Vorbehalte gegenüber fremdartigen Lebensweisen abzubauen. Das Haus bietet ausländischen Kulturen ein Forum, sich in Ausstellungen, Gastspielen, Filmen, Tagungen und Literaturveranstaltungen vorzustellen.

Das Haus der Kulturen der Welt ist in der Rechtsform einer GmbH organisiert. Es wird durch den Bund und das Land Berlin finanziert, wobei der Bund die Projektmittel trägt, während das Land Berlin für die institutionelle Förderung aufkommt (z. T. mit Unterstützung des Bundes). S. Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 05, Kap. 0504, Tgr. 01, Titel 687 15-024. 482 Geißler, Kunstförderung, S. 124. 483 So Geißler, Kunstförderung, S. 125. 484 Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.71.

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

Handlungen und fällt sie in die Zuständigkeit des Bundes.485 Diese Zielsetzung können auch Maßnahmen im Inland verfolgen. (2) Maßnahmen bzgl. des kulturellen Erbes der ehemaligen deutschen Siedlungsgebiete im Osten Europas Eine besondere Gruppe von kulturellen Maßnahmen, die der Bund trifft, sind solche, die der Bewahrung des kulturellen Erbes der ehemaligen deutschen Siedlungsgebiete im Osten Europas dienen oder die kulturelle Begegnungen der Bevölkerung dieser Siedlungsgebiete mit Deutschen fördern. 486 Unabhängig davon, ob diese Maßnahmen im In- oder Ausland stattfinden, dienen sie der Verständigung zwischen den Staaten, in denen sich heute die ehemaligen Siedlungsgebiete befinden, und Deutschland. Wie bei jeder Tätigkeit im Bereich der auswärtigen Kulturpolitik ist es eine Frage der politischen Einschätzung, in welcher Art und Weise und mit welcher Intensität - etwa aufgrund einer besonderen geschichtlichen Entwicklung - die kulturellen Kontakte mit diesen Staaten gepflegt werden. Die Maßnahmen zur Pflege der kulturellen Beziehungen mit den Staaten, in denen sich ehemals deutsche Siedlungsgebiete befinden, sind demnach als Maßnahmen der auswärtigen Kulturpolitik zu qualifizieren. Sie fallen somit in die Zuständigkeit des Bundes. c) Ergebnis Zusammenfassend kann für den Bereich der auswärtigen Kulturpolitik eine umfassende Kompetenz des Bundes angenommen werden. Er ist sowohl für die Verwaltung und Finanzierung von kulturellen Maßnahmen der Außenpolitik zuständig, als auch für den Abschluss entsprechender völkerrechtlicher Verträge. Eine Gesetzgebungskompetenz steht ihm insoweit allerdings nicht zu.

7. Schaffung rechtlicher Rahmenbedingungen Der Bund schafft mit verschiedenen gesetzlichen Regelungen eine Rahmenordnung, die auf den Bestand und die Weiterentwicklung des kulturellen Lebens in Deutschlands wesentlichen Einfluss hat. Die gesetzlichen Regelungen haben dabei unterschiedliche Regelungsgegenstände: Sie behandeln entweder ausschließlich kulturelle Materien, oder sie normieren in einem Gesamtzusammenhang unterschiedlicher Sachbereiche Kulturelles, oder sie haben, indem sie andere als kulturelle Gegenstände regeln, Einfluss auf das kulturelle Leben. Die Einwirkungen kön485

Rojahn, in: v. Münch/Kunig, Art. 32 Rdnr. 24. Anhaltspunkt kann etwa das außenpolitische Konzept der Bundesregierung sein, das bestimmte Kulturfördermaßnahmen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen durch Ausweitung des kulturellen Dialogs einsetzt. 486 S. oben, S. 92 ff.

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

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nen in jedem Fall intensiv oder weniger intensiv, unmittelbar oder mittelbar sein. Im Folgenden sollen einige dieser Regelungen aufgeführt und hinsichtlich der Kompetenz des Bundes untersucht werden. Es handelt sich um eine Auswahl einiger Regelungen, ein Anspruch auf Vollständigkeit wird nicht erhoben.

a) Kulturgutsicherungsgesetz Mit einer speziellen kulturpolitischen Zielsetzung hat der Bund das Kulturgutsicherungsgesetz erlassen. 487 Es enthält Regelungen zur Verhinderung der Abwanderung von deutschem Kulturgut ins Ausland und zur Frage der Geltendmachung und Abwicklung von Rückgabeansprüchen auf Kulturgut. Damit soll das kulturelle Erbe des Staates bewahrt werden. Für die Sicherung, den Erwerb und die Rückführung von national wertvollem Kulturgut ist im Haushalt des Kulturstaatsministers ein Etatposten vorgesehen.488 Für das Kulturgutsicherungsgesetz steht dem Bund eine ausdrückliche Kompetenz zu. Gemäß Art. 75 Abs. 1 Nr. 6 GG hat der Bund die Rahmengesetzgebungskompetenz für die Gesetzgebung über den Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung ins Ausland. Durch Verfassungsänderung vom 27.10.1994 wurde die ursprüngliche konkurrierende Zuständigkeit489 in eine Rahmengesetzgebungskompetenz abgeändert. Dabei war es Ziel, der so genannten Kulturhoheit der Länder verstärkt Rechnung zu tragen. 490 Aufgrund dieser Norm ist der Bundesgesetzgeber berechtigt, Rahmenregelungen zu treffen, um die Ausfuhr von Kulturgegenständen wie Kunstwerken, aber auch Bibliotheken, Archiven und Sammlungen zu unterbinden. 491 Nähere Vorgaben hinsichtlich der Art der Maßnahmen enthält die Kompetenznorm nicht. 492 Der Bund erhält hierdurch ausdrücklich eine Zuständigkeit im kulturellen Bereich, die der Si487

Gesetz zur Umsetzung von Richtlinien der Europäischen Gemeinschaften über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern und zur Änderung des Gesetzes zum Schutz deutschen Kulturgutes gegen Abwanderung (Kulturgutsicherungsgesetz - KultgutSiG) v. 15.10.1998, BGB1.I, S.3162ff. 488 Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04, Kap. 0405, Tgr. 01, Titel 681 11-193. 489 Art. 74 Abs.lNr.5GG a.F. 490 Vgl. BT-Drs. 12/6000, S. 34. 491 Zum Umfang der Zuständigkeit s. Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 75 Rdnr. 55 f.; Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Art. 75 Rdnr. 649 ff. 492 Die Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes ist, da es sich um eine Rahmengesetzgebungszuständigkeit handelt, beschränkt. Zum einen müssen gemäß Art. 75 Abs. 1 GG die Voraussetzungen des Art. 72 GG vorliegen, das heißt die bundesgesetzliche Regelung muss erforderlich sein. Zum anderen ist der Bund im Bereich der Rahmengesetzgebung auch hinsichtlich der Regelungsdichte der von ihm geschaffenen Normen beschränkt: Gemäß Art. 75 Abs. 2 GG dürfen Rahmengesetze nur ausnahmsweise in Einzelheiten gehende oder unmittelbar geltende Regelungen enthalten. Grundsätzlich muss den Ländern, auch wenn der Bund ein Rahmengesetz erlassen hat, noch Raum bleiben, um die Regelung näher auszugestalten.

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

cherung des Bestandes an Kulturgut, das sich im Geltungsbereich des Grundgesetzes befindet, dient. 493 b) Künstlersozialversicherung Durch Gesetz wurde im Jahr 1981 die Künstlersozialversicherung eingeführt. 494 Sie integriert selbständige Künstler und Publizisten in die Kranken- und Rentenversicherung, wenn für die jeweilige Person keine anderweitige Sozialversicherung besteht. Durch die finanzielle Absicherung sollen die soziale Lage der Künstler verbessert und damit günstigere Rahmenbedingungen für die Entfaltung eines kulturellen Lebens geschaffen werden. Für den Erlass des Gesetzes über die Künstlersozialversicherung besitzt der Bund die Zuständigkeit. Nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG steht dem Bund die konkurrierende Gesetzgebung für die Sozialversicherung zu. Er hat damit die Befugnis, die traditionellen Bereiche der gesetzlichen Versicherungen gegen Krankheit, Alter, Invalidität und Unfall zu regeln, außerdem die ausdrücklich erwähnte Arbeitslosenversicherung. Darüber hinaus können neue Lebenssachverhalte in die Sozialversicherung als Gesamtsystem einbezogen werden. 495 Das Bundesverfassungsgericht hat die Kompetenzgemäßheit der gesetzlichen Einführung der Künstlersozialversicherung festgestellt. 496 Die weitere Verbesserung der sozialen Absicherung der Künstler bezeichnet die Bundesregierung als kulturpolitische Zielsetzung.497 c) Urheberrecht Mit Regelungen zum Schutz des geistigen Eigentums kann der Staat ebenfalls zu einem regen kulturellen Leben beitragen. Die rechtliche Absicherung der Rechte des Künstlers an seinem Werk ist erforderlich, damit er die notwendige wirtschaftliche Grundlage für sein Schaffen erzielen kann. Mit den entsprechenden rechtlichen Normierungen werden Rahmenbedingungen gesetzt, bereits geschaffene Wer493 Zur Auslegung des Merkmals „deutsch", Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 75 Rdnr. 55. 494 Gesetz über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (Künstlersozialversicherungsgesetz) v. 27.7.1981, BGB1.I, S.705. 495 BVerfGE 75, 108 (146); vgl. Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74 Rdnr. 128; Stettner, in: Dreier, Art. 74, Rdnr. 65. 496 BVerfGE 75, 108 ff. Im Übrigen hat das Gericht das Gesetz im Wesentlichen für verfassungsmäßig erklärt. Kritik erhoben wurde insbesondere wegen der Heranziehung der Vermarkter zu Beiträgen an die Künstlersozialversicherung. Jene haben neben den Künstlern selbst und dem Bund einen Teil der Mittel für die Versicherung aufzubringen, vgl. §§ 10, 23 ff. Künstlersozialversicherungsgesetz. Kritisch etwa Rengeling, HbStR IV, § 100 Rdnr. 191; Osterloh, NJW 1982, 1617, 1620ff. 497 Quelle: Internet-Auftritt der Bundesregierung, Stichwort: „Versicherungsschutz für selbständige Künstler" v. 6.11.2000.

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

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ke zu schützen und mittelbar die Entstehung neuer Werke zu fördern. Die Sicherung des geistigen Eigentums ist in unterschiedlichen Gesetzen geregelt. So finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch Bestimmungen zum Schutz von Werken eines künstlerischen Schaffensprozesses. Spezielle Regelungen enthält das Urheberrechtsgesetz.498 Um einen effektiven Schutz des geistigen Eigentums der Künstler zu gewährleisten, müssen die gesetzlichen Schutzrechte aufgrund des technischen Fortschritts angepasst werden. 499 Für den Schutz des geistigen Eigentums besitzt der Bund eine ausschließliche Gesetzgebungskompetenz. Art. 73 Nr. 9 GG weist dem Bund die Zuständigkeit für den Schutz des geistigen Eigentums zu. Die Regelungsbefugnis betrifft zum einen den gewerblichen Rechtsschutz, das heißt den wirtschaftlichen Sektor, zum anderen das Urheberrecht und somit die schöpferischen Werke aus Wissenschaft, Literatur, Kunst und Musik. 500

d) Steuerrecht Im Steuerrecht findet sich eine Vielzahl von Regelungen, die kulturpolitischen Folgen aufweisen. 501 Einige Beispiele seien hier genannt: Unmittelbare Einwirkungen auf die künstlerische Tätigkeit hat ihre steuerliche Behandlung im Rahmen der Einkommensteuererhebung; hier ist etwa festzulegen, wann eine erwerbsmäßige künstlerische Betätigung vorliegt, die zur Steuerpflicht führt. Weiterhin sind Möglichkeiten denkbar, selbständige Künstler und kulturelle Einrichtungen von der Umsatzsteuer zu befreien. Auch die steuerliche Bevorzugung von Spenden an kulturelle Einrichtungen ist eine Form der staatlichen Kunstpflege. Zu den kulturpolitischen Zielen, die die Bundesregierung verfolgt, zählt auch die Reform des Stiftungssteuerrechts. Mit ihr soll erreicht werden, dass der Anreiz er498

Gesetz über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte (Urheberrechtsgesetz) v. 9.9.1965, BGBl. I, S. 1273. Spezielle Regelungen zum Schutz von Bildnissen enthält das Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künstler und der Photographie v. 9.1.1907. 499 Zu denken ist bspw. an die Entwicklung von Kopierern, die eine wesentlich erleichterte Vervielfältigung des geschriebenen Textes ermöglichte. Aktuell ist auf die technischen Möglichkeiten zur Vervielfältigung und Verbreitung von Musik über das Internet zu reagieren. 500 Ferner ist der Bund durch die Zuweisung der Materie des Verlagsrechts zuständig zur Regelung des Verhältnisses zwischen Urheber und Verleger. Die Kompetenz umfasst nicht das gesamte Recht des Verlagswesens, sondern nur den Teilausschnitt, der im Zusammenhang mit dem Schutz des geistigen Eigentums als dem thematischen Bereich von Art. 73 Nr. 9 GG steht; Degenhart, in: Sachs, Art. 73 Rdnr.41; Heintzen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 73 Nr. 10; Stettner, in: Dreier, Art. 73 Rdnr.40. Das Verlagsrecht ist geregelt im Gesetz über das Verlagsrecht v. 19.6.1901, RGBl. I, S.217. 501 Vgl. dazu Palm, Kunstförderung, S. 202 ff.

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

höht wird, privates Kapital in Stiftungen einzubringen, die bestehende oder neu einzurichtende Kultureinrichtungen (mit-) finanzieren. 502 Hier kann nur ein kleiner Eindruck davon vermittelt werden, dass das Steuerrecht, das zu einem großen Teil in die Zuständigkeit des Bundes fällt, von kulturpolitischer Relevanz sein kann. Deutlich wird, dass auf diesem Weg durch den Bund maßgeblicher, wenn auch indirekter Einfluss auf das kulturelle Leben genommen werden kann.

8. Maßnahmen zur Selbstdarstellung des Staates Im Folgenden soll die Kompetenz für die Regelung der Staatssymbole erörtert werden. 503 Insofern wird in der Rechtslehre hauptsächlich diskutiert, welches Organ auf Bundesebene für die Festlegung und Ausgestaltung der einzelnen Staatssymbole zuständig ist. 504 Von der Verbandszuständigkeit des Bundes wird zumeist stillschweigend ausgegangen.505 Im Rahmen dieser Arbeit, die sich mit der Abgrenzung von Bundes- und Länderzuständigkeiten beschäftigt, soll jedoch geprüft werden, auf welcher Grundlage dem Bund die Zuständigkeit für die Festlegung der Staatssymbole zuerkannt werden kann. Als Maßnahmen, die der Selbstdarstellung des Staates dienen, sollen hier die Staatssymbole im engeren Sinn, die Bestimmung einer Stadt als Hauptstadt, die Errichtung von Gebäuden sowie Maßnahmen zur Pflege des Geschichtsbewusstseins, wozu insbesondere die Errichtung und Unterhaltung von Denkmälern zu zählen ist, auf ihre Verbandszuständigkeit hin untersucht werden. a) Staatssymbole Die Frage, welche Maßnahmen der Selbstdarstellung im Einzelnen als Staatssymbole verstanden werden, wird unterschiedlich beantwortet. 506 Unabhängig davon wird im Folgenden die Bestimmung der Flagge, der Nationalhymne, der Wappen, der Orden und Ehrenzeichen sowie der Festlegung von Feier- und Gedenktagen gemeinsam auf ihre Verbandskompetenz hin erörtert.

502 Quelle: Internet-Auftritt der Bundesregierung, Stichwort: „Kulturpolitische Ziele der B undesregierung". 503 Klein, in: BK, Art. 22 (Zweitbearb. 1982), Rdnr. 50, spricht insofern von „Symbolgewalt" bzw. „Symbolhoheit". 504 Vgl. etwa Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 22 Rdnr. 21; Klein, in: BK, Art. 22 (Zweitbearb. 1982), Rdnr. 52ff.; Wieland, in: Dreier, Art. 22 Rdnr. 15, 16. 505 Vgl. etwa Wieland, Der Staat 30 (1991), 231, 233 ff. 506 S. oben, S.27ff.

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

aa) Festlegung der Staatssymbole Die Formen, in denen der Staat die Staatssymbole festgelegt hat, variieren voneinander. Teilweise finden sich gesetzliche oder sogar verfassungsrechtliche Regelungen. Teilweise werden die Symbole durch einfache Beschlüsse von Staatsorganen oder in unförmlichen Staatshandlungen (etwa einem Briefwechsel) bestimmt. (1) Flagge Art. 22 GG legt fest: „Die Bundesflagge ist schwarz-rot-gold." 507 Mit dieser Verfassungsbestimmung sind die Farben der Flagge festgelegt, aber auch die Reihenfolge, in der diese auf der Bundesflagge erscheinen. 508 Die nähere Bestimmung der Flagge und die Einführung dreier weiterer deutscher Flaggen509 erfolgte durch Anordnung des Bundespräsidenten am 7.6.1950.510 Darin wird die gleiche Breite der Querstreifen, deren Anordnung sowie das Verhältnis von Länge zu Breite des Fahnentuchs bestimmt. 511 (2) Nationalhymne Im Jahr 1991 wurde durch einen Briefwechsel zwischen Bundespräsident v. Weizsäcker und Bundeskanzler Kohl die dritte Strophe des Deutschlandsliedes Hoffmann V.Fallerslebens zu einer Melodie von Josef Haydn als Nationalhymne bestätigt.512 Bereits im Jahr 1952 hatten sich der damalige Bundespräsident Heuß und der damalige Bundeskanzler Adenauer durch einen Briefwechsel darauf verständigt, dass das Deutschlandlied Nationalhymne der Bundesrepublik werden sollte. 513 Rechtlich umstritten war und ist insbesondere die Frage, ob ein solcher Briefwechsel die Na507 Zum Begriff der „Flagge" und zum Unterschied zwischen Fahnen und Flaggen, vgl. Hartmann, Staatszeremoniell, S.22ff. 508 Hartmann, Staatszeremoniell, S.28. 509 Die Standarte des Bundespräsidenten, die Dienstflagge der Bundesbehörden und die Bundespostflagge. Für die Seestreitkräfte und die Bundeswehr erfolgte eine Anordnung v. 25.5.1956 (BGBl. I, S.447). Die Flaggenführung der See- und Binnenschiffe wird durch das Flaggenrechtsgesetz geregelt (Gesetz v. 8.2.1951, BGB1.I, S.79). 510 BGBl. I (1950), S. 205. Dem Bundespräsidenten wird als traditionellem Recht eines deutschen Staatsoberhaupts die Symbolgewalt zuerkannt, vgl. Hartmann, Staatszeremoniell, S.46f. Diese Organkompetenz wird durch Analogie zu den Kompetenzen des Bundespräsidenten zur Ernennung und Begnadigung gemäß Art. 60 Abs. 1,2 GG begründet, s. Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 22 Rdnr. 32. 511 Zur Geschichte der Bundesflagge Hartmann, Staatszeremoniell, S.21 ff.; Hattenhauer, Nationalsymbole, S.9ff. 512 BGB1.I (1991), S.2135. 513 Nachweise bei Hartmann, Staatszeremoniell, S.78. Zur Frage, ob das gesamte Lied oder nur die dritte Strophe bis 1991 Nationalhymne war, vgl. ebenda, sowie BVerfGE 81,298 (309); Isensee, Staatsrepräsentation, S.227.

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

tionalhymne mit notwendiger Rechtsverbindlichkeit festlegt oder ob eine gesetzliche Regelung getroffen werden muss.514 Diese Frage betrifft jedoch die Organzuständigkeit und soll hier außer Betracht bleiben. In jedem Fall hat ein Bundesorgan die Kompetenz zur Festlegung der Hymne ausgeübt. (3) Wappen Durch das Wappen wird auf eine besondere Art Hoheitsgewalt symbolisiert. Im Gegensatz zur Flagge veranschaulicht es nicht in allgemeiner Weise den Staat, sondern dokumentiert den amtlichen Charakter der Sache, die mit dem Wappen versehen ist. So wird es insbesondere auf Dienstflaggen, Amtsschildern, Briefköpfen oder Siegeln verwendet. 515 Die Festlegung der äußeren Gestaltung des Bundeswappens und des Bundesadlers erfolgte im Jahr 1950 durch eine Bekanntmachung des Bundespräsidenten.516 (4) Orden und Ehrenzeichen Als Auszeichnung kennt die Bundesrepublik Deutschland insbesondere das Bundesverdienstkreuz 517, das aufgrund eines Erlasses des Bundespräsidenten im Jahr 1951 gestiftet wurde. 518 Zur Konkretisierung der Verleihungspraxis sind mehrfach geänderte Ausführungsbestimmungen durch den jeweiligen Bundespräsidenten erlassen worden. 519 Regelungen über die Führung von Titeln, Orden und Ehrenzeichen sind in dem entsprechenden Gesetz aus dem Jahr 1955 getroffen. 520

514

So Tünnesen-Harmes/Westhoff, Neue Justiz 1993, 60, 62; vgl. auch dies., VR 1991, 73 ff.; Lippold, KritV 1992, 38ff. 515 Hartmann, Staatszeremoniell, S.59. 516 Bekanntmachung betreffend das Bundeswappen und den Bundesadler v. 20.1.1950, BGBl. I, S. 26. Das Bundeswappen zeigt auf goldgelbem Grund einen einköpfigen schwarzen Adler. - Zur Geschichte vgl. Hattenhauer, Nationalsymbole, S.72ff.; Hartmann, Staatszeremoniell, S. 58 ff. 517 Nach Hartmann handelt es sich bei dem Verdienstkreuz um den einzigen Orden, der den Charakter eines Staatssymbols aufweist, da nur dieses ein allgemeines Ehrenzeichen ist, das unabhängig von der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Berufsgruppe verliehen wird, Hartmann, Staatszeremoniell, S.91. Von Interesse mag auch der Hinweis sein, dass das Bundesverdienstkreuz - lässt man die Auszeichnungen des Dritten Reiches außer Betracht - die erste nationale deutsche Auszeichnung ist, vgl. Hartmann, Staatszeremoniell, S. 85, 89. 518 Erlass über die Stiftung des „Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland" v. 7.9.1951, BGB1.I, S. 831. 519 Zuletzt Ausführungsbestimmungen zum Statut der Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland in der Neufassung der Bekanntmachung v. 5.9.1983, GMB1. S. 389.

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

127

(5) Festlegung von Feier- und Gedenktagen Feiertagsrecht ist grundsätzlich eine Materie, die durch die Länder ausgeübt w i r d . 5 2 1 So finden sich in den Landesverfassungen Feiertagsgarantien; 522 darüber hinaus haben die Länder Feiertagsgesetze geschaffen, die konkret festlegen, welche Tage Feiertage sind. Für diese gesetzlichen Feiertage werden besondere Regelungen hinsichtlich der Arbeitstätigkeit, der Abhaltung von Veranstaltungen und der Wahrung der Feiertagsruhe i m Übrigen getroffen. 523 Z u den in den Landesgesetzen bestimmten Feiertagen zählen insbesondere christliche Feiertage 524 , daneben der 1. Mai, der Tag der Arbeit, und der 3. Oktober als Nationalfeiertag. Zudem werden der Volkstrauertag und der Totensonntag als Gedenk- und Trauertage zu gesetzlichen Feiertagen erklärt. 5 2 5 Der 3. Oktober wurde als Nationalfeiertag in Art. 2 Abs. 2 E V festgeschrieben. 526 Insofern findet sich für diesen Feiertag eine bundeseinheitliche, gesamtstaatliche Vorgabe. Die Länder haben in ihren Feiertagsgesetzen den 3. Oktober als Tag der deutschen Einheit in den Katalog der gesetzlich garantierten Feiertage aufgenommen. 5 2 7 Die Ausgestaltung des „Tags der Deutschen Einheit" als Nationalfeiertag obliegt in jährlichem Wechsel dem Bundesland, das den Vorsitz i m Bundesrat inne520

Erlass über die Neufassung des Statuts des „Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland", v.8.12.1955, BGB1.I, S.749ff. 521 Die Kompetenz der Länder zur Festlegung der Feiertage und Gestaltung des Feiertagsrechts ergibt sich gemäß Art. 30, 70 GG daraus, dass es an einer entsprechenden Kompetenz des Bundes fehlt. So im Ergebnis auch Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 70 Rdnr. 8; Maunz/Zippelius, Staatsrecht, §9 II 1; Gröschner, KritV 1993, 360; aus der Rechtsprechung BayVerfGH NJW 1982, 2656, 2657 m. w.N. auf die Rechtsprechung des BayVerfGH. 522 Einen Überblick gewährt Häberle, Feiertagsgarantien, S. 15 f., 21 f. In NRW bestimmt Art. 25 der Landesverfassung, dass der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage als Tage der Gottesverehrung, der seelischen Erhebung, der körperlichen Erholung und der Arbeitsruhe anerkannt und gesetzlich geschützt werden. Ferner wird verfassungsrechtlich der 1. Mai als Tag des Bekenntnisses zu Freiheit und Frieden, sozialer Gerechtigkeit, Völkerversöhnung und Menschenwürde als gesetzlicher Feiertag festgelegt. 523 In NRW: Gesetz über die Sonn- und Feiertage (FeiertagsG NW) in der Fassung der Bekanntmachung v. 23.4.1989 (GV NW S.222). Die einzelnen Feiertage sind in §2 FeiertagsG festgelegt. 524 Die Regelungen in den Bundesländer unterscheiden sich in Bezug auf die Festlegung christlicher Feiertage teilweise voneinander, was auf die verschiedene konfessionelle Prägung zurückzuführen ist. Manche Bundesländer schützen auch jüdische Feiertage, vgl. etwa § 9 FeiertagsG NW. Zur Notwendigkeit, auch Feiertagen anderer Glaubensrichtungen Schutz zu gewähren, s. Häberle, Feiertagsgarantien, S. 19 Fußn.23. 525 Vgl. § 2 Abs. 2 FeiertagsG NW. 526 Am 3. Oktober 1990 trat die DDR gemäß Art. 23 GG der Bundesrepublik Deutschland bei. Zu nationalen Feiertagen in der Bundesrepublik Deutschland vor der Wiedervereinigung, s. Hattenhauer, Nationalsymbole, S. 129 ff. Zur Geschichte deutscher Nationalfeiertage s. ebenda, S. 104ff. Zur Bedeutung des 17. Juni als bundesdeutschem Nationalfeiertag vor der Wiedervereinigung vgl. Heltling, FAZ v. 16.6.2001, S.III. 527 Vgl. für NRW § 2 Abs. 1 Nr. 8 FeiertagsG NW.

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

128 528

hat. Damit wird in gewisser Weise eine „Föderalisierung" des nationalen Feiertags erreicht, die das Augenmerk von einer zentralen Veranstaltung in der Hauptstadt weg auf dezentrale, möglicherweise auch bürgernähere Veranstaltungen lenkt. Neben dem Tag der deutschen Einheit werden auf Bundesebene weniger institutionalisierte Gedenktage begangen. Hier sind beispielsweise der 23. Mai als Tag des Inkrafttretens des Grundgesetzes im Jahr 1949 oder der 20. Juli als Tag der Erinnerung an den deutschen Widerstand im Dritten Reich anlässlich des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler im Jahr 1944 zu nennen.529 Diese Tage werden durch Repräsentanten des Staates in unterschiedlichen Formen feierlich gewürdigt. Sie genießen jedoch nicht den Schutz eines gesetzlichen Feiertags. bb) Verbandskompetenz für die Festlegung der Staatssymbole Die Verbandskompetenz des Bundes für die Bestimmung der Staatssymbole muss sich aus den Regelungen der Verfassung ergeben. Die Verfassung beschäftigt sich mit der Frage der Staatssymbole oder - allgemeiner gesprochen - mit der Selbstdarstellung des Staates mit Ausnahme des Art. 22 GG, in dem die Farben der Bundesflagge festgelegt werden, nicht. Art. 22 GG ist somit der einzige verfassungsrechtliche Anknüpfungspunkt für die Frage der Verbandskompetenz zur Festlegung von Staatssymbolen. (1) Kompetenz aus Art. 22 GG? Ein Teil der Literatur folgert aus Art. 22 GG eine Verbandskompetenz des Bundes zur Regelung der Bundesflagge und des Flaggenwesens.530 Auch die Verbandskompetenz des Bundes zur Festlegung der anderen Staatssymbole wird teilweise durch eine erweiternde Auslegung von Art. 22 GG auf diese Norm gestützt.531 Andere leiten die Kompetenz aus einer Zusammenschau von mehreren Artikeln des Grundgesetzes her, und stützen sich insbesondere auf Art. 22, 32 Abs. 1, 39,40, 73 Nr. 1 und 3 und Art. 87 GG. 5 3 2 Größtenteils nimmt die Literatur jedoch für die Staatsaufgabe der Festlegung der Staatssymbole des Bundes eine Kompetenz des Bundes aus der Natur der Sache an. 533

528

Vgl. zur Praxis Hartmann, Staatszeremoniell, S. 102. S. auch Häberle, Feiertagsgarantien, S. 24. 530 Huber, in: Sachs, Art. 22 Rdnr. 5; Klein, HbStR I, § 17 Rdnr. 15. 531 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 22 Rdnr. 38; Huber, in: Sachs, Art. 22 Rdnr. 5; Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.56. 532 Bothe, in: AK, Art. 30 Rdnr. 15. 533 Bothe, in: AK, Art. 22 Rdnr. 6; Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 22 Rdnr. 7,12; Hoog, in: v. Münch/Kunig, Art. 22 Rdnr. 20; Klein, in: BK, Art. 22 Rdnr. 51; Wieland, in: Dreier, Art. 22 Rdnr. 15 ff. Für die Bestimmung von nationalen Feier- und Gedenktagen im Speziellen 529

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

129

Auch das Bundesverfassungsgericht hat im Baurechtsgutachten eine natürliche Kompetenz des Bundes für die Bestimmung der Bundessymbole festgestellt, ohne dass diese Frage eigentlicher Gegenstand des Gutachtens war. Zur Begründung führt es aus, dass eine Bestimmung durch die Länder nicht möglich sei; die Kompetenz leitet es unmittelbar aus dem Wesen und der verfassungsmäßigen Organisation des Bundes ab. 534 Die Ableitung einer Kompetenz aus Art. 22 GG erscheint nicht überzeugend. Die Norm legt ihrem Wortlaut nach lediglich das äußere Erscheinungsbild der Bundesflagge fest, trifft jedoch keine Bestimmung in Bezug auf die Regelungskompetenz für die mit der Flaggenausgestaltung, die Flaggenführung und den Flaggenschutz zusammenhängenden Fragen. 535 Auch das Bundesverfassungsgericht hat festgestellt, dass sich die normative Aussage von Art. 22 GG auf die Festlegung der Bundesfarben beschränkt. 536 Allerdings führt das Gericht im gleichen Zusammenhang ebenfalls aus, dass dieser Norm zusätzliche Bedeutung insoweit zukäme, als sie das Recht des Staates, sich zur Selbstdarstellung solcher Symbole wie der Flagge zu bedienen, voraussetze.537 Das Bundesverfassungsgericht folgert aus Art. 22 GG also, dass das Grundgesetz die Festlegung der Staatsymbole als Staatsaufgabe anerkannt hat. Eine Aussage über die Verbandszuständigkeit ist damit aber noch nicht getroffen. Das Ergebnis der Wortlautauslegung wird auch durch die Entstehungsgeschichte gestützt. Im Grundsatzausschuss des Parlamentarischen Rates diskutierte man zum einen die Frage, wann über Bundesflagge zu entscheiden sei. Zum anderen war die Gestaltung der Flagge hinsichtlich der Farben, der Abfolge der Farben auf der Flagge und der Abbildung weiterer Symbole auf der Flagge Gegenstand der Debatte zum heutigen Art. 22 GG. 538 Die systematische Auslegung des Art. 22 GG spricht ebenfalls gegen die Ableitung einer Kompetenz aus dieser Norm. Art. 22 GG steht in Zusammenhang mit Art. 20 GG, in dem die Staatsgrundlagen der Bundesrepublik konstituiert sind. In diesem Kontext sind auch die Farben der Bundesflagge als äußere Identifikation des Staates festgelegt. Erst Art. 30 GG enthält die Grundregel für die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Die Stellung des Art. 22 GG in der Verfassung spricht gegen die Annahme, dass mit dieser Vorschrift eine Kompetenzbestimmung getroffen werden sollte. wird ebenfalls eine Bundeskompetenz aus der Natur der Sache angenommen, Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.44; Hufen, Kulturstaatlichkeit und Bundesstaat, S.212. 534 BVerfGE 3, 407 (422). 535 So auch Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 22 Rdnr. 7; Klein, in: BK, Art. 22 (Zweitbearb. 1982), Rdnr. 50. - Die Kompetenz für die Regelung der Flaggenführung ist umstritten, vgl. Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 22 Rdnr. 9 m. w. N. 536 BVerfGE 81, 278 (293). 537 BVerfGE 81, 278 (293). 538 S. JöR 1 (1951), S. 211 ff. 9 Pabel

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

Die Auslegung von Art. 22 GG ergibt also, dass diese Vorschrift die Verbandszuständigkeit nicht regelt und somit dem Bund keine Kompetenz zur Regelung der Bundesflagge oder anderer Staatssymbole zuerkennt. (2) Feststellung einer Lücke in der Verfassung Fällt somit für die Kompetenzbegründung eine Bezugnahme auf Art. 22 GG aus, erscheint es im Fall der Festlegung der Staatssymbole des Gesamtstaats dennoch wirklichkeitsfremd, eine Kompetenz der Länder anzunehmen. Die Länder können vielmehr für sich aufgrund ihrer eigenen Staatlichkeit eine Kompetenz in Anspruch nehmen, eigene Staatssymbole festzulegen. So existieren in allen Bundesländern Landesflaggen und Landeswappen; auch besondere Orden werden verliehen. 539 In der tatsächlichen Anschauung erscheint die Festlegung von Staatssymbolen somit unmittelbar mit dem Staatscharakter eines Gemeinwesens zusammenzuhängen. Allein der Umstand, dass jede unvoreingenommene Beantwortung der Frage nach der Zuständigkeit zur Festlegung der Staatssymbole des Gesamtstaats von einer Bundeszuständigkeit ausginge, führt als bloßes Evidenzargument noch nicht zu einer hinreichenden verfassungsrechtlichen Begründung der Kompetenz. Es ist jedoch in Betracht zu ziehen, dass das Grundgesetz in Bezug auf die Bestimmung der Verbandszuständigkeit für die Festlegung der Staatssymbole eine echte Lücke aufweist. Für die Annahme einer Lücke spricht die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes. Im Verfassungskonvent von Herrenchiemsee war man sich einig, dass die Symbole eine ausschließliche Angelegenheit des Bundes seien, auch wenn der Zuständigkeitskatalog eine entsprechende Kompetenz nicht enthielte. Insofern ging man bereits hier von einer Zuständigkeit aus der Natur der Sache aus.540 Auch in den Beratungen des Parlamentarischen Rates wurde die Frage der Verbandszuständigkeit im Rahmen der Diskussionen über die Bundesflagge nicht ausdrücklich angesprochen. Die Erörterungen belegen, dass man stillschweigend von einer Bundeszuständigkeit ausging. Beispielsweise galt es als selbstverständlich, dass ein eventuell erforderlicher Akt der Gesetzgebung durch den noch zu bildenden Gesetzgeber des Bundes erfolgen müsste.541 Die Annahme einer Regelungslücke aufgrund der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes wird auch dadurch bestätigt, dass seit der Bildung eines Staatenbun539

Vgl. für NRW Art. 1 Abs. 1 der Landesverfassung; Gesetz über die Landesfarben, das Landeswappen und die Landesflagge v. 10.3.1953 (GS NW, S. 140); Verordnung über die Führung des Landeswappens v. 16.5.1956 (GS NW, S. 140). 540 Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, Bericht des Unterausschusses II, in: Der Parlamentarische Rat, Bd. 2, S. 248; Verfassungsausschuß der Ministerpräsidentenkonferenz der westlichen Besatzungszonen, Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, in: Der Parlamentarische Rat, Bd. 2, S. 527. 541 Vgl. JöR 1 (1951), S.211, 213.

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

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des 1871 die Kompetenz zur Festlegung der Symbole für den Gesamtstaat (Bund oder Reich) immer als eine des Gesamtstaats angesehen wurde. 542 Dabei war weder in der Verfassung von 1871 noch in der Weimarer Reichsverfassung eine solche Zuständigkeit ausdrücklich festgeschrieben. Vielmehr wurde die entsprechende Kompetenz des Reichs oder Bundes als Fall der natürlichen Bundeszuständigkeit angesehen.543 Dieser Tradition ist das Grundgesetz treu geblieben. Weiterhin kann das dargelegte Evidenzargument zum zusätzlichen Beleg dessen herangezogen werden, dass der Verfassungsgeber die Zuständigkeit des Bundes für diese Staatsaufgabe für so selbstverständlich hielt, dass er von einer Bestimmung in der Verfassung absah. Auf dieses Evidenzargument stellt auch das Bundesverfassungsgericht im Baurechtsgutachten ab, wenn es feststellt, es sei nicht möglich und nicht vorstellbar, dass die Bundessymbole durch die Länder bestimmt würden. 544 Im Ergebnis ist somit hinsichtlich der Verbandzuständigkeit für die Festlegung der Staatssymbole eine echte Lücke in der Verfassung festzustellen. (3) Lückenschließung durch Analogie Die festgestellte Lücke ist unter Berücksichtigung der Aspekte, die zur Entstehung der Lücke geführt haben, durch Analogieschluss zu schließen. Dabei ist die besondere Eigenart der Staatsaufgabe zu berücksichtigen, um die Struktur des in Frage stehenden Sachbereichs - Festlegung der Staatssymbole - zu erfassen. Der Analogieschluss erfolgt dann dadurch, dass die kompetenzielle Regelung eines anderen, strukturell ähnlichen Sachbereichs auf die Bestimmung der Kompetenz für die Festlegung der Staatssymbole übertragen wird. 545 Da die Staatssymbole Elemente der unmittelbaren Selbstdarstellung des Staates sind, ist zunächst die Parallele dieser Aufgabe zur Selbstorganisation des Staates zu ziehen.546 Die aus der Organisationshoheit abzuleitende Kompetenz zur Selbstorganisation umfasst die freie Entscheidung über den Aufbau und die Bildung der Staatsorgane.547 Der Staat, in diesem Fall der Bund als Gesamtstaat, ist zunächst 542 Für die Rechtslage unter der Verfassung von 1871 s. Triepel, Festschrift Laband, S. 325; für die Rechtslage unter der WRV vgl. Lassar, Die Verteilung der staatlichen Aufgaben, HbDStR I, § 27, S. 301, 304; Anschütz, Kommentar, Art. 3 Anm. 7, Art. 6 Anm. 1. 543 Vgl. Triepel, Festschrift Laband, S. 324f.; Anschütz, Kommentar, Art. 6 Anm. 1; Lassar, Die Verteilung der staatlichen Aufgaben, HbDStR I, § 27, S. 301, 304. 544 BVerfGE 3,407 (422). 545 S. oben, S.82. 546 So auch Lassar, Die verfassungsrechtliche Ordnung der Zuständigkeiten, HbDStR I, § 27, S. 304; Klein, in: BK, Art. 22 Rdnr. 3. 547 S. oben, S. 72 ff. Gemeint ist hier die Organisationshoheit des Staates im Sinne einer Verbandszuständigkeit, nicht die Organisationsgewalt der Staatsorgane, die die Frage der Organkompetenz betrifft und auf die in der Regel im vorliegenden Zusammenhang zur Begründung der Organkompetenz auf Bundesebene abgestellt wird. So z.B. Wieland, Der Staat 31 (1990), 221, 235 ff.; Huber, in: Sachs, Art. 22 Rdnr. 8.

9*

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

nicht greifbar. Er muss sich, um wahrgenommen zu werden, sichtbar machen. Dies geschieht zunächst durch das öffentliche In-Erscheinung-Treten der Amtsträger, die als Verkörperung des Staates und seiner Organe angesehen werden. 548 Die Bildung der Staatsorgane und die Bestimmung der Amtsträger sind Bestandteile der Organisationshoheit des Staates. Daneben sind die Symbole des Staates äußere Zeichen, durch die er sich selbst charakterisiert. Sie wirken als Teil des fassbaren, erkennbaren Auftreten des Staates, indem sie seine Identität ausweisen.549 Die Festlegung der Symbole als ein Abbild der Identität des Staates ist daher mit der Aufgabe der Selbstorganisation des Staates vergleichbar; die Tätigkeiten hängen sogar teilweise miteinander zusammen. Daraus folgt für die Symbole des Gesamtstaats, dass in Analogie zur Zuständigkeit für die eigene Organisation dem Bund die Kompetenz zu ihrer Bestimmung zusteht.550 Diese Argumentation steht auch nicht im Widerspruch zur oben dargelegten Auffassung, dass die Förderung kultureller Einrichtungen und Veranstaltungen, die der gesamtstaatlichen Repräsentation dienen, nicht unter die Organisationshoheit des Staates fällt. 551 Bei solchen Projekten steht die künstlerische Zielsetzung im Vordergrund. Ihre Inanspruchnahme für die Staatsrepräsentation folgt aus der breiten Wirkung oder der künstlerischen Qualität des Projektes. Anders als bei den hier diskutierten Staatssymbolen findet jedoch in diesen Einrichtungen und Veranstaltungen keine Versinnbildlichung des Staates statt. Die Unterscheidung in kulturelle Maßnahmen, die für die staatliche Repräsentation in Anspruch genommen werden, und in Staatssymbole hat eben auch Auswirkungen auf die kompetenzrechtliche Beurteilung. Ein weiteres Argument für die Lückenschließung zugunsten des Bundes ergibt sich daraus, dass eine Funktion der Staatssymbole die Darstellung des Staates nach außen ist. 552 Insofern ergibt sich eine Parallele zur Pflege der Beziehungen zu auswärtigen Staaten als Teil der auswärtigen Gewalt. Auch hier geht es, insbesondere im Rahmen der auswärtigen Kulturpolitik, darum, im Ausland ein bestimmtes Bild von Deutschland zu vermitteln. Das Symbol steht dabei allerdings unmittelbar für die Präsenz des Staates, während die auswärtige Kulturpolitik ein Bild vom Leben im Staat, das heißt auch von der Gesellschaft, zeichnen will. Dennoch ist ein Zusammenhang zwischen diesen Funktionen erkennbar. Für Maßnahmen im Bereich der auswärtigen Gewalt besitzt der Bund eine umfassende Zuständigkeit, die auch die 548

Gauger, Staatsrepräsentation, S. 10. Vgl. auch Hartmann, Staatsrepräsentation, S. 176. Isensee, Staatsrepräsentation, S.223. 550 Entsprechend haben die Länder aufgrund ihrer Staatlichkeit die Zuständigkeit, ihre Symbole festzulegen. 551 In der Literatur wird gelegentlich die kulturelle Selbstdarstellung des Bundes kompetenziell mit der Festlegung der Staatssymbole gleichgesetzt. Unter dieser Annahme wird dann sowohl eine Landeszuständigkeit (so Palm, Kunstförderung, S. 132) als auch eine Bundeszuständigkeit (so Geißler, Kunstförderung, S. 140) für beide Aufgaben vertreten. 552 Vgl. Hartmann, Selbstdarstellung, S. 176, der ebenfalls einen Zusammenhang zur Außenpolitik herstellt. 549

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

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auswärtige Kulturpolitik umfasst. In Analogie zu dieser Zuständigkeit kann wegen der strukturellen Vergleichbarkeit der Sachmaterien ein Argument für die Zuständigkeit des Bundes auch für die Staatssymbole gefunden werden. 553 Die festgestellte Lücke ist also durch einen Analogieschluss mit Blick auf die Zuständigkeit zur Selbstorganisation und auf die Repräsentation nach außen zugunsten einer Bundeskompetenz für die Festlegung der Staatssymbole zu schließen. Dieses Ergebnis könnte für die Kompetenz zur Bestimmung des Nationalfeiertags deswegen angezweifelt werden, weil für die Festlegung von Feiertagen grundsätzlich die Länder die Kompetenz besitzen.554 Daher erscheint es naheliegend, die festgestellte Lücke in Bezug auf den Nationalfeiertag durch eine Analogie zu der Kompetenzverteilung bezüglich der übrigen Feiertage zu schließen und im Ergebnis eine Länderkompetenz anzunehmen. Es stellt sich also die Frage, ob die Kompetenz für die Festlegung des Nationalfeiertags durch Analogiebildung zu den übrigen Feiertagen oder zu den übrigen Staatssymbolen begründet wird. Das Argument, dass eine Gleichbehandlung von Nationalfeiertag und den übrigen Symbolen des Bundes deswegen ausscheide, da jener der inneren Integration des Staates und diese der äußeren Integration dienten555, kann nicht überzeugen. Erstens ist es unmöglich, zwischen der inneren und äußeren Integrationswirkung einer Maßnahmen genau zu unterscheiden. Es ist auch kaum denkbar, dass eine Maßnahme ausschließlich der inneren oder der äußeren Integration dient. Zweitens - und das ist juristisch entscheidend - ist die Befugnis des Bundes, Maßnahmen der Selbstdarstellung zu treffen, nach der hier vertretenen Auffassung nicht auf die äußere Repräsentation beschränkt. Abgestellt wird allein darauf, ob es sich bei dem betreffenden Symbol um eine Versinnbildlichung des Staates handelt. Gegen eine Lückenschließung durch Analogie zur der Kompetenzverteilung in Bezug auf die Festlegung von Feiertagen spricht, dass zwischen dem Nationalfeiertag und den übrigen Feiertagen maßgebliche Unterschiede bestehen. Letztere knüpfen an Anliegen aus dem gesellschaftlichen Bereich an: christliche Feiertage beruhen auf den Feiertagsregelungen und „Feiertagsbedürfnissen" der großen Religionsgemeinschaften. Der 1. Mai als Tag der Arbeit entspricht (wenigstens historisch) dem Anliegen einer großen Bevölkerungsgruppe. 556 Der Staat nimmt diese Anliegen auf, indem er den entsprechenden Feiertagen den Schutz als staatlich anerkannter Feiertag gewährt, um damit eigene Interessen, insbesondere das der Integration, zu verfolgen. Der Nationalfeiertag ist jedoch ein Tag, an dem es ausschließlich um die 553

Im Ergebnis ebenso mit ähnlicher Begründung schon Triepel, Festschrift Laband, S. 325. Gröschner, KritV 1993, 360; Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 70 Rdnr. 8; aus der Rechtsprechung BayVerfGH NJW 1982, 2656, 2657, mit weiteren Hinweisen auf die Rechtsprechung des BayVerfGH. 555 So Gröschner, KritV 1993, 360, 364. 556 In einer Kategorisierung der Feiertage bezeichnet Häberle den 1. Mai als Feiertag, der Ausdruck einer gelungenen oder zumindest erhofften Integrierung einer Bevölkerungsgruppe in das gesamte Volk sei, Häberle, Feiertagsgarantien, S. 13. 554

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

Darstellung des Staates selbst geht. Hier spiegeln sich keine Anliegen wider, die ihren Ursprung in der Gesellschaft haben. Mit der Anknüpfung an ein historisches Ereignis, das den Staat selbst betrifft, will er die dahinter stehende Sache in die Gegenwart übertragen. 557 Sowohl gegenüber der eigenen Bevölkerung als auch gegenüber dem Ausland soll damit das Selbstverständnis des Staates durch eine bestimmte historische Tradition, die sich aus dem Anlass des Gedenktages ergibt, versinnbildlicht werden. 558 Diese Unterschiede zwischen dem Nationalfeiertag und den übrigen Feiertagen lassen es als überzeugend erscheinen, die Regelungslücke in der Verfassung, die in Bezug auf die Kompetenz zur Festlegung des Nationalfeiertags als Staatssymbol im Grundgesetz festzustellen ist, in Analogie zur Organisationshoheit zugunsten des Bundes zu schließen. Damit wird der Nationalfeiertag kompetenziell in gleicher Weise wie die anderen Staatssymbole behandelt. Zu ihnen ist eine stärkere sachliche Verbundenheit festzustellen als zu den sonstigen Feiertagen. Im Ergebnis kann daher für die Festlegung der Staatssymbole einschließlich des Nationalfeiertags eine Bundeskompetenz angenommen werden. b) Staatsrepräsentation

durch die Hauptstadt

In Bezug auf die Hauptstadt sind zwei unterschiedliche Aspekte zu betrachten. Erstens geht es um die Frage, ob Bund oder Länder für die Festlegung der Hauptstadt zuständig sind. Zweitens ist im hier interessierenden Zusammenhang zu untersuchen, ob der Bund die Kompetenz dafür besitzt, kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen in der Hauptstadt zu fördern, um auf diese Weise ein der Hauptstadt adäquates Kulturleben zu schaffen. 559 Außerdem ist nach der kompetenziellen Zulässigkeit von entsprechenden Fördermitteln, die an die Bundesstadt Bonn geleistet werden, zu fragen. aa) Festlegung der Hauptstadt Hinsichtlich der Festlegung der Hauptstadt sind wiederum zwei Fragestellungen zu unterscheiden. Zum einen geht es um die Festlegung einer Stadt als Hauptstadt und zum anderen um die Festlegung der Sitze der obersten Bundesorgane.560 Die 557

Häberle, Feiertagsgarantien, S. 12. So ist Ziel des Tages der Deutschen Einheit nicht nur, an die Wiedervereinigung Deutschlands zu erinnern, sondern das Anliegen der Einheitsbildung und -bewahrung in der Gegenwart zu unterstützen. 559 Zu den Funktionen Berlins als Metropole s. v. Beyme, Kulturpolitik und nationale Identität, S. 198 ff. 560 Von dieser Differenzierung geht m. E. auch Art. 2 Abs. 1 EV aus, der Berlin als Hauptstadt festlegt, den jeweiligen Sitz der obersten Bundesorgane jedoch ausdrücklich offen lässt (so auch Hufen, NJW 1991,1321,1322). Eine abweichende Auslegung dieser Bestimmung be558

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

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Trennung von Hauptstadt und Sitz von Parlament und Regierung ist eine Folge der Nachkriegszeit, in der aus politischen Gründen Berlin weiterhin als Hauptstadt sowohl der Bundesrepublik Deutschland als auch der D D R galt, der Regierungssitz der Bundesrepublik jedoch in Bonn lag. 5 6 1 Das Grundgesetz bestimmt keine Stadt zur Hauptstadt. 562 Weder verlangt es, dass überhaupt eine Stadt zur Hauptstadt erklärt wird, noch steht es einer solchen Erklärung entgegen. 563 Trennt man die Frage nach der Festlegung der Bundeshauptstadt von der nach der Sitzbestimmung für die obersten Bundesorgane, so hat die Entscheidung über die Hauptstadt lediglich deklaratorischen und symbolischen Charakter. Eine solche deklaratorische Bestimmung trifft Art. 2 Abs. 1 EV, der Berlin zur Bundeshauptstadt erklärt. 5 6 4 Rechtsfolgen unmittelbarer Art sind an diese Entscheidung nicht gebunden. Auch eine deklaratorische Entscheidung erzeugt aber in der Realität Wirkungen. Sie muss daher - wie jegliches Staatshandeln - den Anforderungen der Kompetenzordnung genügen. 565 In Rechtsprechung und Literatur wird für die Festlegung der Hauptstadt eine Kompetenz des Bundes aus der Natur der Sache angenommen. 566 Andere gehen ohne weitere Begründung von einer Bundeszuständigkeit aus. 5 6 7

sagt, dass Art. 2 Abs. 1 EV die Regel aufstelle, dass alle nicht in S. 2 genannten Verfassungsorgane ihren Sitz in Berlin zu nehmen haben, vgl. Wochner, ZRP 1991,207,210. - Die folgenden Ausführungen werden ergeben, dass es für die gestellte Frage nach der Verbandszuständigkeit dahinstehen kann, ob die Entscheidung über die Hauptstadt und den Sitz der Verfassungsorgane getrennt werden kann, da für beide der Bund die Verbandskompetenz besitzt. 561 Vgl. dazu auch Mußgnug, HbStR I, §6 Rdnr.92f.; Wieland, Der Staat 30 (1991), 231f.; Häberle, DÖV 1990, 989, 993 ff. Häberle macht deutlich, dass sowohl die Festlegung einer Stadt als Hauptstadt als auch die Sitznahme der Staatsorgane, insbesondere des Staatsoberhaupts, symbolischen Charakter haben (ebenda, S.995). Zweifelnd bezüglich der Bedeutung der Festlegung einer Hauptstadt, ohne dass dort die obersten Bundesoigane ihren Sitz nehmen, Wieland, Der Staat 31 (1990), 231, 233. 562 Die Entscheidung für Bonn als Parlaments- und Regierungssitz erfolgte 1949 durch den Parlamentarischen Rat, vgl. Klein, HbStR I, § 17 Rdnr. 14; Mußgnug, HbStR I, § 6 Rdnr. 92. Die neuen Bundesländer haben hingegen die Hauptstädte in ihren Verfassungen niedergelegt: Z. B. Art. 1 Abs. 3 Verfassung Brandenburg; Art. 2 Abs. 1 Verfassung Freistaat Sachsen; Art. 44 Abs. 3 Verfassung Freistaat Thüringen. 563 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 22 Rdnr. 34; vgl. demgegenüber Art. 5 B-VG Österreich. 564 Ebenso Wieland, Der Staat 31 (1990), 231, 237. Deutlich wird der deklaratorische Charakter dadurch, dass Art. 2 Abs. 1 S. 2 EV die Festlegung des Sitzes von Parlament und Regierung auf einen Zeitpunkt nach der Herstellung der deutschen Einheit verschiebt und damit von der Entscheidung über die Hauptstadt trennt. A.A. Wochner, ZRP 1991, 207. 565 Vgl. die oben vorgenommene Auslegung von Art. 30 GG, nach der jegliche staatliche Tätigkeit, also auch informelles Staatshandeln, der Kompetenzordnung des Grundgesetzes unterliegt, S.41. 566 BVerfGE 3,407 (421 f.); Bothe, in: AK, Art. 22 Rdnr. 12; Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.56; Wieland, Der Staat 31 (1990), 231, 241. 567 So Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 22 Rdnr. 33 f.; Huber, in: Sachs, Art. 22 Rdnr. 8; Hufen, NJW 1991, 1321, 1324ff.; Klein, in: BK, Art.22 Rdnr. 102f.

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

Bei der deklaratorischen Bestimmung einer Stadt als Hauptstadt handelt es sich um ein Element der staatlichen Selbstdarstellung.568 Diese Entscheidung ist mit zu dem Bereich der unmittelbaren Staatspflege zu zählen, dem auch die Festlegung der Staatssymbole wie Flagge, Wappen und Hymne zuzurechnen sind. Auch für die Bestimmung einer Stadt als Hauptstadt ist daher in Analogie zu der Organisationshoheit des Gesamtstaats eine Bundeskompetenz anzunehmen.569 Die Festlegung der Sitze der obersten Bundesorgane ist grundsätzlich ein Teil der Selbstorganisation dieser Organe. 570 Sie können im Rahmen ihrer Autonomie selbst entscheiden, an welchem Ort sie ihren Sitz nehmen. So hat der Deutsche Bundestag mit Beschluss vom 20.6.1991 Berlin zum Sitz von Parlament und Regierung bestimmt. 571 Die Bundesregierung beschloss, den Kernbereich der Regierungsfunktionen nach Berlin zu verlegen. 572 Der Bundesrat beschloss im Jahr 1996 die Verlegung seines Sitzes von Bonn nach Berlin. 573 Auch der Bundespräsident hat seinen Amtssitz in Berlin genommen. Es wird aber auch als zulässig erachtet, dass der Gesetzgeber eine Entscheidung über den Sitz der obersten Bundesorgane trifft. 574 Da es sich um Bundesorgane handelt, die den Gesamtstaat repräsentieren, ist in diesem Fall eine Zuständigkeit des Bundesgesetzgebers anzunehmen. Es ist also festzustellen, dass die Kompetenz zur Bestimmung einer Stadt als Hauptstadt und zur Festlegung des Sitzes der Bundesorgane beim Bund liegt. Die Frage der Organzuständigkeit, insbesondere die Frage, inwieweit der parlamentarische Gesetzgeber den Sitz von obersten Bundesorganen festlegen kann 575 , soll hier offen bleiben. bb) Förderung kultureller Maßnahmen in der Hauptstadt Die Bundesregierung formuliert es als kulturpolitisches Ziel, dass in der Hauptstadt Berlin das kulturelle Niveau an das anderer europäischer Hauptstädte angegli568

So Wefing, Parlamentsarchitektur, S.45; Wieland, Der Staat 30 (1991), 231, 233. Vgl. auch Wieland, in: Dreier, Art. 22 Rdnr. 19, der eine bundesgesetzliche Bestimmung eines einheitlichen Sitzes der Bundesorgane mit dem Argument für zulässig hält, die Verfasstheit des Bundes als Gesamtstaat sei betroffen. In der „Umkehrung" Häberle, DÖV 1990, 989, 994, der die Festlegung der Hauptstadt der Länder als Bestandteil der Verfassungsautonomie der Länder sieht. 570 So auch Huber, in: Sachs, Art. 22 Rdnr. 8; Hufen, NJW 1991, 1321, 1322, Lerche, ZG 1991, 193, 194; Wieland, Der Staat 31 (1990), 231, 235 ff. 571 „Vollendung der Einheit Deutschlands", BT-Drs. 12/815 v. 19.6.1991. Vgl. auch Oppermann, Festschrift Stern, S. 1467ff.; Wilke, DVB1. 2000, 1407, 1414ff. 572 BT-Drs. 12/815 v. 19.6.1991. Zur organisatorischen Verwirklichung des Regierungsumzugs und zu den Ausgleichsmaßnahmen für Bonn vgl. König!Füchtner, VA 90 (1999), 1, 4 ff. 569

573

Beschluss v. 27.6.1996; BR-Drs. 345/96. So bestimmt beispielsweise § 1 BVerfGG den Sitz des BVerfG in Karlsruhe. Zum Verhältnis von Selbstorganisationsrecht und Zugriffsrecht des Gesetzgebers, vgl. Wieland, Der Staat 30 (1991), 231, 241 ff. 575 S. dazu Hufen, NJW 1991, 1321, ff. 574

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

137

chen wird und die Stadt so ihre Funktion als kulturelles Schaufenster Deutschlands ausfüllen kann. 576 Eine Kompetenz für entsprechende Maßnahmen der Kunstpflege leitet der Bund aus einer natürlichen Zuständigkeit ab. 577 Zur Verfolgung dieses Ziels sollen die für die Präsenz des Bundes besonders wichtigen kulturellen Einrichtungen mit Fördermitteln des Bundes ausgestattet werden. Die Förderleistungen an die Kultureinrichtungen der Hauptstadt sind durch einen Vertrag zwischen Berlin und dem Bund geregelt. Die vertragliche Regelung für die Jahre 2001 bis 2004 sieht - anders als in den Jahren zuvor 578 - nicht mehr eine pauschale Förderung des kulturellen Lebens in Berlin vor, sondern stellt einen großen Teil der Fördersumme bestimmten einzelnen Einrichtungen zur Verfügung. Ein kleinerer Teil der Fördersumme fließt in den so genannten „Hauptstadtkulturfonds", aus dem Maßnahmen und Veranstaltungen gefördert werden, die für Berlin eine besondere Bedeutung haben, national oder international ausstrahlen oder besonders innovativ sind. 579 Außerdem sieht das Konzept der Bundesregierung vor, zur „Sicherung der musikalischen Leistungsfähigkeit der Staatskapelle" und zur „Wahrung der Kontinuität der künstlerischen Leistung der Staatsoper ,Unter den Linden'" finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen. Diese Auflistung macht deutlich, dass der Bund nicht einen Gesamtbetrag für die Kunstförderung in der Hauptstadt zur Verfügung stellt, sondern gezielt einzelne Einrichtungen und Veranstaltungen unterstützt. 580 Gleichzeitig ist zu beobachten, dass in Zeiten der Finanzknappheit die „Vorzugsbehandlung Berlins" durch den Bund reduziert wird und Mittel für einzelne Einrichtungen gesenkt oder eingestellt werden. 581 Es stellt sich die Frage, ob die kompetenzgemäße Festlegung von Berlin als Hauptstadt oder die Entscheidung, dass der Sitz von Parlament und Regierung in Berlin liegt, auch weitere Kompetenzen nach sich zieht. Insbesondere ist zu untersuchen, ob der Bund die Verbandskompetenz zur kulturellen Ausstattung der Hauptstadt hat. 582 576

Quelle: Internet-Auftritt der Bundesregierung, Stichwort: „Kulturpolitische Zielsetzung der Bundesregierung". Die Mittel sind im Haushalt des Kulturbeauftragten vorgesehen (vgl. Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04, Kap. 0405, Tgr. 02, Titel 632 81-193). Vgl. zur „Ausgestaltung" der Hauptstadt auch v.Beyme, Kulturpolitik und nationale Identität, S. 12, 95 ff. 57 7 Hieronymus, Festschrift v.Köckritz, S.29f. So auch Eiselstein, NVwZ 1989, 323, 328; Schulze-Fielitz, NJW 1991,2456,2459. Die Notwendigkeit einer Bundesförderung kultureller Einrichtungen in Berlin betont auch Zimmermann, FAZ v. 26.4.2000, S.49. 578 Vgl. zum Hauptstadtvertrag Wilke, DVB1. 2000, 1407, 1415 f. 579 Quelle: Internet-Auftritt der Bundesregierung, Stichwort: „Hauptstadtkulturförderung". Über die Vergabe von Mitteln aus dem Kulturfonds entscheidet eine Kommission, die aus Vertretern des Bundes, des Berliner Senats und einem Kurator besteht. 580 Vgl. Bannas, FAZ v. 15.6.2001, S.4, zu den daraus resultierenden Einfluss- und Gestaltungsmöglichkeiten. 581 Vgl. Wefing, FAZ v. 18.5.2001, S.45. 582 Deutlich einschränkend Wefing, FAZ v. 18.4.2000, S. 1. Der Bund kann nach seiner Auffassung nur Nachlasspflege und Außendarstellung betreiben; eine Bundesoper sei ebenso unzulässig wie ein Bundesorchester.

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

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Eine Kompetenz zur allgemeinen Kunstförderung im Inland, zu der auch die kulturellen Maßnahmen in der Hauptstadt gezählt werden können, hat der Bund nicht. Wie oben gezeigt steht ihm insofern weder eine geschriebene noch eine ungeschriebene Zuständigkeit zu. 583 In Betracht kommt allein die Begründung einer Kompetenz aus dem besonderen Aspekt der Hauptstadtförderung. Die Zuständigkeit zur Festlegung des Sitzes der Bundesorgane wird abgeleitet aus der Organisationshoheit des Bundes. Er hat die Kompetenz, eine Stadt zur Hauptstadt zu bestimmen. Der Bund hat die Verbandskompetenz zu entscheiden, an welchem Ort die Bundesorgane ihre Tätigkeit ausüben; er kann - durch das zuständige Organ - in dieser Hinsicht auch eine staatsrepräsentative Entscheidung treffen und die Organe an einem Ort, eben in der Hauptstadt, konzentrieren. Diese Zuständigkeit reicht aber nicht über die Sitzbestimmung hinaus. Sie ist Bestandteil einer Organisationsentscheidung. Kulturelle Förderentscheidungen können auf diese Begründung jedoch nicht gestützt werden. Wie die Förderung kultureller Maßnahmen im Inland dient auch die Unterstützung von Kultureinrichtungen in der Hauptstadt nicht unmittelbar der Darstellung des Staates. Einzelne Einrichtungen werden für diesen Zweck in Anspruch genommen, ohne dass sie originär für Ziele der Staatsrepräsentation gedacht sind. Eine Einbeziehung der Förderung kultureller Einrichtungen in die Kompetenz zur Festlegung der Hauptstadt kommt daher nicht in Betracht. Zu überlegen ist, ob für die Förderung von kulturellen Einrichtungen in der Hauptstadt eine Annexkompetenz zur Hauptstadtentscheidung zugunsten des Bundes anzunehmen ist. Voraussetzung dafür ist, dass ein unlösbarer inhaltlicher Zusammenhang zwischen der Entscheidung über die Hauptstadt und der Unterhaltung eines der Hauptstadt adäquaten Kulturlebens besteht. Auch die Annexkompetenz ist durch Auslegung der „Hauptkompetenz" zu ermitteln. Sie berücksichtigt, ob die in Frage stehende Materie unselbständige Nebenmaterie zur feststehenden Kompetenz ist. 584 Die Kulturförderung in der Hauptstadt müsste also unselbstständige Nebenmaterie zur Festlegung der Hauptstadt sein. Es müsste ein unlösbarer inhaltlicher Zusammenhang zwischen den beiden Aufgaben bestehen. Bei der Förderung kultureller Einrichtungen in der Hauptstadt handelt es sich jedoch nicht um eine unselbständige Materie. Sie kann unabhängig von der Festlegung einer Stadt als Hauptstadt geregelt werden. Fasst man die Entscheidung, eine Stadt als Hauptstadt zu bestimmen, als repräsentative Entscheidung in Ausübung der Organisationshoheit aus, so ist ein nicht lösbarer inhaltlicher Zusammenhang zur kulturellen Ausgestaltung der Hauptstadt nicht festzustellen. In stärkerer Weise könnte ein Zusammenhang mit den übrigen Aufgaben staatlicher Kunstförderung hergestellt werden. Damit fehlt es an den Voraussetzungen zur Annahme einer Annexkompetenz. Auch eine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs scheidet aus. Versteht man diese als Abgrenzungsmethode zwischen zwei einschlägigen Kompetenztatbeständen, so ist hier zu der Materie der Kunstförderung ein stärkerer Zusammenhang herzustellen 583 584

Vgl. S. 86. Vgl. S. 57.

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

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als zu der Organisationsentscheidung der Festlegung einer Hauptstadt. Das Kriterium des Sachzusammenhangs würde also für eine Länderzuständigkeit sprechen. Eine Kompetenz des Bundes zur Förderung kultureller Einrichtungen in der Hauptstadt ist somit nicht ersichtlich. cc) Förderung kultureller Maßnahmen in der Bundesstadt Bonn Der Bund sieht sich in der Pflicht, weiterhin auch kulturelle Einrichtungen der Stadt Bonn zu fördern. Dies wird mit „Anerkennung und Dankbarkeit für die unvergleichliche Rolle der Stadt in der deutschen Nachkriegsgeschichte" und „in Respekt vor der großen kulturellen Tradition der Region" begründet. 585 Zu dieser Gruppe an Maßnahmen ist auch die Leistung von Zuschüssen zu den laufenden kulturellen Aufwendungen an die Stadt Bonn zu zählen, die weiterhin als Ausgleich für nach dem Umzug der Regierung entfallende Förderung vom Bund erbracht wird. 586 Eine Zuständigkeit für die Förderung kultureller Einrichtungen in Bonn könnte sich allenfalls parallel zu einer solchen für die Kunstförderung in der Hauptstadt begründen lassen. Eine solche ist jedoch, wie oben ausgeführt, abzulehnen. Für die Ausgleichsmaßnahmen in Bonn ist somit ebenfalls keine Zuständigkeit ersichtlich. c) Architektonische Selbstdarstellung

des Staates

Auch die Architektur ist ein Mittel, mit dem der Staat sich selbst repräsentieren kann. 587 Dabei lassen sich zwei unterschiedliche Varianten unterscheiden: Der Staat kann Bauwerke mit dem ausschließlichen Zweck der Selbstdarstellung errichten (z. B. Denkmäler für geschichtliche Erfolge oder Gedenkstätten). Die Kompetenz für diese Maßnahmen soll im Zusammenhang mit anderen Staatstätigkeiten zur Pflege des Geschichtsbewusstseins erörtert werden. 588 Der Staat kann aber auch bei der Errichtung von Gebäuden, die andere Zwecke erfüllen sollen, z. B. bei Parlamentsgebäuden, bei Bauten für Ministerien oder anderen öffentlichen Gebäuden, das Anliegen der Selbstdarstellung mit berücksichtigen. 589 Wegen des Umzugs von Parlament und Regierung von Bonn nach Berlin sind Gebäude für oberste Bundesorgane und 585 v g l Internet-Auftritt der Bundesregierung, Stichwort: „Kulturpolitische Zielsetzung". Zur Wirkung Bonns als „provisorische" Hauptstadt s. v. Beyme, Kulturpolitik und nationale Identität, S. 208 ff. 586 Im Haushaltsplan 2002 waren Zuwendungen in Höhe von ca. 26,5 Mio. Euro eingestellt, Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04, Kap. 0405, Tgr. 08, Titel 633 81-193. 587 Vgl. dazu Gauger, Staatsrepräsentation, ibs. S. 15 f.; Wefing, Parlamentsarchitektur, S.70ff.; Schreiber, Selbstdarstellung, S. 191 ff. 588 S. dazu S. 140ff. 589 Krüger, Selbstdarstellung, S.24. Zur Architektur und RepräsentationsWirkung von Parlamentsgebäuden s. v. Beyme, Kunst der Macht, S. 351 ff.; s. auch zur Symbolwirkung des Reichstagsgebäudes Bartetzko, FAZ v. 26.1.2001.

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

für Bundesministerien neu zu errichten oder bestehende Gebäude umzubauen, so dass die Frage, ob der Bund insoweit auch künstlerische Entscheidungen im Hinblick auf eine repräsentative Gestaltung der Gebäude treffen kann, aktuell ist. Für die Errichtung von Gebäuden ist dann eine Kompetenz des Bundes anzunehmen, wenn sie der Erfüllung seiner ihm durch die Verfassung zugewiesenen Aufgaben dienen. Die Gebäude sind eine sachliche Voraussetzung für die staatliche Tätigkeit. Ihre Bereitstellung ist erforderlich, um die staatlichen Tätigkeiten vornehmen zu können. Die Schaffung der tatsächlichen Voraussetzungen für die Wahrnehmung der Kompetenzen ist als Annexkompetenz zur jeweiligen Sachkompetenz anzusehen. Soweit dem Bund durch die Verfassung Verbandskompetenzen zugewiesen wurden, hat er auch die Zuständigkeit, die äußeren Bedingungen für eine Kompetenzwahrnehmung zu schaffen. Die repräsentative Gestaltung der Gebäude ist gegenüber diesem Hauptzweck ein sekundär verfolgtes Anliegen. Die insofern notwendigen künstlerischen Entscheidungen stehen jedoch in engem und unlösbarem Zusammenhang mit der Errichtung oder dem Umbau der Gebäude. Eine Trennung zwischen einem Bestandteil der Entscheidung, der allein den Zweckbau betrifft, und einem, der künstlerische Gestaltung festlegt, ist nicht möglich. Eine gesonderte Zuständigkeit für die Ausstattung der Gebäude anzunehmen, kann daher - auch wenn sie in andere Zuständigkeitsbereiche hineinreichen mag - nicht überzeugen. Die künstlerische Ausgestaltung der Gebäude, die auch Zwecken der Repräsentation dienen kann, ist Bestandteil der Zuständigkeit zur Errichtung der Bauten. Die Kompetenz für die Ausstattung von Gebäuden, die der Erfüllung von staatlichen Aufgaben der Bundesorgane dienen, obliegt somit dem Bund. d) Pflege des Geschichtsbewusstseins Unter der Überschrift „Pflege des Geschichtsbewusstseins" werden im Bundeshaushalt solche Repräsentationsmaßnahmen des Staates zusammengefasst, in denen eine Auseinandersetzung mit der Geschichte stattfindet. 590 Diese Bezeichnung soll hier übernommen werden, um eine Gruppe von staatlichen Aktivitäten zusammenzufassen. aa) Maßnahmen des Staates zur Pflege des Geschichtsbewusstseins In erster Linie betreibt der Staat die Pflege des Geschichtsbewusstseins mit der Errichtung von Denkmälern zur Erinnerung an Personen oder Ereignisse, denen nachwirkende politische Bedeutung für den Gesamtstaat zuerkannt wird. 591 In der heutigen Staatspraxis werden neue Denkmäler insbesondere zur Erinnerung an 590 591

Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04, Kap. 0405, Tgr.06. Zur Wirkung von Denkmälern Häberle, Feiertagsgarantien, S. 32f.

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

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„Krieg, Unterdrückung, Not und M o r d " 5 9 2 errichtet. 5 9 3 Außerdem wird an einzelne herausragende Politiker in Form von Denkmälern erinnert. 5 9 4 Die Darstellung von Größe, Bedeutung und Macht des Staates in Denkmälern ist unüblich geworden. 595 Als Beispiel für das Tätigwerden des Gesamtstaats zur Errichtung und Unterhaltung nationaler Gedenkstätten kann die Diskussion und Beschlussfassung des Bundestags über die Errichtung und das Konzept eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas in Berlin angeführt werden. 5 9 6 Die Verwirklichung des Denkmals ist in die Obhut der Stiftung „Denkmal für die ermordeten Juden Europas" gelegt worden, die durch Bundesgesetz errichtet wurde. 5 9 7 I m Kuratorium dieser Stiftung haben die Bundesorgane die Mehrheit inne. 5 9 8 Das Projekt ist mit diesem Schritt zu einer Angelegenheit der Verfassungsorgane des Bundes geworden. 5 9 9 Über dieses einzelne Projekt hinaus beteiligt sich der Bund auch an der Finanzierung anderer Gedenkstätten. 600 Zwar erkennt er für diese grundsätzlich - mit Aus592

Häberle, Feiertagsgarantien, S. 32. Anlässlich der Verwirklichung des Denkmals für die ermordeten Juden Europas in Berlin entbrannte daher auch eine Diskussion darüber, ob ein solches Mahnmal als Nationaldenkmal taugt (ablehnend Staatsminister Nida-Rümelin, Die Zeit v. 8.3.2001; zur Debatte schon Rauterberg, Die Zeit v. 16.3.2000, S.41). 594 Zu denken ist hier etwa an die Skulptur des Adenauer-Kopfes vor dem ehemaligen Bundeskanzleramt in Bonn. 595 Allerdings werden vorhandene Denkmäler mit entsprechender Aussage weiterhin unterhalten. 596 Beschluss des Bundestages v. 25.6.1999; Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Kultur und Medien, BT-Drs. 14/1238. - Zur Entwicklung des Projekts eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas vgl. unter diesem Stichwort Internet-Auftritt der Bundesregierung, datiert v. 23.5.2000. Der Beschluss des Deutschen Bundestags 1999 schloss eine zehnjährige Debatte über die Errichtung des Mahnmals ab. An ihrem Beginn stand im November 1989 die Gründung eines Förderkreises für die Errichtung eines Denkmals für die ermordeten Juden Europas e. V., dem Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens angehören. 1992 sagten das Land Berlin und der Bund die finanzielle Beteiligung an der Errichtung des Denkmals zu; der Bund stellte außerdem ein Grundstück im Zentrum von Berlin für die Errichtung zur Verfügung. Nach der Durchführung von zwei Wettbewerbsverfahren entschied sich der Bundestag in seinem Beschluss vom 25.6.1999 für den Entwurf des amerikanischen Architekten Peter Eisenman, der auf dem Gelände ein Stelenfeld vorsieht. Zusätzlich wird eine Einrichtung zur Information über den Holocaust geplant. Am 27.1.2000, dem 55. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz, fand an der für das Denkmal vorgesehenen Stelle ein symbolischer Akt anlässlich des Beginns der Realisierungsphase statt. 597 Entwurf eines Gesetzes zur Errichtung einer Stiftung „Denkmal für die ermordeten Juden Europas", BT-Drs. 14/2013. 598 Von 23 Kuratoriumsmitgliedem werden zur Zeit 12 von Organen des Bundes (Bundesregierung, Bundestag - verteilt auf die Fraktionen - , Bundestagspräsident) benannt (vgl. § 5 Abs. 1 der Stiftungssatzung). Im zuvor bestehenden Trägergremium waren das Land Berlin und die als Verein organisierte Bürgerinitiative gleichberechtigt vertreten. Vgl. Schuller, FAZ v. 30.10.1999, S.4, der in dieser Organisationsentscheidung eine Verstärkung des Charakters als Nationaldenkmal sieht. 599 So auch Schuller, FAZ v.30.10.1999, S.4. 600 S. dazu Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung, BT-Drs. 14/1569. Das Konzept v. 27.7.1999 löste eine Praxis ab, nach der seit dem Jahr 1993 elf Gedenkstätten in Berlin und 593

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

nähme der zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland „Neue Wache" - eine Zuständigkeit der Länder und Gemeinden an. Unter bestimmten Voraussetzungen sieht das Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung allerdings eine Förderung durch den Bund vor. Der Bund nimmt demnach eine entsprechende Kompetenz in Anspruch. Voraussetzung dafür, dass der Bund die Förderungswürdigkeit einer Gedenkstätte anerkennt, ist, dass diese ein „wissenschaftlich, museologisch und gedenkstättenpolitisch fundiertes Konzept" aufweist. Darüber hinaus muss die Gedenkstätte von nationaler bzw. internationaler Bedeutung sein. In diesem Zusammenhang müssen bestimmte Kriterien erfüllt sein, damit sich der Bund aufgrund seiner „Verantwortung für den Gesamtstaat" und wegen der „außenpolitischen Bezüge" 601 an der Finanzierung beteiligt. 602 Die Bundesförderung ist nur als Ergänzung einer Finanzierung durch das Sitzland der jeweiligen Gedenkstätte vorgesehen. 603 Zu Einrichtungen, die ab dem Jahr 2000 in die Bundesförderung aufgenommen wurden, zählen beispielsweise KZ-Gedenkstätten in Bergen-Belsen, Dachau und in Neuengamme.604 Neben der Errichtung von Denkmälern ist auch die Unterhaltung von Stiftungen zum Gedenken an bedeutsame Politiker zu den Maßnahmen des Bundes, die der Pflege des Geschichtsbewusstseins dienen, zu zählen.605

bb) Kompetenz des Bundes zur Pflege des Geschichtsbewusstseins Indem der Bund unter der Voraussetzung eine Gedenkstätte fördert, dass diese nationale oder internationale Bedeutung hat, knüpft er an die Kriterien des Troegerden neuen Bundesländern in den Genuss von Bundesförderung kamen. Die insofern zugrunde liegende Gesamtkonzeption der Beteiligung des Bundes war auf 10 Jahre befristet. Die wesentliche Neuerung gegenüber dem bisherigen Konzept liegt also darin, dass auch Gedenkstätten in den alten Ländern in die Bundesförderung einbezogen werden können. 601 So Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung, BT-Drs. 14/1569, S. 3. 602 Die Kriterien nennt das Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung, BT-Drs. 14/1569, S. 3. Dazu zählt, dass sich die Gedenkstätte an einem „Ort von herausragender historischer Bedeutung, der im öffentlichen Bewusstsein exemplarisch für einen bestimmten Verfolgungskomplex steht" befinden muss. Die Gedenkstätte muss außerdem über „ein spezifisches, unverwechselbares Profil, das sich auf die Authenzität des Ortes gründet" verfügen. 603 Voraussetzung für eine Bundesförderung ist eine „angemessene" Beteiligung des Sitzlandes an der Finanzierung der Gedenkstätte. In der Regel wird eine Finanzierung von mind. 50 % durch Länder und Kommunen für eine angemessene Beteiligung gehalten. 604 Eine Aufzählung der ab dem Jahr 2000 durch Bundesmittel geförderten Gedenkstätten findet sich im Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung, BT-Drs. 14/1569, S.4f. Vgl. auch die Titel der Titelgruppe 06 im Haushalt des Bundeskulturbeauftragten. Eine Übersicht über die bis zum Jahr 2000 geförderten Gedenkstätten findet sich in einem entsprechenden Bericht der Bundesregierung, BT-Drs. 14/1569, S. 10ff. 605 Der Bund finanziert die folgenden fünf Stiftungen zu 100%: Stiftung BundeskanzlerAdenauer-Haus, Stiftung Reichspräsident Ebert-Gedenkstätte; Otto-von-Bismarck-Stiftung, Stiftung Bundespräsident-Theodor-Heuß-Haus; Willy-Brandt-Stiftung.

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

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606

Gutachtens an , um eine entsprechende (ungeschriebene) Bundeskompetenz zu begründen. Wie oben bereits dargelegt, kann jedoch ein Verweis auf den nationalbedeutsamen Charakter einer Maßnahme eine Bundeszuständigkeit nicht begründen. 607 Auch der Bezug zur Außenpolitik, der im Gedenkstättenkonzept des Bundes hergestellt wird, genügt nicht, um die Förderung von Gedenkstätten als Teil der auswärtigen Kulturpolitik anzusehen und aus diesem Grunde eine Bundeskompetenz anzunehmen. Ersichtlich geht es dem Bund nicht in erster Linie um eine Gestaltung der Beziehungen zu ausländischen Staaten. Schon daraus, dass die Gedenkstättenpflege in den Kompetenzbereich des Bundeskulturbeauftragten (und nicht des Außenministers wie die auswärtige Kulturpolitik) fällt und im Haushalt unter „Pflege des Geschichtsbewusstseins" aufgeführt ist, wird deutlich, dass sie im Schwerpunkt als eine Maßnahme der Staatspflege angesehen wird. Für ein eventuelles „Nationaldenkmal", das heißt ein Denkmal, durch das sich unmittelbar der Staat selbst darstellt, ist - wie für die anderen Staatssymbole - eine Kompetenz des Bundes in Analogie zu seiner Organisationshoheit anzunehmen. Ein solches Denkmals gibt es aber in Deutschland nicht. Insbesondere kann auch das geplante Denkmal für die ermordeten Juden Europas nicht als ein „Nationaldenkmal" im oben dargestellten Sinn angesehen werden. 608 Grundsätzlich ist Denkmalschutz eine Sachmaterie, die mangels einer ausdrücklich geregelten Zuständigkeit des Bundes gemäß Art. 30, 70 GG in die Kompetenz der Länder fällt. 609 Eine Kompetenz des Bundes könnte sich für Gedenkstätten jedoch aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 10 a GG ergeben, wonach die Kriegsgräber und Gräber anderer Opfer des Krieges und der Gewaltherrschaft Gegenstand konkurrierender Gesetzgebung des Bundes sind. Unter diesen Kompetenztitel fallen die Sorge für die Gräber aller Opfer der Kriege (Militärangehörige und Zivilisten) und aller Opfer jeglicher Gewaltherrschaft. Der ursprünglich für die Kriegsopfer und Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft geschaffene Kompetenztatbestand umfasst daher auch die Opfer der SED-Diktatur. 610 606

Vgl. oben S. 61 f. Siehe S. 64. 608 Diese Auffassung besagt nicht, dass nicht einzelne Denkmäler oder Gedenkstätten symbolische Bedeutung haben und den Staat repräsentieren. Sie sind aber keine Abbilder des Staates. Es erscheint auch zweifelhaft, ob die bildhafte Darstellung des Staates in einem Denkmal in einem demokratischen, pluralistischen Staat realisierbar wäre, wenn es sich nicht um ein überkommenes Denkmal handelte. 609 Hönes, Unterschutzstellung, S. 21 ff.; Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein/Pestalozza, Art. 75 Rdnr. 452. Als Ausnahme von dieser Zuständigkeit kann in gewissem Umfang für die Pflege von Naturdenkmälern gemäß Art. 75 Abs. 1 Nr. 3 GG eine Rahmenkompetenz des Bundes anzunehmen sein. 6,0 Degenhart, in: Sachs, Art. 74 Rdnr. 36; Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74 Rdnr. 87; Stettner, in: Dreier, Art. 74 Rdnr. 50 f. - Ursprünglich war die Kriegsgräberfürsorge Bestandteil des Kompetenztitels gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 10 GG, nach dem die Sorge für Kriegsbeschädigte, Kriegshinterbliebene und Kriegsgefangene in der Kompetenz des Bundes steht. Durch eine Grundgesetzänderung im Jahre 1965 schuf man den Kompetenztitel der 607

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

Soweit es bei den genannten Gedenkstätten vorrangig um die Pflege der Gräber 611 von Kriegsopfern oder Opfern von Gewaltherrschaft geht, kann der Bund gestützt auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 10 a GG tätig werden. Dabei ist es von der Kompetenz noch abgedeckt, wenn die Gräberanlage künstlerisch ausgestaltet wird und daher den Charakter einer Gedenkstätte gewinnt. In den meisten Gedenkstätten werden jedoch über die bloße Gräberpflege hinaus in Ausstellungen oder anderen Präsentationsformen Informationen oder wissenschaftliche Erkenntnisse über die Gewaltherrschaften vermittelt. 612 Insbesondere neu errichtete Gedenkstätten oder Mahnmale weisen keinen Bezug zu Gräbern auf. In den Vordergrund rückt die Erinnerung an die historischen Ereignisse als Bestandteil des staatlichen Selbstverständnisses.613 Den Gedenkstätten wird zudem eine erzieherische Aufgabe zuerkannt. 614 Für die Errichtung und Unterhaltung von Gedenkstätten, die nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Pflege von Gräbern von Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft stehen, scheidet daher die Annahme einer Annexkompetenz zu Art. 74 Abs. 1 Nr. 10 a GG aus. Daher ist im Ergebnis festzustellen, dass der Bund keine Zuständigkeit zur Errichtung und Pflege von Gedenkstätten hat. Es handelt sich um eine Aufgabe der Denkmalpflege, die in die Zuständigkeit der Länder fällt. e) Nationalstiftung Vorschläge, eine deutsche Nationalstiftung zu gründen, sind seit den siebziger Jahren immer wieder Gegenstand politischer Diskussionen. Neben der Frage, in welcher Form eine solche Stiftung organisiert werden sollte (öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Stiftung) und in welchem Umfang sie mit Geld ausgestattet sein soll, variierten die Pläne, welche Aufgaben der Stiftung übertragen werden sollen. aa) Diskussion und Errichtung der Kulturstiftung der Länder und der Bundeskulturstiftung In seiner Regierungserklärung vom 18. Januar 1973 stellte der damalige Bundeskanzler Brandt seine Vorstellung von der Gründung einer Nationalstiftung vor, die Nr. 10 a mit dem Ziel, ausdrücklich auch die zivilen Opfer des Krieges und die Opfer der Gewaltherrschaft mit einzubeziehen. Vgl. Oeter, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 74 Rdnr. 87. 611 Die Verbindung zu Grabstätten betont Löwer, in: BK, Art. 74 Nr. 10 a Rdnr. 6. 612 Vgl. auch die entsprechenden qualitativen Anforderungen, die gemäß dem Konzept der Bundesregierung an die Gedenkstätten gestellt werden. Zur Funktion der Kunst bei der Gestaltung von Denkmälern s. Häberle, Feiertagsgarantien, S.32f. 613 Im Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung (BT-Drs. 14/1569, S. 3) ist die Rede von „demokratischer Erinnerungskultur"; die Erinnerung an die NS-Terrorherrschaft und die SEDDiktatur sei Teil des demokratischen Selbstverständnisses der Bundesrepublik Deutschland. 614 Das Gedenkstättenkonzept der Bundesregierung (BT-Drs. 14/1569, S. 3) spricht von Gedenkstätten als „Lernorten".

II. Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

145 615

öffentliche und private Initiativen zur Förderung der Künste bündeln sollte. In der Folgezeit wurden unterschiedliche Konzepte für eine solche Stiftung diskutiert. Der im Hinblick auf die Einwände der Länder, die sich auf ihre Kulturhoheit beriefen, weitreichendste Vorschlag sah vor, alle bestehenden und neuzugründenden kulturellen Einrichtungen von nationaler Bedeutung in die Trägerschaft der Nationalstiftung zu stellen. Andere Modelle betrauten die Stiftung lediglich mit der Förderung von Einrichtungen, denen gesamtstaatliche Bedeutung zukommt. Ein Ziel aller Konzepte war es, durch die Stiftung finanzielle Mittel zur Sicherung national bedeutsamen Kulturguts durch Rückkäufe bereit zu stellen. Letztlich konnte - vor allem aufgrund des Widerstands der Länder - die Nationalstiftung nicht verwirklicht werden. 616 Nachdem der Plan zur Gründung einer Nationalstiftung zunächst gescheitert war, errichteten die Länder im Jahr 1988 durch ein Abkommen die Kulturstiftung der Länder. Die Stiftung hat die Rechtsform einer Stiftung des bürgerlichen Rechts.617 Nach der Wiedervereinigung traten die neuen Länder der Stiftung bei. 618 Der Bund ist im Rahmen eines Mitwirkungsabkommens an der Kulturstiftung der Länder beteiligt. Aufgabe der Stiftung ist in erster Linie die Förderung und Bewahrung von Kunst und Kultur nationalen Rangs und von überregional und international bedeutsamen Kunst- und Kulturvorhaben. 619 Die Stiftung beteiligt sich insbesondere an der Erwerbung von national bedeutsamem Kulturgut, dessen Abwanderung ins Ausland verhindert oder das aus dem Ausland zurückgewonnen werden soll. 620 Die Kulturstiftung der Länder wird als Modell einer nationalen Kulturstiftung, die mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes im Einklang steht, genannt.621 Der ehemalige Kulturbeauftragte Naumann hat nach seinem Amtsantritt im Jahr 1998 die Idee der Gründung einer deutschen Nationalstiftung wieder aufgegriffen. 622 Nach seiner Vorstellung sollen durch die Stiftung insbesondere die Bemühungen finanziell unterstützt werden, Besitz aus deutschen Museen und Sammlun615 Verhandlungen des Deutschen Bundestages, Stenographische Berichte, 7. Wahlperiode, Sitzung v. 17.1.1973, S. 121 ff. 616 Vgl. zu den unterschiedlichen Konzeptionen einer Nationalstiftung in den siebziger Jahren Hieronymus, WissR 8 (1975), 203 ff.; Knopp, SPK, S. 67 f.; Küster, Kunst- und Kulturpflege, S. 272 ff.; Rühle, Nationalstiftung, S. 101 ff. 617 Abkommen zur Errichtung der Kulturstiftung der Länder v. 4.6.1987. Abgedruckt in: Kulturstiftung der Länder, S. 16. S. dazu Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S.75ff.; 263 ff.; Küster, Kunst- und Kulturpflege, S. 281 ff. 618 Abkommen über den Beitritt der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen v. 25.10.1991. 619 Vgl. Satzung der Stiftung, abgedruckt in: Kulturstiftung der Länder, S. 17 ff. 620 Vgl. den Tätigkeitsbericht, in: Kulturstiftung der Länder, S.28ff. Bekannt wurde beispielsweise die Rückführung des Quedlinburger Domschatzes. 621 Vgl. insbesondere Köstlin, Kulturhoheit des Bundes, S. 263 ff.; s. auch Maurice, Festschrift v.Köckritz, S.291 ff.; Zehetmair, FAZ v.20.12.2001, S.47. 622 Man spricht jetzt von einer „Bundeskulturstiftung"; vgl. Naumann, Die Zeit Nr. 4 v. 17.1.2002, S.33f.

10 Pabel

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Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

gen an die ehemaligen jüdischen Eigentümer oder deren Erben zurückzugeben und Beutekunst aus russischem Besitz nach Deutschland zurückzuführen. Sein Nachfolger, Staatsminister Nida-Rümelin, verfolgte die Pläne zur Gründung einer Nationalstiftung mit anderer Zielsetzung weiter. Ihm geht es vor allem um die finanzielle Förderung zeitgenössischer Kunst, die nach seiner Auffassung auf dem Markt zu geringe Chancen hat, sich durchzusetzen. 623 M i t Kabinettsbeschluss vom 23. Januar 2002 wurde die sog. „Kulturstiftung des Bundes" als Stiftung des privaten Rechts mittels eines Erlasses der Bundesregierung errichtet. A m 21. März 2002 fand am Sitz der Stiftung in Halle/Saale 6 2 4 die konstituierende Sitzung des Stiftungsrates statt. 625 Die Leitung der Stiftung soll durch einen künstlerischen Direktor und einen Verwaltungsdirektor übernommen werden. 6 2 6 Eine Stiftungssatzung, die einen Stiftungszweck festlegt, liegt bislang nicht vor. Als Stiftungszweck wird die Förderung innovativer Projekte i m Bereich zeitgenössischer Kunst genannt. 627 Ob diese einen besonderen Bezug zum Ausland aufweisen müssen - wie es zeitweilig in der Diskussion stand ist nicht ersichtlich. 6 2 8 Die Finanzierung der Bundeskulturstiftung erfolgt allein durch den B u n d . 6 2 9 Die Länder sind bislang an der Bundeskulturstiftung nicht beteiligt. 6 3 0 Sie bestehen wei623 Vgl. Wefing, FAZ v. 30.3.2001, S.47; ders., FAZ v. 20.12.2001, S.47; Lehnart, FAZ v. 21.12.2001, S.49. Zur Kritik an Unklarheit hinsichtlich der Zielsetzung der Stiftung vgl. aus Sicht der Länder Zehetmair, in: FAZ v. 20.12.2001, S. 47. Auch mit Blick auf die zu erwartenden Kompetenzstreitigkeiten mit den Ländern war in der Diskussion um die Errichtung der Nationalstiftung vorgeschlagen worden, innovative Projekte im internationalen Kontext zu fördern, um einen Auslandsbezug herzustellen. 624 Die Stiftung soll ihren Sitz in den Franckeschen Stiftungen in Halle/Saale nehmen. 625 Vgl. die Rede von Günter Grass, die er beim die konstituierende Sitzung begleitenden Festakt am 21.3.2002 in Halle/Saale hielt, abgedruckt in FAZ v. 22.3.2002, S.43. 626 Für diese Funktionen sind Hortensia Völckers (künstlerische Direktorin) und Alexander Fahrenholtz (Verwaltungsdirektor) benannt worden. 627 Der ehemalige Kulturbeauftragte Naumann führt in einem Beitrag der Wochenzeitung „Die Zeit" mit deutlich kritischem Unterton aus, dass Ziel der Nationalstiftung die Forderung avantgardistischer und zeitgenössischer Kunst sei; dabei solle gefördert werden, was dem „kleinen, flexiblen Apparat als Themenschwerpunkt" gefalle. Mehrheitsfähig müssten die Projekte gerade nicht sein. Bei dieser Förderpolitik stelle sich die Frage, wer auf welchen Grundlagen entscheide, was zu fördern sei, vgl. Naumann, Die Zeit Nr. 4 v. 17.1.2002, S. 33 f. 628 Im Gründungsjahr will sich die Bundeskulturstiftung insbesondere vier Bereichen widmen: „Kunst und Stadt", die kulturellen Aspekte der deutschen Einigung, Osteuropa und die Herausforderung des 11. Septembers 2001. Als erste Projekte, deren Finanzierung durch die Stiftung erörtert wird, werden konkret der Ankauf einer Arbeit von Rebecca Horn für das ehemaligen KZ Buchenwald, die Einladung außereuropäischer Künstler zur documenta 11 und der Ankauf der Sammlung Mazona für die Berliner Nationalgalerie genannt. 629 Im Bundeshaushalt 2002 sind 12,8 Mio. Euro, im Jahr 2003 die doppelte Summe und im Jahr 2004 die dreifache Summe geplant; als Stiftungsvermögen sind zunächst 250.000 Euro vorgesehen (vgl. Bundeshaushaltsplan 2002, Einzelplan 04, Kap. 0405, Tgr. 01, Titel 685 17-187). 630 Nach einem Konzept des Kulturbeauftragten Nida-Rümelin war überlegt worden, eine Stiftung zu gründen, unter deren „Dach" die Länder die bereits bestehende Kulturstiftung der

IL Zulässigkeit der Bundesmaßnahmen zur Kunstpflege

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terhin auf einer Entflechtung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern insbesondere im Bereich der Kulturförderung. 631 bb) Kompetenz zur Gründung einer Nationalstiftung Es stellt sich die Frage, ob der Bund die Kompetenz zur Gründung einer Nationalstiftung besitzt. Eine spezielle Kompetenz zur Errichtung einer Kulturstiftung ist nicht ersichtlich. Insbesondere kann auf der Basis von Art. 135 Abs. 4 GG, der die Kompetenzgrundlage für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz bildet, keine Stiftung gegründet werden, die nicht auf den so genannten Preußischen Kulturbesitz bezogen ist. 632 Es ist somit auf die allgemeinen Vorschriften der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern zurückzugreifen. Die Errichtung einer Stiftung dient dazu, Aufgaben der Exekutive durch eine dem Bund zurechenbare Einrichtung wahrnehmen zu lassen. Dabei kann die Stiftung als eine solche des öffentlichen oder des privaten Rechts organisiert sein. Gemäß Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG können für Angelegenheiten, für die dem Bund die Gesetzgebung zusteht, selbstständige Bundesoberbehörden und neue bundesunmittelbare Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts durch Bundesgesetz errichtet werden. Unter diese Vorschrift sind nicht nur Körperschaften und Anstalten zu fassen, sondern auch andere dem Bund zurechenbare juristische Personen des öffentlichen Rechts sowie privatrechtlich organisierte Verwaltungsträger. 633 Damit fallen auch Stiftungen - unabhängig davon, ob sie öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich organisiert sind - unter Art. 87 Abs. 3 S. 1 GG. Die Frage der Zuständigkeit richtet sich also nach dem Umfang seiner Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Länder einbringen sollten. Ihr Aufgabenfeld in der neuzugründenden Stiftung sollte in der Bewahrung und Pflege des nationalen Erbes liegen; für diesen Bereich sollten die Länder die Stiftungsarbeit maßgeblich bestimmen. Der Bund sollte die Hauptverantwortung für den Aufgabenbereich „Kulturelle und künstlerische Innovation im internationalen Kontext; Kulturelle Integration und internationale Kooperation" übernehmen und damit zuständig sein für die überregionale und internationale Förderung der zeitgenössischen Kunst (vgl. Konzeption eines Zwei-Säulen-Modells für die Nationalstiftung der Bundesrepublik Deutschland des Kulturbeauftragten, Juli 2001). Dieses Konzept der Aufgabenteilung zwischen Bund und Ländern in der Bundeskulturstiftung und das Einbringen der Kulturstiftung der Länder in die neugegründete Stiftung ist nicht verwirklicht worden. 631 Politisch wird versichert, dass die Bundeskulturstiftung nach wie vor einer Mitwirkung durch die Länder offen steht. So sind etwa im Stiftungsrat Plätze für die Ländervertreter vorgesehen. In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass der Bund an der Finanzierung der Kulturstiftung der Länder beteiligt ist. Es wird daher auf Dauer eine Aufteilung von Aufgaben, Mitspracherechten und Finanzierungsanteilen zwischen Bund und Ländern auf die beiden jetzt vorhandenen Stiftungen vorgenommen werden. Wahrscheinlich ist auch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, an der ebenfalls Bund und Länder beteiligt sind, in diese Verantwortungsverteilung mit einzubeziehen. Vgl. Hintermeier, FAZ v. 8.3.2002, S.41. 632 Siehe S. 98 ff. 633 Dittmann, Bundesverwaltung, S. 254; Hermes, in: Dreier, Art. 87 Rdnr. 79 m. w. N.; Kostlin, Kulturhoheit des Bundes, S. 133 f. 10*

148

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

Zur kompetenzrechtlichen Untersuchung einer Nationalstiftung ist also für die jeweilige Konzeption zu überprüfen, welche Aufgaben der Stiftung übertragen werden und ob dem Bund insoweit eine Gesetzgebungskompetenz zusteht. Nach der bisherigen Konzeption soll die Stiftung insbesondere die Förderung zeitgenössischer Kunst betreiben. Auf der Grundlage der hier vertretenen Auffassung, dass dem Bund keine Kompetenz zur Kunstpflege bezüglich Kunst von nationaler Bedeutung zusteht 634 , ist für diese Zielsetzung eine Kompetenz des Bundes nicht festzustellen. 635 Fraglich ist, ob dann eine Zuständigkeit für den Bund angenommen werden kann, wenn die Bundeskulturstiftung allein Projekte fördert, die einen „Auslandsbezug" aufweisen. Die Abgrenzungsprobleme, die bei der Qualifikation einer bestimmten Maßnahme als Teil der inländischen oder auswärtigen Kulturpolitik, entstehen, wurden bereits oben erwähnt. 636 Auch im Fall der Bundeskulturstiftung müsste geprüft werden, ob die Kunstfördermaßnahmen dem Gebiet der auswärtigen Kulturpolitik zuzurechnen sind. Dagegen spricht, dass sie nicht vom Außenministerium oder einer Mittlerorganisation, die vom Auswärtigen Amt finanziert wird, durchgeführt werden. Vielmehr erfolgt die Finanzierung und die politische Behandlung durch den Kulturbeauftragten. Außerdem ist die Förderung innovativer Projekte im Bereich zeitgenössischer Kunst mit Auslandsbezug nach ihrem Zweck als Maßnahme der Kulturpolitik einzuordnen. Schwerpunkt in der Zielsetzung der Fördermaßnahmen durch die Bundeskulturstiftung ist nicht die Verbesserung der zwischenstaatlichen Beziehungen und der außenpolitischen Rahmenbedingungen. Es geht um die Förderung von Kunst nach ästhetischen Gesichtspunkten und damit primär um ihrer selbst willen. Das wird etwa an den Begründungen deutlich, die der Kulturbeauftragte für die Förderung der zeitgenössischen Kunst im Besonderen durch die Stiftung anführt. Er will damit die „Verkrustung" der Kulturpolitik auflösen, die hauptsächlich Institutionen fördert, aber für innovative Einzelmaßnahmen keine beweglichen Instrumente zur Verfügung stellt. 637 Die Zielsetzung ist also eine der Kulturpolitik. Daher fehlt es an einer Zuständigkeit des Bundes für die Bundeskulturstiftung auch dann, wenn sie ausschließlich Projekte mit Auslandsbezug fördert. 634

Siehe S. 84. Vgl. ebenfalls kritisch v.Münch, FAZ v. 17.7.2001, S.46; Wefing, FAZ v. 30.3.2001, S.47. Kooperationsformen zwischen Bund und Ländern sind in der politischen Praxis möglicherweise wünschenswert, allerdings in der Verfassung auch für die Gründung einer Nationalstiftung nicht vorgesehen. Am 20.12.2001 stimmten die Ministerpräsidenten der Gründung einer Bundeskulturstiftung zu (vgl. Lehnart, FAZ v. 21.12.2001, S.49). Nach wie vor erscheint die Zielsetzung der Stiftung nur in Ansätzen geklärt zu sein. Berichtet wird über eine Konzentration von Kulturförderung in Berlin und Bonn durch den Bund. Nach hier vertretener Auffassung besitzt der Bund jedoch keine Kompetenz zur Hauptstadtkulturförderung. Der Verweis auf die beabsichtigte Förderung der auswärtigen Kulturpolitik und von Erinnerungs- und Gedächtnisorten zeigt, dass auch in der politischen Diskussion die Frage der Zielsetzung der Stiftung mit der Anerkennung von Kompetenzen des Bundes verknüpft ist. 636 S. oben, S. 118 ff. 637 Vgl. dazu Wefing, FAZ 15.6.2001, S.49. 635

III. Zusammenfassung

149

Für die aktuell diskutierten Zielsetzungen der Bundeskulturstiftung ist also eine Bundeszuständigkeit nicht ersichtlich. f) Zwischenergebnis Gemeinhin wird die Staatsrepräsentation als Aufgabe angesehen, für die der Bund die Verbandszuständigkeit besitzt. Differenziert man nach einzelnen Maßnahmen, die unter dem Stichwort der Staatsrepräsentation zusammengefasst werden, so stellt sich heraus, dass dem Bund nur für einen kleinen Bereich der Selbstdarstellung des Staates Kompetenzen zustehen. Allein die Festlegung von Flagge, Nationalhymne, Wappen, Orden und Ehrenzeichen sowie die Bestimmung der Hauptstadt fallen in die Zuständigkeit des Bundes. Insbesondere die Förderung von kulturellen Einrichtungen unter dem Gesichtspunkt, dass diese der Repräsentation des Gesamtstaats dienen, wird vom Bund in größerem Umfang und in unterschiedlichen Bereichen vorgenommen. Solche Förderungen finden sowohl für kulturelle Einrichtungen und Veranstaltungen in der Hauptstadt Berlin, als auch in der Bundesstadt Bonn statt. Auch die Förderung von Gedenkstätten wird auf diesen Aspekt gestützt. Schließlich findet eine Förderung von kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen durch den Bund im ganzen Bundesgebiet statt mit dem Argument, diese dienten der staatlichen Selbstdarstellung. Für alle diese Maßnahmen ist jedoch eine Kompetenz des Bundes nicht gegeben.

III. Zusammenfassung Auch wenn hier nicht abstrakt untersucht wurde, welche Kompetenzen dem Bund im Bereich der Kunstpflege zustehen, das heißt welche Tätigkeiten er ausüben könnte, sondern konkret überprüft wurde, ob die vom Bund tatsächlich vorgenommenen Tätigkeiten mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes im Einklang stehen, ergibt sich durch die Untersuchung ein Bild der dem Bund bezüglich dieser Sachmaterie zustehenden Zuständigkeiten. In einer Gesamtschau der durch die kompetenzrechtliche Erörterung erzielten Ergebnisse in Bezug auf die vom Bund vorgenommenen Maßnahmen zur Kunstpflege kann festgehalten werden, wie weit seine Kompetenzen hinsichtlich dieser Sachmaterie reichen. Die Untersuchung hat ergeben, dass die vom Bund ausgeübte Kunstpflege nur teilweise mit der Kompetenzordnung des Grundgesetzes vereinbar ist. Die Maßnahmen zur Förderung kultureller Einrichtungen im Inland aufgrund deren gesamtstaatlicher Bedeutung entbehren einer Kompetenzgrundlage. Auch die vom Bund vorgenommene Filmförderung durch Subventionierung und die Verleihung von Preisen entspricht nicht der Kompetenzordnung des Grundgesetzes. Gleiches gilt für die Förderung von kulturellen Einrichtungen und Projekten in der Bundeshauptstadt Berlin und in der Bundesstadt Bonn sowie der Gedenkstätten. Für Maßnahmen, die zu diesen Staatsaufgaben zu zählen sind, kann daher in der Umkehrung festgestellt

150

Kap. 2: Zuständigkeiten im Bereich der Kunstpflege

werden, dass sie in die Zuständigkeit der Länder fallen. Eine Formulierung der Kompetenztatbestände hat dadurch stattgefunden, dass der Bund Zuständigkeiten für bestimmte, abgrenzbare Einzelmaterien für sich in Anspruch genommen hat, diese aus verfassungsrechtlichen Gründen jedoch abgelehnt werden mussten. Man kann somit festhalten, dass die Länder zuständig sind für 1. die Förderung kultureller Einrichtungen im Inland mit gesamtstaatlicher Bedeutung, 2. die Filmförderung, 3. die Förderung kultureller Einrichtungen und Projekte in der Bundeshauptstadt Berlin und der Bundesstadt Bonn und 4. die Einrichtung und Unterhaltung von Gedenkstätten. Festgestellt wurde im Gegensatz dazu eine Kompetenz des Bundes für die auswärtige Kulturpolitik. Die in ihrem Rahmen vorgenommenen Tätigkeiten stehen mit der Kompetenzordnung im Einklang. Die Untersuchung der verfassungsrechtlichen Bestimmungen hat darüber hinaus ergeben, dass die Zuständigkeit des Bundes insoweit umfassend ist. Daneben besteht eine Bundeskompetenz für die Regelung und Finanzierung der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Ebenso hat die Untersuchung ergeben, dass dem Bund eine Kompetenz für die Festlegung der Staatssymbole Flagge, Hymne, Wappen, Orden und Ehrenzeichen sowie die Bestimmung der Hauptstadt hat. Eine besondere Stellung nimmt die Kunstpflege in Bezug auf Flüchtlinge und Vertriebene ein. Nach wie vor stützt sich der Bund insofern auf die Gesetzgebungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 6 GG, indem er auf § 96 BFVG Bezug nimmt. Wie oben ausgeführt 638 bietet Art. 74 Abs. 1 Nr. 6 GG keine Kompetenzgrundlage für die Förderung der kulturellen Beziehungen zu den Ländern in Osteuropa, in denen sich ehemalige deutsche Siedlungsgebiete befinden. Jedoch werden die Maßnahmen nunmehr auf die Kompetenz zur auswärtigen Kulturpolitik gestützt werden können 639 , so dass insofern eine Kompetenz des Bundes fortbesteht. Zusammenfassend kann eine Kompetenz des Bundes für die auswärtige Kulturpolitik sowie für die genannten Symbole zur Selbstdarstellung des Staates und die Stiftung Preußischer Kulturbesitz angenommen werden. Das bedeutet gleichzeitig, dass für den übrigen Bereich der Kunstförderung die Länder zuständig sind. Nach dieser differenzierten Kompetenzuntersuchung sind durch Feststellung der Bundeskompetenzen im Bereich der Kunstförderung die Länderkompetenzen in diesem Bereich deutlich geworden. An die Stelle einer allgemeinen Zusammenfassung der Länderkompetenzen zu einer Kulturhoheit, die hier wegen der Beschränkung auf einen Ausschnitt der Kultur zu einer Kunsthoheit mutieren müsste, soll 638 639

Vgl. S.94f. Vgl. oben, S. 120.

III. Zusammenfassung

151

nun der Versuch treten, den Umfang der Länderkompetenz durch eine weniger griffige, dafür aber exaktere Formulierung zu fassen. So können unter Berücksichtigung der Auslegung der Kompetenzordnung mit dem Begriff der Kunst die diesbezüglichen Länderzuständigkeiten formuliert werden. 640 Drei spezielle Kompetenzen im Bereich der Kunstförderung wurden bereits festgestellt. Sie beziehen sich jeweils auf die Kunstförderung im Inland und greifeil einen Teilbereich heraus. Die Bestimmung des Teilbereichs erfolgt einmal nach Inhalt und Wirkung der kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen (gesamtstaatliche Bedeutung), einmal nach dem Gegenstand, auf den sich die Förderung bezieht (Filmförderung) und zum dritten auf einen Ortsbezug (Hauptstadt- und Bundesstadtförderung). Andere Aspekte, unter denen eine Kunstförderung des Bundes zulässig wäre, sind nicht ersichtlich. Es kann daher eine umfassende Zuständigkeit der Länder für die Kunstförderung angenommen werden. Sie erstreckt sich sowohl auf die staatliche Funktion der Gesetzgebung als auch auf die der Verwaltung. Man könnte daher positiv formulieren: „Die Länder haben die Zuständigkeit für die Kunstförderung." Die Formulierung der Länderkompetenz dient lediglich dem Sichtbarmachen des Umfangs der Länderzuständigkeit. Sie ist keinesfalls als Normierungsvorschlag zu verstehen. Unter der Geltung des Grundgesetzes bestehen die Länderkompetenzen nur insoweit, wie die Verfassung dem Bund keine Kompetenzen eingeräumt hat. Führt die sprachliche Fassung einer Länderkompetenz dazu, dass unter den Kompetenztatbestand auch Materien subsumiert werden können, die nach dem Grundgesetz in die Zuständigkeit des Bundes fallen, so ist die Zuordnung dieser Materie in die Zuständigkeit des Bundes vorrangig und bedingungslos. Es kann keine Abwägung zwischen einer Kompetenz des Bundes und einer der Länder geben.641 Ein Beispiel sei zur Illustration angeführt: Unter die Kunstförderung im Inland, für die die Länder die Zuständigkeit besitzen, können auch solche Maßnahmen subsumiert werden, die im Inland stattfinden, aber zur Außenpolitik zählen. Diese fallen jedoch in die (vorrangige) Zuständigkeit des Bundes für die auswärtige Kulturpolitik, ohne dass es etwa einer Abwägung zwischen Bundes- und Länderkompetenzen bedürfte. Die Regelungstechnik des Grundgesetzes führt zu einem strikten Entweder-Oder der Verbandskompetenz, Abwägungen sind ihr fremd. Der „Schnittbereich" zwischen Bundes- und Länderkompetenz (im Beispiel die kulturelle Außenpolitik durch Maßnahmen im Inland) entsteht nur dadurch, dass die Länderkompetenz sprachlich gefasst wurde und nicht - wie es das Grundgesetz vorsieht - als Differenz nach Substraktion der Bundeszuständigkeiten verbleiben. 640

Im Anschluss an Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 213, der es zu Recht ablehnt, dem Begriff der Kultur oder auch der Kunst unmittelbar juristische Aussagen über die Zuständigkeiten zu entnehmen. 641 Daher kann man auch nicht von einem Vorrang der Länderzuständigkeit gegenüber den Bundeszuständigkeiten im Kulturbereich sprechen, so aber Hufen, Kulturstaatlichkeit und Bundesstaat, S.207f.

Kapitel 3

Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst aus der Sicht der Staatsrechtslehre Die Kompetenzuntersuchung hat ergeben, dass die Staatstätigkeit der Kunstpflege in erster Linie in die Zuständigkeit der Bundesländer fällt. Der Bund hat für die Wahrnehmung dieser Staatstätigkeit nur in geringem Umfang Handlungsbefugnisse. Lässt man die wenigen Bundeszuständigkeiten in Bezug auf diese Sachmaterie, die vor allem die auswärtige Kulturpolitik betreffen, außer Betracht, kann man verallgemeinernd von einer Länderzuständigkeit im Bereich der Kunstpflege nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes sprechen.1 Der durch die Materie der staatlichen Tätigkeit gekennzeichnete Ausschnitt aus der Kompetenzordnung wird im Folgenden einer Bewertung unterzogen. Es soll untersucht werden, ob die durch die Verfassung getroffene Verteilung der Verbandszuständigkeit der Sachmaterie Kunst gerecht wird. Die Bewertung soll ergeben, ob für den Sachbereich Kunst die Bundes- oder die Länderzuständigkeit besser geeignet ist. Auf diese Weise sollen Argumente, die die Länderzuständigkeiten in diesem Bereich verteidigen, oder Argumente, die für eine weitere Zentralisierung in diesem Bereich sprechen, gewonnen werden. Grundlage der Erörterung ist die Annahme, dass die Verbandszuständigkeit Einfluss auf die Art und Weise der Kompetenzwahrnehmung hat (s. dazu unten, S. 160ff.). Wenn von einer „besseren Eignung" einer Verbandskompetenz die Rede ist, stellt sich die Frage nach den Kriterien, die für die Beurteilung herangezogen werden. In der folgenden Untersuchung sollen die Kriterien aus der Verfassung gewonnen werden. Die Verfassung stellt Anforderungen an staatliches Handeln in einem bestimmten Sachbereich, die im Folgenden für den Sachbereich der Kunst herausgearbeitet werden. Zum einen sind diese Anforderungen formeller Art - etwa die Einhaltung der Kompetenzordnung oder, je nach Handlungsform, die Einhaltung bestimmter Verfahren. Zum anderen stellt die Verfassung aber auch Anforderungen materieller Art. Das Handeln des Staates ist auch in inhaltlicher Hinsicht determiniert. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass die Verbandskompetenz Einfluss auf die Art und Weise der Kompetenzwahrnehmung hat, kann untersucht werden, bei welcher Verbandszuständigkeit die Anforderungen an das staatliche Handeln besser erfüllt werden. 1

Vgl. genauer die Zusammenfassung des Kapitels 2, S. 149ff.

I. Methodische Vorberlegungen

153

Die Unterschiede, die zwischen einer Kompetenzwahrnehmung durch die Länder und einer Kompetenzwahrnehmung durch den Bund festgestellt werden, sollen also zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an staatliches Handeln im Sachbereich Kunst in Bezug gesetzt werden. Aus dieser Verbindung soll die Bewertung der Kompetenzverteilung für den Sachbereich Kunst folgen.

I. Methodische Vorüberlegungen Ausgehend von diesem Untersuchungsanliegen sind folgende Fragen zu klären und damit mögliche Einwände gegen die Vorgehensweise zu entkräften: 1. Ist die Kompetenzordnung überhaupt einer isolierten Betrachtung zugänglich oder kann nur der Bundesstaat als Staatsform insgesamt einer Bewertung unterzogen werden? (S. dazu unter 1.) 2. Können Argumente, die zur Rechtfertigung des Bundesstaates als Staatsform diskutiert werden, auf die Erörterung der Kompetenzordnung übertragen werden? (S. dazu unter 2.) 3. Ist die Beschränkung der Erörterung auf den Sachbereich Kunst zu rechtfertigen oder erscheint eine solche Begrenzung der Untersuchung als willkürlich? (S. dazu unter 3.)

1. Abstrakter Bundesstaatsbegriff? Die hier aufgeworfene Fragestellung nach der Bewertung der Kompetenzverteilung bezüglich einer bestimmten Sachmaterie wäre dann unergiebig, wenn dem Bundesstaat der Bundesrepublik Deutschland ein allgemeines Bundesstaatsprinzip zugrunde läge, nach dem sich die Ausgestaltung der staatlichen Organisation richten würde. In diesem Fall müsste eine vom Gesamtkonzept des Bundesstaats isolierte Betrachtung der Kompetenzordnung oder eines Ausschnitts von ihr ausscheiden. Die Kompetenzverteilung als wesentliche Konkretisierung und Ausprägung des Bundesstaates wäre dann eine Anwendung eines allgemeinen Bundesstaatsprinzips. Sie stellte eine Ableitung dar. Eine Diskussion der Kompetenzverteilung, losgelöst von dem allgemeinen Prinzip des Bundesstaats, wäre dann nicht sinnvoll. Es müsste in dieser Konstellation vielmehr gefragt werden, ob das zugrundeliegende Bundesstaatsprinzip in der Lage ist, für die einzelnen Sachmaterien eine Kompetenz Verteilung vorzusehen, die eine optimale Aufgabenerfüllung gewährleistet. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Verfassungsgeber bei der Ausgestaltung des Bundesstaates durch die Bestimmungen des Grundgesetzes nicht von einem vorgegebenen staatstheoretischen Typus des Bundesstaates ausgegangen ist.2 Insbe2 Gramm , AöR 124 (1999), 212,219; Hesse, Grundzüge, Rdnr. 217; Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr.5; Sommermann , in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 Abs. 1 Rdnr. 21; Vogel , HbVerfR,

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Kap. 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

sondere die Festlegung der Staatsform „Bundesstaat" in Art. 20 Abs. 1 GG nimmt nicht Bezug auf ein der Verfassung vorangehendes Konzept eines Bundesstaates.3 Diese Annahme lässt sich aus der Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes belegen. Nach dem Zusammenbruch des deutschen Staates 1945 entstanden zunächst die Bundesländer - sei es in alten Zuschnitten, sei es als Neubildung - wieder. 4 Sie strebten die Bildung eines deutschen Bundesstaates an.5 Diese Bestrebungen entsprachen den Vorstellungen der Alliierten von einer Neuorganisation Deutschlands.6 Es stand somit nicht in Frage, dass ein Bundesstaat gebildet werden sollte. In den Beratungen zur Verfassungsgebung war dementsprechend Diskussionsgegenstand, in welcher Art und Weise der Bundesstaat konkret ausgestaltet werden sollte. Beim Verfassungskonvent in Herrenchiemsee 7 waren daher wie bei den Beratungen des Parlamentarischen Rates die Regelungen umstritten, die der konkreten Ausgestaltung des Verhältnisses von Bund und Ländern in der Verfassungsordnung dienen sollten.8 So wurde unter anderem erörtert, welche Stellung der Bundesrat nach der Verfassungsordnung erlangen sollte;9 auch die Frage, wie die Kompetenzen auf Bund und Länder verteilt werden sollten10, war ebenso wie die Finanzverfassung 11 Gegenstand von Kontroversen. Der Entstehungsgeschichte lässt sich somit entnehmen, dass die verfassungsrechtlichen Regelungen der Kompetenzverteilung wie die anderen Regelungen, die den Bundesstaat konkretisieren, nicht einem allgemeinen Bundesstaatsverständnis entstammen, sondern Ergebnis eines Diskussionsprozes§ 22 Rdnr. 2; Kimminich,, HbStR I, § 26 Rdnr. 36. Anders Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20IV Rdnr. 14, der davon ausgeht, dass der staatstheoretische Begriff des Bundesstaats in das Grundgesetz übernommen wurde. 3 Bauer, in: Dreier, Art. 20 (Bundesstaat), Rdnr. 16; Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 5; OssenbühU DVB1. 1989, 1230, 1231; Saröeviö, Bundesstaatsprinzip, S. 261 ff. Zur Bezeichnung „Bundesstaat" und zur systematischen Verortung der Bestimmung in Art. 20 Abs. 1 GG vgl. JöR 1 (1951), S. 194 ff. 4 Vgl. Stolleis, HbStR I, § 5 Rdnr. 54ff.; Vogel, HbVerfR, § 22 Rdnr. 7. 5 Vgl. die Präambel des Grundgesetzes v. 23.5.1949, nach der das „Deutsche Volk in den Ländern..." sich die Verfassung gibt. 6 Gegen die Auffassung, dass die Alliierten den Bundesstaat aufgezwungen hätten, Bauer, in: Dreier, Art. 20 (Bundesstaat) Rdnr. 7; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 IV Rdnr. 72; Isensee, AöR 115 (1990), 248,253; Mußgnug, HbStR I, §6 Rdnr.71. Vorsichtiger Werner, Einleitung, S. XXIII. Vgl. umfassend Deuerlein, Föderalismus, S. 230ff. 7 S. insoweit Deuerlein, Föderalismus, S.252 ff.; Morsey, Ministerpräsidenten, S.47. 8 Bauer, in: Dreier, Art. 20 (Bundesstaat), Rdnr. 8; Boldt, Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S.312; Mußgnug, HbStR I, §6 Rdnr.72. S. dazu auch Deuerlein, Föderalismus, S.255ff. 9 Vgl. JöR 1 (1951), S.458 ff. In diesem Zusammenhang äußert der Abgeordnete Dr. Schmid ausdrücklich, dass alle Bundesstaaten der Welt Produkte der Geschichte seien und nicht die Selbstverwirklichung eines juristischen oder logischen Systems oder gar einer Idee, s. ebenda, S. 459. - S. auch Deuerlein, Föderalismus, S. 254f. 10 Mußgnug, HbStR I, §6 Rdnr.71 ff. Vgl. auch JöR 1 (1951), S.453ff., sowie die Erörterungen des Ausschusses für Zuständigkeitsabgrenzung, dokumentiert in: Der Parlamentarische Rat 1948-1949; Akten und Protokolle, Bd. 3. 11 JöR 1 (1951), S. 748ff.

I. Methodische Vorberlegungen

155 12

ses waren mit dem Ziel, einen funktionsfähigen Bundesstaat zu bilden. Je nach Standpunkt wurde eine mehr föderalistische oder mehr unitaristische Ausprägung des Bundesstaates befürwortet. 13 Damit steht aber auch fest, dass der Bundesstaat des Grundgesetzes einer abstrakten Interpretation, die auf ein vor der Verfassung bestehendes abstraktes Verständnis des Bundesstaates abstellt, nicht zugänglich ist. 14 Der normative Begriff des Bundesstaates muss auf Grundlage der Regelungen der Verfassung interpretiert werden.15 Das Bundesstaatsprinzip aktualisiert sich durch Umsetzung in eine konkrete Verfassungsordnung, die eine bestimmte Aufgabenverteilung auf Zentral- und Gliedstaaten konstituiert. 16 Man kann für die Kompetenzordnung nicht feststellen, dass sie den Vollzug eines allgemeinen Bundesstaatsprinzips darstellt. Die Frage nach der Wirkungsweise und Funktionsfähigkeit der Kompetenzverteilung in einem bestimmten Ausschnitt der Zuständigkeitsordnung des Grundgesetzes ist für sich genommen ein Aspekt der konkreten Ausprägung des Bundesstaates. Die Kompetenzordnung kann also aus den verfassungsrechtlichen Normen, die den konkreten Bundesstaat des Grundgesetzes konstituieren, herausgenommen und einer isolierten Betrachtung zugeführt werden.

2. Untersuchungsanliegen der Staatsrechtslehre Die Frage nach der Wirksamkeit und dem Erfolg einer bestimmten verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung ist ein Untersuchungsanliegen der Staatsrechtslehre. Die Staatsrechtslehre ist die Wissenschaft vom konkreten Staat, der durch Rechtnormen geformt und organisiert ist. 17 Sie erklärt den Staat als Institution der Rechtsordnung. 1 8 Das besondere Anliegen der Staatsrechtslehre ist eine theoretische Erläuterung des Institutionengefüges von Staaten und die Untersuchung von Aufgaben und Techniken des Staates.19 Ihr Ausgangspunkt sind die den Staat gestaltenden Rechtsnormen. Sie werden als verbindliche Basis angesehen und sind im Hinblick auf ihre 12 Mampel, Föderalismus in Deutschland, S. 97. So im Ergebnis auch Isensee, HbStR IV, §98 Rdnr. 196 f. 13 Vgl. Boldt, Verfassungsgeschichte, Bd.2, S.312. 14 Wie hier Bauer , in: Dreier, Art. 20 (Bundesstaat) Rdnr. 16; Herzog , in: Maunz/Dürig, Art. 20 IV Rdnr. 29; Hesse, Grundzüge, Rdnr. 217; Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 6; Kisker, Grundlagen, S. 28; Schnapp, in: v. Münch/Kunig, Art. 20 Rdnr. 5. 15 Bauer, in: Dreier, Art. 20 (Bundesstaat), Rdnr. 16; Isensee, Bundesstaat, S.730; Vogel, HbVerfR, §22 Rdnr. 2. 16 Vgl. Geis, DÖV 1992, 522, 524; Sommermann , in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 Abs. 1 Rdnr. 21. 17 Maurer, Staatsrecht I, § 1 Rdnr. 1 ff.; Stern, StR I, § 19 III 1 (S.45f.). 18 Küchenhoff, Staatslehre, S. 15. 19 Vgl. auch Stern, StR I, § 2 II 2b (S. 42).

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Kap. 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

praktische Anwendung zu interpretieren. 20 Dabei werden die Erkenntnisse, die aus der Auseinandersetzung mit den rechtlichen Grundlagen gewonnen wurden, mit ihrer Wirkung in der Realität konfrontiert. 21 In der Verbindung von tatsächlichen Gegebenheiten und normativen Grundlagen kann es auch Ziel der Staatsrechtslehre sein, zu erörtern, ob die durch die Normen geschaffenen Institutionen und Verfahren in der Wirklichkeit erfolgreich „funktionieren" können. Kommt die Erörterung zu dem Ergebnis, dass bestimmte Regelungen den tatsächlichen Anforderungen nicht oder nicht mehr genügen, dass also durch Auslegung und Anwendung der einschlägigen Rechtsnormen adäquate Lösungen nicht mehr erreicht werden können, kann aus der staatsrechtlichen Untersuchung die rechtspolitische Forderung nach einer Normänderung erwachsen.22 Mit Hilfe der Staatsrechtslehre kann versucht werden, eine neue normative Regelung zur Lösung der gestellten Problematik zu entwickeln.23 Die hier gestellte Frage nach der Bewertung der Kompetenz Verteilung, bzw. insgesamt der Verbandszuständigkeit in einem bestimmten Sachbereich ordnet sich in das so beschriebene Erkenntnisanliegen der Staatsrechtslehre ein. Basis ist die Untersuchung der einschlägigen Normen, das heißt der Kompetenzordnung des Grundgesetzes, die in Kapitel 2 erfolgt ist. Sie führt zur Feststellung der verfassungsrechtlich bestimmten Verbandszuständigkeit. Zusätzlich herangezogen werden die Anforderungen, die das Grundgesetz an die Ausübung der Staatsgewalt im betreffenden Sachbereich in materieller Hinsicht stellt. Diese werden in Beziehung zu den Auswirkungen gesetzt, die die Wahrnehmung der Kompetenz für den betroffenen Sachbereich hat. Unter Kompetenzwahrnehmung wird hier das tatsächliche, kompetenzgemäße Tätigwerden des Staates, das im Anwendungsbereich einer bestimmten Kompetenzmaterie liegt, verstanden. Damit ist nach der Adäquanz zwischen der Organisation der Zuständigkeitsverteilung auf Bund und Länder und der zu bewältigenden Aufgabe gefragt. 24 Die Verbindung der normativen Erkenntnis aus der verfassungsrechtlichen Kompetenzordnung als Basis und ihrer Auswirkungen auf den durch sie geregelten Sachbereich in der Realität mit den materiellen verfassungsrechtlichen Anforderungen 20

Böckenförde, Eigenart des Staatsrechts, S.23. Stern, StR I, §2 III 1 (S.46). Böckenförde, Eigenart des Staatsrechts, S. 23. Siehe Jellinek, Staatslehre, S. 11 f., der die Staatsrechtslehre als den juristischen Teil der Staatslehre bezeichnet und methodisch auf eine rein rechtliche Untersuchung beschränkt. Vgl. auch Isensee, HbStR I, § 13 Rdnr. 1, der betont, dass die Staatlichkeit über das Normative hinausweise. 22 Vgl. Zippelius, Staatslehre, § 1 I. So auch Böckenförde, Eigenart des Staatsrechts, S.25. 23 Zippelius, Staatslehre, § 1 I. 24 Zum Begriff der Adäquanz Volkmann, DÖV 1998, 613, 615. Er versteht darunter „eine prinzipielle Entsprechung zwischen der konkreten Organisationsform eines Gemeinwesens und der in ihm zu bewältigenden Aufgaben - und zwar in dem Sinne, dass die jeweilige Organisationsform zur Bewältigung dieser Aufgaben angemessen oder geeignet ist." Er verwendet den Begriff der Adäquanz bei der Erörterung der Legitimation des Bundesstaats, also aus der Perspektive der Staatslehre. Er kann aber ebenfalls verwendet werden, um die Entsprechung zwischen einer konkreten verfassungsrechtlich verankerten Kompetenzverteilung und der konkret zu erfüllenden Staatsaufgabe zu erfassen, was hier erfolgen soll. 21

I. Methodische Vorberlegungen

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an das Staatshandeln soll zeigen, ob und in welchem Maße die getroffene grundgesetzliche Regelung funktionsfähig ist. I m Unterschied zu dem hier verfolgten Untersuchungsanliegen sind herkömmlicher Untersuchungsgegenstand der allgemeinen Staatslehre das Prinzip des Föderalismus 2 5 sowie der Bundesstaat als Staatsform 26 . Die Diskussion beschäftigt sich insofern vor allem mit der Frage, welche Vor- und Nachteile ein Bundesstaat gegenüber einem Einheitsstaat aufweist mit dem Ziel, den Bundesstaat zu rechtfertigen. 27 Die Staatslehre ist die Lehre vom Wesen und der Bedeutung des Gebildes, das als Staat bezeichnet w i r d . 2 8 Ihr Gegenstand sind somit Begriff, Erscheinungsform und Aufgabe des Staates und seiner Organe in Vergangenheit und Gegenwart. 29 Die Staatslehre ist - i m Gegensatz zur Politikwissenschaft - aus einer rechtsbezogenen Betrachtungsweise hervorgegangen. 30 Die Erkenntnisse der politischen Wissenschaften werden durch die Staatslehre mit den rechtlichen Regelungen konfrontiert und ihnen zugeordnet. Ziel der Zuordnung von Fakten zu Normen ist es, beides zu einer Erkenntniseinheit zusammenzuschließen. 31 Dabei fragt die Staatslehre nach Wesen, Zweck, Rechtfertigung und der besten Gestalt des Staates. 32 25

Unter Föderalismus ist ein politisches Ordnungssystem zu verstehen, in dem sich differenzierte, grundsätzlich gleichberechtigte, in der Regel regionale politische Gesamtheiten durch freie Einigung zu einem gemeinschaftlichen Zusammenwirken verbinden. Definition nach Hesse, Grundzüge, Rdnr. 219 m. w. N. in Fußn. 7; zum Begriff des Föderalismus vgl. auch Frenke /, Föderalismus und Bundesstaat, S. 80ff.; Kimminich , HbStR I, § 26 Rdnr. 3 f.; Kuttenkeuler , Subsidiaritätsprinzip, S.43. Zur Begriffsgeschichte s. Deuerlein , Föderalismus, S. 11 ff. 26 Mit Bundesstaat wird eine bestimmte reale Staatsform bezeichnet. Diese ist gekennzeichnet durch eine von der gesamtstaatlichen Verfassung organisierte Verbindung von Staaten, bei der die Gliedstaaten und der Gesamtstaat Staatsqualität besitzen, jedoch nur der Gesamtstaat unbeschränkte Völkerrechtssubjektivität besitzt. Die Organisationsstruktur eines Bundesstaates ist daher vom Staatenverbund auf der einen und vom Einheitsstaat auf der anderen Seite abgegrenzt. Definition nach Hesse, Grundzüge, Rdnr. 217; s. auch Degenhart , Staatsrecht I, Rdnr. 97ff.; Herzog , in: Maunz/Dürig, Art. 20 IV Rdnr. 2ff.; Ipsen, Staatsrecht I, Rdnr. 448; Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 4; Kimminich , HbStR I, § 26 Rdnr. 5 ff.; Stern , StR I, 19 I 1 a (S. 644 ff.). 27 Vgl. Gramm , AöR 124 (1999), 212, 213; Kimminich , HbStR I, §26 Rdnr.22ff.; Stern , StR I, § 19 II 4 (S. 661); Volkmann , DÖV 1998, 613 ff. In historischer Perspektive vgl. Kugelmann, Festschrift Rudolf, S. 157 ff. Die Auseinandersetzung mit dem Staatenbund als eine gegenüber dem Bundesstaat weniger enge Verbindung von Gliedstaaten findet für die Ebene des Einzelstaats kaum statt. Allerdings wird für den Prozess der europäischen Einigung auch dieses Modell des staatlichen Zusammenschlusses in Betracht gezogen, s. etwa Blanke , DÖV 1993, 412, 414ff.; Ossenbühl , DVB1. 1993, 629, 630; sowie die weiteren Hinweise bei Calliess , in: Calliess/Ruffert, Art. 1 EUV Rdnr. 17. Das Bundesverfassungsgericht qualifiziert die EU als „Staatenverbund", BVerfGE 89, 155 (181, 184ff.). Dazu auch Pernice , HbStR VIII, §191 Rdnr. 64 ff. 28 Küchenhoff, Staatslehre, S. 17. 29 Evers , EvStLII, Art. Staatslehre, Sp. 3429; Maurer , Staatsrecht I, § 1 Rdnr. 3. 30 Ermacora , Grundriß, S. 21; Stern , StR I, § 2 III 2 (S. 46). 31 Ermacora , Staatslehre, S.24. 32 Evers , EvStLII, Art. Staatslehre, Sp. 3429; Stern , StR I, §2 III 3 (S.49).

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Kap. 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

Die hier aufgeworfene Frage nach der Bewertung eines Ausschnitts der Kompetenzverteilung ist gegenüber der Diskussion von Föderalismus und Bundesstaat enger. Sie erörtert nicht eine bestimmte Staatsform, um diese zu erfassen und zu legitimieren. Vielmehr beschränkt sie sich auf die Untersuchung eines Regelungsausschnitts der Verfassung, nämlich auf einen bestimmten Komplex von Kompetenznormen. Sie geht dabei allerdings über eine bloße Auslegung der einzelnen Verfassungsbestimmungen hinaus. Argumente, die in der Diskussion um die Rechtfertigung des Bundesstaats im Rahmen der Staatslehre erörtert werden, können auch für die staatsrechtliche Erörterung der Kompetenzordnung entsprechende Berücksichtigung finden. Der Bundesstaat wird durch die aktuelle Verfassung rechtlich gestaltet. Im Grundgesetz machen mehrere Kategorien von Normen die gegenwärtige Gestalt des Bundesstaates aus. Zum einen gibt es Grundsatznormen hoher Abstraktion, nämlich insbesondere das Bundesstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 1 GG. 33 Zum anderen sind die Normen der Kompetenzordnung zu nennen, die im Einzelnen die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Ländern regeln (Art. 70 ff. GG). Schließlich gestalten allgemeine Regeln, die der Vorbeugung und Lösung von Konflikten zwischen Bund und Ländern dienen oder Verfahren zu diesem Zweck einführen, den Bundesstaat näher aus (Art. 30,31, 37 GG, Art. 93 Abs. 1 Nr. 3, 4 GG). 34 An dieser Einteilung ist erkennbar, dass die Kompetenzordnung (Art. 70 ff. GG) gegenüber den anderen Vorschriften, die den Bundesstaat konstituieren, eine besondere Stellung hat. Sie bestimmt mit der Verteilung der Zuständigkeiten auf Bund und Länder die Tätigkeitsbereiche der staatlichen Ebenen. Die jeweilige Ausstattung mit Kompetenzen prägt das Verhältnis zwischen den staatlichen Ebenen. Die Kompetenzordnung ist damit grundlegend für das bundesstaatliche System;35 sie macht den „Charakter" des Bundesstaats aus.36 Basis der Diskussion der Staatslehre um die Rechtfertigung des Bundesstaats, die sich mit den Vor- und Nachteilen dieser Staatsform auseinandersetzt, ist, dass es sich beim Bundesstaat um eine zweigliedrige Staatsform, bestehend aus Gesamtstaat und Gliedstaaten, handelt, bei der sowohl auf der gesamtstaatlichen als auch auf der gliedstaatlichen Ebene Kompetenzen vorhanden sind.37 Die Erörterung der Rechtfertigung des Bundesstaats erfolgt mit Blick auf den Einheitsstaat als der mög33

Die Staatsform des Bundesstaats nimmt an der besonderen Garantie des Art. 79 Abs. 3 GG

teil. 34 Zu erwähnen ist zudem Art. 29 GG, der die Voraussetzungen für eine Neugliederung des Bundesgebietes enthält. 35 Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 IV, Rdnr. 32; Hesse, Grundzüge, Rdnr. 235; Kunig, in: v. Münch/Kunig, Art. 70 Rdnr. 1; Rozek, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 70 Rdnr. 1. 36 Fehling, Kompetenzabgrenzung, S.31, bezeichnet die Kompetenzverteilung als das Skelett des Bundesstaats. Koja, Staatslehre, S. 357, spricht von der Kompetenzverteilung als dem „Herzstück" jeder bundesstaatlichen Verfassung. Nach Pestalozzi DÖV 1972,181, ist die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern die „grande affaire" des Föderalismus. 37 Vgl. die Definition bei Hesse, Grundzüge, Rdnr. 217.

I. Methodische Voriiberlegungen

159 38

liehen Alternative und betont daher die Unterschiede zu dieser Staatsform. In der Abgrenzung zum Einheitsstaat sind insbesondere zwei Merkmale des Bundesstaates maßgeblich: Zum einen erfolgt im Bundesstaat überhaupt eine Aufteilung der Zuständigkeiten auf zwei Ebenen. Zum anderen ist relevant, dass im Bundesstaat zwei unterschiedliche staatliche Ebenen Inhaber der Kompetenz in einer bestimmten Staatsfunktion oder einer bestimmten Sachmaterie sein können. Im Gegensatz zum Einheitsstaat besteht also die Möglichkeit der Länderzuständigkeit. Stellt die Erörterung der Rechtfertigung des Bundesstaats zumindest auch auf den letztgenannten Aspekt ab, so können die Argumente auf die Herausarbeitung der Vor- und Nachteile einer Länderzuständigkeit übertragen werden, da sich in diesem Fall die Möglichkeit einer Länderzuständigkeit realisiert hat.

3. Beschränkung auf die Sachmaterie Kunst Die Bewertung der Kompetenzverteilung auf Bund und Länder erfolgt hier nicht umfassend, sondern wird auf den Bereich Kunst beschränkt. Die Beschränkung auf einen Sachbereich ist aus zwei Gründen gerechtfertigt: Erstens liegt das Abstellen auf eine Sachmaterie schon deshalb nahe, weil die Kompetenzordnung des Grundgesetzes die Zuständigkeiten zum einen nach staatlichen Funktionen, zum anderen nach unterschiedlichen Kompetenzmaterien vornimmt. 39 Art. 70, Art. 83 und Art. 92 GG legen die grundsätzliche Verteilung der Zuständigkeiten für die Funktionen der Gesetzgebung, der Verwaltung und der Rechtsprechung fest. Die weitere Verteilung der Zuständigkeiten auf der Basis der jeweiligen Grundsatzregelungen erfolgt nach Sachgebieten. So regeln etwa die Kompetenzkataloge der Art. 73, 74 Abs. 1 und 75 GG die Gesetzgebungskompetenzen des Bundes anhand der Zuweisung bestimmter Sachmaterien. Die verfassungsrechtliche Regelung der Kompetenzverteilung knüpft also an bestimmte Aufgabengebiete an. Unerheblich ist es, dass der hier in Bezug genommene Bereich „Kunst" sich nicht im Text des Grundgesetzes findet. Aufgrund der Regelungstechnik der Verfassung werden nur die Kompetenzen des Bundes ausdrücklich genannt. Die Zuständigkeit der Länder ergeben sich durch Subtraktion der Bundeszuständigkeiten von dem Bereich der zulässigen Staatstätigkeit. Für die Materie Kunst wurde hier als Ergebnis der Kompetenzuntersuchung eine Länderzuständigkeit formuliert. 40 Zweitens ist Ausgangspunkt der Untersuchung, dass die Bewertung der Zuständigkeitsverteilung von den Auswirkungen auf einen bestimmten Sachbereich abhängig ist. Auch aus diesem Grund ist die Beschränkung auf einen Sachbereich notwendig. Die Beschränkung der Untersuchung auf einen Sachbereich erscheint daher zulässig. 38

Gramm , AöR 124 (1999), 212,213.; Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 299. Vgl. Hesse, Grundzüge, Rdnr. 235; Koja, Staatslehre, S. 357; Pietzcker , HbStR IV, § 99 Rdnr. 2 ff. 40 Siehe S. 149ff. 39

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Kap. 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

II. Strukturunterschiede zwischen Kompetenzwahrnehmung durch den Bund und Kompetenzwahrnehmung durch die Länder Voraussetzung für eine Bewertung der Kompetenzzuweisung an den Bund gegenüber einer Kompetenzzuweisung an die Länder ist, dass es zwischen der Wahrnehmung der Kompetenzen auf unterschiedlichen staatlichen Ebenen Unterschiede gibt. Grundlage der Bewertung ist somit die Annahme, dass bei einer Zuständigkeit der Länder für eine bestimmte Sachmaterie sich eine andere Struktur der Staatstätigkeit in Wahrnehmung dieser Kompetenz ergibt, als wenn für diesen Sachbereich der Bund zuständig wäre.

1. Perspektive des Vergleichs von Bundes- und Länderzuständigkeit Der Annahme von Strukturunterschieden scheint zunächst zu widersprechen, dass sowohl der Bund als auch die Länder Staatsqualität aufweisen. 41 Bund und Länder habe daher gleichermaßen die Möglichkeit, eine ihnen durch die Kompetenzordnung zugewiesene Zuständigkeit bezüglich einer Sachmaterie durch Staatsorgane wahrzunehmen oder staatliche bzw. nichtstaatliche Einrichtungen mit ihnen zu betrauen. Die Wahrnehmung der Kompetenz, das heißt die staatliche Tätigkeit in einem Kompetenzbereich, unterscheidet sich lediglich in ihrer räumlichen Wirkung. Ein qualitativer oder struktureller Unterschied kann insofern nicht aufgrund der Kompetenzzuweisung an Bund oder Länder festgestellt werden. Bezieht man also den Vergleich der Bundes- und Länderzuständigkeit auf die staatliche Ebenen, die mit der Kompetenz betraut sind, als Vergleichsobjekte, ergibt sich zwischen einer Kompetenzzuweisung an Bund oder Länder kein maßgeblicher Unterschied. Die Annahme, dass es strukturelle Unterschiede zwischen der Wahrnehmung einer Zuständigkeit durch Bund oder Länder gibt, stellt jedoch nicht auf Unterschiede ab, die bei den Staatsorganen oder staatlichen bzw. nichtstaatlichen Stellen vorliegen können, die die Kompetenz tatsächlich ausüben. Die Kompetenzordnung regelt nur die Verbandszuständigkeit, das heißt die Frage, auf welcher staatlichen Ebene eine Materie behandelt werden kann, nicht aber die Organzuständigkeit. Ist daher eine Länderzuständigkeit für eine Materie vorhanden, kann die Organzuständigkeit auch zwischen den Ländern variieren. 42 Die kompetenzausführenden Stellen sind nicht Vergleichsgegenstand für die Feststellung von Unterschieden zwischen einer 41 Die Staatsqualität von Bund und Ländern folgt aus der Bundesstaatlichkeit, vgl. BVerfGE 1, 14 (34); E 6, 309 (346f.); E36, 342 (360f.); E60, 175 (207f.); E87, 181 (196). Bauer, in: Dreier, Art. 20 (Bundesstaat) Rdnr. 23; Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 268. 42 Es können auch mehrere Staatsorgane die Zuständigkeit in unterschiedlicher Hinsicht wahrnehmen. Außerdem kann die Kompetenzwahrnehmung zumindest teilweise aus dem staatlichen Bereich ausgelagert werden. Der Kompetenzinhaber kann auch entscheiden, im Bereich der zugewiesenen Kompetenz nicht tätig zu werden.

II. Kompetenzwahmehmung durch den Bund und die Länder

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Kompetenzwahrnehmung durch den Bund und einer durch die Länder. Daher soll im Folgenden auch allgemein von „Entscheidungsträgern" die Rede sein, so dass offen bleibt, welche staatliche bzw. nichtstaatliche Stelle im Einzelnen die Zuständigkeit wahrnimmt und wie diese strukturiert ist. Die Perspektive, in der Strukturunterschiede festgestellt werden können, ist diejenige, die eine Sachmaterie als eine dem Bund oder den Ländern zur Behandlung zugewiesene Kompetenzmaterie in den Blick nimmt. Die Sachmaterie wird als Gesamtheit aufgefasst. Vergleichsobjekte sind also einmal die Sachmaterie in Wahrnehmung durch den Bund und zweitens die Sachmaterie in Wahrnehmung durch die Länder. Eine Kompetenzzuweisung an den Bund bedeutet in der Regel eine zentrale Zuständigkeitswahrnehmung durch einen Entscheidungsträger. Nur ein Entscheidungsträger ist mit dem Tätigwerden in diesem Bereich betraut. Wird hingegen die Kompetenz in einem Sachbereich den Ländern zugewiesen, handeln wenigstens sechzehn Entscheidungsträger in diesem Bereich. Diese haben jeweils einen räumlich begrenzten Wirkungsbereich. Die Struktur der Kompetenzwahrnehmung bei einer Bundeszuständigkeit ist durch die Befassung von einem Entscheidungsträger von Einheitlichkeit geprägt. Eine Länderzuständigkeit führt durch das Tätigwerden von mindestens sechzehn Entscheidungsträgern zu einer diversifizierten Struktur der Kompetenzwahrnehmung. Die Struktur der Kompetenzwahrnehmung bezüglich einer Sachmaterie unterscheidet sich also maßgeblich, wenn man eine Bundes- mit einer Länderzuständigkeit für die Materie vergleicht.

2. Feststellung der Strukturunterschiede Die Befassung einer Mehrzahl von sechzehn Entscheidungsträgern mit der Wahrnehmung einer Kompetenz bei einer Länderzuständigkeit hat im Vergleich zur Entscheidung durch einen Entscheidungsträger bei einer Bundeszuständigkeit zwei wesentliche Effekte. Durch die Vielzahl der Entscheidungsträger bei einer Länderzuständigkeit wird Uneinheitlichkeit verursacht. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Begriff „Uneinheitlichkeit" eine negative Konnotation aufweist. Positiv kann Uneinheitlichkeit mit Vielfalt bezeichnet werden. Eine Wertung der Erscheinung „Uneinheitlichkeit" bzw. „Vielfalt" soll hier jedoch noch nicht vorgenommen werden. Auf den Gesamtstaat betrachtet treten bei einer Länderzuständigkeit potenziell sechzehn unterschiedliche Handlungsvarianten in Bezug auf diese Sachmaterie auf. Die Unterschiede können verschiedene Aspekte der Erscheinungsform staatlichen Handelns betreffen. Abweichungen zwischen den Ländern ergeben sich schon daraus, dass in Wahrnehmung der Sachkompetenz sechzehn voneinander unabhängige Entscheidungsprozesse in allen betroffenen staatlichen Funktionen stattfinden, was zu unterschiedlichen Resultaten hinsichtlich der Kompetenzwahrnehmung führt. Ein weiterer zwi11 Pabel

162

Kap. 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

sehen den Ländern divergierender Aspekt ist die Betrauung verschieden strukturierter Entscheidungsträger mit der Wahrnehmung der Kompetenz. In der Wahrnehmung der Kompetenz im Rahmen der staatlichen Rechtssetzungsmacht werden in den Ländern unterschiedliche gesetzliche und untergesetzliche Regelungen getroffen. Für den betreffenden Sachbereich folgt daraus über das Gebiet des Gesamtstaats betrachtet eine uneinheitliche Rechtslage. Auch im Bereich der gesetzesvollziehenden oder gesetzesfreien Verwaltung entsteht aufgrund der unterschiedlichen Vorgehensweise in den Ländern bezogen auf den Gesamtstaat eine uneinheitliche Behandlung der Sachmaterie. Die Vollziehung der gesetzlichen und untergesetzlichen Regelungen erfolgt in verschiedenen Verfahren. Die Anwendung der Vorschriften wird uneinheitlich, auch wenn diese sich möglicherweise entsprechen, da die Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen und die Ausübung des eingeräumten Ermessens von unterschiedlichen Entscheidungsträgern vorgenommen werden und eventuell unterschiedlichen Verwaltungsvorschriften folgen. Im Rahmen der gesetzesfreien Verwaltung entsteht eine uneinheitliche Verwaltungspraxis. Insbesondere für den Bereich der staatlichen Förderung entsteht bezogen auf den Gesamtstaat eine uneinheitliche Förderpraxis, da die Länder unterschiedliche Vergabekriterien festlegen und anwenden werden. Dabei spielt auch eine Rolle, dass die Entscheidung, Einrichtungen staatlicher oder nichtstaatlicher Art mit der Wahrnehmung von Tätigkeiten im Kompetenzbereich zu betrauen, uneinheitlich getroffen wird. Schließlich wird auch die Auswahl solcher Einrichtungen aufgrund verschiedener Kriterien und Angebote uneinheitlich ausfallen. Neben diesen Unterschieden ist auch zu berücksichtigen, dass in den Ländern verschiedene politische Mehrheiten auftreten können, so dass die jeweiligen Regierungen von unterschiedlichen politischen Kräften getragen werden. Das kann dazu führen, dass in einem Sachbereich, der in die Zuständigkeit der Länder fällt, auf den Gesamtstaat betrachtet verschiedene Zielvorgaben, Schwerpunktsetzungen und inhaltliche Anforderungen gestellt werden. 43 Auch diese Auswirkung der Struktur einer Aufgabenwahrnehmung durch die Länder führt zu einer Uneinheitlichkeit bzw. Vielzahl im Hinblick auf die staatliche Behandlung einer Sachmaterie. Im Gegensatz dazu führt eine Bundeszuständigkeit, bei der die Kompetenzwahrnehmung durch einen Entscheidungsträger erfolgt, zu einer Struktur der Einheitlichkeit. Der Entscheidungsträger stellt grundsätzlich einheitliche, nicht räumlich differenzierte Regelungen für die Behandlung des Sachbereichs auf. Er gewährleistet einen einheitlichen Vollzug der Regelungen und legt einheitliche Kriterien für das Handeln der gesetzesfreien Verwaltung fest. Der Entscheidungsträger gibt Ziele, Schwerpunkte und inhaltliche Anforderungen für das staatliche Handeln vor, die ohne Unterschiede räumlich für das gesamte Bundesgebiet gelten. 43 Vgl. zur Bedeutung der Möglichkeit unterschiedlicher politischer Mehrheiten Frowein, Konstruktion des Bundesstaates, S. 54; Hesse, Grundzüge, Rdnr. 226; Kimminich, HbStR I, § 26 Rdnr. 24; Vogel, HbVerfR, § 22 Rdnr. 15 f.; Zippelius, Staatslehre, § 38 II.

III. Anforderungen an staatliches Handeln im Bereich der Kunst

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Im Übrigen ist der Bund aufgrund des Grundrechts gemäß Art. 3 Abs. 1 GG oder den jeweils einschlägigen spezielleren Gleichheitssätzen zu einer Gleichbehandlung von wesentlich Gleichem verpflichtet. Differenzierungen, die zu mehr Uneinheitlichkeit/Vielfalt führen würden, sind daher nur in beschränktem Umfang möglich. Der Gleichheitssatz gilt jedoch nur im Rahmen der bundesstaatlichen Kompetenzordnung. 44 Die Bindung des Gleichheitssatzes trifft den Hoheitsträger innerhalb seines Kompetenzbereichs. Die Länder müssen Gleichheit untereinander dagegen weder in der Rechtssetzung noch in der Verwaltung herstellen. 45 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Länderzuständigkeit bezüglich einer Sachmaterie dazu führt, dass die Struktur der staatlichen Tätigkeit in diesem Bereich von Uneinheitlichkeit bzw. Vielfalt gekennzeichnet ist. Hingegen bringt die Zuständigkeit des Bundes eine Einheitlichkeit in der Struktur der staatlichen Tätigkeit in einem Sachbereich mit sich. Eine Zuständigkeit der Länder weist gegenüber einer Bundeszuständigkeit darüber hinaus die Eigenart auf, dass eine untere staatliche Ebene mit der Wahrnehmung der Kompetenz betraut ist. Dadurch erfüllen ortsnähere Entscheidungsträger die anfallenden staatlichen Aufgaben. Die Entscheidungsfindung wird auf diese Weise für den Bürger durchschaubarer und dadurch leichter zu akzeptieren.46

III. Verfassungsrechtliche Anforderungen an staatliches Handeln im Bereich der Kunst Die Verfassung legt nicht nur die Zuständigkeit für staatliches Handeln in einem bestimmten Bereich fest. Darüber hinaus enthält sie auch inhaltliche Anforderungen an die Staatstätigkeit. Inhaltliche Determinanten für die Staatstätigkeit lassen sich insbesondere den Grundrechten entnehmen. Die Grundrechte wirken sowohl als subjektive als auch als objektive Gewährleistungen. In ihrer klassischen Funktion räumen die Grundrechte Abwehrrechte des Einzelnen gegen den Staat ein. 47 Sie gewährleisten als subjektive Rechte Freiheitsräume gegenüber staatlichen Eingriffen. Daneben ist auch eine objektive Wirkung der Grundrechte anerkannt.48 Als objektive Gewährleistungen sind Grundrechte 44 Heun, in: Dreier, Art.3 Rdnr.41; Kirchhof,, HbStR V, § 124 Rdnr. 175ff., 180; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 3 Abs. 1 Rdnr. 226, jeweils mit weiteren Nachweisen. 45 BVerfGE 10, 354 (371); E12, 319 (324); E319 (331); E32, 346 (360); E76, 1 (76f.). 46 Vgl. auch Zippelius, Staatslehre, §381, zum Zweck des Föderalismus, überschaubare Lebens- und Funktionsbereiche zu schaffen. 47 Vgl. aus der Rechtsprechung BVerfGE 7,198 (204); E61, 82 (101); E68,193 (205). Aus dem Schrifttum Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 174ff.; Dreier, Jura 1994,505,505 f.; Hesse, Grundzüge, Rdnr. 287; Ipsen, Staatsrecht II, Rdnr. 79; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rdnr. 58. 48 Zur Differenzierung der objektiv-rechtlichen Gehalte der Grundrechte vgl. Alexy, Der Staat 29 (1990), 49, 51 ff.; Dreier, Jura 1994, 505, 509ff.

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Kap. 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

Elemente einer objektiven Wertordnung, die über die aus den Grundrechten folgenden subjektiven Rechtspositionen hinaus von den Staatsorganen beachtet werden müssen.49 In beiden Funktionen haben die Grundrechte Einfluss auf das staatliche Handeln, indem sie ihm Grenzen setzen. In diesem Zusammenhang können sich aus den Grundrechten Schutzpflichten gewinnen lassen, die dem Staat Handlungspflichten auferlegen. 50 Neben den Grundrechten können auch andere Verfassungsrechtssätze inhaltliche Vorgaben für staatliches Handeln enthalten. In Betracht kommen etwa Staatszielbestimmungen51 oder verfassungsrechtliche Grundsätze. Im hier untersuchten Sachbereich Kunst enthalten insbesondere das Grundrecht der Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG sowie möglicherweise das Kulturstaatsprinzip oder Kulturstaatsklauseln inhaltliche Vorgaben für staatliches Handeln.

1. Sicherung der Kunstfreiheit Für den Bereich Kunst ist die in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährleistete Kunstfreiheit das sachlich einschlägige Grundrecht. 52 a) Schutzumfang der Kunstfreiheit Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährleistet die Kunstfreiheit als schrankenloses Grundrecht für jedermann, das heißt als subjektives Recht. In der Funktion als Abwehrrecht gegen den Staat53 bildet die Kunstfreiheit einen Anspruch des Grundrechtsträgers gegen den Staat, die durch das Grundrecht geschützte Freiheit bei jeglichem Handeln zu gewährleisten, das heißt unverhältnismäßige Eingriffe in die Kunstfreiheit zu unterlassen oder, wenn sie bereits geschehen sind, diese zu beseitigen. 54 49

Vgl. aus der Rechtsprechung BVerfGE 7,198 (206f.); E53,30 (57); E77,170 (214); E80, 81 (92 f.). Vgl. aus dem Schrifttum Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1 ff.; Dreier, in: Dreier, Vorb. Rdnr. 55 f.; Ipsen, Staatsrecht II, Rdnr. 85; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rdnr. 76ff. Speziell für die Kunstfreiheit, Graul, Künstlerische Urteile, S.49. 50 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 179ff.; Ipsen, Staatsrecht II, Rdnr. 89ff.; Isensee, HbStR V, § 111 Rdnr. 77 ff.; Pietzcker, Festschrift Dürig, S. 356 ff. 51 Hesse, Grundzüge, Rdnr. 208; Klein, DVB1.1991,729,733; Kloepfer, DVB1.1996,73,74 ff.; Schink, DÖV 1997, 221, 223; Steinberg, NJW 1997, 1985, 1991 f. 52 Das kann hier ohne weitere Erläuterung angenommen werden, da in Kapitel 1 der Sachbereich Kunst als Untersuchungsgegenstand in Anlehnung an den Schutzbereich der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG bestimmt wurde (vgl. oben, S. 21 ff.). 53 BVerfGE 30, 173 (190); E 31, 229 (238). 54 So auch Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rdnr. 189; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 III Rdnr. 268; Pernice, in: Dreier, Art. 5 III (Kunst) Rdnr. 29; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rdnr. 58; Häberle, AöR 110 (1985), 577, 605.

III. Anforderungen an staatliches Handeln im Bereich der Kunst

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In umgekehrter Perspektive folgt aus dem grundrechtlichen Abwehrrecht eine Handlungsbeschränkung für den Staat.55 Er hat alles zu unterlassen, was eine unverhältnismäßige Beeinträchtigung der individuellen Kunstfreiheit darstellt. Der Funktion des Grundrechts als subjektivem Abwehrrecht korrespondiert also eine objektiv-rechtliche Wirkung, die den Handlungs- und Entscheidungsspielraum des Staates begrenzt. 56 Das Bundesverfassungsgericht hat darüber hinaus festgestellt, dass Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zunächst eine objektive wertentscheidende Grundsatznorm enthalte, die das Verhältnis des Staates zum Bereich Kunst regele. Zugleich gewährleiste die Bestimmung ein individuelles Freiheitsrecht. 57 Damit wird die objektive Schutzrichtung dieses Grundrechts neben die Gewährleistung der subjektiven Freiheit gerückt. 58 Die Kunst wird als Lebensbereich geschützt59, was bedeutet, dass die auf der Eigengesetzlichkeit der Kunst beruhenden Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen von jeglicher Einflussnahme öffentlicher Gewalt freizuhalten sind, wie es das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung zum Schulbuchprivileg formuliert. 60 Auch im Schrifttum ist der objektiv-rechtliche Gehalt der Kunstfreiheit anerkannt.61 Der Schutzbereich der Kunstfreiheit ist durch Auslegung von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu bestimmen. Der Wortlaut dieser Norm garantiert ohne Bezug zu einer Person und ohne Bezug zu einer menschlichen Verhaltensweise die Freiheit der „Kunst". 62 Anknüpfungspunkt für den grundrechtlichen Schutz ist die „Kunst" und damit ein Gegenstands- und Lebensbereich.63 Somit weist schon der Wortlaut daraufhin, dass 55 Den Begriff des Perspektivenwechsels verwenden Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rdnr.75. S. auch Er bei, Kunstfreiheitsgarantie, S. 102. 56 Wahl, Staatsaufgaben, S. 37 ff. Die Wirkung der Grundrechte wird auch als „negative Kompetenzabgrenzung" bezeichnet, da staatliches Handeln, das den durch die Grundrechte gewährleisteten Status des Einzelnen beschränkt, unzulässig ist, s. Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rdnr. 199 a; Geis, Kulturstaat, S.224; Hesse, Grundzüge, Rdnr.291; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rdnr. 73 ff. 57 BVerfGE 30,173 (188)-Mephisto. 58 Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rdnr. 609 ff., kritisieren die sog. Mephisto-Entscheidung, da hier die objektiv-rechtliche Funktion gegenüber der subjektiv-rechtlichen in den Vordergrund gerückt werde. M. E. kann der Entscheidung ein solches Rangverhältnis nicht entnommen werden. Vielmehr scheint dem Gericht daran gelegen, die subjektiv-rechtliche Seite des Grundrechts trotz des gegenstandsbezogenen Wortlauts zu begründen. Gegen die Annahme eines Rangverhältnisses auch Denninger, HbStR VI, § 146 Rdnr. 24. 59 BVerfGE 30,173 (188); E67,213 (224). S. dazu auch Henschel, NJW 1990,1937,1940. 60 BVerfGE 31, 229 (238) unter Hinweis auf BVerfGE 30, 173 (188). 61 Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rdnr. 199a; Denninger, HbStR VI, § 146 Rdnr. 24; Erbel, Kunstfreiheit, S.99ff.; Häberle, AöR 110 (1985), 577, 607ff.; Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 177 ff.; Palm, Kunstförderung, S.79ff.; Pernice, in: Dreier, Art. 5 III (Kunst), Rdnr. 43 ff. 62 So könnte beispielsweise statt der in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewählten Formulierung künstlerisches Schaffen und die Verbreitung der Werke geschützt werden, vgl. Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 191. 63 Denninger, HbStR VI, § 146 Rdnr. 24 ff.; Heckel, Staat, Kirche, Kunst, S.77; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S.284; Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 190ff.; Müller, Freiheit der

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Kap. 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

durch dieses Grundrecht nicht nur ein individuelles Abwehrrecht gewährleistet werden soll, sondern ein Lebensbereich geschützt ist. 64 Dieser Befund wird auch durch die Entstehungsgeschichte des Grundrechts der Kunstfreiheit gestützt. Die Deutschen Partei schlug im Rahmen der Beratungen des Parlamentarischen Rates vor, zu formulieren: „Das kulturelle Leben ist der Gewalt des Staates nicht unterworfen. Der Staat gewährt ihm Schutz und nimmt an seiner Pflege teil. Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei." 65

Diese Formulierung fand die Zustimmung des Grundsatzausschusses deswegen nicht, da nach dem ersten Satz dieser Fassung die Einrichtung der Universitäten und der Schulen der Einwirkung des Staates entzogen wäre 66 und die Schutzvorschriften für Jugendliche in Bezug auf das Filmwesen nicht mehr angewendet werden könnten. 67 Auch mit diesen auf Einschränkung der Freiheit gerichteten Argumenten wird deutlich, dass es gerade für den Bereich der Kunst - in Abgrenzung zum übrigen Kulturbereich (insbesondere Universitäten oder Schulen) - Ziel der grundrechtlichen Regelung war, einen gesamten Bereich, der mit „kulturelles Leben" umschrieben wird, der Einwirkung durch den Staat zu entziehen. Die teleologische Auslegung von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ergibt ebenfalls, dass mit dem Grundrecht nicht nur die individuelle Freiheit geschützt werden sollte, sondern ein von staatlichen Einwirkungen freier Lebensbereich erhalten werden sollte. Die Ausübung der Kunstfreiheit bedarf nicht nur in Bezug auf den Schaffens- und Verbreitensprozess des individuellen Werkes der Freiheit von staatlichen Eingriffen. Das künstlerische Schaffen ist von einer Vielzahl von Bedingungen abhängig, auf die der Staat Einflussmöglichkeiten hat. 68 Zur effektiven Wahrnehmung des subjektiven Rechts der Kunstfreiheit sind auch diese Bedingungen in einer Weise zu gestalten (oder gerade nicht staatlich zu beeinflussen), dass sie die Ausübung der Kunstfreiheit ermöglichen. Auf diese Erhaltung eines freiheitlichen Lebensraums Kunst ist die freie Entfaltung des Individualrechts angewiesen.69 Kunst, S. 37. Auch Oppermann weist darauf hin, dass im Verhältnis von Kunst und Staat das Kunstwerk als sächliches Substrat im Grundgesetz den zentralen Platz eingenommen hat, Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S.436. Er bei, Kunstfreiheitsgarantie, S.83ff., geht davon aus, dass bereits der Begriff „Kunst" in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG im Sinne von „Kunstleben" zu verstehen sei. 64 Isensee spricht von „überindividuellen Freiheitsräumen", Subsidiaritätsprinzip, S. 284. 65 Antrag der Deutschen Partei (DP), Drs.298, S.2, zitiert nach JöR 1 (1951), S.90. 66 Fassung Grundsatzausschuss Drs. 326 v. 1.12.1948, Argument des Vorsitzenden Dr. v.Mangoldty zitiert nach JöR 1 (1951), S.90. 67 Fassung Grundsatzausschuss Drs. 326 v. 1.12.1948, Argument des Abgeordneten Dr. Bergsträßer, zitiert nach JöR 1 (1951), S. 90. 68 Er bei, Kunstfreiheitsgarantie, S. 100. 69 Meckel Staat, Kirche, Kunst, S.92f.; so auch Geis, Kulturstaat, S.215; Häberle, Wesensgehaltgarantie, S. 100f.

III. Anforderungen an staatliches Handeln im Bereich der Kunst

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Die Auslegung hat somit ergeben, dass Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG einen freien Lebensbereich „Kunst" garantiert. 70 Ein freiheitlicher Lebensbereich verlangt, dass seine Entwicklung den eigenen Gesetzen folgt. 71 Der Lebensbereich „Kunst" soll sich nach eigenen Gesetzen, das heißt nach ästhetischen Gesichtspunkten entwickeln können.72 Diese Entwicklung nach den dem Sachgebiet eigenen Gesetzen lässt sich als Autonomie bezeichnen.73 Mit der Gewährung von Autonomie wird die Entwicklung von unterschiedlichen Richtungen, Stilen, Schulen und Formen von Kunst ermöglicht. Solche Unterschiede werden in einem freiheitlichen Lebensbereich zugelassen und haben die Möglichkeit, sich nach den eigenen Gesetzen des Lebensbereichs durchzusetzen.74 Das Grundrecht des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG umfasst daher die Pflicht des Staates, die Autonomie der Kunst zu wahren. 75 b) Folgerungen für staatliches Handeln Aus der Gewähr eines freiheitlichen Lebensbereichs durch Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG kann nun für das Handeln des Staates gefolgert werden, dass die öffentliche Gewalt sich eines Eingriffs in den Lebensbereich der Kunst enthalten muss. Die Freiheit des Lebensbereichs wäre formal am besten gewährleistet, wenn der Staat sich völlig aus ihm zurückziehen würde. Eine staatliche Unterstützung von Kunst und Künstlern ist jedoch unentbehrlich geworden. 76 Die Kunstschaffenden sind darauf angewiesen, dass der Staat Kunstpflege betreibt. Es ist im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundrechts der Kunstfreiheit nicht möglich, dass der Staat den Bereich der Kunst ausschließlich gesellschaftlichen Kräften überlässt.77 Aus der Gewährleistung der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG ist daher eine objektiv-rechtliche Pflicht des Staates zum Schutz dieses Bereichs abzuleiten.78 70

Zur Gewährleistung eines freiheitlichen Sachbereichs der Kunst s. Heckel, Staat, Kirche, Kunst, S.92ff.; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S.293. 71 Schiaich, Neutralität, S. 166,234. 72 Vgl. BVerfGE 31, 229 (238); so auch Heckel, Staat, Kirche, Kunst, S. 94. 73 Schiaich,, Neutralität, S. 166, 234. 74 Vgl. Schiaich, Neutralität, S. 234: Die Freiheitlichkeit eines Staates bewährt sich in der Ermöglichung und Förderung einer optimalen Verwirklichung einer Vielfalt von Handlungs-, Lebens- und Entscheidungsmaßstäben. Bezogen auf den Sachbereich der Kunst bedeutet das, dass in der Ermöglichung von Vielfalt die Gewährleistung der Freiheit liegt. 75 Vgl. Geis, Kulturstaat, S.215. 76 Graul, Künstlerische Urteile, S.49f.; Mahrenholz, HbVerfR, §26 Rdnr. 120; Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S.442f.; Scheuner, Kulturstaat, S. 122. Oppermann und Scheuner weisen darauf hin, dass der Staat diese Aufgabe nach dem Wegfall der höfischen und kirchlichen Mäzene übernehmen muss. 77 Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S.442f. 78 Graul, Künstlerische Urteile, S.52; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 5 III, Rdnr. 3. - Auch wenn in diesem Zusammenhang von einer „Schutzpflicht" des Staates gesprochen wird (vgl. Gersdorf \ JuS 1994, 955, 959), liegt eine solche im grundrechtsdogmatischen Sinn nicht vor. Weder dient das staatliche Handeln der Abwehr einer Bedrohung des Grundrechts, noch zielt

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Der Staat hat die Aufgabe, ein freiheitliches Kulturleben fördernd zu unterhalten und zu unterstützen.79 Auch das Bundesverfassungsgericht sieht im Grundrecht der Kunstfreiheit eine objektive Wertentscheidung, aus der die staatliche Aufgabe folge, ein freiheitliches Kulturleben zu erhalten und zu fördern 80, und nimmt damit eine Leistungspflicht des Staates an. Dem Staat verbleibt zur Erfüllung dieser Pflicht zur Kunstpflege allerdings ein weiter Gestaltungsspielraum.81 Aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG lässt sich keine Pflicht zur Vornahme bestimmter Maßnahmen der Kunstpflege ableiten. Ein subjektiver Anspruch des Einzelnen auf Förderung ist ebenfalls abzulehnen.82 Es besteht lediglich ein allgemeiner Handlungsauftrag. Der Staat muss insbesondere Regelungen treffen, die in unmittelbarer oder mittelbarer Weise künstlerische Tätigkeit ermöglichen oder erleichtern. Das heißt, es sind die rechtlichen Rahmenbedingungen zu schaffen, um ein freiheitliches und vielfältiges kulturelles Leben zu ermöglichen. 83 Die staatlichen Handlungsmöglichkeiten reichen vom gesetzlichen Schutz des geistigen Eigentums über die soziale Absicherung von Künstlern bis zu einer Steuergesetzgebung, die für Angelegenheiten des Lebensbereichs Kunst Privilegierungen vorsieht. 84 Für die hier vorgenommene Untersuchung ist die Frage, in welchem Ausmaß der Staat verpflichtet ist, Kunstförderungsmaßnahmen vorzunehmen, irrelevant. Entscheidend ist, dass er berechtigterweise solche Maßnahmen trifft. Es besteht Einigkeit darüber, dass die Erhaltung und Förderung eines freiheitlichen Kulturlebens eine zulässige staatliche Aufgabe ist. 85 Entscheidend ist weiterhin, dass der Staat bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe nicht beliebig handeln darf. Er ist insoweit an die oben aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG entwickelten materiellen Grenzen gebunden. es auf die Sicherung einer für die Grundrechtsverwirklichung notwendigen Einrichtung ab. Zur Ableitung von Schutzpflichten aus abwehrrechtlichen Grundrechten vgl. für alle Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 402ff.; Isensee, HbStR V, § 111, ibs. Rdnr. 86ff.; Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rdnr. 88 ff.; Pietzcker, Festschrift Dürig, S. 356 ff. Der von Isensee in diesem Zusammenhang gebrauchte Begriff der „objektiven Staatsaufgabe" trifft die Art der Verpflichtung, Isensee, AfP 1993, 619, 622. 79 Bleckmann, Grundrechte, §26 Rdnr. 154ff.; Häberle, Kulturverfassungsrecht im Bundesstaat, S. 72 ff.; Heckel, Staat, Kirche, Kunst, S. 76 ff., ibs. S. 95 ff.; Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 206f.; v.Köckritz, Kunstförderung, S.210; Maihofer, HbVerfR §25 Rdnr.89ff.; Palm, Kunstförderung, S. 171 ff. Ablehnend Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7, 15ff. 80 BVerfGE 36, 321 (331); E81, 108(116). 81 BVerfGE 81,108 (116); vgl. auch Gersdorf, JuS 1994,955,959; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 5 III Rdnr. 40. 82 Bleckmann, Grundrechte, §26 Rdnr. 156; Karpen/Nohe, JZ 2001, 801, 806; Pernice, in: Dreier, Art. 5 III (Kunst), Rdnr. 45; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 5 III, Rdnr. 6, 40; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 III Rdnr. 294; Wendt, in: v. Münch/Kunig, Art. 5 Rdnr. 94. 83 Heckel, Staat, Kirche, Kunst, S.93f.; Isensee, AfP 1993, 619, 622. 84 Vgl. auch Erbel, Kunstfreiheitsgarantie, S. 100; vgl. zu einer Kategorisierung der Kunstförderung auch Palm, Kunstförderung, S.30ff. 85 BVerfGE 10,20 (36f.); E36, 321 (331); Grimm, VVDStRL 42 (1984), 46,63ff.; Höfling, DÖV 1985, 387, 389; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 5 III, Rdnr. 40; Starck, in: v.Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 5 III Rdnr. 294; Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7, 16 f.

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Allgemein lässt sich die Funktion des Staates im Lebensbereich der Kunst als die eines Treuhänders bezeichnen.86 Im Rahmen der kunstpflegerischen Tätigkeit muss er die Eigengesetzlichkeiten des Sachbereichs Kunst respektieren. 87 Das Bundesverfassungsgericht verlangt dementsprechend, dass die auf der Eigengesetzlichkeit der Kunst beruhenden, von ästhetischen Rücksichten bestimmten Prozesse, Verhaltensweisen und Entscheidungen von jeglicher Ingerenz öffentlicher Gewalt freizuhalten sind.88 Es ist dem Staat untersagt, auf Methoden, Inhalte und Tendenzen der künstlerischen Tätigkeit einzuwirken, indem er etwa den künstlerischen Gestaltungsspielraum einengt oder allgemein verbindliche Regeln für den Schaffensprozess vorschreibt. 89 Von ihm wird insofern Neutralität verlangt, das heißt eine NichtIdentifikation 90 mit einzelnen Inhalten, Tendenzen, Richtungen und Formen im Lebensbereich Kunst. Staatliche Förderung der Kunst ist grundsätzlich zulässig. Aus dem Grundrecht der Kunstfreiheit folgt jedoch, dass jegliches Kunstrichtertum, das heißt eine qualitativ-wertende oder maßregelnde Stellungnahme zu einem Werk oder einer Kunstrichtung, dem Staat versagt ist. 91 Eine Identifikation des Staates mit bestimmten Kunstrichtungen oder -formen ist verfassungsrechtlich unzulässig.92 Auch eine staatliche Förderung, die bestimmte Kunstrichtungen oder Kunstschulen bevorzugt oder in diskriminierender Weise missachtet, ist mit den Anforderungen der Kunstfreiheit nicht vereinbar. 93 Der Staat muss eine Kulturpolitik betreiben, in deren Rahmen nicht nur Kunstwerke, Künstler und Einrichtungen einer bestimmten Richtung gefördert werden. 94 Anderenfalls würde er die Pflicht zur Nicht-Identifikation mit 86

Maier, Staat und Kultur, S. 125. Heckel, Staat, Kirche, Kunst, S. 94; Ridder, Freiheit der Kunst, S. 11; Scholz, in: Maunz/ Dürig, Art. 5 III Rdnr. 40; siehe zum Topos der Eigengesetzlichkeit Hufen, Freiheit der Kunst, S. 180 ff. 88 BVerfGE 30,173 (190); ebenso E31, 229 (238). 89 BVerfGE 30,173 (190); E31, 229 (238). 90 Zur Neutralität als Prinzip der Nichtidentifikation vgl. Schiaich, Neutralität, S. 236 ff. 91 Isensee, AfP 1993, 619, 621; Pernice, in: Dreier, Art. 5 III (Kunst), Rdnr. 30; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 5 III Rdnr. 8; vgl. auch Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 192 ff. 92 Bethge, in: Sachs, Art. 5 Rdnr. 190; Isensee, AfP 1993, 619, 621. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG stellt somit einen Gegenentwurf zur Tätigkeit des Staates in der Zeit des Nationalsozialismus dar, in der der Staat zwischen erwünschter und unerwünschter Kunst unterschied, vgl. dazu Oppermann, Kulturverwaltungsrecht, S. 121, 123, 437. Auch in der ehemaligen DDR hatten Kunst und Kultur vorrangig die Aufgabe, dem kommunistischen System zu dienen. Der Staat behielt die Kontrolle auch über die Inhalte der Kunst, indem er sich bestimmte Inhalte zu Eigen machte, nicht erwünschte Ergebnisse eines künstlerischen Prozesses aber verwarf. S. dazu Ermisch, Festschrift v. Köckritz, S. 70. 93 So auch VG Wiesbaden, NJW 1988, 357, 364. Staatliche Förderentscheidungen sind daher am Maßstab des Gleichheitsgrundsatzes gemäß Art. 3 Abs. 1 GG zu messen, vgl. Denninger, HbStR VI, § 146 Rdnr. 34; Isensee, AfP 1993, 619, 622; Mahrenholz, HbVerfR, §26 Rdnr. 137; Pernice, in: Dreier, Art. 5 III (Kunst), Rdnr. 30. 94 Denninger, HbStR VI, § 146 Rdnr. 35; Gersdorf, JuS 1994,955,959; Ladeur, in: AK-GG, Art. 5 Abs. 3 III Rdnr. 24. 87

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einzelnen Stilen, Richtungen oder Künstlern verletzen und damit gegen das Neutralitätsprinzip verstoßen. Für staatliche Förderentscheidungen bedeutet das jedoch nicht, dass schon in der Entscheidung, ein Projekt zu fördern und ein anderes nicht, eine Verletzung des Neutralitätsgebots liegt. 95 Die Gewährleistung der Kunstfreiheit verlangt nicht, dass der Staat nach dem „Gießkannenprinzip" jegliche künstlerische Aktivität gleichermaßen fördert. 96 Auf die Berücksichtigung wertender Kriterien bei der Entscheidung über Förderungen muss und kann der Staat nicht verzichten. 97 Versucht man zusammenfassend, die Anforderungen, die Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG an staatliches Handeln stellt, konkret zu formulieren, gerät man in Schwierigkeiten. Fassbar sind die Extreme, die wegen der Gewährleistung der Kunstfreiheit verfassungsrechtlich unzulässig sind: Kunstrichtertum und eine einseitige Förderpraxis, die zu einer Identifikation des Staates mit einer bestimmten Kunstrichtung führen würde. Im Übrigen verbleibt ein weiter Bereich, in dem der Staat durch unterschiedliche Maßnahmen das Kunstleben schützen soll, insbesondere Kunstförderung betreiben soll, ohne in die Kunstfreiheit einzugreifen. Für diesen Sektor können praktikable Handlungsdirektiven aus dem Grundrecht der Kunstfreiheit nicht abgeleitet werden. 98 Es bleibt nur zu konstatieren, dass im Hinblick auf die Gewährleistung der Kunstfreiheit zwei verschiedene Anforderungen an staatliches Handeln miteinander zu vereinbaren sind.99 Auf der einen Seite muss der Staat die Eigengesetzlichkeit der Kunst anerkennen und damit ihre Autonomie bewahren. Die staatliche Tätigkeit sollte sich insofern darauf beschränken, für die Gewährleistung der Freiheit zu sorgen. 100 In Kunstfragen inhaltlicher Art ist vom Staat Neutralität zu verlangen. Es ist ihm untersagt, sich mit einer bestimmten Kunstrichtung oder -schule zu identifizieren. Insgesamt kann man festhalten, dass das Grundgesetz in dieser Hinsicht ein möglichst distanziertes Verhältnis des Staates zur Kunst verlangt. 101 95 Schiaich, Neutralität, S.251. So auch Pernice, in: Dreier, Art. 5 III (Kunst) Rdnr.45; Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7, 30f. 96 Für eine „Förderung schlechthin" Krüger, Staatslehre, S. 808; dagegen Gersdorf \ JuS 1994, 955, 959; Schiaich, Neutralität, S.243. 97 Isensee, AfP 1993, 619, 622; Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S.227; Mahrenholz, HbVerfR, §26 Rdnr. 137 ff.; Pernice, in: Dreier, Art. 5 III (Kunst), Rdnr. 45; Scholz, in: Maunz/ Dürig, Art. 5 III, Rdnr. 8; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 III Rdnr. 294; Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7, 30f. Nach Geis, Kulturstaat, S. 246 f., spricht de iure für eine Differenzierungsbefugnis, dass der verfassungsrechtliche Hauhaltsvorbehalt es verbiete, die Belastung und Höhe eines Förderungsanteils in den Haushalten von Bund und Ländern zur Disposition der Exekutive und Legislative zu stellen. De facto scheitere eine „Kunstförderung schlechthin" am Argument knapper Kassen. 98 Vgl. zur Kritik an den methodischen Ansätzen hinsichtlich der Bestimmung einer verfassungsmäßigen Förderpraxis Geis, Kulturstaat, S. 247 ff. 99 Diesen möglichen Konflikt konstatiert auch Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 205. Mahrenholz spricht von einem paradoxen Verhältnis zwischen öffentlicher Förderung und öffentlichem Schutz der Kunst, HbVerfR, §26 Rdnr. 121. 100 Heintzen, HbStR IX, § 218 Rdnr. 61. 101 Heintzen, HbStR IX, §218 Rdnr. 61.

III. Anforderungen an staatliches Handeln im Bereich der Kunst

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Auf der anderen Seite folgt aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG jedoch auch, dass der Staat verpflichtet ist, ein freies Kulturleben zu unterstützen und damit Kulturförderung im weiten Sinn zu betreiben. Er muss tätig werden, um die Freiheit des Sachbereichs Kunst zu gewährleisten. 102 Mit jeder Tätigkeit im Bereich der Kunst besteht aber die Gefahr einer staatlichen Beeinflussung des Lebensbereichs Kunst, dessen Entwicklung nach eigenen Gesetzen der Staat eigentlich sichern soll. So hat der Staat etwa zu entscheiden, welche Kunst er materiell oder ideell fördern will. Die beiden Anforderungen, die Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG an die staatliche Tätigkeit im Bereich der Kunst stellt, stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander.103 Jedem Befassen des Staates in Angelegenheiten der Kunst wohnt dieses widersprüchliche Element inne. 104 Im Einzelfall kann dieses Spannungs verhältnis aufgelöst und auf der Grundlage von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG entschieden werden, ob eine Grundrechtsverletzung durch eine bestimmte staatliche Entscheidung vorliegt oder nicht. Aus dem Grundrecht können aber nicht konkreter gefasste Handlungsvorgaben an den Staat formuliert werden, bei deren Befolgung er Grundrechtsverletzungen vermeidet. Konsequenz daraus ist, dass die Organisation staatlichen Handelns geeignet sein muss, dieses Spannungsverhältnis nicht nur im Einzelfall so aufzulösen, dass Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG nicht verletzt wird. 105 Es muss eine Struktur staatlichen Handelns gefunden werden, die bezogen auf die gesamte staatliche Tätigkeit im Bereich der Kunstpflege die besten Voraussetzungen dafür bietet, insgesamt ein freiheitliches Kunstleben zu gewährleisten.

2. Kulturstaatsklauseln Möglicherweise ergeben sich auch aus Kulturstaatsklauseln, die in den Verfassungen des Bundes oder der Länder enthalten sind, Anforderungen an staatliches Handeln im Bereich der Kunstpflege. a) Gesamtstaatliche Ebene Das Grundgesetz enthält keine ausdrückliche Kulturstaatsklausel. 106 Art. 20 Abs. 1 GG, der die staatsrechtlichen Grundprinzipien der Bundesrepublik enthält, 102

Heckel, Staat, Kirche, Kunst, S.95. Gersdorf,\ JuS 1994, 955, 960; Graul, Künstlerische Urteile, S.53; Häberle, Kulturstaat, S. 34f.; Höfling, DÖV 1985, 387, 389; Palm, Kunstförderung, S. 188; Scheuner, Kulturstaat, S. 116. In der Rechtsprechung: VG Wiesbaden, NJW 1988, 356, 364. 104 Scheuner, Kulturstaat, S. 116. 105 Ebenso Geis, Kulturstaat, S.259; vgl. so auch Isensee, AfP 1993, 619, 622. 106 Grundlegend zum Kulturstaat E.R. Huber, Zur Problematik des Kulturstaats, 1958; Geis, Kulturstaat und kulturelle Freiheit, 1990. Zur Ablehnung der Einführung einer Kulturstaatsklausel in den Achtziger Jahren, Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7, 38ff; Geis, Kulturstaat, S. 18. Befürwortend Häberle, Kulturverfassungsrecht, S. 59. Zu Art. 35 EV als verfassungsrechtlicher Kulturstaatsklausel s. Häberle, Die 103

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nennt den Kulturstaat nicht als Verfassungsgrundsatz. Auch in Gestalt einer Staatszielbestimmung findet sich im Grundgesetz keine Formulierung, die den Staat etwa zum Schutz und zur Pflege der Kultur verpflichtete. Allerdings wird durch Verfassungsauslegung, insbesondere durch Auslegung des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG, abgeleitet, dass der Verfassung die Konzeption eines Kulturstaates zugrunde läge. 107 Auch wenn es an einer ausdrücklichen Kulturstaatsklausel fehle, sei der durch das Grundgesetz konstituierte Staat ein Kulturstaat. Das Bundesverfassungsgericht versteht ebenfalls die durch das Grundgesetz konstituierte Bundesrepublik als Kulturstaat. 108 Dabei stützt es sich auf das Grundrecht des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG, das es als grundlegende Wertentscheidung für die Freiheit der Kunst ansieht.109 Der moderne Staat verstehe sich im Sinne einer Staatszielbestimmung als Kulturstaat. 110 Die Bezeichnung des Staates als Kulturstaat kann rechtlich als Staatszielbestimmung verstanden werden. Auf diese rechtliche Qualifikation weisen Aussagen des BVerfG hin, die vom Verständnis des modernen Staats als Kulturstaat im Sinne einer Staatszielbestimmung sprechen.111 Staatszielbestimmungen sind Verfassungsnormen mit rechtlich bindender Wirkung, die der Staatstätigkeit die fortdauernde Beachtung oder Erfüllung bestimmter Aufgaben vorschreiben. 112 Staatszielbestimmungen legen somit in verbindlicher Weise Aufgaben und Richtung staatlichen Handelns fest. 113 Sie können keine subjektiven Rechte begründen, stellen jedoch mit Verfassungsrang ausgestattete Zielvorgaben für staatliches Handeln auf und erlangen auf diese Weise Vorrang vor anderen politischen Zielsetzungen.114 Im Rahmen einer Abwägung von Zielkonflikten sind sie zwingend zu berücksichtigen. 115 Aus Staatszielbestimmungen können daher materielle Anforderungen an staatliches Handeln abgeleitet werden. 116 Verwaltung 1991, 169, 203; v.Köckritz, Kunstförderung, S.211 f.; Schulze-Fielitz, NJW 1991, 2456. 107 Erbel, Kunstfreiheitsgarantie, S. 175; Heckel, Staat, Kirche, Kunst, S. 225 f.; Knies, Schranken der Kunstfreiheit, S. 212, 224f.; Maihofer, HbVerfR, § 25 Rdnr. 80; Scheuner, Kulturstaat, S. 121; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 5 III Rdnr. 8. Weitere Hinweise bei Geis, Kulturstaat, S. 16 Fußn. 6. 108 BVerfGE 36, 321 (331); E81, 108 (116). Dazu Haberle, AöR 110 (1985), 577, 609. 109 BVerfGE 30, 173 (188): „wertentscheidende Grundsatznorm"; E36, 321 (331): „objektive Wertentscheidung für die Freiheit der Kunst". 110 BVerfGE 36, 321 (331). 111 BVerfGE 36, 321 (331); so auch Maihofer, HbVerfR, §25 Rdnr. 5, 78 f. 112 Von dieser Definition ging die Sachverständigen-Kommission „Staatszielbestimmungen/Gesetzgebungsaufträge" aus, vgl. Bericht, September 1983, S.5 Rdnr. 7. 113 Hesse, Grundzüge, Rdnr. 208; Klein, DVB1. 1991, 729, 733. 114 Hesse, HbVerfR, § 5 Rdnr. 35; Graf Vitzthum, Stellungnahme, S. 314; Wiegand, LKV 1995, 55, 56f.; für das Staatsziel Umweltschutz Kloepfer, DVB1. 1996, 73, 74f.; Schink, DÖV 1997, 221, 222. 115 Hesse,HbVerfR, §5 Rdnr.35;Klein,DVB1.1991,729,733; Wiegand,LKV 1995,55,56f. 116 Hesse, Grundzüge, Rdnr. 208; für das Staatsziel Umweltschutz Klein, DVB1. 1991, 729, 733; Kloepfer, DVB1. 1996, 73, 74ff.; Schink, DÖV 1997, 221, 223; Steinberg, NJW 1997, 1985, 1991 f.

III. Anforderungen an staatliches Handeln im Bereich der Kunst

173

Das der Bundesrepublik verliehene Attribut „Kulturstaat" kann ferner als zusammenfassende Bezeichnung von Aussagen der Verfassung im kulturellen Bereich verstanden werden, ohne dass die Kulturstaatlichkeit im Rechtssinne als Staatszielbestimmung qualifiziert würde. 117 Der Begriff des Kulturstaats wird dazu verwendet, die Erscheinungsform des Staates in der Wirklichkeit zu beschreiben. 118 Bestimmte Aspekte der staatlichen Tätigkeit sollen hervorgehoben werden. 119 In diese Richtung kann auch das Bundesverfassungsgericht verstanden werden, wenn es formuliert, der Staat verstehe sich als Kulturstaat. 120 In beiden Fällen kann der Qualifikation der Bundesrepublik Deutschland als Kulturstaat allerdings keine rechtliche Aussage entnommen werden, die nicht schon in anderen Bestimmungen der Verfassung enthalten wäre. 121 Die Qualifizierung als Kulturstaat ist durch Auslegung und Interpretation der entsprechenden Verfassungsbestimmungen, vor allem des Grundrechts der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG, gewonnen worden. Auch die Annahme einer Staatszielbestimmung stützt sich auf die aus dem Grundrecht des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewonnenen Aussagen.122 Die rechtliche Verbindlichkeit von allgemeinen Aussagen, die aus einem Grundrecht abgeleitet, wurden, kann nicht über die der zugrundeliegenden Norm hinausgehen. Im Bereich der Kunst ist allein der Schutzumfang, den Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gewährleistet verfassungsrechtlich bindend. Der Inhalt einer solch verallgemeinerten Aussage wie der Kulturstaatlichkeit kann nicht durch erneute Auslegung mit etwas „aufgeladen" werden, was nicht schon vorher durch die ihm zugrunde liegenden Verfassungsnormen festgelegt war. 123 117

Mahrenholz, HbVerfR, § 26 Rdnr. 123. So Scheuner, Kulturstaat, S. 113. Vgl. auch Maihof er, HbVerfR, § 25 Rdnr. 6, der es angesichts der Vielfalt staatlicher Kulturpolitik für nicht ausreichend erachtet, die Bundesrepublik als „Rechtsstaat" und „Bundesstaat" zu bezeichnen. 119 Scheuner, Kulturstaat, S. 113. 120 BVerfGE 36, 321 (331); E81, 108(116). 121 Palm, Kunstförderung, S. 126; Scheuner, Kulturstaat, S. 114. So im Ergebnis auch Grimm, VVDStRL 42 (1984), 46,67. Grimm folgert aus Notwendigkeit einer kulturell begründeten Integrationsbasis des Staates einen (verfassungsrechtlichen) Kulturauftrag, vgl. ebenda, S. 63 ff. Vgl. auch Roellecke, DÖV 1983,653,654, der das „Gerede" vom Kulturstaat als „verschleiernd" bezeichnet. 122 So bezeichnet etwa Scholz die Pflicht des Staates zur kulturpolitischen Neutralität und die Pflicht zur kulturellen Förderung, also zwei aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG abgeleitete Vorgaben, als Strukturmerkmale der Kulturstaats nach dem Grundgesetz, Scholz, in: Maunz/Dürig, Art. 5 III, Rdnr. 8; ferner deutlich zur Ableitung der Staatszielbestimmung aus dem Grundrecht der Kunstfreiheit Maihof er, HbVerfR, §25 Rdnr. 79. 123 Zutreffend ist gegen die Ableitung einer allgemeinen Kulturstaatsklausel aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zudem eingewendet worden, dass dieses Grundrecht nur die Kunst, nicht aber den gesamten Kulturbereich betreffe. Damit würden Aussagen über die Kunst und die verfassungsrechtlich garantierte Kunstfreiheit in einem Schluss „a minore ad maior" auf die Kultur schlechthin bezogen (Geis, Kulturstaat, S. 233). Kriterien, die der Auslegung der Kunstfreiheitsgarantie entnommen werden, können in der Tat nicht auf andere Kulturbereiche übertragen werden (so auch Geis, Kulturstaat, S.237; Steiner, VVDStRL 42 [1984], 7,13ff.). Schule 118

174

Kap. 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

b) Länderebene Die Verfassungen der Länder enthalten Kulturstaatsklauseln in unterschiedlichen Varianten. 124 Fast durchgehend normieren sie neben dem Grundrecht auf Kunstfreiheit ausdrücklich eine Pflicht des Staates zum Schutz, zur Pflege und zur Förderung von Kunst und Kultur. 125 Diese Verpflichtung wird teilweise ausdrücklich als Staatsziel bezeichnet.126 Zwei Bundesländer formulieren den kulturstaatlichen Charakter des Bundeslandes als Staatsgrundlage.127 Man kann somit den meisten Verfassungen der Bundesländer eine Pflicht zur Förderung von Kunst und Kultur entnehmen. Dabei handelt es sich jedoch um eine allgemeine Handlungsverpflichtung, ein Verfassungsgebot allgemeiner Art. 1 2 8 Allenfalls wird dadurch eine politische Zielsetzung verfassungsrechtlich verankert 129 und damit ein Leitbild für kulturpolitische Aktivitäten des Staates gesetzt. Eine solche Kulturstaatsklausel führt jedoch nicht zu einer weitergehenden Handlungsverpflichtung des Staates. Dem Staat verbleibt auch bei der verfassungsrechtlichen Festschreibung des Ziels der Kulturförderung ein weiter Gestaltungsspielraum, in welcher Weise er dieser Pflicht nachkommen will. Insbesondere setzen die verfügbaren finanziellen Mittel den Handlungsmöglichkeiten des Staates faktische Grenzen. 130 Ein Anspruch auf eine bestimmte Förderung kann einer Kulturstaatsklausel nicht entnommen werden. Damit führt auch die Verfassungslage in den Bundesländern nicht zu weiteren Anforderungen an Handeln des Staates im kulturellen Bereich. Allenfalls kann den Kulturstaatsklauseln ein politischer Handlungsauftrag zur Förderung von Kunst und Kultur entnommen werden, dem durch die verfassungsrechtliche Verankerung beund Hochschule, um zwei andere Kulturbereiche zu nennen, sind thematisch anderen Grundrechten zuzurechnen. Ein einzelnes Grundrecht ist nicht geeignet, um der Verfassung allgemeine Aussagen über den kulturstaatlichen Charakter des durch das Grundgesetz konstituierten Staatswesens zu entnehmen. Reuhl (JZ 1981, 321) bezieht daher Wissenschafts-, Religionsund Medienfreiheit mit in die Normen ein, die die Kulturstaatlichkeit des Grundgesetzes prägen. 124 Vgl. Häberle, Kulturverfassungsrecht, S.26ff. 125 Bayern: Art. 140 LVerf; Brandenburg: Art. 34 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1 LVerf; Bremen: Art. 11 Abs. 2,3 LVerf; Mecklenburg-Vorpommern: Art. 16 Abs. 1 LVerf; Niedersachsen: Art. 6 LVerf; Nordrhein-Westfalen: Art. 18 Abs. 1 LVerf; Rheinland-Pfalz: Art. 40 Abs. 1 LVerf; Saarland: Art. 34 Abs. 1 LVerf; Sachsen: Art. 11 Abs. 1, 2 LVerf; Sachsen-Anhalt: Art. 36 Abs. 1, 3 LVerf; Schleswig-Holstein: Art. 9 Abs. 1, 3 LVerf; Thüringen: Art. 30 Abs. 1 LVerf. 126 So in Mecklenburg-Vorpommern (Art. 16 Abs. 1 LVerf) und Niedersachsen (Art. 6 LVerf). Zu Mecklenburg-Vorpommern s. Wiegand, LKV 1995, 55 ff. 127 Bayern: Art. 3 Abs. 1 S. 1 LVerf: „Bayern ist ein Rechts-, Kultur- und Sozialstaat."; Sachsen: Art. 1 Abs. 2 LVerf bezeichnet den Freistaat Sachsen als einen der Kultur verpflichteten Staat. 128 Vgl. Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7, 38f. 129 Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7, 39, spricht von „verfassungsnotarieller Beglaubigung aktueller staatlicher Aufgabenschwerpunkte". 130 Vgl. Graf Vitzthum, Stellungnahme, S.313.

IV. Folgerungen für die sachgerechte Verbandszuständigkeit

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131

sonderer Nachdruck verliehen wird. Über die Anforderungen hinaus, die bereits aus dem Grundrecht der Kunstfreiheit an das staatliche Handeln gestellt wurden, ergeben sich aber keine Vorgaben.

3. Zusammenfassung Verfassungsrechtliche Anforderungen an staatliches Handeln im Bereich der Kunst ergeben sich aus dem Grundrecht der Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG. Wie die Auslegung des Grundrechts ergeben hat, muss der Staat einerseits Kunstförderung betreiben und ein freies Kulturleben unterstützen und erhalten. Andererseits ist er verpflichtet, die Eigengesetzlichkeit der Kunst anzuerkennen und ihre Autonomie zu wahren. Insofern ist bei der Förderung die Neutralität des Staates in inhaltlichen Fragen einzuhalten.

IV. Folgerungen für die sachgerechte Verbandszuständigkeit Vor dem Hintergrund der rechtlichen Anforderungen, die staatliches Handeln im Lebensbereich Kunst erfüllen muss, erscheint es sachgerecht, wenn die Verbandszuständigkeit für das staatliche Handeln in diesem Bereich bei den Ländern liegt. Die Zuständigkeit der Länder ist am besten geeignet, bei staatlicher Tätigkeit im Bereich der Kunst die grundrechtlich garantierte Kunstfreiheit zu sichern.

1. Freiheitssicherung durch Pluralität Die Wahrnehmung der Kompetenzen im Bereich der Kunst durch die Länder gewährleistet, dass mit der Aufteilung der Aufgabenwahrnehmung auf sechzehn staatliche Entscheidungsträger eine Vielzahl von staatlichen Stellen mit Maßnahmen im Sachbereich Kunst betraut ist. Die Struktur der Aufgabenwahrnehmung ist dadurch von vornherein auf Uneinheitlichkeit bzw. Vielfalt angelegt. Eine solche pluralistische Struktur ist am besten geeignet, die Sicherung der Freiheit zu gewährleisten. 132 Das soll zunächst am Beispiel von staatlichen Förderentscheidungen gezeigt werden. Bei Förderentscheidungen ist der Staat trotz seiner generellen Verpflichtung zur Neutralität gezwungen, eine sachliche Auswahl zu treffen. Er ist berechtigt zu differenzieren, das heißt sachliche Kriterien festzulegen, die seine Entscheidung bestimmen. Mit der oben getroffenen Auslegung von Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG sind die äußeren Grenzen für staatliches Handeln im Bereich der Kunstförderung festgelegt. Innerhalb dieser Grenzen bleibt dem Staat jedoch ein großer Gestaltungsspielraum in Bezug auf die Maßstäbe, nach welchen er Förderungen leistet. Bei der Festlegung von Förderkriterien oder bei der Förderentscheidung im Einzelfall stellt sich 131

So im Ergebnis für Mecklenburg-Vorpommern auch Wiegand, LKV1995, 55, 60. Vgl. Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 294. Zur Bedeutung der Pluralität s. auch Hufen, Freiheit der Kunst, S. 239 f. 132

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Kap. 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

dann wiederum die Frage, ob hier in unzulässiger Weise eine Entscheidung für eine bestimmte Kunstrichtung und gleichzeitig eine Entscheidung gegen eine andere getroffen wurde. Die Feststellung einer Verletzung des Neutralitätsprinzips als Ausfluss der Kunstfreiheit durch die Festlegung von Förderkriterien oder durch Einzelentscheidungen ist - abgesehen von offensichtlichen, massiven Verstößen - nicht möglich. 133 Tatsächlich werden in der Regel aber kaum schwere Verstöße gegen das Grundrecht der Kunstfreiheit auftreten. Vielmehr fügt sich eine Summe von Einzelentscheidungen möglicherweise zu einem Gesamtbild, das den Anforderungen der Kunstfreiheit nicht genügt. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG bietet keine wirksame Handhabe, um für eine ausgewogene staatliche Förderpraxis zu sorgen. Insbesondere hat der Einzelne keine Chance, auf sein subjektives Recht gestützt eine verfassungsmäßige Förderpraxis durchzusetzen. Die Struktur, in der staatliche Förderentscheidungen gefällt werden, kann jedoch zu einem wirksamen Schutz der Freiheit beitragen. Die Organisation des Entscheidungsprozesses muss der Sicherung der Freiheit dienen. Sind mehrere Entscheidungsträger mit der Vornahme der Förderentscheidungen betraut, wie es bei einer Länderzuständigkeit von vornherein der Fall ist, so besteht kaum die Gefahr, dass sie nach gleichen Kriterien Unterstützung leisten.134 In der Befassung von unterschiedlichen Entscheidungsträgern mit der Kunstpflege liegt die Chance, dass eine Vielfalt von künstlerischen Richtungen und Formen berücksichtigt werden, eine freie Entwicklung des Lebensbereichs gesichert und damit die geforderte staatliche Neutralität am besten gewahrt wird. 135 Räumlich auf das ganze Staatsgebiet bezogen können so unterschiedliche Kunstrichtungen, -schulen oder Künstler zur Geltung kommen. Eine Vielfalt von Initiativen hat die Möglichkeit, wahrgenommen zu werden und staatliche Leistungen zu beziehen. Somit wird auch die Chancengleichheit der potenziellen Förderungsempfänger effektiv gesichert. Die Betrauung einer Vielzahl von Entscheidungsträgern bietet damit bezogen auf den Gesamtstaat eine strukturelle Garantie für eine Neutralitätssicherung. 136 Dass ein so genannter „kultureller Trägerpluralismus", das heißt eine Aufteilung der Kompetenz zur Kunstförderung auf unterschiedliche Träger, geeignet ist, die Kunstfreiheit zu sichern, ist im Schrifttum anerkannt. 137 Allerdings wird in der Regel eine Vielzahl von Trägern in den Blick genommen: Trägerpluralismus wird verstanden als Tätigkeit von Bund, Ländern und Gemeinden, dazu die Tätigkeit von 133

So auch Denninger, HbStR VI, § 146 Rdnr. 35. Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7, 29. 135 Denninger, HbStR VI, § 146 Rdnr. 32,35; Häberle, Kulturverfassungsrecht, S. 14; Hufen, BayVBl. 1985,1,6; Scholz, in: Maunz/Dürig, Art.5 III Rdnr.41. 136 Isensee, AfP 1993,619,622 sieht die „Differenziertheit der kulturstaatlichen Kompetenzen" als Gewähr für die Sicherung der kulturellen Vielfalt, ebenso: Häberle, Verfassungslehre, S. 69; Pernice, in: Dreier, Art. 5 III (Kunst), Rdnr. 45. Auf die Freiheitssicherung durch eine polyzentrische Kunstförderung verweisen auch Denninger, HbStR VI, § 146 Rdnr. 36; Starck, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, Art.5 Rdnr.294; Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7, 29. 137 Vgl. z.B. Häberle, Kulturstaat, S.46f.; s. auch die Hinweise in Fußn. 136. 134

IV. Folgerungen für die sachgerechte Verbandszuständigkeit

177

Rundfunkanstalten, Kirchen, Gewerkschaften, Verbänden und anderen gesellschaftlichen Gruppierungen sowie privaten Mäzenen.138 Auch diese Form des Trägerpluralismus trägt zu einer Freiheitssicherung bei. Der Gedanke der Freiheitssicherung durch Pluralität gilt gleichermaßen. Im Unterschied zu der Mitberücksichtigung der Gemeinden und gesellschaftlichen Träger werden hier nur die staatlichen Entscheidungsträger betrachtet (die allerdings die Kompetenzwahrnehmung aus dem staatlichen Bereich auslagern können). Außerdem wird für einen Sachbereich die Alternative Bundes- oder Länderzuständigkeit bewertet, nicht aber für einen weitergezogenen Bereich eine kumulative Aufgabenwahrnehmung durch Bund und Länder angenommen. Die für die Förderentscheidungen exemplarisch gezeigte Sicherung der Freiheit durch Pluralität kann auf alle Entscheidungen, die der Staat im Bereich der Kunstpflege zu treffen hat, verallgemeinert werden. Plakativ lässt sich festhalten, dass aufgrund der Länderzuständigkeit sechzehn Kunstpolitiken betrieben werden. Es werden also sechzehn Mal kunstpolitische Ziele definiert, Aufgabenwahrnehmung organisiert und Mittel bereit gestellt. Die Kunstpolitiken der Länder mögen sich teilweise überschneiden; sie werden mit Sicherheit jedoch nicht identisch sein, sondern spezifische Unterschiede aufweisen, die zu Vielfalt führen. Wie bereits oben gezeigt 139 führt deshalb eine Länderzuständigkeit im Kunstbereich innerhalb aller staatlicher Funktionen zu uneinheitlichen und damit vielfältigen Entscheidungen. Damit wird für die Wahrnehmung der Kompetenz insgesamt vermieden, dass bezogen auf den Gesamtstaat eine Identifizierung mit einer bestimmten Richtung, Schule oder Form der Kunst erfolgt. In der aufgespaltenen Struktur liegt bereits eine Gewähr dafür, dass unterschiedliche Ansätze Berücksichtigung finden können. Selbst wenn innerhalb eines Landes eine zu einseitige Ausrichtung festgestellt werden müsste, kann das - bezogen auf den Gesamtstaat - durch andere Länder wieder ausgeglichen werden. Eine Vielfalt von Entscheidungsträgern im Sachbereich Kunst führt zu einer Vielfalt von Entscheidungsprozessen, -maßstäben und Ergebnissen. Diese Pluralität bietet jedem Individuum einen Freiraum zur schöpferischen Entfaltung und die Möglichkeit, diese gesellschaftlich wirksam werden zu lassen.140 Sie ist notwendige Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit kultureller Prozesse.141 Vereinheitlichung bedeutet Nivellierung und damit kulturelle und künstlerische Armut. Vielfalt dient daher insgesamt der Gewährleistung von Freiheit im Bereich der Kunst. 142 138

Häberle, Kulturstaat, S.47; ders., Verfassungslehre, S.66f.; auch Starck, in: v.Mangoldt/ Klein/Starck, Art. 5 Rdnr. 294; ebenso Denninger, HbStR VI, § 146 Rdnr. 36. 139 Siehe S. 161 ff. 140 Vielfalt stellt auch das Angebot unterschiedlicher Möglichkeiten dar, Reuter, Föderalismus, S.118ff. 141 Geis, DÖV 1992, 522, 525. 142 Zur Bedeutung einer pluralistischen Konzeption für die Erreichung des Ziels der Vielfalt und Offenheit der Maßstäbe, vgl. Roellecke, DÖV 1983, 653, 659. S. auch Millgramm, DVB1. 1990, 740, 741. 12 Pabel

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Kap. 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

Als Zwischenergebnis ist somit festzuhalten, dass die Länderzuständigkeit dazu führt, dass staatliche Entscheidungen im Bereich der Kunst in einer Struktur staatlicher Entscheidungsträger wahrgenommen werden, die Pluralität gewährleistet. Im Sachbereich Kunst dient diese Vielfalt der Freiheitssicherung. Die Länderzuständigkeit im Bereich der Kunst ist somit als sachgerechte Verbandszuständigkeit zu bewerten. Die Länderzuständigkeit ist nicht verfassungsrechtlich geboten. Festgestellt wurde lediglich, dass sie im Vergleich zu einer Bundeszuständigkeit besser geeignet ist, grundrechtlich geschützte Freiheit zu sichern. Mit Blick auf die Freiheitssicherung ist also hier ein Argument für eine Beibehaltung der Länderzuständigkeit und gegen eine zunehmende Zentralisierung gewonnen.

2. Örtliche Verankerung der Pluralität Gegen den Vorteil der Länderzuständigkeit kann nicht eingewendet werden, auch der Bund könne die Kunstförderung so organisieren, dass unterschiedliche staatliche und nichtstaatliche Stellen die Entscheidung über die Förderung träfen, womit die Gewährleistung von Vielfalt ebenfalls strukturell gesichert sei. Aus mehreren Gründen sichert diese Form des Trägerpluralismus die Freiheit nicht gleich effektiv, wie dies eine Zuständigkeit der Länder vermag. Zum einen ist der beschriebene Trägerpluralismus davon abhängig, dass der Bund auch tatsächlich eine entsprechende Organisation einrichtet und beibehält. Nicht bereits durch die verfassungsrechtlich vorgegebene Struktur, sondern erst durch eine revidierbare Organisationsentscheidung wird die Pluralität gewährleistet. Sie ist damit abhängig von dem politischen Willen der Entscheidungsträger zur Sicherung der Pluralität. Zum anderen kann die geschilderte Form des organisatorisch zu gewährleistenden Trägerpluralismus zu der bereits in der Länderzuständigkeit strukturell angelegten Vielfalt hinzutreten, so dass im Ergebnis eine weitere Ausdifferenzierung der Entscheidungsträger und so eine weiter gehende Pluralität erreicht werden kann. Außerdem besteht bei einer Länderzuständigkeit die Möglichkeit, dass die staatlichen Entscheidungsträger von unterschiedlichen politischen Mehrheiten getragen sind. Das kann dazu führen, dass die kunstpolitischen Zielsetzungen von Land zu Land voneinander abweichen und somit bezüglich der Sachmaterie im Gesamtstaat eine größere Bandbreite an kunstpolitischen Ansätzen zur Geltung kommen kann. Auch wenn der Bund eine dezentrale Kompetenzwahrnehmung im Bereich der Kunstpflege organisiert, lässt diese sich doch auf eine zentrale Stelle zurückführen, die von einer bestimmten politischen Mehrheit getragen ist. Auch insofern bietet die Länderzuständigkeit eine größere Vielfalt als die Bundeszuständigkeit. Darüber hinaus können die Länder besser als der Bund örtlich verankerte Besonderheiten bei ihren Entscheidungen berücksichtigen und auf diese Weise eine vor-

IV. Folgerungen für die sachgerechte Verbandszuständigkeit

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handene Pluralität sichern. Diese Überlegung setzt zweierlei voraus: Erstens müssen tatsächlich Unterschiede zwischen den Bundesländern festgestellt werden können und zweitens muss belegt werden, warum eine Kompetenzwahrnehmung durch die Länder besser auf die länderspezifischen Eigenheiten eingehen kann als eine dezentral organisierte Bundeszuständigkeit. a) Existenz von länderspezifischen

kulturellen Eigenheiten

Die Annahme, dass die Länder erhebliche kulturelle Unterschiede aufweisen, müsste im Rahmen einer soziologischen Studie durch empirische Untersuchungen und daraus abgeleitete Erkenntnisse belegt oder widerlegt werden. Für die rechtliche Diskussion mag die begründete Annahme solcher Unterschiede genügen. Sie stützt sich auf folgende Überlegungen: Zunächst kann auf die historische Entwicklung hin zum deutschen Bundesstaat abgestellt werden. Mit den Verfassungen von 1866 und 1871 wurde das Deutsche Reich als Nationalstaat gebildet. Es entstand durch Zusammengehen von einer Vielzahl von Kleinstaaten, die einen föderativ organisierten Gesamtstaat bildeten.143 Trotz des starken Drangs zur Bildung eines nationalen Gesamtstaats wiesen die Gliedstaaten erhebliche Unterschiede auf, sowohl in ihrer stammesmäßigen, geschichtlichen und politische Eigenart, als auch in ihren Kulturen, die stark von den unterschiedlichen Konfessionsstrukturen geprägt waren. 144 Gegen die Annahme von länderspezifischen kulturellen Unterschieden wird argumentiert, durch den sozialen Wandel in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg seien die landsmannschaftlichen Besonderheiten verblasst. 145 In der Bundesrepublik gebe es keine Verbundenheit innerhalb der Länder, die auf einer gleichen Kultur, Sprache oder gar ethnischer Herkunft beruhe. 146 Eine Differenziertheit und Individualität der Gliedstaaten sei in der Bundesrepublik nicht mehr vorhanden. Die in der Bundesrepublik Deutschland nach 1945 gebildeten Bundesländer hätten in ihrer Mehrheit nichts mehr mit den traditionell gewachsenen Gliedstaaten des Reichs von 1871 gemein. 147 Zutreffend ist, dass die heutige Gliederung der Bundesländer nur noch in geringem Maße an die Traditionen der Gliedstaaten anknüpfen kann, aus denen das Deutsche Reich 1871 entstanden ist. Die Neugliederung nach dem Zusammenbruch der Staatlichkeit 1945 folgte nur teilweise historischen Grenzen und schuf Staaten, die 143 Vgl. Boldt, Verfassungsgeschichte, Bd. 2, S. 171 ff.; Frotscher/Pieroth, Verfassungsgeschichte, Rdnr. 385; Huber, HbStR I, § 2 Rdnr. 20, s. auch Hufen,, Bay VB1. 1987, 513. 144 Hesse, Unitarischer Bundesstaat, S. 126; Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 306; Oeter, Integration und Subsidiarität, S. 17 ff. 145 Pernice, in: Dreier, Art. 29 Rdnr. 30. 146 Insbesondere Hesse, Unitarischer Bundesstaat, S. 126ff.; Rennert, Der Staat 32 (1993), 269, 273. 147 Hesse, Unitarischer Bundesstaat, S. 126 ff.; ders., Grundzüge, Rdnr. 220.

12*

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Kap. 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

keine einheitliche Tradition besaßen. Durch die Flüchtlingsbewegungen der Nachkriegszeit und die erhöhte Mobilität der Bevölkerung sind die stammesmäßigen Unterschiede erheblich nivelliert worden. 148 Trotz der geschichtlichen Diskontinuität identifiziert sich jedoch die Bevölkerung noch durch bestimmte landsmannschaftliche, geographische und kulturelle Merkmale ihrer Region. 149 Die Identität beruht nun vielleicht nicht mehr auf einer gemeinsamen geschichtlichen Grundlage. Wohl aber sind insbesondere regionale wirtschaftliche Bedingungen - Bevölkerungsdichte, geographische Voraussetzungen, Wirtschaftsstruktur - prägend für länderspezifische Interessen. 150 Die Länder werden als Einheiten akzeptiert, es hat sich ein neues Landesbewusstsein entwickelt. 151 Diese Entwicklung ist auch in den neuen Bundesländern zu beobachten.152 Die unterschiedlichen kulturellen Gruppierungen, die sich im Bundesgebiet feststellen lassen, richten sich allerdings nicht unbedingt nach den Ländergrenzen. Man kann daher statt von länderspezifischen allgemeiner von regionalen Unterschieden sprechen. Sind diese Regionen nicht lediglich wirtschaftliche Zweckzusammenschlüsse, sondern beruhen sie auf einer gemeinsamen kulturellen Identität der Bewohner, die örtlich verankert ist, so bilden sie wie die Länder identifikationsstiftende Einheiten. 153 Auch dann sind aber die Länder die nächste staatliche Ebene, die mit den Unterschieden umzugehen hat. 154 b) Schutz kultureller

Eigenheiten als kulturpolitisches

Ziel

Geht man von bestehenden kulturellen Unterschieden zwischen den Ländern aus, so ist in einem weiteren Schritt zu begründen, warum diese Unterschiede besser 148

Hesse, Grundzüge, Rdnr. 220. Frowein, Konstruktion des Föderalismus, S. 54; Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 IV Rdnr. 73; Isensee, Bundesstaat, S.747; Schmalenbach, Föderalismus und Unitarismus, S.42. 150 Kisker, Grundlagen, S. 35. 151 Kisker, Grundlagen, S. 36. Dieses Identitätsgefühl machen sich auch die Landesregierungen, bzw. die miteinander im Wettbewerb stehenden Parteien in den Ländern zunutze. So werden gezielt Aktionen zur Bildung und Förderung eines Wir-Gefühls veranstaltet (z. B. die Verbreitung des Slogans „Wir in Nordrhein-Westfalen"; Anzeigenkampagnen der Länder Baden-Württemberg und Sachsen, die Klischees über das jeweilige Land einsetzen, um Wirtschaftsförderung zu betreiben). In anderen Ländern wird das Zusammengehörigkeitsgefühl aufgrund längerer Traditionen in anderer Weise gefördert. 152 Ein Hinweis auf ein Landesbewusstsein ist einigen Länderverfassungen zu entnehmen, in denen das Ziel der Bewahrung regionaler Besonderheiten ausdrücklich verankert ist. So verlangt Art. 16 Abs. 1 LVerf Mecklenburg-Vorpommern, dass im Rahmen der Verfolgung der als Staatsziel formulierten Kunstförderung die besonderen Belange der beiden Landesteile Mecklenburg und Vorpommern zu berücksichtigen sind. Art. 36 Abs. 2 LVerf Sachsen-Anhalt enthält eine Pflicht zur Pflege der heimatbezogenen Einrichtungen und Eigenheiten der einzelnen Regionen innerhalb des Landes. Vgl. auchHäberle, Die Verwaltung 1991,169,171,190 f. Zur Situation in den neuen Ländern zehn Jahre nach der Wiedervereinigung vgl. Kilian, DVB1. 2000, 1385 ff. 153 Vgl. Millgramm, DVB1. 1990, 740, 743. 154 Vgl. Isensee, AöR 115 (1990), 248, 277 ff. 149

IV. Folgerungen für die sachgerechte Verbandszuständigkeit

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durch Entscheidungsträger der Länder als durch unter Umständen dezentrale Entscheidungsträger des Bundes berücksichtigt werden können, um ein Argument für den Vorzug der Länderzuständigkeit zu gewinnen. Die Entscheidungsträger der Länder haben gegenüber dezentralen Entscheidungsträgern des Bundes den Vorteil, dass sie aus den Ländern heraus legitimiert sind. Es besteht also eine Kongruenz zwischen der staatlichen Ebene, deren Eigenheiten bewahrt werden sollen, und derjenigen, auf der die demokratische Legitimation erfolgt. Die Entscheidungen durch Organe der Länder erfolgen somit nicht nur einfach ortsnäher, sondern auch unmittelbarer in der Legitimation von den Betroffenen. Das führt dazu, dass die Akzeptanz der Entscheidungen erhöht wird. 155 Gleichzeitig wird die Möglichkeit zur Lösung von Konflikten, die gerade im leicht emotionalisierbaren Kulturbereich auftreten können, verbessert. 156 Des Weiteren hat eine Länderzuständigkeit zur Folge, dass länderspezifische Besonderheiten nicht gesondert als solche erkannt und in die Entscheidungsfindung bewusst mit einbezogen werden müssen. Sie werden gleichsam organisch in die Entscheidungen aufgenommen, wenn Entscheidungsträger aus den Ländern tätig werden. Für Entscheidungen im Bereich der Kunstpflege konkreter gefasst bedeutet das, dass Entscheidungskriterien, die eine besondere Berücksichtigung von in den Ländern oder Regionen anzutreffenden Entwicklungen sicherstellen sollen, nicht festgelegt werden müssen, wenn die Entscheidungsträger solche der Länder sind. In der Perspektive der Länderentscheidungsträger sind Aspekte, die in gesamtstaatlicher Betrachtensweise als länderspezifische Eigenheiten erscheinen, lediglich Voraussetzungen für die Entscheidungen. Ein Vergleich mit den anderen Ländern und den dort vorhandenen Bedingungen wird nicht angestellt. Die Entscheidungsträger auf Landesebene berücksichtigen aus ihrer Verknüpfung mit dem Land, ohne dass es weiterer Vorgaben bedürfte, die Eigenheiten des Landes.157 Damit wird die im Gesamtstaat vorhandene, örtlich verwurzelte Vielfalt für einen Sachbereich, der auf Pluralität angewiesen ist, genutzt. Sie tritt zu den übrigen Möglichkeiten der Vielfaltssicherung hinzu. Als Zwischenergebnis kann also auch insoweit festgehalten werden, dass eine Länderzuständigkeit gegenüber einer dezentral organisierten Bundeszuständigkeit Vorteile aufweist, die insbesondere aus der Kongruenz zwischen der örtlich verankerten Vielfalt und der Zuständigkeit des ortsnäheren Entscheidungsträgers resultieren. 155

Calliess , DÖV 1997, 889, 891. Zum Vorteil der bundesstaatlichen Ordnung für die Konfliktlösung im staatlichen Gemeinwesen s. Kisker, Grundlagen, S. 24 f.; Stern , StR I, § 19 I I 8 (S. 665 f.). 157 Häberle formuliert, dass die Gliederung des Bundes in Länder die unverzichtbare territoriale Basis für die Ausfüllung des natürlichen Raums in einen kulturell erfüllten, differenzierten Raum ist, Häberle , Kulturverfassungsrecht, S. 12. Damit wird eine Verbindung zwischen kultureller Freiheit und regionaler Vielfalt und Verbundenheit hergestellt. 156

182

Kap. 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

Auch aus diesem Vorzug einer Länder- gegenüber einer Bundeszuständigkeit ist keine verbindliche Rechtsfolge abzuleiten. Er bildet jedoch ein weiteres Argument für die Verteidigung der Länderzuständigkeiten im Bereich der Kunst gegenüber einer zunehmenden Zentralisierung.

3. Berücksichtigung von Minderheiten Weiter ist die Chance, dass kleinere kulturelle Projekte oder Einrichtungen wahrgenommen und in die Förderung aufgenommen werden, durch die Länderzuständigkeit erhöht. Ihre Tätigkeit hat bessere Aussichten, zumindest auf der niedrigeren Ebene der Länder erkannt zu werden, da dort bessere Möglichkeiten bestehen, lokale oder regionale Wirkungen festzustellen (Ortsnähe). Minderheiten, die im Gesamtsystem nicht ins Gewicht fallen, können im Subsystem erheblichen Einfluss erlangen und dort ihre individuellen Bedürfnisse besser verwirklichen und sich organisieren. 158 Bei Entscheidungen auf einer übergeordneten zentralen Ebene besteht die Gefahr, dass sie - weil ein Kompromiss unter vielen gefunden werden muss - nivellierend wirken. Im Bereich der Kunstpflege würde das z. B. bei Förderentscheidungen die Gefahr mit sich bringen, dass nur anerkannte Künstler oder hergebrachte Formen Berücksichtigung finden. In der kleineren Einheit hat tendenziell auch eine Minderheit, d.h. beispielweise eine Außenseiter-Kunstrichtung, eine noch nicht allgemein anerkannte Richtung eine Chance, wahrgenommen und staatlich gefördert zu werden. Gerade aus diesen Außenseiterpositionen können aber wesentliche neue Impulse gewonnen werden oder sie bereichern gerade durch ihre Andersartigkeit die kulturelle Landschaft. Mit dieser Erhöhung der Chancen von kleineren Einrichtungen wird insgesamt eine größere Vielfalt geschaffen und damit wiederum Freiheit gewährleistet.

4. Zusammenfassung Die Erfüllung der Aufgabe der Kunstpflege in räumlich differenzierten Einheiten durch unabhängig voneinander agierende Entscheidungsträger gewährleistet die Freiheit besser als eine einheitliche Wahrnehmung zentral durch einen Entscheidungsträger. Wird die Kompetenz zur Kunstpflege von den Ländern eigenständig wahrgenommen, ist die Entwicklung verschiedenartiger, aber gleichberechtigter Modelle eines staatlichen Umgangs mit Kunst möglich. Beim Konzept der Freiheitssicherung durch die Zuweisung der Kompetenz an die Länder, das heißt an eine Vielzahl von Entscheidungsträgern, handelt es sich um ein Modell des „Außenpluralismus". 159 Die Vielfalt wird durch die institutionelle Sicherung einer Mehrheit von Entscheidungsträgern gewährleistet. 158

Kisker, Grundlagen, S.24.

V. Grundrechtsschutz durch sachgerechte Kompetenzverteilung?

183

Ergebnis der Erörterung ist, dass aus den Grundrechten Argumente für eine Verteilung der Verbandszuständigkeit gewonnen werden können. Im Besonderen wurde hier für den Bereich der staatlichen Kunstpflege gezeigt, dass das einschlägige Grundrecht der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG besser durch eine Länderais durch eine Bundeszuständigkeit gewährleistet werden kann.

V. Grundrechtsschutz durch sachgerechte Kompetenzverteilung? Bislang wurden nur Argumente entwickelt und diskutiert, die bei der Frage der Bewertung einer Bundes- oder Landeszuständigkeit im Bereich der Kunst für eine Zuständigkeit der Länder sprechen. Die Kriterien für diese Bewertung wurden aus einer Verknüpfung von Kompetenzordnung und Grundrechtsschutz gewonnen. In einem weiteren Schritt könnte nun allerdings versucht werden, aus der Verfassung zwingende Vorgaben für diese Kompetenzverteilung abzuleiten. Das hätte zur Folge, dass eine Änderung der Kompetenzbestimmungen verfassungsrechtlich unzulässig wäre.

1. Verfassungsrang der Kompetenzordnung Eine Verknüpfung von Kompetenzordnung und Grundrechtsschutz mit der Folge von zwingenden Vorgaben für die Zuständigkeitsverteilung, die aus den Grundrechten abgeleitet werden, ist jedoch schon deswegen unzulässig, weil man damit den Grundrechten einen höheren Rang einräumt als der Kompetenzordnung. Sowohl die grundrechtlichen Gewährleistungen als auch die Kompetenzordnung genießen Verfassungsrang. Innerhalb der Verfassung kann nicht den Grundrechten eine hervorgehobene Stellung gegenüber den staatsorganisationsrechtlichen Regeln einge159 So auch Palm , S. 193. - Der Begriff des Außenpluralismus entstammt der Regelung der Rundfunkordnung. Auch im Bereich der Rundfunkordnung ist Ziel staatlichen Handelns neben Staatsferne, Parteiferne und Wirtschaftsferne die Garantie von Vielfalt (BVerfGE 57, 295 [320]; E74, 297 [327]; E83, 238 [315]. Herzog , in: Maunz/Dürig, Art. 5 I, I I Rdnr. 234; Hoffmann-Riem, , HbVerfR, §7 Rdnr. 60f.; Schulze-Fielitz , in: Dreier, Art. 5 I, I I Rdnr. 183, 186 ff.). Die Rundfunkprogramme sollen der tatsächlichen gesellschaftlichen Meinungsvielfalt im Wesentlichen entsprechen (BVerfGE 73, 118 [158 f.]). Der Gesetzgeber hat die erforderlichen organisatorischen und verfahrensrechtlichen Regelungen zu treffen, um die aus dem Grundrecht der Rundfunkfreiheit folgenden Anforderungen insbesondere im Hinblick auf die Sicherung von Vielfalt zu gewährleisten (BVerfGE 83,238 [296]). Dabei gibt das Grundgesetz allerdings nicht vor, nach welchem Modell die Rundfunkordnung gebildet werden soll (BVerfGE 83, 238 [296]; E89, 144, [152]). Mit dem Begriff des Außenpluralismus wird ein mögliches Modell bezeichnet, in dem Vielfalt durch eine Mehrzahl von Anbietern (konkret eine Vielzahl von Rundfunkanbietern) gewährleistet wird (Pieroth/Schlink , Staatsrecht II, Rdnr. 579; Schulze-Fielitz , in: Dreier, Art. 5 I, II, Rdnr. 206). Nach dem Modell des Binnenpluralismus wird die Meinungsvielfalt durch organisatorische und inhaltliche Vorgaben an die Veranstalter gesichert (Pieroth/Schlink , Staatsrecht II, Rdnr. 579).

1 8 4 K a p . 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

räumt werden. 160 Die Kompetenzordnung kann also nicht in dem Sinne in den Dienst der Grundrechte gestellt werden, dass aus den grundrechtlichen Gewährleistungen zwingende Vorgaben für die Gestaltung der Kompetenzordnung entnommen werden. Konkret gefasst kann aus der Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG nicht gefolgert werden, dass die Zuständigkeit für die Materie der Kunstpflege bei den Ländern liegen muss. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gebietet die Länderzuständigkeit nicht. Eine solche zwingende Vorgabe aus den Grundrechten würde die Gleichrangigkeit aller Verfassungsnormen außer Acht lassen. Wohl aber kann Ergebnis einer staatsrechtlichen Untersuchung sein, dass die getroffene Kompetenzaufteilung im Bundesstaat einer Bewertung unterzogen wird. Diese Bewertung kann durchaus berücksichtigen, welchen Einfluss die Zuständigkeitsverteilung hinsichtlich einer bestimmten Materie auf die für diesen Sachbereich maßgebliche Grundrechtsausübung hat. In dieser Hinsicht kann eine Wohlverteilung der Kompetenzen auf Bund und Länder mit dazu beitragen, dass die Gewährleistung der Grundrechte effektiviert wird. Auf diese Weise wird das prinzipielle Ziel der Grundrechte, durch die rechtliche Organisation der Staatsgewalt die Freiheit der Bürger zu schützen161, in einem Sachbereich konkretisiert.

2. Materiale Rechtsfolgen von Kompetenzbestimmungen? Gegen die vorangegangene Untersuchung könnte weiterhin eingewendet werden, dass hier den Kompetenzbestimmungen des Grundgesetzes über ihren verfassungsrechtlichen Regelungsgehalt hinaus Inhalte zugemessen würden. Ist man der Auffassung, dass die Kompetenzvorschriften des Grundgesetzes ausschließlich die Verbandszuständigkeit zwischen Bund und Ländern verteilen, so ist die vorliegende Verbindung von Zuständigkeitsverteilung und dem Grundrecht auf Kunstfreiheit dem Vorwurf ausgesetzt, den Kompetenzvorschriften nicht in der Verfassung vorgesehene Regelungsinhalte zuzuerkennen, nämlich die Effektivierung des Grundrechtsschutzes. In der Literatur wird diskutiert, ob den Kompetenzbestimmungen des Grundgesetzes über ihre Wirkung als zuständigkeitsbegründende Vorschriften hinaus materiale Wirkungen zuerkannt werden können. 162 Auch der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können Ansätze entnommen werden, nach denen die Kompetenzvorschriften über die Verteilung der Verbandszuständigkeit hinaus Rechts160

Stettner, in: Dreier, Art. 70 Rdnr. 19; Pestalozzi Der Staat 11 (1972), 161, 172; gegen eine Rangfolge der Verfassungsbestimmungen nach ihrer Wertigkeit im Hinblick auf die Kompetenzbestimmungen auch Jestaedt, Kompetenzvorschriften, S.327. 161 Heller, Staatslehre, S. 273. 162 Vgl. etwa Bleckmann, DÖV 1983, 129 ff.; Jestaedt, Kompetenz Vorschriften, S.315 ff.; Menzel, DÖV 1985, 805 ff.; Pestalozza, Der Staat 11 (1972), 161 ff.; Pieroth, AöR 114 (1989), 422ff.; Stettner, Kompetenzlehre, S. 328ff.

V. Grundrechtsschutz durch sachgerechte Kompetenzverteilung?

185

163

Wirkungen entfalten können. Erörtert wird insbesondere, den Kompetenznormen Rechtsgüter von Verfassungsrang zu entnehmen, die der Rechtfertigung von Grundrechtseingriffen dienen können. So wird vertreten, dass aus den Kompetenztiteln der Art. 73, 74 und 75 GG zahlreiche Werte gewonnen werden können, die Eingriffe in Grundrechte rechtfertigen können.164 Im Übrigen findet sich im Schrifttum die Auffassung, dass aus den Kompetenznormen Handlungsverpflichtungen des Staates abgeleitet werden können165 oder sie zumindest Zielbestimmungen enthalten.166 Gegen diese Ansätze wird eingewendet, die Kompetenzvorschriften dienten lediglich der Abgrenzung der Verbandszuständigkeit von Bund und Ländern. Sie könnten weder staatliche Handlungsaufträge oder -geböte normativ begründen, noch sei es möglich, ihnen die Bedeutung immanenter Grundrechtsschranken zuzuerkennen.167 Eine solch weite Auslegung der Kompetenzbestimmungen liegt der vorliegenden Untersuchung der Kompetenzen jedoch nicht zugrunde. Ziel ist es nicht, mit der Interpretation der Kompetenznormen Grundrechtseingriffe zu rechtfertigen. Im Gegenteil: in einer Zusammenschau der Verfassungsbestimmungen der Kompetenzordnung mit dem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG soll erreicht werden, dass durch eine sachgerechte Kompetenzverteilung der Grundrechtsschutz effektiviert wird. Den Kompetenzbestimmungen des Grundgesetzes wird über ihren Regelungsgehalt der Begründung der Verbandszuständigkeit hinaus kein zusätzlicher Gehalt zugesprochen. Der Vorwurf, den Kompetenzbestimmungen Aussagen zu entnehmen, die sie nicht enthalten, ist damit entkräftet. Methodisch liegt der Untersuchung eine systematische Zusammenschau von Grundgesetzartikeln zugrunde. Eine systematische Interpretation der Normen des Grundgesetzes kann auch über die Einteilung von Grundrechten und Kompetenzbestimmungen hinweg erfolgen. 168 Anliegen der Erörterung ist es, durch ein Zusammenwirken der - gleichrangigen - Verfassungsvorschriften ihre Wirksamkeit zu erhöhen. Konkret geht es um das Zusammenwirken von den Regelungen über die Verbandskompetenz und dem Grundrecht der Kunstfreiheit. Dabei ist für die vorliegende Untersuchung zu berücksichtigen, dass es sich bei den Bestimmungen über die Verbandskompetenzen auf der einen Seite und beim 163

S. die Hinweise auf die Rechtsprechung des BVerfG bei Stettner, in: Dreier, Art. 70 Rdnr. 20, Fußn. 62-66; umfangreiche Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung bei Pieroth, AöR 114(1989), 422, 424 ff. 164 Bleckmann, DÖV 1983, 129,130f.; dagegen Menzel, DÖV 1985, 805 ff. 165 Zum direktiven Charakter von Exekutivkompetenzen s. Pieroth, AöR 114 (1989), 422, 448. 166 Scheuner, Staatszielbestimmungen, S. 234 ff., unter Annahme eines weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers. 167 Vgl. Böckenförde, Mahrenholz, Sondervotum zu BVerfGE 69,1 ff., ebenda, S.57ff., ibs. S. 60f. Zu differenzierenden Ansätzen vgl. Pieroth, AöR 114 (1989), 422, 445 ff.; Jestaedt, Kompetenzvorschriften, S. 322ff.; Pestalozza, Der Staat 11 (1989), 161, 179ff. 168 So auch Pestalozza, Der Staat 11 (1972), 161,179 ff.; Pieroth, AöR 114 (1989), 422,439; Stettner, in: Dreier, Art. 70 Rdnr. 19.

186

Kap. 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

Grundrecht der Kunstfreiheit auf der anderen Seite um zwei unterschiedliche Normtypen handelt. Bei der Verbandskompetenz ist eine Alternativentscheidung zu treffen: Es können entweder die Voraussetzungen für eine Bundes- oder eine Länderzuständigkeit erfüllt sein. 169 Im Sinne von / . Esser liegen „Regeln" vor, das heißt strikte Normen, die entweder erfüllt oder nicht erfüllt werden. 170 Raum für eine Erhöhung der Wirksamkeit ist innerhalb dieser Normen nicht vorhanden. Dagegen ist das Grundrecht der Kunstfreiheit in seiner objektiven Dimension als „Prinzip" zu qualifizieren. Umfang und Intensität der objektiven Wirkung der Kunstfreiheit sind offen. Es handelt sich um eine Norm, die auf eine möglichst intensive Verwirklichung ausgerichtet ist. Man spricht auch von einem „Optimierungsgebot". 171 Legt man diese Erkenntnis über die Struktur der Normen zugrunde, so wird deutlich, dass sich das Ziel der Erhöhung der Wirksamkeit im Verhältnis von Normen zur Regelung der Verbandskompetenz und dem Grundrecht des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG nur im Hinblick auf letzteres verwirklichen lässt.

3. Grundrechtsschutz durch Organisation? Die Idee, durch eine bestimmte Verteilung der Verbandskompetenzen die Grundrechtsausübung zu effektivieren, lässt eine Parallele zu den in der Rechtsprechung vorgezeichneten172 und in der Lehre diskutierten 173 Überlegungen des Grundrechtsschutzes durch Verfahren und Organisation vermuten. Beide Ansätze entnehmen den Grundrechten Maßstäbe für eine Gestaltung von Organisations- und Verfahrensstrukturen mit dem Ziel, den Grundrechtsschutz zu effektuieren. 174

169 Isensee, Bundesstaat, S.739, spricht von einer „binären Codierung des kompetenzrechtlichen Systems". 170 Esser, Grundsatz und Norm, S. 39 ff. Zur Einteilung der Grundrechte in Regeln und Prinzipien, s. auch Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 71 ff. 171 Alexy, Theorie der Grundrechte, S.75 f.; s. auch Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1,21. Zur Verbindung der Ebenen von Regeln und Prinzipien vgl. Alexy, ebenda, S. 122ff. 172 Vgl. z.B. die Brokdorf-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, BVerfGE 69, 315 (355) unter Bezugnahme auf die vorangehende Rechtsprechung. Nachweise der Rechtsprechung auch bei Dreier, in: Dreier, Vorb. Rdnr. 66 Fußn. 282. 173 S. etwa Alexy, Theorie der Grundrechte, S.428 ff.; Denninger, HbStR V, § 113 Rdnr. 5 ff.; Goerlich, Grundrechte als Verfahrensgarantien, ibs. S. 137 ff.; Häberle, VVDStRL 30 (1972), 43, 86ff.; Nachweise auf die Literatur auch bei Dreier, in: Dreier, Vorb. Rdnr. 66ff.; Hesse, HbVerfR, § 5 Rdnr. 42 ff. 174 Vgl. BVerfGE 35,79 (115f.); E53,30 (65ff.); E63,131 (143f.);E65,1 (49ff.);E69,315 (355); E73, 280 (294); E84, 34 (45 f.). Für den Grundrechtschutz durch Verfahren und Organisation s. Hesse, Grundzüge, Rdnr. 359f.; Dreier, in: Dreier, Vorb. Rdnr. 66f.

V. Grundrechtsschutz durch sachgerechte Kompetenzverteilung?

a) Meinungsstand zum Grundrechtsschutz Verfahren und Organisation

187

durch

In der Grundrechtstheorie ist es umstritten, ob und inwieweit aus einem Grundrecht Vorgaben für die Ausgestaltung von Verfahren und Organisation bei der staatlichen Regelung des durch das jeweilige Grundrecht umfassten Sachbereichs folgen. Teilweise wird vertreten, die Grundrechte könnten ihre Funktion in der sozialen Wirklichkeit nur dann erfüllen, wenn der Staat geeignete Verfahren und die Organisation zur Verfügung stelle.175 Daher sei aus den Grundrechten auch ein „status activus processualis" 176 zu gewinnen, der dem Einzelnen ein Recht auf Bereithaltung eines die Grundrechte sichernden Verfahrens und einer Organisation gewährleiste, die den Grundrechtsschutz am besten zur Geltung bringe. Zumindest aber müsse eine objektiv-rechtliche Pflicht des Staates angenommen werden, entsprechende Verfahren und Organisation zur Verfügung zu stellen.177 Für das Grundrecht der Kunstfreiheit im Speziellen wird der hohe Rang der organisations- und verfahrensrechtlichen Dimension betont.178 Aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG folge in der Regel zwar kein subjektiver Anspruch auf eine bestimmte Organisation und ein bestimmtes Verfahren. Der Gesetzgeber müsse jedoch eine für die Kunstförderung angemessene Verwaltungsorganisation schaffen. 179 Ferner wird gestützt auf die Kunstfreiheit eine Auslagerung von Entscheidungen aus dem staatlichen in den gesellschaftlichen Bereich, die Einbeziehung pluralistisch besetzter Entscheidungsgremien in den Fördervorgang sowie die Durchsetzung eines Gesetzesvorbehalts für die Voraussetzungen der staatlichen Förderung verlangt. 180 Der Gedanke des Grundrechtsschutzes durch Verfahren ist insbesondere im Bereich der Wissenschaftsfreiheit sowie der Rundfunkfreiheit durch Rechtsprechung und Lehre konkretisiert worden, da sich dort Organisation und Verfahren unmittelbar als Mittel der Sicherung der Grundrechte erweisen. 181 Das Bundesverfassungsgericht hat aus der Wissenschaftsfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG gefolgert, dass ein effektiver Schutz dieses Grundrechts entsprechende organisationsrechtliche Vorkehrungen erfordere, die einerseits der subjektiven Freiheit der Wissenschaftler auf Freiheit der Forschung und Lehre und andererseits der Funktionsfähigkeit der Institution „freie Wissenschaft" dienen.182 Dabei hebt das Gericht deutlich hervor, 175

Hesse, HbVerfR, §5 Rdnr. 42ff.; Scheuner, Staatszielbestimmungen, S.225f. Häberle, VVDStRL 30 (1972), 43, 86ff. 177 Zur Abstufung Häberle, AöR 110 (1985), 577, 612. 178 Häberle, AöR 110 (1985), 577, 611. 179 Häberle, AöR 110 (1985), 577, 612. 180 Vgl. Heintzen, HbStR IX, §218 Rdnr.61; Höfling, DÖV 1985,387,390ff.; Palm, Kunstförderung, S. 180ff., 225 ff. 181 Dreier, in: Dreier, Vorb. Rdnr. 67; Hesse, HbVerfR, § 5 Rdnr. 45. Diese Bereiche hebt auch Starck hervor, Starck, Festschrift BVerfG (1976) II, S. 486; s. ebenso Scheuner, Staatszielbestimmungen, S.225f. 182 BVerfGE 35, 79 (120); E42,242 (267). 176

188

Kap. 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

dass zwischen der Organisation der Universität und der freien Ausübung von Forschung und Lehre ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe, der auf der Angewiesenheit des Einzelnen auf die Einrichtung der Universität beruhe. 183 In Bezug auf die Rundfunkfreiheit vertreten Rechtslehre und Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls, dass eine Gewährleistung der durch das Grundrecht gewährleisteten Freiheiten der Veranstalter und Empfänger von Rundfunksendungen eine organisationsrechtliche Ausgestaltung der Rundfunkordnung verlange. 184 Diese notwendige Regelung des Rundfunks müsse ihrerseits wiederum die Freiheit der betroffenen Grundrechtsträger berücksichtigen. 185 In einer ausdifferenzierten Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht einzelne Anforderungen an die Ausgestaltung der Rundfunkordnung gestellt, andererseits aber auch Gestaltungsfreiräume des Gesetzgebers festgehalten. 186 Im Einzelnen ist die Frage, welche Kriterien eine verfassungsgemäße Rundfunkordnung verlangt, in der Rechtslehre umstritten. 187 Dass die Bereitstellung einer Rundfunkordnung notwendige Voraussetzung für die Sicherung der grundrechtlichen Freiheit ist, kann jedoch als allgemein anerkannt gelten. Abgesehen von den Erörterungen der Anforderungen an Organisation und Verfahren in Bezug auf die einzelnen Grundrechte wird gegen die Tendenz, den Grundrechtsschutz durch Verfahren und Organisation zu verstärken, prinzipielle Kritik erhoben. Man verweist insofern auf das klassische Grundrechtsverständnis, nach dem Verfahren und Organisation dazu dienen, die Ausübung der Staatsgewalt rechtlich zu binden und auf diese Weise mittelbar die Freiheit des Einzelnen zu sichern. 188 Die grundrechtlich geschützten Bereiche sollen gerade frei von staatlichen Eingriffen und Regelungen sein; die Einführung von Verfahren und Organisation in einem bestimmten Lebensbereich erscheine daher zunächst als Freiheitseinschränkung. 189 Neben diesem Einwand wird grundsätzlich eine zu ausgedehnte Ableitung von Handlungspflichten des Staates aus den Grundrechten abgelehnt. Die Annahme von Handlungspflichten führe dazu, dass über die Grundrechte wieder eine Staatsaufgabenlehre eingeführt werde. Handlungen des Staates seien dann in geringerem Um183 BVerfGE 35, 79 (120f.). Zur Auseinandersetzung mit dem sog. Hochschulurteil s. Müller-Terpitz, Hochschulurteil, in: Menzel, S. 217ff. m. w. N.; Schmidt-Aßmann, Festschrift Thieme, S. 697 ff. 184 BVerfGE 57,295 (319ff.); E73,118 (153f.); E83,238 (296f.) Zum Meinungsstand vgl. Dreier, Jura 1994, 505, 512; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Rdnr. 111 ff. 185 Vgl. BVerfGE 71, 206 (214); s. auch Pieroth/Schlink, Staatsrecht II, Rdnr. 595. 186 BVerfGE 57, 295 (319ff.); E73, 118 (153f.); E83, 238 (296); E89, 144, (152). 187 S. zum Meinungsstand Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 5 I, II Rdnr. 198 ff.; Starck, in: v.Mangoldt/Klein/Starck, Art.5 Abs. 1, 2 Rdnr. llOff.; Wendt, in: v.Münch/Kunig, Art.5 insbesondere Rdnr. 53 f. 188 Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 5 Rdnr. 110. 189 Starck, Festschrift BVerfG (1976) II, S.483f.; s. auch Geis, Kulturstaat, S.218. Geis betont die Ergänzungsfunktion der institutionellen Garantien der Grundrechte. Sie sollten das zugrundeliegende Freiheitsrecht verstärken, nicht einschränken. So auch Häberle, Wesensgehaltsgarantie, S. 100 f.

V. Grundrechtsschutz durch sachgerechte Kompetenzverteilung?

189

fang vom politischen Willensbildungsprozess abhängig. Sie könnten subjektivrechtlich eingefordert werden und unterfielen damit der Rechtsprechung.190 Damit verbunden sei auch eine Verschiebung der Gewichtsverteilung zwischen Gesetzgeber und Verfassungsgerichtsbarkeit zugunsten der letzteren. 191 b) Übertragung auf die Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern? Die Frage, ob aus den Grundrechten, insbesondere aus der hier sachlich einschlägigen Kunstfreiheit gem. Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG, Pflichten des Staates zur Einführung von Verfahren und Einrichtung von Organisationsstrukturen abgeleitet werden können, kann hier letztlich jedoch offen bleiben. Zwar liegt der Gedanke, dass insbesondere die Organisation eines Sachbereichs Einfluss auf die Verwirklichung eines Grundrechts haben kann, auch der Erörterung der Vorteile einer Länderzuständigkeit gegenüber einer Bundeszuständigkeit zugrunde. Die Einwände, die gegen die Ableitung von Vorgaben für Verfahren und Organisation und allgemeiner gegen eine zu ausgedehnte Ableitung von Handlungspflichten aus den Grundrechten angeführt werden, sind bei der Frage der im Hinblick auf die Grundrechtsgewährleistung besseren Verbandszuständigkeit nicht maßgeblich. Die Ableitung von Voraussetzungen für Organisation und Verfahren aus den Grundrechten verlangt staatliche - in der Regel gesetzgeberische - Entscheidungen in Bezug auf die Gestaltung von Institutionen und Verfahren, die den Entscheidungsprozessen zugrunde liegen. Es wird also ein Tätigwerden des Gesetzgebers verlangt, dem aus dem Grundrecht entnommene Vorgaben gemacht werden, so dass seine Gestaltungsfreiheit eingeschränkt wird und der Einfluss des durch Wahlen unmittelbar legitimierten Organs reduziert wird. 192 Gleichzeitig wird damit die Justiziabilität gegenüber Entscheidungen des Gesetzgebers erhöht. Bei der Verteilung von Kompetenzen auf Bund oder Länder handelt es sich hingegen erstens um eine Entscheidung, die im Bundesstaat getroffen werden muss. Die Befürchtung, dass allein durch das Verteilen der Zuständigkeiten (vergleichbar mit dem Schaffen einer Organisation) schon eine Freiheitsbeschränkung eintritt, ist also nicht aktuell. Zweitens besteht kein Gestaltungsspielraum, es handelt sich um eine „Entweder-Oder"-Entscheidung. 193 Sie wird zudem bereits von der Verfassung selbst getroffen und unterliegt damit der erschwerten Abänderbarkeit des Art. 79 Abs. 2 GG. Die Gefahr einer zu großen Einschränkung des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers besteht also in geringerem Maße. Die Einwände, die gegen eine Interpretation der Grundrechte als Vorgaben für die Gestaltung von Verfahren und 190

Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1, 23. Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1, 24 ff. 192 Böckenförde, Der Staat 29 (1990), 1, 24 ff. 193 Vgl. Isensee, Bundesstaat, S. 739. Es handelt sich bei den zugrunde liegenden Normen um Regeln, nicht um Prinzipien. Vgl. oben, S. 185 f. 191

190

Kap. 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

Organisation angeführt werden, treffen die Kompetenzverteilung auf Bund und Länder nicht. Die Überlegung, dass eine bestimmte Verbandszuständigkeit den Grundrechtsschutz unterstützen kann, ist den Argumenten gegen einen Grundrechtsschutz durch Verfahren und Organisation aufgrund von gesetzgeberischen Maßnahmen nicht ausgesetzt.

VI. Verhältnis zum Subsidiaritätsprinzip Die Annahme, dass die Bewertung der Zuständigkeitszuweisung an Bund oder Länder von den Eigenarten der zu erledigenden Sachmaterie abhängt, ist mit dem Subsidiaritätsprinzip 194 in Verbindung zu bringen, dem ebenfalls Aussagen über die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bund und Ländern zu entnehmen sind.

1. Inhalt des Subsidiaritätsprinzips Das Subsidiaritätsprinzip betrifft einerseits das Verhältnis von Staat und Gesellschaft. In diesem Zusammenhang verlangt es, dass der Staat sich einer Aufgabe erst dann annehmen darf, wenn sie gesellschaftlich nicht zu lösen ist. 195 Weiterhin besagt das Subsidiaritätsprinzip, dass eine vom Staat auszuführende Aufgabe nach Möglichkeit auf der hierarchisch niedrigsten Ebene zu erfüllen ist. 196 Damit soll die Idee verwirklicht werden, dass die größere Nähe der niedrigeren Einheit zu einzelnen Personen ihre Würde und Freiheit am besten gewährleisten kann. 197 Grundsätzliches Anliegen der Subsidiaritätslehre ist es, die Entfaltung der kleineren Lebenskreise zu sichern und zu fördern. In dieser Hinsicht kann das Prinzip für die Bundesstaatstheorie fruchtbar gemacht werden. Es verlangt für eine bundesstaatliche Staatsordnung, dass die Aufgaben primär von den Ländern zu erledigen sind, soweit ihre Leistungsfähigkeit dies zulässt.198 Das Subsidiaritätsprinzip fordert demnach eine bestimmte Aufgabenverteilung, es stellt unmittelbare Anforderungen an die Kompetenzverteilung. Das Subsidiaritätsprinzip verlangt eine Bevorzugung der Kompetenzzuweisung an die niedrigere Ebene, wenn die Aufgabe dort mit einem hinnehmbaren Maß an Erfolg erledigt werden kann. 199 Wegen der positiven Auswirkungen auf die Freiheitsgewährleistung wird auf eine Zuständigkeitsverteilung, die allein auf ein Effek194

Zu den Wurzeln des Subsidiaritätsprinzips in der katholischen Soziallehre und in der Staatslehre vgl. Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 18 ff., 35 ff., 44ff. 195 Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 283. Speziell für das Kulturverfassungsrecht Bull, Staatsaufgaben, S.209f.; Palm, Kunstförderung, S. 166; Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7, 28. 196 Isensee, HbStR IV, § 98 Rdnr. 242; Vogel, HbVerfR, § 22 Rdnr. 19. 197 Kuttenkeuler, Subsidiaritätsprinzip, S. 30. 198 Kuttenkeuler, Subsidiaritätsprinzip, S.30f. 199 Gegen eine ausschließliche Anwendung des Effektivitätskriteriums auch Kirchner/Haas, JZ 1993, 760, 770f.

VI. Verhältnis zum

attsprinzip

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tivitätskriterium abstellt, verzichtet. Auch wenn Handeln der höheren Ebene im Einzelfall effizienter sein mag, so fordert das Subsidiaritätsprinzip weiterhin die Aufgabenerfüllung auf niedrigerer Ebene, solange dies noch im Sinne des Allgemeinwohls vertretbar erscheint. 200 Das hat zur Folge, dass immer wieder eine neue Abwägung erforderlich ist, ob die in Frage stehenden Aufgaben auf der niedrigeren staatlichen Ebene hinreichend wirksam erfüllt werden können.201

2. Verwirklichung des Subsidiaritätsprinzips im Grundgesetz Ausdrückliche Erwähnung findet das Subsidiaritätsprinzip im Grundgesetz nicht. Es liegt der Verfassung auch nicht als allgemeines Prinzip in dem Sinne zugrunde, dass die Regelungen der Verfassung eine Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips in eine staatliche Ordnung darstellen. Dem widerspricht auch nicht, dass angenommen wird, das Subsidiaritätsprinzip läge als ungeschriebenes Strukturprinzip der Verfassung zugrunde 202 oder könne aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten hergeleitet werden. 203 Das Subsidiaritätsprinzip entfaltet im Grundgesetz keine Normativität. Konkrete Ergebnisse im Einzelfall lassen sich nicht daraus ableiten.204 Insbesondere ist die bundesstaatliche Ordnung, die das Grundgesetz konstituiert, keine bloße Ausgestaltung des Prinzips der Subsidiarität. Die Kompetenzverteilung als ihr Kernbestandteil dient nicht der Umsetzung des Subsidiaritätsprinzips. 205 An einzelnen Regelungen der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes zeigt sich jedoch, dass sich in ihnen der Gedanke der Subsidiarität verwirklicht. 206 Durch Verfassungsauslegung unter besonderer Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte kann belegt werden, dass das Subsidiaritätsprinzip eine Leitidee bei der Konzeption und Regelung der Kompetenzverteilung auf Bund und Länder war. 207 So kann aus Art. 30 GG, der die Grundregel der Zuständigkeitsverteilung zugunsten der Länder aufstellt und dem Bund nur solche Zuständigkeiten zuspricht, die ihm im Grundgesetz ausdrücklich zugewiesen sind, die Berücksichtigung des Gedankens 200

Kuttenkeuler, Subsidiaritätsprinzip, S.32ff. Oppermann, JuS 1996, 569, 571. 202 Oppermann, JuS 1996, 569, 570. 203 Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 224ff.; dazu Rupp, HbStR I, §28 Rdnr.51ff. 204 So auch Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S.239; Oppermann, JuS 1996, 569, 570; Stern, StR I, § 19114 (S.661). 205 Saröeviö, Bundesstaatsprinzip, S. 189; Vogel, HbVerfR, §22 Rdnr. 19; Herzog, Art. Subsidiaritätsprinzip, Sp. 3566. Anders Kuttenkeuler, der davon ausgeht, dass die Kompetenzordnung des Grundgesetzes den Anforderungen des Subsidiaritätsprinzips entspricht, Kuttenkeuler, Subsidiaritätsprinzip, S.229. 206 Oppermann, JuS 1996, 596, 571. Gegen die Annahme einer Rezeption des Subsidiaritätsprinzips Herzog, Der Staat 2 (1963), 399, 411 ff.; Saröevic, Bundesstaatsprinzip, S. 188f. 207 So insbesondere Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 224ff.; Kuttenkeuler, Subsidiaritätsprinzip, S. 200 ff. 201

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Kap. 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

der Subsidiarität gefolgert werden. 208 Auch Art. 72 Abs. 2 GG, wonach für die Wahrnehmung der konkurrierenden Zuständigkeit durch den Bund eine gesamtstaatliche Regelung „erforderlich" sein muss, weist auf eine Berücksichtigung des Subsidiaritätsprinzips hin. Die von Art. 72 Abs. 2 GG für die Bundeszuständigkeit verlangte Situation, nämlich dass die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erfordert, entspricht weitestgehend der mangelnden Leistungsfähigkeit der niedrigeren Einheit, die auch nach dem Subsidiaritätsprinzip eine Zuständigkeit der höheren Einheit erfordert. 209 Es lässt sich somit zeigen, dass das Grundgesetz in bestimmten Regelungen das Subsidiaritätsprinzip berücksichtigt und damit teilweise verwirklicht hat. Daraus kann aber wiederum nicht eine normative Kraft des Subsidiaritätsprinzips gefolgert werden. Es gilt nur in dem Umfang, in dem es in den Regelungen des Grundgesetzes Niederschlag gefunden hat. Unzulässig wäre es, aus dem Nachweis der Berücksichtigung des Subsidiaritätsgedankens in einzelnen Verfassungsnormen Konsequenzen für die Geltung des Prinzips über die jeweiligen Normen hinaus zu ziehen.210 Darüber hinaus kommt dem Subsidiaritätsprinzip die Funktion zu, eine Bewertung der bestehenden Kompetenzordnung nach seinen Kriterien zu ermöglichen. 211 Auf einer allgemeineren Ebene kann das Subsidiaritätsprinzip zur Rechtfertigung der Bundesstaatlichkeit überhaupt herangezogen werden.

3. Folgerungen Versteht man wie hier das Subsidiaritätsprinzip als ein Prinzip, das nachweislich einzelnen Regelungen des Grundgesetzes zugrunde liegt, dem darüber hinaus aber keine normative Kraft zukommt, ist ein Konflikt zwischen der Bewertung der Kompetenzordnung aus der Perspektive der Subsidiarität und aus der Perspektive der Berücksichtigung der Anforderungen des Sachbereiches und eines effektiven Grundrechtsschutzes nicht denkbar. Beide Ansätze haben das Anliegen einer Bewertung der Kompetenzordnung. Sie können aber mangels normativer Kraft keinen Geltungsanspruch erheben. Auf einer höheren Ebene können sie den Bundesstaat als Staatsform legitimieren.

208

Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 225 ff.; Oppermann, JuS 1996, 569, 571. Dagegen Saröeviö, Bundesstaatsprinzip, S. 188. 209 Im Ergebnis ähnlich Calliess, DÖV 1997,889,895 f.; Schmehl, DÖV1996,724,726, die allerdings auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Bezug nehmen. Dagegen Saröeviö, Bundesstaatsprinzip, S. 189 f., der insbesondere aus der Entstehungsgeschichte der Änderungen in der Kompetenzordnung 1994 ableitet, dass eine Neubewertung der Kompetenzverteilung nach den Grundsätzen der Subsidiarität nicht erfolgen sollte. 210 Saröeviö, Bundesstaatsprinzip, S. 192. 211 Einer Rechtfertigung bedürfen sie nicht, Saröeviö, Bundesstaatsprinzip, S. 189.

VII. Verhältnis zum Gewaltenteilungsprinzip

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Hinzu kommt, dass beide Ansätze sich in der Bewertung der Kompetenzordnung ergänzen können. Grundsätzlich spricht das Subsidiaritätsprinzip für eine Zuständigkeit auf der niedrigeren Ebene, das heißt für eine Länderzuständigkeit. Es verlangt jedoch nicht, dass entgegen den Anforderungen des zu behandelnden Sachbereichs die Zuständigkeit bei den Ländern liegen muss.212 Insofern bleibt Raum für eine Berücksichtigung der Eigenarten des jeweiligen Sachbereichs, um so im Ergebnis eine sachgerechte Kompetenzverteilung zu erreichen. Die Feststellung, ob im betreffenden Sachbereich die Effektivität der Aufgabenerfüllung eine Zuständigkeit des Bundes verlangt, erfolgt durch einen abwägungsähnlichen Vorgang. 213 In diesen Vorgang können die Ergebnisse aus der Überlegung, ob die Kompetenzverteilung die Verwirklichung der einschlägigen Grundrechte fördert, mit einfließen. Auf diese Weise lassen sich beide Ansätze kombinieren und zu einem einheitlichen Ergebnis verbinden.

VII. Verhältnis zum Gewaltenteilungsprinzip In zweierlei Hinsicht wird die Länderzuständigkeit im Bereich der Pflege von Kunst und Kultur in Zusammenhang mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung gebracht. Eine föderalistische Struktur könne aufgrund der Sach- und Ortsnähe der Entscheidungsträger besser als eine zentralistische Verwaltung die regionalen Besonderheiten und Eigenheiten berücksichtigen und auch dem Anliegen der vertikalen Gewaltenteilung besser gerecht werden. 214 Abgesehen von diesem Ansatz lässt sich möglicherweise die hier vertretene Auffassung von den Vorzügen einer Länderzuständigkeit im Bereich staatlicher Kunstpflege ebenfalls durch eine Heranziehung des Gewaltenteilungsprinzips zusätzlich untermauern.

212

Oppermann, JuS 1996, 596, 571. Dieser Vorgang kann - je nach konkreter Ausprägung des Gedankens der Subsidiarität - variable Formen annehmen. So ist beispielsweise bei der Anwendung von Art. 72 Abs. 2 GG die Auslegung und Anwendung des Regelungsmerkmals „erforderlich" vorzunehmen. Dies ist keine Abwägung in dem Sinne, wie sie bei einer Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes vorgenommen wird, insofern anders Calliess, DÖV 1997, 889, 895 f.; Schmehl, DÖV 1996, 724, 726. 214 Geis, DÖV 1992,522,526. Mit „föderalistischer Struktur" muss hier eine Zuständigkeit der Länder gemeint sein, da sonst von einer Sach- und Ortsnähe der Entscheidungsträger in einer bestimmten Sachmaterie nicht gesprochen werden kann. Darüber hinaus wird einer vielfältigen Kultur selbst eine gewaltenteilende Wirkung in einem anderen, nicht staatsbezogenen Sinn zugeschrieben. Häberle formuliert als Ausgangsthese seiner Abhandlung „Vom Kulturstaat zum Kulturverfassungsrecht", was er unter „kultureller Gewaltenteilung" versteht. Danach vermittele der ,Trägerpluralismus' im kulturellen Bereich die gemeinschaftliche Kulturverantwortung von Staat und Gesellschaft und ermögliche zusammen mit den Grundrechten Offenheit des Kulturverfassungsrechts und Gewaltenteilung im weiteren, d.h. gesellschaftlich-sozialen Sinne, S.6; vgl. auch S. 13, 16. 213

13 Pabel

194

Kap. 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

1. Horizontale Gewaltenteilung - unter besonderer Berücksichtigung der funktionell-rechtlichen Perspektive Nach Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG wird die Staatsgewalt durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt. Damit ist der Grundsatz der Gewaltenteilung als Verfassungsprinzip im Grundgesetz festgeschrieben.215 Er verlangt eine Trennung der staatlichen Funktionen und die Zuweisung der Funktionen an verschiedene Funktionsträger. Die Funktionen und ihre Träger werden durch ein System gegenseitiger Einflussnahme und Abhängigkeit strukturiert. Auf diese Weise ist eine Balancierung und Kontrolle der Funktionen gewährleistet. 216 Der Grundsatz der Gewaltenteilung stellt kein Prinzip dar, das nur um seiner selbst willen zu befolgen ist. 217 Seine Zwecke werden beschrieben als die Mäßigung staatlicher Gewalt, die Einrichtung einer gegenseitigen Kontrolle der Staatsorgane sowie eine durch die Hemmung der staatlichen Gewalt erreichte Sicherung der Freiheit des Einzelnen.218 Das so beschriebene „klassische" Prinzip der Gewaltenteilung betrifft die Verteilung der Staatsgewalt auf die Staatsorgane einer staatlichen Ebene; man spricht daher auch von horizontaler Gewaltenteilung.219 Das Prinzip der Gewaltenteilung in seiner horizontalen Ausprägung hat in der aktuellen Lage der Verfassung einen Teil seiner Wirksamkeit eingebüßt.220 Vor allem wegen des Einflusses der politischen Parteien in allen Bereichen der staatlichen Machtentfaltung, der auch über die getrennten Staatsgewalten hinweg wirkt, kann das Gewaltenteilungsprinzip nach dem herkömmlichen Verständnis weniger effektiv für Machtbeschränkung sorgen. 221 Das traditionelle Verständnis des Gewaltenteilungsprinzips wird ergänzt durch den funktionell-rechtlichen Ansatz. Art. 20 Abs. 2 S. 2 GG benennt drei staatliche Grundfunktionen, für die Funktionsträger, das heißt besondere Organe vorgesehen werden. 222 Das Gewaltenteilungsprinzip verlangt nach dem funktionell-rechtlichen 215 BVerfGE 2, 1 (13); E 3, 225 (247); E 5, 85 (199). Vgl. im Schrifttum für alle Hesse, Grundzüge, Rdnr.476; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 20 (Rechtsstaat) Rdnr.62ff. 216 Stern, StRII, §36 III 3 (S.529f.). 217 Kimminich, HbStR I, §26 Rdnr.45. 2,8 BVerfGE 3, 225 (247). Vgl. zusammenfassend Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 20 (Rechtsstaat) Rdnr. 63 ff.; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 Rdnr. 200ff. Zur Sicherung der Freiheit des Einzelnen Zippelius, Staatslehre, § 31 I. 219 Vgl. z.B. Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art.20 (Rechtsstaat) Rdnr.64; Sommermann, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 20 Rdnr. 188. 220 Zur Geschichte des Gewaltenteilungsprinzips s. Stern, StRII, §36 I, II (S. 513ff.); Sobota, Rechtsstaat, S.70ff.; Zippelius, Staatslehre, §31 II. 221 S. z. B. Grimm, HbVerfR, § 14 Rdnr. 66ff.; Zippelius, Staatslehre, § 31 IV. S. auch Ossenbühl, DÖV 1980, 545 ff. 222 Hesse, Grundzüge, Rdnr. 484 ff. Dabei ist die Zahl der Organe nicht auf drei beschränkt. Es können auch Gruppen von Organen als Funktionsträger vorgesehen werden, vgl. SchmidtAßmann, HbStR I, § 24 Rdnr. 53.

VII. Verhältnis zum Gewaltenteilungsprinzip

195

Verständnis nicht nur eine Konstituierung der Staatsorgane, sondern auch, dass die Staatsfunktionen so verteilt werden müssen, dass die Staatsaufgaben und Entscheidungen von denjenigen Organen getroffen werden, die nach ihrer inneren Struktur, Besetzung und Arbeitsweise am besten für die betreffende Aufgabe legitimiert und gerüstet sind. 223 Dem Grundsatz der Gewaltenteilung werden neben der grundsätzlichen Trennung der Grundfunktionen somit auch Vorgaben dafür entnommen, welche Funktionen auf welche Staatsorgane zu übertragen sind. Ziel dabei ist, eine möglichst sachgerechte und rationale Erfüllung der staatlichen Aufgaben zu erreichen. 224 In die funktionell-rechtliche Perspektive rückt damit die Verteilung der Kompetenzen auf die verschiedenen Staatsorgane.225 Für die Abgrenzung der Zuständigkeit dient dabei die besondere Leistungsfähigkeit des Organs im Vergleich zu anderen Staatsorganen in Bezug auf die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe. 226 Ziel ist die Begründung einer Organkompetenz für das Organ mit einer sachgerechten, das heißt für die zu erfüllende Aufgabe am besten geeigneten Struktur. In der Kalkar-Entscheidung 227 hat auch das Bundesverfassungsgericht den funktionell-rechtlichen Aspekt des Gewaltenteilungsgrundsatzes herangezogen, um die Kompetenz eines bestimmten Staatsorgans zu begründen. 228 Nach Auffassung des Gerichts verfolgt auch der Gewaltenteilungsgrundsatz den Zweck, dass staatliche Entscheidungen möglichst richtig getroffen werden. Das sei dann am ehesten gewährleistet, wenn eine Entscheidung von Organen getroffen wird, die dafür nach ihrer Organisation, Zusammensetzung, Funktion und Verfahrensweise über die besten Voraussetzungen verfügten. 229

2. Vertikale Gewaltenteilung - unter besonderer Berücksichtigung der funktionell-rechtlichen Perspektive Neben der horizontalen Gewaltenteilung weist der Bundesstaat auch eine vertikale Gewaltenteilung auf. Die Verteilung der staatlichen Gewalt auf die zwei staatlichen Ebenen, nämlich auf den Bund und auf die Länder, tritt zu der Aufteilung der staatlichen Gewalt auf die Staatsfunktionen hinzu. Sie bewirkt wie die horizontale Gewaltenteilung eine Beschränkung staatlicher Machtausübung und die Kontrolle staat223

Ossenbühl, HbStR III, § 62 Rdnr. 49; Hesse, Grundzüge, Rdnr. 482; März, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Art. 30 Rdnr. 22; Zippelius, Staatslehre, § 31 I I 3. 224 Hesse, Grundzüge, Rdnr. 482, 498; Schulze-Fielitz, in: Dreier, Art. 20 (Rechtsstaat) Rdnr. 63 („Rationalisierungsfunktion"). 225 Ossenbühl, HbStR III, § 62 Rdnr. 48; Hesse, Grundzüge, Rdnr. 482. S. auch Stern, StRII, §36 III 3 (S. 530). 226 Ossenbühl, HbStR III, §62 Rdnr. 48; Zippelius, Staatslehre, §311. 227 BVerfGE 68, lff. 228 In der Entscheidung ging es um die Abgrenzung der Kompetenzbereiche von Exekutive und Legislative. 229 BVerfGE 68, 1 (86); ebenso BVerfGE 95, 1 (15). 13*

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Kap. 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

licher Gewalt. 230 Die vertikale Gewaltenteilung wird als wichtige Ergänzung zu der teilweise in ihrer Wirkung reduzierten horizontalen Gewaltenteilung angesehen.231 Auch der vertikalen Gewaltenteilung kann eine funktionell-rechtliche Bedeutung zugemessen werden. Im Bundesstaat nach der Verfassungsordnung des Grundgesetzes sind die staatlichen Grundfunktionen - Gesetzgebung, Verwaltung, Rechtsprechung - schwerpunktmäßig auf die Ebene des Bundes oder die der Länder verteilt. Insofern kann man von funktionaler Gewaltenteilung in vertikaler Perspektive sprechen. 232 Daneben ist es aber auch möglich, wie in Bezug auf die horizontale Gewaltenteilung für die vertikale Aufteilung der Staatsgewalt auf Bund und Länder Anforderungen an die Art und Weise der Verteilung zu formulieren. Durch eine funktionell-rechtliche Sicht sollen aus dem Grundsatz der Gewaltenteilung in vertikaler Perspektive Argumente für die Verteilung der Kompetenzen auf die staatlichen Ebenen gewonnen werden. Überträgt man den funktionell-rechtlichen Ansatz der horizontalen Gewaltenteilung auf die vertikale, so wird die Wirkung des Gewaltenteilungsprinzips verstärkt, wenn eine der Aufgabe angemessene, also sachgerechte Aufteilung der Staatsgewalt auf Bund und Länder vorgenommen wird. Es werden insofern nicht Organzuständigkeiten begründet, sondern Argumente für eine bestimmte Verbandszuständigkeit gewonnen. In Bezug auf die vertikale Gewaltenteilung kann man daher die Forderung nach einer sachgerechten Verbandskompetenz aufstellen. 233 Wie oben festgestellt macht es aus der Perspektive des Gesamtstaats einen strukturellen Unterschied, ob eine bestimmte staatliche Tätigkeit durch einen Entscheidungsträger bei Bundeszuständigkeit oder durch sechzehn Entscheidungsträger bei Länderzuständigkeit ausgeführt wird. Die Erfüllung durch einen Hoheitsträger sichert eine einheitliche Rechtsanwendung und optimiert damit den Gleichheitsaspekt bei der Erfüllung von Staatsaufgaben. Die Erfüllung durch sechzehn verschiedene Hoheitsträger gewährleistet Vielfalt innerhalb jeder Funktion staatlicher Gewalt. Es lässt sich somit für jede staatliche Tätigkeit eine sachgerechte Verbandszuständigkeit feststellen. 230 BVerfGE 12, 205 (229); Herzog, in: Maunz/Dürig, Art. 20 IV, Rdnr. 74ff.; Vogel, HbVerfR, §22 Rdnr. 17. 231 Frenkel, Föderalismus und Bundesstaat, S. 146 ff.; Kimminich, HbStR I, §26 Rdnr. 43; Schmidt-Aßmann, HbStR I, § 24 Rdnr. 68. 232 BVerfGE 55,274 (318f.); Pernice, in: Dreier, Art.30 Rdnr. 16. S. auchMayntz, AöR 115 (1990), 232, 238 f. 233 Es geht hier nicht um eine „funktionelle Richtigkeit" in dem Sinne, dass eine bestimmte Verbandszuständigkeit verfassungsrechtlich geboten ist. Vielmehr sollen aus der Verknüpfung mit dem Grundsatz der Gewaltenteilung zusätzliche Gesichtspunkte ermittelt werden, die für eine Länderzuständigkeit sprechen und damit die hier vertretene Meinung unterstützen. Zur Problematik der verfassungsrechtlich verbindlichen Gewinnung von Organkompetenzen aufgrund einer funktionell-rechtlichen Betrachtung des Gewaltenteilungsgrundsatzes s. Jestaedt, Grundrechtsentfaltung im Gesetz, S. 174ff.

VIII. Zusammenfassung

197

Angewendet auf den hier untersuchten Bereich der Pflege und Förderung von Kunst kann festgestellt werden, dass staatliche Tätigkeit in Bezug auf diese Sachmaterie Neutralität und Vielfalt verlangt. Diese Anforderungen können strukturell am ehesten durch einen Trägerpluralismus gewährleistet werden. Im Rahmen der vertikalen Verteilung der Staatsaufgaben auf die staatlichen Ebenen von Bund und Ländern bietet die Länderzuständigkeit eine Wahrnehmung der Aufgabe durch sechzehn Entscheidungsträger und damit einen Trägerpluralismus. Im Gegensatz dazu entscheidet allein ein Entscheidungsträger, wenn die Verbandskompetenz beim Bund liegt. Eine sachgerechte Verbandskompetenz liegt für die staatliche Pflege von Kunst daher bei den Ländern. Die Länderzuständigkeit im Sachbereich Kunst bildet die sachgerechte Verbandszuständigkeit für die Erfüllung dieser staatlichen Tätigkeit. Insofern entspricht die grundsätzliche Länderzuständigkeit in diesem Tätigkeitsbereich der Organisationsfunktion, die bei einer funktionell-rechtlichen Betrachtung der vertikalen Gewaltenteilung entnommen werden kann. Es lässt sich also feststellen, dass auch der Grundsatz der Gewaltenteilung in seiner vertikalen Ausprägung für eine Länderzuständigkeit im staatlichen Tätigkeitsbereich Kunst spricht.

VIII. Zusammenfassung Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Untersuchung der Kompetenzverteilung für den Bereich staatlicher Kunstpflege ergeben hat, dass die vom Grundgesetz getroffene Zuständigkeitsentscheidung zugunsten der Länder unter dem Gesichtspunkt der Sachgerechtigkeit gegenüber einer Kompetenz des Bundes die bessere ist. Dieses Ergebnis wurde durch Berücksichtigung der grundrechtlichen Vorgaben und der Bezugnahme auf den Grundsatz der Gewaltenteilung zusätzlich untermauert. Soweit ersichtlich beziehen sich Untersuchungen von Vorteilen einer bestimmten Kompetenzverteilung bislang auf die Organzuständigkeit, das heißt auf die Zuweisung einer Materie an eine der drei staatlichen Grundfunktionen bzw. konkret auf die Kompetenz eines bestimmten Staatsorgans. Damit ist die horizontale Ebene der Kompetenzverteilung angesprochen. Insbesondere wird zur Abgrenzung des Kompetenzbereichs von Exekutive und Legislative nach den Vorteilen der Zuständigkeit für die Erfüllung einer bestimmten Staatsaufgabe gefragt. Im Gegensatz dazu beschäftigt sich die voranstehende Erörterung mit der Bewertung der Verbandszuständigkeit. Es geht um die im Bundesstaat ebenfalls notwendige Verteilung der Zuständigkeiten auf Bund und Länder, wobei nicht die verallgemeinernde Betrachtung der Aufteilung der Staatsfunktionen auf Bund und Länder, sondern die Zuständigkeit hinsichtlich einer bestimmten Sachmaterie in den Blick genommen wurde. Die Untersuchung umfasst somit die Kompetenzverteilung in der Vertikalen.

1 9 8 K a p . 3: Bewertung der Länderkompetenz für den Sachbereich Kunst

Die Untersuchung hat gezeigt, dass bestimmte Ansätze zur Begründung von Vorteilen einer bestimmten Zuständigkeit sich sowohl auf die horizontale wie auch auf die vertikale Kompetenzverteilung anwenden lassen. Dabei sollen jedoch nicht die wesentlichen Unterschiede der Anknüpfungsobjekte der horizontalen bzw. vertikalen Kompetenzverteilung geleugnet werden. Die horizontale Zuständigkeitsverteilung betrifft drei staatliche Grundfunktionen, Legislative, Exekutive und Judikative. Durch Zuweisung der Wahrnehmung der drei Funktionen an die Staatsorgane werden deren Kompetenzbereiche gebildet. Dabei stehen auf Bundesebene fünf oberste Bundesorgane und weitere untere Organe zur Wahrnehmung der Aufgabe zur Verfügung, wobei diese Organe jeweils eine unterschiedliche Struktur aufweisen. Bezeichnet man zu Vergleichszwecken die Organe ebenfalls als Entscheidungsträger, so ist ein struktureller Unterschied zwischen den Kompetenzwahrnehmungen durch die Entscheidungsträger festzustellen. Zudem differieren die Staatsorgane hinsichtlich ihrer demokratischen Legitimation. In vertikaler Hinsicht kann die Kompetenzzuweisung entweder an den Bund oder an die Länder erfolgen. Eine dritte Möglichkeit besteht im Bundesstaat des Grundgesetzes nicht. Die Aufgabenwahrnehmung durch Bund oder Länder ist aus der Perspektive der jeweiligen staatlichen Ebene betrachtet strukturell gleich, da sich die meisten Staatsorgane jeweils auf Bundes- und auf Landesebene finden. Eine unterschiedliche demokratische Legitimation kann für eine Aufgabenwahrnehmung durch Bundes- oder Länderorgane ebenfalls nicht festgestellt werden. Jedoch sind - wie oben ausgeführt - in der Perspektive der jeweiligen Staatsaufgabe strukturelle Unterschiede erkennbar, ob eine Wahrnehmung durch den Bund oder die Länder erfolgt. Insofern kann man wie bei der Organzuständigkeit von einem strukturellen Unterschied zwischen einer Aufgabenwahrnehmung durch die verschiedenen möglichen Entscheidungsträger sprechen. Eine Bezugnahme auf den funktionell-rechtlichen Aspekt des Grundsatzes der Gewaltenteilung zu Bewertung der Zuständigkeit bietet sich sowohl für die horizontale als auch für die vertikale Zuständigkeitsverteilung an. Beide Verteilungsmechanismen staatlicher Gewalt führen zu ihrer Aufteilung und damit Mäßigung. Beiden Aufteilungen kann aber auch ein funktionell-rechtlicher Gesichtspunkt beigegeben werden in dem Sinne, dass der jeweilige mit einer Zuständigkeit versehene Entscheidungsträger (Organ oder Verband) zur Erfüllung der konkreten Aufgabe besonders geeignet sein muss. Die Grundrechte stellen Anforderungen an die Art und Weise staatlichen Handelns. Ihre Wirkung ist in Bezug auf die Organzuständigkeit und auf die Verbandszuständigkeit jedoch unterschiedlich. Für die Organzuständigkeit haben sie eine doppelte Wirkung. Zum einen verlangen sie die Zuständigkeit eines bestimmten Organs, nämlich des Parlaments, wenn eine Frage zu regeln ist, die für die Verwirklichung der Grundrechte wesentlich ist. Zum anderen stellen sie Anforderungen an die Organisation und das Verfahren in-

VIII. Zusammenfassung

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nerhalb eines Staatsorgans, das mit der Wahrnehmung einer bestimmten Aufgabe vertraut ist. Für die Verbandszuständigkeit, bei denen die potentiellen Entscheidungsträger eine identische Struktur aufweist, wirken die Grundrechte unmittelbar auf die Frage der Zuständigkeit. Nicht verkannt werden darf bei der gesamten Überlegung, dass Bewertung einer Verbandszuständigkeit kumulativ zu einer Organzuständigkeit tritt. Zunächst ist die Frage nach der Verbandszuständigkeit zu stellen. Ist diese entschieden, muss anschließend über die Organkompetenz auf der zuständigen staatlichen Ebene entschieden werden. Damit können positive Effekte verstärkt werden.

Schlussbemerkung 1. „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat", bestimmt Art. 20 Abs. 1 GG und enthält damit die Strukturentscheidung für eine bundesstaatliche Ordnung. Die in Art. 20 Abs. 1 GG enthaltenen Staatsgrundlagen unterliegen der Ewigkeitsklausel des Art. 79 Abs. 3 GG, sie sind somit einer Verfassungsänderung nicht zugänglich. Anders als das Demokratieprinzip und das Sozialstaatsprinzip bedarf die bundesstaatliche Ordnung des Staats immer wieder der Rechtfertigung. 1 Es muss aufgezeigt werden, warum die Gliedstaaten „positive Kraftquelle für das Ganze" sind.2 Der Einheitsstaat als Alternative zum Bundesstaat erscheint als reale Möglichkeit einer anderen - vielleicht besseren - Staatsform. 3 Dabei mag der Vergleich mit anderen europäischen Staaten, insbesondere mit Frankreich 4, solche Überlegungen fördern. Grundsätzlich ist anerkannt, dass der Bundesstaat positive Effekte auf die Staatlichkeit hat. So werden gar „Kataloge von Tugenden bundesstaatlicher Ordnung" 5 erstellt. Die dort aufgezählten Vorteile der bundesstaatlichen Ordnung lassen sich in zwei Gruppen zusammenfassen: Der Bundesstaat hat erstens eine freiheitssichernde Wirkung und verbessert zweitens in staatsorganisatorischer Hinsicht die Funktionsfähigkeit des Systems.6 Durch eine zusätzliche Ebene der Gewaltenteilung, die mit der Aufteilung der Staatsgewalt auf Bund und Länder verbunden ist, wird Machtmissbrauch verhindert. 7 Dieser Effekt dient gleichzeitig der Freiheitssicherung zugunsten des einzelnen Bürgers und der Stabilisierung des politischen Systems durch Ausbalancierung der Gewalten.8 Im Bundesstaat als einem aufgegliederten Staatswesen haben zudem Minderheiten, deren Position im Gesamtstaat kaum ins Gewicht fällt, eine bessere Chance, wahrgenommen und hinsichtlich ihrer Interessen berücksichtigt zu werden.9 Die größere Ortsnähe, die Entscheidungen auf Länder1 Calliess, DÖV 1997,889,891; Gramm, AöR 124(1999),212,213;/^^,HbStRIV, §98 Rdnr. 299; ders., AöR 115 (1990), 248,248 f.; Vogel, HbVerfR, § 22 Rdnr. 12. 2 Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, S. 225. Vgl. zur Rechtfertigung des Bundesstaats durch Smends Integrationslehre, Korioth, Integration und Bundesstaat, 1990. 3 Vgl. Isensee, Bundesstaat, S.727. 4 S. dazu Isensee, AöR 115 (1990), 248, 261 f. 5 Kisker, Grundlagen, S.24. 6 Diese Einteilung nehmen vor Kisker, Grundlagen, S. 25; Stern, StR I, § 19 I I 2 (S. 658). Vgl. auch die Übersichten bei Bauer, in: Dreier, Art. 20 (Bundesstaat), Rdnr. 17; Hesse, Grundzüge, Rdnr. 220 ff.; Lauf er/Pilz, Einleitung, S. 9 ff., jeweils m. w. N. 7 Vgl. im Einzelnen S. 161 ff. 8 Schenke, JuS 1989,698 ff.; Stern, StR I, § 19 I I 2 (S. 658); Vondenhoff, DÖV 2000,949,952. 9 S. Kisker, Grundlagen, S.24.

Schlussbemerkung

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ebene gegenüber Entscheidungen des Bundes aufweisen, fördert ihre Sachgerechtigkeit und ihre Orientierung an den Bedürfnissen vor Ort. 10 Darüber hinaus werden durch die Einführung einer zweiten staatlichen Ebene die Einflussmöglichkeiten des Einzelnen erhöht. 11 Gleichzeitig werden durch Verlagerung von Entscheidungen auf eine niedrigere staatliche Ebene die Entscheidungsprozesse für den Einzelnen übersehbarer und durchschaubarer, so dass sowohl die Akzeptanz der Entscheidungen erhöht als auch der Anreiz zu eigenem politischen Engagement vergrößert wird. Angeführt werden soll noch, dass durch den Bundesstaat der Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Lösungsansätzen bezüglich der zu entscheidenden Fragestellungen verstärkt und die Bereitschaft zum Experiment und zur Innovation erhöht wird. 12 Dieser Aufstellung positiver Effekte des Bundesstaats wird eine vermutlich ebenso lange Liste entgegengehalten, die die Nachteile einer bundesstaatlichen Ordnung aufzeigt. 13 Diese enthält vor allem den Einwand, dass die Aufteilung in Gesamtstaat und Gliedstaaten zu komplizierten Entscheidungsprozessen führt, die das politische und administrative Gesamtsystem schwerfällig, langsam und uneffizient machen. Zudem wird einem bundesstaatlich organisierten Staat die Fähigkeit abgesprochen, ein Maß an Einheitlichkeit zu gewährleisten, das dem Bedürfnis der Bürger nach Gleichheit der Lebensverhältnisse und Chancengleichheit unabhängig vom Wohnort gerecht wird. 14 Zur Begründung einer Unitarisierung wird weiterhin vorgebracht, dass in einem modernen Staat großräumig wirksame Entscheidungen getroffen werden müssen, die eine zentralistische Organisation erfordern. 15 Auflösen lassen sich die dargelegten Positionen nicht. Sie beruhen auf der Struktur und der Funktionsweise einer bundesstaatlichen Ordnung und werten diese für die Realität des aktuellen Gemeinwesens. Das Austauschen von Argumenten kann damit letztlich nur ein Ziel haben: Es geht darum, eine konkrete bundesstaatliche Ordnung zu entwickeln, die in einer Austarierung der föderalistischen und unitaristischen Elementen geeignet ist, den Anforderungen an den gegenwärtigen Staat gerecht zu werden. Eine solche Ordnung könnte das Bedürfnis nach Rechtfertigung erfüllen. 2. Der Bundesstaat kann die ihm zugesprochenen positiven Effekte nur dann entfalten, wenn den Ländern Kompetenzen verbleiben, die sie eigenständig, im Rah10

Frowein, Konstruktion des Bundesstaates, S. 54; Millgramm, DVB1. 1990, 740, 741; Volkmann, DÖV 1998, 613, 615. 11 Bauer, in: Dreier, Art. 20 (Bundesstaat), Rdnr. 17; Frowein, Konstruktion des Bundesstaates, S. 54; Isensee, AöR 115 (1990), 248, 270. 12 Benda, Föderalismus, S.73; Calliess, DÖV 1997,889,891; Millgramm, DVB1.1990,740, 741; Vondenhoff, DÖV 2000, 949, 952. 13 S. beispielsweise die Aufstellung bei Stern, StRII, § 19 I I 2 (S.659). 14 Vgl. Benda, Föderalismus, S.73; Degenhart, ZfA 1993, 409, 420f.; Hesse, Unitarischer Bundesstaat, S. 127 f.; zu diesem Einwand etwa Millgramm, DVB1. 1990, 740, 741. 15 S. Benda, Föderalismus, S.73; Hesse, Unitarischer Bundesstaat, S. 126f.

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Schlussbemerkung

men der ländereigenen politischen Gestaltungsmacht, ausüben können.16 Die Entfaltung der Vorteile, die die bundesstaatliche Ordnung gegenüber einer einheitsstaatlichen bringt, setzt voraus, dass die Länder als untere, ortsnähere staatliche Einheiten eigenverantwortliche Entscheidungen treffen und sich somit über das Gebiet des Gesamtstaates hinweg ein pluralistisches Bild potenziell unterschiedlicher Aufgabenwahrnehmung ergibt. Dennoch ist in der Verfassungsentwicklung tendenziell zu beobachten, dass die Länder eigene Kompetenzen einbüßen, wenig neue Kompetenzen dazu gewinnen und ihnen statt dessen zusätzliche Einflussmöglichkeiten auf Bundesebene eingeräumt werden. 17 In den vergangenen Jahren hat insbesondere die voranschreitende europäische Integration die Unitarisierungstendenzen verstärkt. 18 Zum einen wurden Zuständigkeiten, die ursprünglich den Ländern zustanden, nunmehr auf die europäische Ebene verlagert. 19 Zum anderen hat sich das Bedürfnis nach einer zentralen Aufgabenwahrnehmung durch die Notwendigkeit verstärkt, gegenüber den anderen Staaten der Europäischen Union einen (gesamt-) deutschen Standpunkt zu vertreten. 20 Im Rahmen der Verfassungsänderung 1994 haben die Länder als Kompensation für die Kompetenzverlagerung einige neue Zuständigkeiten zur eigenverantwortlichen Wahrnehmung erhalten. 21 Von wesentlich größerem Gewicht war jedoch, dass der Bundesrat als das von den Ländern beschickte Organ auf Bundesebene insbesondere in Bezug auf Angelegenheiten der Europäischen Union weitere Mitspracherechte erhalten hat. 22 Insgesamt kann man also von einer Entwicklung hin zu einem „Beteiligungsföderalismus" sprechen.23 Die Stärkung der Bedeutung des Bundesrates kann jedoch eine Reduzierung der Länderzuständigkeiten nicht kompensieren.24 Greift man auf den oben eingeführten Begriff des Entscheidungsträgers zurück 25, wird deutlich, dass auch bei der Beteiligung der Länder über den Bundesrat eine Entscheidung auf Bundesebene nur von 16

Schneider, NJW 1998, 3757, 3758; Stamm!Merkel, ZRP 1998,467,468; Volkmann, DÖV 1998, 613, 615ff. 17 Vgl. für alle Ossenbühl, DVB1. 1989, 1230, 1233. 18 Vgl. zur Entwicklung des deutschen Bundesstaates in der Europäischen Union z.B. Isensee, Bundesstaat, S. 751 ff.; Reich, EuGRZ 2001,1 ff.; Müller-Terpitz, Beteiligung des Bundesrates, S.33ff., 354 ff. 19 Volkmann, DÖV 1998, 613, 617; im Einzelnen Schmalenbach, Föderalismus und Unitarismus, S. 175 ff. 20 Degenhart, ZfA 1993, 409, 423. 21 Vgl. dazu Sommermann, Jura 1995, 393 ff.; vgl. auch Schmalenbach, Föderalismus und Unitarismus, S.75ff. 22 Isensee, Bundesstaat, S. 763 ff.; Sommermann, Jura 1995, 393, 397 f.; im Einzelnen Müller-Terpitz, Beteiligung des Bundesrates, S.97ff. 23 Z.B. Volkmann, DÖV 1998, 613, 617. 24 Erbguth, Erosion der Ländereigenstaatlichkeit, S. 566; Gramm, AöR 124 (1999), 212, 216; Ossenbühl, DVB1. 1989, 1230, 1235; Pernice, in: Dreier, Art. 23 Rdnr. 95 m. w. N.; Schmalenbach, Föderalismus und Unitarismus, S.49f.; Volkmann, DÖV 1998, 613, 617. 25 Siehe S. 160f.

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einem Entscheidungsträger getroffen wird. Man gewinnt eine einheitliche Entscheidung, verliert aber eine mögliche Vielfalt. Ein Wettbewerb von Lösungen scheidet damit ebenso aus wie eine unmittelbare Berücksichtigung spezifischer Länderinteressen. Sie fließen zwar durch die Mitwirkung des Bundesrates in den Entscheidungsprozess ein; dieser führt allerdings zu einem Kompromiss, in dem sich die jeweiligen Anliegen nur teilweise wiederfinden werden. Kompromisse tendieren darüber hinaus dazu, den kleinsten gemeinsamen Nenner als Ergebnis zu präsentieren, und hemmen damit Innovationen.26 Auch die Stärkung des Demokratieprinzips kann durch eine ausgeweitete Beteiligung des Bundesrates nicht in gleicher Weise wie eine eigenständige Aufgabenwahrnehmung durch die Länder erfolgen. Der Bundesrat ist eine Exekutivorgan, besetzt mit Regierungsvertretern aus den Ländern. Eine Verlagerung von Entscheidungen auf Ebene des Bundes bedeutet, auch wenn die Mitwirkung des Bundesrates vorgesehen ist, eine Reduzierung der Befugnisse der Länderparlamente und damit der Organe, die unmittelbar durch die Wahlbürger der Länder legitimiert sind.27 3. Jenseits der Frage, in welchem Umfang den Ländern Kompetenzen verbleiben müssen, damit sie nicht ihre nach Art. 20 Abs. 1, 79 Abs. 3 GG garantierte Eigenstaatlichkeit verlieren, steht also die Notwendigkeit fest, dass die Länder eigener Zuständigkeiten bedürfen, damit der Bundesstaat seine positiven Wirkungen im Hinblick auf Freiheitssicherung und Demokratieverwirklichung entfalten kann. Bezüglich der Nachteile, die dem Bundesstaat angelastet werden, erscheint aber eine Rechtfertigung dafür notwendig, welche Zuständigkeiten den Ländern zugewiesen werden sollen. Mit dem Ziel vor Augen, eine funktionsfähige bundesstaatliche Ordnung zu schaffen, ist eine Länderzuständigkeit dann zu befürworten, wenn sie konkrete Vorteile gegenüber einer Bundeszuständigkeit bringt. 4. Für den Bereich der Kunst wurde gezeigt, dass die Länderzuständigkeit gegenüber der Bundeszuständigkeit erhebliche Vorteile aufweist. Insbesondere die Verwirklichung der grundrechtlich geschützten Kunstfreiheit kann bei einer Kompetenzwahrnehmung durch die Länder besser gewährleistet werden. Auch unter Berücksichtigung der allgemein gegen eine bundesstaatliche Aufteilung angeführten Argumente, hat dieses Ergebnis Bestand. Im Sachbereich Kunst ist - wie oben ausgeführt - Vielfalt von vornherein positiv zu bewerten, da sie der Freiheitssicherung dient. Die Forderung nach mehr Einheitlichkeit ist also in diesem Bereich nicht aktuell. Das Erfordernis der Gleichheit stellt sich im Sachbereich Kunst insbesondere bei der Gewährung staatlicher Förderung. Es geht hier bereichsspezifisch vor allem um die Sicherung einer Chancengleichheit: jedermann soll die gleichen Chancen haben, in den Genuss staatlicher Förderung für seine Aktivitäten im Bereich der Kunst zu kommen. Diese Chancengleichheit wird jedoch - wie ge26

Kisker, Grundlagen, S. 31. Ossenbühl, DVB1. 1989, 1230, 1235; Schmalenbach, Föderalismus und Unitarismus, S.50; Volkmann, DÖV 1998, 613, 617. 27

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zeigt - ebenfalls am besten durch eine Länderzuständigkeit gewährleistet; auch hier spielt die Pluralität unterschiedlicher Förderkonzepte, die durch eine bei den Ländern angesiedelte Kompetenz organisatorisch gesichert ist, die für die Sicherung der Chancengleichheit entscheidende Rolle. Der Vorwurf der Ineffektivität staatlichen Handelns kann im Hinblick auf eine Länderzuständigkeit für die Kunstpflege nicht durchgreifen. Effektivität kann nicht allgemein definiert werden, sondern muss im Hinblick auf die zu erledigende Aufgabe bestimmt werden. 28 Im Bereich der Kunst liegt Effektivität vor allem in einer möglichst wirksamen Freiheitssicherung. Damit spricht auch der Hinweis auf die notwendige Effektivität staatlicher Tätigkeit im Bereich der Kunst für eine Länderzuständigkeit. 5. Die Erörterung der Tätigkeiten des Bundes zur Kunstpflege hat erbracht, dass der Bund in nicht unerheblichem Maße außerhalb seiner Zuständigkeiten handelt. Noch einmal ist hervorzuheben, dass die praktizierten Kooperationsmodelle zwischen Bund und Ländern im Bereich der Kunstpflege verfassungsrechtlich nicht zulässig sind. Ein solches Ergebnis setzt sich dem praktischen Einwand aus, mit dieser Argumentation werde kulturellen Einrichtungen und Veranstaltungen eine wichtige Quelle der Förderung verschlossen.29 In Zeiten angespannter Haushaltslage der öffentlichen Hand werde damit nicht gleichzeitig eine andere Quelle, also die der Länder, zum Sprudeln gebracht. Mit dem Darlegen der Vorteile einer Länderzuständigkeit im Bereich der Kunst wurde jedoch gezeigt, dass die Verfassungsentscheidung für diese Kompetenzverteilung nicht einfach das Ergebnis einer Wahl zwischen zwei Möglichkeiten ist. Sie ist zumindest im Bereich der Kunst sachgerecht und insofern eine „wohlverteilte Ordnung der Staatsgewalt".30 Die effektivere Sicherung der Kunstfreiheit bei einer Zuständigkeit der Länder vermag den praktischen Einwand zwar nicht zu entkräften und die Betroffenen nicht zu trösten. Sie gibt dem Verfasser jedoch die Sicherheit, nicht grundlos auf einer verfassungsrechtlichen Regelung zu bestehen - sofern man die Verfassung selbst nicht als Grund genug ansieht. 6. Bewusst wurde bislang auf eine Stellungnahme zum Kulturföderalismus verzichtet, der als das Spezifikum der deutschen Bundesstaatlichkeit und als wesentliches Element zur Rechtfertigung des Bundesstaats überhaupt angesehen wird. 31 28

So auch Hufen, Kulturstaatlichkeit und Bundesstaat, S.216. Man darf nicht übersehen, dass die Länder - allen voran Berlin - gegen Bundesmittel für einzelne kulturelle Einrichtungen nichts einzuwenden haben. Vgl. Wefing, FAZ v. 21.3.2001, S. 67: „Föderal? Zentral? Ganz egal: Berlin erfleht ein ,Kulturstipendium' des Bundes". Gleichzeitig steht auch der Bund unter dem Druck leerer Kassen; sein Rückzug aus früheren Finanzierungen kann aber als Vertretung eines prinzipienfesten Kulturföderalismus und Schritt zur „Entflechtung" dargestellt werden. S. Wefing, Berlin - Blockade, FAZ v. 18.5.2001, S.45. 30 Vgl. zur Kompetenzordnung als „wohlverteilter Ordnung der Staatlichkeit" Badura, Rechtfertigung, S.56; Hufen, NVwZ 1983, 516, 517; Isensee, HbStR V, §98 Rdnr.214. 31 Geis, DÖV 1992, 522, 523ff.; Häberle, Kulturstaat, S.50f.; Hufen, BayVBl. 1985, 1 ff.; Isensee, HbStR IV, §98 Rdnr.215; Reuhl, JZ 1981, 321, 325f. 29

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Kulturföderalismus ist ein problematischer Begriff. Das beginnt damit, dass unklar ist, was eigentlich damit bezeichnet werden soll. Eine Begriffsdefinition findet sich nirgends. Man wird sich wohl darauf einigen können, dass mit „Kulturföderalismus" zweierlei zum Ausdruck gebracht werden soll: Zum einen weist der Begriff Kulturföderalismus auf die Entstehungsgeschichte des deutschen Bundesstaates hin. Vor der Bildung eines Nationalstaats verstand sich die Bevölkerung der deutschen Territorialstaaten insbesondere aufgrund der gemeinsamen Sprache als Kulturnation. 33 Die Eigenständigkeit der Territorialstaaten - auch in kultureller Hinsicht - führte jedoch zu einer staatlichen Einigung als Bundesstaat, nicht als Einheitsstaat.34 Zum anderen verweist er für die heutige Verfassungslage darauf, dass der Schwerpunkt der Zuständigkeiten im - hier wohl weitgefassten, das heißt zumindest Schule, Hochschule, Kunst umfassenden - Bereich der Kultur bei den Ländern liegt. Mit diesem zweiten möglichen Bedeutungsinhalt wird aber zugleich ein weiteres Problem des Begriffs „Kulturföderalismus" deutlich. Hier werden mit den Bereichen Schule, Hochschule und Kunst - um sich hierauf zu beschränken - drei sehr unterschiedliche Bereiche zusammengefasst. 35 Dabei muss bei genauerer Betrachtung doch eingeräumt werden, dass Schule, Hochschule und Kunst jeweils sehr unterschiedliche Anforderungen an staatliches Handeln stellen. So ist insbesondere der Aspekt der Chancengleichheit bei staatlicher Tätigkeit, die das Schul- oder Hochschulwesen betrifft, anders zu bewerten als im Bereich der Kunst. Beispielsweise müssen Schulbildung und Schulabschlüsse als Voraussetzung beruflicher Tätigkeit zumindest soweit vereinheitlicht werden, dass ein Wechsel von einem Bundesland in ein anderes ohne größere Nachteile möglich ist. Die Notwendigkeit der Vereinheitlichung ist daher wesentlich stärker als im Bereich der Kunst. Für die Hochschule stellen sich wiederum andere Schwierigkeiten; hier geht es vor allem darum, die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre zu garantieren, wofür eine entsprechende Organisation des Hochschulwesens erforderlich ist. 36 Auch dieser Bereich unterscheidet sich erheblich von dem der Kunst, wo derartige Strukturen, wie sie die Universitäten bieten, nicht notwendig, aber auch nicht erwünscht sind. Freiheitssicherung bedeutet daher in den unterschiedlichen Bereichen der Kultur Unterschiedliches.37 32 Anders Häberle, Die Verwaltung 1991,169,187, der den Kulturföderalismus für ein „geglücktes Wort" hält. 33 V. Beyme, Kulturpolitik und nationale Identität, S. 10; Geis, DÖV 1992,522,524; Isensee, HbStR IV, §98 Rdnr.215. 34 Boldt, Verfassungsgeschichte, Bd.2, S. III; Huber, HbStR I, §2 Rdnr.20; Isensee, HbStR IV, §98 Rdnr. 306; Oeter, Integration und Subsidiarität, S.29. 35 Vgl. Isensee, HbStR IV, § 213 Rdnr. 275. Zur entsprechenden Problematik bei der Bildung des Begriffs „Kulturstaat" Geis, Kulturstaat, S.237; Steiner, VVDStRL 42 (1984), 7,13ff. 36 Zur Notwendigkeit zentralstaatlichen Handelns im Bereich der Hochschule, Badura, Rechtfertigung, S.59. 37 Daher müssen Aussagen wie „Kulturelle Freiheit der Bürger und kulturelle Kompetenz der Gliedstaaten gehören zusammen!" (Häberle, Kulturverfassungsrecht im Bundesstaat,

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Schlussbemerkung

Allgemeine Aussagen über den Kulturföderalismus sind daher selten ergiebig. Es erscheint überzeugender, auf einzelne Sachbereiche abzustellen und aus dieser Perspektive konkrete Anforderungen an die Organisation staatlichen Handelns zu stellen, zu der auch die Verteilung von Zuständigkeiten auf Bund und Länder gehört. 7. Am Schluss steht ein Plädoyer dafür, den Bundesstaat nicht nur als Gesamtform einer staatlichen Organisation zu sehen, sondern seine einzelnen Regelungen auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen. Auf diese Weise können Argumente für die Erhaltung, aber auch für die intensivere Wahrnehmung von Länderkompetenzen in bestimmten Sachbereichen gewonnen werden. Das kann ein Weg sein, nicht nur prinzipielle, sondern auch konkrete, auf bestimmte Sachbereiche bezogene Gesichtspunkte gegen die grundsätzlich festzustellende Verminderung der Zuständigkeiten der Länder aufzuzeigen. Zu der allgemeinen Befürwortung einer Stärkung der Länder durch Mehrung ihrer Kompetenzen, die für eine Steigerung der positiven Effekte einer bundesstaatlichen Ordnung erforderlich ist, tritt dann für den untersuchten Sachbereich das Argument der Sachgerechtigkeit einer Länderzuständigkeit hinzu.

S. 59) für die Kulturbereiche, die nicht dem Sektor Kunst zugerechnet werden können, erst noch bewiesen werden.

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arverzeichnis Allzuständigkeit des Staates 32 Amtsträger 27, 132 Analogie 71,80,84,131 Annexkompetenz 55, 57, 138, 140, 144 Anschütz'sche Formel 67, 70, 72, 75 Architektur 139 Auslegung - Ermittlung von Annexkompetenzen 57 - Ermittlung von Kompetenzen kraft Natur der Sache 71,82 - Ermittlung von Kompetenzen kraft Sachzusammenhang 57 - systematische 58, 185 - teleologische 58 - und Natur der Sache 77 Außenminister 104 Außenpluralismus 182 Außenpolitik 104 Auswärtige Angelegenheiten 115 Auswärtige Kulturpolitik 104 - Abgrenzungsfragen 118,148 - Kompetenzverteilung 107 - Mittlerorganisationen (s. dort) - Zielsetzung 104 Auswärtiger Dienst 117 Auswärtiges Amt 104,116 Beteiligungsföderalismus 201 Bundesadler 126 Bundesbehörde 15 Bundesflagge 125, 128 Bundeskulturbeauftragter (s. Kulturbeauftragter) Bundesländer 179 -Eigenstaatlichkeit 11,160,202 - kulturelle Eigenheiten 179 - Landesbewusstsein 180 - neue Bundesländer 86, 174 B undeskulturstiftung - Entstehung 144

- Finanzierung 146 - Kompetenz 147 Bundesrat 202 Bundesstaat 199 - Rechtfertigung 157, 199 - und Kompetenzordnung 71 Bundesstaatsbegriff 153 Bundesstaatsklausel 110 Bundesstaatsprinzip 153 Bundesstadt 139 Bundesverdienstkreuz 126 Bundesvertriebenengesetz 92, 94 Bundeswappen 126 Denkmäler 140 Denkmalschutz 143 Ehrenzeichen 126 Eigenstaatlichkeit der Länder 11, 202 Einigungsvertrag 87, 171 Erforderlichkeitsklausel 66, 192 Evidenzargument 72, 73, 130 Feiertage 28, 127 Filmfördergesetz 100 Filmförderung 100 Finanzierungsabkommen 50,61,142 Finanzierungskompetenz 45, 118, 203 Flagge (s. Bundesflagge) Flüchtlinge 92 Flurbereinigungsabkommen (s. Finanzierungsabkommen) Föderalismus 156 Förderentscheidung 169, 176 Gedenkstätten 141 - als Staatssymbole 29 - Gedenkstättenkonzept 29 - Holocaust-Mahnmal (s. dort) Gedenktage 28, 127 Gemeinschaftsaufgabe 43, 53

Sachwortverzeichnis Geschichtsbewusstsein - Pflege des Geschichtsbewusstseins 29, 140 Gewaltenteilung 40, 193, 199 - funktionell-rechtliche Betrachtung 194, 198 - horizontale 194 - vertikale 195 Gleichheitssatz 77 Hauptstadt - als Staatssymbol 29 - Festlegung 134 - Kulturförderung 136 Hausgutformel 11 Holocaust-Mahnmal 18, 141 Integration 27, 133 Kompetenz - Annexkompetenz 55, 138 - aus der Natur der Sache 60, 130, 135 - kraft Sachzusammenhang 56,138 - ungeschriebene 53 Kompetenzordnung - Abdingbarkeit 61 - abschließende Regelung 36 - Anwendbarkeit 36 - Gleichwertigkeit von Bundes- und Länderkompetenzen 41 - Grundnorm 39 - materiale Rechtsfolgen 184 - Regelungstechnik 43 - Sachgerechtigkeit 182,205 - und Bundesstaat 71 - Verfassungsrang 183 - Zuständigkeitsvermutung 36 Kriegsgräberpflege 143 Kulturabkommen 109 - Lindauer Absprache (s. dort) - Ständige Vertragskommission der Länder 111 - Transformationskompetenz 110 - Vertragsschlusskompetenz 110,112 Kulturausschuss 17 Kulturaustausch 92, 105 Kulturbeauftragter 14, 145 Kulturbesitz, Preußischer (s. Stiftung Preußischer Kulturbesitz)

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Kulturföderalismus 204 Kulturhoheit 11 - Begriff 11 - Hausgutformel 11 Kulturminister 15 Kulturpflege 20 Kulturpolitik 21, 148 - auswärtige Kulturpolitik (s. Auswärtige Kulturpolitik) - Begriff 21 - Tätigkeit des Bundes 14,49,86,92,96, 100,105 Kulturstaat 172 Kulturstaatsklausel 171 - als Staatszielbestimmung 172 - Bundesebene 171 - Landesebene 174 - rechtliche Qualifikation 172 Kulturstiftung - der Länder 18, 144, 147 - des Bundes (s. Bundeskulturstiftung) Kultusministerkonferenz 111 Kunst - Autonomie 170 - Begriff 22 - Eigengesetzlichkeit 170 Kunstförderung 168 - Begriff 24 - Kompetenz der Länder 150 - Neutralität des Staates 170 - Pflicht des Staates 168 Kunstfreiheit 22,164 - Abwehrrecht 163 - Förderpflicht 168 - grundrechtlicher Schutz 163 - historische Auslegung 166 - objektiv-rechtliche Dimension 167 - Schutzumfang 22,164 - Teleologische Auslegung 166 Kunstpflege 20 - als Staatsaufgabe 31 - Begriff 20 - Untersuchungsgegenstand 20,22 Kunstrichtertum 169 Länderkompetenzen - Bestimmbarkeit 43 - Denkmalpflege 144

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arverzeichnis

- Filmförderung 101 - Gedenkstättenpflege 142 - Gleichwertigkeit 41 - Hauptstadtkulturpflege 136 - Hausgutformel 11 - Kulturabkommen 109 - Kunstförderung 150 - Nationalstiftung 147 Lindauer Absprache 111 Literaturförderung 50, 60,106 Leuchttürme Ost 87 Lückenschließung 71, 80, 85, 130 Minderheitenschutz 182 Mischfinanzierung 46, 89 Mittlerorganisation 106 - Deutscher Musikrat 107 - Goethe-Institut Inter Nationes 106 - Institut für Auslandsbeziehungen 107 Musikförderung 49,95, 106 Nationalfeiertag 28, 127, 133 Nationalhymne 28,125 Nationalstiftung (s. Bundeskulturstiftung) Natur der Sache 60,128 - Kompetenzbegründung 61 - Methodische Überlegungen 67 Naturrecht 72 Optimierungsgebot 186 Orden 126 Organisation staatlicher Entscheidungen 171,176,178 Organisation und Grundrechtsschutz 186 Organisationshoheit 64, 131,138 Parlamentsgebäude 139 Pflege des Geschichtsbewusstseins (s. Geschichtsbewusstsein) Pluralitätssicherung 175, 196 Preußischer Kulturbesitz (s. Stiftung Preußischer Kulturbesitz) Recht der Wirtschaft 102 Rechtschreibreform 33, 69 Regelungslücke 130 Regierungssitz 134, 136 Repräsentation (s. Staatsrepräsentation) 15 Pabel

Sachzusammenhang 56,138 Selbstdarstellung des Staates 17,132 - architektonische 139 - Kompetenzbegründung 50, 128, 134, 139,142,147 - Staatssymbole (s. dort) Staatsaufgabe 31, 129 Staatsminister für Kultur 15 Staatspflege 26, 135 Staatsqualität - der Länder 65,130,160,202 - des Bundes 64, 131, 160 Staatsrechtslehre 155 Staatsrepräsentation 17, 26,132, 134 - Argument zur Kompetenzbegründung 51,61 - Kompetenzen 64, 84 - Mittel 17, 65, 124 Staatssymbole 27, 124 - Bedeutung 27 - Begriff 27 - Funktion 27 - Zuordnung 28 Staatszielbestimmung 34,172 Stiftung Preußischer Kulturbesitz 62, 96 - Entscheidung des BVerfG 62,97 - Entstehung 96 - Finanzierung 96 - Kompetenzumfang 99 Subsidiaritätsprinzip 190 Tag der deutschen Einheit 127 Trägerpluralismus 176, 178 Troeger-Gutachten (s. Finanzierungsabkommen) Überregionalität 68 Uneinheitlichkeit 161 Verfassungsautonomie 64 Vertriebene 92 Verwaltungskompetenzen 43, 116 Vielfalt 161 Vielfaltssicherung 175 Wappen (s. Bundeswappen) Wiedervereinigung 68, 87