Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen [1 ed.] 9783428482467, 9783428082469

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Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen [1 ed.]
 9783428482467, 9783428082469

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Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Band 26

Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen Von Dr. Willy Spannowsky

Duncker & Humblot · Berlin

WILLY SPANNOWSKY

Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen

Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Wolfgang Graf Vitzthum in Gemeinschaft mit Martin HeckeI, Ferdinand Kirchhof Hans von Mangoldt, Thomas Oppermann Günter Püttner, Michael Ronellenfitsch sämtlich in Tübingen

Band 26

Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen

Von Dr. Willy Spannowsky

DUßcker & Humblot . Berliß

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Spannowsky, Willy: Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen / von Willy Spannowsky. - Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht ; Bd. 26) Zugl.: Tübingen, Univ., Habil.-Schr., 1993/94 ISBN 3-428-08246-X NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druckvorlage: W. März, Tübingen Fotoprint: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 3-428-08246-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI-Nonn für Bibliotheken

Für Tanja und Michael

Vorwort Wenn man die Existenzberechtigung von Verwaltungs verträgen und -absprachen akzeptiert, fangen die dogmatischen und rechtsstaatlichen Probleme erst an. Dann muß man sich mit den kritischen Problemzonen und den Mißbrauchsgefahren auseinandersetzen, die mit diesem Handlungsinstrumentarium zusammenhängen. Diese müssen beleuchtet und analysiert werden. Schließlich müssen die Grenzen des Verwaltungshandelns fixiert und die Grundlagen für die Problembewältigung und die Gefahrenverhinderung rechtssystematisch aufbereitet und fortentwickelt werden. All dies ist Thema und Ziel dieser Habilitationsschrift, die von der Juristischen Fakultät der Universität Tübingen im Wintersemester 1993/94 angenommen wurde. Mit der Idee für ein solches Thema allein ist es nicht getan - man braucht auch die Gelegenheit für ihre Umsetzung. Diese Gelegenheit hat mir mein verehrter Lehrer, Prof. Dr. Günter Pütfner, gegeben. Er hat meine Arbeit mit wichtigen Impulsen gefördert und aufmerksam begleitet. Dafür danke ich ihm herzlich. Für seine wertvollen Anregungen und seine rasche Begutachtung danke ich ebenso dem Zweitgutachter, Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch. Da es sich bei dem gewählten Thema um eine komplexe und "pulsierende" Querschnittsmaterie handelt, deren Entwicklung nicht zum Stillstand kommt, war ich sehr froh, daß Prof. Dr. Wolfgang Graf Vitzthum mir die Aufnahme und rasche Veröffentlichung dieser Arbeit in der von ihm herausgegebenen Schriftenreihe ermöglicht hat. Ihm gilt zudem mein Dank sowohl für Denkanstöße im Entstehungsprozeß der Arbeit als auch für seine Unterstützung im Zuge der Veröffentlichung. Tübingenlfrier, im Juni 1994

Willy Spannowsky

Inhaltsverzeichnis Einleitung

21

A. Problematik und Fragestellung ....... .

21

I. Entwicklung und Wandel des Verwaltungsverfahrens

21

11. Der Zusammenhang zwischen Legitimation und Kontrollierbarkeit des Verwaltungshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22

III. Der Zusammenhang zwischen Mißbrauchskontrolle und Legitimation des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen. . . . . . . . . . . ..

23

IV. Die Erforschung der Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen - die Hauptaufgabe zur Fortentwicklung der Dogmatik des Verwaltungsvertrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

24

V. Die Problemzonen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

1. Wahlfreiheit der Verwaltung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

29

2. Der öffentlich-rechtliche Vertrag - ein normativ-polysynthetisches Rechtsinstitut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

30

3. Dogmatische Defizite des öffentlichen Vertragsrechts .. . . . . . . . . .

32

4. Die Gefahren des Mißbrauchs von Verwaltungsverträgen und -absprachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

34

VI. Das Verwaltungsvertragsrecht im Rechtsvergleich . . . . . . . . . . . . . . .

41

VII. Gibt es Ansätze für ein Verwaltungsvertragsrecht der Europäischen Union? . . . . . . . . . .. . . ..

42

VIII. Die Fragestellungen . . . . . . . . . . . . . . . . .

43

B. Begrifflichkeiten und Abgrenzungsfragen . . . .

45

I. Vertrag und Absprache . . . . . . . . . . . . .

45

11. Vereinbarung, Verständigung und Vertrag .

45

III. Vertrag und Zusage . . . . . . . . . . . . . . .

46

IV. Öffentlich-rechtlicher Vertrag, verwaltungsrechtlicher Vertrag und Verwaltungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

47

V. Subordinations- und koordinationsrechtlicher Vertrag ....

48

C. Ziele und Risiken des konsensualen Verwaltungshandelns .

48

10

Inhaltsverzeichnis

I. Ziele und Funktionen des konsensualen Verwaltungshandelns

49

11. Risiken und Gefahren des konsensualen Verwaltungshandelns

51

III. Die Funktion des Rechts als Mittel zur Risikobeherrschung und zum Schutz vor Machtmißbrauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

D. Dogmatischer Ansatz und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . .

55

Kapitell

Die konsensualen Handlungsformen der Verwaltung

59

A. Die Handlungsformen der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . .

59

I. Die Handlungsformen aufgrund der dualistischen Struktur der deutschen Rechtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

61

1. Öffentlich-rechtliche Handlungsformen

62

2. Privatrechtliche Handlungsformen ...

64

11. Die Formen des Verwaltungshandelns innerhalb der verschiedenen Phasen des Verwaltungsverfahrens .. . . . . . . . . . B. Die Formen konsensualen Verwaltungshandelns

64 66

I. Der Vertrag . . . .

68

11. Die Absprache ..

69

III. Der nach Mitwirkung des Verfahrensbeteiligten erlassene Verwaltungs akt

70

Das Problem der nachträglichen Unterscheidung der Erscheinungsformen des Verwaltungshandelns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

71

I. Die Schwierigkeit bei der Abgrenzung eines subordinationsrechtlichen Vertrags von einem mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt . . . . . . . ..

71

11. Die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags von einer Absprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

D. Das Problem der Verknüpfung eines Verwaltungsakts mit einem öffentlich-rechtlichen Vertrag oder einer Absprache . .. . . .

80

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

C.

Kapitel 2

Die Grenzen der Verwaltung bei der Wahl zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Rechtsformen

84

A. Die Lehre von der Wahlfreiheit der Verwaltung ... . . . . . . . . . .

86

Inhaltsverzeichnis

I1

B. Die Lehren von der fehlenden Disponibilität des Staates über seine Privatrechtssubjektivität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

I. Die Lehre vom öffentlichen Recht als zwingendem Sonderrecht des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

89

II. Die Lehre von der fehlenden Privatrechtsfähigkeit des Staates ....

92

III. Die aus der Ultra-Vires-Lehre abgeleitete beschränkte Privatrechtssubjektivität des Staates . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

93

C. Die Lehren von der beschränkten Formenwahlfreiheit .

94

I. Die Kompetenztheorie

.

94

II. Die Normfiktionstheorie

96

III. Die Hoheitstheorie . . . .

96

IV. Die Aufgabentheorie

97

...

D. Die theorienprägenden Wertvorstellungen E. Die Bandbreite der rechtstheoretisch gestützten Abgrenzungsergebnisse .. F.

Determinanten der Wahl zwischen öffentlich- und privatrechtlichen Rechtsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

98 100 102

I. Ablehnung der allgemeinen Wahlfreiheit . . . . . . .

102

II. Schranken der Wahlfreiheit der Verwaltung . . . . .

103

III. Wahl der Rechtsform in Zweifelsfällen vor verfassungsrechtlichem Hin. .. . . .. tergrund ...

106

Zwischenergebnis

110 Kapitel 3

Die Abgrenzung zwischen privat- und öffentlich-rechtlichen Vereinbarungen A. Die Abgrenzung zwischen privat- und öffentlich-rechtlichen Verträgen

I. Die Gegenstandstheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die rechtliche Einordnung von Verträgen in Zweifelsfällen

111 111 113 114

B. Abgrenzung zwischen privat- und öffentlich-rechtlichen Absprachen .

119

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

121

12

Inhaltsverzeichnis Kapitel 4

Freiheit der Wahl der Handlungsebene und des Handlungsinstrumentariums? A. Die Wahl zwischen der formalen und der informalen Handlungsebene I. Das Prinzip der Freiheit der Wahl der Handlungsebene

11. Verfahrensrechtliche Schranken für die Freiheit der Wahl der informalen Handlungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Verfassungsrechtliche Schranken für die Freiheit der Wahl der informalen Handlungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

122 122 122 128 130

1. Verfahrensgestaltung und verfassungsrechtliche Gestaltungsdirektiven

130

2. Rechtsstaatliche Formerfordernisse und informale Handlungsformen .

133

3. Die schrankensetzende Bedeutung des Demokratieprinzips für die Wahl der informalen Handlungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

134

4. Das Willkürverbot und das Kriterium der Gerechtigkeit als Schranke gegen die mißbräuchliche Wahl der Handlungsebene . . . . . . . .

136

5. Das Effizienzkriterium und seine schrankensetzende Bedeutung für die Wahl der Handlungsebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

136

IV. Legitimation eines etwaigen in der Wahl der Abspracheform liegenden Rechtsverstoßes durch "Kompensation"? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

143

B. Die Wahl der Vertragsform und der Form der Absprache anstelle einseitig-hoheitlicher Handlungsformen und deren Schranken . . . . . . . . . . ..

144

I. Die Wahl des Vertrags als Ersatz für einseitig-hoheitliches Handeln des Staates und deren rechtliche Schranken

144

I. Der einzelaktsvertretende Vertrag

144

2. Der normersetzende und norm abwendende Vertrag

148

3. Der planersetzende, planabwendende und planvorbereitende Vertrag

152

11. Die Wahl der Absprache als Ersatz für einseitig-hoheitliches Handeln des Staates und deren rechtliche Schranken

153

I. Die einzelaktsvertretende Absprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

154

C.

2. Die normersetzende, normabwendende und normvorbereitende Absprache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

155

3. Die planersetzende, planabwendende und planvorbereitende Absprache

156

Die Grenzen der Freiheit der Verwaltung bei der Erweiterung ihres Handlungsarsenals .. . .. . . . .

156

Zwischenergebnis ...... .

157

Inhaltsverzeichnis

13

Kapitel 5

Der rechtliche Rahmen für das Verwaltungshandeln durch privatrechtliche Verträge

162

A. Die generelle Anwendung zivilrechtlicher Vorschriften und Grundsätze auf privatrechtliche Verträge der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164

B. Die Überlagerung der zivilrechtlichen Kontrollmaßstäbe durch öffentlichrechtliche Vorschriften und Grundsätze. . . . . . . . . . . . . . . . . . .

164

C. Beispiele bereichsspezifisch ausgebildeter privatrechtlicher Verträge der Verwaltung . . . . . . .

168

I. Konzessionsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

168

11. Privatrechtliche Verträge im Rahmen grenzüberschreitender interkommunaler Zusammenarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

180

III. Vergabe von Bau- und Lieferaufträgen im öffentlichen Auftrags- und Beschaffungswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

185

Zwischenergebnis . . . .

192 Kapitel 6

Der rechtliche Rahmen für das Verwaltungshandeln durch öffentlich-rechtliche Verträge

194

A. Die Grundtypen öffentlich-rechtlicher Verträge . . . . . . .

195

I. Die koordinations- und subordinationsrechtIichen Verträge

200

11. Die Verpflichtungs- und Verfügungsverträge . . . . . . . . . . .

205

III. Einseitig und zweiseitig verpflichtende Verträge . . . . . . .

207

IV. Öffentlich-rechtliche Verträge mit und ohne Sanktion .

208

V. Gesetzlich vertypte öffentlich-rechtliche Verträge mit speziellen Recht. . . . . . . mäßigkeitsvoraussetzungen und Fehlerfolgen ...

211

1. Vergleichsverträge . . .

211

2. Prozeßvergleiche ...

215

3. Austauschverträge ..

217

4. Gemischte Verträge .

221

B. Gestaltungsvielfalt im öffentlichen Vertragsrecht ...

224

14

Inhaltsverzeichnis

C.

Das Recht der öffentlich-rechtlichen Verträge terie . . . . . . .

eine Querschnittsma-

229

D. Die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts als Regelungsraster für die Gestaltung der öffentlich-rechtlichen Verträge. . . . . . . . . . . . . . . . ..

232

I. Vertragsvorschriften des BGB - anerkannte Ergänzungsmaterie für die Lückenfüllung oder nur Grundmodell zur Bewältigung von Anwendungsproblemen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

235

1. Die Geltung des Abstraktionsprinzips im öffentlichen Vertragsrecht ..

237

2. Das Trennungsprinzip und die Kombination vertraglicher Regelungen mit einem Verwaltungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

239

3. Ansprüche im Zusammenhang mit einem öffentlich-rechtlichen Vertragsverhältnis nach dem Vorbild des Bürgerlichen Gesetzbuchs

242

11. Beispiele bürgerlich-rechtlich geprägter Gestaltungsformen . . . . . . . . ..

245

I. Abstrakte und kausale Schuldanerkenntnisse in öffentlich-rechtlichen Verträgen . . . . . . . . . . . . . . .

245

2. Vereinbarung von Vertragsstrafen

252

3. Vereinbarung von Verzugszinsen .

253

4. Schiedsklauseln und Schiedsabreden . . . .

256

III. Das die Einhaltung der Grenzen des Verwaltungshandelns durch öffentlich-rechtliche Verträge sichernde zivilrechtlich geprägte Haftungssystem .

260

1. Die Folgen einer mißbräuchlichen Wahl des Handlungsmittels

261

2. Die Folgen der Nichtigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags

262

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

266

Kapitel 7

Die für die Gestaltung und Inhaltskontrolle von Verwaltungsverträgen geltenden Grundprinzipien A. Gibt es einen Grundsatz der Vertragsfreiheit der Verwaltung?

. ..

271 272

B. Die Dispositionsbefugnis der Verwaltung als Voraussetzung der Vertragsgestaltungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

277

C. Das Prinzip der Vertragsbindung (paeta sunt servanda) und die Bestandskraft von Verwaltungsverträgen . . .

279

I. Bedeutung des Grundsatzes "paeta sunt servanda" . . . . . . . . . . . . . ..

279

11. Die Unterscheidung zwischen wirksamen gesetzesabweichenden und nichtigen Verträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

281

Inhaltsverzeichnis

15

III. Der Anwendungsbereich der Lehre vom Wegfall der Geschäftsgrundlage im öffentlichen Vertragsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

284

IV. Die Bedeutung des Grundsatzes der Vertragsbindung als Fundamentalprinzip des Verwaltungsvertragsrechts und die Notwendigkeit der Einschränkung des Bindungsgrades im öffentlichen Interesse . . . . . . . . . .

287

D. Die Einwilligung als Voraussetzung für die Wirksamkeit der Einwirkung auf den Rechtskreis des privaten Vertragspartners der Verwaltung - der Grundsatz "volenti non fit iniuria" . . . . . . . . . .

290

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . .

293

Kapitel 8

Die Mißbrauchsschranken des Verwaltungsvertragsrechts

295

A. Die Bestandskraft öffentlich-rechtlicher Verwaltungsverträge und die Funktion des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung als Schranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

297

I. Reichweite der Schrankenfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

297

II. Der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit und sein Konflikt mit Prinzipien des Vertragsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

300

III. Konfliktlösung durch verfassungskonforme Auslegung der Nichtigkeitstatbestände? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

305

B. Die Bestandskraft zivilrechtlicher Verwaltungsverträge und die Funktion des Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung als Schranke

315

C. Die Funktion der Einwirkungs- und Kontrollpflichten der öffentlichen Hand als Schranke zur Verhinderung mißbräuchlicher Gestaltungen von Kooperationsverträgen der Verwaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

317

D. Das Willkürverbot und das Postulat der Gerechtigkeit als Maximen und Schranken der Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . .

321

I. Das Verbot gleichheitswidriger Vertragsgestaltung

321

II. Die Grenze des Institutsmißbrauchs . . . . . . . . .

322

III. Das Gebot der Systemkonformität der BehördenIeistung ..

324

IV. Grenzen der Verfahrensgerechtigkeit und des Drittschutzes bei drittbelastenden Effekten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

325

E. Die Funktion der Aufgabenzuweisungsnorm und der Handlungsermächtigung als die Dispositionsbefugnis begrenzende Zuständigkeitsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

330

16 F.

Inhaltsverzeichnis Die Funktion gesetzlicher Zweckvorgaben als bindende Direktiven für die Vertragsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

332

G. Gesetzliche Wertungen aus anderen Regelungsmaterien als systemübergreifende Maßstäbe der Inhaltskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

333

H. Das KoppeIungsverbot als das rechtsstaatliche Gebot der Gerechtigkeit flankierende Mißbrauchsschranke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

339

I. Das rechtsstaatliche Koppelungsverbot und seine einfach-gesetzlichen Ausprägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

339

11. Das KoppeIungsverbot in der einfach-gesetzlichen Ausprägung des § 56 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

341

III. Der Inhalt des Koppelungsverbots

342

I.

Der Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit und seine einfachgesetzlichen Ausprägungen als das rechtsstaatliche Gebot der Gerechtigkeit flankierende Mißbrauchsschranke ...... .. . . . . . . .

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

347 348

Kapitel 9

Die sachspezifische Bedeutung des Koppelungs- und des Übermaßverbots im Rahmen wichtiger Vertragstypen (veranschaulicht anhand der Vertragstypen des Baurechts)

352

A. Die Bedeutung des öffentlichen Baurechts für die dogmatische Entwicklung des Verwaltungsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

353

B. Die sachspezifische Bedeutung des Koppelungs- und des Übermaßverbots im Baurecht .. .. . . . . . . . ..

359

I. Der Erschließungsvertrag . . . . . . . . . . .

359

1. Die vertragstypischen Charakteristika .

359

2. Die vertragstypische Bedeutung des Koppelungs- und des Übermaßverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

368

11. Der Vorausleistungsvertrag

....... .

373

1. Die vertragstypischen Charakteristika

373

2. Die vertragstypische Bedeutung des Koppelungs- und des Übermaßverbots . . . . . . .. . . . . . . . . .. . .. . .

373

III. Der Folgelastenvertrag . . . . . . . . . . . 1. Die vertragstypischen Charakteristika

374 374

Inhaltsverzeichnis 2. Die vertragstypische Bedeutung des Koppelungs- und des Übermaßverbots . . . . . . . . IV. Der Ablösungsvertrag . . . . . . . . . . . . I. Die vertragstypischen Charakteristika 2. Die vertragstypische Bedeutung des Koppelungs- und des Übermaßverbots . . . . . . . . . . . . . . V. Der Einheimischenmodellvertrag . . . . .

17 376 377 377 380 381

1. Die vertragstypischen Charakteristika

381

2. Die vertragstypische Bedeutung des Koppelungs- und des Übermaßverbots . . . . . . . . . . .

383

VI. Der Vorhabenträgervertrag . . . . . . . . .

384

1. Die vertragstypischen Charakteristika

384

2. Die vertragstypische Bedeutung des Koppelungs- und des Übermaßverbots . . .

387

Zwischenergebnis .

389 Kapitel 10

Das SpannungsverhäItnis zwischen den Mißbrauchsschranken und dem Prinzip der Freiwilligkeit der vertraglichen Ptlichtenübernahme A. Praktische Beispielsfälle zur Veranschaulichung der kritischen Problem-

zone

393

394

B. Das Kriterium der Freiwilligkeit als Legitimationsgrund für die Pflichtenerweiterung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

407

I. Die Funktion der Grundrechte als Schutz vor Selbstgefährdung und Selbstschädigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

408

11. Die Freiwilligkeit der Pflichtenübernahme und das rechtsstaatliche Kop. . . . . . . . . . . . . . .. pelungs- und Übermaß verbot . . . . . . . . .

416

III. Konsens als Indiz für die .. Freiwilligkeit" des HandeIns privater Vertragspartner der Verwaltung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

417

IV. Die Freiwilligkeit der Pflichtenübernahme und die durch die Kompetenzordnung gezogenen Grenzen

423

Zwischenergebnis . . . . . . . . . .

425

2 Spannowsky

Inhaltsverzeichnis

18

Kapitel 11

Der verwaltungstypologische Rahmen der Gestaltungsfreiheit der Verwaltung im Verwaltungsvertragsrecht

427

A. Hoheitsverwaltung . . . .

428

I. Steuerrechtliche Verträge

428

II. Ordnungsrechtliche Verträge

433

B. Leistungsverwaltung . . . . . . .

439

I. Benutzungsverträge für kommunale Einrichtungen und Anlagen

439

11. Subventionsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

441

III. Sozialrechtliche Verträge nach den §§ 53 ff. SGB X

444

C. Fiskalverwaltung

445

Zwischenergebnis . .

447 Kapitel 12

Der rechtliche Rahmen für das Verwaltungshandeln durch Absprachen

449

A. Die grundsätzlich entsprechende Anwendbarkeit der zum verwaltungsrechtlichen Vertrag entwickelten Rechtsgrundsätze und ihre absprachenspezifischen Modifikationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

450

B. Die Folgen der Rechtswidrigkeit von Absprachen und das ihre Einhaltung sichernde Anspruchssystem . . . . . . .

452

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . .

454 Kapitel 13

Die verwaltungsinterne Kontrolle durch die Rechts- und Fachaufsichtsbehörden

456

A. Verwaltungsverträge unter aufsichtsbehördlicher Kontrolle . . .

457

B. Absprachen der Verwaltung unter aufsichtsbehördlicher Kontrolle

461

C.

Verträge und Absprachen der Aufsichtsbehörden mit den zu beaufsichtigenden Verwaltungsträgern ...

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . .

462 464

Inhaltsverzeichnis

19

Kapitel 14

Das Handeln der Verwaltung durch Verträge in rechtsvergleichender Sicht und im Rahmen des Gemeinschaftsrechts der Europäischen Union A. Der Vertrag als Handlungsmittel in der früheren DDR

466 468

I. Die Kommunalverträge in der ehemaligen DDR

469

11. Die Wirtschaftsverträge in der ehemaligen DDR

472

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

473

B. Der Vertrag als Handlungsmittel der Verwaltung in Frankreich

473

I. Abgrenzung von privatrechtlichen Verträgen und öffentlich-rechtlichen Verträgen der Verwaltung . . . . . . . . .

473

11. Vertragstpyen des "contrat administratif' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

476

III. Die Reichweite des Einflusses Privater auf die Gestaltung des "contrat administratir' . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

478

IV. Die Vorrangstellung der Verwaltung im öffentlichen Interesse

479

V. Der Rechtsschutz des Vertrags partners der Verwaltung

481

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

482

C. Der Vertrag als Handlungsmittel der Verwaltung in England .

485

I. Abgrenzung von privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Verwaltungsverträgen? . . . . . . .

11. Die Verwaltungsverträge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

485 488

III. Die Reichweite des Einflusses Privater auf die Gestaltung von Verwaltungsverträgen

488

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

490

D. Der Vertrag als Handlungsmittel der Europäischen Union zur VolIziehung von Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

490

I. Die Zulässigkeit von Verwaltungsverträgen nach dem Gemeinschaftsrecht

491

11. Maßstäbe für die Inhaltskontrolle von gemeinschaftsrechtlichen Verwaltungsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

494

III. Die Zuständigkeit des EuGH für die Überprüfung von Verwaltungsverträgen auf ihre Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht . . . . . . . . . . . ..

497

IV. Notwendigkeit der Unterscheidung zwischen privat- und öffentlich-rechtlichen Verträgen im Gemeinschaftsrecht?

497

Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

499

2"

20

Inhaltsverzeichnis Kapitel 15

Ausblick und Ansätze für eine Fortentwicklung des Verwaltungsvertragswesens

501

A. Wege zur Überwindung bzw. Reduzierung der Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen öffentlich- und privatrechtlichen Verträgen und zwischen konsensualen Handlungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

501

B. Wege zur Eindämmung der Verstöße gegen die Mißbrauchsschranken im Vorfeld des Vertragsschlusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

504

1. Eindämmung von Mißbräuchen im Verwaltungsvertragsrecht durch den Einsatz von neutralen Konfliktmittlern bzw. Ombudsmännern

504

11. Einschaltung von Schiedsrichtern und Schiedsgerichten . . . .

506

III. Eindämmung von Mißbräuchen im Verwaltungsvertragsrecht durch die Anforderung von Rechts- und Schiedsgutachten zur Konfliktbewältigung .

506

IV. Eindämmung von Mißbräuchen im Verwaltungsvertragsrecht durch die Intensivierung der Rechts- und Fachaufsicht . . . . . . . .

507

C. Erarbeitung einer Vertragstypologie zur Herausbildung einer Dogmatik des Verwaltungsvertragsrechts? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . ..

507

Zusammenfassung . . . . . . . . . . .

508

Literaturverzeichnis

524

Personenregister

557

Sachregister

558

Vorschriftenregister

587

Abkürzungen richten sich nach Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, 4. Autl. Berlin I New York 1993.

Einleitung A. Problematik und Fragestellung I. Entwicklung und Wandel des Verwaltungs verfahrens Bis 1976 war das Verwaltungsverfahren in der Bundesrepublik - anders als zum Beispiel in Österreich durch die umfassende Kodifikation des Verwaltungsverfahrensrechts von 1925 - "nur rudimentär" und auf verschiedene Gesetze verstreut geregelt). Mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes und mit den im wesentlichen gleichlautenden Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder wurde wie in Österreich2 das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht einheitlich positivrechtlich normiert. In der Bundesrepublik Deutschland benutzten die Gesetzgeber von Bund und Ländern die Gelegenheit der Kodifizierung des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts zugleich dazu, den lang andauernden Streit über die Zulässigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags zwischen der Verwaltung und Bürgern 3 im Sinne seiner Anerkennung als generell zulässige Handlungsform der Verwaltung zu entscheiden. Entschärft wurde mit der allgemeinen gesetzlichen Ermächtigung zu verwaltungsvertraglichem Handeln durch die Verwaltungsverfahrensgesetze von Bund und Ländern auch der Streit4 darüber, ob öffentlich-rechtliche 1 So ausdrücklich Wolf/ Bachof, Verwaltungsrecht III, § 156, S. 323. Als Hauptquellen des Verwaltungsverfahrens wurden 1925 in Österreich das Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen (EGVG), das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (A VG), das Verwaltungsstrafgesetz (VStG) und das Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VVG) geschaffen. Vgl. zur geschichtlichen Entwicklung des österreichischen Verwaltungsverfahrensrechts Herrnritt, Das Verwaltungsverfahren, S. 8 ff.; Antoniollil Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 554 ff. 2 In der Schweiz wurden die Grundsätze für das Verwaltungsverfahren ähnlich wie in der Bundesrepublik erst relativ spät (1968 für die Bundesbehörden) durch das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren vereinheitlicht; vgl. dazu Gygi, Verwaltungsrecht, S. 125; Fleiner-Gerster, Grundzüge des allgemeinen und schweizerischen Verwaltungsrechts, S. 193 ff.; Häfelinl Müller, Grundriß des Allgemeinen Verwaltungsrechts, S. 276 ff. m.w.N. J V gl. zur Entwicklung und zur Diskussion über die Grundlagen einer Lehre des öffentlich-rechtlichen Vertrags sowie den damit zusammenhängenden Streitfragen Stern, Zur Grundlegung einer Lehre des öffentlich-rechtlichen Vertrags, VerwAreh. 49 (1958), S. 106 ff. 4 Für die Notwendigkeit einer besonderen gesetzlichen Ermächtigung Loening, Lehrbuch des Deutschen Verwaltungsrechts, S. 245 f.; Fleiner, Institutionen des

22

Einleitung

Verträge auch ohne gesetzliche Ermächtigung zulässig sind. Durch die prinzipielle Anerkennung des kooperativen Verwaltungshandelns durch öffentlichrechtliche Verträge zwischen der Verwaltung und Bürgern gingen die zuständigen deutschen Gesetzgeber weiter als der österreichische Gesetzgeber in seinen vergleichbaren Kodifikationen und stießen zugleich das Tor auf für einen grundlegenden Wandel des modernen Verwaltungsverfahrens. Das moderne Verwaltungsverfahren zeichnet sich durch eine verstärkte "Interaktion" und einen "Wandel der Begegnungsmuster" zwischen Verwaltung und Bürgern aus. Der Weg der staatlichen Entscheidungsfindung führt zunehmend über eine Zwischenstufe der "gemeinsamen, kommunikativen und kooperativen Konsensfindung"5. Dies kann kaum mehr bezweifelt werden, ist vielmehr ein empirischer Befund, der die Verwaltungs wirklichkeit prägt. Angesichts dessen steht heute - wie Pitschas richtig erkannt hat6 - die Frage nach der Legitimation des gewandelten staatlichen Entscheidungsverfahrens, nach der Verantwortung der Verwaltung für die Aufgabenerfüllung und nach der Kontrollierbarkeit der Verwaltung im Mittelpunkt des rechtswissenschaftlichen Interesses.

ß. Der Zusammenhang zwischen Legitimation und Kontrollierbarkeit

des Verwaltungshandelns

Dem Verwaltungshandeln wächst rechts staatlich-demokratische Legitimation zu, wenn der gesetzgeberische Handlungsauftrag pflicht- und kompetenzgerecht erfüllt worden ise. Die Verwaltung trägt die Verantwortung für die ordnungsgemäße Erfüllung des gesetzgeberischen Handlungsauftrags und die Einhaltung der von der freiheitlich-demokratischen Rechtsordnung geforderten Art und Weise der Erfüllung. Im demokratischen Rechtsstaat muß die Legitimation staatlichen Handeins auf das Volk zurückführbar sein. Damit die Legitimationskette zum Volk nicht abreißt und kontroll freie Räume im Deutschen Verwaltungsrechts, S. 209 ff.; Herrnritt, Grundlehren des Verwaltungsrechts, S. 442; Kormann, System der rechtsgesehäftlichen Staatsakte, S. 30; a.A. Apelt, Der verwaltungs rechtliche Vertrag, 1920, S. 6 ff.; Buddeberg, Rechtssoziologie des öffentlich-rechtlichen Vertrages, AöR 47 (1925), S. 85 ff.; Stern, VerwArch. 49 (1958), S. 106 ff. (108). 5 Pitschas, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, Vorwort und S.219. 6 Vgl. dazu eingehend Pitschas (Anm. 5), 5. Kapitel, S. 201 ff., sowie 6. und 7. Kapitel, S. 235 ff. 7 Vgl. hinsichtlich der Verantwortung der öffentlichen Hand für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben und der daraus resultierenden Einwirkungspflicht auf Beteiligungsuntemehmen Spannowsky, DVBI. 1992, S. 1072 ff.

A. Problematik und Fragestellung

23

Bereich des hoheitlichen HandeIns des Staates nicht entstehen, sind die Verwaltung, die Justiz und der Gesetzgeber gehalten, das Verwaltungshandeln durch die Schaffung eines geeigneten Prüfungsmaßstabs und dessen fortwährender Konkretisierung kontrollierbar zu machen (Verantwortung für die Rechts- und Zweckkonkretisierung)8. Nur wenn ausreichende Kontrollmöglichkeiten zur Verhinderung von Machtmißbräuchen und zum Schutz der Grundrechte bestehen, haben die Verwaltungskontrolleure ihrer Konkretisierungsverantwortung genügt; nur dann kann auch der Verwaltungs träger "zur Verantwortung gezogen", ein etwaiges Handlungsdefizit ausgeglichen und das Verwaltungshandeln durch korrigierende Einflußnahme demokratischer Legitimation zugeführt werden 9 •

III. Der Zusammenhang zwischen Mißbrauchskontrolle und Legitimation des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen Die Frage nach den Grenzen des konsensualen Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen, deren zunehmendes Auftreten Ausdruck für den Wandel der Beziehung zwischen Verwaltung und Bürger ist, steht in unauflösbarem Zusammenhang mit der Problematik der Legitimation des konsensualen VerwaltungshandeIns. Denn Verträge und Absprachen sind Verfahrensergebnisse des konsensualen Willensbildungsprozesses zwischen Verwaltung und Bürger. Sie müssen unter dem Aspekt der Legitimation staatlichen HandeIns zugleich den aus den materiel1en Verfassungsaussagen abzuleitenden Verfahrensanforderungen sowie inhaltlichen Entscheidungsdirektiven genügen. Die rechtsstaatliche Bewährung der konsensualen Handlungsformen der Verträge und Absprachen hängt letztlich davon ab, ob und inwieweit es gelingt, ihre Tauglichkeit zur Erfüllung der Verwaltungsaufgaben sicherzustellen und das im Aushandlungsprozeß zwischen Verwaltung und Privaten gesteigerte Risiko ihres mißbräuchlichen Einsatzes auszuschließen.

R Ebenso Pitschas (Anm. 5), S. 262 f.; Scholz, Verwaltungsverantwortung und Verwaltungsverfahren, VVDStRL 34 (1976), S. 145 ff. (170, 174 f.); Zimmer, Funktion - Kompetenz - Legitimation, S. 158 ff. 9 Vgl. zum unauflösbaren Zusammenhang zwischen Verantwortung und Kontrolle Pitschas (Anm. 5), S. 394 f., der zutreffend resümiert, es gebe keine Verantwortung ohne Kontrolle und keine Kontrolle ohne Verantwortung, sowie Krebs, Kontrolle in staatlichen Entscheidungsprozessen, S. 43 ff.; Scheuner, Verantwortung und Kontrolle in der demokratischen Verfassungsordnung, S. 379 ff., und Püttner, Verantwortlichkeit und Kontrollpflicht, S. 435 ff. m.w.N.

24

Einleitung

IV. Die Erforschung der Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen - die Hauptaufgabe zur Fortentwicklung der Dogmatik des Verwaltungsvertrags Der Frage, welche Grenzen der Verwaltung hinsichtlich ihres konsensualen Handeins durch Verträge und Absprachen gesetzt sind und ob das Kontrollinstrumentarium ausreichend ist, wird heute - wie die Diskussion vor, auf und anläßlich der Staatsrechtslehrertagung 1992 in Bayreuth über das Thema "Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten" belegt lO - zu Recht eine zentrale Bedeutung für die Entwicklung der Verwaltungsdogmatik beigemessen. Besonders für die Fortentwicklung der allgemeinen Dogmatik des Verwaltungsvertrags ist die Bestimmung der Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen ein zentrales Anliegen, möchte die Dogmatik nicht nur Selbstzweck erfüllen, sondern der Praxis zugleich Unterstützung bei der Lösung von Grenzproblemen geben, die im Interesse der Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit der Rechtsanwendung ausgehend von den dogmatischen Grundsätzen zu beheben sind. Brohm ll hat insofern zutreffend hervorgehoben, daß es eine bislang wenig erkannte, aber umso vordringlichere Aufgabe sei, die rechtlichen Grenzen des konsensualen Verwaltungshandelns eingehender zu untersuchen. Verträge und Absprachen sind Formen des konsensualen Verwaltungshandeins, weil sie dadurch gekennzeichnet sind, daß die am Verwaltungsverfahren beteiligten Personen mit der Verwaltungsbehörde in Übereinstimmung zusammenwirken. Außer den Formen des konsensualen Verwaltungshandelns durch Absprachen und Verträge gibt es auch Formen konsensgetragenen einseitigen Handeins der Verwaltung. Die Verfahrensbeteiligten können nämlich von der Verwaltungsbehörde auch an ihrem einseitigen behördlichen Handeln beteiligt werden, indem die Verwaltung mit ihnen den Entscheidungsinhalt aushandelt oder dadurch, daß sie formal über ein Zustimmungserfordernis an der inhaltlichen Gestaltung der Rechtsfolgen mitwirken können. Die intensivste Form konsensgetragenen Verwaltungshandelns ist aber in aller Regel das vertragliche Handeln: die Willensübereinstimmung der Beteiligten bildet die Grundlage für die unmittelbare Auslösung von Rechtsfolgen. 10 Vgl. insbesondere Brohm, Beschleunigung der Verwaltungsverfahren Straffung oder konsensuales Verwaltungshandeln, NVwZ 1991, S. 1025 ff.; Leeheler, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, BayVBI. 1992, S. 545 ff.; Kunig, Verträge und Absprachen zwischen Verwaltung und Privaten, DVBI. 1992, S. 1193 ff.; Krebs, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, VVDStRL 52 (1993), S. 250 ff.; Bunneister, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, VVDStRL 52 (1993), S. 193 ff. 11 Brohm, NVwZ 1991, S. 1025 ff. (1030).

A. Problematik und Fragestellung

25

Wegen der Suprematie der öffentlichen Gewalt erschien diese Form konsensualen Verwaltungshandelns nach der klassischen deutschen Verwaltungsrechtslehre Otto Mayers mit der den Vertragsbegriff prägenden Gleichberechtigung der Vertragspartner unvereinbar 12 • Die größten Schwierigkeiten in der rechtlichen Beurteilung bereitete deshalb von jeher der (subordinationsreehtliehe) Vertrag im Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen der Verwaltung und einem Privaten. Der Verwaltungsvertrag war in seiner Gestalt als subordinationsrechtlicher Vertrag bis zu seiner gesetzlichen Verankerung in den Verwaltungsverfahrensgesetzen von Bund und Ländern als Handlungsform l3 der Verwaltung auf die Ablehnung namhafter Rechtslehrer gestoßen l4 . Besonders die Ablehnung des Verwaltungsvertrags durch Otto Mayer l5 , den Vater des modernen Verwaltungsrechts, hatte zu einer Verzögerung der Anerkennung des Verwaltungs vertrags als Handlungsform der Verwaltung geführt. Nachdem der Verwaltungsvertrag in der Wissenschaft l6 namhafte

12 Otto Mayer, AöR 3 (1888), S. I ff. (42); ders., Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. H, S. 262. 13 Burmeister (VVDStRL 52 [19931, S. 206 f.) unterscheidet zwischen Handlungsform und Rechtsform. Der Begriff Handlungsform stehe als Synonym für Verwaltungshandlung. Die Rechtsform sei demgegenüber das von der Rechtsordnung für eine bestimmte Handlung zur Verfügung gestellte "Kleid". Diese Unterscheidung ist präzise, läßt sich aber nicht stets durchhalten, da auch der öffentlich-rechtliche Vertrag nicht schon seit jeher in eine Rechtsform gegossen war, obwohl er als Handlungsform schon lange Zeit genutzt wurde. Ähnliches gilt für die behördliche Warnung und die behördliche Information im Lebensmittelrecht. Vgl. dazu ferner Pauly, Grundlagen einer Handlungsformenlehre im Verwaltungsrecht, S. 25 ff. (31 ff.). 14 Vgl. zur historischen Entwicklung der Diskussion um die Anerkennung des Verwaltungsvertrags Rehm, Die rechtliche Natur des Staatsdienstes nach deutschem Staatsrecht - historisch-dogmatisch dargestellt, (Hirths) Annalen des Deutschen Reichs 1884, S. 565 ff.; Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, Bd. I, 5. Auf). 1911, S. 433 ff., 446 ff.; Bornhak, Preußisches Staatsrecht, S. 13 ff.; Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, S. 168 ff.; Stern, VerwArch. 49 (1958), S. 106 ff. IS Otto Mayer, Theorie des Französischen Verwaltungsrechts, S. 292; ders., Zur Lehre vom öffentlich-rechtlichen Vertrage, AöR 3 (1888), S. I ff. Die Ablehnung des Verwaltungsvertrags bezog sich nicht auf den koordinationsrechtlichen Vertrag, den er für zulässig hielt; vgl. Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. H, S. 383. 16 Vgl. Laband, Das Staatsrecht des Deutschen Reiches, 1876, S. 586 ff., 401 ff.; Georg Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, S. 209 ff.; von Seydel, Grundzüge einer allgemeinen Staatslehre, S. 59 ff.; von Mohl, Enzyclopädie der Staatswissenschaften, S. 263; Gaupp, Das Staatsrecht des Königreichs Württemberg, S. 140 f.; Loening (Anm. 4), S. 119 f.; Walter Jellinek, Verwaltungs recht, S. 253 f.; Fleiner (Anm. 4), S. 211; Imboden, Der verwaltungsrechtliche Vertrag; Salzwedel, Die Grenzen der Zulässigkeit des öffentlich-rechlichen Vertrags, sowie Bachof, Die Dogmatik des Verwaltungsrechts vor den Gegenwartsaufgaben der Verwaltung, VVDStRL 30 (1972), S. 193 ff., und m.w.N. Stern, VerwArch. 49 (1958), S. 106 (114 ff.).

26

Einleitung

Befürworter gefunden und sich in der Verwaltungspraxis l7 als ein weiteres Handlungsinstrumentarium der Verwaltung durchgesetzt hatte, konnte aber schließlich auch Bullingers l8 skeptische Beschreibung der Gefahren vertraglichen Verwaltungshandelns die gesetzliche Anerkennung des Verwaltungs vertrags nicht mehr aufhalten. Heute wird die generelle Zulässigkeit der verwaltungsrechtlichen Verträge in Anbetracht der gesetzlichen Verankerung in den Verwaltungsverfahrensgesetzen - wenngleich vereinzelt auch kritische Töne anklingen l9 - nicht mehr bestritten20 ; der "Existenzkampf' des öffentlichrechtlichen Vertrags ist endgültig abgeschlossen. Allerdings herrschten, bevor Maurer eingehendere Untersuchungen über das Verwaltungshandeln durch subordinationsrechtIiche Verträge durchgeführt hatte, in der Wissenschaft große Zweifel darüber, weIche Bedeutung die kooperativen Verwaltungs/armen zwischen Bürger und Verwaltung in der Praxis haben. Püttner l hatte den Impuls für diese empirische Betrachtung gegeben, da er in einer ersten Bilanz fünf Jahre nach dem Erlaß des Verwaltungsverfahrensgesetzes die Berechtigung der §§ 54 ff. VwVfG mit der Behauptung der geringen quantitativen Ausbreitung des subordinationsrechtlichen Verwaltungsvertrags in Frage gestellt hatte. Es gab und gibt bis heute kaum empirische Untersuchungen darüber, wie groß die Bedeutung der Verwaltungsverträge und Absprachen in der Praxis tatsächlich ist. Soweit empirische Ergebnisse vorliegen, beziehen sie sich lediglich auf einen bestimmten Ausschnitt des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen. Maurer 2 hat durch die Untersuchung der gängigen Entscheidungssammlungen und Fachzeitschriften von 1950 bis 1988 sowie eine ergänzende JURlS-Recherche 23 einen Überblick über die subordinationsrechtIichen und koordinationsrechtlichen Verträge 17 Vgl. BVerwGE 23, 213 (215 f.); BVerwG, DVBI. 1967, S.43; DVBI. 1973, S. 801 ff. IR Bullinger (Anm. 14). 19 Vgl. Bleckmann, Verfassungsrechtliche Probleme des Verwaltungsvertrages, NVwZ 1990, S. 601 ff.; Püttner, Wider den öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen Staat und Bürger, DVBI. 1982, S. 122 ff.; Burmeister, VVDStRL 52 (1993), S. 222, der den subordinationsrechtlichen Vertrag als eine "korrekturbedürftige dogmatische Fehlkonstruktion" bezeichnet. 20 Vgl. Maurer, Der Verwaltungs vertrag Probleme und Möglichkeiten, S. 15 ff.; Krebs, VDStRL 52 (1993), S. 250 ff. m.w.N. 21 Püttner, DVBI. 1982, S. 122 ff.; vgl. dazu auch Heberlein, Wider den öffentlichrechtlichen Vertrag?, DVBI. 1982, S. 763 ff.; ders., Auswirkungen der Verwaltungsverfahrensgesetze auf die Dogmatik des Verwaltungsrechts, Bd. 11, S. 361 ff. 22 Maurer, Rechtstatsachenforschung im Bereich des Verwaltungsrechts, S. 125 ff.; ders. (Anm. 20), S. 28 ff.; Maurer/ HÜlher, Die Praxis des Verwaltungsvertrags im Spiegel der Rechtsprechung. 2) JURIS ist ein computergesteuertes System, das dem Rechtsanwender den Zugriff auf juristische Datenbanken ermöglicht.

A. Problematik und Fragestellung

27

erarbeitet. Es handelte sich dabei freilich nur um diejenigen Verträge, welche die Rechtsprechung beschäftigt haben und die dadurch "an das Licht der Öffentlichkeit gelangt" sind. Von den nach dieser Studie in Fachzeitschriften und Entscheidungssammlungen entdeckten subordinationsrechtlichen Verträgen betrafen mehr als 50% der Verträge den Bereich des Baurechts, ca. 9% den Bereich des Kommunal- und ca. 7% den Bereich des Kommunalabgabenrechts. Die restlichen Verträge stammten aus unterschiedlichen Bereichen, insbesondere dem Umweltschutz-, dem Subventions-, dem Straßenverkehrs-, dem Straßen-, dem Lastenausgleichs-, dem öffentlichen Dienst- und dem Wiedergutmachungsrecht. Von den insgesamt in den Entscheidungssammlungen und Zeitschriften aufgefundenen und ausgewerteten Verträgen waren ca. 9% koordinationsrechtliche Verträge, die sich auf die verschiedensten Verwaltungsbereiche bezogen. Darunter waren Entscheidungen, die Eingemeindungsverträge, Garnisonsverträge, sozialrechtliche Verträge und weitere Verträge aus den verschiedensten Rechtsgebieten betrafen. Zwar hat Bulling 24 gegen die Untersuchungsmethode Maurers "deutliche Vorbehalte" geltend gemacht, da sie diejenigen Verträge nicht berücksichtige, die infolge der Einigung der Vertrags parteien nicht mehr an die Gerichte gelangen. Trotz dieser Vorbehalte, die Maurer bei seinen Recherchen durchaus in Rechnung gestellt hae s, sind die Untersuchungsergebnisse jedoch von erheblichem Nutzen, da sie zeigen, welche Bereiche des vertraglichen Handelns sich als besonders sensibel und konflikurächtig erweisen. Hinsichtlich des informalen Verwaltungshandelns durch Absprachen liegen ebenfalls keine umfassenden empirischen Untersuchungen vor. Auch insofern beziehen sich die vereinzelt zu findenden empirischen Erkenntnisse auf bestimmte Sachgebiete. Zu erwähnen ist diesbezüglich die Studie von Bohne26 ,Der informale Rechtsstaat, in der er den Bereich des Immissionsschutzes einer empirischen Betrachtung unterzog und auf dieser Basis eine rechtliche Analyse der informalen Handlungsmöglichkeiten erstellte. Wegen der Vielfalt der Gestaltungsformen lassen sich freilich zuverlässige Zahlenangaben über die Anzahl der in der Praxis vorkommenden Verträge und Absprachen, welche die Verwaltung als Vertragspartner abgeschlossen hat, nicht oder - wenn überhaupt - nur nach zeitintensiven Umfragen bei allen möglichen Verwaltungsbehörden machen. Dabei müßten, wenn man eine nur ungefähre quantitative Erfassung des gesamten Spektrums von Gestaltungsformen "im Behördenalltag" feststellen wollte, die unter Beteiligung einer Verwaltungsbehörde zustandegekommenen privat- und öffentlich24

25 26

Vgl. Bulling, Umweltschutz und Wirtschaftsüberwachung, S. 153. Vgl. insbesondere MaurerlHüther (Anm. 22), S. 5. Vgl. Bohne, Der informale Rechtsstaat.

28

Einleitung

rechtlichen Verträge einerseits und die Absprachen der Verwaltung andererseits unterschieden werden. Will man sich einen tatsächlichen Überblick über den Anteil der Absprachen und Verträge am Verwaltungshandeln verschaffen, sind umfassende empirische Erhebungen unerläßlich. Die Berechtigung der §§ 54 ff. VwVfG kann allerdings - soweit sie am praktischen Bedürfnis gemessen wird - nach den vorliegenden empirischen Ergebnissen und den fundierten Erfahrungsberichten der Verwaltungspraktiker Bussfeld27 , Steinmann28 , Offele29 und Bulling30 nicht mehr in Frage gestellt werden. Für die Behandlung von mit öffentlich-rechtlichen Verträgen und Absprachen zusammenhängenden Rechtsproblemen, die Fortentwicklung der dogmatischen Grundlagen des öffentlichen Vertragsrechts sowie die Typologisierung der öffentlich-rechtlichen Verträge erscheint daher eine umfassende empirische Untersuchung über die Verbreitung dieser Handlungsformen, die über die Untersuchungen Maurers hinausgehen müßte, entbehrlich. Für diese Zwecke kann man es im Anschluß an Krebs 3l genügen lassen, auf die große Einsatzbreite und die Funktionsvielfalt innerhalb der verschiedenen Rechtsbereiche (und zwar außerhalb der aufgrund der Untersuchungen Maurers erfaßten Bereiche z.B. auch im Sozial-, Naturschutz- und Umweltrecht und in jüngster Zeit bei der Reprivatisierung des ehemals volkseigenen Vermögens durch die Treuhandanstalt) hinzuweisen. Der für die umfassendere Erhebung und Auswertung erforderliche Forschungsaufwand dürfte im übrigen zu denjenigen Erkenntnissen, die für die weitere rechtswissenschaftliche Forschung zu gewinnen sind, in keinem angemessenen Verhältnis stehen.

In Anbetracht der Verwaltungswirklichkeit, in der in zunehmendem Maße - sowohl zur Bewältigung komplexer AufgabensteIlungen als auch im Interesse der Verwaltungs vereinfachung - förmliche Vereinbarungen sowie formlose und unverbindliche Absprachen getroffen werden, hat sich die Aufgabenstellung für die Rechtswissenschaft verändert. Zu Recht betont Krebs 32 , daß heute Widerstände der Rechtswissenschaft gegen den öffentlich-rechtlichen Vertrag weder für die Praxis noch für die Dogmatik von Nutzen sein könnten. Verschließe sich die Rechtswissenschaft dieser Erkenntnis, stehe die Praxis nicht nur ohne rechtswissenschaftliche Absicherung da; vielmehr Bussfeld, Informales Verwaltungshandeln - Chancen und Gefahren, S. 39 ff. Steinmann, Kooperationen zwischen Staat und Wirtschaft in der Schweiz Formen, Möglichkeiten und Grenzen, S. 59 ff. 29 Offeie, Bauplanungs und Bauordnungsrecht, S. 90 ff. JO Bulling (Anm. 24), S. 147 ff. 27

28

Krebs, VVDStRL 52 (1993), S. 250 ff. Vgl. Disskussionsbericht von Dauber, in: Hili (Hrsg.), VerwaItungshandeln durch Verträge und Absprachen, S. 112. JI

32

A. Problematik und Fragestellung

29

werde die Rechtswissenschaft dann den praktischen Bedürfnissen im Bereich des öffentlichen Vertrags wesens nicht gerecht. Die Aufgabe der Rechtswissenschaft bestehe daher darin, die Entwicklung in der Praxis kritisch, rechtsdogmatisch disziplinierend und formend zu begleiten. Von dieser Aufgabenbeschreibung ausgehend muß sich die rechtliche Diskussion in der Rechtswissenschaft verstärkt von dem überkommenen Streit über die Berechtigung des öffentlich-rechtlichen Vertrags lösen und sich den Schwierigkeiten bei der Anwendung und Auslegung der Vorschriften zuwenden, die sich mit dem öffentlich-rechtlichen Vertrag befassen. Auf der Staatsrechtslehrertagung 1992 hat Krebs unter dem Thema ,Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten ein Anforderungsprojil für die Dogmatik des Verwaltungsvertrags umrissen. Diese müsse helfen, daß der Verwaltungs vertrag ein wirkungsvolles Instrument der Verwaltung bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben sein könne. Dazu müsse die potentielle Einsatzbreite und Funktionenvielfalt des Verwaltungs vertrags aufgenommen und die Gemeinsamkeiten der Verwaltungsverträge herausgearbeitet werden, ohne die es eine Dogmatik "des" Verwaltungsvertrags nicht geben könne. Damit hat er die Aufgabe der Verwaltungsdogmatik präzise umschrieben. Mit seinen Ausführungen zu den Rechtsfragen einer allgemeinen Vertragsdogmatik, zum Verfahren und der Rechtstellung vor und nach dem Vertragsschluß, dem Schutz durch den Vertrag betroffener Dritter, dem Vertragsschluß mit den damit zusammenhängenden speziellen öffentlichen Spezifika: der Bedeutung und Reichweite von Vertragsformverbot und Gesetzesvorbehalt im öffentlichen Vertragswesen, den allgemeinen "Eckdaten des rechtlichen Vertragsrahmens", die durch die §§ 54 ff. VwVfG umschrieben werden, sowie dem "Ausmaß einer fachgesetzlichen Vorordnung" hat Krebs 33 überzeugend die Problemzonen im Bereich der dogmatischen Grundlagen zusammengefaßt und systematisiert. Zugleich hat er dabei auch die bisherigen Defizite der Dogmatik der verwaltungsrechtlichen Verträge und die Ansatzpunkte für eine dogmatische Fortentwicklung des öffentlichen Vertragswesens aufgezeigt.

V. Die Problemzonen des VerwaItungshandelns durch Verträge und Absprachen 1. Wahlfreiheit der Verwaltung?

Bei der Erforschung der Grenzen konsensualen Verwaltungshandelns läßt sich die immer wieder diskutierte Frage nach der Reichweite der Wahlfreiheit 33

Krebs, VVDStRL 52 (1993), S. 255 ff.

30

Einleitung

der Verwaltung bezüglich der Wahl zwischen privat- und öffentlich-rechtlichen Rechtsformen, bezüglich der Wahl zwischen der formalen und informalen Handlungsebene sowie bezüglich der Wahl zwischen den Formen des Vertrags bzw. der Absprache und den einseitigen Handlungsformen nicht ausklammern. Immerhin handelt es sich dabei um wichtige Grundentscheidungen für die rechtsstaatliehe Kontrolle des VerwaltungshandeIns. 2. Der öffentlich-rechtliche Vertrag ein normativ-polysynthetisches Rechtsinstitut

Trotz einer Fülle wissenschaftlicher Abhandlungen zum Verwaltungsvertrag können auch zahlreiche Fragen hinsichtlich des vorhandenen rechtlichen Instrumentariums noch nicht als ausreichend geklärt gelten 34 . So bringt der Umstand, daß der öffentlich-rechtliche Vertrag seine rechtsinstitutionelle Ausprägung durch zwei Regelungsmaterien findet, nämlich die fragmentarischen Regelungen der §§ 54 ff. VwVfG und die subsidiär geltenden Vorschriften des BGB, noch teilweise nicht geklärte rechtliche Schwierigkeiten mit sich. Es kommt zu einem komplizierten Problemgeflecht, da das öffentlich-rechtliche Vertragsrecht nicht nur mit den Rechtsproblemen im Zusammenhang mit den nur bruchstückhaften Regelungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes und den sachspezifischen Vorschriften der jeweiligen Regelungsmaterie sowie mit den analog anwendbaren zivilrechtlichen Rechtsmaterien konfrontiert wird, sondern auch mit Fragen, die mit der Zwischenstellung des öffentlich-rechtlichen Vertrags als normativpolysynthetisches Rechtsinstitut einhergehen. Die diesbezüglichen Probleme der Verwaltungsdogmatik hat Gusy 35 auf den Punkt gebracht: "Ein Institut, das partiell auf Bestimmungen des Zivilrechts, partiell auf diejenigen für den Verwaltungsakt verweist und zudem einzelne, höchst fragmentarische Normen selbst bereithält, erscheint theoretisch wie praktisch stets neu als Rätsel". Während zum privatrechtlichen Vertrag im Bürgerlichen Gesetzbuch differenzierte und durch Rechtsprechung und Literatur klar konturierte Regelungen existieren, gibt es im Verwaltungsrecht kein vergleichbar geschlossenes Vertragssystem. Insbesondere fehlen im Verwaltungsvertragsrecht Regelungen zum Vertragsschluß, zum Vorvertrag, zu den Leistungsstörungen, zur Rückabwicklung von Verträgen sowie weitgehend auch zu den Vertragstypen. Inwieweit die Rechtsvorschriften des BGB, die für Verträge zwischen Privaten gelten, für die verwaltungsrechtlichen Verträge in der Form eines Vgl. dazu Lecheier, BayVBI. 1992, S. 545 ff. (546). Gusy, Öffentlich-rechtliche Verträge zwischen Staat und Bürgern, DVBI. 1983, S. 1223. 34

35

A. Problematik und Fragestellung

31

Regelungsrasters fruchtbar gemacht werden können bzw. als Regelungsschema übertragbar sind und inwieweit sie dann im einzelnen vom öffentlichen Recht "überlagert" bzw. modifiziert werden, ist weder allgemein noch für die einzelnen Typen von verwaltungsrechtlichen Verträgen hinreichend geklärt. Im Unterschied zum Zivilrecht, das relativ klar abgrenzbare Vertragstypen (z.B. Kauf-, Werk-, Darlehens-, Miet-, Eigentumsübertragungsverträge) kennt, ist dem Verwaltungsrecht zudem eine vergleichbare Vertragstypisierung weitgehend fremd. Mit der Herausarbeitung der typologischen Unterschiede verwaltungsrechtlicher Verträge hat sich die Rechtswissenschaft bislang nur wenig beschäftigt. Zwar gibt es innerhalb der jeweiligen Sachgebiete, in denen öffentlich-rechtliche Verträge vorkommen, spezielle Untersuchungen über den jeweiligen sachspezifischen Vertragstyp. Nur vereinzelt36 wurden jedoch exemplarische Vertragsgestaltungen unter dem Aspekt der Vertragsgestaltung und der typologischen Problemlagen erörtert. So hat insbesondere Henke 37 eine Reihe von Verträgen vorgestellt, die zeigen, wie Verwaltung und Private auf vertraglicher Basis in bestimmten Angelegenheiten von öffentlichem Interesse zusammenarbeiten. Ob sich aus der Perspektive einer Zusammenschau der bereichsspezifischen Regelungen ein "Besonderer Teil" des öffentlichen Vertragsrechts bestimmen läßt, ob und inwieweit sich daraus im "Allgemeinen Teil" der §§ 54 ff. VwVfG aufgestellte Grundsätze konkretisieren lassen und ob und inwieweit die einzelnen Teile des öffentlichen Vertragswesens, namentlich der "allgemeine" und der "besondere" sachspezifisch geprägte Teil eine Systemkonsistenz aufweisen, ist für das öffentliche Vertragswesen bislang nur ansatzweise untersucht worden. Die Entwicklung hin zu einem "Besonderen Teil der öffentlichen Vertragslehre" durch die sachspezifische vertragstypologische Betrachtung der von der Verwaltung abgeschlossenen Verträge muß aber zunächst mit der Herausarbeitung der verwaltungstypologischen dogmatischen Unterschiede der auf den Gebieten der Leistungs-, Hoheitsund Fiskalverwaltung abgeschlossenen Verträge beginnen.

36 Vgl. z.B. Mich/er, Nutzung von Schulanlagen für außerschulische Zwecke, Kommunalpraxis 1985, S. 105 mit dem Muster einer Nutzungsvereinbarung; Hillermeier, Rücktrittsklausel bei Vermietung einer Stadthalle für politische Veranstaltungen, Kommunalpraxis 1987, S. 266 ff. 37 Henke, Praktische Fragen des öffentlichen Vertragsrechts Kooperationsverträge , OÖV 1985, S. 41 ff.

32

Einleitung 3. Dogmatische Defizite des öffentlichen Vertragsrechts

Dogmatische Defizite lassen sich nicht nur im Vergleich mit dem privatrechtlichen Vertragsrecht erkennen. Die "angeborene Schwäche der Verwaltungsrechtsdogmatik hinsichtlich des Vertragsrechts,,38 tritt auch im Vergleich mit den Verwaltungsakten in Erscheinung. Sie findet ihre Ursache darin, daß der verwaltungsrechtliche Vertrag die Gerichte weit weniger beschäftigt als die herkömmliche Handlungsform des Verwaltungsakts. Dadurch blieben die verwaltungsrechtlichen Verträge dem kritischen Auge von Rechtsprechung und Wissenschaft bisher eher verborgen als andere Handlungsformen der Verwaltung 39 ; die Dogmatik des verwaltungsrechtlichen Vertrags kann deshalb nur allmählich reifen. Die auftretenden rechtlichen Unsicherheiten 40 im Umgang mit den öffentlich-rechtlichen Verträgen (z.B. im Zusammenhang mit der behaupteten Wirksamkeit rechtswidriger Verträge41 , der Verknüpfung von Vertrag und Verwaltungsakt und der Notwendigkeit der Abgrenzung des verwaltungsrechtlichen Vertrags von anderen kooperativen Handlungsformen) lassen daher weiterhin Raum für die Analyse und dogmatische Betrachtung der allgemeinen, für öffentlich-rechtliche Verträge geltenden Vorschriften der §§ 54 ff. VwVfG. Dogmatische Defizite lassen sich nicht nur für das öffentliche Vertragswesen konstatieren. Da die Absprache schon als Rechtsbegriff in der Rechtsordnung eigentlich nicht existiert, fehlt es ihr in besonderem Maße an "dogmatischer Durchdringung"42. Die Feststellung von Jarass43 , daß sich die rechtliche Beurteilung von Absprachen "auf schwankendem Boden" bewege, zumal die rechtliche Behandlung informalen Verwaltungshandelns ganz generell noch weithin eine "terra incognita" sei, beschreibt zutreffend die allgemeinen Unsicherheiten im Umgang mit den Absprachen.

38 Heberlein, DVBI. 1982, S. 766; vgl. dazu auch Gusy, DVBI. 1983, S. 1222 ff. (1229). 39 Ähnlich Maurer, Der Verwaltungsvertrag Probleme und Möglichkeiten, DVBI. 1989, S. 807: die Aufarbeitung der Probleme des Verwaltungsvertrags stehe erst am Anfang; ob sie voll gelinge, sei zudem zweifelhaft. 40 Vgl. dazu auch Heberlein, DVBI. 1982, S. 763 ff. 41 Vgl. dazu Schenke, Der rechtswidrige Verwaltungsvertrag nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz, JuS 1977, S. 281 ff.; Bleckmann, Subordinationsrechtlicher Vertrag und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, VerwArch. 63 (1972), S. 425, 437 ff.; Götz, Der rechtswidrige verwaltungsrechtIiche Vertrag, DÖV 1973, S. 302. 42 Kunig, DVBI. 1992, S. 1193 (1194); Robbers, Schlichtes Verwaltungshandeln, DÖV 1987, S. 272 ff. 43 Jarass, Effektivierung des Umweltschutzes gegenüber bestehenden Anlagen, DVBI. 1985, S. 193 ff. (197).

A. Problematik und Fragestellung

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Das Nebeneinander mehrerer konsensualer Handlungsformen löst zudem Abgrenzungsprobleme aus und wirft darüber hinaus auch die Frage auf, ob die Verwaltung zwischen diesen Formen frei wählen kann. So setzt das Handeln der Verwaltung durch Verträge und Absprachen einen gewissen Grad an Gestaltungs- und Dispositionsbejugnis der Verwaltung voraus, den sie in gleichem Maße bei einseitigem Handeln, auch bei einseitigem konsensualen Handeln, grundsätzlich nicht hat. Dabei ist fraglich, ob und inwieweit die Verwaltung ihre Dispositionsbefugnis auf die Vertragsfreiheit stützen kann oder ob statt dessen nicht gefragt werden muß, wie weit die Dispositionsbefugnis der Verwaltung im einzelnen reicht. Die Dispositionsbefugnis der Verwaltung steht in einem Spannungsverhältnis zu den rechtsstaatlichen Forderungen der Gesetzmäßigkeit und der Verwaltungsverantwortung für die Erfüllung der ihr anvertrauten öffentlichen Aufgaben. Der "Deal" ist nicht nur ein abschätziges Schlagwort für "faule Kompromisse". Er steht zugleich für die Angst vor der Handlungsschwäche des Staates in Angelegenheiten, welche die Allgemeinheit betreffen. Zu klären ist, wie dieses Spannungsverhältnis aufzulösen ist, welcher Stellenwert der Vertragsfreiheit im öffentlichen Recht zukommt, welche Grenzen dem konsensualen Handeln der Verwaltung durch Verträge und Absprachen gezogen sind und in welcher Relation die Formen des einseitig konsensualen Handeins des Staates zu Verträgen und Absprachen stehen. Verfolgt man die wissenschaftliche Diskussion über die Bedeutung und die Grenzen des Handeins der Verwaltung durch Verträge und Absprachen, so stellen die einen vor allem darauf ab, daß diese Handlungsformen der Verwaltung die notwendige Flexibilität zur Gestaltung komplexer Rechtsbeziehungen gebe und daß durch die Beteiligung des Betroffenen eine größere Akzeptanz zu erreichen sei. Die anderen, die mit schwächerer Stimme an der alten Diskussion um die Zulässigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags als Handlungsform anknüpfen, weisen auf die nicht absehbaren Gefahren des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen hin 44 • Solange der Streit um die prinzipielle Zulässigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrags als Handlungsform nicht geklärt war, kam den Aspekten der Steigerung der Flexibilität der Verwaltung, der Verstärkung der Bürgerbeteiligung und der Erhöhung der Akzeptanz großes Gewicht zu. Heute ist es für die rechtswissenschaftliche Entwicklung nicht mehr so "bahnbrechend", wenn auf diese Vorzüge hingewiesen wird; heute ist die Frage nach den Grenzen des Ver44 Vorsichtig mahnend Lecheier, BayVBI. 1992, S. 547: "Der Vertrag als eine der Handlungsformen der Verwaltung ist also unbestritten; die Handlungsform der ,Verwaltung von Morgen' kann und darf er nicht werden." Wider den öffentlichrechtlichen Vertrag zwischen Staat und Bürger pointiert Püttner, DVBI. 1982, S. 122 ff. (125); Bleckmann, NVwZ 1990, S. 601 ff.

3 Spannowsky

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Einleitung

waltungshandelns durch Verträge und Absprachen von zunehmender Bedeutung. Mit der Befugnis der Verwaltung, Rechtsfolgen durch die Kooperation mit dem Betroffenen sogar abweichend von den gesetzlichen Vorgaben zu gestalten, sind Gefahren verbunden, die nicht beherrschbar sind, solange nicht die Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen ausreichend geklärt sind. 4. Die Gefahren des Mißbrauchs von Verwaltungsverträgen und -absprachen

Für den einzelnen liegen die Gefahren in der Möglichkeit des Mißbrauchs dieser Handlungsformen, insbesondere darin, daß faktisch - verborgen hinter konsensualem Vorgehen - Zwangsmittel eingesetzt und Handlungsmöglichkeiten der Verwaltung ausgedehnt werden können, die mit dem Grundprinzip des konsensualen Handeins: der "Freiwilligkeit der Pfiichtenübernahme", nicht zu vereinbaren sind. Und für die Allgemeinheit liegen die Gefahren darin, daß die Verwaltung ihre Gestaltungsmacht in Bereiche ausdehnen kann, die dem Blick "der Kontrolleure": der Rechtsprechung und des Gesetzgebers, entzogen sind und daß die Verwaltung immer häufiger schwierigen Rechts- und Sachfragen sowie Durchsetzungsproblemen dadurch aus dem Weg geht, daß sie mit dem einzelnen, auch dem Rechtsbrecher, Kompromisse schließt, bei denen unter Zurückstellung der öffentlichen Interessen dem Betroffenen nur solche Opfer abverlangt werden, die er noch akzeptieren kann. Obgleich das öffentlich-rechtliche Vertrags wesen vom Zivilrecht durch Verweisung auf die zivilrechtliche Rechtsmaterie und durch die analoge Anwendung der zivilrechtlichen Rechtsgrundsätze sowie die zivilrechtliche Dogmatik stark geprägt ist, ergeben sich für das Verwaltungshandeln aus der Beteiligung der Verwaltung als Vertragspartner, dem Vorrang des öffentlichen Interesses und dem Vorhandensein verschiedener, der Verwaltung zur Verfügung stehender Handlungsformen Unterschiede, die sich auf die Wahl der Vertragsforrn, die Anwendung der Maßstäbe für die Rechtmäßigkeit und Gültigkeit des vertraglichen Verwaltungshandelns sowie die Reichweite der richterlichen Inhaltskontrolle auswirken. Zu klären ist insofern, unter welchen Voraussetzungen ein Formenmißbrauch gegeben ist, wie dieser rechtlich erfaßt werden kann, inwiefern das Prinzip der Vertragsfreiheit, das Prinzip "pacta sunt servanda" (kein Vertragspartner kann einseitig den Vertrag aufheben) und das Prinzip der Freiwilligkeit der Pfiichtenübernahme die Rechtsanwendung bestimmen und welche Einschränkungen das Rechtsstaatsprinzip und das öffentliche Interesse fordern.

A. Problematik und Fragestellung

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Da Verwaltungs verträge und -absprachen der Verwirklichung öffentlicher Aufgaben dienen und sie ihr besonderes Gepräge durch die Beteiligung mindestens eines Verwaltungsträgers erhalten, berührt die Frage nach den Konturen und der Reichweite der bezüglich deren Inhaltskontrolle geltenden Maßstäbe die Problematik der gerechten Verwirklichung von Gemeinwohlzielen, die nicht selten ihre Grundlage in der Verfassung finden. Für das System der Verwaltungs vereinbarungen ist charakteristisch, daß wegen der Beteiligung eines Hoheitsträgers inhaltliche Anforderungen aus dem Grundgesetz, insbesondere den Grundrechten und dem Rechtsstaatsprinzip, zu beachten sind. Die Forderung nach einer an der Einheitlichkeit der verfassungsrechtlichen Wertordnung orientierten systemkonsistenten Verwaltungspraxis 45 trägt dem Ziel der gerechten Verwirklichung von öffentlichen Aufgaben Rechnung. Stehen sich im Zivilrecht Privatpersonen als Vertragspartner gegenüber, handeln sie im allgemeinen die Vertragsbedingungen im Rahmen einer freien Diskussion aus. Wenn sich in der Praxis oftmals die Situation so darstellt, daß eine Partei (wie z.B. beim Abschluß einer Versicherung) die Bedingungen des Vertrages bestimmt und die andere Partei nur die Möglichkeit hat, die Bedingungen en bloc zu akzeptieren oder zurückzuweisen, so wird dies als Ausfluß des freien Spiels der Marktkräfte grundsätzlich von der Rechtsordnung bis zu den Grenzen hingenommen, die der Verbraucherschutz, der Schutz vor sittenwidrigen Rechtsgeschäften und vor Verstößen gegen Verbotsgesetze ziehen. Ist indessen die Verwaltung Verhandlungspartner eines Privaten, ist die Rechtslage schwieriger. Denn die Verwaltung ist bei all ihrem Tun an Gesetz und Recht gebunden. Daher muß sie einerseits auf die Individualbelange ihres Verhandlungspartners als auch auf die Rechte Dritter Rücksicht nehmen und andererseits ihrer Verantwortung für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben gerecht werden. Die moderne Verwaltung tritt als Vertragspartner aus ihrer historisch vorgegebenen Rolle des mit hoheitlichen Zwangsmitteln Handelnden heraus und verwendet zunehmend das konsensuale Handlungsmittel des Vertrags, um auf diese Weise dieselben Ziele zu erreichen, die sie nach überholtem traditionellem Verständnis des Obrigkeitsstaates grundsätzlich nur autoritär mit den Mitteln des einseitig-hoheitlichen Handeins verwirklichen konnte. Würde das vertragliche Handeln der Verwaltung immer so aussehen, daß sie allein die Bedingungen diktiert und der Verhandlungspartner nur die Wahl zwischen Zustimmung und Ablehnung hätte, würde es sich bei der vertraglichen Vorgehensweise der Verwaltung nur um einen "Etikettenschwindel" handeln. Die Zustimmung des Verhandlungspartners wäre bloße 45 Vgl. dazu Pitschas (Anm. 5), S. 418; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rdnr. 299.

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Einleitung

Formalität, das Ausweichen auf die Handlungsfonn des Vertrages "Formenmißbrauch ", nur "Kosmetik" für eigentlich hoheitliches Handeln. Führt die Verwaltung Vertragsverhandlungen und trifft sie Absprachen, so befindet sie sich stets in dem Konflikt, einerseits öffentliche Aufgaben erfüllen und öffentliche Interessen - notfalls mit Zwang - durchsetzen und andererseits mit den individuellen Interessen des Privaten möglichst schonend umgehen zu müssen. Trägt sie dem Individualinteresse des Verhandlungspartners mehr als dem konfligierenden Gemeinwohlinteresse Rechnung, setzt sie sich dem Vorwurf der Verantwortungslosigkeit und damit der Preisgabe der demokratischen Legitimation aus. Dieser Vorwurf kann sich im Extremfall, wenn rechtswidrige strafbare Zustände oder Handlungen des Privaten geduldet werden, vom Vorwurf legitimationslosen Tuns zum Vorwurf rechtswidrigen Verwaitungshandelns bis hin zu einem Strafvorwurf wandeln. Tritt die Administrative dem Privaten im Verhandlungsprozeß autoritär mit der Androhung von Zwangsmaßnahmen gegenüber, falls er das von ihr "nicht immer liebevoll geschnürte Vertragspaket" nicht akzeptiert, setzt sie sich dem Vorwurf des Mißbrauchs ihrer Hoheitsgewalt aus. Zwischen beiden Extremen verlaufen die Grenzen des konsensualen Handeins der Verwaltung durch Verträge und Absprachen. Während die Avantgardisten des Verwaltungsrechts bereits über einen Ausbau der Formen konsensualer Verfahrensgestaitung, wie den Einsatz von Verhandlungsmittlern 46 und Ombudsmännern, und über die Erweiterung des Kreises der Verhandlungspartner durch die Bildung von "runden Tischen ,,47 nachdenken, ist teilweise noch nicht - zumindest nicht abschließend - geklärt, wie weit die Dispositionsbefugnis der Verwaltung bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben reicht, inwieweit trotz des Einsatzes von "informalem" Zwang noch von einer freiwilligen Vereinbarung bzw. Absprache die Rede sein kann, ob und inwieweit ein erzwungener Rechtsverzicht des Privaten wirksam sein soll, inwieweit Verhandlungsergebnisse mit Zwang herbeigeführt werden dürfen und inwieweit die Verwaltung andererseits öffentliche Interessen und die Individualbelange anderer im Aushandlungsprozeß preisgeben darf. Die Forschung nach den Grenzen des Handeins durch Verträge und Absprachen ist in jüngster Zeit zunehmend in das Blickfeld der Wissenschaft geraten, nachdem sich seit der gesetzgeberischen Anerkennung des Verwaltungsvertrags als zulässiger Rechtsfonn eine Ausweitung der konsensualen Handlungsformen in der Praxis bemerkbar macht und die Konturen zwischen

Hoffmann-Riem, Konfliktmittler in Verwaltungsverhandlungen. Vgl. Kasper, Informales Verwaltungshandeln - Perspektiven und Möglichkeiten in den neuen Bundesländern Deutschlands, LKV 1991, S. 33 f. (34). 46 47

A. Problematik und Fragestellung

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rechtmäßigem Verwaltungshandeln und "unkontrollierter Kontaktpflege" zwischen Verwaltung und Privaten unscharf geworden sind. Wenn nach den Grenzen des konsensualen Handeins durch Verträge und Absprachen gefahndet wird, geht es - wie Leche1er zutreffend betont hat - in erster Linie um die Frage, ob konsensuales Verwaltungshandeln durch Verträge und Absprachen "mehr und mehr den Verwaltungsakt ersetzen und damit zum typischen Handlungsinstrument einer modernen Verwaltung werden kann"4R. Dabei darf die Grenzforschung aber nicht stehen bleiben; im nächsten Schritt muß sie sich vielmehr auch um eine Präzisierung der die Grenze markierenden Mißbrauchsschranken bemühen. Der dogmatische Erkenntnisstand wurde insofern zwar in neuerer Zeit erheblich fortentwickelt, nachdem der Wandel der Handlungsformen 1991 Gegenstand der Assistententagung in Bremen und die Grenzen von Verträgen und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten Thema der Staatsrechtslehrertagung 1992 in Bayreuth waren. Jedoch sind Zweifelsfragen geblieben, mit denen man sich weiterhin auseinandersetzen muß. Die Notwendigkeit der generellen Bereitschaft dazu hat SchmidtAßmann zutreffend durch seine Aussage, die Lehre von den Formen des Verwaltungshandelns sei "nie eine fertige, sondern stets eine zu reformierende Lehre"49, hervorgehoben. Zwar ist die Erforschung der Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten durch die Staatsrechtslehrertagung neu belebt und intensiviert worden; zugleich wurden jedoch der "GrenzJorsehung" neue Impulse für die weitere Beschäftigung mit den damit zusammenhängenden Fragen gegeben, die nicht als abschließend geklärt gelten können. Begegnen möchte die "Grenzforschung" rechtsstaatsfeindlichen Mißbräuchen, die dadurch ermöglicht werden, daß die Grenzkonturen verschwimmen, die Maßstäbe für rechtmäßiges Handeln aufgeweicht werden und kontrollfreie Spielräume der Verwaltung entstehen. Es müssen die Grenzen präzisiert werden, weIche der Verwaltung gesteckt sind, soweit sie von dem Bürger unter dem "Deckmantel" konsensualen Handeins die Übernahme von Verpflichtungen verlangt, die sie aufgrund ihrer gesetzlichen Handlungsermächtigung der jeweiligen Sachmaterie nicht beanspruchen und bei einseitigem Handeln nicht durchsetzen könnte. Überdies müssen die Grenzen, weIche der Preisgabe von Allgemeinwohlbelangen gezogen sind, erneut überprüft werden, weil das konsensuale Handeln die Gefahr in sich birgt, daß die "Pflege sogenannter guter Beziehungen" durch die Inanspruchnahme persönlicher Verbindungskanäle über Freunde und Bekannte zur Verfolgung von eigennützigen Interessen führt 50, Leehe/er, BayVBI. 1992, S. 545 f. (546). Schmidt-Aßmann, Die Lehre von den Rechtsformen des VerwaltungshandeIns. Ihre Bedeutung im System des Verwaltungsrechts und für das verwaltungsrechtliche Denken, DVBI. 1989, S. 533 ff. (541). 50 Auf diesen Aspekt weist Oberndoifer (Bürgernahe Verwaltung, S. 183) zu Recht 48

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die mit der Aufgabenverantwortung der Verwaltung oder gar dem gesetzlichen Zweck nicht mehr im Einklang stehen. Für den demokratischen Rechtsstaat ist von zentraler Bedeutung, daß die Sensibilität für die angesprochene Problematik erhalten bleibt und die damit zusammenhängenden Mißbräuche vermieden werden; denn die demokratische Kontrollierbarkeit der Verwaltung und die Verhinderung von Exzessen der konsensual handelnden Eingriffsund Leistungsverwaltung hängt ja doch auch davon ab, ob im Einzelfall eine etwaige "Falschettiketierung" bzw. ein "Formenmißbrauch"51 als Problem erkannt wird und ob dem mißbräuchlichen und gesetzwidrigen Einsatz konsensualer Formen des Verwaltungshandelns begegnet werden kann. Insofern ist es eine wichtige Aufgabe der Rechtslehre, im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes die Grenzen der staatlichen Lenkung durch den Einsatz rechtlicher Handlungsmittel aufzuzeigen und die Maßstäbe zur Bekämpfung der rechtstaatswidrigen, mißbräuchlichen Handlungsformen zu schärfen. Die demokratische Bürgerbeteiligung am Entscheidungsprozeß und an der Rechtsgestaltung gilt weithin 52 als ein Legitimationsgrund für konsensuales Handeln der Verwaltung durch Verträge und Absprachen, als "Legitimationsgewinn für das Verfahren .. 53 und als Ausdruck "funktioneller Legitimation,,54. Noch bevor die Verwaltung durch das Verwaltungs verfahren zum Handeln in vertraglicher Form ermächtigt war, hat die Rechtsprechung die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns in Form von öffentlich-rechtlichen Verträgen anerkannt, weil dies der im modernen Rechtsstaat gegenüber obrigkeitsstaatlichen Vorstellungen völlig gewandelten rechtlichen Stellung des Bürgers Rechnung trage 55 . Von einer gesetzlichen Ermächtigung für das vertragliche Handeln glaubte man absehen zu können. Forderungen nach einer gesetzlihin. Er hebt dort (S. 184) zutreffend hervor, daß eine Verwaltung dann bürgernah sei, wenn "persönliche Beziehungen" überflüssig sind. 51 Begriffe der Doktrin wie Formenmißbrauch bieten zwar für sich keine ausreichende Grundlage für die rechtliche Beurteilung, sie schärfen aber das Problembewußtsein und beschreiben gefährliche Zonen des rechtsmißbräuchlichen Einsatzes des hoheitlichen Handlungsinstrumentariums. Vgl. zur Problematik des Formenmißbrauchs Pültner, Der Rechtsstaat und seine offenen Probleme, DÖV 1989, S. 140; vgl. dazu auch Goerlich, "Formen mißbrauch" und Kompetenzverständnis, S. 3; ders., Formenmißbrauch, Einzelfallgesetz, Gewaltenteilung, DOV 1985, S. 945 ff.; Schenke, Rechtsschutz bei Divergenz von Form und Inhalt staatlichen Verwaltungshandeins, VerwArch. 72 (1981), S. 185 ff.; Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates. 52 Vgl. Maurer, DVBI. 1989, S.806; Bleckmann, Der Verwaltungsvertrag als Handlungsmittel der Europäischen Gemeinschaften, DVBI. 1981, S. 893. 53 Dauber, Möglichkeiten und Grenzen kooperativen Verwaltungshandeins, S. 89. 54 Ritter, Das Recht als Steuerungsmedium im kooperativen Staat, Staatswissenschaften und Staatspraxis 1990, S. 82. 55 Vgl. Bleckmann, DVBI. 1981, S. 889 ff.; dazu kritisch Burmeister, VVDStRL 52 (1993), S. 223.

A. Problematik und Fragestellung

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chen Ermächtigung für das verwaltungsvertragliche Handeln wurden mitunter als ein "Relikt des Positivismus" angesehen 56 • Dem Gedanken der demokratischen Bürgerbeteiligung an der Entscheidungsfindung und Rechtsgestaltung wurde legitimierende Kraft im Hinblick auf die Ausdehnung der konsensualen Formen beigemessen 57 • Der Gedanke wurde zunächst zur Rechtfertigung der Zulässigkeit der Verträge zwischen Verwaltung und Privaten fruchtbar gemacht58 und später auf das informale Handeln der Verwaltung in Form von Absprachen 59 übertragen. Zwar ist heute die Zulässigkeit der verwaltungsrechtlichen Verträge aufgrund deren gesetzlicher Anerkennung nicht mehr in Frage zu ziehen, indessen ist in zweierlei Hinsicht fraglich, ob sich die zunehmende Ausweitung von Verträgen und Absprachen auf fast alle Verwaltungszweige - sogar im Bereich der Hoheitsverwaltung - mit diesem Gedanken tatsächlich rechtfertigen läßt. Zum einen ist fraglich, ob der "Weg zur Bürgemähe ,,60 tatsächlich nur über den verwaltungsvertraglichen Konsens 61 führen kann, ob also der Gegensatz zwischen dem einseitig-hoheitlichen Handeln durch Verwaltungsakt und dem Verwaltungshandeln durch Vertrag und Absprache im demokratischen Rechtsstaat tatsächlich so groß ist, daß eine Verstärkung der konsensualen Formen bzw. deren Aufrechterhaltung im bisherigen Umfang besteht, und ob Kooperation zwangsläufig an Stelle von Rechtsnorm und Verwaltungsakt steht62 . Zum anderen ist fraglich, ob das Spannungsverhältnis zwischen dem für konsensuales Handeln unerläßlichen Grad an Dispositionsbefugnis der Verwaltung und den rechtsstaatlichen Forderungen der Gesetzmäßigkeit und der Verwaltungsverantwortung für die Erfüllung der ihr anver56 Vgl. Forsthoff, Lehrbuch des VerwaItungsrechtes, Bd. I, 6. Auf). 1956, S. 243; Imboden (Anm. 16), S. 12. 57 Vgl. Schmahl, Der verwaltungsrechtliche Vertrag. Ein Weg zur Bürgernähe, VR 1984, S. 308 ff.; Bleckmann, DVBI. 1981, S. 889 ff. (893); KuniglRublack, Aushandeln statt Entscheiden?, Jura 1990, S. 1 ff.; vgl. auch Hili, Rechtsstaatliche Bestimmtheit der situationsgerechten Flexibilität des VerwaltungshandeIns, DÖV 1987, S. 885 (895), wonach auch die Mitwirkung und Beteiligung betroffener Bürger, Gruppen und Verbände eine gewisse kompensierende Kontrollfunktion - zumindest hinsichtlich der Akzeptanz der getroffenen Entscheidungen - übernehme. 5R Vgl. Maurer (Anm. 20), S. 34. 59 Vgl. Offele (Anm. 29), S. 92 f.; Bohne (Anm. 26), S. 213 f. sieht im öffentlichrechtlichen Vertrag eine Art Entscheidungspartizipation und in der Verfahrenspartizipation als Grundlage für informale Handlungsformen eine Forderung des Demokratieprinzips. 60 So Schmahl, VR 1984, S. 308 ff. 61 Pitschas (Anm. 5), S. 216 f. betont den Legitimationszusammenhang zwischen Konsens und Verfahren. 62 Vgl. Dauber (Anm. 53), S. 78.

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trauten öffentlichen Aufgaben bei der Ausweitung der konsensualen Handlungsformen im Verwaltungsalltag verfassungskonform aufgelöst worden ist. Da dies nicht generell für sämtliche öffentlich-rechtliche Verträge und Absprachen in allen in Betracht kommenden Rechtsbereichen untersucht werden kann, muß eine selektive, bereichsspezifische und vertragstypische Betrachtung vorgenommen werden. Von der Beantwortung der angesprochenen Fragenkomplexe hängt ab, wie weit die Befugnis der Verwaltung zur inhaltlichen Vertragsgestaltung reicht und inwieweit der Vertragspartner der Verwaltung auf den vertraglichen Inhalt Einfluß nehmen können muß. Auf der Suche nach den Grenzen des verwaltungsvertraglichen Handeins stößt man infolge der legitimierenden Einbindung des Privaten zudem auf die Frage, inwieweit die Verwaltung sich auf den Grundsatz "volenti non fit iniuria" berufen kann, um gesetzesabweichende Regelungen zu Lasten des Privaten rechtfertigen zu können, ob und inwieweit sie also auf das Prinzip der Freiwilligkeit bezüglich der Übernahme von Verpflichtungen und Lasten durch Private als ihre Dispositionsbefugnis erweiterndes Kriterium zurückgreifen kann. Welche Grenzen dem freiwilligen Verzicht auf Rechtspositionen gezogen sind, ist eine Frage, die sich daran anschließt und zu der Problematik der Verhinderung von Mißbräuchen und den Grenzen des Grundrechtsverzichts führt. Die weiterführende, für die Bestimmung des Grenzverlaufs wichtige Kernfrage hat Graf Vitzthum in seinem Diskussionsbeitrag zu dem auf der Staatsrechtslehrertagung in Bayreuth behandelten Thema "Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten" in das Blickfeld der Wissenschaft gerückt: Werden "die gesetzlichen Bindungen der Verwaltung, der Grundrechtsschutz und die Einhaltung der Kompetenzordnung" durch die Praxis der Verwaltung, den Privaten im Rahmen von Verträgen und Absprachen zu freiwilliger Lastenübernahme bzw. Mehrleistung zu veranlassen, verletzt? Graf Vitzthum sieht hier ein "Feld des potentiellen und gelegentlich vielleicht bereits realen Mißbrauchs dieser Instrumente". Notwendig ist es insofern, zum einen die Mißbrauchsschranken zu präzisieren und zum anderen zu klären, ob und inwieweit den Bedenken Rechnung getragen werden kann, daß diesem Phänomen mit dem Koppelungsverbot, mit § 58 VwVfG, den "überkommenen harten Bandagen des Verwaltungsrechts ... schon angesichts der Dauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren schwerlich beizukommen"63 ist. Diesbzeüglich soll im Rahmen dieser Untersuchung das Augenmerk auf die beiden aus dem Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Mißbrauchsschranken: das Verhältnismäßigkeitsprinzip und das Verbot der unzulässigen Koppelung einer Leistung mit einer nicht im Zusammenhang stehenden Gegenleistung, gerichtet werden. Beiden Prinzipien kommt bei der Frage, ob ein Verwaitungsvertrag der 63

Graf Vitzthum, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 52 (1993), S. 331 ff.

A. Problematik und Fragestellung

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nachträglichen Inhaltskontrolle standhält, besondere Bedeutung zu - sollen sie doch Schutz vor mißbräuchlichem hoheitlichem "Vertragsdiktat" einerseits und vor "Käuflichkeit des Staates" andererseits gewährleisten 64 • Es ist zu prüfen, inwieweit die beiden Rechtsgrundsätze in ihrer Reichweite als Prüfungsmaßstab von dem jeweiligen Vertragstyp und der maßgebenden bereichsspezifischen Sachmaterie abhängen. Der Stellenwert dieser Fragestellung wird deutlich, wenn man sich vor Augen hält, daß die bereichsspezifischen Regelungen nicht selten die einfach-gesetzlichen Konkretisierungen von Verfassungswerten darstellen sowie die Anordnungen zu deren Verwirklichung enthalten und daß die Verwaltung die Verfassungswerte entweder durch die vertraglichen Regelungen weiter konkretisiert oder verwirklicht65 . Ferner soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern der Kompetenzordnung eine Funktion als Mißbrauchsschranke zukommen und inwiefern die beim Vertragsschluß erkannte Nichtigkeit eines Vertrages auch noch nach Beginn der Erfüllung der Vertragspflichten, insbesondere dem Gebrauchmachen einer behördlichen Genehmigung, geltend gemacht werden kann.

VI. Das VerwaItungsvertragsrecht im Rechtsvergleich Während das Verwaltungsvertragsrecht in Österreich66 und in der Schweiz67 im wesentlichen ähnliche Grundzüge und Rechtstraditionen aufweist wie das deutsche Verwaltungsvertragsrecht, Lehre und Rechtsprechung zum Beispiel mit gewissen Akzentverschiebungen, aber auch mit kontroversen Ergebnissen 68 dieselben oder ähnliche Leitprinzipien zur Beurteilung der Vgl. dazu unten Kapitel 8, H. und I. Zur Funktion der Verwaltung bei der "Verwirklichung der Verfassung" vgl. Hesse (Anm. 45), Rdnr. 41 ff. 66 Vgl. zur österreichischen Rechtsentwicklung Herrnritt (Anm. I), S. 8 ff.; AntoniollilKoja (Anm. I), S. 554 ff. m.w.N. 67 Vgl. Gygi (Anm. 2), S. 206 ff.; Fleiner-Gerster (Anm. 2), S. 150 ff.; sowie insbesondere HäjelinlMüller (Anm. 2), S. 182 ff. m.w.N. 68 Z.B. bedarf es nach der heute vorherrschenden Auffassung in Lehre und Rechtsprechung der Schweiz keiner ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung zum Abschluß verwaltungsrechtlicher Verträge. Es genüge vielmehr, daß das Gesetz Raum für eine vertragliche Regelung lasse (so ausdrücklich Häjelinl Müller, S. 185; Schweizer, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten in der Schweiz, VVDStRL 52 (1993), S. 314 ff. (316); BGE 103 Ia 31, 34). Demgegenüber wird in Österreich heute grundsätzlich angenommen, daß der verwaltungsrechtliche Vertrag einer gesetzlichen Ermächtigung bedarf (so ausdrücklich AntoniollilKoja [Anm. I], S. 496 und zu der damit verbundenen Restriktion bezüglich der Verbreitung des verwaltungsrechtlichen Vertrages in Österreich Hengstschläger, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten in Österreich, VVDStRL 52 [1993], S. 298 ff. m.w.N.). 64

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Zulässigkeit und Wirksamkeit von verwaltungsrechtlichen Verträgen aufstellen und sich grundsätzlich in denselben rechtlichen Differenzierungskategorien bewegen69 , ergeben sich gewichtige Unterschiede beim Vergleich mit den drei ausgewählten Rechtsordnungen: der sozialistischen Rechtsordnung der ehemaligen DDR und den beiden für die europäische Rechtsentwicklung bedeutenden westeuropäischen einzelstaatlichen Rechtsordnungen von Frankreich und England. Die Betrachtung der unter Beteiligung der Verwaltung der ehemaligen DDR geschlossenen Verträge hat zwar heute nur noch historische Bedeutung, an hand der dabei erkennbaren gravierenden Unterschiede des Vertrags wesens wird jedoch ersichtlich, welche tragende Rolle der Entwicklung des Vertragsrechts und in besonderem Maße der Konturierung der Grenzen des Verwaltungshandelns zur Verhinderung von Machtmißbräuchen in einer freiheitlichdemokratischen und rechtsstaatlichen Rechtsordnung zukommt. Die Rechtsordnung der DDR wurde als Beispiel für ein sozialistisches "Modell von Verträgen zwischen Privaten und der Verwaltung" gewählt. Obwohl die rechtsvergleichende Untersuchung nur auf das vertragliche Handeln der Verwaltung in Frankreich und England zugeschnitten werden kann, weil eine umfassende, sämtliche Mitgliedstaaten der Europäischen Union einbeziehende rechtsvergleichende Betrachtung einer Spezial untersuchung überlassen bleiben muß, bekommt die Untersuchung damit eine Perspektive, die es ermöglicht, den Entwicklungstrend des Verwaltungsvertragsrechts vor dem Hintergrund der Erfahrungen anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu überprüfen.

VII. Gibt es Ansätze für ein Verwaltungsvertragsrecht der Europäischen Union? Durch die Berücksichtigung der Entwicklungen des Vertragsrechts in Frankreich und England sowie gemeinschaftsrechtlicher Ansätze im Bereich des Verwaltungshandelns durch Verträge soll der Boden für eine Spezialuntersuchung darüber bereitet werden, ob und inwieweit sich im Zuge der rechtlichen Harmonisierung der Verwaltungsverfahrens- und Verwaltungsprozeßordnungen der Mitgliedstaaten die unterschiedlichen Vertragspraktiken der mitgliedstaatlichen Verwaltungsbehörden annähern lassen. Insofern wird die Vorfrage angegangen, ob und inwieweit der Verwaltungspraxis in Frankreich oder England im Bereich des vertraglichen HandeIns eine Vorbildfunktion zukommen könnte, die trotz der Unterschiede der Rechtsordnungen eine 69 Vgl. bezüglich der Schweiz die Darstellung der Rechtslage von Schweizer, VVDStRL 52 (1993), S. 315 ff. (317 ff.).

A. Problematik und Fragestellung

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gewisse tendenzielle Korrektur oder Annäherung der Entwicklungsströmung der deutschen Verwaltungspraxis rechtfertigen könnte. Das französiche Recht der "contrats administratifs" wurde gewählt, weil es als Beispiel für die Entwicklung des westlichen kontinentaleuropäischen, römisch-rechtlich beeinftußten Vertragsrechts gelten kann und die Entwicklung des deutschen Verwaltungsrechts aufgrund der grundlegenden dogmatischen Untersuchungen Otto Mayers70 maßgebend beeinftußt hat. Die Darstellung des englischen Rechts ist im europäischen Rechtsvergleich unerläßlich, da das englische Rechtssystem seine Wurzeln im Common Law71 findet und daher auf einer anderen Rechtstradition beruht als das westliche kontinentaleuropäische Recht.

VIII. Die Fragestellungen Die im Rahmen dieser Abhandlung in erster Linie zu erörternden Problemkomplexe lassen sich mit folgenden Fragen umreißen: I. Welche Kriterien bestimmen die Wahlmöglichkeit zwischen privat- und öffentlich-rechtlichem Verwaltungshandeln durch Verträge? Gibt es eine Vermutungsregel für den Zweifelsfall? 2. Inwiefern können sich im Einzelfall hinsichtlich der Wahl zwischen der privat- und der öffentlich-rechtlichen Rechtsform aus verfassungsrechtlichen Vorgaben Schranken ergeben, die eine bestimmte Wahl der Rechtsform als mißbräuchlich ausschließen? 3. Gibt es rechtliche Schranken, die das informale und das vertragliche Verwaltungshandeln determinieren und vorhersehbar machen, und inwieweit limitieren diese Schranken die Verfahrensgestaltung und Entscheidungsfindung durch die Verwaltung in der jeweiligen Phase des Verwaltungs- und Rechtsmittelverfahrens? Welche rechtlichen Grenzen sind dem vertraglichen Handeln der Verwaltung gesetzt? Wo verlaufen die rechtlichen Grenzen des Verwaltungshandelns durch Absprachen? 4. Was ist bei der Vertragsgestaltung von der Verwaltung zu beachten? Wie stark ist die Prägung privatrechtlicher Verträge der Verwaltung durch 70 OUO Mayer (Anm. 12) mit allerdings ablehnender Haltung gegenüber dem subordinationsrechtlichen Verwaltungsvertrag. 71 Die Quellen des englischen Rechts sind Common Law, Equity Law und Gesetze (Statutes). Letztere gewinnen erst in neuerer Zeit an Bedeutung. Die Anfänge des Common Law (des im ganzen Land geltenden Rechts) wird mit dem Regierungsantritt Richard I. im Jahre 1189 in Verbindung gebracht. Von Common Law wird einheitlich etwa Mitte des 13. Jahrhunderts gesprochen. Einen guten Überblick dazu gibt Baker, An Introduction to English Legal History.

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das öffentliche Recht? Inwieweit lassen sich umgekehrt die Grundzüge des zivilrechtlichen Vertragsrechts auf das öffentlich-rechtliche Vertragsrecht übertragen? Und inwieweit können zivilrechtliche Formen der Gestaltung der Rechtsbeziehungen zwischen den Vertrags partnern , insbesondere haftungsverschärfende Vereinbarungen (z.B. Schuldanerkenntnisse, vertragliche Verzugszinsregelungen) und Regelungen, die zu einer Veränderung der Kontrollkompetenzen führen (Schiedsabreden), als "Kopiergrundlage" für die Gestaltung öffentlich-rechtlicher Verträge verwendet werden? 5. Gibt es einheitliche Grundprinzipien und Gestaltungsdirektiven, die sowohl für das privat- als auch das öffentlich-rechtliche Verwaltungshandeln durch Verträge und Absprachen gelten? Kann sich die Verwaltung auf Vertragsfreiheit berufen? Welche Bedeutung haben die Grundsätze "pacta sunt servanda" und "volenti non fit iniuria" für das Verwaltungshandeln? 6. Gibt es einheitliche Mißbrauchsschranken für das Verwaltungshandeln durch Verträge und Absprachen, die sowohl im Zivilrecht als auch im öffentlichen Recht Anwendung finden? 7. Wie wirken sich bereichsspezifische Regelungen auf die Maßstabsfunktion des Übermaß- und / oder des Koppelungsverbots aus? 8. Können die Vertragspartner über den Anwendungsbereich des Koppelungs- und/ oder Übermaß verbots disponieren? Wie läßt sich das Spannungsverhältnis zwischem dem Grundsatz "volenti non fit iniuria" und dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit, insbesondere dem Koppelungs- und / oder Übermaßverbot auflösen? 9. Läßt sich der Gestaltungsspielraum der Verwaltung auf "mittlerer dogmatischer Konkretisierungsebene" verwaltungstypologisch umschreiben? I O. Inwieweit sind Verträge und Absprachen der Verwaltung der behördlichen Fach- bzw. Rechtsaufsicht unterworfen? Treten dabei Kontrolldefizite auf? 11. Welche Bedeutung hat der Vertrag als Handlungsmittel in Frankreich und England und welche Bedeutung hatte er in der früheren DDR? Gibt es nach dem Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union Verwaltungsverträge? Lassen sich aus der rechtsvergleichenden Perspektive für die Fortentwicklung des Vertragsrechts Erkenntnisse gewinnen?

B. Begrifflichkeiten und Abgrenzungsfragen

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B. Begrifflichkeiten und Abgrenzungsfragen I. Vertrag und Absprache Wenn im öffentlichen Recht von Verträgen und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten gesprochen wird 72 , so wird an die aus dem Zivilrecht bekannte Unterscheidung zwischen der "schlichten Einigung" ohne vertraglichen Rechtsfolgewillen und den rechtsverbindlichen Vertrag angeknüpfe 3 • Während sich der Vertrag "im Schnittpunkt zweier Beziehungsgefüge"74: dem der kooperativen Handlungsformen des Staates und dem der förmlichen rechtsverbindlichen Regelungen, befindet, sind die Absprachen dem System nichtförmlicher und unverbindlicher Handlungsformen zuzurechnen. Durch Rechtserzeugung soll beim Vertrag eine rechtliche Wirkung erzielt werden, durch das Vertrauen auf das einmal gegebene Wort bei der Absprache eine tatsächliche Wirkung ausgelöst werden. Diese Wirkungsunterschiede haben zur Folge, daß sich auch die Problemmuster bei der Handlungsformen unterscheiden. So beherrscht insbesondere die Frage nach der rechtlichen Zulässigkeit von Absprachen immer noch in erheblichem Maße die Diskussion, während die Lehre über Vertragsformverbote nach der grundsätzlichen rechtlichen Anerkennung der verwaltungsrechtlichen Verträge nur noch wenig Raum in der wissenschaftlichen Diskussion und der Rechtsprechungspraxis einnimmt. 11. Vereinbarung, Verständigung und Vertrag Der Begriff der "Vereinbarung" besagt lediglich, daß die Parteien sich geeinigt haben. Er schließt sowohl die verbindliche Vertragsform als auch die unverbindliche Form der Absprachen ein. Daß ein Vertrag nicht zur Verfahrensbeendigung abgeschlossen wird, sondern der Vorbereitung oder der Schaffung bestimmter Voraussetzungen der Entscheidung dient, rechtfertigt keine weitere begriffliche Unterscheidung zwischen Vertrag und Vereinbarung 75 . Darüber hinaus gelten für diejenigen Verträge, die verfahrensbeendigende Wirkung haben, prinzipiell keine anderen RechtmäßigkeitsvoraussetVgl. Bohne (Anm. 26), S. 72. Die schlichte Einigung ohne RechtsbindungswiIlen wird auch als Gefälligkeitszusage, unverbindliche Abrede, unverbindliches "gentlemen's agreement" oder als bloßes "meeting of the minds" bezeichnet. Vgl. dazu allgemein Heinrichs, in: Palandt, BGB, Einl. vor § 241 Rdnr. 9 ff.; Kramer, in: Münchener Kommentar zum BGB, Allgemeiner Teil, Vor § 145 Rdnr. 22 f. 74 Krebs, VVDStRL 52 (1993), S. 255. 75 So aber offenbar Maurer, DVBl. 1989, S. 807. 72

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zungen als für diejenigen Verträge, die nicht auf die Verfahrensbeendigung abzielen. Auch der Bezeichnung einer Vereinbarung als "Verständigung" kommt insofern keine weitergehende rechtliche Unterscheidungskraft zu. Der Begriff der Verständigung ist ein Synonym für den Begriff der Vereinbarung. Ob es sich um einen Vertrag, einen Vergleich oder eine Absprache handelt, bleibt mit dieser Bezeichnung offen. Bezeichnet wird mit dem Begriff der "tatsächlichen Verständigung" eine Vereinbarung, bei der die Beteiligten bei Ungewißheiten über den Sachverhalt ihre gemeinsame Überzeugung von der Sachverhaltsverwirklichung an die Stelle der hoheitlichen Sachverhaltsfeststellung setzen. Es kann sich dabei um einen Vertrag bzw. einen Vergleich über den Tatbestand handeln, aus dem Rechtsfolgen hergeleitet werden sollen, oder um eine Absprache über den Tatbestand, von der bei der weiteren Sachbehandlung tatsächlich ausgegangen werden soll. Die mitunter vorzufindende begriffliche Unschärfe, wenn von Vereinbarung oder Verständigung die Rede ist, macht die Qualifizierung der tatsächlich verwendeten Handlungsform nicht entbehrlich und darf auch nicht dazu führen, daß eine unzulässige Handlungsform durch einen Griff in die "Trickkiste" der Begrifftichkeit in eine zulässige verwandelt wird 76 . III. Vertrag und Zusage Das vertragliche Leistungsversprechen ist von dem einseitigen Leistungsversprechen der Verwaltungsbehörde zu unterscheiden. Kennzeichnend für die vertragliche Einigung ist, daß die Behörde und der Betroffene übereinstimmende Willenserklärungen abgegeben haben. Die auf die vertragliche Einigung abzielende Willenserklärung der Behörde unterscheidet sich von einem einseitigen Leistungsversprechen (Zusicherung gemäß § 38 VwVfG) durch den Rechtsjolgenwillen77 • Eine Zusicherung kann die Behörde auch im

76 Ähnlich zu Recht Martens, Die Rechtsprechung zum Verwaltungs verfahrensrecht, NVwZ 1987, S. 106 ff. (112), der kritisiert, daß der BFH (BFHE 142, 549) den Versuch unternommen habe, trotz gegenteiliger gesetzgeberischer Bestimmung einen Vergleichsvertrag im Steuerrecht zu installieren, indem er den Trick angewendet habe, anstelle von Verwaltungsvertrag von tatsächlicher Verständigung zu reden. Vgl. dazu auch Eich, Die tatsächliche Verständigung im Steuerverfahren und Steuerstrafverfahren, S. 79.

77 So ausdrücklich Obermayer, in: Ehlers/Link (Hrsg.), Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, § 54 Rdnr. 21 m.w.N.; vgl. auch Sontheimer, Der verwaltungsrechtliche Vertrag im Steuerrecht, S. 44 ff.; Püttner, Zusage im öffentlichen Recht, JA 1975, S. 389; Fiedler, Funktion und Bedeutung öffentlich-rechtlicher Zusagen im Verwaltungsrecht.

B. Begrifflichkeiten und Abgrenzungsfragen

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Rahmen eines Vertrages abgeben 7s • Ausschlaggebend ist, ob die Behörde nach ihrem objektiv erkennbaren Willen einseitig ein bestimmtes Verhalten zusagen wollte, oder ob sie mit ihrer Willenserklärung nur Rechtsfolgen auslösen wollte, faUs der betroffene Private eine korrespondierende WiUenserklärung abgibt. IV. Öffentlich-rechtlicher Vertrag, verwaltungsrechtlicher Vertrag und Verwaltungsvertrag VerwaItungsrechtliche Verträge sind öffentlich-rechtliche Verträge, die ein verwaItungsrechtliches Rechtsverhältnis zum Gegenstand haben und verwaltungsrechtliche Rechte und Pflichten begründen, ändern oder aufheben 79 . Ausgeklammert sind nach dem Vertragsgegenstand völkerrechtliche sowie veifassungsrechtliche Verträge, nicht dagegen Verwaltungsabkommen, sofern dadurch konkrete, verwaltungsrechtlich zu beurteilende Rechtsverhältnisse geregelt werden. Daß der Begriff "öffentlich-rechtlicher Vertrag" Eingang in die gesetzgeberische Terminologie gefunden hat, vermag nicht zu verwundern, wenn man berücksichtigt, daß die Bezeichnungen "Verwaltungsvertrag" und "verwaltungsrechtlicher Vertrag" verschiedene Verständnis horizonte eröffnen. Einige Autoren verwenden die Begriffe Verwaltungs vertrag, verwaltungsrechtlicher Vertrag und öffentlich-rechtlicher Vertrag synonymSO; zunehmend werden jedoch aUe Verträge, welche die Verwaltung abschließt - mithin auch die privatrechtlichen Verträge -, als Verwaltungsverträge bezeichnetSI. Durch die 78 V gl. dazu und zur Bedeutung der Abgrenzung im Hinblick auf die Wahl des Rechtsweges bei der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen wegen einer nicht rechtzeitig erfüllten Zusicherung VGH Baden-Württemberg, DVBI. 1981, S. 265 mit Anmerkung von Backhaus, ebd. S. 266 ff. 79 So auch Maurer (Anm. 20), S. 15.

80 Vgl. insbesondere Apelt (Anm. 4), S. 6; Becker, Zum Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes, IR 1976, S. 485 (490); Martens, Normenvollzug durch Verwaltungsakt und Verwaltungs vertrag, AöR 89 (1964), S. 429 ff.; Stein, Der Verwaltungsvertrag und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, AöR 86 (1961), S. 320 ff. Maurer (Anm. 20), S. 15 geht davon aus, daß "wenigstens Einigkeit über den Begriff des Verwaltungsvertrags" besteht. 81 Vgl. Schimpf, Der verwaltungsrechtliche Vertrag unter besonderer Berücksichtigung seiner Rechtswidrigkeit, S. 27; Kleiser, Der Vorbehalt des Gesetzes nach dem Bonner Grundgesetz, S. 117 Fn. 5. Schmidt-Aßmann (Verwaltungsverträge im Städtebaurecht, S. 117) versteht unter Verwaltungsvertrag alle Verträge, an denen "ohne Rücksicht auf ihre Zuordnung zum privaten oder öffentlichen Recht" "mindestens auf einer Seite als Vertragspartner die öffentliche Verwaltung beteiligt ist"; Krebs (VVDStRL 52 [1993]. S. 257) spricht vom öffentlich-rechtlichen und zivilrechtlichen Verwaltungsvertrag und fordert dessen rechtsdogmatische Annäherung.

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letztgenannte Ansicht wird der öffentlich-rechtliche Vertrag der Verwaltung bzw. der verwaltungsrechtliche Vertrag der Kategorie der Verwaltungsverträge als Unterfall unterstellt. Anknüpfend an diese letztgenannte, vordringende Begriffsverwendung sollen auch im Rahmen dieser Untersuchung im Interesse der Begriffsklarheit die Begriffe Verwaltungsvertrag sowie (privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher) Vertrag der Verwaltung synonym Verwendung finden. Der Begriff Verwaltungsvertrag wird also nicht mit der Gegenansicht dem Begriff des verwaltungsrechtlichen Vertrages im Sinne der gesetzlichen Definition des öffentlich-rechtlichen Vertrags in § 54 VwVfG gleichgestellt, sondern in einem weiteren Sinne verstanden: Ein Verwaltungsvertrag ist - ungeachtet seiner Rechtsnatur - jeder Vertrag, den die Verwaltung zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben abschließt. V. Subordinations- und koordinationsrechtlicher Vertrag

Zu unterscheiden sind zwei Grundtypen öffentlich-rechtlicher Verträge: der subordinationsrechtliche und der koordinationsrechtliche Vertrag. Subordinationsrechtliche Verträge sind Verträge, die im Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen Verwaltung und Bürgern oder anderen, der Hoheitsgewalt der Verwaltung unterworfenen Rechtspersonen abgeschlossen werden. Davon zu unterscheiden sind die koordinationsrechtlichen Verträge, an deren Zustandekommen im Gleichordnungsverhältnis stehende Vertragspartner (häufig zwei Hoheitsträger) beteiligt sind. Die Bedeutung der Unterscheidung zwischen diesen bei den Grundtypen erschöpft sich nicht in reiner "Definitionskunst". Sie ist vielmehr - wie die §§ 55, 56 und 59 Abs. 2 VwVfG zeigen von grundlegender Bedeutung für die Beurteilung der Wirksamkeitsvoraussetzungen und Rechtsfolgen beider Vertragstypen. Folgerichtig gehen die §§ 54 ff. VwVfG von der Unterscheidung zwischen subordinations- und koordinationsrechtlichen Verträgen aus. Durch § 54 S. 2 VwVfG, wonach "die Behörde, an statt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen kann, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde", ist klargestellt, daß der Gesetzgeber den (subordinationsrechtlichen) Vertrag mit dem Bürger oder einem anderen potentiellen Adressaten eines Verwaltungsakts für zulässig erachtet.

C. Ziele und Risiken des konsensualen Verwaltungshandelns Bei der abstrakten Einschätzung des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen lassen sich zahlreiche Argumente für und gegen das koope-

C. Ziele und Risiken des konsensualen Verwaltungshandelns

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rative vertragliche und informale Verwaltungshandeln durch Absprachen finden. Dies rechtfertigt weder die Ablehnung noch die uneingeschränkte Anerkennung des konsensualen Verwaltungshandelns als Handlungsinstrumentarium. Die Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile ist jedoch von Bedeutung für die Ermessensentscheidung der Verwaltung 82 , wenn sie zur Erfüllung bestimmter Aufgaben die Frage zu prüfen hat, ob ein konsensuales Handeln in Betracht kommt oder nicht.

I. Ziele und Funktionen des konsensualen Verwaltungshandelns Für die Anwendung der Verträge als Form des kooperativen Verwaltungshandelns sprechen unter dem Blickwinkel optimaler Zielverwirklichung insbesondere folgende Vorzüge 83 : Durch die vertragliche Bindung des Kooperationspartners wird sein Verhalten kalkulierbar; Ungewißheiten bezüglich der Zielrealisierung werden abgebaut. Für die Maßnahmeadressaten hat die kooperative Verfahrensweise und die Verfahrensbeendigung durch einen Vertrag die Vorteile, auf die Zielrealisierung Einfluß nehmen zu können, ihren Investitionsbedarf schnell abschätzen zu können, im Hinblick auf staatliche Genehmigungsverfahren die Grundlage für eine erhöhte Investitionssicherheit und damit Rechtssicherheit zu schaffen. Die frühzeitige informale Einschaltung der Verfahrensbeteiligten im Vorfeld der Entscheidungsfindung zur Herbeiführung einer vertraglichen Lösung oder Absprache führt zu einer Beschleunigung des Verwaltungsverfahrens bei komplexen Aufgabenstellungen 84 . Die Aspekte der Verjahrensbeschleunigung und Flexibilität gewinnen in neuerer Zeit zunehmend dadurch an Bedeutung, daß allzu lange Planungs- und Genehmigungsverfahren wegen der zu befürchtenden Wettbewerbsnachteile bei der Standortauswahl im zusammen-

Vgl. zu den Ermessensschranken unten Kapitel 4 und 12. KJ Vgl. dazu Eberle, Arrangements im Verwaltungsverfahren, Die Verwaltung 17 (1984), S. 450 ff.; Ritter (Anm. 54), S. 58 ff.; Baudenbacher, Verfahren als Alternative zur Verrechtlichung im Wirtschaftsrecht, ZRP 1986, S. 301 ff.; Bauer, Informelles Verwaltungshandeln im öffentlichen Wirtschaftsrecht, VerwArch. 78 (1987), S. 241 ff.; Rengeling, Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht, S. 71 ff.; Bulling, Kooperatives Verwaltungshandeln in der Verwaltungspraxis, DÖV 1989, S. 277 ff. (288); Maurer, DVBI. 1989, S. 798 ff. (805); ebenso bezüglich der Verhandlungsstrategien im Umweltschutz Breuer, Verhandlungslösungen aus der Sicht des deutschen Umweltschutzrechts, S. 231 ff. (238 f.). 82

R4 Vgl. dazu grundlegend Ritter (Anm. 54), S. 50; ders., AöR 104 (1979), S. 389; Brohm, NVwZ 1991, S. 1025 ff. Pitschas (Anm. 5), Vorwort, S. 317 ff., 569 ff.; Würtenberger, Akzeptanz durch VerwaItungsverfahren, NJW 1991, S. 257 (260 0.

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wachsenden Binnenmarkt der Europäischen Union 85 zur Besorgnis Anlaß geben und die zügige Verfahrens weise zudem ein wichtiger Faktor bei den Bemühungen um eine rasche Annäherung der Wirtschaft in Ostdeutschland an den westlichen Standard ist 86 . Zu der Verfahrensbeschleunigung trägt insbesondere bei, daß Bedenken und Hindernisse sich frühzeitig ausräumen lassen und daß eine frühzeitige Interessen- und Aktionskoordinierung möglich ist. Durch die Einschaltung des Maßnahmeadressaten läßt sich zudem eine größere Akzeptanz und Legitimität gewinnen. Langwierige Durchsetzungsschwierigkeiten, hervorgerufen durch politischen Protest oder gerichtliche Verfahren, lassen sich so vermeiden. Außerdem kann im Verwaltungsverfahren schon frühzeitig der Sachverstand und der Informationsvorsprung der Beteiligten in schwierigen Sachmaterien eingebracht und für die Zielrealisierung nutzbar gemacht werden. Unvorhergesehene Nebeneffekte oder Begleitfolgen irgend welcher Maßnahmen können berücksichtigt und ggf. verhindert werden. Erreicht wird eine höhere Flexibilität, nicht nur hinsichtlich der rechtlichen Voraussetzungen für die Verwendung bestimmter Mittel, sondern auch für den Einsatz von Maßnahmen indirekter Einflußnahme. Infolge der Mitwirkung des Maßnahmeadressaten lassen sich im Einzelfall sogar rechtliche Barrieren, die der raschen und weiterreichenden Problemlösung entgegenstehen, überwinden. Dies gilt insbesondere für die Grenzen, die der Verwaltung durch das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot und durch die örtliche Zuständigkeit gezogen sind. Es lassen sich dadurch unter Berücksichtigung der dabei zu beachtenden Schranken (vgl. dazu Kapitel 8 und 12) auch Ziele, die über die gesetzgeberischen Vorgaben hinausgehen, verwirklichen (z.B. durch Absprachen im Umweltbereich).

85 Die Europäische Union ist das Dach über dem wirtschaftlichen und politischen Bereich. Das 3-Säulen-Prinzip kennzeichnet die Grundstruktur der Europäischen Union: Die erste Säule verkörpert den gemeinschaftsrechtlichen Rahmen, der sich aufgrund der Gründungsverträge (EWGV, EGKSV, EAGV) entwickelt hat. Wegen der Umgründung der EWG in die EG ist auch der EWGV umbenannt worden und heißt nun EGV. Die zweite Säule kennzeichnet den Bereich der politischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik und die dritte Säule den Bereich der politischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet von Justiz und Innerem. Vgl. zur Struktur der Europäischen Union und zu ihrer Relation zur EG BVerfG, EuGRZ 1993, S. 430; Oppermann/Classen, Europäische Union. Erfüllung des Grundgesetzes, Aus Politik und Zeitgeschichte 1993, B 28, S. 12 f.; Spannowsky, Wettbewerbsverzerrende Defizite des gemeinschaftsrechtlichen Sanktions- und Vollstreckungssystems, JZ 1994, S. 326. 86 Ebenso Brohm, NVwZ 1991, S. 1025 ff.; Bodo Klein, Der öffentlich-rechtliche Vertrag, ThürVBI. 1992, S. 231; vgl. auch Ronellenfitsch, Beschleunigung und Vereinfachung der Anlagezulassungsverfahren.

C. Ziele und Risiken des konsensualen Verwaltungshandelns

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11. Risiken und Gefahren des konsensualen Verwaltungshandelns Daß "inzwischen nicht nur die Bürger, sondern auch die Verwaltungen gelernt" haben, "sich der Aushandlungsmethode zu ihren Gunsten zu bedienen, indem sie mit dem Erlaß belastender Maßnahmen drohen oder erwünschte Amtshandlungen in Aussicht stellen"87, wird zunehmend 88 als Rechtsproblem erkannt. Druckmittel spielen im Rahmen der konsensualen Konftiktbewältigung eine wichtige Rolle. Der Verwaltung steht als "Drohpotential" sowohl der Gesetzesvollzug als auch die Nichtgewährung von Vergünstigungen zur Verfügung. Die von Brohm89 beschriebene Gefahr, daß das Gesetzesrecht seine Unverbrüchlichkeit verlieren und zum Handelsobjekt werden kann und daß die Gleichheit vor dem Gesetz ins Wanken gerät, läßt sich nicht als "Schwarzmalerei" abtun. Da den Verhandlungslösungen die überprütbaren Formen und Inhalte häufig fehlen und manchmal vielleicht erzielte "faule Kompromisse", welche die bilateralen Interessen zum Nachteil des Gemeinwohls zum Ausgleich gebracht haben, "das Licht der Öffentlichkeit scheuen", scheinen die Gefahren für die Gleichheit vor dem Gesetz und für das mitunter zurückgedrängte Gemeinwohl kaum beherrschbar. Einerseits wird der häufig gegebene Ermessens- und Beurteilungsspielraum der Verwaltung zum nicht kalkulierbaren Machtinstrumentarium, wenn er im Rahmen des Aushandlungsprozesses als "Drohpotential" eingesetzt wird. Andererseits wird das "Drohpotential" des jeweiligen Verwaltungsadressaten im Aushandlungsprozeß umso umfangreicher, je mächtiger er ist. Ihm stehen ggf. über die üblichen Instrumente zur "Verfahrensblockade" (der zeitraubenden Rechtsmittelausschöpfung und der Ausnutzung politischer Druckmittel) hinaus wirtschaftliche Möglichkeiten der Pression zur Verfügung. Zum Beispiel kann die Drohung, Investitionen, die im Interesse der Verbesserung oder Erhaltung der Lebensbedingungen einer Wirtschaftsregion wichtig sind, zu unterlassen oder Betriebsteile mit der Konsequenz des Verlusts von Arbeitsplätzen oder der Verschlechterung der Versorgungsbedingungen stillzulegen, zu einer "Macht des Faktischen" werden, die die Gewichte der Verhandlungspartner im Aushandlungsprozeß verschiebt.

R7

Brohm, NVwZ 1991, S. 1029.

Vgl. dazu das BVerwG, BVerwGE 42, 331 ff. (342): "Verwaltungsrechtliche Verträge sind stärker als privatrechtiiche anfällig dafür, daß ein dem Vertrag vorgegebenes Machtgefälle ausgenutzt wird und als Folge dessen von einer echten Freiheit der am Vertrag Beteiligten nicht gesprochen werden kann"]; Schmidt-Aßmann (Anm. 81) S. 117 ff.; Burmeister, VVDStRL 52 (1993), S. 222 ff.; Graf Vitzthum, Diskussionsbeitrag, VVDStRL 52 (1993), S. 331 ff.; Schünemann, Absprachen im Strafverfahren?, 58. DJT (1990), B 1 ff. (57 ff.). R9 Brohm, NVwZ 1991, S. 1029 f. RR

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Bei der Entscheidung der Behörde für oder gegen die kooperative Vorgehensweise durch Verträge und Absprachen muß die Behörde insbesondere folgende Risiken und Gefahren in Rechnung stellen'X); Die Nachteile für die öffentliche Aufgabenerfüllung durch die Verwaltung liegen vor allem in der Gefahr, daß normative Zielvorgaben unterlaufen und die Autorität des gesetzten Rechts geschwächt wird. Durch die Beteiligung nur der unmittelbaren Maßnahmeadressaten entsteht die Gefahr der Bevorzugung bestimmter Einzelinteressen und Sonderinteressen gegenüber dem "weniger schlagkräftig" organisierten Allgemeininteresse, sowie die Gefahr, daß Gegenwartsinteressen mehr Gewicht als ZukunJtsinteressen und ökonomischen Interessen mehr Gewicht als ideellen Interessen eingeräumt wird. Überdies entsteht durch die Beteiligung von Repräsentanten bestimmter Privatinteressen die Gefahr, daß mittelbar Drittbetroffene von der Einflußnahme ausgeschlossen werden und die Gleichbehandlung der Privatinteressen im Verfahren zu kurz kommt. Außerdem besteht die Gefahr, daß die Zielrealisierung auf der Basis des kleinsten gemeinsamen Nenners erfolgt und daß nach der konkreten Sachlage möglicherweise gebotene weitreichende Maßnahmen unterbleiben.

IH. Die Funktion des Rechts als Mittel zur Risikobeherrschung und zum Schutz vor Machtmißbrauch Angesichts der Gefahren, die mit dem konsensualen Verwaltungshandeln verknüpft sein können, kann der Umstand, daß das konsensuale Verwaltungshandeln häufig zu einem frühzeitigen Interessenausgleich und damit zu einer Entlastung der Gerichte führt, nicht ausschließlich als Beleg für den Erfolg des kooperativen Verwaltungshandelns gewertet werden. Es handelt sich vielmehr um eine "Erscheinung mit zwei Gesichtern ". Daß konsensuales Verwaltungshandeln zu einer unkontrollierten Konfliktbereinigung führen kann, erscheint nämlich dann inakzeptabel, wenn das Aushandlungsergebnis dem von der Rechtsordnung vorgegebenen Handlungssoll zuwiderläuft oder erheblich von ihm abweicht. Die unkontrollierte Konfliktbereinigung kann deshalb auch die Gefahr eines "schleichenden" rechtsstaatsfeindlichen Prozesses in sich bergen, wenn kein ausreichendes Kontrollinstrumentarium zur Mißbrauchsverhinderung besteht oder dieses nur unzureichend zur Pflichtendurchsetzung eingesetzt wird.

90 Hojfmann-Riem, Selbstbindungen der Verwaltung, VVDStRL 40 (1982), S. 203 ff.; Baudenbacher, ZRP 1986, S. 304; Rengeling (Anm. 83) S. 70 ff.; Ritter (Anm. 54), S. 59; Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 302; von Arnim, Steuerung durch Recht, S. 51 ff. m.w.N.

C. Ziele und Risiken des konsensualen Verwaltungshandelns

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Die Steuerungsfunktion des Rechts wird in unterschiedlichem Zusammenhang immer wieder als eine Komponente des Rechts und das Recht selbst als Verantwortung konkretisierendes Steuerungsmedium für das zielgerichtete Staats- und Verwaltungshandeln thematisiert91 • Burmeister hat die Ursache für die tiefgreifenden "Veränderung der Strukturen administrativer Regelungsaufgaben" in "der einschneidenden Einbuße der politischen Steuerungspotenzen des Gesetzgebers" gesehen 92 und damit die Forderung nach Wiederherstellung der dem Rechtsstaat angemessenen Steuerungskraft des Gesetzes zur stärkeren rechtsstaatlichen Disziplinierung des informellen Verwaltungshandelns begründet. Nicht nur unter dem Aspekt der Disziplinierung des informalen Verwaltungshandelns ist das Problem der Steuerungskraft des Gesetzes zu untersuchen. Da der Verwaltungsvertrag eine Rechtsquelle ist, der als rechtliches Lenkungsmittel zur kooperativen Zielverwirklichung eingesetzt wird, stellt sich vielmehr auch die Frage, ob und inwieweit den Verwaltungsverträgen Steuerungskraft zukommt und wie sich diese im Vergleich mit der Steuerungskraft bei einseitig-hoheitlichem Handeln darstellt. Darüber hinaus steht man allgemein vor dem Problem, inwieweit das Recht das konsensuale Verwaltungshandeln steuert bzw. zu steuern vermag. Vertrag und Absprache dienen der Erreichung gesetzgeberischer Ziele, indem sie die privaten Kooperationspartner zu einem bestimmten, vom gemeinsamen Konsens getragenen Verhalten veranlassen sollen. Versteht man das Recht als Mittel zur Erreichung gesetzgeberischer Ziele, so kommt dem Vertrag als rechtlichem Instrumentarium im Vergleich zu einseitig-hoheitlichen Maßnahmen des Staates nicht stets, aber mitunter eine nur begrenzte rechtliche Lenkungskraft zu, den Absprachen gar keine. Solange nämlich der Staat die Mittel zur Zielrealisierung selbst definiert, ist die Lenkungskraft des instrumentalisierten Rechts ungebrochen; der einseitig-hoheitlich handelnde Staat braucht keine Kompromisse bei der Zielrealisierung zu machen. Läßt man - wie beim Vertrag - die Normadressaten an der Zielvollziehung mitwirken, besteht aber die Gefahr, daß es dadurch zugunsten des Ziels der erweiterten Beteiligung der Verwaltungsadressaten am Entscheidungsprozeß zu einer Abschwächung der staatlichen regulativen Steuerung und zu einer Einschränkung der staatlichen Beherrschbarkeit der Realisierung anderer wichtiger Ziele des Staates kommt. Die Abschwächung der staatlichen Steuerungskraft muß zwar nicht zwangsläufig die Zielerreichung behindern. Wegen 91 Vgl. Ritter (Anm. 54), S. 50 ff.; von Amim (Anm. 90), S. 51 ff.; Jürgen Becker, Informales Verwaltungshandeln zur Steuerung wirtschaftlicher Prozesse im Zeichen der Deregulierung, DÖV 1985, S. 1003 ff.; Görlitz, Mediales Recht als politisches Steuerungskonzept, S. 13 ff. 92

Vgl. Burmeister, VVDStRL 52 (1993), S. 201.

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der Mobilisierung der Mitwirkungsbereitschaft des Kooperationspartners wird sie sie sogar häufig fördern. Jedoch gilt es, bei der rechtlichen Problemerörterung die Aufmerksamkeit auf die Fälle zu lenken, in denen die Zielrealisierung wegen des zu starken Einflusses der Privaten gefährdet oder gegenüber dem Vertragspartner so forciert wird, daß dieser in seinen Rechten unangemessen beeinträchtigt wird oder daß er sogar Rechtspositionen wegen der Verfolgung von Zwecken preisgeben muß, die mit dem Handlungsauftrag der Verwaltung in keinem Zusammenhang stehen. Ob Verträge und Absprachen als Erscheinungsformen des kooperativen Staates für die Ziel- bzw. Aufgabenerfüllung Vor- oder Nachteile bringen, läßt sich dabei nicht abstrakt, d.h. ohne Bezug zu der konkreten materiellen Aufgabe, beantworten. Jedoch kann im Einzelfall durch den Abschluß von Verträgen eine Abschwächung der staatlichen Steuerungskraft ausgelöst werden, die sachlich nicht mehr gerechtfertigt ist, insbesondere wenn sie im Widerspruch zu der im Einzelfall unter Umständen gebotenen stringenten Aufgabenerledigung steht. Das Kriterium der Lenkungsjunktion ermöglicht freilich nur die rechtspolitische Beschreibung einer Funktion des Rechts. Es kann nicht etwa zum Gradmesser für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Rechtshandlung herangezogen werden. Denn ob die rechtliche Lenkungskraft durch den Abschluß von Verträgen und Absprachen im Vergleich zu anderen Handlungsformen abgeschwächt ist oder ob damit unter Umständen mehr Lenkungseffekte erzielt werden, mag zwar rechtspolitisch und im Einzelfall für die politische Erfolgsbilanz von Bedeutung sein, Rechtsfolgen sind damit jedoch nicht verknüpft. Auch wenn die Abschwächung der Steuerungskraft durch den Abschluß von Verträgen und Absprachen mit dem Unterlassen rechtlich gebotenen Handeins zusammenfällt, kann aus dieser Tatsache allein keine Rechtsfolge abgeleitet werden. Das vorhandene rechtliche Instrumentarium, das den Mißbrauch von Macht, die gemeinwohlschädliche Fremdsteuerung des Staates durch Private und die unangemessene Beschneidung von Grundfreiheiten des Vertragspartners der Verwaltung verhindern soll, muß vielmehr auf seine Tauglichkeit als "Schutzwall" gegen Machtmißbrauch überprüft werden. Dazu müssen die vorhandenen Rechtsschutzmöglichkeiten und Kontrollrnaßstäbe auf ihre Funktionsfähigkeit und Verläßlichkeit untersucht werden. Betrachtet werden müssen vor allem die Rahmenbedingungen, die derjenige vorfindet, der Rechtsschutz sucht. Daß die Verwaltung im Rechtsstaat nur in dem rechtlich vorgegebenen Rahmen aufgrund ihrer gesetzlichen Gestaitungsspielräume zu konsensualem Handeln durch Absprachen und Verträgen befugt ist, ist einhellige Meinung 93 . Wo aber die Grenzen verlaufen, muß angesichts des sich ständig verändernden rechtlichen Rah93 Vgl. Breuer (Anm. 83), S. 240; Hoffmann-Riem, Konfliktmittler im Verwaltungsverfahren, S. 37 ff. m.w.N.

D. Dogmatischer Ansatz und Gang der Untersuchung

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mens und der sich wandelnden Anschauungen immer wieder erneut ausgeleuchtet und erörtert werden. Insofern müssen die allgemeinen und fachspezifischen, für Verträge und Absprachen geltenden Rechtsnormen auf ihre unmittelbare Schrankenfunktion untersucht werden. Und es muß jeweils im Einzelfall erneut geprüft werden, ob und inwieweit europarechtliche, verfassungsrechtliche und fachspezifische normative Vorgaben die Bedingungen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen prägen.

D. Dogmatischer Ansatz und Gang der Untersuchung Der Gang der Untersuchung folgt der Reihenfolge der von der Verwaltung zu durchlaufenden und anschließend von den Kontrollorganen zu überprüfenden Entscheidungsprozesse. Um den Entscheidungsvorgang für die rechtliche Untersuchung vorzubereiten, wird er in einzelne Entscheidungskomplexe zerlegt. In den täglichen Entscheidungsabläufen der Verwaltung werden diese Entscheidungskomplexe freilich nicht immer gesondert behandelt und zeitlich auseinandergezogen. Dogmatisch läßt sich der Entscheidungsvorgang, den die Verwaltung bis zur Entscheidung für eine bestimmte Form des Verwaltungshandelns mit einem bestimmten Inhalt zu durchlaufen hat, in folgende Entscheidungskomplexe aufspalten: a) die Entscheidung über das anzuwendende Normenregime, also die Wahl der öffentlich- oder privatrechtlichen Handlungsform; b) die Wahl der Handlungsebene, also die Wahl zwischen der verbindlichen / förmlichen und der unverbindlichen / informellen Vorgehensweise; c) die Wahl der im konkreten Fall in Betracht kommenden Handlungsform; und d) die Wahl der konkreten inhaltlichen Gestaltung. Bevor dieser dogmatische Ansatz verfolgt werden kann, wird eingangs mit der Darstellung der konsensualen Handlungsformen, ihrer Bedeutung innerhalb der verschiedenen Abschnitte des Verwaltungsverfahrens und ihrer rechtlichen "Ein bettung" in die dualistische Struktur der deutschen Rechtsordnung (Kapitell) sowie mit der sich anschließenden Analyse der beim Verwaltungshandeln durch Verträge und Absprachen auftretenden Abgrenzungsprobleme (Kapitell, C. und D. sowie Kapitel 2 - 4) der Boden für die rechtsdogmatische Untersuchung der für die Entscheidungsfindung und Kontrollierbarkeit des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen

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Einleitung

bestimmenden Grundprinzipien und Mißbrauchsschranken bereitet (Kapitel 7 -10). Im Hinblick auf die immer wieder aktuelle Problematik der Abgrenzung von privat- und öffentlich-rechtlichen Handlungsformen der Verwaltung wird den Fragen nach der Freiheit der Wahl zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Rechtsformen (Kapitel 2 und 3) und nach der Freiheit der Wahl der Handlungsebene, insbesondere der Wahl zwischen Vertrag und Absprache (Kapitel 4), nachgegangen. Diesbezüglich soll vor allem geklärt werden, ob sich der Satz, in Zweifelsfällen sei von der Wahl der öffentlichrechtlichen Rechtsform auszugehen, rechtlich begründen läßt und ob bei Zweifeln hinsichtlich der Wahl zwischen Vertrag und Absprache eine ähnliche Vermutungsregel aufgestellt werden kann. Außerdem soll erörtert werden, ob und inwieweit der Freiheit der Wahl der Handlungsebene Grenzen gezogen sind und ob und inwieweit die Wahl der Vertrags- bzw. der Abspracheform als Ersatz für einseitig-hoheitliches Handeln beschränkt ist. Da die Verwaltung ihre Aufgaben durch privat- und öffentlich-rechtliche Verträge erfüllt und polysynthetische Verwaltungsverträge existieren, die einmal mehr zivilrechtliche, einmal mehr öffentlich-rechtliche Komponenten enthalten, wird in Kapitel 5 zunächst der rechtliche Rahmen für das Verwaltungshandeln durch privatrechtliche Verträge und in Kapitel 6 der rechtliche Rahmen für das Verwaltungshandeln durch öffentlich-rechtliche Verträge unterschieden. Anhand spezieller Vertragstypen, die sich im Laufe der Zeit herausgebildet haben, wird herausgearbeitet, inwieweit privatrechtliche Verträge der Verwaltung durch öffentlich-rechtliche Regelungen überlagert werden und inwieweit umgekehrt das öffentlich-rechtliche Vertrags wesen durch das Zivilrecht geprägt wird. Untersucht werden insofern sachspezifisch vertypte privatrechtliche Verträge. Schließlich wird geprüft, inwieweit sich privatrechtliche Vertragsgestaltungsformen auf öffentlich-rechtliche Verträge übertragen lassen. Nach der Analyse der für das Verwaltungshandeln durch Verträge geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen werden in Kapitel 7 die dogmatischen Grundprinzipien (Vertragsfreiheit oder Dispositionsbejugnis, der Grundsatz "pacta sunt servanda" [kein Vertragspartner kann den Vertrag einseitig aufheben], das Prinzip der Freiwilligkeit der Pflichtenübemahme bzw. "volenti non fit iniuria" [dem Einwilligenden geschieht kein Unrecht]) und in Kapitel 8 die für das konsensuale Verwaltungshandeln durch Verträge und Absprachen geltenden Mißbrauchsschranken (insbesondere Willkürverbot, Koppelungs- und das Übermaßverbot sowie Aufgabenzuweisungsnorm und gesetzliche Zweckvorgaben) zusammengestellt und präzisiert. Danach werden das Koppelungs- und Übermaß verbot einer systematischen Betrachtung unter Berücksichtigung der sachspezijischen Einflüsse unterzogen (Kapitel 9).

D. Dogmatischer Ansatz und Gang der Untersuchung

57

Obwohl das Koppelungs- und das Übennaßverbot in der Literatur als spezielle Mißbrauchsschranken der Verwaltungsverträge häufig angesprochen werden, ist dennoch ihre Schrankenfunktion - wie die zahlreiche Rechtsprechung94 zu unterschiedlichen Fallkonstellationen zeigt - nicht vollständig ausgeleuchtet. Vor allem ist nicht hinreichend geklärt, ob und inwieweit die Freiwilligkeit der Leistungserbringung durch den Privaten den objektiven Mißbrauchstatbestand im Einzelfall ausschließen kann, sowie ob und inwieweit der Private auf die Einhaltung der Mißbrauchsschranken wirksam verzichten kann. Um die verfassungsrechtlichen und einfach-gesetzlichen Grenzen des Verwaltungshandeins, insbesondere die durch das Koppelungs- und das Übermaßverbot gezogenen Grenzen, einer eingehenden Untersuchung an hand verschiedener Fallgestaltungen unterziehen zu können, wird zunächst die Bedeutung und die Reichweite des Koppelungs- und des Übennaßverbots als Mißbrauchsschranken herausgearbeitet. Dabei wird untersucht, ob und inwieweit die sachspezifischen Gegebenheiten "zusätzlich Eckdaten" setzen und inwiefern diese sich auf die Tragweite des Koppelungs- und des Übermaßverbots auswirken. Sodann werden das Koppelungs- und das Übermaßverbot zu dem Prinzip "volenti non fit iniuria" bzw. dem Prinzip der Freiwilligkeit der Pftichtenübernahme in Beziehung gesetzt und ausgelotet, ob und inwieweit durch die Freiwilligkeit des Rechtsverzichts eines Privaten der Dispositionsrahmen der Verwaltung erweitert werden kann (Kapitel 10). Außerdem wird der Frage nachgegangen, unter weIchen Voraussetzungen von dem "Konsens" zwischen der Verwaltung und Privaten auf die Freiwilligkeit der Pftichtenübernahme bzw. Eingehung einer Leistungsverpftichtung durch den Privaten geschlossen werden kann. Dadurch werden sowohl die Grenzen des Grundsatzes "volenti non fit iniuria" im Verwaltungs vertragsrecht als auch die Reichweite der Mißbrauchs- und der Kompetenzschranken einer näheren Untersuchung unterzogen. Danach wird der verwaltungstypologische Rahmen, der der Vertragsgestaltungsfreiheit der Verwaltung im Vertragswesen vorgegeben ist, für die Hoheits-, die Leistungs- und die Fiskalverwaltung skizziert (Kapitel 11). Vor dem Hintergrund der hinsichtlich des vertraglichen Handeins gewonnenen Ergebnisse wird im Anschluß der rechtliche Rahmen des Verwaltungshandelns durch Absprachen (Kapitel 12) ausgeleuchtet. In Kapitel 13 wird dann erörtert, inwieweit das VerwaItungshandeln durch Verträge und Absprachen der aufsichtsbehördlichen Kontrolle unterworfen ist, weIche Pflichten die Aufsichtsbehärden im Rahmen ihrer Kontrollverantwortung treffen und weIche Kontrolldefizite auftreten. Schließlich wird in rechtsvergleichender 94 VgI. statt vieler BVerwGE 42, 331; BVerwG, NJW 1980, S. 1294; BVerwG, BayVBI. 1990, S. 281; BGH, NJW 1979, S. 642; BGH, NJW 1983, S. 2823; OVG Koblenz, NVwZ 1992, S. 796.

58

Einleitung

Sicht und hinsichtlich des Gemeinschaftsrechts der Europäischen Union untersucht, welche Entwicklung dort das der rechtlichen Untersuchung zugängliche, rechtlich normierte konsensuale Handeln der Verwaltung durch Verträge genommen hat (Kapitel 14) und ob daraus für die Fortentwicklung des Vertragsrechts Impulse gewonnen werden können (Kapitel 15). Auf die Gefahr hin, sich dem Vorwurf einer Generalisierung auszusetzen, mußte hingegen die ursprüngliche Absicht aufgegeben werden, in einem Schlußkapitel die wesentlichen oder alle bekannten Vertragstypen des besonderen Verwaltungsrechts darzustellen und dabei die Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge zu markieren. Dies muß einer Spezial untersuchung vorbehalten bleiben, die erst in Angriff genommen werden kann, wenn die Grenzen des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen mit Privaten ausgeleuchtet sind. Im Gegensatz zu zivilrechtlichen Darstellungen des Vertragsrechts95 , in denen die positivrechtliche Vertragstypisierung zugrundegelegt wird, läßt sich das öffentliche Vertragsrecht wegen der kaum noch zu überschauenden und systematisch kaum noch zu erfassenden Vielfalt der sachspezifischen Unterschiede des Besonderen Vertragsrechts überhaupt nur begrenzt in Form besonderer Vertragstypen systematisieren. Durch die globale Betrachtung der verschiedenen Funktionsbereiche der Verwaltung soll jedoch ein kompromißhafter Mittelweg beschritten werden. Es soll an hand von Beispielen aus verschiedenen Sachbereichen gezeigt werden, wie stark die Dispositionsbefugnis der Verwaltung sowie der rechtliche Rahmen für die Vertragsgestaltung davon abhängen, auf welchem Tätigkeitsfeld die Verwaltung Verträge schließt und Absprachen trifft. Wichtige Vertragstypen werden zu diesem Zweck als Anschauungsmaterial herausgegriffen, um die wesentlichen Zusammenhänge zwischen dem allgemeinen Vertragsrecht und dem besonderen Vertragsrecht als spezieller Sachmaterie herausschälen zu können. Dabei erarbeitete Leitlinien hinsichtlich der Grenzen der Dispositionsbefugnis sollen im Interesse der korrekten und sachgemäßen Vertragsgestaltung und Rechtskontrolle eine fachgebietsübergreifende Maßstabsvereinheitlichung und -präzisierung ermöglichen.

95 Vgl. dazu die Lehrbücher; insbesondere Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 11: Besonderer Teil, 1981; ders., Lehrbuch des Schuldrechts, Bd. 11, Halbband I: Besonderer Teil, 13. Aufl.; Fikentscher, Schuldrecht; Medicus, Schuldrecht 11: Besonderer Teil; Brox, Besonderes Schuldrecht.

Kapitel J

Die konsensualen Handlungsformen der Verwaltung A. Die Handlungsformen der Verwaltung Der Staat handelt in verschiedenen administrativen Handlungsformen auf den Ebenen von Bund, Ländern und Gemeinden. Außerdem nehmen autonome Körperschaften und Anstalten sowie beliehene Private ihnen übertragene Handlungsbefugnisse in der einen oder anderen Handlungsform wahr. In den Europäischen Gemeinschaften stehen überdies den Gemeinschaftsorganen administrative Handlungsformen zur Verfügung, mit denen sie mittelbar und unmittelbar nicht nur auf das Wirtschaftsleben der Mitgliedstaaten einwirken. Um den im Wandel begriffenen Zielen und rechtsstaatlichen Anforderungen Rechnung tragen zu können, werden einerseits die klassischen Handlungsformen I, Rechtsnormen, Verwaltungs akte und öffentlich-rechtlichen Verträge den veränderten Bedürfnissen angepaßt, andererseits entstehen darüber hinaus neue Handlungsformen 2 • Die Verwaltungsmacht nimmt für sich innerhalb der Rechtsmaterien eine schöpferische Gestaltungsbefugnis in Anspruch, soweit gesetzliche Determinanten fehlen. Während das vorhandene rechtliche Handlungsinstrumentarium noch zahlreiche ungeklärte Rechtsfragen aufwirft, bedient sich die moderne Verwaltung über das gesetzlich vorgesehene Spektrum hinaus aller möglichen denkbaren Formen informaler Handlungsmittel. Zu den informalen "Entscheidungen" hat Bohne "alle schlicht hoheitlichen Entscheidungen" gezählt, "die in der Form eines Verwaltungs aktes, eines öffentlich-rechtlichen Vertrages oder einer öffentlich-rechtlichen Willenserklärung hätten getroffen werden können"3. Als informales VerwalI Zur Typologie und zum Begriff der Rechts- und Handlungsformen vgl. Wolffl Bachof, Verwaltungsrecht I, S. 364 ff.; Krause, Rechtsformen des Verwaltungshandeins, S. 25 ff., sowie zu den Grundlagen einer Handlungsformenlehre im Verwaltungsrecht Pauly, S. 25 ff. (31 ff.). 2 Vgl. dazu Ossenbühl, Die Handlungsformen der Verwaltung, JuS 1979, S. 681 f.; von Mutius, Die Handlungsformen der öffentlichen Verwaltung, Jura 1979, S. 223 f.; König, Rechtliche und tatsächliche Formen des Verwaltungshandeins, VR 1990, S. 401 ff.; Schmidt-Aßmann, Die Lehre von den Rechtsformen des Verwaltungshandeins. Ihre Bedeutung im System des Verwaltungsrechts und für das verwaitungsrechtliche Denken der Gegenwart, DVBI. 1989, S. 535; Jürgen Becker, Handlungsformen der Verwaltung gegenüber der Wirtschaft, JA 1986, S. 359 ff.

3

Bohne, Der informale Rechtsstaat, S. 47; auf dieser bereits kritischen definitori-

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Kap. I: Die konsensualen Handlungsformen der Verwaltung

tungshandeln gilt danach, was rechtlich nicht festgelegt ist und zu den Rechtsformen in einem ergänzenden oder ersetzenden Alternativverhältnis steht. Um die in dieser Definition enthaltene kritische Implikation, daß informales Verwaltungshandeln ein vom rechtsförmlichen Handeln abweichendes oder gar illegales Verhalten darstellt, zu vermeiden, sollte das informale Verwaltungshandeln demgegenüber im Interesse einer nicht bereits begrifflich vorgeprägten Untersuchung neutraler als ein Verwaltungshandeln beschrieben werden, das das rechtlich geregelte Handlungsarsenal erweitert bzw. ergänzt4 . Eine spezielle Kategorie dieses Verwaltungshandelns bilden die informellen Handlungsformen, die als informierende Formen des Verwaltungshandelns außerhalb der rechtlich formalisierten Handlungsformen stehen 5 • Von der unverbindlichen Kontaktaufnahme bis hin zu dem unter Umständen schon verbindlichen Vorvertrag reicht die Palette der von der Verwaltung genutzten informalen Gestaltungsmöglichkeiten. Die unverbindlichen Arrangements und Agreements gehören in ständig zunehmendem Umfang zu den Formen des kooperativen Verwaltungshandelns 6• Neue Erscheinungsformen wie die behördlichen Warnungen 7 und Hinweise werfen alte Fragen auf; ebenso wie vor der rechtlichen Verankerung des verwaltungsrechtlichen Vertrags die Frage nach der Anerkennung des subordinationsrechtlichen Vertrags aufgeworfen wurde, stellt sich heute die Frage, ob die Verwaltung in der Schaffung weiterer Handlungsformen frei ist und wo insofern die Grenzen der administrativen Gestaltungsmacht verlaufen. Die Grenzen der administrativen Gestaltungsmacht müssen aufgrund einer globalen Betrachtung der Handlungsformenlehre durch die Bestimmung der Reichweite der Dispositionsbefugnis der Verwaltung festgelegt werden. Ob der Verwaltung hinsichtlich der Schaffung neuer Handlungsformen Schranken gesetzt sind, hängt davon ab, wie frei sie im Rahmen des Verwaltungsverfahrens in der Gestaltung ihres HandeIns den Privaten gegenüber ist (vgl. dazu unten Kapitel 4, C.). schen Ausgangsbasis liegt es, wenn Burmeister (Verträge und Absprachen zwischen Verwaltung und Privaten, VVDStRL 52 [1993], S. 235 f.) das informale Verwaltungshandeln als "alternatives Handeln" zu den rechtsformgebundenen Regelungen charakterisiert und bereits mit diesem definitorischen Ansatz die prinzipielle Illegalität der informellen Formen des Verwaltungshandelns im Vergleich mit den Formen des schlichten Verwaltungshandelns impliziert. 4 Schulze-Fielitz, Informales oder illegales Verwaltungshandeln?, S. 236; vgl. auch von Wedemeyer, Kooperation beim Vollzug des UmweItrechts, S. 13. 5 So Schulze-Fielitz (Anm. 4), S. 237. So ausdrücklich Bulling, Umweltschutz und Wirtschaftsüberwachung, S. 147. Vgl. dazu Berg, Die behördliche Warnung - eine neue Handlungsform des Verwaltungsrechts, ZLR 17 (1990), S. 565; Heintzen, Die öffentliche Warnung als Handlungsform der Verwaltung, S. 167 ff. 6

7

A. Die Handlungsformen der Verwaltung

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I. Die Handlungsformen aufgrund der dualistischen Struktur der deutschen Rechtsordnung Die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht durchzieht die gesamte Rechtsordnung; vom Grundgesetz bis zu den einfachen Gesetzen mit ihren Rechtswegbestimmungen. An die duale Struktur des Rechts knüpft das Grundgesetz8 durch die Verwendung des Begriffs des öffentlichen Rechts 9 , die Erwähnung des bürgerlichen Rechts lO und des Privatrechts I I an. Ähnliche Vorschriften, welche die Dichotomie von privatem und öffentlichem Recht voraussetzen, finden sich in den Landesverfassungen 12. Dieser rechtlichen Verankerung des Dualismus in der Rechtsordnung kommt rechtliche Verbindlichkeit zul3. Die Zweiteilung der Rechtsordnung zeigt ihre Auswirkungen sowohl bei pflichtwidriger als auch bei pflichtgemäßer Wahl der privaten Rechtsform durch die Verwaltung. Hat die Verwaltung privatrechtliche Gestaltungsformen verwendet, obwohl sie verpflichtet gewesen wäre, nach öffentlichem Recht vorzugehen, resultiert aus der Verbindlichkeit des Dualismus der Rechtsordnung die Nichtigkeit der getroffenen Verwaltungsmaßnahme l4 . Wenn sich die Verwaltung pflichtgemäß für die öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Vorgehensweise entschieden hat, wirkt sich diese Wahl nicht nur bindend auf die Rechtswegbestimmung, sondern grundsätzlich auch auf die Anwendbarkeit des gewählten Normenregimes aus. Zur Unterscheidung zwingen vor allem die Rechtswegbestimmungen der §§ 13 GVG und 40 VwGO sowie die Bestimmungen der §§ 1 Abs. 1 der Verwaltungsverfahrensgesetze von Bund und Ländern. Handelt die Verwaltung in den öffentlich-rechtlichen Formen, ist ihr Handeln dem Regime des öffentlichen Rechts, mithin auch dem Verwaltungsverfahrensrecht untersteIlt; handelt sie in Privatrechtsformen, ist grundsätzlich die Anwendbarkeit von Privatrecht vorgegeben. Ergeben sich aus privatrechtlichen Verträgen RechtsR Vgl. Art. 12a Abs. 3, 33 Abs. 4, 87 Abs. 2 und Abs. 3, 93 Abs. 1 Nr. 4, 96 Abs.4, 130 Abs. 3, 135 Abs. 2, 5 und 7, 135a Nr. 2 sowie 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 5 WRV. 9 Vgl. Art. 74 Nr. 7 GG.

10

In Art. 74 Nr. I GG.

11

In Art. 74 Nr. 11 GG.

12

Vgl. z.B. Art. 67 Verfassung des Landes Baden-Württemberg.

13

Vgl. dazu Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform, S. 50.

Aus § 134 BGB kann die Nichtigkeitsfolge dagegen nicht abgeleitet werden, da § 134 BGB die Nichtigkeitsfolge nicht an ein Handlungsformverbot, sondern an ein wegen seines Inhalts verbotenes Rechtsgeschäft anknüpft. So ausdrücklich auch Ehlers (Anm. 13), S. 212; vgl. dazu Larenz, Lehrbuch des Schuldrechts. Bd. I: Allgemeiner Teil, 7. Aufl., § 22 11, S. 429 f. 14

62

Kap. I: Die konsensualen Handlungsformen der Verwaltung

streitigkeiten, sind die Zivilgerichte für die Entscheidung zuständig. Für den Bereich des öffentlichen Rechts geht § 9 der Verwaltungsverfahrensgesetze von der Alternative zweier Rechtsformen aus, für die es kaum aufgabenspezifische Regelungen gibt: dem öffentlich-rechtlichen Vertrag und dem Verwaltungsakt. Die Verwaltungsverfahrensgesetze von Bund und Ländern geben den rechtlichen Rahmen für das Verwaltungsverfahren vor. Streitigkeiten aufgrund der Wahl der öffentlich-rechtlichen Rechtsformen sind im Verwaltungsrechtsweg auszutragen. Die Aufteilung der Handlungsformen in privatrechtliche und öffentlichrechtliche basiert auf der Zweiteilung der deutschen Rechtsordnung in öffentliches und privates Recht. Im modernen Industrie- und Sozialstaat nutzt die Verwaltung zur Aufgabenerledigung sowohl privatrechtliehe als auch öffentlich-rechtliche Gestaltungsmittel 15 • Von vornherein der Verbindlichkeit der Zweiteilung des Rechts entzogen ist prinzipiell das informale Verwaltungshandeln durch Absprachen, da Absprachen gerade unverbindlich und nicht förmlich sein sollen l6 . Das informale Verwaltungshandeln durch Absprachen ist somit eine in die dualistische Struktur der Rechtsordnung grundsätzlich nicht einzuordnende Form des VerwaltungshandeIns 17 • Zu klären ist aber, inwieweit es der Geltung des Rechts entzogen ist und inwiefern sich auch bezüglich des Verwaltungshandelns durch Absprachen das aufgrund des Dualismus der Rechtsordnung bestehende Qualifizierungsproblem stellt (dazu unten Kapitel 3, B.). 1. Öffentlich-rechtliche Handlungsformen

Die rechtliche Kategorisierung der Handlungsformen ist keineswegs ein theoretisches Gedankenspiel. Der Handlungsformenlehre kommen im Rechtsstaat vielmehr zwei wesentliche Funktionen zu: Zum einen dient sie der wirksamen Rechtskontrolle und zum anderen als Basis für eine zukunfts-

15 Da das positive Recht - einschließlich des Verfassungsrechts - die Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht voraussetzt, kann eine Konstruktion, die auf einer monistischen oder trialistischen Betrachtungsweise beruht, derzeit lediglich als Anstoß zum Umdenken verstanden werden. Ebenso Püttner, Die Öffentlichen Unternehmen, S. 76 Pn. 2; Ehlers (Anm. 13), S. 49 f. 16 Ebenso Jarass, Effektivierung des Umweltschutzes gegenüber bestehenden Anlagen, DVBI. 1985, S. 193 ff. (197); Bohne (Anm. 3), S. 72; Wicke, Umweltökonomie, S. 137 f.

17 Daß auch das nichtförmliche Verwaltungshandeln wegen seiner rechtlichen Auswirkungen normativen Bindungen unterworfen sein kann, zeigen die zunächst von der Verwaltungspraxis als unverbindlich angesehenen Warnungen und Hinweise.

A. Die Handlungsformen der Verwaltung

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orientierte rationale Verfahrensweise der Verwaltungix. Im klassisch-europäischen Verwaltungssystem 19 sind die Rechtsformen der Verwaltung infolge der rechtsstaatlichen Orientierung aufgrund der sozial-, umwelt- und technologiepolitischen Veränderungen einem ständigen Wandel unterworfen 2(,. Die Verwaltungshandlungen müssen deshalb im Hinblick auf die an einen effektiven Rechtsschutz und eine rechtsstaatliche Verfahrensgestaltung zu stellenden Anforderungen fortwährend neu auf ihre grundrechtliche Relevanz und ihre Wirksamkeit bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben überprüft werden. Das Verwaltungsverfahrensgesetz sieht zwar nur zwei Rechts/ormen des VelWaltungshandelns vor, den Verwaltungsakt und den öffentlich-rechtlichen Vertrag, jedoch enthält das Verwaltungsverfahrensgesctz keine abschließende Au/zählung der Handlungs/ormen. Die HandlungsformenlehIe muß, um alle ausgebildeten und sich noch entwickelnden Formen des Verwaltungshandelns erfassen zu können, einen umfassenden Handlungsbegriff wählen. Zu den Handlungsformen gehören daher sämtliche der Verwaltung normativ zuzuordnenden verbindlichen Handlungsformen, die ihren Adressaten gegenüber Rechtsfolgen auslösen, mithin auch die untergesetzlichen Rechtsnormen (Satzungen, Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften). Läßt sich eine Zuordnung nicht vornehmen, bleibt immer noch die Auffangkategorie der Realakte, denen die Handlungsformqualität nicht abgesprochen werden kann, da sie wie die Verwaltungsakte als nicht-förmliche Akte in das Rechtsschutzsystem eingebunden sind 21 • Zu diesen werden unter anderem behördliche IX Insofern betont König, VR 1990, S. 401 mit Recht, man könne "in der Konversion von einer Kaderverwaltung des realen Sozialismus zu einem klassischeuropäischen Verwaltungssystem mit einer ausgeprägten Rechtsgebundenheit nicht das Verwaltungsverfahren rechtlich in den Griff bekommen, ohne die Arten der Verwaltungsentscheidungen vorher in juristisch belastbare Rechtsformen des Verwaltungshandelns gebracht zu haben".

19 Bis zuletzt war in der DDR die gerichtliche Verwaltungskontrolle mit dem Dogma der Einheit der Staatsgewalt als unvereinbar behandelt worden und nur in wenigen Ausnahmefällen in Betracht gekommen (z.B. bei Streitigkeiten über Eintragungen in der Wählerliste oder deren Unvollständigkeit und über die Höhe der Entschädigung bei Gesundheitsschäden aufgrund von Schutzimpfungen); vgI. dazu Ule, Gesetzlichkeit in der Verwaltung durch Verwaltungsverfahren und gerichtliche Kontrolle in der Verwaltung, DVBI. 1985, S. 1029 ff. mit einer differenzierten, sowohl die Lehre als auch die Praxis in der DDR analysierenden und die abweichende Entwicklung in den damals sozialistischen Staaten (Ungarn, Polen, Tschechoslowakei und Jugoslawien) rechts vergleichend berücksichtigenden Betrachtung.

VgI. dazu auch den zusammenfassenden Tagungsbericht von Middeke / GeilerBericht über die 31. Assistententagung "Öffentliches Recht" vom 6. bis 8 März 1991 in Bremen, DVBI. 1991, S. 527. 20

mann, Wandel der Handlungsformen im Öffentlichen Recht -

21 Die öffentlichen Warnungen und Hinweise lassen sich als neue Erscheinungsformen des schlicht-hoheitlichen Handeins, also als Realakte, einordnen; der Aus-

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Kap. I: Die konsensualen Handlungsformen der Verwaltung

Warnungen und Auskünfte sowie Empfehlungen gerechnet. Die Subventionsvergabe bildet als "zusammengesetzte Handlungsjorm" eine eigenständige Kategorie22 , soweit sie nicht auf der Basis eines öffentlich-rechtlichen Vertrags erfolgt, sondern "zweistufig" mit der vorausgehenden Subventionsbewilligung als öffentlich-rechtlicher Entscheidungskomponente und der sich anschließenden Abwicklung im Rahmen eines privatrechtlichen Vertrags vollzogen wird. 2. PrivatrechtIiche Handlungsformen

Der Vorzug der privatrechtlichen Handlungsform liegt angesichts des erweiterten Handlungsinstrumentariums der Verwaltung nicht so sehr in der Formenvielfalt als vielmehr darin, daß das Zivilrecht für die Verwaltung in der Privatrechtsform "inhaltlich und strukturell klare Typen schuldrechtlicher Verträge,,23 zur Verfügung stellt und die Verwaltung von den verwaltungsverfahrensrechtlichen Bindungen weitgehend freistellt. Ob der Verwaltung allerdings sämtliche schuldrechtlichen Vertragstypen als Gestaltungsmittel offen stehen, ist von dem Grad der Bindung der Verwaltung an öffentliches Recht beim privatrechtsförmigen Handeln abhängig. Die Reichweite der Befugnis der Verwaltung zur freien Verfahrens gestaltung richtet sich danach, ob sie in der Wahl der Rechtsform frei ist (dazu unten Kapitel 2).

11. Die Formen des Verwaltungshandelns innerhalb der verschiedenen Phasen des VerwaItungsverfahrens Das Verwaltungs verfahren läßt sich in verschiedene Phasen untergliedern, in denen die Kontakte zwischen der Verwaltungsbehörde und den Verfahrensbeteiligten verschiedene Intensität erreichen. Es lassen sich die Phasen der Orientierung, der Sondierung und der Entscheidungsfindung unterscheiden 24 . Die Verwaltungsbehörden haben grundsätzlich in den verschiedenen arbeitung einer besonderen rechtlichen Kategorie des Verwaltungshandelns bedarf es zur Lösung der damit zusammenhängenden Rechtsprobleme nicht. Heintzen (Anm. 7), S. 170 und S. 178 qualifiziert die behördlichen Warnungen als schlicht-hoheitliche Gefahrenabwehrmaßnahmen. Er hebt damit zutreffend die rechtlich relevanten Aspekte ihrer Schutzfunktion und Eingriffswirkung in den Mittelpunkt der Betrachtung. 22 Ebenso König, VR 1990, S. 40\ (404); Ossenbühl, JuS 1979, S. 686, sowie zur Zwei-Stufen-Theorie eingehend Püttner, Allgemeines Verwaltungsrecht, S. 78 ff.

23 Vgl. dazu bereits oben Einleitung, V.2; Siebert, Privatrecht im Bereich öffentlicher Verwaltung, S. 236. 24 Vgl. dazu Bussfeld, Informales Verwaltungshandeln - Chancen und Gefahren, S. 40 ff.; Lübbe-Wolf! (Das Kooperationsprinzip im Umweltrecht - Rechtsgrundsatz

A. Die Handlungsformen der Verwaltung

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Phasen des VerwaItungsverfahrens - wobei allerdings die sachspezifischen Unterschiede der jeweiligen Verfahrensgegenstände zu berücksichtigen sind graduell und qualitativ unterschiedlich intensive Handlungsmöglichkeiten. Ihnen stehen grundsätzlich sowohl förmliche als auch nicht-förmliche Handlungsalternativen zur Verfügung, und sie können Maßnahmen treffen, die für den Fall der Zuwiderhandlung gegen eine Unterlassungs- oder Handlungspflicht mit und ohne Sanktionen verbunden sind. Zu den förmlichen Handlungsalternativen zählen die VerwaItungsakte und öffentlich-rechtlichen Verträge, zu den nicht-förmlichen die Absprachen und andere informale Formen des Verwaltungshandeins. Andere Arten des informalen Verwaltungshandeins, die nicht den Charakter einer sanktionslosen Absprache aufweisen, finden sich vor allem im entscheidungsvorbereitenden Verfahrensstadium. In der Orientierungsphase des Verwaltungsverfahrens besteht die Aufgabe der Verwaltung darin, das zur Beurteilung der Interessen der Verfahrensbeteiligten und der öffentlichen Interessen bedeutsame Material zusammenzutragen, die Privatinteressen mit den öffentlichen Interessen in Beziehung zu setzen und zu prüfen, ob ein Interessenausgleich möglich ist. Bereits in dieser Phase sind Kooperationsformen mit den Verfahrensbeteiligten denkbar, die der Verwaltungsbehörde ihre Arbeit erleichtern. Der Verfahrensbeteiligte kann Datenmaterial, spezifisches Know-how, Gutachtenergebnisse aus anderen Verfahren und ggf. sogar Personal zur Verfügung stellen. Die Sondierungsphase geht der Phase der Entscheidungsfindung voraus. In ihr können geeignete Formen der Verfahrensbeendigung zur vorzeitigen und nicht-förmlichen Beendigung des Verwaltungsverfahrens gesucht werden, sofern Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Insbesondere können in dieser Phase Absprachen getroffen werden, die zur vorzeitigen Verfahrensbeendigung führen. Läßt sich eine vorzeitige Einigung nicht herbeiführen, beginnt die Phase der Entscheidungsfindung, in der es informelle Kooperationsformen gibt, die den Verfahrensbeteiligten Einflußmöglichkeiten auf das Entscheidungsergebnis einräumen. Zu nennen sind die folgenden Formen des informellen Handeins: die Vorabzuleitung von Entscheidungsentwürfen, Vorverhandlungen und Absprachen. Auch nach dem Erlaß der behördlichen Entscheidung kann das Rechtsmittelverfahren durch Vereinbarungen, insbesondere Vergleiche und Absprachen, zum Abschluß gebracht werden. Die Interessenlage der Beteiligten stellt sich in der Rechtsmittelinstanz häufig anders dar als in dem Verfahrensstadium bis zum Erlaß der behördlichen Entscheidung. Finanzielle Folgelasten und die unter Umständen fortgeschrittene Klärung der Sach- und Rechtslage können zu einer Gewichtsverschiebung bei den Verhandlungen zwischen den Beteioder Deckmantel des Vollzugsdefizits?, S. 209 ff.) unterscheidet zudem zwischen Kooperationsformen in antragsabhängigen und nicht antragsabhängigen Verfahren. 5 Spannowsky

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Kap. I: Die konsensualen Handlungsformen der Verwaltung

ligten führen, so daß dieser Verfahrensabschnitt, je nachdem, wie die Interessen verteilt sind, für eine Vereinbarung besser oder schlechter geeignet sein kann. Fraglich ist bezüglich der konkreten Gestaltung der Verfahrensbeziehung zwischen der Verwaltungsbehörde und den Verfahrensbeteiligten, ob es verfassungsrechtliche und verfahrensrechtliche Determinanten gibt, welche die Freiheit der Verfahrensgestaltung, insbesondere die Wahl der Handlungsebene und der konkreten Rechtsform, begrenzen (dazu unten Kapitel 4).

B. Die Formen konsensualen Verwaltungshandelns Neben der Erweiterung der Gestaltungsmöglichkeiten durch den Ausbau des Arsenals verfügbarer Handlungsformen wächst der Trend zu den Verträgen und Absprachen, den Formen des konsensualen Verwaltungshandeins, bei denen mit den Betroffenen übereinstimmende Lösungen von Interessenkonflikten erarbeitet werden. Der zwischen den Beteiligten erreichte Konsens ist die Grundlage für die Verwirklichung der Verwaltungsziele. Einseitighoheitliche Verwaltungsmaßnahmen werden häufig als unbefriedigend empfunden und dem klassischen Handlungsinstrumentarium der Verwaltung zugerechnet, das den Anforderungen der Zeit nicht mehr vollständig gerecht wird. Indessen kann auch der Verwaltungsakt als eine Form des konsensualen Handeins eingesetzt werden, die im Einzelfall sowohl die Vorzüge demokratischer Bürgerbeteiligung als auch strikter Gesetzesvollziehung zusammenführen kann. Die Beteiligung des Bürgers am Entscheidungsprozeß kann sich über mehrere, rechtlich verschieden zu beurteilende Beteiligungsstufen bis hin zur "inhaltlichen Gestaltung der Rechtsfolgen"25 erstrecken. Auch die einseitig von der Verwaltung getroffene Entscheidung kann von einem Konsens mit dem Betroffenen getragen sein. Die Mitwirkung des Verwaltungsaktsadressaten an der Entscheidungsfindung macht diese nicht zwangsläufig zu einem zweiseitigen Rechtsgeschäft. Wird der Verwaltungsakt mit dem Adressaten vorher abgestimmt oder sogar ausgehandelt (sog. ausgehandelter Verwaltungsakt), so kann der Adressat zwar Einfluß auf den Inhalt und den Umfang der Rechtsfolgen nehmen, die "Verantwortung für die Rechtsfolgen"26 verbleibt jedoch bei der Verwaltung. Und der "Wirkungsgrund" für die ausgelösten Rechtsfolgen liegt in der Erklärung der Behörde27 . Beim 25 Schmidt-Salzer, Tatsächlich ausgehandelter Verwaltungsakt, zweiseitiger Verwaltungsakt und verwaltungsrechtlicher Vertrag, VerwArch. 62 (1971), S. 135 ff. (136); ferner Walter Jellinek, Zweiseitiger Verwaltungs akt und Verwaltungs akt auf Unterwerfung, S. 84. 26 Vgl. Bullinger, Vertrag und Verwaltungsakt, S. 251; Schmidt- Salzer, VerwArch. 62 (1971), S. 135 ff. (143). 27 So zutreffend Schmidt-Salzer, VerwArch. 62 (1971), S. 143.

B. Die Formen konsensualen Verwaltungshandelns

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"mitwirkungsbedüiftigen Verwaltungsakt", dessen Erlaß an die Mitwirkung des Betroffenen bzw. einer anderen Behörde gebunden ist, liegt der Wirkungsgrund ebenfalls in der Erklärung der Behörde. Die vorausgesetzte gesteigerte Beteiligungsintensität des Betroffenen bzw. der anderen Behörde führt beim mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt dazu, daß der Verwaltungsakt nur rechtmäßig ist, wenn der Betroffene oder die andere Behörde mitgewirkt oder gar zugestimmt hat. Ausnahmsweise kann die fehlende Beteiligung zur Nichtigkeit des Verwaltungs aktes führen, wenn der Verwaltungsakt erst mit der Zustimmung wirksam wird oder wenn der Antrag Voraussetzung für die Wirksamkeit des Verwaltungsaktes ist28 . Der Verwaltungsakt auf Zustimmunl 9 , der eine besondere Form des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes bildet, ist dadurch gekennzeichnet, daß der Adressat des Verwaltungsaktes zustimmen muß. Beispiele dafür bilden die Widmung im Straßenrecheo, die Änderung und Begründung von Statusrechten von Beamten (Ernennung, Versetzung, Einstellung) oder Staatsbürgern (Aus- und Einbürgerung) sowie die gebührenpflichtige Verwarnung 31 • Auch die Subventionsgewährung kann in der Form eines Verwaltungsaktes auf Zustimmung erfolgen, wenn der Subventionsempfänger die Verpflichtung übernimmt, die Subvention bei zweckwidriger Verwendung zurückzuerstatten.

Vgl. Ferdinand Kirchhof, Der Verwaltungsakt auf Zustimmung, DVBI. 1985, 651 ff. (660 f.), Stelkens, Der Antrag - Voraussetzung eines Verwaltungsverfahrens und eines Verwaltungsaktes, NuR 1985, s. 220; Klappstein, in: Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 44 Rdnr. 4.1.2 m.w.N. 29 So hat Kirchhof, DVBI. 1985, S. 651 ff. zutreffend denjenigen Verwaltungsakt bezeichnet, der einer Zustimmung des Adressaten des Verwaltungs aktes bedarf. Er bildet danach einen UnterfalJ des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsaktes. Der Begriff des zustimmungsbedürftigen Verwaltungsakts ist also weitergehend. Er schließt sämtliche Verwaltungsakte ein, denen irgendein Dritter zustimmen muß. Weder der von Walter Jellinek (Anm. 25), S. 84 ff. geprägte Begriff des "zweiseitigen Verwaltungsaktes" noch die auf Dtto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, S. 98 zurückgehende Bezeichnung "Verwaltungsakt auf Unterwerfung" lassen sich heute noch in das rechtsdogmatische System der Handlungsformen einfügen. Der Begriff des zweiseitigen Verwaltungsakts verwischt die Konturen der Abgrenzung vom Verwaltungsvertrag und leugnet den grundsätzlichen Vorrang des staatlichen Willens. Und die Bezeichnung als "Verwaltungs akt auf Unterwerfung" läßt sich mit dem Gesetzesvorbehalt nicht in Einklang bringen, weil sie aus der Überlegung herrührt, die Verwaltung könne sich aufgrund der privaten Willenserklärung ohne Ermächtigung weitergehende Handlungsspielräume verschaffen. Ähnlich Kirchhof, DVBI. 1985, S. 653/654 m.w.N. 30 Vgl. BayVerfGH, NJW 1985, S. 478 f.; Kirchhof, DVBI. 1985, S. 654.

s.

2R

31 Vgl. OVG Koblenz, DÖV 1965, S. 527; Schwarze, in: Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 35 Rdnr. 5.1.6.

s'

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Kap. I: Die konsensualen Handlungsformen der Verwaltung

I. Der Vertrag Die rechtsgeschäftliche Regelung wird durch den "einheitlichen Vertragswillen"32 der Kontrahenten, die "Willensvereinigung" bzw. die "Verständigung ,,33 hervorgebracht. Dies gilt sowohl für den privatrechtlichen als auch für den öffentlich-rechtlichen Vertrag. Zwar wird der Vertrag als eine Handlungsform der Verwaltung bezeichnet, eigentlich liegt das Handeln der jeweiligen VerwaItungsbehörde aber in der Abgabe der auf den Abschluß des Vertrages gerichteten Willenserklärung 34 . Denn ein verwaltungsrechtlicher Vertrag kommt wie ein privatrechtlicher Vertrag durch zwei korrespondierende rechtsgeschäftliche Willenserklärungen zustande. In welcher Phase des VerwaItungsverfahrens der Vertrag abgeschlossen wird und ob er zur Verfahrensbeendigung oder "im Vorfeld oder Umfeld oder Gefolge"35 abgeschlossen wird, ändert an der Rechtsnatur des Vertrages nichts. § 54 S. 1 VwVfG geht von der grundsätzlichen Zulässigkeit öffentlichrechtlicher Verträge aus, macht jedoch im Einzelfall die Zulässigkeit von dem Nichtvorliegen entgegenstehender Rechtsvorschriften abhängig. Durch den Rückgriff auf etwaige spezielle Rechtsvorschriften, die der Handlungsform oder dem Inhalt der vertraglichen Regelung entgegenstehen, öffnet § 54 S. I VwVfG den allgemeinen Regelungsrahmen einer konkreten Betrachtung der für den betroffenen Regelungsbereich geltenden materiellen Rechtsnormen. § 54 S. I VwVfG ist damit die Schnittstelle zwischen dem "allgemeinen Teil" des Rechts der öffentlich-rechtlichen Verträge und dem durch die verschiedenen Sachmaterien gekennzeichneten "besonderen Teil", der hinsichtlich der Rechtsform und der inhaltlichen Gestaltung der Verträge bereichsspezifische Anforderungen begründet. Die prinzipielle Zulässigkeit der Rechtsform des öffentlich-rechtlichen Vertrages wird durch Verweisung auf die für die fragliche Sachmaterie geltenden spezifischen Regelungen einer konkreten Betrachtung unterworfen.

32 So schon ausdrücklich Regelsberger, Pandekten, § 149 I I: "Man kann sagen: durch den Zusammenschluß der Willen entsteht ein neuer Wille, der Vertragswille". Vgl. dazu außerdem Larenz (Anm. 14) , § 18, S. 314 ff. 33 Vgl. insbesondere Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts. Bd. 11: Das Rechtsgeschäft, § 34, S. 618 f. 34 Ebenso Krause (Anm. I), S. 216; von Mutius, Jura 1979, S. 223. 35 Maurer, Der Verwaltungs vertrag - Probleme und Möglichkeiten, DVBI. 1989, S. 798 ff. (807).

B. Die Formen konsensualen Verwaltungshandelns

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11. Die Absprache Absprachen sind nicht-fönnliche Kooperationsfonnen zwischen Verwaltungsbehörden und Verfahrensbeteiligten, die grundsätzlich dadurch gekennzeichnet sind, daß bei keinem der Verhandlungspartner ein rechtlicher Bindungswille festzustellen ist. Hinsichtlich des Einvernehmens mit dem Privaten stehen die Absprachen, die als normativer Rechtsbegriff in der Rechtsordnung nicht existieren, als konsensuale Handlungsfonnen neben Vertrag und dem konsensgetragenen einseitigen Handeln durch Verwaltungsake6 . Im Gegensatz zu den als Rechtsformen des Verwaltungshandelns vorgegebenen Verträgen und Verwaltungsakten zielen die Absprachen nicht unmittelbar auf die Herbeiführung einer rechtlichen Veränderung ab; weder begründen noch ändern sie Rechte noch wirken sie auf Rechtsverhältnisse sonstwie unmittelbar ein. Gleichwohl ist eine Beschäftigung mit der Handlungskategorie der Absprachen unerläßlich, wenn man nach den rechtlichen Grenzen des konsensualen Verwaltungshandelns forscht. Die Notwendigkeit, dem Verwaltungshandeln durch Absprachen Grenzen zu ziehen, folgt daraus, daß durch die Absprachen - obgleich mit ihnen selbst unmittelbar keine Rechtsfolgen verbunden sein sollen, weil die Erklärungen der Beteiligten als nicht einklagbar und nicht durchsetzbar gewollt sind - häufig doch mittelbar Rechtsfolgen ausgelöst werden. Darin, daß durch Absprachen faktisch reale Veränderungen auf nicht-rechtsförmlichem und damit auf nicht kontroIlierbarem Weg, sondern auf mehr oder weniger heimlichem Umweg herbeigeführt werden, liegt die Gefährlichkeit der Absprachen. Zu unterscheiden sind Vorverhandlungen, Arrangements und Agreements, die grundsätzlich dem Typus der Absprachen zuzurechnen sind. Sie können vor der Einleitung oder am Ende eines fönnlichen Verwaltungs verfahrens stehen. Wird bereits im "frühen" Verfahrensstadium eine Absprache getroffen, dient sie der Vermeidung bzw. Verkürzung des Verwaltungsverfahrens. Am Ende des Verwaltungsverfahrens ermöglicht sie den Beteiligten und der Verwaltungsbehörde, das Verfahren ohne fönnlichen Abschluß (durch Verwaltungsakt oder Vertrag) zu beenden. Folgt man der Unterscheidung Bullings 37 , so sind Arrangement und Agreement danach zu unterscheiden, ob die unverbindliche Einigung mündlich oder schriftlich getroffen wurde. Als Arrangement wird danach eine mündliche Absprache bezeichnet, die als unverbindlich anzusehen ist, weil sie im Fall der Nichteinhaltung nicht durchsetzbar ist, und als Agreement eine schriftliche Einigung, die trotz der Ein-

36 Ähnlich Kunig, Verträge und Absprachen zwischen Verwaltung und Privaten, DVBI. 1992, S. 1193 ff. l7 Vgl. Bulling (Anm. 6), S. 151.

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Kap. 1: Die konsensualen Handlungsformen der Verwaltung

haltung der Schriftform keinen Vertragscharakter besitzt, so daß deren Nichterfüllung sanktionslos bleibt. Vorverhandlungen können förmlich und nicht-förmlich erfolgen, können abstrakt bleiben oder schon ganz oder teilweise konkret sein und zu Teilregelungen führen, die bereits vertraglicher Natur sind. Auch Formen gemischten Handeins, zusammengesetzt aus vertraglichen Regelungen und bloßen Absprachen, sind bei komplexen Verhandlungsthemen denkbar. Der richterlichen Inhaltskontrolle und der zwangsweisen Durchsetzbarkeit unterliegen nur die verbindlichen Vertragsteile. Deshalb müssen die unverbindlichen Abspracheteile bei komplexen Regelungen, die aus verbindlichen und unverbindlichen Komponenten bestehen, "herausgefiltert" werden. Insbesondere die Unterscheidung von verbindlichen und unverbindlichen Vorverhandlungen kann insofern Schwierigkeiten bereiten, als das Vorliegen und die Reichweite eines Bindungswillens der Kooperationspartner im Streitfall nur aus äußeren Umständen zu ermitteln ist (vgl. dazu unten C.I1.).

In. Der nach Mitwirkung des Verfahrensbeteiligten erlassene Verwaltungsakt

Im Gegensatz zum Vertrag, der seinen Entstehungsgrund in einer Willensübereinstimmung findet, scheint der Verwaltungsakt als "gesetzesbezogener Akt"38 nicht das Ergebnis einer Willensübereinstimmung sein zu können, sondern stets der Konkretisierung des objektiven Rechts zu dienen und folglich nicht von rechtlicher Gleichordnung zwischen Staat und Privatem, sondern von der Überordnung des Staates mit der Befugnis zu einseitiger Rechtsgestaltung gekennzeichnet zu sein. Die Existenz des sog. Verwaltungsakts auf Zustimmung, einer Form des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakts, bei dem der Adressat zustimmen muß, sowie der "ausgehandelten Verwaltungsakte" zeigt jedoch, daß Gleichordnung und Willensübereinstimmung kein alleiniges Kennzeichen für einen öffentlich-rechtlichen Vertrag sind 39 . Beide Verwaltungsakttypen stehen in der Reihe der Handlungsformen zwischen dem einfachen Verwaltungsakt und dem verwaltungsrechtlichen Vertrag 40 •

38lmboden, Der verwaltungsrechtliche Vertrag, S. 38. 39 So aber Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Allg. Teil, 9. Aufl. 1966, S. 192; Kelsen, Zur Lehre vom öffentlichen Rechtsgeschäft, AöR 31 (1913), S. 190, 221,233,239 f. 40 Ähnlich Kirchhof, DVBI. 1985, S. 661.

C. Die nachträgliche Unterscheidung der Erscheinungsformen

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Wird der Verwaltungsakt als konsensuale Handlungsform verwendet, der Bürger in den Entscheidungsprozeß eingebunden, die Vorstellung von dem Verwaltungsakt als obrigkeitsstaatlichem Befehl abgebaut, erweist er sich als nicht wesentlich weniger elastisch und flexibel als der Vertrag41 • Obwohl die Verwaltung einseitig handelt, kann sie durch ein gestuftes Vorgehen, durch Auflagen, Vorbehalte und Teilentscheidungen (Teilgenehmigungen) das Verfahren für den Betroffenen berechenbar und rücksichtsvoll gestalten. Für die Massenverwaltung des Verwaltungsalltags ist der Verwaltungs akt zudem nicht selten die im Vergleich zum Verwaltungsvertrag praktikablere Form des Verwaltungshandeins. In Lebensbereichen, in denen aufgrund der tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten keine Möglichkeit für ein auf den Einzelfall zugeschnittenes differenziertes Vorgehen besteht42 oder wo der Gleichheitssatz ein stringentes, gleichförmiges Vorgehen gebietet (z.B. bei der Durchführung von Prüfungen und bei der Erteilung von Leistungsnachweisen) und wo die Verwaltung rasch und gleichzeitig oder in kurzen Zeitabständen aufeinanderfolgend gegenüber zahlreichen Bürgern handeln muß (z.B. bei der Anwendung von Zwangsmitteln gegenüber Versammlungsteilnehmern und bei Verkehrskontrollen), kann der Vertrag den Verwaltungsakt nicht verdrängen und als Handlungsform auch unzulässig sein (vgl. § 2 Abs. 3 Nr. 2 VwVfG). Der verwaltungsrechtliche Vertrag könnte nur in einigen Bereichen der Massenverwaltung in seiner Gestalt als Adhäsionsvertrag, also eines typisierten Formularvertrags, einen ähnlich praktikablen Weg eröffnen (z.B. bei der Vergabe von Sozialleistungen). Die Vorteile des Vertrags können dann aber prinzipiell nur in der Möglichkeit der Zusammenfassung mehrerer Regelungsgegenstände gefunden werden.

C. Das Problem der nachträglichen Unterscheidung der Erscheinungsformen des Verwaltungshandelns I. Die Schwierigkeit bei der Abgrenzung eines subordinationsrechtIichen Vertrags von einem mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt

Während beim ausgehandelten Verwaltungsakt trotz der tatsächlichen Mitwirkung des Verfahrensbeteiligten an der inhaltlichen Gestaltung der 41

Ähnlich Maurer, Der Verwaltungsvertrag -

S. 35 f.

Probleme und Möglichkeiten,

42 Ähnlich differenzierend auch Püttner in seiner Stellungnahme im Rahmen der Aussprache über die Referate ,Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten' auf der Staatsrechtslehrertagung in Bayreuth, VVDStRL 52 (1993), S. 360 f.

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Kap. I: Die konsensualen Handlungsformen der Verwaltung

Verwaltungsentscheidung kaum Abgrenzungsschwierigkeiten auftreten, weil der Verfahrensbeteiligte an der Entscheidung der Verwaltung nur tatsächlich, grundsätzlich aber nicht aufgrund eines Antrags- oder Zustimmungserfordernisses formell beteiligt wird, gibt es hinsichtlich der Abgrenzung zwischen dem Verwaltungsakt auf Zustimmung und dem subordinationsrechtlichen Vertrag infolge der förmlichen Beteiligung des Verfahrensbeteiligten Probleme. Die Abgrenzung wird nämlich durch die beiden, üblicherweise für die Unterscheidung zwischen einseitigem und vertraglichem Handeln herangezogenen Kriterien der Gleichordnung und der Willensübereinstimmung nur bedingt ermöglicht, da diese Kriterien auch für den genannten Verwaltungsakttypus kennzeichnend sind. Zwischen dem mitwirkungs bedürftigen Verwaltungsakt, insbesondere dem Verwaltungsakt auf Zustimmung, und dem subordinationsrechtlichen Vertrag besteht, wie Lerche es zutreffend formuliert hat, eine "Zone gleitender Übergänge"43. Fraglich ist zunächst, ob die Abgrenzung zwischen dem mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt und dem öffentlich-rechtlichen Vertrag nach objektiven Kriterien überhaupt vorgenommen werden kann, oder ob auf den Willen der Beteiligten abgestellt werden muß. Überdies stellt sich die Frage, ob der Wille der Beteiligten auch maßgebend sein kann, wenn nachträglich nicht eindeutig festgestellt werden kann, welche Rechtsform die Beteiligten wählen wollten. Die Bedeutung der Abgrenzung zwischen mitwirkungsbedürftigem Verwaltungsakt und Vertrag liegt auf der Hand. Von der rechtlichen Qualifizierung hängt nicht nur ab, weIche Klageart im Einzelfall die richtige ist; aus ihr resultieren vielmehr auch Unterschiede hinsichtlich der Wirksamkeit und Vollstreckbarkeit. Während der Verwaltungakt auf Zustimmung grundSätzlich nur anfechtbar ist, wenn die Zustimmung des Adressaten der Verfügung fehlt oder fehlerhaft ist, hat das Fehlen der zustimmenden Willenserklärung des Vertragspartners zur Folge, daß der Vertrag überhaupt nicht zustandekommt. Zudem kann die Verwaltung einen Verwaltungsakt grundsätzlich unter den Voraussetzungen der §§ 48, 49 VwVfG einseitig aufheben, während der verwaltungsrechtliche Vertrag nur von den Vertragsparteien einvernehmlich aufgehoben oder unter den Voraussetzungen des § 60 VwVfG gekündigt werden kann. Schließlich bildet der verwaltungsrechtliche Vertrag nur einen Vollstreckungstitel, wenn sich der Vertragspartner der sofortigen Vollstrekkung unterworfen hat (§ 62 VwVfG). Schwierigkeiten bereitet aber das Auffinden geeigneter Kriterien für die Abgrenzung zwischen dem mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt, insbe43 Lerche, Die verwaltungsgerichtliche Klage aus öffentlich-rechtlichen Verträgen, S.64.

C. Die nachträgliche Unterscheidung der Erscheinungsformen

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sondere dem Verwaltungsakt auf Zustimmung, und dem verwaltungsrechtlichen Vertrag. Die Eignung objektiver Kriterien zur Abgrenzung von öffentlich-rechtlichem Vertrag und mitwirkungsbedürftigem Vertrag haben Bosse44 und Grupp4S zu Recht bestritten. Mit dem von JeIlinek46 entwickelten Kriterium der "Gleichwertigkeit der beiderseitigen WiJJenserklärungen" sowie dem von Ipsen 47 geforderten "Mindestmaß gleichrangiger Mitwirkung" können die Abgrenzungsprobleme nicht bewältigt werden, da ungewiß bleibt, wonach im Über- und Unterordnungs verhältnis, das für den Verwaltungsvertrag kennzeichnend ist, die Gleichwertigkeit bemessen werden soll. Oder ist etwa der verfahrenseinleitende Antrag beim mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt, wenn man ihn mit der schlichten Zustimmung zu einer von der Verwaltung präsentierten Vertragsofferte vergleicht, eine nachrangige WiJJenserklärung? Eine zuverlässige Feststellung über den Umfang an Gleichrangigkeit der Mitwirkung läßt sich kaum treffen. Denn sie zwänge zu einer rechtslogisch nicht begründbaren Wertung. Auch die Abgrenzung danach, ob die Willenserklärung des Privaten "notwendiger Bestandteil des auch ihn verpflichtenden Rechtsgeschäfts"48 ist, ermöglicht keine eindeutige Unterscheidung zwischen dem mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt und dem subordinationsrechtlichen Vertrag. Beim mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakt ist der Antrag des Privaten eine Zustimmung des Betroffenen, deren Fehlen den Verwaltungsakt grundsätzlich nur anfechtbar, nicht auch unwirksam macht49 . Die Zustimmung ist damit kein "Bestandteil" des Verwaltungsaktes. Allerdings besteht die Schwierigkeit der Abgrenzung zwischen mitwirkungs bedürftigem Verwaltungsakt und öffentlich-rechtlichem Vertrag gerade darin, festzustellen, welche rechtliche Beziehung zwischen der Zustimmung des Betroffenen und der WiJJenserklärung der Verwaltungs behörde besteht. Denn ob das Verhältnis zwischen der Zustimmung des Privaten und der behördlichen WiJJenserklärung so beschaffen ist, daß die WiJJenserklärung der Behörde wie beim mitwirkungs bedürftigen Verwaltungsakt angesichts der fehlenden Mitwirkung des Privaten zwar fehlerhaft, aber grundsätzlich gleichwohl wirksam istSO und der Fehler durch eine nachträgliche Zustimmung sogar 44 Bosse, Der subordinationsrechtliche Verwaltungsvertrag als Handlungsform öffentlicher Verwaltung, S. 35. 45 Grupp, Das Angebot des anderen Mittels, VerwArch. 69 (1978), S. 125 ff. (134). 46 Walter lellinek, Verwaltungsrecht, S. 253. 47 Ipsen, Öffentliche Subventionierung Privater, S. 70. 48 Rüjner, Formen öffentlicher Verwaltung im Bereich der Wirtschaft, S. 336.

49 So ausdrücklich auch Stelkens, NuR 1985, S. 213 ff. (220 f.); Klappstein, in: Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, § 45 Rdnr. 3.1. 50 Vgl. Kirchhof, DVBI. 1985, S. 655 f.; ebenso Bulling, Zur Frage des mangelnden Antrags bei antragsbedürftigen begünstigenden Verwaltungsakten, DÖV 1962, S. 378

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Kap. I: Die konsensualen Handlungsformen der Verwaltung

noch geheilt werden kann, oder ob es sich um eine Vertragsofferte der Verwaltung handelt, die, wenn die Zustimmung des Privaten nicht erteilt wird, keine Wirkung entfaltet51 , hängt von der rechtlichen Qualifizierung der behördlichen Willensäußerung ab. Die Feststellung, daß die Zustimmung des Betroffenen der Bestandteil eines zweiseitigen Rechtsgeschäfts ist, läßt sich nämlich erst treffen, wenn geklärt ist, daß die Willenserklärung der Verwaltung die Grundlage eines zweiseitigen Rechtsgeschäfts sein sollte. Wenn Bosse52 und Grupp 53 in erster Linie darauf abstellen, welche Rechtsfolgen die Beteiligten gewollt haben: die Rechtsfolgen eines Verwaltungsakts oder eines Vertrags, so unterwerfen sie die Bestimmung, welcher Rechtsform sich die Verwaltung bedient hat und welche Rechtsfolgen damit verbunden sind, dem Willen der Beteiligten. Das subjektive Kriterium, ob die Beteiligten bestimmte Rechtswirkungen gemeinsam gewollt haben, ist jedoch für eine Qualifizierung des Verwaltungshandelns nur dann tauglich, wenn sich die Qualifizierung anhand dieses Kriteriums unter Berücksichtigung objektiver Umstände aus einer Ex-ante-Betrachtung für die Zeit des Verwaltungshandelns zuverlässig vornehmen läßt. Ist dies nicht der Fall und fehlen auch objektive Kriterien, die einen Hinweis darauf geben, was die Beteiligten gewollt haben, so stellt sich die Frage, ob auch dann, wenn bei der Ex-anteBetrachtung eine Qualifizierung anhand der erkennbaren Umstände nicht möglich ist, die nachträgliche Bestimmung der gewählten Form des Verwaltungshandelns anhand des subjektiven Kriteriums, des Willens der Beteiligten, vorgenommen werden darf. Die Bedenken dagegen, daß zur Bestimmung des Rechtscharakters einer VerwaItungshandlung auf das subjektive Kriterium des Beteiligtenwillens zurückgegriffen werden muß, versucht Grupp zwar durch den Hinweis darauf auszuräumen, daß die Vertragsauslegung auch an hand subjektiver Kriterien erfolgt und man sich bei der Ermittlung des Willens der Beteiligten an objektiven Umständen orientieren könne. Damit werden jedoch nicht sämtliche Bedenken ausgeräumt. Zum einen läßt sich die Bestimmung der Rechtsform nicht mit der Vertragsauslegung vergleichen, bei der wenigstens klar ist, daß die Parteien einen Vertrag abgeschlossen haben. Die Vertragsauslegung bezieht sich zwar auch auf die von den Beteiligten gewollten Rechtsfolgen, ff.; Weides, Widerruf von Zuwendungsbescheiden, JuS 1985, S. 364 (369 f.); a.A. Ule / Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 399. 51 Ebenso Gusy, Öffentlich-rechtliche Verträge zwischen Staat und Bürgern, DVBI. 1983, S. 1222 ff. (1226 f.), der annimmt, es liege stets eine vertragliche Regelung vor, wenn die Mitwirkung des Bürgers Wirksamkeitsvoraussetzung ist. Zum Meinungsstand Ule / Laubinger (Anm. 50), S. 505. 52 Bosse (Anm. 44), S. 35. 53

Grupp, VerwArch. 69 (1978), S. 137; vgI. auch Krause (Anm. I), S. 229.

C. Die nachträgliche Unterscheidung der Erscheinungsformen

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die Auslegung wird jedoch zumindest durch die gewählte Vertragsform begrenzt. Zum anderen bleibt offen, was angenommen werden soll, wenn sich der Wille der Beteiligten später nicht mehr ermitteln läßt und welche Bedeutung dem Willen der Beteiligten zukommt, wenn objektive Umstände dem festgestellten Willen der Beteiligten widersprechen. Soll dann von einem Verwaltungsakt auf Zustimmung oder von einem Verwaltungsvertrag ausgegangen werden? Und welche Kriterien sollen dann maßgebend sein? Solche Fälle werden zwar selten sein, sind jedoch denkbar und werfen dann die eigentlichen Abgrenzungsprobleme auf. Möchte man die Abgrenzungsprobleme klären, muß man zunächst prüfen, in welchem Verhältnis etwaige vorhandene objektive Abgrenzungskriterien zu dem von den Beteiligten geäußerten Willen stehen, die Rechtsfolgen eines Vertrags oder eines Verwaltungsakts herbeiführen zu wollen (Prüfungsreihenfolge der Abgrenzungskriterien). Sodann muß man der Frage nachgehen, was in dem denkbaren Fall gelten soll, daß "ex ante" nicht aufklärbar ist, was die Beteiligten gewollt haben.

In Betracht kommen als objektive Abgrenzungskriterien: erstens die äußere Form des Verwaltungshandeins, d.h. wie die Beteiligten das Handeln bezeichnet haben, und zweitens wie sich die Mitwirkung des Privaten ausgewirkt hat. Haben die Beteiligten den Rechtsakt als Vertrag bezeichnet, liegt ein verwaltungsrechtlicher Vertrag vor, da diese Bezeichnung zugleich ein Indiz für den subjektiven Rechtsfolgewillen begründet. Fehlt eine derartige Bezeichnung, ist ein weiteres objektives Abgrenzungskriterium, ob der Regelungsinhalt von der gesetzlichen Handlungsermächtigung der Verwaltung abweicht, indem er weitergehende Rechte und Pflichten der Verwaltung oder des Vertragspartners begründet. Eine Erweiterung der gesetzlich vorgesehenen Pflichten des Vertragspartners der Verwaltung setzt eine freiwillige Einigung zwischen den Verfahrensbeteiligten voraus und kann nicht durch einseitige Festsetzung der Verwaltung erreicht werden. Auf das Maß der inhaltlichen Einflußnahme des Vertragspartners kommt es dagegen - wie Grupp54 zu Recht betont hat - insofern nicht an. Dies folgt aus der Möglichkeit eines sog. Adhäsionsvertrags, also eines typisierten Formularvertrags, oder eines in allen Einzelheiten von der Verwaltung ausgearbeiteten Vertrags, dem der Vertragspartner inhaltlich lediglich zustimmen kann. Hält sich ein solcher Vertrag innerhalb der Handlungsermächtigung der Verwaltung, so unterscheidet er sich inhaltlich und hinsichtlich des Maßes der Einflußnahme des Vertragspartners auf den Inhalt nicht von einem Verwaltungsakt auf Zustimmung. In einem solchen Fall versagen die objektiven Abgrenzungskriterien, und es muß auf den Willen der Beteiligten zur Bestimmung der

54

Grupp, VerwArch. 69 (1978), S. 136.

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Kap. 1: Die konsensualen Handlungsformen der Verwaltung

Rechtsform zurückgegriffen werden. Der Wille der Beteiligten kann dabei nur maßgebend sein, wenn er sich "ex ante" ermitteln läßt. Anderenfalls haben es die Beteiligten in der Hand, im nachhinein die ihnen nunmehr günstiger erscheinende Rechtsform - ohne erneuten Rechtsakt - selbst zu bestimmen, obwohl sie ihren Willen bereits bekundet und damit Rechtsfolgen ausgelöst haben. Dies wäre mit dem Gedanken der Rechtssicherheit und dem Schutz der Rechte Dritter nicht zu vereinbaren; ein nachträgliches Bestimmungsrecht über die Reichweite ihrer Erklärungen ist den Beteiligten nicht eingeräumt. Läßt sich nicht feststellen, ob die Beteiligten im Zeitpunkt der Willensäußerung einen Vertrag oder einen Verwaltungsakt gewollt haben oder stimmt der Wille der Beteiligten nicht überein, so kann folglich nicht von einem Vertrag ausgegangen werden, da die Willensübereinstimmung sich auch auf die Wahl der Vertragsform beziehen muß, um die Rechtsfolgen des Vertrags auslösen zu können. Wollte die Verwaltung zum Beispiel in Vertragsform handeln und wollte der Verhandlungspartner nach seinem erkennbaren Willen eine Zustimmung zu einem Verwaltungsakt abgeben, so ist eine Einigung über das vertragliche Handeln nicht zustandegekommen. Die Rechtsfolgen des Vertrags sind dann durch das Handeln der Verwaltung nicht ausgelöst worden. Geprüft werden muß dann, ob die von der Verwaltung abgegebene Willenserklärung als Verwaltungsakt aufgefaßt bzw. in einen Verwaltungsakt umgedeutet werden kann. Dies ist aber grundSätzlich abzulehnen. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich die Verwaltung an ihre Vertragsofferte für den Fall nicht gebunden sehen wollte, daß der Empfänger keine vertragliche Bindung eingeht. Handelte es sich um eine Vertragsofferte, kann dieser nicht die Bedeutung eines einseitigen verbindlichen Hoheitsakts im Wege der Umdeutung beigemessen werden. Hat sich die Verwaltung mit ihrer Willenserklärung für konsensuales Handeln entschieden, können die Rechtsfolgen nur zusammen mit dem Beteiligten ausgelöst werden. Die Entscheidung für eine bestimmte Rechtsform kann nicht nachträglich umdirigiert werden. Soll, nachdem der Wille zu konsensualem Handeln geäußert worden ist, zu einseitigem Handeln übergegangen werden, so ist eine neue Willensäußerung erforderlich, aus der die Verbindlichkeit des einseitigen Handeins hervorgeht. Falsch ist es auch, in Zweifelsfällen von einer Vermutung zugunsten der Rechtsfarm des Verwaltungsakts auszugehen 55 . Nachdem der Verwaltungsvertrag dem Verwaltungsakt als gleichrangige Rechtsform zur Seite gestellt worden ist, läßt sich eine dahingehende Rechtsvermutung nicht mehr begründen. Es spricht aber auch keine tatsächliche Vermutung dafür, daß die Verwaltung, wenn sie den Privaten an ihrer Entscheidung mitwirken läßt, im Zweifel in der Form des Verwaltungsakts handeln möchte. 55 So aber früher das BVerwG, E 25, 72 (78, 80); Salzwedel, Die Grenzen der Zulässigkeit des öffentlich-rechtlichen Vertrages, S. 44; Kottke, System des subordinationsrechtlichen Verwaltungsvertrages, S. 21.

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Eine andere Frage ist dagegen, zu wessen Lasten im EinzelfaIl die Unaufklärbarkeit der Tatsache geht, welche Rechtsform die Verwaltung gewählt hat (vgl. dazu auch unten Kapitel 2, F.III., sowie Kapitel 3, A.II.). Diese Frage stößt an eine weitere "terra incognita" des Verwaltungsrechts56 : die Beweislast im Verwaltungsrecht. Sie läßt sich nicht einheitlich beantworten. Auf die Einzelheiten und dogmatischen Hintergründe der Beweislastlehre des Verwaltungsrechts kann im Rahmen dieser Abhandlung nicht näher eingegangen werden. Mit den damit zusammenhängenden Problemkreisen hat sich Nierhaus 57 in seiner Habilitationsschrift "Beweismaß und Beweislast" eingehend beschäftigt und einiges Licht in das Dunkel der Beweislastlehre im Verwaltungsrecht gebracht. Jedoch sollen diejenigen Leitlinien, welche die Entscheidung der Frage vorbereiten können, zu wessen Lasten es geht, wenn unaufklärbar ist, ob die Verwaltung durch Vertrag oder einseitig-hoheitlich handeln wollte, hier wenigstens zusammengefaßt werden. Daß sich die Beweislastregel der im Zivilrecht58 geltenden und häufig auch im Verwaltungsrecht - und zunehmend im öffentlichen Vertragsrecht 59 Anwendung findenden sog. Normentheorie, wonach derjenige, der einen Anspruch geltend macht, die Beweislast für die den Anspruch begründenden Tatsachen und derjenige, der die Aufhebung oder die Hemmung der Wirksamkeit eines Anspruchs geltend macht, die Beweislast für die die Aufhebung oder Hemmung begründenden Tatsachen trägt, nicht ohne weiteres auf das Verwaltungsrecht übertragen läßt, ist überwiegende Meinung. Dies liegt daran, daß die auf das von Gleichordnung geprägte Zweiparteiensystem des Zivilrechts zugeschnittene Normenbegünstigungstheorie auf die polygonalen Rechtsbeziehungen des Verwaltungsrechts mit einem häufig - selbst bei 56 So Wittmann, Zu den Grenzen der gerichtlichen Kontrolle im Verwaltungsprozeß, BayVBI. 1987, S. 744 (747).

Nierhaus, Beweismaß und Beweislast. Rosenberg (Die Beweislast auf der Grundlage des Bürgerlichen Gesetzbuches und der Zivilprozeßordnung, S. 98 ff.) hat die Normentheorie dogmatisch begründet. Das Grundprinzip der Beweislastverteilung lautet danach kurzgefaßt: "Jede Partei hat die Voraussetzungen der ihr günstigen Norm (= derjenigen Norm, deren Rechtswirkungen ihr zugute kommt) zu behaupten und zu beweisen." Vgl. zur Kritik an der Rosenbergschen Normentheorie und deren Fortentwicklung die Werke von Schwab, Zur Abkehr moderner Beweislastlehren von der Normentheorie, S. 505 ff.; Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast. Eine Untersuchung moderner Beweislasttheorien und ihrer Anwendung insbesondere im Arbeitsrecht; Leipold, Beweismaß und Beweislast im Zivilprozeß; Musielak, Die Grundlagen der Beweislast im Zivilprozeß; ders., Gegenwartsprobleme der Beweislast, ZZP 100 (1987), S. 385 ff. 59 Vgl. dazu Ule/Laubinger (Anm. 50), S.502 ff.; Achterberg, Der öffentlichrechtliche Vertrag, JA 1979, S. 356 ff.; Wilfried Braun, Der öffentlich-rechtliche Vertrag im Spannungsfeld zwischen Verwaltungsakt und verwaltungsrechtlichem Rechtsgeschäft, JZ 1983, S. 841 ff.; Gusy, DVBI. 1983, S. 1222 ff. 57

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Kap. I: Die konsensualen Handlungsformen der Verwaltung

vertraglichem Handeln - (über)mächtigen Staat kaum übertragbar ist60 • Wenn nicht aufklärbar ist, ob die Verwaltung einseitig-hoheitlich oder durch Vertrag handeln wollte, muß entschieden werden, zu wessen Lasten die Unaufklärbarkeit dieser Tatsache geht (materielle Beweislast). Dabei ist nach dem Regel-Ausnahme-Argument61 grundsätzlich danach zu unterscheiden, ob es sich um einen Sachbereich handelt, in dem die Verwaltung nur ausnahmsweise vertraglich handelt bzw. handeln kann oder um einen Bereich, in dem die Verwaltung in der Regel vertraglich handelt. Leitet die Verwaltung allerdings aus einem Vertrag gegenüber dem privaten Vertragspartner weitergehende Rechte aufgrund dessen freiwilliger Leistungserbringung ab, als ihr bei einseitig-hoheitlichem Handeln zukommen können, geht die Unaufklärbarkeit zu ihren Lasten. Da sie prinzipiell die Wahlmöglichkeit zwischen den Rechtsformen Vertrag und Verwaltungsakt hat, kann sie sich durch eine unklare Rechtsformwahl keine Vorteile bei der nachträglichen Bestimmung der Rechtsfolgen ihres Handeins verschaffen. Dies wäre mit dem aus der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens ("fair trial") und dem allgemeinen Gleichheitssatz abgeleiteten Prinzip der" Waffengleichheif", das für den Ausgleich prozessualer Ungleichgewichte im Bereich des konsensualen Handeins der Verwaltung sorgt, nicht vereinbar. Dafür spricht im übrigen auch die Sphärenfheorie 62 , nach der die "Beweisnähe", die "Einflußsphäre" und der "Herrschafts- und Organisations bereich" den Ausschlag für die Entscheidung geben, wen die materielle Beweislast im Fall der Unaufklärbarkeit einer Tatsache trifft. Dies ist im Fall der nicht eindeutig getroffenen Wahl der angewendeten Rechtsform grundsätzlich die Verwaltung.

11. Die Schwierigkeiten bei der Abgrenzung eines öffentlich-rechtlichen Vertrags von einer Absprache Den Unterschied zwischen formalen Entscheidungen, zu denen Verwaltungsakt, verwaltungsrechtlicher Vertrag und öffentlich-rechtliche Willens60 Ebenso Nierhaus (Anm. 57), S. 409 ff. (411); Peschau, Die Beweislast im Verwaltungsrecht, S. 21 ff. 6\ Vgl. dazu Peschau (Anm. 60), S. 42 ff.; dazu kritisch Nierhaus (Anm. 57), S. 441 ff., der zum Ergebnis gelangt, daß dieses Prinzip der Beweislastverteilung nach dem Regel-Ausnahme-Prinzip nur zur Anwendung kommen könne, wenn es den materiellen Erwägungen des Gesetzgebers im Hinblick auf eine bewußt getroffene Beweislastverteilung entspreche.

62 Vgl. zur Sphärentheorie Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, S. 213 für das Zivil- und insbesondere das Arbeitsrecht, sowie Nierhaus (Anm. 57), S. 430 für das Verwaltungsrecht.

C. Die nachträgliche Unterscheidung der Erscheinungsformen

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erklärungen zu rechnen sind, und informalen Handlungsformen sieht Bohne darin, ob die Behörde den tatsächlichen Erfolg zum Gegenstand einer Rechtsfolge machen will oder durch ein rein tatsächliches Handeln anstrebt. Für die Abgrenzung zwischen "formal" und "informal", zwischen Vertrag und Absprache, ist dadurch jedoch wenig gewonnen. Auch daß "formale Handlungen meist gewisse äußerliche Förmlichkeiten", wie z.B. eine Rechtsmittelbelehrung, aufweisen, mag zwar im Einzelfall eine Erleichterung für die Abgrenzung sein, ermöglicht aber in materiellrechtlicher Hinsicht keine zuverlässige Unterscheidung, zumal sowohl der Vertrag als auch die Absprache "äußerlich" beide durch eine Willensübereinstimmung zwischen der Verwaltung und ihrem Kooperationspartner gekennzeichnet sind. Die Einhaltung der Schriftform begründet insofern - für sich gesehen - ebenfalls keine ausreichende Unterscheidungskraft zwischen Vertrag und Absprache, weil ein Agreement ebenfalls schriftlich abgefaßt wird 63 . Da bei der Absprache ebenso wie beim Vertrag eine Willensübereinstimmung erforderlich ist, liegt der entscheidende Unterschied zwischen Absprache und Vertrag darin, daß die Absprache ihrem Wesen nach unverbindlich ist, sich vom Vertrag also durch das Fehlen eines Rechtsbindungswillens unterscheidet. Für die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichem Vertrag und Absprache können somit die Kriterien entsprechend herangezogen werden, die von der herrschenden Meinung für die Abgrenzung zwischen einer Gefälligkeitszusage und einer auf die Begründung eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses gerichteten Willenserklärung verwendet werden. Ausschlaggebend ist für die Abgrenzung danach, ob unter Berücksichtigung aller Umstände, aufgrund der Art und des Grundes der Zusage sowie ihrer wirtschaftlichen und rechtlichen Bedeutung und nach der Interessenlage, im Einzelfall eine Rechtsbindung zu bejahen ist. Ein wichtiger Anhaltspunkt für die vertragliche Verbindlichkeit ist in Analogie zu der zivilrechtlichen Abgrenzung eines Gefälligkeitsverhältnisses von einem schuldrechtlichen Vertrag das wirtschaftliche Interesse des Vertragspartners. Da im öffentlichen Recht häufiger auch nichtwirtschaftliche Privatinteressen durch das Verwaltungshandeln eingeschränkt werden, dienen auch andere erhebliche private Belange als Hinweis auf den Bindungswillen. Als Abgrenzungskriterium von besonderer Bedeutung ist schließlich, ob die Verwaltung Zielsetzungen verfolgt, die außerhalb der Handlungsermächtigung liegen oder die sie mit dem zur Verfügung stehenden Handlungsinstrumentarium nicht in gleicher Weise erreichen könnte. Hat die Verwaltung ihren Handlungsrahmen überschritten, um weitergehende öffentliche Interessen zu verwirklichen, und war dies dem Verhandlungspartner bekannt, läßt dies im Zweifelsfall auf das Fehlen seines Bindungswillens schließen.

63

Vgl. Bulling (Anm. 6), S. 147 ff. (151).

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Kap. I: Die konsensualen Handlungsformen der Verwaltung

D. Das Problem der Verknüpfung eines Verwaltungsakts mit einem öffentlich-rechtlichen Vertrag oder einer Absprache Ob die Verwaltung, die sich dafür entschieden hat, den Zweck der Handlungserrnächtigung mit einer bestimmten Rechtsform zu verfolgen, auf die gewählte Form beschränkt ist oder ob sie befugt ist, parallel eine inhaltlich übereinstimmende, aber effizientere Maßnahme zu ergreifen, hängt von der Reichweite der Dispositionsbefugnis der Verwaltung über ihr Handlungsarsenal ab. Daß die Verwaltung neben einem Verwaltungsakt einen öffentlich-rechtlichen Vertrag abschließen kann, folgt aus der Möglichkeit, durch den Verwaltungsakt entstandene rechtliche und tatsächliche Streitfragen durch einen Vergleich zu erledigen oder über die durch den Verwaltungsakt festgestellte Rechtsfolge hinaus weitere Rechtsfolgen zu begründen (vgl. dazu das unten in Kapitel 6, A.IV gegebene Beispiel). Wenn allerdings der öffentlich-rechtliche Vertrag mit dem Inhalt eines vorangegangenen mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakts identisch ist und der Herbeiführung derselben Rechtsfolgen dient, kann in dem Abschluß des öffentlich-rechtlichen Vertrags im Einzelfall zugleich die übereinstimmende Aufhebung des mitwirkungsbedürftigen Verwaltungsakts durch die Vertragspartner zu sehen sein. Folgt auf einen Verwaltungsakt eine Absprache, so entsteht kein echtes Konkurrenzverhältnis, da die unverbindliche Absprache die rechtlichen Wirkungen des vorangegangenen Verwaltungsakts unberührt läßt. Umgekehrt kann jedoch ein auf eine Absprache folgender Verwaltungsakt zu einem Bruch der Absprache führen, wenn die Verwaltungsbehörde das, was sie im Rahmen einer Absprache zunächst nur unverbindlich regeln wollte, nunmehr doch einseitig mit Verwaltungsakt durchsetzt. Da die Absprache unverbindlich ist, kann der Betroffene jedoch aus der Absprache grundsätzlich keine Abwehrrechte gegen den Verwaltungsakt herleiten. Im übrigen ist die Absprache, mit der die Behörde hinter ihren gesetzlichen Befugnissen zurückbleibt, häufig grundsätzlichen Bedenken ausgesetzt. Es kann nämlich unter Umständen sowohl ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz als auch ein Ermessensfehler gegeben sein, wenn die Behörde im Einzelfall dem Individualinteresse des Kooperationspartners den Vorrang vor dem öffentlichen Interesse gibt und Betroffenen in der gleichen Situation durch eine Absprache nicht die gleichen Möglichkeiten eröffnet. Ist ein Antrag auf Erlaß einer Rechtsfolgenentscheidung gestellt und enthält die Absprache keine Antragsrücknahme, ist die Absprache im übrigen unzulässig; es besteht weiterhin die Verpflichtung der Behörde, den Antrag zu bescheiden. Als problematisch erweist sich das Konkurrenzverhältnis zwischen Verwaltungsakt und subordinationsrechtlichem Vertrag, wenn die Behörde einen

D. Die Verknüpfung des Verwaltungsakts mit Vertrag oder Absprache

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subordinationsrechtlichen Vertrag abschließt und danach einen inhaltlich übereinstimmenden Verwaltungsakt erläßt, also das, was vertraglich geregelt ist, zugleich mit einem Verwaltungsakt einseitig flankiert. Der Sinn des nachfolgenden Verwaltungsakts liegt dabei in der Regel darin, die Durchsetzung der vertraglichen Verpflichtung zu vereinfachen. Die Frage, ob ein inhaltlich mit einem subordinationsrechtlichen Vertrag übereinstimmender Verwaltungsakt noch neben diesem erlassen werden darf, wird in Rechtsprechung und Literatur heute - wenngleich mit teilweise unterschiedlicher Begründung64 - überwiegend verneint. In bezug auf die Begründung hat sich in der Literatur zu Recht die Auffassung durchgesetzt, die auf den Sinn der Verwendung der Rechtsform des Vertrags abstellt. Danach würde es dem Sinn der Rechtsform "Vertrag" im Subordinationsbereich widersprechen, wenn der sich auf der Ebene der Gleichordnung bewegenden Verwaltung zugleich die Mittel der einseitig-hoheitlichen Durchsetzung uneingeschränkt zur Verfügung stehen würden 65 • Eine Ausnahme gilt nur für den Fall, daß der subordinationsrechtliche Vertrag unwirksam ist66 • Denn ist der Vertrag unwirksam, kann er auch nicht das parallele, inhaltlich übereinstimmende einseitige Verwaltungshandeln limitieren. 64 Ob es der Verwaltung verwehrt sein soll, eine Subvention durch Bewilligungsbescheid zu gewähren und die gleichen Regelungen zusätzlich zum Gegenstand eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zu machen, kann allerdings mit der von der Rechtsprechung gegebenen Begründung nicht als abschließend geklärt gelten (vgl. dazu VGH Kassel, NVwZ 1990, S. 879; BGHZ 57, 130 [133]; vgl. auch BVerwG, NJW 1977, S. 1838 [1839]). Denn der Frage, ob die Verwaltung berechtigt ist, dieselbe Regelung sowohl konsensual in Vertragsform als auch hoheitlich durch Verwaltungsakt zu treffen, mußte sich die vorliegende Rechtsprechung nicht stellen, da sie bereits bei der Sachverhaltsfeststellung davon ausgegangen ist, daß nur eine behördliche Willenserklärung vorliegt. So haben sich der VGH Kassel (NVwZ 1990, S. 879) und der BGH (BGHZ 57, 133) - mit der Begründung, wonach nichts dafür spreche, daß die Verwaltung die Pflichten, die ihr ohnehin nach dem Erlaß kraft öffentlichen Rechts oblagen, noch zusätzlich vertraglich habe übernehmen wollen - die Zulässigkeitsprüfung durch die tatsächliche Vermutung abgeschnitten, die Verwaltung habe die Regelung nur einmal treffen wollen. Ob die Verwaltung neben einem Vertrag einen inhaltsgleichen Verwaltungsakt abschließen kann, ist aber weder vom Behördenwillen abhängig noch gibt es eine tatsächliche Vermutung, die dahingeht, daß eine Behörde ihren Willen nur einmal äußert. Zutreffend stellt die in der Literatur vorherrschende Ansicht demgegenüber darauf ab, daß die zuerst gewählte Handlungsform für die zusätzliche Wahl einer anderen Handlungsform mit gleichem Handlungsinhalt eine Sperrwirkung begründe (vgl. dazu insbesondere Erichsen, Rechtsfragen des verwaltungsrechtlichen Vertrages, VerwAreh. 68 [1977], S. 70 f.).

6S Ähnlich Meyer, in: Meyer/Borgs-Maciejewski, Kommentar zum Verwaltungsverfahrensgesetz, § 61 Rdnr. 3; vgl. dazu auch Erichsen, VerwAreh. 68 (1977), S. 65 ff. (70).

66 Vgl. Grund, Die Konkurrenz zwischen subordinationsrechtlichem Verwaltungsvertrag und Verwaltungsakt, DVBI. 1972, S. 884 (887).

6 Spannowsky

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Kap. 1: Die konsensualen Handlungsformen der Verwaltung

Von der Konkurrenzsituation zwischen einem subordinationsrechtlichen Vertrag und einem inhaltsgleichen Verwaltungsakt zu unterscheiden ist der Fall, in dem die Vertragsregelung nur Teil einer durch den später folgenden Verwaltungsakt zu treffenden (Gesamt)Regelung bildet. Ein Beispiel dafür bilden die in der Praxis häufig vorkommenden Vergleichs verträge im Steuerrecht, die eine "Verständigung über Tatsächliches"67, über den der Festsetzung der Steuerschuld zugrundezulegenden Sachverhalt, zum Gegenstand haben. Die Festsetzung der Steuerschuld erfolgt anschließend durch Verwaltungsakt. Diese Form der Koppelung von Vertrag und Verwaltungsakt ist, sofern damit die durch Verwaltungsakt zu treffende Entscheidung nicht in sachwidriger und rechtsmißbräuchlicher Weise präjudiziert wird, grundsätzlich zulässig (vgl. dazu auch unten Kapitel 11, A.L).

Zwischenergebnis I. Konsensuale Handlungsformen der Verwaltung sind in erster Linie Vertrag und Absprache. Auch der Verwaltungsakt kann jedoch in seiner Erscheinungsform als "ausgehandelter Verwaltungs akt" und als Verwaltungsakt auf Zustimmung bzw. mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt als konsensuale Handlungsform eingesetzt werden. Die konsensualen Handlungsformen sind Bestandteile eines Bündels sich permanent wandelnder und erweiternder Handlungsformen der Verwaltung. Um die rechtlichen Grenzen der Verwendung der konsensualen Handlungsformen Vertrag und Absprache durch die Verwaltung zu bestimmen, muß zunächst allgemein geklärt werden, ob und wenn ja inwieweit die Verwaltung bei der Schaffung neuer Handlungsformen frei ist, und zudem, ob und inwieweit die Wahl der Rechtsform und der Handlungsebene begrenzt ist. Dabei muß berücksichtigt werden, daß im Hinblick auf die verschiedenen Phasen des Verwaltungs verfahrens und der Funktion der zuständigen Verwaltungsbehörde ein Differenzierungserfordernis gegeben sein kann. 2. Die Abgrenzung zwischen den verschiedenen Formen des konsensualen Verwaltungshandelns kann im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten. Ein subordinationsrechtlicher Vertrag läßt sich insofern von einem Verwaltungsakt auf Zustimmung letztlich nur nach dem Willen der Beteiligten im Zeitpunkt der Abgabe der Willensäußerung abgrenzen. Dieser Wille muß sowohl auf

67 So zutreffend Martens, Vergleichsvertrag im Steuerrecht, StuW 1986, S. 97 ff. (98). Mißverständlich ist dagegen der vom Bundesfinanzhof verwendete Terminus "tatsächliche Verständigung", weil damit der Unterschied zwischen dem mit Rechtsfolgen verbundenen Vertrag und den nur mit faktischen Folgen verbundenen Verständigungen bzw. Absprachen verwischt wird.

D. Die Verknüpfung des Verwaltungs akts mit Vertrag oder Absprache

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die Herbeiführung von Rechtsfolgen als auch darauf gerichtet sein, in weIcher Form die Rechtsfolgen ausgelöst werden sol1en. Läßt sich der Wille der Beteiligten aus der "Ex-ante"-Betrachtung nicht ennitteln, fehlt es grundsätzlich an der für die Auslösung von Rechtsfolgen erforderlichen Willensübereinstimmung. Es gibt auch keine Vennutung, wonach in Zweifelsfäl1en von der Rechtsform des Verwaltungsakts auszugehen ist. Zu wessen Lasten die Unaufklärbarkeit der Tatsachenfrage, weIche Rechtsform die Verwaltung gewählt hat, geht, ist nach den Grundsätzen der materiel1en Beweislast zu beurteilen. Die Unaufklärbarkeit dieser Tatsachenfrage geht zu Lasten der Verwaltung, wenn die Verwaltung aus einem Vertrag gegenüber dem privaten Vertragspartner weitergehende Rechte aufgrund dessen freiwilliger Leistungserbringung ableiten möchte, als ihr bei einseitig-hoheitlichem Handeln zukommen können. 3. Bei der Absprache ist ebenso wie beim Vertrag eine Wil1ensübereinstimmung erforderlich. Deshalb liegt der für die Abgrenzung entscheidende Unterschied zwischen Absprache und Vertrag darin, daß die Absprache ihrem Wesen nach unverbindlich ist, sie sich vom Vertrag also durch das Fehlen eines Rechtsbindungswillens unterscheidet. Für die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichem Vertrag und Absprache können die Kriterien entsprechend herangezogen werden, die von der herrschenden Meinung für die Abgrenzung zwischen einer Gefälligkeitszusage und einer auf die Begründung eines rechtsgeschäftlichen Schuldverhältnisses gerichteten Willenserklärung verwendet werden. Maßgebend ist die nach den konkreten Umständen zu beurteilende rechtliche und wirtschaftliche Bedeutung der Zusagen der Beteiligten. 4. Ein Nebeneinander inhaltsgleicher Regelungen durch Vertrag und Verwaltungsakt ist denkbar, jedoch stehen der sich auf der Ebene der Gleichordnung bewegenden Verwaltung die Mittel der einseitig-hoheitlichen Durchsetzung nicht gleichzeitig uneingeschränkt zur Verfügung. Nur für den Fal1, daß der subordinationsrechtIiche Vertrag unwirksam ist, bewirkt er keine Sperrung für das paral1ele, inhaltlich übereinstimmende einseitige Verwaltungshandeln. 5. Dagegen bleibt es der Verwaltung wegen der Unverbindlichkeit der Absprache grundsätzlich unbenommen, neben einer Absprache noch einen inhaltsgleichen Verwaltungsakt zu erlassen. Daran ist die Verwaltung auch nicht durch den Vertrauensgrundsatz gehindert, da dem Betroffenen die Unverbindlichkeit einer einfachen Absprache in aller Regel bekannt ist.

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Kapitel 2

Die Grenzen der Verwaltung bei der Wahl zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Rechtsformen Die Frage nach der Abgrenzung der Anwendungsbereiche von öffentlichem Recht und Privatrecht sowie nach der Abgrenzung zwischen privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Verträgen ist "verstaubter Zankapfel"l und aktuelles Problem 2 zugleich. Mag auch eine Gesamtbilanz der für den öffentlich- und privatrechtlichen Vertrag geltenden rechtsstaatlichen Standards den Streit um die Wahlfreiheit der Verwaltung zwischen beiden Rechtsformen entschärfen 3, so sind doch die mit der Suche nach dem "richtigen" (zivilrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen) Rechtsweg zusammenhängenden Abgrenzungsfragen immer noch nicht zufriedenstellend gelöst. Zahlreiche Monographien sind dieser Abgrenzungsproblematik gewidmet, ohne daß man sagen kann, daß die Diskussion inzwischen zum Stillstand gekommen sei. Die Frage, ob die Verwaltung in der Wahl der Rechtsfarmen frei ist oder nicht, entwickelt sich zu einem "Dauerbrenner" rechtlicher Erörterungen. Nachdem Ehlers 4 seine Arbeit ,Verwaltung in Privatrechtsform' vorgelegt hatte, hätte man annehmen können, es sei nunmehr zu der Abgrenzungsfrage alles vorgetragen und das Terrain, das für die privatrechtsförmig handelnde Verwaltung zur Verfügung steht, vollständig ausgeleuchtet. Die rechtliche Diskussion wurde jedoch durch die Abhandlungen Kempens 5 ,Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung' und Burmeisters 6 ,Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten' erneut entfacht. Deshalb kann auf eine Erörterung der Abgrenzungsproblematik nicht verzichtet werden, I Zuleeg, Die Anwendungsbereiche des öffentlichen Rechts und des Privatrechts, VerwArch. 73 (1982), S. 384. 2 Vgl. Schnapp, Öffentliche Verwaltung und privatrechtliche Handlungsformen, DÖV 1990, S. 826 ff.; Zuleeg, VerwArch. 73 (1982), S. 403. 3 Krebs, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, VVDStRL 52 (1993), S. 258, 275.

Ehlers, Verwaltung in Privatrechtsform. Vgl. Kempen, Die Formenwahlfreiheit der Verwaltung. 6 Burmeister, Verträge und Absprachen zwischen der Verwaltung und Privaten, VVDStRL 52 (1993), S. 2 IO f., 213 ff. 4

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A. Die Lehre von der Wahlfreiheit der Verwaltung

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zumal die Frage, ob die Verwaltung öffentlich-rechtlich oder privatrechtlich gehandelt hat und handeln durfte, eine Vorfrage für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns durch Verträge und Absprachen ist. Hinsichtlich der Verträge schließt sich die Frage an, wie öffentlich- und privatrechtliche Verträge voneinander abzugrenzen sind, und hinsichtlich des Verwaltungshandelns aufgrund von Absprachen wird zu beantworten sein, ob die Verwaltung überhaupt nicht-förmlich handeln darf und inwieweit sie im Einzelfall ihr Handeln dem öffentlich- oder privatrechtlichen Normenregime unterstellen darf. Der tiefere Grund für die fortdauernde Diskussion der Abgrenzungsproblematik zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Handlungsformen liegt in der rechtlichen Verbindlichkeit der Zweiteilung der Rechtsordnung. Für die Reichweite der Bindung der Verwaltung in der zweigeteilten deutschen Rechtsordnung ist von Bedeutung, ob die Verwaltung zwischen den Rechtsformen der öffentlichen und privaten Rechtsordnung frei wählen kann. Wer die Rechtsform wählen kann, entscheidet zugleich darüber, weIcher Rechtsweg gegeben ist und ob öffentliches oder privates Recht Geltung beanspruchen kann. Eine Bindung der Verwaltung ist in zweifacher Weise mit zunehmender Bindungsintensität denkbar. Die Verwaltung kann zum einen bei der Aufgabenerfüllung auf die öffentlich-rechtlichen oder die privatrechtlichen Formen beschränkt sein, zum anderen kann sie im Fall der Bindung an das Normenregime des Privatrechts oder öffentlichen Rechts noch zusätzlich auf eine von dem Rechtsgebiet vorgegebene Rechtsform festgelegt sein. Ob die Verwaltung in der einen oder anderen Form tätig wird und werden darf, hängt mithin von dem Grad der Bindung der Verwaltung an vorgegebene Rechtsformen ab. Daß die Verwaltung in der Wahl der Handlungsform grundsätzlich frei ist, war in der Rechtslehre und Rechtspraxis lange Zeit weitgehend unangefochten geblieben? Grundlegend stellte den Grundsatz der Wahlfreiheit erstmals Pestalozza8 in Frage und löste damit eine Diskussion um die Modalitäten und Grenzen der Wahlfreiheit aus. In der Folgezeit wurde dem Grundsatz der 7 Vgl. insbesondere BVerwGE 13, 47 (54); BGHZ 37, 1 (27); Bethge, Das Hausrecht der öffentlichen Hand im Dilemma zwischen Öffentlichem Recht und Privatrecht, Die Verwaltung 10 (1977), S. 313 (322); ders., Grundrechtsträgerschaft juristischer Personen - zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, AöR 104 (1979), S. 265 (271); Bleckmann, Subventionsrecht, S. 88; Püttner, Die öffentlichen Unternehmen, S. 82; einschränkend gegen eine Wahlfreiheit im Organisationsbereich Burmeister, Plädoyer für ein rechtsstaatliches Instrumentarium staatlicher Leistungsverwaltung und Wirtschaftsagende, WiR 1972, S. 311 (350); gegen eine Wahlfreiheit im Bereich der Handlungsformen Walter Schmidt, Einführung in die Probleme des Verwaltungsrecht, S. 170; Burmeister, VVDStRL 52 (1993), S. 207 ff. S Pestalozza, Formenmißbrauch des Staates.

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Kap. 2: Die Grenzen der Wahlfreiheit zwischen den Rechtsformen

Wahlfreiheit zwar weiterhin nicht die Anerkennung versagt, jedoch votierten - in der chronologischen Reihenfolge der Abhandlungen - Pietzcker9 , Zuleeg lO und Ehlers ll für eine differenzierte Betrachtung und befürworteten eine Beschneidung der Formenwahlfreiheit der Verwaltung. Neuerdings spricht nun Kempen 12 wiederum - im Ergebnis, nicht aber in der Begründung Pestalozza folgend - vom "Ende der Wahlfreiheit". Damit ist erneut die Frage nach der Geltung und der Reichweite des Grundsatzes der Wahlfreiheit aufgeworfen. Die Beantwortung dieser Frage ist unerläßlich, da damit zugleich eine Vorentscheidung bezüglich der Gestaltungsfreiheit der Verwaltung im Bereich des vertraglichen Verwaltungshandelns und der Absprachen getroffen wird. Um das Terrain zur Klärung dieser Frage zu bereiten, wird zunächst auf die einzelnen Lehrmeinungen eingegangen.

A. Die Lehre von der Wahlfreiheit der Verwaltung Die Freiheit der Wahl zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Rechtsformen gesteht die herrschende Rechtsprechung und Lehre der Verwaltung zu; sie soll innerhalb gewisser Grenzen nach freiem Ermessen I3 bestimmen dürfen, weIchem Normenregime sie ihr Handeln unterstellt und weIche Formen des öffentlichen oder privaten Rechts sie zur Erfüllung ihrer Verwaltungsaufgaben anwendet l4 • Das Korrektiv gegen die mißbräuchliche Formenwahl bildet die Kategorie des Formenmißbrauchs. Ebenso wie der Grundsatz der Wahlfreiheit zwischen den Rechtsformen bezieht sich das die Ausnahme beschreibende Korrektiv des Formenrnißbrauchs zunächst auf die Wahl des Rechtssystems. Danach ist auf der zweiten Stufe zu fragen, unter welchen Voraussetzungen die konkrete Form des Verwaltungshandelns mißbräuchlich ist. Obgleich die Lehre von der Wahlfreiheit der Verwaltung im Grundsatz die Freiheit der Wahl der Rechtsformen zugesteht, ist der Aufgabenbereich, in

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Pietzcker, Der Staatsauftrag als Instrument des VerwaltungshandeIns. Zuleeg, VerwArch. 73 (1982), S. 384 ff. Ehlers (Anm. 4), S. 70 ff. Kempen (Anm. 5); dazu kritisch Schnapp, DÖV 1990, S. 826.

Vgl. dazu Ehlers (Anm. 4), S. 64 m.w.N. Vgl. zu der teilweise parallelen, hier aber nicht erörterten Problematik der Organisations- und Aufgabenprivatisierung insb. Pütlner (Anm. 7), S. 59, 227; Graf Vitzthum, Gemeinderechtliche Grenzen der Privatisierung kommunaler Wirtschaftsunternehmen, AöR 104 (1979), S. 580 ff. 13 14

A. Die Lehre von der Wahlfreiheit der Verwaltung

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dem tatsächlich Wahlfreiheit herrscht, auch nach dieser Lehre deutlich geringer, als es der Grundsatz der Wahlfreiheit verheißt. Die Lehre von der Wahlfreiheit zieht die Grenzlinie für die Wahl der Verwaltung zwischen öffentlich- und privatrechtlichen Rechtsformen anhand der Abgrenzungskriterien der Erledigung "mittelbarer und unmittelbarer Verwaltungsaufgaben ,