Grenzen der normativierenden Strafrechtsdogmatik [1 ed.] 9783428470181, 9783428070183

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Grenzen der normativierenden Strafrechtsdogmatik [1 ed.]
 9783428470181, 9783428070183

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GEORG KÜPPER Grenzen der normativierenden Strafrechtsdogmatik

Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften Herausgegeben von Hans J o a c h i m H i r s c h , G ü n t e r K o h l m a n n M i c h a e l W a l t e r , Thomas W e i g e n d Professoren an der Universität zu Köln

Band 2

Grenzen der normativierenden Strafrechtsdogmatik

Von Priv.-Doz. Dr. Georg Küpper

Duncker & Humblot - Berlin

Als Habilitationsschrift auf Empfehlung des Kriminalwissenschaftlichen Instituts der Universität zu Köln gedruckt mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft

CIP-Titelaufnahme der Deutschen Bibliothek Küpper, Georg: Grenzen der normativierenden Strafrechtsdogmatik / von Georg Küpper. - Berlin: Duncker und Humblot, 1990 (Kölner Kriminalwissenschaftliche Schriften; Bd. 2) ISBN 3-428-07018-6 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1990 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Fremddatenübernahme: Hagedornsatz, Berlin 46 Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 Printed in Germany ISSN 0936-2711 ISBN 3-428-07018-6

Vorwort Die Abhandlung ist im Wintersemester 1989/90 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität zu Köln als Habilitationsschrift angenommen worden. Für die Drucklegung konnten Literatur und Rechtsprechung bis Juni 1990 noch berücksichtigt werden. Besonderen Dank schulde ich meinem hochverehrten Lehrer, Herrn Professor Dr. Dr. h.c. mult. Hans Joachim Hirsch, der meinen wissenschaftlichen Werdegang von Anfang an begleitet und stets gefördert hat. Der Deutschen Forschungsgemeinschaft danke ich für die großzügige Druckkostenbeihilfe. Köln, im Oktober 1990 Georg Küpper

Inhaltsverzeichnis Einleitung

11

Erster Teil

Methodische Grundlegung § 1 Wert und Wirklichkeit

13

I. Das Postulat vom Vorrang der Werte 1. Natur- und Kulturwissenschaft 2. Wertphilosophie im Recht 3. Kritische Würdigung II. Die Rückkehr zum Sein 1. Kritischer Realismus 2. Phänomenologische Wesenserfassung 3. Sachlogik im Recht 4. Sachstruktur und Werthorizont 5. Schlußbetrachtung § 2 Natur der Sache I. Begriff und Funktion

13 13 15 17 19 19 21 24 29 33 34 34

II. Die Elemente im einzelnen 1. Sache 2. Natur 3. Verbindlichkeit III. Verhältnis zu anderen Kategorien 1. Natur der Sache und sachlogische Strukturen 2. Natur der Sache und Naturrecht IV. Ergebnis

36 36 37 38 40 40 41 42

Zweiter Teil

Ausgewählte Problembereiche § 3 Handlungsbegriff I. Der vorgegebene (ontologische) Handlungsbegriff: Die finale Handlungslehre 1. Übersicht 2. Grundlagen 3. Einwände gegen die finale Handlungslehre 4. Rück- und Ausblick

44 44 44 46 51 59

8

Inhaltsverzeichnis II. Der normativierende HandlungsbegrifF: Die soziale Handlungslehre 1. Inhalt 2. Kritik III. Der neue sprachphilosophische Ansatz: Intentionale Handlung 1. Einführung 2. Die einzelnen Auffassungen 3. Ergebnis

..

§ 4 Tun und Unterlassen I. Ontologische Fundierung II. Normative Betrachtung III. Einzelfragen 1. Sukzession der Verhaltensformen 2. Koinzidenz der Verhaltensformen 3. Unterlassen durch Tun? IV. Ergebnis § 5 Objektive Zurechnung

60 60 61 63 63 64 70 72 72 74 75 75 76 79 82 83

I. Überblick II. Zurechnung und Handlung 1. Aristoteles 2. Pufendorf 3. Die Hegelianer 4. Weitere Entwicklung und Fazit III. Zurechnung und Deliktsformen 1. Vorsatzdelikt 2. Fahrlässiges Delikt 3. Erfolgsqualifiziertes Delikt

83 85 85 86 87 90 91 91 100 108

IV. Zurechnung und Beteiligungsformen 1. Allgemeines 2. Beihilfe als Risikoerhöhung? V. Zusammenfassung

111 111 112 115

§ 6 Normative Tatbestandsmerkmale I. Die Merkmale im allgemeinen 1. Abgrenzungskriterien 2. Einzelfälle 3. Vorsatzgegenstand II. Der Gefahrbegriff: Zur Normativierung eines Tatbestandsmerkmals . . . 1. Herkömmliche Kriterien 2. Die „Normativierung" des Gefahrbegriffs 3. Die Reduktion auf Wahrscheinlichkeit und Zufall § 7 Täterschaft und Teilnahme I. Vorgegebene Strukturmerkmale

117 117 117 120 123 128 128 131 133 136 136

Inhaltsverzeichnis II. Spezielle Problembereiche 1. Extensiver oder restriktiver Täterbegriff 2. Grundsatz der Akzessorietät 3. Normativer Täterbegriff? III. Zusammenfassung

139 139 141 145 148

§ 8 Schuldbegriff I. Grundlagen II. Die „Funktionalisierung" der Schuldkategorie 1. Kriminalpolitische Strafzweckerwägungen 2. Systemtheoretischer Funktionalismus III. Zur Kritik der Präventionslehren 1. Bedenken aus dem Schuldprinzip 2. Antinormativistische Kritik 3. Fazit

148 148 152 152 155 157 157 160 162

§ 9 Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums I. Bestandsaufnahme II. Vermeidbarkeit und Prävention III. Bewußtseinsstufen der Unrechtseifassung 1. Unrechtsbewußtsein und Vorsatzinhalt 2. Vermeidbarkeit als Vorwerfbarkeit 3. Zusammenfassung

164 164 168 172 172 174 178

§ 10 Freiwilligkeit des Rücktritts I. Die herkömmliche Auffassung II. Normativierende Deutungen 1. Abfall von den Normen der Verbrechervernunft 2. Rückkehr in die Bahnen des Rechts 3. Hinreichende Normbefolgungsbereitschaft 4. Funktionaler Freiwilligkeitsbegriff 5. Zur Kritik der Strafzwecktheorien III. Unfreiwilligkeit als Nötigungssituation

179 179 181 181 182 184 185 186 190

Dritter Teil

Ergebnisse und Schlußfolgerungen §11 Zusammenfassung I. II. III. IV.

196

Das Wesen des Normativismus Wertungsobjekt und Objektswertung Die Dominanz des Handlungsbegriffs Schlußwort Literaturverzeichnis

196 199 200 200 203

"Über weite Strecken hat man in der Tat schon den Eindruck, daß eine zunehmende Zahl von Juristen ihr Fach so betreibt, daß jeder von ihnen beim Ansichtigwerden eines Rechtsproblems sogleich munter vor sich hinwertet, so gut er eben kann." (Bydlinski, Rechtstheorie 1985, 16)

Einleitung In seiner Abhandlung „Naturalismus und Wertphilosophie im Strafrecht" hatte Welzel 1 gegen eine normativierende Strafrechtsdogmatik Front bezogen und hervorgehoben, daß die Begriffsbildungen des Gesetzes, des Richters und des Wissenschaftlers eine gestaltete, sinnerfüllte Welt bereits vorfinden. Ihre Begriffe seien keine methodologischen Umformungen eines amorphen Materials, sondern Deskriptionen eines gestalteten Seins, wenn auch im Hinblick auf ein in konkreten Wertbeziehungen stehendes Sein. Die Rechtswissenschaft müsse darum durch die gesetzlichen Begriffe hindurch zu den realen Lebensgestaltungen hinabsteigen. Im Zentrum einer dementsprechenden Betrachtungsweise stand bekanntlich der Handlungsbegriff. Dessen Rückführung auf vorgegebene Strukturen bildete indes nur einen Ausschnitt aus dem umfassenden Anliegen, der einseitig normativen Methodik der Strafrechtswissenschaft entgegenzuwirken. Es sollte stärker ins Bewußtsein gebracht werden, daß vor aller juristischen Wertung erst einmal die Strukturen der in der Wirklichkeit vorzufindenen Phänomene zu analysieren sind. Das Gefüge der menschlichen Handlung war dabei nur ein besonders ins Auge fallendes Beispiel, an dem diese methodische Problematik zutage tritt. 2 Als Programmsatz galt für Welzel 3: „Unsere künftige Arbeit wird uns zum Sein zurückführen." Rund 50 Jahre später propagiert der Welzel-Schüler Jakobs 4 das Gegenteil: „Die ontologisierende Strafrechtsdogmatik zerbricht, und zwar gründlicher, als sie je bewußt etabliert worden ist." Nicht nur die Begriffe Schuld und Handlung, denen die Strafrechtsdogmatik immerhin ausdrücklich ein Wesen oder eine 1

Naturalismus (1935), S. 74 f. Vgl. Hirsch, ZStW 93 (1981), 850; auch Jescheck (Eb. Schmidt-FS, S. 139) weist darauf hin, daß der Handlungsbegriff wegen seiner fundamentalen Bedeutung in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt ist. 3 Naturalismus, S. 89. 4 AT (1983), S. V f. 2

Einleitung

12

(sachlogische, vorrechtliche) Struktur zuerkannt hat, würden zu Begriffen, von denen sich ohne Blick auf die Aufgabe des Strafrechts schlechthin nichts sagen läßt, sondern selbst der Begriff des Subjekts, dem zugerechnet wird, erweise sich als funktionaler Begriff. Setze man demnach an der Aufgabe des Strafrechts an und nicht beim Wesen (oder bei der Struktur) der Gegenstände von Dogmatik, so führe das zu einer (Re-)Normativierung der Begriffe. Bei dieser Sicht sollen dann auch einige Probleme verschwinden, die von der traditionellen Lehre durch den steten Blick auf den Seinszusammenhang erzeugt würden. Schon die einleitenden Sätze machen deutlich, daß das Buch von Jakobs — wie in einer Rezension5 vermerkt — inhaltlich geradezu einen „Anti-Welzel" darstellt. Nach Schünemann 6 bedeutet diese Konzeption zudem eine frappierende Renaissance der von Welzel so heftig und für fast 5 Jahrzehnte erfolgreich bekämpften Begriffsbildungstheorie des Neukantianers Lask. Die Wiederkehr beschränkt sich allerdings nicht auf das in Rede stehende Werk. Vielmehr ist heute eine weit verbreitete Tendenz zu beobachten, allein noch mit Wertungen zu operieren und außerrechtliche Gegebenheiten zu ignorieren. Wie auch Hirsch 1 konstatiert, fällt es Theoretikern des Rechts nach wie vor schwer, sich aus der — gedanklich bequemeren und wissenschaftlich schwerer überprüfbaren — rein normativen Vorgehensweise zu lösen. Die vorliegende Arbeit stellt sich zur Aufgabe, die in vielen Bereichen anzutreffende „stolze Autonomie der juristischen Begriffsbildung" 8 auf ihre Berechtigung und Konsequenzen hin kritisch zu überprüfen. Anzuknüpfen ist dabei zunächst an die erwähnte neukantianische Betrachtungsweise, die damals wie heute das theoretische Fundament für ein wertungsorientiertes Vorgehen bildet(e). Demgegenüber gilt es zu untersuchen, ob und wie die Wirklichkeit wieder in ihr Recht gesetzt werden kann. Im Anschluß daran werden die Auswirkungen des „Normativismus" in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen analysiert. Der Gang der Darstellung folgt dem Deliktsaufbau; beginnend mit vortatbestandlichen Fragen über solche des Unrechtstatbestandes gelangt sie schließlich zu denen von Schuld und Strafe. Die Weite der Thematik bedingt dabei von vornherein eine Einschränkung in zweierlei Hinsicht: Zum einen wird eine Auswahl getroffen im Hinblick auf diejenigen Bereiche, in denen die normativierende Dogmatik ein besonders ergiebiges Betätigungsfeld zu finden vermeint. Zum anderen kann auch insoweit der jeweilige Problemkreis nicht in vollem Umfang erörtert werden; vielmehr konzentriert sich das Erkenntnisinteresse strikt auf die Auseinandersetzung mit der reinen Wertungsjurisprudenz.

5 6 7 8

Roxin , NJW 1984, 2270. Grundfragen, S. 54. ZStW 93 (1981), 850. So — kritisch — Niese, JZ 1956, 457.

Erster

Teil

Methodische Grundlegung § 1 Wert und Wirklichkeit I. Das Postulat vom Vorrang der Werte

1. Natur- und Kulturwissenschaft Die Wertphilosophie nimmt ihren Ausgang in der von Windelband 1 begründeten methodologischen Einteilung der Wissenschaften in naturwissenschaftliche und historische Disziplinen. Das Einteilungsprinzip ist dabei der formale Charakter ihrer Erkenntnisziele: Die einen suchen allgemeine Gesetze, die anderen besondere geschichtliche Tatsachen. Erstere sind Gesetzes Wissenschaften, letztere Ereigniswissenschaften; jene lehren was immer ist, diese was einmal war. Das wissenschaftliche Denken wird in dem einen Fall nomothetisch, in dem anderen idiographisch genannt.2 Aus dieser Differenzierung folgt, daß allein die Naturforschung das wahre, hinter den Erscheinungen liegende „Wesen der Dinge" erfassen will. 3 Die historischen Wissenschaften — zu denen auch die Jurisprudenz zählt — bleiben im Besonderen stecken. Ihnen geht es nicht um Abstraktionen, sondern um anschauliche Einzeltatsachen. Daran anknüpfend hat Richert 4 den leitenden Gesichtspunkt herausgestellt, unter dem die individuellen Ereignisse betrachtet werden. Dieser besteht im Begriff des Wertes. Aus der Fülle der historischen Vorgänge greift der Geschichtsforscher diejenigen heraus, die unter Wertaspekten Beachtung verdienen. Erst der Wertbezug macht das gegebene Material zu einer historischen Tatsache. Demnach ist Natur das Sein von Tatsachen unter Gesetzen, Kultur das Sein von Tatsachen unter Werten. 5

1

Geschichte und Naturwissenschaft, in: Präludien II, S. 136ff. Vgl. Windelband , in: Präludien II, S. 144f.; ihm folgend Richert, Kulturwissenschaft, S. 62; zur Unterscheidung zwischen naturwissenschaftlicher und geschichtswissenschaftlicher Methodik außerdem Bauch, Wahrheit, S. 377 ff. 3 Windelband , in: Präludien II, S. 151 f. 4 Grenzen, S. 371 ff.; dazu auch Larenz , Methodenlehre, S. 92f. 5 In dieser Formel faßt Riedel (Geschichte der Philosophie, Bd. 7, S. 331) die Anschauung des südwestdeutschen Neukantianismus zusammen. 2

14

§ 1 Wert und Wirklichkeit

Für die Wertphilosophie sind die realen Gegebenheiten zunächst nicht mehr als ein „Chaos" der Erlebnisse 6, ein „Gewühl" von Tatsachen7. Ihre Erfassung ist als ein Werten zu deuten: Dieses Werten hat, weil es dem Inhalt die Form gibt, als der eigentliche Erkenntnisakt zu gelten.8 Erkennen bedeutet danach kein Abbilden, sondern Umbilden des vorhandenen Materials. Hierdurch wird die Wirklichkeit überhaupt erst konstituiert. Die so gewonnenen Urteile sind nichts anderes als „erkenntnistheoretische Kunstprodukte" 9 . Wegen der scharfen Trennung zwischen dem Gebiet der Werte und dem des Existierenden stellt sich für die Wertphilosophie die Frage nach sicheren Unterscheidungskriterien. Von Rickert werden hierfür zwei solche Merkmale genannt. Das erste Kriterium findet er in der Negation 10. Ihre Verbindung mit einem Wertbegriff bringe das Wertmoment unzweideutig zutage im Unterschied zu der wertfreien Existenz. Sagen wir, daß etwas nicht existiert, so heiße das lediglich, daß es das Bezeichnete überhaupt nicht gibt. Im Bereich des Existierenden führe also die bloße Negation stets zum Nichts. Anders stehe es bei den Werten, da es auch negative Werte gebe. Die negativen Güter seien negativ nicht mit Rücksicht auf ihr reales Sein, sondern allein auf die Werte, die sie zu Übeln machen. So stellen wir durch Negation der Lust die Unlust, dem Sinn den Unsinn oder — allgemein gesprochen — dem Wert den Unwert gegenüber, wobei nicht die Silbe „un", sondern der sachliche Umstand entscheidet, daß die Worte nicht nichts, sondern negative Werte bedeuten. Diese können auch einen Namen führen, in dem für ihre Negativität die sprachliche Bezeichnung fehlt: Das Unschöne heißt dann das Häßliche, das Ungute das Schlechte usw. Als zweites Unterscheidungsmerkmal wird das der Geltung herangezogen. 11 Allein Werte könnten gelten; etwas, das nur existiert, gilt nie. Gelten bedeute also immer Wertgeltung. Der Begriff meine bisweilen zwar beides, Wert und Existenz, aber es klinge dabei immer die Wertbedeutung mit. Wer sagt, daß „Tatsachen" gelten, die nicht Werte sind, rede zumindest ungenau. Er verwechsle die Tatsache selbst, die existiert, mit dem Sinn des Satzes, daß sie als Tatsache existiert. Auch Erkenntnisse gelten nicht, insofern sie faktisch existieren, sondern indem sie wahren Sinn, also Wert zum Ausdruck bringen. Infolge dieser strikten Trennung erhebt sich weiter die Frage, wie Wert und Wirklichkeit überhaupt in Beziehung gesetzt werden können. Nach Rickert 12 6

Rickert, System I, S. 50. Rickert, Gegenstand, S. 346. 8 Rickert, Gegenstand, S. 186. 9 Rickert, Gegenstand, S. 353. 10 Rickert, System I, S. 117, ihm folgend E. Wolf \ Schuldlehre, S. 75; dazu auch Engisch, in: Eb. Schmidt-FS, S. 100. 11 Vgl. Rickert, System I, S. 121 ff.; ders., Kulturwissenschaft, S. 22. 12 Kulturwissenschaft, S. 99. 7

I. Das Postulat vom Vorrang der Werte

15

besteht eine zweifache Verbindung: Der Wert kann erstens an einem Objekt so haften, daß er es dadurch zum Gute macht, und er kann außerdem mit dem A k t eines Subjekts so verknüpft sein, daß dieser dadurch zu einer Wertung wird. Die Güter und Wertungen lassen sich nun so ansehen, daß man nach der Geltung der mit ihnen verbundenen Werte fragt und dann festzustellen sucht, ob ein Gut den Namen des Gutes auch wirklich verdient oder ob eine Wertung mit Recht vollzogen wird. Das tun wir, wenn wir praktisch zu den Gegenständen Stellung nehmen. Letztlich mündet die wertphilosophische Betrachtungsweise in der Forderung, daß in der Jurisprudenz wie in den anderen Kulturwissenschaften eine völlige Abwendung vom rationalistischen und naturalistischen Denken zugunsten des geschichtlichen Denkens notwendig sei. 13 2. Wertphilosophie

im Recht

Die vorstehend skizzierten Überlegungen des südwestdeutschen Neukantianismus sind von Lask 14 auf die Methodologie der Rechtswissenschaft angewandt worden. Da für ihn die Jurisprudenz ein Zweig der empirischen Kulturwissenschaften ist, gilt auch für sie das „Fundamentalprinzip" aller philosophischen Besinnung: die Scheidung von Wert- und Wirklichkeitsbetrachtung. 15 Die Wirklichkeit ist dann (nur noch) ein Erzeugnis kategorialer Synthese, die rechtlichen Phänomene sind Produkte der kulturwissenschaftlichen Begriffsbildung. Die juristische Methodologie hat demgemäß zwei Hauptthemata 1 6 : Sie untersucht in erster Linie die eigentümliche und einheitliche Stellungnahme des Rechts und der Jurisprudenz zum vorjuristischen Lebens- und Kultursubstrat, also die Umprägung des vorrechtlichen Materials in Rechtsbegriffe, in zweiter Linie den systematischen Zusammenhang der juristischen Begriffe untereinander oder die Systemform der Jurisprudenz. I m Rahmen dieser wert- und zweckbeziehenden Methode wird die Gesamtheit der dem Recht zugänglichen Gegenstände gleichsam mit einem „teleologischen Gespinst" überzogen. Stellt sich so das Recht als ein „Reich reiner Bedeutungen" dar, entsteht auch für Lask 17 das Problem der Verbindung von Recht und Realität im Einzelfall. Nach zwei Richtungen lasse sich eine solche Anschmiegung des Rechts an sein Substrat verfolgen: einmal als Beibehaltung eines gewissen Kerns der psychophysischen Gegebenheit — so wenn natürliche Unterschiede der Sachen oder 13

So Richert, Grenzen, S. 551. Rechtsphilosophie, in: Gesammelte Schriften I, S. 275 ff.; siehe dazu auch Hobe, ARSP 1973, 221 ff.; Larenz, Methodenlehre, S. 94f. 15 Vgl. Lask, Rechtsphilosophie, S. 287, 307 f. 16 Lask, Rechtsphilosophie, S. 315 f. 17 Rechtsphilosophie, S. 318. 14

16

§ 1 Wert und Wirklichkeit

der psychischen Erscheinungen irgendwie in die juristische Gedankenwelt wirksam hineinreichen — oder zweitens als Anlehnung an die schon teleologisch geformten Lebens- und Kulturrealitäten. 18 Gleichwohl erzeuge die Jurisprudenz alles zur Bewältigung ihrer praktischen Aufgabe Erforderliche durch eine nur ihr eigentümliche Begriffswelt. 19 Was insbesondere das Strafrecht betrifft, sieht Lask bereits den Beginn einer methodologischen Revision: Zunächst im Tatbestandsbegriff, wo sich manche Autoren gegen die Vermengung des tatsächlichen Vorganges als „realen Substrats" mit seiner „juristischen Seite" wendeten.20 Ferner werde dort die Ansicht ausgesprochen, daß die Lösung des strafrechtlichen Kausalproblems von der Erkenntnis spezifischer juristischer Ausleseprinzipien abhängig sei. 21 Schließlich habe Kohlrausch 22 das Prinzip der teleologischen Begriffsbildung besonders für den Begriff des Erfolgs (als eines „Ausschnitts aus der Reihe der sinnfälligen Folgen unter einem juristisch relevanten Gesichtspunkt") fruchtbar zu machen gesucht. Hier sei überall bereits die richtige Auffassung angebracht, daß für rechtlich bedeutsame Begriffe nur auf praktische, in Zweckmäßigkeitsund Gerechtigkeitserwägungen begründete Kriterien abgestellt werden könne. Der erkenntniskritischen Methodik des südwestdeutschen Neukantianismus haben sich verschiedene Strafrechtstheoretiker angeschlossen.23 Ihre von der Realität abstrahierende Betrachtungsweise kommt deutlich in den stolzen Worten von Sauer 24 zum Ausdruck: „Wir selbst erzeugen die Dinge, wir sind die Schöpfer der Welt, die Welt ist unser Werk. Jedenfalls für die Wissenschaft." Eine nähere Darlegung dieser Position findet sich bei Erik Wolf 25. Im Anschluß an die Wertphilosophie sieht auch er das grundlegende Einteilungsprinzip der Wissenschaft in der Scheidung von Wirklichkeits- oder Seinswissenschaft und Wert- oder Bedeutungswissenschaft. Die Jurisprudenz gehört demnach zum Bereich der (empirischen) Kulturwissenschaften; ihre Aufgabe ist teleologisch auf Formung der geschichtlichen Wirklichkeit gerichtet, ihre Methode darum allein wertbeziehend. Dementsprechend steht für Wolf 26 im Vordergrund des Interesses das Problem der „Umformung" des gegebenen Materials durch die Strafrechtswis18

Lask, Rechtsphilosophie, S. 324. Lask, Rechtsphilosophie, S. 326. 20 Lask, Rechtsphilosophie, S. 320 unter Berufung auf Kohlrausch und Hold v. Ferneck. 21 Lask, Rechtsphilosophie, S. 322 unter Hinweis auf die von Liepmann vertretene Adäquanztheorie. 22 Irrtum und Schuldbegriff, S. 88 ff. (100). 23 Ausdrücklich auf Rickert und Lask berufen sich M. E. Mayer, AT, S. 39; dersDie schuldhafte Handlung, S. 5; Radbruch, Rechtsphilosophie, S. 1; Schwinge, Teleologische Begriffsbildung, S. 4ff.; E. Wolf \ Schuldlehre, S. VI. 24 Grundlagen, S. 19. 25 Schuldlehre, S.73ff. 19

I. Das Postulat vom Vorrang der Werte

17

senschaft. Bloß die Wissenschaftsform der Strafrechtsbegriffe sei von Bedeutung, nicht ihr Realitätsgehalt. Vielmehr würde das zugrundeliegende Material durch eine Zerreißung in Realitäts- und Wertbestandteile geradezu juristisch irrelevant. Denn die juristische, speziell strafrechtliche Betrachtung fange überhaupt dort erst an, wo eine unaufhebbare „Strukturverschlingung" von Wertelementen und Seinselementen vorliegt. Wo diese Strukturverschlingung sich lösen läßt, sei dies ein Kriterium dafür, daß kein juristischer Begriff gegeben ist. Im einzelnen werden diese Einsichten beispielsweise auf die Elemente der Handlung und des Tatbestandes übertragen 27 : Die Willensbetätigung sei nichts rein psychophysisches, der Erfolg nichts rein physikalisches. Dann aber lasse sich die Folgerung nicht mehr umgehen, daß Willensbetätigung und Erfolg nicht notwendig etwas Tatsächliches (Natürliches), sondern vielmehr etwas genuin Rechtliches (Normatives) sind. Sie reichten zwar als menschliches Tun und Sein in den Bezirk der physikalisch-psychologischen Erfahrungswelt hinein, aber sie gehörten wesensmäßig der Rechtswelt an. Programmatisch verkündet Wolf 29: „So wird auch der Tag kommen, an dem die Selbstbescheidung, zu welcher uns methodologische Kritik leitet, den Juristen auch in der Wissenschaft auf die Begriffsformen als das einzige ihm gegebene Material zurückführen wird." 3. Kritische

Würdigung

Kennzeichnend für die vorstehende Betrachtungsweise ist das Abrücken vom Sein. 29 Unter dem Blickwinkel des Wertes wird die Wirklichkeit begrifflich umgebildet; die Realität erscheint gleichsam als amorphe Masse, die durch den Betrachter erst ihre Form erhält. Dabei bleibt indessen außer acht, daß das Material schon eine immanente Struktur aufweist. So muß denn auch Lask 30 konzedieren, daß die Lebensverhältnisse bereits einen typisch gestalteten, für die rechtliche Regelung also präparierten Stoff darbieten. Dann aber sind auch der kulturwissenschaftlichen Vorgehensweise in der Sache liegende Grenzen gesetzt. Sieht man hingegen die Aufgabe der Wissenschaft allein in der Logik der Begriffsbildung, so geht die Methode zu ihrem Gegenstand auf Distanz. Es stellt

26 Schuldlehre, S. 86ff.; ähnlich spricht Grünhut (Frank-Festgabe I, S. 27) von einer „Vorformung" des zur juristischen Beurteilung herangezogenen Materials. 27 Vgl. E. Wolf Typen, S. 50f. 28 Schuldlehre, S. 101. 29 Vgl. die Kritik von Welzel, Naturalismus, S. 70 u.ö.; auch Schünemann (Grundfragen, S. 33) rügt die „in erkenntnistheoretischer Hinsicht dubiose These" von Lask, daß die rechtlichen Phänomene selbst lediglich Produkte der kulturwissenschaftlichen Begriffsbildung seien. 30 Rechtsphilosophie, S. 324.

2 Küpper

§ 1 Wert und Wirklichkeit

18

sich unweigerlich die Frage, wie diese „leere Pathetik der absoluten Werte" 31 eigentlich mit ihrem Bezugsobjekt übereinkommt. Die Kluft zum Seienden muß dann erst künstlich wieder überbrückt werden 32 — durch die erwähnte Anschmiegung an das vorrechtliche Substrat. Dieser Konnex wird von der Wertphilosophie zwar behauptet, aber nicht schlüssig dargetan. Ihre grundsätzliche Problematik liegt in der Abgehobenheit der Werte von der Wirklichkeit. Zwar unterscheidet auch die herkömmliche Sichtweise zwischen dem „Wertträger" und dem „Wertprädikat", das jenem zugeschrieben wird. 3 3 Der Träger ist dabei aber vorgegeben; jedes Werten setzt seine Erkenntnis schon voraus. Es ist also nicht so, daß der Wertungsakt erst dem Objekt Gestalt verleiht. Dessen Präponderanz kommt besonders deutlich in der Wertlehre von Heyde 34 zum Ausdruck. Er betont, daß Wert immer ein Objekt voraussetzt, d. h. Wert ist stets schon Objektwert. Der Umstand, daß ein Objekt ohne Wertcharakter existieren kann, dürfe nicht zu der irrigen Annahme verleiten, umgekehrt könne ein allgemeiner Wert ohne Objekt bestehen. Demnach ist jede Wertung im Ontischen fundiert. Bedenken erheben sich zudem gegen die sog. idiographische Methode der Kulturwissenschaften. Danach soll ja das wissenschaftliche Interesse allein auf das Besondere und Individuelle und dessen einmaligen Verlauf gerichtet sein, während bei naturwissenschaftlicher Betrachtung die einzelne Gestaltung als Exemplar für einen mehr oder minder allgemeinen Begriff in Frage kommt. 3 5 Diese Sichtweise greift indes zu kurz. So bedeutet z.B. im Strafrecht ein Schuldurteil die Feststellung der höchstpersönlichen Verantwortlichkeit im Einzelfall; dies hindert jedoch nicht daran, generelle Erkenntnisse über das Wesen der Schuld zu gewinnen. Vielmehr kann erst von einem solchen (Vor-) Verständnis das spezielle Urteil abgeleitet werden. Das jeweilige Phänomen ist dann eben doch ein „Exemplar" der Gattung. Deshalb muß es durchaus jeder Wissenschaft um die Formulierung allgemeiner (gesetzmäßiger) Aussagen gehen. Ein letzter Einwand richtet sich gegen die Merkmale der Negation sowie Geltung als Abgrenzungskriterien für Wert und Sein. Wenn Richert 36 den 31

So Erich Kaufmann, Kritik, S. 11; den Vorwurf des Formalismus und der leeren Begriffsanalytik erheben auch Grünhut, ZStW 52 (1932), 334; Hobe, ARSP 1973, 225; Riedel, Geschichte der Philosophie, Bd. 7, S. 332. 32 Vgl. auch Welzel, Naturalismus, S. 63. 33 Siehe zu diesem Begriffspaar etwa Scheler, Materiale Wertethik, S. 105 f.; Welzel, ZStW 51 (1931), 706; ders., GS 103 (1933), 343ff.; Kraft, in: Werturteilsstreit, S. 44. Sie entspricht der im Strafrecht gebräuchlichen Unterscheidung von Objekt der Wertung und Wertung des Objekts; grundlegend Dohna, Aufbau, S. 11 ff., 27ff.; dazu auch Thierfelder, Normativ und Wert, S. 26ff.; Hirsch, Negative Tatbestandsmerkmale, S. 242ff. 34 Wert, S. 22 ff. 35 Vgl. Richert, Kulturwissenschaft, S. 90. 36 System I, S. 117.

II. Die Rückkehr zum Sein

19

Unterschied zum einen darin sieht, daß es negative Werte, jedoch keine negative Existenz gebe, liegt dieser Differenzierung die Vermengung von „negativ" (i. S. von abwertend) und „negieren" (i. S. von nicht existieren) zugrunde. Das Schlechte, Häßliche etc. mag zwar als negativ bewertet werden, es stellt aber einen eigenständigen Unwert und damit ein „Positivum" (Gegebenes) dar. 3 7 Demgegenüber kann unter negativer Existenz nur ein Nichtseiendes verstanden werden. Auf der anderen Seite erklärt auch der Begriff der Geltung den Wert nicht, er setzt ihn lediglich voraus. Die für die Wertphilosophie konstitutive Abschichtung von Wert und Wirklichkeit ist daher schon im Ansatz mit Unklarheiten behaftet. II. Die Rückkehr zum Sein

1. Kritischer

Realismus

Eine Gegenströmung zum Wirklichkeitsverlust der Wertphilosophie bildet zunächst die Ontologie Nicolai Hartmanns. Seine Lehre gerät damit zur „Kampfansage" an den Neukantianismus. 38 Es geht ihm darum zu zeigen, daß nicht im Erzeugen, sondern im Erfassen eines von der Erkenntnis unabhängigen, bereits vor ihr bestehenden Seienden das Wesen der Erkenntnis zu sehen ist. Die objektive Wirklichkeit ist danach dem subjektiven Erkenntnisakt vorgelagert; es gibt keine Erkenntnisfrage ohne Seinsfrage. Vielmehr besteht der Sinn der Erkenntnis gerade darin, Seinserkenntnis zu sein. 39 Das Erkenntnisproblem bedarf daher einer ontologischen Grundlegung. Ohne das reale Substrat geht es sogar völlig ins Leere: „Wenn es kein Ansichseiendes gibt, so gibt es auch keine Erkenntnis. Denn es gibt dann nichts, was erkannt werden könnte." 4 0 Hart wird mit dem „Normativismus" der Wertphilosophie ins Gericht gegangen: Diese philosophische Richtung bedeute im Grund einen einzigen großen Kehraus der Erkenntnis aus der Wissenschaft — oder was dasselbe sei — des Seins aus ihrem Gegenstandsfelde. 41 Die spekulative Vorentscheidung zugunsten eines Primats der Werte sei gar ein „Krebsschaden" der gesamten Philosophie. 42 Die zu erforschenden Kategorien seien, an sich betrachtet, in keiner Weise Normen, Zwecke oder gar Werte.

37 Dahingehend auch die Kritik von Seidel, Wert und Wirklichkeit, S. 25 ff.; im Ergebnis (S. 65) hält er Negation und Geltung für ungeeignet zur Abgrenzung eines einheitlichen Wertbereichs. Kritisch zum Geltungsbegriff ferner Siegers, Recht bei Emil Lask, S. 109 f. 38 39 40 41 42

2*

So Stegmüller, Gegenwartsphilosophie I, S. 245. Vgl. Hartmann, in: Natorp-FS, S. 125. Hartmann, Ontologie, S. 162. Hartmann, Ontologie, S. 232. Hartmann, in: Natorp-FS, S. 149 ff., 152.

§ 1 Wert und Wirklichkeit

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Insbesondere verwirft Hartmann 43 auch die Ansicht, daß der Gegenstand im Fortschreiten der Erkenntnis sich ändere. Dem im Neukantianismus gezogenen Schluß, der Gegenstand „entstehe" überhaupt erst im Erkenntnisprozeß, liege eine gröbliche Verwechslung zugrunde: Nicht der Gegenstand, sondern das Bild des Gegenstandes, dessen Vorstellung oder Begriff entsteht. Ein Beispiel von Richert 44 aufgreifend (das Atom als Produkt unseres wissenschaftlichen Denkens) wird ausgeführt, daß nur der „Begriff des Atoms eine Wandlung erfährt; darin liege die Annäherung an die Wahrheit. Die Atome selbst aber, aus denen die Dinge wirklich bestehen, machten diesen Wandel nicht mit. Wenn überhaupt es sie gibt, so waren sie dieselben einst wie heute. Ihr Sinn sei gleichgültig gegen den Wandel der Auffassung und gegen das fortschreitende Erkanntwerden ihres Wesens. Dem läßt sich hinzufügen, daß dies gleichermaßen für die (von Richert sog.) Kulturwissenschaften, also auch die Jurisprudenz gilt. Ob eine kausale, finale oder soziale Handlungs/e/zre unterschiedliche Aussagen über den Handlungfogriff macht, ändert nichts am Gegenstand der Erkenntnis. Das „Wesen" der menschlichen Handlung bleibt von wechselnden Interpretationsversuchen unberührt. Entscheidend ist aber die Erfassung des ontologischen und damit vorgegebenen Gehalts. Wenn demgegenüber der Ansatzpunkt im normativen Bereich gesucht wird 4 5 , usurpiert die Methode ihren Gegenstand und setzt ihn beliebigen Dezisionen aus. Der „Fehler des Normativismus", den Hartmann 46 dem Neukantianismus entgegengehalten hatte, wiederholt sich demnach in heutigen strafrechtlichen Betrachtungsformen. Dem Vorrang der Werte setzt Hartmann 47 einen natürlichen und wissenschaftlichen Realismus entgegen: Der natürliche Realismus sei identisch mit der uns lebenslänglich gefangen haltenden Überzeugung, daß der Inbegriff der Dinge, Personen, Geschehnisse und Verhältnisse, kurz der Welt, in der wir leben und die wir erkennend zu unserem Gegenstande machen, nicht erst durch unser Erkennen geschaffen wird, sondern unabhängig von uns besteht. „Verließe uns diese Überzeugung auch nur einen Augenblick im Leben, wir würden das Leben nicht mehr ernst nehmen." Ebensowenig kenne auch die wissenschaftliche Einstellung ein Preisgeben der Realität. Die Naturwissenschaft nehme den Kosmos, die Geisteswissenschaft die geschichtlichen Entwicklungen als wirklich. Und nur soweit, als sie hieran festhält, sei sie Wissenschaft. „Denn wo sie die Realität dessen, was sie erforscht, bezweifelt, da geht das Erkennen und Forschen in Phantasieren über."

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Ontologie, S. 169 f. System I, S. 183 f. So die soziale Handlungslehre, vgl. Jescheck, AT, S. 200. Natorp-FS, S. 149ff. Ontologie, S. 53.

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Ist somit die Wirklichkeit wieder in ihr Recht eingesetzt, verlagert sich die Fragestellung auf die Möglichkeit der Seinserkenntnis. Dabei ist von besonderer Bedeutung, daß dieses Erfassen des Gegebenen nicht bei den einzelnen Erscheinungen stehenbleibt, sondern dem „Wesen" der Dinge auf den Grund zu gehen sucht; ansonsten würde man wieder der „idiographischen" Methode der Wertphilosophie verfallen. Am Beispiel des Strafrechts bedeutet dies etwa: Nicht die Besonderheit einer Tötungs- oder Diebstahlshandlung etc., sondern die Struktur der Handlung „als solcher" ist von vorrangigem Interesse. Und ob die Handlung konkret sorgfaltswidrig war, ist zwar eine Frage des Einzelfalles. Worin aber besteht das Essentiale der Fahrlässigkeit? Demzufolge erweist es sich als notwendig, eine Methodik zu entwickeln, um zu allgemeinen Wesensgesetzen zu gelangen. Diesen Anspruch erhebt vor allem die Phänomenologie. 2. Phänomenologische Wesenserfassung Die von Edmund Husserl begründete Phänomenologie versteht sich als Wesenswissenschaft (eidetische Wissenschaft), die ausschließlich „Wesenserkenntnisse" feststellen will. Der methodische Weg, der im urteilenden Denken von den tatsächlichen (empirischen) Gegebenheiten zur Wesensallgemeinheit führt, ist die eidetische Reduktion. 48 Den Ausgangspunkt der phänomenologischen Betrachtung bildet die Scheidung zwischen Tatsache und Wesen.49 Individuelles Sein ist zunächst einmal ganz „zufallig". Jedoch bezieht sich diese Zufälligkeit (Tatsächlichkeit) korrelativ auf eine Notwendigkeit, die nicht den faktischen Zustand betrifft, sondern den Charakter der Wesens-Notwendigkeit und damit auch der WesensAllgemeinheit aufweist. Ein individueller Gegenstand ist nicht bloß ein einmaliges „Dies da", er hat vielmehr in sich selbst seinen Bestand an wesentlichen Prädikabilien, die ihm zukommen müssen. Dieses als sein „Was" Vorfindliche kann in Idee gesetzt, die Einzelbetrachtung also in Wesenserschauung (Ideation) umgewandelt werden. Zu deren Eigenart gehört es zwar, daß ihr ein Stück individueller Anschauung zugrunde liegt, so daß keine Wesensschau durchführbar ist ohne die Möglichkeit der Blickwendung auf ein entsprechendes Individuelles und der Bildung eines exemplarischen Bewußtseins — wie auch umgekehrt keine individuelle Anschauung denkbar ist ohne die Möglichkeit des Vollzugs einer Ideation mit Blickrichtung auf das entsprechende, sich im individuell Sichtigen exemplifizierende Wesen. Das ändert aber nichts daran, daß beiderlei Anschauungsarten prinzipiell verschieden sind; ihrem Unterschied 48 Husserl, Ideen, S. 4. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung kann die — weitergehende — phänomenologische Reduktion außer Betracht bleiben. Beide Reduktionen können in beliebiger Reihenfolge vorgenommen werden und sind auch jeweils isoliert vollziehbar; vgl. Stegmüller, Gegenwartsphilosophie I, S. 71 f. 49 Näher Husserl, Ideen, S. 7 ff.; dazu auch F. Kaufmann, Logik und Rechtswissenschaft, S. 8 ff.

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korrespondiert die Beziehung zwischen Existenz und Essenz, zwischen Faktum und Eidos. 50 Das methodische Verfahren der Ideation besteht in der „Ausschaltung" bzw. „Einklammerung", wodurch die Einzelheiten und Besonderheiten des Gegebenen eliminiert werden. 51 Diese schrittweise Reduktion führt vom Zufälligen des Einzelfalls zum Allgemeinen des Dinges selbst: Was zum Wesen gehört, wird vor die Klammer gezogen. Die Ausschaltung der zufälligen Daseins-Koeffizienten hat indes keineswegs den Charakter einer universellen Negation. 52 Die Gegebenheiten bleiben — bildlich: nicht durchgestrichen, sondern eben nur eingeklammert — vorhanden; sie treten für die Wesensschau lediglich „außer Aktion". 5 3 Sie verwandeln sich allerdings in exemplarische Fälle von Wesensallgemeinheiten, die einer systematischen Analyse zugänglich bleiben. Der Vollzug der Reduktion führt außerdem zu der Einsicht, daß das Bewußtsein in sich selbst ein Eigensein hat, das in seinem Eigenwesen durch die Ausschaltung nicht betroffen wird. Somit bleibt es als „phänomenologisches Residuum" zurück. 54 Charakterisiert wird das Bewußtsein durch das Merkmal der Intentionalität, d.h. die Eigenheit, Bewußtsein von etwas zu sein. So ist Wahrnehmen ein Wahrnehmen von etwas, z.B. einem Dinge; ein Urteilen ist Urteilen von einem Sachverhalt, ein Werten von einem Wertverhalt, ein Wünschen von einem Wunschverhalt usw. 55 Der phänomenologisch reduzierten Wahrnehmung bleibt also ihr Korrelat erhalten. Die „Einklammerung", die die Wahrnehmung erfahren hat, hindert deshalb kein Urteil darüber, daß die Wahrnehmung Bewußtsein von einer Wirklichkeit ist, auch wenn die phänomenologische Anschauung allein die Wesenheiten der Dinge betrachten und beschreiben will.

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Husserl, Ideen, S. 12. Vgl. Husserl, Ideen, S. 53 ff. Zur Methode der Ideation siehe auch N. Hartmann, Ontologie, S. 287ff.; Klug, in: Skeptische Rechtsphilosophie I, S. 216ff.; W. Marx, Phänomenologie, S. 34ff.; M. Müller, Sein und Geist, S. 31 ff. Nach Scheler (Stellung des Menschen, S. 53) ist in ihr der Akt gemeint, der den menschlichen Geist recht eigentlich definiert. 52 Darin liegt der Unterschied zu dem bekannten Zweifelsversuch von Descartes ; vgl. Husserl, Ideen, S. 55. Auch Troller (Prinzipien, S. 47) betont, daß Einklammern nicht Negieren bedeutet. 53 Zum Verbleib des Eingeklammerten näher Husserl, Ideen, S. 54, 142, 146, 187 f. 54 Husserl, Ideen, S. 59. 55 Zur Intentionalität als „phänomenologisches Hauptthema" ausführlich Husserl, Logische Untersuchungen I I / l , S. 363 ff.; ders., Ideen, S. 167ff.; ferner Szilasi, Einführung, S. 14ff. Die Grundlegung dieser Kategorie stammt von Brentano (Psychologie I, S. 124 ff.), der die psychischen Phänomene als solche definiert, welche intentional einen Gegenstand in sich enthalten. Bei Welzel(ZStW 51 [1931], 709ff.) wird die Intentionalität als Wesensmerkmal der menschlichen Handlung herausgestellt; erst später wird dafür die Bezeichnung „Finalität" verwandt. 51

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Neben die eidetische Reduktion tritt als weiteres methodisches Prinzip die Variation. 56 Sie erweitert den Untersuchungsbereich, indem das Bewußtsein durch Abwandlung die zu untersuchenden Gegenstände selbst erzeugt. Dadurch soll das im empirisch Gegebenen sich abhebende Allgemeine vor allem von seinem Charakter der Zufälligkeit befreit werden. Dieses Verfahren wird von Husserl 51 folgendermaßen beschrieben: „Wir lassen uns vom Faktum als Vorbild für seine Umgestaltung in reiner Phantasie leiten. Es sollen dabei immer neue ähnliche Bilder als Nachbilder, als Phantasiebilder gewonnen werden, die sämtlich konkrete Ähnlichkeiten des Urbildes sind. Wir erzeugen so frei willkürlich Varianten, deren jede ebenso wie der ganze Prozeß der Variation selbst im subjektiven Erlebnismodus des,beliebig4 auftritt. Es zeigt sich dann, daß durch diese Mannigfaltigkeit von Nachgestaltungen eine Einheit hindurchgeht, daß bei solchen freien Variationen eines Urbildes, z. B. eines Dinges, in Notwendigkeit eine Invariante erhalten bleibt als die notwendige allgemeine Form, ohne die ein derartiges wie dieses Ding, als Exempel seiner Art, überhaupt undenkbar wäre." Im Wege der Variation kristallisiert sich also ein invariables Substrat (Wesen) heraus, das in seiner Kongruenz den vielfachen Differenzen gegenübersteht. Die Idee der Differenz wird deshalb auch nur verständlich in ihrer Verflechtung mit der des identisch Gemeinsamen als Eidos. 58 Den Prozeß der Ideation faßt Husserl 59 in drei Hauptschritten zusammen: (1) erzeugendes Durchlaufen der Mannigfaltigkeit der Variationen; (2) einheitliche Verknüpfung in fortwährender Deckung; (3) herausschauende aktive Identifizierung des Kongruierenden gegenüber den Differenzen. Erkenntnisobjekt der Phänomenologie ist demnach der „Gegenstand schlechthin", das „Wahrgenommene als solches". Durch die Erfassung des wesensmäßig Gegebenen will sie zu evidenten Ürteilen gelangen. Dem liegt die Überzeugung zugrunde, daß Wesensanschauung nicht mehr Schwierigkeiten bereitet oder Geheimnisse birgt als sonstige Wahrnehmung. Der Ansicht, ein Wesen sei nicht exakt feststellbar, hält Husserl 60 das Beispiel entgegen: Die niedersten Farbdifferenzen, die letzten Nuancen mögen der Fixierung spotten,

56 Eingehend Husserl, Erfahrung und Urteil, S. 409ff.; dazu auch Diemer, Edmund Husserl, S. 105 ff. 57 Erfahrung und Urteil, S. 411. Die Methode der Variation müßte auch und gerade den Juristen ansprechen, der darin geübt ist, fortwährend Fälle und deren Abwandlungen in der Phantasie zu erzeugen. 58 Husserl, Erfahrung und Urteil, S.418. 59 Erfahrung und Urteil, S. 419. 60 Logos 1911, 315 f.

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aber „Farbe" im Unterschied zu „Ton" ist ein so sicherer Unterschied, wie es in aller Welt nichts noch Sicheres gibt. In diesen Ausführungen findet sich zudem ein für die Phänomenologie bedeutsamer Gesichtspunkt: die Evidenz. Sie gilt als vollkommenes Kennzeichen der Richtigkeit, als unmittelbares Innewerden der Wahrheit selbst.61 Auf der anderen Seite sieht sich ein solches Kriterium leicht dem Vorwurf ausgesetzt, eher irrationalen denn wissenschaftlichen Charakter aufzuweisen. Deshalb ist dem Mißverständnis vorzubeugen, die Phänomenologie würde Evidenz als eine plötzliche Eingebung betrachten, die uns wie eine mystische Stimme aus einer besseren Welt zuruft: „Hier ist die Wahrheit!" 62 Das Evidenzerlebnis steht nicht am Anfang, sondern am Ende des phänomenologischen Gedankenganges. Ansonsten wäre in der Tat jedes wissenschaftliche Bemühen eine umständliche und unnötige Veranstaltung. Auch Wesensanschauungen müssen erarbeitet werden. 63 Zunächst gilt es im Wege schrittweiser Annäherung an das Phänomen heranzukommen. Erst nachdem alle „Partialintentionen" ausgeräumt sind, ergibt sich die abschließende Vorstellung als Adäquation an die Sache selbst. 64 Hinzu kommt die Berücksichtigung von speziellen Befunden, die das Evidenzerlebnis flankieren und absichern. Hartmann 65 nennt dies eine „Synthesis stigmatischer und konspektiver Intuition": Die Wesensschau sei zunächst auf den bestimmten Punkt gerichtet. Die daraus resultierende Möglichkeit der Evidenztäuschung könne aber durch den Einbau von Einzelkenntnissen in den Zusammenhang eines Ganzen kompensiert werden. Daraus ergebe sich ein wenigstens relatives Wahrheitskriterium — vergleichbar dem der Realerkenntnis in der Synthese apriorischer und aposteriorischer Elemente. Es sei nur hier wie dort kein absolutes Kriterium; aber ein solches ginge überhaupt über Menschenmaß.

3. Sachlogik im Recht a) Eine apriorische Fundierung des bürgerlichen Rechts hat der Phänomenologe Reinach unternommen. Dabei äußert er die Überzeugung, daß auch die

61

Vgl. Husserl, Logische Untersuchungen I, S. 13. Gegen eine solche Auffassung verwahrt sich ausdrücklich Husserl, Ideen, S. 300. 63 Reinach, Was ist Phänomenologie, S. 71; von einer „methodischen Arbeitsphilosophie" spricht auch Husserl, Krisis, S. 112. 64 Zur Frage der Evidenz näher Husserl, Logische Untersuchungen II/2, S. 115 ff; über Evidenz im Rechtsdenken vgl. Achterberg, DÖV 1963, 331 ff.; Esser, Vorverständnis und Methodenwahl, S. 171 ff.; Kriele, Theorie der Rechtsgewinnung, S. 212ff.; Schreiner, in: Tammelo-GedS, S. 543 ff. 65 Ontologie, S. 297. 62

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anderen rechtlichen Disziplinen, darunter das Strafrecht, einer solchen Grundlegung fähig und bedürftig sind. 66 Zunächst tritt er der Auffassung entgegen, daß alle Rechtssätze und -begriffe Schöpfungen der rechtserzeugenden Faktoren seien. Er will vielmehr zeigen, daß die Gebilde, welche man allgemein als spezifisch rechtliche bezeichnet, ein Sein besitzen, so gut wie Zahlen, Bäume oder Häuser; daß dieses Sein unabhängig davon ist, ob es Menschen erfassen oder nicht, daß es insbesondere unabhängig ist von allem positiven Recht. Es sei nicht nur falsch, sondern im letzten Grunde sinnlos, die rechtlichen Gebilde als Schöpfungen des positiven Rechtes zu bezeichnen, genau so sinnlos wie es wäre, die Gründung des Deutschen Reiches oder einen anderen historischen Vorgang eine Schöpfung der Geschichtswissenschaft zu nennen. „Das positive Recht findet die rechtlichen Begriffe, die in es eingehen, vor; es erzeugt sie mitnichten" 67 Die phänomenologische Rechtslehre will nun ihrerseits das „Wesen" der Rechtsgebilde erschauen, die „Natur" der Sache erfassen. 68 Sie geht davon aus, daß es eine reiche Fülle apriorischer Sätze gibt, streng formulierbar und evident einsichtig, unabhängig von allem erkennenden Bewußtsein. Mag auch das positive Recht seinen Gegenstand ausgestalten und umgestalten, wie es will: es ist an „ewige Gesetze"69 gebunden, welche ihm vorgegeben sind. Das Recht kann sie in seine Sphäre übernehmen oder von ihnen abweichen. Aber selbst wo es sie in ihr Gegenteil verkehrt, vermag es ihren Eigenbestand nicht zu berühren. Diese Sichtweise wird anhand verschiedener Institute des Bürgerlichen Rechts konkretisiert, von denen hier die wichtigsten Beispiele herausgegriffen werden sollen. Als erstes geht Reinach 70 auf die Strukturen von Anspruch und Verbindlichkeit ein: Diese setzten allgemein und notwendig einen Träger voraus, eine Person, deren Ansprüche und Verbindlichkeiten sie sind. Und ebenso sei ihnen ein bestimmter Inhalt wesentlich, auf den sie sich beziehen und dessen Verschiedenheit die jeweiligen Ansprüche und Verbindlichkeiten voneinander unterscheidet. Ferner gehe jede Verbindlichkeit auf ein künftiges Verhalten ihres Trägers. Schließlich erlösche ein Anspruch auf eine bestimmte Leistung in dem

66 Vgl. Reinach, Phänomenologie des Rechts, S. 17 Anm. 1. Nach Arthur Kaufmann (Schuldprinzip, S. 26) hat die apriorische Rechtslehre Reinachs die meiste Ähnlichkeit mit der Konzeption Welzeis und darf als deren Vorläufer angesehen werden. Zur kritischen Würdigung der Reinach'schen Thesen siehe die eingehenden Stellungnahmen von Binder, Philosophie des Rechts, S. 149ff.; Riezler, in: Kant-FS, S. 106ff. 67 Reinach, Phänomenologie des Rechts, S. 14 (Hervorhebungen dort). 68 Vgl. Reinach, Phänomenologie des Rechts, S. 15 ff. 69 So Reinach, Phänomenologie des Rechts, S. 17; in ähnlicher Weise spricht Welzel (Naturrecht, S. 198) von „ewigen Wahrheiten" der sachlogischen Sphäre. 70 Phänomenologie des Rechts, S. 21 ff.

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Augenblick, da die Leistung geschehen ist. Dies sei ein apriorischer Satz, welcher notwendig im Wesen des Anspruchs als solchem gründet. Des weiteren wird eine Phänomenologie des Eigentums entwickelt. 71 Es gehe dabei um eine letzte, nicht weiter zurückführbare und in keine Elemente weiter auflösbare Beziehung zwischen Person und Sache, welche man als „Gehörensverhältnis" bezeichnet. Sie könne sich auch da konstituieren, wo es kein positives Recht gibt: Wenn Robinson auf seinem Eiland sich allerlei Gegenstände herstellt, so gehören ihm diese Gegenstände. Etwas sei also nicht Eigentum, weil das positive Recht es schützt; sondern das positive Recht schütze es, weil es Eigentum ist. Auch der Unterschied zwischen Eigentum und Besitz sei unmittelbar einleuchtend: Eine Sache kann in meiner Gewalt stehen, ohne daß sie mir gehört; sie kann mir gehören, ohne in meiner Gewalt zu stehen. Es trete hierin die klare und zweifellose Evidenz zutage, mit der wir rein in sich, ohne jede Anlehnung an ein positives Recht, das Gehörensverhältnis und das Gewaltverhältnis voneinander unterscheiden. Schließlich werden noch die essentiellen Grundlagen der Stellvertretung herausgestellt. 72 Das Handeln „für" oder „im Namen" einer anderen Person sei keine Veranstaltung des positiven Rechts, sondern eine Modifikation sozialer Akte, die weit hinausreicht über die Welt rechtlicher Phänomene. Man könne nicht bezweifeln, daß es ein Bitten, Ermahnen, Mitteilen, Danken oder Raten im Namen eines anderen gibt. Soweit mit dem Eigenvollzug unmittelbare Wirkungen wesensgesetzlich verknüpft sind, trete mit der Aktmodifikation auch eine Modifizierung der Wirkung ein. Denn wer durch seine Akte Rechte und Verbindlichkeiten in seiner Person zu erzeugen und zu modifizieren vermag, kann auch einen Akt vollziehen, der anderen diese Macht gewährt. Wenn die phänomenologische Rechtslehre demgemäß apriorische Gesetze mit dem Anspruch auf absolute Gültigkeit aufstellen will, so wird doch nicht bestritten, daß jedes positive Recht sich in Widerspruch zu ihnen setzen kann. 73 Es handelt sich nämlich um Wesensgesetze, die nur unter der Voraussetzung gelten, daß keine Bestimmungssätze entgegenstehen. Insofern könne von einem „Widerspruch" zwischen apriorischer Rechtslehre und positivem Recht nicht die Rede sein, nur von Abweichungen der Sollensbestimmungen von den Seinsgesetzen. Solche Differenzen aber könnten niemals gegen die Gültigkeit der Seinsgesetze geltend gemacht werden; vielmehr würden sie durch diese überhaupt erst möglich und verständlich. 71

Vgl. Reinach, Phänomenologie des Rechts, S. 90ff. Dazu Reinach, Phänomenologie des Rechts, S. 139ff. 73 Zum Verhältnis von Wesensgesetzen und positivem Recht eingehend Reinach, Phänomenologie des Rechts, S. 165 ff., 186 ff. Entgegen Kubes (Ontologie des Rechts, S. 253) liegt darin auch kein „unglaublicher Widerspruch". Zwar kann kein Gesetzgeber die Natur der Dinge ändern, aber ebensowenig kann ihn jemand zwingen, die Rechtsnormen danach auszurichten. Nur ist die getroffene Regelung dann eben sachlich unrichtig. 72

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b) Für den Bereich des Strafrechts hat Welzel die Bindung des Gesetzgebers an die ontologischen Strukturen der realen Welt hervorgehoben. Indem er auf die vorgegebene und unabänderliche Natur der Dinge abstellt, orientiert er sich — wenngleich nicht ausdrücklich, aber der Sache nach — an der phänomenologischen Betrachtungsweise. 74 Anknüpfungsgegenstand bilden die „sachlogischen Strukturen", die den ganzen Rechtsstoff „punktförmig" durchsetzen und ihm eine bestimmte Regelung vorzeichnen. 75 In ihnen habe die Rechtswissenschaft das bleibende Objekt, das sie von jeder gesetzlichen Willkür freistellt. Ihr sei als vornehmste Aufgabe anvertraut, die sachlogischen Strukturen herauszuarbeiten. Wenn der Gesetzgeber sie verfehle, müsse seine Regelung notwendig falsch werden; (relativ) frei sei er allein in der Wertung dieser Strukturen. Eine solche Bewertung könne zwar aus dem Seinsbereich etwas herausheben und mit Bedeutsamkeit versehen, ähnlich wie ein Lichtstrahl einen Gegenstand aus dem Dunkeln zum Aufleuchten bringt, aber an der Seinsstruktur des Gegenstandes nichts ändern. 76 Die Sachgesetzlichkeiten sind demnach jeder Normierung vorrangig und geben ihr überhaupt erst einen festen Halt. Namentlich der Allgemeine Teil des Strafrechts ist für Welzel 11 ein Sachgebiet, das in besonders hohem Maße von sachlogischen Strukturen durchsetzt ist. An erster Stelle steht dabei die seinsmäßige Beschaffenheit der Handlung, die in der finalen Handlungslehre ihren Ausdruck findet. Danach ist Finalität ein ebenso ontologischer Begriff wie die Kausalität. Jene sei keine Erfindung irgendeiner Theorie, sondern ein gegenständliches Strukturgesetz des Seins, und zwar des menschlichen Handelns. Sie könne deshalb nicht erfunden, sondern nur gefunden werden. 78 Demzufolge befaßt sich die Handlungslehre primär überhaupt nicht mit strafrechtlich erheblichen Handlungen, sondern entwickelt 74

Auf die Affinität der Lehre Welzels zur Phänomenologie weisen hin: Alwart, Recht und Handlung, S. 40; Fikentscher, Methoden des Rechts III, S. 303; Hassemer, Einführung, S.211; E. Hruschka, Die phänomenologische Rechtslehre, S. 25; Kindhäuser, Intentionale Handlung, S. 186; Larenz, Methodenlehre, S. 109; Rödig, Denkform der Alternative, S. 39; Rover, JuS 1988, 762; Tjong, ARSP 1968, 413. Übereinstimmender Ausgangspunkt war übrigens die Frontstellung gegen Naturalismus und Historizismus durch Husserl (Logos 1911,294 ff., 323 ff.) und dementsprechend gegen Naturalismus und Wertphilosophie durch Welzel (Habilitationsschrift 1935). 75 Vgl. Welzel, Naturrecht, S. 197f.; ders., in: Niedermeyer-FS, S. 20; außerdem Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 16ff.; auch nach Maihofer (Recht und Sein, S. 121 f.) fragt alle echte Rechtstheorie nach dem gültigen, durch die „sachlogischen Strukturen" des Rechtsstoffes vorgegebenen Recht. Deutlich kommt hierin die genuin phänomenologische Sichtweise zum Ausdruck, der es um die Enthüllung der „apriorischen Strukturen" (W. Marx, Phänomenologie, S. 35) bzw. „Sachhaltigkeiten" (Szilasi, Einführung, S. 19) geht. 76 Welzel, ZStW 69 (1957), 635 f. 77 Niedermeyer-FS, S. 291 f. 78 Welzel, Um die finale Handlungslehre, S. 7 (Hervorhebungen dort).

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das allgemeine Strukturprinzip der menschlichen Handlung als Ausübung der Zwecktätigkeit. Dabei bleibt es zunächst völlig gleichgültig, um welches Ziel es geht und was zum Ziel gehört, ob es rechtlich relevant sein mag oder nicht. Zwar ist auch jeder Tatbestandsvorsatz ein finaler Handlungswille, aber nicht jeder finale Handlungswille ein Tatbestandsvorsatz. Die auf Verwirklichung einer tatbestandsmäßigen Handlung gerichteten Vorsätze sind folglich nur ein verschwindend kleiner Ausschnitt aus der unermeßlichen Fülle finaler Handlungswillen. 79 Kurz gesagt: Vorsatz ist strafrechtlich mißbilligte Finalität. Des weiteren stelle das Täter-Teilnahmeverhältnis kein bloßes Produkt des Gesetzgebers dar; vielmehr sei jede Teilnahme wesensmäßig (sachlogisch) auf eine zweckmäßige (finale) Handlung bezogen.80 Auch die Art der Abhängigkeit, in der die Tat des Teilnehmers zur Haupttat steht, sei dem Gesetzgeber keineswegs freigestellt, sondern durch sachlogische Gesichtspunkte vorgezeichnet. Eine Normierung i. S. der strengen Akzessorietät verfehle diese Verhältnisse und führe darum unausweichlich zu paradoxen Konsequenzen.81 Schließlich müsse der Gesetzgeber, der die Rechtsfolge an eine schuldhafte Tatverwirklichung anknüpft, die sachlogische Struktur der Schuld beachten. Der Schuldbegriff setze voraus, daß der Täter besser, nämlich normgemäß, hätte handeln können. Wenn darum der Täter weder wußte noch wissen konnte, daß das, was er tat, unrecht war, habe er nicht schuldhaft gehandelt; und wenn das Reichsgericht in ständiger Rechtsprechung selbst bei unverschuldeter Verbotskenntnis wegen „Schuld" gestraft hat, habe es sich mit seinen eigenen Voraussetzungen in Widerspruch gesetzt und einen essentiellen Schuldgrundsatz verletzt. Keine Macht der Erde könne nun einmal die Natur der Dinge ändern. 82 Sachlich allein zutreffend sei eine Lösung, die bei unvermeidbarem Verbotsirrtum die Schuld ausschließt bzw. die Vorwerfbarkeit nach dem Grade der Entschuldbarkeit des Irrtums mildert. 83 Eine solche Bestimmung enthalte nicht eine beliebige rechtliche Regelung des Verbotsirrtums, sondern eine solche, die aus dem jedem positiven Recht vorgegebenen Wesen von Schuld und Vorsatz folgt. Demnach existieren für WelzeZ 84 „ewige Wahrheiten" der sachlogischen Sphäre, an denen auch der Gesetzgeber nicht vorbeikommt. Gleichzeitig betont 79

Welzel, NJW 1968, 425 f. Vgl. Welzel, Naturrecht, S. 197. 81 Welzel, in: Niedermeyer-FS, S. 292. 82 Welzel, Naturrecht, S. 197f.; zur sachlogischen Struktur der Schuld siehe außerdem Armin Kaufmann, in: Strafrechtsdogmatik, S. 18 f. Auch nach BGHSt 2, 194 (209) ergibt sich die Schuldtheorie „aus dem Wesen der Schuld". 83 Vgl. Welzel, SJZ 1948, 371 im Hinblick auf die Regelung des § 20 Abs. 2 E 1930: „Handelt der Täter vorsätzlich, aber in einem entschuldbaren Rechtsirrtum, der ihn das Unrechtmäßige seiner Tat nicht erkennen läßt, so ist er straffrei; ist der Irrtum nicht entschuldbar, so ist der Täter strafbar, aber milder zu bestrafen." 84 Naturrecht, S. 198. 80

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er, daß diese Bindung nur eine relative ist, nämlich bedingt dadurch, welche von ihnen als Grundsatz gewählt wird. Wenn aber eine solche Wahl erfolgt, dann resultiert daraus die Beachtung der Sachlogik als zwingende Forderung. Zudem wird durch die Bewertung am Sosein des betreffenden Gegenstandes weder das kleinste Seinsstück zugesetzt noch von ihm weggenommen, sondern es bleibt so, wie es ist. Infolge dieser Präponderanz der Seinsstruktur stellen sich Rechtsprobleme in einem erheblichen Maß als Sachprobleme dar. 85 Der gegenteilige Ansatz der Wertphilosophie wird damit gleichsam vom Kopf auf die Füße gestellt. 4. Sachstruktur

und Werthorizont

Zunächst gilt es festzuhalten, daß den sachlogischen Strukturen ein weitgefaßter „Sach"-Begriff zugrunde liegt, der auch bei den genannten Autoren in unterschiedlicher Ausprägung zur Geltung kommt. Während es für Reinach allein um die Wesensinhalte von Rechtsinstitutionen geht, zieht Welzel bestimmte Gegebenheiten im Hinblick auf tatsächliche Phänomene heran, welche die Rechtsregelung zu beachten hat. 8 6 Die Frage nach der immanenten Sachlogik ist indes in beiden Fällen legitim. So läßt sich beispielsweise die Art des Beziehungsgefüges beim fahrlässigen Delikt (Pflichtwidrigkeitszusammenhang) und erfolgsqualifizierten Delikt (Unmittelbarkeitszusammenhang) jeweils durch eine Besinnung auf das „Wesen" der betreffenden Deliktsformen eruieren. 87 Hier steht also die sachlogische Struktur einer rechtlichen Konstruktion in Rede, wohingegen etwa der Handlungsbegriff die Beschaffenheit einer seinsmäßigen Kategorie betrifft. Eine Mischform bildet der Schuldbegriff: Zwar ist er heute als „normativer" angelegt, er setzt aber ein faktisches Substrat (das Können) voraus. Bedeutsamer als diese Frage des Anwendungsbereiches ist die Klärung des Verhältnisses vorgegebener Sachstrukturen zum Wertaspekt. Von Seiten der Normativisten wird ja der grundsätzliche Einwand erhoben, im Strafrecht könne nicht „ontologisierend" vorgegangen werden, sondern die Betrachtung müsse immer an dessen Wertungen und Zwecken ausgerichtet sein. 88 Solcher Kritik scheint der Eindruck zugrundezuliegen, daß eine sachlogische Sichtweise

85

Vgl. Welzel, ZStW 69 (1957), 635 f. Treffend stellt Kubes (Ontologie des Rechts, S. 250) dazu fest, daß es sich — im Verhältnis zur ganzen neukantischen Philosophie und Rechtsphilosophie — um eine „radikale Umkehrung der Blickrichtung" handelt. 86 Zwischen den Wesensgesetzlichkeiten der Rechtsinstitute und denjenigen der menschlichen Natur unterscheidet H. Krauß, Stimmen der Zeit 156 (1954/55), 232; nach Arthur Kaufmann (Schuldprinzip, S. 28) finden sich sehr heterogene Elemente unter der Rubrik „sachlogische Strukturen". 87 Für beides vgl. Hirsch, in: Köln-Festschrift, S. 422f. 88 Vgl. Jakobs, AT, S. V f.; Roxin, ZStW 74 (1962), 527; gegen letzteren Hirsch, ZStW 93 (1981), 848 ff.

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ganz „wertfrei" an die Dinge herangehen will. Dies wird indessen deren Anliegen nicht gerecht. Bei näherem Hinsehen zeigt sich nämlich, daß sie keine absolute Trennung von Wert und Wirklichkeit postuliert. Die eigentliche Fragestellung ist vielmehr, welcher Zusammenhang zwischen den beiden Elementen besteht. Das Verhältnis von Seinssachverhalt und Wertung hat bereits Armin Kaufmann89 untersucht. Er sieht darin nur einen scheinbaren Gegensatz, der sich folgendermaßen auflöse: Ob man von einer Seinsstruktur feststelle, gerade sie sei notwendig Objekt einer (bestimmt gearteten) Wertung, oder ob man von einer Wertung sage, sie müsse sich gerade auf die so beschaffene Seinsstruktur beziehen, das laufe auf ein und dasselbe hinaus. Entscheidend bleibe allein der zwischen beiden notwendig bestehende Zusammenhang; die Frage nach dem Primat des Blickwinkels sei müßig. Demzufolge liegt die Sachlogik in der Notwendigkeit der Beziehung zwischen der Seinsstruktur und der Wertung. 90 „Vorgegeben" ist danach ein ontischer Sachverhalt deswegen, weil er eine Wertung notwendig herausfordert. Stärker noch rückt die Wertungsseite bei Stratenwerth 91 in den Vordergrund. Er geht davon aus, daß sachlogische Zusammenhänge nur von einer bestimmten Fragestellung her in den Blick kommen. Die dabei maßgebenden Gesichtspunkte seien Wertaspekte; sie heben die den Wertprädikaten zugehörigen Wertmaterien heraus. Diese Wertung trete an die sachlogischen Gegebenheiten nicht als einen ihr ganz fremden Stoff heran, der nur erst einer wertenden Auslese unterworfen werden müßte; diese Auslese habe vielmehr bei der Formulierung sachlogischer Zusammenhänge bereits stattgefunden. Die grundsätzliche Wertentscheidung folge der sachlogischen Einsicht also nicht nach, sondern gehe ihr voraus. 92 Demgemäß definiert Stratenwerth 93 die sachlogischen Strukturen als „ontische Gegebenheiten, die sich unter einem bestimmten Aspekt als wesentlich herausheben". Vor allem die Blickrichtung auf den Menschen als Person sei ein solcher Wertgesichtspunkt, der die wertbedeutsamen Merkmale aus der Fülle ontischer Daten hervorhebt. 94 Hieraus werden dann Folgerungen etwa für die Finalstruktur der Handlung, den Versuch sowie den Verbotsirrtum abgeleitet. Demgegenüber hält Engisch 95 es für überraschend, daß gerade die personale Struktur des Menschen als ein Wertaspekt betrachtet wird. Es liege doch viel näher, eben sie als eine ontische Gegebenheit anzusehen. Er wirft deshalb die 89

Unterlassungsdelikte, S. 16ff. Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 17 (Hervorhebung dort). 91 Natur der Sache, S. 13 ff. 92 Stratenwerth, Natur der Sache, S. 20. 93 Natur der Sache, S. 17; ihm folgend Gössel, Wertungsprobleme, S. 31; F. Müller, Strukturierende Rechtslehre, S. 112; Rinck, JZ 1963, 523; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 39. 90

94 95

Stratenwerth, Natur der Sache, S. 18. Eb. Schmidt-FS, S. 96ff., 99ff.

II. Die Rückkehr zum Sein

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Frage auf, wo denn die Seinsstruktur aufhört und der Wertgesichtspunkt einsetzt.96 Welches sind die Kriterien, an Hand derer wir darüber entscheiden können, ob etwas und was etwa bei der Feststellung der Personennatur des Menschen auf das Konto der ontischen Vorgegebenheit oder auf das Konto der moralischen und rechtlichen Bewertung zu schreiben ist? Unter Heranziehung der Merkmale von Negation und Unabänderlichkeit gelangt Engisch 97 zu dem Ergebnis, daß „Personalität" des Menschen und „Finalität" des menschlichen Verhaltens ganz unmittelbar zur „Natur der Sache" gehörten. Aber nun stelle sich erst die entscheidende Frage, ob und inwieweit aus dieser Natur der Sache Folgerungen abgeleitet werden können für rechtliche Figuren und Begriffe und damit auch eventuell für rechtliche Regelungen. Nach Maihofer 98 bedeutet Stratenwerths Auffassung sogar die Rückkehr zum konsequenten Wertrelativismus im Sinne der südwestdeutschen Schule, der von dem Dogma mehrerer möglicher, relativ gleich gültiger Wertgesichtspunkte ausgeht, über deren Richtigkeit nicht mehr die „Sache", sondern der Gesetzgeber entscheidet. Bemerkenswert ist, daß sonach die Lehre von den sachlogischen Strukturen, die ja gerade der neukantianischen Wertphilosophie entgegengesetzt wurde, nun mehr wieder zu dieser zurückführen soll. Allerdings ist die vorstehend zitierte Aussage zumindest ungenau. Zwar kann der Gesetzgeber die „Sache" bewerten oder als wertvoll betrachten, ihre Beschaffenheit ist damit aber noch nicht präjudiziert. Vielmehr kommt durch den Auswahlakt die sachlogische Struktur überhaupt erst in den Blick. Darüber hinaus scheinen die Irritationen auch dadurch bedingt, daß der „Wert"-Gesichtspunkt in unterschiedlicher Weise Anwendung findet und infolgedessen zwei Wertungen vermengt werden. In der Tat verhält es sich so, daß die von Stratenwerth 99 sog. „grundsätzliche Wertentscheidung" den Ausgangspunkt jeder Überlegung bildet, d.h. es muß zunächst überhaupt Klarheit geschaffen werden, was als Regelungsgegenstand in Betracht kommt. Diese Überlegung geht der sachlogischen Struktur zwar vor, läßt sie aber auch unberührt. Was jedermann (auch den Gesetzgeber) interessiert oder was er für

96 Engisch, in: Eb. Schmidt-FS, S. 99f. Nach Arthur Kaufmann (Analogie, S. 36f.) ist diese Frage im Grunde unbeantwortbar. Wertfreie Lebenssachverhalte und vom Sein losgelöste Werte seien reine Gedankengebilde, aber keine Realitäten — wir würden sonst entweder im Sein oder im Wert „ertrinken". Für Schünemann (Grund und Grenzen, S. 40 f.) ist das Verhältnis von Rechtsnorm und Natur der Sache ambivalent: Ohne einen Beziehungswert können keine sachlogischen Strukturen herausgearbeitet werden, und ohne das Vorhandensein von sachlogischen Strukturen kann keine Rechtsnorm konkretisiert werden. 97 Eb. Schmidt-FS, S. 101 unter Berufung auf Richert, System der Philosophie I, S. 117f. 98 ARSP 1958,155 Anm. 39; auch Sprenger (Naturrecht, S. 119) ist der Meinung, daß Stratenwerth vom neukantianistischen Standpunkt aus argumentiere. 99 Natur der Sache, S. 20.

§ 1 Wert und Wirklichkeit

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„wert" hält, liegt nicht im Gegenstand selbst, sondern ist eine Beziehung zwischen Subjekt und Objekt; jedoch wird durch das Interesse oder die Wertschätzung am Sosein des Gegenstandes nichts geändert. 100 Die Seinsstruktur verlangt aber sogleich Beachtung, wenn ein Regelungsobjekt als bedeutsam ins Blickfeld geraten ist. Die vorgegebene Sachlogik wird dann wiederum zur Grundlage einer anderen Wertung, die diesem nunmehr feststehenden Wertträger im Einzelfall ein rechtliches Prädikat verleiht. Das Vorgehen vollzieht sich demnach in folgenden drei Schritten: (1) Auswahl unter leitendem Wertgesichtspunkt; (2) Erfassen der sachlogischen Struktur; (3) Bewertung des nun vorgegebenen Substrats. Diese Skizze macht deutlich, daß ein „Wert"-aspekt allem Anschein nach auf Stufe 1 und 3 auftaucht. Da die Äquivokation zu Mißdeutungen Anlaß gibt, sollte die erste Auswahlstufe vielleicht besser als „erkenntnisleitendes Interesse" bezeichnet werden. Sie beinhaltet zudem einen (wohl unvermeidlichen) hermeneu tischen Zirkel: Bereits die Überlegung, welche Gegebenheit als Regelungsgegenstand herauszugreifen ist, setzt die (ungefähre) Kenntnis über die Existenz eines solchen Faktors und dessen Beschaffenheit voraus. Am Beispiel der Handlung bedeutet dies: Erkenntnisleitendes Interesse ist die Überlegung, daß sich strafrechtliche Ge- und Verbote allein an menschliches Verhalten richten. Schon dieser Überlegung liegt das Vorverständnis zugrunde, daß dem anvisierten Regelungsobjekt eine spezifische Eigenheit innewohnt. (Es wäre von vornherein sinnlos, Verhaltensanweisungen etwa für Tiere aufzustellen). Ist so die Auswahl des Regelungsgegenstandes getroffen, muß seine sachlogische Struktur näher bestimmt werden, in diesem Fall also: Finalität. Das Strafrecht mißbilligt aber nicht finale Handlungen schlechthin, sondern nur solche, die auf die Verwirklichung eines Tatbestandes gerichtet sind. Führt also die Würdigung zu dem entsprechenden Ergebnis, ergibt die Bewertung den Rechtsbegriff „Vorsatztat". Diese Wertungsfrage ist aber insofern präjudiziert, als ihr eine sachlogische Struktur vorgegeben ist: Vorsatz ist eine „Teilmenge" von Finalität, existiert also nicht außerhalb. Konkurrenzmäßig gesprochen liegt ein Fall von Spezialität vor, indem nämlich der Vorsatz alle Merkmale der Finalität aufweist und sich lediglich dadurch aus dieser heraushebt, daß er noch ein weiteres Merkmal enthält, das ihn unter einem besonderen Gesichtspunkt (hier: strafrechtliche Relevanz) erfaßt. Der Wertaspekt erweist sich insoweit auch als nachrangig, da er aus einem vorgegebenen Material eine Auslese trifft. Nach alledem ist eine ontologische Betrachtungsweise nicht im wertfreien Raum angesiedelt, sondern in vor- und nachfolgende Wertungen gleichsam eingebettet. Daraus resultiert jedoch keineswegs die Unbeachtlichkeit sachlogischer Strukturen. Im Gegensatz zum Neukantianismus wird der Blick auf

100

So bereits Welze!, ZStW 69 (1957), 635.

II. Die Rückkehr zum Sein

33

vorgegebene Gesetzmäßigkeiten nicht verstellt; die Auswahlwertung ebnet vielmehr den Weg dorthin, sie „erschafft" aber ihre Regelungsgegenstände nicht selbst. Erst einem Neo-Normativismus bleibt es vorbehalten, die Seinselemente wieder vollständig aus dem Gesichtsfeld zu eliminieren. 5. Schlußbetrachtung Auszugehen ist demnach von einer gestalteten Wirklichkeit, an die eine rechtliche Begriffsbildung anzuknüpfen hat. Es gilt die „Angst vor dem Ontischen" 101 zu überwinden und dem Objekt der Wertung wieder seinen legitimen Platz einzuräumen. Ein frei flottierendes Wertreich hingegen verflüchtigt sich ins Spekulative und Unverbindliche. Das Recht kann nicht von allen Vor-Gegebenheiten abgekoppelt werden, ohne seinen Regelungsgegenstand aus den Augen zu verlieren. Die Betrachtung der Seinssphäre darf allerdings nicht bei den Einzelerscheinungen stehenbleiben, sondern muß dem „Wesen" der Dinge auf den Grund gehen. Auszuklammern sind deshalb die unwesentlichen Bestandteile, intendiert ist die Sache selbst. Demgegenüber macht Arthur Kaufmann 102 geltend, die Phänomenologie verkenne die Eigenart menschlichen Denkens. Dieses sei seinem Wesen (sie!) nach diskursiv; es könne die Wirklichkeit nur im schrittweisen Vorgehen, nur im Durchlaufen der Teile erfassen, es sei ein ständiges Weiterschreiten und Suchen jeweils neuer Einsichten, ohne dabei sein Ziel, das Ganze des Seins, je zu erreichen. Indes erhebt eine sachlogisch orientierte Dogmatik nicht den Anspruch, das „Ganze des Seins" zu durchschauen. Auf der anderen Seite ist die Feststellung berechtigt, daß jede Theorie, welche den Wesensbegriff aus der Wissenschaft ausmerzen will, einem hilflosen Relativismus verfallt. 103 Es geht also letztlich darum, bestimmte Sachhaltigkeiten zu fixieren, die zeitlose Gültigkeit beanspruchen können. Eine dementsprechende Betrachtungsweise ist in der Jurisprudenz durchaus kein Novum. Herkömmlich wird sie unter der Argumentationsform „Natur der Sache" rubriziert, die sich als Sammelbegriff der Vorgegebenheiten des Rechts 104 kennzeichnen läßt. Im folgenden soll daher diesem Topos und seinem Verhältnis zur Lehre von den sachlogischen Strukturen nachgegangen werden.

101 102 103 104

Welzel, Naturalismus, S. 49. Schuldprinzip, S. 69 f. Vgl. Marcuse, in: Schriften III, S. 46. Henkel, Rechtsphilosophie, S. 371; ebenso Ekkehard Kaufmann, JuS 1987, 849.

3 Küpper

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§ 2 Natur der Sache

§ 2 Natur der Sache I. Begriff und Funktion

"Die Lebensverhältnisse tragen, wenn auch mehr oder weniger entwickelt, ihr Maß und ihre Ordnung in sich. Diese den Dingen innewohnende Ordnung nennt man die Natur der Sache." Schon diese klassische Formulierung von Dernburg 1 gibt Aufschluß über die Grundidee einer Denkweise, die mit der Natur der Sache (NdS) operiert. Die vorgeformte Wirklichkeit macht sich als Gestaltungsfaktor des Rechts geltend. Sie leistet Widerstand einem Denken, das erst durch juristische Begriffsbildungen einer amorphen Realität ihre Strukturen verleihen will. Dagegen steht: „Sein ist bereits Ordnung" 2 . Die Denkform der NdS erhebt damit den Anspruch einer ontologischen Begründbarkeit rechtlicher Entscheidungen.3 Jede Wertung hat sich folglich an dem objektiven Fundament, das sie vorfindet, auszurichten. Indem die in den „Sachen" liegende Struktur Beachtung fordert, wirkt die Argumentation aus der NdS zugleich dem neukantianischen Ansatz entgegen.4 Denn dieser hatte ja gerade negiert, daß das vorhandene Material bereits vor dem Wertungsakt eine innere Ordnung aufweist. Auf der anderen Seite kann mit der Lehre von der NdS auch nicht einfach die seit Kant 5 vielfach betonte Unvereinbarkeit von Sein und Sollen aus der Welt geschafft werden. Vielmehr wird postuliert, daß es nicht möglich sei, einen Wert völlig getrennt von der Sache zu denken: Das Sollen folgt zwar nicht notwendig aus dem Sein, die NdS ist aber der methodische Ort der Begegnung (Verbindung, Verknüpfung) von Wirklichkeit und Wert. 6 Denn der Schluß vom Sachverhalt zur Norm ist durch die NdS bereits vorgezeichnet. Die Reichweite der Argumentation aus der NdS wird in der Literatur indes höchst kontrovers beurteilt. Das Spektrum reicht von besonderer Wertschätzung bis zu gänzlicher Ablehnung dieser Denkform. So wird mancherseits — vor allem auch von Welzel 1 — die strikte Beachtung der NdS gefordert, da es keine Macht der Welt gebe, die die Natur der Dinge 1 Pandekten I, S. 87. Zur historischen Entwicklung der Lehre von der Natur der Sache näher Mayer-Maly, in : H R G III, Sp. 918 ff. 2 Ballweg, Natur der Sache, S. 47. 3 Vgl. Garrn, ARSP 1982, 60f.; Kubes, Ontologie des Rechts, S. 241. 4 Ebenso Gadamer, in: Kleine Schriften I, S. 62. 5 Kritik der reinen Vernunft, II. Teil, II. Abt., II. Buch, II. Hauptstück; deutlich auch Kelsen, Reine Rechtslehre, S. 409. 6 Vgl. Baratta, in: Radbruch-GedS, S. 173; Arthur Kaufmann, Analogie, S. 35; nach Lerner (ARSP 1964,416) liegt der Fehler der Kant'schen Trennung von Sein und Sollen in ihrer Verallgemeinerung. 7 Um die finale Handlungslehre, S. 10; ders., in: Niedermeyer-FS, S. 291; ähnlich verweist nach Gadamer (Kleine Schriften I, S. 60) die Berufung auf die NdS auf eine dem

I. Begriff und Funktion

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ändern könne. Überwiegend wird der Anwendungsbereich der NdS zurückhaltender beurteilt. Sie gilt als heuristisches Prinzip 8 oder Auslegungsgrundsatz 9, da zumindest in Zweifelsfallen davon ausgegangen werden müsse, die Rechtsordnung habe eine der NdS entsprechende Regelung treffen wollen. Insbesondere soll sie als Mittel der Lückenausfüllung dienen. Diese Funktion hatte schon Dernburg 10 hervorgehoben, der den Juristen jedenfalls dann, wenn es an einer positiven Norm fehlt oder wenn dieselbe unvollständig und unklar ist, auf die NdS verweist. Damit wird deren Reichweite allerdings erheblich reduziert; sie bedeutet nurmehr ein subsidiäres Interpretationsprinzip 11 , das erst zur Geltung kommt, falls andere Auslegungskriterien versagen. Teilweise wird schließlich dem besagten Topos jegliche Bedeutung aberkannt. 12 Die NdS erscheint als „Zauberformel" 13 oder „Leerformel" 14 , der das Lebensrecht im wissenschaftlichen Sprachgebrauch abzusprechen sei. Diese Ablehnung wurzelt in der Befürchtung, daß man letztlich alles zur „Natur" des Gegenstandes erklärt, was man aus ihm herausholen will. Insbesondere wenn es um die Natur des Menschen geht, könnten Willkür und Spekulation eindringen. Dieser Kritik ist allerdings entgegenzuhalten, daß sie selbst der NdS einen zu weitgehenden Anwendungsbereich subintellegiert, der dann zu den entsprechenden Bedenken Anlaß gibt. Selbstverständlich läßt sich nicht jede Rechtsfrage anhand der NdS ohne weiteres lösen. Vielmehr muß man den Sachstrukturen jeweils sorgfältig „nachspüren" 15 , also erst einmal feststellen, inwieweit sich eine sachhaltige Natur ausmachen läßt. Wichtig ist indes, daß diese Arbeit vorrangig geleistet und nicht sogleich zu „freischwebenden" Wertungen Zuflucht genommen wird. Eine weitere Einschränkung folgt daraus, daß die NdS bei der in Rede stehenden „Sache" auch einmal nur partiell zur Geltung kommen kann. Dies gilt vor allem für die Natur des Menschen. Es kann nicht Aufgabe der NdS als menschlichen Belieben entzogene Ordnung. Für Hubmann (JZ 1957, 523) ist es sogar unleugbar, daß die NdS bereits eine gewisse Ordnung in sich trägt, die das Recht beachten muß, wenn es eine „sachgerechte" und damit richtige Lösung anstrebt. 8 So Baratta , in: Radbruch-GedS, S. 179f.; Gutzwiller , in: Ontologische Begründung, S. 24. 9 Vgl. Bydlinsky , Methodenlehre, S. 56; Canaris , Feststellung von Lücken, S. 120; Enneccerus / Nipperdey, AT I, S. 223; Larenz , Methodenlehre, S. 403; Radbruch , in: LaunFS, S. 162. 10 Pandekten I, S. 87; zur NdS als Lückenfüllungsgrundsatz siehe auch Baratta , in: Wolf-FS, S. 152; Gutzwiller , in: Ontologische Begründung, S. 29 f.; Gern , JuS 1988, 538. 11 So Baratta , in: Ontologische Begründung, S. 119; auch Esser (Grundsatz und Norm, S. 102) will der NdS ein „möglichst enges Feld" einräumen; ähnlich hält Mayer-Maly (Tammelo-GedS, S. 288) den Bereich der praktischen Relevanz für „sehr schmal". 12 Strikt ablehnend Isay , Rechtsnorm und Entscheidung, S. 81; Klug , in: Tsatsos-FS, S. 613 f.; Tammelo , ARSP-Beiheft 1963, 256; krit. auch Strömholm , RabelsZ 1975, 702ff. 13 Fechner , Rechtsphilosophie, S. 147; zust. Dreier , Natur der Sache, S. 128. 14 Ekkehard Kaufmann, JuS 1987, 851. 15 So Welzel, in: Niedermeyer-FS, S. 293. 3*

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§ 2 Natur der Sache

juristischer Denkform sein, eine umfassende Stellungnahme zum Wesen des Menschen überhaupt abzugeben. Sobald es aber auf den genuinen Charakter des betreffenden Regelungsgegenstandes gerade ankommt, muß dessen vorgegebene Eigenart aufgefunden werden. Dies gilt etwa für den Bereich des menschlichen Handelns: Hier ist Finalität ein gegenständliches Strukturgesetz des Seins16, das deswegen Beachtung erfordert. Läßt sich ein solcher Realfaktor aber konstatieren, so kann er auch für die rechtliche Betrachtungsweise nicht außer acht gelassen werden. Indem die Ermittlung der NdS auf vom Willen des Gesetzgebers oder Rechtsanwenders unabhängige Gegebenheiten gerichtet ist, erlangt sie besondere Bedeutung für Rechtssicherheit und Gerechtigkeit. 17 Die Wertung erhält damit ein festes Fundament und wird demzufolge subjektiver Willkür enthoben. Der „Aufruhr der Fakten gegen die Gesetze"18 wendet sich deshalb auch gegen eine vorschnelle Normativierung, die ohne Verankerung in Vorgegebenheiten auszukommen glaubt. Insofern ist das Denken aus der NdS geeignet, den heutigen normativistischen Tendenzen entgegenzuwirken. Die Funktion der NdS kann demnach vorläufig dahingehend bestimmt werden, daß sie der Rechtserkenntnis eine Orientierung ermöglicht, die ihren Wertprädikaten eine objektive Basis verschafft. Reichweite und Stringenz müssen allerdings noch präzisiert werden. Hierzu ist es erforderlich, die Formel in ihre Bestandteile zu zerlegen und diese einer näheren Prüfung zu unterziehen. II. Die Elemente im einzelnen

Die inhaltliche Konkretisierung der NdS läßt sich mit Radbruch 19anhand von drei Fragen vornehmen: Was bedeutet „Sache", was „Natur", woher die Verbindlichkeit der „Natur der Sache"? 1. Sache Bei den „Sachen", deren Natur die NdS ergründen will, geht es um die (vor)gegebenen Realfaktoren. 20 Sie bilden das Substrat (Material), dessen Bewertung dem Gesetzgeber und Rechtsanwender obliegt. Dabei ist der

16

Welzel, U m die finale Handlungslehre, S. 7; ähnlich Gössel, in: Peters-FS, S. 52; zur Notwendigkeit einer Anbindung der Strafrechtsnormen an die Strukturgesetze der finalen Handlung siehe auch Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 159 ff. 17 Vgl. BydlinskU Methodenlehre, S. 56,459; Larenz, Methodenlehre, S. 402; Maihofer, ARSP 1958, 172f.; Radbruch, in: Laun-FS, S. 163; Schambeck, in: Ontologische Begründung, S. 168. 18 Bobbio, ARSP 1958, 313. 19 Laun-FS, S. 159. 20 Vgl. Fechner, Rechtsphilosophie, S. 146.

II. Die Elemente im einzelnen

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Sachbegriff von vornherein weiter angelegt als in der Bedeutung eines körperlichen Gegenstandes (vgl. § 90 BGB). Er umfaßt vielmehr die gesamten Tatsachen, die einer rechtlichen Regelung unterworfen werden. In vielen Fällen ist die jeweils objektiv vorhandene Eigenart auch unmittelbar einsichtig; als einfaches Beispiel mag das Faktum der Unbeweglichkeit eines Grundstücks dienen. 21 Schwieriger wird es schon, wenn es um Relationen zwischen Sachverhalten geht, wie es etwa bei der Kausalität der Fall ist. Schließlich können auch bestimmte Rechtsfiguren dem Sachbegriff der NdS unterfallen. 22 Dieser ist also möglichst weit zu fassen, zumal die eigentliche Weichenstellung ohnehin erst bei der Frage nach der „Natur" des jeweiligen Gegenstandes erfolgt. Zweifelhaft könnte nur sein, ob auch der Mensch zu den Realien zählt, die dem „Sach"-Bereich der NdS angehören. In der Literatur wird überwiegend bejaht, daß die Fragestellung auch die Natur des Menschen betrifft. 23 Hierfür spricht bereits, daß die Übergänge zwischen Naturtatsache und Menschennatur durchaus fließend sein können, wie es sich z.B. bei der Schwangerschaft 24 verhält. Hinzu kommt, daß sich die Rechtsbefehle ausschließlich an den Menschen richten, mithin dessen Sonderheit vom Recht ohne weiteres vorausgesetzt wird. Außerdem sind gerade die strafrechtlichen Grundbegriffe — vor allem Handlung und Schuld — untrennbar mit der Eigenart des Menschen verknüpft; sie können schon von daher nicht aus dem Blickfeld der NdS eliminiert werden. 2. Natur Soll die „Natur" der Sache bestimmt werden, so hat das jedenfalls nichts mit „Naturalismus" zu tun. Vielmehr geht es um die eigentümliche Beschaffenheit, die das So-Sein eines Gegenstandes ausmacht. Im Rahmen der NdS bedeutet Natur also nichts anderes als das Wesen der Dinge. 25 Denn mit diesem Begriff wird hervorgehoben, was notwendig in einer Sache liegt im Gegensatz zu der Vielheit zufälliger Faktoren. 26 Folglich erweist sich die juristische Denkform als 21

Angeführt von Fechner, Rechtsphilosophie, S. 146; Lerner, ARSP 1964, 412. So wird bisweilen hinsichtlich der Konkurrenzregelung auf die Natur der Sache rekurriert; vgl. Höpfner, Einheit und Mehrheit I, S. 182; Jescheck, Ndschr. II, S. 286. 23 Vgl. Coing, Rechtsphilosophie, S. 181 f.; Engisch, A u f der Suche, S. 239; Fechner, in: Radbruch-GedS, S. 116f.; Hassemer, ARSP 1963, 37; Schambeck, Natur der Sache, S. 45 ff.; ders., in: Ontologische Begründung, S. 181 ff.; Zippelius, Rechtsphilosophie, S. 94ff.; zweifelnd Canaris, Feststellung von Lücken, S. 119 Anm. 204; Strömholm, RabelsZ 39 (1975), 705 f.; Weischedel, Recht und Ethik, S. 8 f. 24 Siehe das Beispiel von Maihof er, ARSP 1958, 158. 25 Insoweit übereinstimmend Bobbio, ARSP 1958, 311; Engisch, in: Heidelberger Strafrechtslehrer, S. 220; Gern, JuS 1988, 535; Henkel, Rechtsphilosophie, S. 375; Radbruch, Vorschule der Rechtsphilosophie, S. 22; Reinach, Phänomenologie des Rechts, S. 19; Schambeck, Natur der Sache, S. 53 ff.; Stratenwerth, Natur der Sache, S. 8; Troller, Prinzipien, S. 184; siehe auch Arthur Kaufmann, Analogie, S. 45 („wesenhaftes Denken"). 26 Zum Wesensbegriff vgl. Flasch, in: HphG III, S. 1688. 22

§ 2 Natur der Sache

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Einfallstor für eine phänomenologische Betrachtungsweise, die auch (ausschließlich) Wesenserkenntnisse gewinnen will. Ähnlich wie diese tritt die NdS bisweilen mit dem Anspruch der Evidenz auf 2 7 , nämlich als Ausdruck einer Selbst-Verständlichkeit, die keiner weiteren Begründung bedarf. Andererseits muß dann auch die NdS mit dem Einwand rechnen, daß sie ihre Feststellungen gegen Kritik immunisiert, weil jene sich eben „von selbst verstehen". Eine sprachanalytische Wendung erfahrt die NdS bei Wittgenstein 28. Er versteht unter Natur des Gegenstandes dessen interne Eigenschaften. Eine Eigenschaft ist intern, wenn es undenkbar ist, daß ihr Gegenstand sie nicht besitzt. Dagegen braucht man die externen Eigenschaften nicht zu kennen, um den Gegenstand zu erfassen. Auch in dieser Formulierung wird deutlich, daß die „Natur" der Sache dasjenige bezeichnet, das die Sache dazu macht, was sie ist. 3. Verbindlichkeit Wenn mit der NdS das „Wesen" eines bestimmten Phänomens erfaßt werden soll, dann liegt die Folgerung nahe, daß damit auch zugleich die unbedingte Geltung der so gewonnenen Erkenntnis postuliert wird. Die Rechtsfindung erscheint insoweit vorgezeichnet, als eine Regelung oder Auslegung den Bezugsgegenstand überhaupt nur richtig trifft, falls sie sich an der NdS ausrichtet. Der Geltungsanspruch wird allerdings bereits relativiert, sofern man — wie Radbruch 29 — die NdS als „Ausdruck einer Rechtsidee" betrachtet, die dem Sinn eines (faktischen) Lebensverhältnisses zugrunde liegt, aber dadurch noch nicht als verbindlich erwiesen wird. Danach ist die NdS nicht etwas aus eigener Kraft Geltendes, sondern gilt nur, soweit ihr eine Rechtsquelle Raum gewährt. Sie ist ultima ratio der Auslegung einerseits und Leitgedanke für den Gesetzgeber andererseits. Eine solche Betrachtungsweise reduziert demnach die Bedeutung der NdS von einem „primären" zu einem „sekundären" Erkenntnismittel: Diese ist nicht mehr in der Weise vorgegeben, daß die Rechtsgestaltung überhaupt erst in Aktion treten kann, nachdem sie zunächst einmal die Natur des Regelungsgegenstandes abgeklärt hat. Vielmehr greift der Jurist nur für den Fall darauf zurück, daß sich eine Lücke auftut, die innerhalb des bestehenden Systems nicht sinnvoll auszufüllen ist. Auch Welzel 30 hat dem Gesetzgeber insoweit eine relative Freiheit zugestanden, als es um die Auswahl des jeweiligen Grundsatzes geht. Dann aber sei er 27 28 29 30

Vgl. Radbruch, in: Laun-FS, S. 159. Tractatus logico-philosophicus, Nr. 2.0123 und 4.123. Laun-FS, S. 162 f. Naturrecht, S. 197f.

II. Die Elemente im einzelnen

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streng gebunden und überdies gezwungen, Farbe zu bekennen und eines der möglichen Prinzipien zu wählen. Ändern oder gar aufheben könne er sie indes nicht. Danach führt die Bindung an die NdS immerhin dazu, daß bei deren Nichtbeachtung die Regelung notwendig falsch wird. Letztere Konsequenz mag den Gesetzgeber vielleicht unbeeindruckt lassen, obgleich es wohl naheliegt, daß er sich um „richtiges" Recht bemühen wird. In manchen Bereichen erscheint aber sogar das Falschheitsverdikt noch zu schwach, wenn es nämlich um eine Materie geht, die dem Auswahlermessen schlechthin nicht unterliegen kann. So ist der Rechtssetzer nicht einmal „relativ" frei, etwa Ver- und Gebote an Tiere oder gar Naturkräfte zu adressieren. Eine (beschränkte) Freiheit kann sich erst ergeben, wenn zwischen denkmöglichen Alternativen eine Entscheidung getroffen wird; diese wiederum präjudiziert dann jedoch die Bindung an die Natur des ausgewählten Gegenstandes. Schließlich kann die Funktion der NdS auch allein darin bestehen, als argumentative Verstärkung zu dienen. Demzufolge läßt sich eine Verbindlichkeit der NdS in dreifacher, abgestufter Hinsicht ausmachen: (a) Absolute Bindung: Die Regelung folgt zwangsläufig aus der NdS. Beispiel: Der Gesetzgeber kann durch Verhaltensnormen allein menschliches Handeln beeinflussen. (b) Relative Bindung: Eine Auswahl unter verschiedenen Regelungsmodellen ist möglich, jedoch muß im Anschluß daran die Sachstruktur des bevorzugten Grundsatzes beachtet werden. Beispiel: Wenn für eine Bestrafung das Schuldprinzip zugrunde gelegt wird, dann ist das Wesen der Schuld zu berücksichtigen. (c) Hilfsweise Bindung: Es steht eine Regelungsalternative zur Wahl, deren beide Möglichkeiten gute Gründe für sich beanspruchen können. Diejenige ist vorzugswürdig, die sich auf die NdS berufen kann. Beispiel: Werden mehrere Straftaten eines Täters gleichzeitig abgeurteilt, so lassen sich Argumente für die Einheitsstrafe wie für die Gesamtstrafe finden. Das Gesetz hat die Gesamtstrafenbildung u. a. deshalb vorgezogen, weil sich anführen läßt, daß zwischen Tateinheit und -mehrheit ein „naturgegebener Unterschied" 31 besteht. Die jeweilige Bindung ist evidentermaßen unterschiedlich streng. Im ersten Fall (a) ist eine entgegenstehende Regelung nicht nur falsch, sondern unsinnig. Auf der zweiten Stufe (b) hängt jedenfalls die Folgerichtigkeit von der Beachtung der NdS ab. Zuletzt (c) beruht die Bindungswirkung lediglich darauf,

31 So E 1962, Begründung, S. 190. Ähnlich hat sich Jescheck (Ndschr. II, S. 286) in den Beratungen der Großen Strafrechtskommission geäußert: „Der Unterschied zwischen Ideal- und Realkonkurrenz ergibt sich ganz handgreiflich aus der Natur der Sache, wenn man die Standardfalle betrachtet, die schon rein äußerlich ihre Verschiedenheit dokumentieren."

40

§ 2 Natur der Sache

daß man sich entschließt, die NdS als Argumentationsform anzuerkennen und anzuwenden. Die Verbindlichkeit der NdS richtet sich somit ihrerseits nach der „Natur" des jeweiligen Regelungsgegenstandes. III. Verhältnis zu anderen Kategorien

1. Natur der Sache und sachlogische Strukturen In der Diskussion werden die Begriffe „Natur der Sache" und „sachlogische Strukturen" ganz überwiegend synonym verwendet. 32 Am deutlichsten kommt dies bei Ballweg 33 zum Ausdruck, wo der eine Gesichtspunkt in die Definition des anderen einfließt: „Natur der Sache ist die objektiv feststellbare, sachlogische Strukturiertheit der Wirklichkeit, deren seinsmäßiger Ordnungscharakter das Recht maßgeblich konstituiert." Bisweilen werden die sachlogischen Strukturen auch als Spielart 34 resp. Weiterbildung 35 der NdS bezeichnet. Welzel 36 selbst hat die beiden Kategorien durchaus als Wechselbegriffe gebraucht. Demgegenüber hat namentlich Larenz 37 die Identität von NdS und sachlogischen Strukturen bestritten. Letztere seien zwar vorgegebene Grundelemente rechtlicher Ordnung und jeder willkürlichen Bestimmung entzogen; insoweit stimmten sie mit der NdS überein. Aber sie stellten nicht Umriß und Entwurf einer im Sein angelegten Ordnung dar, sondern nur einzelne Elemente oder Bausteine. Wohl gehe die „sachlogische Struktur" in die jeweilige „Natur der Sache" als kategoriales Moment mit ein und könne daher auch zu ihrer Erhellung beitragen. Die NdS sei aber, im Vergleich zu jener, sehr viel differenzierter und weit mehr mit Inhalt erfüllt. Sie bedeute immanenter Sinn und daraus folgende sachgemäße Ordnung eines bestimmten typischen Lebensverhältnisses. Bei diesem Einwand ist indes zu beachten, daß die behauptete Differenz bereits in der zugrundeliegenden Begriffsverwendung ihren Ursprung hat: Die 32 Vgl. Dreier, Natur der Sache, S. 73 f.; Engisch, in: Eb. Schmidt-FS, S. 92 Anm. 13; Fechner, in: Radbruch-GedS, S. 166; Krauß, Zurechnung, S. 32 Anm. 1; Studer, in: Marcic-GedS, S. 666; Zielinski, Unrechtsbegriff, S. 81 Anm. 8; wohl auch Baratta, in: Philosophie und Strafrecht, S. 144; Rehfeldt/Rehbinder, Einführung, S. 93. 33

Natur der Sache, S. 67. Ellscheid, in: Rechtstheorie der Gegenwart, S. 190 f.; Schünemann, Grund und Grenzen, S. 34f. 35 Mayer-Maly, in: HRG III, Sp. 922. 36 Um die finale Handlungslehre, S. 10; ders., ZStW 69 (1957), 635 f. 37 Nikisch-FS, S. 288f. Auch Stratenwerth (Natur der Sache, S. 20ff.) verwendet das Begriffspaar z. T. in unterschiedlicher Weise, gelangt aber schließlich (S. 24) doch wieder zu einem gemeinsamen Ausgangspunkt; vgl. dazu Engisch, in: Eb. Schmidt-FS, S. 97 Anm. 32. 34

III. Verhältnis zu anderen Kategorien

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sachlogischen Strukturen werden ontologisch, die NdS teleologisch verstanden. 38 Dies kommt insbesondere in dem Abstellen auf den jeweiligen „Sinngehalt" zum Ausdruck. Ein solcher setzt einen sinnverleihenden Akt voraus 39 ; der Sinn wird also — zweckbestimmt — an die Sache herangetragen, während die Struktur gleichsam schon in ihr steckt. Entgegen diesem Verständnis von der NdS soll nach Fechner 40 gerade die Sprechweise von den „sachlogischen Strukturen" andeuten, daß es über bloße sachgegebene Eigenschaften hinaus auch auf den Sinngehalt eines Lebenssachverhalts oder eines Rechtsinstituts ankomme, wenn nach den prägenden Kräften des Rechts gefragt wird. Wegen dieser uneinheitlichen Verwendung des Sinnbegriffs im hier erörterten Zusammenhang erscheint es ratsam, ihn ganz aus der Diskussion um NdS und Sachlogik auszublenden und am herkömmlichen Verständnis beider Ausdrucksformen festzuhalten. Ausgehend davon läßt sich ein Unterschied nicht feststellen: Die NdS betrifft die den Dingen innewohnende Ordnung, die — weil sie deren „Natur" angeht — vorgegeben und zu beachten ist. Gleiches gilt für die sachlogischen Strukturen, da ihre „Logik" in der Sache selbst begründet liegt. Demnach bedeutet NdS nichts anderes als sachlogische Struktur; beide Begriffsformen sind schlechthin identisch. 2. Natur der Sache und Natur recht Wegen des in der NdS steckenden „Natur"-Begriffs könnte eine Verbindung zum Gedanken des Natur-Rechts vermutet werden. Hinzu kommt, daß verschiedentlich eine solche Beziehung ausdrücklich hergestellt wird, wobei sich allerdings sogleich ein Beiwort hinzugesellt, welches einen restringierenden Charakter erkennen läßt: Die NdS wird bezeichnet als „konkretes" 41 , „ontologisches" 42 , „institutionelles" 43 , „sekundäres und akzidentelles" 44 Naturrecht, schließlich als eine „ A r t von empirisch gefaßtem Naturrecht" 45 . Im Hinblick auf die sachlogischen Strukturen hat auch Welzel 46 von einem „legitimen Naturrecht" gesprochen, jedoch zugleich klargestellt: „Nicht indem wir unsere Wünsche in ein ideales Reich projizieren, kommen wir zu einem

38 39 40 41

Darauf weist auch Dreier (Natur der Sache, S. 73 Anm. 400) hin. Vgl. Schischkoff Phil. Wörterbuch, S. 639 (Stichwort „Sinngehalt"). Radbruch-GedS, S. 166. Maihof er, ARSP1956,156; siehe auch Hassemer, ARSP 1963, 39; ders., ARSP 1986,

207. 42 43 44 45 46

Studer, in: Marcic-GedS, S. 663. Enneccerus/ Nipperdey, AT I, S. 218. Küchenhoff in: Scupin-FS, S. 235. E. Wolf Naturrechtslehre, S. 80. Niedermeyer-FS, S. 292 f.

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§ 2 Natur der Sache

legitimen Naturrecht, sondern indem wir in mühseliger Arbeit den sachlogischen Gesetzlichkeiten nachspüren, die gewebeartig das ganze positive Recht durchziehen und ihm einen festen, jeder Willkür entzogenen Halt geben." Schon dieser Hinweis macht deutlich, wo der entscheidende Unterschied zu sehen ist: Das Naturrecht stellt eine Sollensordnung, die NdS eine Seinsordnung dar. Unter Naturrecht läßt sich der Inbegriff von Normen verstehen, die aus unmittelbar einsichtigen obersten Grundsätzen mit Hilfe der Vernunft abgeleitet werden. Dagegen bezieht sich die NdS nicht auf eine von den Lebensverhältnissen abgelöste Rechtsordnung, sondern vielmehr auf die Strukturen der Gegebenheiten selbst.47 Der Phänomenologe Reinach 48 hat diese Differenz in dem Satz zusammengefaßt: „Wir reden nicht von einem höheren Recht, sondern von schlichten Seinsgesetzen." Während das Naturrecht vorgegebene normative Verbindlichkeiten festlegt, sind die sachlogischen Strukturen das Material für eine noch abzuklärende rechtliche Regelung. Die Sachgesetzlichkeit kann zwar von Fall zu Fall auch ein Rechtsverhältnis betreffen, sie ist aber selbst dann nicht Ausfluß einer lex aeterna, sondern Ausdruck einer immanenten Wesenseigentümlichkeit. Letztere Überlegung läßt einen weiteren Gegensatz zwischen Naturrecht und NdS erkennen, nämlich denjenigen zwischen Allgemeinem und Besonderem. Das Naturrecht stellt eine universelle Wertordnung dar, während die NdS immer individuell in Erscheinung tritt, bezogen und begrenzt auf ein bestimmtes Lebensverhältnis oder auf eine konkrete Institution. 49 Desgleichen hat Welzel 50 für die sachlogischen Strukturen ausgeführt, daß sie kein geschlossenes System wie das Naturrecht bilden, sondern „punktförmig" den ganzen Rechtsstoff durchsetzen. Durch diese Konkretheit der NdS wird denn auch vermieden, aus einem fiktiven Rechtsmakrokosmos dasjenige abzuleiten, was man gerne herausholen möchte. In Zukunft sollte man deshalb davon absehen, die NdS in irgendeiner Weise mit dem Naturrecht in Verbindung zu bringen. Die Äquivokation der Begriffsbestandteile darf nicht in eine inhaltliche Entsprechung umgedeutet werden. IV. Ergebnis

M i t der Orientierung an der NdS soll festgestellt werden, was an Sachstrukturen vorgegeben ist und inwieweit daraus eine Verbindlichkeit für die Rechtsgestaltung folgt. Ihrem Inhalt nach betrifft die „Natur" der Sache deren Wesen; 47 Der Gegensatz wird klar herausgearbeitet bei Larenz, in: Nikisch-FS, S. 287; in diesem Sinne auch Radbruch, in: Laun-FS, S. 158; Zippelius, in: HRG III, Sp. 933f.; eingehend Sprenger, Naturrecht, S. 116ff. 48 Phänomenologie des Rechts, S. 219. 49 Ebenso Baratta, in: Ontologische Begründung, S. 113 f. 50 Naturrecht, S. 198.

IV. Ergebnis

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dem entspricht die sachlogische Struktur des Gegenstandes.51 Von der Funktion her kann sie zur Abwehr von Neukantianismus und Normativismus dienen, indem ihre Beachtung einer Sichtweise entgegenwirkt, die dem Wertungsakt konstitutive Bedeutung für die (Um-)Formung der Rechtsmaterie verleiht. Ausgehend von der damit gewonnenen Basis sollen im folgenden einige markante Bereiche durchforstet werden, in denen „ontologisierende" und „normativierende" Strafrechtsdogmatik im Widerstreit stehen.

51 In der Literatur wird die phänomenologische Wesensbetrachtung sowohl mit der Natur der Sache (vgl. Engisch, ARSP 1936/37,132f.; Radbruch, in: Laun-FS, S. 162) als auch mit den sachlogischen Strukturen (vgl. Henkel, Rechtsphilosophie, S. 298; Larenz, Methodenlehre, S. 108 f.) in Beziehung gesetzt. Jene ist also der gemeinsame Nenner beider Erscheinungsformen, wodurch sich die im Text erfolgte Gleichsetzung noch einmal rechtfertigt.

Zweiter Teil

Ausgewählte Problembereiche § 3 Handlungsbegriff I. Der vorgegebene (ontologische) Handlungsbegriff: Die finale Handlungslehre

1. Übersicht Nach dem Grimm'sehen Wörterbuch 1 bedeutet Handlung im allgemeinsten Sinne die Ausführung eines Willens oder Vorsatzes. Dieser Sprachgebrauch korrespondiert mit der Sacherklärung der finalen Handlungslehre (fHL). Menschliche Handlung ist danach Ausübung der Zwecktätigkeit. 2 Das „Rückgrat" jeder Handlung bildet der sie gestaltende und formende Handlungswille. 3 Zeitlich geht er der Realisierung voraus: das gedanklich antizipierte Ziel (finis) wird im tatsächlichen Akt nachvollzogen. Bei genauer Betrachtung weist die finale Handlung drei Phasen auf 4 : (1) Setzung des Zwecks im Bewußtsein als Antizipation des Künftigen; (2) Selektion der Mittel vom gesetzten Zweck aus (rückläufige Determination); (3) Realisation durch die seligierten Mittel als Realprozeß außerhalb des Bewußtseins. Eine enge Beziehung besteht zwischen Handlung und Kausalität: Handlung ist ein „Indienststellen" der Kausalität; das äußere Kausalgeschehen ist durch den zweckhaft handelnden Menschen final überdeterminiert. 5 Aufgrund seines Kausalwissens kann er planvoll in den Verlauf eingreifen und das Geschehen bewußt auf das Ziel hin steuern. Die kausale Determiniertheit der Außenwelt ist

1

Bd. 10, Sp. 404. Welzel, Das neue Bild, S. 1. 3 Welzel, Vom Bleibenden, S. 9. 4 Vgl. N. Hartmann, Teleologisches Denken, S. 69; Welzel, Aktuelle Strafrechtsprobleme, S. 5. Wie Welzel (LB, S. 37) betont, hat er nicht die Sache, sondern lediglich den Namen „Finalität" von Nicolai Hartmann übernommen. Die Übereinstimmungen sind daher im wesentlichen terminologischer Art, etwa die Etikettierung der Finalität als „sehend", der Kausalität als „blind"; vgl. N. Hartmann, Ethik, S. 198; Welzel, Das neue Bild, S. 1. 5 Welzel, Das neue Bild, S. 1; ders., LB, S. 43; ebenso Bockelmann, ZStW 75 (1963), 375; Stratenwerth, SchwZStR 81 (1965), 183. 2

I. Der vorgegebene (ontologische) Handlungsbegriff

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damit überhaupt Voraussetzung sinnvollen Handelns. 6 Kausal- und Finalzusammenhang —- in der Diktion von Kant 1: nexus effectivus und nexus finalis — stehen insofern in einem umgekehrt reziproken Verhältnis. Der Kausalnexus geht aus von einer (in der Vergangenheit liegenden) Ursache, die eine künftige Wirkung erzeugt, während im Finalnexus das Ziel das erste ist, das vorgesetzt wird. Das Verhältnis von Ursache und Wirkung ist vertauscht gegen das von Zweck und Mittel. 8 Gegen diese Interdependenz könnte nur eingewandt werden, daß die Kategorie der Kausalität heute zunehmend angezweifelt wird. 9 Die Erschütterung des Kausaldogmas soll mit der Untersuchung von David Hume ihren Ausgang genommen haben. Dieser hatte darauf hingewiesen, daß wir zwar feststellen können, daß ein Vorgang einem anderen folgt; doch könnten wir niemals eine Bindung zwischen ihnen beobachten.10 Indes ging es ihm dabei nicht um eine „Leugnung" der Kausalität, sondern vielmehr um eine Bereinigung unserer Vorstellungen darüber. 11 Wenn wir nämlich eine bestimmte Art von Ereignissen stets in allen Fällen mit einer anderen verbunden sehen, so bestehen nach Hume 12 nicht länger Bedenken, das eine bei Auftreten des anderen vorauszusagen und jenes Schlußverfahren anzuwenden, das uns allein einer Tatsache oder Existenz versichern kann. Wir nennen dann den einen Gegenstand Ursache, den anderen Wirkung und nehmen dabei an, daß ein Zusammenhang zwischen beiden besteht, irgendeine Kraft in dem einen, die unfehlbar den anderen hervorbringt und mit der größten Sicherheit und strengsten Notwendigkeit verfahrt. Ein „bereinigter" Kausalbegriff versteht die Kenntnis der Kausalbeziehung demnach als Voraussagbarkeit. 13 Erst wenn ich voraussagen kann, was auf einen bestimmten Vorgang folgt, kann ich auch planvoll einen faktischen Vollzug in Szene setzen. Dementsprechend sieht auch Hume 14 den unmittelba-

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N. Hartmann, Aufbau, S. 25; ihm folgend Arthur Kaufmann, in: H. Mayer-FS, S. 100. Kritik der Urteilskraft, § 65. 8 N. Hartmann, Ethik, S. 193; zum Verhältnis von Kausalität und Finalität siehe auch W. Baumann, Finalität, S. 26; Stammler, Rechtsphilosophie, S. 57; eingehend Möslang, Finalität, S. 35 ff. 9 Näher dazu Maiwald, Kausalität, S. 13 ff., auch mit Nachw. aus dem naturwiss. Bereich. 10 Hume, Untersuchung, S. 99. 11 Vgl. Stegmüller, Wissenschaftstheorie I, S. 439. 12 Untersuchung, S. 99f. 13 Ebenso Carnap, Naturwissenschaft, S. 192; vgl. auch Stegmüller, in: Kraft-FS, S. 177 (Erklärung von Ereignissen). Die sprachliche Koinzidenz der Voraussagbarkeit mit der Voraussehbarkeit im Fahrlässigkeitsbegriff ist augenfällig: Nur wenn ich die Folgen meines Tuns vorhersehen kann, ist ein Vorwurf zu machen. 7

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Untersuchung, S. 101.

§3 Handlungsbegriff

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ren Nutzen aller Wissenschaften darin, uns zu lehren, zukünftige Ereignisse durch ihre Ursachen zu kontrollieren und zu lenken. Bedeutet Handlung die Einflußnahme auf das Kausalgeschehen, so ergeben sich daraus direkte Auswirkungen auf die Beurteilung des Unterlassens: Der Unterlassende stellt die Kausalität nicht in Dienst, sondern läßt ihr vielmehr ihren Lauf. Dabei ist er nicht mehr als ein passiver Beobachter eines bereits determinierten Geschehens. Er selbst kann sogar „hinweggedacht" werden 15 , ohne daß sich irgendetwas ändern würde. Das Unterlassen ist somit keine (finale) Handlung, vielmehr deren Gegenteil. Von ihrer Struktur her „ist die Analyse der finalen Handlung denkbar einfach. Man wird in späterer Zeit nicht mehr verstehen, daß darum überhaupt hat ein Streit entstehen können." Diese Einschätzung von Welzel 16 hat sich allerdings nicht bewahrheitet. Vielmehr wird bereits die erkenntnistheoretische Basis der f H L angezweifelt. Solchen grundsätzlichen Bedenken gilt es daher zunächst einmal nachzugehen. 2. Grundlagen Ausgangspunkt bildet die Fragestellung, wie die Aussagen der f H L wissenschaftlich überprüft werden können. Eingehend ist sie von Klug 17 einer methodologischen Kritik unterzogen worden. Der Gang seiner Überlegungen vollzieht sich in folgenden Schritten: Nach der Theorie des Finalismus ist die Definition des Handlungsbegriffs eine Realdefinition, die als Sacherklärung dem Verifikationszwang unterliegt. Da ontologische Sachverhalte nicht durch Beobachtungen und dergleichen überprüfbar sind, entfalle eine Verifikation mit empirischen Methoden. Auch eine logische Verifikation nach Art des Beweises von mathematischen Sätzen scheide aus, da dieses Verfahren nur innerhalb eines axiomatischen Systems möglich wäre. Die phänomenologische Verifikationsmethode schließlich — als Verfahren, das bei ontologischen Behauptungen wie der hier zur Diskussion stehenden üblicherweise in Anspruch genommen werde — sei kein kontrollierbares Mittel der Verifikation. Klug 18 gelangt zu dem Ergebnis: „Die Berufung des Finalismus auf ontologische Bindungen kann demnach als wissenschaftlich zwingende Ansicht nicht aufrechterhalten bleiben." 15

So der Ansatz von Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 57 ff.; ihm folgend E. A. Wolff, Kausalität, S. 35. 16 Aktuelle Strafrechtsprobleme, S. 5. 17 Emge-FS, S. 33 ff., 47f.; siehe auch ders., in: Tsatsos-FS, S. 603 f. 18 Emge-FS, S. 48; gegen die Möglichkeit eines Wesensdenkens auch Carnap, Aufbau, §161: Entsprechende Aussagen könnten nicht in eine verifizierbare Form gebracht werden.

I. Der vorgegebene (ontologische) Handlungsbegriff

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Diese Beschränkung der Erkenntnismittel auf (vermeintlich) streng logische oder exakte Verifikationsmethoden greift indes entschieden zu kurz. 1 9 Denn eines ist doch völlig unbestritten: Wenn man den Handlungsbegriff näher bestimmen will, geht es im Strafrecht immer um die Feststellung einer menschlichen Handlung. Insofern ist aber nicht daran vorbeizukommen, daß man dann auch deren „Wesen", insbesondere im Unterschied zum tierischen Verhalten, herausarbeiten muß. Die Natur der Sache bricht sich hier Bahn, unabhängig davon, ob man dieser Begründungsform aufgeschlossen gegenübersteht oder nicht. Letztlich geht es um nichts anderes als einen anthropologischen Befund. 20 Soll ein Sachverhalt als menschliche Handlung oder menschliche Schuld begriffen werden, so müssen diese Aussagen notwendig ihre Prägung durch die Seinsstruktur des Menschen erhalten. Dementsprechend betont auch Gehlen 21, daß jede Anthropologie den Wesensunterschied von Mensch und Tier definieren und dazu vor allem angeben müsse, was Handlung und Erkenntnis in diesem Wesen Mensch bedeuten. Mit der Begündung von Klug wäre hingegen jeder Humanwissenschaft die Fähigkeit abzusprechen, überhaupt gültige Erkenntnisse hinsichtlich ihres Gegenstandes auffinden zu können. Die Vorbehalte gegenüber einer phänomenologischen Sichtweise resultieren wohl daraus, daß man sie zu sehr als „intuitive" Wesensschau (miß)versteht. Die eidetische Reduktion verläuft jedoch in einer systematischen Ausklammerung aller unwesentlichen Faktoren. Sofern diese nicht ausschließlich der menschlichen Handlung eigentümlich sind, können sie auch nicht als konstitutiv dafür gelten. Ein Todeserfolg mag etwa durch Menschen, Tiere oder Naturereignisse herbeigeführt werden. Allein schon deshalb kann die bloße Verursachung kein Wesenselement menschlicher Handlungen sein (woraus sich zugleich die Unzulänglichkeit einer kausalen Handlungslehre ergibt). Wenn es indessen nicht das Ergebnis ist, welches die Handlung kennzeichnet, dann muß für deren Erklärung das Resultat ausgeklammert und der Vorgang weiter zurückverfolgt werden. Auf diesem Wege gelangt man schließlich zum Ausgangspunkt, nämlich der gedanklichen Vorwegnahme des Verlaufs in einem menschlichen Gehirn; die übrigen Komponenten bleiben buchstäblich auf der Strecke. Die Antizipation eines künftigen Geschehens betrachtet auch der Rechtsphänomenologe Gerhart Husserl 22 als Wesensmerkmal der Handlung: „Wer handelt, vollzieht einen Vorgriff in die Zukunft. Vor der Ausführung der Handlung steht im Bewußtsein des Handelnden das Bild der Wirklichkeit, wie sie sein wird, nachdem er gehandelt hat." 19

Kritisch auch Arthur Kaufmann, in: H. Mayer-FS, S. 84f. So ausdrücklich Engisch, in: Eb. Schmidt-FS, S. 113; Stratenwerth, Natur der Sache, S. 13; sinngemäß Maihofer, in: Eb. Schmidt-FS, S. 170; H. Mayer, in: v. Weber-FS, S. 143; Roxin, ZStW 74 (1962), 523; Sax, in: Nottarp-FS, S. 142. 21 Philosophische Anthropologie, S. 36. 22 Recht und Zeit, S. 177; vgl. auch ders., Recht und Welt, S. 127: ohne Berücksichtigung der Willensintention des Handelnden kann der Erfolg nicht verstanden werden. 20

§ 3 Handlungsbegriff

48

Eine weitere Reduktion ergibt sich daraus, daß von der Qualität des angestrebten Zieles völlig abzusehen ist. Bedeutung erlangt nicht was, sondern daß etwas intendiert wurde. Hieraus folgt eine Konzentration auf die Handlung „als solche". Denn einen vorgegebenen Handlungsbegriff interessieren nicht primär die — lediglich einen spezifischen Ausschnitt bildenden — strafrechtlich relevanten Handlungen. Die Vielfalt der denkbaren Handlungsinhalte muß deshalb zunächst einmal als unerheblich ausgeklammert werden. Die unmittelbare Rückführung auf den Wesensgehalt hindert nun keineswegs die Einbeziehung zusätzlicher Erkenntnisse (erinnert sei in diesem Zusammenhang an N. Hartmanns 23 Überlegung einer Synthesis von stigmatischer und konspektiver Betrachtung). Zwar wäre für die eidetische Sichtweise bereits der Blick auf eine einzige Handlung ausreichend. „Schon als der erste Mensch einen Stein als Werkzeug benutzte, hätte man an dieser Handlung die ganze fHL entwickeln können." 2 4 Damit braucht man sich aber nicht zu begnügen. Vielmehr sind die Ergebnisse derjenigen Wissenschaftszweige, die sich mit Verhaltensstrukturen befassen, flankierend heranzuziehen. So hat Welzel 25 die Anregungen zur Ausbildung der fHL ursprünglich von der Denkpsychologie erhalten, und zwar den ersten Anstoß aus den „Grundlagen der Denkpsychologie" von Richard Hönigswald. Dieser hatte herausgestellt, daß die menschliche Handlung intendiert ist; die Intention besteht in der gedanklichen Vorwegnahme des Geschehens.26 Auch Welzel hat zunächst von (Sinn-)Intentionalität statt von Finalität gesprochen, bevor er letzteren Begriff von Nicolai Hartmann übernahm. 27 Zwar meint auch der soziale Handlungsbegriff, Erkenntnisse der Anthropologie in Anspruch nehmen zu können. Wenn aber Jescheck 28 sich — ohne weitere Begründung — auf Lersch und Gehlen beruft, hält dies näherer Prüfung nicht stand. Nach Gehlen 29 ist der Mensch das handelnde Wesen. Sein „Antwortverhalten" auf die Umwelt besteht in einer finalen zweckgerichteten Tätigkeit. Die Intentionen des menschlichen Verhaltens kommen dabei zum Ausdruck, indem Zwecke gegeben und Mittel gesucht werden. In Anlehnung an N. Hartmann weist er zudem darauf hin, daß dieses Vorgehen eine kausal determinierte Welt voraussetzt. 30 Zur Veranschaulichung zitiert Gehlen 31 — ebenso wie Welzel 32 — 23 24

Dazu bereits oben S. 24.

Welzel, Aktuelle Strafrechtsprobleme, S. 5. Das neue Bild, S. IX. 26 Hönigswald, Denkpsychologie, S. 148 f. 27 Vgl. den Hinweis bei Welzel, JuS 1966, 423. Von „Intentionalität oder Finalität" spricht auch Henkel, Rechtsphilosophie, S. 250. 28 Eb. Schmidt-FS, S. 151 Anm. 59. 29 Der Mensch, S. 32; ebenso Welzel, ZStW 60 (1941), 430. 30 Gehlen, Der Mensch, S. 184f. 25

I. Der vorgegebene (ontologische) Handlungsbegriff

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aus Schillers 33 „Anmut und Würde" die Sequenz: „Bei dem Tiere und der Pflanze gibt die Natur nicht bloß die Bestimmung an, sondern führt sie auch allein aus. Dem Menschen gibt sie aber bloß die Bestimmung und überläßt ihm selbst die Erfüllung derselben ... Der Mensch allein hat als Person unter allen bekannten Naturwesen das Vorrecht, in den Ring der Notwendigkeit, der für bloße Naturwesen unzerreißbar ist, durch seinen Willen zu greifen und eine ganz frische Reihe von Erscheinungeain sich selbst anzufangen. Der Akt, durch den er dieses wirkt, heißt vorzugsweise eine Handlung, und diejenigen seiner Verrichtungen, die aus einer solchen Handlung herfließen, ausschließungsweise seine Taten." Ähnlich sieht Lersch 34 den Charakter der menschlichen Handlung in ihrer Gerichtetheit. Darin findet er auch einen Unterschied zur Reflexbewegung: dieser fehle gerade das Moment der Intentionalität. Eine weitere Parallele zum Strafrecht zeigt sich in seiner Kennzeichnung der automatisierten Handlungen. Sie stünden phänomenologisch zwischen den Impulshandlungen und den (einfachen) Willenshandlungen, genetisch gesehen seien sie Derivate der letzteren. 35 Die genannten anthropologischen Befunde stimmen demnach mit den Ergebnissen der fHL überein. Sie bilden indes nicht die einzige Stütze für einen vorgegebenen Handlungsbegriff. Hinzu kommen Forschungsrichtungen, die den Steuerungsmechanismus eines Verhaltenssystems strukturell zu erfassen suchen. Den intentionalen Charakter der Handlung unterstreicht die auf teleologischer Analyse basierende formalfinalistische Handlungstheorie, wie sie von Ota Weinberger 36 konzipiert worden ist. Handeln wird danach als Realisierung intentionaler Setzung verstanden. Dies erfordert einen Informationsverarbeitungsprozeß. Er umfaßt neben der Zielsetzung auch Tatsacheninformationen über die Situation, über Kausalbeziehungen und Kausalgesetze, ferner das Auffinden möglicher Mittel zu gegebenen Zielen. Das Ziel wird durch den Einsatz dieser Mittel erreicht (bewirkt). Insoweit ist also das rationale Handeln durch Kausalbeziehungen bzw. deren Kenntnis bestimmt. Ebenso wie für die f H L ist für die formalfinalistische Handlungstheorie das Merkmal der Finalität ein konstitutives Element des Handlungsbegriffs. 31

Der Mensch, S. 32 f. Das neue Bild, S. 47. 33 Über Anmut und Würde, S. 93 f. 34 Aufbau der Person, S. 460. Auch für Scheler (Stellung des Menschen, S. 34) ist kennzeichnend für menschliches Verhalten die Antizipation, das Vorher-Haben („Providentia") eines Sachverhalts. 35 Lersch, Aufbau der Person, S. 489 f. Dazu, daß Reflexhandlungen nicht als Handlungen im strafrechtlichen Sinne angesehen werden, wohl aber die automatisierten Handlungen, siehe Jescheck, AT, S. 198, 201 f.; Rudolphi, SK, Vor § 1 Rdn. 20, 21. 36 Schelsky-FS, S. 721 ff.; ders., Rechtstheorie 1982, 285ff.; ders., in: Klug-FS, 199ff. 32

4 Küpper

§ 3 Handlungsbegriff

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Ein weiteres Fundament findet die i H L in einem neueren Wissenschaftsgebiet, nämlich der Kybernetik. Schon Welzel 31 war der Ansicht, daß damit eine viel treffendere Bezeichnung für die entscheidende Eigenart der Handlung gefunden sei als der Name „Finalität", der zu vielen Mißdeutungen Anlaß gegeben habe. Auch Spiegel 38 spricht in bezug auf die fHL von einer „vorweggenommenen biokybernetischen Betrachtungsweise". Die Kybernetik ist die Wissenschaft von Regelung und Kommunikation. 39 Ihre Kernfrage lautet: Welche Verhaltensformen muß das System wählen, um die zur Zielerreichung notwendigen Veränderungen zu vollziehen?40 Begrifflich ist dabei zunächst zwischen Steuerung und Regelung zu unterscheiden: Bei der Steuerung greift ein Etwas — der Steuermann (griech. kybernos), eine Kraft, eine Nachricht — von außen in das System ein. Der Steuerer setzt dem Verhalten des Systems ein Ziel und sorgt dafür, daß es sich diesem Ziel nähert. Regelung bedeutet demgegenüber eine Selbststeuerung. Das System ist so eingerichtet, daß es von sich aus auf das Ziel zusteuert. 41 Im Hinblick auf menschliches Handeln wäre demnach von „geregeltem" Verhalten zu sprechen. Grundlegende Bedeutung für das sich selbstregulierende System hat die Rückkoppelung (feedback). Sie versetzt das System in die Lage, mit zielgesteuerten Eingriffen auf den Prozeß der Ziel Verwirklichung Einfluß zu nehmen. 42 Dadurch entsteht schließlich der Regelkreis als geschlossenes Rückkopplungssystem.43 Beim menschlichen Verhalten stellt sich der Regelkreis als Handlungskreis dar; er ist „die universelle Form der sinnvollen Äußerung unseres Individuums" 4 4 . Die eine Hälfte des Handlungskreises führt vom Menschen zum Objekt hin, die andere führt vom Objekt zum Menschen zurück. Der Handlungskreis beginnt mit dem Zweckgedanken im Bewußtsein. Zur Erreichung des gesetzten Zieles müssen die entsprechenden Mittel ausgewählt werden, es bedarf also einer Strategie. 45 Kybernetisch gesehen findet eine (gedankliche) Rückkop-

37

LB, S. 37; ders., Vom Bleibenden, S. 18 Anm. 41; ders. 9 in: Maurach-FS, S. 7. D A R 1968, 287; siehe auch Jakobs, in: Welzel-FS, S. 307 (kybernetischer Ansatz). 39 Der Originaltitel des grundlegenden Werkes von Norbert Wiener lautet: Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machine. Das englische Wort „Control" ist im Deutschen mehrdeutig; es kann mit Lenkung, Regelung oder Steuerung übersetzt werden. 40 So formuliert von Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 228. 41 Vgl. Flechtner, Kybernetik, S. 35; näher zu Regelung und Steuerung auch Ashby, Kybernetik, S. 282 ff. 42 Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 234. 43 Vgl. Wörterbuch der Kybernetik, Stichwort „Regelkreis". 44 Suhr, JuS 1968, 352. 45 Vgl. Klaus, Kybernetik, S. 332. 38

I. Der vorgegebene (ontologische) Handlungsbegriff

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pelung statt 4 6 , in den Worten der f H L eine rückläufige Determination 47 . Im realen Vollzug wird schließlich unter Zuhilfenahme der gewählten Mittel das Ziel angesteuert und erreicht (Vollendung) oder aber verfehlt (Versuch). Da der (Miß-)Erfolg der Tätigkeit wiederum gedanklich wahrgenommen wird, kann sich der Handlungskreis weiter fortsetzen. So wenn der Versuch durch bessere Regelung oder Neuauswahl der Mittel wiederholt wird. Es zeigt sich somit, daß die Finalstruktur der Handlung mit neueren biokybernetischen Erkenntnissen in Einklang steht. Interessanterweise wird in der betreffenden Literatur zudem auf N. Hartmann Bezug genommen 48 , der damit gleichsam als Bindeglied zwischen Kybernetik und f H L gelten kann. Zum Abschluß sei noch ein des Finalismus sicherlich „unverdächtiger" Autor erwähnt. Karl Marx 49 hat anschaulich den zweckmäßigen Willen erläutert, der den menschlichen Arbeitsprozeß kennzeichnet. Er schreibt: „Wir unterstellen die Arbeit in einer Form, worin sie dem Menschen ausschließlich angehört. Eine Spinne verrichtet Operationen, *die denen des Webers ähneln, und eine Biene beschämt durch den Bau ihrer Wachszellen manchen menschlichen Baumeister. Was aber von vornherein den schlechtestenBaumeister vor der besten Biene auszeichnet, ist, daß er die Zelle in seinem Kopf gebaut hat, bevor er sie in Wachs baut. Am Ende des Arbeitsprozesses kommt ein Resultat heraus, das beim Beginn desselben schon in der Vorstellung des Arbeiters, also schon ideell vorhanden war." 3. Einwände gegen die finale Handlungslehre Um die fHL ist seit jeher eine heftige Diskussion entbrannt. Viele Bedenken wurden erhoben und zurückgewiesen. Dennoch scheint es sich um „unausrottbare Mißverständnisse" 50 zu handeln. Der Katalog der — von verschiedener Seite geltend gemachten — hauptsächlichen Einwendungen ist zuletzt im Lehrbuch von Baumann / Weber 51 zusammengestellt worden. Es erscheint daher angebracht, auf sie im einzelnen noch einmal einzugehen. Vielleicht wird sich dann zeigen, ob sie nicht doch auf einer Unkenntnis der f H L bzw. auf einem Nichtverstehen oder Nichtverstehenwollen beruhen, was von Baumann I Weber 52 aus- und nachdrücklich bestritten wird. a) Es erscheine bereits höchst zweifelhaft, ob jegliches menschliches Verhalten bewußt final gesteuert wird. Genannt werden automatisierte Reaktionen, z.B. 46 Siehe auch Griffel, ZStW 98 (1986), 37: „Regelkreise und Rückkoppelungen in unserem Gehirn". 47 Vgl. N. Hartmann, Teleologisches Denken, S. 69; Welzel, LB, S. 34. 48 Namentlich bei Strunz, Integrale Anthropologie, S. 48 ff. 49 Das Kapital I, S. 193. 50 Siehe schon Welzel, NJW 1968, 425. 51 AT, S. 205 ff. 52 AT, S. 210.

4*

§3 Handlungsbegriff

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im Straßenverkehr, die gar nicht voll ins Bewußtsein treten, ferner die sog. Nebenbeihandlungen, Reflexhandlungen und Affekthandlungen. 53 Nun betrifft diese Aufzählung z. T. schon Formen, die kein spezifisches Problem der fHL bilden. Insbesondere die Reflexhandlungen werden von keiner Handlungslehre — auch von Baumann / Weber 54 selbst nicht—dem Handlungsbegriff unterworfen. Etwas anderes ist auch von der f H L nie behauptet worden. Andererseits kann gerade sie den Nichthandlungscharakter der Reflexbewegung noch verdeutlichen: denn dieser fehlt das Moment der Intentionalität. 55 Demgegenüber geht es bei den automatisierten Reaktionen um finale Handlungen, und zwar um die „schnellsten willentlichen Handlungen" 56 . Infolge eines eingeschliffenen Verhaltensmusters wird der Mensch befähigt, in bestimmten wiederkehrenden Situationen ohne längeres Nachdenken zu reagieren, worin eben ihr Vorzug besteht. Lersch 51 hat darauf aufmerksam gemacht, daß in der Automatisierung ursprünglicher einfacher Willenshandlungen eine „Ökonomie" unseres seelischen Lebens liegt. Denn unser Bewußtsein werde entlastet, wir sparen seelische Energie und machen sie verfügbar für die Erledigung neuer, ungewohnter Aufgaben und Notwendigkeiten des Lebens. Im übrigen taucht für die Gegner der fHL die gleiche Frage beim Vorsatz auf. 58 Denn sie können nicht einerseits den finalen Verwirklichungswillen bei der automatisierten Handlung in Abrede stellen, andererseits selbst aber den Vorsatz bejahen. Bezweifelt man schließlich die Finalität von Affekthandlungen, so beruht dies auf einer Verwechslung von Handlungs- und Antriebssteuerung, worauf bereits Welzel 59 mehrfach hingewiesen hat. In dieser Unterscheidung liege gerade die sachlogische Trennungslinie zwischen Unrecht und Schuld. Bei der Antriebssteuerung geht es um die Steuerung der Antriebsimpulse, die sich schon im Unoder Halbbewußtsein abspielt. Dagegen wird die Ausführung dieser Impulse im

53

BaumannI Weber, AT, S. 206; die Affekthandlungen werden auch von Henkel (Studium Generale 1960, 238 f.) als Einwand gegen die fHL herangezogen; die Reflexbewegungen von Schünemann, in: Grundfragen, S. 40. 54 AT, S. 189. 55 Vgl. Lersch, Aufbau der Person, S. 460. 56 Spiegel, D A R 1968, 285; dazu auch Stratenwerth, in: Welzel-FS, S. 289ff.; Hirsch, ZStW 93 (1981), 860 f. 57 Aufbau der Person, S. 490. 58 Vgl. Armin Kaufmann, in: Welzel-FS, S. 396; Hirsch, ZStW 93 (1981), 860f. 59 ZStW 60, (1941), 434f.; ders., Das neue Bild, S. 48; ders., Vom Bleibenden, S. 19. Dabei bezieht sich Welzel insbesondere auf die Schichttheorie von Rothacker (Die Schichten der Persönlichkeit) mit ihrer Unterscheidung von Ichfunktion und Tiefenperson. Auch Piaget (Psychologie der Intelligenz, S. 7) weist darauf hin, daß jedes menschliche Verhalten einen energetischen oder affektiven und einen strukturellen oder erkenntnismäßigen Aspekt hat.

I. Der vorgegebene (ontologische) Handlungsbegriff

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äußeren Handlungsvollzug nach der jeweiligen äußeren Situation final gesteuert. Nur so ist die Realisierung von Antriebsimpulsen überhaupt möglich. Im übrigen sieht auch die Rechtsprechung das Problem der Affekttaten nicht bei der Handlung, sondern bei der Schuld. 60 M i t Recht stellt daher Jescheck 61 fest, daß hinsichtlich der Affekthandlungen die Kritik an der f H L unbegründet ist. Zu dem ersten Einwand ist demnach festzuhalten: Weder geht es um eine genuine Problematik der fHL, noch kann ihr der Vorwurf gemacht werden, die auftauchenden Fragen nicht bewältigen zu können. b) Der finale Handlungsbegriff enthalte verkappt eine normative Bewertung des Geschehens und gehöre insofern eigentlich in den Bereich der Unrechtslehre oder Schuldlehre. Es werde nicht mehr die einzelne menschliche Handlung, sondern ihr Verhältnis zum Ziel betrachtet und an den Zielen der Rechtsordnung gemessen. Je nach Erlaubtheit oder Unerlaubtheit des Zieles werde der Bereich der Handlung bestimmt. 62 Diese Kritik gipfelt in der Frage: „Wie kann übrigens die finale Versicherungsbetrugshandlung vollkommen mit einer finalen Tötungshandlung identisch sein?". 63 Auch diesem Einwand liegt eine Verwechslung zugrunde, nämlich der generellen Handlungsstruktur mit dem spezifischen Sinngehalt der jeweiligen Handlung. 64 In ihrer realen Struktur stimmen die genannten Handlungen zunächst überein, nämlich als willentliche (final überdeterminierte) Verwirklichung eines objektiven Geschehens. In der Wertungsstufe, die den spezifischen Inhalt der Handlung betrifft, besteht natürlich ein Unterschied. Insofern liegt der Fehler der o.g. Fragestellung in der Suche nach einer „vollkommenen" Übereinstimmung: ontologische und normative Stufe werden damit ineinsgesetzt. Dies zeigt zugleich die Fragwürdigkeit einer vorschnellen Normativierung. Wenn dazu schließlich behauptet wird, der Handlungsbegriff der f H L verstoße gegen die Forderung nach einem tatbestandsfreien und wertfreien Handlungsbegriff 65 , so stellt das die Gegebenheiten schlichtweg auf den Kopf. Gerade die fHL hat die tatbestandsunabhängigen Elemente der menschlichen Handlung herausgearbeitet, während erst auf einer (zweiten) Wertungsstufe die strafrechtliche Relevanz des Willensinhaltes untersucht wird. Dies bedeutet:

60 Vgl. BGHSt 11,20; OGHSt 3,19; zu dieser Rspr. eingehend Geilen, in: Maurach-FS, S. 173 ff. 61

AT, S. 198; siehe auch Krümpelmann, in: Welzel-FS, S. 327ff., 334, 336f. Baumann / Weber, AT, S. 206; in dieser Richtung auch Roxin, ZStW 74 (1962), 524 ff.; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor § 13 Rdn. 31. 63 BaumannI Weber, AT, S. 207. 64 Hirsch, ZStW 93 (1981), 849; siehe auch schon Welzel, Aktuelle Strafrechtsprobleme, S.6. 65 Baumann/ Weber, AT, S. 207. 62

§ 3 Handlungsbegriff

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Zwar ist jeder Tatbestandsvorsatz ein finaler Handlungswille, aber nicht jeder finale Handlungswille ist ein Tatbestandsvorsatz. 66 Vorsatz ist rechtlich relevante Finalität und daher nur insoweit „normativ mitgeprägt". 67 c) Besondere Schwierigkeiten habe der fHL stets die Fahrlässigkeitstat gemacht. Heute sei die fahrlässige Handlung eine von der vorsätzlichen Handlung völlig getrennte Erscheinung. Bei finalem Handlungsbegriff dürfte von einer Handlung bei der Fahrlässigkeitstat eigentlich gar nicht gesprochen werden. Da es der Kausalerfolg sei, der die Handlung zum Verbrechen mache, gehe es in Wirklichkeit um einen rein kausalen Handlungsbegriff. 68 Es ist nun schon immer ein verbreiteter Einwand gegen die fHL gewesen, daß sie mit dem fahrlässigen Delikt nicht zurechtkomme; es sei die „Achillesferse" der f H L . 6 9 Diese Behauptung wird allerdings durch ständige Wiederholung nicht richtiger, und man hat den Eindruck, daß es sich hier nicht nur um ein „unausrottbares", sondern auch um ein „liebgewordenes" Mißverständnis handelt. Daher nochmals zur Klarstellung: Auch beim fahrlässigen Delikt liegt eine finale Handlung vor (beispielsweise das Überholen eines anderen Verkehrsteilnehmers); insoweit entspricht die ontologische Stufe derjenigen beim Vorsatzdelikt. Der Unterschied liegt erst auf der Wertungsstufe. Die Finalität beim Fahrlässigkeitsdelikt ist nicht auf einen tatbestandlichen Erfolg gerichtet. 70 Ihr kommt jedoch das Wertungsprädikat „sorgfaltswidrig" zu. Die Verbindung zum — nicht intendierten — Erfolg wird dadurch hergestellt, daß sich gerade diese Sorgfaltswidrigkeit im Erfolg realisiert haben muß. 7 1 Dabei geht es also um nichts anders als das bekannte (normative) Erfordernis des Pflichtwidrigkeitszusammenhanges. Voraussetzung ist aber eben ein vom Willen beherrschtes Geschehen, das Gegenstand (Substrat) des Sorgfaltswidrigkeitsurteils bildet. d) Die Form des bedingten Vorsatzes soll nur schwer unter den Begriff der finalen Handlung zu fassen sein. Der Ausweg der fHL, die notwendigen

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Vgl. Welzel, NJW 1968, 426; Niese, Finalität, S. 54. Welzel, Vom Bleibenden, S. 10 Anm. 20; dazu auch Niese, JZ 1956, 457. 68 BaumannI Weber, AT, S. 207 f.; ähnlich Arthur Kaufmann, JuS 1967, 150. 69 So Moos, StrProbGgw. II, S. 26; krit. auch Jescheck, ZStW 93 (1981), 16f.; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor § 13 Rdn. 33; Nowakowski, JZ 1958, 335ff,; E. A. Wolff, Handlungsbegriff, S. 13 f.; bei Hünerfeld (Strafrechtsdogmatik, S. 217) ist sogar von einer „systematischen Katastrophe" die Rede. 70 Vgl. Niese, Finalität, S. 53; Hirsch, ZStW 93 (1981), 857; Struensee, JZ 1987, 57; Weidemann, GA 1984, 411; aus normtheoretischer Sicht auch Schöne, in: H. KaufmannGedS, S. 650 ff. Selbst ein so entschiedener Gegner der fHL wie Mezger (JZ 1952, 675) mußte konzedieren: „Bei der fahrlässigen Handlung ist zwar das vom Gesetz verpönte Ziel vom Täter nicht gewollt. Aber auch der fahrlässig Handelnde ,will 4 immer ,etwas4, auch sein Tun ist notwendig ,final 4 auf den von ihm verfolgten Zweck eingestellt." 71 Welzel, Verkehrsdelikte, S. 21. 67

I. Der vorgegebene (ontologische) Handlungsbegrif

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Zwischenziele und Nebenfolgen dem vom Täter erstrebten Endziel gleichzustellen, befriedige nicht. 72 Die Kritiker der fHL stoßen sich offenbar zunächst am Begriff der Finalität. 73 Dieser scheint am ehesten mit der Absicht im strafrechtlichen Sinne (dolus directus 1. Grades) vereinbar. Da es jedoch um nichts anderes als den „Verwirklichungswillen" geht, sollte man schnell über die terminologische Frage hinaus zu den Sachproblemen vordringen. Zwar geht die fHL zunächst von der Zwecktätigkeit des Menschen aus. Aber die willentliche Zweck Verwirklichung umfaßt mehr als bloß den erstrebten Zweck. Die Realisierung erfolgt nach den Mitteln, die zur Verfügung stehen, und nach den Nebenfolgen, die in Kauf genommen werden müssen (dolus eventualis) oder vermieden werden sollen (bewußte Fahrlässigkeit). 74 Objekt der finalen Steuerung wird damit auch derjenige Erfolg, den der Täter als solchen nicht erstrebte, mit dessen Eintritt er jedoch rechnete. 75 Die (notwendigen) Nebenfolgen sind demnach genuiner Bestandteil des Finalzusammenhanges. Demgegenüber wird von Engisch 76 bezweifelt, daß es im Wesen der „Finalität" irgendwie vorgezeichnet liegt, daß ganz bestimmte Arten bzw. Unterarten der finalen Steuerung zum Vorsatz im Rechtssinne zu schlagen seien. Neben der Grenzziehung nach dem „Rechnen mit dem Eintritt eines möglichen Nebenerfolges" könne man ebensogut auf die emotionelle Einstellung zum Erfolg oder auf den Grad der ins Auge gefaßten Wahrscheinlichkeit abstellen. Es handele sich deshalb um eine Wertungsfrage. Dabei werden allerdings wiederum zwei Problemstufen vermengt: Ob das Einkalkulieren von Nebenerfolgen dem Verwirklichungswillen unterfallt, ist eine vorgegebene Frage und zu bejahen. Wie die Abgrenzung zwischen dolus eventualis und bewußter Fahrlässigkeit im Einzelfall vorzunehmen ist, wird damit hingegen noch nicht beantwortet und wertender Betrachtung überlassen. Diese Problematik stellt sich für jede Theorie. 77 Aber selbst die weitesten Auffassungen, die das intellektuelle 72 Baumann I Weber, AT, S. 209; in dieser Richtung schon die Kritik von Bockelmann, Täterschaft und Teilnahme, S. 24 Anm. 44; Engisch, Idee der Konkretisierung, S. 119; Hardwig, Zurechnung, S. 86f.; Schmidhäuser, ZStW 66 (1954), 34ff.; ders., Vorsatzbegriff, S. 14f.; neuerdings Alwart, Recht und Handlung, S. 124; Frisch, Vorsatz und Risiko, S. 42 ff. 73

Deutlich Engisch, in: Kohlrausch-FS, S. 155; gegen ihn bereits Welzel, Grundzüge,

S. 25. 74 Vgl. Welzel, LB, S.68f.; Armin Kaufmann, ZStW 70 (1958), 73 f.; Stratenwerth, ZStW 71 (1959), 60. 75

Maurach/Zipf AT I, S. 303; in diesem Sinne auch Gallas, ZStW 67 (1955), 42 f. Eb. Schmidt-FS, S. 104; ders., Idee der Konkretisierung, S. 118 f. 77 Das betont schon Welzel, Um die finale Handlungslehre, S. 20. Auch nach Jescheck ( L K , Vor §13 Rdn. 27) kommt es auf die Grenze zwischen bedingtem Vorsatz und bewußter Fahrlässigkeit für den Handlungsbegriff nicht an. 76

§ 3 Handlungsbegriff

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Vorsatzelement genügen lassen78, müssen als Mindestvoraussetung die Einbeziehung der möglichen Folgen in das Vorstellungsbild des Täters zugrunde legen. e) Da bei der Unterlassung keine „Bewirkung" vorliegen soll, andererseits zur Finalität Bewirkungswille oder „Verwirklichungswille" gehören muß, versage die f H L auch bei der vorsätzlichen Unterlassungstat. Wer trotz Verpflichtung zum Handeln untätig bleibt, nimmt keine „final überdeterminierte Kausalgebung" vor. Da von Seiten der Finalisten die Kausalität der Unterlassung geleugnet werde, könne bei fehlender Kausalität auch keine Finalität bestehen. Das führe zu einer völligen Herauslösung der Unterlassung aus dem Bereich der (finalen) Handlung. 79 Nun ist es zwar richtig, daß die fHL Handlung und Unterlassung als artverschiedene Phänomene betrachtet, nämlich das Unterlassen gerade als Mc/zihandeln. 80 Dies bedeutet für sich gesehen aber noch keinen sachlichen Einwand. Denn es ist ein unbewiesenes Dogma, daß jedes strafrechtlich relevante Verhalten Handlung sein müsse.81 Demgegenüber ist die Einbeziehung von Tun und Unterlassen in einen Begriff des „Verhaltens" zunächst nur eine Frage der Terminologie. Andererseits bleibt die Bedeutung des Handlungsbegriffs auch beim Unterlassen dadurch erhalten, daß es ja um die Unterlassung der gebotenen Handlung geht, also um die Frage, was der Täter unterlassen hat. 8 2 Dies ist indes keine aus Besonderheiten der fHL folgende Fragestellung. Jede Handlungslehre prüft das Ausbleiben der erforderlichen und realmöglichen RettungsHandlung Zudem wird die hypothetische Kausalität danach festgestellt, ob die erwartete Handlung(!) den Erfolg verhindert hätte. 84 Diese Formulierungen machen nolens volens deutlich, daß beim Unterlassen eine Handlung eben ausgeblieben ist. Auch positivrechtlich bestimmen sich Zeit und Ort der Tat danach, wann und wo der Täter im Falle des Unterlassens „hätte handeln müssen" (§§ 8, 9 StGB). Hinzu kommt: Wenn Tun und Unterlassen gleichrangige Verhaltensformen sein

78

So etwa Jakobs, AT 8/21 ff.; Kindhäuser, ZStW 96 (1984), 21 ff; Schmidhäuser, JuS 1980, 241, 249. 79 BaumannI Weber, AT, S. 209. 80 Vgl. Hirsch, ZStW 93 (1981), 851 m.w. N.; abw. nur Gössel, Wertungsprobleme, S. 112; ders., ZStW 96 (1984), 327: Tun und Unterlassen seien Unterformen der finalen Handlung. 81 So mit Recht Lang-Hinrichsen, JZ 1954, 89. 82 Hirsch, ZStW 93 (1981), 856; ebenso bereits Grünwald, Unterlassungsdelikt, S. 5. 83 Vgl. etwa Jescheck, AT, S. 557; Wessels, AT, S. 208. 84 Vgl. Arzt, JA 1980, 556; Baumann / Weber, AT, 239; Hardwig, ZStW 74 (1962), 30f. Dementsprechend lautete auch die Formulierung in § 24 E 1913: Wegen Herbeiführung eines Erfolgs durch Unterlassen ist nur strafbar, wer rechtlich verpflichtet war, den Eintritt des Erfolgs durch Handeln zu verhindern.

I. Der vorgegebene (ontologische) Handlungsbegriff

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sollen, warum sind dann zwei Gleichstellungskriterien erforderlich (§13 Abs. 1 StGB) und ist eine fakultative Strafmilderung vorgesehen (§13 Abs. 2 StGB) ? Hier scheint sich doch der sachlogische Unterschied bemerkbar zu machen. Es ist auch nicht möglich, dem Unterlassen eine (reale) Kausalität zuzuschreiben. Konstruieren läßt sich allenfalls eine unter wertenden Gesichtspunkten beurteilte (gedachte) Beziehung, ein normatives artefact 85 . Tatsächlich hat das Nichtstun aber nichts bewirkt. Zu Recht äußert sich Dohna86: „Daß die strafrechtliche Wissenschaft sich ein Jahrhundert lang bemüht hat, die Kausalität der Unterlassung nachzuweisen, kann nur mit Befremden festgestellt werden". Es gehe letztlich um nicht mehr als eine „Quasikausalität". Dies schlägt nun durch auf die Bestimmung der Finalität: Mangels Verwirklichungswillen kann es allenfalls um eine „quasifinales" Verhalten gehen.87 Fraglich bleiben dann nur die Anforderungen an den Vorstellungsinhalt des Unterlassungstäters. Entgegen einer früher geäußerten Auffassung wird man dabei nicht die bloße Erkennbarkeit des Weges zur Realisierung der gebotenen Handlung genügen lassen88; ansonsten würde die Gefahr bestehen, das vorsätzliche Unterlassungsdelikt in den Fahrlässigkeitsbereich auszudehnen. Zu fordern ist vielmehr das (aktuelle) Bewußtsein, daß die Abwendung des drohenden Erfolges möglich ist. Diese Auffassung schränkt den Vorsatz auch nicht unangemessen ein, weil für ihn — wie auch sonst — ein „Mitbewußtsein" als ausreichend erachtet wird. 8 9 Erforderlich ist demnach ein (mit)bewußter Nichtverwirklichungswille, der die Entscheidung beinhaltet, nicht in das Geschehen einzugreifen. Das Bemühen, eine Harmonisierung von Tun und Unterlassen schon im Verhaltensbereich herzustellen, beruht jedenfalls auf einer zu früh angesetzten Normativierung. Der erste Schritt hat indes die (ontologische) Differenzierung von Handeln und Nichthandeln zum Inhalt. Diese beiden Erscheinungsformen lassen sich nun einmal, ebensowenig wie Position und Negation, wie a und non-

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Ehrlich, ARSP 1986, 49. Aufbau, S. 21. Von Welzel{LB,S. 212 f.) wird die Kausalität der Unterlassung als ein „Phantom" bezeichnet; von einem „Irrealis Plusquamperfecti" spricht Arthur Kaufmann, in: Eb. Schmidt-FS, S. 213 f. 87 Ebenso Gallas, ZStW 67 (1955), 42 Anm. 81; auch nach Jescheck (AT, S. 569) bedürfen die Regeln über den Vorsatz bei den Unterlassungsdelikten der Anpassung an die Tatsache, daß es an einem vom Verwirklichungswillen getragenen positiven Tun fehlt. Entgegen Böhm (Rechtspflicht, S. 26) greift das Unterlassen eben nicht „steuernd in das Getriebe der Welt" ein. 88 So aber Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikt, S. 310; ders., in: v. Weber-FS, S. 231; zust. Welzel, LB, S. 205. 89 Vgl. Cramer, in: Schönke/ Schröder, §15 Rdn. 94; Grünwald, in: H. Mayer-FS, S. 294f.; Jakobs, AT 29/88; Jescheck, AT, S. 571. Weitergehend wollen Stratenwerth (AT I, Rdn. 1045) und Rudolphi (SK, Vor § 13 Rdn. 24) das generelle Bewußtsein von der Rettungsmöglichkeit genügen lassen. 86

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§3 Handlungsbegriff

a, unter einen Oberbegriff bringen. 90 Erst später kann auf einer Wertungsstufe der gemeinsame Nenner gefunden werden, nämlich der rechtlich relevante Verstoß gegen eine Strafnorm. Insoweit ist der Aussage zuzustimmen, daß sich eine Gemeinsamkeit von Tun und Unterlassen nur im normativen Bereich herstellen läßt. 91 Der Fehler liegt aber wiederum darin, daß man die ontologische Basis gleichsam überspringt und sich sogleich in das Refugium „reiner" Wertbegriffe zurückzieht. Stichwortartig können die Unterschiede zwischen Tun und Unterlassen wie folgt festgehalten werden: (1) Handlung. Tun ist die Vornahme, Unterlassen die Nichtvornahme einer Handlung. (2) Kausalität: Tun ist kausal für den Erfolg, Unterlassen nur hypothetisch kausal (quasikausal). (3) Finalität: Tun äußert sich im Verwirklichungswillen, Unterlassen im Nichtverwirklichungswillen (Quasifinalität). (4) Norm: Tun verletzt ein Verbot, Unterlassen ein Gebot. f) Schließlich wird der f H L entgegengehalten, daß es ihr an Praktikabilität mangele. Aus guter Überlegung scheue sich der das Gesetz anwendende Richter, mit Wertung und Bewertung der Täterhandlung zu früh anzusetzen, zu viel Wertung in die Feststellung der bloßen Täterhandlung zu legen. Wenigstens der Ausgangspunkt, das erste Element der Straftat, solle feststehen. Im Bereich des Unrechts und im Bereich der Schuld warteten noch genügend Wertungsaufgaben. 92 An diesem letzten Einwand verwundert zweierlei: Zum einen ist es doch gerade die fHL, die den Handlungsbegriff auf vorgegebene Strukturen zurückführen und voreilige Wertungen vermeiden will. Ihr vorzuwerfen, sie setze mit der Bewertung zu früh an, bedeutet nun wahrhaftig ein besonders krasses Mißverständnis. Zum anderen war es gerade die Überzeugungskraft der praktischen Ergebnisse, die zur Durchsetzung einer — auf der fHL aufbauenden — personalen Unrechtslehre in Praxis und Gesetzgebung beitrug; zu nennen sind etwa die Schuldtheorie, Vorsatzakzessorietät und die moderne Fahrlässigkeitslehre. 93 Dagegen spricht auch nicht, daß die Rechtsprechung zur 90 Diese Feststellung von Radbruch (Handlungsbegriff, S. 140) hat breite Zustimmung gefunden; vgl. Gallas, ZStW 67 (1955), 8; Grünwald, Unterlassungsdelikt, S. 18; Hirsch, ZStW 93 (1981), 851; Maurach / Gössel, AT II, S. 137; Rudolphi, SK, Vor § 1 Rdn. 17; Welzel, LB, S. 200. 91 So Lenckner, in: Schönke/ Schröder, Vor § 13 Rdn. 35; Schmidhäuser, in: RadbruchGedS, S. 278; eingehend dazu Lampe, Rechtsanthropologie, S. 78 ff. 92 Baumann ¡Weber, AT, S. 210. 93 Näher dazu Hirsch, ZStW 93 (1981), 838 ff.; auch Schünemann (Grundfragen, S. 38) sieht in den genannten Punkten drei besondere „Triumphe" des Finalismus. Daß insbesondere die Schuldtheorie praktischen Bedürfnissen entspricht, betonen Busch, in: Mezger-FS, S. 165; Schaff stein, in: OLG Celle-FS, S. 177.

I. Der vorgegebene (ontologische) Handlungsbegriff

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Begründung ihrer Ergebnisse keine Handlungslehre heranzieht; das offene Eingreifen in einen theoretischen Grundlagenstreit gehört nicht zu ihren Aufgaben, auch wenn die Konsequenzen einer bestimmten Auffassung akzeptiert werden. Jedenfalls ist die Behauptung, die fHL scheitere an ihrer Unpraktikabilität, allenfalls ein frommer Wunsch. 4. Rück- und Ausblick Als Ergebnis ist festzuhalten, daß die f H L das Wesen der menschlichen Handlung zutreffend bestimmt, den Handlungsbegriff von vorschneller Normativierung freihält und theoretisch wie praktisch zu befriedigenden Einsichten gelangt. 94 Die geltend gemachten Einwände haben sich nicht als stichhaltig erwiesen; vielleicht trägt diese Untersuchung dazu bei, aus ihnen zumindest „ausrottbare" Mißverständnisse zu machen. Naturgemäß bleibt es nicht aus, daß ein grundlegender Ansatz sich im Laufe der Zeit fortentwickelt. Jüngst hat sich deshalb Schmidhäuser 95 mit der Frage befaßt: „Was ist aus der finalen Handlungslehre geworden?" Nach Durchsicht neuerer Lehrbücher zum Allgemeinen Teil des Strafrechts konstatiert er einen „Verfall" der f H L und sieht sich einer Reihe finaler Handlungslehren gegenüber. Der Grund dafür könne nur der sein, daß die Anfangskonzeption nicht ihrem Wahrheitsanspruch genüge. Auffallend ist zunächst, nach welchen Kriterien die Zuordnung zur fHL erfolgt. Nach Schmidhäuser 96 ist „Finalist", wer den Vorsatz zum Tatbestand stellt. Dabei übersieht er allerdings, daß diese systematische Rubrizierung auch von allen Anhängern der personalen Unrechtslehre vollzogen wird. Von einem Teil ihrer Vertreter wird aber gerade geleugnet, daß es dazu des Rückgriffs auf den (finalen) Handlungsbegriff bedarf. 97 Vielmehr wird das Ergebnis aus einer normtheoretischen Betrachtungsweise abgeleitet. Zutreffend ist nur, daß die f H L den Schritt als erste vollzogen und damit eine Pionierfunktion ausgeübt hat. Darüber hinaus können die in Anspruch genommenen Autoren schon nach ihrer ausdrücklich vertretenen Position überwiegend nicht der fHL zugeschlagen werden. Jescheck 98 und Zipf 99 vertreten eine „soziale" Handlungslehre, 94 Die fHL wird — Anschluß an Welzel — vertreten von: Busch, Moderne Wandlungen, S. 7ff.; Hirsch, Negative Tatbestandsmerkmale, S. 329ff.; ders., ZStW 93 (1981), 844ff.; Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 102ff; ders., in: Welzel-FS, S. 395f.; Maurach, AT, S. 161 ff; Niese, Finalität, S. 13 ff; Schaffstein, in: Welzel-FS, S. 557ff; Stratenwerth, AT I, Rdn. 147ff; ders., SchwZStR 81 (1965), 179; Zielinski, Unrechtsbegriff, S. 79 ff 95 96 97 98

JZ 1986, 109 ff. JZ 1986, 110. Dazu auch Hirsch, ZStW 93 (1981), 844 ff. AT, S. 177f.

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§3 Handlungsbegriff

während Blei 100 dem Handlungsbegriff nur eine negative Abgrenzungsfunktion beimessen will. Eine Kritik der fHL an deren Widersachern festmachen zu wollen, ist nun in der Tat ein etwas seltsames Unterfangen. Was die Auffassung von Stratenwerth betrifft, so erblickt Schmidhäuser 101 in zwei Punkten eine wesentliche Abweichung von den Grundlagen der fHL: Zum einen beim fahrlässigen Delikt die Verlagerung der individuellen Sorgfaltspflichtverletzung von der Schuld weg schon ins Unrecht hinein. Diese Subjektivierung ist allerdings anfanglich ebenfalls von Welzel 102 vertreten, dann aber wieder verworfen worden. Mag man in ihr auch eine „Denaturierung" der personalen Unrechtslehre sehen 103 , so bedeutet diese Entwicklung dennoch kein Aufgeben des Grundgedankens der fHL, vielmehr eben eine überspitzte Betonung des individuellen Unrechts. Zum anderen weist Schmidhäuser auf die Übernahme der Gedanken der eingeschränkten Schuldtheorie durch Stratenwerth hin und sieht darin die entschiedenste Abkehr von der Ausgangslinie der fHL. Daran ist zwar richtig, daß die Vertreter der f H L zumeist die strenge Schuldtheorie bevorzugen. Da es sich bei dieser Irrtumsproblematik aber letztlich um eine — den Vorsatz als subjektives Tatbestandselement unberührt lassende — reine Wertungsfrage innerhalb der Schuld handelt 1 0 4 , kommt auch diesem Streit nicht die ihm von Schmidhäuser zugeschriebene Bedeutung zu. In der einen Weiterentwicklung oder anderen Abweichung vom Ursprungskonzept der f H L deren „Verfall" zu erblicken, entspricht im Ergebnis eher einem Wunschdenken des betreffenden Autors. Das Fortschreiten der Diskussion spricht in Wahrheit für die Lebendigkeit und Innovationsfähigkeit des in Rede stehenden Systems. II. Der normativierende Handlungsbegriff: Die soziale Handlungslehre

1. Inhalt Handlung ist „sozialerhebliches Verhalten". Dies ist die kürzeste Form der Begriffsbestimmung der sozialen Handlungslehre, wie sie von deren Vertretern überwiegend angeboten wird. 1 0 5 Dabei soll „Verhalten" jede Antwort des 99

Maurach/Zipf, AT I, S. 203 ff. AT, S. 71. 101 JZ 1986, 113 f. 102 ZStW 58 (1939), 559 ff. 103 So Hirsch, ZStW 94 (1982), 277. 104 Vgl. Hirsch, ZStW 94 (1982), 265. Auch Loos (Göttinger Universitätsschriften, A / 5, S. 501 Anm. 79) weist darauf hin, daß Schmidhäuser die Bedeutung der strengen Schuldtheorie für die finalistische Lehre erheblich überschätzen dürfte. 105 Grundlegend Eb. Schmidt, SJZ 1950, 290f.; ders., in: Engisch-FS, S. 339ff.; als heutige Vertreter einer sozialen Handlungslehre sind zu nennen: Bloy, ZStW 90 (1978), 100

II. Der normativierende Handlungsbegriff

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Menschen auf eine erkannte oder wenigstens erkennbare Situationsanforderung durch Verwirklichung einer nach seiner Freiheit zu Gebote stehenden Reaktionsmöglichkeit sein. „Sozialerheblich" sei ein Verhalten dann, wenn es das Verhältnis des Einzelnen zu seiner Umwelt betrifft und dies durch seine Auswirkungen berührt. 106 Das Anliegen der sozialen Handlungslehre besteht offenbar vornehmlich darin, alle denkbaren menschlichen „Verhaltensformen" (Tun/Unterlassen, Vorsatz/Fahrlässigkeit) unter einen Oberbegriff zu fassen. Die Sozialerheblichkeit des Verhaltens bestimme sich nämlich einerseits nach der Willensrichtung (Finalität), andererseits aber auch nach dem Erfolg (Kausalität), endlich (beim Unterlassen) nach der rechtlichen Handlungserwartung. 107 Begriffliche Unschärfen werden dabei in Kauf genommen. Der Wert eines solchen Handlungsbegriffs liege gerade in seiner Neutralität. 108 Indem nun Elemente der Normwidrigkeit in die Handlungsbeschreibung mit aufgenommen werden, verliert die Handlung ihre Vorgegebenheit. Hingewiesen wird deshalb auf den normativen Charakter des sozialen Handlungsbegriffs. 109 Für Noll 110 ist er gar kein Handlungsbegriff mehr, sondern umfaßt einen „Komplex von normativen Zurechnungen". Allerdings läßt es seine Weite zu, auch ontologische Elemente zu integrieren. 2. Kritik Was bei dem sozialen Handlungsbegriff als erstes ins Auge fallt, ist die Unscharfe der Begrifflichkeit. Zunächst sind sich dessen Vertreter nicht einmal einig über die genaue Umschreibung 111 , was bei der (gewollten) Weite dieses Begriffes auch nicht verwundern kann. Innerhalb der angebotenen Definitionen finden sich einzelne Begriffe wie Reaktionsmöglichkeit, Situationsanforderung, soziale Sinneinheit etc., die sich eher als — mit beliebigem Inhalt zu füllende — Begriffshülsen darstellen. Dies gilt etwa für den Allgemeinbegriff der „Reaktionsmöglichkeit": Da der Mensch ständig vor unendlich vielen Reaktionsmöglichkeiten steht, ist es kaum vorstellbar, sie alle als Substrat möglicher

609 ff., 647; Haft, AT, S. 31; Jescheck, AT, S. 199 ff.; ders., in: Eb. Schmidt-FS, S. 139, 150 fi.\Maihofer, Handlungsbegriff, S. 65ff., 72; Maurach/Zipf AT I, S. 203ff.; Wessels, AT, S. 24; E. A. Wolff in: Radbruch-GedS, S. 291 ff., 296; ähnlich auch der „personale Handlungsbegriff 4 von Arthur Kaufmann, in: H. Mayer-FS, S. 114ff. 106 Jescheck, AT, S. 201. 107 Jescheck, in: Eb. Schmidt-FS, S. 151. 108 So ausdrücklich Jescheck, in: Eb. Schmidt-FS, S. 154; siehe auch Haft, AT, S. 31. 109 Vgl. Jescheck, AT, S. 200; Maurach/Zipf, AT I, S. 206; Wessels, AT, S. 24; dazu auch Krauß, ZStW 76 (1964), 32; Noll, Krim. Schriftenreihe 54 (1971), 28. 110 GA 1970, 180. 111 Vgl. die Aufzählung der verschiedenen Formulierungen bei Wessels, AT, S. 23.

§3 Handlungsbegriff

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strafrechtlicher Wertungen anzusehen.112 Und „sozialerheblich" ist für den Menschen als gesellschaftliches Wesen nahezu jedes Verhalten, dies umso mehr, wenn es von strafrechtlicher Relevanz sein soll. Darüber hinaus erhebt sich die Frage, ob ein so beschaffener Handlungs" Begriff' überhaupt noch eine begriffliche Abgrenzungsfunktion erfüllen kann. Das ist insbesondere deshalb zweifelhaft, weil er alle denkbaren „Verhaltensformen" aufnehmen soll. Wenn sich nach Maihofer 113 aus der sozialen Handlungslehre ein „zugleich objektiver und finaler, personaler und sozialer Handlungsbegriff' ergibt, handelt es sich nur noch um ein Konglomerat von Versatzstücken. Damit wird nicht mehr begrifflich abstrahiert, sondern lediglich summiert. 114 Ein solcher Begriff, der sich allumfassend geriert, wird außerdem zugleich völlig inhaltsleer. 115 Die uferlose Weite der jeweiligen Definition dann sogar als „Vorteil" des sozialen Handlungsbegriffs anzusehen, mag dessen Vertretern vorbehalten bleiben. Schließlich bleibt überhaupt unklar, wie eigentlich das „Soziale" im sozialen Handlungsbegriff beschaffen sein soll. Eine Anbindung an Erkenntnisse über gesellschaftliches Sein ist nicht recht erkennbar. Die hierzu erforderliche Basis wäre nach Bloy 116 eine „ausgeführte Theorie der Gesellschaft, die allein sagen könnte, was Gesellschaft ist". Damit verflüchtigt sich dieser Handlungsbegriff vollends in verbale Leerformeln. 117 Seinem eigenen Anspruch, als „Grundstein" des Verbrechenssystems 118 zu dienen, kann er jedenfalls nicht genügen. Hinzu kommt nun noch, daß durch die Einbeziehung wertender Elemente die vortatbestandliche Handlungsstufe verlassen wird. Dies zeigt sich vor allem beim Unterlassen, weil dort auf die Handlungserwartung abgestellt wird. Wie auch Jescheck 119 konzediert, macht die Einbeziehung der Unterlassung in den Handlungsbegriff einen Vorgriff auf den Unrechtstatbestand erforderlich, denn die rechtliche Handlungservtw/w«g als das Kennzeichen der Unterlassung ist — anders als Finalität oder Kausalität — nicht Gegenstand der Bewertung, sondern selbst ein Wertmerkmal, das als Garantenpflicht den Tatbestand mit 112

So zutr. Noll, Krim. Schriftenreihe 54 (1971), 28. Eb. Schmidt-FS, S. 178. 114 So auch Krauß, Zurechnung, S. 48. 115 Je umfassender ein Begriff ist, desto inhaltsärmer ist er zugleich. Umfang einerseits und Inhalt andererseits stehen also in einem reziproken Verhältnis; vgl. dazu Wagner, in: HphG I, S. 201 (Stichwort „Begriff). 116 ZStW 90 (1978), 657. 117 Stratenwerth, AT I, Rdn. 153; ebenso Hirsch, ZStW 93 (1981), 854 Anm. 75; skeptisch gegenüber der Leistungsfähigkeit der sozialen Handlungslehren auch Blei, AT, S. 74f.; Bockelmann, AT, S. 49; Kindhäuser, Intentionale Handlung, S. 154; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor § 13 Rdn. 35; Nowakowski, JB1.1972,21 f.; Otter, Funktionen des Handlungsbegriffs, S. 122; Roxin, ZStW 82 (1970), 679 ff. 118 So Maihofer, Handlungsbegriff, S. 10. 119 Eb. Schmidt-FS, S. 152. 113

III. Der neue sprachphilosophische Ansatz

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konstituiert. Der strafrechtliche Handlungsbegriff sei insoweit ein „reiner Rechtsbegriff". Gegen eine solche Gemengelage von Substrat und Wertung spricht indes, daß dann der Anknüpfungspunkt für die rechtliche Erfassung nicht mehr klar wird. 1 2 0 Zudem wird damit der Handlungsbegriff letztlich aufgegeben. Denn wenn er nicht mehr als dem Tatbestand vorgelagerter Grundbegriff verstanden, sondern in jenen gleichsam integriert wird, verliert er jede eigenständige Funktion. Endlich dürfte die Handhabung als „reiner Rechtsbegriff" der tiefere Grund für die oben kritisierte begriffliche Unschärfe sein. Nach alledem erweist sich, daß der soziale Handlungsbegriff als solcher untauglich ist. Die Befassung mit ihm macht außerdem schlaglichtartig die Grundproblematik einer normativierenden Dogmatik deutlich: Sobald das Objekt der Wertung aus dem Blick gerät und bloßen Wertungen weichen muß, ist der Weg frei für schwer überprüfbare Beliebigkeiten. Diesem Gesichtspunkt wird deshalb auch in der weiteren Untersuchung besondere Aufmerksamkeit zu widmen sein. III. Der neue sprachphilosophische Ansatz: Intentionale Handlung

1. Einführung In jüngster Zeit macht eine intentionale Handlungslehre von sich reden. Nach ihr ist wesentlich für den Handlungsbegriff der Zusammenhang von Wille und Tun, also das Element der Intentionalität. 121 Auf den ersten Blick stimmt dieses Anliegen mit dem der f H L überein. Auch begrifflich hatte Welzel zunächst von „Intentionalität", erst später von „Finalität" gesprochen. 122 Damit enden aber bereits die Gemeinsamkeiten. Die intentionale Handlungslehre fußt auf der analytischen Sprachphilosophie. 1 2 3 Eine solche Untersuchung habe es (lediglich) mit einer Begriffsexplikation zu tun, d.h. mit einer Analyse der Kriterien und Regeln, aufgrund derer dem Handlungsbegriff Bedeutung zukommt. Der Begriff der Handlung sei nicht deskriptiven, sondern askriptiven Charakters. 124 Verstehe man aber die Hand-

120 In dieser Richtung auch die Kritik von Hirsch, ZStW 93 (1981), 853; Otter, Funktionen des Handlungsbegriffs, S. 122. 121 Schmidhäuser, StuB 5/5. 122 Vgl. Welzel, ZStW 51 (1931), 709ff.; ders., Vom Bleibenden, S. 29f.; ders., JuS 1966, 423. 123 Kindhäuser, Intentionale Handlung, S. 11; vgl. auch Alwart, Recht und Handlung, S. 105ff.: Handlungslehre der analytischen Hermeneutik. 124 Kindhäuser, Intentionale Handlung, S. 16.

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§3 Handlungsbegriff

lung als begriffliche Relation, dann könnten auch aus der „Natur der Sache" keine zwingenden Folgerungen abgeleitet werden. 125 Im folgenden wird es vor allem darum gehen, das „Intentionale" am intentionalen Handlungsbegriff genauer zu untersuchen, seine Unterschiede zur f H L zu klären sowie ihn auf seine Ergiebigkeit für die juristische Diskussion hin zu überprüfen. 2. Die einzelnen Auffassungen a) Nach dem (sprachanalytischen) Handlungsbegriff von Kindhäuser 126 bezeichnet der Handlungsbegriff weder ein Ereignis, noch benennt er eine Entität, noch kann er mit einer Zustandsveränderung gleichgesetzt werden. Vielmehr betrifft er das Hervorbringen von Veränderungen im Sinne einer Relation zwischen faktischen und kontrafaktischen Ereignissen, das wir jemandem — als Verantwortlichem — zuschreiben. Der Satz von Welzel 121: „Die finale Handlungslehre ist jedoch keine Theorie von Wortbedeutungen, sondern von der Sachstruktur der Handlung" sei unzutreffend, soweit er Wortbedeutungen von Sachstrukturen trennt. Ob eine Handlung als solche wirklich gegeben ist, ob eine ontische Entität dieses Namens in irgendeiner Seinsweise existiert, seien unsinnige Fragen, weil es kein Ja oder Nein des Beantwortens gebe. Wir könnten nur in konkreten Fällen fragen, ob jemand gehandelt habe oder nicht. Und diese Entscheidung hängt davon ab, nach welchen Regeln wir die Beurteilung vornehmen. Um also zu erkennen, was eine Handlung ist, bedürfe es keiner metaphysischen Spekulation über deren Wesen, sondern eines Ausschauens nach den Regeln dafür, wann und unter welchen Umständen wir von einer Handlung sprechen. 128 Demzufolge geht es dem intentionalen Handlungsbegriff darum, Veränderungen in der Welt zu erklären. 129 Einerseits beobachte der Mensch den Verlauf der Welt, andererseits aber greife er auch in diesen Verlauf ein. Dadurch lerne er zu unterscheiden, ob ein Ereignis von selbst eintritt oder ob dieser Eintritt von ihm nur sichergestellt werden kann, wenn er in den Verlauf eingreift. Die zugrunde liegenden Kausalvorstellungen sind nach einem solchen Modell als Handlungsrezepte zu verstehen. Der Handlungsbegriff bezieht sich somit auf ein faktisches Ereignis in der Welt und ein kontrafaktisches Ereignis, nämlich ein Ereignis, das stattgefunden 125 Kindhäuser, Rechtstheorie 1980, 494; ähnlich hält Alwart (Recht und Handlung, S. 126) es für eine Illusion, daß das Vielgestaltige der Handlung als ein Wesen verfügbar sei (Hervorhebung dort). 126 Intentionale Handlung, S. 16. 127 Das neue Bild, S. 13. 128 Ygi Kindhäuser, Intentionale Handlung, S. 48 f. 129

Kindhäuser,

Rechtstheorie 1980, 487 f.

III. Der neue sprachphilosophische Ansatz

65

hätte, wenn der Handelnde nicht in den Verlauf eingegriffen hätte. 1 3 0 So gesehen werden auch Unterlassungen in den Handlungsbegriff einbezogen, nämlich als Handlungen „zweiter Ordnung", die auf einfachen Handlungen, die ein Ereignis zum Handlungsergebnis haben, basieren. Anders ausgedrückt: Unterlassungen sind Relationen zwischen einer faktischen und einer kontrafaktischen Handlung erster Ordnung. 131 Mit der Verknüpfung von Handlung und ihrem Ergebnis ist der Begriff der „Basis-Handlung" angesprochen. 132 Es sei ein Mißverständnis anzunehmen, eine Handlung verursache ihr Ergebnis. Eine Handlung könne aus logischen Gründen nicht die Ursache ihres Resultates sein. Das Ergebnis einer Handlung kann zwar Folgen haben, die identisch mit den Konsequenzen einer Kausalrelation sein mögen. Während aber die kontingenten Ereignisse im Rahmen einer Kausalreihe isoliert identifiziert werden können und somit voneinander unabhängig sind, bestehe zwischen dem Ergebnis einer Handlung und ihren Folgen eine logische Relativität. Basis-Handlung ist das Tun, mit dem man etwas herbeiführt. 133 Somit verlange ein Handlungsbegriff, der auf Basis-Handlungen aufbaut, daß der Handelnde in der Lage sein muß, durch ein Tun ein Ergebnis (als potentielles Handlungsergebnis) herbeizuführen. Die Basis-Handlung könne demnach als „Keimzelle" eines Handlungsbegriffs angesehen werden. 134 Die sprachliche Explikation des Handlungsbegriffs führt zu folgender Definition: „Eine Handlung ist ein entscheidbares Tun, durch das der Handelnde in der Lage ist, ein Ereignis herbeizuführen." 135 Die „Schwächen" der fHL sieht Kindhäuser 136 demgegenüber in der Behandlung der Unterlassungs- und Fahrlässigkeitsdelikte, beides Punkte, die mit der Kausalität zusammenhingen. Da Unterlassungen nicht als willentlich verursachte Zustandsveränderungen bestimmt werden, könne es keinesfalls gelingen, Unterlassungen als eine Form des Handelns zu würdigen. Die Verneinung des Handlungscharakters von Unterlassungen werde unserer Sprache über Handlungen und der sich in ihr widerspiegelnden Erfahrung indes nicht gerecht. Daneben wird das Fahrlässigkeitsdelikt (wieder einmal) zur „Achillesferse" der finalen Lehre deklariert. Erkenntnistheoretisch fragwürdig sei überdies der Ausgangspunkt der fHL, die Ontologisierung des Willens.

130

Kindhäuser, GA 1982, 490 f. Kindhäuser, GA 1982, 491; vgl. auch ders., Intentionale Handlung, S. 177. 132 Eingehend dazu Kindhäuser, Intentionale Handlung, S. 84ff.; ders., Rechtstheorie 1980, 479 ff. 133 Kindhäuser, Intentionale Handlung, S. 88. 134 Kindhäuser, Rechtstheorie 1980, 495. 135 Kindhäuser, Intentionale Handlung, S. 216; ders., ZStW 96 (1984), 16. 136 Intentionale Handlung, S. 185 ff. 131

5 Küpper

$3 HandlungsbcgrilT

66

b) In seinem Studienbuch vertritt jetzt auch Schmidhäuser 137 eine intentionale Handlungslehre, die im Einklang stehen soll mit neueren allgemeinwissenschaftstheoretischen Analysen zum Handlungsbegriff. Die Handlung sei als gewolltes Tun zugleich tätiggewordener Wille und vom Willen gesteuerte Tätigkeit. Sie habe also eine Innen- und eine Außenseite. Auf der Innenseite der Handlung sei der Wille (als die Intention des Handelns) in dem Sinne gemeint, daß der Mensch sich in den ihm verfügbaren Begriffen Ziele setzen und willentlich auf die Erreichung dieses Zieles hin tätig werden kann, daß er Zwecke verfolgt, indem er Mittel einsetzt. Der Wille bestimme die Richtung des Handelns. Dabei seien zwei verschiedene Bewußtseinsmomente zu unterscheiden: einmal als intentionales Element das Erfassen des Zieles, sodann als kognitives Element das Wissen oder die (u.U. falsche) Vorstellung des Handelnden, wie das Ziel erreicht werden kann. 1 3 8 Zielvorstellung und Intention sind bestimmt durch das menschliche Erfahrungswissen, das der Handelnde selbst entwickelt oder von anderen übernommen hat. In ihrer Außenseite könne die Handlung verschieden weit gesehen werden. Zunächst gehe es immer um die gewollte körperliche Bewegung als solche oder auch um eine Abfolge von Bewegungen. Wille und Bewegung bilden hier, in der Ausgangshandlung (Basishandlung), eine Einheit. Ein erweiterter Begriff ergebe sich, wenn und soweit man die gewollten und herbeigeführten Wirkungen (Folgen) der Basishandlung als deren Erfolg einbezieht. Man mag sie Folgenhandlung oder Erfolgshandlung nennen; sie umfasse die Basishandlung und deren Folgen, soweit sie der Zielvorstellung des Handelnden entsprechen. 139 Den Unterschied zur fHL sieht Schmidhäuser 140 darin, daß sie den Willen als psychisches Phänomen mit dem Rechtsbegriff des Vorsatzes gleichsetze, genauer: mit dem „Tat vorsatz", verstanden als „Wissen und Wollen der Tat". Der Begriff des Willens/Vorsatzes solle sich danach nicht lediglich auf die Intentionalität (die „eigentliche Finalität"), also auf die Setzung von Mittel-ZweckZusammenhängen beziehen, sondern auch auf die bloße Gewißheits- oder Möglichkeitsvorstellung des Handelnden hinsichtlich des Eintritts einer bestimmten Handlungs-(Neben-)Folge. Zu einer solchen „Verwässerung" des Willensbegriffs sehe man sich gezwungen, weil andernfalls, aufgrund des verfehlten Ausgangspunktes, die Bestrafung wegen vorsätzlicher Tat unsachgerecht eingeengt werden müßte. Im übrigen erfaßten die sog. finalen Konzeptionen die Handlung nicht als Einheit von Wille und Tun. Sie hielten für den gefolgerten Straftatbegriff vielmehr an der überkommenen strikten Aufspaltung von „außen" und „innen", von „objektiv" und „subjektiv" fest, indem sie

137 138 139 140

StuB 5/5 ff. Schmidhäuser, StuB 5/8. Schmidhäuser, StuB 5/10. StuB 5/15.

III. Der neue sprachphilosophische Ansatz

67

innerhalb des Unrechtstatbestandes objektiven und subjektiven Tatbestand unterscheiden. c) Schließlich hat Alwart die Thematik „Recht und Handlung" aus hermeneutischer Sicht erörtert. Durch die sprachanalytische Philosophie sollen Verstehen, Begriff und Bedeutung eine Grundlage erhalten, die geeignet ist, Sprechen und Handeln bedeutungstheoretisch zu vereinen. 141 Alwart 142 nimmt eine Unterteilung in theoretische Hermeneutik (Sprachtheorie) und praktische Hermeneutik (Handlungstheorie) vor. In den Kern der praktischen Hermeneutik führe der Vergleich: Das Handeln ähnelt dem Sprechen. Wie ein Begriff nichts anderes ist als die Bedeutung eines Wortes, so sei eine Handlung nichts anderes als die Bedeutung eines Verhaltens. 143 Der Unterschied bestehe allerdings darin, daß Wortbedeutungen (Begriffe) vom Wollen der einzelnen Person unabhängig sind, während Verhaltensbedeutungen (Handlungen) gerade durch das individuelle Wollen konstituiert werden. Im einzelnen betrifft die praktische Hermeneutik subjektive und objektive Zurechnung. 144 Erstere wird in dreifacher Hinsicht (gewolltes, bewußtes, unbewußtes Handeln) bedeutsam. Subjektive Zurechnung und hermeneutische Deutung würden erst dann gegenstandslos, wenn trotz gegebener körperlicher Bewegung schlechthin jeder Handlungswille fehlt, wenn also jemand bewußtlos oder bewegt wird, ohne sich zu bewegen. Zum Handlungsverstehen gehöre außerdem die objektive Zurechnung in den drei Formen: Herbeiführen, Ermöglichen, Verhindern (produktive, permissive und präventive Handlungen). Daraus ergibt sich insgesamt eine „Handlungsfamilie" mit neun Angehörigen, nämlich Kombinationen aus jeweils einer der drei Arten subjektiver und denen objektiver Zurechnung. Die Problematik des strafrechtlichen Finalismus soll nach Alwart 145 darin bestehen, daß er das — für eine Handlung — bloße Epiphänomen des Wissens oder Vorstellens verselbständigt habe. Die f H L glaube nämlich, Finalität auch mit der Begründung annehmen zu können, daß sich der Handelnde gewisse Gedanken und Vorstellungen über Nebenfolgen seiner Handlung macht. Ein Mz7-Wollen gebe es jedoch nur im Sinne von Motiv-Verknüpfungen; das bloße Vorstellen hingegen sei allenfalls handlungsbegleitend, nicht aber handlungskonstitutiv. Dieses fragwürdige Vorgehen der f H L hänge damit zusammen, daß sie den strafrechtlichen Vorsatzbegriff von der Finalität bzw. Intentionalität der Handlung her definiere und daher gezwungen sei, den Willensbegriff zu „verwässern", wenn sie nicht die Grenze zum Gegenstück der fahrlässigen Tat 141 142 143 144 145

5*

Alwart, Recht und Handlung, S. 87. Recht und Handlung, S. 104. Vgl. Alwart, Recht und Handlung, S. 110 (Hervorhebungen dort). Zum folgenden näher Alwart, Recht und Handlung, S. 114ff. Recht und Handlung, S. 123 ff.

§3 Handlungsbgriff

68

aus dem Blick verlieren will. Denn Fahrlässigkeit könne erst dort beginnen, wo eine Handlungsfolge sowohl ungewollt als auch unbewußt herbeigeführt wird; d.h. um Fahrlässigkeit annehmen zu können, reiche es nicht aus, bloß das entsprechende Wollen zu negieren. Ausgehend von dieser Kritik wendet sich Alwart 146 der Analyse des Willensmomentes im Handeln zu, also desjenigen Momentes, das die subjektive Bedeutung einer Handlung konstituieren soll. Die Theorie der subjektiven Zurechnung müsse zu einer Motivlehre verfeinert werden, denn nicht alles Wollen sei Antizipation und Intention. Wer mit einer Intention handelt, der werde um eines Zieles willen tätig; er folge seinen in die Zukunft gerichteten Entwürfen. Dazu gehöre aber immer auch ein Nicht-Wollen (wer z. B. Spazierengehen will, wolle nicht dort bleiben, wo er ist). Man habe also den „AnstoßSinn" einer Handlung von deren „Abstoß-Sinn" zu unterscheiden. Im ersten Fall sei der Wille die Intention, mit welcher der Handelnde tätig wird, im zweiten Fall das Motiv, auf dem die Handlung beruht. Von diesem Ausgangspunkt her werde deutlich, daß ein (partielles) Handlungsverstehen keineswegs das einbeziehen muß, was der Handelnde will, sondern sich auf das beschränken kann, was er nicht will. d) Die intentionale Handlungslehre beruht ganz auf den Untersuchungen des Philosophen Georg Henrik von Wright, der selbst wiederum an das Werk „Intention" von G. E. M. Anscombe anknüpft. 147 Es erscheint daher von Interesse, diesen Grundlagen auf die daraus hergeleiteten Schlußfolgerungen hin nachzugehen. Beim Handlungsbegriff hält v. Wright 148 es für zweckmäßig, zwischen dem Tun und dem Herbeiführen von etwas zu unterscheiden. Dadurch, daß wir gewisse Dinge tun, führen wir andere herbei. Beispiel: Dadurch, daß wir ein Fenster öffnen, lassen wir frische Luft in das Zimmer. Die Ursache (Fensteröffnen) wird als Ergebnis und die Wirkung als die Folge bezeichnet, zwischen denen eine Bedingungs-Relation bestimmter Art existiert. Ein schwerer Fehler sei es, wenn man die Handlung für die Ursache ihres Ergebnisses hält; vielmehr ist das Ergebnis ein „wesentlicher" Teil der Handlung selbst. Handlungen, von denen man nicht sagen könnte, daß sie dadurch vollzogen werden, daß man etwas anderes tut, werden Basis-Handlungen genannt. 149 Vergleicht man diese Auffassung mit der fHL, so sind die Unterschiede weitgehend nur terminologischer Art. Die Handlung als Willensverwirklichung 146

Recht und Handlung, S. 126ff.; vgl. auch ders., GA 1983, 437fif., dort unterscheidend zwischen „Umzu-Motiv" und „Weil-Motiv". 147 Vgl. den Hinweis bei v. Wright, Erklären und Verstehen, S. 36; zur Rezeption seines Ansatzes siehe Kindhäuser, Intentionale Handlung, S. 146ff.; Schmidhäuser, StuB, S. 80 Anm. 8; Alwart, Recht und Handlung, S. 86ff., 132f. 148 Erklären und Verstehen, S. 68 ff. 149 v. Wright, Erklären und Verstehen, S. 70.

III. Der neue sprachphilosophische Ansatz

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wird mit den ausgewählten Mitteln auf das Ziel hin realisiert. Im Beispiel v. Wrights wäre das Mittel zur Erreichung des intendierten Erfolgs (Lufteinlassen) das Fensteröffnen. Die sog. Basis-Handlung ist Bestandteil des Handlungsvollzugs, getragen vom Verwirklichungswillen als „Rückgrat" der finalen Handlung. 1 5 0 Der Erfolg gehört — als deren Endstück — zum Unrecht der vorsätzlichen Tat. 1 5 1 Denn das willensgelenkte Handeln soll ja auf ein bestimmtes Ergebnis zusteuern. Wird aber dieses Ziel verfehlt, so geht die Intention ins Leere. Es verbliebe ein „erfolgskupierter" bloßer Tätigkeitsakt ohne Wirkung in der Außenwelt. Doch die Intention ist kein Selbstzweck, sondern auf Verwirklichung angelegt. Die (vollendete) Handlung umfaßt deshalb die Realisierung des Gewollten, sie bedeutet Ausführung plus Zielerreichung. Das Resultat ist mit der zugrundeliegenden Intention genuin verknüpft. Entgegen Schmidhäuser 152 ergibt sich also auch bei der von der fHL ausgehenden personalen Unrechtslehre keine „strikte Aufspaltung" von Wille und Tun. Charakteristisch ist vielmehr die dialektische Bezogenheit von subjektiver und objektiver Komponente. Was die innere Seite der Handlung angeht, so steckt nach v. Wright 153 die Intention oder der Wille „hinter" ihren äußeren Manifestationen. Ebenso versteht die f H L eine Handlung als „Objektivation des Willens in einer äußeren Tat" 1 5 4 \ Allerdings gibt es auch nach v. Wright 155 Aktivitäten, denen jede Intentionalität fehlt; diese werden Reflexhandlungen genannt. Genau das sagt wiederum die fHL. Schließlich enthalte auch das Merkmal der Intention ein kognitives und ein voluntatives Element; beide Aspekte könne man nicht trennen. 156 Dies ist dem Autor von den Vertretern der intentionalen Handlungslehre allerdings noch nicht — anders als der f H L — als „Verwässerung" des Willensbegriff vorgehalten worden. V. Wright 157 befaßt sich auch mit nicht (direkt) gewollten Folgen der Handlung. Wenn jemand das Fenster öffnet und das Zimmer lüftet, kann es eine weitere Folge dieser Handlung sein, daß jemand zu frösteln anfängt und daß dies vom Handelnden vorhergesehen werden kann. Sollen wir nun sagen, daß seine Handlung insoweit intentional war? Der Autor bezweifelt, daß es für die Entscheidung dieser Frage klare Kriterien gibt. Die Einschränkungen, die man hier machen müsse, seien letztlich „moralischer" Natur: Wenn man den Handelnden für das, was er vorhersah, dessen Zustandekommen er aber nicht 150 151

Vgl. WelzeU LB, S. 34. Zur Stellung des Erfolgs im Unrechtsbegriff eingehend Hirsch, ZStW 94 (1982),

240 f f 152 153 154 155 156 157

StuB 5/15. Erklären und Verstehen, S. 85. WelzeU LB, S. 63. Erklären und Verstehen, S. 86. v. Wright, Erklären und Verstehen, S. 98 f. Erklären und Verstehen, S. 88.

§3 Handlungsbegriff

70

intendiert hat, tadeln kann, dann sei die vorhergesehene Folge etwas, was er intentional tat und wofür wir ihn verantwortlich halten. In juristischer Diktion geht es durchaus parallel um die ebenso schwierige Frage der Reichweite des (bedingten) Vorsatzes. Jedenfalls ist es auch bei v. Wright so, daß die Herbeiführung unbeabsichtigter Nebenfolgen nicht von vornherein aus dem Begriff der Intentionalität herausfällt. Was schließlich die Unterlassungen angeht, so stellen sie sich nach v. Wright 158 als passive Gegenstücke zu den Handlungen dar. Durch Unterlassen führt man nichts herbei oder verändert es; vielmehr: „Wir lassen die Welt sich selbst verändern" 159 . Es sei allenfalls zu überlegen, ob man Unterlassungen als ein „Verhalten" ansehe. Auch mit diesen Erwägungen steht die fHL in Einklang: Unterlassung als nichtkausales Gegenstück der Handlung, wobei die etwaige Einbeziehung in den Verhaltensbegriff als nur terminologische Frage verbleibt. 160 Damit erweist sich ein weiteres Mal, daß die von den strafrechtlichen Vertretern der intentionalen Handlungslehre behaupteten Differenzen zur f H L einer Überprüfung ihrer Grundlagen nicht standhalten. 3. Ergebnis Die Untersuchung der intentionalen Handlungslehre hat ergeben, daß sie im Grundansatz über die Erkenntnisse der f H L nicht hinausführt, sondern deren Resultate — aus einem anderen Blickwinkel — letztlich bestätigt. Ob „Intentionalität" oder „Finalität", es geht um die Realisierung eines vorgesetzten Handlungswillens. Betrachtet man allerdings die intentionale Handlungslehre in ihrer strafrechlichen Ausprägung, so mehren sich zugleich die Bedenken: Manche der dort verwendeten Termini sind wenig präzise 161 ; auch will es nicht recht einleuchten, wenn — wie bei Schmidhäuser — die Intention der Handlung zugeschlagen, der Vorsatz (als strafrechtlich bewertete Intention) hingegen dennoch in die Schuld verwiesen wird 1 6 2 . Keinen Gewinn verspricht ebenfalls die hermeneutische Deutung der — von Alwart sog. — subjektiven Zurechnung. Daß nämlich das „Bewegtwerden" als gleichsam amorphe Masse keine (willensgetragene) Handlung darstellt, ist 158

Erklären und Verstehen, S. 89. v. Wright, Erklären und Verstehen, S. 65. 160 Zur Trennung zwischen terminologischer und sachlicher Seite bei der Unterlassungsproblematik siehe auch Hirsch, ZStW 93 (1981), 852 f. 161 Nach Lenckner (Schönke/Schröder, Vor §13 Rdn. 36) muß sich ein solcher Handlungsbegriffeher als hinderlich erweisen, wenn auf der „Außenseite" der Handlung auch die bezweckten Folgen in den Handlungsbegriff einbezogen werden (Folgenhandlung): Unbezweckbare Folgen rechneten dann nicht mehr zur Handlung, wohl aber sollen sie, soweit objektiv zurechenbar, zur Tat gehören, wobei jedoch unklar sei, wie dies möglich sein soll. 159

162

Dahingehend auch die Kritik von Jakobs, AT, S. 117 Anm. 68.

III. Der neue sprachphilosophische Ansatz

71

Allgemeingut aller Handlungslehren und sagt über den positiven Inhalt des Handlungsbegriffs nichts aus. Eine willensunabhängige Körperbewegung wird auch von denjenigen nicht als Handlung angesehen, die dem Handlungsbegriff lediglich eine negative Abgrenzungsfunktion zuerkennen wollen. Unklar bleibt zudem die Differenzierung zwischen Intention (Anstoß) und Motiv (Abstoß). Der „Abstoß-Sinn" der Handlung ist in Wahrheit nur unselbständiger Nebeneffekt des Vorhabens: Wenn ich von X nach Y gehen möchte, versteht sich das Verlassen des Ortes X von selbst. Besser wäre zwischen Motiv und konkretem Handlungsziel zu unterscheiden, z. B. um Rache zu nehmen will der Täter einen Menschen töten. Allein das Ziel ist dabei (final) intendiert; das Motiv macht zwar den „Sinn", nicht aber die Struktur der Handlung deutlich. Über diese einzelnen Kritikpunkte hinaus sind einige Bemerkungen zum sprachphilosophischen Ansatz angezeigt. Kindhäuser 163 wendet sich gegen die Trennung von Sprache und Wirklichkeit, hält die Frage nach der Realität für sinnlos und will nur noch nach Sprachregeln Ausschau halten. Wenn aber die analytische Philosophie dann über Sprache redet, muß sie sich die Frage gefallen lassen, wie sie denn ihren Gegenstand zutreffend erfassen will. Geschieht dies in einer Metasprache (im Unterschied zur Objektsprache), so bleibt offen, woher deren Kriterien kommen sollen — doch allenfalls aus einer Metametasprache etc. ad inflnitum. 1 6 4 A n der Suche nach der adaequatio intellectus et rei führt deshalb kein Weg vorbei. Versteht man im übrigen den Terminus „adaequatio" im Sinne von Entsprechung der Aussage in Relation zum Sachverhalt 165 , so müßte das gerade auch für einen Sprachphilosophen akzeptabel sein. Gravierender noch ist der Realitätsverlust dieser Richtung. Auf sie trifft die, angesichts früherer Tendenzen ähnlicher Art geäußerte, kritische Bemerkung N. Hartmanns 166 zu: Die Frage, „wie können wir vom ... Seienden etwas wissen" werde abgelöst durch die Frage, „wie können wir auch nur eindeutig davon reden", ja es „meinen". Dadurch wird außer acht gelassen, daß es stets um Sachverhalte geht, die in Rede stehen, also um Wissenschaft von etwas und Sprechen über etwas. Kurz gesagt: „Das Leben verlangt mehr als,Sprachspiele 4 Wittgensteinscher A r t . " 1 6 7

163

Intentionale Handlung, S. 16f., 48f. Der Vorgang der „Metaisierung" kann prinzipiell beliebig oft wiederholt werden, es sind also unendlich viele Iterationen möglich; vgl. Seiffert, Wissenschaftstheorie I, S. 92. 165 Schon Thomas von Aquin gebrauchte für adaequatio (Angleichung) den terminus „correspondentia" (Entsprechung); vgl. den Hinweis bei Heidegger, Sein und Zeit, S. 214. Auch in der juristischen Hermeneutik wird das Verhältnis von Norm und Sachverhalt als „Entsprechung" bezeichnet; vgl. Hassemer, ARSP 1986, 201. Zur Vermittlung von Sache und Sprache siehe ferner Gröschner, JZ 1982, 622 f. 166 Ontologie, S. 1; aus neuerer Zeit vgl. die Kritik an den sprachphilosophischen Richtungen bei Albert, Traktat, S. 142; F. Schneider, Philosophie der Gegenwart, S. 121. 167 F. Schneider, Philosophie der Gegenwart, S. 127. 164

72

§ 4 Tun und Unterlassen

Hinzu kommt, daß die Berufung auf „richtiges" Sprechen im Einzelfall zu fragwürdigen Behauptungen führt. Dies zeigt sich beispielsweise beim Verständnis des Unterlassungsdelikts. Hier bemängelt Kindhäuser 168, daß die Identifizierung von Handlungen mit Kausalverläufen zu einer Verneinung des Handlungscharakters von Unterlassungen führt, einer Verneinung, die unserer Sprache über Handlungen nicht gerecht werde. Daß es sich sprachlich doch wohl anders verhält, machen etwa die plastischen Beispiele von Walder 169 deutlich: Wer ein Kind so vernachlässigt, daß dessen Gesundheit eine Schädigung erleidet, oder wer es unterläßt, eine Maschine zu überwachen, worauf diese heißläuft und eine Feuersbrunst bewirkt, habe nun einmal „nichts getan". Nicht die Kausalität sei in diesen Fällen das Bindeglied, das ein Verhalten mit dem Erfolg verknüpft — das Kind hat „von sich aus" einen Schaden erlitten, die Maschine ist „von selber" heißgelaufen; es ist erst die Garantenstellung des Unterlassenden, welche die Beziehung von Rechts wegen herstellt. Das Unterlassen als Handeln anzusehen, verkehrt also eher den Sprachsinn ins Gegenteil. 170 Sprachlich ungenau ist endlich auch die Behauptung von Seiten der intentionalen Handlungslehre, daß die f H L den Handlungswillen mit dem Vorsatzbegriff identifiziere 171 bzw. gleichsetze172. Hier wird nichts „identifiziert", sondern ein (vorrechtlicher) Gegenstand mit einer strafrechtlichen Bewertung versehen.

§ 4 Tun und Unterlassen I. Ontologische Fundierung

Für die Abgrenzungsproblematik war ursprünglich allein der seinsmäßige Ansatz maßgebend. Er wurde zunächst streng naturalistisch angegangen: Handlung sei Körperbewegung, Unterlassen dagegen Körperruhe. 1 Der Naturalismus dieser Auffassung zeigt sich noch deutlicher in der Beschreibung des Unterlassens als „Nichtanspannung der Muskeln". 2 Ihr Herkommen verdanken solche Abgrenzungsversuche dem Weltbild der kausalen Handlungslehre; schon deshalb verdienen sie heute nur noch historisches Interesse.

168

Intentionale Handlung, S. 189. SchwZStR 93 (1977), 121; siehe auch die Beispiele bei Maiwald, JuS 1981, 474. 170 Ebenso Hirsch, ZStW 93 (1981), 852. 171 Kindhäuser, Intentionale Handlung, S. 187. 172 Schmidhäuser, StuB 5/15; vgl. auch ders., Vorsatzbegriff, S. 27: Die Vertreter der fHL hätten die Finalität seit je zum Rechtsbegriff des Vorsatzes „verzerrt". 1 Vgl. v. Liszt, LB, S. 126; M. E. Mayer, AT, S. 108; Böhm, Rechtspflicht, S. 24; ähnlich noch Gössel, ZStW 96 (1984), 327: körperliche Aktivität oder Inaktivität. 2 Beling, Grundzüge, S. 12. 169

I. Ontologische Fundierung

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Als Verfeinerung dieses Ansatzes und gleichzeitig als Abrücken von dieser stark simplifizierenden Betrachtungsweise kann die von Engisch 3 begründete Energiethese angesehen werden. Danach ist das Tun als Energieaufwand, das Unterlassen als Nichtaufwand von Energie in einer bestimmten Richtung aufzufassen. Diese These soll im Einklang stehen mit der natürlichen Auffassung und dem alltäglichen Sprachgebrauch, nämlich „Energie" als willkürlicher Krafteinsatz. Allerdings will ihr Begründer die Energiethese nicht etwa naturalistisch konzipiert wissen. Vielmehr sei zu betonen, daß gerade die Bestimmung des Energieeinsatzes als „Leistung" oder „Anstrengung" auf einen sozial sinnhaften, wenn man so will normativen Ansatzpunkt des Energiekriteriums hinweist. 4 Es ist indes nicht recht erkennbar, worin die Normativität dieser Auffassung bestehen soll. Denn der Einsatz von Kraft (griech. energeia) ist ein seinsmäßiges Kriterium 5 , das ohne besondere Wertungen in der Außenwelt feststellbar ist. Überwiegend wird der maßgebliche Ansatzpunkt in der Anwendung des Kausalitätskriteriums gefunden. 6 Habe der Täter den tatbestandlichen Erfolg verursacht, so handle es sich um ein Begehungsdelikt. Dies gilt selbstverständlich nur dann, wenn auch die übrigen Deliktsmerkmale (insbes. Vorsatz und Fahrlässigkeit) vorliegen. Erfüllt das aktive Tun nicht alle StrafbarkeitsVoraussetzungen, so scheidet es aus der Betrachtung aus. Zustimmung verdient nach dem hier vertretenen Standpunkt die letztgenannte Ansicht. Da Handlung ein Indienststellen der Kausalität bedeutet, ist das Gegebensein einer kausalen Einwirkung zugleich konstitutiv für das Vorliegen einer Handlung. Wer handelt, verändert die Außenwelt; wer unterläßt, läßt den Dingen ihren Lauf. 7 Handeln durch positives Tun und Kausalität sind also interdependent. Wie Samson8 mit Recht betont hat, ist dieser Ansatz auch nicht naturalistisch und wertfremd, sondern stellt das formalisierte Verfahren zur Erfassung der materialen Differenzen dar: Hat der Täter eine ungünstige Rechtsgutslage herbeigeführt, dann hat er durch Begehung die Rechtsgutslage verschlechtert und gegen ein Verbot verstoßen. Ist er nicht Bedingung für die schließlich eingetretene Rechtsgutslage, dann hat er ein Gebot 3 Kausalität, S. 29; Weltbild, S. 38 Anm. 70; MSchrKrim. 1939, 423; ihm folgend Androulakis, Studien, S. 55; Otto, AT, S. 168; Schlüchter, JuS 1976, 795; Welp, Vorangegangenes Tun, S. 110 ff. 4 Engisch, in: Gallas-FS, S. 173; ebenso Kamps, Arbeitsteilung, S. 87f. 5 So auch Maurach/ Gössel, AT II, S. 175. 6 Vgl. Bockelmann, AT, S. 150; Fünfsinn, Aufbau, S. 42; Grünwald, Unterlassungsdelikt, S. 26; Jescheck, AT, S. 545; ders. L K , Vor § 13 Rdn. 83; Roxin, ZStW 74 (1962), 415; Samson, in: Welzel-FS, S. 595; Welzel, LB, S. 203; eine Kumulation von Energie- und Kausalitätskriterium findet sich bei Rudolphi, SK, Vor § 13 Rdn. 6; Sieber, JZ 1983, 435; dem nahestehend Behrendt, Unterlassung, S. 190. 7 Siehe bereits oben S. 46. 8 Welzel-FS, S. 595.

74

§ 4 Tun und Unterlassen

verletzt, sofern er zur Verbesserung der Rechtsgutslage fähig war und eine ihn zum verbessernden Handeln verpflichtende Garantenstellung innehatte. Das Kausalitätskriterium findet demnach seine Stütze in normtheoretischen Überlegungen: Das Verbot verletzt, wer einen verschlechternden Eingriff vornimmt, das Gebot verletzt, wer dem Rechtsgut nicht die verbessernde Leistung erbringt. II. Normative Betrachtung

Die in Rede stehende Abgrenzungsproblematik wird heute zunehmend als Wertungsfrage angesehen.9 Die Blickrichtung ist damit von einer „naturalistischen" in eine „normativistische" umgeschlagen.10 Gefragt wird nach dem Schwerpunkt des strafrechtlich relevanten Verhaltens. Diese Sichtweise liegt insbesondere auch der Judikatur zugrunde, wobei die verwendete Terminologie indes durchaus nicht einheitlich ist. Angeboten werden folgende Topoi: Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit 11 , Schwergewicht der Tat 1 2 , soziale Sinnbedeutung 13 und Schwerpunkt des Täterverhaltens 14 . Festzuhalten ist also zunächst, daß mit der Normativierung zugleich schon eine Auflösung der Begrifflichkeit einhergeht. Soweit der „soziale Sinn" herangezogen wird, besteht im übrigen eine enge Affinität zu der sozialen Handlungslehre. 15 Denn das Sinnkriterium diente Eb. Schmidt 16 zur Harmonisierung der Abgrenzungsfrage mit der ebenfalls von ihm konzipierten Handlungstheorie. Gegen die normative Abgrenzungsmethode werden im wesentlichen folgende Einwände erhoben. Gerügt wird zunächst die (absolute) Unbestimmtheit dieser Lehre. 17 Aufgrund ihrer vagen Abwägungen sei sie unbrauchbar, Unterscheidungen von einiger Genauigkeit zu ermöglichen. Da es bisher noch niemandem gelungen sei anzugeben, nach welchen Gesichtspunkten der „soziale Handlungssinn" oder der „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit" zu ermitteln seien, verbleibe letztlich nur

9 Vgl. Blei, AT, S. 310; Haft, AT, S. 163; Schmidhäuser, AT 16/105; Eb. Schmidt, Arzt im Strafrecht, S. 75 ff.; Wessels, AT, S. 221; Zimmermann, NJW 1952, 1322; wohl auch Stree, in: Schönke/Schröder, Vor § 13 Rdn. 158. 10 Zutr. Spendet, in: Eb. Schmidt-FS, S. 192. 11 BGHSt 6, 46 (59); OLG Frankfurt GA 1987, 549 (551). 12 BGH bei Holtz, M D R 1982, 624. 13 BGH NJW 1953, 1924. 14 OLG Stuttgart FamRZ 1959, 74; O L G Karlsruhe G A 1980, 429 (431); OLG Düsseldorf JMB1NRW 1983, 199 (200). 15 Darauf weist Welp (Vorangegangenes Tun, S. 106) hin. 16 Arzt im Strafrecht, S. 78 f.; auf den „sozialen Handlungssinn" beruft sich auch Arthur Kaufmann, in: Eb. Schmidt-FS, S. 212. 17 Vgl. Bockelmann, AT, S. 150; Jakobs, AT 28/4; Ranft, JuS 1963, 344; Schlüchter, JuS 1976, 795; Welp, Vorangegangenes Tun, S. 106.

III. Einzelfragen

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ein irrationales Gefühlsurteil. 18 In der Tat haben sich die Anhänger dieser Methode bisher nicht der Mühe unterzogen, ihren Standpunkt näher zu konkretisieren. Dementsprechend können sie dann auch das jeweils gewünschte Ergebnis erzielen. In bemerkenswerter Offenheit wird diese Vorgehensweise von Haft 19 am Beispiel des Abschaltens einer Herz-Lungen-Maschine exemplifiziert: Da es sich um eine normative Frage handle, sei man frei (!), ein und dasselbe Verhalten beim Garanten als Unterlassung, bei einem Dritten als Tun zu bezeichnen. Nur ist diese „Freiheit" mit einer Preisgabe der Dogmatik 2 0 wohl doch zu teuer erkauft. Ferner wird daraufhingewiesen, daß mit dem Schwerpunkt der „Vorwerfbarkeit" ein Begriff ins Spiel kommt, der üblicherweise (erst) für das Schuldurteil konstitutiv ist. Zu Anfang der Prüfung könne man aber noch nicht wissen, wogegen sich der rechtliche Vorwurf nun überhaupt richtet. 21 Besagte Formel setze somit das schon voraus, was es erst noch zu entscheiden gilt. Auch hier zeigt sich: M i t der Bewertung kann erst begonnen werden, wenn vorher das Objekt der Wertung ermittelt worden ist. Bei den strittigen Fällen geht es letztlich um mehrdeutige Verhaltensweisen, die — bezogen auf denselben Erfolg — gleichzeitig oder aufeinander folgend Elemente von Tun wie Unterlassen beinhalten. Sofern der Geschehensablauf eine Zäsur aufweist, handelt es sich aber nicht mehr um eine Schwerpunktfrage, sondern um ein Konkurrenzproblem. 22 Erst ein zeitliches Zusammentreffen der Verhaltensmodi macht die Abgrenzungsfrage virulent. Im folgenden gilt es daher zu überprüfen, ob unter Beachtung dieser Grundsätze überhaupt noch die Notwendigkeit wertender Abwägungen entsteht. III. Einzelfragen

1. Sukzession der Verhaltensformen A m wenigsten problematisch ist die Konstellation, daß mehrere Verhaltensweisen in zeitlicher Abfolge vorliegen. Hier ermöglicht schon der äußere Geschehensablauf eine klare Trennung von Tun und Unterlassen. Mit Welp 23

18

So Roxin, ZStW 74 (1962), 418; ebenso Rudolphi, SK, Vor §13 Rdn. 6; ähnlich Jescheck, AT, S. 546; Otto) Brammsen, Jura 1985, 531. 19 A T 2 , S. 163. 20 So Jakobs (AT 28/4) hinsichtlich des Abstellens auf den Schwerpunkt des Verhaltens. 21 Vgl. Maurach/Gössel, AT II, S. 168; Roxin, ZStW 74 (1962), 417; Rudolphi, SK, Vor § 13 Rdn. 6; Spendel, in: Eb. Schmidt-FS, S. 191; Welp, Vorangegangenes Tun, S. 108. 22 So auch Jakobs, AT 28/4; Rudolphi, SK, Vor § 13 Rdn. 7; Welp, Vorangegangenes Tun, S. 108; Welzel, LB, S. 203. 23 Vorangegangenes Tun, S. 116ff.

§ 4 Tun und Unterlassen

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kann diese Sachlage als Sukzession der Verhaltensformen umschrieben werden. Praktische Bedeutung haben vor allem Fälle des fahrlässigen Vorverhaltens mit nachfolgendem vorsätzlichen Unterlassen. So etwa im Straßenverkehr, wenn der Täter nach einem fahrlässig verursachten Verkehrsunfall die Rettung des Opfers unterläßt. Das pflichtwidrige Vorverhalten hat hier zugleich ingerenzbegründende Bedeutung. 24 Übrig bleibt allein ein Konkurrenzproblem. Sind sowohl fahrlässiges Begehungsdelikt als auch vorsätzliches Unterlassungsdelikt vollendet, so tritt die Fahrlässigkeitstat im Wege der Subsidiarität zurück. 25 Anders liegt es, sofern die Unterlassungstat nur das Stadium des Versuchs erreicht (z.B. untauglicher Versuch, wenn der Täter irrig davon ausgeht, das bereits verstorbene Opfer sei noch am Leben). Die Annahme von Gesetzeskonkurrenz würde hier den eingetretenen Erfolgsunwert außer acht lassen. Die Taten stehen deshalb im Verhältnis der Tatmehrheit. 26 Besondere Schwierigkeiten bereitet demnach die in Rede stehende Fallgruppe nicht. 2. Koinzidenz der Verhaltensformen Überschneiden sich die Elemente von Tun und Unterlassen, so geht es um die Problematik „ambivalenter" Verhaltensweisen. Man spricht hier von Koinzidenz der Verhaltensformen. 27 Anders als bei der Sukzession kann dabei das Verhältnis von Begehung und Unterlassung nicht mehr der Konkurrenzebene überantwortet werden. Allerdings erweist sich das Problem des ambivalenten Verhaltens vielfach als nur scheinbares, wenn nämlich der Vorwurf ein Handeln betrifft, das in seiner Eigenart schon Elemente eines Unterlassens impliziert. Dies gilt vor allem für die fahrlässigen Begehungsdelikte. Wenn deren Handlungsunwert — in Anlehnung an § 276 BGB — als Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt umschrieben wird, dann hat diese Bestimmung rein definitorisch ein (scheinbares) „Unterlassungsmoment" zum Inhalt. 2 8 Daraus kann indes nicht gefolgert werden, daß in solchem Fall ein Abgrenzungsproblem besteht. Durchweg handelt es sich um ein positives Tun, das eben wegen der Nichtbeachtung von Verhaltensanforderungen als sorgfaltswidrig zu bewerten ist. 24

Zur Ingerenzproblematik in solchem Fall jüngst BGHSt 34, 82. Vgl. Jescheck, AT, S. 668; Samson, SK, Vor §52 Rdn. 70; Stree, in: Schönke/Schröder, Vor § 52 Rdn. 107; Vogler, L K , Vor § 52 Rdn. 127; für Gesetzeskonkurrenz auch Welp, Vorangegangenes Tun, S. 117 (Konsumtion); Maurach / Gössel, AT II, S. 175 (mitbestrafte Vortat); anders nur Kienapfel, ÖJZ 1976, 286 (Tatmehrheit). 26 BGHSt 7, 287; Stree, in: Schönke/Schröder, Vor § 52 Rdn. 107; Welp, Vorangegangenes Tun, S. 117; abw. Samson, SK, Vor § 52 Rdn. 70 (Idealkonkurrenz). 27 Näher dazu Welp, Vorangegangenes Tun, S. 118 ff.; ferner Sieber, JZ 1983, 431. 28 Vgl. nur Welp, Vorangegangenes Tun, S. 119 mit zahlr. Nachw. Dem Täter ist jedoch nicht sorgfältiges Verhalten geboten, sondern unsorgfaltiges Handeln verboten; zutr. Jakobs, AT 9/6. 25

III. Einzelfragen

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So verhält es sich auch bei den in diesem Zusammenhang meist angeführten Sachverhalten, deren eigentliche Problematik zudem die Frage des Pflichtwidrigkeitszusammenhangs bildet. Im „Ziegenhaarfall" 29 hatte der Angekl. die Ziegenhaare ohne vorherige Desinfektion durch seine Arbeiter zu Pinseln verarbeiten lassen; die sorgfaltswidrige Handlung besteht hier in der Ausgabe der nicht desinfizierten Haare. Beim „Radleuchtenfall" 30 wurde dem Angekl. vorgeworfen, die Beleuchtung seines Fahrrades unterlassen zu haben. Das Handeln liegt jedoch im Fahren mit einem unbeleuchteten Fahrrad, während das vermeintliche Unterlassungsmoment dabei das Sorgfaltswidrigkeitsurteil konstituiert, also nur Prädikat dieses Verhaltens ist. Besonders deutlich werden schließlich im „Hebammenfall" 31 die Elemente von Tun und Unterlassen konfundiert. So wird der Angekl. zunächst vorgehalten, daß sie es unterlassen habe, ihre Hand, bevor sie dieselbe zu den erforderlichen Manipulationen gebrauchte, in vorschriftsmäßiger Weise zu desinfizieren. Wenig später heißt es in dem Urteil, daß die Zuführung der giftigen Krankheitskeime durch die Vornahme (!) der Entbindung mit der nicht desinfizierten Hand erfolgt sei. Endlich ist bei der Frage des kausalen Zusammenhangs sogar von der „Handlung bzw. Unterlassung" die Rede. Wie in den vorhergehenden Fällen geht es aber allein um ein sorgfaltswidriges positives Tun. In diesen älteren Entscheidungen taucht allerdings das Schwerpunktkriterium noch nicht auf. Zu untersuchen bleibt deshalb seine Verwendung im Rahmen der insoweit einschlägigen Sachgestaltungen, die hier in chronologischer Reihenfolge erörtert werden. Dabei geht es zunächst um Kuppeleifalle 32 . Wenn dort die Aufsichtspflichtigen dulden, daß die Verlobten gemeinsam übernachten, dann handelt es sich um ein bloßes Nichteinschreiten, mithin um ein Unterlassen. Es ist schon gar nicht erkennbar, inwiefern die Abgrenzungsfrage dabei eine Rolle spielen soll. Das Überlassen eines Kraftfahrzeugs an eine fahruntüchtige Person, die einen tödlichen Unfall verursacht, bewertet das OLG Karlsruhe 33 im Ergebnis zu Recht als Begehungsdelikt. Der Schwerpunkt des Täterverhaltens liege auf dem positiven Tun des Angekl. als verantwortlichen Halter, durch das er den zum Unfall führenden Geschehensablauf aktiv mit ausgelöst hat und das für den Geschehensablauf kausal (!) geworden ist. Es fallt auf, daß das OLG die Kausalität innerhalb der Schwerpunktbetrachtung heranzieht. Indes führt das Kausalitätskriterium hier von vornherein zum zutreffenden Ergebnis.

29 30 31 32 33

RGSt 63, 211. RGSt 63, 392. RG GA Bd. 38 (1891), 354. Vgl. BGHSt 6, 46; OLG Stuttgart FamRZ 1959, 74. GA 1980, 429.

§ 4 Tun und Unterlassen

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Einer neueren BGH-Entscheidung 34 betreffend §226 StGB lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Mutter hatte ihr Kind nicht regelmäßig ernährt und gepflegt und damit den Verfall seines körperlichen Zustandes herbeigeführt. Als sie ihm wieder Nahrung verabreichte, erstickte es daran, weil es aufgrund seines Zustandes nicht mehr in der Lage war, Nahrung aufzunehmen. Der BGH sieht das Schwergewicht der Tat in einem Unterlassen. Anstelle dieser Pauschalbeurteilung muß jedoch genauer differenziert werden: Das Verabreichen der Nahrung war zwar kausal für den Erstickungstod, die Ursächlichkeit allein begründet aber noch nicht die Strafbarkeit. War das Tun nämlich sorgfaltsgemäß, muß es aus der strafrechtlichen Betrachtung ausscheiden, weil es gerade die gebotene Handlung darstellt. War es hingegen als sorgfaltswidrig zu beurteilen, dem Kind in seinem Schwächezustand ohne weiteres wieder Nahrung zuzuführen, so liegt in Wahrheit eine Sukzession der Verhaltensformen vor, nämlich (vorsätzliches) Unterlassen gefolgt von (fahrlässigem) Begehen. Dann aber geht es, wie bereits dargelegt, um eine Konkurrenzfrage. In einem Fall des OLG Düsseldorf 35 wurde ein an Diabetes erkranktes Kind von einer Kurpfuscherin behandelt, die den Eltern die weitere Zuführung von Insulin untersagte. Das Aussetzen der Insulininjektionen führte schließlich zum Tode. Bei dieser Ausgangssituation liegt nach Ansicht des OLG das Schwergewicht des Täterverhaltens eindeutig bei einer Begehung, nämlich der folgenschweren Verhaltensanweisung an die Eltern. Die damit angebahnte Beeinträchtigung des Wohlbefindens habe die Angekl. später noch dadurch verstärkt, daß sie die sichtlich gehegten Zweifel der Eltern an der Zweckmäßigkeit der vorgeschriebenen Behandlung zerstreute und sie davon abhielt, dem Kind wieder Insulin zu spritzen oder das Kind in ein Krankenhaus zu bringen. Diese Verhinderung einer erfolgsversprechenden Rettungshandlung stellte eine zweite Variante der Gesundheitsbeschädigung durch die Angekl. dar. Demnach geht es hier um den Eingriff in einen rettenden Kausalverlauf, der nach einhelliger Ansicht dem positiven Tun zuzuordnen ist. 3 6 Dies entspricht auch dem Kausalitätskriterium in Form der psychisch vermittelten Kausalität. Einer Schwerpunktbetrachtung bedarf es dafür nicht. Die jüngste Entscheidung des OLG Frankfurt 37 betrifft einen Verstoß gegen §47 AuslG. Dem Angeklagten wurde vorgeworfen, trotz Ablehnung der Aufenthaltserlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland verblieben zu sein, anstatt seiner Verlassenspflicht gem. § 12 Abs. 1 Satz 1 AuslG nachzukommen. Der Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit liege mithin auf dem Unterlassen der Ausreise. Diese — nicht weiter ausgeführte — Überlegung ist indes gänzlich

34 35 36 37

BGH bei Holtz, M D R 1982, 624. JMB1NRW 1983, 199. Dazu noch unten bei Fn. 51. GA 1987, 549.

III. Einzelfragen

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überflüssig. Es läßt sich noch nicht einmal eine ambivalente Verhaltensweise auffinden, vielmehr geht es ausschließlich um ein Unterlassen. Für die Koinzidenz von Verhaltensweisen ergibt sich damit folgendes Fazit: Zum Teil können sie bereits als „unechte" Fälle eliminiert werden, wenn das Unterlassungsmoment nur unselbständiger Bestandteil eines im ganzen vorliegenden positiven Tuns ist. In den verbleibenden Konstellationen liegt entweder allein ein Unterlassen vor, oder sie sind mit dem Kausalitätskriterium sachgerecht zu lösen. Die Suche nach dem Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit ist eher irreführend denn hilfreich. 3. Unterlassen durch Tun? Als möglicherweise problematische Fallgruppe verbleibt letztlich noch die Rechtsfigur des Unterlassens durch Begehen. Diese Konstruktion stößt allerdings weithin auf Skepsis, so daß sich die Fragstellung darauf konzentrieren soll, ob es ihrer überhaupt bedarf. Ansonsten erledigt sich das Problem von selbst. Die genannte Figur ist insbesondere durch v. Overbeck 38 in die strafrechtliche Diskussion eingebracht worden. Nach ihm ist ein Ommissivdelikt durch Begehung anzunehmen, wenn ausnahmsweise das als Unterlassung zu bewertende Verhalten gerade in einem positiven Tun besteht, ohne daß der Unterlassungstatbestand als solcher in einer Gesetzeskonkurrenz unterginge. 39 Zwei Beispielsformen werden dafür angeführt 40 : (1) Der Täter macht sich durch positives Handeln die Pflichterfüllung von vornherein unmöglich; z. B. der Bahnwärter nimmt ein Schlafmittel. (2) Der Täter hebt sie nachträglich wieder auf; z. B. der Leuchtturmwärter hat pflichtmäßig das Feuer entzündet, löscht es aber wieder aus. Diese Beispiele erscheinen indes wenig geeignet, die angebliche Notwendigkeit der Rechtsfigur des Unterlassens durch Tun darzutun. Der erste Fall läßt sich über die anerkannte Rechtsfigur der actio (genauer: omissio) libera in causa erfassen. 41 Der zweite Fall betrifft eindeutig ein positives Tun. Diese Erkenntnis wird allenfalls dadurch verdunkelt, daß der Täter auch zum Anzünden des Feuers rechtlich verpflichtet war. Aber es ist doch nicht so, daß das Vorliegen einer Garantenstellung dazu führen kann, aus einem Tun ein Unterlassen zu machen. Natürlich kann auch ein Garant sich durch positives Tun strafbar machen, ohne daß sich deswegen am Charakter seines Verhaltens etwas ändert.

38

GS 88 (1922), 319 ff. v. Overbeck, GS 88 (1922), 327. 40 v. Overbeck, GS 88 (1922), 331 f. 41 Ebenso Maurach, JuS 1961, 377; zur omissio libera in causa siehe auch Androulakis, Studien, S. 156; Stree, in: Schönke/Schröder, Vor§ 13 Rdn. 144; Welp, Vorangegangenes Tun, S. 137. 39

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§ 4 Tun und Unterlassen

Im übrigen erkennt auch v. Overbeck 42 selbst die engen Grenzen seiner Kreation, namentlich im Falle des Eingreifens in einen rettenden Kausalverlauf: Jemand reißt einem Ertrinkenden das Rettungsseil, das dieser schon erfaßt hatte, aus der Hand. Hier bedürfe es der Konstruktion eines „Komissivdelikts durch Unterlassung durch Begehung" überhaupt nicht. Denn maßgebend sei der positive Eingriff, der seinerseits unmittelbar den Erfolg auslöst. Bemerkenswert ist, daß damit der heute wohl noch umstrittenste Fall aus dem betreffenden Problembereich eliminiert wird. Darauf wird sogleich noch zurückzukommen sein. In jüngerer Zeit hat vor allem Roxin 43 die Rechtsfigur des Unterlassens durch Tun wieder aufgegriffen und verteidigt. Er sieht dafür drei Fallgruppen als einschlägig an: (1) Ein Rettung verheißender Kausal verlauf wird abgebrochen, und zwar in der Weise, daß der Handelnde seinen eigenen Rettungsversuch rückgängig macht mit dem Ergebnis, daß die Situation nun dieselbe ist, wie wenn er von Anfang an untätig geblieben wäre. Der positive und der negative Energieeinsatz heben einander auf, so daß der Täter nicht anders zu behandeln sei als ein von vornherein Rettungsunwilliger. Man könne den allgemeinen Satz ableiten, daß ein Tun, wenn es sich als Rücktritt von einem Gebotserfüllungsversuch darstellt, dem Tatbestand des Unterlassungsdeliktes zu subsumieren ist, dessen Gebot durch das aktive Eingreifen vereitelt wird. 4 4 Allerdings soll das Unterlassen durch Tun in ein Begehungsdelikt umschlagen, sobald die Gebotserfüllung aus dem Versuchs- in das Vollendungsstadium getreten ist, d.h. sobald der rettende Kausalverlauf die Sphäre des Opfers erreicht hat. 4 5 (2) Die zweite Fallgruppe besteht nach Roxin 46 darin, daß der Täter es sich — durch Berauschung oder auf andere Weise — unmöglich macht, seiner Rettungspflicht nachzukommen. In diesen Fällen müsse man den Tatbestand eines echten oder unechten Unterlassungsdelikts annehmen. (3) Eine dritte, praktisch bedeutsame Erscheinungsform sei die aktive Teilnahme am Unterlassungsdelikt. 47 Auch insoweit könne man durchaus von einem Unterlassen durch Tun sprechen. Die in Rede stehende Konstruktion ist im Schrifttum überwiegend auf Ablehnung gestoßen.45 Eine Durchsicht der betreffenden Fallgruppen zeigt

42

GS 88 (1922), 336. Engisch-FS, S. 380 ff.; siehe außerdem Berief, JZ 1965, 53 ff.; Meyer-Bahlburg, 1968, 49 ff. 44 Roxin, in: Engisch-FS, S. 382f. 45 Roxin, in: Engisch-FS, S. 387f. 46 Engisch-FS, S. 383 f. 47 Roxin, in: Engisch-FS, S. 384f. 43

GA

III. Einzelfragen

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auch, daß für eine besondere Rechtsfigur kein Bedürfnis besteht. So ist zunächst daraufhinzuweisen, daß der Unterlassungstäter anstelle der Gebotserfüllung in der Regel etwas anderes tun wird. Einfaches Beispiel: Der Garant verläßt den Ort des Geschehens; auch das ist ein „Tun". Indes handelt es sich dabei lediglich um ein Verhaltensplus, das für die strafrechtliche Beurteilung keine Konsequenzen nach sich zieht. 49 Ansonsten würde man zu der geradezu absurden Überlegung gelangen, daß ein Unterlassen nur vorliegt, wenn jemand wirklich gar nichts tut, er also gleichsam zur Salzsäule erstarren müßte. Was ferner die Teilnahme am Unterlassungsdelikt betrifft, ist deren Möglichkeit — von einer vereinzelt geäußerten Auffassung 50 abgesehen — heute allgemein anerkannt und bedarf keiner mühsamen Konstruktion. Als problematisch verbleibt infolgedessen allein das aktive Eingreifen in einen rettenden Kausalverlauf. Allerdings steht auch insoweit außer Streit, daß das Einschreiten eines Dritten als positives Tun zu begreifen ist. 5 1 Fraglich ist nur die Bewertung des Abbruchs eigener Rettungsbemühungen. Den Schulfall bildet dabei das Abschalten des Reanimators durch den behandelnden Arzt. Hier ist heftig umstritten, ob dieses Verhalten ein positives Tun 5 2 oder ein Unterlassen 53 darstellt. Das unterschiedliche Ergebnis ist zunächst schon durch den jeweiligen Ansatz bedingt. Nach dem Kausalitätskriterium liegt positives Tun vor 5 4 , da das Handeln des Arztes die konkrete Todesursache setzt. Stellt man hingegen auf den „sozialen Handlungssinn" ab, kommt ein Unterlassen in Betracht. Denn für eine normative Beurteilung des Geschehens bleibt entscheidend, daß der Schwerpunkt des strafrechtlich relevanten Verhaltens auf dem Unterlassen 48 Vgl. Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 203; Hruschka, in: Bockelmann-FS, S. 433 ff.; Otto, AT, S. 168 f.; Sax, JZ 1975, 141; Stree, in: Schönke/Schröder, Vor § 13 Rdn. 159; Bedenken auch bei Sieber, JZ 1983, 436. 49 So schon Androulakis, Studien, S. 155; siehe auch Lampe, in: Armin KaufmannGedS, S. 204; ähnlich Sax, JZ 1975, 139 unter Hinweis auf die Bemerkung von Krug (Abhandlungen aus dem Strafrechte, 1855, S. 30f.), sonst habe die Mutter ihr an Unterernährung gestorbenes Kind durch Strümpfestopfen getötet, weil sie, anstatt es zu ernähren, Strümpfe gestopft hatte. 50 Namentlich Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 190ff.; ihm folgend Welzel, LB, S. 206. 51 Vgl. Jescheck, AT, S. 546; Samson, in: Welzel-FS, S. 596; Stree, in: Schönke/Schröder, Vor § 13 Rdn. 159; Welzel, LB, S. 204; Wessels, AT, S. 217. 52 Baumann ¡Weber, AT, S. 239; Blei, AT, S. 312; Bockelmann, Strafrecht des Arztes, S. 112\ Hirsch, ZStW81 (1969), 923;Jähnke, L K , Vor § 211 Rdn. 16; Jescheck, AT, S. 546; Maurach ¡Gössel, AT II, S. 175 f.; Rudolphi, SK, Vor § 13 Rdn. 47; Samson, in: Welzel-FS, S. 601; Sax, JZ 1975, 138; Sieber, JZ 1983, 436. 53 Dreher / Tröndle, Vor §211 Rdn. 13; Engisch, in: Gallas-FS, S. 177 f.; Geilen, JZ 1968, 151; Jakobs, AT 7/64; Küper, JuS 1971, 476f.; Roxin, in: Engisch-FS, S. 395ff.; Stree, in: Schönke/Schröder, Vor § 13 Rdn. 160; Wessels, AT, S. 222. 54 Ebenso Jescheck, L K , Vor § 13 Rdn. 83; Samson, in: Welzel-FS, S. 601.

6 Küpper

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weiterer Rettungsbemühungen liegt. 55 Die hier vertretene Auffassung impliziert daher von vornherein die Bejahung eines positiven Tuns. Hinter dem Bemühen, das Handeln des Arztes in ein Unterlassen umzudeuten, steht erkennbar das Anliegen, im Falle aussichtsloser Diagnose zur Straflosigkeit mangels Garantenpflicht zu gelangen. Sehe man wegen der beim Abschalten entfalteten Aktivität (Druck auf den Knopf) ein derartiges Verhalten als Begehungstat an, so führe — wie jedenfalls Roxin 56 behauptet — um eine Strafbarkeit nach § 212 StGB kein Weg herum. Die Qualifizierung als Begehung oder Unterlassung entscheide somit über Zulässigkeit oder schwere Strafbarkeit eines solchen ärztlichen Tuns. Dabei wird indes übersehen, daß auch diejenigen Autoren, die positives Tun annehmen, mit unterschiedlicher Begründung eine Strafbarkeit verneinen. 57 Bedenken erweckt es allerdings, wenn dort teilweise eine Begrenzung des Tötungsverbotes nach dem Schutzbereich der Norm vorgenommen wird. 5 8 Denn wenn das Leben des Betreffenden nicht mehr dem strafrechtlichen Lebensschutz unterfallt, müßten konsequenterweise auch Dritte eine Eingriffsbefugnis haben. Dieses Ergebnis sprengt aber den vorher gesetzten Rahmen, die Straflosigkeit gerade des behandelnden Arztes zu begründen. Zutreffender Anknüpfungspunkt ist daher das Garantenverhältnis, das hier eine spezifische Funktion erfüllt: Die Besonderheit des Falles liegt nämlich darin, daß ein rettender Kausalverlauf in Gang gehalten wird, zu dessen Aufrechterhaltung — bei infauster Prognose — keine Verpflichtung besteht. Das Erlöschen der Garantenpflicht wirkt sich also dergestalt aus, daß dem Bemühen auch ein Ende gesetzt werden darf. 59 Das Fehlen der Rechtspflicht schlägt hier in eine Gestattung zu positivem Tun um. IV. Ergebnis

Auch im Spannungsfeld von Tun und Unterlassen behauptet sich der ontologische Ansatz. Das Kausalitätskriterium führt bei (vermeintlich) doppeldeutigen Verhaltensweisen zu eindeutigen Ergebnissen, während ein Teil der Fälle in Wahrheit ein Konkurrenzproblem betrifft. Die Normativierung nach dem „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit" oder die Konstruktion eines „Unterlassen durch Tun" vermögen zur Klärung nichts beizutragen, allenfalls zur Verunklarung.

55 56 57 58 59

Ausdrücklich Wessels, AT, S. 222. Engisch-FS, S. 396. Siehe dazu die Nachweise bei Jähnke, L K , Vor § 211 Rdn. 17. So etwa Jähnke, L K , Vor §211 Rdn. 17; Sax, JZ 1975, 144ff. Ebenso Hirsch, in: Lackner-FS, S. 605 f.

I. Überblick

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§ 5 Objektive Zurechnung I. Überblick

Zurechnen heißt: „etwas Objectives dem Subject auf die Rechnung schreiben". In diesem Satz von Berner 1 kommt das Anliegen der Lehre von der objektiven Zurechnung plastisch zum Ausdruck. Sie will eine Beziehung zwischen Täterverhalten und Erfolg herstellen. Entscheidend ist für sie die Frage, ob der Erfolg dem Täter als „sein Werk" zugerechnet werden kann. 2 Ihr Sinn sei es, Unrecht von Unglück zu scheiden. Die objektive Zurechnungslehre ist die heute wohl meistdiskutierte Materie der allgemeinen Strafrechtsdogmatik. Von ihren Vertretern wird allerdings zugestanden, daß eine umfassende und konsensfähige Lösung noch nicht in Sicht ist. 3 Weder ließe sich bisher von einer „herrschenden Meinung" sprechen, noch zeichne sich die Möglichkeit ab, die miteinander konkurrierenden und einander teils ergänzenden, teils überschneidenden, teils widersprechenden Zurechnungskriterien in einem Gesamtkonzept zu integrieren. Diese Aussage schärft bereits den Blick für die Frage, ob eine solche Bestandsaufnahme nicht das Wesensmerkmal normativer Betrachtung durchscheinen läßt: ihre Unklarheit. Die Notwendigkeit objektiver Zurechnung wird überwiegend hergeleitet aus der „uferlosen" Weite der Äquivalenztheorie 4 ; diese bedürfe eben einer Korrektur. Bei einer solchen Einschränkung des Kausalzusammenhangs lassen es aber manche Autoren nicht bewenden. Sie gehen noch einen Schritt weiter und nehmen ganz „Abschied" von der Conditio-sine-qua-non-Formel 5 , die dann durch unterschiedliche Kriterien ersetzt wird. Die ontologische Basis wird damit also vollständig zugunsten einer normativen Betrachtungsweise aufgegeben. Die verbreitete Grundformel der Zurechnungslehre lautet, daß ein Erfolg nur dann zurechenbar ist, wenn der Täter durch sein Verhalten eine rechtlich mißbilligte Gefahr geschaffen und gerade diese Gefahr sich in dem konkreten

1

Imputationslehre, S. 39. So etwa Ebert, AT, S. 41; Hardwig , JZ 1968, 290; Kühl, JR 1983, 32; Wessels, AT, S. 53. 3 Deutlich Ebert, Jura 1979, 561: ähnlich Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor § 13 Rdn. 91. Auch Stratenwerth (Gallas-FS, S. 227) konstatiert: „Die Diskussion droht bereits unübersichtlich zu werden." 4 In diesem Sinne Bockelmann I Volk, AT, S. 63 f.; Jescheck, AT, S. 255; Lenckner in: Schönke/Schröder, Vor § 13 Rdn. 91; Maiwald, JuS 1984,442 Anm. 22; Rudolphi, SK, Vor § 1 Rdn. 52; Schünemann, JA 1975, 580; Wessels, AT, S. 53; siehe auch Larenz, NJW 1955, 1011 mit Blick auf das Zivilrecht. 5 So Otto , NJW 1980, 422 f.; dahin tendierend auch Roxin, in: Honig-FS, S. 135 f.; Schmidhäuser, StuB 5/60; Kahrs, Vermeidbarkeitsprinzip, S. 33 ff., 267 ff. 2

6*

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§ 5 Objektive Zurechnung

Erfolg verwirklicht hat. 6 Den strafrechtlichen Tatbeständen liegen demzufolge nicht etwa Verletzungsverbote, sondern primär (bloße) Gefährdungsverbote zugrunde. 7 Damit wird allerdings das Kernstück der Erfolgsdelikte — eben der Erfolg — an den Rand gedrängt. An seiner Stelle rückt der Begriff der Gefahr in den Mittelpunkt; er wird zum „Zentralbegriff" der Erfolgsdelikte. 8 Dies wirft dann aber die Frage auf, ob seine Normativität den Gefahrbegriff nicht selbst zu einer Gefahr für die Tatbestandsbestimmtheit macht. 9 Hinzu kommt, daß sich folgerichtig auch das Bezugsobjekt des Vorsatzes ändern müßte: Nicht mehr der Erfolg wäre Gegenstand des Vorsatzes, sondern das tatbestandliche Risiko. 10 Ähnlich wie bei der Kausalität zeigt sich hier, daß die vorgebliche Korrektur eines Merkmals letzlich zu dessen Auflösung führt. Es versteht sich, daß die Verfechter der objektiven Zurechnung ihrer Theorie erhebliche Bedeutung beimessen. Nach Burgstaller 11 gehören die Wiederentdeckung und Neuadaptierung der Lehre von der objektiven Erfolgszurechnung zu den wichtigsten Fortschritten der Strafrechtsdogmatik der jüngsten Zeit. Bei Jakobs wird jetzt sogar die ganze Dogmatik des Allgemeines Teils „Zurechnungslehre" genannt. 12 Kritische Stimmen sind bisher selten; sie warnen aber jedenfalls vor einer Überschätzung der Leistungsfähigkeit des Zurechnungsgedankens. Dieser habe in manchen Fällen eigentlich nur noch die Bedeutung einer schlagwortartigen Vokabel und stelle kaum mehr dar als die formelhafte Begründung vorfabrizierter Meinungen. 13 Letztlich verbleibe ein „Ensemble von Topoi" 1 4 . Aber auch von Seiten der Zurechnungslehre wird konzediert, daß deren Resultate z. T. mit traditionell anerkannten dogmatischen Figuren begründbar seien.15 Für die weitere Untersuchung stellt sich deshalb die Frage: Welchen Ertrag bringt diese Lehre und bedarf es ihrer überhaupt? 6

Vgl. Burgstaller , W K , § 6 Rdn. 65; Dreher / Tröndle, Vor § 13 Rdn. 92; Jescheck , L K , Vor§ 13 Rdn 59; Lenckner , in: Schönke/Schröder, Vor § 13 Rdn. 92; Maurach / Zipf, AT I, S. 248; Rudolphi , SK, Vor § 1 Rdn. 57; Stratenwerth , AT I, Rdn. 215 (mit dem Hinweis, daß sich in dieser Regel „vielfaltige Schwierigkeiten" verbergen). 7 Wolter , Objektive Zurechnung, S. 33; ebenso Rudolphi , in: Grundfragen, S. 77; für das Fahrlässigkeitsdelikt auch Schaffstein , in: Welzel-FS, S. 558. 8 Vgl. Otto , in: Maurach-FS, S. 101 Anm. 34; Rudolphi , in: Grundfragen, S. 76f.; Wolter , Objektive Zurechnung, S. 181. 9 Armin Kaufmann , in: Jescheck-FS, S. 259. 10 Durchgeführt von Frisch , Vorsatz und Risiko, S. 340ff.; weiter objektivierend Herzberg , JuS 1986, 249ff.; zur Kritik näher Küpper , ZStW 100 (1988), 776ff. 11 Jescheck-FS, S. 356. 12 Darauf weist Armin Kaufmann (Jescheck-FS, S. 253) hin. Drastisch formuliert Struensee (GA 1987, 97), die Lehre von der objektiven Zurechnung entfalte „den Effekt eines den gesamten objektiven Tatbestand an sich reißenden und in sich ertränkenden Strudels". 13 Geilen , AT, S. 58; siehe auch die Kritik von Hirsch , in: Köln- Festschrift, S. 407. 14 Armin Kaufmann , in: Jescheck-FS, S. 271. 15 Vgl. Eben, AT, S. 47.

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II. Zurechnung und Handlung

" I n dem Begriffe der Handlung ist der Begriff der Zurechnung enthalten... So weit demnach der Begriff der Handlung reicht, so weit reicht auch der Begriff der Zurechnung; und wo der Begriff der Handlung aufhört, da hört auch der Begriff der Zurechnung auf." Die vorstehende Bemerkung von Berner 16 macht den engen Zusammenhang von Handlungs- und Zurechnungsdoktrin deutlich. Historisch hat sich die Handlungslehre aus der Zurechnungslehre entwickelt und diese erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts abgelöst. „Durch das Tor der Zurechnung hat die Handlung ihren Einzug in das Strafrechtssystem gehalten!" 17 Heute nun scheint sich das Verhältnis wieder umzukehren, indem die Handlungs- von der Zurechnungslehre aufgesogen wird. Die Grenze des strafrechtlich Relevanten soll dann nicht mehr durch den Handlungsbegriff, sondern durch die normative Zurechnung bestimmt werden. Auch Welze! 18 sieht die Geschichte eines auf der menschlichen Zwecktätigkeit aufbauenden Handlungsbegriffs mit der Zurechnungslehre verbunden. Als Stationen dieser Entwicklung skizziert er die Linie von Aristoteles über Pufendorf bis hin zu den Hegelianern (insbes. Abegg, Berner, Köstlin). Es erscheint daher von Interesse, diesen Weg noch einmal nachzuvollziehen, vor allem im Hinblick darauf, ob der Zurechnung neben der Handlung eine selbständige Daseinsberechtigung zukommt. 1. Aristoteles In der Zurechnungslehre des Aristoteles geht es um die Zurechnung von (vernünftigen) Handlungen, die in unserer Macht stehen.19 Ausgangspunkt ist die Zwecksetzung im Bewußtsein: Wir überlegen uns Dinge, die in unserer Gewalt stehen und ausführbar sind. Dies führt indes noch nicht unmittelbar zur Handlung. „Sondern wir setzen das Ziel an und erwägen dann, wie und durch welche Mittel wir es erreichen, und wenn sich mehrere Wege zeigen, so wird geprüft, welcher der schnellste und schönste sei, wenn aber ein Weg eingeschlagen wird, so fragt man, wie das Ziel durch diesen Weg erreicht wird, und dann wieder, wie man auf jenen Weg gelangt, bis man zur ersten Ursache kommt, die im Fragen das Letzte ist." 2 0 16

L B 1 2 , S.158f. Radbruch, Handlungsbegriff, S. 85; zur Interdependenz von Zurechnung und Handlung siehe ferner Loening, ZStW 3 (1883), 64; Bubnoff \ Entwicklung des Handlungsbegriffs, S. 14; Hruschka, Strukturen der Zurechnung, S. 13. 18 Naturrecht, S. 37; ders., LB, S. 38 f. 19 Näher dazu Hardwig, Zurechnung, S. 11 ff.; Lipp, Zurechnungslehre, S. 4ff.; Loening, Zurechnungslehre, S. 16 ff. 20 Aristoteles, Nikomachische Ethik, 3. Buch 1112 b 14. 17

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Die Prüfung und Abwägung der Mittel wirkt rückläufig wieder auf das Begehren ein; sie führt zur Auswahl des Mittels zwecks praktischer Anwendung und löst den Entschluß aus, den Zweck gerade durch diese Handlung und in dieser Weise zu verwirklichen. 21 Es folgt dann die äußere Realisierung als Vollzug des Vorweggedachten. Eine solche Handlung ist eine freie (tatmächtige): „Da nun das Ziel Gegenstand des Wollens ist und ebenso die Dinge, für die man sich als Mittel zum Ziele entscheidet, so sind die Handlungen, die sich darauf richten, durch Entscheidung erfolgt und freiwillig." 22 Der vorstehende Gedankengang beschreibt die Betätigung praktischer Vernunft; es geht um den „praktischen Syllogismus". Dieser wird von Anscombe23 folgendermaßen rekonstruiert: (1) Obersatz: Setzung des Handlungsziels; (2) Untersatz: Auswahl des Mittels zum Zweck; (3) Konklusion: Verwendung dieses Mittels zur Erreichung jenes Zwecks. Die Übereinstimmung mit dem Drei-Phasen-Modell der fHL wird damit besonders augenfällig. Da es um die Verwirklichung eines Sachverhaltes geht, der in unserer Gewalt steht, gewährt der praktische Syllogismus zugleich Einsichten in das „Grundprinzip der Zurechnung", nämlich die Tatherrschaft. 24 Nach Benakis 25 kann sogar kein Zweifel bestehen, daß diese Gedanken unmißverständlich die moderne Lehre vom personalen Unrecht deutlich wiedergeben. Schon der Ausgangspunkt der Zurechnungslehre zeigt also, daß Gegenstand der Zurechnung ein vom Menschen als personales Subjekt gesteuerter Handlungsvollzug ist. 2. Pufendorf Auf der Grundlage der aristotelischen Ethik hat Samuel Pufendorf den Begriff der (moralischen) Zurechnung unter der Bezeichnung „imputatio" als Voraussetzung strafrechtlicher Verantwortung für die Rechtswissenschaft fruchtbar gemacht und die weitere Entwicklung entscheidend bestimmt. 26 Grundvoraussetzung bildet die Freiheit menschlichen Handelns: Nur willentliche Handlungen können zugerechnet werden. Zurechnung bedeutet danach, die Wirkung einer freiwilligen Handlung als zum Handelnden gehörend erkennen. 27 Damit 21 22 23

Vgl. Lipp, Zurechnungslehre, S. 16; Loening , Zurechnungslehre, S. 23. Aristoteles , Nikomachische Ethik, 3. Buch 1113 a 27. Intention, § 33; siehe auch die Wiedergabe bei v. Wright , Erklären und Verstehen,

S. 36. 24

So Welzel, Naturrecht, S. 35, 37. Welzel-FS, S. 226. 26 Vgl. Boldt , Strafrechtswissenschaft, S. 151; zur Imputationslehre Pufendorfs näher Hardwig , Zurechnung, S. 35 ff.; Welzel , Naturrechtslehre Pufendorfs, S. 84ff. 27 Hardwig, Zurechnung, S. 41. 25

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ist zunächst einmal der untrennbare Zusammenhang zwischen Zurechnung und Handlung klargestellt. Als 1. Axiom einer Jurisprudentia Universalis formulierte Pufendorj 28: „Jede (beliebige) actio, die an einer moralischen Norm ausgerichtet werden kann und im Hinblick auf die es in der Macht eines Menschen steht, daß sie geschieht oder nicht geschieht, kann diesem Menschen zugerechnet werden. Und umgekehrt: Was weder an sich selbst betrachtet noch in seiner Ursache in der Macht eines Menschen gestanden hat, kann diesem Menschen nicht zugerechnet werden." Deutlich kommt hier wieder das Merkmal der Tatherrschaft (Tatmacht) als Voraussetzung jeder Zurechnung zum Ausdruck. 3. Die Hegelianer Für Hegel 29 ist Handlung die Äußerung des moralischen Willens. Die Tat ist nur als Handlung anzuerkennen, wenn sie zweckbewußt erfolgt; sie hat den Zweck „zur Seele" 30 . Es sei das Recht des Willens, sich nur Folgen zuzurechnen, die in seinem Vorsatze liegen. Zurechnung ist damit ein Urteil über die Frage, ob ein Geschehen die Tat eines Willenssubjektes darstellt. Dadurch unterscheidet sich der Urheber, welcher handelt, von der Ursache, welche bloß wirkt. 3 1 Nur einem Willensträger, also der Person, kann überhaupt etwas zugerechnet werden. Personalität und Zurechnung bedingen sich gegenseitig. Dementsprechend heißt es auch schon bei Kant 32: „Person ist dasjenige Subjekt, dessen Handlungen einer Zurechnung fähig sind." Ist demnach der zweckgerichtete Wille das Kennzeichen menschlichen Handelns, so folgt daraus, daß die Lehre Hegels der f H L nahesteht. Dies konstatiert auch Hardwig 33, der weiter bemerkt: „Nicht Kausalität, sondern Finalität war das oberste Prinzip der Handlung." Und v. Bubnoff 34 weist darauf hin, daß in dem willens- und zweckbezogenen Zurechnungsurteil eine Parallele zu dem festzustellen sei, was man in der finalen Handlungslehre als „Tatherrschaft" bezeichnet: als das vom Vorsatz umfaßte In-den-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufes. Wieder einmal wird deutlich, was 28

Zitiert nach Hruschka, ZStW 96 (1984), 661 f. Rechtsphilosophie, § 113. 30 Hegel, Rechtsphilosophie, § 118. 31 Larenz, Zurechnungslehre, S. 61; siehe auch bereits d* Holbach, System der Natur (1770), S. 186: Jemandem eine Handlung zur Last legen heißt, ihn als deren Urheber erkennen. 29

32 Metaphysik der Sitten, Einl. IV; ganz ähnlich N. Hartmann, Ethik, S. 729: „Es ist das gemeinsame Attribut aller Personalität, daß ihr Verhalten ihr zugerechnet werden kann." 33 Zurechnung, S. 56,67; vgl. auch Bloy, ZStW 90 (1978), 656; Engisch, in: KohlrauschFS, S. 149. 34 Entwicklung des Handlungsbegriffes, S. 46 unter Bezugnahme auf die Formulierung von Maurach, AT, S. 659.

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Zurechnung ursprünglich meint: ein willengesteuertes Verhalten unter Innehabung der finalen Tatherrschaft. Die hier zu behandelnden Hegelianer 35 haben den Grundgedanken der Hegerschen Zurechnungslehre weitgehend übereinstimmend für die strafrechtliche Handlungslehre nutzbar gemacht. Bei Abbegg 36 bedeutet Zurechnung die Beziehung des (rechtswidrigen) Erfolges auf das Wissen und Wollen des Subjekts. Zurechenbarkeit ist damit wesentlicher Bestandteil des Handlungsbegriffs. Auch für Köstlin 31 macht die Beziehung des äußerlich Geschehenen auf das subjektiv Innerliche den Begriff der Handlung aus. Die — bei ihm sog. formelle — Zurechnung liege also in der Beurteilung, ob ein objektiv Geschehenes eine Handlung sei oder nicht. Bestehe hiernach der Begriff der Handlung in der vermittelten Einheit des Willens und der Tat, so sei klar, daß keine Handlung vorliegt, mithin auch keine Zurechnung stattfinden kann, wo es an dieser Vermittlung fehlt. 38 Besonders deutlich wird bei Berner der Handlungsbegriff aus dem Zurechnungsurteil extrapoliert und zum Systemoberbegriff der Verbrechenslehre gemacht. Er führt aus: „ W i l l man über den allgemeinen Tatbestand einen Überblick gewinnen, so hat man davon auszugehen, daß das Verbrechen Handlung ist. Alles, was man sonst noch vom Verbrechen aussagt, sind nur Prädikate, die man der Handlung als dem Subjekt beilegt. Der Begriff der Handlung muß daher das feste Knochengerüst sein, welches die Gliederung der Lehre vom Verbrechen bestimmt." 39 Der Handlungsbegriff erschöpft demnach das ganze Wesen der Zurechnung. Diese besteht in dem Urteil, daß eine wirkliche Handlung vorliegt bzw. daß das Geschehen ein Gewolltes sei. Die Zurechnung ist nicht etwas äußerlich neben die Handlung Hinzukommendes, sondern in dieser selbst enthalten. 40 Die Handlung wird definiert als „lebendige Vermittlung des Willens zur Tat" 4 1 . Der Zusammenhang von Wille und Wirkung wird derart gesehen, daß die den Erfolg herbeiführende Ursachenkette als eine Reihe von Mitteln erscheint, die die Absicht des Handelnden in sich aufnehmen, sich ihr unterwerfen und sie schließlich verkörpern. 42 In den Worten der fHL: Handlung als Indienststellen der Kausalität. Im Ergebnis ist die Vermittlung von Wille und Tat hergestellt, wenn 35

Zu ihnen eingehend v. Bubnoff\ Entwicklung des Handlungsbegriffes, S. 52ff.; außerdem Radbruch, Handlungsbegriff, S. 85 ff. 36 37 38 39 40 41 42

LB, S. 124 ff. Neue Revision, § 76. Köstlin, Neue Revision, § 78. Berner, L B 5 , S. 114. Berner, Imputationslehre, S. 41. Berner, L B 1 8 , S. 117. Berner, Grundsätze, § 90.

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a) der Kausalverlauf die Richtung einhält, die ihr der Wille gegeben hat, der Geschehensablauf also bis zum Enderfolg vom Willen beherrscht wird (seil. Tatherrschaft); b) der Enderfolg dem Willen entspricht. 43 Auch bei Berner ist damit die Finalität das oberste Prinzip der Handlung. 44 Hervorzuheben ist zudem, daß Berner 45 von einem wertneutralen Handlungswillen ausgeht. Es müsse zunächst ganz davon abgesehen werden, daß Dolus ein verbrecherischer, strafbarer Wille sei. Die Imputationslehre habe nur die Frage zu beantworten, ob eine Handlung vorliegt; die Frage nach der Strafbarkeit der bereits erwiesenen Handlung falle in ein anderes Gebiet. Der Ausdruck Dolus bezeichne erst einmal das Bewußtsein bei der Handlung. Der Autor weist auf die Digesten hin, in denen es heißt, daß das Wort Dolus früher noch gar kein lobendes oder tadelndes Urteil involviert habe, sondern daß es ganz neutral gewesen sei, und seine spezifische Färbung erst durch die Adjective malus und bonus zu erhalten pflegte. Wir hätten es jetzt weder mit dem Dolus malus, noch mit dem Dolus bonus, sondern mit dem „Dolus schlechtweg" zu tun. Demnach geht es um den natürlichen Verwirklichungswillen, der erst durch ein Wertprädikat seine strafrechtliche Relevanz erlangt. Zutreffend heißt es deshalb bei v. Bubnoff„Diese Ausführungen Berners sind im Hinblick auf die Systematik der finalen Handlungslehre bemerkenswert." Eine weitere Parallele zu den Gedanken der f H L findet sich in der Behandlung des dolus eventualis bei Hälschner 41: Nicht selten werde der Fall eintreten, daß neben dem beabsichtigten Erfolg aus der Handlung sich weitere, vorhergesehene Erfolge ergeben, die für den Handelnden entweder gleichgültig oder sogar unerwünscht sind. Halte sich der Täter für fähig, die unerwünschte Nebenfolge zu vermeiden, so könne er sie von seinem Wollen ausschließen. Erkenne der Handelnde hingegen, daß der Eintritt des möglichen Erfolges von Umständen abhängig ist, die sich seiner Einwirkung entziehen, so kann, wenn dennoch gehandelt wird und die unerwünschte Nebenfolge auftritt, diese zum Vorsatz zugerechnet werden. Die Finalität wird also auf alle als möglich erkannten Folgen mit Ausnahme derer bezogen, die der Täter durch eigenes vorsichtiges Handeln vermeiden zu können glaubt. 48 Entsprechend heißt es bei Welzel 49: Hält der Täter den (möglichen) Eintritt der Nebenfolge für abhängig von der Art seines Tätigwerdens, so liegt kein Verwirklichungswille bezüglich der Nebenfolge vor, wenn der Täter im Vertrauen darauf handelt (d. h. es „sich zutraut"), 43 44 45 46 47 48 49

Berner, Grundsätze, §91. v. Bubnoff\ Entwicklung des Handlungsbegriffes, S. 74. Imputationslehre, S. 178 f. Entwicklung des Handlungsbegriffes, S. 71. Strafrecht I, §132. Ebenso v. Bubnoff Entwicklung des Handlungsbegriffes, S. 81. LB, S. 68 f.

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durch die konkrete Steuerung seines Tätigwerdens den Erfolg vermeiden zu können. Dagegen hat er den (eventuellen) Verwirklichungswillen, wenn er sich selbst keine „reelle Chance" beimißt, den Erfolg zu vermeiden. 4. Weitere Entwicklung

und Fazit

Der historische Streifzug durch die Zurechnungslehre hat vor allem eines deutlich gemacht: „Zurechnungszusammenhang ist Handlungszusammenhang." 5 0 Das Zurechnungsurteil betraf immer (nur) die Feststellung, daß ein personales Subjekt seinen Willen zielgerichtet zur Durchführung gebracht hatte. Der Begriff der Zurechnung ging in dem der Handlung völlig auf. Der zuletzt auf Hegel fußende Handlungsbegriff war bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts ganz herrschend. Seine Problematik lag allerdings darin, daß er ein moralisches Urteil bildete und die Handlung mit der schuldhaften (freien) Handlung identifizierte. 51 Unter dem Einfluß des naturalistischen Denkens sollte der Handlungsbegriff jedoch von allen „Schuld"-Elementen bereinigt werden. Es verblieb die Handlung als willkürliches Verhalten zur Außenwelt. 52 Die Bedeutung dieses Handlungsbegriffes sollte eigentlich nur noch im Negativen liegen: in der Ausschaltung aller Vorkommnisse, die nicht Handlung sind. Auf diese Weise wurde er — wie Beling 53 ausdrücklich zugestand — zum „blutleeren Gespenst". Der Niedergang des Handlungsbegriffes wurde durch eine weitere Entwicklung verstärkt: den Siegeszug der Äquivalenztheorie 54 . Der „Torso" einer Handlung 55 , gekoppelt mit der unendlichen Weite der Conditio-sine-qua-nonFormel, wurde inhalts- und funktionslos. Das Kausaldogma — so schreibt Welzel 56 — „hat sich in den Mittelpunkt des Strafrechtssystems zu drängen gewußt, hat die ganze (objektive) Seinsseite der deliktischen Handlung in sich aufgesogen und hat durch dürre Kausalstränge ersetzt, was eine ausgebildete Handlungslehre hätte bieten sollen." Erst der kausale Handlungsbegriff läßt also die Notwendigkeit aufkommen, die vielbeklagte „Uferlosigkeit" der Äquivalenztheorie durch objektive Zurech-

50

H. Mayer , AT, S. 131. Vgl. Welzel , LB, S. 39; Armin Kaufmann , in: Strafrechtsdogmatik, S. 30; im einzelnen M. Köhler , Die bewußte Fahrlässigkeit, S. 200 ff. 52 So v . Liszt / Schmidt, LB, S. 154. 53 Lehre vom Verbrechen, S. 17 54 Vgl. Schünemann, in: Grundfragen, S. 21; zu dieser Entwicklung auch Maurach ¡Zipf AT I, S. 233 ff. 55 So Maurach , AT, S. 178, der dort zudem von einem „verstümmelten" Handlungsbegriff spricht. 56 ZStW 58 (1939), 492. 51

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nungskriterien wieder einzugrenzen. Der zirkuläre Ablauf wird offenbar: Einem richtig verstandenen, leistungsfähigen Handlungsbegriff war von vornherein das Zurechnungsurteil immanent. Nachdem sich dann dieser Begriff aufgelöst hatte, mußte nunmehr die Zurechnung von neuem in das entstandene Vakuum hineinprojiziert werden. Es zeigt sich daran, „wie entscheidend wichtig für das Strafrechtssystem der richtig gepackte Seinsansatz ist" 5 7 . Damit ist zugleich ein wesentlicher Anhaltspunkt für die weitere Untersuchung der objektiven Zurechnung aufgefunden. Es wird zu klären sein, ob die Heranziehung der dabei verwendeten Kriterien nicht eine (wenn auch vielleicht unbewußte) Konsequenz des überholten kausalen Handlungsbegriffs darstellt. Sofern sich die betreffende Problematik bereits über einen finalen Handlungsbegriff auflösen läßt, muß die objektive Zurechnung als überflüssig erscheinen. III. Zurechnung und Deliktsformen

Als umfassendes Prinzip soll die Zurechnungslehre für alle Deliktsformen Bedeutung erlangen. Ihre Geltung erstrecke sich demnach auch in den Bereich der Vorsatzdelikte. 58 Das erweckt zunächst schon deswegen Zweifel, weil „dieser Formel die Herkunft aus dem fahrlässigen Delikt auf die Stirn geschrieben steht" 59 . Bei den Zurechnungstheoretikern findet sich denn auch der Hinweis, daß für die vorsätzlichen Begehungsdelikte die praktische Bedeutung der Zurechnungsvoraussetzungen geringer sei als im Bereich der Fahrlässigkeitsdelikte. 60 Diese Bemerkung lenkt den Blick auf die Überlegung, ob damit nicht eigentlich schon die Entbehrlichkeit dieser Lehre im betreffenden Kontext angedeutet ist. Bei den fahrlässigen und erfolgsqualifizierten Delikten wird andererseits besonderes Augenmerk darauf zu richten sein, ob nicht deren Eigenart spezielle Kriterien erheischt, die dann lediglich unter dem weiten Dach der sog. Zurechnung beheimatet werden. 1. Vorsatzdelikt a) M i t Hilfe der objektiven Zurechnung sollen zunächst solche Fälle ausgeschieden werden, in denen es an der Beherrschbarkeit des Kausalgeschehens fehlt. Hier gehe es darum, Erfolge menschlichen Willensverhaltens von

57

Welzel, ZStW 58 (1939), 493. Vgl. Burgstaller, in: Jescheck-FS, S. 357 f.; Ebert, AT, S. 43; Maiwald,, JuS 1984,440; Otto, NJW 1980, 423; Roxin, in: Honig-FS, S. 144; Rudolphe SK, Vor § 1 Rdn. 57 ff.; Wessels, AT, S. 52; Wolter, Objektive Zurechnung, S. 34. 59 Armin Kaufmann, in: Jescheck-FS, S. 258. 60 Vgl. Wessels, AT, S. 60; ebenso Lackner, Vor § 13 Anm. I I I lc dd; für das Kriterium der Risikoerhöhung auch Triffterer, in: Klug-FS II, S. 440. 58

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reinen Zufallsfolgen abzugrenzen. 61 Synonym wird das Gemeinte z. T. auch mit Steuerbarkeit 62 oder objektiver Zweckhaftigkeit 63 umschrieben. Erprobt wird dieses Prinzip zumeist an dem vieldiskutierten „Erbonkelfall": Der geldgierige Neffe N überredet seinen Erbonkel O bei aufziehendem Gewitter zu einem Waldspaziergang, auf welchem dieser erwartungsgemäß vom Blitz erschlagen wird. (Variante: N veranlaßt O zu einer Flugreise; das Flugzeug stürzt — wie erhofft — ab). Hier sei das Geschehen nicht beherrschbar und somit nicht objektiv zurechenbar. 64 Ausgehend vom zentralen Gefahrdungsgedanken stellen andere Autoren auch auf das Fehlen eines rechtlich relevanten bzw. mißbilligten Risikos ab. 6 5 Es wird sogar behauptet, daß die Verneinung der objektiven Zurechnung hier die einzige Möglichkeit sei, eine Strafbarkeit wegen eines Tötungsdelikts zu verneinen. 66 Nun läßt allerdings der Begriff der Be/zerrschbarkeit ein anderes Merkmal durchscheinen, das eben die Dominanz des Täters über das Geschehen bezeichnet: die Tat/zerrschaft. Diese bezeichnet ja gerade, die finale Überdeterminierung des Kausalverlaufs. Wie bereits erwähnt, hatte auch Welzel 67 die Tatherrschaft das „Grundprinzip der Zurechnung" genannt. Es muß nur in Erinnerung gerufen werden, daß das Tatherrschaftskriterium nicht erst bei der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme seine Bedeutung erlangt, sondern überhaupt ein Merkmal jeder Täterschaft ist. 6 8 Als immanenter Bestandteil des Handlungsbegriffs ist es dann aber einer Zurechnungslehre vorrangig.

61

Siehe nur Eser I, Nr. 4 A 17, der den Gedanken der Beherrschbarkeit des Kausalgeschehens als kennzeichnend für alle Bemühungen der normativen Zurechnungslehren ansieht. 62 So Hardwig , Zurechnung, S. 151 f.; Otto , in: Maurach-FS, S. 99. 63 So Honig , in: Frank-Festgabe I, S. 184; ähnlich Oehler , Zweckmoment, S. 72: „objektive Bezweckbarkeit". 64 Ebert , Jura 1979, 569; Hardwig , Zurechnung, S. 151; Wessels , AT, S. 59. 65 Vgl. Jescheck , AT, S. 258; Lenckner , in: Schönke / Schröder, Vor § 13 Rdn. 97; Roxin , in: Honig-FS, S. 137; Wolter , Objektive Zurechnung, S. 79. 66 Namentlich von Ebert , AT, S. 44. 67 Naturrecht, S. 37. Im Erbonkel-Fall verneint Welzel (LB, S. 66) den Vorsatz: Was außerhalb seiner Einwirkungsmöglichkeiten liege, könne der Täter wohl erhoffen oder wünschen, aber nicht verwirklichen wollen. Da indes der Verwirklichungswille genuiner Bestandteil der finalen Tatherrschaft ist, ergibt sich daraus kein wesentlicher Unterschied zu der hier vertretenen Auffassung. Im übrigen müssen auch die Zurechnungstheoretiker der subjektiven Seite Beachtung schenken, indem sie nämlich ein etwaiges „Sonderwissen" des Täters (z.B. der Neffe weiß, daß im Flugzeug eine Zeitbombe versteckt ist) als zurechnungsbegründend heranziehen; vgl. Wessels , AT, S. 57 ff.; außerdem die Fallvariante bei Otto , in: Maurach-FS, S. 100. 68 Vgl. Welzel, ZStW 58 (1939), 537 ff.; Hirsch, ZStW 74 (1962), 98; Jescheck , AT, S. 591; Maiwald , in: Bockelmann-FS, S. 361; Küpper , GA 1986, 444; speziell zum Erbonkel-Fall: Lange, ZStW 63 (1951), 471; Gallas , ZStW-Sonderheft 1957, 16.

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Die generelle Bedeutung des Tatherrschaftsbegriffs ist frühzeitig von H. Bruns 69 herausgearbeitet worden: Die Täterschaft beruhe auf der Möglichkeit der Tatherrschaft, die dem Verhalten von vornherein innewohnt. (Durch Blitze können keine Menschen töten). Die Möglichkeit der Tatherrschaft in der tatbestandlich vorgeschriebenen Form umschreibe daher den objektiven Zurechnungsmaßstab für Täterhandlungen. Es ist deshalb auch nicht so, daß mit dem Begriff der finalen Tatherrschaft dasselbe Problem nur anders benannt wird. 7 0 Vielmehr okkupiert umgekehrt die Zurechnungslehre ein Terrain, das bereits von anderer Seite besetzt ist. Bemerkenswert ist zudem, daß die Theorie der objektiven Zurechnung zur Stützung des Einheitstäterbegriffes in Dienst gestellt wird. 7 1 Im Einheitstätersystem könnten nämlich von der Zurechungslehre die notwendigen Impulse ausgehen, um das Unrecht schärfer zu konturieren. Zu dieser Konsequenz führt eben die Vernachlässigung handlungsvarianter Täterschaftskriterien. Auch das Anliegen der Zurechnungslehre, die Tat als das „Werk" des Täters auszuweisen, entspricht in der Formulierung dem Tatherrschaftsgesichtspunkt. Wiederum hatte schon Welzel 72 die finale Tatherrschaft dahingehend umschrieben, daß die Tat wirklich objektiv das Werk des Täters sein müsse, wobei diese Tatsache (auch) von subjektiven Momenten abhängig sei. Demgemäß kann als Täter definiert werden, wer in Kenntnis der tatherrschaftsbegründenden Umstände einen Straftatbestand (unmittelbar, mittelbar oder mit anderen) als sein Werk realisiert. 73 Hieraus folgt, daß insoweit unter dem Blickwinkel der fHL für ein eigenständiges Zurechnungsurteil kein Raum verbleibt. Als Zwischenergebnis gilt festzuhalten, was sich bei der Betrachtung des (historischen) Zusammenhanges von Zurechnung und Handlung bereits andeutete: Die objektive Zurechnung ist ein Bestandteil des Handlungsbegriffs. Was nicht in der Tatmacht des Handelnden liegt, kann ihm als „personales Aktionszentrum" 74 nicht zugerechnet werden. Beherrschbarkeit ist Tatherrschaft. b) Als weiterer Anwendungsfall der objektiven Zurechnung wird der Gedanke der Risikoverringerung angeführt. Danach soll ein Erfolg nicht zurechenbar sein, wenn der Täter durch sein Eingreifen einen drohenden schwereren Ausgang abgeschwächt hat. 7 5 Als Beispiel dient zumeist der Fall, daß A den 69

Lehre vom Tatbestand, S. 70 ff. So aber Krauß, ZStW 76 (1964), 46. 71 Namentlich bei Kienapfel, JuS 1974, 7. 72 ZStW 58 (1939). 542; siehe auch Lange, Täterbegriff, S. 36; Kohlrausch / Lange, Vorb. I I zu §47 a. F. 73 So mein Formulierungsvorschlag in GA 1986, 444. 74 Welzel, LB, S. 98; ebenso Maiwald, in: Bockelmann-FS, S. 355. 75 Vgl. Jescheck, AT, S. 258; Lenckner, Vor § 13 Rdn. 98; Roxin, in: Honig-FS, S. 136; ders., in: Armin Kaufmann-GedS, S. 242ff.; Rudolphi, SK, Vor § 1 Rdn. 58; Stratenwerth, AT I, Rdn. 224; Wolter, Objektive Zurechnung, S. 32. 70

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(lebensgefahrlichen) Schlag des B so ablenkt, daß er statt des Kopfes nur die Schulter des Opfers trifft. Allerdings werden dann auch wieder solche Fälle davon ausgenommen, in denen der Rettungswillige durch sein Eingreifen zwar die konkrete, auf den Bedrohten zulaufende Gefahr abwendet, dabei aber eine neue, eigenständige Gefahr begründet, die sich in dem von ihm verursachten Verletzungserfolg realisiert. 76 So beispielsweise, wenn A das von Flammen eingeschlossene Kleinkind aus dem Fenster wirft, wodurch es einen Schlüsselbeinbruch erleidet. Dieser Erfolg sei dem Täter als „sein Werk" objektiv zuzurechnen. Da es nicht angängig erscheine, die von A begründete Gefahr gegen die durch ihn abgewendete Gefahr „aufzurechnen", müsse eine sachgerechte Lösung unter einem anderen Aspekt gesucht werden. Es biete sich hierbei etwa der Rückgriff auf §34 StGB an. 7 7 Letztlich verbleibt es damit bei der Frage, auf welcher Deliktsebene die Sachentscheidung zu treffen ist. Wenn aber das eingesetzte (mildere) Mittel erforderlich ist, um die drohende Gefahr abzuwenden, dann handelt es sich um die Konstellation des rechtfertigenden Notstandes. 78 Die vorausgesetzte Kollisionslage kann sich auch auf denselben Rechtsgutsträger beziehen.79 Es ist kein Grund ersichtlich, die Problematik auf eine andere Wertungsstufe zu verschieben, zumal die Entscheidung dabei nicht einmal einheitlich getroffen wird. Zudem sind Tatbestand und Rechtfertigung gleichermaßen Elemente des Unrechtsbereichs, so daß auch von daher kein zwingendes Bedürfnis erkennbar ist, diese Fälle im Tatbestand anzusiedeln. Im übrigen ist in sonstigen Notstandsfallen bisher noch nicht der Einwand erhoben worden, diese würden auf der Rechtfertigungsebene „zu spät" erfaßt. Der Weg über § 34 StGB ist allerdings nicht gangbar, wenn es an einer Voraussetzung des Rechtfertigungsgrundes fehlt. Dies ist z. B. der Fall, wenn A durchaus die Möglichkeit gehabt hätte, den Schlag ganz abzulenken, aber etwa der Meinung war, einen Denkzettel sollte das Opfer schon erhalten. 80 Auch 76

Wolff, 10.

Vgl. Otto , NJW 1980,422; Puppe, ZStW 92 (1980), 885; Wessels , AT, S. 55ff.; E. A. Kausalität, S. 24; wohl auch Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 100 Anm.

77 Wessels, AT, S. 57f. nach Roxin (Armin Kaufmann-GedS, S. 243) soll nur eine analoge Anwendung des § 34 StGB möglich sein. 78 So auch Armin Kaufmann , in: Jescheck-FS, S. 255; B. Müller, JuS 1981, 259. Eine Rechtfertigung durch Nothilfe (so aber E. A. Wolff ; Kausalität, S. 19 Anm. 22) kommt hingegen nicht in Betracht, da sich die Verteidigung gegen den Angreifer richten muß. Zum Rechtfertigungsgrund der mutmaßlichen Einwilligung siehe OLG Frankfurt M D R 1970, 694. 79 Hirsch , L K , § 34 Rdn. 59; Lackner , § 34 Anm. 2c; Lenckner , in: Schönke/ Schröder, § 34 Rdn. 8; Stratenwerth , AT I, Rdn. 452; Welzel , LB, S. 91; abw. nur Samson, SK, § 34 Rdn. 6. 80 Beispiel von Armin Kaufmann , in: Jescheck-FS, S. 255.

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kann das subjektive Rechtfertigungselement entfallen: A befürchtet, der Schlag gehe fehl, und will ihn deshalb gerade auf das Opfer /»«lenken; der — sonst auf den Kopf des Opfers gelangte — Schlag trifft nunmehr die Schulter. Teilweise wird versucht, dieses Problem durch eine „geeignete" Bestimmung des tatbestandliches Erfolges zu lösen. 81 Man könne etwa argumentieren, die Gesundheitserwartung des Opfers sei nicht verringert, sondern vergrößert worden. Puppe 82 will die Erfolgsbeschreibung in die Kausalerklärung integrieren und schlägt deshalb folgende Regel vor: Ein Teilerfolg, der ohne das Verhalten des Täters kausal erklärbar ist, sei aus der Erfolgsbeschreibung zu eliminieren. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß eine solche „Manipulation" des Erfolgsbegriffs nur eine Verschiebung des Risikoerhöhungsgedankens in die Kausalität selbst bedeutet. 83 Die Problematik wird damit zwar umdisponiert, aber nicht gelöst. Hinzu kommt, daß auf diese Weise ein hypothetischer Kausalverlauf in die Betrachtung einbezogen wird. Denn wenn man auf die „Gesundheitserwartung" abstellt, wird geprüft, was das Verhalten des B ohne Eingreifen des A bewirkt hätte. Das Hinzudenken von Reserveursachen wird aber sonst allgemein als unzulässig angesehen.84 Entscheidend sei vielmehr die Herbeiführung des Erfolges in seiner konkreten Gestalt. Und in den angeführten Fallkonstellationen hätte das Opfer diese Verletzung nicht erlitten. Demnach verbleibt die Frage, warum in bestimmten Fällen bei Fehlen einer Rechtfertigungsvoraussetzung ein anderes Kriterium gesucht werden muß, um die Strafbarkeit zu verneinen. Dies ist durchaus unüblich. Auch bei Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselementes wird nahezu einhellig eine Bestrafung des Täters angenommen, sei es nun wegen Vollendung oder Versuchs. 85 So beispielsweise in dem bekannten Fall, daß A dem B die Fensterscheibe einwirft und ihn dadurch vor einer Gasvergiftung rettet. Hier steht sogar Eigentum gegen Leben, ohne daß dies dem A zugute kommen soll. Wenn geltend gemacht wird, es könne schlechterdings nicht Sinn und Zweck der strafrechtlichen Verbotsnormen sein, Handlungen zu verbieten, die das Risiko des Erfolgseintritts verringern bzw. drohende Rechtsgutsverletzungen abmildern 86 , so mangelt es immer noch an einer stringenten Begründung dafür, warum dieser 81

Vgl. Puppe, ZStW 92 (1980), 883 fr.; dies., ZStW 95 (1983), 292; ähnlich Armin Kaufmann, in: Jescheck-FS, S. 255f.; zu früheren Versuchen einer besonderen Erfolgsbestimmung siehe Spendet, Kausalitätsformel, S. 74ff. 82 ZStW 95 (1983), 886. 83 So ausdrücklich Bloy, Beteiligungsform, S. 276. 84 Vgl. etwa BGHSt 2, 20 (24f.); 13, 13 (14f.); 30, 228 (231 f.); Jescheck, AT, S. 253; Roxin, ZStW 74 (1962), 425 ff. 85 Zur Auseinandersetzung zwischen Vollendungs- und Versuchslösung siehe Hirsch, L K , Vor § 32 Rdn. 59 ff. einerseits, Herzberg, JA 1986,190 ff. andererseits; jeweils m. w. N. 86 Vgl. Rudolph^ SK, Vor § 1 Rdn. 58.

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Gesichtspunkt gerade (nur) in Fällen der Risikoverringerung beachtlich sein soll. Die Zurechnung wird jedenfalls dann bejaht, wenn ein Dritter das Opfer zur gleichen Zeit und auf die gleiche Weise beeinträchtigt hätte. Denn die Rechtsordnung könne ihre Normen für einen Täter nicht allein deshalb suspendieren, weil auch noch andere willens sind, sie zu übertreten. 87 „Suspendiert" werden Strafvorschriften indes durch Erlaubnissätze, seil. Rechtfertigungsgründe, die ein tatbestandsmäßiges Verhalten ausnahmsweise gestatten. Diese Überlegung führt also wieder auf die Rechtswidrigkeitsebene zurück. Nach alledem erweist sich das Zurechnungskriterium der Risikoverringerung als nicht erforderlich. Es geht vielmehr um eine Rechtfertigungsfrage, die sachgerecht anhand der in diesem Bereich geltenden Regeln zu lösen ist. c) Schließlich hat sich die Zurechnungslehre sogar einiger „klassischer" Vorsatzprobleme bemächtigt, namentlich der verschiedenen Arten von Vorsatzabweichungen. Demnach soll es beim Problem der Kausalabweichung 88 , des dolus generalis 89 sowie der aberratio ictus 90 in Wahrheit um Fragen der objektiven Zurechnung gehen. Die herkömmliche Lehre loziert die Abweichung des vorgestellten vom wirklichen Kausalverlauf allein im Vorsatzbereich. 91 Als (ungeschriebenes) Tatbestandsmerkmal müsse auch der Kausal verlauf vom Vorsatz umfaßt sein. Allerdings brauche sich dieser nicht auf alle Einzelheiten zu erstrecken; nur „wesentliche" Abweichungen würden den Vorsatz ausschließen. Als unwesentlich und damit unerheblich stuft die Rechtsprechung 92 solche Abweichungen ein, die sich noch innerhalb der Grenzen allgemeiner Lebenserfahrung halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen. M i t der generalisierten Handlungsprognose (allgemeine Lebenserfahrung) wird nun in der Tat ein objektivierendes Element in die Beurteilung der subjektiven Seite eingeführt: das Adäquanzurteil. 93 Dagegen richtet sich auch die entschiedenste Kritik der Zurechnungsdoktrin, daß objektive Kriterien im Vorsatz fehl am Platze seien. Indes erweist sich dieses Argument als vordergründig, weil die finale Tatmacht in generellen Erfahrungssätzen ihre Grenze findet: Das gewollte Indienststellen der Kausalität setzt nämlich den Adäquanzmaß87

Rudolphe SK, Vor § 1 Rdn. 60. Wolter , ZStW 89 (1977), 649 ff.; Schmoller , ÖJZ 1982, 452ff.; Driendl, GA 1986, 253 ff.; Roxin , in: Armin Kaufmann-GedS, S. 239. 89 Triffterer, in: Klug-FS, S. 432ff.; Yamanaka , Kansai Univ. Rev. 1982, 30ff.; SilvaSanchez, ZStW 101 (1989), 352. 90 Wolter , in: Grundfragen, S. 123 ff.; siehe auch ders ., in: Leferenz-FS, S. 551 ff. 91 Vgl. Baumann I Weber, AT, S. 393; Dreher / Tröndle, § 16 Rdn. 7; Heimann / Trosien, L K 9, Einl., Rdn. 94; Lenckner , in: Schönke/Schröder, § 15 Rdn. 55; Welzel, LB, S. 73. 92 BGHSt 7, 325 (329); 14, 193 (194); 23, 133 (135); BGH GA 1955, 123. 93 Hervorgehoben z.B. von Bockelmann , AT, S. 67; Maiwald, ZStW 78 (1966), 41 ff.; Welzel, LB, S. 73. 88

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stab voraus. Was hingegen darüber hinausgeht, ist nicht mehr final steuerbar und deshalb subjektiv nicht zurechenbar. 94 Das objektive Adäquanzurteil wird also psychologisch realisiert. 95 Der vermeintliche Widerspruch erweist sich damit als ein nur scheinbarer. Plausibel ist überdies, daß der Vorsatzinhalt keine genaue Kenntnis des kausalen Ablaufs aufweisen muß. Kaum jemals wird die in Gang gesetzte Kausalkette in allen ihren Einzelheiten erfaßt werden, sondern nur in groben Umrissen. Der Täter eines Tötungsdelikts braucht dem zum Tode führenden pathologischen Prozeß nicht wie ein Mediziner nachzuvollziehen. Wie bei sonstigen (normativen) Tatbestandsmerkmalen genügt hier eine „Parallelwertung in der Laiensphäre" dahingehend, daß der Täter den Gang des Geschehens und dessen Wirkung für den tatbestandsmäßigen Erfolg in seinem erkennbaren Wesensgehalt in Vorstellung und Willen aufgenommen hat. 9 6 Auch insoweit tritt die Bedeutung des Kausalverlaufs als vorsatzumspanntes Tatbestandsmerkmal zutage. Wenn allerdings der BGH eine „Doppelprüfung empirischer Prognostizierbarkeit und normativer Vergleichbarkeit" 97 fordert, dann handelt es sich um ein mißverständliches Nebeneinander. Denn mit dem Adäquanzurteil ist zugleich schon festgestellt, daß ein solcher Kausalverlauf eben keine andere Bewertung rechtfertigt. 98 Der seinsmäßige Befund präjudiziert hierbei den Wertmaßstab. Wenn dennoch der prinzipielle Einwand verbleiben soll, daß es sich bei der Kausalabweichung nicht „erst" um eine Frage des subjektiven Zurechnung handeln könne 99 , so scheint dabei noch der kausale Handlungsbegriff im Hintergrund zu stehen. Da nach heute ganz h. L. der Vorsatz zum Unrechtstatbestand gehört, besteht ja nicht mehr die Gefahr, das Problem in die Schuld abzuschieben. Hinzu kommt, daß nach zunehmender Ansicht die Abweichung des Kausalverlaufs jetzt sowohl ein Problem der objektiven Zurechnung als auch des Vorsatzes sein soll. 1 0 0 Schon die objektive Zurechnung des Erfolges sei zu verneinen, sofern dessen Eintritt auf einem ganz ungewöhnlichen, atypischen Kausalverlauf beruht. Erst danach bleibe für die Vorsatzfrage (jedenfalls aber 94

Ebenso Kratzsch, Verhaltenssteuerung, S. 98. Engisch, Untersuchungen, S. 220; zust. Armin Kaufmann, ZStW 70 (1958), 81. 96 Vgl. Maurach/ Zipf AT I, S. 317. 97 So formuliert von Driendl, GA 1986, 266, der das zweite Erfordernis als „Leerform e r kritisiert; abl. auch Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 577ff., 613 f. 98 In BGHSt 7, 325 und BGH GA 1955, 123 stehen beide Elemente noch gleichrangig nebeneinander; BGHSt 14, 193 bezeichnet die Abweichung als gering „und daher" rechtlich bedeutungslos; BGHSt 23, 133 schließlich stützt sich nur noch auf das Adäquanzurteil. 99 Vgl. Lenckner, in: Schönke/ Schröder, Vor § 13 Rdn. 85; in dieser Richtung auch Jescheck, L K , Vor § 13 Rdn. 56; Roxin, in: Armin Kaufmann-GedS, S. 237. 100 So nunmehr Jescheck, AT, S. 280; MaurachIZipf AT I, S. 317f.; Puppe, GA 1981, 16; Schmidhäuser, AT, 10/46; Wessels, AT, S. 76. 95

7 Küpper

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noch) Raum. Der angebliche Vorteil dieser Auffassung — also Ausscheidung schon im objektiven Bereich — wird damit wieder relativiert und mit neuen Unschärfen belastet. Denn jetzt muß man offenbar auch noch zwischen „ganz" ungewöhnlichen und schlicht(?) ungewöhnlichen Verläufen differenzieren. Wenn schließlich zugestanden wird, daß die Praxis im allgemeinen auch zu befriedigenden Ergebnissen gelangt 101 , so erweist sich der gesamte Aufwand letztlich als überflüssig. Welche Abweichung als noch vom Verwirklichungswillen des Täters gedeckt betrachtet werden kann, ist und bleibt ein Vorsatzproblem. „Alles andere sind Fiktionen." 1 0 2 Auch in den Fällen des sog. dolus generalis besteht kein Anlaß, ihre Behandlung in den Bereich objektiver Zurechnung zu verschieben. Es geht dabei lediglich um Sonderfälle der Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf, die heute noch traditionell unter jener Rubrik behandelt werden. 103 Soweit hier eine Beurteilung nach Adäquanzmaßstäben erfolgt, kann auf das Vorgesagte Bezug genommen werden. Darüber hinaus lassen die angebotenen Zurechnungsformeln auch keinen Gewinn an Rechtsklarheit erkennen. So heißt es etwa bei Triffterer 104: „Führen zwei aufeinander aufbauende Handlungen zum Tod des Opfers, so kann der ersten Handlung der Tod dann objektiv zugerechnet werden, wenn die zweite Handlung als Zwischenursache keine atypische Folge der ersten ist und wenn ferner diese Zwischenursache den Erfolg in generell und speziell zurechenbarer Weise herbeigeführt hat." Auffallig an dieser Umschreibung ist, daß hier eine Leerformel mit einer gleichlautenden ausgedeutet werden soll (verkürzt: objektiv zurechenbar, wenn generell und speziell zurechenbar). Von objektiver Zurechnung geht auch Yamanaka 105 aus, der sie im dolus-generalis-Fall in der Regel bejahen will. Folgende Fälle sollen aber die Ausnahme bilden: (1) Falls die Gefahr der Täterhandlung zu gering ist oder die Handlung ersichtlich fehlgeht. (2) Falls der Entschluß des Täters zum Zweitakt nach dem Erstakt durch die nur ungewöhnlichen bzw. unerwarteten Umstände motiviert wird. (3) Falls die besonderen Umstände zwischen dem Erstakt und dem Eintritt des geplanten Erfolges entstehen. 101

Vgl. »lescheck und Lenckner (Fn. 99). Hirsch , in: Oehler-FS, S. 120 Anm. 37. Auch Armin Kaufmann (Jescheck-FS, S. 264) gelangt zu dem Ergebnis, daß die Abweichungsproblematik mit der Lehre von der objektiven Imputation und deren Formel „nichts zu tun" hat. Nach Schroeder (LK, § 16 Rdn. 28) kann das Problem jedenfalls nicht völlig aus dem Vorsatz ausgegliedert werden; ebenso Frisch , Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 630. Siehe jüngst noch Struensee , ZStW 102 (1990), 26 ff., 29: Kausalverlauf als „unverzichtbares Element" des Vorsatzgegenstandes. 102

103 104 105

Vgl. Schroeder , L K , § 16 Rdn. 30. Klug-FS II, S. 436f. Kansai Univ. Rev. 1982, 32.

III. Zurechnung und Deliktsformen

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Es fehlt allerdings eine tragende Begründung für diese beliebige und damit willkürliche Kasuistik. Schließlich gerät noch die aberratio ictus in den Sog der objektiven Zurechnung. 106 Denn es gehe um die objektive Zurechnung des vom Vorsatz nicht umfaßten, aber des Vorsatzbezuges auch gar nicht bedürftigen Risikos (und Erfolges). Es sei also nicht ein strafrechtlich relevanter Irrtum betroffen, sondern wir hätten es mit der objektiven Gleichwertigkeit des bewußt ins Werk gesetzten Planverlaufs mit dem objektiven Realgeschehensablauf zu tun, mit „objektiver Zurechnung zur Vorsatztat". Diese objektive Gleichwertigkeitsfrage sei zwar mit dem Blick auf das vom Täter Gewollte zu lösen; aber dieser Vergleich des Gewollten mit der Wirklichkeit mache das Problem nicht zu einer subjektiven Frage. Allerdings spricht auch nach Wolter 107 für die Einordnung als subjektive Zurechnung immerhin, daß das Hauptaugenmerk auf der Vorsatzkonkretisierung liegt. Und in der Tat ist das entscheidende Argument der h. M. die vom Täter vorgenommene Objektsindividualisierung. 108 Dabei wird nicht etwa der Vollendungsvorsatz verneint. 109 Vielmehr geht es um die Frage, ob man den Vorsatz mit dem de facto eingetretenen objektiven Erfolg zur vollendeten Tat verknüpfen kann. Dies ist im Falle der aberratio ictus indes wegen eines „vollendungsausschließenden Tatverlaufsirrtums" 110 zu verneinen. Die Problematik ist also im subjektiven Bereich angesiedelt: Den gewollten Verlauf konnte der Täter nicht entsprechend seinem Willen realisieren (final überdeterminieren); insoweit liegt lediglich ein Versuch vor, während der tatsächlich eingetretene Erfolg ihm ggf. als fahrlässige Tat zur Last fällt. d) Insgesamt läßt sich für das Vorsatzdelikt kein Bedürfnis nach objektiver Zurechnung ausmachen: Dies liegt vor allem an der Dominanz des Vorsatzes: Er dirigiert — als Verwirklichungswille — die finale Tatherrschaft und den Kausalverlauf. „ I m Lichte des Tatvorsatzes schmilzt die komplexe Problematik zusammen wie Aprilschnee in der Sonne." 111 Ferner besteht in Rechtfertigungsfallen kein plausibler Anlaß, von den dort verankerten Grundsätzen abzuweichen. Der Zurechnungslehre obliegt weiterhin die Beweislast für die Notwendig-

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Namentlich bei Wolter, in: Grundfragen, S. 130ff.; ders. y in: Leferenz-FS, S. 551 f.; anders noch ders., ZStW 89 (1977), 650 Anm. 5. 107 Grundfragen, S. 131. los V g l e t w a jescheck, AT, S. 281; Rudolphe SK, § 16 Rdn. 33; Wessels, AT, S. 74. 109

Entgegen Wolter, in: Leferenz-FS, S. 552. So Herzberg, JA 1981, 374. 111 Armin Kaufmann, in: Jescheck-FS, S. 260. Auch für Moos (StrProbGgw. II, S. 38) äußert sich der Vorteil des finalen Systems bei der Begrenzung der an sich uferlosen Kausalität durch den Vorsatz bereits im Unrechtstatbestand. Eine objektive Zurechnung sei darum praktisch nicht erforderlich. 110

7*

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keit, anerkannte dogmatische Figuren zugunsten schwankender Prinzipien aufzugeben. 2. Fahrlässiges Delikt a) Das Unrecht des Fahrlässigkeitsdelikts setzt eine (objektive) Sorgfaltspflichtverletzung voraus. Da hier die Finalität der zugrundeliegenden Handlung nicht auf einen strafrechtlich relevanten Erfolg gerichtet ist, bedarf es einer anderen Verknüpfung: Die Pflichtwidrigkeit muß sich im eingetretenen Erfolg realisieren. Es geht um den sog. Risiko-, Pflichtwidrigkeits- oder Rechtswidrigkeitszusammenhang.112 Positivrechtliche Verankerung findet dieser Grundsatz in den Bestimmungen, die eine Erfolgsherbeiführung durch Fahrlässigkeit postulieren (vgl. §§ 222, 230 StGB). Einer besonderen Zurechnungslehre bedarf es zur Begründung dieses Ergebnisses nicht. Vielmehr folgt schon aus dem Wesen der Fahrlässigkeit die Notwendigkeit des Bezuges der objektiven Sorgfalt auf den inkriminierten Erfolg. 113 Zu prüfen ist, ob die Rechtsgutsverletzung auch bei pflichtgemäßem Verhalten eingetreten wäre. Wohl wegen dieser terminologischen Annäherung an die conditio-sine-qua-non-Formel spricht der B G H 1 1 4 von einer „Kausalität im Rechtssinne". Der Sache nach ist damit indes nichts anderes als der besagte Risikozusammenhang gemeint. b) Zunehmender Beliebtheit erfreut sich heute die Theorie der Risikoerhöhung. 115 Sie fragt danach, ob bei der konkreten Sachgestaltung die Chance des Erfolgseintritts durch das sorgfaltswidrige Täterverhalten gegenüber dem erlaubten Risiko erhöht worden ist. Ihre kürzeste Fassung lautet nach Roxin 116: „Wenn der Gesetzgeber, beim Betreiben gefahrlicher Anlagen und in anderen Fällen überwiegender sozialer Nützlichkeit, die Eingehung eines Risikos bis zu einer gewissen Grenze gestattet, so kann eine Zurechnung erst erfolgen, sobald das Verhalten des Täters eine Steigerung des erlaubten Risikos bedeutet. Ist das aber der Fall, so muß der Erfolg dem Handelnden zugerechnet 112 Näher dazu Cramer , in: Schönke/Schröder, § 15 Rdn. 161 ff. mit zahlr. Nachw. Die ursprüngliche Benennung als „Rechtswidrigkeitszusammenhang" geht auf Engisch (Kausalität, S. 61) zurück, der dort (S. 53) die Verletzung der objektiv erforderlichen Sorgfalt als Merkmal der Rechtswidrigkeit auffaßte. 113 So Armin Kaufmann , ZfRV 1964, 54; Hirsch , L K , § 230 Rdn. 7. Auch Geilen ( AT, S. 59) sieht die Gefahr, daß durch die Betonung des Zurechnungsgedankens die Besonderheiten des fahrlässigen Delikts unzulässig verallgemeinert werden. 114 Vgl. BGHSt 11, 1 (7); 21, 59 (61); 33, 61; ähnlich Gössel, in: Bengl-FS, S. 33, nach dem die Kausalität stets normativer Natur ist („Vermeidbarkeitskausalität"). 115 Grundlegend Roxin , ZStW 74 (1962), 430ff.; 78 (1966), 217ff.; ihm folgend Burgstaller , Fahrlässigkeitsdelikt, S. 139ff.; Otto , NJW1980,417ff.; Rudolphi , SK, Vor § 1 Rdn. 65ff.; Stratenwerth , AT I, Rdn. 224f.; Walder , SchwZStR 93 (1977), 161 ff.; Wolter , Objektive Zurechnung, S. 334ff.; beschränkt auf das fahrlässige Delikt: Jescheck , AT, S. 528 f.; Lackner § 15 Anm. I I I 2b cc. 116 Honig-FS, S. 138.

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werden, und zwar selbst dann, wenn möglicherweise der Erfolg auch bei fehlerfreiem Verhalten eingetreten wäre." Die Risikoerhöhungslehre hat seit ihrer Entstehung allerdings vielfaltige Wandlungen durchgemacht. 117 Diese betreffen etwa die Anforderungen an das Gefahrurteil sowie die Feststellung einer Risiko-Erhöhung. Es wird ihrerseits auch zugestanden, daß der betreffende Lösungsansatz in beträchtlichem Maße unbestimmt ist und dementsprechend im einzelnen durchaus unterschiedlich ausgeführt wird. 1 1 8 Im Rahmen der hiesigen Themenstellung gilt es daher zu prüfen, ob diese Probleme nicht im „Normativismus" dieser Lehrmeinung ihren Ursprung haben. Die Risikoerhöhungstheorie steht zunächst vor der Aufgabe, eine Rechtsgutsgefahrdung festzustellen. Denn für sie gilt: „Die Haftung für die Rechtsgutsverletzung ... ist immer vermittelt durch die Haftung für die Gefahr, auf der sie beruht." 1 1 9 Würde nun aber — wie sonst üblich — das Gefahrurteil aus einer Sicht ex ante getroffen, so wäre jede Pflichtverletzung zugleich eine Risikoerhöhung. Denn der Verstoß gegen die Norm überschreitet, vom Zeitpunkt der Handlungsvornahme aus gesehen, die vom Gesetzgeber durch das erlaubte Risiko gezogene „Toleranzgrenze" und stellt damit eine Risikosteigerung dar. 1 2 0 Die Lehre sieht sich daher gezwungen, das Gefahrurteil auf eine uneingeschränkte Beurteilung ex post zu stützen. 121 Diese Sichtweise fordert aber sogleich den naheliegenden Einwand heraus: Logisch könne eine Gefahr (eine Möglichkeit, ein Risiko) nur aus der Sicht ex ante bestimmt werden, d. h. der Richter müsse sich bei seiner nachträglichen Beurteilung in die Situation ex ante versetzen und dürfe nur berücksichtigen, was zu diesem Zeitpunkt erkennbar war. 1 2 2 Zudem soll bei der ex-post-Betrachtung dann zwischen prinzipiell aufklärbaren und prinzipiell unaufklärbaren Umständen differenziert werden 1 2 3 — eine Unterscheidung, die ihrerseits wiederum prinzipiell undurchführbar sein dürfte. 1 2 4 Die Problematik wird noch deutlicher, wenn man einmal anstelle des verbotenen Risikos das erlaubte Risiko zugrunde legt: Soll der 117 Zur Entwicklung näher Schünemann, JA 1975, 648 ff. Siehe zuletzt noch den „Risikoansatz" bei Küper, in: Lackner-FS, S. 270 ff., 282 ff., sowie die „Rechtswidrigkeitslösung" von Lampe, ZStW 101 (1989), 6ff., 40ff. 118 So Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, S. 139. 119 Stratenwerth, in: Gallas-FS, S. 238; zust. Otto, JuS 1974, 704; Rudolphe SK, Vor § 1 Rdn 70. 120 Dieser Einwand wird vor allem erhoben von Ulsenheimer, Pflichtwidrigkeit und Erfolg, S. 134; ders, JZ 1969, 366. 121 Stratenwerth, in: Gallas-FS, S. 230; Rudolphi, SK, Vor § 1 Rdn. 69 m. w. N.; siehe bereits Roxin, ZStW 78 (1966), 221: es sei der wirkliche Sachverhalt zugrundezulegen. 122 So Arthur Kaufmann, in: Jescheck-FS, S. 277. 123 Stratenwerth, AT I, Rdn. 225; ders., in: Gallas-FS, S. 231 ff. 124 Vgl. Samson, SK, Anhang zu § 16 Rdn. 27a; zur Kritik eingehend Krümpelmann, GA 1984, 491 ff.

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Betreffende erst nach der Tat feststellen können, was ihm gestattet war? Auch die Modifizierungen der Risikoerhöhungstheorie vermögen daher die gegen sie erhobenen Bedenken nicht auszuräumen. Schwierigkeiten hat die Risikoerhöhungslehre auch bei der Bestimmung des erhöhten Risikos. Gefordert wird eine „deutliche", „meßbare", „erhebliche", „wesentliche", „eindeutige", „echte" und „nachweisbare" Risikodifferenz. 125 Diese Topoi sind nicht nur selbst kaum „meßbar", sondern auch untereinander widersprüchlich. So ist eine Geschwindigkeit von 51 k m / h (statt der zugelassenen 50 km/h) wohl objektiv „meßbar", ist sie aber auch eine „meßbare Risikosteigerung"? Ob sie zudem erheblich oder wesentlich ist, dürfte kaum ohne Willkür festzulegen sein. Das Reservoir normativer Begrifflichkeit ist indes damit noch nicht ausgeschöpft. Mangels klarer Kriterien kommt es zu einer normativen Reformulierung 1 2 6 des Risikoerhöhungsgedankens. Dementsprechend heißt es bei Schünemann121: „Die Zurechnung einer feststehenden Erfolgsverursachung durch ein ex ante unsorgfältiges Verhalten erscheint normativ nur immer dann sinnvoll, wenn die verletzte Sorgfaltsnorm auch bei Berücksichtigung aller ex post erkennbaren zusätzlichen Umstände noch zur Fixierung des erlaubten Risikos sinnvoll erscheint und damit weiterhin jene Funktion erfüllt, die ihr in einem an der Idee des erlaubten Risikos orientierten Fahrlässigkeitsstrafrecht nur und immerhin zukommt: den Eintritt von Rechtsgüterverletzungen auf ein erträgliches, kraft einer Güter- und Interessenabwägung hinzunehmendes Ausmaß zu beschränken." Im Kern heißt das also: Die Zurechnung ist sinnvoll, wenn die Norm (zur Risikofixierung) sinnvoll ist. Aber was ist ihr Sinn? Bei Verletzungsdelikten doch wohl, daß sie Verletzungen verhindert. 128 Auch eine normativ reformulierte Variante entgeht daher nicht dem Haupteinwand gegen diese Theorie, sie verwandele Verletzungs- in Gefahrdungsdelikte. 129 Wenn zudem noch eine Güter- und Interessenabwägung (von was?) verlangt wird, werden die Konturen vollends aufgelöst.

125

Vgl. die Aufzählung der verwendeten Begriffe bei Wolter , Objektive Zurechnung, S. 336 m. w. N.; krit. Puppe, ZStW 99 (1987), 605: Die Forderung nach einem numerisch bestimmten Mindestquantum an „Risikoerhöhung" sei illusorisch. Die Vagheit der besagten Formulierungen monieren auch Frisch , Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 543 f.; Lampe, ZStW 101 (1989), 47 f. 126 127 128

So Schünemann, JA 1975, 653; vgl. auch ders., GA 1985, 356f. StV 1985, 230. Vgl. auch Ranft , NJW 1984, 1431; Ulsenheimer , Pflichtwidrigkeit und Erfolg,

S. 145. 129 Erhoben von Baumann/ Weber, AT, S. 274; Ebert , Jura 1979, 572f.; Fincke , Arzneimittelprüfung, S. 60; Jakobs , Studien, S. 96 Anm. 185; Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 155; Schroeder , L K , § 16 Rdn. 190; ebenso OLG Koblenz, OLGSt § 222, S. 63 (67).

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Auch Wolter 130 vertritt eine normative Risikoerhöhungslehre. Auf dem Hintergrund des Adäquanzurteils lasse sich sagen, daß es sich stets dann um ein (erheblich) risikoerhöhendes Verhalten handelt, wenn das hypothetische rechtmäßige Alternativverhalten anstelle eines adäquaten Verletzungsrisikos eine adäquate (ernsthafte) Rettungschance vermittelt hätte. Die Adäquanzurteile seien also umzukehren. M.a. W.: Hätte das hypothetische rechtmäßige Alternativverhalten die rechtlich unbedeutenden Rettungschancen zu ernstlichen und adäquaten Rettungsmöglichkeiten erhöht bzw. wären die tatsächlichen adäquaten Verletzungsrisiken bei sorgfaltsgemäßem Handeln auf ein rechtlich irrelevantes Maß herabgesunken (und damit meßbar verringert) worden, dann liege ein rechtlich relevantes risikoerhöhendes Verhalten vor. Hierdurch werden aber die schon erwähnten unscharfen Begriffe durch andere („ernstlich", „rechtlich [ir]relevant", „meßbar") ersetzt. Es verbleibt eine „Zufallsgesamtheit von Indizien" 1 3 1 . An Klarheit und Rechtssicherheit jedenfalls ist demgegenüber die Lehre vom Risikozusammenhang überlegen. Unklar bleibt ferner das Beziehungsverhältnis zwischen Gefahrerhöhung und Gefahrverwirklichung. Wenn die Risikoerhöhungslehre die Fahrlässigkeitsdelikte als „erfolgsverbundene Gefährdungsdelikte" 132 ansieht, so fragt es sich, worin denn die Verbindung zum Erfolg bestehen soll. Diesbezüglich wird z. T. verlangt, daß sich das (gesteigerte) Risiko in dem Erfolgseintritt realisiert bzw. niedergeschlagen hat. 1 3 3 Was mit diesem Erfordernis nun genau gemeint ist, wird nicht näher erläutert. Wollte man damit die Gefahrrealisierung ausdrücken, so käme man im Ergebnis zur Lehre vom Pflichtwidrigkeitszusammenhang. Soll aber der Unterschied gerade darin bestehen, daß an die Stelle der Risikorealisierung die Risikosteigerung tritt, dann ist das genannte Erfordernis in der Tat sinnlos. 134 Bei innerer Folgerichtigkeit müßte es mit dieser Steigerung sein Bewenden haben. Schließlich liegt es in der Logik des Risikoerhöhungsgedankens, das Kriterium der Kausalität nicht nur zu ergänzen, sondern vollends zu ersetzen. 135 Es zeigt sich darin die Tendenz einer normativierenden Dogmatik, das geltende Recht zu verlassen. Zwar wird der ursächliche Zusammenhang gelegentlich als

130

Objektive Zurechnung, S. 337 f. So das Urteil von Fincke (Arzneimittelprüfung, S. 70) über die Risikoerhöhung. 132 Otto, MschrKrim. 1967, 96. 133 Vgl. Rudolphe SK, Vor § 1 Rdn. 67; Stratenwerth, in: Gallas-FS, S. 137. Dagegen ist nach Burgstaller (Fahrlässigkeitsdelikt, S. 143) für eine Zurechenbarkeit die Risikoerhöhung ausreichend und die Risikorealisierung irrelevant. 134 So ausdrücklich Puppe, ZStW 95 (1983), 314. 135 Darauf weisen Ebert (Jura 1979, 573) und Fincke (Arzneimittelprüfung, S. 42, 60) hin, die deshalb Bedenken wegen Art. 103 Abs. 2 GG geltend machen. Auch Lenckner (Schönke / Schröder, Vor § 13 Rdn. 71) hält die Kausalität als Grundlage jeder Erfolgszurechnung für unverzichtbar. 131

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„ungeschriebenes" Tatbestandsmerkmal bezeichnet 136 , in Wirklichkeit ist er aber im Gesetz durchaus deutlich verankert. Zahlreiche Tatbestände fordern ausdrücklich, der Täter müsse einen bestimmten Erfolg verursacht haben, namentlich bei fahrlässigen (z.B. §§222, 230 StGB) und erfolgsqualifizierten (z.B. §§226, 251 StGB) Delikten. Nichts anderes als Verursachung bedeuten auch die Wendungen „zur Folge" haben (§ 224) oder „herbeiführen" (§§312 — 314). Und selbst in Beschreibungen vorsätzlicher Deliktshandlungen wie „töten" (§ 212) oder „beschädigen" (§ 303) wird der Kausalzusammenhang mit dem Gebrauch des jeweiligen Verbes impliziert. 137 Es geht daher nicht an, die erste (ontologische) „Zurechnungsstufe" zugunsten wertender Kriterien aufzugeben. c) Als ergänzendes Zurechnungskriterium beim fahrlässigen Delikt wird schließlich noch auf den Schutzzweck der Norm abgestellt. 138 Danach soll dem Täter ein Erfolg nur dann zugerechnet werden, wenn die verletzte Sorgfaltspflicht auch den Sinn hat, Erfolge dieser Art zu vermeiden. Ansonsten trete die Rechtsgutverletzung nur gelegentlich der Pflichtwidrigkeit ein. Diese Lehre hat auch vereinzelt bereits Eingang in die Rechtsprechung gefunden. 139 Besondere Bedeutung erlangt sie für die Risikoerhöhungstheorie: Diese will dem Einwand, durch das Einbeziehen von bloßen Schutzreflexen der verletzten Pflicht zu einer Zufallshaftung zu führen, durch die Schutzzwecklehre begegnen.140 Bei den „offenen" Fahrlässigkeitstatbeständen erhebt sich allerdings sogleich die Frage, wie denn der Schutzbereich zu bestimmen ist. Außerhalb spezifischer Sorgfaltsnormen — etwa im Verkehrsstrafrecht — sei der Normzweck schwerlich zu ermitteln. Seine Heranziehung erscheine dann als „Leerformel" 141 . Auch im Zivilrecht wird daraufhingewiesen, daß es für den Umfang des Schutzbereiches häufig an jedem Anhalt fehle. Nicht selten regiere das gewünschte Ergebnis, als Schutzzweck verkleidet, die Haftung. 1 4 2 Vor einiger Zeit hat deshalb auch Stoll 143 die Berufung auf den Schutzzweck der Haftungsnorm eine „nichtssagende Scheinbegründung" genannt.

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So etwa Heimann-Trosien , L K 9 , Einl., Rdn. 88; Maurach / Zipf, AT I, S. 306f. Jakobs , AT 7/4; vgl. auch Maiwald , Kausalität, S. 77; Schlüchter , JuS 1976, 314. 138 Vgl. Cramer , in: Schönke/Schröder, §15 Rdn. 174ff.; Ebert , Jura 1979, 574f.; Jescheck , AT, S.258f.; Roxin, in: Gallas-FS, S. 241 ff.; Rudolphe JuS 1969, 549ff.; Samson, JA 1975, 715ff. 139 Vgl. BGHSt 33, 61 (65); OLG Köln VRS 59, 422 (424); OLG Hamm M D R 1980, 1036. 140 So Rudolphi , SK, Vor § 1 Rdn. 70 gegen Krümpelmann , in: Bockelmann-FS, S. 464. 141 Schröder , L K , §16 Rdn. 28; krit. auch Otto , in: Maurach-FS, S. 98 Anm. 28; Schmidhäuser , AT 8/50 Anm. 20; Ulsenheimer , Pflichtwidrigkeit und Erfolg, S. 127. 142 Vgl. Deutsch , Haftungsrecht I, S. 237; Larenz , Schuldrecht I, S. 445. 143 JZ 1985, 834. 137

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Darüber hinaus ist unklar, welche Konstellationen dem betreffenden Fragenkreis unterfallen sollen. So werden etwa von Wolter 144 „unechte" Fälle des Normschutzzweckes ausgeschieden. Hierzu zählt er z.B. den Fall, daß ein Kraftfahrer wegen Überschreitung der zulässigen Geschwindigkeit oder wegen Überfahrens der Straße bei „ R o t " eine Kreuzung früher erreicht und dort trotz inzwischen ordnungsmäßiger Fahrweise einen Unfall verursacht. Entgegen seiner sonstigen Zurechnungshypertrophie will Wolter hier die Strafbarkeit an der (subjektiven) Vorraussehbarkeit scheitern lassen, während andere Autoren gerade diesen Fall als Beispiel für die Schutzzwecklehre heranziehen. 145 Als die „eigentliche" Schutzzweckproblematik verbleibt für Wolter 146 diejenige des sog. Regreßverbots und des Förderns fremder Selbstgefahrdung. Ähnlich betrachtet Roxin 147 die Herbeiführung von Selbst- und Fremdgefährdungen, Folge- und Zweitschäden als Normzweckfalle. Allerdings gelangt er zu der bemerkenswerten Schlußfolgerung, daß der Normzweckgedanke selbstverständlich nicht ein Begriff sei, aus dem sich etwas ableiten ließe, sondern nur eine „leitende Hinsicht", unter der der gesamte Rechtsstoff schrittweise durchzuarbeiten ist. Die Wertungskriterien seien vielmehr aus gesetzlich eindeutigen Entscheidungen (wie etwa aus der Straflosigkeit der Selbstmordteilnahme) oder aus gesicherten Erkenntnissen (z.B. Vertrauensgrundsatz) schrittweise zu entwickeln. 148 Wenn dies jedoch alles so „selbstverständlich" und „eindeutig" ist, wozu dann der Umweg über die Schutzzwecklehre? Auffallend ist aber vor allem, daß über das systematische Verhältnis der sog. Zurechnungskriterien keine Einigkeit besteht. Teilweise wird dem Schutzzweckgedanken der „Vorrang" eingeräumt 149 , während er in den meisten Darstellungen als lediglich ergänzendes Kriterium herangezogen wird. Letzteres gilt insbesondere für die Risikoerhöhungstheorie 150 , wobei sich indes auch dort abweichende Rangfolgen finden 151 . Schließlich wird sogar jeder Unterschied verneint: Für Burgstaller 152 ist die Lehre vom Rechtswidrigkeitszusammenhang, folgerichtig durchgeführt, mit derjenigen vom Schutzzweck der Norm „schlechthin identisch". 144

Objektive Zurechnung, S. 342 f. Vgl. Cramer, in: Schönke/Schröder, § 15 Rdn. 168; Jescheck, AT, S. 529; Samson, SK, Anh. zu § 16 Rdn. 28; Wessels, AT, S. 203 f. 146 Objektive Zurechnung, S. 343 ff. 147 Gallas-FS, S. 243 ff. 148 Gallas-FS, S.258f. 149 So Krümpelmann, in: Bockelmann-FS, S. 450 Anm. 40; Volk, GA 1976, 170; wohl auch Wolter, Objektive Zurechnung, S. 339 Anm. 39a. 150 Vgl. Roxin, in: Honig-FS, S. 140f.; Otto, NJW 1980, 417 ff. 151 Vgl. Schünemann, JA 1975, 715; dahingehend auch OLG Stuttgart JR 1985, 479 (480). 152 Fahrlässigkeitsdelikt, S. 77; nach Larenz (Schuldrecht I, S. 446) sind diese Lehren jedenfalls „nahe verwandt". 145

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Es lohnt sich, der letztgenannten These nachzugehen. Denn hierfür spricht auch die Funktion, die dem Normzweckgedanken verliehen wird: Der Grund für die Ablehnung der Zurechnung soll darin liegen, daß es in diesem Fall nicht das vom Täter verursachte rechtlich relevante Risiko gewesen ist, das sich in dem Erfolg niedergeschlagen hat. 1 5 3 Diese Begründung legt es nahe, daß die Schutzzweckthese lediglich eine Umformung des Risikozusammenhangs ist. Geht man einmal von dem Fall aus, daß der Kfz-Fahrer bei überhöhter Geschwindigkeit einen tödlichen Unfall verursacht, der auch bei zulässiger Geschwindigkeit nicht vermieden werden konnte, so würde sich mit Blick auf den Normzweck sagen lassen: Da es der Sinn der Geschwindigkeitsbegrenzung ist, vor den Gefahren hoher Geschwindigkeiten zu schützen 154 , fällt es nicht mehr in den Schutzbereich der Norm, wenn sich diese erhöhte Gefahr im Erfolg nicht ausgewirkt hat. Einfacher wäre zu formulieren, daß sich die Sorgfaltswidrigkeit nicht im Erfolg realisiert hat. Der erste Anschein spricht somit für die „Identitätstheorie". Bestätigt wird diese Überlegung durch den Ursprung des Gedankens vom Rechtswidrigkeitszusammenhang. Laut Engisch 155 fehlt es daran, wenn sich die spezifische Gefahr nicht verwirklicht hat. Er nimmt dabei Bezug auf M. L. Müller 156, nach dem sich diese Überlegung am kürzesten in folgender Weise ausdrücken läßt: „Eine Tatsache ist schuldhaft verursacht (bedingt), wenn sie durch ein schuldhaftes Verhalten, und zwar in Verwirklichung der Gefahr verursacht (bedingt) ist, deretwegen das Verhalten schuldhaft war." Ersetzt man — in zeitgemäßer dogmatischer Diktion — das Wort „schuldhaft" durch „sorgfaltswidrig", so wird deutlich, daß es um die Realisierung gerade des erfolgsrelevanten Risikos geht. 157 Ob die verletzte Norm eine Schutzwirkung gehabt hätte, läßt sich aber nur dadurch feststellen, daß man die Situation, die bei Einhaltung der gebotenen Sorgfalt bestanden hätte, mit derjenigen vergleicht, die durch das pflichtwidrige Verhalten herbeigeführt wurde. 158 Kurz gesagt: Der Schutzbereich der Norm wird tangiert, wenn ihre Nichteinhaltung sich im Erfolg niederschlägt.

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Jescheck , L K , Vor § 13 Rdn. 62; ähnlich Rudolphi, JuS 1969, 554. Dazu auch BGHSt 33, 61 (65). Diese Entscheidung führt im übrigen die Unsicherheiten bei der Normzweckbestimmung vor Augen: Während Ebert (JR 1985, 356) meint, daß der BGH darin den Schutzzweck von Geschwindigkeitsvorschriften überdehne, ist Puppe (JZ 1985, 295) der Ansicht, daß das Gericht in der Sache auf eine besondere Prüfung der Frage verzichte, ob das Schadensereignis in den Schutzbereich der Norm fallt. 155 Kausalität, S.61. 156 Bedeutung des Kausalzusammenhanges, S. 58. 157 Dies entspricht dem Ansatz von Ulsenheimer , Pflichtwidrigkeit und Erfolg, S. 143 ff.; ders ., JZ 1969, 364; vgl. auch Armin Kaufmann , ZfRV 1964, 53 f. 158 Ebenso Ulsenheimer , Pflichtwidrigkeit und Erfolg, S. 148. 154

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Die hier vertretene Auffassung soll an dem bekannten „Chloraethyl-Fall" 1 5 9 exemplifiziert werden, der vielfach als ein Paradebeispiel der Schutzzwecklehre angesehen wird: Der angeklagte Arzt A zog der an starker Fettsucht und an einer chronischen Entzündung des Herzmuskels leidenden 17 Jahre alten Frau W unter Chloraethyl-Vollnarkose zwei Backenzähne. Sie starb an akutem Herzstillstand als Folge der Vollnarkose. Dem A wurde zum Vorwurf gemacht, daß er aufgrund der Umstände einen Internisten hätte zuziehen müssen. Dadurch wäre zwar nicht mit Sicherheit der Tod endgültig vermieden, aber die Operation und damit der Todeseintritt hinausgezögert worden. Nach Ansicht des B G H 1 6 0 sind diese Erwägungen nicht geeignet, einen „ursächlichen Zusammenhang" zwischen dem pflichtwidrigen Verhalten des A und dem Tod der Frau W darzutun. Allerdings genüge es zur Annahme eines solchen Zusammenhangs, daß infolge des pflichtwidrigen Verhaltens der Tod früher eintritt, als er sonst eingetreten wäre. Dabei komme es jedoch für die Frage, ob die Pflichtwidrigkeit in diesem Sinne ursächlich war, allein auf den Zeitpunkt ihrer Begehung und nicht auf den — hypothetischen — Zeitpunkt an, zu dem sich der Täter nach Herbeiführung vorher fehlender Voraussetzungen ebenso hätte verhalten dürfen. Die Pflichtwidrigkeit des A werde hier nicht in der Betäubung der Patientin mit Chloraethyl, sondern nur in der Verabreichung dieses Narkosemittels ohne vorherige Untersuchung durch einen Internisten und ohne Hinzuziehung eines Anaesthesisten gesehen. Die Strafkammer hätte daher den ursächlichen Zusammenhang nur mit der Feststellung bejahen dürfen, daß eine im gleichen Zeitpunkt nach Durchführung der von ihr für erforderlich gehaltenen Maßnahmen vorgenommene Behandlung erst später zum Tode der Frau W geführt hätte. Dafür ergebe sich aus dem Urteil nichts. Die Entscheidung hat im Ergebnis allgemeine Zustimmung gefunden, wenn auch mit unterschiedlicher Begründung. Überwiegend wird darauf abgestellt, daß der Erfolg außerhalb des Schutzbereiches der verletzten Sorgfaltspflicht liege. 161 Es sei nicht Sinn der Sorgfaltsnorm, den Eingriff gerade um die Dauer der Untersuchung zu verlängern. Teilweise wird der Erfolg aber auch deshalb nicht zugerechnet, weil er nicht auf der Pflichtwidrigkeit beruhe. 162 Berührungspunkte nach beiden Seiten weist schließlich die Ansicht von Cramer 163 auf: Zwar behandelt er den Fall im Rahmen der Schutzzweckproblematik, das Ergebnis wird aber letztlich darauf gestützt, daß „keine spezifische Pflichtverletzung" vorliege. 159 BGHSt 21, 59 mit Anm. Wessels, JZ 1967, 449 und krit. Entgegnung Hardwig, JZ 1968, 289. 160 BGHSt 21, 59(61). 161 Vgl. Eser I, Nr. 7 A 3; Samson, SK, Anh. zu § 16 Rdn. 28; Schünemann, JA 1975, 718; ders., GA 1985,360; Würfel, Rechtmäßiges Alternativverhalten, S. 65 f.; nach Jakobs, (AT 7/84) fehlt es am „Normzweckzusammenhang". 162 So Hardwig, JZ 1968, 291 f.; siehe auch Ulsenheimer, JZ 1969, 369. 163 Schönke/Schröder, § 15 Rdn. 169.

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Ausgehend von der Frage nach dem Risikozusammenhang ist der Ansatz darin zu suchen, die „vergleichsrelevante" Pflichtwidrigkeit aufzufinden, die dem sorgfaltsgemäßen Verhalten gegenüberzustellen ist. Es muß sich ja um eine solche handeln, die zu dem Erfolg überhaupt in Beziehung gesetzt werden kann. 1 6 4 Im besagten Fall war die Verabreichung des Chloraethyls unmittelbare Todesursache; da allerdings die Möglichkeit nicht auszuschließen war, „ daß die Patientin wegen ihres geschwächten Herzens auch eine später unter Beachtung der erforderlichen Sorgfalt vorgenommene Behandlung nicht überstanden hätte" 1 6 5 , ist der Risikozusammenhang nicht nachweisbar. Allenfalls die Risikoerhöhungslehre käme hier möglicherweise zu einer meßbaren Chancendifferenz 166 (und müßte dann weitere Normzwecküberlegungen anstellen). Auch das Hinzuziehen eines Internisten hätte den Erfolg nicht (nachweisbar) verhindert. Die dadurch eingetretene Verschiebung der Operation ist erfolgsneutral; denn es besteht keine Pflicht, Operationen hinauszuzögern. Man mag dies den Normzweck nennen, was aber eine unnötige Doppelung ist, da er bereits Eingang in die Sorgfaltsbestimmung findet. Nach alledem kann dem Normzweckgedanken dadurch Rechnung getragen werden, daß er zur exakteren Bestimmung der jeweiligen Sorgfaltspflicht dient. Hierfür ist allerdings keine gesonderte Zurechnungsstufe vonnöten, da sich die Pflichtanforderungen von vornherein an dem Sinn der Sorgfaltsnorm orientieren müssen. Für Sehr oeder 167 grenzt es sogar geradezu ans Groteske, daß die Lehre von der Sorgfaltspflichtverletzung noch ein aufwendiges dogmatisches Gebäude errichten mußte, nur um Fälle wieder auszuscheiden, in denen das Verhalten gar nicht den „Schutzbereich" der zuvor ermittelten Sorgfaltspflicht verletzt. In der Tat mutet es etwas seltsam an zu sagen, das unerlaubte Risiko habe sich im Erfolg realisiert, wenn es gar nicht dem Sinn des Verbotes unterfallen sollte, Erfolge dieser Art zu verhindern. d) Demnach ergibt sich folgendes Fazit: Der Risikozusammenhang ist unentbehrlicher Bestandteil des Fahrlässigkeitsunrechts. Die bloße Risikoerhöhung kann dagegen das Unrecht des fahrlässigen Erfolgsdelikts nicht konstituieren. Der Schutzzweck der Norm ist bereits bei der Konkretisierung der Sorgfaltswidrigkeit zu berücksichtigen. Für eine übergreifende Zurechnungslehre ist bei diesen Gegebenheiten kein Raum. 3. Erfolgsqualifiziertes

Delikt

Das „echte" erfolgsqualifizierte Delikt bildet eine Kombination aus vorsätzlichem Grunddelikt und fahrlässig herbeigeführter schwerer Folge, die durch 164

Vgl. bereits Armin Kaufmann , ZfRV 1964, 54f. So der Urteilssachverhalt von BGHSt 21, 59 (60). 166 Darauf weist Krümpelmann (Jescheck-FS, S. 332) hin, der selbst die „normative Korrespondenz" zwischen Verhalten und Erfolg verneint. 167 L K , § 16 Rdn. 157; vgl. auch Frisch , Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 66. 165

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einen bestimmten Konnex verknüpft werden: In der Folge muß sich die besondere Gefahrenträchtigkeit des Grunddelikts realisieren. Dieses anerkannte Erfordernis wird in Rechtsprechung 168 und Literatur 1 6 9 vielfach als „unmittelbarer" Zusammenhang gekennzeichnet. Gemeint ist damit der tatbestandsspezifische Folgezusammenhang.170 Denn anders läßt sich nicht erklären, warum (nur) ein bestimmter Teil der strafrechtlichen Vorsatztaten eine mit schärferer Bestrafung versehene Erfolgsqualifizierung aufweist. Der Unmittelbarkeitsgedanke muß auch „etwas Engeres" sein als das auf der Fahrlässigkeitsebene Gemeinte 171 , da er sonst neben § 18 StGB ohne eigenständige Bedeutung bliebe. Im Unterschied zum offenen Fahrlässigkeitsdelikt (z.B. § 222 StGB) ist hier das folgeriskante Verhalten jeweils im Grundtatbestand vertypt. Worin nun die spezifische Gefährlichkeit liegt, muß daher für die verschiedenen erfolgsqualifizierten Delikte gesondert beantwortet werden. 172 Wenn man hingegen — wie der B G H 1 7 3 im „Hochsitz-Fall" — die Kriterien von Unmittelbarkeit und Fahrlässigkeit vermengt, gerät jener Gesichtspunkt aus dem Blickfeld. Er ist indes unabdingbar für das Wesen und die sachliche Legimitation der betreffenden Deliktsgruppe. Zunehmend wird nun der Versuch unternommen, die Problematik des erfolgsqualifizierten Delikts in die allgemeine Zurechnungslehre zu integrieren. 174 Diese Entwicklung kulminiert dann letztlich in dem von Rengier 175 propagierten „Abschied vom Unmittelbarkeitsprinzip". Die Frage ist jedoch, was damit an sachlichen Erkenntnissen gewonnen sein soll. Die Zurechnungslehre operiert — wie nicht anders zu erwarten — auch in diesem Bereich mit unterschiedlichen und wenig präzisen Kriterien. Sofern dort zunächst der unmittelbare Zusammenhang in „Zurechnungszusammenhang" umettikettiert wird 1 7 6 , führt dies erkennbar nicht weiter. Denn die inhaltliche 168

BGHSt 31, 96; 32, 25; BGH NJW 1971, 152; BGH bei Holtz, M D R 1982, 102; terminologisch unklar BGHSt 33, 322 mit insoweit krit. Anm. Küpper, NStZ 1986, 117. 169 Vgl. Dreher/Tröndle, § 226 Rdn 2; Hirsch, LK,§ 226 Rdn 4; Jescheck, AT, S. 235; Küpper, Der „unmittelbare" Zusammenhang, S. 35; Lackner, § 226 Anm. 1; Rudolphi, SK, § 18 Rdn. 3; Wessels, BT-1, S. 59f. 170 Treffend Hirsch, in: Oehler-FS, S. 132; siehe auch schon ders., GA 1972, 71. 171 Geilen, in: Welzel-FS, S. 657, 675; ebenso Hirsch, JR 1983, 79; Küpper, Der „unmittelbare" Zusammenhang, S. 73; Wolter, GA 1984, 443. 172 Vgl. Hirsch, in: Oehler-FS, S. 129ff.; Küpper, Der „unmittelbare" Zusammenhang, S. 85 ff.; Lackner, § 18 Anm. 4; Rudolphi, SK, § 18 Rdn. 3. 173 BHGSt 31, 96 mit Anm. Hirsch, JR 1983, 78; Küpper, JA 1983, 229; Puppe, NStZ 1983, 22; Schlapp, StV 1983, 62; Stree, JZ 1983, 75. 174 Vgl. Jescheck, L K , Vor § 13 Rdn 64; Krehl, StV 1986, 432f.; Maiwald, JuS 1984, 440 ff.; Wessels, AT, S. 57; Wolter, JuS 1981,171 f.; ders, GA 1984,443 f.; umfassend jetzt Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 156 f. et passim; dagegen jüngst Paeffgen, JZ 1989, 227. 175 Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 319. 176 So bei Ebert, Jura 1979, 562.

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§ 5 Objektive Zurechnung

Auffüllung bleibt dann erst noch zu bewerkstelligen. Andere berufen sich auf den Gesichtspunkt des Normschutzzweckes. 177 Bei den erfolgsqualifizierten Delikten betrifft dieser Gedanke aber lediglich die sinngerechte Ausdeutung des Grunddelikts im Hinblick auf seine spezifische Gefahrenträchtigkeit. 178 Das Bestreben der Normzwecklehre, Erfolge auszuschließen, die nur „gelegentlich" der Pflichtverletzung eintreten, ist zudem für das erfolgsqualifizierte Delikt schon früh von Oehler 179 dahingehend ausformuliert worden, daß sich die aus der Tatbestandsverwirklichung resultierende Gefahr nicht auf Folgen erstrecken könne, die nur „anläßlich" der grunddeliktischen Handlung entstünden. Schließlich wird sogar die Risikoerhöhungstheorie herangezogen: Die schwere Folge sei nur zuzurechnen, wenn eine Risikoerhöhung gegenüber dem rechtmäßigen Alternativverhalten zu bejahen ist. 1 8 0 Diese Überlegung führt indes gänzlich in die Irre. Denn das als Vergleich dienende Alternatiwerhalten könnte doch nur die NichtVerwirklichung des Grunddeliktes sein, dessen Begehung im Hinblick auf die qualifizierende Folge nicht nur risikosteigernd, sondern überhaupt erst risikobegründend ist. 1 8 1 Schon diese kurze Durchmusterung der angebotenen Kriterien zeigt also, daß sie zur Klärung der Problematik wenig beitragen können. Auch in den Einzelergebnissen vermag die Zurechnungslehre nicht zu überzeugen. So ist sie sich zunächst darin uneins, ob die schwere Folge auf dem Erfolg des Grunddelikts beruhen muß oder ob der Folgezusammenhang schon durch das grunddeliktische Verhalten vermittelt werden kann. 1 8 2 Darüber hinaus beachtet sie nicht genügend die streng restriktiven Maßstäbe, die bei der Handhabung der einschlägigen Vorschriften einzuhalten sind. So wendet sich Rengier 1 8 3 im „Rötzel-Fall" 1 8 4 gegen die Verneinung des § 226 StGB, weil sich das Opfer in einer Notstandssituation befand, und nach allgemeinen Zurechnungsgesichtspunkten hafte für „unfreie" Handlungen des Genötigten derjenige, der diesen Zustand herbeigeführt hat und beherrscht. Dieser Ansatz geht indes fehl, weil dort die Körperverletzung als solche keinen tödlichen Ausgang genommen hat. Im Falle aktiven Drittverhaltens pflichtet er zwar im Ergebnis dem B G H 1 8 5 bei. Er begründet dies aber damit, daß der Erstverletzer für

177

Vgl. Rengier , Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 157; Wolter , GA 1984, 443. Näher Küpper , Der „unmittelbare" Zusammenhang, S. 72. 179 ZStW 69 (1957), 515. 180 Burgstaller , Fahrlässigkeitsdelikt, S. 147; ders ., W K , §7 Rdn. 21. 181 Siehe schon Küpper , Der „unmittelbare" Zusammenhang, S. 73. 182 Vgl. die unterschiedlichen Positionen bei Maiwald , JuS 1984,443 f. und Wolter , GA 1984, 444 f. 183 Jura 1986,144; ebenso bereits Otto , BT, S. 73; dagegen Küpper , Der „unmittelbare" Zusammenhang, S. 92. 184 BGH NJW 1971, 152. 185 BGHSt 32, 25. 178

IV. Zurechnung und Beteiligungsformen

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vorsätzliches, schadensvertiefendes Drittverhalten niemals verantwortlich sei, in erfolgsqualifizierten Konstellationen so wenig wie in anderen Fällen. 186 Gerade diese Konsequenz ist aber im Schrifttum keineswegs einhellig anerkannt, vielmehr besteht insoweit ein breites Spektrum an differenzierenden Lösungsvorschlägen. 187 Anstelle des zumindest die Besonderheiten des erfolgsqualifizierten Delikts berücksichtigenden, im Einzelfall sicherlich diskussionsbedürftigen Unmittelbarkeitsansatzes werden dadurch neue Zweifelsfragen aufgeworfen. Auch in diesem Bereich zeigt sich damit erneut, daß die Lehre von der objektiven Zurechnung dort auf vage Kriterien rekurriert, wo bereits speziellere Gesichtspunkte zur Verfügung stehen. IV. Zurechnung und Beteiligungsformen

1. Allgemeines Die Vorschriften über Täterschaft und Teilnahme (§§ 25 ff. StGB) können — zumindest verbal — als „Zurechnungsnormen" aufgefaßt werden. Dies wird etwa für die Täterschaft dahingehend formuliert, daß die mittelbare Täterschaft auf dem vertikalen, die Mittäterschaft auf dem horizontalen Zurechnungsprinzip beruhe. 188 Auch die Teilnahmeformen werden als Formen der Zurechnung tatbestandlichen Unrechts bezeichnet. 189 Das bedeutet aber zunächst einmal nur, daß fremdes Verhalten zu dem des Beteiligten in eine Beziehung gesetzt („hinzugerechnet") wird. Grundform der Täterschaft ist die Eigentäterschaft, wie es auch den Beschreibungen des Besonderen Teils zugrundeliegt (wer ... begeht). Der mittelbare Täter begeht die Tat „durch einen anderen"; dessen Verhalten muß also auf den Hintermann rückbezogen werden, um ihn zum Täter zu stempeln. Der Mittäter begeht die Tat „mit anderen"; da er regelmäßig den Tatbestand nur teilverwirklicht, müssen die Tatbeiträge zu einem Gesamtgeschehen komplettiert werden. Der Teilnehmer nimmt Anteil an fremder Tat, was im Grundsatz der Akzessorietät zum Ausdruck kommt. In allen Fällen findet eine Vermittlung zwischen den Verhaltensweisen mehrerer statt, was durchaus

186

Rengier, Erfolgsqualifizierte Delikte, S. 163 f. Vgl. Küpper, Der „unmittelbare" Zusammenhang, S. 107 f. mit Nachw. Auch Wolter (Objektive Zurechnung, S. 348 f.) will eine Haftung des Hintermanns für die Vorsatztat des Vordermanns nicht ausschließen; eine Auffassung, die er an anderer Stelle (GA 1984,449) als Einwand gegen Küpper ins Feld führt und dort sogar als „unhaltbar" kritisiert. 187

188

So Cramer, in: Bockelmann-FS, S. 397; ders., in: Schönke/ Schröder, Vor §25 Rdn. 6. Auch die Rspr. bewegt sich in dieser Diktion, wenn sie für die Mittäterschaft prüft, ob Tatbeiträge Dritter den Angekl. als eigene Tat „zuzurechnen" sind; vgl. nur BGHSt 32, 165 (178); OLG Düsseldorf NJW 1987, 268 (269). 189 Vgl. Maiwald, in: Bockelmann-FS, S. 354.

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§ 5 Objektive Zurechnung

„Zurechnung" genannt werden kann. Um mehr als eine terminologische Vereinheitlichung allgemeiner Prinzipien handelt es sich dabei indes nicht. Einen umfassenden Versuch, die Beteiligung unter Zurechnungsgesichtspunkten zu begreifen, hat neuerdings Bloy unternommen. Nach ihm besteht die Funktion der Zurechnungslehre darin, allgemeine Aussagen darüber zu formulieren, welche Verknüpfung eines Ereignisses mit einer Person erforderlich ist, damit dieses Ereignis einer Bewertung anhand eines Normensystems zugänglich wird. 1 9 0 Indes könnten die allgemeinen Zurechnungsprinzipien, die für alle Beteiligungsformen Geltung beanspruchen, nicht einer Lehre von der objektiven Zurechnung entstammen, die eine Lehre von der Erfolgszurechnung ist. 1 9 1 Die Beteiligungsformen seien vielmehr typisierte Arten der Zurechnung, nämlich „normative Realtypen". Die übergreifende, für alle Beteiligungsformen maßgebliche Zurechnungsstruktur werde durch den personalen Zusammenhang zwischen den Beteiligten und dem tatbestandsmäßigen Geschehen gebildet. Dieser spezifische Zusammenhang lasse sich bei der Täterschaft als ein direkter, bei der Teilnahme als ein indirekter, weil durch die Person des Täters vermittelter, kennzeichnen. 192 Demnach führen auch diese Überlegungen lediglich zu einer begrifflichen Integration der anerkannten Beteiligungsgrundsätze in eine „Zurechnungstypus"-Lehre. Dies wird besonders deutlich in der Aussage, daß die allgemeine, Anstiftung und Beihilfe umfassende Zurechnungsstruktur der Teilnahme durch das Akzessorietätsprinzip bestimmt werde. 193 Um dieses unbestrittene Ergebnis aufzufinden, ist nun in der Tat keine besondere Zurechnungsdoktrin vonnöten. Zwar sieht Bloy 19* im Prinzip der Risikoerhöhung ein elementares Zurechnungsprinzip, er selbst will es aber lediglich für die Beihilfe fruchtbar machen. Als Zwischenergebnis kann daher festgehalten werden, daß der Lehre von der objektiven Zurechnung im Rahmen der Beteiligung jedenfalls keine umfassende Bedeutung zukommt. M i t dem Begriff der „Zurechnung" wird hier nur das jeweilige Beziehungsverhältnis zwischen den Beteiligten ausgedrückt. Allgemeine Zurechnungskriterien, die auch sonst herangezogen werden, haben bisher lediglich in die Beihilfeproblematik Eingang gefunden. Dieser Teilbereich bedarf deshalb einer gesonderten Betrachtung. 2. Beihilfe als Risikoerhöhung? Die Handlungsbeschreibung der Beihilfe besteht im Hilfeleisten zu fremder Tat. Die Anforderungen sind allerdings seit jeher umstritten. Nach ständiger 190 191 192 193 194

Bloy, Beteiligungsform, S. 248. Bloy , Beteiligungsform, S. 270. Bloy, Beteiligungsform, S. 313 f. Bloy, Beteiligungsform, S. 322. Beteiligungsform, S. 273, 287.

IV. Zurechnung und Beteiligungsformen

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Rechtsprechung soll jede Förderung der Haupttat ausreichen; Erfolgsursächlichkeit wird nicht verlangt. 195 Ein Fördern besteht danach in einer Handlung, welche die Rechtsgutsverletzung des Haupttäters ermöglicht oder verstärkt oder ihre Durchführung erleichtert. 196 Demgegenüber verlangt die h. L. eine Kausalität der Hilfeleistung für die Tatbestandsverwirklichung. 197 Dieser Forderung liegt die Befürchtung zugrunde, daß die Beihilfe sonst zu einem (abstrakten oder konkreten) Gefahrdungsdelikt werde. Besondere Relevanz besitzt der Streit indes nicht. Denn es gilt heute als ausgemacht, daß sich die praktischen Ergebnisse kaum unterscheiden. 198 Einerseits dürfte in den meisten Fällen einer Förderung der Haupttat zugleich deren (Mit-) Verursachung gegeben sein. 199 Von ihrem Ansatz her besteht für die Rechtsprechung nur kein Anlaß, der Kausalitätsfrage weiter nachzugehen. Auf der anderen Seite macht die Lehre in diesem Bereich auch Abstriche von den sonst geltenden (strengeren) Kausalitätsregeln. Teilweise begnügt man sich mit einer bloßen „Zufluß- oder Verstärkerkausalität", wobei eingeräumt wird, daß unter diesem Aspekt die Förderungsformel durchaus beibehalten werden könne. 2 0 0 Andere bestimmen die Kausalität gerade anhand der Förderungswirkung der Beihilfe. So heißt es z.B. bei Jescheck 201: „Jede, auch die geringste Hilfe, die die Tat objektiv fördert, ist als kausaler Tatbeitrag ausreichend ..." Die Unterschiede zwischen Fördern und Verursachen sind damit praktisch egalisiert. Demzufolge läßt sich in dieser Frage weitreichende Einigkeit konstatieren, nämlich dahingehend, daß die Hilfeleistung zum „Gelingen" der Tat beitragen muß. Ein Bedarf für irgendwelche Zurechnungskriterien ist insofern nicht ersichtlich. Da sich aber das Risikoerhöhungsprinzip als Zurechnungsdoktrin mit umfassendem Geltungsanspruch geriert, macht es auch vor der Beihilfe nicht Halt. Teilweise wird es ergänzend im Sinn einer kausalen Risikosteigerung herangezogen. 202 Die Mehrzahl seiner Vertreter will es hingegen zur alleinigen Zurechnungsgrundlage der Beihilfe machen. 203 Danach bedeutet „Förderung" die Erhöhung der Chancen für den Erfolg der Haupttat. 195

Umfassende Rspr.-Nachweise bei Roxin, L K , §27 Rdn. 1; vgl. aus neuerer Zeit noch BGH NStZ 1983,462; BGH bei Holtz, M D R 1985,284; OLG Karlsruhe NStZ 1985, 78; zust. BaumannI Weber, AT, S. 569, 572; Blei, AT, S. 288 f.; Wessels, AT, S. 171. 196 BGH M D R 1985, 509 (510); ebenso Samson, in: Peters-FS, S. 134f. 197 Vgl. Cramer, in: Schönke/ Schröder, § 27 Rdn. 10; Jakobs, AT 22 / 34; Jescheck, AT, S. 628; Lackner, § 27 Anm. 2a; Maurach¡Gössel, AT II, S. 358ff.; Samson, §27 Rdn. 9; Welzel, LB, S. 119. 198 In diesem Sinne Blei, AT, S. 289; Lackner, § 27 Anm. 2a; Maurach/ Gössel, AT II, S. 360; Roxin, L K , § 27 Rdn. 14; Samson, SK, § 27 Rdn 6. 199 Siehe dazu die eingehende Analyse von Mezger, LB, S. 411 ff. 200 So Class, in: Stock-FS, S. 125 f.; zust. Dreher/ Tröndle, § 27 Rdn. 2. 201 AT, S. 629; so auch Bockelmann/ Volk, AT, S. 197; Eser II, Nr. 5 A 7. 202 Vgl. Roxin, L K , §27 Rdn 2 ff.; Bloy, Beteiligungsform, S. 270ff. 8 Küpper

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§ 5 Objektive Zurechnung

Diese Lehre ist zu Recht überwiegend auf Ablehnung gestoßen. Wie schon beim fahrlässigen Delikt konstituiert die Risikoerhöhungstheorie auch hier ein (konkretes) Gefährdungsdelikt. Das hat zur Konsequenz, daß eine nur versuchte Beihilfe als vollendete bestraft wird. 2 0 4 Dreher 205 erhebt deshalb den Einwand, diese Lehre gehe am Wesen der Beihilfe vorbei. Denn für den Begriff komme es nicht darauf an, ob der Gehilfe dem Täter bessere Chancen, d. h. bessere Möglichkeiten für die Tatausführung eröffnet, sondern ob das, was er tut, dem Täter de facto weiterhilft. Auch in diesem Bereich führt also die Risikoerhöhungstheorie zu neuen Unklarheiten und im Ergebnis zu einer Ausweitung der Strafbarkeit. Zur Einschränkung soll hingegen das komplementäre Zurechnungskriterium der „RisikoVerringerung" dienen. 206 Ein Verhalten, das den Rechtsgutsangriff des Täters abschwächt, könne nicht als Beihilfe angerechnet werden. In die Rechtsprechung hat dieser Gedanke für die Frage der Betrugsbeihilfe durch einen Rechtsanwalt Eingang gefunden. 207 Der Rat des Angekl. war dort allenfalls dazu geeignet, einen etwaigen Schaden bei den Kunden des Täters zu mindern. Nach Ansicht des OLG läge dann ein Fall der „RisikoVerringerung" vor, der eine objektive Zurechnung als Gehilfenbeitrag ausschlösse. Krasser noch ist der von Samson208 gebildete „Bohrmaschinen-Fall": Dem Einbrecher wird die elektrische Bohrmaschine weggenommen und eine viel mühsamer zu bedienende Handbohrmaschine zur Verfügung gestellt, mit der er nun (mit Verzögerung!) den Tresor öffnet. Zur Ablehnung der Strafbarkeit wird hier von Bloy 209 ein „normativ verstandenes Intensivierungsprinzip" herangezogen. Es erhebt sich die Frage, ob es für diese Lösung besonderer Zurechnungskriterien bedarf. Zwar mag der ganz konkrete Erfolg durch den Gehilfen (mit-) verursacht worden sein, die Beihilfe ist aber kein reines Erfolgsdelikt. In der im Zusammenhang mit § 13 StGB gebräuchlichen Diktion stellt sie ein verhaltensgebundenes Delikt dar; ihre besondere Tatmodalität ist die des Hilfeleistens, also der Förderung der Haupttat. Dies bedeutet aber „die Unterstützung und nicht Behinderung, die Erleichterung und nicht Erschwerung, die Beschleunigung und nicht Verzögerung, die Sicherung und nicht Gefahrdung des Taterfolges" 210 . Es

203 Vgl. Schaffstein , in: Honig-FS, S. 173 ff.; Salamon, Beihilfe, S. 140ff.; Otto , AT, S. 347f.; ders ., in: Lange-FS, S. 210; ders ., JuS 1982, 563; wohl auch Stratenwerth , AT I, Rdn. 898. 204 Vgl. Jakobs , AT 22/35; Maur ach ¡Gössel AT II, S. 360; Samson, Hypothetische Kausalverläufe, S. 203; ders., in: Peters-FS, S. 132; Spendet, in: Dreher-FS, S. 168. 205 M D R 1972, 555. 206 Vgl. Cramer, in: Schönke/Schröder, § 27 Rdn. 10; Vogler, in: Heinitz-FS, S. 314. 207 OLG Stuttgart JZ 1979, 579. 208 Hypothetische Kausalverläufe, S. 175. 209

Beteiligungsform, S. 279 f.

V. Zusammenfassung

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fehlt deshalb am tatbestandlichen Erfordernis der Hilfeleistung. Durch eine sinngerechte Auslegung des Tatbestandes erübrigt sich hier somit ein zusätzliches Zurechnungskriterium. Die Notwendigkeit objektiver Zurechnung ist demnach hinsichtlich der Beihilfe nicht auszumachen. Darüber hinaus müßte das Prinzip der Risikoerhöhung — seinem eigenen Anspruch entsprechend — auf alle Beteiligungsformen anwendbar sein. 211 Für die Formen der Täterschaft ist allerdings ein solcher Versuch bisher nicht unternommen worden. Bei der Anstiftung steht wohl (noch) entgegen, daß das Merkmal des Bestimmens nach allgemeiner Ansicht als Hervorrufen des Tatentschlusses, also streng kausal verstanden wird. Für den Fall des „Abstiftens" wird dort indes bereits auf das Prinzip der Risikoverringerung hingewiesen.212 Bemerkenswert ist, daß gerade Roxin 213 eine Rechtfertigung nach § 34 StGB annimmt, wenn die Abstiftung das einzige Mittel war, um eine wesentlich schwerere Begehungsweise zu verhindern. Dies zeigt, daß ein solcher Weg, der oben bereits für täterschaftliche Begehung vorgeschlagen wurde 2 1 4 , durchaus gangbar ist. Der Unterschied zur tatbestandlichen Lösung bei der Beihilfe resultiert daraus, daß ihr eine bestimmte Handlungsbeschreibung zugrundeliegt, während etwa Körperverletzung oder Anstiftung als schlichte Erfolgsdelikte konzipiert sind. V. Zusammenfassung

Die Fragestellung, wie der deliktische Erfolg dem Täter als „sein Werk" objektiv zugerechnet werden kann, wird durch die (finale) Handlungslehre beantwortet. Die Beziehung zwischen Handeln und Erfolg besteht in dem das Geschehen steuernden Verwirklichungswillen. Erst das Festhalten an einer kausalen Betrachtungsweise macht es erforderlich, den „uferlosen" Äquivalenzzusammenhang durch normative Kriterien einzugrenzen, deren Kennzeichen allerdings ihre Beliebigkeit ist. Wo der Handlungswille nicht auf den Erfolg gerichtet ist (fahrlässiges und erfolgsqualifiziertes Delikt), bedingt die Eigenart der betreffenden Deliktsform besondere Kriterien, die nur begrifflich unter dem Etikett der objektiven Zurechnung zusammengefaßt werden. Wird im Rahmen der Beteiligung ein fremdes Verhalten „zugerechnet", so ist auch das nur eine Bezeichnung für ein bestimmtes Abhängigkeitsverhältnis der Tatbeiträge.

210 Treffend Spendel , in: Dreher-FS, S. 185 f.; gegen „Hilfeleistung" in diesen Fällen auch Baumann/Weber , AT, S. 572; B. Müller , JuS 1981, 259; Ranft , ZStW 97 (1985), 286. 211 Auf diese Konsequenz wird auch bei Baumann/ Weber (AT, S. 572 Anm. 59) bezüglich Mittäterschaft hingewiesen. 212 Vgl. Cramer , in: Schönke / Schröder, § 26 Rdn. 6. 213 L K , § 26 Rdn. 5 im Anschluß an Eser II, Nr. 4 A 5; früher auch Cramer , in: Schönke/Schröder 18 , §27 Rdn. 10. 214 Siehe dazu S. 94ff.

8*

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§ 5 Objektive Zurechnung

Insgesamt läßt sich zur Zurechnungsdoktrin feststellen, daß hier mit erheblichem Aufwand ein dogmatisches „Exerzierfeld" aufbereitet worden ist, dessen sachliche Legitimation näherer Überprüfung nicht standhält. Jüngst hat Frisch 215 der Zurechnungsdiskussion noch eine neue Wendung gegeben. Mit Recht beklagt er zunächst die Ausuferung, ja Aufblähung der Zurechnungslehre zu einer fragwürdigen „Superkategorie". 216 Er selbst sieht die Problematik in der mißbilligten Gefahrschaffung als Kernstück des tatbestandsmäßigen Verhaltens. Da das Verbot gewisser Verhaltensweisen wegen der sie charakterisierenden Gefahrdimensionen die Handlungsfreiheit des einzelnen begrenze und die strafweise Durchsetzung dieses Verbotes im Falle seiner Verletzung zusätzliche Grundrechtseingriffe enthalte, müßten zuvörderst die verfassungsrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen für derartige Eingriffe erfüllt sein. Die Mißbilligung risikobeladener Verhaltensweisen komme deshalb nur dort in Betracht, wo sie zur Gewährleistung bestimmter Güter geeignet, erforderlich und angemessen sei. 217 Von den entsprechenden Kriterien habe sich sowohl der Gesetzgeber bei der Konzipierung der Tatbestände als auch der Richter für deren Auslegung leiten zu lassen. Schon diese grundsätzlichen Erwägungen laufen aber auf eine normative Relativierung der Strafbestimmungen unter höchst vagen Maßstäben hinaus. Von der durch den Satz nullum crimen sine lege garantierten Tatbestandsbestimmtheit könnte dann keine Rede mehr sein. Wieder einmal hat also der „Normativismus" eine Aufweichung strafrechtlicher Kategorien im Gefolge. Zudem werden die zwei Ebenen der dogmatischen Sicht nicht hinreichend beachtet, nämlich die Strukturen von Verhalten und Erfolg einerseits und der normative Gehalt dieser Strukturen andererseits. Wie bereits mehrfach betont, muß erst einmal das Substrat der Wertung feststehen, an das irgendwelche Wertungen anknüpfen können. Bei der „eigentlichen" Erfolgszurechnung geht Frisch 218 von der ratio des Erfolgserfordernisses als Leittopos aus. Die Konzentration der Bestrafung auf folgenreiches Fehlverhalten müsse damit zu tun haben, daß der Einsatz von Strafe zur Wiederherstellung des Rechtsfriedens, zur Bekräftigung des Geltungsanspruchs der Norm und damit zum Rechtsgüterschutz durch den

215

Tatbestandsmäßiges Verhalten und Zurechnung des Erfolgs (1988). Frisch , Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 22f. 217 Vgl. Frisch, Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 33 ff., 73 ff. 218 Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 509ff., 516ff. Den weitaus umfangreichsten Teil seiner Abhandlung (S. 90-506) widmet der Autor den drei „Grundtypen" rechtsgutsgefahrdenden Verhaltens, nämlich (1) Verhaltensweisen, die unmittelbar güterbedrohend sind; (2) Verhaltensweisen, die fremde Selbstgefährdungen ermöglichen oder fördern; (3) Verhaltensweisen, die rechtsgutsbeeinträchtigendes Verhalten Dritter ermöglichen, fördern oder veranlassen. Es würde jedoch den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen, im einzelnen darauf einzugehen. 216

I. Die Merkmale im allgemeinen

117

Aufweis der Unverbrüchlichkeit der Norm in diesen Fällen besonders indiziert und legitimierbar erscheint. Im Lichte einer funktionalen, direkt vom Strafkonzept ausgehenden Betrachtungsweise erweise sich der Erfolgseintritt unter zwei Gesichtspunkten als bedeutsam: Zum einen beeinflusse er das Maß der Rechtsfriedensstörung, zum zweiten diene er in besonderer Weise der Normverdeutlichung. Demgegenüber ist jedoch im Anschluß an die seit langem geführte Fahrlässigkeitsdiskussion daraufhinzuweisen, daß der Eintritt des Erfolgs beim fahrlässigen Delikt nicht von vornherein Rückschlüsse auf den Grad der Unwertigkeit der sorgfaltswidrigen Handlung zuläßt. Erinnert sei nur an die oftmals hervorgehobene „Zufallskomponente". 219 Zwar muß sich das pflichtwidrige Verhalten im Erfolg realisieren, was von Frisch 220 als die grundsätzliche Konsequenz der Erfolgs-Ratio angesehen wird. Diese Voraussetzung stellt aber überhaupt erst die notwendige Verbindung zwischen Handeln und Erfolg her, da es soweit am subjektiven Konnex (Finalität) fehlt. Auf der anderen Seite werden beim Vorsatzdelikt Tätigkeitsakt und Erfolg durch den steuernden Willen miteinander verknüpft. Diese Überlegungen führen also wieder auf die vorgegebenen Handlungsstrukturen zurück. Wegen deren Vernachlässigung ist demnach auch jene Lehre vom tatbestandsmäßigen Verhalten den Einwänden ausgesetzt, die durchweg gegenüber einer normativierenden Dogmatik zu erheben sind.

§ 6 Normative Tatbestandsmerkmale I. Die Merkmale im allgemeinen

1. Abgrenzungskriterien Nach überkommener Auffassung wird zwischen deskriptiven und normativen Tatbestandsmerkmalen differenziert: Erstere sollen (rein) beschreibend, letztere wertend bzw. wertausfüllungsbedürftig sein.1 Virulent werde diese Unterscheidung allerdings erst im Vorsatzbereich: Normative Merkmale könnten nur durch eine „Subsumtion nach Laienart" 2 richtig erfaßt werden. Wenn auch im Grundsatz insoweit Übereinstimmung besteht, so macht die konkrete Definition der normativen Tatbestandsmerkmale bis heute Schwierig219 Dazu etwa Engisch, Untersuchungen, S. 341 f.; Welzel, Verkehrsdelikte, S. 20; Armin Kaufmann, ZfRV 1964, 42f.; Jescheck, AT S. 526 m.w. N. 220 Tatbestandsmäßiges Verhalten, S. 519 f. 1 Vgl. etwa Baumann/Weber, AT, S. 128; Jescheck, AT, S. 242f.; Maurach/Zipf AT I, S. 282; Wessels, AT, S. 38; umfassende Nachweise bei Tischler, Verbotsirrtum, S. 34f. 2 So Binding, Normen III, S. 148.

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§ 6 Normative Tatbestandsmerkmale

keiten. Auf weitgehende Zustimmung dürfte die Beschreibung von Engisch 3 stoßen, daß die normativen Merkmale auf Gegebenheiten abzielen, die überhaupt nur unter logischer Voraussetzung einer Norm gedacht werden können. Ähnlich lautet die Überlegung von Schlüchter 4, daß normative Tatbestandsmerkmale allein aus ihrer Stammnorm nicht zu erfassen sind. Sie ließen sich vielmehr erst unter Heranziehen einer außerhalb ihrer Stammnorm liegenden, von Menschen gesetzten Norm interpretieren. A m Beispiel des Merkmals „fremd" (§§242, 246, 303 StGB) folgt daraus: Es kann nur unter der Voraussetzung einer eigentumsrechtlichen Norm bzw. durch Heranziehen einer anderen (zivilrechtlichen) Norm festgestellt werden. Teilweise wird heute die Abgrenzung mit Hilfe der „Sprechakttheorie" vorgenommen. Sie geht auf Searle 5 zurück, der zwischen natürlichen und institutionellen Tatsachen unterscheidet: Bei letzteren handele es sich zwar um wirkliche Tatsachen, aber ihr Vorhandensein setze, anders als das der natürlichen Tatsachen, die Existenz bestimmter menschlicher Institutionen voraus. Deshalb könnten sie allein mit Hilfe der ihnen zugrundeliegenden konstitutiven Regeln erklärt werden. Dies wird an folgendem Beispiel erläutert: Nur weil es die Institution des Geldes gibt, habe ich jetzt eine Fünfdollar-Note in der Hand. Gäbe es jene Institution nicht, so hätte ich nichts weiter in der Hand als ein Stück Papier mit verschiedenen grauen und grünen Mustern. 6 Ganz parallel läßt sich diese Überlegung am strafrechtlichen Urkundenbegriff verdeutlichen: Die Realität einer Urkunde besteht nicht allein aus ihren sinnlich wahrnehmbaren Bestandsstücken (Papier, Tinte); hinzukommen muß das entscheidende Moment, das den Urkundenschutz bedingt, nämlich ihre beweiserhebliche Funktion im Rechtsleben.7 Letzteres wäre im vorgenannten Sinne eine „institutionelle" Tatsache, da es die gesellschaftliche Relevanz einer Urkunde ist, beweiserheblich zu sein.8 Die Voraussetzung der Existenz bestimmter Institutionen stimmt also überein mit der Voraussetzung einer Norm — denn unter „Norm" hat man dabei in gleicher Weise einen rechtlichen wie einen außerrechtlichen Maßstab zu verstehen. 9 Ein weiterer Abgrenzungsversuch auf sprachphilosophischer Basis 10 unterscheidet zwischen natürlichen und konventionalen Eigenschaften: Erstere sind diejenigen Eigenschaften, die die Dinge in der Welt als solche aufweisen. 3 Mezger-FS, S. 147; ebenso Cramer , in: Schönke/Schröder, § 15 Rdn. 19; Jescheck , AT, S. 243; Wessels , AT, S. 38. 4 Irrtum, S. 23. 5 Sprechakte, S. 78 ff.; ihm folgend Burkhardt , JZ 1981, 683; Darnstädt , JuS 1978,443; dazu auch Schlüchter , Irrtum, S. 76 ff. 6 Searle , Sprechakte, S. 81. 7 Vgl. Welzel , JZ 1953, 120; 1954, 279. 8 So auch Darnstädt , JuS 1978, 443. 9 Worauf Schlüchter (Irrtum, S. 23) hingewiesen hat.

I. Die Merkmale im allgemeinen

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Dagegen handelt es sich um konventionale Eigenschaften, wenn sie ihre Existenz einer sozialen Regel verdanken. Daraus ergibt sich folgende Definition: Deskriptive Tatbestandsmerkmale beziehen sich auf natürliche Eigenschaften und werden den Objekten im Rahmen theoretischer Urteile zugeschrieben. Normative Tatbestandsmerkmale beziehen sich auf konventionale Eigenschaften und werden den Objekten im Rahmen praktischer Urteile zugeschrieben. Werteigenschaften würden nicht erkannt, sondern anerkannt. 11 Diese Bestimmung deckt sich indes mit den bereits erwähnten institutionellen Tatsachen. Über die reine Existenz des Gegenstandes kommt etwas hinzu, nämlich die bedeutungsverleihende gesellschaftliche Konvention betreffend die Funktion des jeweiligen Merkmals. Diese muß dem Täter laienhaft bewußt sein, um vorsätzlich zu handeln. 12 Im Ergebnis geht es daher nur um einen unterschiedlichen Sprachgebrauch, der das Gemeinte anders bezeichnet. 13 Die herkömmlich beibehaltene Unterscheidung ist allerdings seit langem ins Wanken geraten. So wird einerseits den deskriptiven Tatbestandsmerkmalen ein „normativer Einschlag" zuerkannt, andererseits enthielten auch die normativen Tatbestandsmerkmale einen „deskriptiven Kern"; jene seien also mit normativen, diese mit faktischen Elementen durchsetzt. 14 Infolgedessen erscheint es auch konsequent, daß heute zunehmend die Differenzierung zwischen deskriptiven und normativen Merkmalen überhaupt für undurchführbar gehalten wird. 1 5 Der Unterschied im Subsumtionsvorgang sei bei den letzteren allenfalls ein quantitativer, nicht hingegen ein qualitativer. 16 Deshalb könne auch nicht generell von größerer Unbestimmtheit der normativen Tatbestandsmerkmale gesprochen werden. 10

Vgl. Kindhäuser, Jura 1984, 465 ff.; im Ansatz ähnlich Herberger, in: Koch, Juristische Methodenlehre, S. 124ff. 11 Kindhäuser, Jura 1984, 473 f. 12 Insoweit ist die Kritik von Kindhäuser (Jura 1984, 475 Anm. 44) an der Formel von der Parallel-"Wertung" berechtigt: Es sei irrelevant, wie der Täter z.B. den Bierfilz bewertet; vielmehr komme es allein darauf an, ob er die Funktion des Bierfilzes zutreffend erkennt. 13 Auch Mlosch (Irrtum, S. 84 Anm. 326) konstatiert, daß die sprachanalytischen Bemühungen um das Wesen der normativen Tatbestandsmerkmale „allenfalls zu einer Ersetzung im Deflatorischen" führen. 14 Vgl. Mezger, Vom Sinn, S. 40; E. Wolf, Typen, S. 58; Cramer, in: Schönke/Schröder, §15 Rdn. 17; Engisch, in: Mezger-FS, S. 144; Herdegen, in: BGH-FS, S. 197; Hirsch, ZStW 90 (1978), 986; Jescheck, AT, S. 116; Warda, Jura 1979, 80; Wessels, AT, S. 38; von einer unaufhebbaren „Strukturverschlingung" ist die Rede bei Grünhut, Begriffsbildung, S. 8; E. Wolf, Schuldlehre, S. 92; Kohlmann, Begriff des Staatsgeheimnisses, S. 233. 15 Vgl. Hall, SchwZStR 46 (1932), 329; Heimann-Trosien, L K 9 , Einl., Rdn 57; Arthur Kaufmann, Parallelwertung, S. 11; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor §13 Rdn. 64; Stratenwerth, AT I, Rdn. 269; Zielinski, Unrechtsbegriff, S. 98; für einen gänzlichen Verzicht auf diese Unterscheidung plädiert Dopslaff, GA 1987, l f f . 16 Eser I, Nr. 15 A 17; Schlüchter, JuS 1985, 375; Steininger, JB1. 1987, 206; wohl auch Podlech, AöR 95 (1970), 209.

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§ 6 Normative Tatbestandsmerkmale

Schließlich wird darauf hingewiesen, daß allein schon durch die Vertatbestandlichung selbst eine normative Wendung aller Tatbestandselemente zustandekomme.17 Da das empirische Material in juristischer Verarbeitung in den Aufbau der Tatbestände eingehe, unterliege es notwendig einem theoretischen Umformungsprozeß. Von daher liegt es nahe, alle Tatbestandsmerkmale als normative anzusehen.18 Es handelt sich dann um Begriffe im Rechtssinne. Wie damit aufgezeigt, ist die Abgrenzung zwischen deskriptiven und normativen Tatbestandsmerkmalen schon im Grundsätzlichen fraglich. Die Auslegungsschwierigkeiten liegen unabhängig von dieser Zweiteilung in der gesetzlichen Begriffsbildung überhaupt begründet, indem ein — zumeist klarer — „Begriffskern" von einem allmählich verschwindenden „Begriffshof" umgeben ist. 1 9 Diese Bestandsaufnahme spiegelt sich in der Beurteilung einzelner Merkmale wider, deren Zuordnung oftmals unterschiedlich vorgenommen wird. 2 0 Selbst über den vordergründig am deutlichsten erscheinenden Charakter des Begriffspaares der „fremden Sache" besteht keine Einigkeit: So wird teilweise „fremd" als deskriptives 21 , „Sache" als normatives 22 Element verstanden. Im folgenden soll deshalb anhand der Begriffe „Mensch" und „Sache" das Verhältnis von beschreibenden und wertenden Aspekten noch einmal verdeutlicht werden, weil diese Tatobjekte herkömmlich als Prototypen der deskriptiven Merkmale gelten. 2. Einzelfälle a) Was ein Mensch im Sinne des StGB (bes. §§ 211 ff.) ist, kann sicherlich in den meisten Fällen „ohne einen längeren Denkprozeß festgestellt werden" 23 . Die klaren Konturen verschwimmen allerdings zusehends an der Peripherie.

17 Insbes. E. Wolf Typen, S. 59; ihm folgend Class, Str. Abh. 323, S. 166ff.; Hofmann , Str. Abh. 272, S. 9; Kantorowicz , Tat und Schuld, S. 99; Dreher / Tröndle, § 16 Rdn 4. 18 So E. Wolf in: RG-Festgabe V, S. 56; ders ., Typen, S. 59; im Gegensatz dazu hält Kunert (Die normativen Merkmale, S. 93 f.) alle Tatbestandsmerkmale für deskriptiv. 19 Diese Gegenüberstellung geht zurück auf Heck , AcP 112 (1914), 173; aufgegriffen wird sie von Engisch , Einführung, S. 108; Lenckner , JuS 1968, 256; Schünemann, in: KlugFS I, S. 177; Tröndle , L K , § 1 Rdn. 13. 20 Zahlreiche Beispiele bei Jescheck, AT, S. 243; Arthur Kaufmann , Unrechtsbewußtsein, S. 164ff.; Heimann-Trosien , LK9, Einl., Rdn 57 mit Hinweisen auf die jeweils unterschiedliche Einordnung. 21

Thierfelder , Normativ und Wert, S. 66. E. Wolf in: RG-Festgabe, S. 56. 23 Dieses Abgrenzungskriterium hat Kunert (Die normativen Merkmale, S. 1) für die Feststellung eines deskriptiven Merkmals vorgeschlagen; von Kindhäuser (Jura 1984, 466 Anm. 5) wird es als in jeder Hinsicht untauglich und dogmatisch irrelevant gerügt. 22

I. Die Merkmale im allgemeinen

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Beginn und Ende des Menschseins werden zu „Rechtsbegriffen" 24 . Fraglich ist jedoch, ob sie damit einer rein normativen Betrachtung unterliegen. Maßgebend für das Einsetzen der Menschqualität ist der Beginn der Geburt (arg. §217 StGB). Dieser Zeitpunkt ist im Interesse eines umfassenden strafrechtlichen Lebensschutzes im Laufe der Zeit weiter vorverlegt worden. 25 Der BGH hat in zwei neueren Entscheidungen26 den Beginn der Geburt auf den Zeitpunkt des Einsetzens der Eröffnungswehen festgelegt. Diese Auffassung führe zugleich zu einem erstrebenswerten Gleichklang der strafrechlichen Begriffsbildung mit den medizinischen Anschauungen vom Geburtsbeginn. 27 Andererseits ist dort aber auch die Rede von einer rein strafrechtlichen Abgrenzung von Abtreibungs- und Tötungsdelikten, die keine Aussage darüber enthalte, wann das Menschsein bei ethischer oder biologischer Betrachtungsweise beginnt. 28 Nun ist die genannte Abschichtung zwischen Leibesfrucht und Mensch indes so „rein strafrechtlich" natürlich nicht, vielmehr ist sie humanbiologisch fundiert 29 . Auch der BGH könnte nicht einen beliebigen Zeitpunkt zwischen Empfängnis und Abnabelung wählen. Erst das Abstellen auf die — zwischen Geburtswehen und Treib- und Preßwehen liegenden — Eröffnungswehen ist von strafrechtlichen Gesichtspunkten bestimmt: Dem Kind (Mensch) soll gerade in dieser Zeit erhöhter Gefährdung ein besonderer Schutz gegen unsorgfältiges Verhalten zuteil werden. 30 Daraus folgt, daß lediglich in einem vorgegebenen naturwissenschaftlichen Rahmen noch Raum für Wertungsentscheidungen verbleibt. A m anderen Ende der Skala steht der (juristische) Todesbegriff. Während früher auf den Stillstand von Atmung und Kreislauf abgestellt wurde, ist heute der Hirntod als maßgeblich anerkannt. 31 Bei dieser Festlegung soll es sich um eine „normative Konvention" 3 2 handeln: Aus dem kontinuierlich ablaufenden Prozeß des Sterbens werde ein bestimmter Zeitpunkt herausgegriffen.

24 Vgl. den Titel der Monographie von Saerbeck : Beginn und Ende des Lebens als Rechtsbegriffe. Auf die Grenzprobleme des „Menschseins" ist des öfteren hingewiesen worden, siehe etwa v. Hippel, Gefahrurteile, S. 86f.; Jakobs, AT 8/48; Kohlmann, Begriff des Staatsgeheimnisses, S. 257; Maurach I Zipf, AT I, S. 283. 25 Daraufweist BGHSt 31, 348 (355) hin. 26 BGHSt 31, 348 und 32, 194; beide mit Anm. Hirsch, JR 1985, 336. 27 BGHSt 32, 194 (196). 28 BGHSt 31, 348 (351). 29 Lüttger, JR 1971, 134; ders., NStZ 1983, 481. 30 Vgl. Lüttger, JR 1971,134; Saerbeck, Beginn und Ende, S. 94; Maurach/ Schroeder, BT I , S. 12; Wessels, BT-1 , S. 2. 31 Vgl. Kohlhaas, Medizin und Recht, S. 122; Lüttger, JR 1971,311 f.; Jähnke, L K , Vor §211 Rdn. 7-10 m.w. N.; näher zum „juristischen Todesbegriff 4: Geilen, in: Heinitz-FS , S. 373 ff.; Stratenwerth, in: Engisch-FS , S. 528 ff.

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§ 6 Normative Tatbestandsmerkmale

Allerdings sind der normativen Freiheit auch hier von vornherein Grenzen gesetzt. Die Festlegung des Todeszeitpunktes kann keinesfalls beliebig erfolgen (kraß gesagt: er könnte z.B. nicht an ein bestimmtes Lebensalter geknüpft werden). Bei der Selektion zwischen den denkbaren Möglichkeiten steht auch ein bestimmtes Menschenbild im Hintergrund, weil etwa mit der Wahl des Hirntodes inzident die Geistigkeit zum maßgeblichen Kriterium des Menschseins erklärt wird. 3 3 Ein weiterer Aspekt ist die Irreversibilität des Sterbevorgangs: Seitdem mit Hilfe medizinischer Technik (Reanimation) der Ausfall von Atem- und Kreislauffunktionen behebbar ist, kann die klassische Todesdefinition nicht aufrechterhalten werden. 34 Demnach ist die „Konvention" über das Ende des Lebens durch verschiedene sachliche Gegebenheiten vorgeprägt. b) Auch der Begriff der Sache weist Unschärfen im Randbereich auf, die verschiedentlich in der Rechtsprechung zutage getreten sind. So hat das Reichsgericht unter „Sache" i.S.d. § 136 StGB (§ 137 a. F.) zunächst auch Forderungen verstanden. 35 Diese Auffassung ist später durch die Vereinigten Strafsenate mit eingehender Begründung verworfen worden: Die Entscheidung hänge davon ab, welche Bedeutung man neben der Wortauslegung und der Entstehungsgeschichte der Norm ihrer inneren Zweckbestimmung sowohl im System des Strafgesetzbuches wie auf dem Boden des heutigen Prozeßrechtes einzuräumen geneigt ist. 3 6 Bekanntlich ist ferner die Sacheigenschaft des elektrischen Stromes verneint worden. 37 Die Frage, welche Merkmale etwas haben müsse, um dem Begriff der Sache im Sinne von §§ 242, 246 StGB zu entsprechen, sei eine Rechtsfrage; Tatfrage sei nur, ob jene Merkmale im gegebenen Fall vorhanden sind. 38 In neuerer Zeit ist schließlich einer Skilanglaufspur (Loipe) die Sachqualität im Sinne der §§ 303, 304 StGB abgesprochen worden. 39 Denn diese sei nicht derart allerseits abgegrenzt, daß sie im Gegensatz zu dem sie umgebenden Schneefeld ein individuelles Dasein aufweisen würde.

32 So Eser, in: Schönke/Schröder , Vor § 211 Rdn 18; ders., ZStW 97 (1985), 27 ff.; v. Hippel , Gefahrurteile , S. 87; Jähnke , L K , Vor § 211 Rdn 7; Laufs , NJW 1986,1517; H.-L. Schreiber , JZ 1983, 593 f. 33 Eser, ZStW 97 (1985), 29. 34 Vgl. Jähnke, L K , Vor §211 Rdn 7. 35 RGSt 12, 184. 36 RGSt 24, 40 (49f.); heute unstreitig, vgl. v. Bubnoff L K , § 136 Rdn. 3 m.w. N.; inzwischen auch Cramer , in: Schönke/ Schröder, §136 Rdn. 5 (anders noch die 18. Auflage). 37 RGSt 29, 111; 32, 165; anders noch OLG München GA Bd. 43 (1895), 58. 38 RGSt 32, 165 (178). 39 BayObLG JR 1980, 429 mit abl. Anm. Schmid. Auch bei benannten Sachobjekten können Zweifelsfragen auftreten; siehe etwa BGHSt 31, 83 zum Begriff der „Waldung" (§ 308 StGB).

I. Die Merkmale im allgemeinen

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Wenn der Sachbegriff in solchen Fällen erst aus dem Normzweck der jeweiligen Strafvorschrift zu entwickeln ist, dann könnte die Folgerung naheliegen, daß es sich dabei letzten Endes um ein normatives Tatbestandsmerkmal handelt. 40 Zu beachten bleibt gleichwohl, daß es insoweit nie um „reine" Normativität geht, sondern um ein im Kern eindeutiges Substrat mit Wertungen im Randbereich. In den allermeisten Fällen wird bei dem Täter keinerlei Zweifel über die Sachqualität aufkommen. Entsprechendes kann zwar auch für wertbezogene Begriffe wie etwa „fremd" gelten. Denn was „mein" und „dein" bedeutet, steht normalerweise für jedermann außer Frage. Dennoch erfordert dieses Urteil einen Akt geistigen Verstehens. Was im Problemfall den Vorstellungsinhalt ausmachen muß, ist noch im Rahmen der subjektiven Seite zu erörtern. 3. Vorsatzgegenstand Ihre eigentliche Bedeutung soll die Unterscheidung zwischen deskriptiven und normativen Tatbestandsmerkmalen im Vorsatzbereich erlangen. Im Anschluß an Mezger 4-1 verlangt man im Hinblick auf die normativen Merkmale eine „Parallelwertung in der Laiensphäre" 42 . Dieser Sprachgebrauch ist zwar plastisch, aber auch ungenau. Denn eine wirkliche (Be-) Wertung braucht der Täter nicht vorzunehmen, vielmehr muß er den Sinngehalt des betreffenden Merkmals in einer der gesetzlichen Beurteilung parallelen Weise erfassen. Klarer erscheint es deshalb, von einer „Parallelbeurteilung im Täterbewußtsein" 43 zu sprechen. Geht es also bei den normativen Merkmalen um das Erkennen des sozialen Sinngehalts 44 , muß der Täter bei den deskriptiven Merkmalen den natürlichen Sinngehalt 45 erfassen. Dies macht noch einmal deutlich, daß es nur um einen graduellen Unterschied geht. Unabdingbare Voraussetzung ist in beiden Fällen, daß der Täter zunächst das Substrat der Beurteilung wahrnimmt. Erkennt derjenige, der ein Blatt Papier zerreißt, nicht, daß es beschrieben ist, so fehlt es ihm schon von daher am Vorsatz bezüglich des Merkmals „Urkunde" (§ 274 StGB). Die Parallelbeurteilung ist eine zusätzliche Gedankenoperation; ihre 40 Dahingehend E. Wolf; in: RG-Festgabe, S. 56; D. Meyer, M D R 1970, 378; zur „Sache im Recht" eingehend Engisch, Vom Weltbild, S. 141 ff. 41 Strafrecht, S. 328. 42 Vgl. BGHSt 3,248 (255); 4,347 (354); BaumannI Weber, A T , S. 407; Blei, AT, S. 120; Cramer, in: Schönke/ Schröder , § 15 Rdn. 45; Jescheck, AT, S. 265; Stratenwerth, AT I, Rdn. 260; Wessels, AT, S. 72; ähnlich („Parallel beurteilung" in der Laiensphäre) Sehr oeder, L K , § 16 Rdn. 43; Rudolphi, SK, § 16 Rdn. 23; Steininger, JB1. 1987, 289. 43

So Welzel, LB, S. 76; ders., JZ 1954, 279; zust. Jakobs, AT 8/49. Eser I, Nr 15 A 25 f.; Lackner, § 15 Anm. I I 2b; Welzel, JZ 1953, 120; ebenso OLG Stuttgart NJW 1962, 65 (66). 45 Jescheck, AT, S. 264; Wessels, AT, S. 71. 44

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§ 6 Normative Tatbestandsmerkmale

Notwendigkeit besteht — zumindest in Grenzfällen — gleichermaßen bei den deskriptiven Tatbestandsmerkmalen. 46 Dieses Zusammenspiel von Kognition und Normierung hatte bereits Mezger 47 als doppelte Funktion des Subjektiven gekennzeichnet, nämlich a) eine kognitive als Erkenntnis eines gegebenen Objektes mit dem Ergebnis eines „Tatsachenurteils" und b) eine normative als Bewertung (Gestaltung) dieses Objekts mit dem Ergebnis eines „Werturteils". In dieser Darlegung wird zudem die Unterscheidung zwischen Objekt der Wertung und Wertung des Objekts noch einmal deutlich. Da es bei der Objektwertung um eine Subsumtion nach Laienart geht, ist die Parallelbeurteilung im Täterbewußtsein zwar notwendig, aber auch ausreichend. Darüber hinausgehende juristische Interpretationen sind ohne Belang, so daß der sog. Subsumtionsirrtum den Vorsatz nicht berührt. Ein solcher betrifft die Situation, daß der Täter bei Kenntnis des Sachverhaltes und der sachlichen Bedeutung des in Frage stehenden Tatumstandes das in diesem Fall einschlägige normative Tatbestandsmerkmal gleichwohl zu seinen Gunsten unrichtig auslegt. 48 Zu eng an dieser Definition ist allerdings die Beschränkung auf normative Merkmale, denn bei der begrifflichen Umgrenzung deskriptiver Merkmale kann ein Subsumtionsirrtum gleichermaßen auftreten. 49 Auch insoweit ist die Dichotomie der Tatbestandsmerkmale nicht von besonderer Relevanz. Probleme wirft in diesem Bereich die Anwendung des „Umkehrprinzips" auf, d. h. bei der irrigen Annahme eines in Wahrheit nicht vorhandenen Tatbestandsmerkmals. Nach wohl einhelliger Meinung führt der umgekehrte Subsumtionsirrtum zum (straflosen) Wahndelikt. 50 In solchem Fall irrt der Täter über die Reichweite der Norm, überdehnt also — in seiner Vorstellung — die Strafbarkeitsgrenzen zu seinen Ungunsten. Die grundsätzliche Einigkeit darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Grenze zur falschen Parallel Wertung (untauglicher Versuch) im Einzelfall schwer zu bestimmen ist. Anzuknüpfen ist daran, daß beim Vollendungsvorsatz kognitive wie normative Seiten kumulativ vorhanden sein müssen. Dieser Voraussetzung ist auch beim umgekehrten Irrtum Rechnung zu tragen, weil 46

Vgl. Maurach/Zipf, AT I, S. 283; siehe auch Nierwetberg , Jura 1985, 239 Anm. 13. Vom Sinn, S. 32; ebenso Class , Str. Abh. 323, S. 163 f. 48 So die treffende Kennzeichnung bei Maurach / Zipf \ AT I, S. 320; zust. Cramer , in: Schönke/Schröder, § 15 Rdn. 45. 49 Vgl. Wetzet, JZ 1954, 279 mit Beispielen; Cramer , in: Schönke/Schröder, §15 Rdn. 45; insoweit auch Dopslaff \ GA 1987, 25. 50 Vgl. Eser , in: Schönke/Schröder, § 22 Rdn. 83; Herzberg , JuS 1980, 470; Jescheck , AT, S. 481; Maurach, NJW 1962,719; Rudolphi, SK, § 22 Rdn. 32; Schünemann, GA 1986, 313f.; Vogler, L K , §22 Rdn. 145; Welzel, LB, S. 194 47

I. Die Merkmale im allgemeinen

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sonst das „Umkehrprinzip" nicht durchgehalten wird. Erforderlich ist deshalb zunächst eine tatsächliche Vorstellung, die bei ihrem wirklichen Vorliegen ein Tatbestandsmerkmal erfüllen würde. Hinzukommen muß dann eine Parallelbeurteilung dieses vorgestellten Sachverhaltes; kurz gesagt: Sachverhaltsvorstellung plus laienhafte Schlußfolgerung. 51 Die Berücksichtigung der faktischen Komponente hat sich immerhin gerade im Streitfall des Versuchs eines untauglichen Subjekts durchgesetzt. Denn auch die h. M. bejaht einen strafbaren Versuch nur dann, wenn der Täter irrig Tatsachen annimmt, die ihn zum (tauglichen) Täter machen würden. 52 Was aber in diesem Grenzbereich gilt, muß erst recht für sonstige Konstellationen Platz greifen. Auf der anderen Seite ist es auch denkbar, den umgekehrten Irrtum allein auf den Tatsachenkern zu beschränken. Einen solchen Weg hat Burkhardt 53 eingeschlagen. Zwar wendet er sich nicht gegen die Lehre von der Parallelbeurteilung, aber gegen deren Umkehrung: Sie drohe nämlich die Konturen des Wahndelikts zu verwischen und den Bereich strafbaren Versuchs in schwer eingrenzbarem Umfang auszudehnen.54 Infolgedessen vertritt er die Meinung, daß jeder umgekehrte Bedeutungsirrtum, der auf einer Verkennung von Rechtsnormen beruht, mit einer Überdehnung des strafrechtlichen Schutzbereiches verbunden ist. Der Vorsatz des Täters sei auf ein nur vermeintlich, nicht aber wirklich rechtswidriges Verhalten gerichtet. Das aber sei der typische Fall des Wahndelikts. 55 An dieser Deduktion fallt zunächst die unterschiedliche Behandlung von „einfachem" und „umgekehrtem" Irrtum auf. Konsequent wäre es aber, dann auch eine falsche Parallelwertung für irrelevant zu halten und den Vorsatz auf reine Faktenkenntnis zu beschränken. Dies hätte die alte Unterscheidung von error facti und error iuris zur Folge. 56 Dagegen spricht indes bereits die 51 Daß sich der Irrtum sowohl auf die tatsächlichen als auch auf die rechtlichen Voraussetzungen erstrecken muß, ist hinlänglich betont worden; siehe etwa A. Köhler, Rechtsirrtum, S. 26; Mittasch, Auswirkungen, S. 47 f.; Seel, Tatbestandsmerkmale, S. 38; Warda, Jura 1979, 81. Deutlich im „Bezugskartenfall" auch BGHSt 13, 235 (240f.): Versuch bei irrtümlicher Annahme, der Aussteller gehe aus den Bezugsabschnitten hervor und sie seien zum Beweise der Bezugsberechtigung des Inhabers bestimmt; Wahndelikt bei dem Glauben, die Abschnitte wären trotz Fehlens eines Ausstellers und trotz Mangels der Beweisbestimmung Urkunden. Letzterenfalls fehlt es an jeglicher Sachverhaltsvorstellung. 52 Vgl. Bruns, Der untaugliche Täter, S. 18 ff.; ders., GA 1979, 168; Blei, AT, S. 232; ders., JA 1973, 603; Dreher/ Tröndle, §22 Rdn. 28; Eser, in: Schönke/Schröder, §22 Rdn. 76; Jescheck, AT, S. 482f.; Maurach/Zipf, AT II, S. 39; Rudolphe SK, § 22 Rdn. 28; Schlüchtern Irrtum, S. 164ff; Wessels, AT, S. 187. 53 JZ 1981, 681 ff.; weitgehend übereinstimmend Jakobs, AT 25/38 ff.; im Erg. zust. auch Dopslaff, GA 1987, 26. 54 Burkhardt, JZ 1981, 684. 55 Burkhardt, JZ 1981, 685 f. 56 Dahingehend auch die Kritik von Tischler, Verbotsirrtum, S. 347 f.; Schünemann, GA 1986, 314f.

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§ 6 Normative Tatbestandsmerkmale

aufgezeigte Verknüpfung von faktischen und wertenden Elementen bei allen Tatbestandsmerkmalen, die eine solche Differenzierung von vornherein als sachwidrig erscheinen läßt. Hinzu kommt die Vermengung von umgekehrtem Subsumtions- und Bedeutungsirrtum. Bei letzterem richtet sich die Vorstellung des Täters auf eine Sachgestaltung, deren Vorliegen einen Straftatbestand ausfüllen würde. Diese Situation tritt aber auch beim „nackten" Tatsachenirrtum auf: So liegt etwa ein (untauglicher) Tötungsversuch vor, wenn der Täter auf eine Vogelscheuche schießt in dem irrigen Glauben, einen Menschen vor sich zu haben. Falls nun das betreffende Merkmal normativ zu verstehen ist, ergibt sich eine vergleichbare Konstellation: Nach Begehung einer Ordnungswidrigkeit durch einen anderen will der Täter dessen „Bestrafung" vereiteln, weil er a) irrtümlich tatsächliche Gegebenheiten annimmt, die eine Strafbarkeit begründen würden; b) das wirkliche Verhalten rechtsirrig als Straftat wertet. Beide Alternativen ergeben nach der Tätervorstellung einen Sachverhalt, der § 258 StGB unterfallt, so daß jeweils ein untauglicher Versuch vorliegt. 57 Burkhardt 58 hält diese Einwände für unzutreffend: Wer an einer Nichtschwangeren einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen versucht, gehe von einem Angriffsobjekt aus, das im konkreten Fall zwar nicht existiert, das aber in seinem (vorgestellten) Sosein Gegenstand des Begriffes bzw. materielles Substrat des geschützten Rechtsgutes ist. Bei rechtsirriger Sichtweise hingegen stelle sich der Täter Angriffsobjekte vor, die nicht nur im konkreten Einzelfall nicht existent sind, die es vielmehr überhaupt nicht geben kann. Diese Unterscheidung ist jedoch nicht durchführbar, wie sich etwa am normativen Merkmal „fremd" zeigt: Wenn der Verkäufer nach unwirksamer Sicherungsübereignung die Sache noch einmal veräußert, obwohl er jetzt den Erstkäufer für den Eigentümer hält, begeht er einen (untauglichen) Versuch der Unterschlagung. 59 Der Täter nimmt — unter Zugrundelegung einer bestimmten Tatsachenbasis — (rechts)irrig die Fremdheit der Sache an. Die falsche Vorstellung betrifft hier nicht ein Angriffsobjekt, das es „überhaupt nicht geben kann", sondern vielmehr nur die augenblickliche Qualität des Tatobjekts. 60 Natürlich könnte man sagen, daß es keine Fremdheit nach fehlgeschlagener Übereignung gebe, aber diese Fehleinschätzung macht ja gerade den Irrtum des Täters aus. Auch liegt keine 57 Unzutr. deshalb BayObLG JR 1981, 296 mit abl. Anm. Stree\ wie hier auch Puppe, GA 1990, 159. Siehe zum umgekehrten Fall — Tatbestandsirrtum bei rechtlicher Fehlvorstellung, die sich auf einen Bestandteil des Tatbestandes bezieht — jüngst BGH NJW 1989, 1939. 58 wistra 1982, 180. 59 Vgl. OLG Stuttgart NJW 1962, 65; im Ergebnis zust. Baumann, JZ 1962, 16; Herzberg, JuS 1980, 472f.; Schlüchter, Irrtum, S. 161 f.; ablehnend Burkhardt, JZ 1981, 685; Jakobs, AT 25/42 (nach dem es sich „gewiß um einen Grenzfall" handelt). 60 So die Abgrenzungsrichtlinie von Baumann/ Weber, AT, S. 486.

I. Die Merkmale im allgemeinen

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Überdehnung des strafrechtlichen Schutzbereiches vor, da § 246 StGB fremdes Eigentum schützen will. Eine solche „Überdehnung" ließe sich allein dahingehend konstruieren, daß die Vorschrift das nur vermeintlich fremde Eigentum nicht strafrechtlich absichern will, aber das wiederum ist eben die Konstellation des untauglichen Versuchs (§212 StGB will auch keinen Toten schützen, dennoch ist untauglicher Versuch an einer Leiche unstreitig möglich). Neuerdings hat Schlüchtern der Lehre von der Parallelwertung eine „teleologisch-reduzierte Sachverhaltssicht" entgegengestellt. Diese vollzieht sich in folgender Weise: In einem ersten Schritt habe man zum einen den von dem jeweiligen Tatbestandsmerkmal bestimmten Sachverhaltsausschnitt und zum anderen festzulegen, welche Bedeutungskomponenten auf das Rechtsgut — deckungsgleich bzw. eingrenzend — bezogen sind. 62 In einem zweiten Schritt habe man zu überlegen, ob der Täter den von dem jeweiligen Tatbestandsmerkmal bestimmten Sachverhaltsausschnitt so weit erfaßt hat, um sich über die rechtsgutsbezogene(n) Komponente(n) (zumindest in Form des bedingten Vorsatzes) klar geworden zu sein. 63 Insbesondere für den Fall des umgekehrten Irrtums wird allerdings noch eine zusätzliche Einschränkung gemacht: Die teleologisch-reduzierte Sachverhaltssicht dürfe nicht mit einem erheblichen 64 , beachtlichen65 oder wesentlichen66 Mangel belastet sein. Ein erheblicher Mangel in diesem Sinne liege vor, wenn das von dem Täter vorgestellte Tatbild im Blick auf die rechtsgutsbezogene Komponente ohne strafrechtliche Relevanz ist und damit extensional völlig aus dem Tatbestand fallt. 6 7 Eine solche Vorstellung führe dann zum Wahndelikt. Es drängt sich allerdings die Frage auf, ob die teleologisch-reduzierte Sachverhaltssicht wirklich zu einem wesentlichen Unterschied gegenüber der Parallelwertungslehre führt. 68 Denn das Abstellen auf die Verletzungsbedeutung setzt das Erfassen des jeweiligen Sinngehalts schon voraus. Dagegen hat Schlüchtern eingewandt, daß der gesamte Begriffsbereich eines Tatbestandsmerkmals dessen „soziale Bedeutung" ausmache. Anliegen der teleologischreduzierten Sachverhaltssicht sei es dagegen, aus der sozialen Bedeutung die auf den Rechtsgüterschutz bezogene Komponente herauszuziehen. Indes geht es auch bei der Parallelwertung von vornherein nur um das Erkennen gerade des 61

Irrtum, S. 100 ff. Schlüchtern Irrtum, S. 109; ähnlich Nierwetberg, Jura 1985, 241. 63 Schlüchter, Irrtum, S. 112. 64 Schlüchter, Irrtum, S. 115. 65 Schlüchtern Irrtum, S. 158. 66 Schlüchtern Irrtum, S. 163. 67 Schlüchtern JuS 1985, 528. 68 Zweifelnd auch Arthur Kaufmann, in: Lackner-FS, S. 191; diese Frage hatte Schlüchter (Irrtum, S. 106ff.) bereits selbst aufgeworfen. 69 Irrtum, S. 108 f. 62

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§ 6 Normative Tatbestandsmerkmale

rechtsgutsbezogenen Teilbereichs; darüber hinausgehende Umstände sind für den Tätervorsatz ohnehin nicht von Bedeutung. Dies zeigt sich deutlich an dem von Schlüchter 70 selbst angeführten Beispiel der Urkunde: Dort sei die Beweisfunktion deckungsgleich mit dem zugrunde liegenden Rechtsgut; der Täter müsse also von dem durch das Tatbestandsmerkmal „Urkunde" bestimmten Sachverhaltsausschnitt so viel wahrgenommen haben, um zumindest die Möglichkeit zu sehen, daß sich mit dem Gegenstand mehr als dessen bloße Existenz beweisen läßt. Die beweiserhebliche Funktion ist aber nun eben der soziale Sinngehalt, den es auf Täterseite zu erfassen gilt. Ob mit dem schwer faßbaren Kriterium des (erheblichen/beachtlichen/wesentlichen) Mangels eine entscheidende Einschränkung gelingen kann, dürfte zumindest zweifelhaft sein; zumal die Exemplifikation an Einzelfallen 71 durchweg zu Ergebnissen führt, die mit denen der Judikatur übereinstimmen. II. Der Gefahrbegriff: Zur Normativierung eines Tatbestandsmerkmals

1. Herkömmliche Kriterien Ein schwer zu bestimmendes und vieldiskutiertes Tatbestandsmerkmal ist das der Gefahr. Da es in ihrem Wesen liegt, daß eine Schädigung nicht einzutreten braucht 72 , muß ex post eine Prognoseentscheidung getroffen werden. Die damit verbundenen Schwierigkeiten dürften die Tendenz in Richtung auf eine „Normativierung" des Gefahrbegriffs begünstigt haben. Nach der Rechtsprechung ist der Gefahrbegriff im wesentlichen73 bzw. überwiegend 74 tatsächlicher, nicht rechtlicher Natur. Die Feststellung einer Gefahr erfordere ein nachträgliches Wahrscheinlichkeitsurteil über die naheliegende Möglichkeit des Eintritts eines schädlichen Erfolges, der aber in Wirklichkeit nicht eingetreten ist. 75 Wenn nun die Schadensmöglichkeit bereits so nahe liegt, daß eine Verletzung ebensogut eintreten wie ausbleiben kann,

70

Irrtum, S. 109 f. Vgl. Schlüchter , Irrtum, S. 155 ff. 72 Sofern allerdings ein Schaden eintritt, ist damit das (vorherige) Bestehen einer Gefahrdung erwiesen; vgl. Horn , SK, Vor § 306 Rdn. 5. Dagegen kann vom Ausbleiben der Schädigung kein Schluß auf das NichtVorliegen einer Gefahr gezogen werden; so aber noch RGSt 8, 198 (202). 71

73

RGSt 30, 178 (179); 61, 362 (364). BGHSt 18, 271 (272); 22, 341 (342 f.). 75 So BGHSt 26, 176 (181). Die Termini „Wahrscheinlichkeit" und „naheliegende Möglichkeit" werden in der Rspr. durchweg synonym verwandt; vgl. RGSt 10,173 (176); 30, 179; 61, 362 (363 f.); BGHSt 8, 28 (31); 11,162 (164); 13, 66 (70); 18, 271 (272); BGH VRS 11, 61 (62); 13, 204 (205); 68, 116 (117). 74

II. Der Gefahrbegriff

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kommt der „Zufallsaspekt" ins Spiel: Die Sicherheit des Objekts ist so stark beeinträchtigt, daß es (nur noch) vom Zufall abhängt, ob das Rechtsgut verletzt wird oder nicht. 76 Die Folgen sind in der gegebenen Situation nicht mehr kalkulierbar. Auch im Schrifttum wird die Gefahr ganz überwiegend als ein Zustand definiert, in dem die Möglichkeit eines Schadenseintritts naheliegt. 77 Als problematisch verbleibt der Grad der zu fordernden Wahrscheinlichkeit. Dabei sind die Versuche vereinzelt geblieben, schon jede Verletzungsmöglichkeit ausreichen zu lassen, also den ganzen Bereich von der Unmöglichkeit bis zur Notwendigkeit. 78 Dagegen ist frühzeitig eingewandt worden, daß in Konsequenz dieser Ansicht das gesamte soziale Leben zum Stillstand kommen müßte. 79 Denn es gibt kaum eine Handlung, die man nicht als Ursache einer künftigen Rechtsgut s Verletzung denken kann. Andererseits läßt sich der Wahrscheinlichkeitsgrad auch nicht exakt mathematisch fixieren, etwa als Erfolgschance von 51% zu 49%. 8 0 Das entscheidende Problem des Gefahrbegriffs ist deshalb die Herausbildung eines Maßstabes, der ein Kriterium dafür bietet, ab wann eine „bloße" in eine „naheliegende" Möglichkeit des Schadenseintritts umschlägt. Ein streng naturalistisches Konzept zur Gefahrbestimmung ist noch bei Horn 81 zu finden. Er versteht die Gefahr als Erfahrungs-Ursache, d. h. als einen Sachverhalt, der den Voraussetzungsteil eines Verletzungserfahrungssatzes verwirklicht. Erfahrungssätze werden dabei als „abstrakte Kausalgesetze" verstanden. Demnach soll „Gefahr" ein Sachverhalt sein, aus dem sich nach naturwissenschaftlich begründeter Erfahrung eine Verletzung bestimmter Art entwickeln kann. 82

76 Vgl. BGH VRS 44, 422 f.; 45, 38; 68, 116 (118). Den „Zufallsaspekt" hat der BGH von Cramer (StVR I, §315c Rdn. 51; VOR 1974, 40) übernommen. Siehe aber bereits RGRspr. 6,98: Gefahr besteht nur dann, wenn der Eintritt eines Unglücks wahrscheinlich ist und nur durch Dazwischentreten von Zufälligkeiten abgewendet wurde. Die Zufallskomponente findet sich ferner schon bei Henckel, Str. Abh. 270 (1930), S. 27f. 77 Vgl. etwa Boldt, ZStW 55 (1936), 58; Frank, § 1 Anm. I I 1; Jescheck, AT, S. 237; Lackner, § 315c Anm. 5a; Meyer-Gerhards, JuS 1976, 228; Welzel, LB, S. 47. 78 Dahingehend Fischer, Rechtswidrigkeit, S. 105; M. E. Mayer, AT, S. 197 ff.; Miricka, Formen der Strafschuld, S. 144f.; Rabl, Str. Abh. 312, S. 7. Auch Schröder (ZStW 81 [1969], 8) meint, daß selbst die geringe Aussicht eines Schadenseintritts „sprachlogisch" als Gefahr bezeichnet werden kann. 79 Vgl. Appel, Gefahrdung, S. 9; Bassenge, Gefahrbegriff, S. 44f.; Finger, Begriff der Gefahr, S. 39; v. Rohland, Gefahr, S. 16; siehe auch v. Kries, VJ Sehr, für wiss. Phil. 12 (1888), 287f.: Gefahr als etwas graduell Abstufbares. 80 Vgl. v. Buri, GS 44 (1891), 327; Cramer, in: Schönke/ Schröder, Vor § 306 Rdn. 6; Demuth, VOR 1973, 456; so auch BGHSt 18, 271 (272). 81 Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 150 ff. 82 Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 159.

9 Küpper

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§ 6 Normative Tatbestandsmerkmale

Dieser Erfahrungssatz wird durch ein „Unmöglichkeitsgesetz" ergänzt. 83 Das bedeutet: Nur dann, wenn die Naturwissenschaft die Gründe nicht aufzeigen kann, aus denen sich ergäbe, warum ein als Gefahr interessierender Sachverhalt nicht Ursache einer Verletzung geworden ist, sei ein Sachverhalt angegeben, der einen auf die gleiche Verletzung bezogenen Erfahrungssatz erfüllen könnte. Nur diejenigen Sachverhalte heißen „Verletzungsgefahr", die den Voraussetzungsteil eines auf die Verletzung bezogenen — mehr oder weniger „abstrakten" — Erfahrungssatzes und nicht zugleich den Voraussetzungsteil eines auf die Verletzung bezogenen konkreten Unmöglichkeitsgesetzes erfüllen. Demnach ergibt sich folgende Definition: Gefahr soll ein Sachverhalt sein, der bereits als Ursache einer bestimmten Verletzung erfahren worden ist, aber nicht als Nicht-Ursache einer solchen Verletzung erklärt werden kann. 8 4 Im Zentrum der Kritik an der soeben skizzierten Gefahrkonzeption steht deren Naturalismus. Es handele sich um den (vermutlich) letzten Versuch, einen wertungsfreien, ontologisch fundierten Gefahrbegriff zu etablieren. 85 Als „intrasystematischer Haupteinwand" wird angeführt, daß Horns Koordinaten des abstrakten Kausal- und des konkreten Unmöglichkeitsgesetzes zu sehr an dem überholten kausalmonistischen Weltbild des 19. Jahrhunderts orientiert seien.86 Noch schwerer wiege aber der normativ fundierte Einwand: Der Aufgabe des konkreten Gefahrbegriffs — nämlich die Ausscheidung der bloß abstrakt sorgfaltswidrigen Handlungen und die Konzentration auf die in concreto intolerablen, zur sozialen Desintegration des betroffenen Rechtsguts führenden Handlungen — werde man allein dadurch gerecht, daß man die (wirklichen oder nicht ausschließbaren) Rettungsursachen bewertet und alle die unberücksichtigt läßt, auf deren Eingreifen nach der engeren Ordnung des betreffenden Lebensgebietes nicht vertraut werden kann. Die Konkretisierung dieses von einem Vertrauensgrundsatz i.w. S. her anvisierten Gefahrbegriffs sei auf Wertungen und damit letztlich auch auf Dezisionen angewiesen; allein darin liege der methodisch richtige Weg. Die Verschüttung dieser normativen Problematik durch eine Pauschalverweisung auf die Naturwissenschaften begründe demgegenüber den fundamentalen und irreparablen Mangel von Horns Gefahrkonzeption. 87 Damit ist zugleich der Weg freigemacht für einen sog. normativen Gefahrbegriff.

83

Horn , Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 159. Horn , Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 191. 85 So Demuth , Gefahrbegriff, S. 166; gegen einen ontologischen Gefahrbegriff auch O Stendorf.\ JuS 1982, 429; Volk, GA 1976, 169. 86 Schünemann, JA 1975, 795; ebenso Demuth , Gefahrbegriff, S. 164; gegen diesen Einwand aber Wolter , Objektive Zurechnung, S. 240. 87 Schünemann, JA 1975, 796. Siehe jetzt auch die Kritik bei Kindhäuser , Gefährdung als Straftat, S. 192 ff. 84

II. Der Gefahrbegriff

2. Die „Normativierung"

131

des Gefahrbegriffs

a) Zunächst hat Schünemann 88 die Konzeption eines normativen Gefahrbegriffs in folgenden „Richtpunkten" zusammengefaßt: Als erstes müßte eine tatbestandsmäßige Handlung und ein tatbestandsmäßiges, individuelles Rechtsgut vorhanden sein, dessen Gefahrdung in Frage steht (insoweit unstreitig). Zweitens müsse aufgrund der verfügbaren Wahrscheinlichkeitsgesetze die Verletzung des individuellen Rechtsgutsobjektes als eine adäquate Folge der Handlung, d. h. als eine naheliegende Möglichkeit erscheinen. Der erforderliche Gefahrengrad sei erreicht, wenn die normalen Veranstaltungen für die Entschärfung der Situation nicht mehr ausreichen und zu diesem Zweck zu außergewöhnlichen Maßnahmen gegriffen werden muß bzw. müßte. 89 Daraus folge schon der dritte Grundsatz, daß alle diejenigen (u. U. statistisch zu interpretierenden) Rettungsursachen, die nicht bereits in den normalen Ablauf eingeplant sind, sondern auf einer außerordentlichen Geschicklichkeit des Bedrohten oder einer unbeherrschbaren, glücklichen Verkettung anderer Umstände beruhen und in diesem Sinne „Zufall" sind, die strafrechtliche Haftung aus dem konkreten Gefährdungsdelikt nicht ausschließen: Nur die generell beherrschbaren Rettungsmittel nähmen der Handlung die Gefährlichkeit, nicht aber der „Zufall" in Gestalt von solchen Künsten des Opfers oder solchen glücklichen Begleitumständen, auf die man nicht vertrauen kann. b) Der vorstehende Ansatz ist von Demuth 90 aufgegriffen und weitergeführt worden. Auch er hebt die Notwendigkeit normativ determinierter Wertung hervor; jedoch sei die Herausarbeitung der einschlägigen Wertungskriterien und die Abgrenzung der beim Gefahrurteil zu berücksichtigenden Umstände von den auszuschließenden Ursachen des Nichteintritts der Verletzung noch nicht völlig gelungen. Hier müsse deshalb der eigene Lösungsversuch einsetzen. Den entscheidenden Wertungsansatz sieht Demuth 91 in dem schon von anderen verwendeten „Zufallsmoment", das aber noch weitere Präzisierung bedürfe. Dabei ließen sich wiederum zwei Aspekte dieser Wertungsfrage auseinanderhalten: Zunächst gehe es darum, die äußerlich zu ziehende Grenze zwischen Schadensmöglichkeit und konkreter Gefahr festzulegen. Danach sei zu fragen, wie sich das Vorhandensein von Rettungsmöglichkeiten auch noch nach Überschreitung dieser äußerlichen Grenze der konkreten Gefahr auswirkt, vor allem wann sie geeignet sind, der Situation den Bedrohungscharakter wieder zu nehmen. 92

88 89 90 91 92

9*

JA 1975, 796 f. Schünemann, JA 1975, 797 (Hervorhebungen dort). Der normative Gefahrbegriff, S. 184ff. Gefahrbegriff, S. 197 f. Demuth, Gefahrbegriff, S. 203 f.

132

§ 6 Normative Tatbestandsmerkmale

Die nötige Gefahrnähe soll nun immer dann vorliegen, wenn das Rechtsgut so in das Wirkungsfeld der schädlichen Bedingungen gelangt ist, daß „normale", d. h. in dem betreffenden Lebensbereich zur Schadensabwendung vorgesehene Abwehrmaßnahmen nicht mehr ausreichen, um einen Schaden mit Sicherheit zu verhüten. 93 Im Hinblick auf die Rettungsmöglichkeit komme es auf die Art der (erkannten oder zu vermutenden) Rettungsursache an: Handele es sich dabei um menschlicher Steuerung zugängliche, generell beherrschbare und in dem betreffenden Lebensbereich als schadensverhütend vorgesehene Rettungsmittel, so wird ihr Eingreifen als vertrauenserweckend empfunden; sind aber die Rettungsursachen von der Art, daß sie sich menschlicher Planung und Berechnung entziehen, man daher weder ihe Eingreifen noch ihre Auswirkungen „einkalkulieren" kann, so bleibt das Vertrauen aus, die Situation behält trotz ihres guten Ausgangs ihren bedrohlichen Charakter. 94 Aus allem ergibt sich folgende Definition: Gefahr ist eine Situation, die sich äußerlich als nicht mehr mit normalen Mitteln beherrschbare Bedrohung eines Rechtsgutes darstellt und bei der auch rückschauend ein Unsicherheitsgefühl erhalten bleibt, weil das Ausbleiben der Verletzung nicht auf normale schadensverhütende Maßnahmen zurückgeführt werden kann. Oder kürzer: Gefahr ist die mit normalen schadensverhütenden Mitteln nicht mehr beherrschbare Bedrohung eines Rechtsguts.95 c) Schließlich vertritt Wolter 96 eine — von ihm sog. — modifizierte normative Gefahrerfolgstheorie. Die Verurteilung wegen eines vollendeten Gefahrdungsdelikts setze „in leitender Hinsicht" voraus, daß das Rechtsgut infolge des vom Täter geschaffenen adäquaten Gefährdungsrisikos derart in den Wirkungsbereich eines konkreten Verletzungsrisikos geraten ist, daß seine Rettung von diesem Standpunkt aus dem objektiven Beobachter als unvorhersehbar und deshalb zufällig erscheinen muß. Im einzelnen geht es um ein (doppeltes) Adäquanzurteil, kombiniert mit einer weitreichenden Diagnose ex post. Zunächst müsse der Täter ein adäquates Gefahrdungsrisiko ( = Verletzungsrisiko) schaffen. Das erste Adäquanzurteil erfordere eine Prognose ex ante vom Standpunkt des beendeten Gefahrdungs Versuchs.97 Das vom Täter geschaffene adäquate Gefährdungsrisiko müsse sich in einem konkreten Gefahrenerfolg realisieren. Eine solche Risikoverwirklichung sei gegeben, wenn für das konkrete Wirkungsobjekt in einer Prognose ex post vom Standpunkt seines Eintritts in den Wirkungsbereich des adäquaten Gefährdungsrisikos — auch unter Berücksichtigung der zur Zeit dieses zweiten Adäquanzurteils feststehen-

93 94 95 96 97

Demuth, Gefahrbegriff, S. 209f. Demuth , Gefahrbegriff, S.217. Demuth , Gefahrbegriff, S.218. Objektive Zurechnung, S. 223 ff.; zusammenfassend JuS 1978, 754. Wolter , Objektive Zurechnung, S. 224.

133

II. Der Gefahrbegriff

den, jedoch erst nachträglich erkennbaren Rettungsumstände — keine ernsthafte Rettungsaussicht mehr besteht. An dieser Risikorealisierung i. S. einer „Daseinserschütterung" bzw. Existenzkrise des Rechtsgutes fehle es also (u. a.), wenn mit Rücksicht auf die zur Zeit des zweiten Adäquanzurteils feststehenden, jedoch erst in einer (dritten) Diagnose ex post feststellbaren „Rettungschancen begründenden Tatumstände" beim Betroffenen oder auch bei Dritten die Rettung des Rechtsguts als objektiv vorhersehbar (bezweckbar, wiederholbar und deshalb nicht als Zufall) erscheint. 98 Diese — hier in groben Umrissen skizzierte — modifizierte normative Gefahrerfolgstheorie soll ein „Höchstmaß an Normativität" 9 9 erzielen. 3. Die Reduktion auf Wahrscheinlichkeit

und Zufall

Ist nun nach alledem der Gefahrbegriff ein „durch und durch normativer Begriff? Zu diesem Schluß gelangt jedenfalls Lackner 10°, der hinzufügt, daß jener zahlreiche Elemente unausräumbarer Unbestimmtheit enthalte. Der größte Unsicherheitsfaktor liege dabei in der Tatsache, daß die Feststellung der Gefahr im Wege eines wertenden Urteils über einen nur gedachten, also hypothetischen Kausalverlauf gewonnen werden muß. Allerdings betrifft diese Situation nicht nur das (konkrete) Gefährdungsdelikt, sondern auch das (unechte) Unterlassungsdelikt. Darüber hinaus erhebt sich die Frage, wie groß eigentlich die „Unbestimmtheit" des Gefahrbegriffs wirklich ist und ob sie nicht durch seine normativen Spielarten letztlich noch vermehrt wird. Betrachtet man die verschiedenen Umschreibungen, so fallt auf, daß sie — wenn auch in abweichender Diktion — durchweg zwei Komponenten enthalten. (1) Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts, formuliert als: - naheliegende Möglichkeit (BGH, h. L.); - Erfahrungssatz als abstraktes Kausalgesetz (Horn); - adäquate Folge aufgrund der Wahrscheinlichkeitsgesetze (Schünemann); - Bedrohung eines Rechtsguts (Demuth); - adäquates Gefahrdungsrisiko (Wolter). (2) Nichteintritt des Schadens, erklärt durch - Zufallsaspekt (BGH, Cramer); - Unmöglichkeitsgesetz (Horn); - Begleitumstände, auf die man nicht vertrauen kann (Schünemann); - Ausbleiben nicht auf normale schadensverhütende Mittel zurückführbar (Demuth); - keine ernsthafte Rettungsaussicht (Wolter).

98 99 100

Wolter, Objektive Zurechnung, S. 226. Wolter, Objektive Zurechnung, S. 227. Gefährdungsdelikt, S. 20.

134

§ 6 Normative Tatbestandsmerkmale

Schon die erste Voraussetzung vereinigt in sich die Elemente von Wertungsobjekt und Objektwertung: Gegenstand der Wertung sind die (empirisch feststellbaren) Situationsfaktoren, auf deren Vorhandensein sich die Bewertung als „gefahrlich" gründet. 101 Nur diese faktischen Gegebenheiten ermöglichen es auch, von der „Verursachung" einer Gefahr zu sprechen (so etwa § 35 Abs. 1 Satz 2, § 218 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB); denn verursacht werden kann nur ein Zustand in der realen Welt 1 0 2 , nicht hingegen ein normatives Gebilde. Ist eine bestimmte Situation entstanden, lehrt uns das menschliche Erfahrungswissen 103 , daß sich daraus eine Schädigung entwickeln kann. Erfahrungsgemäß ist die Möglichkeit einer Verletzung je nach Sachgestaltung aber auch ferner- oder näherliegend. Die Feststellung der Schadens-"nähe" impliziert durchaus eine räumliche Komponente: Das Rechtsgut muß in den Wirkungsbereich eines bestimmten Ereignisses gelangt sein. 104 Nunmehr ist es in eine „Existenzkrise" 105 geraten. Die bedrohliche Situation hat sich so weit zugespitzt, daß sie (jederzeit) in einen Schaden umschlagen kann. Die zur Beschreibung dieser Gefahrenlage angeführten Termini erweisen sich weitgehend als synonym; das gilt insbesondere für die beiden Begriffe „Wahrscheinlichkeit" und „naheliegende Möglichkeit". Aber auch das verschiedentlich geforderte Adäquanzurteil besagt nichts anderes; von Schünemann 106 wird es zudem ausdrücklich der naheliegenden Möglichkeit einer Verletzung gleichgesetzt. Solche Übereinstimmung kommt nicht von ungefähr, ist doch die Adäquanztheorie durch v. Kries 107 gerade aus den Prinzipien der Wahrscheinlichkeitsrechnung entwickelt worden. Nur terminologisch abweichend ist schließlich auch der von Demuth 108 verwendete Ausdruck der Bedrohung eines Rechtsguts. Denn eine Gefahrensituation läßt sich auch dahingehend beschreiben, daß ein Unglück hereinzubrechen droht — wie etwa in der Wendung „das

101

So zutr. Backmann , M D R 1976, 970; auch nach Engisch (Mezger-FS, S. 144) läßt sich beim Merkmal der Gefahr ein „deskriptiver Kern" herausschälen. 102 Vgl. Backmann , M D R 1976, 970. 103 Darauf nehmen Bezug: Busch, Gefahr und Gefahrdungsvorsatz, S. 22; Finger , Frank-Festgabe I, S. 236; v. Hippel , Gefahrurteile, S. 108; Horn , Konkrete Gefahrdungsdelikte, S. 157; Lackner , Gefährdungsdelikt, S. 16f.; Mezger , Vom Sinn, S. 36f.; Volk , GA 1976, 161; siehe auch BGH StV 1982, 517 zur „gegenwärtigen" Gefahr (§34 StGB). 104 Welzel, LB, S. 137; ebenso Hirsch , Ehre und Beleidigung, S. 168; Maurach I Schroeder, BT II, S. 8; Wolter , Objektive Zurechnung, S. 223; ähnlich auch Schwander , SchwZStR 66 (1951), 450 („Wirkungsfeld"); Geppert , NStZ 1985, 265 („Gefahrenzone"); Lackner , §315c Anm. 5a aa („Gefahrbereich"). 105 Insoweit übereinstimmend Gallas , in: Heinitz-FS, S. 176; Horn, SK, Vor §306 Rdn. 5; Ostendorf \ JuS 1982, 430; Wolter , Objektive Zurechnung, S. 221 u.ö. 106 JA 1975, 796. 107 VJSchr. für wiss. Phil. 12 (1888), 179ff., 200ff. 108 Gefahrbegriff, S.218.

II. Der Gefahrbegriff

135

Haus droht einzustürzen" 109 . Insoweit bedarf es also keines besonderen „normativen" Gefahrbegriffs. Wenn das Rechtsgut trotz naheliegender Möglichkeit einer Schädigung dieser Gefahr entrinnt, ist alles „noch einmal gut gegangen"; es verbleibt der Eindruck, daß es auch hätte anders kommen können. Der Ausgang des Geschehens stellt sich als Zufall dar. Und es ist nicht zufällig, daß die normativen Gefahrtheorien den Zufallaspekt als das Schleusentor betrachten, durch das die Wertungen in den Gefahrbegriff einfließen können. Denn als Zufall wird man ein Ereignis bezeichnen, bei dem es (empirisch oder statistisch) an eindeutigen Gründen dafür fehlt, warum es so und nicht anders ausgefallen ist. 1 1 0 An dieser Vorstellung ändert sich also auch nichts dadurch, daß sich ex post eine naturwissenschaftliche Erklärung finden läßt. 1 1 1 Vielmehr dient der Eindruck des Zufalligen als Indiz dafür, daß es sich um eine wirkliche Gefahr handelt und nicht um eine „bloße Gespensterfurcht" 112 . Letztlich verklausulieren die normativen Gefahrbegriffe das Zufallsmoment nur anders, ohne aber eine entscheidende Verbesserung zu erreichen. Dies gilt insbesondere für das von Demuth 113 (doppelt) eingebrachte Kriterium der „Normalität" der schadensverhütenden Mittel, das wegen seiner vagen Konturen als problematisch erscheint. 114 Wenn er davon Rettungsursachen ausnehmen will, die man nicht „einkalkulieren" kann, so führt das nicht über den Istzustand hinaus. Denn ein unberechenbares Geschehen ist nichts anderes als ein sprachlicher Ausdruck für Zufall. 1 1 5 Nur als zufallig erscheinen auch Umstände, auf die man nicht vertrauen kann oder die keine ernsthafte Rettungsaussicht bieten. Alles in allem finden sich demnach lediglich Umformulierungen desselben Begriffs. Der herkömmliche Gefahrbegriff behauptet sich demzufolge gegenüber neueren Normativierungsversuchen. Wie alle Tatbestandsmerkmale besitzt er 109 110

So bereits Rotering, GA Bd. 31 (1883), 268. In diesem Sinne v. Kries, VJSchr. für wiss. Phil. 12 (1888), 187; Horn, SK, Vor § 306

Rdn. 7. 111 So aber Horn, Konkrete Gefährdungsdelikte, S. 161 ff.; dagegen Schünemann, JA 1975, 796. 112 Finger, in: Frank-Festgabe I, S. 233. 113 Gefahrbegiff, S. 217 f. 114 Kritisch dazu Schroeder, ZStW-Beiheft 1982,13; Feloutzis, Aussetzung, S. 69. Nicht überzeugend ist demgegenüber die Behauptung von Demuth (Gefahrbegriff, S. 230), daß der Begriff der „normalen Rettungsursache" schärfer konturiert sei als der des „Zufalls" und ein praktisch brauchbares, relativ sicher zu bestimmendes Abgrenzungskriterium biete. Ähnliches gilt für die Konzeption von Kindhäuser (Gefährdung als Straftat, S. 202), der dann von einer Gefahr sprechen will, wenn es nicht möglich ist, zur Vermeidung eines Schadens gezielt in ein Geschehen einzugreifen. Denn in solchem Falle muß eben der Ausgang des Geschehens dem Zufall überlassen bleiben 115 Vgl. Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 32, Sp. 345.

136

§ 7 Täterschaft und Teilnahme

einen faktischen Kern, der die Grundlage für das Gefahrurteil bildet. Das gilt umso mehr, als auch im außerrechtlichen Bereich häufig das Vorliegen einer „Gefahr" festgestellt wird, ganz unabhängig davon, ob nun dieses Merkmal eine juristische Regelung erfahren hat. Hier sind Gegebenheiten zu beachten, die nicht durch einen sog. normativen Gefahrbegriff in beliebige Dezisionen aufgelöst werden können.

§ 7 Täterschaft und Teilnahme I. Vorgegebene Strukturmerkmale

Einer personalen Unrechtslehre ist die Bezogenheit auf den Täter wesentlich: Der Handelnde bildet das „personale Aktionszentrum" des Unrechts. 1 Die Täterlehre ist daher ein wesentlicher Bestandteil der Lehre vom Unrechtstatbestand. Die Besonderheiten in der Mitwirksamkeit mehrerer bei einer Tatbestandsverwirklichung sieht Welzel durch sachlogische Gegebenheiten vorgezeichnet: Nicht die Unterschiede in der Bewertung machten die begriffliche Differenzierung zwischen Täterschaft und Teilnahme aus, sondern die maßgebenden Unterschiede lägen in der ontologisch verschieden gearteten Handlung und deren kategorialen Verschiedenheiten. 2 Zwar seien auch „Bestimmen" und „Hilfeleisten" finale Begriffe: Bestimmen ist die zweckbewußte geistige Beeinflussung; Hilfeleisten die auf Unterstützung abzielende Tätigkeit. Jedoch hebe sich die finale Täterschaft eindeutig von jeder Form finaler Beteiligung ab. Finale Täterschaft sei die umfassendste Form finaler Tatherrschaft. Der finale Täter ist Herr über seinen Entschluß und dessen Durchführung und damit Herr über „seine" Tat, die er in ihrem Dasein und Sosein zweckbewußt gestaltet. Nicht in irgendwelchen positivgesetzlichen Bestimmungen, sondern in diesen wesensmäßigen Erscheinungsformen finalen Handelns innerhalb der sozialen Welt liege demnach der strukturelle Unterschied zwischen Täterschaft und Teilnahme.3 Auch für Lampe4 ist das ganze Gebiet der Täterschaft und Teilnahme ein dem Belieben des Gesetzgebers entzogener Bereich. Zwar könne der Gesetzgeber an verschiedene Formen der Mitwirkung die gleiche Rechtsfolge anschließen, etwa den Anstifter wie einen Mittäter bestrafen 5, doch könne er die Strukturen der 1 2 3 4 5

Welzel , LB, S. 98; ebenso Maiwald , in: Bockelmann-FS, S. 355. Welzel, GS 103 (1933), 345. Welzel, ZStW 58 (1939), 539. ZStW 77 (1965), 263. So § 48 Abs. 2 a. F.; jetzt § 26 StGB: „gleich einem Täter".

I. Vorgegebene Strukturmerkmale

137

Teilnahmelehre nicht selbst bestimmen — sie seien durch die „Natur der Sache" vorgezeichnet. Im einzelnen weist er auf mehrere ontische Gesichtspunkte hin, die unmittelbar wertbestimmendes Gepräge für eine jede Teilnahmeregelung hätten 6 : So sei die Bedeutung der Unterscheidung, ob ein Mensch oder ein Tier zur Tat mißbraucht wurde, bei der besonderen Stellung, welche wir dem Menschen gegenüber dem Tier einräumen, ohne weiteres erkennbar. Bei der Teilnahme ergäben sich von selbst die Unterschiede zwischen Urheberschaft (Einwirkung auf ein Individuum), Anstiftung eines Unzurechnungsfähigen (Einwirkung auf eine Person) und Anstiftung eines Zurechnungsfähigen (Einwirkung auf eine Persönlichkeit). Die Unterscheidung zwischen Anstiftung und psychischer Beihilfe sei schließlich als Gradabstufung ontisch vorgezeichnet; und zwar liege Anstiftung vor, wenn das (faktische) Übergewicht für die Tatbegehung beim Teilnehmer, psychische Beihilfe, wenn das Übergewicht beim physischen Urheber gefunden wird. Abgesehen von diesen Einzelanalysen akzeptiert eine verbreitete Strömung in der Literatur — jedenfalls grundsätzlich — gewisse Sachgesetzlichkeiten in der Beteiligungslehre. 7 Denn die Kategorien von Täterschaft und Teilnahme seien ganz bestimmten Lebens Vorgängen zugeordnet, woraus sie ihren Sinn beziehen. Es macht durchaus einen wesensmäßigen Unterschied, ob jemand eine Tat als eigenes Werk realisiert oder nur an fremder Tat teilnimmt (genauer noch: Anteil nimmt). Anstiftung wie Beihilfe setzen eben schon begrifflich ein „Etwas" voraus, wozu sie geleistet werden. 8 Darüber hinaus ist auch die (umstrittene) Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe sachlogisch vorgezeichnet: Mittäterschaft ist das „Gemeinschaftliche-Sache-machen" 9; die Beteiligten wirken dabei in der Rolle gleichberechtigter Partner m i t 1 0 . Demgegenüber fungieren die Gehilfen am Rande des Geschehens11, indem sie sich der Gestaltung des Tatablaufs durch den Täter unterwerfen. Die darin zum Vorschein kommenden Gegebenheiten lassen sich nicht durch normative oder gesetzgeberische Kunstgriffe einebnen. 6

Lampe, ZStW 77 (1965), 308 f. Vgl. Bockelmann, Täterschaft und Teilnahme, S. 1,50; ders., Untersuchungen, S. 111; Busch, L K 9 , Vor §47 Rdn. 5; Gallas, Ndschr. II, S. 67; Jescheck, AT, S. 583; ders., SchwZStR 71 (1956), 236; Sax, in: Nottarp-FS, S. 142; Schmidhäuser, Vorsatzbegriff, S. 33. 8 Bockelmann, Täterschaft und Teilnahme, S. 1; auch nach Jescheck (SchwZStR 71 [1956], 236) steht die Teilnahme schon der Natur der Sache nach unter dem Gesetz der Akzessorietät. 7

9

Hardwig, GA 1954, 358. Cramer, in: Schönke/Schröder, Vor §25 Rdn. 83; Bloy, Beteiligungsform, S. 378; ebenso BGH NStZ 1984,413; ähnlich Herzberg, Täterschaft und Teilnahme, S. 61 („nicht Diener, sondern Partner"). 11 Siehe auch Makarewicz, Einführung, S. 330. 10

138

§ 7 Täterschaft und Teilnahme

Der deutsche Gesetzgeber hat dem Rechnung getragen und Täterschafts- und Teilnahmeformen sachgemäß ausdifferenziert. In den verbleibenden Abgrenzungsfragen haben sich Rechtsprechung und Literatur inzwischen weitgehend angenähert 12 , so daß die betreffende Problematik sich heute auf dem Level eines „normalen" juristischen Theorienstreits bewegt. Die Alternative zur Auffächerung der Beteiligungsformen würde demgegenüber in einem Einheitstätersystem bestehen. Dagegen spricht aber schon, daß eine sachlich vorstrukturierte und historisch seit jeher beachtete Differenzierung nicht per Federstrich des Gesetzgebers kurzerhand eliminiert werden kann. Wie auch Jescheck 13 betont, finden sich Unterscheidungen nach den Formen der Beteiligung so früh in der Rechtsgeschichte, daß man schon deswegen versucht ist anzunehmen, sie seien gewissermaßen durch die Natur der Sache vorgezeichnet. Hinzu kommt, daß der einheitliche Täterbegriff nur ein kausaler sein könnte, der allein auf die Verursachung des tatbestandsmäßigen Erfolges abstellte. 14 Dies wäre aber gerade kein Fortschritt, sondern vielmehr ein Rückfall in die überholte und sinnfremde Betrachtungsweise der kausalen Handlungslehre. Allein im Bereich fahrlässigen Handelns ist Raum für den Einheitstäterbegriff. Hier begründet die Mitursächlichkeit im Hinblick auf den Erfolg durch ein sorgfaltswidriges Verhalten die Täterschaft. Dies ergibt sich daraus, daß beim Vorsatzdelikt die finale Tatherrschaft den Täter über den bloßen Teilnehmer hinaushebt. Nur innerhalb der vorsätzlichen Tatbestände ist der Unterschied zwischen Täterschaft und Teilnahme daher sachlich geboten. 15 Hieraus folgt, daß die Behandlung des Fahrlässigkeitsdelikts nicht etwa zur Stützung des Einheitstätergedankens herangezogen werden kann, sondern gerade die zugrunde liegenden Sachstrukturen verdeutlicht. Welche Zweifelsfragen ein Einheitstätersystem aufwirft, zeigt sich exemplarisch an der entsprechenden Regelung im neuen österreichischen Strafgesetzbuch von 1974. Die Vorschrift des §12 ö. StGB lautet: „Nicht nur der unmittelbare Täter begeht die strafbare Handlung, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, sie auszuführen, oder sonst zu ihrer Ausführung beiträgt." Hierdurch soll (angeblich) eine gewaltige Vereinfachung der Beteiligungslehre erreicht werden. 16 Bei näherem Hinsehen erweist sich diese Hoffnung indes als trügerisch.

12

Näher zur Konvergenz der widerstreitenden Meinungen: Küpper , GA 1986, 437 ff. SchwZStR 71 (1956), 225; zur historischen Entwicklung näher Maiwald , in: Bockelmann-FS, S. 343 ff. 14 Gallas , Ndschr. II, S. 68; gegen den Einheitstäterbegriff auch Jakobs , AT 21/6; Roxin , L K , Vor § 25 Rdn. 3 ff. 15 Welzel, LB, S.99. 16 So Nowakowski , ÖRiZ 1982, 126. 13

139

II. Spezielle Problembereiche

Zunächst wird bereits terminologisch zwischen dem unmittelbar Ausführenden und dem Bestimmungstäter sowie dem Unterstützungs- bzw. Beitragstäter unterschieden. 17 Diese Differenzierung ist nicht allein durch den Wortlaut des § 12 ö. StGB vorgezeichnet, sondern auch der Sache nach erforderlich, was in der Regelung des strafbaren Versuchs begründet liegt. Nach § 15 Abs. 2 ö. StGB ist die Tat versucht, sobald der Täter seinen Entschluß, sie auszuführen oder einen anderen dazu zu bestimmen, durch eine der Ausführung unmittelbar vorangehende Handlung betätigt. Von der Versuchsstrafbarkeit ist also die versuchte Beihilfe ausgenommen — insoweit entsprechend der bundesdeutschen Regelung. Dies führt zwangsläufig zu derselben Abgrenzungsproblematik zwischen Täterschaft und Teilnahme, die auch mit nicht weniger Aufwand behandelt wird. Abgesehen von der Versuchsregelung wird aber auch sonst die Frage der Beteiligungsform virulent; diese verschiebt sich lediglich in den Bereich der Strafzumessung. Dort nämlich kann und muß(!) auf die verschiedene Strafwürdigkeit der Beteiligten Bedacht genommen werden. 18 Zudem ist umstritten, ob der Beteiligte nicht sogar einen Anspruch darauf hat, wegen der richtigen Beteiligungsform verurteilt zu werden. 19 Worin aber dann noch der vermeintliche „Vorteil" des Einheitstätersystems liegen soll, bleibt unerfindlich. Vielmehr wird deutlich, daß sich die immanente Sachlogik auch gegen gesetzliche Normierungen behauptet. Als Zwischenergebnis bleibt festzuhalten, daß der Täterbegriff prinzipiell durch dem Recht vorgegebene Gesichtspunkte geprägt ist. Diese wiederum finden ihren Ursprung in der finalen Steuerung des Geschehens durch den Täter (Tatherrschaft), die für den Teilnehmer gleichsam den „Aufhänger" für seinen — nur untergeordneten — Tatbeitrag bildet (Akzessorietät). Gleichwohl verbleiben Streitpunkte, welche einmal die Tragweite vorrechtlicher Gegebenheiten betreffen, darüber hinaus aber auch bis zur Konstruktion eines normativen Täterbegriffs reichen. Diesen Einzelfragen gilt es im folgenden nachzugehen. II. Spezielle Problembereiche

1. Extensiver

oder restriktiver

Täterbegriff

Fraglos liegt dem geltenden Recht der restriktive Täterbegriff zugrunde. Täter ist, wer die Tat „begeht"; durch die Schaffung besonderer Teilnahmefor-

17

Vgl. Kienapfel, AT, S. 126. Foregger/ Serini, § 12 Anm. I. 19 Vgl. For egger / Serini, § 12 Anm. V I I mit Rspr.-Nachw. Nach Leukauf/ Steininger (§12 Anm. D) hat auch der Gesetzgeber keine Änderung der bisherigen Auslegung beabsichtigt. 18

140

§ 7 Täterschaft und Teilnahme

men wird die Strafbarkeit ausgedehnt.20 Auch die strafrechtlichen Deliktstatbestände des Besonderen Teils beschreiben erkennbar den (selbst) Ausführenden, der die jeweiligen Merkmale in persona verwirklicht. Fraglich ist indes, ob die Entscheidung zugunsten des restriktiven Täterbegriffs sachlogisch vorgezeichnet ist. Teilweise wird geltend gemacht, daß es hierbei nicht um eine richtige oder falsche Deutung des Täterbegriffs gehe; vielmehr handele es sich bloß um eine rechtstechnische Frage. 21 Die Teilnahmeregelung sei „durch und durch ein Produkt des Gesetzes"22. Demzufolge könne sich der Gesetzgeber bei der strafrechtlichen Ausgestaltung der Teilnahmeformen dem einen oder anderen Täterbegriff anschließen; er könne aber ebensogut irgendwelche anderen Gesichtspunkte für die Differenzierung als maßgeblich ansehen und damit etwa einen dritten, bisher noch nicht entwickelten Täterbegriff schaffen. 23 Eine solche Annahme würde also dem Befund widersprechen, daß es eine „falsche" gesetzliche Normierung gebe, die ihr Regelungsobjekt verfehlt. Dagegen hat indes bereits Welzel 24 eingewandt, das Gesetz müsse sich an die wirklichen Erscheinungsformen halten. (Wer dem Mörder nur die Mordwaffe leiht, hilft ihm, aber mordet nicht selbst). Auch nach Roxin 25 zeigt sich hier, daß eine einseitig abstrakt-normative Betrachtungsweise, die von den vermeintlich „naturalistischen" (in Wirklichkeit: schon im vorrechtlichen Raum sinnvoll strukturierten) äußeren Vorgängen bewußt absieht, mit ihren gedachten Bezügen bei der Abgrenzung der Beteiligungsformen keine verständliche Ordnung mehr erkennen läßt. Die Vorrechtlichkeit der realen Erscheinungsformen erweist sich gerade auch an einfachen außerjuristischen Sachverhalten. Wenn A ein Bild aufhängen w i l l 2 6 und B ihm dazu Hammer und Nägel reicht, dann wird man dies ohne weiteres dahin verstehen, daß B bei dem Vorhaben behilflich ist (synonym ließe sich sagen: Beistand leistet, zur Seite steht o.ä.). Falls A und B ein Gerüst aufbauen und jeder von ihnen dabei verschiedene Verrichtungen vornimmt, so verbinden sich ihre Beiträge insgesamt zur Erstellung eines gemeinschaftlichen Werkes. Solche und ähnliche Beispiele27 machen unschwer den sachlichen Unterschied 20

Siehe nur Jescheck , AT, S. 586. So Zimmerl , ZStW 54 (1935), 577; zust. Schröder , ZStW 57 (1938), 459. 22 M. E. Mayer , AT, S. 388; ebenso Engisch , Idee der Konkretisierung, S. 120. 23 Schröder , ZStW 57 (1938), 460. 24 ZStW 58 (1939), 541; zur Kritik des extensiven Täterbegriffs siehe auch Lange, Täterbegriff, S. 20 ff. 25 Täterschaft und Tatherrschaft, S. 29. 26 Dieses Beispiel bringt Welzel (Aktuelle Strafrechtsprobleme, S. 5), um die Struktur finalen Handelns an einer alltäglichen Verrichtung zu erläutern. 27 Weitere „unjuristische" Fälle im Hinblick auf die Abgrenzungsfrage bei Hardwig , GA 1954, 354 ff. 21

II. Spezielle Problembereiche

141

zwischen „Mithelfen" und „ M i t t u n " deutlich. Diese Differenzierung ist auch kein Produkt irgendwelcher Abgrenzungstheorien. Im vorgenannten Fall des Bildaufhängens ergibt sich sowohl eine Unterordnung unter fremdem Willen 2 8 von Seiten des B als auch ein In-den-Händen-halten des Geschehensablaufs 29 durch A. Die juristischen Definitionen umschreiben hier nur einen schon vorstrukturierten Lebenssachverhalt. Demzufolge bestätigt sich ebenfalls in diesem Bereich die Aussage Welzeis 30, daß die gesetzlichen Begriffsbildungen keine methodologischen Umformungen eines amorphen Materials, sondern Deskriptionen eines gestalteten ontischen Seins sind. Ein solcher Seinsbefund liegt auch der Ausgestaltung von Täterschaft und Teilnahme zugrunde, was notwendig zu einem restriktiven Täterbegriff führt. Erst bei der Differenzierung im Einzelfall kommen Wertungskriterien zur Geltung, um die erforderliche Abgrenzung konkret zu bewerkstelligen. 2. Grundsatz der Akzessorietät Akzeptiert man im Prinzip die Richtigkeit des restriktiven Täterbegriffs, so liegt es auf der Hand, daß dann die Teilnahme in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Haupttat steht. Der Streit entzündet sich jedoch daran, wie weit hier die sachlogische Vorgegebenheit reicht, insbesondere ob damit auch bereits die Entscheidung zwischen strenger oder limitierter Akzessorietät präjudiziert ist. Wo also liegt die Grenze, von der die „gesetzgeberische Freiheit" ihren Ausgang nimmt? Vor allem Engisch 31 will dem Gesetzgeber einen weiten Ermessensspielraum zubilligen. Betreffend die akzessorische Teilnahme sei es zwar in der „Natur der Sache" begründet, daß einer an der Tat des anderen beteiligt sein muß. Insofern komme ein Tatbeitrag zum anderen hinzu, und insofern gebe es naturgemäß Akzessorietät. In der „Natur der Sache" liege auch begründet, daß Anstiftung einen Tatentschluß des Haupttäters impliziert. Aber offenbar seien das zunächst nur sprachliche Vorgegebenheiten. Wir nennen diese Dinge (nur) Teilnahme oder Anstiftung. Daß darüber hinaus „jede Teilnahme wesensmäßig (sachlogisch) auf eine zwecktätige (finale) Haupttat bezogen" 32 sein müsse, sei nicht richtig, wenn damit gesagt sein soll, daß die Haupttat eine „vorsätzliche" im Rechtssinne sein müsse. Wer wolle einen Gesetzgeber daran hindern, als fahrlässigen Teilnehmer („Veranlasser") einer fahrlässigen Haupttat denjenigen zu strafen, der gedankenlos (z. B. durch Herumliegenlassen eines geladenen Revolvers) einen anderen 28 So der Ansatz der subjektiven Theorie; vgl. v. Buri, Causalität, S. 126; RGSt 3, 181 (182); BGHSt 8, 370 (380); 19, 135 (139). 29 So die Umschreibung des Tatherrschaftsgedankens durch Maurach, AT, S. 659. 30 Naturalismus und Wertphilosophie, S. 74. 31 Idee der Konkretisierung, S. 120. 32 So Welzel, Grundzüge, S. 66; dazu auch Stratenwerth, Natur der Sache, S. 15 f.

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§ 7 Täterschaft und Teilnahme

dazu veranlaßt, fahrlässig einen Dritten zu töten? Wieweit das zweckmäßig, gerecht oder auch nur volkstümlich ist, sei wiederum überwiegend eine Wertungsfrage. Dieser Kritik ist Welzel 33 mit der Überlegung entgegentreten: Wenn die Zugehörigkeit des Tatentschlusses in der Natur der Sache liegt, kann sie dann eine bloße Angelegenheit der Namensgebung sein? Die Handlung dessen, der einen anderen dazu bringt, einen Erfolg herbeizuführen, indem er in ihm den Entschluß weckt, diesen Erfolg zu verwirklichen, unterscheide sich nun einmal sachlich von der Handlung dessen, der einen anderen dazu bringt, den Erfolg zu verwirklichen, ohne daß dieser weiß oder will, daß jener Erfolg dabei herausspringt. Mag man nun die Handlung des ersteren „Anstiftung" nennen, die des letzteren „Veranlassung", oder mag man die Bezeichnung umgekehrt wählen, oder mag man schließlich auf unterschiedliche Namensgebung ganz verzichten, — der sachliche Unterschied selbst bleibe unverkürzt, denn er liege in der Strukturverschiedenheit der beiden Handlungen selbst. Die kritisierte Einstellung, welche unvermittelt die „Natur der Sache" in sprachliche Vorgegebenheiten umdeutet, könnte man nach Welzel 34 am treffendsten als „Nominalismus" bezeichnen, für den die Begriffsklärung im wesentlichen eine Frage der Terminologie ist. In der Tat erscheint es problematisch, zugegebenermaßen sachliche Unterschiede auf einer rein sprachlichen Ebene anzusiedeln. Die Gegenüberstellung Engischs von final und vorsätzlich „im Rechtssinne" — mit den daraus gezogenen Konsequenzen — läßt noclj einmal die Unklarheit im Verhältnis der seins- und wertmäßigen Stufe durchscheinen. Finalität und Vorsatz stehen nicht als Gegensatzpaar auf einer Ebene, sondern in einem „Stufenverhältnis" in der Weise, daß Finalität die vorgegebene Struktur der Handlung, Vorsatz deren strafrechtliche Bewertung bedeutet. Wenn die Teilnahme an eine finale Handlung angelehnt ist, ergibt dann die rechtliche Beurteilung, ob diese Handlung eine vorsätzliche Straftat darstellt. Anstiftung als Hervorrufen des 7fl/entschlusses besagt aber, daß der Haupttäter zu einer Straftat bestimmt wird, auf die sich sein Willen richtet. Dies unterscheidet sich auch sachlich von der „Veranlassung" zu einer Fahrlässigkeitstat, wo das Beziehungsverhältnis ein rein kausales ist. Selbst wenn aber das Erfordernis der Finalität grundsätzlich anerkannt wird, verlagert sich der Streit auf den Inhalt der Finalität. Da Anstifter und Gehilfen im Hinblick auf den tatbestandsmäßigen Erfolg ebensowohl final handeln würden, könne jedenfalls der Unterschied zwischen Täterschaft und akzessori33

ZStW 69 (1957), 634. Auch nach BGHSt 9, 370 (379 f.) liegt es in der „Natur der Sache", daß der Anstifter durch die vorsätzliche Bestimmung des Täters die Ursache der von diesem begangenen strafbaren Handlung geworden sein muß; darüber hinaus erfordere das „Wesen" der Anstiftung ein Hervorrufen des Tatentschlusses beim Täter. 34 ZStW 69 (1957), 636.

II. Spezielle Problembereiche

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scher Teilnahme nicht im Finalen als solchem begründet liegen. 35 Danach scheine bei der Frage nach dem Kriterium der Unterscheidung zwischen Täterschaft und Teilnahme der Akzent nicht auf der Finalität als solcher, sondern auf der besonderen Art der Finalität zu liegen. Wenn man andererseits das finale Moment beiseitelasse und allein auf den Begriff der Tatherrschaft abstellt, so fehle, wenn die Handlungslehre als Grundlage entfällt, die Erklärung dafür, warum der Gesetzgeber notwendig an dieses Merkmal gebunden sein sollte. 36 Dem erstgenannten Einwand liegt nun erneut das Mißverständnis zugrunde, daß Finalität und Vorsatz „identisch" 37 seien. Selbstverständlich hat die Teilnehmer-Finalität einen anderen Inhalt als die des Täters. Insbesondere bei der Anstiftung bezieht sie sich nicht allein auf die tatbestandsmäßige Erfogsherbeiführung, sondern außerdem auf das Bestimmen des Haupttäters. Deshalb spricht man ja bekanntlich von einem „doppelten" Anstiftervorsatz. 38 Schon die Fragestellung geht daher in die Irre, wenn sie nur die „Finalität als solche" ins Auge faßt, ohne deren Bezugspunkt zu beachten. Der Sinngehalt der Anstiftung liegt im Stiften von etwas, d.h. „durch einen Willensentschluß und zweckentsprechendes Handeln den Beginn eines Werkes oder einer Handlung herbeiführen". 39 Ebenfalls auf einer Mißdeutung der f H L beruht die Behauptung, daß mit dem Abstellen auf die Tatherrschaft die Handlungslehre als Grundlage des Täterbegriffs entfalle. Denn Welzel 40 hat ja gerade in den wesensmäßigen Erscheinungsformen finalen Handelns den strukturellen Unterschied zwischen Täterschaft und Teilnahme erblickt. Die Tatherrschaft ist konstitutives Element täterschaftlichen Handelns: Finale Täterschaft ist die umfassendste Form finaler Tatherrschaft. Dies wird dann am deutlichsten, wenn man einmal von der Abgrenzungsproblematik ganz absieht und den Alleintäter ins Auge faßt. Er ist nämlich per se Herr über die Tatbestandsverwirklichung. Daraus folgt also, daß die Tatherrschaft überhaupt ein Kriterium jeder Täterschaft ist. 4 1 Daß diese Aussage keine Banalität darstellt, ist bereits an solchen Fällen aufgezeigt worden, in denen es an der „Beherrschbarkeit" des Kausalgeschehens fehlt. 42 Die Strafbarkeit entfallt dort mangels Tatherrschaft. A n deren Dominanz scheitert im übrigen die

35 So der Einwand von Engisch, in: Eb. Schmidt-FS, S. 113 f.; ähnlich Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 18. 36 Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 18 f. 37 Ausdrücklich Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 18. 38 Siehe etwa Baumann I Weber, AT, S. 560; Lackner, § 26 Anm. 4a; Otto, JuS 1982,561. 39 Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 18, Sp. 2876. 40 ZStW 58 (1939), 539. 41 Vgl. Küpper, GA 1986, 444 m.w. N. 42 Dazu oben S. 92 f.

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vereinzelt vertretene „Ganzheitstheorie" 43 , welche die Täterschaft anhand der Ganzheit aller Momente des Sachverhalts bestimmen will. Wenn nämlich die Tatherrschaft genuines Moment der Täterschaft ist, muß sie auch das entscheidende Abgrenzungskriterium zur Teilnahme bilden. Ihr Fundament liegt aber jedenfalls in der finalen Handlung begründet. Schließlich wird bezweifelt, daß die Entscheidung zwischen limitierter und extremer Akzessorität durch vorgegebene Gesichtspunkte determiniert ist. Sachlogisch vorgezeichnet sei hier nur, daß die Teilnahme an die Tat eines anderen angelehnt ist, die sich als Haupttat darstellt. Ob für die strafbare Teilnahme eine weitergehende Abhängigkeit von der Haupttat vorauszusetzen ist, sei keine Frage der sachlogischen Strukturierung, sondern der rechtlichen Beurteilung. Die Entscheidung darüber hänge davon ab, worin man den Grund der Strafbarkeit der Teilnahme erblickt. Sieht man ihn darin, daß durch sie eine Handlung des Täters veranlaßt oder gefördert wird, dann entspreche dem die sog. limitierte Akzessorietät. Das kriminelle Unrecht der Teilnahme werde hier von demjenigen der Haupttat abgeleitet, wobei wir uns aber nicht mehr im Bereich sachlogischer Zusammenhänge, sondern folgerichtiger rechtlicher Schlüsse befänden. Erblickt man dagegen den Strafgrund der Teilnahme darin, daß der Täter in Schuld und Strafe verstrickt wird (sog. Schuldteilnahmethorie), so erscheine die Annahme der extremen Akzessorietät folgerichtig. Die Wahl zwischen beiden Möglichkeiten sei der gesetzgeberischen Entscheidung anheimgegeben. Bevorzuge man die erstere der beiden Grundauffassungen und damit die limitierte Akzessorietät der Teilnahme, so könne doch eine Regelung auf Grund der extremen Akzessorietät nicht als ein Verfehlen der sachlogischen Struktur der Teilnahme bezeichnet werden. 44 Demgegenüber hatte Welzel 45 betont, auch die Art der Abhängigkeit, in der die Tat des Teilnehmers zur Haupttat steht, sei dem Gesetzgeber keinesfalls freigestellt, sondern durch sachlogische Gesichtspunkte vorgezeichnet. Verfehle sie der Gesetzgeber, wie es bei der Regelung der Teilnahme nach der sog. extremen Akzessorietät geschehen war, so treffe er eine Normierung, die ihr Ziel nicht erreicht. So sei es zu der Konsequenz gekommen, daß der Gehilfe eines Mörders, bei dem sich in der Hauptverhandlung zur Überraschung aller herausstellte, daß er bei der Ausführung des Mordes geisteskrank gewesen war, nicht bestraft werden konnte, obwohl er — der Gehilfe — völlig schuldfahig war. 4 6 Der Gesetzgeber hatte eine Regelung getroffen, die die sachlogischen Verhältnisse bei der Abhängigkeit der Teilnahmehandlung von der Haupttat verfehlte, und die darum unausweichlich zu paradoxen Konsequenzen führte. 43

Namentlich vertreten von Schmidhäuser , AT 14/156ff.; ders ., StuB 10/163 ff.; zur Kritik vgl. Roxin , ZStW 83 (1971), 394ff.; Küpper, GA 1986, 443f. 44 Vgl. Henkel , Rechtsphilosophie, S. 303. 45 Niedermeyer-FS, S. 292. 46 Vgl. RGSt 40, 21 (25).

II. Spezielle Problembereiche

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Bekanntlich hat sich der Gesetzgeber inzwischen eines besseren besonnen und die limitierte Akzessorietät gesetzlich verankert (§ 29 StGB). Auch die Schuldteilnahmetheorie 47 wird heute nicht mehr vertreten. Gleichwohl ist dadurch noch nicht die Frage beantwortet, ob es dabei um eine sachlogisch vorstrukturierte oder aber eine „freie" (zweckmäßige) Entscheidung geht. Auszugehen ist von der Überlegung, was eigentlich den sachlichen Gehalt der Schuld ausmacht. Sieht man ihn — wie heute allgemein angenommen — in der persönlichen Vorwerfbarkeit 48 , so sind bereits die Konsequenzen für die Teilnahmefrage präjudiziert. Denn es ist schlichtweg ausgeschlossen, daß jemand an dieser subjektiven Verantwortlichkeit eines anderen teilnimmt. Kurz gesagt: Die Teilnahme ist angelehnt an eine fremde Tat, nicht an den Täter. Nur sofern eine Entschuldigung — wie etwa bei § 35 StGB — auch zu einer Unrechtsminderung führt, kann dem bei der Bestrafung des Teilnehmers Rechnung getragen werden. 49 Teilnahme ist allein Unrechtsteilnahme. Darüber hinaus stellt die strenge Akzessorietät ein Relikt der Auffassung des Vorsatzes als „Schuldform" und damit letztlich der kausalen Handlungslehre dar. Ist nämlich der Vorsatz als Schuldform anzusehen, dann wäre der Schuldunfähige gar nicht in der Lage, vorsätzlich zu handeln. Infolgedessen könnte zu seiner Tat weder angestiftet noch Beihilfe geleistet werden. 50 M i t der Eliminierung des Vorsatzes aus der Schuld durch die fHL ist dieser Gedankengang obsolet geworden. Auch für die limitierte Akzessorietät bildet somit der vorgegebene Handlungsbegriff das tragende Fundament. Demzufolge ist ebenfalls die Akzessorietätsfrage sachlogisch vorgezeichnet. 3. Normativer

Täterbegriff?

In der heutigen Diskussion findet sich namentlich bei Cramer 51 die weitestgehende Distanzierung von außerrechtlichen Vorgegebenheiten für den hier in Rede stehenden Bereich. Nach ihm ist der Täterbegriff stets normativ aufzufas-

47

Zu ihrer Verteidigung vgl. H. Mayer , in Rittler-FS, S. 254ff.; eingehende Kritik bereits bei Kantorowicz , Tat und Schuld, S. 78 ff. 48 Exempl. BGHSt 2, 194 (200); Welzel, LB, S. 138 ff.; Hirsch, L K , Vor § 32 Rdn. 171; Jescheck, AT, S. 378; ausführlicher zum Schuldbegriff noch unten § 8. 49 Vgl. Hirsch , L K , § 35 Rdn. 4, 71. 50 Diese Überlegung findet sich bei Busch, Moderne Wandlungen, S. 19. 51 Schönke/Schröder, Vor §25 Rdn. 1; ders ., in: Bockelmann-FS, S. 396f. Zwar hat jüngst auch der BGH die Abgrenzung zwischen mittelbarer Täterschaft und Anstiftung als „offenes Wertungsproblem" bezeichnet (BGHSt 35, 347, 353). Aus dem Zusammenhang ergibt sich aber, daß damit keine generelle Aussage über einen normativen Täterbegriff getroffen werden sollte. Ausgangspunkt ist für den BGH das Kriterium der vom Täterwillen getragenen objektiven Tatherrschaft. Im Randbereich des schuldhaft handelnden Werkzeugs, der die Frage des Täters hinter dem Täter aufwirft, mag für Wertungsentscheidungen dann noch Raum sein. Auch Schaff stein (NStZ 1989, 157) weist daraufhin, 10 Küpper

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sen. Er stehe zur Disposition des Gesetzgebers, der die Aufgliederung der Beteiligungsformen auch anders hätte vornehmen können. Je nach Art des durch den Tatbestand verkörperten Delikts seien unterschiedliche normative Kriterien dafür maßgebend, ob jemand als Täter oder Teilnehmer einzustufen ist. Es gebe daher in der Teilnahmelehre keine vorgegebenen „sachlogischen Strukturen". Für eine Beurteilung dieser Aussage ist wesentlich, daß sie bei der (konkreten) Abgrenzungsfrage ansetzt. Dann befindet sich die Problematik in der Tat auf einer Wertungsebene, da im Einzelfall die Beurteilung, ob ein Handeln als Täterschaft oder Teilnahme zu beurteilen ist, nicht an vorgegebenen Sachstrukturen einfach abgelesen werden kann. Das heißt aber gleichwohl nicht, daß es von vornherein um eine „rein" normative Fragestellung geht. Vielmehr muß auch hier zunächst das Objekt der Wertung fixiert werden. I m Sinne der f H L ist der Täter derjenige, welcher durch zweckbewußte Lenkung des Kausalgeschehens auf den tatbestandsmäßigen Erfolg hin Herr über die Tatbestandsverwirklichung ist. 5 2 Dies ist eine aus dem — vorgegebenen — Handlungsbegriff abgeleitete Feststellung. In problematischen Grenzfällen bedarf es naturgemäß einer genaueren Beurteilung, ob das Verhalten des Beteiligten diesem Leitbild entspricht. Die Entscheidung ist festzumachen an den gesetzlichen täterschaftsbegründenden Merkmalen „selbst" oder „durch einen anderen" (§ 25 Abs. 1 StGB) sowie „gemeinschaftlich" (§ 25 Abs. 2 StGB). Diese sind nichts anderes als Tatumstände i.S.d. § 16 StGB, auf die sich auch der Vorsatz des Täters erstrecken muß. 5 3 Zu kritisieren ist an der normativen Täterlehre aber, daß sie sogleich zu Wertungen greift, ohne vorher ihr Substrat zu bestimmen. Von Cramer 54 wird weiterhin angeführt, daß kein Täterbegriff auf alle Formen der täterschaftlichen Verwirklichung eines Tatbestands passe. Als Beleg zieht er folgende Deliktstypen heran: Unterlassungsdelikte, Pflichtdelikte und eigenhändige Delikte. Diese Fallgruppen machten deutlich, daß es ein einheitliches Prinzip für das betreffende Abgrenzungsproblem nicht gebe. Betrachtet man zunächst die Beteiligung durch Unterlassen, so läßt sich indes der Tatherrschaftsgedanke nicht ohne weiteres als unbrauchbar verwerfen. Zu beachten ist lediglich, daß hierbei die Tatherrschaft des Unterlassenden daß die in Betracht kommende Fallgruppe „relativ klein" ist. Überdies haben die Abgrenzungsbemühungen des BGH einen ganz spezifischen Hintergrund: Da er an der — abzulehnenden — Auffassung festhält, daß die Mordmerkmale strafbegründend seien und deshalb § 28 Abs. 2 StGB keine Anwendung finde, hätte er eine Anstiftung nur zum Totschlag annehmen können. Von daher erklärt sich das Bestreben, möglichst zur Bejahung der mittelbaren Täterschaft zu gelangen. Bedenklich ist allerdings, daß wegen dieser an sich sachfremden Erwägung die Tendenz zur Ausweitung der mittelbaren Täterschaft auf Kosten der Anstiftung noch Verstärkung erfährt. 52 Vgl. Welzel, LB, S. 99. 53 Näher Küpper, GA 1986, 443. 54 Bockelmann-FS, S. 394ff.; so auch Wessels, AT, S. 148 f.

II. Spezielle Problembereiche

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grundsätzlich nur eine „potentielle" sein kann, die mit der „faktischen" Tatherrschaft des Begehungstäters konkurriert und daher im Regelfall nur eine untergeordnete Rolle spielt. 55 Die wohl h. L. nimmt deshalb zu Recht an, der untätig bleibende Garant sei gegenüber dem voll verantwortlich handelnden Begehungstäter nur Randfigur des Geschehens und damit Gehilfe. 56 Eine Ausnahme soll folgerichtig dann gelten, wenn der Handelnde den Tatablauf nicht mehr beherrscht. 57 Damit ist jedenfalls dargetan, daß die Unterlassungsbeteiligung nicht von vornherein außerhalb des Problemfeldes angesiedelt werden muß. Bei den sog. Pflichtdelikten kann zwar Täter nur derjenige sein, der eine besondere Pflichtenstellung innehat. 58 Dies bedeutet aber lediglich, daß das Gesetz ein zusätzliches Erfordernis aufstellt. Während die finale Tatherrschaft das generelle Merkmal der Täterschaft ist, sind die persönlichen Tätermomente nur dort erforderlich, wo sie im speziellen Tatbestand Voraussetzung der täterschaftlichen Begehung sind. 59 Auch aus den Pflichtdelikten läßt sich daher kein grundsätzlicher Einwand gegen die allgemeine Struktur der Täterschaft herleiten. Was schließlich die eigenhändigen Delikte betrifft, so wird bei ihnen der Unrechtsgehalt in der Weise erfaßt, daß Täter nur derjenige sein kann, der die verbotene Handlung selbst unmittelbar-körperlich zu vollziehen in der Lage ist. 6 0 Ihr Unwert wird dadurch begründet, daß gerade dem Täter die Vornahme der Handlung untersagt ist. Da hier aber mittelbare Täterschaft oder Mittäterschaft von vornherein ausscheiden, stellt sich überhaupt kein Abgrenzungsproblem. Nur ist es nicht zulässig, mit diesen Sonderfallen die Ablehnung grundsätzlicher Täterstrukturen begründen zu wollen. Man kann das Argument auch umkehren: Gerade die eigenhändigen Delikte machen deutlich, daß auch der Gesetzgeber insoweit an die „Natur der Sache" gebunden ist. Da die Begrenzung des Täterkreises eine zwangsläufige 61 ist, kann der Hintermann nur im Wege einer Sondervorschrift (wie etwa § 160 StGB) als Täter bestraft werden. 55

So Gallas, JZ 1952, 372. Vgl. Bockelmann, AT, S. 201; Gallas, JZ 1960, 687; Hardwig, JZ 1965,670; Jescheck, AT, S. 630f.; Küpper, JA 1983, 472; Lackner, § 27 Anm. 4; Ranft, ZStW 94 (1982), 862f.; auch nach MaurachIGössel (AT II, S. 327 ff.) sollen Tatherrschaftskriterien entscheiden. 57 Jescheck, AT, S. 630; Kielwein, GA 1955, 227. 58 Beispielsweise die Vermögensfürsorgepflicht bei § 266 StGB, vgl. Roxin, L K , § 25 Rdn. 29. 59 Welzel, LB, S. 101; auch Bloy (Beteiligungsform, S. 315) spricht von einem kumulativen Vorliegen der beiden Tätermerkmale Tatherrschaft und Sonderpflicht; nach Maurach / Gössel (AT II, S. 249) ist die Tatherrschaft stets notwendiges, aber nicht immer hinreichendes Täterschaftsmerkmal; ähnlich Stratenwerth, AT I, Rdn. 752 f. 60 Maurach/Zipf, AT I, S. 284; dazu auch Roxin, L K , § 25 Rdn. 31 ff.; Welzel, LB, S. 106f.; aus der Rspr. siehe K G NJW 1977, 817; Bay ObLG NJW 1985, 1566. 61 Ausdrücklich Maurach ¡Zipf \ AT I, S. 284. 56

10*

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§8 Schuldbegriff

Daran ist ebenso ein „normativer" Täterbegriff gebunden, denn auch er könnte eine mittelbare Täterschaft nicht über § 25 Abs. 1 StGB konstruieren. Die eigenhändigen Delikte sind demnach Ausnahmetatbestände, unterliegen aber zugleich einer spezifischen Sachgesetzlichkeit. III. Zusammenfassung

Die Täterlehre basiert auf verschiedenen Strukturmerkmalen, die der rechtlichen Beurteilung ihren Gegenstand vorzeichnen. Der Täter ist das personale Aktionszentrum des Unrechts; er hat die finale Tatherrschaft inne. Die Tat ist das eigene Werk des Täters, zu dessen Gelingen der Teilnehmer seinen Anteil beiträgt. Aus der Konzentration auf die „Zentralgestalt" 62 des Geschehens ergibt sich der restriktive Täterbegriff. Teilnahme beschränkt sich auf Unrechtsteilnahme, woraus der Grundsatz der limitierten Akzessorietät folgt. 63 Die Abgrenzung zwischen Täterschaft und Teilnahme ist in Grenzfallen anhand wertender Betrachtung der jeweiligen Tatbeiträge vorzunehmen; dies führt indes nicht zu einem durchgängig „normativen" Täterbegriff. Insgesamt handelt es sich bei dem Fragenkreis um einen dem Gesetzgeber weitgehend vorgegebenen Bereich, der lediglich bei den Rechtsfolgeregelungen einen gewissen Ermessensspielraum offenläßt. 64 §8 Schuldbegriff I. Grundlagen

Die heute ganz herrschende Auffassung geht von einem normativen Schuldbegriff aus: Schuld bedeutet Vorwerfbarkeit. 1 Bei dieser Wertungsstufe des Delikts geht es also darum, ob dem Täter sein tatbestandsmäßig-rechtswidriges 62

So die Bezeichnung von Roxin, Täterschaft und Tatherrschaft, S. 25. Demgegenüber gerät ein Teilnahmesystem wie dasjenige des polnischen Strafrechts, welches auf den Grundsatz der Akzessorietät ganz verzichtet, unweigerlich in Schwierigkeiten und Widersprüche. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Versuchsstrafbarkeit: Einerseits bleibt das Vorliegen einer Teilnahme im Prinzip unbeeinflußt davon, ob der Täter bereits zur Tatbestandsverwirklichung angesetzt hat. Andererseits ermöglicht Art. 20 § 2 poln. Strafkodex für den Anstifter und Gehilfen eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe, wenn ein Versuch der verbotenen Tat unterblieben ist. Hier finden sich also doch „Spuren einer Akzessorietät"; vgl. Wasek, ZStW 90 (1978), 564. 64 Etwa bei der Bestrafung des Anstifters „gleich einem Täter". Allerdings erschiene dort eine fakultative Strafmilderung angemessener, denn zum einen ist die Anstiftung durch die eigenverantwortliche Haupttat mediatisiert, zum anderen würde damit das Gefalle zur Beihilfe (obligatorische Strafmilderung) weniger kraß; so auch § 28 Abs. 2 AE mit Begründung S. 65; eine fakultative Strafmilderung bei der Anstiftung wird ebenfalls befürwortet von Schroeder, Täter hinter dem Täter, S. 215; Roxin, ZStW 78 (1966), 233; Armin Kaufmann, ZStW 80 (1968), 37; Jakobs, AT 22/31. 63

1 Siehe etwa BGHSt (GS) 2, 194 (200); Welze!, LB, S. 139; Hirsch, L K , Vor. §32 Rdn. 171; Jescheck, AT, S. 378 ff.

I. Grundlagen

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Verhalten (persönlich) vorgeworfen werden kann. Ein solcher Vorwurf kann nur erhoben werden, wenn der Betreffende überhaupt in der Lage ist, das Unrecht der Tat einzusehen (intellektuelles Schuldelement) und sich dieser Einsicht gemäß zu verhalten (voluntatives Schuldelement). Der normative Schuldbegriff bildet den — vorläufigen — Abschluß einer langdauernden Entwicklungsgeschichte.2 Nachdem zuvor der psychologische Schuldbegriff auf die psychische Beziehung des Täters zur Tat abgestellt hatte, bestimmte zuerst Frank 3 die Schuld als Vorwerfbarkeit: Ein verbotenes Verhalten sei jemandem dann zur Schuld anzurechnen, wenn man ihm einen Vorwurf daraus machen kann, daß er es eingeschlagen hat. Damit war zugleich die notwendige Trennung von Objekt der Wertung (seil, die Willensbildung) und Wertung des Objekts (seil, die Mißbilligung) vorgezeichnet, wie sie vor allem Dohna4 strikt durchgeführt hat. Eine folgerichtige Weiterentwicklung bildete sodann die Herauslösung des Vorsatzes aus dem Schuldbereich. Zumindest mißverständlich ist indes die Redeweise von einer „Entleerung des Schuldbegriffs" oder „purer Normativität". 5 Denn die systematische Verschiebung des Wertungsobjekts bedeutet ja nicht, daß es verlorengeht. Dem normativen Schuldbegriff bleibt also sein Substrat erhalten. Auch Welzel 6 hat in diesem Zusammenhang den fundamental logischen Unterschied zwischen Objekt der Wertung und Wertung des Objekts betont. Der Vorsatz könne nicht Merkmal der Schuld sein, weil er das Beziehungsglied der Schuld ist; er sei Objekt der Schuldbewertung, aber nicht ein Stück dieser Wertung selbst. Dem damit „heimatlos" gewordenen Vorsatz habe erst die finale Handlungslehre den sachgemäßen Platz (als Unterfall des Handlungswillens) im subjektiven Tatbestand des vorsätzlichen Delikts zugewiesen.7 Auch unter dem Blickwinkel der Schuldlehre erfährt daher die Handlungsstruktur noch einmal ihre Bestätigung. Hier findet sich zudem die Erwägung, daß die Finalität der Handlung mit einer relativen Gestaltungsfreiheit verbunden ist. Es geht um die Fähigkeit, den Kausalnexus sinnintentional zu überformen. 8 Das bedeute ein „Plus an 2 Näher dazu E. Wolf,\ Schuldlehre, S. 5 ff.; Welzel, LB, S. 139 ff.; Achenbach, Grundlagen, S. 19 ff. Zum heutigen Meinungsstand zusammenfassend Lackner, in: KleinknechtFS, S. 245 ff. 3

Aufbau des Schuldbegriffs, S. 11; ihm folgend Beling, Schuld und Schuldstufen, S. 8; Hegler, ZStW 36 (1915), 184; Freudenthal, Schuld und Vorwurf, S. 6; siehe auch Goldschmidt, in: Frank-Festgabe I, S. 428 ff. 4 Aufbau der Verbrechenslehre, S. 11 ff., 27 ff. 5 Dahingehend äußern sich Mezger, JZ 1952, 676; ders., NJW 1953, 4; Arthur Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 174ff.; ders. JuS 1967, 148. 6 U m die finale Handlungslehre, S. 24; ders., JZ 1952, 341. 7 Vgl. Welzel, Das neue Bild, S. 42; ders., LB, S. 140. 8 Näher Welzel, ZStW 51 (1931), 709ff.; ders., Das neue Bild, S.49ff.; ders., in: Engisch-FS, S. 93 ff.; ders., LB, S.145ff.

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§8 Schuldbegriff

Determination". 9 Die Freiheit liege damit als Determinante höherer Ordnung im Wesen der Person begründet. Diese Befreiung vom Kausalmonismus käme nämlich dann nicht in Betracht, wenn der Setzungsakt selbst bereits Teil eines kausalen Zusammenhangs wäre. Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß im Einzelfall das Täterhandeln seinerseits psychisch determiniert sein kann. Denn es geht nicht darum, ob jeder Mensch zu jeder Zeit und in jeder Beziehung frei ist, sondern nur darum, ob es überhaupt ein Freisein von kausalem Zwang gibt. Auch der „Indeterminist" leugnet nicht die Ausnahmen, wie sie in § 20 StGB positivrechtlich vertypt sind. Schließlich läßt sich noch eine weitere Überlegung aus der Handlungslehre für den Schuldbereich fruchtbar machen. Im Zusammenhang mit der Einbeziehung des Erfolgsunwertes hat Hirsch 10 die Handlung als Leistung charakterisiert und diese Kennzeichnung an Tätigkeiten festgemacht, die auf sozial positiv zu bewertende Ziele gerichtet sind. Dabei wird deutlich, daß es insofern von erheblichem Einfluß auf die Beurteilung der Handlung ist, ob der intendierte Erfolg wirklich erreicht worden ist: Von demjenigen, der eine objektiv unzulängliche Examensklausur in der irrigen Vorstellung abliefert, eine erfolgreiche Arbeit verfaßt zu haben, werde wohl kaum jemand sagen wollen, er stehe dem Kandidaten gleich, der tatsächlich eine erfolgreiche Leistung erbracht hat. Ebenso erscheint es sinnvoll, die Frage des „Dafür-Könnens" einmal anhand positiver Betätigungen zu stellen. Bezeichnenderweise wird die Freiheit durchweg allein bei negativen (verbotenen) Handlungen bezweifelt. Indes müßte dann konsequentermaßen jedes menschliche Handeln als Produkt kausaler Determinanten erscheinen. 11 U m das Beispiel aufzunehmen: Jemand, der eine hervorragende Examensklausur verfaßt hat, wird sich entschieden dagegen verwahren, daß dieses Ergebnis durch wirkungsmächtige Faktoren unausweichlich festgelegt gewesen sei. Warum das aber diametral anders sein soll, wenn er z. B. einen Diebstahl begeht, ist bisher nicht begründet worden. Das Freiheitsbewußtsein beschränkt sich zudem nicht auf die eigene Person, sondern umfaßt die Mitmenschen gleichermaßen. „Alle halten nicht nur sich, sondern sie halten einander für frei." 1 2 Von daher ist die heute des öfteren anzutreffende Aussage, daß wir uns Schuld wechselseitig „zuschreiben" 13 , in 9 So N. Hartmann, Ethik, S. 649f.; ihm folgend Arthur Kaufmann, Jura 1986, 226f.; ähnlich auch Hassemer, in: Schuld und Verantwortung, S. 94; die Determinismusfrage offenlassend Hirsch, ZStW 93 (1981), 862 Fn. 94. 10 ZStW 94 (1982), 244f.; zum Verständnis der menschlichen Handlung als „Leistung" siehe bereits Welzel, Das neue Bild, S. 31; ders., JZ 1956, 317; Gallas, in: Bockelmann-FS, S. 164 f. 11 Darauf machen auch Bockelmann (ZStW 75 [1963], 387 f.) und Maiwald (LacknerFS, S. 163 f.) aufmerksam. 12 Binding, Normen I I 1, S. 56; so auch Jescheck, AT, S. 370. 13 Siehe etwa Achenbach, in: Grundfragen, S. 149; Blau, Jura 1982, 394; Dornseifer, Rechtstheorie und Strafrechtsdogmatik, S. 113; Haffke, GA1978,45; H. L. Schreiber, Der Nervenarzt 48 (1977), 245.

I. Grundlagen

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eine andere Dimension zu transponieren: Zugeschrieben w i r d bereits die Entscheidungsfreiheit als Voraussetzung der Schuld, so daß daraus die M ö g l i c h keit eines Vorwurfs nur die folgerichtige Konsequenz darstellt. D i e aktuelle Diskussion neigt dazu, den Streit u m die Willensfreiheit auf sich beruhen zu lassen. Deren Anzweiflung speziell i m Strafrecht sei nur ein „realitätsfernes Gedankenspiel." 1 4 Demgegenüber w i r d das Prinzip der Verantwortlichkeit als unumstößliche Realität unserer sozialen Existenz angesehen 15 M i t dieser Überlegung taucht zugleich eine soziale K o m p o n e n t e auf: Das D a f ü r - K ö n n e n w i r d z u m gesellschaftlich erlebten Normalzustand, der eben wegen seiner allgemein so empfundenen N o r m a l i t ä t sich zur Gewißheit verdichtet. V o n daher ist es nur noch ein kleiner Schritt zu einem „sozialen" Schuldbegriff i n dem Sinne, daß es auf das K ö n n e n eines N o r m a l - oder Durchschnittsmenschen a n k o m m t . D i e Schuldfeststellung w i r d jetzt nahezu einhellig nach einem generalisierenden Maßstab vorgenommen. Gefragt w i r d danach, ob eine (gedachte) Durchschnittsperson i n der Situation des Täters hätte anders handeln k ö n n e n . 1 6 Dies erscheint auch allein schon deshalb notwendig, weil für die Beurteilung ein Vergleichsmaßstab zur Verfügung stehen muß. Es handelt sich also u m ein

14 So Schünemann, in: Grundfragen, S. 163. Nicht überzeugend erscheint allerdings seine Ableitung aus der indogermanischen Sprachstruktur. Danach sollen die Konstruktion der Sätze mit einem handelnden Subjekt und einem die Handlung erleidenden Objekt wie auch die grammatischen Formen des Aktivs und des Passivs eine Welt-Sicht belegen, die von dem handelnden Subjekt und damit in letzter Konsequenz von dessen Handlungsfreiheit geprägt ist. Ein solcher Sprachduktus belegt indessen nur die Vorstellung, es müsse doch jemand verantwortlich sein, der dann auch verantwortlich gemacht wird; vgl. zu diesem Mechanismus: Fauconnet, in: Abweichendes Verhalten II, S. 293 ff. Zudem weist Hassemer (ARSP 1986, 199) darauf hin, daß die von analytischen Rechtstheorien favorisierten Kennzeichen richtigen Sprechens historisch wandelbare Kriterien sind, die mit unserer empirisch orientierten Welt- und Wissenschaftsauffassung einhergehen und die anderen Rechtskulturen nicht einleuchten. 15 In diesem Sinne Burkhardt, in: Schuld und Verantwortung, S. 62; Dreher, Die Willensfreiheit, S. 379 ff.; Hassemer in: Schuld und Verantwortung, S. 94; Jescheck, AT, S. 370; Rudolphe SK, Vor § 19 Rdn. 1; Wessels, AT, S. 111. Eine solche Sichtweise deckt sich mit der Überlegung von Wittgenstein, Über Gewißheit, Nr. 2: „Daß es mir — oder allen — so scheint, daraus folgt nicht, daß es so ist. Wohl aber läßt sich fragen, ob man dies sinnvoll bezweifeln kann." 16 Vgl. Blau, Jura 1982, 394f.; Hassemer, Einführung, S. 21 Off.; Jescheck, L K , Vor § 13 Rdn. 67; Arthur Kaufmann, in: Lange-FS, S. 29 f.; ders., in: Wassermann-FS, S. 893; Krümpelmann, ZStW 88 (1976), 12; ders. GA 1983,343 ff.; Lackner, Vor § 13 Anm. I I I 4a; Lange, L K , §§20/21 Rdn. 6; Lenckner, in: Göppinger/Witter I, S. 98f.; Müller-Dietz, Grundfragen, S. 11 ff.; Nowakowski, SchwZStR 65 (1950), 308; ders., KrimGgwfr. 10 (1972), S. 3; Otto, ZStW 87 (1975), 583; ders., G A 1981, 486f.; Rudolphi, SK, Vor § 19 Rdn. 1; Stratenwerth, in: Rechtswissenschaft und Rechtsentwicklung, S. 289f.; früher bereits Kohlrausch, Sollen und Können, S. 24ff.; Holdv. Ferneck, Idee der Schuld, S. 40 ff.; Marcetus, Str. Abh. 243, S. 39; Bedenken dagegen bei Seelmann, Jura 1980, 509 ff.; Tiemeyer, GA 1986, 214.

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§8 Schuldbegriff

generelles Feststellungskriterium für einen individuellen Vorwurf. 17 Die Abweichung von diesem „Prototyp" läßt sich dann durchaus nachweisen. Solchem Regel-Ausnahme-Modell entspricht die Gesetzeslage: Die Exkulpationsgründe besitzen Ausnahmecharakter; sie entschuldigen jemanden, dessen Schuldfahigkeit grundsätzlich vorausgesetzt ist. Die Generalisierung des Maßstabes hat deshalb auch nicht eine Entindividualisierung des einzelnen zur Folge. Daß eine Objektivierung im Schuldbereich keine systemfremde Erscheinung ist, zeigt sich im übrigen im Falle der Unzumutbarkeit, insbesondere bei der Regelung des § 35 StGB. Hier wird auf einen Duchschnittsmaßstab abgestellt und an das Vorliegen des vertypten Sachverhalts die Rechtsfolge strafrechtlicher Entschuldigung geknüpft, ohne daß man noch auf einen bestimmten Grad des individuellen Motivationsdrucks abzustellen hätte. 18 Der Unterschied zu den Fällen des vollen Schuldausschlusses liegt hier nur darin, daß es um eine stark verminderte, für die Erhebung eines strafrechtlichen Vorwurfs nicht mehr ausreichende Schuld geht. Entscheidend ist aber, daß überhaupt generalisierende Kriterien den Schuldmaßstab mitbestimmen. Danach scheint sich das Merkmal der Schuld in Begründung und Ausgestaltung auf einen breiten Konsens stützen zu können. Dieser erste Eindruck täuscht indes, vielmehr ist der Schuldgrundsatz zunehmenden Angriffen ausgesetzt. Teilweise wird ihm jetzt sogar jede Existenzberechtigung abgesprochen. 19 Von größerem Gewicht sind allerdings die neueren Versuche, den Inhalt der Schuld kriminalpolitisch von der Strafzwecklehre her zu bestimmen. Das Schuldprinzip ist dadurch in eine akute Krise geraten. 20 Wie sich im folgenden noch herausstellen wird, hat auch dieser Befund in der völligen Normativierung des Schuldbegriffs seinen Ursprung. II. Die „Funktionalisierung" der Schuldkategorie

1. Kriminalpolitische

Strafzweckerwägungen

Nach der vor allem von Roxin 21 begründeten Konzeption sollen präventive Gesichtspunkte den Schuldbegriff ausfüllen. Die Schuld wird demzufolge 17 Treffend Mangakis, ZStW 75 (1963), 519; zu dieser Maßstabfunktion auch Neumann, ZStW 99 (1987), 586 f. Daß jedenfalls das Fehlen der Voraussetzungen der Willensfreiheit im Einzelfall verifiziert werden kann, ist näher dargelegt bei Witter, in: Leferenz-FS, S. 444ff. 18 Vgl. Hirsch, L K , Vor § 32 Rdn. 174, 183. 19 Dahingehend Baurmann, Zweckrationalität, S. 302; Quambusch, JA 1987, 74. 20 Von einer solchen „Krise" ist die Rede bei Figueiredo Dias, ZStW 95 (1983), 221; Arthur Kaufmann, Jura 1986, 225; Kunz, ZStW 98 (1986), 823. 21 Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, S. 33 ff.; ders.,in: Henkel-FS, S. 181 ff.; ders., in: Bockelmann-FS, S. 279 ff.; ders., ZStW 96 (1984), 641 ff.; ders., SchwZStR 104 (1987), 356ff.; ihm folgend Amelung, in: Grundfragen, S. 97ff.; Schünemann, in: Grundfragen, S. 168ff.; siehe auch bereits Noll, in: H. Mayer-FS, S. 219ff.

II. Die „Funktionalisierung" der Schuldkategorie

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kriminalpolitisch von der Strafzwecklehre her geprägt. 22 Die dritte Deliktsstufe hat es danach mit der Frage zu tun, ob unter strafrechtlichen Gesichtspunkten gegen den einzelnen Täter eine Sanktion erforderlich ist. Ein Schuldbegriff im Sinne individuellen Andershandelnkönnens ist für diesen Standpunkt von vornherein obsolet. Denn es geht nicht mehr um eine Seinsfeststellung, vielmehr um eine „normative Setzung". 23 Entscheidend ist allein, ob es der sozialen Ordnung angemessen erscheint, daß der Mensch als frei und verantwortlich behandelt wird. Folgerichtig wird auch der Begriff der Schuld fallengelassen und durch die Systemkategorie der „Verantwortlichkeit" ersetzt. 24 Zum Kriterium der Schuld(un)fahigkeit wird die „normative Ansprechbarkeit" erkoren: Eine Prävention mit den Mitteln des Strafrechts sei nur dann geboten, wenn der Täter im Augenblick der Tat grundsätzlich normativ ansprechbar war. Läßt sich das bejahen, so werde er als frei behandelt. Läßt es sich dagegen nicht feststellen, sehe ihn die Rechtsordnung als schuldunfähig an und lasse ihn unbehelligt oder unterwerfe ihn anderen Rechtsfolgen als der Strafe. Die normative Ansprechbarkeit sei dabei unabhängig vom Bestehen menschlicher Willensfreiheit oder davon, ob in der konkreten Entscheidungslage der Täter sich tatsächlich hätte anders motivieren können. 25 Roxin 26 hat dieses Konzept zunächst am Beispiel des entschuldigenden Notstands (§35 StGB) konkretisiert: Hier werde man, wenn jemand zur Rettung einer nahestehenden Person einen Unrechtstatbestand verwirklicht hat, vom indeterministischen Standpunkt aus die Möglichkeit, anders zu handeln und damit in diesem Sinne auch die Schuld bejahen müssen. Aber der Gesetzgeber lasse den Täter trotzdem aufgrund kriminalpolitischer Strafzwecküberlegungen straffrei ausgehen. Spezialpräventiv sei eine Sanktion unnötig, weil der Täter sozial voll integriert und nur durch die außergewöhnliche Situation zu seiner wegen des Rettungserfolgs auch im Unrecht wesentlich geminderten Handlung gebracht worden ist; auch generalpräventive Gründe forderten eine Strafe nicht, weil die Seltenheit solcher im einzelnen meist unvergleichbarer Sachverhaltsgestaltungen es als überflüssig erscheinen lasse, die Abweichung von erwünschtem Regelverhalten um der Allgemeinheit willen zu sanktionieren. Sobald der Täter „in einem besonderen Rechtsverhältnis" steht (§ 35 Abs. 1 Satz 2 StGB), würde der Gesetzgeber wiederum aus generalpräventiven Erwägungen den Strafaus22

Roxin, Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, S. 33. Roxin, ZStW 96 (1984), 650; vgl. auch ders., MSchrKrim. 1973, 320; ebenso Achenbach, in: Grundfragen, S. 149. 24 Roxin, in: Henkel-FS, S. 182; ders., in: Bockelmann-FS, S. 284; ders., SchwZStR 104 (1987), 374; zust. Schünemann, in: Grundfragen, S. 170; siehe auch den Begriff der „Verantwortungsfahigkeit" bei Haddenbrock, MSchrKrim. 1968, 151 ff. 25 Vgl. Roxin, ZStW 96 (1984), 652 f. 26 Henkel-FS, S. 183 f. 23

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Schluß versagen, weil das Bestehen berufsspezifischer Gefahren für das Funktionieren des sozialen Systems wesentlich sei. Darüber hinaus werden auch die sonstigen Exkulpationsregeln 27 kriminalpolitisch fundiert. So soll es für die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums (§17 StGB) auf die am präventiv Unerläßlichen orientierten Anforderungen der Rechtsgemeinschaft ankommen: Der ohne Bewußtsein der Rechtswidrigkeit handelnde Täter, dem auch durch den sozialen Sinngehalt der Situation keine Zweifel nahegelegt wurden, brauche keine Resozialisierung; er gebe auch, weil sein Irrtum jedem zustoßen kann, kein so schlechtes Beispiel, daß aus generalpräventiven Gründen eine Sanktion erforderlich wäre. 28 Beim Notwehrexzeß gestatte der Umstand, daß die durch asthenische Affekte bedingte Überschreitung der erforderlichen Abwehr gegenüber einem rechtswidrigen Angreifer weder den öffentlichen Frieden stört noch spezialpräventive Einwirkungen nötig macht, eine Exkulpation. 29 Schließlich sei auch der Begriff der Freiwilligkeit, an den die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts geknüpft ist, von der Strafzwecklehre her auszulegen. Ihre Bejahung entscheide sich danach, ob der Rücktritt sich von den „Maßstäben des Verbrecherhandwerks" her als unvernünftig und damit vom Standpunkt des Gesetzes aus als Rückkehr in die Legalität darstellt. 30 Insgesamt werden also aus kriminalpolitischen Zwecksetzungen auch konkrete Auslegungsrichtlinien abgeleitet. Gleichzeitig betont Roxin 31 aber, daß das Schuldprinzip nicht angetastet werde, sondern als Voraussetzung der Strafbarkeit in vollem Umfange erhalten bleibe; es solle nur durch zweckgeleitete Sanktionskriterien ergänzt werden. Kriminalpolitik und Schuldgedanke müßten in ihrer wechselseitigen Beeinflussung zur Synthese gebracht werden, indem einerseits zwar die Schuld einem kriminalpolitischen Mißbrauch der Strafgewalt Grenzen setzt, andererseits aber auch eine an den Maßstäben des präventiv Unerläßlichen orientierte Kriminalpolitik die Bestrafung eines Verhaltens nur wegen seiner Schuldhaftigkeit hindert. Auf diese Weise ergebe sich trotz oder gerade wegen der Aufnahme kriminalpolitischer Aspekte in den Systembegriff der Verantwortlichkeit ein größeres Maß an rechtsstaatlicher Straflimitierung, als sie ein isoliertes Schuldprinzip gewährleisten könnte.

27 Zur Terminologie ist anzumerken, daß bei Roxin die herkömmlich sog. Entschuldigungsgründe und Schuldausschließungsgründe als Fälle einer aus Strafzweckerwägungen ausgeschlossenen Verantwortlichkeit fungieren. Zudem wird die Rücktrittsregelung beim Versuch (§ 24 StGB) ebenfalls dem Schuldbereich zugeschlagen; vgl. Roxin, in: Heinitz-FS, S. 273 ff. 28

Vgl. Roxin, in: Henkel-FS, S. 187 f.; dazu noch unten §9. Vgl. Roxin, in Schaffstein-FS, S. 116ff.; ders., in: Bockelmann-FS, S. 283. 30 Vgl. Roxin, Kriminalpolitik und Strafrechtssystem, S. 35 ff.; ders., in: Heinitz-FS, S. 256 ff.; dazu noch unten § 10. 31 Bockelmann-FS, S. 285, 296; ders., SchwZStR 104 (1987), 372. 29

II. Die „Funktionalisierung" der Schuldkategorie

2. Systemtheoretischer

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Funktionalismus

Während — wie aufgezeigt — der vorstehende kriminalpolitische Entwurf sich noch scheut, das Schuldprinzip gänzlich aufzugeben, führt der radikale Ansatz von Jakobs 32 die Funktionalisierung zu Ende. „Nur der Zweck gibt dem Schuldbegriff Inhalt". 3 3 Dies setzt allerdings zunächst die eindeutige Zweckbestimmung staatlichen Strafens voraus: Strafe ist Demonstration von Normgeltung auf Kosten eines Zuständigen. 34 Grundlage des systemtheoretischen Konzepts von Jakobs 35 bildet die Theorie der positiven Generalprävention: Das gesellschaftliche Zusammenleben wird durch Rechtsnormen geregelt, deren Einhaltung jedermann erwartet. Durch einen Normbruch werde diese Erwartung enttäuscht; es entstehe ein Konflikt, der eine Reaktion erfordert. Ohne solche Reaktion würde das Vertrauen in die Normgeltung erschüttert. Dementsprechend sei Aufgabe der Strafe die Erhaltung der Norm als Orientierungsmuster für sozialen Kontakt, Inhalt der Strafe ein auf Kosten des Normbrechers erfolgender Widerspruch gegen die Desavouierung der Norm. 3 6 Es geht demnach um Einübung in Normanerkennung (positive Generalprävention). Von daher ergibt sich der Zweckbezug des Schuldbegriffs: Die von ihm zu erbringende Leistung besteht in der Kennzeichnung desjenigen, der zu bestrafen ist. 3 7 Es soll ermittelt werden, ob in der rechtswidrigen Handlung ein Manko an Rechtstreue zum Ausdruck kommt oder ob der Täter von der Rechtswidrigkeit seiner Handlung distanziert werden kann. Schuld sei deshalb nicht psychologisch als „Können", sondern normativierend als „Zuständigkeit" zu begreifen. 38 Demzufolge ist der Schuldbegriff funktional zu bilden, d.h. als Begriff, der eine Regelungsleistung nach einer bestimmten Regelungsmaxime (nach den Erfordernissen des Strafzwecks) für eine Gesellschaft bestimmter Verfassung erbringt. 39 Dieser so bestimmte Zweckbezug des Schuldbegriffs wird an einzelnen Problemfeldern exemplifiziert. 40 So führt er zunächst im Bereich der Einsichts-

32 Schuld und Prävention, passim; ders.,KrimGgw fr. 15 (1982), 127ff.; ders., AT 17/18 ff.; in dieser Richtung auch Achenbach, in: Grundfragen, S. 140 ff.; Dornseif er, Rechtstheorie und Strafrechtsdogmatik, S. 104ff.; Streng, ZStW 92 (1980), 664f.; ders., ZStW 101 (1989), 283 ff.; eine generalpräventive Begründung des Schuldgedankens findet sich ferner bei Haffke, MSchrKrim. 1975,53 f.; ders., in: Sozialwissenschaften III, S. 166 ff. 33 Jakobs, Schuld und Prävention, S. 14. 34 Jakobs, AT 1/3. 35 AT 1/4 ff. im Anschluß an Luhmann, Rechtssoziologie, S. 40ff., 53ff., 106ff. 36 Jakobs, AT 1/11. 37 Vgl. Jakobs, AT 17/18ff.; ders., Schuld und Prävention, S. 8f. 38 Jakobs, KrimGgwfr. 15 (1982), 128. 39 Jakobs, AT 17/22.

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und Befolgungsfähigkeit des Täters (§ 20 StGB) zu einer Loslösung der Schuld von einer benennbaren und konstanten psychischen Lage; es geht insoweit nicht um Messung, sondern um Bewertung. Das Maß der autonomen Zuständigkeit des Subsystems richtet sich nicht nach seiner konkreten Ausgestaltung, sondern nach dem, was von ihm erwartet werden muß; die Autonomie wird als Fähigkeit zugeschrieben, falls das zweckvoll ist, und darf nur fehlen, wenn die Möglichkeit anderweitiger Konfliktverarbeitung besteht. Die Situation des entschuldigenden Notstands (§35 StGB) biete eine solche Gelegenheit, da etwa beim Nötigungsnotstand die Tat dem Nötigenden zugerechnet werden kann. Die Bedeutungslosigkeit für Prävention liege also im Fehlen der Notwendigkeit, das Ordnungsvertrauen durch eine Zurechnung zum Notstandstäter zu stabilisieren. Das Fehlen eines in diesem Sinne verstandenen generalpräventiven Bedürfnisses entscheide über die Exkulpation. Dieser Gesichtspunkt bestimmt auch die Grenze des Notwehrexzesses (§33 StGB). Hier könne die Verletzung dem Angreifer selbst zugerechnet werden; mit seiner Enttäuschung habe er selbst fertig zu werden. Die Rechtswidrigkeit des Terrains, auf dem sich der Angreifer bewegt, sei hier so deutlich, daß geringes schuldhaftes Verhalten des Angegriffenen zur Nebensache werde. Die Differenzierung zwischen einem psychologisierenden und einem normativfunktionalen Schuldbegriff wird ferner an einigen Randbereichen erläutert. 41 Dabei handelt es sich um die Probleme: Gewohnheit, Sozialisiationsdefekte und gruppendynamische Bindungen. Diese Fallgruppen sollen hier nicht im einzelnen dargestellt werden; ihr Generalnenner läßt sich dahin zusammenfassen, daß die kognitiven Befunde unter dem Aspekt der Normstabilisierung verrechtlicht werden müßten. Das Strafrecht sei nicht „Magd der Psychologie", sondern bilde seine eigenen Begriffe. 42 Das Ergebnis ist die Verwerfung eines „ontologisierenden" Schuldbegriffs, der auf einer — dem Recht vorgegebenen — Fähigkeit zur Normerkenntnis und Normbefolgung aufbaut. Gegenübergestellt wird ihm die Schuld als etwas, das durch die Schaffung von Zuständigkeiten erst hergestellt und deshalb auch juristisch legitimiert werden muß. Nach alledem erweist sich der funktionale Schuldbegriff als normativistisches Konstrukt, abgeleitet aus einem streng generalpräventiv fundierten Vorverständnis der Strafzwecklehre. Schuld als „Derivat der Generalprävention" 43 wird durch diese begründet und bemessen. Es geht bei der Schuld allein um die Zuständigkeit des Täters für die Störung des Vertrauens auf die Normgeltung.

40 Dazu im einzelnen Jakobs, Schuld und Prävention, S. 13 ff.; ders., in: Aspekte der Freiheit, S. 74ff. Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums (§17 StGB) soll an dieser Stelle außer Betracht bleiben; sie wird noch unten § 9 erörtert. Ausgeklammert wird ferner die Rückfallproblematik wegen der inzwischen erfolgten Aufhebung des § 48 StGB. 41 Vgl. Jakobs, KrimGgwfr. 15 (1982), 130 ff. 42 Vgl. Jakobs, KrimGgwfr. 15 (1982), 131. 43 Jakobs, Schuld und Prävention, S. 32.

III. Zur Kritik der Präventionslehren

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III. Zur Kritik der Präventionslehren

Entsprechend der aufgezeigten „gemäßigten" und „radikalen" Funktionalisierung des Schuldprinzips fallen auch die kritischen Stellungnahmen in der Literatur unterschiedlich aus: Ein Teil der Autoren wendet sich bereits gegen jede Beeinflussung der Schuld durch die Strafzwecke. Andere befürworten zwar die Hereinnahme des präventiven Strafbedürfnisses in die Systemkategorie der sog. Verantwortlichkeit, stehen aber gleichwohl der völligen Zweckrationalisierung durch generalpräventive Gesichtspunkte ablehnend gegenüber. 1. Bedenken aus dem Schuldprinzip Gegen die Interdependenz von Schuld und Strafzweck wird zunächst der grundsätzliche Einwand erhoben, daß es sich dabei um unvereinbare Konträrbegriffe handele. 44 Nur wenn man die Schuld — als etwas Andersartiges — den Strafzwecken gegenüberstellt, könne sie die Funktion der Strafzweckbegrenzung optimal erfüllen. Diese Möglichkeit entfalle aber gerade dann, wenn die Schuld selbst schon aus den Strafzwecken entwickelt wird. Eine solche Sichtweise würde sogar eher zu einer Ausweitung der Strafbarkeit führen. Denn es könnte aus generalpräventiven Erwägungen ja durchaus sinnvoll sein, auch einen Schuldunfahigen oder Entschuldigten zu belangen, um die Normgeltung ausnahmslos zu bekräftigen. 45 Begriff und Maß der Schuld müßten deshalb von Präventionsbedürfnissen strikt getrennt werden. Darüber hinaus werden die Unklarheiten und Unsicherheiten gerügt, mit denen das Urteil der kriminalpolitischen Notwendigkeit von Strafe belastet ist. 4 6 Bereite schon die Unterscheidung von Schuld und Schuldlosigkeit im Verbrechensaufbau erhebliche Schwierigkeiten, so müsse dies um so mehr für einen durch präventive Gesichtspunkte angereicherten Begriff der Verantwortlichkeit gelten. Es stelle sich dann nämlich das zusätzliche Problem, wann und unter welchen Voraussetzungen über die Tatschuld hinaus präventive Erfordernisse vorliegen müssen, um Strafbarkeit zu begründen. Für Dreher 47 liegt in dem Rückzug auf eine solch vage Generalklausel nachgerade das Gegenteil eines Fortschritts: Die Frage, ob der Täter Strafe verdient, könne erst nach 44 Vgl. Jescheck, ZStW 93 (1981), 25; Schöneborn, ZStW 92 (1980), 687f.; Zipf, ZStW 89 (1977), 711; ders., Kriminalpolitik, S. 62. Nach Hirsch (Köln-Festschrift, S. 418) erhebt sich das Bedenken, daß Prävention in die Zukunft gerichtet ist, die Bewertung als schuldhaft aber etwas in der Vergangenheit liegendes betrifft. 45 Vgl. Burkhardt, GA 1976, 335ff.; Neumann, Zurechnung und „Vorverschulden", S. 270f.; Schöneborn, ZStW 88 (1976), 351 ff.; Stratenwerth, Zukunft des Schuldprinzips, S. 30ff.; dagegen wiederum Roxin, in: Bockelmann-FS, S. 297ff.; Streng, ZStW 101 (1989), 292 f. 46 Vgl. Müller-Dietz, Grundfragen des Sanktionensystems, S. 26; Munoz Conde, GA 1978, 70. 47 GA 1971, 218.

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§8 Schuldbegriff

Feststellung seiner Schuld entschieden werden. Grundsätzlich habe sie das Gesetz selbst vorweggenommen. Schließlich wird auf die drohende Erosion des Strafrechtssystems hingewiesen: Durch die kriminalpolitische Auffassung würden die Sachunterschiede von Schulderfordernissen, bloßen Strafausschließungsgesichtspunkten und Strafzumessungsfragen verwischt, zudem die Zweispurigkeit außer acht gelassen.48 Auch der Nachweis, daß der Strafausschluß in allen Fällen der Schuldausschließungsgründe von der Strafzwecklehre her begründet werden kann, beweise in diesem Zusammenhang recht wenig: In gleicher Weise könne von der Strafzwecklehre her auch schon das Unrecht verneint werden. Damit offenbare sich die Gefahr einer Auflösung der gesamten Straftatsystematik und ihre Ersetzung durch die Strafzwecklehre, derzufolge gestraft wird, wenn es die Strafzwecke gebieten.49 Die Begriffe von Unrecht und Schuld dürften aber nicht im „Einheitsgebräu der Strafzwecklehre" 50 untergehen. Noch stärker ist das systemtheoretische Konzept, das Schuld als bloßes Derivat der Generalprävention begreift, auf Ablehnung gestoßen. I m Vordergrund steht dabei die Kritik an dem technokratischen Nützlichkeitsdenken, das den einzelnen zum Objekt eines Systemstabilisierungsmechanismus degradiert. 51 Damit gerate diese Auffassung auch in Konflikt mit der durch Art. 1 GG gebotenen Achtung der Menschenwürde, die auf der Freiheit und Verantwortung der Person basiert. 52 Der Täter werde nicht mehr als autonome Persönlichkeit anerkannt. Dabei wird zu Recht auf das Paradox hingewiesen, daß diese Theorie die Verantwortlichkeit an einem Subjekt festmacht, dem zugleich seine Subjektivität abgesprochen wird. 5 3 Letztlich läuft die Systemtheorie somit darauf hinaus, daß nicht nur der Schuldbegriff, sondern auch der Täter selbst als Mittel zum Zweck des Erhalts der Ordnung „funktionalisiert" wird. 48

Hirsch, L K , Vor § 32 Rdn. 170. Vgl. Gössel, JA 1975, 322 f. Diese Gefahr wird auch darin sichtbar, daß Roxin (Oehler-FS, S. 195) jetzt Fälle, die Günther (Strafrechtswidrigkeit, S. 301 ff.) dem Strafunrecht zuordnet, als Probleme der Verantwortlichkeit ansieht. 50 So Schünemann, GA 1986, 302. 51 Vgl. Albrecht, GA 1983, 200; Baratta, KrimJ 1984, 141 ff.; Köhler, Die bewußte Fahrlässigkeit, S. 376f.; Kunz, ZStW 98 (1986), 826ff.; Schünemann, in: Grundfragen, S. 170 f.; Smaus, ZfRSoz. 1985, 100; Stratenwerth, ZStW 91 (1979), 922. Dieser Vorwurf wird gegen die soziologische Systemtheorie überhaupt erhoben; vgl. Büllesbach, Systemtheoretische Ansätze, S. 353 ff. mit Nachw. 52 Auf Art. 1 GG verweisen Figueiredo Dias, ZStW 95 (1983), 227; Otto, AT, S. 225; ders., GA 1981, 491; Roxin, SchwZStR 104 (1987), 365 f.; Schünemann, in: Grundfragen, S. 171; näher zur verfassungsrechtlichen Begründung des Schuldgrundsatzes jüngst Frister, Schuldprinzip, S. 19ff. Siehe schon Arthur Kaufmann, Das Schuldprinzip, S. 118: „Spricht man dem Menschen generell die Schuldfahigkeit ab, so verneint man seine personale Würde und macht ihn für Zwecke verfügbar wie die untermenschliche Natur." 53 Vgl. Baratta, KrimJ 1984, 144. 49

III. Zur Kritik der Präventionslehren

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Hervorgehoben wird demgegenüber die begrenzende Funktion des Schulderfordernisses im Strafrecht. 54 Ist die Schuld erst einmal zu einem reinem Zweckbegriff denaturiert, kann sie diese Aufgabe nicht mehr erfüllen. So findet sich denn auch bei Jakobs 55 das ausdrückliche Eingeständnis, daß der Zweck, der in die Schuld eingeht, durch Schuld nicht limitiert werden kann. Es verwundert nicht, daß ein solches Konzept zu vehementer Kritik herausfordert: „Das Präventionsinteresse kennt dann eben keine selbst auferlegten Schranken; in seiner buchstäblichen Maßlosigkeit ist ihm die radikale Umerziehung aus nichtigem Anlaß ebenso förderlich wie die Exempelstatuierung, die Belangung von Schuldunfähigen oder die Sippenhaftung. Soweit Prävention sich als einziges Ziel den Ordnungserhalt vorgibt, macht sie sich Ordnungsvorstellungen beliebigen Inhalts gefügig. Die Verabsolutierung der systemstützenden Funktion von Strafe hat die fatale Folge, jedwede nüchtern prävenierende Strafgewalt mit dem trügerischen Anschein von Sozialnützlichkeit und damit von Legitimität zu versehen." 56 An diesen Ausführungen wird noch einmal deutlich, daß das Schuldprinzip restriktiv, das Präventionsbedürfnis hingegen extensiv angelegt ist. Ferner wird betont, daß die Verhängung einer Kriminalstrafe als des schärfsten und einschneidendsten Machtmittels, das dem Staat überhaupt zu Gebote steht, außer dem Nachweis ihrer zweckrationalen Nützlichkeit auch immer einer besonderen Legitimation bedürfe. 57 Dies gelte um so mehr, als die general- bzw. spezialpräventiven Wirkungen der Strafe bis heute nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden könnten. Bei dieser Situation könne als selbständiges Legitimationsprinzip lediglich die Schuld in Betracht kommen. Denn unter der Geltung des Schuldgrundsatzes müsse sich jedermann entgegenhalten lassen, daß er bei seinen Handlungen wußte oder wissen konnte, was ihn erwartet, und daß er infolgedessen nur dasjenige bekommt, was er voraussehen und vermeiden konnte. Nur der Schüldgedanke berechtige deshalb den Staat, den einzelnen für seine Straftaten persönlich verantwortlich zu machen und mit Sanktionen zu belangen, die den Kern der Persönlichkeit tangieren.

54 Vgl. Burkhardt, GA 1976, 336f.; Hirsch, L K , Vor § 32 Rdn. 170; Arthur Kaufmann, in: Wassermann-FS, S. 895; ders., Jura 1986, 229f.; Maurach/Zipf, AT I, S. 417; MüllerDietz, Grundfragen des Sanktionensystems, S. 21 f.; Schünemann, in: Strafrecht und Kriminalpolitik, S. 176; Walter, in: H. Kaufmann-GedS, S. 508. 55 Schuld und Prävention, S. 32. 56 Kunz, ZStW 98 (1986), 827 f. 57 Vgl. Schünemann, in: Grundfragen, S. 171 ff. Gegen ein bloßes Zweckdenken bereits Arthur Kaufmann, JZ 1967, 555 f. sowie S. 559: „Es gibt kein freiheitlicheres Strafrecht als ein konsequentes Schuldstrafrecht."

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§8 Schuldbegriff

2. Antinormativistische

Kritik

Vom hier durchgängig verfochtenen Standpunkt aus liegt die Frage nahe, ob die nachhaltig kritisierten Konsequenzen der Strafzwecklehre nicht in deren normativierender Betrachtungsweise ihren Ursprung haben. Vor allem Schünemann 58 bekämpft den in der Auffassung von Jakobs vorherrschenden „Normativismus" als grundlegenden methodischen Fehler. Der Abbruch der ontologischen Betrachtung und ihre Ersetzung durch ein axiologisches Postulat sei zwar eine verführerische Deduktion, nehme aber dem Schuldbegriff sein reales Substrat und führe in einen normativistischen Fehlschluß hinein, wie er auch durch die völlig konsequenten und nur in der Prämisse angreifbaren Schlußfolgerungen von Jakobs schlagend belegt werde. Denn wenn Freiheit nicht existiert, sondern nur postuliert wird, dann sei der Gesetzgeber hier an keinerlei sachlogische Strukturen gebunden und könne die Exkulpationsgründe geradezu nach Belieben festsetzen. Halte man diese Sichtweise indes nicht für akzeptabel, so dürfe man das Andershandelnkönnen nicht als rechtliches Postulat, sondern nur als vorrechtliche Kategorie begreifen. Dieser Frontstellung gegen reine Wertungen kann nur zugestimmt werden. Allerdings ist gleichzeitig darauf hinzuweisen, daß andererseits nach Schünemann59 der Vorschlag von Roxin, die Systemkategorie der Schuld durch das präventive Strafbedürfnis zu ergänzen und für beide Elemente zusammen die neue Systemkategorie der Verantwortlichkeit zu schaffen, uneingeschränkte Zustimmung verdienen soll. Es fragt sich dann aber, ob mit dieser sog. Ergänzung des Schuldbegriffs die später als mißliebig erachteten Konsequenzen der Funktionalisierung nicht bereits vorprogrammiert sind. Denn damit ergeht doch seitens einer von den Strafzielen her konzipierten Schulddogmatik nachgerade eine „förmliche Einladung an die Kriminalpolitik", sich auf dem Gebiet des Strafrechts umzutun und vorhandene Schranken nicht zu achten. 60 Man mag sich dann zwar von weitergehenden Folgewirkungen distanzieren; die Geister aber, die man rief, wird man nicht wieder los. Demgegenüber wird in der neueren Diskussion über Schuld und Prävention wieder zunehmend die Bedeutung vorgegebener Sachhaltigkeiten hervorgehoben. Zunächst wird darauf hingewiesen, daß sich das Schuldstrafrecht nicht aus einer bloßen Fiktion ableiten läßt. Woher nähme der Gesetzgeber den Begriff der Schuld, wenn es solche nicht gäbe? Es könne keine Omnipotenz des 58

Grundfragen, S. 170ff.; ders., GA 1986, 293ff.; siehe auch die Beurteilung von Baratta, KrimJ 1984, 134: „radikale Normativierung"; Tiemeyer, ZStW 100 (1988), 551: „extremer Normativismus"; die Irrationalität und Willkürlichkeit wertender (präventiver) Gesichtspunkte beanstandet Munoz Conde, GA 1978, 70. 59 Grundfragen, S. 170. 60 Treffend Hassemer, Einführung, S. 222.

III. Zur Kritik der Präventionslehren

161

Gesetzgebers geben, nach Belieben etwas wie Schuld entgegen der Wirklichkeit zu erfinden. Tatsächlich sei Schuld ein Begriff, den er wie alle anthropologischen Grundtatsachen nur aus der Wirklichkeit des Lebens, aus dem tatsächlichen Erleben des Menschen übernehmen kann. 61 Auch Stratenwerth 62 gibt zu bedenken, daß das Schuldprinzip ohne sachliches Fundament zur „Disposition des präventiven Kalküls" stünde. Wenn aber dem Schuldgrundsatz (jedenfalls bei Roxin) selbständige Bedeutung mindestens noch als Korrektiv gegenüber präventiven Bedürfnissen zukommen soll, so dürfe er gerade nicht auf Bedürfnisse der Prävention zurückgeführt werden, sondern müsse auf Sachzusammenhänge abgestützt werden. Diesem Einwand könne ebensowenig eine systemtheoretische Deutung entgehen, die in der Schuld ohnehin nur das Erzeugnis von Zuschreibungsprozessen sieht. Beim näherem Hinsehen werde auch hier deutlich, daß solche Zuschreibung Sachgesetzlichkeiten folgt, die ihr eigenes Recht haben. So beruhe etwa die steigende Bereitschaft zur Exkulpation von Triebtätern auf zunehmender Einsicht in triebdynamische Zusammenhänge, also auf Erwägungen, die die Sache selbst betreffen. 63 In anderen Fällen (z. B. schweren Affekten) müßte die These von Jakobs gerade umgekehrt werden und die Exkulpationsregel lauten, daß die Geltung einer Norm gar nicht in Frage gestellt wird, wenn dem Täter die Fähigkeit zur Befolgung der Norm fehlt. Anderweitige Konfliktverarbeitung wäre eben insoweit entbehrlich, wie dargetan werden kann, daß den Täter keine Schuld trifft. Der sachliche Primat läge wieder beim Schuldgrundsatz. 64 Die Kritik richtet sich darüber hinaus gegen die kriminalpolitische Interpretation einzelner Exkulpationsregeln. Die Berücksichtigung des Verbotsirrtums etwa soll nach Jakobs 65 der Preis für die Machbarkeit des Rechts sein: Zumindest veränderbare Normen könnten durch Unkenntnis nicht in Frage gestellt werden, weil sie ihre Existenz nicht einer Erkenntnis, sondern einer Entscheidung verdanken. Dagegen wird eingewandt: Wenn die generelle Machbarkeit des Rechts nur durch die Anerkennung der Irrtumsmöglichkeit akzeptabel bzw. duldbar werden soll, so heiße das nichts anderes, als daß solche Anerkennung von der Sache her gefordert ist, und diese Sache sei wiederum der Schuldgrundsatz. 66 Auch beim entschuldigenden Notstand bedürfe es keiner

61

Vgl. Griffel, ZStW 98 (1986), 30; ders., GA 1989, 202; zur Beachtung von Seinsaussagen beim Schuld Vorwurf siehe auch Tiemeyer, GA 1986,215 ff.; ders., ZStW 100 (1988), 552 f.; Schünemann, in: Strafrecht und Kriminalpolitik, S. 156. 62

Zukunft des Schuldprinzips, S. 29ff. Vgl. Stratenwerth, Zukunft des Schuldprinzips, S. 32 f. unter Hinweis auf BGHSt 23, 176 (Bartsch-Urteil); ebenso Schöneborn, ZStW 92 (1980), 685 f. 64 Stratenwerth, Zukunft des Schuldprinzips, S. 33; ähnlich Tiemeyer, ZStW 100 (1988), 551. 65 Schuld und Prävention, S. 18 f.; ders., in: Aspekte der Freiheit, S. 76 f. 66 Vgl. Stratenwerth, Zukunft des Schuldprinzips, S. 34. 63

11 Küpper

162

§8 Schuldbegriff

Heranziehung von Präventionserwägungen im Sinne der Möglichkeit anderer Verarbeitung des Konflikts. Der Verzicht auf die Erhebung des Schuldvorwurfs im Fall des § 35 Abs. 1 Satz 1 StGB habe seinen Grund in der (doppelten) Schuldminderung, ebenso wie umgekehrt die Ausnahmeregelung des § 35 Abs. 1 Satz 2 StGB darauf beruhe, daß wegen der besonderen Umstände einer Schuldminderung die Basis entzogen ist. Deshalb seien es bei § 35 StGB vorgegebene Sachstrukturen, die zum Wegfall des Schuldvorwurfs und damit auch zum Fehlen des Strafbedürfnisses führen, nicht aber folge umgekehrt die Entschuldigung des Täters aus Präventionsgesichtspunkten. 67 Die Strafzwecklehre hat damit immerhin eines bewirkt, daß nämlich der Blick wieder stärker auf die Sachgehalte der in Rede stehenden Phänomene gelenkt wird. Gegen die Hypernormativierung des Schuldbegriffs behauptet demnach eine an den zugrundeliegenden Sachstrukturen orientierte Dogmatik ihre Berechtigung. Allein sie vermag den Anforderungen von Verläßlichkeit und Rechtssicherheit zu genügen.68 Demgegenüber führt der funktionale Schuldbegriff nahezu zwangsläufig von einer Ergänzung zu einer Ersetzung der Schuld durch Prävention. Er stellt gleichsam eine Art „labeling approach" im Strafrecht dar: Das Schuldurteil wird jemandem zugeschrieben, wenn es zur Systemstabilisierung zweckmäßig erscheint. Wenn zudem der Begriff der Schuld in den der normativen Ansprechbarkeit (bzw. Verantwortlichkeit) umetikettiert werden soll, erhebt sich sogleich die Frage, wann der Täter denn im Hinblick auf die Normbefolgung ansprechbar ist. 6 9 Doch wohl nur dann, wenn ihn der Normbefehl motivatorisch erreicht. Dies wiederum ist der Fall, wenn der Täter überhaupt fähig ist, die Normwidrigkeit zu erkennen bzw. sich nach dieser Erkenntnis auszurichten. Es geht also der Sache nach um die Schuldfähigkeit, die sich als notwendige Bedingung einer normativen Ansprechbarkeit erweist. Demzufolge gerät diese Namensgebung in die Nähe eines „Etikettenschwindels". 3. Fazit Nach alledem sollte die Diskussion wieder zu den sachlogischen Strukturen der Schuld zurückfinden: Der Schuldbegriff setzt (wesensmäßig) voraus, daß der Täter besser, nämlich normgemäß hätte handeln können. 70 Was für ein Vorwurf 67

Vgl. Lenckner, in: Schönke/ Schröder, Vor § 13 Rdn. 117. Zu dieser Funktion der Dogmatik siehe Wetzet, in: Maurach-FS, S. 5; Gimbernat Ordeig, ZStW 82(1979),405ff.; Hassemer, Einführung, S. 218ff.; Hirsch, ZStW93 (1981), 832 f.; Tiedemann, ZStW 86 (1974), 304. Nach Maurach (Eb. Schmidt-FS, S. 302) gebührt der Dogmatik die „Führungsrolle" gegenüber der Kriminalpolitik. 69 Vgl. Griffel, ZStW 98 (1986), 42 f.; siehe auch die Bemerkung von Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor § 13 Rdn. 110: Dadurch, daß man den Dingen einen anderen Namen gibt, wird in der Sache kein Deut geändert. 70 WelzeU Naturrecht, S. 197 f. 68

III. Zur Kritik der Präventionslehren

163

wäre überhaupt zu erheben, wenn dem Täter wissens- oder willensmäßig keine Handlungsalternative zur Verfügung stand? Es bliebe dann nur noch eine Erfolgshaftung aus dem Gesichtspunkt des versari in re illicita übrig. Den Kern des Schuldgedankens bringt die in den Beratungen des Sonderausschusses für die Strafrechtsform vorgeschlagene allgemeine Formulierung kurz und bündig zum Ausdruck: „Ohne Schuld handelt, wer unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln." 71 Die in §§ 17 und 20 StGB angeführten Ursachen, auf denen die Unfähigkeit beruhen muß, haben dabei lediglich die Funktion, die nach Ansicht des Gesetzgebers inakzeptablen Exklusionsgründe auszufiltern. Auf der anderen Seite erschöpfen Wissens- und Wollenselemente den Schuldbegriff ganz, so daß auch keine Notwendigkeit besteht, aus dieser Dichotomie die Schuldfähigkeit als selbständiges Schuldmerkmal zu extrapolieren. Denn es ist daneben ohne eigenen Gehalt. 72 Insbesondere handelt es sich beim Fehlen der Unrechtseinsicht gem. § 20,1. Alt. StGB nur um Unterfälle des Verbotsirrtums 73 ; schon von daher ist deren Einstufung als vorrangige Systemkategorie ohnehin nicht angängig. Des weiteren liegt es im Wesen der Schuld, daß sie quantifizierbar ist. 7 4 Die gesetzliche Regelung bringt dies fraglos dadurch zum Ausdruck, daß sie beim intellektuellen (§ 17 Satz 2; § 21,1. Alt. StGB) wie beim voluntativen (§ 21,2. Alt. StGB) Element eine Strafmilderung vorsieht, wenn die Schuld zwar vermindert, aber nicht ausgeschlossen ist. Das Schuldquantum kann auch bis zur „quantité négligeable" herabsinken. Hieraus erklärt sich, daß es im Falle des entschuldigenden Notstands (§ 35 StGB) nicht um den (völligen) Ausschluß der Motivationsfähigkeit geht, sondern die Schuld auf für einen strafrechtlichen Vorwurf nicht ausreichendes Maß gemindert ist. 75 Deshalb verfängt der Einwand der Strafzwecklehre nicht, daß man bei einem im Notstand handelnden Täter die Schuld bejahen müsse und ihn nur auf Grund kriminalpolitischer Strafzweckerwägungen straffrei ausgehen lasse.76 Vielmehr drückt sich die hier in Rede stehende Graduierbarkeit in einem Kontinuum aus, das die Stufen von voller

71 Prot. 5, S. 478 (Abg. Arndt). Die Bedenken gegen diesen Vorschlag resultierten aus der Befürchtung, daß man mit einer solch generellen Formel den Richter vor große praktische Schwierigkeiten stellen und der Beurteilung 1 des Sachverständigen ausliefern würde; vgl. Güde, ebenda, S. 479; Horstkotte, S. 480f. 72 So auch Hirsch, L K , Vor §32 Rdn. 177; Armin Kaufmann, in: Eb. Schmidt-FS, S. 321 f. 73 Hirsch, L K , Vor § 32 Rdn. 178 m.w. N. 74 Vgl. dazu Hirsch, L K , Vor §32 Rdn. 170; Armin Kaufmann, Normentheorie, S. 199 ff. 75 Heute ganz h. L., vgl. Jescheck, AT, S. 429; Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 151 ff.; Lenckner, in: Schönke/Schröder, Vor §32 Rdn. 108; Rudolphi, SK, §35 Rdn. 1 ff.; Vogler, GA 1969, 104f.; Welzel, LB, S. 178 f.; Hirsch, L K , Vor § 32 Rdn. 183 m.w. N. 76 So aber Roxin, in: Henkel-FS, S. 183 f.

il

164

§ 9 Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums

über — noch rechtlich relevante — geminderte bis hin zu einem unbeachtlichen Rest an Schuld aufweist. Schließlich ist auch die Behandlung des Irrtums sachlich vorgeprägt. Ein vorwerfbares Unrecht-Tun kann sich nur in einem Handeln mit Unrechtsbewußtsein manifestieren. Die Beachtlichkeit des Verbotsirrtums steht heute außer Frage; sie bedeutet die Anerkennung einer „logisch zwingenden Konsequenz aus dem Schuldprinzip" 77 . Die entsprechende Regelung, die den Vorsatz unberührt läßt, folgt ohne weiteres aus dem finalen Handlungsbegriff durch die Abtrennung des Vorsatzes von der Schuld und dessen Zuweisung zur Handlung. Nach Welzel 18 ist die Schuldtheorie gar keine Theorie im üblichen Sinne, sondern hebt nur das hervor, was im Wesen der Schuldverantwortung selbst darinsteckt. Die noch bestehende Kontroverse zwischen strenger und eingeschränkter Schuldtheorie hat sich jetzt auf eine Wertungsfrage innerhalb der Schuld reduziert. 79 Insoweit besteht also noch ein gewisser Spielraum für Wertungen, während der grundsätzliche Rahmen durch vorgegebene Gesichtspunkte abgesteckt ist. Insgesamt behauptet danach das Schuldprinzip seine Eigenständigkeit und läßt sich nicht von kriminalpolitischen Funktionalisierungsbestrebungen vereinnahmen. Sachlogische Strukturen erweisen sich auch hier als resistent gegenüber dem Versuch einer Durchnormativierung, was nicht zuletzt der Rechtssicherheit dienlich ist.

§ 9 Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums I. Bestandsaufnahme

Das intellektuelle Schuldelement entfällt, wenn der Täter nicht das Bewußtsein hatte, Unrecht zu tun. Konnte er diese Fehlvorstellung allerdings vermeiden, kann wieder ein (geminderter) Schuldvorwurf erhoben werden. Die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums (§17 StGB) ist somit hier die entscheidende Grenzlinie zwischen Schuld und Nichtschuld. Gleichwohl herrscht über die maßgeblichen Kriterien bis heute keine Einigkeit. Eine zumindest in sich konsistente Bestimmung der Vermeidbarkeit liegt der Rechtsprechung zugrunde. Danach ist der Verbotsirrtum (nur) unvermeidbar, wenn der Täter trotz gehöriger oder zumutbarer Anspannung des Gewissens die Einsicht in das Unrechtmäßige seines Verhaltens nicht zu gewinnen vermochte. 1 77

Welzel, LB, S. 157. JZ 1952, 341. 79 Dies betont auch Hirsch , ZStW 94 (1982), 265; ders., in: Strafrechtskolloquium 1986, S. 50 f. 1 Vgl. BGHSt 2, 194 (201); 4, 80 (86); 9, 164 (172); 21, 18 (20); BGH StV 1984, 461. 78

I. Bestandsaufnahme

165

Unter „Gewissensanspannung" wird verstanden, daß der Täter verpflichtet sei, alle seine Erkenntniskräfte und sittlichen Wertvorstellungen einzusetzen, wenn es gilt, sich über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit eines bestimmten Verhaltens ein Urteil zu bilden. 2 Dabei werden rigorose Maßstäbe angelegt: Der Mensch habe bei allem (!), was er zu tun im Begriff steht, sich bewußt zu machen, ob es mit den Sätzen des rechtlichen Sollens in Einklang steht. Hinsichtlich der Erkenntnis der Rechtswidrigkeit werden insoweit strengere Forderungen erhoben, als sie für das fahrlässige Delikt gelten.3 Zweifel hat der Täter durch Nachdenken oder Erkundigen zu beseitigen, womit ihm also auch eine Informationspflicht auferlegt wird. 4 Nach alledem erscheint ein unvermeidbarer Verbotsirrtum in praxi nur schwer vorstellbar. Im Schrifttum werden überwiegend die (zu) strengen Maßstäbe der Rechtsprechung gerügt, insbesondere weil sie dazu führen, daß an die Vermeidbarkeit höhere Anforderungen als an die Vorwerfbarkeit i. S. fahrlässigen Handelns gestellt werden. 5 Damit würde selbst leichteste „Fahrlässigkeit" zur — wenn auch geminderten — Vorsatzstrafe führen. Befürwortet wird deshalb teilweise eine Angleichung der Kriterien für das (potentielle) Tatbewußtsein und Unrechtsbewußtsein. 6 Auffällig ist allerdings, daß sich die Stellungnahmen vielfach in einer Kritik an den übersteigerten Rechtsprechungs-Maßstäben erschöpfen, ohne daß eigene weiterführende Gesichtspunkte angeboten werden. Einwände werden ferner gegen die Annahme von InformaXiorispflichten erhoben. 7 Eine solche Konstruktion müsse nämlich in einem regressus ad infinitum enden: Auch die Verletzung der Sorgfaltspflicht könnte nur dann vorwerfbar sein, wenn diesbezüglich nicht ein unvorwerfbarer Rechtspflichtirrtum vorliegt. Da der Täter sich in aller Regel auch seiner Prüfungspflicht nicht bewußt war, müßte dieser Irrtum wiederum vorwerfbar sein usw. Der „Turmbau der Pflichten" 8 wäre fortzusetzen, ohne daß ein logisch befriedigender Endpunkt gefunden werden könnte. Maßgebend sei daher ausschließlich die 2

So BGHSt 4, 1 (5); 9, 164 (172). Vgl. BGHSt 2, 194 (201); 4, 236 (243); 21, 18 (20). 4 Vgl. dazu BGHSt 2, 194 (201); 4, 347 (352f.); 21, 18 (20f.); BayObLGSt 1979, 199 (203); OLG Köln VRS 54, 364 (365); K G wistra 1984, 233 (235); BayObLG wistra 1989, 195. 5 Vgl. BaumannI Weber , AT, S. 423f.; Blei , AT, S. 203; Jescheck , AT, S. 412f.; Mattil, ZStW 74 (1962), 206, 213ff.; Maurach / Zipf y AT I, S. 534; Roxin , in: Kolloquium 1986, S. 83 f.; Schroeder , L K , § 17 Rdn. 27; Stratenwerth , AT I, Rdn. 592ff.; Wolter , JuS 1978, 487; wohl auch Lackner , § 17 Anm. 4a. 6 Vgl. Cramer , in: Schönke / Schröder, §17 Rdn. 13; Jescheck , AT, S.412; Wolter , JuS 1978,487 f.; für das fahrlässige Delikt auch Arzt , ZStW 91 (1979), 857 ff., 884ff; nach Roxin (Kolloquium 1986, S. 83) ist in § 17 StGB nicht die Vermeidbarkeit, sondern die „Entschuldbarkeit" gemeint. 7 Näher dazu Armin Kaufmann , in: Eb. Schmidt-FS, S. 329f.; Rudolphe Unrechtsbewußtsein, S.196 ff. 8 Armin Kaufmann , in: Eb. Schmidt-FS, S. 330. 3

166

§ 9 Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums

Fähigkeit zur Pflichterkenntnis. Dieses „Erkennenkönnen" kann zwar auch ein „Erkundigenkönnen" sein; das aber setze voraus, daß die konkreten Umstände dem Täter einen Anlaß hierzu gaben.9 Über das letztgenannte Erfordernis besteht inzwischen ein breiter Konsens: Es wird durchweg verlangt, daß für den Täter überhaupt Anlaß bestand, sich über die rechtliche Beurteilung seines Verhaltens Gedanken zu machen. 10 Allerdings liege dann der eigentlich neuralgische Punkt im Erkennen des Anlasses selbst. Solange nämlich kein faktischer Anlaß zu Zweifeln gegeben ist, fehle bereits der Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für die Möglichkeit der Unrechtseinsicht. Hier soll es ausreichen, daß der einzelne den Anforderungen „normaler Rechtstreue" genügt. 11 Das Kriterium des Anlasses erweist sich damit als Einfallstor für eine Generalisierung und Normativierung des Vermeidbarkeitsurteils. Eine streng psychologische Deutung des Erkennenkönnens hatte demgegenüber noch Horn 12 vorgenommen. Er geht vom Begriff der „Erkenntnishandlung" aus, deren Ziel die Ausfüllung von Wissenslücken ist. Voraussetzung sei das Bewußtsein eines Kenntnismankos. Der Täter, der etwas erkennen will, müsse wissen, daß er das „Etwas" noch nicht kennt. 13 Daraus folge aber: Wer nicht wenigstens das aktuelle Bewußtsein hat, daß seine Handlung möglicherweise irgendwie verboten ist, sei unfähig, sich an der Norm zum Unterlassen seines Handlungsprojektes zu motivieren. Es bedürfe also wenigstens des unspezifischen Zweifels, damit Schuld (hinsichtlich ihrer intellektuellen Komponente) begründet sein kann. 1 4 Gefordert wird demnach zumindest ein Fürmöglichhalten der Rechtswidrigkeit. Gegen diese These wird der Einwand erhoben, es gäbe dann unterhalb des „leisen Unrechtszweifels" keine Möglichkeit der Bestrafung, auch die einer Fahrlässigkeitshaftung nicht: Der völlig indifferente Täter würde also 9

Vgl. Armin Kaufmann, Unterlassungsdelikte, S. 146; Welzel, Das neue Bild, S. 74. Vgl. Baumann/Weber, AT, S. 424; Cramer, in: Schönke/ Schröder, §17 Rdn. 16; Dreherl Tröndle, § 17 Rdn. 7; Jescheck, AT, S. 412; Krümpelmann, ZStW-Beiheft 1978, 34; H. Mayer, M D R 1952, 393; Rudolphi, SK, § 17 Rdn. 30; W. Schneider, Vermeidbarkeit, S. 42ff.; Stratenwerth, AT I, Rdn. 584f.; Welzel, LB, S. 173. Positiv gewendet verlangt Art. 20 Schweiz. StGB für den Rechtsirrtum, daß der Täter „aus zureichenden Gründen" angenommen hat, er sei zur Tat berechtigt. Auch auf der Grundlage dieser Regelung wird der Irrtum als vermeidbar angesehen, wenn für den Täter zu Überlegungen oder Erkundigungen ein Anlaß bestand; vgl. BGE 99 IV 185 (186); 104 IV 217 (220 f.); eingehend Donatsch, SchwZStR 102 (1985), 25 ff. 10

11 So Maurach/Zipf AT I, S. 534 im Anschluß an Roxin, in: Bockelmann-FS, S. 290; siehe auch Rudolphi, SK, § 17 Rdn. 30: verantwortungsbewußter Mensch in der Situation des Täters. 12 13 14

Verbotsirrtum und Vorwerfbarkeit, S. 77 ff. Horn, Verbotsirrtum und Vorwerfbarkeit, S. 95. Horn, Verbotsirrtum und Vorwerfbarkeit, S. 105.

I. Bestandsaufnahme

167

prämiert. 15 Zudem könne die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums nicht rein psychologisch verstanden werden; vielmehr komme es darauf an, ob dem Täter aus der Unkenntnis ein Vorwurf zu machen ist. 1 6 Dies wiederum sei eine Wertungsfrage. Die Blickrichtung wird damit auf eine mehr normative Betrachtung gelenkt. Eine „Normativierung" des Anlasses hat vor allem Rudolphi 17 vorgenommen. Das Maß und der Umfang, in dem der Täter ihm gegebene Möglichkeiten, die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens durch eigenes Nachdenken zu erkennen oder durch Erkundigung bei Dritten zu erfahren, auszunutzen hat, müsse mit Hilfe normativer Kriterien begrenzt werden. Entscheidend für die Bestimmung der Vermeidbarkeit sei eine sorgfältige Abwägung des Bedürfnisses nach einem möglichst umfassenden Rechtsgüterschutz auf der einen Seite und der Schwere der Schuld sowie des Maßes der den Täter und unmittelbar auch die Allgemeinheit betreffenden Nachteile auf der anderen Seite. Danach ist ein Verbotsirrtum immer dann als unvermeidbar zu betrachten, wenn auch ein verantwortungsbewußter , d.h. auf die Vermeidung von Rechtsverletzungen bedachter, Mensch in der Situation und ausgestattet mit den geistigen Fähigkeiten des Täters die Rechtswidrigkeit des Verhaltens nicht mehr durch Einholung von Erkundigungen erfahren hätte, mögen ihm an sich auch noch Mittel und Wege zur Erkenntnis der Rechtwidrigkeit gegeben sein. Hervorgehoben wird dabei, daß mit dem Begriff des verantwortungsbewußten Menschen nicht auf einen wie immer gearteten Durchschnitts- oder Nomalmenschen abgestellt werde. Es handele sich nicht um ein empirisch festellbares Kriterium, sondern um einen „durch und durch normativen Maßstab" 1 8 . Von besonderem Interesse ist nun, daß dieses Ergebnis auf präventive Überlegungen gestützt wird: Im Interesse des von den einzelnen strafrechtlichen Normen bezweckten Rechtsgüterschutzes erweise es sich als notwendig, den für das Vermeidbarkeitsurteil vorausgesetzten Maßstab objektiv zu verstehen und damit letztlich insoweit ein Mindestmaß an „Können" bei jedem einzelnen Täter normativ vorauszusetzen. Es sei kriminalpolitisch nicht mehr akzeptabel, daß gerade der gegenüber den rechtlichen Anforderungen gleichgültige oder gar feindlich eingestellte Täter, der vielfach nicht die geringsten Unrechtszweifel hegen werde, sonst straffrei ausgehen müßte. Gründe des präventiven Rechtsgüterschutzes führten daher zu einer letztlich der Schuldidee widersprechenden Generalisierung des Tatschuldvorwurfs. Mit dem Schuldgedanken in Einklang bringen ließe sich dieses Ergebnis allein durch einen Rückgriff auf den Gedanken der Lebensführungsschuld. 19 15

Stratenwerth , ZStW 85 (1973), 483; ebenso Rudolphi , Inst. Konfl. 7 (1982), 19; siehe auch bereits Maurach , in: Eb. Schmidt-FS, S. 318. 16 Jescheck , AT, S. 412 Anm. 23. 17 Unrechtsbewußtsein, S. 193 ff., 206ff., 211 ff. 18 Rudolphi , Unrechtsbewußtsein, S. 215.

168

§ 9 Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums

Damit ist der Weg bereitet für kriminalpolitische Erwägungen. In konsequenter Manier wird auch von denjenigen Autoren, welche die Schuld strikt nach präventiven Gesichtspunkten bestimmen 20 , die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums entsprechend „funktionalisiert". Diesen Bestrebungen gilt es deshalb nunmehr nachzugehen. II. Vermeidbarkeit und Prävention

Nach Roxin 21 ist die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums nicht nach den Grenzen des in abstracto Möglichen, sondern nach den Geboten „vernünftiger Kriminalpolitik" zu bestimmen. Von daher würde die Prüfung genügen, ob erstens die Situation dem Täter überhaupt Veranlassung geben mußte, sich über die Zulässigkeit seines Verhaltens Gedanken zu machen, und zweitens , ob bei einer Bejahung dieser Voraussetzung die Befragung eines vertrauenswürdigen Sachkundigen Veranlassung gegeben hätte, von dem geplanten Verhalten Abstand zu nehmen. Ist entweder die erste oder die zweite Bedingung nicht erfüllt, so bedürfe es keiner Strafe. Der ohne Bewußtsein der Rechtswidrigkeit handelnde Täter, dem auch durch den sozialen Sinngehalt der Situation keine Zweifel nahegelegt wurden, brauche keine Resozialisierung; er gebe auch, weil sein Irrtum jedem zustoßen kann, kein so schlechtes Beispiel, daß aus generalpräventiven Gründen eine Sanktion erforderlich wäre. An die Stelle der Vermeidbarkeit will Roxin 22 die „Entschuldbarkeit" des Verbotsirrtums setzen. Absolut unvermeidbar sei nämlich im Grunde überhaupt kein Verbotsirrtum. Die strengen Anforderungen der Rechtsprechung gingen ersichtlich viel zu weit. Es sei kriminalpolitisch unvernünftig, Bürger mit der — wenn auch gemilderten — Strafe für vorsätzliche Kriminelle zu belegen, die sich keines Unrechts bewußt sind und unter Aufbringung der beim Durchschnittsmenschen vorauszusetzenden normalen Rechtstreue ihren Verbotsirrtum nur leicht verschuldet haben. Vielmehr sollte die strafrechtliche Verantwortlichkeit schon bei Verbotsirrtümern von geringer Vorwerfbarkeit ausgeschlossen sein. Aus der Perspektive eines funktionalen Schuldbegriffs wird der Verbotsirrtum von Jakobs 23 und Timpe 24 angegangen: Der Irrtum sei vermeidbar, wenn sich der Täter für ihn als zuständig erweist. Diese Zuständigkeit habe man dabei nicht als psychologisches, sondern als normatives Problem anzusehen. Es gehe

19

Vgl. Rudolphe JurBl. 1981, 296; ders., InstKonfl. 7 (1982), 19f. Näher dazu oben S. 152 ff. 21 Henkel-FS, S. 187f.; ders ., in: Bockelmann-FS, S. 289 f. 22 Strafrechtskolloquium 1986, S. 83 f. 23 AT 19/6 ff., 35ff.; ders., Schuld und Prävention, S. 18f.; ders., in: Aspekte der Freiheit, S. 76 f. 20

24

GA 1984, 51 ff., 61 ff.

II. Vermeidbarkeit und Prävention

169

um die Frage, ob der Täter für seine Unkenntnis einzustehen hat oder davon distanziert werden kann. Im Hinblick auf den Regelungsbereich des § 17 StGB sind nach dieser Auffassung zwei Fallgruppen zu unterscheiden. 25 (1) Zum einen handelt es sich um einen Irrtum über Normen, die zum Kernbereich des Normenbestandes gehören. Das Wissen um deren Inhalte werde den am gesellschaftlichen Unternehmen Beteiligten als eigene Aufgabe zugeschrieben. Denn Rechtsunkenntnis würde das Recht in Frage und die Ordnung selber zur Disposition stellen. Insofern komme eine Unvermeidbarkeit überhaupt nur bei Angehörigen fremder Kulturen in Betracht. Außerhalb eines solchen Sozialisationsdeflzits sei der Irrtum allemal vermeidbar, weil die Kenntnis der zentralen Normen zur Zuständigkeit eines jeden Zurechnungsfähigen gehöre. Er könne also nicht von dem Konflikt distanziert werden. (2) Zum anderen geht es um einen Irrtum im verfügbaren (änderbaren) Bereich, d. h. in demjenigen, der nur kraft seiner Positivität 26 gilt. Hier störe es den Bestand der Ordnung nicht schon, daß die einzelne Norm durch Unkenntnis des Täters in Frage gestellt wird, sondern erst dann, wenn er gehandelt hat, ohne sich hinreichend um die Ermittlung des derzeit geltenden Inhalts gekümmert zu haben. Für ein solches Informationsdefizit könne er selbst zuständig sein. Dementsprechend wird der von der h. L. geforderte Anlaß zum Nachdenken über die Rechtslage nach dem Zweck von Zurechnung bestimmt: Ein Anlaß bestehe stets dann, wenn das Verhalten des Täters mit der Geltung des positiven Rechts unverträglich und der Irrtum auch nicht anderen Systemen zuzurechnen ist. Letzteres könne sich aus einem Handeln des Täters vor der Tat ergeben, insbesondere durch Erkundigung aus verläßlichen Quellen. Dabei gehe es nicht um eine „Pflicht" zur Informationsbeschaffung, sondern um die Information als Voraussetzung der Unzuständigkeit für einen Irrtum. 2 7 Bei der Beurteilung der Vermeidbarkeit eines Verbotsirrtums handelt es sich demgemäß um das „Zuschneiden von Verantwortungsbereichen", nicht um die Aufnahme eines psychischen Befunds. Die Festlegung wird als normatives Problem gesehen: Was dem Täter, der sich mit gehöriger Sorgfalt um Rechtskenntnis bemühte, an Wissen über das Recht trotz seines Bemühens noch oder nicht mehr erreichbar war, interessiere nicht; wer trotz gehöriger Sorgfalt an der Rechtmäßigkeit des geplanten Verhaltens noch zweifelt oder wer gar

25 Vgl. Jakobs, AT 19/7 ff., 11 ff.; ders., in: Aspekte der Freiheit, S. 76f.; Timpe, G A 1984, 53 ff. 26 Der Begriff der „Positivität" wird von Luhmann (Rechtssoziologie, S. 210) dahingehend formuliert, daß das Recht nicht nur durch Entscheidung gesetzt (d. h. ausgewählt) wird, sondern auch kraft Entscheidung (also kontingent und änderbar) gilt; siehe dazu jetzt noch ders., Rechtstheorie 1988, 11 ff. 27

Vgl. Jakobs, AT 19/40f.

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§ 9 Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums

urteilt, die Rechtswidrigkeit seines Vorhabens sei nicht unwahrscheinlich, brauche sich an dem noch erreichbaren Kenntnisstand für die Zurechnung des Konflikts als schuldhaft nicht festhalten zu lassen. Denn die relevante Konfliktursache könne auf andere Systeme, Unklarheiten des geltenden Rechts oder auf den Zufall verschoben werden. 28 Auf diese Weise wird der funktionale Schuldbegriff auch im Bereich des Verbotsirrtums zur Geltung gebracht. Er sieht sich dann aber wiederum den entsprechenden Einwänden ausgesetzt. Zunächst wird angeführt, daß zur Stabilisierung der objektiv tangierten Rechtsordnung sich selbst bei Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums eine Sanktion durchaus anempfehlen könnte, um für die Gesellschaft allgemein das Vertrauen in die Rechtsordnung insgesamt zu bestätigen. Der generalpräventive Gedanke sei also denkbar ungeeignet, das erklärte Ziel zu erreichen, nämlich die als zu streng empfundene Beurteilung der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums abzuschwächen. Vielmehr verhalte es sich gerade umgekehrt: Die Tendenz zur extensiven Heraufsetzung der Schwelle, bis zu der das Andershandelnkönnen postuliert wird, folge aus Überlegungen generalpräventiver Art, die es verhinderten, mit dem Schuldgrundsatz ernst zu machen. 29 Darüber hinaus wird die Annahme von Jakobs 30, die Exkulpation bei einem Irrtum über positives Recht sei der Preis für die Machbarkeit (Veränderbarkeit) des Rechts, in Zweifel gezogen: Worauf auch immer eine Rechtsnorm zurückgehen mag — nichts könne sie stärker in Frage stellen als Unkenntnis. 31 Dagegen hat Timpe 32 eingewandt, in diesem Bereich gehe es gar nicht um die Garantie der jeweils geltenden Norminhalte. Diese seien gegenüber dem Faktum der Regelung überhaupt nebensächlich. Wohl stelle Unkenntnis die nicht erkannte Norm in Frage; das allein störe aber die Ordnung solange nicht, wie der Irrende in seinem Verhalten im Umgang mit dem Recht nicht zugleich expressiv mache, daß er die Bereitschaft aufkündigt, Normen beliebigen Inhalts zu befolgen. Der Angriff auf den Geltungsgrund positivierten Rechts sei also das Problem, das durch Zurechnung bei einem Irrtum über änderbares Recht zu lösen ist. Es fragt sich aber, ob dieser Gedankengang in sich schlüssig ist. Wenn es im Bereich positivierten Rechts „geradezu dysfunktional" sein soll, daß es seines Inhalts wegen akzeptiert wird 3 3 , so würde dies folgerichtig voraussetzen, daß schon die Normierung nicht um ihres Inhalts willen erfolgt. Indessen werden 28

Zusammenfassend Timpe, GA 1984, 67. Vgl. Schöneborn, ZStW 88 (1976), 354f. 30 Schuld und Prävention, S. 18. 31 Vgl. Stratenwerth, Zukunft des Schuldprinzips, S. 34; ebenso Schöneborn, ZStW 92 (1980), 686. 32 GA 1984, 54 f. 33 So Timpe, GA 1984, 55; siehe auch Jakobs, in: Aspekte der Freiheit, S. 76f. 29

II. Vermeidbarkeit und Prävention

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Rechtsregeln nicht als Selbstzweck konzipiert, sondern mit dem Ziel ihrer Befolgung. Selbst wenn sie grundsätzlich änderbar sind, steht hinter ihnen die Erwartung, daß die — nun so oder so fixierte — Regelung eingehalten wird. Es desavouiert die Ordnung also durchaus, wenn nicht nur die Norminhalte „kontingent" sind, sondern auch das Verhalten des Normadressaten selbst. Bereits dadurch entsteht eine Erschütterung des Normvertrauens, weil Normen durch Nichtbefolgung de facto zur Disposition stehen. Dieser Eindruck wird allerdings wieder kompensiert, wenn der Verstoß auf Unkenntnis beruht. Die Akzeptanz des Irrtums ist dann aber von der Sache her gefordert, seil, dem Schuldgrundsatz. Die Prämissen des funktionalen Schuldbegriffs erweisen sich deshalb als trügerisch. Was ferner die Konsequenzen betrifft, so ließe sich sogar umgekehrt schlußfolgern: Gerade wenn es um Norminhalte geht, die (ständig) änderbar sind, müßte gesteigerter Wert darauf gelegt werden, daß sich der Adressat mit dem jeweiligen Inhalt vertraut macht. Denn eben wegen des jederzeit möglichen Wandels könnte er sich nicht darauf verlassen, daß sein Verhalten dem aktuellen Regelungszustand entspricht. Dies würde also zu erhöhten Anforderungen an die Vermeidbarkeit (Zuständigkeit) und damit gleichzeitig zu einer geringeren Exkulpationstoleranz führen. Schließlich fallt bei den kriminalpolitischen Varianten wieder einmal die unscharfe Begrifflichkeit ins Auge. Dies gilt zunächst für die von Roxin 34 zum Maßstab gemachten „Ansprüche normaler Rechtstreue". Der Autor konzediert auch sogleich, daß damit selbstverständlich© kein rechtsanwendungsfähiger Begriff umschrieben sei; es handele sich dabei nur um ein Leitprinzip, das exakter Ausarbeitung im Wege einer fallgruppenbezogenen Konkretisierung bedürfe. Die Gefahr liegt dann aber auf der Hand, daß nur mit einer Begriffshülse operiert wird, die es mit (beliebigem) Inhalt zu füllen gilt. Ähnliche Bedenken sind gegen die funktionale Deutung der Vermeidbarkeit als „Zuständigkeit" anzumelden. Natürlich kann man es so nennen, daß der Täter für einen Irrtum unzuständig ist, wenn er sich etwa auf eine falsche Rechtsauskunft verläßt. Dies besagt aber zunächst nicht mehr, als daß der Verbotsirrtum dann eben für den rechtsunkundigen Täter unvermeidbar war, insbesondere wenn er nun keinen Anlaß mehr hatte, weitere Überlegungen anzustellen. Inwieweit er jedoch auf eine bestimmte Aussage vertrauen durfte, läßt sich aus dem Terminus „Zuständigkeit" nicht ableiten. Letztendlich weist auch die vorgenommene Einteilung in Grundlagenirrtum und Irrtum im verfügbaren Bereich Unschärfen auf; nach Jakobs 35 selbst sind die Grenzen nämlich nicht exakt bestimmbar. Das muß indessen schon deshalb besonders mißlich erscheinen, weil diese Demarka-

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Bockelmann-FS, S. 290. Zu dieser methodischen Vorgehensweise siehe schon oben bei Anm. 21, 22. 35 AT 19/13.

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tion von ihm ja geradezu als konstitutiv für die Behandlung des jeweiligen Irrtums angesehen wird. Nach alledem führt die normativierende Betrachtungsweise auch bei der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums nicht zu klaren und tragfähigen Resultaten. Es verbleibt die Aufgabenstellung, diesem Merkmal von den sachlichen Grundlagen des Schuldbegriffs her Konturen zu verleihen. III. Bewußtseinsstufen der Unrechtserfassung

Der Täter handelt mit vollem Unrechtsbewußtsein, wenn er die Rechtswidrigkeit seines Tuns kannte. Die Schuld ist gemindert, wenn er das Unrecht vermeidbar nicht erkannte. Das intellektuelle Schuldmoment fehlt ganz, wenn er die Unkenntnis nicht vermeiden konnte. Die Stufen der Verbotserfassung verlaufen demnach in den Formen: Kennen / Kennen-Können / NichtErkennen-Können. Eine vergleichbare Skala weist die psychische Beziehung zum tatbestandlichen Erfolg auf: Der Täter handelt mit Erfolgsbewußtsein (Vorsatz), er hätte den Erfolgseintritt vorhersehen können (Fahrlässigkeit), die innere Verbindung zum Erfolg fehlt ganz (Straflosigkeit). Demzufolge erhebt sich die Frage, ob die Maßstäbe des Tatbewußtseins nicht auf diejenigen des Unrechtsbewußtseins anzuwenden sind. 1. Unrechtsbewußtsein

und Vorsatzinhalt

Eine Anbindung der Bestimmung des Unrechtsbewußtseins an Vorsatzkriterien wird bereits in zweierlei Hinsicht durchgeführt. Zum einen hält man in Parallele zur Vorsatzlehre ein „sachgedankliches Mitbewußtsein" der Rechtswidrigkeit für ausreichend. 36 Der Täter müsse also nicht in jedem Augenblick an das Verbotensein der Tat denken. Bei strafbaren Handlungen werde dieses Vorstellungsbild — zumindest im Normalfall — notwendig mitbedacht. Auch das Mitbewußtsein der Rechtswidrigkeit konfrontiere den Täter noch mit den Anforderungen des Rechts, so daß er sich, wenn er die Tat dennoch begeht, über den von ihm vernommenen Normappell hinwegsetzen müsse. Die zweite Übereinstimmung findet sich im Falle des sog. bedingten Unrechtsbewußtseins. Die ganz h. M. läßt es in ausdrücklicher Analogie zum dolus eventualis genügen, daß der Täter die Rechtswidrigkeit seines Tuns für möglich hält und diese Möglichkeit in seinen Willen aufnimmt. 37 Das voluntati36 Vgl. Blei , JA 1970, 205 f., 333 f.; Cramer , in: Schönke/Schröder, § 17 Rdn. 9; Horn , Verbotsirrtum und Vorwerfbarkeit, S. 43; Roxin , ZStW 78 (1966), 257; Rudolphi , Unrechtsbewußtsein, S. 151 ff.; Schroeder , L K , §17 Rdn. 26; zum Mitbewußtsein im Vorsatzbereich grundlegend Platzgummer , Bewußtseinsform, S. 81 ff. 37 Vgl. BGHSt 4,1 (4); 27,196 (202); BGH JR 1952, 285; JZ 1978, 762; BayObLG G A 1956, 124 (127); OLG Hamburg GA 1967, 285; OLG Düsseldorf M D R 1984, 866;

III. Bewußtseinsstufen der Unrechtserfassung

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ve Moment besteht hier also in der Entscheidung für das (möglicherweise) normwidrige Verhalten. Zwar wird verschiedentlich beim Vorliegen von Unrechtszweifeln eine Strafmilderung befürwortet. 38 Dies ändert aber nichts an der grundsätzlichen Abgrenzungsproblematik. Vielmehr muß sich eine solche Auffassung erst recht um die genaue Grenzziehung zwischen bedingtem, unbedingtem und fehlendem Unrechtsbewußtsein bemühen. Gegen eine unterschiedliche Behandlung spricht zudem, daß auch bei tatvorsätzlichem Verhalten keine Differenzierung erfolgt: Sofern der jeweilige Tatbestand keine besondere Vorsatzform voraussetzt, kommt es dem Täter nicht zugute, daß er „nur" mit dolus eventualis handelt. Für die eingeschränkte Schuldtheorie ist darüber hinaus die in Rede stehende Abgrenzung von entscheidender Bedeutung im Falle des Irrtums über die tatsächlichen Voraussetzungen eines Rechtfertigungsgrundes. 39 Da es aus ihrer Sicht um die Frage der Bestrafung wegen vorsätzlicher oder fahrlässiger Tat geht, müssen auch die entsprechenden Kriterien angewendet werden: Vorsatz ist also zu bejahen, wenn der Täter mit dem NichtVorliegen des Vorhandenseins rechtfertigender Umstände rechnet. Nach heutigem Verständnis betrifft diese Konstellation nun allerdings lediglich die Feststellung einer spezifischen Vorsatz schuld 40, was deutlich macht, daß sich die Abgrenzungsproblematik durchaus im Schuldbereich stellen kann. Ganz unabhängig von dem Streit zwischen eingeschränkter und strenger Schuldtheorie hat Rudolph/ 41 noch folgende Überlegung angestellt: Da sich der Schuldvorwurf auf das vom Täter verwirklichte Unrecht bezieht, werde er in seiner Schwere auch mit durch die Schwere des Unrechts bestimmt. Daran fehle es aber, wenn man den Tatbestandsvorsatz und damit die höchste Unrechtsstufe nach anderen Kriterien bestimmt als das Unrechtsbewußtsein als Voraussetzung eines den höchsten Schuldgrad begründenden Schuldvorwurfs. Die Folgen würden sein, daß bei paralleler innerer Einstellung der Tatbestandsvorsatz zu Dreher/Tröndle, §17 Rdn. 5; Jescheck, AT, S. 409; Kienapfel, ÖJZ 1976, 116; Maurach/Zipf\ AT I, S. 532; Rudolphi, Unrechtsbewußtsein, S. 129ff.; Schroeder, L K , § 17 Rdn. 23; Welzel, LB, S. 171. 38 Dahingehend Armin Kaufmann, ZStW 70 (1958), 83 ff.; Warda, in: Welzel-FS, S. 526ff.; Kunz, GA 1983, 468 ff.; eine Analogie zu § 17 befürworten Paeffgen, JR 1978, 745 f.; Roxin, in: Strafrechtskolloquium 1986, S. 85 ff.; auch Stratenwerth (AT I, Rdn. 586) will die Fälle des bedingten Unrechtsbewußtseins grundsätzlich den Regeln des §17 unterwerfen, zumeist werde der Irrtum freilich als vermeidbar angesehen werden müssen. 39 Daraufhat bereits Warda (Welzel-FS, S. 514) hingewiesen. 40 Siehe nur Gallas, in: Bockelmann-FS, S. 170; Wessels, AT, S. 135 m.w. N. 41 Unrechtsbewußtsein, S. 130 ff. mit Hinweis auf Welzel (LB, S. 160), der betont hat, daß jede „in einer tieferen Stufe des Verbrechensbegriffes angelegte Verbrechensdifferenz in der höheren Stufe — nur noch fundamentaler — wiederkehrt." Der gegenüber Rudolphi erhobene Einwand von Warda (Welzel-FS, S. 504), daß der Tatbestandsvorsatz nur von der finalen Handlungslehre als ein subjektives Unrechtselement angesehen werde, dürfte nach dem heutigen Stand der personalen Unrechtslehre überholt sein.

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bejahen, das Unrechtsbewußtsein hingegen zu verneinen wäre — oder umgekehrt. M.a. W.: U m Unrecht und Schuld auszubalancieren, muß die subjektive Seite denselben Level aufweisen; unterschiedlich ist lediglich das Bezugsobjekt. Die aufgezeigte Angleichung der subjektiven Anforderungen in bestimmten Teilbereichen bedarf demnach nur noch einer generell durchgeführten Vereinheitlichung. Die Erfassung des Unrechts (Tatbestandsmäßigkeit / Rechtswidrigkeit) erfordert eine intellektuelle Leistung, die von demselben psychologischen Apparat zu erbringen ist. Unterschiedliche Maßstäbe sind dabei weder notwendig noch sinnvoll. 2. Vermeidbarkeit

als Vorwerfbarkeit

Nach dem Vorstehenden liegt die Überlegung nahe, ob im Anschluß daran die Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums nicht dann auch anhand der für die Fahrlässigkeit geltenden Maßstäben zu bestimmen ist. Es ginge dann um eine Art „verbotsfahrlässiges" Verhalten. 42 Dieser Gedanke kommt bereits in früheren Entwürfen mehrfach zum Ausdruck: So sollte nach § 21 E 1962 und § 20 AE die Schuld ausgeschlossen sein, wenn dem Täter der Irrtum über die Rechtswidrigkeit nicht „vorzuwerfen" ist. In der Begründung des E 1962 hieß es dazu ausdrücklich, daß eine daüber hinausgehende Anspannung des Gewissens nicht gefordert wird. 4 3 Demgemäß erhebt sich die Frage, was eigentlich für das Verlangen nach strengeren Maßstäben sprechen soll. Der B G H 4 4 hat höhere Anforderungen mit der Begründung gestellt, daß mit der Tatbestandsmäßigkeit eines Verhaltens seine Rechtswidrigkeit in der Regel gegeben und dies allgemein bekannt sei; die Frage, ob gleichwohl im einzelnen Fall die Tatbestandsverwirklichung erlaubt ist, habe der Täter deshalb besonders sorgfaltig zu prüfen. Dieser These —jedenfalls in ihrer Allgemeinheit — hat Wolter 45 widersprochen: Zwar mag es im Einzelfall (besonders bei Verbrechen und erheblichen Vergehen des StGB) durchaus so sein, daß der Tatbestandsvorsatz die Anregung gibt, über die Rechtswidrigkeit der Tat nachzudenken, bzw. daß die Kenntnis der Tatumstände sogar die Kenntnis der Rechtswidrigkeit vermittelt. Doch gelte dieser Satz keineswegs ohne weiteres z.B. für den verzweigten Bereich des Nebenstrafrechts und der Ordnungsvorschriften. Zudem könne man, sofern der Täter den Tatbestand nur fahrlässig verwirklicht, schwerlich an die Fahrlässigkeit des Verbots strengere Anforderungen als an die 42 Dies ist nicht zu verwechseln mit der sog. Rechtsfahrlässigkeit, d.h. mit einem besonderen „crimen culpae", wie es früher von der Vorsatztheorie für alle Fälle fahrlässiger Verbotsunkenntnis gefordert wurde; zur Kritik vgl. Welzel , LB, S. 161. 43 § 21 E 1962, Begründung S. 135. Eine Regelung des „entschuldbaren" Rechtsirrtums enthielt bereits § 20 E 1927; in sachlicher Übereinstimmung damit der Gesetzesvorschlag von Welzel , ZStW 67 (1955), 205. 44 BGHSt 4, 236 (243). 45 JuS 1978, 487.

III. Bewußtseinsstufen der Unrechtserfassung

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Fahrlässigkeit hinsichtlich der Unrechtstat stellen. Vielmehr werde man dem Schuldprinzip hier nur dadurch gerecht, daß man das potentielle Tatbewußtsein und das potentielle Unrechtsbewußtsein mit dem gleichem Maßstab mißt. Gegen die Begründung des BGH spricht zudem eine weitere Überlegung: Wenn der Täter bereits vor der Fassung des konkreten Tatentschlusses irgendwann einmal zu der Überzeugung gelangt war, die Tat sei erlaubt, wird die „Warnfunktion" der Tatbestandsmäßigkeit außer Kraft gesetzt. Denn jetzt kann vom Vorsatz kein Impuls zum Nachdenken über die Rechtswidrigkeit mehr ausgehen, da aus Sicht des Täters diese Frage ja bereits geklärt ist. Es bleibt allenfalls der Vorwurf, daß bei der Prüfung die erforderliche Sorgfalt nicht aufgewendet worden ist. Warum diese aber strenger zu bemessen sein soll als bei der Vorhersehbarkeit einer Tatbestandsverwirklichung, bedürfte einer zusätzlichen Legitimation. Erst recht erscheint es nicht einsichtig, die Maßstäbe beim fahrlässigen Delikt zu doppeln. Diese Erwägungen laufen also auf eine Parallelisierung der Vermeidbarkeits- und Vorwerfbarkeitskriterien hinaus. Eine Angleichung der in Rede stehenden Direktiven wirft außerdem die Frage auf, ob dies auch — entsprechend der Fahrlässigkeit — mit einer Objektivierung der Anforderungen einhergeht. Und in der Tat wird im Schrifttum verschiedentlich eine gewisse Generalisierung und Typisierung des Vergleichsmaßstabs befürwortet. 4 * Von bestimmten Berufsgruppen sei beispielsweise zu erwarten, daß sie sich mit den die Berufsausübung betreffenden Vorschriften ständig befassen. Auch die Rechtsprechung stellt — ungeachtet ihrer sonst vom Fahrlässigkeitsurteil abweichenden Vermeidbarkeitspostulate — auf den Lebens- und Berufskreis des einzelnen ab 4 7 ; gefragt wird etwa, was ein „erfahrener Anwalt" 4 8 oder „sorgfaltiger Weinbauer" 49 hätten erkennen können. Demnach geht es um standardisierte Kriterien, wie sie im Rahmen der Fahrlässigkeit bereits geläufig sind. Dagegen wird eingewandt, daß es bei der Vermeidbarkeitsprüfung allein auf die individuellen Fähigkeiten des Täters ankomme, nicht auf das Können eines wie auch immer gearteten Durchschnittsmenschen. 50 Denn festzustellen gelte es, ob der konkrete Täter bei Einsatz seiner geistigen Erkenntniskräfte und durch 46 So etwa Wolter, JuS 1978, 487f.; dahingehend auch Busch, Moderne Wandlungen, S. 27 (normaler Rechtsgenosse); Roxin, in: Strafrechtskolloquium 1986, S. 83 (Durchschnittsmensch); nach Sehr oeder ( L K , § 17 Rdn. 30) sind generalisierende Maßstäbe nur zur Begrenzung der Anforderungen an den Täter zulässig; vor einer Überschätzung allgemeiner Grundsätze warnt Cramer, in: Schönke/Schröder, § 17 Rdn. 17; zu früheren Objektivierungstendenzen siehe den Überblick bei Horn, Verbotsirrtum und Vorwerfbarkeit, S. 78 ff. mit Nachw. 47 Vgl. BGHSt 4, 80 (86); OLG Frankfurt NJW 1964, 508 (509). 48 BGHSt 15, 332 (341); BGH NJW 1962, 1831 (1832). 49 BGHSt 9, 164 (172). 50 Vgl. Rudolphi, Unrechtsbewußtsein, S. 198; Krümpelmann, ZStW-Beiheft 1978, 33; H. W. Schünemann, NJW 1980, 742.

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Einholung von Rat die Rechtswidrigkeit seiner Tat hätte erkennen können, und nicht, ob dies ein anderer an seiner Stelle gekonnt hätte. Dabei wird indes außer acht gelassen, daß bereits das Schuldurteil überhaupt einer Objektivierung unterliegt; nur darf es damit nicht sein Bewenden haben, wie es die o.g. BGHFormulierungen nahelegen könnten. Auch im Bereich des Verbotsirrtums geht es somit um generelle Feststellungskriterien für einen individuellen Vorwurf. Anhand des objektivierten Maßstabes ist zu bestimmen, welche Anstrengungen dem Betreffenden in seiner sozialen Rolle zuzumuten sind; ergänzend ist zu fragen, ob er subjektiv diesen Anforderungen nachkommen konnte. Ein solches Kombinationsprinzip lag auch der bereits erwähnten Regelung des § 21 E 1962 zugrunde. Nach der Begründung sollte der Verbotsirrtum nicht vorwerfbar sein, wenn der Täter auch bei Anwendung der Sorgfalt, die nach der Sachlage objektiv zu fordern war und die er auch nach seinen persönlichen Verhältnissen anwenden konnte, nicht zu erkennen in der Lage war, daß er Unrecht tat. 5 1 Gesetzlichen Ausdruck hat diese Mischform in § 9 Abs. 2 ö. StGB gefunden. Dort heißt es: „Der Rechtsirrtum ist dann vorzuwerfen, wenn das Unrecht für den Täter wie für jedermann leicht erkennbar war oder wenn sich der Täter mit den einschlägigen Vorschriften nicht bekannt gemacht hat, obwohl er seinem Beruf, seiner Beschäftigung oder sonst den Umständen nach dazu verpflichtet gewesen wäre." Diese Vorschrift wurde erklärtermaßen in Analogie zum objektiv-subjektiven Fahrlässigkeitsmaßstab geschaffen. 52 Zudem findet auch die Frage der Erkundigung hier ausdrücklich Erwähnung. Ein weiteres Bedenken gegen eine Interpretation der Vermeidbarkeit als standardisiert-individuelle Vorwerfbarkeit könnte noch darin bestehen, daß nach heutigem Verständnis die objektive Fahrlässigkeit bereits im Unrechtstatbestand anzusiedeln ist, während es bei § 17 StGB allein um eine Schuldfrage geht. Indessen wird bei der Vermeidbarkeit nicht das Sollen, sondern das Können beurteilt. 53 Es steht also keine Sorgfalts/?/7/c/ii in Rede, so daß die Anlegung eines objektiven Maßstabes nicht etwa zu einer systematischen Verschiebung des intellektuellen Schuldelements nötigt. Die Koordinierung der Anforderungen an vermeidbares und fahrlässiges Handeln eröffnet auch einen Lösungsweg für die umstrittene Obliegenheit des Täters, Informationen einzuholen. Es ließe sich nämlich mit einer „ A r t von Übernahmeverschulden" 54 operieren. Freilich drohte dann ein Konflikt mit 51

§21 E 1962, Begründung S. 135 (Hervorhebungen vom Verf.). Vgl. Bundesministerium der Justiz, Dokumentation zum Strafgesetzbuch, Wien 1974, S. 63. Näher zu der österr. Regelung: Jescheck, in: Lange-FS, S. 373; Kienapfel, ÖJZ 1976, 113 ff.; Rudolphe JB1. 1981, 295 ff.; Zipf, JB1. 1980, 195 f.; für einen rein objektiven Maßstab insoweit Platzgummer, StrProbGgw. I, S. 60. 53 Krümpelmann, ZStW-Beiheft 1978, 35. 54 So MaurachIZipf, AT I, S. 534; diese Parallele findet sich schon bei Rudolphi, Unrechtsbewußtsein, S. 269. 52

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dem Tatschuldgedanken (Koinzidenzprinzip). Der Schuld Vorwurf könnte nur mittelbar auf die konkrete Tat bezogen werden; er bestünde darin, daß die Verbotsunkenntnis die — vermeidbare — Folge eines nicht behobenen Wissensmangels ist. 55 Die nähere dogmatische Begründung müßte von einer allgemeinen Theorie des „Vorverschuldens" ausgearbeitet werden. Zumindest im Fahrlässigkeitsbereich ist grundsätzlich anerkannt, daß ein Vorwurf schon darin liegen kann, daß jemand eine Tätigkeit übernimmt, für die ihm die erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten nicht zur Verfügung stehen.56 Von der Literatur wird dabei die Erkennbarkeit dieser Unfähigkeit vorausgesetzt, während die Rechtsprechung stärker zu einer Objektivierung neigt. Nach dem hier vertretenen Standpunkt ist auch insoweit ein gemischter Maßstab anzulegen. Für die Frage des Verbotsirrtums bedeutet dies: Zu prüfen ist zunächst, ob für einen Angehörigen des betreffenden Verkehrskreises Anlaß bestanden hätte, das Erlaubtsein der Tat zu überdenken. Hinzu kommen muß die persönliche Fähigkeit des Täters, das Unrecht zu erkennen. M i t dieser Überlegung wird eine weitere, bislang wenig beachtete Parallele zwischen der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums und individueller Sorgfaltswidrigkeit herangezogen: der Anlaß. Auch bei der Fahrlässigkeit verlangt man, daß sich der Täter durch äußere Umstände zu sorgfaltsgemäßem Verhalten angeregt sehen mußte. 57 Dieser Anknüpfungspunkt ist notwendig, um hier nicht wieder in einen „Turmbau" von Erkenntnismöglichkeiten zu geraten. Darauf hatte früh bereits Engisch 58 aufmerksam gemacht: Um an die Nichterfüllung der Rechtsbeachtungspflicht einen Vorwurf knüpfen zu können, sei es erforderlich festzustellen, daß dem Täter erkennbar war, daß bestimmte Rechtsbeachtungsmaßnahmen überhaupt in Frage kamen. Diese Erkennbarkeit könne aber im Endergebnis nicht wieder eine solche kraft Anspannung des Willens sein, da man andernfalls in einen regressus ad infinitum geraten würde. Allerdings werde in vielen Fällen eine solche Erkennbarkeit so lange vorausgesetzt, als nicht besondere Umstände an der generellen Erkenntnismöglichkeit zweifeln lassen (z. B. sei es für einen Kurpfuscher erkennbar, daß er einem bestimmten Fall nicht gewachsen ist). Engisch spricht hier von einer „Erkennbarkeit kraft innerer Evidenz der Gefährlichkeit eines Verhaltens". Eines besonderen Willensaktes

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So auch Rudolphi, Unrechtsbewußtsein, S. 256 f. Vgl. RGSt 50,37 (41); 59,355 (356); 64,263 (271); 67,12 (20); BGHSt 10,133 (134f.); BGH JR 1986,248 (250); Baumann/ Weber, AT, S. 436; Burgstaller, Fahrlässigkeitsdelikt, S. 192ff.; Cramer , in: Schönke/Schröder, § 15 Rdn. 198; Gössel, ZStW 91 (1979), 271 f.; Jakobs, Studien, S. 151 \Jescheck, AT, S. 537f.; Nowakowski, JB1.1953, 510f.; Schmidhäuser, AT 10/104; Schroeder, L K , § 16 Rdn. 140ff.; Stratenwerth, AT I, Rdn. 1105; Wessels, AT, S. 204; die konstruktiven Möglichkeiten werden im einzelnen analysiert bei Neumann Zurechnung und „Vorverschulden", S. 186 ff. 57 Vgl. BGHSt 6, 193 (197); Jakobs, Studien, S. 83 ff.; Nowakowski, JB1. 1953, 510; Schroeder, L K , § 16 Rdn. 138. 58 Untersuchungen, S. 369 ff. 56

12 Küpper

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bedürfe es dafür nicht. Dem ähnelt die heute zur Vermeidbarkeit gemachte Aussage, ein Mindestmaß an Können werde normativ vorausgesetzt. 59 Damit will man die Frage auf die Feststellung von Bedingungen eingrenzen, unter denen genügender Anlaß besteht, das konkrete Verhalten auf seine Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Der Anlaß hat sich demnach als Bindeglied zwischen Vorwerfbarkeit und Vermeidbarkeit erwiesen. Diese Begriffe sind als synonym anzusehen und nach einem objektiv-individuellen Maßstab zu bestimmen. Der Anlaß zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit des Verhaltens ist anhand der rollenspezifischen Fähigkeiten 60 zu ermitteln. Erst dann ist noch das persönliche Können heranzuziehen, wobei dessen Fehlen als Abweichung von der (gedachten) Norm besonderer Feststellung und Begründung bedarf. Wie auch sonst bei der Schuld gilt hier das Regel-Ausnahme-Modell. 3. Zusammenfassung Die Anforderungen an das Erkennen bzw. Erkennenkönnen beim Unrechtsbewußtsein folgen den Regeln, die im Bereich von Vorsatz und Fahrlässigkeit gelten. Psychische und normative Aspekte halten sich dabei die Waage. Zuzustimmen ist im Grundsatz der Aussage von Schroeder 61, wie bei der Fahrlässigkeit sei die Erkennbarkeit „ein Produkt aus der faktischen Möglichkeit und der normativen Zumutbarkeit des Erkennens". Die normative Komponente besteht im Anlaß, welcher nach objektiv-rechtlichen Maßstäben festzulegen ist. Hinzu kommt die subjektiv-tatsächliche Möglichkeit, diesem Impuls nachzugehen. M i t der Harmonisierung der genannten Kriterien werden sonst drohende Aporien beseitigt, die dann entstehen, wenn man einerseits eine dem Vorsatz entsprechende Bewußtseinsform nicht genügen lassen will (so z. T. beim bedingten Unrechtsbewußtsein), andererseits die Maßstäbe der Vermeidbarkeit diejenigen der Fahrlässigkeit übersteigen sollen (so der BGH). U m Mißverständnissen vorzubeugen, sei hier betont: Die Angleichung führt nicht etwa dazu, daß auch die Rechtsfolgen des § 17 StGB denen des § 16 StGB entsprechen müßten. Denn es bleibt der unterschiedliche Bezugspunkt bei sonst gleichförmiger Innentendenz: Ist der Tatbestandsvorsatz gegeben, so handelt es sich in jedem Falle um eine vorsätzliche Tat, so daß es bei vermeidbarem Verbotsirrtum nur noch darum gehen kann, deren Strafe herabzusetzen.

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So etwa Stratenwerth, AT I, Rdn. 588; Rudolphi, InstKonfl. 7 (1982), 19. Zu diesem Topos vgl. Neumann, Zurechnung und „Vorverschulden", S. 202f.; eine »maßgerechte Persönlichkeit" legt Nowakowski (JB1. 1953, 510) zugrunde. 61 L K , §17 Rdn. 27. 60

I. Die herkömmliche Auffassung

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§ 10 Freiwilligkeit des Rücktritts Der Rücktritt vom Versuch führt bei den verschiedenen Varianten des § 24 StGB jeweils nur dann zur Straflosigkeit, wenn der Täter freiwillig gehandelt hat. Dabei ist das Freiwilligkeitsmerkmal nach wie vor heftig umstritten. Vom Grundsatz her lassen sich zwei große Meinungsblöcke unterscheiden, nämlich eine psychologische und eine normative Betrachtungsweise. 1 Während für die eine Sicht der Motivationsprozeß beim Täter ausschlaggebend ist, sieht die andere in der Freiwilligkeit ein (reines) Wertungsproblem, das entscheidend vom Zweck des Rücktrittsprivilegs bestimmt wird. Letztere Auffassung ist heute im Vordringen begriffen; diese Entwicklung entspricht der Tendenz, die Dogmatik unter kriminalpolitischen Aspekten zu reformulieren. Allerdings ist es den normativen Theorien erwartungsgemäß noch nicht gelungen, einheitliche Kriterien zu entwickeln. Auch in diesem Bereich wird daher der vorherrschende Normativismus einer kritischen Prüfung zu unterziehen sein. I. Die herkömmliche Auffassung

In der historischen Entwicklung der Gesetzgebung ist seit jeher der Motivationslage des Täters besondere Aufmerksamkeit gewidmet worden, wobei teilweise die unfreiwillige Erfolgsverhinderung als Voraussetzung des Versuchs selbst geregelt wurde. Schon in Art. 178 der Carolina (1532) wurde der Versuch bestraft, wenn der Täter an der Vollbringung der Missetat „wider seinen Willen" gehindert wurde. Nach dem Preuß. Allgemeinen Landrecht (1794) hatte einen Anspruch auf Begnadigung, wer aus eigener Bewegung von der Ausführung des Verbrechens absieht und dabei solche Anstalten trifft, daß die gesetzwidrige Wirkung gar nicht erfolgen kann. 2 In den Partikulargesetzbüchern wurde die Freiwilligkeit ausdrücklich erwähnt und mit Beispielen erläutert, die auch heute noch in der Diskussion eine Rolle spielen. So heißt es etwa in Art. 58 Bayer. StGB (1813): Der Versuch ist von aller Strafe frei, wenn der Handelnde an der Vollbringung nicht durch äußere Hindernisse, durch Unvermögenheit oder Zufall verhindert wurde, sondern freiwillig, aus Gewissenserregung, Mitleid oder auch Furcht vor Strafe von dem Unternehmen abgestanden ist. 3 Das Preuß. StGB (1851) lehnte sich ganz an die Fassung des Art. 2 Code pénal an und bezog das unfreiwillige Ausbleiben des Erfolges wieder in die Versuchsdefinition ein. Gem. §31 war der Versuch dann strafbar, wenn er nur durch äußere, von dem Willen des Täters unabhängige Umstände gehindert worden

1 Zu dieser grundsätzlichen Zweiteilung siehe etwa Vogler, L K , §24 Rdn. 83 f.; Schünemann, GA 1986, 321 f. 2 A L R I I 20 §43. 3 Ähnlich auch Art. 46 Herzogl.-Old StGB; Art 28 Sachs.-Alt. StGB; Art 73 Württ. CrimGB.

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§ 10 Freiwilligkeit des Rücktritts

oder ohne Erfolg geblieben ist. Aus der Fassung ergibt sich die Straflosigkeit also für den Fall, daß der Täter vor der Vollendung durch freiwilligen Entschluß von der Tat absteht.4 Diese Vorschrift erfuhr durch das RStGB eine Änderung in zweifacher Hinsicht: Der Rücktritt wurde als Strafausschließungsgrund geregelt; außerdem mußte der Täter die Tatausführung aufgegeben haben, ohne daß er durch Umstände gehindert worden ist, welche von seinem Willen unabhängig waren. 5 Spätere Entwürfe sahen dann die Fomulierung „aus freien Stücken" 6 vor. Das EGStGB 1974 hat schließlich—wie zuvor schon § 28 E1962 und § 26 AE — der Wendung „freiwillig" den Vorzug gegeben. Ausgehend vom Wortlaut ist nicht daran vorbeizukommen, daß dieser auf einen freien Willensentschluß des Zurücktretenden abstellt. Das berücksichtigt denn auch die sog. psychologische Auffassung: Der Rücktritt ist freiwillig, wenn er auf autonomen Motiven beruht und nicht durch zwingende Hinderungsgründe veranlaßt ist. 7 In der Rechtsprechung wird dies oftmals dahingehend formuliert, der Täter müsse noch „Herr seiner Entschlüsse"8 sein. Einigkeit besteht dabei insoweit, daß das Rücktrittsmotiv nicht ethisch wertvoll zu sein braucht und der Anstoß zum Rücktritt auch von außen kommen kann. Gegen diese Lehre ist schon frühzeitig geltend gemacht worden, daß sie zu Unterscheidungen nötige, die sich ohne Willkür gar nicht durchführen ließen. Der psychische Zwang, der von den einwirkenden Motiven ausgelöst wird, stufe sich in „unendlichen Nuancen" ab, ohne daß es möglich wäre, auf dieser Skala an irgendeinem Punkt eine Zäsur vorzunehmen. Es gäbe keinen Gradmesser, der es gestatte, die Stelle zu bestimmen, wo die noch immer freie Entschließung in ein Genötigtsein umschlägt.9 Ausgehend von dieser Kritik wird nunmehr eine Normativierung des Freiwilligkeitsmerkmals für unerläßlich gehalten. Dabei soll es um eine strafzweckorientierte Bewertung gehen, die zugleich den Grund für das Rücktrittsprivileg im Sinne einer Rückkehr in die Legalität einbezieht.

4

Näher zu dieser Regelung Goltd. Mat. I, S. 252 ff. Vgl. dazu auch RGSt 37, 402 (404f.) mit Hinweis auf die Motive. 6 So etwa § 27 E 1930. Nach der Begründung (S. 25) sollte dies der Fall sein, wenn der Täter seinen Entschluß aus eigenem Antrieb ändert, ohne durch äußere Umstände, wie z. B. drohende Entdeckung, dazu veranlaßt zu sein. Bis 1975 fand sich diese Wendung auch in § 49a Abs. 3 StGB. 7 Vgl. Schröder , M D R 1956, 322f.; ders ., JuS 1962, 83; Eser , in: Schönke/Schröder, § 24 Rdn. 42ff.; Haft , AT, S. 237; Jescheck, AT, S. 490; Lackner , § 24 Anm. 3b; Otto , AT, S. 293 f.; Vogler , L K , §24 Rdn. 86; Wessels , AT, S. 195; eingehende Darstellung der (traditionellen) Lehre bei Bottke , Methodik, S. 181 ff. 5

8 BGHSt 7, 296 (299); 20, 279 (280); 35,184 (186); BGH GA 1977, 75 (76); BGH StV 1984, 329; 1986,149; OLG Hamburg M D R 1971,414; zur Rspr. umfassend Ulsenheimer , Grundfragen, S. 243 ff., 274ff. 9 So vor allem Dohna, ZStW 59 (1940), 544; zust. Bockelmann , NJW 1955,1418; ebenso jetzt Bottke , JR 1980, 443; Roxin , in: Heinitz-FS, S. 252f.; Rudolphi , SK, §24 Rdn. 24; Ulsenheimer , Grundfragen, S. 300ff.; Walter , Rücktritt, S. 60f.

II. Normativierende Deutungen

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Damit enden freilich die Gemeinsamkeiten, und es setzen auch hier die „unendlichen Nuancen" ein, die im folgenden näher zu untersuchen sind. II. Normativierende Deutungen

1. Abfall von den Normen der Verbrechervernunft Für Roxin 1 0 ist der Rücktritt vom Versuch ein spezifisch kriminalpolitisches Problem. Der Begriff der Freiwilligkeit sei also normativ, und zwar von der Strafzwecklehre her auszulegen. Wenn jemand den zum tödlichen Schlag schon erhobenen Arm wieder sinken läßt, weil er es im letzten Augenblick doch nicht übers Herz bringt, sein Opfer zu töten, dann könne es für die Bejahung der Freiwilligkeit des Rücktritts nicht auf die empirisch ohnehin meist unlösbare Frage ankommen, ob dem Zurücktretenden ein Weiterhandeln psychisch noch möglich gewesen wäre. Entscheidend sei vielmehr, daß der Rücktritt sich von den „Maßstäben des Verbrecherhandwerks" her als unvernünftig und damit vom Standpunkt des Gesetzes aus als Rückkehr zur Legalität darstellt. Ist das — wie in dem Beispiel — der Fall, so sei die Freiwilligkeit allemal zu bejahen. Denn was der Täter selbst noch vor dem Erfolgseintritt wieder gutgemacht hat, brauche ihm nicht vergolten zu werden. Eine Allgemeinabschreckung sei überflüssig, und auch der Sicherungs- und Besserungszweck entfalle. Maßgebend sei also nicht die Stärke des psychischen Motivationsdrucks, die den Täter zum Rücktritt bewegt, sondern der Umstand, daß er bei einer Gesamtbeurteilung seines Tatverhaltens letzten Endes in den Bahnen des Rechts geblieben ist. Diese sog. teleologisch-kriminalpolitische Freiwilligkeitskonzeption wird ferner an verschiedenen Problemkonstellationen exemplifiziert: a) Ein Rücktritt aus Gewissensgründen stelle sich als Rückkehr in die Legalität dar und zeige, daß die kriminelle Energie des Täters zur Deliktsvollendung nicht ausgereicht hat. Der Rücktritt sei also stets als freiwillig anzusehen, wenn er auf „seelischer Erschütterung" beruht. Denn ein Täter, der sich ohne jede äußere Hinderung zur Umkehr bewegen läßt, weil er seiner Tat innerlich nicht gewachsen ist, löse sich von den „Normen der Verbrechervernunft". Ein „maßgerechter" Räuber oder Mörder erschrecke nicht oder ängstige sich nicht vor den unausweichlichen Begleiterscheinungen seiner Tat. Das Verhalten dessen, der innehält, wenn ihm die Folgen seines Handelns recht klar werden, sei die Reaktion eines im entscheidenden Augenblick anständigen Menschen, der so etwas nicht fertigbringt. Das verdiene den Lohn der Straffreiheit. 11 10

ZStW 77 (1965), 96ff; ders., Kriminalpolitik, S.35ff.; ders., in: Heinitz-FS, S. 256 ff.; ihm folgend Rudolphi, SK, § 24 Rdn. 25. Eine strafzweckorientierte Bewertung der Freiwilligkeit findet sich auch bei Berz, Formelle Tatbestandsverwirklichung, S. 49 ff.; Bottke, Methodik, S. 469ff.; ders., JR 1980, 443f.; Bloy, JR 1989, 72. 11 Roxin, in: Heinitz-FS, S. 263 f.

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b) Die kriminalpolitische Deutung des Freiwilligkeitskriteriums lasse auch die These der Rechtsprechung plausibel werden, daß der Täter seinen Plan endgültig aufgegeben haben muß, wenn er die Straffreiheit erlangen will. Von jenem Standpunkt her sei diese Forderung ohne weiteres einleuchtend, weil das Verschieben der Gelegenheit auf die nächste, günstigere Gelegenheit natürlich keine Rückkehr in die Legalität bedeute.12 c) Schließlich wird die strafzweckorientierte Lösung für die Abgrenzung von fehlgeschlagenem und unbeendetem Versuch herangezogen. Entgegen der Differenzierung des B G H 1 3 nach dem anfänglichen Tatplan sei in allen betreffenden Fällen ein freiwilliger Rücktritt anzunehmen. Solange der Täter mit Aussicht auf Erfolg ohne Verzögerung seines Risikos weiterhandeln kann, wäre eine Umkehr nach den Normen des Verbrecherhandwerks sehr unvernünftig; eben deswegen seien solche Fälle allesamt als unbeendete Versuche zu qualifizieren. Wer sich in der jeweiligen Tatsituation weiterer konkreter Erfolgsmöglichkeiten bewußt ist und dennoch von der Erfolgsverwirklichung Abstand nimmt, habe damit objektiv zum Ausdruck gebracht, daß er den Weg des Verbrechens verläßt. 14 Diese Rückkehr in die Legalität beweise die verminderte verbrecherische Energie des Täters, die eine Strafsanktion überflüssig mache und hier — wie auch sonst — als ratio für die Beurteilung der Freiwilligkeit diene. 2. Rückkehr in die Bahnen des Rechts Nach Ulsenheimer 15 handelt es sich bei der Feststellung der Freiwilligkeit um ein reines Wertungsproblem. Der allen normativen Lehren zugrunde liegende gemeinsame Maßstab sei sozialethisch geprägt und könne als „Rückkehr des Täters in die Bahnen des Rechts" schlagwortartig umschrieben werden. Die Prüfung der Freiwilligkeit habe auf den jeweiligen Beweggrund des Rücktritts abzustellen. Denn da Elementarvoraussetzung jeden Rücktritts die bewußte Umkehr in Gestalt des Aufgebens der Ausführung oder des Abwendens des Erfolgs ist und dies nie „grundlos, ohne Motiv" geschieht, könne der Unterschied zwischen freiwilligem und unfreiwilligem Verhalten denknotwendig nur in der Rücktrittsmotivation ligen, wobei allerdings nicht deren Stärkegrad, also ein quantitativer Aspekt, sondern deren inhaltliche Ausgestaltung, also ein qualitatives Moment entscheide.16

12

Roxin, Kriminalpolitik, S. 38. BGHSt 10, 129; 22, 176; 22, 330. Dabei ist allerdings zu beachten, daß der BGH nunmehr in st. Rspr. auf den „Rücktrittshorizont" abstellt; vgl. BGHSt 31, 170; 33, 295; BGH NStZ 1986, 264 u. 312; M D R 1988, 244. 14 So Otto, GA 1967, 149, auf den Roxin (Heinitz-FS, S. 268 f.) Bezug nimmt. 15 Grundfragen, S. 306ff., 314ff. 16 Ulsenheimer, Grundfragen, S. 315 (Hervorhebungen dort). 13

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Ob nun der Rücktritt im Einzelfall als Ausdruck rechtstreuer Gesinnung zu werten ist, stelle — wie Ulsenheimer 17 selbst konzediert — „natürlich" ein Problem dar, dessen Lösung praktisch erhebliche Schwierigkeiten bereitet. Denn neben der auf tatsächlichem Gebiet liegenden Erforschung des Rücktrittsmotivs, d. h. des Wertungsobjekts, gebe dessen rechtliche Beurteilung unter dem Gesichtspunkt der „sozialethischen Ordnung des Rechts" zu weiteren Zweifeln Anlaß. Das sei die unvermeidbare crux einer jeden Wertung, die hier durch den relativ groben Wertmaßstab(l) noch zusätzlich erschwert werde. Das Bemühen der Theorie könne daher nur darauf ausgerichtet sein, das Merkmal „freiwillig" soweit aufzuschlüsseln, daß sich dieser Unsicherheitsbereich in möglichst engen Grenzen hält. Die Aufschlüsselung wird sodann anhand folgender Fallgruppen vorgenommen: a) Zunächst erfolgt eine genaue Abgrenzung der Rücktrittserfordernisse „aufgeben" und „freiwillig". Wenn der Täter etwa glaubt, sein Ziel bereits erreicht zu haben, oder ihm die Vollendung der Tat objektiv unmöglich erscheint, dann fehle es bereits an einer Aufgabe der Tat. Auf die Freiwilligkeit komme es in diesen Fällen nicht mehr an. 1 8 b) Differenzierend wird die Bedeutung der Tatentdeckung für die Freiwilligkeit beurteilt. Hier spiele nur das zum Beweggrund des Rücktritts gewordene Bemerktwerden, nicht aber diese Tatsache als solche für die strafrechtliche Bewertung des Täterverhaltens eine Rolle. Insbesondere sei auch die Tatentdeckung durch das Opfer entsprechend den allgemeinen, zum Entdeckungswc?/«; entwickelten Gesichtspunkten, unter Beachtung der strukturellen Eigenart des jeweils in Betracht kommenden Delikts zu behandeln. 19 c) Schließlich erfolgt noch die Bewertung einiger praktisch bedeutsam gewordener Rücktrittsgründe: Läßt der Täter von seinem Vorhaben unter dem Eindruck der Gegenwehr des Opfers ab, sei ein Umschlag rechtsfeindlicher Einstellung in Gesetzestreue nicht ersichtlich. In gleicher Weise müsse die Freiwilligkeit des Rücktritts verneint werden, wenn der Täter nicht bis an die äußerste Grenze eigener physischer Belastbarkeit geht, sondern vorzeitig aufgrund körperlicher „Widerstände" das strafbare Tun abbricht. Ferner sei vom Standpunkt der Auffassung, daß die Bejahung der Freiwilligkeit einen Gesinnungswandel erfordere, der den Rücktritt als Rückkehr des Täters auf den Boden des Rechts erscheinen läßt, eine negative Entscheidung auch dann möglich, wenn die Situation des Handelnden im Augenblick der Tataufgabe nicht schlechter oder sogar vorteilhafter als zu Handlungsbeginn

17 18 19

Grundfragen, S. 317 (Hervorhebungen dort). Ulsenheimer, Grundfragen, S. 318 ff. Ulsenheimer, Grundfragen, S. 333 ff.; 336ff.

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ist. Denn von einer „rechtlichen" Motivierung des Rücktritts könne hier keine Rede sein. 20 Nach alledem kommt Ulsenheimer 21 zu dem Schluß, daß die Zugrundelegung eines normativen, an den sozialethischen Forderungen des Rechts ausgerichteten Freiwilligkeitsmaßstabs es ermögliche, in den meisten Fällen durch eine Motivbewertung zu eindeutigen Ergebnissen zu gelangen. Die verbleibende Unsicherheitszone resultiere daraus, daß die Frage der inneren Willensumkehr zu rechtmäßigem Verhalten letztlich eben eine Wertentscheidung sei. 3. Hinreichende Normbefolgungsbereitschaft Eine kriminalpolitische Bestimmung des Grundgedankens der Rücktrittsregelung unternimmt Walter 22 durch seine sog. Konflikt-Bewährungs-Theorie. Dem Bewährungsgedanken gebührt danach nicht erst im Strafzumessungsrecht, sondern schon im „zurechnenden" Strafrecht eine zentrale Stellung. Hat der Täter die Bewährungssituation bestanden, so entfalle die Strafwürdigkeit der Tat mit der Konsequenz von Straflosigkeit. Nach diesem Modell entspricht der Delinquent dem Bewährungsprinzip, wenn er eine hinsichtlich der subjektiven Einstellungen hinreichende (oder ausreichende oder genügende) Normbefolgungsbereitschaft äußert. Der Begriff der Normbefolgung meine dabei die Befolgung derjenigen Verbote und Gebote, die von Strafnormen mit Strafdrohungen sanktioniert sind und gegen die mit der Tat verstoßen wurde. Gemessen werde die Qualität der Bereitschaft, diese Verhaltensregeln zu akzeptieren. Die Normbefolgungsbereitschaft könne sich in negierendem und vor sorgendem Verhalten äußern. Dieses liege etwa vor, wenn der Täter das von ihm verletzte Opfer ins Krankenhaus bringt. Normbefolgung durch Mißbilligung der Tat sei beispielsweise anzunehmen, falls der Attentäter den deponierten Sprengsatz vor der Explosion auseinandernimmt. Im vorsorgenden Verhalten seien nicht selten Züge der Tatmißbilligung enthalten und umgekehrt. 23 Für die Freiwilligkeitsfrage folgt aus diesem Konzept: Der Rücktritt ist privilegierungswürdig (freiwillig), soweit die verhaltensleitenden Einstellungen eine hinreichende Normbefolgungsbereitschaft erkennen lassen. Die Bereitschaft zur Normbefolgung soll dabei hinreichend sein, wenn das normbefolgende Verhalten aus den betreffenden Verhaltensweisen mit einer gewissen Sicherheit folgt. Das wiederum lasse sich nur im Wege einer Gesamtwertung ermitteln, die das Zusammenspiel und die Auswirkungen der rücktrittsbestimmenden Wertvorstellungen berücksichtigen müsse.24 20 21 22 23

Vgl. im einzelnen Ulsenheimer , Grundfragen, S. 339 ff. Grundfragen, S. 346. Rücktritt, S. 43ff., 59ff.; ders ., GA 1981, 403ff. Walter, Rücktritt, S. 46.

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Die entwickelten Kriterien kommen auch bei Walter 25 für die verschiedensten Fallgruppen zur Anwendung, die hier nicht in allen Einzelheiten nachvollzogen werden können. Dies liegt nicht zuletzt an den vielfachen Differenzierungen, die jeweils durch die notwendige Feststellung einer „hinreichenden" Normbefolgungsbereitschaft bedingt sind. Dabei geht es etwa um drohende Strafverfolgung, Schwierigkeiten oder Nachteile bei der Tatbegehung sowie unerwünschte Tatfaktoren. Unfreiwilligkeit soll jedenfalls vorliegen, wenn die Umstände dem Täter entgegenkommen, so beispielsweise in dem Fall, daß das Vergewaltigungsopfer dem Täter die einverständliche Hingabe verspricht. 26 Die Normbefolgungsbereitschaft, die im augenblicklichen Nachgeben zum Ausdruck komme, sei nämlich keine hinreichende. Auf der anderen Seite brauche eine seelische Lähmung — entgegen der h. M . — die Freiwilligkeit nicht notwendig auszuschließen.27 Sei der Schock als affekthafte Distanzierung von vorherigen Überzeugungen erklärlich, so werde das Innehalten häufig auf eine „Unfähigkeit zum Schlimmeren" rückführbar und dann auch privilegierbar sein. 4. Funktionaler

Freiwilligkeitsbegriff

28

Nach Jakobs bedeutet Freiwilligkeit die Zurechenbarkeit des Rücktritts. Der Widerruf des im Versuch expressiv werdenden tatbestandsnahen Normbruchs müsse dem Täter in dem Sinne zurechenbar sein, in dem gute Werke zurechenbar sein können, d. h. er dürfe nicht als Geschehen erscheinen, von dem der Täter distanziert werden kann. Diese Zurechenbarkeit oder Freiwilligkeit des Rücktritts entspreche der Schuld beim Versuch. Zwar könne der Rücktritt einen Versuch nicht beseitigen, ihn aber doch aufwiegen; er sei mithin als „Deliktsausgleichsgrund" 29 aufzufassen. Als Gegenstück der Schuld soll die Freiwilligkeit wie jene nur „funktional" bestimmt werden können: Was freiwillig ist, lasse sich nicht psychologisierend festlegen, aber auch nicht durch einen allgemeinen Normbezug (Ausrichtung an positiven Maximen), sondern nur durch Bezug auf das, was durch Rücktritt aufgewogen werden soll, also auf die konkrete Tat. Freiwillig sei demnach eine Motivation zum Rücktritt, die mit der Motivation zur konkreten Tat unverträglich ist. 3 0

24

Vgl. Walter, Rücktritt, S. 67f., 80f.; ders, GA 1981, 406. Rücktritt, S. 81 ff. 26 Walter, Rücktritt, S. 93 ff. im Hinblick auf die Sachverhalte von RGSt 75, 393 und BGHSt 7, 296. 27 Dazu Walter, Rücktritt, S.97ff. 28 AT 26/1 ff., 30ff. 29 So Jakobs, AT 26/2. 30 Jakobs, AT 26/30. 25

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Daraus folgt zunächst: Kann für die Änderung des Handlungsplans überhaupt kein signifikanter äußerer Anlaß benannt werden, so ist der Rücktritt eine Leistung des Täters, also freiwillig. Wie der Täter bei Bestimmung der Schuld in aller Regel für seine Antriebe und Neigungen als seine (negativ beurteilte) Angelegenheit einzustehen habe, so sei beim Rücktritt der Verlust der Handlungsbereitschaft in der Regel (positiv beurteilte) Angelegenheiten des Täters. Derjenige also, der es sich anders überlegt, der die Lust verliert, der die weitere Ausführung vergißt, der aus Scham zurücktritt oder Gewissensbissen folgt etc., verhalte sich freiwillig. 31 Wenn für die Änderung ein äußerer Umstand als Anlaß benannt werden kann, so gelte es wiederum in — Entsprechung der Schuldbewertung — zu unterscheiden: Erhöht der äußere Umstand Unrecht und Schuld, soll er also den Normappell stärken, dann sei der Rücktritt nur ein Verzicht auf ein gesteigertes Delikt und nicht freiwillig. Ist der Umstand aber Unrechts- und schuldneutral (oder gar -mindernd), so gebe der Anlaß rechtlich nicht eher einen Grund zur Umkehr ab, als zuvor schon an Gründen gegeben waren, und die Motivation zum Rücktritt sei deshalb mit der Motivation zum Versuch unverträglich; der Rücktritt stelle also eine dem Täter zurechenbare Leistung dar. 3 2 Sein Ergebnis faßt Jakobs 33 in dem Satz zusammen: „Nicht schon der Täter handelt freiwillig, der zurücktritt, um nicht noch mehr Unrecht zu schaffen und Schuld auf sich zu laden, sondern erst derjenige, dem das bereits Verwirklichte zu viel ist." 5. Zur Kritik

der Strafzwecktheorien

Von seiten der herkömmlichen Auffassung wird an den normativen Lehren zunächst deren Unbestimmtheit gerügt. 34 Hinreichend präzise Kriterien ließen sich aus den Formulierungen nicht gewinnen. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, daß die angebotenen Deutungen der Freiwilligkeit schwerlich mit dem Gesetzeswortlaut zu vereinbaren und damit die Grenzen zulässiger Auslegung überschritten seien.35 Diese Kritik macht zum wiederholten Male das entscheidende Manko des Normativismus deutlich: Sobald durch „reine" 31

Jakobs, AT 26/36. Jakobs , AT 26/37 f. 33 AT 26/40; zu Einzelfragen siehe ferner 26/42 ff. 34 Vgl. Baumann / Weber , AT, S. 506; Lackner , § 24 Anm. 3b bb; Maurach I Gössel, AT II, S. 84; Wessels, AT, S. 196 (gegen Roxin). Nach Stratenwerth (AT I, Rdn. 705) wird durch die Strafzwecktheorie zunächst nicht mehr als die „Trivialität" ausgesprochen, daß die Sanktion der Strafe dort, wo das Gesetz auf sie verzichtet, offenbar nicht zwingend geboten ist. 32

35 Vgl. Lackner, § 24 Anm. 3b bb; Maurach / Gössel, AT II, S. 84; Herzberg, in: LacknerFS, S. 328 ff.; Otto, AT, S. 294; speziell gegenüber Walter auch Küper, GA 1982, 232 und Vogler, L K , § 24 Rdn. 90.

II. Normativierende Deutungen

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Wertungen der Boden der Tatsachen verlassen wird, verflüchtigen sich die Begriffe ins Unverbindliche und müssen Spekulationen weichen, mit denen das gewünschte Ergebnis produziert wird. Die gesetzliche Regelung ist für den Normativisten ohnehin zweitrangig. Besonders bemerkenswert ist nun, daß sich die „Extremisten des kriminalpolitischen Lagers" 36 auch gegenseitig die Unklarheit der Begriffsbildung vorwerfen. Sie scheinen also selbst den Konstrukten, die doch nur „nüchternste Kriminalpolitik" 3 7 verkörpern sollen, nicht ganz zu trauen. Es versteht sich allerdings, daß der jeweils eigene Ansatz von jedem Vorwurf ausgenommen wird. Zunächst hat Ulsenheimer 38 die Konzeption Roxins einer eingehenden Kritik unterzogen. Im einzelnen bemängelt er begriffliche Ungenauigkeiten, die Unbestimmtheit und Willkürlichkeit des Roxin'schen Leitbildes sowie die Unbrauchbarkeit der „Verbrechervernunft" als Abgrenzungskriterium in Fällen des Rücktritts vom beendeten Versuch. Ganz ähnlich lauten die Einwände von Walter 39, daß dieser Ansatz begrifflich ungenau und die Ergebnisse in beträchtlichem Ausmaß manipulierbar seien. Die Regeln und „Zunftgrundsätze" würden nämlich nicht von den Verbrechern, sondern von Roxin selbst aufund zusammengestellt. An Ulsenheimers Forderung nach einer „Rückkehr des Täters in die Bahnen des Rechts" wird von Walter 40 ebenfalls die mangelnde Begriffsklarheit kritisiert. Ihm scheint hinter der Verwendung dieser Begriffe ein erheblicher Realitätsverlust des Strafrechts zum Ausdruck zu kommen: Es erfasse die privilegierungswürdigen Phänomene nicht mehr sachgerecht. Dieser Befund verdient volle Zustimmung; nur fragt es sich, ob der Autor selbst der von ihm beschworenen Gefahr entgeht. Denn es ist schwer erkennbar, was eigentlich die Walter'sche „Normbefolgungsbereitschaft" von der Ulsenheimer'schen „Rechtstreue" unterscheiden soll: Wer bereit ist, rechtliche Normen zu befolgen, verhält sich doch wohl nicht anders als rechtstreu. Letztendlich kann auch Walter der intranormativistischen Kritik nicht entgehen. Nach Jakobs 41 fehlt der Ausgestaltung des Freiwilligkeitsmerkmals

36

So die pointierte Formulierung von Herzberg, in: Lackner-FS, S. 355. Wie Roxin (Heinitz-FS, S. 255) seine Überlegungen kennzeichnet. 38 Grundfragen, S. 306 ff. 39 Rücktritt, S. 63; ders., GA 1981,411; von einem „Strafzweckgerechten Rücktrittshomunculus" spricht Herzberg, in: Lackner-FS, S. 363; auch Stangl (Nutzen und Nachteil, S. 268) äußert ein gewisses Erstaunen über die Leichtigkeit, mit der Roxin der „maßstabgerechte Verbrecher" aus der Feder fließt; nach Stratenwerth (AT I, Rdn. 720) werden damit nur „verbreitete Denkklischees" zu einem wissenschaftlichen Kriterium erhoben. 40 Rücktritt, S. 65 ff. 41 AT 26/34 (Betonungszeichen dort); krit. auch Herzberg, NStZ 1989, 51 f. 37

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als „hinreichende^) Normbefolgungsbereitschaft" noch die hinreichende Exaktheit. Auch diese letzte Stellungnahme zielt also auf die vage Begrifflichkeit einer anderen Auffassung ab. Ein weiteres Problem dürfte darin zu sehen sein, daß die neueren Lehren die Freiwilligkeit durchweg anhand der ratio des § 24 StGB bestimmen wollen, während schon von vornherein über den Grund der Strafbefreiung keine Einigkeit herrscht. 42 Die kritisierten Auffassungen müssen deshalb notwendig ein bestimmtes Verständnis der Regelung zugrunde legen und andere Aspekte dabei vernachlässigen. Eine Konzeption hingegen, die sich in jede Theorie schlüssig einbauen ließe, könnte bereits von daher für sich in Anspruch nehmen, den Kerngedanken am besten zu erfassen. Es ist also zu untersuchen, ob die herkömmliche, am Wortsinn 43 des freiwilligen Handelns orientierte Deutung als autonome Entscheidung des Täters mit den maßgeblichen Theorien zur ratio des Rücktrittsprivilegs verträglich ist. a) Nach der überkommenen kriminalpolitischen Theorie will das Gesetz dem Täter eine „goldene Brücke" bauen. 44 Ihm soll durch die Verheißung der Straflosigkeit ein Anreiz gegeben werden, den Versuch vor der Vollendung aufzugeben bzw. den Erfolg abzuwenden. An diesem Gedanken wird auch heute noch in der Weise festgehalten, daß dem Täter der Rückweg in die Legalität jedenfalls nicht geradezu durch die Erwägung abgeschnitten werden soll, er müsse ohnehin mit Strafe rechnen. 45 Ganz abgesehen von der positiven oder negativen Formulierung dürfte indes eines feststehen: Der Gesetzgeber kann die Brücke zwar bauen, betreten muß sie aber der Täter selbst kraft autonomer Entscheidung. U m im Bild zu bleiben: Unter dem Einfluß heteronomer Motive wird der Betreffende allenfalls nolens volens auf den richtigen Weg „getrieben", er kann ihn aber nicht eigenverantwortlich einschlagen. Der Anreiz zur Umkehr setzt also per se die Entscheidungsfreiheit voraus, ihm aus eigenem Willen (frei-willig) nachzukommen. b) Wohl überwiegend wird heute die sog. Prämientheorie (auch: Verdienstlichkeitstheorie) vertreten. 40 Danach liegt der tragende Grund für die strafbefreiende Wirkung des Rücktritts in der Erwägung, daß § 24 StGB die Abkehr

42

Zu den verschiedenen Meinungen siehe im einzelnen die Darstellung bei Jescheck , AT, S. 485ff.; Vogler , L K , §24 Rdn. 6ff. 43 Dazu, daß „freiwillig" kein sinnleeres Wort ist, sondern einen festen Kern des autonomen Entscheidens beinhaltet, siehe auch Herzberg , in: Lackner-FS, S. 330; auf die Autonomie des Willens(akts) abstellend Lampe, JuS 1989, 613. 44 In diesem Sinne etwa RGSt 73, 52 (60); v. Liszt , L B 1 , S. 143 f.; KohlrauschILange, §46 Anm. I; Maurach , AT, S. 518; neuerdings Puppe, NStZ 1984, 490. 45 So Bloy , Dogmatische Bedeutung, S. 160; Jescheck , AT, S. 485; Wessels , AT, S. 187 f. 46 Vgl. BaumannI Weber, AT, S. 502f.; Bockelmann, NJW 1955, 1420; BockelmannI Volk, AT, S. 214; Dreherl Tröndle, § 24 Rdn.3; Jescheck, AT, S. 485 f.; Otto, GA 1967, 150; Schröder, M D R 1956, 322; im Grundsatz auch Vogler, L K , § 24 Rdn. 20.

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von der Tat belohnen will. Für diese Ansicht kann es von vornherein allein um ein Handeln aus freien Stücken gehen; denn nur, was freiwillig geleistet wird, ist „verdienstlich" und wird deshalb mit Straflosigkeit prämiert. Täterautonomie und Freiwilligkeit stehen hierbei folglich in einem untrennbaren Zusammenhang. c) Die neueren (normativen) Lehren können unter der Rubrik „Strafzwecktheorie" zusammengefaßt werden. Ihr einheitlicher Grundgedanke ist darin zu sehen, daß infolge des Rücktritts eine Bestrafung des Täters weder notwendig ist, um ihn für die Zukunft von Straftaten abzuhalten, noch um andere von derartigen Verhaltensweisen abzuschrecken oder die verletzte Rechtsordnung wiederherzustellen. 47 Auch der B G H 4 8 hat verschiedentlich in diesem Sinne argumentiert: Steht der Täter von dem begonnenen Wunsch freiwillig ab, so zeige sich darin, daß sein verbrecherischer Wille nicht so stark war, wie es zur Durchführung der Tat erforderlich gewesen wäre. Seine Gefährlichkeit, die im Versuch zunächst zum Ausdruck gekommen war, erweise sich nachträglich als wesentlich geringer. Aus diesem Grunde sehe das Gesetz davon ab, den „Versuch als solchen" zu ahnden. Denn eine Strafe erscheine ihm aus spezialoder generalpräventiven Gründen nicht mehr nötig. Auch die Strafzwecktheorie kommt nun aber nicht daran vorbei, daß nur ein freier Willensentschluß des Täters zur Umkehr die Notwendigkeit einer Bestrafung entfallen läßt. Dies gilt zunächst für die spezialpräventive Komponente, denn eine günstige Prognose, der Täter werde sich in Zukunft auch ohne Strafeinwirkung rechtskonform verhalten, kann allein dann erfolgen, wenn er aus eigenem Antrieb das deliktische Vorhaben abbricht. Hierdurch wird zumindest die Fähigkeit des Täters erkennbar, sich an den Anforderungen des Rechts zu orientieren. Ähnlich ist der generalpräventive Aspekt zu beurteilen. Dem schlechten Beispiel der Versuchstat braucht nur dann nicht entgegengewirkt zu werden, wenn der Täter es selbst durch „gutes Betragen" wieder konterkariert hat; ein erzwungenes Wohlverhalten beseitigt hingegen die rechtserschütternde Wirkung nicht. Schließlich erscheint auch eine Stabilisierung der Rechtsordnung nur dann nicht vonnöten, wenn der Täter sie durch eigenverantwortliches Tun „wiederhergestellt" hat. Der Ansatz der normativen Lehren ist also in Wahrheit umzukehren: Der Rücktritt ist nicht freiwillig, weil er das Sanktionsbedürfnis entfallen läßt, sondern das Strafbedürfnis entfällt, weil der Rücktritt freiwillig ist. Mithin hat sich gezeigt, daß alle Theorien zum Grund des Rücktrittsprivileges die autonome Entscheidung des Täters zur Voraussetzung haben. Die Kritik an 47 Vgl. Roxin, Kriminalpolitik, S. 37; ders., in: Heinitz-FS, S. 270; Rudolphi, SK, § 24 Rdn.4; dahingehend auch Bergmann, ZStW 100 (1988), 334ff.; Bloy, Dogmatische Bedeutung, S. 158 ff.; Bottke, Methodik, S. 471 Anm. 218; Walter, Rücktritt, S.23f. 48 BGHSt 9, 48 (52); 14, 75 (80); der Gesichtspunkt des Mangels eines gefestigten verbrecherischen Willens findet sich bereits bei Frank, V D A V, S. 242 f.

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§ 10 Freiwilligkeit des Rücktritts

einer „psychologisierenden" Betrachtungsweise übersieht zum wiederholten Male den Vorrang des Wertsubstrats. Zunächst muß aber der psychische Sachverhalt erfaßt werden, den es zu beurteilen gilt. 4 9 M.a. W.: Der Rücktritt kommt dem Täter zugute, wenn er aus autonomen Motiven erfolgt und deshalb als freiwillig (i.S.d. § 24 StGB) zu bewerten ist. Als Problem der sog. psychologischen Theorie verbleibt allerdings noch die von ihren Gegnern behauptete Unbestimmtheit, gar Undurchführbarkeit. Es stellt sich daher die Aufgabe, die Differenzierung nach autonomen und heteronomen Motiven zu präzisieren und an praktikablen Kriterien auszurichten. III. Unfreiwilligkeit als Nötigungssituation

Das einer autonomen Entscheidung des Täters entgegenstehende Hindernis ist der Zwang: Der Rücktritt wird dementsprechend als unfreiwillig angesehen, wenn er durch „zwingende" Hinderungsgründe veranlaßt ist. 5 0 Da die Anwendung dieser Formel bisher offenbar so große Schwierigkeiten bereitet hat, erhebt sich die Frage, ob nicht das StGB selbst an anderer Stelle einen Hinweis darauf gibt, wann ein willensbeugender Zwang anzunehmen ist. Der Schlüssel hierfür findet sich bei den Straftaten gegen die persönliche Freiheit, speziell im Nötigungstatbestand. § 240 StGB setzt voraus, daß jemand — durch Gewalt oder Drohung — zu einem von ihm nicht gewollten Verhalten genötigt wird. Nach einhelliger Auffassung ist das Tatbestandsmerkmal „nötigen" gleichbedeutend mit „zwingen" zu verstehen. 51 Es geht also bei der Nötigung um den willensbeugenden Zwang, der einer freien (autonomen) Entscheidung zuwiderläuft. In seiner grundlegenden Entscheidung zu § 240 StGB hat auch das Reichsgericht 52 das Spannungsverhältnis von Freiheit und Zwang recht deutlich herausgestellt: Es geht davon aus, daß das Wort „frei" seiner Sprachbedeutung nach zunächst (nur) die Verneinung einer Beeinträchtigung (frij = geschont) besagt; es bezeichne also einen Zustand der Person, in dem sie die ihr als Mensch eignende und das Wesen der Persönlichkeit ausmachende natürliche Fähigkeit zur Selbstbestimmung und Selbstbeherrschung unbehindert zur Geltung bringen 49

Dazu, daß es auch beim Begriff der Freiwilligkeit darum geht, psychische Gegebenheiten unter normativen Aspekten zu erfassen, vgl. Maurach/Gössel, AT II, S. 82; Schmidhäuser, StuB 11/86. 50 Insoweit übereinstimmend Eser, in: Schönke/Schröder, § 24 Rdn. 44f.; Heinitz, JR 1956, 249; Jescheck, AT, S. 490; Krauß, JuS 1981, 886; Otto, AT, S. 293; Vogler, L K , § 24 Rdn. 95; Wessels, AT, S. 191 f. 51 Vgl. Frank, § 240 Anm. I; Köhler, in: Leferenz-FS, S. 519; Lackner, § 240 Anm. 2; Schäfer, L K , § 240 Rdn. 57; Wessels, BT-1, S. 86; eingehend Bergmann, Das Unrecht der Nötigung, S. 46 ff. mit Hinweisen auf das ältere Schrifttum. 52 RGSt 48, 346 ff.

III. Unfreiwilligkeit als Nötigungssituation

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kann. Diese Selbstbestimmung komme im Wählen zwischen verschiedenen Handlungsalternativen zum Ausdruck. Durch die Ausübung eines Zwanges auf die Person werde nun die freie Wahlentscheidung beeinträchtigt. Insbesondere mittels Drohung erfolge ein psychischer Zwang dadurch, daß vom Drohenden ein von seinem Willen abhängiges Motiv in den anderen Willen hineingetragen wird und insoweit seine Herrschaft darin begründet ist, als eben dieses Motiv die Kraft hat, die Wahltätigkeit zu lenken. Das jetzt handlungsleitende Motiv sei also fremdbestimmt. In diesen Ausführungen tritt der Gegensatz zwischen autonomer und heteronomer Entscheidung klar hervor. Auf der anderen Seite ist das Nötigungsmerkmal schon frühzeitig mit der Qualifizierung eines Rücktritts als unfreiwillig in Beziehung gesetzt worden. Bereits in den Materialien zum preuß. StGB wird die Grenze der Freiwilligkeit in dem Gegensatz: der Nötigung des Abstehens (gleichgültig, durch welche Mittel) gefunden. 53 So sei beispielsweise die augenscheinliche Gefahr, entdeckt zu werden, eine solche Nötigung. Später ist dieser Aspekt leider weitgehend aus dem Blickfeld geraten. 54 Wenn aber heute — im Anschluß an Dohna55 — verschiedentlich behauptet wird, es sei unmöglich festzustellen, ab wann die freie Entscheidung in ein Genötigtsein umschlägt 56 , so müssen sich die betreffenden Autoren fragen lassen, wie sie eigentlich jemals die Vollendung des § 240 StGB nachweisen wollen. Denn es dürfte für sie ebensowenig möglich sein festzustellen, ob das einer Drohung ausgesetzte Opfer sich wirklich diesem Zwang gebeugt hat. Da diese Konsequenz noch nirgends gezogen worden ist, läßt sich vermuten, daß die fragliche Grenzziehung eben doch durchführbar sein muß. Die Parallele zur Nötigung läßt sich nun in zweierlei Hinsicht fruchtbar machen. (1) Nach ganz h. M. schützt § 240 StGB die freie Willense«tschließung und WiMensbetätigung. 51 Übertragen auf die Rücktrittsproblematik bedeutet dies: Sofern bereits die Willensentschließung betroffen ist, geht es um das — vorrangig zu prüfende — „Aufgeben" der Tat; auf die Freiwilligkeit kommt es dann nicht mehr an. Denn ein freiwilliges Handeln setzt zunächst einmal eine Willenshandlung voraus. Wenn in der Literatur bisweilen behauptet wird, ein zur Unfreiwilligkeit führender Zwang könne nur bei „völliger" seelischer 53

Goltd. Mat. I, S. 257. Eine — freilich nur beiläufige — Erwähnung findet der Nötigungsgedanke noch bei Schröder, M D R 1956, 323; Herzberg, in: Lackner-FS, S. 362. 55 ZStW 59 (1940), 544. 56 So der gemeinsame Tenor der „Normati visten"; vgl. Bottke, JR 1980,443; Roxin, in: Heinitz-FS, S. 252f.; Rudolphe SK, §24 Rdn. 24; Ulsenheimer, Grundfragen, S. 302; Walter, Rücktritt, S. 60f. 57 Vgl. Blei, BT, S. 68; Dreher / Tröndle, § 240 Rdn 1; Eser, in: Schönke/ Schröder, § 240 Rdn. 1; Lackner, § 240 Anm. 1; MaurachI Schroeder, BT I, S. 124; Schäfer, L K , § 240 Rdn 2; Welzel, LB, S. 324; Wessels, BT-1, S. 77; in der Rspr. grundlegend RGSt 48,346ff.; siehe jetzt auch BVerfGE 73, 206 (237). 54

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§ 10 Freiwilligkeit des Rücktritts

Lähmung 58 oder gar „Handlungsunfähigkeit" 59 angenommen werden, dann liegt dieser Meinung eine falsche Lozierung der Problematik zugrunde. Denn schon das Aufgeben erfordert eine Entschließung des Täters. 60 Erst wenn ein Wille vorhanden ist, die Tat abzubrechen, stellt sich die Frage, ob dessen Betätigung erzwungen ist oder nicht. (2) Die Freiheit der Willensbetätigung wird beeinträchtigt, wenn ein empfindliches Übel in Aussicht steht. Dabei werden bloße Unannehmlichkeiten schon durch den Begriff des „Übels" ausgeklammert. Empfindlich ist ein Übel, wenn die Drohung bei objektiver Betrachtung geeignet ist, einen besonnenen Menschen in der konkreten Situation zu dem erstrebten Verhalten zu bestimmen. 61 Die Ankündigung des Übels muß demnach geeignet sein, den Betroffenen in seiner Entschließung unfrei zu machen. 62 Ganz ähnlich hatte das Reichsgericht 6 3 im Hinblick auf die (Un-) Freiwilligkeit des Rücktritts auf die Stärke des Beweggrundes abgestellt, nach der sich beurteile, ob der unter ihrem Einfluß stehende Wille in eine bestimmte Richtung gelenkt wird. Der gemeinsame Nenner der §§ 24 und 240 StGB läßt sich nach alledem wie folgt formulieren: Unfreiwillig ist der Rücktritt, wenn der Täter sich einem drohenden empfindlichen Übel gegenübersieht, das seinen Rücktrittsentschluß psychisch determiniert. Mit diesem Verständnis wird auch nicht einer (rein) „psychologisierenden" Betrachtungsweise Vorschub geleistet. Richtig ist zwar, daß zunächst das rücktrittsleitende Motiv des Täters — als psychischer Befund — herauszukristallisieren ist. Hinzu tritt aber ein normativer Aspekt, ob nämlich das Täterverhalten noch als „Eigenleistung" zu beurteilen ist. Bewertet werden muß also der Stärkegrad der Zwangs Wirkung. Wiederum kann auf die entsprechende 58

So Jakobs , AT 26/33; Welzel, LB, S. 198. BaumannI Weber, AT, S. 505; dahingehend auch das Beispiel von Hassemer, in: Nutzen und Nachteil I, S. 240: plötzliche Ohnmacht. 60 Ebenso BGHSt 9, 48 (51); die Willenskomponente des Aufgebens wird auch hervorgehoben von RGSt 63, 158 (159); 68, 381 f.; RG GA Bd. 36 (1888), 159 (160); zum Vorrang des Merkmals „Aufgeben" vor dem der „Freiwilligkeit" siehe außerdem Bottke , Methodik, S. 505f.; Gutmann , Freiwilligkeit, S. 80ff.; Herzberg , in: Blau-FS, S. 97f.; Hruschka, , JZ 1969, 497; früher bereits Herbst , GA Bd. 32 (1884), 134. 61 So — nur in Nuancen differierend — die ganz überwiegende Auffassung: BGHSt 31, 195 (201); 32, 165 (174); BGH NStZ 1982, 287; Dreher / Tröndle, §240 Rdn. 9; Lackner , § 240 Anm. 4b; Schäfer , L K , § 240 Rdn. 52; Wessels , BT-1, S. 82; eingehende Darstellung bei Bergmann , Unrecht der Nötigung, S. 135ff., der selbst (S. 140) einen objektivindividuellen Maßstab propagiert; für eine solche Kombination auch Maurach / Schroeder , BT I, S. 132; Schmidhäuser , BT 4/16; Welzel , LB, S. 325. Ein echter Gegensatz folgt daraus indes nicht, da die h. M. ebenfalls die Lage des jeweils Bedrohten berücksichtigt und lediglich die Reaktion eines Überängstlichen oder Überempfindlichen ausschließen will. 62 So Schäfer , L K , § 240 Rdn. 52. 63 RGSt 75, 393 (395). 59

III. Unfreiwilligkeit als Nötigungssituation

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Deutung der Empfindlichkeit des Übels bei §240 StGB verwiesen werden: Dieses Merkmal wird dort als nicht nur faktische, sondern auch normative Voraussetzung angesehen, die entfalle, wenn von dem Bedrohten in seiner Lage erwartet werden kann, daß er der Drohung in besonnener Selbstbehauptung standhält. 64 Somit findet auch hier die stets notwendige Verknüpfung von Substrat und Wertung statt. Was die einzelnen Fallgruppen betrifft, so geht es dabei zum Teil um Fragestellungen, die außerhalb des Freiwilligkeitsmerkmals angesiedelt sind. Dies gilt etwa für die von Roxin 65 in seine kriminalpolitische Deutung miteinbezogene Problematik der endgültigen Aufgabe des deliktischen Vorhabens. Hierbei ist zu prüfen, ob der Täter die weitere Ausführung der „Tat" i. S. des § 24 StGB aufgegeben hat. Desgleichen ist die Abgenzung zwischen unbeendetem und beendetem Versuch 66 unabhängig von dem Erfordernis „freiwillig" vorzunehmen. Gerade letzteres strittige Merkmal sollte nicht mit andersgelagerten Vorfragen überfrachtet werden. Die sonst genannten Konstellationen wie Tatentdeckung, Gegenwehr des Opfers oder Belastbarkeit des Täters 67 sind nach der Stärke der davon jeweils ausgehenden Zwangswirkung zu entscheiden. So ist insbesondere bei der Gefahr des Entdecktwerdens zu differenzieren: Solange es sich lediglich um eine bloße Möglichkeit handelt, bewirkt diese Situation keinen unwiderstehlichen Zwang; sie gehört zudem bei einer Reihe von Delikten (z. B. Laden- oder Einbruchdiebstahl) zum „normalen", mit der Tat notwendig verknüpften Risiko. Ansonsten kommt es darauf an, ob sich die Sachlage so weit zugespitzt hat, daß von einem in dieser kritischen Situation Befindlichen nicht erwartet werden kann, er werde der Bedrohung in besonnener Selbstbehauptung standhalten. Ist beispielsweise der Tatort bereits von der Polizei umstellt, dann kann der Täter nun nicht mehr reumütig seinen Rücktritt verkünden; er ist nicht mehr Herr der Lage und damit auch nicht mehr „Herr seiner Entschlüsse". Besonders umstritten ist die Freiwilligkeit des Rücktritts für den Fall, daß der Täter einer versuchten Vergewaltigung von der Tat absteht, weil ihm das Opfer die einverständliche Hingabe in Aussicht stellt. Der B G H 6 8 hat einen freiwilligen Rücktritt bejaht, weil diese Erwartung für den Täter kein zwingender Grund zur Verbrechensaufgabe gewesen sei. Bemerkenswert ist, daß in der Literatur die Frontstellung exakt zwischen den beiden großen Meinungslagern verläuft: 64 Vgl. BGHSt 31, 195 (201); 32,174 (185); Eser, in: Schönke/Schröder, § 240 Rdn. 9; Horn, NStZ 1983, 499; Schäfer, L K , § 240 Rdn. 52; Wessels, BT-1, S. 82. 65 Kriminalpolitik, S. 38.— 66 Siehe auch dazu die „strafzweckorientierte Lösung" bei Roxin, in: Heinitz-FS, S. 268 f. 67 Zu den Fallgruppen im einzelnen Ulsenheimer, Grundfragen, S. 333 ff., 339 ff.; Walter, Rücktritt, S. 81 ff., 86 ff. 68 BGHSt 7, 296; BGH NStZ 1988, 550; anders noch RGSt 75, 393.

13 Küpper

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§ 10 Freiwilligkeit des Rücktritts

Während die Vertreter der herkömmlichen Auffassung zur Freiwilligkeit gelangen69, kommen die kriminalpolitischen Lehren allesamt zum gegenteiligen Ergebnis. 70 Danach soll die Tataufgabe kein Zeichen rechtstreuer Gesinnung sein bzw. keine hinreichende Normbefolgungsbereitschaft erkennen lassen. Vom psychologischen Ansatz her erscheint die Entscheidung durchaus konsequent, da der Täter jedenfalls von der gewaltsamen Erzwingung des Geschlechtverkehrs Abstand genommen hat und zu diesem Entschluß keineswegs genötigt worden ist. Demgegenüber ist bei den Strafzwecktheoretikern das Bemühen erkennbar, das von ihnen gewünschte Ergebnis mit der jeweils vorausgesetzten kriminalpolitischen Interpretation des Freiwilligkeitskriteriums in Einklang zu bringen. Offenbar „paßt" es ihnen nicht, daß der Versuchstäter neben der Aussicht auf das erstrebte Ziel auch noch mit Straffreiheit belohnt werden soll. Dabei gleitet die rechtliche Beurteilung leicht ins Moralisieren ab. Dies gilt vor allem für die — eine gewisse Entrüstung verratende — Beurteilung von Bockelmann 71, der Betreffende habe „bestenfalls die Rolle des Vergewaltigers mit der des Verführers vertauscht"; deshalb verdiene er keine Schonung. Aber auch die weniger deutlich moralisierenden Begründungsversuche vermögen nicht zu überzeugen. So wird das besonders „vernünftige" Verhalten des Täters dahingehend gewürdigt, es unterstreiche nur seine Gefährlichkeit. 72 In Wirklichkeit läßt der Verzicht auf die gewaltsame Durchführung doch wohl eine geringere Gefährlichkeit erkennen. Ferner soll die Normbefolgungsbereitschaft, die im augenblicklichen Nachgeben zum Ausdruck gelangt, keine hinreichende sein. 73 Dabei fällt auf, daß dieses Ergebnis u.a. auf spekulative Erwägungen gestützt wird: Es sei nämlich ungewiß, ob der Täter im Falle späterer Weigerungen der Frau nicht wieder zu gewaltsamem Verhalten übergegangen wäre. Davon abgesehen bleibt unklar, was denn eigentlich vom Zurücktretenden zu verlangen ist; das Gesetz jedenfalls begnügt sich mit einem nicht erzwungenen Ablassen von dem deliktischen Vorhaben. Schließlich wird die Unfreiwilligkeit wegen der Aussicht, den durch Delikt erstrebten Erfolg auch ohne Delikt zu erhalten, damit begründet, daß die dem Täter unnütze Wahl gerade des deliktischen Weges ihn bei dieser

69 Vgl. Blei, AT, S. 242; Heinitz , JR 1956, 251; Jescheck , M D R 1955, 563; Maurach ¡Gössel, AT II, S. 86f.; Schmidhäuser, AT 15/84; siehe auch Vogler, L K , §24 Rdn. 89. 70 Vgl. Bottke, Methodik, S. 528; Jakobs, AT 26/44; Roxin , in: Heinitz-FS, S. 259; Ulsenheimer, Grundfragen, S. 329f.; Walter, Rücktritt, S. 94f. 71 NJW 1955, 1421; dagegen Heinitz, JR 1956, 251: Ob der Wunsch, die Frau zu verführen, unmoralisch ist, gehe den Richter nichts an. 72 Vgl. Roxin, in: Heinitz-FS, S. 259; Bottke, Methodik, S. 528; sehr kritisch dazu Herzberg (Lackner-FS, S. 360), der dieses Argument für einen schlechten Scherz hält. 73 Walter, Rücktritt, S. 95; gegen diese Anforderung macht Vogler (LK, § 24 Rdn. 90) geltend, sie komme einem Moralisieren gleich, das der ratio der Rücktrittsvorschrift zuwiderlaufe.

III. Unfreiwilligkeit als Nötigungssituation

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Fallgestaltung belasten würde, wenn er die Erfolge nicht kumulieren kann. 7 4 Aber auch hierdurch wird dem Betreffenden zuviel abverlangt. Ihm ist ja nicht verboten, ein bestimmtes (rechtlich neutrales) Ziel zu erreichen; untersagt ist lediglich die Durchführung auf inkriminierte Art und Weise. Hat er diesen Weg aber verlassen, so muß sich das Strafrecht damit zufriedengeben. Letztlich führt auch die Erwägung eines „Wegfalls der Geschäftsgrundlage" nicht weiter; ein solcher wird angenommen, wenn nach Tatbeginn entschlußbestimmende Faktoren entfallen. 75 Insoweit dürfte schon fraglich sein, ob das dominante Tatmotiv nicht darin besteht, den Geschlechtsverkehr hic et nunc auszuüben, so daß diese „Geschäftsgrundlage" durch das Angebot des Opfers nicht in Wegfall gebracht würde. Jedenfalls ist die Freiwilligkeit des Rücktritts auf die aktuelle Situation zu beziehen, in der sich für den Täter die Alternative zwischen Aufhören und Weitermachen stellt. Insgesamt hat sich also gezeigt, daß die normativen Interpretationen des Freiwilligkeitsmerkmals auf „kriminalpolitische Spekulationen" 76 hinauslaufen und den entscheidenden Kern aus den Augen verlieren. Von einer Undurchführbarkeit des psychologischen Ansatzes kann demgegenüber keine Rede sein. Schon das Reichsgericht 77 hat darauf hingewiesen, daß die Entscheidung zwar von der Beurteilung der Sachlage auf subjektivem Gebiet abhängt, dem Strafrichter daraus aber keine andersartige und schwierigere Aufgabe erwächst, als sie ihm sonst auch überall obliegt, sobald er über den Sinn und Zweck einer Handlung oder Entschließung sich klar werden muß. Darüber hinaus kann — wie gesehen — die Konkretisierung der Rücktrittsmotivation anhand von bereits in anderem Zusammenhang erarbeiteten Leitlinien vorgenommen werden. Auch in diesem hier zum Abschluß behandelten Bereich ist den Normativierungstendenzen eine Absage zu erteilen.

74 75 76 77

13*

Vgl. Jakobs, AT 26/44. Vgl. Eser, in: Schönke/ Schröder, § 24 Rdn. 47. So Herzberg, in: Lackner-FS, S. 366. RGSt 37, 402 (406).

Dritter

Teil

Ergebnisse und Schlußfolgerungen § 11 Zusammenfassung I. Das Wesen des Normativismus

Im vorhergehenden war oftmals vom „Wesen" der Dinge die Rede, zugleich zeigte sich aber auch das Wesen des Normativismus als seine Beliebigkeit und Unschärfe. Die „Selbstherrlichkeit der normativen Systeme"1 verführt allenthalben dazu, unüberprüfbaren Wertungen Raum zu gewähren. Dabei mögen die auf diese Weise errichteten Gedankengebäude zwar in sich durchaus konsistent sein, sie entziehen sich aber einer extrasystematischen Kritik: „Bei einem selbstgenügsamen Werten gibt es keine Fehler — freilich auch nichts Richtiges." 2 Ein autonomes Wertreich immunisiert sich gegen Einwände, die von außen kommen. Damit tritt zugleich der ideologische Charakter des Normativismus hervor. Nach Luhmann3 ist kennzeichnend für jede Ideologie (seine eigene eingeschlossen), daß sie mit Wertsetzungen arbeitet. Diese Wertungen seien nicht wahrheitsfähig. Ideologien könnten nur noch auf ihre Brauchbarkeit für die Zwecke der Systemstabilisierung, nicht aber auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft werden. Es ist nun dieses reine Zweckdenken, was sich — am auffalligsten beim Schuldbegriff — in der Strafrechtsdogmatik breit macht. Von daher ist es indes nur noch ein kleiner Schritt zu dem Satz: „Der Zweck heiligt die Mittel." Solcher Gefahr entgeht ein Denken, welches sich die Mühe macht, an sachlogische Gegebenheiten anzuknüpfen. Zugleich gewährleistet es einen ideologisch neutralen Bereich, was die Transferierbarkeit der Ergebnisse in ausländische Rechtsordnungen ermöglicht 3a . Wie ein roter Faden zog sich durch den zweiten Teil der Arbeit die Feststellung, daß die Unklarheiten in allen Bereichen ein genuines Produkt des Normativismus sind.

1

Ballweg , Natur der Sache, S. 38. Hruschka , Strafrecht, S. X X I I I . 3 Soziologische Aufklärung, S. 59. 3f l Diesen Aspekt betonen auch Armin Kaufmann , in: Tjong-GedS, S. 100f.; Hirsch , in: Strafrecht und Kriminalpolitik, S. 74f., 79. 2

I. Das Wesen des Normativismus

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Schon beim Handlungsbegriff als „Grundstein" des Verbrechenssystems setzen die Erosionserscheinungen an. Die finale Handlungslehre kann hier auf die vorgegebene Struktur der menschlichen Handlung verweisen. Demgegenüber ist die soziale Handlungslehre dadurch gekennzeichnet, daß sie zur Auflösung des Handlungsbegriffs führt: Alle denkbaren Elemente sollen integriert werden — heraus kommt ein inhaltsleerer „ U n - B e g r i f f D i e logische Konsequenz wäre eigentlich, den Handlungsbegriff, wie es andere tun, ganz aufzugeben, da er in dieser Form ohnehin keine Aussagekraft mehr besitzt. Jener Befund bewahrheitet sich erneut bei der Abgrenzung von Tun und Unterlassen. Begreift man die Handlung als „Indienststellen der Kausalität", so kann das Unterlassen als nichtkausales Verhalten dem Handlungsbegriff von vornherein nicht unterfallen. Zugleich wird die Kausalität zum notwendigen Abgrenzungskriterium. Mit dem Absehen von vorgegebenen Elementen ist hingegen der Weg frei für normative Erwägungen, die in dem ominösen „Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit" ihren Ausdruck finden. Dieser Schwerpunkt wird dort aufgespürt, wo man ihn gerne haben möchte. Unschärfe und Beliebigkeit gehen hier Hand in Hand. Ein außerordentlich ergiebiges Betätigungsfeld hat sich der Normativismus mit der Lehre von der objektiven Zurechnung geschaffen. Die Weite dieser Fomel ermöglicht es in geradezu idealer Weise, wertende Faktoren vielfaltiger Art und Güte unterzubringen. Das hat dann aber zur Folge, daß bereits vorhandene — speziellere und damit eindeutigere — Kriterien zugunsten einer konturenlosen Betrachtungsweise aufgegeben werden. Dies gilt vor allem für das fahrlässige und erfolgsqualifizierte Delikt, für das mit dem „Pflichtwidrigkeitszusammenhang" und „Unmittelbarkeitsprinzip" jeweils eigenständige Merkmale zur Verfügung stehen, die dem Wesen der betreffenden Deliktsform schon in angemessener Weise Rechnung tragen. Beim vorsätzlichen Delikt kommt hinzu, daß die Frage der Vorsatzabweichungen ohne Not in den Bereich der objektiven Zurechnung verschoben wird; ein sachlicher Gewinn ergibt sich daraus nicht. Ein besonders augenfälliges Produkt in diesem Zusammenhang ist die Risikoerhöhungslehre. A n ihr werden die Auswirkungen normativierender Dogmatik in mehrfacher Hinsicht deutlich: Zunächst verfehlt sie das Essentiale der Fahrlässigkeit, nämlich die Realisierung der Sorgfaltswidrigkeit im Erfolg. Zum zweiten macht sie an dieser Stelle nicht halt; vielmehr okkupiert sie auch sachfremde Bereiche, namentlich die Förderungsformel der Beihilfe. Und drittens kann sie ihren Vertretern gar nicht normativ genug sein, sondern muß noch einmal „normativ reformuliert" werden. Einmal in Gang gebracht, läßt sich der Normativismus nicht mehr aufhalten. Im Bereich von Schuld und Strafe sieht sich das Schuldprinzip einer zielstrebigen Durchnormativierung ausgesetzt. Seine kriminalpolitische Umwandlung in eine an präventiven Bedürfnissen ausgerichtete „Verantwortlich-

198

§ 11 Zusammenfassung

keit" führt zu neuen Unsicherheiten und letztlich zum Außerkraftsetzen der strafbegrenzenden Funktion, da es den Strafzwecken ganz untergeordnet wird. Radikal zu Ende gebracht wird die Erosion des Schuldgedankens durch dessen Funktionalisierung, die das Schuldurteil in einen Zuschreibungsakt verwandelt. M i t dem Verzicht auf die Beachtung sachlogischer Strukturen geht zugleich ein wichtiges Stück an Rechtssicherheit verloren: Die Schuldfeststellung steht zur Disposition des Rechtsanwenders, der einen „Sündenbock" für die Verarbeitung eines gesellschaftlichen Konflikts benötigt. Das zweckorientierte Indienststellen der Schuldkategorie schlägt durch auf die Bestimmung der Vermeidbarkeit des Verbotsirrtums. Wenn diese als „Zuständigkeit" gedeutet wird, folgt daraus wiederum eine Verteilung von Verantwortung je nach Zweckmäßigkeit. Die dem intellektuellen Schuldelement eignende psychische Beziehung des Täters zum Verbotensein der Tat wird gänzlich ausgeklammert; für sie bleibt nur noch das Verdikt „psychologisierend" übrig. Auch die weniger weitgehende Ausrichtung an den „Geboten vernünftiger Kriminalpolitik" ist kaum hilfreich; die als Leitgedanke fungierenden „Ansprüche normaler Rechtstreue" sind schwerlich subsumtionsfahig. Ganz ins Spekulative verflüchtigen sich die normativen Lehren schließlich bei der Ausdeutung der Freiwilligkeit des Rücktritts. Die angebotenen Topoi sind Ausdruck freier Rechtsschöpfung, ihre Ergebnisse kaum noch kontrollierbar. Die dort anzutreffende Begriffsbildung hat immerhin bewirkt, daß sich der Normativismus gegen sich selbst wendet: Wechselseitig wird der Vorwurf erhoben, daß jeweils die andere Strafzwecktheorie als ungenau, unbestimmt und willkürlich zu klassifizieren sei. Es wäre zu begrüßen, wenn dieser Befund auch einen Umdenkungsprozeß in Gang setzen würde. Insgesamt ist festzuhalten, daß die normativierende Strafrechtsdogmatik in weiten Bereichen einen erheblichen Mangel an Klarheit und damit an Rechtssicherheit erkennen läßt. Oftmals geht sie von Prämissen aus, deren Tragfähigkeit einer kritischen Überprüfung nicht standhält. Hinzu kommt ein sorgloser Umgang mit dem geltenden Recht. Zwar muß die gesetzliche Regelung in Frage gestellt werden können; für die Auslegung de lege lata ist aber immer noch der mögliche Wortsinn im Auge zu behalten. Darüber hinaus sollte auch bei theoretischer Durchdringung mehr Wert auf Genauigkeit gelegt werden. Insoweit gilt ohne Einschränkung die kürzlich von Mayer-Maly 4 formulierte Mahnung: „Vor der allenthalben um sich greifenden Lust an der Unschärfe kann nicht eindringlich genug gewarnt werden."

4 JZ 1986, 562; auch Hirsch (ZStW 94 [1982], 278) rügt die zunehmende Beliebtheit unscharfer und systemgelöster Begriffsbildungen.

II. Wertungsobjekt und Objektswertung

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II. Wertungsobjekt und Objektswertung

Die Suche nach sachlichen Gegebenheiten räumt dem Objekt der Wertung wieder seinen legitimen Platz ein. Erst wenn das Substrat aufgefunden ist, steht auch der Anknüpfungspunkt für eine Bewertung fest. Zu Recht hat deshalb Hruschka 5 eindringlich davon abgeraten, sofort die breite Straße bloßen „Wertens" einzuschlagen. Die unbestreitbare Tatsache, daß im Recht auch Wertungen vorgenommen werden müssen, verführe viele Juristen dazu zu glauben, mit den Wertungen sei schon alles getan, und da letztlich sowieso alles von einer Wertung abhänge, könne man ja gleich mit der Wertung beginnen. Anstelle dieses bequemen Weges gilt es vielmehr, die zu bewertenden Sachverhalte ausfindig zu machen. Die Differenzierung von Wertungsobjekt und Objektswertung erlangt ihre Bedeutung auf jeder Stufe des Verbrechensaufbaus. Dort sind jeweils die sachlichen Merkmale und deren normative Beurteilung zu unterscheiden. Das Wertungsobjekt erschöpft sich also nicht etwa in den Umständen des Tatbestandes, sondern umfaßt ebenso Momente, die erst für spätere Deliktsebenen relevant werden. Dabei nimmt jede Stufe die vorhergehende in sich auf und fügt neue Aspekte hinzu. 6 In jedem Falle muß aber der Wertungsgegenstand, der mit einem Wertprädikat versehen werden soll, Beachtung finden. Sobald das Objekt der Wertung aus dem Blick gerät, sind Unklarheiten nicht zu vermeiden, wie sie sich in verschiedenen Bereichen einstellen. Schon beim Handlungsbegriff wird der anvisierte Gegenstand verfehlt, wenn sogleich nach dem Inhalt der Intention des Handelnden gefragt wird. Einheitlicher Bezugspunkt ist jedoch zunächst das Vorliegen einer final überdeterminierten Willens Verwirklichung. Erst in einem zweiten Schritt stellt sich die Frage nach dem konkreten Inhalt: Ist das intendierte Ziel die Realisierung eines Sachverhaltes, der einen strafrechtlichen Tatbestand ausfüllt? Bejahendenfalls geht es dann um ein Vorsatzdelikt. Bei Verneinung kann die finale Handlung immer noch die Eigenschaft „sorgfaltswidrig" aufweisen und wird demgemäß als fahrlässig bewertet. Die Willensbildung stellt zugleich das Substrat der Schuldbewertung dar, die ihr das Prädikat „vorwerfbar" zuerkennt. Das Objekt hat sich insoweit verselbständigt und seinen genuinen Standort im (subjektiven) Tatbestand gefunden. Gleichwohl kann von einer „Entleerung" des Schuldbegriffs keine Rede sein. Es gibt keinen zwingenden Grundsatz, der besagen würde, daß die 5 Strafrecht, S. X X I . In der Diskussion um den Schuldbegriff hat jüngst noch Tiemeyer (ZStW 100 [1988], 565) die richtungsweisende Einsicht unterstrichen, „daß jede normative Struktur zu einem nicht unerheblichen Teil inhaltlich durch Seinsabhängigkeiten bestimmt wird, deren gründliche Untersuchung erst Voraussetzung für die Erzielung gesicherter und überprüfbarer wissenschaftlicher Ergebnisse ist." 6 Siehe dazu auch Fukuda, JZ 1958,144,146; Hirsch, Negative Tatbestandsmerkmale, S. 243 f.

200

§ 11 Zusammenfassung

Wertung ausnahmslos auf ein und derselben Deliktsebene erfolgen müßte. Die Deliktsstufen sind auch verschiedene Wertungsstufen, außerdem kommen jeweils weitere Elemente hinzu. Im Tatbestand ist der Wille danach zu untersuchen, ob er auf ein deliktisches Ziel gerichtet ist. Auf der Schuldebene ist festzustellen, ob der Täter das Unrecht seiner Willensbildung erkennen und sich entsprechend dieser Einsicht verhalten konnte. Über diese grundsätzlichen Erwägungen hinaus lassen sich noch einige Einzelpunkte anführen, bei denen die in Rede stehende Abschichtung zur Geltung kommt: Normative Tatbestandsmerkmale enthalten einen faktischen Kern, der dem Werturteil schon von vornherein feste Konturen verleiht. Dies gilt insbesondere für den Gefahrbegriff, welcher sich deshalb einer völligen Normativierung widersetzt. Im Bereich von Täterschaft und Teilnahme existieren vorstrukturierte Erscheinungsformen, die nur noch in Randbereichen für Wertungsfragen Raum lassen. Ein augenfälliges Beispiel ist schließlich die Freiwilligkeit des Rücktritts. Hier geht es um die Erfassung eines psychischen Substrats als Objekt für die Bewertung des Rücktritts als freiwillig. Demgegenüber vernachlässigen die normativistischen Theorien durchweg das Wertungsobjekt und begnügen sich mit einer freien Wertung. Diese Freiheit ist allerdings teuer erkauft: Eine Wertung ohne Substrat geht ins Leere und eröffnet die Möglichkeit, ganz beliebige Kategorien einzuführen, die dann jegliche Sachbezogenheit zum intendierten Gegenstand vermissen lassen. Es bestätigt sich damit die Aussage von WelzeF, daß Seinsfeststellungen nicht — wie der „Wertungsjurist" hofft — weitestgehend durch Wertungen ersetzt werden können. III. Die Dominanz des Handlungsbegriffs

Entgegen einer heute zu beobachtenden Tendenz, den Handlungsbegriff als entbehrlich zu verabschieden 8, hat sich im Verlauf der Arbeit gezeigt, daß er in Wahrheit das tragende Fundament des Deliktssystems bildet, woran sich verschiedene Folgerungen und Wertungen knüpfen. Das Wesen der Handlung besteht in dem intentionalen Eingriff in die Außenwelt, der das Kausalgeschehen final überformt. Die vielfach erhobenen Einwände konnten zurückgewiesen werden, zumal sie teilweise immer noch auf überkommenen Mißverständnissen beruhen. 7

ZStW 58 (1939), 493. Vgl. Bockelmann , AT, S. 50; v. Bubnoff\ Entwicklung des Handlungsbegriffs, S. 154; Otter , Funktionen des Handlungsbegriffs, S. 201; Otto , AT, S. 63; Schmidhäuser , AT 7/33; auch Krauß (Zurechnung, S. 49) hält den Handlungsbegriff für „unergiebig"; nach Baumann (Armin Kaufmann-GedS, S. 186) hat er jedenfalls keine wesentliche Funktion. Seine Unentbehrlichkeit betonen demgegenüber Hirsch , ZStW 93 (1981), 844ff.; Jescheck , AT, S. 196; Arthur Kaufmann , in: H. Mayer-FS, S. 81; Maiwald , ZStW 86 (1974), 655; Maurach jZipf AT I, S. 184. 8

III. Die Dominanz des Handlungsbegriffs

201

Allein der finale Handlungsbegriff erweist sich auch als dogmatisch leistungsfähig und praktisch verwertbar. Setzt man hingegen an seine Stelle ein normatives Gebilde wie den sozialen Handlungsbegriff, wird er weitgehend funktionslos. Erst die Normativierung führt also dazu, daß man der Handlungslehre nur noch minimale Bedeutung zuerkennen will. Wie schon Maurach 9 hervorgehoben hat, ist dieses Ergebnis eine Folge gerade des sozialen Handlungsbegriffs. Das handelnde Subjekt tritt als „personales Aktionszentrum" in den Mittelpunkt des Geschehens. Sein finaler Verwirklichungswille dirigiert die Kausalität in Richtung auf den Erfolg. Merkmal jeder vorsätzlichen Deliktsverwirklichung ist folglich die finale Tatherrschaft. A n ihr scheiden sich Täterschaft und Teilnahme. Auch die Beteiligungslehre steht daher unter dem Einfluß des Handlungsbegriffs. Wie sich die Vernachlässigung des Handlungsbegriffs auswirkt, zeigt sich besonders augenfällig im Bereich der objektiven Zurechnung. Bereits die historische Betrachtung machte deutlich, daß „Zurechnung" — als Vermittlung des Willens zur Tat — von der Handlung nicht abgetrennt werden kann. Erst wenn man die subjektive Seite der Handlung aus dem Blick verliert, entsteht die (vermeintliche) Notwendigkeit, nach einschränkenden objektiven Kriterien Ausschau zu halten. Diese Vorgehensweise läßt sich noch bei einer der jüngsten Stellungnahmen zu diesem Problemkreis beobachten: Danach beginnt die Lehre von der objektiven Zurechnung mit der Erkenntnis, daß das objektive Unrecht der Erfolgsdelikte nicht zureichend, d. h. nicht vollständig beschrieben ist durch die drei Erfordernisse Erfolg, Handlung und Kausalität. Sie stelle sich also die Aufgabe zu klären, welche weitere Beziehung zwischen Handlung und Erfolg außer der Kausalität noch erforderlich ist. 1 0 Dabei fallt auf, daß die Handlung zwar Erwähnung findet, sie aber offenbar in einem rein objektiven Sinn verstanden wird. Essentiale der Handlung ist indes ihre innere Komponente, also der Handlungswille. Seine Beachtung führt zur Ausbalancierung von objektiven und subjektiven Gesichtspunkten.11 Damit wird zugleich verhindert, daß ein sonst drohender Objektivismus genuine Vorsatzprobleme vereinnahmt. Mag man den „uferlosen Streit" um den strafrechtlichen Handlungsbegriff 12 auch beklagen — entgehen kann man ihm nicht. Den Grund dafür hat Welzel 13

9

AT, S. 179. Vgl. Puppe, ZStW 95 (1987), 595. 11 Zur Ausgewogenheit von objektiven und subjektiven Faktoren im dogmatischen System näher Hirsch, ZStW 94 (1982) 240ff., 261 f., 266ff., 271; ders., in: H. KaufmannGedS, S. 142 f. 12 So Rudolphi, SK, Vor § 1 Rdn. 32. 13 ZStW 58 (1939), 493. 10

202

§ 11 Zusammenfassung

angegeben: Das als „Seinsfrage" vernachlässigte Gefüge der Handlung lasse innerhalb des Systems doch irgendwo einmal sein Gewicht spüren, selbst wenn man dann nicht weiß, woher der Druck kommt. Der Handlungsbegriff ist in der Tat der „archimedische Punkt" des Strafrechtssystems. 14 IV. Schlußwort

Die vorliegende Arbeit mußte sich mit einer Vielzahl von Begrifflichkeiten auseinandersetzen, die oftmals als unklar zu etikettieren waren. Wenn Begriffe die Forderung nach Bestimmtheit und unzweideutiger sprachlicher Bezeichnung erfüllen sollen 15 , dann mangelt es den normativen Schöpfungen gerade daran. Schon v. Liszt 16 verlangte von der Dogmatik „klare schneidige Begriffe". Wie hätte er die „Normen der Verbrecherzunft" o.ä. Erfindungsreichtum wohl beurteilt? Soweit schon (gesetzliche) Begriffe vorhanden sind, darf deren Wortsinn keine Gewalt angetan werden. Verlangt das Gesetz z.B. einen freiwilligen Rücktritt, dann steckt darin für jedermann erkennbar die Voraussetzung eines freien Willens. Das Konstruieren hochtrabender Termini für diesen schlichten Befund erinnert unwillkürlich an den Satz von Kant 17: "Neue Worte zu künsteln, wo die Sprache schon an Ausdrücken für gegebene Begriffe keinen Mangel hat, ist eine kindische Bemühung, sich unter der Menge, wenn nicht durch neue und wahre Gedanken, doch durch einen neuen Lappen auf dem alten Kleide auszuzeichnen." Da es Sachverhalte sind, die zur Sprache kommen 1 8 , muß das Interesse zuvörderst auch der Ergründung jener gelten. Die Wertungsjurisprudenz hingegen hat längst den Boden der Tatsachen verlassen und schwebt in einem selbstgeschaffenen Wertreich. In Zukunft sollte stattdessen die von der Phänomenologie ausgegebene Maxime 1 9 mehr Beachtung finden: Z U D E N SACHEN SELBST!

14

Treffend Hirsch , in: Delitala-Studi, S. 1945. Grundlegend Sigwart , Logik, S. 316ff.; vgl. auch Wagner , in: HphG I, S. 191,199f. (Stichwort „Begriff). 16 Strafrecht, 1. Aufl. 1881, Vorwort. 17 Kritik der praktischen Vernunft, Vorrede. 18 Vgl. Gadamer , Wahrheit und Methode, S. 421. 19 Zu finden bei Husserl , Logische Untersuchungen I I / 1 , S. 6; Heidegger , Sein und Zeit, S. 27; Reinach , Was ist Phänomenologie, S. 40; nach Gadamer (Gesammelte Schriften III, S. 117) handelt es sich um den „gemeinsamen Kampfruf 4 aller phänomenologischen Forscher. 15

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